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German Pages 1456 [1438] Year 1981
Wilhelm Wengler Internationales Privatrecht
Wilhelm Wengler
Internationales Privatrecht
1. Teilband
w DE
G 1981 Walter de Gruyter • Berlin • N e w York
Sonderausgabe von Band VI, 1. Teilband des BGB-RGRK, 12. Auflage Dr. jur., Dr. rer. pol., Dres. h. c. Wilhelm Wengler, em. o. Professor, ehem. Direktor des Instituts für Internationales und Ausländisches Recht und Rechtsvergleichung an der Freien Universität Berlin
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der Deutschen
Bibliothek
Wengler, Wilhelm: Internationales Privatrecht / Wilhelm Wengler. Berlin, New York: de Gruyter. ISBN 3-11-008233-0 Teilbd. 1.-1981. Aus: Das Bürgerliche Gesetzbuch. Bd. 6, Teilbd. 1.
© Copyright 1981 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sehe Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: Ernst Kieser GmbH • Graphischer Betrieb • 8900 Augsburg Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Buchgewerbe GmbH, 1000 Berlin 61
Vorbemerkung Das vorliegende Werk ist - für sich allein verständlich - ein Teilstück der Darstellung des bürgerlichen Rechts im Reichsgerichtsräte-Kommentar. Eine Ergänzung der Behandlung der im BGB enthaltenen Sätze durch eine Darstellung der internationalprivatrechtlichen Aspekte rechtfertigt sich allein schon daraus, daß eine Sachnorm des materiellen Rechts für den Rechtsanwender erst dann vollständig ist, wenn auch der räumliche und zeitliche Anwendungsbereich geklärt ist. Andererseits umfaßt das „Internationale Privatrecht" auch die Sätze, aus denen sich die Anwendbarkeit ausländischen Rechts im gesamten Bereich des Privatrechts (bürgerliches Recht, Handelsrecht usw.) ergibt. Aus wohlerwogenen sachlichen Gründen ist nicht die Fassung eines Kommentars zu den Artikeln 7 — 31 EGBGB gewählt, sondern eine systematische Ordnung des Stoffes vorgezogen worden. Nur sie ermöglicht es, die diffizile Materie im Lichte der Rechtsvergleichung und der in ihrer Bedeutung auch von der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Leitsätze darzustellen, und nicht zuletzt auch die Unvollkommenheit des derzeitigen Rechtszustandes deutlich werden zu lassen und Wege zu ihrer Korrektur aufzuzeichnen. Hieraus erklären sich auch die technischen Unterschiede gegenüber der Kommentierung des BGB. Der leichteren Benutzung des im ersten Band gebrachten Textes soll es dienen, daß sowohl die Anmerkungen, als auch die Gesetzes- und Vertragstexte in einem gesonderten Band abgedruckt sind.
Vorwort Als der Verlag vor Jahren mir den Vorschlag machte, ein internationales Privatrecht in Gestalt eines Kommentars zu den einschlägigen Artikeln des EGBGB zu schreiben, habe ich das ablehnen müssen. Diese gesetzlichen Bestimmungen stellen weder eine durchdachte und vollständige Regelung dar, noch kann an diesem jämmerlichen Gerüst das aufgehängt werden, was derzeit in Westdeutschland das geltende Recht ist, und was entweder auf völkerrechtliche Verträge oder auf die Bildung von Richterrecht zurückzuführen ist. Wollte man eine wirkliche Sammlung der Quellen des geltenden Rechts geben, so müßte sie über die gesetzten Bestimmungen hinaus, die Jayme vor kurzem zusammengestellt hat, auch jedenfalls die „leading cases" der obersten Gerichte umfassen. Aber auch davon allein lebt das deutsche internationale Privatrecht nicht; manches, was in nicht von der Bundesrepublik ratifizierten Haager Konventionen niedergelegt, oder in ausländischen Gesetzen enthalten ist, wird auch bei uns bereits als ratio scripta gesehen. Und selbst wenn die deutschen Gerichte nicht, wie dies die amerikanischen Gerichte zum Teil mit Leflar's Prinzipien tun, eine Privatkodifikation der allgemeinen Leitgedanken des internationalen Privatrechts zitieren, so sind sie sich doch, wenn auch vielleicht dunkel, dessen bewußt, daß es so etwas als eine letzte Rechtsquelle für die Materie gibt. Eine gigantische Dokumentation aller Gesetze, Verträge, Gerichtsentscheidungen und Literaturstellen als Basis für eine Darstellung des internationalen Privatrechts wäre für den Praktiker zu viel, und andererseits wieder für den Forscher zu wenig. Wer heute einen praktischen Fall unter Anwendung des als „positiv", als „geltend" unterstellten deutschen internationalen Privatrechts lösen will, kann nicht umhin, die erfreulicherweise für viele Jahre gesammelte deutsche Rechtsprechung über internationales Privatrecht insbesondere aus der Nachkriegszeit im Originaltext zu studieren. Er kann sich an Hand der „Fundhefte" und der „Aufsatzdokumentation" auch über die einschlägige neue Literatur informieren, und er kann in dieser Literatur sowie in anderen Bibliographien auch Hinweise auf weitere Literatur finden, wenn er glaubt, mit dem Vorgefundenen nicht auskommen zu können. Daß heute noch viele praktische Juristen nichts mit Bibliographien anfangen können 1 , daß viele Bibliotheken die eben genannten Sammlungen, und noch weniger die dort genannte Literatur, vollständig verfügbar haben, daß in Deutschland die Heranbildung von juristischen Fachbibliotheksleitern im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten geradezu sträflich vernachlässigt wird, daß es auch heute noch Professoren gibt, die sich durch Anfänger das „Material" zusammensuchen lassen, und die von Assistenten gefundenen Titel als „gelehrten Apparat" in ihre Bücher einfügen und so den Leser oft davon abhalten, besseres Material zu suchen und zu finden, — daran kann jedenfalls der, der ein neues Buch schreibt, nichts ändern. Der Forscher, der nicht für die Zwecke des aktuell gewordenen praktischen Falles arbeiten will, hat aber mehr zu tun. Er muß die ausländische Literatur und die ausländische Rechtsprechung studieren, und das ist ohnehin an wenigen Stellen in der Welt in befriedigender Weise möglich 2 . Soll der Verfasser eines internationalen Privatrechts also resignieren, weiterhin über die Meinungen anderer referieren und ein case law aus Entscheidungen unterschiedlichster Qualität nach „vorherrschenden Meinungen" abtasten? Das haben andere in umfangreiVII
Vorwort chen Werken versucht. Wenn das nicht genügt, dann müßte man schon einen riesigen C o m p u t e r bauen, ihn mit Material vollstopfen lassen und bei Bedarf abrufen. Die chaotische Situation bezüglich des internationalen Privatrechts ist in Westdeutschland noch dadurch verschlimmert worden, daß es in großem U m f a n g zweifelhaft geworden ist, inwieweit das überkommene normative Material überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. M a n mag die Prüfung von internationalem Privatrecht mit Maßstäben des Verfassungsrechts als etwas Störendes und Unerwünschtes betrachten, insbesondere weil damit das ohnehin so kümmerliche Gerüst des EGBGB noch mehr zum Einsturz gebracht w i r d ; die Prüfung läßt sich aber im westdeutschen Verfassungsstaat ebensowenig vermeiden, wie sie sich in den Vereinigten Staaten vermeiden läßt. Gegen ein bloßes Umschichten in einem immer größer werdenden case law spricht aber auch, daß nicht nur der „Geist" der Urheber des EGBGB, sondern auch der Geist der Rechtsprechung zum internationalen Privatrecht bis in die Nachkriegszeit dem Fachmann heute als weitgehend überholt erscheint. Das schematische Operieren mit starren Zuweisungsnormen, traditionellen Anknüpfungsmomenten, Qualifikation nach der lex fori usw., wie es in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Kammergerichts vor dem zweiten Weltkrieg üblich war, kann auch denjenigen, der nicht zu der neuen Schar jugendlicher Bilderstürmer gehört, unmöglich noch befriedigen. Es gibt im deutschen internationalen Privatrecht zahlreiche Punkte, für die auch neuere Entscheidungen des B G H schon wieder so zweifelhaft geworden sind, daß man nicht mit Sicherheit erwarten kann, daß das Gericht daran festhalten wird. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt brauchbare Korrekturarbeit bei solchen Gelegenheiten geleistet, w o das Ü b e r k o m m e n e schon in der Literatur kritisiert wurde, und w o der entscheidende Senat auch Zeit hatte, nachzudenken. Zu erwarten, daß durch solche Zufallstreffer oberstgerichtlicher Urteile eine sinnvolle Reform des internationalen Privatrechts in der Bundesrepublik herbeigeführt werden könnte, wäre aber Illusion. M u ß also das Heil in einer reformierenden Neukodifikation gesucht werden, wie sie in zahlreichen anderen Ländern, und bemerkenswerterweise auch in allen anderen deutschsprachigen Staaten, in Angriff genommen worden ist? Gegen solche nationalen Neukodifikationen spricht zunächst, daß sie eine Verstarrung zur Folge haben, welche die Bildung von international uniformem Kollisionsrecht notwendig hindert. Eine universale Kodifikation des ganzen internationalen Privatrechts ist andererseits auch von der Haager Konferenz nicht zu erwarten. Die bisherigen Arbeiten innerhalb der E W G zu einer regionalen Kodifikation für das Schuldrecht und das Sachenrecht sind nicht gerade ermutigend. Beängstigend ist im übrigen, wie groß die Zahl der offenbar stets unter einem gewissen Erfolgsdruck erarbeiteten Verträge der Haager Konferenz einerseits, und wie gering die Zahl der endgültigen Ratifikationen und Beitritte andererseits ist. Was das internationale Privatrecht im gegenwärtigen Zeitpunkt offenbar braucht, ist eine Atempause wirklicher Besinnung, ehe die internationalen oder nationalen Rechtssetzer handeln, und ehe die Rechtsprechung Korrekturen anbringt. Das hier vorgelegte Buch will daher in erster Linie das Resultat einer solchen Besinnung des Autors vorlegen und zur weiteren Besinnung anregen. Die Besinnung hat sich in erster Linie auf das zu beziehen, w a s man heute als „allgemeinen Teil" des internationalen Privatrechts bezeichnet; es sollte aber nicht unterlassen werden, diese Ergebnisse der Besinnung auch schon im besonderen Teil auf ihre V e r w e n d barkeit zu testen. Es ist kein Zufall, daß der allgemeine Teil des internationalen Privatrechts in den letzten Jahren mehrere Autoren zu einer Darstellung angeregt hat. Was zu dem allgemeinen Teil von anderen gesagt worden ist, sind manchmal nur Schlagworte. W o das nicht der Fall ist, spielt vielfach das Interesse an den Details des Handwerkszeugs immer noch eine überragende Rolle gegenüber den grundsätzlichen Fragen nach dem W o z u des VIII
Vorwort internationalen Privatrechts. Manche Autoren wirken wie Bildhauer, die sich vorwiegend um die Ziselierung der Handgriffe ihres Meißels bemühen, anstatt die Eigenschaften des Steins zu prüfen und die physikalischen Grundlagen seiner Bearbeitung zu studieren, von dem geplanten Werk ganz zu schweigen. Man muß sich andererseits dessen bewußt werden, daß auch im internationalen Privatrecht nicht ein Grundrecht der Menschen auf Gerechtigkeit restlos verwirklicht werden kann. Diese vielleicht unbefriedigende Erkenntnis sollte nicht mit Zitaten von Sprichwörtern über Volksweisheiten vernebelt werden. So wie die Medizin den Menschen nicht so gesund machen kann, daß er unsterblich wäre, kann auch das Recht nur dazu beitragen, daß das Leben in der Gesellschaft für die Menschen nicht ganz so unerträglich ist, wie es ohne eine rechtliche Ordnung wäre. Diese Ausrichtung auf das Humane darf auch im internationalen Privatrecht über aller Technik und allen Konstruktionen nicht vergessen werden. Hierzu ist nicht zuletzt auch eine breite Kenntnis der auf der Welt vorhandenen Privatrechte, ihrer inhaltlichen Verschiedenheiten, ihrer Methoden und ihrer ideologischen Grundlagen erforderlich. Diese Kenntnis müßte eigentlich vorhanden sein, ehe ein kollisionsrechtlicher Fall entsteht, der zur Anwendung von ausländischem Recht nötigt. Angesichts der immer häufiger werdenden Kontakte zwischen Menschen aus den verschiedensten Ländern muß das Kollisionsrecht heute auf größte Verschiedenheiten der anzuwendenden Rechte vorbereitet sein. Wer sich etwa nur mit den verschiedenen Ausgestaltungen der Legitimität des Kindes in den europäischen Rechten befaßt und das Kollisionsrecht auf dieser Grundlage gestaltet, kann nicht damit fertig werden, daß plötzlich andere Rechte auftauchen, die wesentlich abweichende Lösungen haben, oder gar überhaupt einen Unterschied von legitimen und illegitimen Kindern nicht kennen. Darüber hinweg zu spielen, wie das manche tun, hat ebensowenig Sinn, wie das Verbeißen in die Details der Ausgestaltung einer Einrichtung in einem ausländischen Recht mit dem „Ergebnis", daß sie als eine Institution sui generis zu betrachten sei. Wer über Legitimanerkennung und das Fehlen von Legitimation und Adoption im Islamrecht redet, ohne sich dessen bewußt zu sein, wie sich der Statusbesitz in „westlichen" Rechten und etwa im Hindu-Recht auswirken, kann nicht zu einer Klärung beitragen. Wirkliche Experten in breiter Rechtsvergleichung sind nun heute so rar, wie sie es schon vor 50 Jahren gewesen sind. Bei denen, welche die Schmalspurvergleichung des eigenen Rechts mit einem einzelnen anderen Recht betreiben 3 , zeigt sich, daß Halbgebildetsein in einer Materie oft noch gefährlicher ist als die volle Unkenntnis. Wie aber kann es überhaupt dazu kommen, daß Rechtsvergleicher da sind, die über mehr als eine oberflächliche Bildung verfügen? Die Universität kann solche Juristen in den wenigen Studienjahren nicht produzieren. Der in der Praxis stehende Jurist hat keine Zeit, sich so mit ausländischem Recht zu befassen, daß er ein wirklicher Experte breiter Rechtsvergleichung wird. Die wenigen Forschungsinstitute, in denen der Arbeitsapparat vorhanden ist, wie er für Mitglieder einer Akademie für Rechtsvergleichung notwendig wäre, haben sich leider darauf kapriziert, Monopolstellungen abzusichern und Habilitationspfründen für den Professorennachwuchs an den Universitäten bereit zu stellen. Aber selbst wenn alles das anders wäre: das Gefühl, so viel über die Rechte der Welt mit Sicherheit zu wissen, daß man wirklich Experte der Rechtsvergleichung ist, erwirbt man erst nach jahrzehntelanger intensiver Beschäftigung mit ausländischem Recht. Zur gesteuerten Produktion von solchen Experten ist gegenwärtig die Wissenschaftsorganisation in keinem Land der Welt vorbereitet. So mag es bei rückschauender Betrachtung der Autor als ein mehr als unwahrscheinliches Glück empfinden, wenn er einen solchen langen Weg des Lernens abschreiten konnte. Sicher führte dieser Weg auch an gefährlichen Abstürzen vorbei; in keiner Berufslaufbahn IX
Vorwort ist die Behinderung des Könners, der sich durch Geleistetes ausweisen kann, und nur damit ausweisen will, so erheblich, wie das schon früher auch in Deutschland an den damals vorhandenen wissenschaftlichen Institutionen der Fall war, bis es die politisierte Gruppenuniversitäi der Universitätsreform geradezu zu ihrem Lebenselement gemacht hat. So hatte auch der junge Jurist, der im letzten Studiensemester einen Seminarvortrag über das selbstgewählte Thema der Vorfrage im internationalen Privatrecht hielt 4 , zunächst damit fertig zu werden, daß ihm nach glänzend bestandenen Examina erklärt wurde, angesichts der vorliegenden Informationen über seine politische Einstellung sei ihm der Staatsdienst, und damit auch eine Habilitation, verschlossen. Aber auch der, der im NS-Staat mit einem Minimum der Tarnung auskommen wollte, konnte dann von seinem Institutschef zu hören bekommen, daß dieser sich selbst gefährdet fühle, wenn der junge Mann sich nicht mehr in nationalsozialistischen Organisationen betätige. Auch sonst sehe ich die Jahre in den Kaiser-Wilhelm-Instituten während der NS-Herrschaft nicht in dem rosigen Licht, das manchmal auf sie ausgestrahlt wird; das gilt vor allem, nachdem die Protektoren des Verfassers, Martin Wolff und Hans Lewald, ins Ausland gegangen waren. Daß die Max-Planck-Gesellschaft den, der seinerzeit alsbald nach seiner Verhaftung durch die Gestapo von der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft aus seiner Stellung entlassen worden war 5 , nach dem Kriege nicht zurückholte, hat sich für diesen selbst letztlich zum Vorteil ausgewirkt. Er erhielt die Chance, an der Freien Universität in Berlin eine Institutsbibliothek für internationales und ausländisches Recht aufzubauen, mit der auch das solange gehütete Monopol der Max-Planck-Institute zur Ermöglichung von Forschungsarbeiten gebrochen worden ist. Ablenkungen von der Forschungsarbeit sind auch hier nicht ausgeblieben. So mag viel Zeit für das, was als Lebensarbeit gewollt war, als verloren zu betrachten sein. Nicht bedauert werden die Jahre der gemeinsamen Arbeit mit Moltke im OKW und die Mitwirkung an einigen der großen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie brachten Chancen der Bewährung, die wichtiger waren als dieses oder jenes Forschungsergebnis. In insgesamt vier Jahrzehnten, davon zehn Jahre als „Referent" an den Instituten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, und mehr als zwei Jahrzehnten als Professor in Berlin, entstanden zahlreiche Skizzen zu dem Bild, das mit dem vorgelegten Buch gegeben werden soll. Nach der „Vorfrage" kam es zu einer ersten groben Skizze über die „Sonderanknüpfung" noch in den vierziger Jahren, Konzeptionen, die heute so geläufig sind, daß man sich des Urhebers kaum noch erinnert. In dem damaligen Wehrmachtgefängnis in Spandau, in dem nachher die großen Kriegsverbrecher untergebracht waren, entstand 1944 noch als Ablenkung in einer trüben Zeit die Skizze über die Vielfältigkeit der allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts. Nach dem Kriege wurden Qualifikation und Anwendungswilligkeit von Rechtsnormen, Spezialrechtsmethode und Zuweisungsmethode, individuelle Billigkeitslösungen im IPR und andere Fragen studiert. Zugleich wahrte die höchstpersönlich ausgeübte Gutachtertätigkeit 6 den Kontakt mit der praktischen Rechtsanwendung. Manche erste Skizze konnte später vervollständigt werden: Von der selbständigen bzw. unselbständigen Anknüpfung der Vor- und Teilfragen kam es zur stärkeren Betonung der speziellen Zuweisung dieser Fragen; die allgemeinen Leitprinzipien des Aufsatzes von 1944 wurden ergänzt durch die Prüfung der Bedeutung der verschiedenen Aspekte des Gleichheitsgedankens im Kollisionsrecht. Als Martin Wolff den Aufsatz über die Vorfrage gelesen hatte, meinte er gegenüber dem Verfasser, daß „die Leute" mehr als 20 Jahre brauchen würden, um zu verstehen, worum es geht. Es ist dem Verfasser nicht leicht gefallen einzusehen, daß Martin Wolff Recht hatte. Der oft geradezu schmerzverursachenden Arbeit des Durchdenkens der Fragen nach dem richtigen Recht gehen allzu viele aus dem Wege, indem sie das Spielen mit den Glasperlen der „juristischen Begriffe" und der Präzedenzfälle vorziehen. X
Vorwort
Keineswegs wird alles, was in dem vorgelegten Buch enthalten ist, vom Verfasser als sein letztes Wort und als endgültig geglaubte Erkenntnis angesehen. Der freudigen Entdekkung, daß bei Wittgenstein eine Grundlegung für das zu finden ist, was zu dem berüchtigten Qualifikationsproblem zu sagen ist, könnten noch andere folgen. Das Phänomen, daß im intergentilen Recht vielfach grundsätzliche Fragen nach dem anwendbaren Recht lange Zeit offen oder umstritten sein können, ohne daß die Rechtssicherheit dabei wesentlich leidet, könnte z. B . zu soziologischen Untersuchungen über die praktische Bedeutung des Kollisionsrechts reizen, zu denen bisher die Zeit gefehlt hat. Solche Untersuchungen könnten vielleicht den Schlüssel zum Verständnis dessen geben, daß sich auch mit einem schlechten internationalen Privatrecht so lange Zeit leben läßt. Die letzte Frage nach dem Verhältnis zwischen der Bedeutung richterlicher Rechtsanwendung und dem außergerichtlichen Ablauf des Rechtslebens mag sich auch für das internationale Privatrecht als bedeutsamer erweisen, als dies heute zu erkennen ist. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist für die finanzielle Unterstützung bei der Fertigstellung des Manuskripts durch Hilfskräfte, welche die Freie Universität ihrem emeritierten Ordinarius nicht stellte, zu danken. Als indirekter Förderer letztlich auch dieses Werkes zu gedenken ist nicht nur der Lehrer der Jugendzeit, Hans Lewald und Martin Wolff, sondern auch der Freunde insbesondere außerhalb Deutschlands, von denen hier nur der Name des dahingeschiedenen Rolando Quadri genannt sei. Aber auch denen, die zu dem einen oder anderen Punkt anderer Meinung gewesen sind, bin ich dankbar, indem sie mich zu weiterem Nachdenken oder zu besserer Begründung von Gesagtem veranlaßt haben. Das Buch widme ich der Frau, die, in ihrem Leben mit mir, mehr Förderung der Wissenschaft betrieben hat als diejenigen, die sich mit diesem Etikett schmücken, einer Frau, deren Mut in gefährlichen Lebenslagen mich so manche Männer verachten gelehrt hat. Berlin, im Juli 1980 Wilhelm
Wengler
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Von den platzsparenden „bibliographischen" Verweisungen auf anderweitige Zusammenstellungen von Literatur, die ich in meinem Völkerrecht gemacht habe, haben manche Rezensenten überhaupt nicht verstanden, worum es sich handelte.
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Man lese Sturms Klage im Vorwort zu seiner Neuauflage von Raapes Lehrbuch. Es ist irreführend, wenn in den letzten Jahren Habilitationen für das Fach Rechtsvergleichung auf Grund einer einzelnen Arbeit über ein einzelnes ausländisches Recht vorgenommen wurden. Erst recht gilt dies von der Angabe „Rechtsvergleichung" als Arbeitsbereich einer Professorenstelle. Als der im Laufe der folgenden Jahre noch erweiterte Aufsatz schließlich 1934 in Rabeis Zeitschrift erschien, hatte sich kurz zuvor auch Melchior zu dem Thema geäußert. Mit der „dritten Schule" hat die Entstehung der Arbeit nicht das geringste zu tun. Uber diese Vorgänge vgl. die in: Multitudo Legum, Ius Unum, Bd. 1, S. 7ff., gemachten Angaben von Schlabrendorffs, der auf Informationsquellen zurückgreifen konnte, die mir selbst nicht bekannt waren.
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Ein Teil der Gutachten ist veröffentlicht u. d. T . : „Gutachten zum internationalen und ausländischen Familien- und Erbrecht", 2 Bde., Berlin 1971.
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Inhaltsverzeichnis 1. Teilband A. Grundlagen und Ziele des internationalen Privatrechts §
1. Begriff und Gegenstand des internationalen Privatrechts Der Kernanwendungsbereich des staadichen Inlandsrechts. Die rechtliche Regelung im heterogen verknüpften Bereich auf dem Wege über die Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates
§ 2. Mögliche Stellungnahmen einer staatlichen Rechtsordnung zu heterogen verknüpften Sachverhalten a) Anwendung von eigenem Inlandsrecht des Forumstaates b) Bildung und Anwendung von Sätzen eines Spezialrechts für heterogen verknüpfte Sachverhalte c) Anwendung des Inlandsrechts fremder Staaten d) Anwendung von Spezialnormen eines anderen Staates e) Gleichzeitige Anwendung eigenen und fremden Rechts auf denselben heterogen verknüpften Sachverhalt f) Anweisung, in heterogen verknüpften Situationen nach Billigkeit zu entscheiden. . . . g) Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten durch Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen fremder staatlicher Gerichte h) Verweigerung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten i) Kombination verschiedener möglicher Stellungnahmen 1. Varianten der Zuweisungsmethode 2. Kombinationen der Zuweisungsmethode mit anderen Arten einer Stellungnahme k) Die Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten im Straf- und Verwaltungsrecht. § 3. Völkerrechtliche Bindungen bei der Bildung rechtlicher Stellungnahmen zu heterogen verknüpften Sachverhalten durch die Staaten a) Allgemeines b) Völkerrechtliche Voraussetzungen für die Ausübung von Gerichtsbarkeit über heterogen verknüpfte Sachverhalte c) Völkerrechtliche Zulässigkeit der Anweisung zur erzwingenden Anwendung von Recht, das der Gesetzgeber des Forumstaates selbst erlassen hat d) Exterritoriale Rechtssetzung und Rechtserzwingung e) Völkerrechtliche Verpflichtungen zum Schutz subjektiver Privatrechte f) Völkerrechtliche Bindungen bei der Bildung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten ohne Anwendung des eigenen Rechts g) Weitergehende vertragliche Bindungen h) Völkerrechtliche Unzulässigkeit der Regelung hoheitlicher Tätigkeit fremder Staatsorgane und der unmittelbaren Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit i) Privatrechtliche Verträge zwischen Staaten und Verwandtes
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Inhaltsverzeichnis § 4. Rechtsanwendungsanweisungen, Rechtsanwendungsbereiche und andere Grundbegriffe des internationalen Privatrechts a) Rechtsanwendungsanweisungen für staatliche Gerichte b) Rechtsanwendungsanweisungen für Schiedsgerichte c) Rechtsanwendungsanweisungen für internationale und gemeinschaftliche Gerichte. . d) Anwendungsbereiche der verschiedenen Privatrechtssätze im Forumstaat e) Geltungsgebiet und Bezugsgebiet von Rechtssätzen f) Anwendung ausländischer Verhaltensnormen im Zivilprozeß als Gewährung von „Rechtshilfe" an fremde Staaten und als Verschaffung von Rechtsschutz für den Inhaber subjektiver Rechte g) Die „Belegenheit" von heterogen verknüpften subjektiven Rechten h) „Rezeption" des angewendeten fremden Rechts im Forumstaat? i) Rechtsanwendungsanweisungen als notwendige Ergänzungen eigener Verhaltensnormen des Forumstaates und als materielles Justizrecht k) Lokal beschränkte und universale Verhaltenspflichten 1) „Hinkende" Rechtsverhältnisse und gewolltermaßen räumlich beschränkter Rechtsschutz für Rechtsverhältnisse
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§ 5. Die Folgen divergierender Stellungnahmen der verschiedenen Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten a) Das im Forumstaat von den Gerichten anzuwendende Recht als Motiv für das Verhalten der Privatrechtssubjekte. Die Funktion der Streitentscheidung in heterogen verknüpften Situationen b) Pflichtenkonflikte und andere Folgen divergierender Stellungnahmen der Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten für die Privatrechtssubjekte
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§ 6. Folgen der Anwendung von Rechtsinhalten aus verschiedenen Rechtssystemen im Rechtserzwingungssystem des Forumstaates
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7. Leitprinzipien zur Gestaltung des internationalen Privatrechts a) Gleichbehandlung bei der Steuerung menschlichen Verhaltens durch das Recht in heterogen und homogen verknüpften Situationen b) Sicherung der Harmonie der Lösungen für zusammenhängende Rechtsverhältnisse im Forumstaat Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik c) Verweigerung der Anwendung des vom eigenen Recht des Forumstaates kraß abweichenden ausländischen Rechts. Die negative ordre public-Klausel 1. Die Vergleichung des berufenen ausländischen Rechts mit dem eigenen Recht des Forumstaates 2. Ordre public-Klausel und Völkerrecht 3. Anwendung der ordre public-Klausel gegenüber anderem ausländischen Recht als dem normalen Inlandsrecht 4. Die Relativität der Vorbehaltsklausel 5. Die Ausfüllung der durch Nichtanwendung des berufenen ausländischen Rechts entstehenden Lücke 6. Spezialisierte gesetzliche Vorbehaltsklauseln 7. Die negative ordre public-Klausel bei der Rechtsanwendung durch Schiedsgerichte Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik d) Außenprivatrechtspolitisch motivierte Stellungnahmen eines Staates zu heterogen verknüpften Sachverhalten Spezialrecht zur Förderung oder Hemmung international verknüpfter Rechtsverhältnisse. Positive ordre public-Klausel. Ignorierung oder Beachtung der außenprivatrechtspolitisch oder mit der positiven ordre public-Klausel begründeten Maßnahmen fremder Staaten zur Anwendung ihres Rechts
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Inhaltsverzeichnis Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik e) Die Berücksichtigung der Stellungsnahmen anderer beteiligter Staaten Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Mehrheit der beteiligten Staaten? Unzulässigkeit der Anwendung von ausländischem Recht, das im Urheberstaat nicht anwendbar ist. Berücksichtigung der Rechtslage unter dem im Ausland angewendeten Recht als Faktum Anbang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik f) Das Gegenseitigkeitserfordernis Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik g) Kollisionen der internationalprivatrechtlichen Leitsätze unter sich h) Abzulehnende Postulate für die Gestaltung des internationalen Privatrechts i) Die Beeinflussung des internationalen Privatrechts durch die Verfassung des Forumstaates
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B. Die Technik des internationalen Privatrechts § 8. Die Bestimmung der Anknüpfungsgegenstände und die „Qualifikation" a) Grundsätzliches Das Entstehen (Bestehen) von konkreten Verhaltenspflichten als wichtigste „Rechtsfrage". Kategorien für Ansprüche auf die Erfüllung von Verhaltenspflichten anderer und Kategorien für anspruchsbegründende Rechtssätze b) Kategorien für Rechtssätze zur Beantwortung von Teilfragen Selbständige und unselbständige Anknüpfung von Teilfragen, Grundstatutsmethode und Mosaikmethode c) Die Technik der Bildung von Kategorien für Privatrechtssätze 1. Kategorien für Rechtssätze des eigenen Rechts, und Kategorien für Rechtssätze des eigenen und des ausländischen Rechts 2. Kategorienbildung durch normierte Enumeration 3. Kategorienbildung durch Definition 4. Zugehörigkeit zu einer Normenkategorie durch Funktionszusammenhang 5. Normierte Ausschlüsse aus einer definierten Normenkategorie 6. Bildung von Normenkategorien auf der Basis der Rechtsvergleichung 7. Die Bezeichnung der Normenkategorien 8. Qualifikation von Rechtssätzen bei bedingter Zuweisung und Gesamtverweisung 9. Zugehörigkeit eines Rechtssatzes zu mehreren Kategorien. Ausgleichung zwischen widerspruchsvollen Rechtssätzen aus mehreren Kategorien d) Zusammenhänge zwischen verschiedenen Normenkategorien 1. Vorbehalte von Spezialregelungen in allgemeinen Regelungen 2. Bedingtheit der Regelungen in Rechtssätzen einer bestimmten Kategorie durch Regelungen in anderen Normenkategorien. Anpassung e) Bildung der Kategorien für Rechtssätze für Teilfragen unter der Grundstatutsmethode und unter der Mosaikmethode f) Problematik der Teilfragen in bezug auf privatrechtserhebliche Staatsakte 1. Allgemeines 2. Zuständigkeit der Organe des Statutsstaates nach dem Recht des Statutsstaates. . 3. Bedingungen für die Anerkennung fremder Staatsakte im Statutsstaat 4. Subsidiäre Zuständigkeit der Organe des Statutsstaates und Verzicht auf den Staatsakt in heterogen verknüpften Situationen durch das Sachstatut 5. Automatische und förmliche Anerkennung fremder Staatsakte 6. Zuständigkeit von Staatsorganen zur Vornahme privatrechtlich relevanter Staatsakte unter ausländischem Recht 7. Selbständige Zuweisung von Sätzen über Staatsakte durch das internationale Privatrecht des Forumstaates 8. Weitere Fragen des anwendbaren Rechts bei der Vornahme von Staatsakten unter ausländischem Recht
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Inhaltsverzeichnis g)
Präjudizielle Recht-Pflicht-Verhältnisse. Qualifikation u n d Wege zur Bestimmung des anwendbaren Rechts 1. Wirkungen und N a c h w i r k u n g e n von Rechtsverhältnissen 2. Bedingtheit von N a c h w i r k u n g e n durch das Bestehen ähnlicher Regelungen im Statut des präjudiziellen Rechtsverhältnisses (das Prädestinationserfordernis) . . 3. Die f ü r die N a c h w i r k u n g e n wesentlichen Eigenschaften des präjudiziellen Rechtsverhältnisses 4. Die Bestimmung des auf die Frage des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses anwendbaren Rechts im Staat des Nachwirkungsstatuts 5. Das in anderen Staaten als dem Staat des Nachwirkungsstatuts auf die Vorfrage anwendbare Recht 6. Störungen der materiellen H a r m o n i e im Forumstaat bei Bestimmung des Vorfragenstatuts an H a n d der Kollisionsnormen des N a c h Wirkungsstatuts 7. Rechtskraftfragen 8. Im Inhalt von Rechtsgeschäften aufgeworfene Vorfragen Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik §
9. Die Zuweisung an die Sachnorm eines staatlichen Rechts a) Arten der Zuweisung 1. Positive und negative Zuweisungen 2. Direkte und indirekte Zuweisungen 3. Einseitige und zweiseitige, paritätische und unparitätische, generelle und individuelle Zuweisungen 4. Zuweisungen an ein einzelnes Recht und Zuweisungen an mehrere Rechte 5. Unbedingte und bedingte Zuweisung b) Von der Anwendungswilligkeit des ausländischen Rechts bedingte Zuweisung 1. Allgemeines 2. Wann liegt Anwendungswilligkeit bzw. Anwendungsunwilligkeit vor? 3. Die bei Anwendungsunwilligkeit des berufenen ausländischen Rechts bestehenden Möglichkeiten 4. Subsidiäre Zuweisung oder Gesamtverweisung? 5. H i n n a h m e der Anwendungsunwilligkeit des berufenen Rechts o h n e Gesamtverweisung oder subsidiäre Zuweisung 6. Welches Recht ist bei Anwendungsunwilligkeit aller berufenen Rechte anzuwenden? 7. Die Gestaltung der Zuweisungen im positiven Recht 8. Gesamtverweisung als Mittel zur unparitätischen Erweiterung des A n w e n dungsbereichs der eigenen Sachnormen des Forumstaates c) Zuweisung an mehrere Rechte d) Ermächtigung des Richters oder der Parteien zur Bildung der Zuweisung 1. Richterliches Ermessen zur Wahl des anwendbaren Rechts 2. Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Parteien Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
§ 1 0 . Das A n k n ü p f u n g s m o m e n t a) Gesichtspunkte f ü r die Gestaltung der A n k n ü p f u n g s m o m e n t e in den Zuweisungsnormen b) Arten der A n k n ü p f u n g s m o m e n t e A n k n ü p f u n g s m o m e n t e zur Bestimmung des anwendbaren Rechts und zuständigkeitsbegründende Verknüpfungen. Positive und negative A n k n ü p f u n g s m o mente c) D e r Beweis des Bestehens von A n k n ü p f u n g s m o m e n t e n d) Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Beschränkungen des Gesetzgebers bei der Aufstellung von A n k n ü p f u n g s m o m e n t e n e) Irrelevanz fraudulöser Verknüpfungen
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Inhaltsverzeichnis f)
Technik der Bildung der Anknüpfungsmomente Starre und elastische Anknüpfungsmomente Direkte und indirekte Bestimmung des Anknüpfungsmoments Objektive und subjektive Verknüpfungen als Anknüpfungsmomente Sachliche und persönliche Verknüpfungen Punktverknüpfung und Raumverknüpfung. Dauerverknüpfung und ephemere Verknüpfung 6. Faktische Verknüpfungen und rechtlich qualifizierte Vorgänge als Anknüpfungsmomente 7. Mehrspurigkeit des Anknüpfungsmoments 8. Leerlaufen der Zuweisung 9. Gekoppelte Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment g) Einzelne Anknüpfungsmomente 1. Staatsangehörigkeit 2. Gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz 3. Staatsangehörigkeits-oder Wohnsitz„prinzip"? 4. Zugehörigkeit juristischer Personen zu einem Staat 5. Zugehörigkeit eines rechtsanwendenden Organs zu einem Staat und einem staatlichen Inlandsrecht 6. Belegenheit von Sachen und Rechten als Anknüpfungsmoment 7. Zugehörigkeit von Schiffen und Luftfahrzeugen zu einem Staat Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik §11.
Die 1. 2. 3. 4. 5.
236 236 237 238 239 240 241 243 246 248 249 249 254 257 258 260 262 262 263
Spezialrechtssätze für auslandsverknüpfte Situationen a) Spezialrechtssätze im weiteren und im engeren Sinn b) Anlaß und Zweck von Spezialrecht im engeren Sinn 1. Spezialrecht zur Lückenfüllung bei der Zuweisungsmethode und bei Nichtanwendung der Zuweisungsmethode 2. Außenprivatrechtspolitisch motiviertes Spezialrecht 3. Spezialrechtliche Verbote der Schaffung von Auslands Verknüpfungen und der Beendigung von Inlandsverknüpfungen 4. Spezialrecht mit Rücksicht auf die Ungewißheit über das in heterogen verknüpften Situationen anwendbare Recht 5. Spezialrecht über die Auslösung von Rechtsschutz im Ausland unter Zugrundelegung anderer Kollisionsnonnen 6. Spezialrecht mit Rücksicht auf die Stellungnahmen anderer Staaten zu dem heterogen verknüpften Sachverhalt 7. Spezialrecht als Retorsion c) Internationalprivatrechtliche Zuweisungsnormen und Spezialrecht 1. Der Anwendungsbereich von inländischem Spezialrecht 2. Der Anwendungsbereich von ausländischem Spezialrecht im Forumstaat
264 264 267
§ 12. Das anzuwendende ausländische Recht a) Die Prüfung der Legitimität des Urhebers von Rechtsanwendungsanweisungen und Sachnormen im Forumstaat b) Effektivität und Legitimität beim ausländischen Recht c) Die Anwendung von völkerrechtswidrigem ausländischen Recht, sowie von ausländischem Recht, das von einer völkerrechtswidrigen Staatsgewalt herrührt d) Recht in Anschlußgebieten und supranationales Recht e) Das internationale Privatrecht und die Mehrrechtsstaaten 1. Die Regelung der internen Konflikte im Mehrrechtsstaat 2. Besonderheiten des intergentilen Rechts im Mehrrechtsstaat 3. Das internationale Privatrecht des Mehrrechtsstaates, und die internationalprivatrechtlichen Zuweisungen anderer Staaten an das Recht des Mehrrechtsstaates 4. Die Harmonisierung von internationalem und innerem Kollisionsrecht im Mehrrechtsstaat
282
267 269 271 271 272 274 277 277 277 279
282 284 287 290 291 291 296
298 301
XVII
Inhaltsverzeichnis § 1 3 . Das Zeitmoment im internationalen Privatrecht a) Die Abgrenzung der zeitlichen Anwendungsbereiche von altem und neuem Spezialrecht und alten und neuen Zuweisungsnormen des Forumstaates b) Völkerrechtliche Gesichtspunkte c) Die Beachtlichkeit der intertemporalen Rechtsanwendungsanweisungen des berufenen und anwendungswilligen ausländischen Rechts d) Besonderheiten beim Statutenwechsel durch veränderte Lokalisierung veränderlicher Dauerverknüpfungen e) Der Einfluß von Veränderungen des Geltungsbereichs von staatlichen Privatrechtsordnungen auf bestehende Rechtsverhältnisse Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik § 14. Das internationale Privatrecht und das gerichtliche Verfahren a) Die internationale Zuständigkeit der Staatsorgane zur rechtsanwendenden Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren 1. Allgemeines 2. Gerichtliches Ermessen zur A u s ü b u n g internationaler Zuständigkeit 3. Bedingte internationale Zuständigkeit und Zuständigkeitsrückverweisung 4. Begründung der internationalen Zuständigkeit eines staatlichen Gerichts durch Wahl des Gerichtsstandes seitens der Parteien 5. Erschwerungen der Inanspruchnahme internationaler Zuständigkeit 6. Ausschluß der internationalen Zuständigkeit der Gerichte durch Ausschließung der Rechtsqualität eines durch Vereinbarung begründeten sozialen Verhältnisses 7. Vereinbarte räumliche Beschränkung des Rechtsschutzes f ü r ein Rechtsverhältnis 8. Ausschluß der internationalen Zuständigkeit staatlicher Gerichte im Erkenntnisverfahren 9. Internationale Zuständigkeit der staatlichen Gerichte u n d Schiedsverfahren. . . . b)
Sonstige Beziehungen zwischen dem Rechtsschutz durch Verfahrensrecht und dem anwendbaren materiellen Recht 1. Allgemeines 2. Klagbarkeit und Klagbefugnis 3. Allgemeine Grundsätze über das Verfahren. Behauptungslast bezüglich des anwendbaren Rechts 4. Beweislast im Verhältnis zwischen den Parteien u n d widerlegbare Vermutungen 5. Die Zulässigkeit von Beweismitteln 6. Unwiderlegliche Vermutungen 7. Urkundenbeweis und F o r m der Abgabe von rechtsgeschäftlichen Erklärungen. 8. Anerkenntnisse im P r o z e ß und vor dem Prozeß 9. Behelfe z u m Schutz subjektiver Rechte 10. Verjährung 11. Prozeßfähigkeit und Vertretung im Verfahren
302 302 305 307 311 317 324 326 326 326 330 332 334 337
337 339 340 343 349 349 351 355 356 359 360 361 365 372 374 377
c)
Das Verfahren bei der A n w e n d u n g von ausländischem Recht und von Spezialrecht in heterogen verknüpften Situationen
380
d)
Billigkeitsentscheidungen in heterogen verknüpften Streitsachen
386
e)
Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in heterogen verknüpften Fällen und die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen u n d Vollstreckungsakte 1. Allgemeines 2. Die Tragweite der Rechtskraft der Entscheidungen der eigenen Gerichte des Forumstaates bei heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen 3. Die Bedeutung ausländischer rechtskräftiger Entscheidungen als Faktum unter dem im Forumstaat anwendbaren Recht
XVIII
386 386 387 391
Inhaltsverzeichnis
f)
4. Die internationalprivatrechtliche Zuweisung an ausländisches Recht als implizierte Anerkennung rechtskräftiger Anwendungen des ausländischen Rechts durch Gerichte des Statutsstaates 5. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaates in der Sicht des anerkennenden Staates als Voraussetzung der Anerkennung der Entscheidung. . 6. Die Bedeutung der der ausländischen Entscheidung zugrunde gelegten Kollisionsnormen für die Anerkennung 7. Die negative ordre public-Klausel bei der Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen 8. Die unrichtige Anwendung von materiellem Recht im ausländischen Urteil als Anerkennungshindernis 9. Gegenseitigkeit als Anerkennungsvoraussetzung 10. Inzidente und konstitutive Feststellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen 11. Die Beachtlichkeit der Rechtshängigkeit im Ausland 12. Die Anerkennung der materiellrechtlichen Wirkungen ausländischer Vollstreckungsakte und der sich selbst vollstreckenden Gerichtsentscheidungen ausländischer Gerichte Streitbeilegung auf andere Weise als durch gerichtliche Entscheidung. Verwirklichung von subjektiven Rechten durch Selbsthilfe 1. Die Rechtswirksamkeit von Akten der Streitbeilegung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens 2. Anerkennung und Vollstreckung von schiedsrichterlichen Streitbeilegungsakten 3. Verwirklichung von subjektiven Rechten durch Selbsthilfe
392 394 395 399 400 401 402 403
403 409 409 411 414
C . Angewandtes internationales Privatrecht I. Die B e g r ü n d u n g von Rechtsverhältnissen § 15. Der Anwendungsbereich von Rechtssätzen, welche gesetzliche Verhaltenspflichten und Haftungen für Schäden vorsehen a) Allgemeines b) Grundsätzliches über die Bestimmung des Anwendungsbereiches von Rechtssätzen über den Anspruch auf Unterlassung unerlaubter Handlungen c) Gemeinsame Gesichtspunkte für die Bestimmung des Anwendungsbereiches von gesetzlichen Verhaltensnormen im Zusammenhang mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen 1. Die Bestimmung des Anwendungsbereiches von gesetzlichen Verhaltensgeboten durch objektive Anknüpfungsmomente 2. Völkerrechtliche Schranken für den Anwendungsbereich der eigenen gesetzlichen Verhaltensgebote eines Staates 3. Völkerrecht über „Delikte" auf staatlosem Gebiet 4. Keine Anwendung ausländischer gesetzlicher Verhaltensgebote gegen den Willen des Urheberstaates 5. Bildung des Anwendungsbereiches für eigene Verhaltensgebote mit privatrechtlichen Unrechtsfolgen durch Verweisung auf den für inhaltsgleiche Verhaltensgebote mit öffentlich-rechtlichen Unrechtsfolgen bereits vorgesehenen Anwendungsbereich 6. Der Anwendungsbereich von gesetzlichen Verhaltensnormen, die nicht Schutzgesetze mit einem bereits anderweit fixierten Anwendungsbereich sind 7. Spezialnormen über das Verhalten in heterogen verknüpften Situationen 8. Durchbrechung der allgemeinen Verhaltensnormen des anwendbaren Deliktsrechts durch spezielleres Recht
416 416 417
419 419 421 424 425
425 427 428 429
XIX
Inhaltsverzeichnis 9. Materiellrechtliche Gegenseitigkeit für privatrechtliche Ansprüche aus unerlaubten Handlungen 10. Retorsion bei der Anwendung von Verhaltensgeboten zugunsten von Ausländern 11. Alternative Heranziehung mehrerer Rechte für die Frage nach Unterlassungsoder Schadensersatzansprüchen 12. Wege zur Bevorzugung eines einzigen Rechts als Schadensersatzstatut 13. Bestimmung des Deliktsstatuts durch den Parteiwillen und hypothetischen Parteiwillen 14. Sonstige Fälle d) Der Anwendungsbereich von Rechtssätzen über verschuldensfreie Haftung für Schäden 1. Zuweisung vermittels der gewichtigsten Kombination der Inlandsverknüpfungen und Wahl des anwendbaren Rechts 2. Anwendbares Recht bei gleicher Gewichtigkeit der Verknüpfungen 3. Anwendbares Recht bei der verschuldensfreien Haftung von besonderen Fonds 4. Staatshaftung ... 5. Spezialrecht über verschuldensfreie Schadenshaftung in heterogen verknüpften Situationen e) Gemeinsame Einzelfragen für Verschuldenshaftung und verschuldensfreie Haftung. 1. Die Handhabung der negativen ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht 2. Teil- und Vorfragen 3. Das Zeitmoment Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik § 16. Gesetzliche Unterhaltspflichten a) Die Rechtsgründe für gesetzliche Unterhaltspflichten 1. Unterhaltspflichten als gesetzliche Schadenshaftung 2. Unterhaltspflichten für Abkömmlinge 3. Sonstige gesetzliche Unterhaltspflichten b) Die Ermittlung der sachgerechten Anknüpfung und die sonstige Ausgestaltung der Kollisionsnormen für gesetzliche Unterhaltspflichten c) Vom Unterhaltsstatut aufgeworfene Teil- und Vorfragen d) Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in heterogen verknüpften Unterhaltssachen e) Wechsel des Unterhaltsstatuts f) Anerkennung von Unterhaltspflichten und Elternschaft g) Die Aktiv- und Passivlegitimation bei der Geltendmachung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen h) Die Handhabung der ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht über gesetzliche Unterhaltspflichten Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik §17. Anwendungsbereich von Gesetzen, welche Monopolrechte begründen a) Abgrenzung der Normen über gesetzliche Verhaltenspflichten von den Normen, welche Monopolrechte zu einem Handeln begründen b) Die Bestimmung des auf die Begründung von Monopolrechten anwendbaren Rechts 1. Die territoriale Beschränktheit der Monopolrechte 2. Schutz von Monopolrechten durch andere Staaten als den Staat des Wirkungsbereiches 3. Inlandsverknüpfungen als Voraussetzung für die Entstehung von Immaterialgüterrechten mit territorial beschränktem Wirkungsbereich
XX
430 431 433 435 435 436 437 437 439 440 441 443 443 443 445 451 454 455 455 456 456 457 457 461 465 467 468 469 471 472 477 477 478 478 481 482
Inhaltsverzeichnis
§18.
4. Das Gegenseitigkeitserfordernis beim Schutz ausländischer Monopolrechte. . . . 5. Hinkende Monopolrechte c) Teilfragen 1. Fähigkeit und Unfähigkeit zur Innehabung von Monopolrechten 2. Form von rechtsbegründenden Akten d) Wechsel der Verknüpfungen e) Veränderungen des Wirkungsgebietes von Monopolrechten f) Monopolrechte außerhalb von Staatsgebiet g) Die Ausübung und Verteidigung von Monopolrechten h) Die Zuständigkeit zur gerichtlichen Anwendung von Bestimmungen über territorial beschränkte Monopolrechte i) Der Name natürlicher Personen 1. Monopolrecht am Personennamen 2. Die Fassung des rechtmäßigen Namens 3. Spezialrechtliche Namensbildungsvorschriften des Wohnsitzstaates Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
483 484 485 485 487 488 490 491 492
Personensorgegewalt a) Begriffliches b) Gesichtspunkte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts c) Spezialrecht betreffend Sorgegewalt d) Völkerrechtliche Gesichtspunkte e) öffendich-rechtliche Sorgegewalt f) Anerkennung ausländischer Entscheidungen betreffend Personensorge Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
504 504 505 510 510 512 514 515
495 496 496 497 500 502
§ 19. Begründung von privatrechtlichen Pflichten durch Rechtsgeschäft a) Grundsätzliches b) Lokalisierungen des Rechtsgeschäfts durch die Geschäftserrichter c) Die Stellungnahme eines Forumstaates zu der im Rechtsgeschäft ausgedrückten Beschränkung seiner örtlichen Wirksamkeit d) Die Stellungnahme des Forumstaates zur Wahl eines anwendbaren Rechts durch die Geschäftserrichter e) Zuweisung an das von den Geschäftserrichtern als anwendbar geglaubte Recht f) Zuweisung an das bei hypothetischer Rechtswahl gewählte Recht g) Gesonderte Bestimmung der Rechte für einzelne Teilfragen 1. Allgemeines 2. Gesonderte Zuweisung von Teilfragen durch den Staat des Geschäftsstatuts. . . . 3. Gesonderte Bestimmung des Anwendungsbereichs einzelner Sätze der lex fori im internationalen Privatrecht des Forumstaates 4. Gesonderte Zuweisung von Teilfrageregelungen in bilateralen Zuweisungsnormen 5. Anerkennung der einseitigen Anwendungsansprüche anderer Rechtssätze als derjenigen des berufenen Geschäftsstatuts in dritten Staaten h) Besondere Probleme der Anwendbarkeit von Spezialrecht für pflichtbegründende Rechtsgeschäfte i) Bestimmung des gesetzlichen Geschäftsstatuts an Hand der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen k) Billigkeit als gesetzliches Geschäftsstatut? 1) Einzelfragen bei der Wahl des Geschäftsstatuts oder eines Teilfragenstatuts m) Das Zeitmoment bei der Bestimmung des für pflichtbegründende Rechtsgeschäfte maßgeblichen Rechts
518 518 519
§ 20. Fortsetzung a) Der Anwendungsbereich von Vorschriften über die zur Geschäftserrichtung gehörigen Willenserklärungen
549
521 522 524 525 526 526 526 527 529 530 532 536 538 539 545
549
XXI
Inhaltsverzeichnis b)
Der Anwendungsbereich von Formvorschriften 1. Bestimmung des Formstatuts durch das Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts. . . 2. Selbständige Anwendung von Formvorschriften durch andere Staaten als den des Geschäftsstatuts 3. Der Beweis der Geschäftserrichtung 4. Vereinbarte Form c) Der Anwendungsbereich von Vorschriften über den Einfluß des psychischen Zustandes der Geschäftserrichter auf die Geschijftsgültigkeit d) Anwendungsbereich von Rechtssätzen, welche persönliche Dauereigenschaften der Geschäftserrichter zur Gültigkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts machen 1. Der Anwendungsbereich von Bestimmungen über die allgemeine Geschäftsfähigkeit 2. Andere persönliche Eigenschaften als Volljährigkeit usw. als Voraussetzung der Gültigkeit von pflichtbegründenden Geschäften e) Bestimmungen über die Errichtung pflichtbegründender Geschäfte für geschäftsunfähige Personen durch gesetzliche Vertreter f) Bestimmungen über die Haftbarmachung von Vermögen einer geschäftsfähigen natürlichen Person durch gesetzliche Vertreter vermittels Rechtsgeschäfts g) Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die gewillkürte Vertretung bei der Errichtung pflichtbegründender Rechtsgeschäfte h) Hemmungen der gültigen Errichtung pflichtbegründender Rechtsgeschäfte mit Rücksicht auf andere bereits bestehende Rechtsverhältnisse i) Bestimmungen über die Befreiung von Vermögensteilen aus persönlicher Haftung und über die Vertretung bei der rechtsgeschäftlichen Haftbarmachung einzelner Vermögensmassen k) Der Anwendungsbereich von Rechtssätzen über die inhaltliche Gültigkeit von pflichtbegründenden Rechtsgeschäften 1) Rechtssätze über die Genehmigungsbedürftigkeit von pflichtbegründenden Geschäften m) Anwendbares Recht für die Auslegung von Rechtsgeschäften n) Die Ersetzung dispositiver Bestimmungen des Geschäftsstatuts über Wirkungen des durch das Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses o) Oktroyierte Verträge und durch Staatsakt begründete Privatrechtsverhältnisse Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik für rechtsgeschäftlich begründete Schuldverhältnisse des Vermögensrechts § 2 1 . Das a) b) c)
IPR der Eheschließung und der persönlichen Ehewirkungen Die verschiedenen Arten der Rechtsehe Das „Geschäftsstatut" für die Ehe und die Mosaikmethode Das auf Ehehindernisse in Gestalt persönlicher Eigenschaften der Eheschließenden anwendbare Recht d) Der Anwendungsbereich von Vorschriften über die Form der Eheschließung e) Das auf die Ehewillenserklärungen anwendbare Recht f) Bestimmungen über persönliche Ehewirkungen g) Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Geltendmachung von Gültigkeitsmängeln h) Internationalprivatrechtliche Bedeutung des Bestehens mehrerer Ehearten in einem staatlichen Recht i) Das Verlöbnis Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
§ 22. Sonderregelungen für einzelne andere Rechtsgeschäfte a) Wechsel- und Scheckrecht b) Arbeitsvertrag c) Rechtsgeschäfte über Rechtsverhältnisse unter fremdem Recht
XXII
551 551 554 557 558 559 561 562 565 568 570 571 573
577 579 584 587 588 590 593 599 599 600 601 604 607 608 610 613 614 615 620 620 620 623
Inhaltsverzeichnis §23. Ungerechtfertigte Bereicherung und Verwandtes
624
II. Beendigung von Rechtsverhältnissen und Übertragung von Rechten § 24. Das auf die Beendigung von Rechtsverhältnissen anwendbare Recht a) Allgemeines b) Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse auf andere Weise als durch Rechtsgeschäft c) Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft d) Beendigung von gesetzlichen Rechtsverhältnissen unter Begründung anderer Rechtsverhältnisse e) Die Beendigung von rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen 1. Allgemeines 2. Die Ehescheidung im internationalen Privatrecht 3. Ehetrennung Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
626 626 626 628 629 630 630 633 637 638
§ 25. Inhaberwechsel bei Monopolrechten a) Verfügungsgeschäfte b) Geschäfte zur Verfügung über Rechte an transportierten Sachen c) Die Verfügung über Rechte an Sachen, für die ein Traditionspapier ausgestellt ist, und über Rechte an Schiffen und Luftfahrzeugen d) Wechsel des Inhabers von Monopolrechten in der Zwangsvollstreckung e) Wechsel des Inhabers von Monopolrechten durch Staatsakt außerhalb der Zwangsvollstreckung im zivilgerichdichen Verfahren
641 641 646
649
§26. Der a) b) c) d)
Ubergang von Forderungen u. ä Übertragung durch Rechtsgeschäft Übertragung von Forderungen u. ä. in der Zwangsvollstreckung Enteignung von Forderungen Gesetzlicher Forderungsübergang
651 651 655 657 658
§ 27. Das auf die Erbfolge anwendbare Recht a) Allgemeines. Bestandsstatut der vererbten Vermögensrechte und Erbstatut b) Spezialrecht für die Beerbung heterogen verknüpfter Nachlässe c) Die die Erbfolge auslösenden Tatbestände 1. Tod des Erblassers und Erbberufener 2. Erbfähigkeit 3. Die Erbberufungsgründe. Allgemeines 4. Erbrechtsauslösende familienrechtliche Rechtsverhältnisse 5. Die Definition der erbrechtsauslösenden Rechtsverhältnisse 6. Gegenseitigkeitsbeziehungen im Erbrecht 7. Abhängigkeiten zwischen Unterhaltsrecht und Erbrecht 8. Recht des Staates am Nachlaß d) Besonderheiten bei der testamentarischen Erbfolge 1. Allgemeines 2. Die Testamentsform unter dem Erbstatut 3. Testamentsauslegung 4. Testierfähigkeit und Willensmängel 5. Inhaltliche Gültigkeit des Testaments 6. Verpflichtungen in bezug auf erbrechtlich relevantes Verhalten e) Die Entscheidung über Erbstreitigkeiten und die Nachlaßabwicklung f) Nachlaßschulden und Nachlaßforderungen 1. Nachlaßschulden 2. Nachlaßforderungen
660 660 668 668 668 670 671 673 676 677 678 679 680 680 682 684 685 686 688 689 693 693 694
646 647
XXIII
Inhaltsverzeichnis g)
Die Anpassung der Regelungen des Erbstatuts an zwingendes (Sachen-)Recht des Belegenheitsstaates Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
695 697
III. Komplexe Rechtsverhältnisse § 28. Vermögensrechtliche Nebenwirkungen der Ehe und der Ehescheidung a) Allgemeines b) Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über vertragliche Regelungen des Güterstandes für die bestehende Ehe c) Der Anwendungsbereich der Vorschriften über den mangels Wahl eines vertraglichen Güterstandes maßgeblichen gesetzlichen Güterstand d) Wirkungen des Güterstandes auf Dritte e) Güterrecht für die bestehende Ehe und Scheidungsgüterrecht f) Güterrechtliche Bestimmungen über die Folgen der Eheauflösung durch Tod und Erbrecht Anbang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
701 701
§29. Adoption und andere künstliche Elternrechte a) Allgemeines b) Die Erwachsenenadoption. Wirkungen und Nachwirkungen c) Adoption von Personen, die unter Personensorgegewalt stehen oder gemäß dem dafür maßgeblichen Recht gestellt werden könnten d) Fragen der Form und des Verfahrens e) Völkerrechtliche Schranken für die Adoption von Ausländern f) De facto-Adoption und Pflegeelternverhältnisse Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
716 716 717
§ 30. Die juristische Person im internationalen Privatrecht a) Allgemeines b) Die Anwendbarkeit des Gründungsstatuts der juristischen Person im Urheberstaat und in anderen Staaten. Die Anerkennung von juristischen Personen eines ausländischen Rechts c) Parallele juristische Personen. Mehrfachgründung von juristischen Personen in mehreren Staaten und Tochtergesellschaften d) Das auf die Innenbeziehungen der juristischen Person anwendbare Recht e) Das auf die Außenbeziehungen der juristischen Person anwendbare Recht f) Wechsel des Inhabers von Rechten zum Bezug von Gewinnanteilen und Liquidationserlösen g) Die Auflösung der juristischen Person. Rücknahme der Anerkennung von juristischen Personen eines ausländischen Rechts h) Enteignungen bei juristischen Personen Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik
732 732
XXIV
704 706 707 709 711 713
721 724 726 728 729
733 738 740 741 743 745 746 748
2. Teilband Anmerkungen zum Text des 1. Teilbandes §
1
751
§ 2 § 3 § 4 § 5 § 6 § 7 § 8 § 9 §10 §11 §12 §13 §14 §15 §16 §17 §18 §19 §20 §21 §22 §23 §24 §25 §26 §27 §28 §29 § 30
751 753 759 766 768 768 799 817 828 842 848 867 877 921 937 948 960 966 982 1008 1021 1022 1023 1029 1042 1048 1079 1088 1094
Texte von Gesetzen und Verträgen zum internationalen Privatrecht in der Bundesrepublik nach dem Stand vom 31. 12. 1979 (in chronologischer Reihenfolge)
I. Gesetze 1. 2. 3. 4.
Strafgesetzbuch (15. 5. 1871/2. 1. 1975) GmbH-Gesetz (20. 4. 1892) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (18. 8. 1896) Bürgerliches Gesetzbuch (18. 8. 1896)
1111 1112 1112 1116
XXV
Inhaltsverzeichnis 5. Handelsgesetzbuch (10. 5. 1897) 5a) Durchführungsverordnung zur Änderung von Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (5.12.1939) 6. Börsengesetz (22. 6. 1896) 7. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (7. 6. 1909) 8. Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetz (22. 7. 1913) 9. Gesetz für Jugendwohlfahrt (9. 7. 1922/25. 4. 1977) 10. Verordnung über Orderlagerscheine (16. 12.1931) 11. Wechselgesetz (21. 6. 1933) 12. Scheckgesetz (14. 8. 1933) 13. Personenstandsgesetz (3. 11.1937) 14. Warenzeichengesetz (5. 5. 1936/9. 5. 1961) 15. Gesetz über Fremdwährungs-Schuldverschreibungen (26. 6. 1936) 15a) Verordnung über Fremdwährungsschulden (5. 12. 1936) 16. Verschollenheitsgesetz (4. 7. 1939) 17. Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen (15. 11.1940) 18. Verordnung über die Rechtsanwendung bei Schädigungen deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reichsgebiets (7. 12. 1942) 19. Ehegesetz (20. 2.1946) 19a) Durchführungsverordnung zum Ehegesetz (27. 7. 1938) 20. Pflichtversicherungsgesetz (7. 11.1936/5. 4. 1965) 20a) Verordnung über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen (14.12.1965) 21. Grundgesetz (23. 5. 1949) 22. Gesetz Nr. 23 der Alliierten Hohen Kommission über die Rechtsverhältnisse verschleppter Personen und Flüchtlinge (17. 3. 1950) 23. Gesetz über die Rechtsstellung heimadoser Ausländer (25. 4. 1951) 24. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (27. 7. 1957/4. 4. 1974) 25. Familienrechtsänderungsgesetz (11. 8. 1961) 26. Aktiengesetz (6. 9. 1965) 27. Urheberrechtsgesetz (9. 9. 1965) 28. Sortenschutzgesetz (20. 5. 1968) 29. Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile (28. 7. 1969) 30. Gesetz über den ehelichen Güterstand von Vertriebenen und Flüchtlingen (4. 8. 1969) . . . 31. Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (17. 7.1973) 32. Einheidiches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen (17. 7. 1973) 33. Konsulargesetz (11. 9. 1974) 34. AGB-Gesetz (9. 12. 1976)
1117 1118 1118 1119 1119 1121 1122 1122 1123 1124 1125 1126 1126 1126 1127 1127 1127 1128 1129 1130 1130 1130 1131 1133 1134 1135 1135 1137 1137 1139 1140 1154 1155 1157
II. Völkerrechtliche Verträge A. Kollektivverträge 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Ubereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (20. 3. 1883) Ubereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (9. 9. 1886) Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (14. 4. 1891) Abkommen über Herkunftsangaben (14. 4. 1891) Abkommen zur Regelung der Vormundschaft über Minderjährige (12. 6.1902) Abkommen zur Regelung des Geltungsbereiches der Gesetze auf dem Gebiet der Eheschließung (12. 6.1902) Abkommen betreffend den Geltungsbereich der Gesetze in Ansehung der Wirkung der Ehe (17. 7. 1905) Übereinkommen betr. Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen (23. 9.1910)
XXVI
1159 1159 1159 1159 1160 1162 1164 1166
Inhaltsverzeichnis 9. 9a) 10. 11. 12. 13. 13a) 14. 15. 16. 17. 17a) 18. 19. 20. 20a) 20b) 21. 22. 23. 23a) 23b) 24. 25. 26. 26a) 27. 28. 29. 30. 31. 32. 32a) 33. 34. 34a) 35. 36. 36a) 36b) 37. 38.
Abkommen über das Einheitliche Wechselgesetz (7. 6.1930) Abkommen über das Einheitliche Scheckgesetz (19. 3.1931) Abkommen über den Internationalen Währungsfonds (1.-22. 7.1944) Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (7. 12. 1944) Abkommen über die internationale Anerkennung von Rechten an Luftfahrzeugen (19.6.1948) Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (28. 7. 1951) Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchdinge (31.1. 1967) Welturheberrechtsabkommen (6. 9. 1952) Ubereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen (28. 9. 1954) Übereinkommen über den Beforderungsvertrag im Straßengüterverkehr (CMR) (19.5.1956) Ubereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht ( 2 0 . 1 0 . 1 9 5 6 ) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zu dem Ubereinkommen vom 24. 10. 1956 (2.6.1972) Ubereinkommen über die Staatsangehörigkeit verheirateter Frauen (20. 2. 1957) Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3.1957) Internationales Ubereinkommen über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen (10. 10. 1957) Gesetz zu dem Ubereinkommen vom 10. 10. 1957(21. 6. 1972) Seerechtsänderungsgesetz (21. 6.1972) Ubereinkommen über die Hohe See (29. 4. 1958) Übereinkommen über die Änderung von Namen und Vornamen (4. 9. 1958) Ubereinkommen über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie (29. 7. 1960) Zusatzabkommen zum Ubereinkommen vom 29. 7. 1960 (31. 1. 1963) Atomgesetz (23. 12.1959/31. 10.1976) Ubereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit (30. 8. 1961) Ubereinkommen über die Erweiterung der Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden können (14. 9.1961) Ubereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (5. 10.1961) Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom 5. 10. 1961 (30. 4. 1971) Ubereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (5. 10. 1961) Ubereinkommen zum Schutz von Pflanzen Züchtungen (2. 12. 1961) Ubereinkommen über die Feststellung der mütterlichen Abstammung (12. 9. 1'962) Ubereinkommen über die Erklärung des Ehewillens usw. (10. 12. 1962) Ubereinkommen über konsularische Beziehungen (24. 4. 1963) Übereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit (6. 5. 1963) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 6. 5. 1963 (29. 9. 1969) Ubereinkommen zur Erleichterung der Eheschließung im Ausland (10. 9.1964) Ubereinkommen über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen (29. 2. 1968) Gesetz zu dem Ubereinkommen vom 29. 2. 1968 (18. 5. 1972) Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht (7. 6. 1968) Ubereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für ölverschmutzungsschäden (29. 11.1969) Ubereinkommen über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für ölverschmutzungsschäden (18. 12. 1971) Gesetz zu den Ubereinkommen vom 29. November 1969 und vom 18. Dezember 1971 (18. 3. 1975) Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) (7. 2.1970) Ubereinkommen über den Eisenbahn-Personen-und-Gepäckverkehr (CIV) (7. 2. 1970) .
1169 1169 1169 1170 1171 1176 1183 1184 1184 1187 1187 1188 1188 1189 1191 1201 1201 1202 1205 1206 1211 1214 1217 1226 1227 1231 1232 1235 1235 1236 1239 1241 1244 1245 1246 1249 1250 1256 1262 1262 1262 1262
XXVII
Inhaltsverzeichnis 39. 40. 41.
Ubereinkommen zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (13. 9. 1973) Ubereinkommen über die Angabe von Familiennamen und Vornamen in den Personenstandsbüchern (30. 9. 1973) Europäisches Patentübereinkommen (5. 10.1973)
1263 1263 1265
B. Zweiseitige Verträge der Bundesrepublik 1. 2.
Deutsches Reich-Spanien. Konsular-Konvention (22. 2.1870) Deutsches Reich — Niederlande. Abkommen über die Anerkennung der Aktiengesellschaften (11. 2. 1907) 3. Deutsches Reich- Österreich. Vormundschaftsabkommen (5. 2. 1927) 4. Deutsches Reich-Persien. Niederlassungsabkommen (17. 2.1929) 5. Deutsches Reich-Türkei. Konsularvertrag (28. 5. 1929) 6. Bundesrepublik Deutschland - Niederlande. Vertrag über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für Steinkohlenfelder (18.1. 1952) 7. Bundesrepublik Deutschland - Vereinigte Staaten von Amerika. Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag (29.10. 1954) 7a) Deutsches Reich - Vereinigte Staaten von Amerika. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag (8. 12. 1923) 8. Bundesrepublik Deutschland - Republik Österreich. Abkommen zur Regelung der Amtshaftung (14. 9. 1955) 9. Bundesrepublik Deutschland - Vereinigtes Königreich. Konsularvertrag (30. 7.1956) . . . . 10. Bundesrepublik Deutschland - Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Konsularvertrag (25. 4.1958)
1266 1266 1266 1267 1268 1272 1272 1275 1275 1277 1283
Literaturhinweise für die Lösung von Fragen des internationalen Privatrechts in der Praxis
1285
Nachträge zu S. 1 - 1 1 1 0
1289
N a c h t r ä g e zu den Texten Gesetz über die Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge (22. 7.1980) 1325 Ubereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (19.6.1980) 1326
Abkürzungsverzeichnis Gesetzes- und Vertragsregister, Sachregister
XXVIII
1335 1341
A. Grundlagen und Ziele des internationalen Privatrechts § 1. Begriff und Gegenstand des internationalen Privatrechts Der Kernanwendungsbereich des staatlichen Inlandsrechts. Die rechtliche Regelung im heterogen verknüpften Bereich auf dem Wege über die Rechtsanwendungsanweisungen des F o r u m s t a a t e s .
Dem Begriff des internationalen Privatrechts liegt die Erfahrungstatsache zugrunde, daß gegenwärtig auf der Erde mehrere als Staaten organisierte Menschengruppen nebeneinander bestehen, und daß zum Staat notwendig eine staatliche Rechtsordnung gehört. Daß die Staatsgebiete der verschiedenen Staaten voneinander getrennt sind, daß jeder Staat sein eigenes Staatsvolk hat, und daß die auf Staatsgebiet und Staatsvolk fußende Gebietshoheit bzw. Personalhoheit der einzelnen Staaten ihnen zugleich in der Ausübung von Staatsgewalt Schranken auferlegt, das hat nicht nur in vielfacher Hinsicht völkerrechtliche Konsequenzen, sondern ermöglicht es erst, daß Rechtssätze über menschliches Verhalten, die von den verschiedenen staatlichen Gesetzgebern herrühren, trotz inhaltlicher Verschiedenheit überhaupt nebeneinander in effektiver Geltung stehen können. Es hat dies jedenfalls zunächst zur Folge, daß jedem staatlichen Recht, insbesondere jedem einzelnen staatlichen Privatrechtssystem, „vorweg" ein durch den Geltungsanspruch der anderen staatlichen Rechte ungestörter Kernanwendungsbereich zukommt. Dieser Kernanwendungsbereich des „eigenen" Rechts eines Staates bezieht sich auf jegliche Verhaltensregelung in solchen Situationen, die nur mit diesem einen Staat, insbesondere seinem Staatsgebiet und seinem Staatsvolk, Verknüpfungen aufweisen: Die Leistungsverpflichtungen aus einem Kaufvertrag zwischen Franzosen, deren ganzes Leben sich überhaupt nur in Frankreich abspielt, die in Frankreich wohnen und sich nur in Frankreich aufhaken, werden, wenn sie sich auf einen Kaufgegenstand beziehen, der sich in Frankreich befindet und in Frankreich geliefert werden soll, wenn der Kaufpreis in Frankreich in französischer Währung gezahlt werden soll, und wenn auch die Parteien nichts über die Anwendung ausländischen Rechts bestimmen und keinen ausländischen Gerichtsstand vereinbaren, selbstverständlich nur von dem bürgerlichen Recht „geregelt", das der Gesetzgeber des französischen Staates erlassen hat, und Streitigkeiten darüber werden selbstverständlich nur von französischen Gerichten entschieden. Kein anderer Staat versucht, einer Partei an einem solchen Kaufvertrag Vorschriften über das zu machen, was sie wegen des Vertrages zu tun und zu lassen hat, und ein anderer Staat dürfte auch nach Völkerrecht seine Gerichte gar nicht ermächtigen, die Erhebung einer Klage durch eine der Parteien vor diesem Gericht allein zum Anlaß zu nehmen, um über die Verpflichtungen der anderen Partei gegen deren Willen zu judizieren, oder gar, um auf den Kaufvertrag das Recht dieses Staates anzuwenden, der sich so in völkerrechtswidriger Weise Gerichtsbarkeit anmaßen würde.
Wo sämtliche Verknüpfungen eines Tatbestandes, von dem es fraglich ist, ob er rechtliche Verhaltenspflichten auslöst, und wo alle Verknüpfungen der aus dem Tatbestand gefolgerten Rechtswirkungen nur zu einem einzigen Staat hingehen, und wo auch die Parteien nur zu diesem Staat Verknüpfungen in Gestalt der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes, des Aufenthalts und der Belegenheit ihres Vermögens haben, wo also ein restlos „homogen verknüpfter" Sachverhalt vorliegt, hat der Staat, zu dem diese Verknüpfungen hingehen, ein unbezweifeltes Monopol zur rechtlichen Regelung.
1
§1
Steuernde und nichtsteuernde Stellungnahmen
Eine solche „Regelung" des menschlichen Verhaltens durch staatliche Rechtssätze erfolgt im allgemeinen dadurch, daß die Gerichte des betreffenden Staates angewiesen werden, gegebenenfalls das Verhalten der Parteien unter Anwendung der von dem Gesetzgeber des betreffenden Staates erlassenen einschlägigen Verhaltensnormen zu „beurteilen", und daß das entscheidende Gericht (bzw. das von einem Gericht gesteuerte staatliche Vollstreckungsorgan) nach Maßgabe des Ergebnisses des richterlichen Rechtsanwendungsvorganges gegebenenfalls durch Ausübung von Zwang gegen die Person oder das Vermögen einer Partei Unrechtsfolgen, die für die Nichtbefolgung jener Verhaltensnormen angedroht wurden, realisiert. Außerhalb der Kernanwendungsbereiche der verschiedenen nationalen Rechte liegen diejenigen Sachverhalte, die in irgendeiner Weise mit mehreren Staaten verknüpft sind. Sobald das obige Beispiel dahin modifiziert wird, daß der Kaufvertrag außerhalb Frankreichs abgeschlossen wurde, oder daß die Ware außerhalb Frankreichs zu liefern ist, oder daß eine Partei persönlich mit einem anderen Lande als Frankreich Verknüpfungen aufweist, mögen zwar die übrigen Verknüpfungen sämtlich weiterhin zu Frankreich bestehen, aber es liegt eben dann ein „internationaler", d. h. ein mit mehreren Staaten verknüpfter, ein, wie im folgenden meist gesagt werden wird, „heterogen verknüpfter" Sachverhalt vor. Die vom staatlichen Recht irgendeines Staates gebildete Stellungnahme zu Sachverhalten, die in dieser Weise mit mehreren Staaten verknüpft sind, ist, wenn diese Haltung sich in einer privatrechtlichen Regelung äußert, Gegenstand des internationalen Privatrechts. Diese „Stellungnahme" eines Staates zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt kann in erster Linie, aber sie muß keineswegs, nur darin bestehen, daß ein Staat, zu dem eine der verschiedenen Verknüpfungen hingeht, durch „eigene" Rechtsnormen auf das Verhalten der beteiligten Privatrechtssubjekte einzuwirken versucht. Diese Einwirkung erfolgt dadurch, daß der betreffende Staat die Zuständigkeit seiner Gerichte zur Entscheidung von Rechtsfragen aus dem heterogen verknüpften Sachverhalt in Aussicht stellt, daß er den Gerichten für den Fall, daß sie ihre Zuständigkeit ausüben, bestimmte Rechtsanwendungsanweisungen erteilt, nach welchen Normen sie das vor dem Prozeß liegende Verhalten der Parteien zu beurteilen haben, und daß er jedenfalls den Vollzug von Unrechtsfolgen an Rechtsgütern, die er sonst schützen würde, für den Fall einer festgestellten konkreten Verletzung einer Verhaltensnorm vorsieht. Sobald eine Verknüpfung vorhanden ist, die einen anderen Staat berechtigt, seine Gerichte für einen eventuellen Rechtsstreit über eine behauptete Verhaltenspflicht als zuständig zu erklären, kann von einem selbstverständlichen Monopol der rechtlichen Steuerung menschlichen Verhaltens durch den Staat, zu dem alle übrigen Verknüpfungen hingehen, nicht die Rede sein. Zu einer „Stellungnahme" eines Staates zu Rechtsfragen auf Grund eines heterogen verknüpften Sachverhalts kann es aber auch kommen, ohne daß die eventuelle richterliche Beurteilung einer Rechtsfrage auf das Verhalten der Privatrechtssubjekte einen Einfluß hat: Es kann sein, daß der Mann, der in irgendeinem außereuropäischen Land ohne jeden Kontakt mit einem anderen Staat als mit seinem Heimat- und Wohnsitzstaat in einer polygamen Ehe lebt, durch Zufall - etwa auf Grund eines Testaments eines extravaganten Erblassers - Eigentümer eines Grundstücks in einem europäischen Staat wird. Stirbt er dann, so muß unter Umständen von den Gerichten dieses Landes die Frage entschieden werden, ob derjenige, der das Grundstück tatsächlich in Besitz hat, es an die überlebende(n) Ehefrau(en) des Erblassers herauszugeben hat, weil schon der Erblasser ein besseres Recht zum Besitz hatte, und weil er nach seinem Tode „durch seine Ehefrau(en) beerbt" worden ist. Erklärt der Belegenheitsstaat des Grundstücks seine Gerichte für diesen Streit als zuständig, so kann er sie sicher anweisen, nicht nur auf die Frage des Rechtes am Besitz, sondern auch auf die Frage der Vererbung des Grundstücks „sein" Recht anzuwenden. Sieht dieses Erbrecht des Belegenheitsstaates eine Intestaterbfolge zugunsten des „überlebenden Gatten" vor, so hat das Gericht des Belegenheitsstaates des Grundstücks auch zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine oder mehrere rechtsgültige Ehen des Erblassers zustande gekommen waren und im Zeitpunkt des Erbfalls noch
2
Mögliche Stellungnahmen zu heterogen verknüpften Sachverhalten
§ 2
bestanden. Im Zusammenhang damit hat es auch zu entscheiden, ob, wenn dies bejaht wird, eine der Ehefrauen, oder gar ob alle Ehefrauen durch Erbgang zu Eigentümern des Grundstücks geworden sind.
Eine solche „inzidente" Beurteilung der Gültigkeit der homogen verknüpften Ehen des verstorbenen Grundstückseigentümers in Verbindung mit einer Beurteilung ihrer erbrechtsauslösenden Eigenschaften hat offensichtlich nicht zur Folge, daß damit auf die Ehegatten Rechtszwang, d. h. Zwang durch Androhung von Unrechtsfolgen, zur Befolgung irgendwelcher e^erechtlichen Verhaltenspflichten seitens des Belegenheitsstaates des Grundstücks ausgeübt oder vorbereitet wird; dennoch gehört auch das zum internationalen Privatrecht. Erst recht ist es internationales Privatrecht, wenn im Belegenheitsstaat des Grundstücks nachträglich zu der Frage des Bestehens des Rechtsverhältnisses einer Ehe des verstorbenen Eigentümers Stellung genommen wird, die dieser mit einer Person geschlossen hat, die nicht Staatsangehörige desselben Staates war wie er; die Anwendung von Recht auf die Frage der Ehe durch den Richter im Forumstaat 1 dient in diesem Fall nicht der Vorbereitung von Rechtszwangsakten; auch sie ist Rechtsanwendung, aber keine erzwingende Anwendung der eherechtlichen Vorschriften. Schon hier sei bemerkt, daß es nicht unbedingt notwendig ist, daß eine solche Stellungnahme der Gerichte zu Inzidentrechtsfragen an Hand derselben Rechtsanwendungsanweisungen zu erfolgen hat, wie sie maßgebend wären, wenn die gleiche Rechtsfrage nicht Vorfrage, sondern Hauptfrage eines Prozesses wäre 2 .
§ 2. Mögliche Stellungnahmen einer staatlichen Rechtsordnung zu heterogen verknüpften Sachverhalten Ganz gleich, ob die Stellungnahme eines Staates und seiner Rechtsordnung zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt zu nichterzwingender Anwendung von Recht auf eine „Vorfrage" führt, oder ob die Bestätigung dieser Stellungnahmen durch die Gerichte in einer Weise erfolgt, die sich direkt oder indirekt als Rechtszwang zur Befolgung von Verhaltensnormen auswirkt, bieten sich für ihre inhaltliche Ausgestaltung außerordentlich verschiedene Wege an. a) A n w e n d u n g von eigenem Inlandsrecht des F o r u m s t a a t e s Es ist denkbar, daß ein Staat die Rechtsbeziehungen der an einem heterogen verknüpften Sachverhalt beteiligten Rechtssubjekte nach Rechtsnormen beurteilen läßt, die von seinen Gerichten „normalerweise" auf das Verhalten seiner Staatsangehörigen in absolut homogen verknüpften Situationen angewendet werden müssen. Dann läßt also der Staat auf den heterogen verknüpften Sachverhalt sein Inlandsr&zhx, d. h. das von seinem eigenen Gesetzgeber verfaßte und zunächst nur für reine „Inlandssituationen" bestimmte Recht zur Anwendung bringen. Ein Staat darf allerdings schon nach Völkerrecht keineswegs etwa alle heterogen verknüpften Sachverhalte, über die seine Gerichte in der Hauptsache oder als Vorfrage zu entscheiden haben, seinem eigenen Inlandsrecht zuweisen; vielmehr ist hierzu nach Völkerrecht das Vorhandensein einer Inlandsverknüpfung mit einer gewissen Mindestintensität erforderlich. Hat dasselbe staatliche Gericht über Rechtsstreitigkeiten aus den nur mit dem Forumstaat verknüpften Sachverhalten gemäß einem einzigen dafür geschaffenen Inlandsrecht zu entscheiden, und ist es zugleich zuständig, um auf heterogen verknüpfte Sachverhalte ebenfalls dieses Recht anzuwenden, so spricht man von diesem Inlandsrecht häufig als von der „lex fori", nämlich der lex fori dieses Gerichts 1 . Die Frage der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des eigenen Inlandsrechts im heterogen verknüpften Sektor kann vom Urheberstaat keinesfalls „ungeregelt" gelassen, wohl aber kann die Anwendbarkeit der lex fori ausdrücklich durch andere Anweisungen ausgeschlossen werden. Eine Anweisung zur Anwendung des eigenen Inlandsrechts auf 3
§2
Zuweisung an Inlandsrecht und Spezialrecht
heterogen verknüpfte Situationen kann bedingungslos sein, sie kann aber auch in vielfältiger Weise bedingt gestaltet werden 2 . b) Bildung und Anwendung von Sätzen eines Spezialrechts für heterogen verknüpfte Sachverhalte Ein Staat kann auch, sobald er sich der Möglichkeit und der Notwendigkeit einer Stellungnahme zu international verknüpften Sachverhalten bewußt geworden ist, seine Gerichte anweisen, auf einen solchen Sachverhalt solche Rechtsnormen anzuwenden, die der eigene Gesetzgeber des Forumstaates speziell nur für international verknüpfte Sachverhalte gebildet hat. Ebenso wie das Inlandsrecht für homogen verknüpfte Sachverhalte möglicherweise nicht vom staatlichen Gesetzgeber gesetztes Recht, sondern Gewohnheitsrecht sein kann, so kann auch ein Spezialrecht, wie es in einem Staat nur auf heterogen verknüpfte Sachverhalte angewendet werden soll, auf dem Wege der Gewohnheitsrechtsbildung zustande kommen. So ist es denkbar, daß für den Wettbewerb inländischer Kaufleute unter sich auf ausländischen Märkten sich liberalere Übungen bilden als die, welche für den Wettbewerb auf dem inländischen Markt gelten, und daß diese Übungen von den Gerichten des Heimatstaates als Spezialrecht für diese heterogen verknüpften Situationen angewendet werden 3 . Es ist denkbar, daß sich für das Familienrecht von Personengruppen, die in einem anderen Staat als ihrem Heimatstaat wohnhaft sind (etwa Chinesen in Burma) Gewohnheitsrechtsregeln bilden, die sowohl von dem Inlandsrecht des Wohnsitzstaates als auch vom Inlandsrecht des Heimatstaates abweichen, und die der Wohnsitzstaat (eventuell auch der Heimatstaat) von seinen Gerichten anwenden läßt. Materielles Spezialrecht für heterogen verknüpfte Sachverhalte4 kann vor allem vom Rechtsetzer des Forumstaates nach Gesichtspunkten gebildet werden, die auf der nationalen Politik dieses Staates in bezug auf die Steuerung heterogen verknüpfter privatrechtlicher Beziehungen basieren 5 . Spezialrecht für internationale Situationen kann auch allein mit der Absicht gebildet werden, daß es ein für mehrere Staaten einheitliches Spezialrecht sein soll; uniformes Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen wird meist durch Vertrag gebildet 6 . c) Anwendung des Inlandsrechts fremder Staaten Auf einen Sachverhalt, der sowohl mit dem Forumstaat als auch mit anderen Staaten Verknüpfungen aufweist, kann der erste Staat aber möglicherweise durch seine Gerichte auch dasjenige Recht anwenden lassen, das in einem der anderen mit der Sache verknüpften Staaten von dem Gesetzgeber dieses anderen Staates zunächst als dessen Inlandsrecht geschaffen worden ist, das also von den Gerichten dieses anderen Staates sicher auf die mit diesem Staat homogen verknüpften Sachverhalte angewendet werden würde. O b es, wenn ein Staat auf einen heterogen verknüpften Sachverhalt ein derartiges „fremdes" Inlandsrecht durch seine Gerichte anwenden lassen will, davon abhängig sein soll, daß auch die Gerichte des Urheberstaates dieses Inlandsrecht auf den gleichen Sachverhalt zur Anwendung bringen müssen, wenn ihr Staat sie dazu als zuständig erklären würde, oder ob die Anwendung fremden Inlandsrechts in anderer Weise bedingt gefaßt ist, das ist eine Frage, die noch später zu erörtern sein wird 7 . Auch im Zusammenhang mit einer Vorfrage kann ein Staat auf ein Rechtsverhältnis, das nicht mit dem Forumstaat, aber mit mehreren anderen Staaten verknüpft ist, das Inlandsrecht eines der verknüpften anderen Staaten zur Anwendung bringen. d) Anwendung von Spezialnormen eines anderen Staates Hat ein Staat, zu dem ein heterogen verknüpfter Sachverhalt eine bestimmte Verknüpfung aufweist, für solche heterogen verknüpften Sachverhalte (und insbesondere für den 4
Weitere mögliche Stellungnahmen
§2
zur Debatte stehenden konkreten Sachverhalt) seinerseits Spezialrecht gebildet, so kann auch ein anderer Staat, wenn er seine Gerichte als zuständig erklärt, aber weder sein eigenes Inlandsrecht noch selbstgeschaffene Spezialnormen anwenden lassen will, seine Gerichte anweisen, das von dem fremden Gesetzgeber geschaffene Spezialrecht auf heterogen verknüpfte Sachverhalte zur Anwendung zu bringen. e) Gleichzeitige Anwendung eigenen und fremden Rechts auf denselben heterogen verknüpften Sachverhalt Die Stellungnahme eines Staates zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt könnte auch darin bestehen, daß der Staat seine Gerichte anweist, die Inlandsrechte mehrerer Staaten (möglicherweise aber auch die von mehreren Staaten erlassenen Spezialbestimmungen für heterogen verknüpfte Sachverhalte) „zugleich" anzuwenden. Ein solches Nebeneinander-Anwenden mehrerer Rechte kann bedeuten, daß der übereinstimmende Inhalt der verschiedenen Rechte unbedingt zugrunde gelegt werden muß, während bei Divergenzen das eine oder das andere Recht nach Maßgabe bestimmter Vorrangsregeln 8 anzuwenden oder ein Kompromiß zu bilden ist. Sieht man keine „Divergenz" darin, daß das eine Recht eine Rechtswirkung von einer Voraussetzung A, das andere Recht dieselbe Rechtswirkung zugleich oder allein von einer Voraussetzung B abhängig macht, so führt der Auftrag, diese Rechte nebeneinander anzuwenden, zu einer „kumulativen" Anwendung 9 . Besteht in einem Land — wie dies für manche noch nicht vom europäischen Recht beeinflußte asiatische Rechte behauptet wird — die Aufgabe des Richters im Zivilprozeß darin, eine konkrete, den Streit beendende Entscheidung mit einem Inhalt zu bilden, von welchem nach den Umständen des Einzelfalles in erster Linie eine Versöhnung, oder jedenfalls Befriedung, der Parteien zu erwarten ist, und sind die Sätze des materiellen Privatrechts nur Richtlinien, von denen er dabei auszugehen hat, so können sich die Rechtsanwendungsanweisungen für heterogen verknüpfte Fälle auf die Generalklausel beschränken, daß die verschiedenen Rechte, zu denen Verknüpfungen bestehen, nebeneinander „zu berücksichtigen" sind 10 . Auch wo in homogen verknüpften Fällen unter „strenger" Anwendung des Inlandsrechts entschieden werden muß, wollen manche dem Richter ein Ermessen geben, bei heterogener Verknüpftheit auf das Inlandsrecht des einen oder des anderen der verknüpften Staaten zurückzugehen, und dabei diese Rechtssätze möglicherweise wieder nur als Richtlinien zu behandeln 11 . f) Anweisung, in heterogen verknüpften Situationen nach Billigkeit zu entscheiden Sowohl dann, wenn man mehrere beteiligte Rechte möglichst zugleich anwenden lassen und bei Divergenzen keines von ihnen bevorzugen will, als auch generell als Mittel zur Bestimmung der anwendbaren Normen in heterogen verknüpften Situationen bietet sich schließlich auch der Gedanke an, einen etwaigen Streit der Beteiligten um ihre Rechte und Pflichten aus einem heterogen verknüpften Sachverhalt nicht durch eine nachträgliche Beurteilung ihres bisherigen Verhaltens an Hand von vorgegebenen abstrakten Verhaltensnormen für die Vergangenheit zu entscheiden, sondern nur die konkrete Rechtslage, d. h. die konkreten Verhaltenspflichten für die Zukunft unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles nach Billigkeit festzulegen, und gegebenenfalls diese, erst im Richterspruch erkennbaren, konkreten Verhaltenspflichten zu erzwingen. Mit einer Billigkeitsentscheidung verwandt, aber doch mit ihr nicht ganz identisch ist es, wenn das Gericht in heterogen verknüpften Streitigkeiten als „amiable compositeur" tätig werden soll, d. h. eine zwischen den Standpunkten der Parteien für ihren konkreten Streit vermittelnde Lösung seiner verbindlichen Entscheidung zugrunde legt, wobei der compositeur in erster Linie das Ziel der Versöhnung der Parteien anzustreben hat 1 2 . 5
§2
Weitere mögliche Stellungnahmen
Die Bereitschaft, in einem Forumstaat international verknüpfte Streitigkeiten nach Billigkeit zu entscheiden, wird gefördert, wenn es sich um einen Mehrrechtsstaat handelt, wo schon in Situationen, die mit mehreren „Teilrechten" verknüpft sind, nach Billigkeit entschieden werden muß 1 3 . Wenn sich dann schon im Mehrrechtsstaat aus solchen Billigkeitsentscheidungen für die mit mehreren Teilrechten verknüpften Situationen unter Umständen wieder ein Spezialrecht als gerichtsgeschaffenes Gewohnheitsrecht bildet, oder wenn die Gerichte die sich aus einem bestimmten positiven Rechtssystem ergebende Lösung als die „billige" Entscheidung betrachten 14 , so kann sich Entsprechendes auch ereignen, wenn in international verknüpften Situationen nach Billigkeit entschieden werden soll. g) Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten durch Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen fremder staatlicher Gerichte Eine Stellungnahme eines Staates zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt kann auch darin bestehen, daß der Staat seine Gerichte anweist, eine rechtliche Beurteilung in der Sache nicht selbst vorzunehmen, sondern nur ein eventuell bereits über Streitigkeiten aus dem Sachverhalt ergangenes Urteil der Gerichte eines anderen Staates „anzuerkennen", und ein ausländisches Urteil, das eine Nichtbefolgung einer Verhaltensnorm feststellt und die Zulässigkeit der Vollstreckung von Unrechtsfolgen vorsieht, gegebenenfalls im Inland zu vollstrecken. Auch mit solcher Bereitschaft zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile kann ein Staat letztlich auf das Verhalten der Normadressaten einwirken. Die Bereitschaft zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen kann allerdings davon abhängig gemacht werden, daß das ausländische Gericht dieselben Rechtsnormen zur Anwendung gebracht hat, die ein Gericht des anerkennenden Staates hätte anwenden müssen, wenn es selbst in der Sache hätte entscheiden dürfen; dieses Erfordernis kann aber möglicherweise auch fallengelassen werden, d. h. ein Staat kann Entscheidungen des zuerst befaßten ausländischen Gerichts anerkennen und gegebenenfalls vollstrecken, obwohl in der Entscheidung Rechtssätze angewendet wurden, die in dem Vollstreckungsstaat nicht hätten angewendet werden dürfen 15 . h) Verweigerung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten Schließlich aber kann ein Staat, der zu einer rechtlichen Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten Gelegenheit hätte, versuchen, einer solchen Stellungnahme ganz auszuweichen. Insbesondere kann einer erzwingenden gerichtlichen Anwendung von Recht dadurch ausgewichen werden, daß die eigenen Gerichte hierfür nicht als zuständig erklärt werden, auch wenn eine Verknüpfung besteht, die den Staat berechtigen würde, auf die heterogen verknüpfte Situation irgendein Recht erzwingend anwenden zu lassen. Wenn dann zugleich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile verweigert wird, so läuft dies praktisch weitgehend auf dasselbe hinaus wie eine „Regelung" des heterogen verknüpften Sachverhalts mit Hilfe von Spezialnormen, welche den an dem Sachverhalt beteiligten Personen volle Freiheit des Verhaltens einräumen (und damit auch eine verbindliche rechtsgeschäftliche Regelung des Verhaltens unmöglich machen). Würde ein Staat die Verweigerung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Situationen bis in die letzten Konsequenzen durchführen, so würde seine Rechtsordnung zu einer nur aus Inlandsrecht bestehenden reinen „Binnenrechtsordnung" werden. Bei „primitiven" staatlichen Rechtsordnungen, zum Teil auch bei religiösen Rechtsordnungen, ist diese Haltung gelegentlich noch anzutreffen 1 5 3 . Auch wenn ein Staat in diesem Sinne eine Stellungnahme zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt, die für die beteiligten Privatrechtssubjekte als eine Steuerung ihres Verhaltens durch Androhung von Rechtszwang wirken kann, vermeidet, so kann doch die Frage nach den zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen unter Umständen 6
Kombination von Stellungnahmen
§2
wieder als Vorfrage auftauchen, und muß entschieden werden, falls der Forumstaat in anderen Zusammenhängen bereit ist, seine Gerichte zu einer Stellungnahme als zuständig zu erklären. D a n n m u ß der Forumstaat seine Gerichte anweisen, zu der Inzidentfrage Stellung zu nehmen, und er muß ihnen zu diesem Zweck Rechtsanwendungsanweisungen erteilen. Für die Gestaltung dieser nur für Vorfragen bestimmten Rechtsanwendungsanweisungen k o m m e n wieder dieselben Methoden in Frage, wie sie früher skizziert wurden (Zuweisung an ein Inlandsrecht, Spezialrecht usw.). i) K o m b i n a t i o n verschiedener m ö g l i c h e r S t e l l u n g n a h m e n Wie oben schon angedeutet, kann ein Staat auch die verschiedenen genannten Techniken einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten kombinieren 1 6 . 1. Varianten der Zuweisungsmethode Viele glauben, daß das „internationale Privatrecht" aller Staaten sich überhaupt begrifflich darauf beschränke (oder beschränken solle), die Gesamtheit der international verknüpften Sachverhalte aufzuteilen, und einen Teil dem eigenen Inlandsrecht, die übrigen Teile den Inlandsrechten der anderen Staaten z u z u w e i s e n 1 7 . Diese L ö s u n g , die im folgenden als Zuweisungsmethode 1 8 bezeichnet wird, tritt wieder in verschiedenen Spielarten auf: D i e Zuweisung kann als direkte Zuweisung erfolgen, d. h. der Forumstaat bestimmt abschließend nicht nur, wann seine eigenen Gerichte sein eigenes Inlandsrecht, sondern auch, wann sie fremdes Inlandsrecht auf heterogen verknüpfte Sachverhalte anzuwenden haben. O b dies in Gestalt von „einseitigen" Zuweisungsnormen (die entweder nur auf inländisches oder nur auf ausländisches Recht verweisen), oder in Gestalt von „zweiseitigen" Zuweisungsnormen geschieht, betrifft einen mehr formalen Aspekt. Bei einer indirekten Verweisung wird den Gerichten des Forumstaates aufgegeben, eigenes oder fremdes Inlandsrecht nach Maßgabe der Rechtsanwendungsanweisungen, die ein fremder Staat erlassen hat, zur Anwendung zu bringen. D a s geschieht oft, indem eine Zuweisung an „ausländisches" Recht als eine „ G e s a m t v e r w e i s u n g " 1 9 gedeutet wird. Zu einer indirekten Zuweisung der rechtlichen Regelung eines heterogen verknüpften Sachverhalts k o m m t es in der praktischen Wirkung auch dann, wenn ein Staat bei sich ausländische Urteile anerkennen und vollstrecken läßt, o b w o h l 2 0 das ausländische Gericht, das sich unvermeidlicherweise irgendwie von den Zuweisungen seines eigenen Gesetzgebers hat leiten lassen, dabei ein anderes Recht angewendet hat, als es das Gericht des Forumstaates hätte tun müssen, wenn es selbst zur Sachentscheidung gekommen wäre. Direkte Anweisungen zur Anwendung des eigenen Inlandsrechts sind zumeist unbedingte Zuweisungen. Vor allem Anweisungen zur Anwendung von fremdem Inlandsrecht gehen sehr oft dahin, das fremde Recht nur bedingt, nämlich dann anzuwenden, wenn auch der fremde Staat, dessen Gesetzgeber die N o r m e n gebildet hat, seinen eigenen Gerichten die Anwendung auf den betreffenden heterogen verknüpften Sachverhalt vorschreibt 2 1 . Die Zuweisungsmethode wird zumeist in der Weise gehandhabt, daß die Gesamtheit der heterogen verknüpften Rechtsfragen aufgeteilt und jeweils eine M a s s e dem eigenen Inlandsrecht, eine andere dem Inlandsrecht dieses, eine dritte dem Inlandsrecht eines dritten Staates zugewiesen wird usw. Gelegentlich finden sich Ansätze, bei bestimmten Rechtsfragen mehrere Rechte, wenn möglich, zugleich oder kumulativ anzuwenden. Unter Umständen findet sich eine Gestaltung der Zuweisung in der Weise, daß ein bestimmtes Recht ergebnisbedingt, d. h. nur dann anzuwenden ist, wenn es zu einem bestimmten in der Zuweisungsnorm angegebenen Ergebnis führt, oder wonach ein berufenes Recht nicht anzuwenden ist, wenn es zu einem in der Zuweisungsnorm als mißbilligt erkennbaren Ergebnis führt. Ist dann das erstberufene Recht nicht zur Anwendung zu bringen, und wird vorgesehen, daß dann ein anderes Recht heranzuziehen ist, so kann dies das eigene Inlandsrecht sein, von dem man weiß, daß es zu dem gewünschten Ergebnis 7
§2
Varianten der Zuweisungsmethode
führt. Oft werden in der Rechtsanwendungsanweisung des Forumstaates von vornherein mehrere Rechte als zur Anwendung in Frage kommend, aber nach bestimmten Gesichtspunkten doch nur das eine Recht allein als anwendbar bezeichnet, wobei die Auswahl unter den in Frage kommenden Rechten nach Gesichtspunkten erfolgt, die sich auf das Anwendungsresultat beziehen; es kann also z. B. von mehreren Inlandsrechten dasjenige angewendet werden, welches die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts, oder dasjenige, welches das Interesse der Partei, die die Staatsangehörigkeit des Forumstaates besitzt, am meisten begünstigt; dann wird meist von einer alternativen Anwendbarkeit mehrerer Rechte gesprochen. Maßgebend für die Anwendbarkeit des einen oder des anderen Rechts kann nach dem Willen des Gesetzgebers im Forumstaat auch sein, welchem Recht der Richter oder die Parteien im Prozeß den Vorzug geben wollen. Hat die Auswahl unter den mehreren in Frage kommenden Rechten durch den Richter zu erfolgen 22 , so kann sein „Wahlrecht" dahin gesteuert werden, daß der Richter dasjenige Recht anwenden muß, welches er als das „bessere" oder als das „stärkere" betrachtet; das deckt sich praktisch weitgehend mit dem, was zu geschehen hat, wenn in der Rechtsanwendungsanweisung unmittelbar eine Zuweisung an das bessere oder das stärkere Recht ausgesprochen wird. Wie der Kreis der für eine Rechtswahl durch die Parteien oder den Richter in Frage kommenden Inlandsrechte bestimmt wird, auch dafür sind verschiedene Wege denkbar: Man kann alle Rechte heranziehen, zu denen irgendeine Verknüpfung besteht; der Forumstaat kann aber auch bestimmen, daß unter wenigen, durch ganz bestimmte Verknüpfungen ermittelten, Rechten gewählt werden muß. Es könnte auch bestimmt werden, daß die Auswahl nur unter anwendungswilligen23 Rechten vorzunehmen ist. Es ist möglich, daß für eine vom Richter des Forumstaates zu beantwortende „Hauptfrage" die anwendbaren Rechtssätze alternativ mehreren Rechtsordnungen entnommen werden sollen (so z. B. daß das gültige Zustandekommen eines auf solche Rechtswirkungen gerichteten Geschäfts gefördert wird), während dann, wenn das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses seinerseits tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine nach der lex fori zu beurteilende Rechtsfolge ist, nur ein bestimmtes einziges Recht dafür maßgebend sein soll, ob das Rechtsverhältnis zustande gekommen ist: Die Legitimation des unehelichen Kindes kann, soweit es um spezifisch kindschaftsrechtliche Wirkungen zwischen Eltern und Kind geht, in einem Staat alternativ nach dem Heimatrecht des Vaters (bzw. der Mutter) oder des Kindes beurteilt werden, während als Legitimation mit der Folge des Erwerbs der Staatsangehörigkeit dieses Staates nur eine Legitimation gilt, die den Anforderungen im Heimatrecht des Vaters (dessen Staatsangehörigkeit durch das legitimierte Kind erworben wird) genügt. Denkbar ist auch eine alternative Anwendbarkeit mehrerer Rechte auf Vorfragen, aber Zuweisung an ein einzelnes Recht, wenn es sich um das auf dieselbe Frage als Hauptfrage anwendbare Recht handelt 24 . Wichtig ist es, daß bei Verwendung der Zuweisungsmethode von einem für Streitigkeiten aus einem heterogen verknüpften Sachverhalt zuständigen staatlichen Gericht nur selten die streitige konkrete rechtliche Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten in allen ihren Details unter Anwendung eines einzigen Inlandsrechts beurteilt wird. Häufig werden von den einzelnen „Teilfragen" nach den Voraussetzungen und dem Inhalt einer Verhaltenspflicht einige diesem, einige einem anderen Recht zugewiesen. So wird etwa die Frage, ob einem Ehegatten aus der Ehe gegenüber dem anderen eine bestimmte Verpflichtung obliegt, aufgelöst in die Fragen, ob eine gültige Ehe zustande gekommen ist, und welche „Wirkungen" die gültige Ehe hat; auf die einzelnen Voraussetzungen für das Zustandekommen einer gültigen Ehe (Form, Ehefähigkeit usw.) und die einzelnen Ehewirkungen werden dann aber häufig verschiedene Rechte angewendet25. In den meisten nationalen Kollisionsrechten werden die verwendeten Zuweisungsnor8
§2
Kombination mit anderen Stellungnahmen
men durch Generalklauseln durchbrochen: Die Berufung von ausländischem Recht wird stets durch die negative ordre public-Klausel 26 durchbrochen. Eine allein an der internationalen Entscheidungsgleichheit orientierte Zuweisungsregelung (z. B. des auf die Vorfrage anwendbaren Rechts) wird durchbrochen, wenn die damit hergestellte Störung der materiellen Harmonie zwischen den Antworten, die auf verschiedene unter sich zusammenhängende Rechtsfragen gegeben werden müßten, als unerträglich erscheint 27 . Eine andere im positiven Recht anzutreffende Generalklausel geht dahin, daß die mit einem bestimmten Anknüpfungsmoment arbeitende Zuweisung außer acht gelassen werden soll, wenn im Einzelfall alle übrigen Verknüpfungen zu einem anderen Lande hingehen, und das Gewicht dieser kombinierten Verknüpfungen dem Gewicht des gesetzlichen Anknüpfungsmoments überlegen ist 2 8 . 2. Kombinationen
der Zuweisungsmethode
mit anderen Arten einer
Stellungnahme
Obwohl die meisten Staaten heute vorwiegend die Zuweisungsmethode mit der einen oder anderen Variante verwenden, benutzen sie daneben meist auch noch andere der oben skizzierten Wege zur Bildung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Situationen. Nicht selten wird in einem Staat ein bestimmter engerer Sektor der heterogen verknüpften Sachverhalte einem Spezialrecht unterstellt, während diese im allgemeinen den Inlandsrechten der verschiedenen Staaten zugewiesen werden. So wird etwa das vereinheitlichte Recht für internationale Kaufverträge 29 in denjenigen Staaten, die den entsprechenden Vertrag angenommen haben, zwar nicht auf alle in irgendeiner Weise mit mehreren Staaten verknüpften Situationen angewendet, aber doch dann, wenn mit dem Kauf die Versendung der verkauften Sache von einem Vertragsstaat in einen anderen Vertragsstaat verbunden ist; bei sonstigen Verknüpfungen eines Kaufvertrages zu mehreren Staaten wird weiterhin eines der „nationalen" Kaufrechte (Inlandskaufrecht) zur Anwendung gebracht. Ist der Forumstaat bereit, beim Vorliegen einer Auslandsverknüpfung das Inlandsrecht eines anderen Staates anzuwenden, wenn dieser es selbst durch seine Gerichte anwenden lassen würde, und will der andere Staat, daß hier anstelle seines normalen, für homogen verknüpfte Situationen bestimmten Inlandsrechts ein Spezialrecht zur Anwendung kommt, so stellt sich im Forumstaat die Frage, ob auch dort anstelle des fremden Inlandsrechts das fremde Spezialrecht angewendet werden soll. Dies wird im allgemeinen bejaht: Man kann dann sagen, daß eine Zuweisung auf ausländisches Recht auf das Inlandsrecht und etwaiges Spezialrecht des fremden Landes geht, und daß die endgültige Wahl entsprechend dem Willen des fremden Gesetzgebers getroffen wird. Es läßt sich daher auch nicht behaupten, daß dann, wenn ein Sachverhalt nur mit zwei Staaten Verknüpfungen aufweist, und das für homogen verknüpfte Sachverhalte anwendbare Inlandsrecht in beiden Staaten inhaltlich übereinstimmt, diese zufällig übereinstimmenden Inlandsrechte in jedem der beiden Staaten stets ohne weiteres auch auf den heterogen verknüpften Sachverhalt anwendbar seien; es ist sehr wohl denkbar, daß keiner von beiden Staaten den heterogen verknüpften Sachverhalt in den Anwendungsbereich seines Inlandsrechts einbeziehen will, sondern daß jeder hierfür ein Spezialrecht bildet. So mag ein Staat, in dem der eine Verlobte staatsangehörig ist und wohnt, dasselbe Eherecht haben wie der Staat, in dem der andere Verlobte staatsangehörig ist und seinen Wohnsitz hat; dennoch genügt es zur gültigen Eheschließung in einem dieser Staaten nicht, daß alle Gültigkeitsvoraussetzungen nach diesen übereinstimmenden Inlandsrechten erfüllt sind, wenn der eine Staat eine Spezialregelung hat, wonach Eheschließungen seiner Staatsangehörigen mit Ausländern von einer Genehmigung abhängig sind, oder wenn einer der Staaten eine Spezialrechtsvorschrift hat, wonach die auf seinem Gebiet wohnhaften Personen Ehen mit Auswärtigen nur von einem höheren Alter ab schließen dürfen als bei Ehen mit Inländern. Es ist aber auch umgekehrt denkbar, daß auf Grund von Spezialrechtsbe9
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Zuweisung an ein Inlandsrecht und Spezialrecht
Stimmungen in dem in beiden Staaten als berufen erklärten Recht ein Rechtsgeschäft (z. B . Schiedsvertrag) bei bestimmten heterogen verknüpften Verhältnissen gültig ist, obwohl beide Inlandsrechte normalerweise ein solches Geschäft nicht zulassen. Bildet ein Staat eigene Spezialsätze des materiellen Rechts, deren Anwendung auf jeden Fall davon bedingt ist, daß eine Inlandsverknüpfung X und eine Auslandsverknüpfung Y besteht, so kann damit der Anwendungsbereich im Urheberstaat als abschließend bestimmt gelten, obwohl es, wie an anderer Stelle dargelegt 30 , auch möglich ist, daß als zusätzliche Bedingung für die Anwendung des Spezialrechtssatzes gefordert wird, daß diejenige Inlandsverknüpfung vorliegt, welche zur Anwendung des normalen Inlandsrechts geführt hätte, wenn dieses-nicht durch den Spezialrechtssatz verdrängt wäre. Anweisungen zur Anwendung von eigenem bzw. fremdem Inlandsrecht einerseits und von Spezialnormen für heterogen verknüpfte Sachverhalte sind unter Umständen schwer zu unterscheiden, wie das folgende Beispiel zeigt: Wenn das deutsche internationale Privatrecht 3 1 bestimmt, daß der Güterstand von Eheleuten sich nach dem Recht des Staates richtet, dem der Mann zur Zeit der Eheschließung angehörte, daß sie aber bei Wohnsitznahme in Deutschland einen Ehevertrag auch dann abschließen können, wenn dieses Güterstatut dies nicht zulassen will, so liegt ein Spezialsatz des deutschen Rechts für diese besondere Situation des heterogen verknüpften Güterstandes vor, wenn jene Bestimmung bedeuten soll, daß das von dem im Inlandsrecht des fremden Staates ausgesprochene Verbot von Güterrechtsverträgen nach erfolgter Eheschließung durch einen deutschen Spezialrechtssatz verdrängt wird, wonach nach der Begründung des deutschen Wohnsitzes solche Verträge zulässig sind, wenn auch für die neu geschlossenen Verträge im übrigen das Güterrecht des Heimatstaates über vertragliche Güterstände maßgebend sein soll. Würde aber jene Bestimmung so zu verstehen sein, daß nach Wohnsitzbegründung in Deutschland die einem ausländischen Güterrecht unterstehenden Eheleute gemäß deutschem Recht einen Ehevertrag schließen können, obwohl das Güterstatut überhaupt keine vertragliche Modifikation des gesetzlichen Güterstandes vorsieht, so wird man anzunehmen haben, daß mit jener Bestimmung das gesamte deutsche Recht über Güterrechtsverträge anwendbar werden soll; es liegt dann eine Anweisung zur Anwendung des deutschen Inlandsrechts über den vertraglichen Güterstand auf Eheleute mit inländischem Wohnsitz, also eine Zuweisungsnorm, und keine Spezialnorm, vor. Die in fast allen Staaten anzutreffende Regel, daß eine bewegliche Sache, die gemäß dem Recht des bisherigen Lagestaates im Eigentum eines bestimmten Rechtssubjektes stand, beim Wechsel des Lageortes weiterhin im Eigentum dieser Person verbleibt, daß aber die Tragweite des Eigentumsrechts nunmehr vom Inlandsrecht des neuen Lagestaates bestimmt wird, kann als Zuweisungsnorm konstruiert werden. Als solche würde sie besagen: Auf die Entstehung von Eigentumsrechten wird das Recht des Lagestaates zur Zeit des angeblichen Eigentumserwerbs angewendet, aber auf die Wirkungen des Eigentumsrechts ist das Recht des jeweiligen Lageortes anzuwenden. Dasselbe Resultat läßt sich aber auch erzielen, indem angenommen wird, daß mit dem Verbringen der Sache von einem Staat in einen anderen die Beendigung der Anwendbarkeit des bisherigen Lagerechts zu einem Ende der an der Sache gemäß diesem Recht bestehenden Berechtigungen führt, und zugleich ein Eigentumserwerb gemäß dem Recht des neuen Lagestaates stattfindet, und zwar gemäß einem Spezialrechtssatz, welcher den automatischen Erwerb des Eigentums im Sinne des neuen Lagestaates durch den bisherigen Eigentümer an die Tatsache anknüpft, daß im bisherigen Lagestaat schon ein dem Eigentumsrecht des neuen Lagestaates gleichwertiges Eigentumsrecht bestand. Denkbar ist es, daß in einem Staat dann, wenn die Zuweisungsnormen der verschiedenen beteiligten Staaten divergieren, das faktische Ergebnis der Anwendbarkeit abweichender fremder Zuweisungsnormen zum Tatbestandselement in einer dann im Forumstaat
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Internationales Straf- und Verwaltungsrecht
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anwendbaren speziellen Sachnorm verwendet wird; so ist es z. B., wenn im Forumstaat die Erbfolge für den irgendwo belegenen Nachlaß nach dem Heimatrecht des Erblassers beurteilt werden soll, wenn aber die sachenrechtlichen Folgen einer anderweitigen Regelung des Lagestaates beachtet werden, und dann im Forumstaat ein Ausgleichsanspruch der auf diese Weise benachteiligten Erben gegen die anderen Miterben angenommen wird 3 2 . Ebenso wie die im internationalen Privatrecht eines Staates primär maßgebliche Zuweisung an eigenes oder ausländisches Inlandsrecht unter Umständen dadurch verdrängt wird, daß eigene oder fremde Spezialnormen für heterogen verknüpfte Situationen vorrangig angewendet werden müssen, kommen die primär maßgeblichen eigenen Zuweisungsnormen unter Umständen dann nicht zum Zuge, wenn bereits eine ausländische Gerichtsentscheidung vorliegt und diese im Inland anerkannt werden muß, obwohl sie auf Grund von Rechtsanwendungsanweisungen gebildet wurde, die von denjenigen des Staates abweichen, in dem die Entscheidung anerkannt wird. Wenn, wie es derzeit in den meisten Ländern geschieht, ein Staat heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse unter Verwendung der Zuweisungsmethode entweder nach dem eigenen Inlandsrecht oder nach dem Inlandsrecht anderer Staaten, weniger oft hingegen nach einem Spezialrecht für heterogen verknüpfte Sachverhalte beurteilen läßt, so kommt es doch auch vor, daß man in gewissen Ausnahmefällen Streitigkeiten aus heterogen verknüpften Situationen nach Billigkeit entscheiden läßt. So mag ein Gesetzgeber unter Umständen der Meinung sein, daß die Zuweisungsmethode nur da brauchbar ist, wo die Verknüpfungen zu einem Staat gegenüber den Verknüpfungen zu anderen Staaten ein wirkliches Ubergewicht haben, daß sie aber bei gleich gewichtigen oder gleich schwachen Verknüpfungen zu mehreren Staaten unangebracht ist, und daß hier eine Entscheidung nach Billigkeit oder unter „Beachtung" der Rechtssätze in den Inlandsrechten der beteiligten Staaten angebrachter ist 3 3 . k) Die Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten im Straf- und Verwaltungsrecht Während im geltenden internationalen Privatrecht der meisten Länder die Verwendung der Zuweisungsmethode in der einen oder anderen Variante überwiegt, und die anderen oben beschriebenen Wege einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten seltener beschritten werden, liegen die Dinge im geltenden internationalen Strafund Verwaltungsrecht der meisten Länder wieder anders. Bei der strafrechtlichen Beurteilung heterogen verknüpfter Situationen beschränken sich fast alle Staaten darauf, einen Teil dieser Situationen beim Vorhandensein gewisser zum Forumstaat bestehender Verknüpfungen einerseits der Zuständigkeit der nationalen Strafgerichte zu unterstellen, andererseits in einem auf dieser Grundlage anhängig gemachten Strafverfahren nur das „eigene" (Inlands)Strafrecht des Forumstaates anwenden zu lassen. Daneben gibt es nicht wenige Fälle, in denen beim Vorhandensein bestimmter Verknüpfungen zum Ausland („ausländischer Tatbestandselemente") Spezialstrafnormen zur Anwendung gelangen (etwa gegen Auswanderung oder Verschleppung einer Person aus dem Inland ins Ausland). Zum Teil wird die Anwendung des eigenen Strafrechts des Forumstaates auf heterogen verknüpfte Situationen dadurch abgemildert, daß die „Strafbarkeit" für bestimmte Auslandstaaten auch nach einem ausländischen Recht (meist dem des Tatortes) zu bejahen sein muß, während die Strafart oder -höhe wieder nur nach dem Inlandsstrafrecht bestimmt wird. Auch auf andere Teilfragen der Tatbestandsmäßigkeit (z. B. ob eine „öffentliche Urkunde" vorliegt) wird im Strafprozeß unter Umständen ausländisches Recht angewendet, bzw. eine schon erfolgte konkrete gerichtliche Anwendung ausländischen Rechts im Ausland einer konkreten Anwendung inländischen Rechts im Inland gleichgestellt (z. B. bei der Beurteilung, ob Rückfall vorliegt). Aber auch wenn 11
§2
Internationales Straf- und Verwaltungsrecht
die anderslautende strafrechtliche Beurteilung unter ausländischem Recht bei der Frage nach der Strafbarkeit im Forumstaat nicht als unmittelbar beachtlich erklärt wird, kann sie doch für die Frage eine Rolle spielen, ob Irrtum des Täters über die „Strafbarkeit" seines Verhaltens vorlag, oder ob die Geltung abweichenden Rechts im Ausland für den Vollzug des inländischen Rechts eine Notstandssituation hervorgerufen hat. In denjenigen Fällen, in denen zwar nach Völkerrecht die Möglichkeit bestünde, ein inländisches Gericht zum Strafverfahren zuständig zu erklären, in denen aber von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wird, findet meist keine Vollstreckung ausländischer Strafurteile statt 3 4 ; hier stellt sich die Auslieferung des Beschuldigten an einen fremden Staat als ein spezielles Verfahrensrecht für die strafrechtliche Behandlung heterogen verknüpfter Sachverhalte dar 35 . Wird auch die Auslieferung aus irgendeinem Grunde verweigert oder nicht vorgesehen, und ist das inländische Gericht zur Bestrafung nicht zuständig, so bleibt ein in der Praxis nicht unbeträchtlicher Spielraum, innerhalb dessen die strafrechtliche Beurteilung heterogen verknüpfter Sachverhalte durch einen Staat einfach darin besteht, daß er gar kein staatliches Strafrecht „zur Anwendung bringen läßt" und auch nicht dazu hilft, daß ein anderer Staat es tun und gegebenenfalls die von ihm verhängte Strafe vollstrecken kann. Während bei Straftaten im allgemeinen Begehung im Inland oder Begehung durch eigene Staatsangehörige allein als Verknüpfung genügen, schafft bei manchen Strafnormen auch das Erfordernis einer mehrfachen Verknüpfung mit dem Forumstaat, wenn es sich im Strafrecht aller beteiligten Staaten findet, straffreie Lücken, so daß z. B. in jedem von zwei Staaten nur die im Inland (oder von inländischen Staatsangehörigen im Ausland) begangene Behinderung inländischer Behörden strafbar ist, nicht aber die im Inland (und erst recht nicht die im Ausland) von Ausländern oder Inländern begangene Behinderung ausländischer Behörden. Dennoch ist es für das Strafrecht nicht absolut ausgeschlossen, daß bei heterogen verknüpften Situationen ein zuständiges Gericht „gemäß" ausländischem Recht bestrafen könnte, oder daß ausländische Strafurteile, die gemäß ausländischem Strafrecht zustande gekommen sind, auch ohne Vertrag im Inland anerkannt und vollstreckt werden 36 . Bei der Anwendung von Verwaltungsrecht beschränken sich die meisten Staaten darauf, ihre eigenen Verhaltensnormen, die zum Verwaltungsrecht (einschließlich des öffentlichen Wirtschaftsrechts) gerechnet werden, bei heterogener Verknüpfung des Sachverhalts zunächst einmal insoweit durch eigene Organe zu erzwingen, als eine die Zuständigkeit der inländischen Gerichte und eine die Anwendung des Inlandsrechts legitimierende und vom Gesetzgeber zu diesem Zweck ausgewählte Inlandsverknüpfung vorliegt. Dabei sind viele Staaten im Verwaltungsrecht oft noch zurückhaltender als im Strafrecht; so werden z, B. Staatsangehörigkeit und Wohnsitz weit weniger zum Anlaß für die Anwendung von Verhaltensgeboten des Verwaltungsrechts verwendet als im Strafrecht. So wie aber im internationalen Privatrecht darauf Bedacht genommen werden muß, daß jemand nicht aus demselben Grund und für denselben Zweck in mehreren Staaten zur Zahlung an verschiedene Gläubiger gezwungen wird 37 , betrachtet es vor allem das Doppelbesteuerungsrecht als seine Aufgabe zu verhüten, daß das Bestehen von Verknüpfungen eines Steuerpflichtigen zu mehreren Staaten eine verhältnismäßig größere Belastung zur Folge hat, als sie bei Steuerpflichtigkeit in nur einem dieser Länder bestünde. Eine gerichtliche Anwendung von ausländischem Verwaltungsrecht, die eine Vollstreckung von Sanktionen wegen der Nichtbefolgung solcher Normen nach sich zieht, findet fast nie statt, und eine Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Inland durch inländische Organe zwecks Erzwingung ausländischer verwaltungsrechtlicher Verhaltens- oder Leistungspflichten erfolgt wohl stets nur auf Grund besonderer völkerrechtlicher Verträge unter Voraussetzung der Gegenseitigkeit 38 . Das soeben Gesagte schließt aber nicht aus, daß die Erfassung eines heterogen verknüpften Sachverhalts durch ausländisches Verwaltungsrecht in einem frem12
Völkerrechtliche Bindungen bei der Bildung rechtlicher Stellungnahmen
§ 3
den Staat und die damit zusammenhängenden Staatsakte eines fremden Staates möglicherweise wieder vom inländischen Verwaltungsrecht des Forumstaates als „Tatbestandselemente" gewertet werden, oder daß die Stellungnahme eines ausländischen Verwaltungsrechts zu heterogen verknüpften Sachverhalten als solche Tatbestandselement in einer Spezialnorm des inländischen Verwaltungsrechts wird 39 . Nicht selten wird ohnehin für heterogen verknüpfte Sachverhalte nicht das für reine Inlandssachverhalte maßgebliche Verwaltungsrecht angewendet, sondern Spezialvorschriften (z. B. Außenwirtschaftsrecht). Auch wenn ausländisches Straf- und Verwaltungsrecht meist nicht gerichtlich angewendet wird, um anschließend an die Feststellung der Verletzung solcher Vorschriften öffentlich-rechtliche Unrechtsfolgen im Forumstaat zu vollziehen, ist es doch durchaus möglich, daß die Befolgung bzw. Nichtbefolgung derartiger Bestimmungen des öffentlichrechtlichen Rechts eines fremden Staates im Forumstaat unter Anwendung des ausländischen öffentlichen Rechts festgestellt werden muß, wenn sie als Vorfrage für einen im Forumstaat «ingewendeten Pra^trechtssatz des eigenen oder des fremden Rechts aufgeworfen wird: O b jemand durch Verstoß gegen öffentlich-rechtliche „Schutzgesetze" des Auslands im Ausland eine Schadensersatzpflicht für sich begründet hat, wird bei Anwendung des Privatrechts über unerlaubte Handlungen unvermeidlicherweise gemäß ausländischem öffentlichen Recht geprüft 40 .
§ 3. Völkerrechtliche Bindungen bei der Bildung rechtlicher Stellungnahmen zu heterogen verknüpften Sachverhalten durch die Staaten a) Allgemeines Welches Organ im Staat für die Bildung einer gesetzgeberischen Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten zuständig ist, ist seiner Verfassung zu entnehmen. Im allgemeinen wird es derselbe Gesetzgeber sein, der auch die Sachnormen des Inlandsrechts für entsprechende homogen verknüpfte Sachverhalte erlassen darf; doch kann z. B. im Bundesstaat das letztere Sache der Gliedstaaten, das erstere hingegen Sache des Bundesgesetzgebers sein, wenn dies etwa aus der Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der „auswärtigen Beziehungen" geschlossen wird. Ähnlich ist es bezüglich der Frage, welche Gerichte für Streitigkeiten aus heterogen verknüpften Sachverhalten zuständig sind; es können dies dieselben Gerichte sein, welche in erster Linie für Streitigkeiten aus homogen verknüpften Sachverhalten Zuständigkeit besitzen, es kann sich auch um Spezialgerichte handeln. Da die gesetzlichen Bestimmungen über die gerichtliche Behandlung und rechtliche Beurteilung heterogen verknüpfter Sachverhalte oft außerordentlich lückenhaft sind, haben die Gerichte hier meist ein weites Feld zu Gesetzeslücken füllender Rechtsprechung. Daß dann bei der Wahl zwischen den verschiedenen eben aufgezeigten Möglichkeiten einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten gewisse in den meisten Staaten heute anerkannte Leitprinzipien zugrunde zu legen sind, darauf wird später noch einzugehen sein 1 . Hiervon abgesehen, sind die staatlichen Organe, um welche es sich auch handeln möge, schon nach positivem allgemeinem Völkergewohnheitsrtchx nicht ganz frei in der Wahl ihrer Stellungnahme. Nach einem zwar selten praktisch aktuellen, aber dennoch im Rechtsbewußtsein sicher verankerten Satz des universalen Völkergewohnheitsrechts setzen bestimmte Arten der Stellungnahme zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt, vor allem die Zuweisung an „eigenes" Recht, das Vorhandensein von Inlandsverknüpfungen mit einer gewissen Mindestintensität voraus 2 . Es gibt Verknüpfungen zu einem Staat, die nach Völkerrecht sicher nicht verwendet werden dürfen, um die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates oder gar die Anwendung seines Inlandsrechts zu begründen: Die Tatsache, daß der Erblasser in England eine Sammlung von Kunstgegenständen hinterlassen hat, die 13
§3
Völkerrecht und Gerichtsbarkeit
vor Jahrhunderten in China hergestellt und von dort exportiert wurden, genügt als solche allein weder, damit chinesische Gerichte sich anmaßen, gegen den Willen auch nur eines der Beteiligten über Nachlaßstreitigkeiten zu entscheiden, noch dafür, daß China oder ein anderer Staat chinesisches Erbrecht auf die Erbfolge anwenden läßt. Es gibt also Verknüpfungen, die nach Völkerrecht bei der Regelung heterogen verknüpfter Sachverhalte nicht verwendet werden dürfen, um damit die Zuständigkeit der eigenen Gerichte und die Anwendung des eigenen Rechts zu begründen. Ist eine ausreichende Inlandsverknüpfung vorhanden, so können jene „schwachen" Verknüpfungen jedoch zur Bestimmung des Anwendungsbereiches von inländischem Spezialrecht herangezogen werden: Das Völkerrecht würde China nicht hindern, das chinesische Erbrecht, dessen Anwendung in China von der chinesischen Staatsangehörigkeit des Erblassers abhängt, so zu gestalten, daß Kunstgegenstände chinesischer Herkunft im Nachlaß nur an chinesische Staatsangehörige vererbt werden können. Indien kann einem indischen Exporteur verbieten, Jute indischer Herkunft nach Südafrika zu liefern 3 , oder an jemand zu liefern, von dem er weiß, daß er sie nach Südafrika verbringen wird; Indien kann andererseits einem im Ausland befindlichen Eigentümer indischer Jute nicht den Verkauf an Käufer verbieten, die die Ware nach Südafrika bringen werden; wohl aber kann der indische Staat die indischen Gerichte anweisen, ein ausländisches Urteil gegen eine der Parteien in diesem Fall in Indien nicht zu vollstrecken. b) Völkerrechtliche Voraussetzungen für die Ausübung von Gerichtsbarkeit über heterogen verknüpfte Sachverhalte In dem Spektrumband der möglichen Verknüpfungen eines heterogen verknüpften Sachverhalts mit dem Forumstaat gibt es eine Reihe solcher Verknüpfungen, welche anerkanntermaßen nach Völkerrecht entweder nur die Ausübung von Gerichtsbarkeit, oder neben der Ausübung von Gerichtsbarkeit ein breites Ermessen zur Bestimmung des anwendbaren ausländischen Rechts gewähren, und schließlich auch solche, welche die Anwendung eines vom Forumstaat selbst geschaffenen Rechts auch bei Widerspruch zu dem von anderen Staaten angewendeten Recht ermöglichen. Am Abschlußort eines einzelnen obligatorischen Vertrages kann „aus dem Vertrag", vielleicht auch auf Feststellung der Ungültigkeit oder des Hinfälligwerdens eines angeblich dort geschlossenen Vertrages geklagt werden, nicht aber aus anderen Verträgen und sonstigen Rechtsverhältnissen zwischen den Parteien. In dem Staat, in dem der Beklagte Vermögen hat (in welches vollstreckt werden kann), dürfen gegen ihn zwar nach Völkerrecht alle „vermögensrechtlichen" Ansprüche eingeklagt werden, aber Vermögensbesitz im Inland reicht nicht aus, damit ein Gericht in dem betreffenden Staat etwa über eine Ehescheidungsklage gegen den Eigentümer entscheiden kann. In dem Land, in dem Waren eines ausländischen Produzenten, und sei es auch durch andere als ihn selbst gemäß den Intentionen des Produzenten, vertrieben werden, darf er sicher für Schäden haftbar gemacht werden, die den Endabnehmern entstehen; die „long arm statutes" einiger amerikanischer Staaten ermöglichen z. T. aber auch die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Haftung für Produkte, die in dritten Staaten verkauft wurden. Ein völkerrechtlich erlaubter Gerichtsstand im Forumstaat liegt auch vor, wenn die Zuständigkeit darauf gestützt wird, daß nach dem internationalen Privatrecht des Forumstaates dessen eigenes materielles Recht anzuwenden ist, oder daß die Parteien vor oder nach Prozeßeinleitung die Zuständigkeit des Forums übereinstimmend anerkannt haben. Daß es völkerrechtswidrig wäre, die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts auf Vereinbarung der Parteien zu stützen, wenn der Heimat- oder der Wohnsitzstaat eine solche Abmachung unter Strafandrohung verbietet, ist nicht zu sehen. Bestehen vom Standpunkt des Völkerrechts her keine Bedenken dagegen, daß ein 14
Völkerrecht und Gerichtsbarkeit
§3
staatliches Gericht auf Grund einer zu diesem Zweck angegebenen Verknüpfung Zuständigkeit zur Entscheidung „in der Hauptsache" in Anspruch nimmt, und daß es eine Entscheidung trifft, die im Forumstaat die Vollziehung von Vollstreckungsakten zur Folge haben kann, so ist es nach Völkerrecht ohne weiteres zulässig, daß das zuständige Gericht über irgendwelche bei dem Rechtsanwendungsvorgang auftauchende Inzidentfragen selbst entscheidet, auch wenn diese Inzidentfragen wegen ihrer Auslandsverknüpfungen so gestaltet sind, daß die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit zur Entscheidung über dieselbe Frage als Hauptgegenstand eines Zivilprozesses im Forumstaat nach Völkerrecht unzulässig wäre4. Das allgemeine Völkerrecht zieht die Grenzen für die Gewährung „internationaler Zuständigkeit" an staatliche Gerichte außerordentlich weit, und die meisten Staaten machen keineswegs in vollem Umfang von dem völkerrechtlich Zulässigen Gebrauch. Von der „exorbitanten" Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates des Klägers für alle Rechtsstreitigkeiten, an denen dieser Kläger interessiert ist, und die wohl auch nach allgemeinem Völkerrecht nicht unzulässig ist 5 , macht insbesondere Frankreich 6 Gebrauch; die Tatsache, daß der Beklagte Vermögen im Forumstaat hat, begründet eine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über irgendwelche vermögensrechtliche Ansprüche gegen ihn in Deutschland7 und wenigen anderen Ländern; die Tatsache, daß dem Beklagten die Klage persönlich im Inland (selbst anläßlich eines ganz kurzen Aufenthalts) zugestellt werden kann, wird vorzugsweise nur von den Ländern des englischen Rechts als Legitimation für die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte verwendet8. Aber auch von den mit Billigung des Völkerrechts tatsächlich mit Zuständigkeit für heterogen verknüpfte Sachen ausgestatteten Gerichten sind im einzelnen Fall meist nur wenige für den Kläger von praktischem Interesse. Hierzu trägt vor allem bei, daß nach Völkerrecht zwar eine einzelne von zahlreichen Verknüpfungen genügt, um den Gerichten eines Staates die Zuständigkeit zum Erlaß einer Entscheidung zu verschaffen, in der die Rechtslage festgestellt wird, daß aber Vollstreckungsakte nach Völkerrecht durch die Organe eines Staates nur auf seinem eigenen Gebiet vorgenommen werden dürfen, und daß oft einerseits keine Zugriffsmöglichkeiten auf die verurteilte Partei oder ihr Vermögen im Forumstaat bestehen, während andererseits das Urteil im Ausland häufig nicht auf Anerkennung und Vollstreckung rechnen kann: Damit in die Freiheit des Urteilsschuldners zwecks Zwangsvollstreckung eingegriffen werden kann, muß er sich persönlich auf dem Staatsgebiet befinden; damit Sachen von den Vollstreckungsorganen zwangsweise in Besitz genommen werden können, müssen sie im Gebiet des Vollstreckungsstaates belegen sein. Ehe ein Gericht von einer völkerrechtlich zugelassenen Zuständigkeit zur Durchführung eines Zivilprozesses Gebrauch machen kann, muß wohl schon nach Völkerrecht jedenfalls der Versuch einer Benachrichtigung des Beklagten von der Klage (oder der Absicht des Gerichts, von Amts wegen ein Verfahren einzuleiten) erfolgen. Dabei verlangt das Völkerrecht sicher nicht, daß die Klageschrift usw. dem Beklagten in Person im Prozeßstaat zugestellt werden. Geschieht dies nicht, oder kann es nicht geschehen, so ist dann, wenn der Beklagte eine Wohnung oder eine geschäftliche Niederlassung im Prozeßstaat hat, wohl der Versuch einer (unter Umständen nur symbolischen) Zustellung der Klage notwendig. Ist der Beklagte nicht im Gerichtsstaat persönlich anwesend, und hat er dort nicht eine Wohnung, oder eine geschäftliche Niederlassung, oder einen zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigten Vertreter, so ist nach Völkerrecht auch eine „öffentliche" Zustellung der Klage im Gerichtsstaat genügend, wenn ein ausreichender Zuständigkeitsgrund, etwa in Gestalt des Erfüllungsortes, vorliegt. Es gilt dies wohl auch dann, wenn eine persönliche Benachrichtigung des Beklagten, etwa durch Vermittlung von Behörden seines Aufenthalts- oder Wohnsitzstaates, oder auch durch eine bloße Mitteilung über die Post, durchführbar wäre; doch geht eine verbreitete Rechtsüberzeugung wohl dahin, daß 15
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Völkerrechtliche Schranken der Anwendung eigenen Rechts
dann neben der öffentlichen Zustellung eine Mitteilung durch die Post, wenn sie möglich ist, nicht unterlassen werden darf. Während auch innerhalb eines Staates konkurrierende Zuständigkeiten mehrerer Gerichte für denselben Rechtsstreit bestehen können, aber dann durchweg das Monopol eines dieser Gerichte (meist des zuerst angerufenen) gesichert wird, falls versucht wird, die Sache vor mehreren Gerichten anhängig zu machen, hindert das allgemeine Völkerrecht es nicht, daß aus heterogen verknüpften Sachverhalten Prozesse vor den konkurrierend zuständigen Gerichten mehrerer Staaten nacheinander anhängig gemacht und bis zum Ende durchgeführt werden. Jeder Staat kann für die Anerkennung und Vollstreckung fremder Urteile größere Anforderungen an die „Zuständigkeit" des entscheidenden Gerichts stellen 9 , als sie das Völkerrecht und das eigene Recht des Gerichtsstaates aufgestellt haben. c) Völkerrechtliche Zulässigkeit der Anweisung zur erzwingenden Anwendung von Recht, das der Gesetzgeber des Forumstaates selbst erlassen hat Intensivere Verknüpfungen, als sie zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Staates zur Entscheidung über privatrechtliche Streitigkeiten in heterogen verknüpften Situationen genügen, sind nach allgemeiner Rechtsüberzeugung nach Völkerrecht erforderlich, damit ein Staat durch seine Gerichte auf einen solchen Sachverhalt sein Inlandsrecht oder ein von ihm gebildetes Spezialrecht erzwingend anwenden kann: Die Tatsache, daß dem Beklagten die Klage bei einem zufälligen Inlandsaufenthalt persönlich zugestellt werden konnte und zugestellt worden ist, genügt zwar, damit der Staat die Zuständigkeit seiner Gerichte für vermögensrechtliche Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten bejahen darf, aber reicht keineswegs allein schon aus, damit der betreffende Staat durch seine als zuständig erklärten Gerichte sein Inlandsrecht oder ein von ihm gebildetes Spezialrecht für heterogen verknüpfte Sachverhalte gegen den Willen des Beklagten anwenden lassen darf. Selbst wenn die Ehefrau ihren Unterhaltsanspruch gegen den Mann in dem Staat geltend machen kann, in dem der Mann Vermögen hat, darf dieser Staat, wenn er schon seine Gerichte entscheiden läßt, sie nicht anweisen, auf den Unterhaltsanspruch oder gar auf die Vorfrage des Bestehens der Ehe einfach sein inländisches Recht anzuwenden, falls nicht noch andere Verknüpfungen vorhanden sind, die dies rechtfertigen können. Allerdings gilt es als völkerrechtlich unbedenklich, wenn ein Staat die gerichtliche Anwendung eines anderen als seines eigenen Rechts davon abhängig macht, daß eine interessierte Partei dies verlangt, und daß sie den Inhalt des ausländischen Rechts dem Gericht nachweist 1 0 . Auch die völkerrechtlichen Schranken für den Anspruch eines Staates auf eine erzwingende Anwendung seines eigenen Rechts durch seine Gerichte mit Rücksicht auf eine zu diesem Staat bestehende Verknüpfung sind recht weit gesteckt. Die meisten Staaten machen nicht nur von den Möglichkeiten, die ihnen das allgemeine Völkerrecht gewährt, um ihre Gerichte als zuständig zu erklären, sondern auch von der Möglichkeit, ihren Gerichten die Anwendung des von ihnen selbst geschaffenen Rechts vorzuschreiben, keineswegs voll Gebrauch. Die gelegentlich anzutreffende Bereitschaft der Gerichte, die Verhaltensnormen im Inlandsrecht ihres Staates anzuwenden, obwohl keine Inlandsverknüpfung vorhanden ist, die eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung über die Anwendbarkeit des Inlandsrechts völkerrechtlich legitimieren würde, wenn aber keiner der dazu befugten anderen Staaten sein Recht angewendet haben will („lexforisme subsidiaire"), wird nur selten als völkerrechtswidrig kritisiert. Sie ist völkerrechtlich haltbar insoweit, als die lex fori bei der Bildung einer Billigkeitsentscheidung als Richtlinie benutzt werden soll, nicht aber, wenn die Entscheidung eine Sanktion, insbesondere eine Strafe für die Nichtbefolgung von Verhaltensnormen der lex fori ausspricht 103 . 16
Völkerrechtliche Schranken der Anwendung eigenen Rechts
§3
Während es ein Hauptbestandteil der „Gebietshoheit" ist, daß jeder Staat nach Völkerrecht ein Verhalten irgendwelcher Menschen auf seinem Staatsgebiet, solange sie sich dort befinden, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit unter Anknüpfung an den inländischen Handlungsort vor allem verbieten darf, darf der Staat nach Völkerrecht auch Verhalten von Menschen außerhalb seines Staatsgebiets durch eigene Privatrechtssätze zu steuern versuchen, wenn nur eine persönliche Verknüpfung in Gestalt der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes 1 1 , oder eine nicht ungewichtige sachliche Verknüpfung zum eigenen Staatsgebiet etwa in Gestalt des Wirkungsortes einer unerlaubten Handlung, oder des Abschlußortes eines obligatorischen Vertrages usw. — vorhanden ist. Verhaltensgebote, die sowohl mit privatrechtlichen als auch mit öffentlichrechtlichen Sanktionen ausgestattet sind, dürfen daher nach Völkerrecht auf Grund der genannten Verknüpfungen auch von gewissen anderen als denjenigen Staaten, auf deren Gebiet sich das Verhalten abspielt, ausgehen; es ist indes für gewisse Materien (z. B. Verkehr auf öffentlichen Straßen) unzulässig, daß andere Staaten ein Handeln befehlen, das von dem primär zur Regelung zuständigen Aufenthaltsstaat des Normadressaten verboten ist, und umgekehrt, während der Erlaß von Normen über ein Verhalten auf fremdem Gebiet, welches von dem Gesetzgeber des betreffenden Staates „frei gelassen" worden ist, durch das Heimatrecht oder das Recht des Wohnsitzlandes zulässig ist 1 2 . Praktisch wichtig werden auch für das internationale Privatrecht können ferner solche völkerrechtlichen Schranken der Staatsgewalt, welche dem Versuch eines Staates entgegenstehen, durch sein Recht die Verursachung von Wirkungen auf seinem Staatsgebiet durch ein Verhalten auf fremden Staatsgebiet oder auf staatlosem Gebiet zu verbieten (bzw. zu gebieten), wenn keine zusätzlichen persönlichen Verknüpfungen der Normadressaten zu dem Staat gegeben sind, und wenn die Verletzung des Verbots (Gebots) Sanktionen in Gestalt von Rechtsgüterentziehungen oder in Gestalt von Schadensersatzpflichten zur Folge haben soll. Der Anspruch, für die Anwendbarkeit derartiger Verhaltensgebote allein auf den Ort abzustellen, wo sich das Verhalten auswirkt, setzt schon nach Völkerrecht im allgemeinen voraus, daß die Auswirkung von dem Normadressaten vorausgesehen wurde (oder gar beabsichtigt war), bzw. daß sie vorausgesehen werden konnte. Eine solche Anknüpfung vermittels des Wirkungsortes von menschlichem Verhalten kann trotzdem völkerrechtlich unzulässig sein, wenn eine Handlung im Recht des anderen Staates, zu dem eine Verknüpfung durch persönliche Anwesenheit auf seinem Gebiet oder durch Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit bestand, geboten ist, und eine völkerrechtliche Rechtsüberzeugung die Regelungsbefugnis dieses Staates als vorrangig vor der Regelungsbefugnis des Wirkungslandes betrachtet: Ein Unternehmen, welches freiwillig oder in Befolgung wirtschaftsrechtlicher Vorschriften des Sitzstaates seine Produktion bestimmter Waren vergrößert oder verringert, kann damit sicher die Versorgungsverhältnisse in einem anderen Staat beeinflussen; der andere Staat kann dies aber zweifellos nicht zum Anlaß nehmen, um durch ein an das Unternehmen gerichtetes Verbot eine derartige Einwirkung auf seinen Markt zu verhindern; er kann auch keine privatrechtlichen Unrechtsfolgen an die Mißbilligung dieser Einwirkung anknüpfen. Ein Handlungsverbot seitens des Wirkungsstaates ist aber auch dann nicht völkerrechtlich legitimiert, wenn der Normadressat von einer am Handlungsort bestehenden rechtlichen Freiheit Gebrauch macht, und die Rückwirkungen auf den anderen Staat eine nur allzu indirekte Nebenwirkung des Gebrauchs dieser Freiheit darstellen: Obwohl ein Staat die Verbreitung von Schriften bestimmten Inhalts auf seinem Gebiet wegen Gefährdung seiner politischen Machtverhältnisse verhindern und verbieten kann, kann er nicht die Herstellung und Verbreitung der Schriften in einem anderen Staat, wo sie frei ist, unter Strafandrohung verbieten, mit der Begründung, daß seine Staatsangehörigen die Schriften im Ausland lesen und sich davon beeinflussen lassen könnten, und daß dadurch die bestehende Ordnung auf seinem Staatsgebiet wieder gefährdet werde. 17
§3
Schranken der Personalhoheit
Ähnliches gilt wohl auch für erlaubte Kartellabmachungen der Produzenten im Produktionsland, die nur indirekt Rückwirkungen auf fremde Märkte haben. Besteht aber im Land des Handlungsortes ein Verbot, so kann das Wirkungsland durch seine Gerichte auch ein gleichlautendes eigenes Verbot anwenden lassen. Ferner darf ein Staat im allgemeinen niemand, zu dem keine persönliche Verknüpfung (z. B. durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz) besteht, eine mit Strafdrohung ausgestattete Pflicht zu einem bestimmten Handeln im Ausland auferlegen, mit der Begründung, die Unterlassung des Handelns könne möglicherweise unerwünschte Rückwirkungen auf dem Gebiet dieses Staates haben. Es mag daher sein, daß ein Tanker nach dem Recht des Flaggenstaates nicht diejenigen Einrichtungen zu haben braucht, die nach dem Recht anderer Staaten geboten sind, um ein Ausfließen des Öls bei Unfällen auf hoher See zu erschweren. Dann kann der Schiffseigentümer, solange das Schiff sich nicht in den Gewässern eines anderen Staates befindet, von anderen als dem Flaggenstaat nicht unter Strafandrohung zur Anbringung solcher Einrichtungen angehalten werden 13 . Ein Staat, dessen Strände aber tatsächlich bei einem Unfall infolge des Fehlens jener Einrichtungen verschmutzt werden, kann gemäß seinem Privatrecht den Schiffseigentümer zu Schadensersatz heranziehen. Wenn derjenige Staat, der kraft seiner Hoheit über die auf seinem Gebiet anwesenden Menschen oder kraft seiner Personalhoheit auf hoher See schadensverhütende Maßnahmen gebieten könnte, dies entgegen dem unterläßt, was in den zivilisierten Staaten üblich ist, so können aber w/&errechtliche Schadensersatzansprüche und völkerrechtliche Ansprüche auf Einführung von Verhütungsmaßnahmen gegen diesen Staat durch andere Staaten erhoben werden, auf deren Gebiet ein Schaden entsteht oder entstehen könnte. Andererseits hindert das Völkerrecht nicht, daß ein Staat das auf seinem Gebiet greifbare Vermögen einer natürlichen oder juristischen Person haftbar macht, um Mittel insbesondere zum Ersatz von Schäden „auf" seinem Staatsgebiet zu beschaffen, wenn der Beitragspflichtige (oder ein Organ der juristischen Person) durch irgendeine Handlung (einschließlich des „Haltens" einer Sache) im In- oder Ausland, und sei es auch nur entfernt und ohne Schuldvorwurf, das schädigende Ereignis mit verursacht hat, oder davon direkt oder indirekt begünstigt, insbesondere bereichert worden ist 1 4 . Einer außerhalb eines Staates befindlichen Person kann eine Pflicht auferlegt werden, durch Handlungen im Ausland oder im Inland Ereignisse im Staat zu veranlassen oder zu verhindern, wenn bereits eine sachliche Verknüpfung zum Inland, etwa in der Gestalt der Belegenheit eines industriellen Betriebes, besteht, wenn die auferlegte Pflicht in einem adäquaten Verhältnis zu der bestehenden Verknüpfung steht, und ferner vorausgesetzt, daß es der betreffenden Person nicht aus Gründen, die auch im Recht ihres Aufenthaltsstaates liegen können, unmöglich ist, die Pflicht zu erfüllen. Wer eine Geschäftsniederlassung im Ausland durch Angestellte unterhält, kann nicht nur mit oder ohne Verschulden für Schäden durch Unfälle Dritter innerhalb dieser Einrichtung haftbar gemacht werden, sondern kann z. B. auch auf Klage von Nachbarn hin unter Strafandrohung zu versorglichen Maßnahmen angehalten werden. Der Staat der Geschäftsniederlassung darf den auswärtigen Inhaber auch verpflichten wollen, Geschäftsbücher, die am zentralen Geschäftssitz geführt werden, den Behörden der Niederlassung zur Einsicht zu überlassen, usw. Irrig ist die Vorstellung, daß generell nur ein Staat, mit dem der zu Verpflichtende persönlich oder durch die Wirkungen seines Verhaltens verknüpft ist, oder daß gar nur der Heimat- oder Wohnsitzstaat des zu Verpflichtenden die Anwendung seines Rechts auf eine Leistungspflicht vorsehen dürfe 15 : Auch der Wohnsitzstaat einer Person, deren Ansprüche auf Unterhalt durch einen anderen zur Debatte stehen, darf solche Verpflichtungen durch das eigene Recht begründen, wenn ein vernünftiger Rechtsgrund (Verwandschaft usw.) der Unterhaltspflicht zugrunde gelegt wird. Desgleichen darf der Wohnsitzstaat dessen, der durch eine schuldlose Handlung eines 18
Unzulässige Verhaltensregelungen
§3
anderen einen Schaden erleidet, den Handelnden gemäß seinem Recht haftbar machen, ohne daß eine Verknüpfung zu der haftenden Person erforderlich ist. Selbst der H e i m a t staat einer durch Handlungen anderer verletzten Person darf als Wirkungsland die A n w e n dung seines eigenen Rechts beanspruchen, wenn der Fiskus dieses Landes mit den Kosten der Fürsorge für den Verletzten belastet ist. Aus einem entsprechenden Grund darf auch der Heimatstaat der Mutter bestimmen, daß der Vater gegenüber der Mutter oder gegenüber dem Kind Unterhalt nach Maßgabe des Heimatrechts der Mutter zu leisten h a t 1 6 . Liegt allerdings eine indirekte finanzielle Belastung des Heimatstaates der von Handlungen anderer betroffenen Person mit elementaren Fürsorgepflichten nicht vor, so wäre es bedenklich, wenn dieser Staat, nur gestützt auf die Staatsangehörigkeit dessen, der den Anspruch erhebt, und ohne daß sonstige Verknüpfungen bestehen, eigene Verhaltens- oder Leistungsgebote als anwendbar bezeichnen wollte. Völkerrechtliche Schranken der staatlichen Hoheit machen sich daher auch bemerkbar, wenn ein Staat versuchen wollte, z u g u n sten von Personen, die seine Staatsangehörigen sind oder den Wohnsitz auf seinem Gebiet haben, gemäß seinem Recht absolute Rechte zu begründen, die sich gegenüber solchen Personen äußern, die mit diesem Staat nicht durch eine entsprechende Eigenschaft, wie sie bei dem angeblichen Rechtsinhaber vorliegt, verknüpft sind. Kennt das Recht eines Staates keinen Anspruch eines Namensträgers darauf, daß ein Unberechtigter nicht diesen N a m e n auf dem Staatsgebiet des betreffenden Staates führt, so darf der H e i m a t - oder Wohnsitzstaat des Namensträgers nicht unter A n w e n d u n g seines privaten Namensschutzrechtes durch seine Gerichte ein Unterlassungsurteil aussprechen lassen, welches die Führung des betreffenden N a m e n s durch einen Ausländer im Ausland mit der Begründung untersagt, das den eigenen Staatsangehörigen des Forumstaates gewährte Recht auf Namensschutz w i r k e auch im Ausland. Auch ein „Schutz" eines Monopolrechts auf die Benutzung einer M a r k e im Geschäftsverkehr, auf die Verwendung einer Erfindung, auf die Vervielfältigung eines literarischen W e r k e s u s w . kann nicht in der Weise erfolgen, daß ein Verhalten von Ausländern auf fremdem Staatsgebiet, für das der örtliche Staat kein entsprechendes absolutes Recht unter seiner Gesetzgebung gebildet hat, als Verstoß gegen ein vom H e i m a t - oder Wohnsitzstaat des Rechtsinhabers geschaffenes und angeblich überall wirksames absolutes Recht deklariert wird. Der Heimatstaat dürfte nach Völkerrecht Monopolrechte eigener Staatsangehöriger zu einem bestimmten Verhalten im Ausland gemäß seinem Recht begründen, insoweit dadurch solche Personen verpflichtet werden, die Staatsangehörige desselben Staates sind oder dort ihren Wohnsitz haben; an der Schaffung solcher Monopolrechte auf fremdem Staatsgebiet mit einem persönlich beschränkten Kreis der Verpflichteten besteht allerdings meist kein gesetzgeberisches Interesse 1 7 . Andererseits besteht eine gesicherte Rechtsüberzeugung, wonach der Heimatstaat auf staatlosem Gebiet zugunsten seiner Staatsangehörigen in Bezug auf herrenlose und in Besitz genommene Sachen Monopolrechte begründen darf, die auch gegenüber anderen Staatsangehörigen wirken, und daß er den Besitz seiner Staatsangehörigen an Sachen gegenüber Ausländern unter A n w e n d u n g seines eigenen Rechts durch seine Staatsorgane schützen darf. So ist es zu erklären, daß auf hoher See oder auf staatlosem Landgebiet eine Aneignung von beweglichen Sachen 1 8 , auf staatlosem Land sogar eine Aneignung von Grundstücken 1 9 , gemäß dem Heimatrecht des Erwerbers erfolgen kann, und daß der Eigentümer durch Staatsorgane des Heimatstaates gegen Eingriffe und Störungen auch gegenüber Staatsangehörigen anderer Staaten geschützt werden darf. Im Rahmen seiner völkerrechtlichen Befugnis zur Begründung von Verhaltenspflichten durch eigenes Recht auf Grund der Personalhoheit (oder unter A n k n ü p f u n g an den Wohnsitz) kann ein Staat Privatrechtssubjekten, welche Inhaber subjektiver Rechte sind, die vorwiegend oder ausschließlich durch einen anderen Staat gemäß dessen Recht geschützt werden, auch Vorschriften über die Ausübung oder Nichtausübung solcher Rechte 19
§3
Vorrangige Regelung durch den Gebietsstaat
im Ausland machen. Dabei kann es sich um Rechtssätze handeln, deren Nichtbefolgung öffentlich-rechtliche Unrechtsfolgen nach sich zieht, es kann sich auch um privatrechtliche Sätze handeln. Der Heimatstaat darf einen Staatsangehörigen unter Androhung von Strafen verpflichten, bewegliche Sachen im Ausland, die ihm nach dem Recht des Lagestaates gehören, und über die er vom Standpunkt des Lagestaates her frei verfügen kann, in den Heimatstaat zu bringen usw.; der Heimatstaat des Eigentümers darf zu dessen Lasten die Verursachung einer Störung, die von der im Ausland belegenen Sache ausgeht, nach seinem Deliktsrecht als unerlaubte Handlung bewerten, auch wenn es sich hier nach dem Lagerecht der Sache um erlaubte Ausübung des Monopolrechts handelt; der Sitzstaat einer Gesellschaft darf deren Organe in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen oder in seinem Gesellschaftsrecht verpflichten, von ihrem Stimmrecht und von ihren Anweisungsrechten in einer ausländischen Tochtergesellschaft einen bestimmten Gebrauch zu machen 2 0 , usw. Ist das vom Heimatstaat gebotene Verhalten bei der Ausübung eines subjektiven Rechts nach dem Recht des anderen Staates frei, so wird es in diesem anderen Staat allerdings sicher nicht zu einer erzwingenden Anwendung des öffentlich-rechtlichen Verhaltensgebotes als solchem kommen; aber auch die Anwendung von Verhaltensgeboten aus dem Privatrecht des Heimatstaates wird oft daran scheitern, daß die zu dem Urheberstaat des Gebotes hingehende Verknüpfung in den bilateralen Normen desjenigen Staates, der das subjektive Recht beherrscht, und mit denen er den Anwendungsbereich eigenen und fremden Privatrechts absteckt, nicht das maßgebliche Anknüpfungsmoment sein soll 2 1 . Es ist vielmehr sogar zulässig, daß der Staat, der das subjektive Recht schützt, dem Inhaber ausdrücklich unter Androhung öffentlich-rechtlicher Unrechtsfolgen verbietet, bei der Ausübung des Rechts Weisungen, insbesondere öffentlich-rechtlichen Weisungen, aus einem anderen Staat Folge zu leisten 2 2 . Wie schon erwähnt, dürfen Heimat-, Wohnsitz- und Wirkungsland bei bestimmten Materien (Straßenverkehr, Wasserrecht) aber schon nach Völkerrecht durch anwendungswilliges öffentliches oder privates Recht keine Verhaltenspflichten über die Ausübung subjektiver Rechte im Ausland im Widerspruch zu solchen Rechtssätzen begründen, welche der Aufenthaltsstaat oder der Lagestaat von Sachen zur Wahrung der eigenen öffentlichen Ordnung erläßt. Stehen die vom Heimat- oder Wohnsitzstaat begründeten und mit Strafdrohungen ausgestatteten Verpflichtungen in Widerspruch mit Pflichten, die das Land, wo sich das Verhalten des Normadressaten abspielt, seinerseits zu erzwingen bereit wäre — bedeutet also die Befolgung des an den Eigentümer gerichteten Verbotes des Heimatstaates, die in einem anderen Land befindliche Sache zu veräußern, einen Bruch einer im Lagestaat geltenden vertraglichen Verpflichtung des Eigentümers zur Veräußerung —, so ist zwar der Erlaß des Verbotes bzw. die Androhung einer Bestrafung seiner Nichtbefolgung keine Völkerrechtsverletzung, doch wird sie von dem anderen Staat höchstens als Verursachung einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistung aus dem Vertrag gewürdigt werden; jedenfalls wird sie einer zwangsweisen Realisierung der vertraglichen Verpflichtung unter dem Recht des Lagestaates nicht im Wege stehen. Kann nach dem im Staat A anwendbaren Recht eine rechtliche Verpflichtung durch Rechtsgeschäft begründet werden, verbietet ein anderer Staat die Errichtung des Rechtsgeschäfts unter Androhung öffentlich-rechtlicher Unrechtsfolgen, und unterbleibt daraufhin die Errichtung des sonst vermutlich zustande gekommenen Rechtsgeschäfts, so wird sich die Staatsgewalt von A im allgemeinen nicht veranlaßt sehen, mit Rechtszwang darauf hinzuwirken, daß das Geschäft dennoch errichtet wird. Der Staat A hat andererseits keinen völkerrechtlichen Anspruch darauf, daß der Erlaß solcher Verbote durch Heimatstaat oder Wohnsitzstaat unterbleibt. Heimat- und Wohnsitzstaat sind nach Völkerrecht nicht generell gehindert, Verhaltenspflichten zu begründen, die mit zwingenden Sätzen eines gerade für heterogen ver20
Exterritoriale Rechtssetzung
§3
knüpfte Situationen geschaffenen Spezialrechts des Staates, w o sich der N o r m a d r e s s a t in dem kritischen Zeitpunkt aufhält (oder w o er als Sacheigentümer gemäß der lex rei sitae auch Pflichten hat) in Widerspruch stehen: Der Heimatstaat darf vom Eigentümer die Entfernung einer Sache aus dem fremden Lagestaat auch dann verlangen, wenn der Lagestaat den Export solcher Sachen ohne seine Genehmigung verbietet; Wohnsitzstaat des Eigentümers und Lagestaat von Devisenwerten können divergierende devisenrechtliche Weisungen geben, ohne daß die eine oder die andere deshalb völkerrechtswidrig wäre. Die Abgrenzung einer völkerrechtlich nicht verbotenen Ignorierung der Außenwirtschaftspolitik eines anderen Staates durch außenwirtschaftspolitische Anordnungen des Heimat- oder Wohnsitzstaates von einer völkerrechtlich unzulässigen Störung der inneren öffentlichen Ordnung eines anderen Staates dadurch, daß der Heimat- oder Wohnsitzstaat Vorschriften gibt, die in Widerspruch zu den Bestimmungen des Aufenthalts- oder Lagestaates stehen, kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten: Der Lagestaat kann die Eigentümer von Erdöl verpflichten, Vorräte zu halten; eine mit Strafdrohung ausgestattete Anweisung des Heimatstaates des Eigentümers, im Lagestaat entgegen dem dortigen Recht keine Vorräte zu unterhalten, wäre völkerrechtlich bedenklich; dann aber könnte auch ein Gebot des Heimatstaates, entgegen einem Exportverbot des Lagestaates das der betreffenden Person gehörige Erdöl aus dem Lagestaat nach dem Heimatstaat zu verbringen, kaum noch als völkerrechtlich zulässig gelten, wenn auch Proteste des Lagestaates hier wohl schon deshalb unterbleiben werden, weil der Lagestaat weit bessere Möglichkeiten hat, die Befolgung seiner Vorschriften selbst zu erzwingen 23 . Im Zivilprozeß kann sich vor allem die Frage stellen, o b der Beklagte gemäß dem im Forumstaat maßgeblichen Vertragsstatut zu einer Leistung verurteilt werden darf, die am Leistungsort durch das dortige öffentliche Recht verboten ist; wenn es nicht schon andere Gesichtspunkte sind, die einer solchen Verurteilung entgegenstehen, kann das völkerrechtliche Verbot, Anordnungen zu geben, die in Widerspruch stehen zu den Bestimmungen, die der Lageort von Sachen oder der Aufenthaltsort von Menschen zur Wahrung der öffentlichen O r d n u n g in diesem Staat erläßt, dazu nötigen, daß die Verurteilung unterbleibt. D a s hindert aber den Forumstaat nicht, Bestimmungen durchzusetzen, wonach die Verursachung der Unmöglichkeit der Leistung im Ausland durch „ A n s t i f t u n g " des fremden Gesetzgebers zum Erlaß eines solchen Verbotes als Verschulden zu gelten hat, und der Beklagte mit seinem inländischen Vermögen für einen Schadensersatzanspruch haftet. d) E x t e r r i t o r i a l e R e c h t s s e t z u n g u n d R e c h t s e r z w i n g u n g Die Beeinflussung und Beurteilung von menschlichem Verhalten, das sich außerhalb des Staatsgebietes des regelnden Staates abspielt, als „exterritoriale" Gesetzgebung zu bezeichnen, wie dies z. B. in der englischsprachigen Literatur und Rechtsprechung 2 4 geschieht, ist nicht ratsam; anzunehmen, daß sie generell oder jedenfalls im Zweifel nach Völkerrecht unzulässig sei, ist falsch. Von „exterritorialer" Hoheit eines Staates sollte gesprochen werden, wenn ein Staat kraft partikulärer Völkerrechtssätze für das Verhalten insbesondere seiner eigenen Staatsangehörigen außerhalb seines Staatsgebietes nicht nur Verhaltensnormen erlassen darf, sondern wenn er auch Rechtserzwingungsakte gegenüber den Adressaten solcher N o r m e n auf f r e m d e m Staatsgebiet durch eigene Staatsorgane vornehmen lassen darf, wie dies früher bei der Konsulargerichtsbarkeit oder in Protektoraten üblich war. Hierzu ist stets eine besondere Ermächtigung durch partikuläres Völkerrecht (meist Vertrag) erforderlich. D a s partikuläre Völkerrecht verpflichtet in solchen Fällen meist den Gebietsstaat, sich der A u s ü b u n g konkurrierender eigener Gerichtsbarkeit zu enthalten. Eine andere F o r m „exterritorialer" Gewalt, die diesen N a m e n verdient, findet sich bei den sogenannten Anschlüssen, wenn ein Staat A bestimmte Verknüpfungen zu einem fremden Staatsgebiet B für einzelne Materien des Rechts wie Verknüpfungen zum eigenen Staatsgebiet behandeln und darauf die Zuständigkeit zu einer Regelung menschlichen Verhaltens in dem Anschlußgebiet stützen darf, ohne daß eine weitere Verknüpfung zu seinem 21
§3
Verhaltensregelting außerhalb des Staatsgebiets
eigenen Staatsgebiet oder Volk erforderlich ist; so wenn z. B. der Staat A auf einer über das Staatsgebiet von B führenden Eisenbahnlinie reinen Durchgangsverkehr betreibt, und für diesen Teil der Strecke Eisenbahnbetrieb und -transport durch seine Sätze des Verwaltungs-, Straf- und Privatrechts regeln darf 2 5 . Auch hier ist es häufig so, daß dann die Zuständigkeit des anderen Staates, dieselben Vorgänge als Vorgänge „auf seinem Gebiet" zu regeln, in Abweichung vom allgemeinen Völkerrecht ausgeschlossen wird. Eine in einem anderen Sinne „exterritoriale" Regelung menschlichen Verhaltens ermöglicht das Völkerrecht über die Ausübung von Staatsgewalt im staatsfreien Raum (hohe See, Luftraum) und über die Ausübung von Staatsgewalt auf Schiffen und Luftfahrzeugen durch den Staat, dem diese durch Flagge bzw. Registrierung zugehören: Unabhängig davon, ob insbesondere die Adressaten von Verhaltensnormen eine persönliche Verknüpfung zu dem betreffenden Staat haben, kann der Flaggen- bzw. Registrierungsstaat menschliches Verhalten auf dem Schiff bzw. in dem Luftfahrzeug durch Sätze seines privaten und öffentlichen Rechts regeln, wenn das Fahrzeug sich außerhalb eines Staatsgebietes befindet. Die Rechtsetzungsgewalt erstreckt sich ferner auf die nach Völkerrecht von anderen Staaten nicht zu störende Betätigung auf hoher See, soweit sie von einem Schiff aus erfolgt: Der Flaggenstaat verschafft dem Fischer gemäß seinem Recht Eigentum an den im Netz gefangenen Fischen, auch wenn sie sich noch nicht an Bord befinden, und darf dieses Eigentum durch seine Staatsorgane auf hoher See gegenüber Angriffen schützen, die von einem Schiff anderer Flagge ausgehen. Befindet sich ein Schiff oder Luftfahrzeug innerhalb fremden Staatsgebietes, also in den Gewässern oder (bewegt oder unbewegt) im Luftgebiet eines anderen Staates, so darf auch dieser Staat Vorgänge regeln, die sich innerhalb des Fahrzeugs abspielen; in diesem Fall ist das Recht des Flaggenstaates, Vorschriften, die in Widerspruch zu einer Regelung durch den Aufenthaltsstaat stehen, durch das Völkerrecht eingeschränkt, und eine hoheitliche Betätigung seiner Staatsorgane zur Erzwingung seines Rechts ausgeschlossen 26 . Unbeschadet der Befugnis des einen Staates, mit Rücksicht auf seine persönliche Verknüpfung zu einem Normadressaten, oder auf Grund seines Flaggenrechts, menschliches Verhalten auf einem Schiff auf See rechtlich zu regeln, verschafft die ausschließliche völkerrechtliche Befugnis des Uferstaates zur Nutzung des Meeresschelfs diesem auch die Befugnis, menschliches Verhalten, das sich auf diese Nutzung bezieht, durch öffentliches und privates Recht zu regeln. Daher darf ein Staat für die Einrichtungen, die der Inbesitznahme von Sachen aus dem Meeresschelf dienen, die Anwendbarkeit seines Rechts, insbesondere der Bestimmungen über Eigentumserwerb oder unerlaubte Handlungen, vorschreiben, wie wenn es sich um ein Staatsgebiet im eigentlichen Sinne handeln würde 2 7 . Die „hoheitliche" Betätigung von Staatsorganen auf dem eigenen Staatsgebiet, die „fremden" Organen im Zweifel verboten ist, umfaßt nicht nur Rechtszwangsakte, die mit der Ausübung physischer Gewalt gegen die persönliche Freiheit und den Sachbesitz verbunden sind, sondern auch Tätigkeiten, die im Einverständnis mit allen Beteiligten erfolgen, wie etwa eine Streitschlichtung, die mit einem vollstreckbaren Vergleich endet, oder „öffentliche" Beurkundung von Rechtsgeschäften. Sind ausnahmsweise derartige Tätigkeiten fremder Staatsorgane völkerrechtlich erlaubt, wie dies insbesondere bei den Konsuln der Fall ist, so ist damit auch die Befugnis des Entsendestaates verbunden, die Einschaltung seiner auf dem fremden Staatsgebiet tätigen Organe zum Anlaß für die Anwendung des eigenen Rechts — nämlich Anwendung durch die Gerichte des Entsendestaates der Organe — zu nehmen. Der Entsendestaat des Konsuls darf also auf den vom Konsul öffentlich beurkundeten Vertragsschluß seine Formvorschriften anwenden lassen. Hier ist meist der Empfangsstaat durch Völkerrecht nicht verpflichtet, seinen Gerichten die Anwendung der Formbestimmungen des Entsendestaates, und damit die Anerkennung der Formgültigkeit des diesen Vorschriften genügenden Aktes aufzutragen; er kann vielmehr die alleinige 22
Völkerrechtliche Verpflichtungen zum Privatrechtsschutz
§ 3
Beachtung seiner eigenen Formvorschriften sogar dann verlangen, wenn z. B. allein das Recht des Entsendestaates Geschäftsstatut ist. Der Empfangsstaat wird die Anwendung der Formvorschriften des Entsendestaates des fremden Organs dann ablehnen, wenn es sich um die Mitwirkung an der Errichtung eines Rechtsgeschäfts handelt, die nicht durch das allgemeine Konsularrecht gedeckt ist, sondern nach Völkerrecht nur bei Einverständnis des Empfangsstaates erfolgen darf, wie insbesondere die Trauung von ehewilligen Personen durch Konsuln 2 8 . Völkerrechtlich nicht unbedenklich ist es, wenn ein Staat für die Errichtung von Rechtsgeschäften auf fremdem Staatsgebiet, selbst wenn sein Recht Geschäftsstatut ist, Sondervorschriften erläßt, welche die Mitwirkung von „Privatpersonen" vorsehen, die einen hoheitlichen Schein hat, und wenn dies nicht von den Formvorschriften des örtlichen Staates gedeckt ist. So darf ein Staat wohl nicht gegen den Willen des anderen Staates einzelne dort befindliche Geistliche zur Vornahme von Trauungen „ermächtigen", auch wenn dies nur für Ehen eigener Staatsangehöriger 2 9 gelten soll; auch eine Ermächtigung des Kapitäns eines Schiffes durch den Flaggenstaat zur Mitwirkung an Eheschließungen oder sonstigen Rechtsgeschäften beim Aufenhalt des Schiffes in fremden Gewässern ist völkerrechtlich bedenklich. e) Völkerrechtliche Verpflichtungen z u m Schutz subjektiver Privatrechte Steht es fest, daß ein Staat nach Völkerrecht sein eigenes Recht nicht anwenden lassen darf, obwohl er seine Gerichte infolge einer zu ihm bestehenden Verknüpfung tätig werden lassen könnte, so ist der betreffende Staat nach Völkerrecht im allgemeinen nicht gehindert, mit Rücksicht auf die Unanwendbarkeit seines eigenen Rechts auch seinen Gerichten eine Zuständigkeit zur erzwingenden Anwendung ausländischen Rechts vorzuenthalten. Wohl aber dürfte eine völkerrechtliche Verpflichtung anzunehmen sein, solchen privatrechtlichen Dauerrechtsverhältnissen, die sich im Recht aller Staaten finden, insbesondere zugunsten von Ausländern Schutz zu verschaffen, wenn das Rechtsverhältnis zunächst in homogener Verknüpfung zu einem einzigen Staat gültig nach dessen Recht entstanden ist, und wenn später zu einem anderen Staat, der zunächst einmal sein eigenes Recht sicher nicht darauf anwenden lassen durfte, eine Verknüpfung zu dem Rechtsverhältnis entsteht, die er normalerweise zum Anlaß nimmt, um Gerichtsbarkeit auszuüben und Schutz subjektiver Rechte nach Maßgabe seines Inlandsrechts zu gewähren: Verhindert oder verbietet der Staat F es nicht, daß eine bewegliche Sache auf sein Staatsgebiet verbracht wird, die im bisherigen Lagestaat bei homogenen Verknüpfungen von einem Angehörigen dieses Staates zu Eigentum erworben wurde, und kennt der Staat F in seinem Inlandsrecht die Institution des Eigentums an solchen beweglichen Sachen, wie es die in sein Gebiet verbrachte Sache ist, so hat er nach Völkerrecht eine Verpflichtung, dem bisherigen Eigentümer für dessen Eigentumsrecht Schutz zu verschaffen, wobei es ihm freisteht, ob er den Inhalt des Eigentumsrechts im einzelnen weiter nach dem Recht des bisherigen Lagestaates, oder ob er es (wie dies meist geschieht) nach dem Recht des neuen Lagestaates beurteilen will. Der neue Lagestaat darf nach Völkerrecht die Sache nicht etwa mit der Begründung, daß kein Eigentum „gemäß" seinem Recht daran erworben wurde, beim Eintritt in sein Staatsgebiet als herrenlos betrachten und Privateigentum etwa erst durch „Okkupation" wieder entstehen lassen. Desgleichen stellt auch eine unter homogenen Verknüpfungen nach dem Recht eines Staates zustande gekommene Ehe wohl ein Bündel „wohlerworbener Rechte" dar, das derjenige Staat, in den die Ehegatten ihren Wohnsitz verlegt haben, anzuerkennen hat, wenn auch er die Rechtsinstitution der Ehe auch in seinem Recht kennt, und wenn er seine Gerichte für Streitigkeiten aus Ehesachen als zuständig erklärt; eine völkerrechtliche Verpflichtung des neuen Wohnsitzstaates, einen Gerichtsstand für Rechtsansprüche aus einer Ehe von Ausländem bereitzuhalten, besteht 23
§3
Achtung wohlerworbener Rechte
allerdings nicht, und auch wohl keine völkerrechtliche Verpflichtung, Urteile des Heimatstaates zu vollstrecken. Ist eine bestimmte Art von Dauerrechtsverhältnissen in demjenigen Staat, zu dem Verknüpfungen neu entstehen, gänzlich unbekannt, so braucht er nach Völkerrecht solche Dauerrechtsverhältnisse nicht „bei sich weiterbestehen" zu lassen, so z. B. besitzlose Pfandrechte, Adoptionen, polygame Ehen. Desgleichen darf nach Völkerrecht der „neuverknüpfte" Staat Dauerrechtsverhältnisse mit Rücksicht auf den Entstehungsgrund des konkreten Rechtsverhältnisses sich fortzuführen weigern: Ein neu hinzu gekommener Wohnsitzstaat dürfte sogar eigene Bestimmungen über Ehehindernisse mit der Folge anwenden lassen, daß die Ehe nunmehr in seiner Rechtsordnung beseitigt wird. Haben in einem Staat Ausländer gemäß dem in diesem Staat anwendbaren Recht, insbesondere gemäß dessen Inlandsrecht, subjektive Rechte erworben, so verbietet schließlich das Völkerrecht innerhalb gewisser Schranken eine Entziehung dieser Rechte durch vorzeitige Beendigung oder Übertragung auf andere. Es gilt dies insbesondere von einer gänzlich entschädigungslosen Enteignung oder Aufhebung dinglicher Rechte an Sachen, desgleichen einer entschädigungslosen Enteignung von entgeltlich erworbenen Aneignungsrechten, aber auch von gesetzlichen Schadensersatzansprüchen und Ansprüchen auf Leistungen anderer aus Rechtsgeschäft. Andererseits ist es absolut nicht so, daß ein Staat für bestehende Rechtsverhältnisse keinesfalls neue Bestimmungen als anwendbar erklären dürfte, wenn Ausländer daran beteiligt sind. Die vielfältig umstrittenen Einzelheiten des völkerrechtlichen Schutzes wohlerworbener Privatrechte von Ausländern gehören in eine Darstellung des Völkerrechts. Dasselbe gilt von denjenigen Völkerrechtssätzen, welche in Gestalt des Schutzes von Menschenrechten unter Umständen auch die Entziehung erworbener subjektiver Rechte gegenüber eigenen Staatsangehörigen und Staatenlosen einschränken. Werden durch einen Staat in völkerrechtswidriger Weise die Anweisungen über die Beurteilung bestehender Rechtsverhältnisse durch seine eigenen Gerichte modifiziert, so sind andere Staaten ohne weiteres befugt, den neuen Bestimmungen bei sich die Anwendung zu versagen, auch wenn ihre Rechtsanwendungsanweisungen sonst auf das in dem anderen Staat angewendete Recht verweisen; es geschieht dies meist mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel 30 . Eine völkerrechtliche Verpflichtung anderer Staaten, in dieser Weise auf eine völkerrechtswidrige Beeinträchtigung wohlerworbener Privatrechte zu reagieren, besteht höchstens dann, wenn darin eine Verletzung von Menschenrechten zu sehen ist. Andere Staaten dürfen dann dem völkerrechtswidrig enteignenden Staat auch nicht bei seinem völkerrechtswidrigen Handeln Unterstützung leisten. Dritte Staaten haben gegenüber dem Heimatstaat des völkerrechtswidrig enteigneten Ausländers eine Verpflichtung, auf Verlangen die Eigentumsrechte wieder herzustellen, wenn die Sache in der Hand des Ersterwerbers nach der Enteignung in ihr Gebiet gelangt; sie dürfen jedoch einen Nacherwerber, der in gutem Glauben an die Verfügungsbefugnis dessen, von dem er den enteigneten Gegenstand erworben hat, handelte, in seinem Besitzstand belassen 31 . Darf ein Staat auf Grund bestimmter Verknüpfungen zu seinem Gebiet eigenes Recht als anwendbar bezeichnen, und darf nur er erst recht für homogen verknüpfte Situationen „auf seinem Gebiet" bestimmen, was dort als Inlandsrecht zu gelten hat, und ist es üblich, daß andere Staaten unter Verwendung einer Verknüpfung zu diesem Gebiet das dortige örtliche Recht anwenden lassen, so kann sich die Frage stellen, wie sich die Staaten nach Völkerrecht bei der Beurteilung heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse zu verhalten haben, wenn ein anderer Staat völkerrechtswidrig auf Gebiet, das ihm nicht gehört, und für das er auch keine exterritoriale Gesetzgebungsbefugnis erworben hat, eigenes Recht eingeführt hat und durch eigene Gerichte so anwenden läßt, daß es in dem betreffenden Gebiet effektiv geltendes Recht darstellt. Hierauf ist anderweit zurückzukommen 32 . 24
Völkerrechtliche Bindungen bei der Anwendung fremden Rechts
§3
f) Völkerrechtliche Bindungen bei der Bildung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten ohne Anwendung des eigenen Rechts Steht es fest, daß ein Staat zwar seine Gerichte als zuständig erklären darf, um über Streitigkeiten aus einer heterogen verknüpften Situation nach einem Privatrecht zu entscheiden, daß er aber nach Völkerrecht jedenfalls die Anwendung seines eigenen Rechts nicht anordnen dürfte, so enthält das Völkerrecht nur wenige Regeln darüber, wie der Forumstaat hier seine Stellungnahme zu bilden hat. Eine völkerrechtliche Verpflichtung, die Regeln über die Anwendbarkeit des eigenen Rechts analog auf das ausländische Recht auszudehnen, also eine Verpflichtung, einseitige Zuweisungsnormen zu bilateralen Zuweisungsnormen zu erweitern, ist nicht durch eine allgemeine Rechtsüberzeugung gedeckt, obwohl aus der Gleichheit der Staaten eigentlich auch eine solche Gleichbehandlung ihrer Rechtssysteme gefolgert werden könnte. Erst recht gibt es nur wenige Materien, für die eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung des durch eine bestimmte Verknüpfung bezeichneten Rechts anzunehmen wäre; am ehesten könnte noch an einen Völkerrechtssatz gedacht werden, wonach bei der Beurteilung dinglicher Rechte an ausländischen Grundstücken, trotz sonstiger Verknüpfungen der Beteiligten zu anderen Staaten, das Recht des Lagestaates angewendet werden muß. An der Grenze des völkerrechtlich Zulässigen liegt es wohl schon, wenn alle diejenigen Staaten, zu denen Verknüpfungen bestehen, auf Grund deren sie den Inhalt des maßgebenden Rechts durch den eigenen Gesetzgeber festsetzen lassen dürften, sich darüber einig sind, welches von diesen Rechten anwendbar sein soll, und wenn das Kollisionsrecht eines Forumstaates, der nicht zu dem Kreis dieser unmittelbar beteiligten Staaten gehört, ein anderes von diesen Rechten „gegen dessen Willen" als anwendbar erklärt: Sind alle Staaten, zu denen Verknüpfungen bestehen, die jeden von ihnen berechtigen würden, das eigene Recht anwenden zu lassen, darüber einig, daß auf eine Ehe das Recht eines von ihnen anwendbar, daß danach keine gültige Ehe zustande gekommen und kein Unterhaltsanspruch gemäß diesem Recht gegeben ist, so würde es zum mindesten als eine Unfreundlichkeit empfunden werden, wenn ein Staat, in dem der Mann Vermögen besitzt, und der seine Gerichte deshalb zur Entscheidung über den Unterhaltsanspruch als zuständig erklären darf, ein Recht zur Anwendung bringen lassen würde, wonach die Ehe besteht, insbesondere wenn gerade auch der Staat, von dem das betreffende Recht herrührt, dieses gar nicht angewendet haben will. Völkerrechtlich bedenklich wäre es auch, wenn ein Forumstaat, der sicher das von seinem Gesetzgeber geschaffene Recht mangels einer ausreichenden Verknüpfung nicht anwenden lassen dürfte, auf Grund eines mit anderen Staaten verknüpften Sachverhaltes Verhaltenspflichten von NichtStaatsangehörigen gemäß einem außerstaatlichen religiösen Recht erzwingen lassen wollte 3 3 , obwohl keiner der Staaten, die die Sache durch ihr eigenes Recht regeln lassen dürften, dieses religiöse Recht als staatliches Privatrecht rezipiert hat. Besteht eine Verknüpfung zum Forumstaat, welche ihn legitimiert, seine Gerichte als zuständig zu erklären, und zugleich sein eigenes Inlandsrecht bzw. ein von ihm geschaffenes Sonderrecht anzuwenden, und macht er von der ersten Möglichkeit, aber nicht von der zweiten, Gebrauch, so ist er nach Völkerrecht sicher frei in der Entscheidung darüber, welches Recht eines anderen Staates, zu dem irgendeine ausreichende Verknüpfung besteht, durch seine Gerichte angewendet werden soll, oder ob seine Gerichte etwa nach Billigkeit entscheiden sollen. Die Anwendung eines fremden Rechts, das „selbst nicht angewendet werden will" 3 4 , ist sicher dann nicht völkerrechtswidrig, wenn der Forumstaat eigenes Recht zur Anwendung hätte bringen dürfen. Geht nur eine einzige Verknüpfung, welche die Ausübung von Gerichtsbarkeit rechtfertigt, zum Forumstaat (z. B. Vermögensbesitz des Beklagten), während sämtliche übrigen 25
§3
Vertragliche Bindungen des internationalen Privatrechts
Verknüpfungen zu einem einzigen anderen Staat hingehen, so dürfte anzunehmen sein, daß ein solches Gericht schon auf Grund einer völkerrechtlichen Verpflichtung im Prinzip das Inlandsrecht dieses anderen Staates anzuwenden hat. Andererseits hindert das Völkerrecht auch in diesem Fall den Forumstaat nicht, einzelnen Sätzen dieses fremden Rechts — praktisch vor allem mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel — jedenfalls die erzwingende Anwendung zu versagen; vielleicht dürfte indes hier die Ersetzung des ausgeschalteten ausländischen Rechts durch das eigene Recht des Forumstaates gewisse völkerrechtliche Schranken haben 35 . Dagegen, daß der betreffende Staat seine Gerichte anweist, eine Sachentscheidung ganz abzulehnen, wenn er die erzwingende Anwendung des allein in Frage kommenden ausländischen Rechts als mit seinem ordre public unvereinbar betrachtet, bestehen keine völkerrechtlichen Bedenken. g) Weitergehende vertragliche Bindungen Durch völkerrechtlichen Vertrag kann das Ermessen der Staaten, in dem vom allgemeinen Völkergewohnheitsrecht belassenen Bereich eine Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten zu bilden, noch weiter eingeengt werden. Es kann ihnen z. B. durch Vertrag verboten werden, bestimmte, nach allgemeinem Völkerrecht erlaubte Verknüpfungen zum Anlaß für die Zuständigkeit ihrer Gerichte zu erklären 36 . Es könnte ihnen durch den Vertrag sogar verboten werden, ihre Gerichte inzidenter über eine heterogen verknüpfte Frage entscheiden zu lassen, was dann allerdings wohl voraussetzen würde, daß die Gerichte eines anderen Staates entscheiden müßten, und daß ihre Entscheidung wiederum für das Gericht des ersten Staates bindend sein würde. Andererseits kann ein Staat auch durch Vertrag verpflichtet sein, bestimmte Gerichtsstände für Klagen aus bestimmten heterogen verknüpften Situationen bereitzuhalten. Zusammen mit einer vertraglichen Regelung der Zuständigkeit der Gerichte, häufig aber auch ohne eine solche Regelung, kommt es sodann nicht selten zu völkerrechtlichen Vereinbarungen darüber, daß die Staaten durch ihre Gerichte das nationale Recht eines bestimmten Staates auf heterogen verknüpfte Sachverhalte anwenden zu lassen haben. Die vertragliche Regelung kann sich darauf beschränken, das vom allgemeinen Völkerrecht gewährte Ermessen etwas weiter einzuengen; ein Vertrag kann z. B. bestimmen, daß die Vertragsstaaten auf die Erbfolge entweder das Recht des Staates anzuwenden haben, mit dem der Erblasser durch die Staatsangehörigkeit verknüpft war, oder das Recht des Wohnsitzstaates 37 ; damit wird ausgeschlossen, daß etwa das Recht des Belegenheitsortes angewendet, oder über die Erbfolge gar nach Billigkeit entschieden wird. Eine wichtige, aber recht ungeklärte Frage ist es, inwieweit vertragliche Verbote der „Diskrimination" gegenüber Ausländern oder auslandsverknüpften Sachverhalten, bzw. ob vertragliche Inländergleichstellungsklauseln die Vertragsstaaten nötigen, bei der Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten bestimmte, insbesondere internationalprivatrechtliche Regelungen zu unterlassen, ohne daß sie auf eine einzige zulässige Regelung festgelegt werden: Ein Diskriminationsverbot wird beispielsweise im Wege stehen, wenn ein Staat auf Sachverhalte, die wegen der Beteiligung von ausländischen Staatsangehörigen heterogen verknüpft sind, ein von seinem normalen Inlandsrecht abweichendes Sonderrecht zur Anwendung bringen will, sofern damit den ausländischen Beteiligten an einem Rechtsverhältnis eine ungünstigere Stellung eingeräumt wird, als sie die eigenen Staatsangehörigen erhalten38. Ob Klauseln, welche es verbieten, Ausländer „anders" zu behandeln als die eigenen Staatsangehörigen, zur Folge haben, daß bei der Regelung heterogen verknüpfter Sachverhalte keine Zuweisungsnormen verwendet werden dürfen, welche auf die Staatsangehörigkeit abstellen und zur Anwendung des Heimatrechts von Ausländern führen, ist zweifelhaft. In den meisten Fällen wird allerdings, wenn es schon zu einer vertraglichen Regelung 26
Verträge über internationales Privatrecht
§3
kommt, der Vertrag bestimmte Wege zur Bestimmung des in einem Vertragsstaat auf heterogen verknüpfte Situationen anzuwendenden materiellen Rechts vorschreiben. Bei derartigen staatsvertraglich gebotenen Rechtsanwendungsanweisungen überwiegen derzeit noch diejenigen, die durch Zuweisungsnormen ein nationales Recht als anwendbar bezeichnen, wobei das völkerrechtliche Gebot meist zum Ziel hat, alle durch den Vertrag gebundenen Staaten zur Verwendung einer bestimmten Anknüpfung zu veranlassen, d. h. ihnen die Verwendung übereinstimmender Zuweisungsnormen aufzuerlegen. Es bleibt die nicht immer gesehene Frage, ob ein Staat, der nach dem Vertrag „eigenes" Recht anwenden muß, als solches sein für homogen verknüpfte Situationen bestimmtes nationales Inlandsrecht verwenden muß, oder ob er anstatt dessen ein hiervon abweichendes Spezialrecht bilden und anwenden lassen darf. Es ist denkbar, daß, wenn ein Vertragsstaat auf heterogen verknüpfte Situationen Spezialrecht anwenden lassen will und darf, und andere Vertragsstaaten vor der Frage stehen, ob sie ebenfalls dieses Spezialrecht zur Anwendung bringen sollen, eine vertragliche Bestimmung vorsieht, daß nur solches Spezialrecht von ihnen zugrunde zu legen ist, welches ein bestimmtes Ergebnis, z. B. den internationalen Verkehr, fördert, nicht aber solches, welches ihn hemmt. Eine weitere wichtige Frage ist die, ob vertraglich gebotene Zuweisungen nur dann verwendet werden müssen, wenn zugleich bestimmte Verknüpfungen zu einem anderen Vertragsstaat vorliegen — also z. B. wenn ein Staatsangehöriger des anderen Vertragsstaates an einem Rechtsverhältnis beteiligt ist —, oder wenn die vertraglich gebotene Zuweisung auf das Recht eines Vertragsstaates hinführt, oder ob der Vertrag die durch ihn gebundenen Staaten verpflichten will, generell bei ihrer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten — also auch wenn Verknüpfungen außer zum Forumstaat nur zu Nichtvertragsstaaten bestehen — die im Vertrag vorgesehenen Zuweisungsnormen zu verwenden 3 9 . Während es heute fast stets so ist, daß eine vertraglich gebotene Zuweisungsnorm für alle Vertragsstaaten gleichmäßig verpflichtend sein will, sind selbstverständlich auch Verträge denkbar, die nur einzelne Vertragsstaaten verpflichten wollen, eine bestimmte Zuweisungsnorm zu verwenden, und wonach die anderen nur das Recht haben sollen, diese Verwendung von den ersteren zu verlangen, während sie selbst in der Gestaltung ihres internationalen Privatrechts frei sind 4 0 . Neben vertraglich gebotenen Zuweisungsnormen gibt es auch bereits Verträge, welche den Vertragsstaaten die Verwendung gewisser, meist im Vertrag niedergelegter, materieller Spezialrechtssätze für bestimmte Arten heterogen verknüpfter Sachverhalte vorschreiben, so etwa für „internationale K ä u f e " 4 1 . Verpflichten sich die Teilnehmer an einem Vertrag, ihre Inlandsrechte nach einem im Vertrag beschriebenen Modell zu vereinheitlichen 42 , so ist darin sicher auch die Verpflichtung impliziert, dieses vereinheitlichte Recht auf diejenigen Situationen anzuwenden, die mit mehreren Vertragsstaaten (aber auch nur mit Vertragsstaaten) verknüpft sind. Zugleich aber können die Staaten, die an einem Vertrag über die Vereinheitlichung von materiellem Privatrecht beteiligt sind, auch verpflichtet sein, das uniforme Recht zugleich auf solche Rechtsverhältnisse anzuwenden, die eine bestimmte Verknüpfung mit einem der Vertragsstaaten aufweisen, auch wenn sie im übrigen mit Nichtvertragsstaaten verknüpft sind 4 3 . Interessant sind die verschiedenen Möglichkeiten einer Abschwächung von vertraglichen Bindungen des staatlichen internationalen Privatrechts. Es kann den Staaten im Vertrag geboten werden, von mehreren mit der Sache verknüpften Rechten dasjenige zur Anwendung zu bringen, welches ein bestimmtes Ergebnis am stärksten begünstigt, doch finden sich auch Fälle, in denen es den Vertragsstaaten nur freigestellt wird, ob sie anstelle des im Vertrag bezeichneten Rechts ein bestimmtes anderes Recht dann zur Anwendung bringen wollen 4 4 . Es ist auch möglich, daß ein Vertragsstaat sich durch einen Vorbehalt bei 27
§3
Die ordre public-Klausel in Verträgen
der Unterzeichnung diese Möglichkeit offenhalten kann; dann entsteht unter Umständen die Frage, ob allein die Billigung des angebrachten Vorbehaltes durch den Gesetzgeber schon so zu verstehen ist, daß im Staat von diesem Vorbehalt durch seine Gerichte auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden muß 45 . Von einer vertraglichen Fixierung von Rechtsanwendungsanweisungen, oder von der vertraglichen Abfassung von uniformem staatlichen Recht kann bestimmt werden, daß sie nur als ein „Modell" zu gelten habe. Die „Annahme" des Modells durch einen Staat bedeutet dann, daß die Modellregelung als innerstaatliches Recht nur insoweit gilt, als einzelne ihrer Vorschriften nicht ausdrücklich als unanwendbar erklärt oder durch abweichende staatliche Vorschriften verdrängt worden sind. Wird in einem Vertrag über die Gestaltung des internationalen Privatrechts der Vertragsstaaten eine Abweichung davon abhängig gemacht, daß ein Vertragsstaat sie aus „dringenden Gründen seiner öffentlichen Ordnung" u. ä. für notwendig 46 hält, so entsteht die Frage, ob dieses Ermessen nur vom Gesetzgeber, oder auch vom Richter ausgeübt werden kann. Für den Fall, daß die im Vertrag gebotene Verweisung auf ein Recht hingeht, dessen Inhalt kraß vom eigenen Recht des Forumstaates abweicht, wird auch ohne ausdrückliche Bestimmung im Vertrag vermutet, daß es den Gerichten der Vertragsstaaten erlaubt sein soll, auf die allgemeine ordre public-Klausel ihres internationalen Privatrechts zurückzugreifen und die Anwendung des ausländischen Rechts abzulehnen 47 . Andererseits wird vor allem in neueren Verträgen häufig versucht, die Verwendung der ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht, wenn dessen Anwendung durch den Vertrag geboten ist, einzuschränken, indem bestimmt wird, daß dies nur ganz ausnahmsweise zulässig sein solle 48 . Es ist möglich, daß der Vertrag bestimmte Arten der Abweichung von der lex fori als Fälle der erlaubten Verwendung der ordre public-Klausel in einem Vertragsstaat bezeichnet 49 . Ist es in anderen völkerrechtlichen Verträgen als dem Vertrag über das internationale Privatrecht den Vertragsstaaten verboten, in ihrem eigenen materiellen Recht Normen eines bestimmten Inhalts zu haben — so etwa Bestimmungen, mit denen gegen Menschenrechte verstoßen wird —, so sind die Vertragsstaaten sogar völkerrechtlich verpflichtet, die Anwendung von solchem völkerrechtlich verbotenen Recht anderer Staaten abzulehnen, auch wenn die vertraglich gebotenen Zuweisungsnormen auf das Recht des betreffenden Staates hingehen. Es ist auch möglich, daß ein Vertrag die Verwendung einer spezialisierten Vorbehaltsklausel obligatorisch macht, welche selbst bestimmte Inhalte oder Ziele angibt, von denen das staatliche Recht, das in den vertraglich gebotenen Zuweisungsnormen berufen wird, nicht abweichen darf. Das hat zur Folge, daß Bestimmungen, die dagegen verstoßen, in heterogen verknüpften Situationen nicht nur in anderen Staaten, sondern auch im Urheberstaat selbst nicht angewendet werden dürfen. So kann heute bereits daran gedacht werden, daß ein völkerrechtlicher Vertrag über internationales Kindschaftsrecht es verbietet, daß von den Vertragsstaaten in heterogen verknüpften Situationen Bestimmungen angewendet werden, bei denen nicht das Wohl des Kindes im Vordergrund steht 50 . Gebote und Verbote an die Staaten betreffend die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte, die Gestaltung ihrer Zuweisungsnormen, oder eine Einführung von Spezialrecht sind meist so gefaßt, daß sie in den Vertragsstaaten als self-executing gehandhabt werden können, d. h. daß sie allein auf Grund der Verweisung eines Gesetzes oder der Verfassung auf den Text des Vertrages von den staatlichen Gerichten angewendet werden können. Sie gehen älteren gesetzlichen Bestimmungen vor, und gehen auch als spezielleres Recht allgemein gesetzlichen Bestimmungen über internationales Privatrecht vor, wenn diese in einem später erlassenen Gesetz enthalten sind. Es kann vorkommen, daß ein Staat in verschiedenen Verträgen widersprüchliche Verpflichtungen in Bezug auf sein internationales Privatrecht übernimmt 51 ; wenn die Verträge nicht selbst Vorrangsklauseln enthalten, geht inner28
Immunität fremder hoheitlicher Tätigkeit
§3
staatlich der neue Vertrag dem älteren vor, doch bleibt die Nichtbeachtung des alten eine Völkerrechtsverletzung. Auch eine auf entschuldbarem Rechtsirrtum beruhende Nichtbeachtung eines völkerrechtlichen Vertrages über internationales Privatrecht stellt ein völkerrechtswidriges Verhalten dar, das zur Anrufung internationaler Gerichte bzw. Repressalien berechtigt. Die Gerichte des verletzten Staates haben Gelegenheit, auf Vertragsverletzungen in der Weise zu reagieren, daß sie die Anerkennung einer auf Vertragsverletzung beruhenden ausländischen Gerichtsentscheidung verweigern, was meist auf die ordre public-Klausel gestützt wird 5 2 ' 5 3 . Der jeweilige Stand der vertraglichen Bindungen des internationalen Privatrechts der Bundesrepublik ist aus dem jährlichen Fundstellennachweis B des Bundesgesetzblattes ersichtlich. h) Völkerrechtliche Unzulässigkeit der Regelung hoheitlicher Tätigkeit fremder Staatsorgane und der unmittelbaren Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit Nach allgemeinem Völkerrecht kann jeder Staat nur seinen eigenen Organen Weisungen über ihre hoheitliche Tätigkeit geben und ihnen Unrechtsfolgen für den Fall der Nichtbefolgung dieser Weisungen androhen, und nur er darf diese Rechtssätze durch Gerichte erzwingend anwenden lassen: Das Verfahren der Gerichte darf nur von dem Staat geregelt werden, dem sie angehören, auch wenn das Gericht dabei über Sachverhalte entscheidet, die zugleich mit anderen Staaten verknüpft sind. Auch wenn ein Gericht des Staates A zulässiger- (oder gar unzulässiger-)weise seine Sitzungen auf dem Gebiet eines anderen Staates B abhält, darf dieser dem Gericht keine Vorschriften über sein Verfahren geben und darf nicht etwa versuchen, die für seine eigenen Gerichte geltenden Verfahrensvorschriften dem Gericht aufzuzwingen. Dies bezieht sich aber bloß auf solche Versuche der Steuerung des Verhaltens fremder Gerichte, bei denen dem fremden Richter persönlich (oder gar seinem Dienstherrenstaat) Unrechtsfolgen des staatlichen Rechts angedroht werden. Völkerrechtlich unbedenklich ist es, wenn die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen eines Staates, selbst wenn sie nach dem Recht dieses Staates für dessen Organe unnachprüfbar sind, in einem anderen Staat davon abhängig gemacht werden, daß die Gerichte des Staates, in dem Anerkennung und Vollstreckung zur Debatte stehen, nach Prüfung selbst feststellen, daß gewisse Rechtsanwendungsanweisungen und Verfahrensvorschriften des Urteilsstaates oder des um Anerkennung ersuchten Staates „nicht verletzt" worden sind 5 4 . Unzulässig wäre es, wenn ein Staat versuchen wollte, Entscheidungen fremder Gerichte als solche aufzuheben oder zu ändern. Völkerrechtlich unbedenklich ist es hingegen, wenn eine anfänglich angeordnete Beurteilung eines Rechtsverhältnisses nach dem durch fremden Staatsakt angewendeten Recht, wie sie häufig in der Form der „Anerkennung" des fremden Staatsaktes erfolgt, im Forumstaat später rückgängig gemacht wird. Dies kann durch einen neuen gestaltenden Akt der Organe des Staates erfolgen, der die bisherige Anerkennung des gemäß fremdem Recht durch das fremde Organ gestalteten Rechtsverhältnisses für die Zukunft nicht mehr gelten lassen will. Hierbei sollte es jedoch vermieden werden, von der „Aufhebung" des ursprünglich anerkannten fremden Staatsaktes durch einen Staatsakt des anderen Staates zu sprechen: Hat der Wohnsitzstaat einen Ausländer entmündigt, und wird die Entmündigung zunächst im Heimatstaat anerkannt, so sollte, wenn diese Anerkennung später rückgängig gemacht wird, dies nicht in der Weise formuliert werden, daß der Entmündigungsakt des Wohnsitzstaates im Heimatstaat „aufgehoben" wird. Selbstverständlich ist, daß auch dann, wenn eine derartige Formulierung gewählt wird, der ursprüngliche Staatsakt in der Rechtsordnung des Staates, durch dessen Staatsorgane er erlassen wurde, durch den neuen Akt des anderen Staates nicht beseitigt wird. Es ist denkbar, daß durch Staatsverträge auch hier anderes bestimmt wird. Verträge können bestimmen, daß ein Staatsakt des Staates A, mit dem Privatrechtsverhältnisse von 29
§3
Privatrechtliche Verträge zwischen Staaten
Ausländern gestaltet wurden, durch einen neuen Staatsakt des Heimatstaates B auch mit Wirkung für den Staat A als aufgehoben gelten soll 5 5 . Das Völkerrecht schließt es nicht nur aus, daß ein Richter persönlich in einem anderen Staat für fehlerhafte Amtstätigkeit — selbst wenn die Fehlerhaftigkeit restlos nach dem Recht des Dienstherrnstaates beurteilt würde — zivilrechtlich haftbar gemacht wird, sondern es hindert auch die Anwendung eigener und fremder Staatshaftungsgesetze auf die fehlerhafte hoheitliche Tätigkeit richterlicher und nichtrichterlicher fremder Staatsorgane 56 . Auch hiervon können durch Staatsverträge Ausnahmen gemacht werden 57 . Soweit es nicht der Fall ist, folgt aus der Immunität fremder hoheitlicher Tätigkeit, daß ein Staatsorgan auch dann nicht von einem anderen Staat als dem Dienstherrnstaat persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn es unzulässigerweise auf fremdem Staatsgebiet oder unter Nichtbeachtung völkerrechtlicher Beschränkungen seiner Tätigkeit tätig geworden ist. Der in seinen völkerrechtlichen Befugnissen hierdurch verletzte Staat kann zwar das fremde Staatsorgan z. B. mit physischer Gewalt daran hindern, unter Verletzung der Gebietshoheit des ersten Staates tätig zu werden; er kann auch völkerrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Dienstherrnstaat stellen, aber er kann auch bei völkerrechtlich unzulässiger völkerrechtlicher Tätigkeit fremder Gerichte oder Verwaltungsorgane nicht etwa sein eigenes Beamten- oder Staatshaftungsrecht darauf anwenden lassen. i) Privatrechtliche Verträge zwischen Staaten und Verwandtes Regeln die zuständigen Organe von zwei Staaten durch Vertrag Rechtsbeziehungen, die, wenn es sich um Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten gehandelt hätte, vom internationalen Privatrecht des einen und des anderen Staates irgendeinem staatlichen Inlandsrecht zugewiesen worden wären, so können die Vertragschließenden Entsprechendes auch für den Vertrag zwischen den Staaten wollen. Verträge zwischen Staaten können, mit anderen Worten, privatrechtliche Beziehungen zwischen den mit Privatrechtssubjektivität ausgestatteten Staaten begründen wollen, die jeder von ihnen einem staatlichen Inlandsrecht „unterstellt". Bestehen vertragliche Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten, die im Staat nach staatlichem Recht beurteilt werden, so setzt das Völkerrecht, wie oben erwähnt, späteren Einwirkungen des staatlichen Gesetzgebers auf diese Verträge, nämlich solchen, die Enteignungscharakter haben, gewisse äußerste Schranken; diese Beschränkungen gelten selbstverständlich auch dann, wenn zwischen Staaten unter sich Verträge geschlossen werden, die einem staatlichen Privatrecht unterstellt werden. Es ist denkbar, daß die vertragschließenden Staaten für privatrechtliche Verträge unter sich einseitige Änderungen des staatlichen Rechts gänzlich ausschließen wollen; eine solche Abmachung gehört dann aber schon wieder dem Völkervertragsrecht an. Es ist auch möglich, daß ausdrücklich vereinbart wird, ein Vertrag zwischen Staaten über Materien des Privatrechts solle, soweit nötig, mit Hilfe der gemeinschaftlichen (übereinstimmenden) Inhalte des Privatrechts beider Staaten ergänzt werden, notfalls mit Hilfe der „allgemeinen Rechtsgrundsätze der zivilisierten Nationen". Eine entsprechende Vereinbarung zwischen sonstigen Privatrechtssubjekten mag nach staatlichem internationalen Privatrecht unzulässig sein; im Verhältnis zwischen den Staaten selbst kann ihr durch t>ö/kerrechtlichen Vertrag Gültigkeit verschafft werden. Sie ist dann auch von den nationalen Gerichten zu beachten, wenn der Vertrag den Voraussetzungen genügt, um als Vertrag des staatlichen Rechts im Staat einklagbar zu sein. Die Annahme, es gäbe bereits heute für Verträge zwischen Staaten (oder auch internationalen Organisationen) über Materien, bei denen eine vertragliche Regelung zwischen Privatrechtssubjekten normalerweise Gegenstand einer Regelung durch staatliches Privatrecht ist, ein besonderes und für alle Völker30
Verträge zwischen Staaten und Ausländern
§3
rechtssubjekte uniformes „Völkerprivatrecht" („Völkerhandelsrecht") 58 , ist nicht durch Übung und Rechtsüberzeugung gedeckt. Bei Verträgen der Staaten über Materien, die Gegenstand von Privatrecht sein könnten, kann ausdrücklich oder stillschweigend bestimmt werden, daß aus derartigen Verträgen nicht vor staatlichen Gerichten geklagt werden soll; das bedeutet wohl im allgemeinen, daß eine Vertragsverletzung ausschließlich die üblichen völkerrechtlichen Unrechtsfolgen nach sich ziehen soll, wenn nicht die Absicht sogar dahin geht, daß eine Vertragsverletzung nur die Nichterfüllung des Vertrages durch den anderen Teil rechtfertigen kann. Bei derartigen Verträgen kann staatliches Privatrecht für Fragen der Auslegung der Vertragsbestimmungen, die eine Vertragspflicht umschreiben, oder für die Folgen der Nichterfüllung nur in dem Maße herangezogen werden, in dem auch für typisch völkerrechtliche Verträge die subsidiäre Heranziehung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der zivilisierten Nationen analoge Anwendung allgemein üblicher Privatrechtsregeln bedeutet 59 . Eine Vereinbarung der Anwendbarkeit des Völkerrechts auf einen Vertrag zwischen Staaten, der im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten als ein privatrechtlicher Vertrag zu behandeln wäre, bedeutet praktisch vor allem, daß die völkerrechtlichen Regeln über die clausula rebus sie stantibus eingreifen und an die Stelle des staatlichen Rechts treten; sie bedeutet ferner, daß Änderungen des innerstaatlichen Rechts das allein in Völkerrecht bestehende „Vertragsstatut" überhaupt nicht beeinflussen können. Auch von einem Vertrag mit solchen Bestimmungen, die ihn im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten als Vertrag des staatlichen Privatrechts charakterisieren würden, ist dann, wenn er zwischen Staaten durch diejenigen Organe abgeschlossen wird, die gerade zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge befugt sind — wie Staatshaupt, Regierungschef, Außenminister —, zu vermuten, daß er ein völkerrechtlicher Vertrag sein soll, dessen Inhalt nach Völkerrecht zu bestimmen, und dessen Unrechtsfolgen die des Völkerrechts sein sollen. Umgekehrt ist dann, wenn ein Vertrag zwar „für" Staaten, aber zwischen solchen Staatsstellen abgeschlossen wird, die in erster Linie Privatrechtsverträge mit Privatrechtssubjekten abschließen sollen — wie etwa Beschaffungsämtern, aber auch Außenhandelsstellen —, zu vermuten, daß er nicht als völkerrechtlicher Vertrag gewollt ist. Schließt ein Staat mit einem ausländischen Privatrechtssubjekt ohne Einschaltung der Regierung des Heimatstaates dieses Vertragspartners einen Vertrag mit einem Inhalt, wie er nach dem staatlichen Recht dieses Staates auch mit einem eigenen Staatsangehörigen abgeschlossen werden könnte, so besteht nicht der geringste Anlaß, darin einen völkerrechtlichen Vertrag zu sehen, selbst wenn vorgesehen ist, daß über Streitigkeiten aus dem Vertrag kein staatliches Gericht, sondern ein „anationales" Schiedsgericht60 entscheiden solle. O b es sich um einen Vertrag unter den besonderen Bestimmungen des öffentlichen Rechts des staatlichen Vertragspartners über verwaltungsrechtliche Verträge handelt, aus welchem Rechtsschutz — und sei es auch nur in Gestalt der Vollstreckung von Entscheidungen des vorgesehenen Schiedsgerichts — nur in diesem Staat und von anderen Staaten nicht erwartet werden kann, oder ob es sich um einen Vertrag des normalen Privatrechts handeln soll, bei dem insbesondere der private Partner auch in seinem Heimatstaat oder in dritten Staaten zu Schadensersatzleistungen verurteilt werden könnte, das ist mangels ausdrücklicher Bestimmungen Auslegungssache. Soll „das" Recht des staatlichen Vertragspartners das Vertragsstatut für einen derartigen Vertrag stellen, so kann auch Spezialrecht für derartige Verträge gebildet werden 61 . Solche spezialrechtlichen Vorschriften können dann z. B. auch wieder eine Verweisung auf „allgemeine Rechtsgrundsätze" enthalten, auch wenn derartiges im normalen Inlandsrecht nicht zulässig sein sollte. Können nach dem Recht des betreffenden Staates Privatrechtssubjekte für ihre privatrechtlichen Vertragsverhältnisse unter sich bestimmen, daß sie so zu beurteilen seien, „als ob" Völkerrecht maßgebend sei, so ist eine derartige materiellrecht31
§3
Völkerrechtswidrige Vertragsbrüche
liehe Verweisung auf Völkerrecht natürlich auch für Verträge zwischen Staat und ausländischen Privatrechtssubjekten möglich; damit wird aber der Vertrag nicht Bestandteil des Normerzwingungssystems der Völkerrechtsordnung 62 . Keinesfalls ist anzunehmen, daß ein von einem Ausländer mit einem für den Staat handelnden Staatsorgan geschlossener Vertrag, selbst wenn er bestimmt, daß der Vertrag „nach Völkerrecht" oder „nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen" zu beurteilen sei, ohne weiteres mit dem so gewollten Inhalt gültig sei, wenn Entsprechendes für privatrechtliche Verträge zwischen Privatrechtssubjekten im Recht dieses Staates nicht möglich ist, und wenn keine gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Rechtsgrundlage für spezialrechtliche Sätze über Verträge zwischen Staat und Ausländern nachweisbar ist, die den betreffenden Vertrag deckt. Es gibt auch keinen Völkerrechtssatz, wonach ein Staat einfach an alle in einem Vertrag mit Ausländern enthaltenen Inhalte gebunden sei, während vertragliche Bindungen des Staates mit eigenen Staatsangehörigen nach staatlichem Recht nur bei Einhaltung gewisser gesetzlicher Schranken (Gültigkeitserfordernisse) zulässig sind. Auch die Verwendung der im Völkerrecht üblichen Förmlichkeiten, insbesondere das zweistufige Vertragsabschlußverfahren, entbindet nicht von der Notwendigkeit, daß ein solcher Vertrag im Recht des Staates, den er binden will, eine gesetzliche Grundlage hat. Diese gesetzliche Grundlage kann wiederum darin bestehen, daß das zuständige Rechtssetzungsorgan des Staates den einzelnen Vertrag in einem förmlichen Rechtssetzungsakt (Individualgesetz) als rechtswirksam erklärt. Aber auch damit wird der Vertrag noch nicht zu einem mit Rechtszwangmitteln des Völkerrechts erzwingbaren völkerrechtlichen Vertrag zwischen Völkerrechtssubjekten, selbst wenn als subsidiäres Vertragsstatut nicht staatliches Recht herangezogen werden soll, sondern nur „allgemeine Rechtsgrundsätze" oder „internationales Recht". Viel erörtert ist die Frage, ob der Heimatstaat des ausländischen Vertragspartners sein völkerrechtliches Schutzrecht dafür einsetzen kann, daß der staatliche Vertragspartner nicht durch neue gesetzgeberische Maßnahmen auf ein derartig gestaltetes Vertragsverhältnis einwirkt. Eine solche Intervention ist dann nicht möglich, wenn entsprechende Einwirkungen des staatlichen Gesetzgebers auf Verträge, welche private Staatsangehörige des eigenen Landes mit Ausländern abgeschlossen haben, völkerrechtlich unbedenklich sind. Kein Staat ist nun durch Völkerrecht daran gehindert, bei Änderungen seines Zivilgesetzbuches bestehende Verträge in Verträge des neuen Rechts zu überführen, wenn an dem Vertrag Ausländer beteiligt sind; kein Staat ist aber auch gehindert, für solche vertraglichen Geldschulden Moratorien anzuordnen, wenn dies aus Gründen seiner Volkswirtschaftspolitik notwendig wird. Auch Rechte von Ausländern aus Dauerschuldverhältnissen oder langfristigen Vertragsverhältnissen sind nicht in demselben Maße wie Eigentumsrechte an Sachen gegen nachträgliche gesetzliche Veränderungen und Einschränkungen der darin enthaltenen subjektiven Rechte gesichert, obwohl derartige Rechte andererseits nach Völkerrecht nicht jeder entschädigungslosen Beseitigung ausgesetzt sind. Keinesfalls kann der Heimatstaat einer Privatperson von einem anderen Staat, mit dem die Privatperson kontrahiert hat, unter Berufung auf Völkerrecht die Unterlassung solcher gesetzlicher Maßnahmen verlangen, die der Heimatstaat selbst gegenüber seinen ausländischen privaten Vertragspartnern glaubt vornehmen zu können oder bereits vorgenommen hat (Estoppelprinzip). Besteht eine ausreichende Verknüpfung, so kann ein Staat in dem anderweit skizzierten Umfang eine neu erlassene zwingende Bestimmung seines Rechtes auch auf ein vertraglich begründetes Rechtsverhältnis zur Anwendung bringen lassen, für die das Recht eines anderen Staates als Vertragsstatut vereinbart worden ist 6 3 ; dann ist aber nicht einzusehen, daß jede derartige Maßnahme eine Völkerrechtsverletzung wäre, wenn es sich um einen Vertrag zwischen einem Staat und einem Ausländer handelt, und als Vertragsstatut kein bestimmtes staatliches Recht, sondern allgemeine Rechtsgrundsätze oder internationales Recht vereinbart worden ist. 32
Rechtsanwendungsanweisungen, Rechtsanwendungsbereiche und andere Grundbegriffe
§ 4
Unter Umständen übernimmt aber ein Staat in einem Vertrag mit Ausländern ausdrücklich eine Verpflichtung, nicht durch spätere gesetzliche Maßnahmen auf das Vertragsverhältnis einzuwirken, wenn der Vertragspartner damit nicht einverstanden ist. Ein solches Versprechen hebt die diesbezügliche Klausel zunächst einmal aus der Sphäre des Privatrechts heraus, da sie eine Verpflichtung zur Ausübung oder Nichtausübung von Staatsgewalt zu begründen behauptet; daher kann der private Vertragspartner keinesfalls den anderen Staat selbst vor den Gerichten seines eigenen Heimatstaates oder den Gerichten dritter Staaten auf Unterlassung oder auf Schadensersatz aus hoheitlichem Handeln verklagen. W e n n der nachträgliche gesetzliche Eingriff in das bestehende Rechtsverhältnis nicht ohnehin nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht unzulässig ist, ist aber ein einer Privatperson gegebenes Versprechen eines Staatsorgans, daß bestimmte Gesetze in Zukunft nicht erlassen würden, in den meisten Staaten schon im staatlichen Recht für das Gesetzgebungsorgan nicht bindend mit der Folge, daß der Gesetzgebungsakt ungültig, oder der Gesetzgeber auf Rückgängigmachung verklagt werden könnte; es kann sich also höchstens um ein Versprechen von Entschädigungsleistungen für den Fall eines zukünftigen gesetzgeberischen Aktes handeln. Es ist nicht anzunehmen, daß das Völkerrecht einen Satz enthält, wonach ein derartiges Versprechen, wenn es gegenüber Ausländern abgegeben wird, für den betreffenden Staat in größerem U m f a n g bindend sei, und daß seine Nichteinhaltung ohne weiteres stets ein Völkerrechtsdelikt gegenüber dem Heimatstaat des ausländischen Versprechensempfängers darstellt. Sicher kann ein Staat in einem völkerrechtlichen Vertrag mit einem anderen Staat eine über das allgemeine Völkerrecht hinausgehende Verpflichtung übernehmen, durch spätere gesetzliche Maßnahmen nicht auf Verträge einzuwirken, denen er zum Zeitpunkt ihres Abschlusses staatlichen Rechtsschutz zugesagt hat, oder zum mindesten auf solche Verträge, die namens des Staates mit Ausländern abgeschlossen worden sind. Es ist ferner denkbar, daß ein Staat durch einseitige Akte eine über das allgemeine Völkerrecht hinausgehende völkerrechtliche Verpflichtung begründen will, bestimmte gesetzgeberische Maßnahmen zu unterlassen; dabei kann es sich auch um gesetzgeberische Maßnahmen zur Änderung bestehender Vertragsbeziehungen des staatlichen Rechts handeln, und insbesondere wieder um bestehende vertragliche Beziehungen dieses Staates zu Ausländern. Die einseitige Begründung einer völkerrechtlichen Verpflichtung erfordert im allgemeinen, daß das Versprechen anderen Staaten notifiziert w i r d ; der Erlaß und die Publikation eines Gesetzes über Investitionen von Ausländern mit einer Bestimmung, daß dieses Gesetz unabänderlich sein solle, dürfte aber genügen.
§ 4. Rechtsanwendungsanweisungen, Rechtsanwendungsbereiche und andere Grundbegriffe des internationalen Privatrechts a) Rechtsanwendungsanweisungen f ü r staatliche Gerichte Die staatlichen Gerichte erhalten die Rechtsanwendungsanweisungen, an die sie sich dann in aller Regel auch allein gebunden fühlen, im allgemeinen von demselben staatlichen Gesetzgeber (bzw. Verfassungsgesetzgeber), der ihnen überhaupt den Auftrag der Rechtsprechung erteilt hat (falls nicht Rechtsnormsetzung und Rechtsprechung von demselben Organ wahrgenommen werden). Der Rechtsprechungsauftrag des Gesetzgebers an die eigenen Gerichte eines Staates w i r d im wesentlichen in den Bestimmungen über die persönliche, örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte ausgesprochen und w i r d aktuell, w e n n das Gericht entweder von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei von der Zuständigkeit Gebrauch zu machen hat. Auch die Zuständigkeit zur Rechtsprechung in heterogen verknüpften Sachen kann einem staatlichen Gericht letztlich nur durch das Recht des eigenen Forumstaates gegeben 33
§4
Rechtsanwendungsanweisungen an staatliche Gerichte
und genommen werden. Völkerrechtliche Gebote und Verbote, Gerichtsbarkeit auszuüben, oder ein bestimmtes Recht anzuwenden, mit deren Befolgung der staatliche Richter gegen Rechtsprechungsaufträge „seines" Gesetzgebers verstoßen würde, haben für ihn keine stärkere Motivationskraft als jene Aufträge. Sie werden für ihn erst beachtlich, wenn ein übergeordneter Verfassungsgesetzgeber, oder wenn der „einfache" staatliche Gesetzgeber selbst zur näheren Bestimmung des Inhalts der Anweisungen, die er seinen Gerichten für die Ausübung der Gerichtsbarkeit gibt, auf derartige Völkerrechtsnormen verweist 1 . Auch die Feststellung, daß Akte zur Vollstreckung des in einem heterogen verknüpften Fall zu fällenden Urteils nur im Ausland in Frage kommen, wird den staatlichen Richter von der Ausübung seiner Zuständigkeit und der Befolgung der Rechtsanwendungsanweisungen seines Gesetzgebers nur dann abhalten, wenn er dafür eine Grundlage in diesem staatlichen Recht zu finden glaubt. Insbesondere ist es möglich, daß ein Staat die Zuständigkeit seiner Gerichte in heterogen verknüpften Sachen davon abhängig macht, daß die Entscheidung des Gerichts in einem anderen Staat (oder in mehreren anderen Staaten) anerkannt und gegebenenfalls vollstreckt werden würde 2 . Es ist auch denkbar, daß ein Staat A die Ausübung der von ihm vorgesehenen Zuständigkeit seiner Gerichte in bestimmten Situationen davon abhängig macht, daß ein anderer Staat B seinen Gerichten für dieselbe Sache keine Zuständigkeit verschafft oder diese sie nicht ausüben 3 . Hingegen wäre es unmöglich, daß das Gericht von A sich nur auf die Anerkennung seiner internationalen Zuständigkeit durch den Staat B und die vom Staat B verfügte Unzuständigkeit der Gerichte von B berufen wollte, um seine eigene Zuständigkeit auf eine „Zuständigkeitsrückverweisung" zu stützen; hierzu ist eine „Annahme" dieser „Rückverweisung" im Recht von A notwendig 4 . So wie das staatliche Gericht letztlich nur im Recht des eigenen Staates Anweisungen darüber erhalten kann, ob es sich für eine heterogen verknüpfte Sache als zuständig zu betrachten hat, erhält es auch gesetzliche Anweisungen darüber, welches Recht es bei der Beurteilung der zu beantwortenden Rechtsfragen zugrunde zu legen hat, nur vom eigenen Gesetzgeber 5 . Dieser dem Gericht „vorgesetzte" Gesetzgeber kann dabei möglicherweise wieder die vom Gesetzgeber eines anderen Staates erlassenen Rechtsanwendungsanweisungen, die zunächst einmal für die Gerichte des anderen Staates bestimmt sind, „übernehmen", indem er in seinen Rechtsanwendungsanweisungen hierauf verweist. Tut er das, so können insbesondere „fremde" Abgrenzungen des Anwendungsbereiches fremden Rechts, aber auch — bei „Rückverweisung" — fremde Normierungen des Anwendungsbereiches des Inlandsrechts des Forumstaates für den staatlichen Richter des Forumstaates beachtlich werden 6 . Enthält das gesetzte staatliche Recht keine Rechtsanwendungsanweisungen für die staatlichen Gerichte, so haben diese — ähnlich wie beim Fehlen von Vorschriften des bürgerlichen Rechts im Gesetz — etwaige gewohnheitsrechtliche Rechtsanwendungsanweisungen zu beachten; diese können sich insbesondere als Richterrecht durch ständige Rechtsprechung, vor allem der Obergerichte 7 , bilden, können aber auch letztlich einer durch Rechtsüberzeugung gedeckten Übung der Adressaten des materiellen Rechts entsprechen 8 . Lassen sich auch keine gewohnheitsrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen für heterogen verknüpfte Sachverhalte finden, obwohl das Gericht durch Gesetz (oder auch durch Gewohnheitsrecht) zur Entscheidung über eine bei ihm eingereichte Klage usw. als zuständig und verpflichtet erklärt wird, so sieht man darin durchweg eine „Lücke", die das staatliche Gericht dadurch auszufüllen hat, daß es als Ersatzgesetzgeber eine Rechtsanwendungsanweisung „bildet" und diese dann selbst befolgt. Hierbei haben die staatlichen Gerichte jedoch gewisse, teils wiederum zu geübtem Gewohnheitsrecht gewordene, teils nur in der Rechtsüberzeugung verankerte Leitprinzipien zu beachten 9 . Diese Leitprinzipien zur Gestaltung der Rechtsanwendungsanweisungen werden später 34
Rechtsanwendungsanweisungen für Schiedsgerichte
§ 4
noch genauer erläutert werden 1 0 ; daher kann hier die Frage offen bleiben, ob sie sich aus der „Natur der Sache", nämlich der heterogenen Verknüpfung des regelungsbedürftigen Sachverhalts, durch eine wissenschaftliche Analyse ableiten lassen, also ob es sich dabei um eine Art „Naturrecht" handelt, oder ob sie nur anerkannte Überzeugungen über die gerechteste oder zweckmäßigste Lösung sind. Wenn, wie oben schon ausgeführt, das allgemeine Völkerrecht dem staatlichen Recht gewisse äußerste Schranken für die Gestaltung der Stellungnahme des Staates zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt setzt, so sind diese Schranken für den staatlichen Richter bei der Lückenfüllung beachtlich, wenn das staatliche Recht ihm die unmittelbare Beachtung solcher Völkerrechtssätze aufgibt 1 1 ; aber auch wenn dies nicht der Fall ist, sind diese äußersten Schranken für das staatliche internationale Privatrecht selbst wohl meist als weitere Leitprinzipien für die Lückenfüllung von Rechtsanwendungsanweisungen anerkannt.
b) Rechtsanwendungsanweisungen für Schiedsgerichte Jeder Staat kann beim Vorliegen einer ausreichenden Verknüpfung jeder Privatperson nicht nur die vom staatlichen Gesetz nicht gedeckte Anmaßung von richterlichen Befugnissen, sondern auch die Ausübung einer richterlichen Tätigkeit, die ausdrücklich als „privat" bezeichnet wird, unter Androhung von Strafen usw. verbieten. Derartiges geschieht, wenn überhaupt, in erster Linie durch den Staat, wo die „richterliche" Tätigkeit durch Privatpersonen ausgeübt werden soll 1 2 . Bereitet ein Staat dem Tätigwerden privater Scbiedsgerichie auf seinem Gebiet keine Hindernisse, so ist es seine Sache, ob er mit Rücksicht auf das Bestehen eines solchen Schiedsgerichts die zuständigen staatlichen Gerichte am Tätigwerden hindern will, und ob er die Entscheidungen des privaten Schiedsgerichts unter diesen und jenen Bedingungen, mit oder ohne Prüfung der Richtigkeit, „anerkennen" und gegebenenfalls durch staatliche Vollzugsorgane wie Urteile staatlicher Gerichte vollstrecken lassen will. In diesem Zusammenhang kann der Staat zunächst indirekt auf die Frage des vom Schiedsgericht anzuwendenden Rechts einwirken, indem die Anerkennung und Vollstreckung des privaten Schiedsspruchs davon abhängig gemacht wird, daß das Schiedsgericht dieses und nicht jenes Recht angewendet hat. Ein Staat könnte privaten Schiedsgerichten, die auf seinem Gebiet „judizieren", oder deren Mitglieder eigene Staatsangehörige sind, auch unter Androhung von Sanktionen gegen die Schiedsrichter direkt die Anwendung oder die Nichtanwendung bestimmter Rechtssätze aufgeben, doch kommt dies wohl praktisch nicht vor. Soweit der Staat die Rechtsanwendung durch private Schiedsgerichte in der angegebenen Weise zu beeinflussen sucht, kann er vor allem das Schiedsgericht auf dieselben Rechtsanwendungsanweisungen festzulegen versuchen, wie sie für seine staatlichen Gerichte gelten. Ein Staat kann aber auch für die Rechtsfindung durch Schiedsgerichte, deren Entscheidungen er zu vollstrecken bereit ist, gerade in heterogen verknüpften Fällen die Verwendung anderer Wege zur Bestimmung des anwendbaren Rechts dulden. So erhalten private Schiedsgerichte ihre Rechtsanwendungsanweisungen in erster Linie durch die Parteien, die für ihre Streitigkeiten das Schiedsgericht als zuständig vereinbaren und die Schiedsrichter mit dem Rechtsprechungsauftrag versehen, also praktisch in dem Schiedsvertrag bzw. durch Auslegung des Schiedsvertrages. Der Schiedsvertrag kann aber seinerseits wieder auf anderweit formulierte Rechtsanwendungsanweisungen verweisen, vor allem solche, die in der Satzung eines ständigen Schiedsgerichts oder sonstwo niedergelegt worden sind; denkbar ist auch eine Verweisung des Schiedsvertrages auf die Rechtsanwendungsanweisungen für die staatlichen Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts usw. 1 3 Sie ist vielleicht mangels anderweitiger Angaben zu vermuten.
35
§4
Internationale Gerichte und internationales Privatrecht
c) Rechtsanwendungsanweisungen Gerichte
für
internationale
und
gemeinschaftliche
Richten zwei oder mehr Staaten durch Vertrag ein gemeinschaftliches Gericht ein, welches anstelle der sonst meist konkurrierend zuständigen staatlichen Gerichte der Vertragsstaaten in heterogen verknüpften Situationen entscheiden soll, so wird der gemeinschaftlich erteilte Rechtsprechungsauftrag möglicherweise ergänzt durch die gemeinschaftliche Erteilung bestimmter Rechtsanwendungsanweisungen in dem betreffenden Vertrag oder einer von ihm abgeleiteten Rechtsquelle. Ist das Gericht, welches die Funktion von staatlichen Gerichten mehrerer Staaten ausüben soll, ein von einer internationalen Organisation unterhaltenes ständiges internationales Gericht, so ist eine „unmittelbare" Beachtung der in dem Vertrag, welcher den Streiterledigungsauftrag erteilt, ausgesprochenen Rechtsanwendungsanweisungen möglich 1 4 . Fehlt es an derartigen Rechtsanwendungsanweisungen für ein gemeinschaftliches Gericht, so hat auch dieses die Lücke selbst zu ergänzen. Dabei besteht einerseits die Möglichkeit, daß es sich jedenfalls an übereinstimmende Stellungnahmen der Vertragsstaaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten hält, andererseits aber auch die Möglichkeit, daß es die Lücke „frei" ausfüllt 1 5 . Anders liegt es, wenn ein „internationales" Gericht Rechtsmittelgericht über den staatlichen Gerichten eines Vertragsstaates 1 6 , oder wenn ein internationales oder gemeinschaftliches Gericht Rechtsmittelgericht über den Gerichten mehrerer Vertragsstaaten 1 7 sein soll. Dann hat das Rechtsmittelgericht im Zweifel die für das jeweils kontrollierte Gericht maßgeblichen staatlichen Rechtsanwendungsanweisungen zu respektieren 1 8 ' 1 9 . Dasselbe ist der Fall, wenn ein durch Völkerrecht geschaffenes internationales Gericht auf Klage einer Privatperson gegen einen anderen Staat nachzuprüfen hat, ob z. B. eine Zahlungsverweigerung eines Staates gegenüber Ausländern aus einer nach Privatrecht zu beurteilenden Verbindlichkeit gerechtfertigt ist, oder ob sie eine völkerrechtswidrige Behandlung der ausländischen Gläubiger darstellt. Dann hat das internationale Gericht über den Bestand der privatrechtlichen Verbindlichkeit im Zweifel so zu entscheiden, wie ein zuständiges staatliches Gericht des Schuldnerstaates zu entscheiden gehabt haben würde, d. h. unter Beachtung der für dieses staatliche Gericht maßgeblichen staatlichen Rechtsanwendungsanweisungen, wenn auch mit der Besonderheit, daß das internationale Gericht ohne weiteres auch die Völkerrechtswidrigkeit solcher Rechtsanwendungsanweisungen zu prüfen hat 2 0 . Das Bestehen einer konkreten Rechtslage unter staatlichem Privatrecht ist unter Umständen eine Vorfrage für eine völkerrechtliche Regelung. Dann ist von einem völkerrechtlich zuständigen internationalen Gericht zu prüfen, nach welchem staatlichen Privatrecht der auf die Hauptfrage anwendbare Völkerrechtssatz die Vorfrage entschieden wissen will: Hängt die Befugnis eines seekriegführenden Staates zur Einziehung der auf einem gekaperten Handelsschiff befindlichen Waren davon ab, ob sie im Zeitpunkt der Aufbringung im Eigentum eines Angehörigen des Feindstaates stehen, so sind dem Völkerrecht für diese Vorfrage Zuweisungsnormen über das auf Eigentumsübertragungsgeschäfte anwendbare staatliche Privatrecht zu unterstellen, die gegebenenfalls von den nationalen und eventuell internationalen Prisengerichten zu beachten sind 2 1 . Die Bestimmung des auf eine in einem Völkerrechtssatz aufgeworfene privatrechtliche Vorfrage anwendbaren staatlichen Rechts kann dabei auch in der Weise erfolgen, daß eine Gesamtverweisung auf das staatliche internationale Privatrecht eines bestimmten Staates gebildet wird; das auf den Eigentumsübergang anwendbare Recht könnte also möglicherweise auf dem Wege über das internationale Privatrecht des Flaggenstaates des gekaperten Schiffes ermittelt werden müssen 2 2 . Es könnte vereinbart werden, daß ein durch völkerrechtlichen Vertrag gebildetes 36
Randanwendungsbereiche von Inlandsrecht
§4
Gericht anstelle der staatlichen Gerichte in Streitigkeiten aus vertraglich vereinheitlichtem Privatrecht zu entscheiden hat. Dann können bei der A n w e n d u n g von Bestimmungen dieses international vereinheitlichten Rechts möglicherweise Inzidentfragen nach Rechtsverhältnissen auftauchen, auf die die Vertragsstaaten weiterhin vertraglich ungebundenes nationales Privatrecht anwenden lassen können. Welches Recht das internationale Gericht hier anzuwenden hat, kann dann in dem Vertrag, der das vereinheitlichte Recht vorsieht und die Zuständigkeit eines internationalen Gerichts zur Handhabung dieses Rechts einführt, ausdrücklich geregelt sein. Ist das nicht der Fall, so hat hier das internationale Gericht die Zuweisungsnormen zu ergänzen; dabei kann sich aus dem Zweck der Bestimmungen des in der Hauptsache anzuwendenden uniformen Rechts unter Umständen auch ergeben, daß mehrere nationale Rechte auf die Vorfrage alternativ oder kumulativ anzuwenden sind. d) Anwendungsbereiche der verschiedenen Privatrechtssätze im Forumstaat Innerhalb der Gesamtheit der Privatrechtssätze, die den staatlichen Gerichten eines jeden Staates durch Rechtsanwendungsanweisungen insbesondere des Gesetzgebers dieses Staates als von ihnen anzuwenden bezeichnet werden, k o m m e n den von den verschiedenen Staaten herrührenden abstrakten Privatrechtssätzen, die auf heterogen verknüpfte Sachverhalte anzuwenden sind, jeweils bestimmte Anwendungsbereiche zu, wobei Bereich im übertragenen Sinne — also nicht als Gebiet ( R a u m ) — zu verstehen ist. 1. So tritt durchweg zu dem Kernanwendungsbereich des Inlandsrechts eines Staates, der alle nur mit diesem Staat verknüpften (alle „homogen verknüpften") Sachverhalte umfaßt, im Recht dieses Staates ein Randanwendungsbereich des eigenen Inlandsrechts hinzu. Er erfaßt von den heterogen verknüpften Sachverhalten diejenigen, die mit dem Forumstaat durch eine Verknüpfung verbunden sind, welche in der als Zuweisung gefaßten Rechtsanwendungsanweisung als „Anknüpfungsmoment" ausgewählt w o r d e n ist, um auch hierauf das Inlandsrecht anzuwenden. 2. Desgleichen erhält in jedem Staat, der seine Gerichte über heterogen verknüpfte Sachverhalte entscheiden und Recht, wie es in einem fremden Staat für reine Inlandssachverhalte gilt, hierauf anwenden läßt, jedenfalls bei der Verwendung der Zuweisungsmethode das Recht anderer Staaten einen solchen Anwendungsbereich. Dieser „im Forumstaat" einem ausländischen Privatrecht z u k o m m e n d e Anwendungsbereich umfaßt stets alle diejenigen Sachverhalte, die durch mehrere Verknüpfungen so stark mit einem einzigen fremden Staat verknüpft sind, daß sämtliche anderen Staaten, selbst wenn sie schon w e g e n einer zu ihnen bestehenden Verknüpfung ihre Gerichte entscheiden lassen dürfen, doch nur allein dieses staatliche Recht zur A n w e n d u n g bringen lassen müssen: Wenn zwei im Staatsgebiet eines bestimmten Staates wohnhafte Angehörige dieses Staates, die weiter keine Verknüpfungen zum Ausland haben, in diesem ihrem Heimatstaat eine Ehe schließen, und wenn später einer von ihnen, etwa durch Erbschaft, ein Grundstück in einem anderen Staat erwirbt, so mag dies — etwa beim Tode des Eigentümers — den Gerichten dieses anderen Staates Anlaß geben, die Gültigkeit der Ehe zum mindesten als erbrechtliche Vorfrage zu prüfen; auch wenn die Gerichte des Belegenheitsstaates des Grundstücks die güterrechtlichen Beziehungen der Eheleute in bezug auf das Grundstück nach ihrem eigenen Ehegüterrecht beurteilen dürfen, so dürfen sie doch auf die Frage, ob überhaupt eine Ehe rechtsgültig zustande gekommen ist, nur das Recht des Staates anwenden, mit dem die Eheleute allein Verknüpfungen hatten.
Während der Kernanwendungsbereich, der dem Inlandsrecht eines Staates z u k o m m t , auch in einem anderen Forumstaat zu respektieren ist, kann der zusätzliche A n w e n d u n g s bereich, den der Forumstaat A dem Inlandsrecht des Staates B im Feld der heterogen verknüpften Sachverhalte zuweist, enger oder weiter sein als der Randanwendungsbereich, den der Staat B selbst für sein eigenes Inlandsrecht bei Auslandsverknüpfungen in 37
§4
Rechtsanwendungsbereiche
Anspruch nimmt. Die Frage, ob es anzustreben ist, daß der Staat, welcher fremdes Inlandsrecht auf heterogen verknüpfte Sachverhalte anwendet, den Anwendungsbereich dieses Rechts nicht anders ziehen sollte als der Ursprungsstaat, ist eine der wichtigsten Fragen, über die die Antwort zumeist erst aus allgemeinen kollisionsrechtlichen Leitprinzipien zu ermitteln ist. Nimmt man an, daß Ubereinstimmung anzustreben ist, so kann der Anwendungsbereich, der im Forumstaat fremdem Recht zugewiesen werden soll, dadurch bestimmt werden, daß die Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates die Zuweisungen des Ursprungsstaates an sein eigenes Recht durch Verweisung „übernehmen". 3. Will ein Staat durch seine Gerichte auf heterogen verknüpfte Sachverhalte ein von ihm geschaffenes Spezialrecht anwenden lassen, so erhält auch dieses Spezialrecht in dem Staat, der es erlassen hat, unvermeidlicherweise einen bestimmten Anwendungsbereich. Dieser Anwendungsbereich muß einerseits unter allen Umständen durch Angabe einer Verknüpfung mit dem Forumstaat, andererseits entweder durch das Nichtvorhandensein einer bestimmten anderen Verknüpfung mit dem Forumstaat, oder, was häufiger ist, durch das Vorhandensein einer bestimmten Verknüpfung mit dem Ausland (also einem anderen Staat oder Nichtstaatsgebiet) abgesteckt werden: Ein Staat könnte ein besonderes Eherecht erlassen für Leute, die ihren Wohnsitz im Inland haben, aber nicht seine Staatsangehörigen sind; er kann die Anwendung eines besonderen „Kaufrechts für internationale Käufe" anordnen für Kaufgeschäfte in bezug auf Sachen, die im Zusammenhang mit dem Kauf vom Inland ins Ausland verbracht werden sollen oder umgekehrt. 4. Läßt ein Staat seine Gerichte auf einen bestimmten Kreis heterogen verknüpfter Sachverhalte das von einem anderen Staat herrührende Spezialrecht anwenden, so erhält auch dieses ausländische Spezialrecht für heterogen verknüpfte Sachverhalte in dem Forumstaat einen Anwendungsbereich, der sich mit dem Anwendungsbereich decken kann, den der „Urheberstaat" ihm ursprünglich zugewiesen hat, der aber möglicherweise auch hiervon abweichen kann. „Im Forumstaat" erhalten also unter dem Zuweisungssystem als Ergebnis der Stellungnahme dieses Staates zu heterogen verknüpften Sachverhalten sowohl das eigene Inlandsrecht, als auch das vom Forumstaat selbst erlassene Spezialrecht, und zugleich die von fremden Staaten herrührenden Inlandsrechte bzw. Spezialrechte einen „Anwendungsbereich", ohne daß die letzteren notwendig mit den Anwendungsbereichen übereinstimmen, die die gleichen Rechtsnormen im Urheberstaat oder gar in dritten Staaten zugewiesen erhalten. Zugleich hat jede staatliche Rechtsanwendungsanweisung für heterogen verknüpfte Sachverhalte selbstverständlich ihrerseits selbst einen „Anwendungsbereich: Sie gilt, wie oben dargelegt, im allgemeinen „für" alle staatlichen Gerichte, die ihren Rechtsprechungsauftrag von dem Gesetzgeber dieses Staates erhalten haben. Hierzu können unter Umständen auch Gerichte gehören, die ihren Sitz außerhalb des Staatsgebietes haben, wie z. B. Konsulargerichte oder Gerichte der Besatzungsmacht im besetzten Gebiet. Es ist aber keineswegs immer so, daß für sämtliche Gerichte eines Staates dieselben Anweisungen über die Rechtsanwendung in heterogen verknüpften Situationen gelten sollen; möglich ist es, daß für verschiedene Gruppen dieser Gerichte divergierende Rechtsanwendungsanweisungen verbindlich sind, so daß, mit anderen Worten, das internationale Privatrecht „im Staat" nicht einheitlich, sondern z. B. für die Gerichte verschiedener Gliedstaaten, oder verschiedener Teilrechtsgebiete, oder verschiedener Gerichtsarten unterschiedlich ist 23 . Ferner kann der Anwendungsbereich, welcher inländischem und ausländischem materiellen Recht zur Beachtung durch die Gerichte des Forumstaates zugewiesen wird, verschieden sein, je nachdem, ob es sich um die erzwingende Anwendung von Verhaltensgeboten auf eine „Hauptfrage", oder um die nichterzwingende Anwendung von Rechtssätzen auf Teilfragen und Vorfragen handelt 24 . 38
Geltungsgebiet und Bezugsgebiet
§4
Damit, daß unter Umständen für verschiedene Gerichte desselben Staates unterschiedliche internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsweisungen maßgeblich sind, nicht zu verwechseln ist es, daß möglicherweise dasselbe Gericht etwa bei Situationen, die mit den Staaten A, B, C und D verknüpft sind, durch eine Zuweisungsnorm mit dem Anknüpfungsmoment X gebunden ist, während bei Verknüpfungen mit den Staaten E und H eine Verknüpfung Y das maßgebliche Anknüpfungsmoment darstellt, und vielleicht bei Verknüpfungen mit den Staaten I und K ein besonderes materielles Spezialrecht anzuwenden ist. In diesem Fall hat jede dieser unterschiedlichen Rechtsanwendungsanweisungen selbst wieder einen beschränkten „Anwendungsbereich 2 5 . Haben alle Gerichte eines Staates ihren Sitz auf dem Staatsgebiet, so ist im allgemeinen anzunehmen, daß sie die Rechtsanwendungsanweisungen ihres Staates regelmäßig befolgen; dann kann das Staatsgebiet dieses Staates als Raum der effektiven Befolgung — mißverständlich oft als „Geltungsgebiet" bezeichnet — der betreffenden Rechtsanwendungsanweisungen, insoweit sie sich auf die richterliche Tätigkeit beziehen, bezeichnet werden 2 6 . Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die an heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen beteiligten Privatrechtssubjekte, auch wenn sie sich auf dem Staatsgebiet eines bestimmten Staates aufhalten, nicht nur die von den Gerichten dieses Staates zu beachtenden Rechtsanwendungsanweisungen prüfen werden (bzw. prüfen „sollten"), sondern daß sie damit zu rechnen haben, daß Gerichte anderer Staaten andere Rechtsanwendungsanweisungen berücksichtigen werden, und daß sich die Privatrechtssubjekte möglicherweise in ihrem Verhalten auch hiervon beeinflussen lassen 2 7 . Soweit es also um die Auswirkung der Rechtsanwendungsanweisungen auf die Privatrechtssubjekte geht, wäre es falsch anzunehmen, daß diese ausschließlich die Rechtsanwendungsanweisungen beachten würden, die das Gericht eines einzigen bestimmten Staates beachtet, also etwa des Staates, auf dessen Gebiet sie sich befinden, oder dessen Staatsangehörige sie sind. Das Gebiet, in dem sich die Rechtsanwendungsanweisungen eines Staates in ihrer Eigenschaft als Bestandteile privatrechtlicher Verhaltensnormen auswirken, ist also breiter als das Gebiet ihrer Auswirkung auf die Rechtsprechungsorgane; überdies überschneidet es sich mit dem entsprechenden Auswirkungsgebiet von Rechtsanwendungsanweisungen anderer Staaten. e) Geltungsgebiet und Bezugsgebiet von Rechtssätzen Das Gebiet eines Staates als „Geltungsgebiet" eines Systems materieller Privatrechtssätze zu bezeichnen, nämlich in dem Sinne, daß diese Normen in diesem Raum regelmäßig befolgt und im Streitfall von den Gerichten angewendet werden, hat einen Sinn eigentlich nur bei Normen des Inlandsrechts, insoweit es um dessen Kernanwendungsbereich geht. Für den heterogen verknüpften Anwendungsbereich von Rechtssätzen ist das Staatsgebiet eines Staates in erster Linie nur „Bezugs" gebiet in dem Sinne, daß der Forumstaat den materiellen Rechtssätzen einen bestimmten Anwendungsbereich zuweist, der vermittels einer Verknüpfung zu dem Staatsgebiet des Urheberstaates bezeichnet wird; es wird also etwa französisches Recht nicht nur auf deutschem Boden von deutschen Gerichten angewendet, sondern auch von den Normadressaten auf deutschem Boden befolgt, wenn die zwecks Vermittlung des anwendbaren Rechts von den französischen oder den deutschen Rechtsanwendungsanweisungen bezeichnete Verknüpfung zum französischen Staatsgebiet als dem „Bezugsgebiet" hingeht, aber die Erfüllung der in dem Rechtssatz vorgesehenen Leistungspflicht in Deutschland zu erfolgen hat. Obwohl — was wichtige Folgen hat, die später noch zu erörtern sind 2 8 — heute im allgemeinen noch die Zahl der homogen verknüpften Sachverhalte, in denen „selbstverständlich" nur das Inlandsrecht des Forumstaates zum Zuge kommt, die Zahl der heterogen verknüpften Sachverhalte, bei denen mehrere Staaten durch die von ihren Gerichten angewendeten Verhaltensnormen auf das Verhalten der Normadressaten einzuwirken ver39
§4
Anwendung ausländischen Rechts als Rechtshilfe
suchen, bei denen aber von fremden Staaten wiederum nur ein Teil dem eigenen Inlandsrecht zugewiesen wird, weit übersteigt, ist es denkbar, daß ausnahmsweise das quantitative Verhältnis zwischen homogen und heterogen verknüpften Sachverhalten anders liegen kann; so z.B. wenn die Zahl der in einem Staat wohnenden Ausländer größer ist als die Zahl der eigenen Staatsangehörigen, und wenn trotzdem das internationale Privatrecht des betreffenden Staates vorwiegend die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment verwendet 29 . Es mag dann mehr Fälle geben, in denen „auf dem Staatsgebiet" ein bestimmtes ausländisches Recht befolgt wird, als es Fälle der Befolgung von inländischem Recht gibt. Trotzdem ist es nicht üblich, auch in einem solchen Fall zu sagen, daß das Staatsgebiet „Geltungsgebiet" des betreffenden ausländischen Rechts sei; vielmehr bezeichnet man als „Geltungsgebiet" eines nationalen Privatrechtssystems nur das Staatsgebiet desjenigen Staates, für den das betreffende Rechtssystem eigenes Inlandsrecht mit einem Kernanwendungsbereich für alle mit diesem Staat homogen verknüpften Sachverhalte ist 3 0 . f) Anwendung ausländischer Verhaltensnormen im Zivilprozeß als Gewährung von „Rechtshilfe" an fremde Staaten und als Verschaffung von Rechtsschutz für den Inhaber subjektiver Rechte Insoweit ein Staat in seiner Eigenschaft als Forumstaat ausländisches Recht, d. h. Recht mit dem Staatsgebiet eines anderen Staates als „Geltungsgebiet", anwenden läßt, und insbesondere insoweit er gegebenenfalls wegen Nichtbefolgung von Verhaltenspflichten unter ausländischem Recht durch seine Organe im Inland Unrechtsfolgen verwirklichen läßt, gewährt er demjenigen Staat, der die Verhaltensnormen erlassen hat, wenn auch der fremde Staat diese seine Normen selbst durch seine Gerichte auf das in Frage stehende heterogen verknüpfte Rechtsverhältnis anwenden lassen würde, um die eigentlichen Normadressaten zur Befolgung zu veranlassen, Hilfe bei der Durchsetzung gesetzgeberischer Ziele. Es handelt sich dann um eine Art internationaler Rechtshilfe, im Effekt ähnlich der Rechtshilfe, die darin besteht, daß ein Staat die unter Anwendung ausländischen Rechts ergangenen Urteile, die sich auf das privatrechtlich relevante Verhalten von Privatrechtssubjekten beziehen, bei sich vollstrecken läßt 3 1 . Haben die Gerichte im Forumstaat auf Grund der Rechtsanwendungsanweisungen ihres Gesetzgebers das Gesetz eines ausländischen Staates auf eine heterogen verknüpfte Situation anzuwenden, auf die es der Urheberstaat der Norm durch seine eigenen Gerichte selbst gar nicht anwenden lassen will, so kann natürlich von einer Rechtshilfe gegenüber dem Urheberstaat der Norm überhaupt nicht die Rede sein. Selbst wenn aber im Forumstaat „anwendungswilliges" ausländisches Recht angewendet wird, wäre es falsch, hierbei anzunehmen, daß es der Urheberstaat der angewandten Normen und nur dieser Staat wäre, welcher das in anderen Staaten unter Androhung des Vollzugs von Unrechtsfolgen gegen die dort belegenen Rechtsgüter nur zusätzlich „geschützte" subjektive Recht allein „erzeuge". Es ist nicht so, daß der Staat, dessen materielles Recht durch seine eigenen Gerichte in heterogen verknüpften Situationen angewendet werden muß, das darin vorgesehene subjektive Privatrecht allein zur Entstehung bringt, und daß diesem in den übrigen Staaten, die ebenfalls dasselbe objektive Recht als ausländisches Recht anwenden, nur ein zusätzlicher Schutz zuteil würde, welcher etwa dem zusätzlichen Schutz entspricht, der einem Unterhaltsanspruch dadurch verschafft wird, daß die Nichterfüllung der vor dem Zivilgericht einklagbaren Unterhaltspflicht nicht nur Zwangsvollstreckung des Zivilprozesses nach sich zieht, sondern auch noch als strafbar erklärt wird: Jeder Staat, der Gerichte und Vollstreckungsbehörden bereithält, um unter Anwendung der vom „eigenen" oder vom „fremden" Gesetzgeber verfaßten Rechtsnormen ein subjektives Recht zu schützen, schafft in seinem Herrschaftsbereich eine soziale Chance für die Verwirklichung dieses Rechts, ganz gleich, ob der Urheberstaat von 40
Schutz von subjektiven Rechten
§4
ausländischem Recht dieses sein Recht selbst durch eigene Gerichte erzwingend anwenden läßt und damit selbst dem subjektiven Recht „bei sich" Rechtsschutz verschafft, oder nicht. Versteht man unter subjektivem Recht die Chance der Verwirklichung eines abstrakten Rechtssatzes im konkreten Fall, verbunden mit Möglichkeiten für den Begünstigten, auf staatliche Erzwingung dieser Verwirklichung Einfluß zu nehmen, so muß ein subjektives Recht als durch jeden Staat „begründet" gelten, der bereit ist, seine Organe für diesen Schutz einzusetzen. Erfolgt in heterogen verknüpften Situationen solcher Schutz durch mehrere Staaten, so bestehen eben auf mehreren Staatsgebieten mehrere inhaltsgleiche subjektive Rechte, wobei die Summe der Realisierungschancen als soziologisches Faktum im Endeffekt den Realisierungschancen eines subjektiven Rechts im homogen verknüpften Bereich gleichkommen kann. Auch von solchen Rechtsverhältnissen, die wegen ihrer vielfältigen gewichtigen Verknüpfungen mit einem bestimmten Staat, in sämtlichen anderen Staaten, zu denen sonstige Verknüpfungen bestehen, welche die Ausübung von Gerichtsbarkeit rechtfertigen, nur nach dem Recht dieses einen Staates beurteilt werden dürfen, ist zu sagen, daß sie sich doch in einer Mehrzahl von parallelen subjektiven Rechten in allen denjenigen Staaten äußern, welche „dem" subjektiven Recht Schutz gewähren wollen; auch hier ist die Vorstellung, sie seien nur von dem Staat „geschaffen", nach dessen Inlandsrecht sie beurteilt werden, falsch 32 . Wie oben ausgeführt, bestAit sicher keine völkerrechtliche Verpflichtung dahin, daß ein Staat, der seine Gerichte auf Grund einer Inlandsverknüpfung für zuständig erklärt, jeden ausländischen Rechtssatz, den der Urheberstaat von seinen Gerichten auf heterogen verknüpfte Sachverhalte angewendet wissen will, auch durch seine Gerichte anwenden lassen müßte. Eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht aber auch nicht in der Fassung, daß jeder Forumstaat jedem von einem anderen Staat gemäß seinem Recht „geschaffenen" subjektiven Recht als einem von dem Inhaber „wohlerworbenen" Recht einen parallelen Rechtsschutz verschaffen müßte 33 . Der Gedanke, denjenigen Staat, „nach" dessen Recht die Entstehungsbedingungen und der Inhalt des subjektiven Rechts in anderen Staaten beurteilt werden, als den Schöpfer und eigentlichen Schützer, die anderen Staaten hingegen nur als Schutzhelfer zu betrachten, ließe sich im übrigen sicher dort nicht durchführen, wo beim Schutz eines konkreten subjektiven Rechts in heterogen verknüpften Situationen im Forumstaat im Sinne der Mosaikmethode 34 verschiedene nationale Privatrechte auf Voraussetzungen und Wirkungen des subjektiven Rechts zur Anwendung gelangen: Der Forumstaat F mag bereit sein, seine Gerichte über Ansprüche zwischen Ehegatten aus der Ehe judizieren zu lassen, aber wenn er das gültige Zustandekommen der Ehe teils nach dem Heimatrecht beider Verlobter A, teils nach dem Recht des Eheschließungsortes B, und wenn er die Wirkungen der Ehe wiederum nach einem anderen Recht C beurteilt, so kann eben überhaupt nicht von einem dieser im Forumstaat angewendeten Rechte gesagt werden, daß dieses Recht (bzw. der Staat, der es als Inlandsrecht erlassen hat) allein „die" Ehe und die daraus fließenden subjektiven Rechte „geschaffen" habe. Eine Mehrheit von subjektiven Rechten liegt auch vor, wenn, wie sehr oft, in verschiedenen Staaten zwar die Inlandsrechte verschiedener Länder anwendbar sind, aber die anzuwendenden Rechtsnormen zufällig inhaltlich übereinstimmen. Dann wird allerdings die Erfüllung einer Verhaltenspflicht, auch wenn sie ausdrücklich nur als Erfüllung der Rechtspflicht aus einem bestimmten Privatrechtssystem erfolgt, zugleich auch als wirksame Erfüllung der übereinstimmenden Verhaltenspflicht gelten müssen, die in dem anderen Staat auf Grund des dort anwendbaren Rechts angenommen wird. Werden auf die Rechtswirkungen, die sich aus demselben konkreten heterogen verknüpften Sachverhalt ergeben sollen, in den verschiedenen Staaten, die dazu Stellung nehmen, nicht dieselben und auch nicht inhaltsgleiche abstrakte Rechtsnormen angewendet 41
§4
Belegenheit von Rechten
löst also insbesondere der konkrete heterogen verknüpfte Sachverhalt als Tatbestand in den in den verschiedenen Staaten zur Anwendung gelangenden Rechten inhaltlich verschiedene Verhaltenspflichten aus —, so muß erst recht in den verschiedenen Forumstaaten da,s Bestehen mehrerer, und zwar inhaltlich divergierender subjektiver Rechte angenommen werden. g) Die „Belegenheit" von heterogen verknüpften subjektiven Rechten Aus der falschen Vorstellung, daß bei Übereinstimmung der Stellungnahmen verschiedener Staaten in bezug auf die Frage, ob ein behauptetes subjektives Privatrecht besteht, die Existenz nur eines einzigen subjektiven Rechts angenommen werden müsse, das von einem Staat — dem „Statutsstaat" — geschaffen sei und in den anderen nur zusätzlichen Rechtsschutz genieße, erklärt sich auch die Fragestellung, in welchem Staat dieses eine subjektive Recht „belegen" sei. Hat man erst einmal erkannt, daß es in den verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen eine Mehrheit von parallelen Chancen zur Erzwingung von Verhaltenspflichten — und entsprechend eine Mehrheit von parallelen subjektiven Rechten — geben kann, auch wenn die Erzwingbarkeit eines subjektiven Rechts mit demselben Inhalt in allen diesen Staaten gewährleistet ist, so scheint als Antwort auf die Frage nach der Belegenheit des subjektiven Rechts zunächst einmal die Aussage sinnvoll, daß das scheinbar „eine" subjektive Recht eben in allen Staaten belegen ist, die tin konkretes subjektives Recht dieses Inhalts zu schützen bereit sind. Soweit das positive Recht mit dem Rechtsbegriff der „Belegenheit" des subjektiven Rechts arbeitet, wird aber zumeist beabsichtigt, unter mehreren schützenden Staaten einen einzigen auf Grund einer bestimmten weiteren Eigenschaft als den Belegenheitsstaat hervorzuheben 35 . Dabei hat es aber wenig Sinn, als Belegenheitsstaat denjenigen Staat zu bezeichnen, dessen Inlandsrecht auf die Frage angewendet wird, ob das subjektive Recht überhaupt entstanden und nicht schon wieder erloschen ist; denn einmal können auf diese Fragen in verschiedenen Forumstaaten verschiedene, aber inhaltlich übereinstimmende Rechte anwendbar sein, und sodann ist es denkbar, daß gerade der Staat, dessen Recht in einem anderen Staat angewendet wird, dieses sein eigenes Recht gar nicht durch eigene Gerichte angewendet haben will. Der Hinweis auf die „Belegenheit" des subjektiven Rechts in einem von mehreren Staaten, die „das" Recht zu schützen bereit sind, dürfte sich daher meist auf denjenigen Staat beziehen sollen, der einem „mehrfach geschützten" subjektiven Recht den wirksamsten Schutz verschafft. Das ist bei subjektiven Rechten, die das Unterlassen eines bestimmten Handelns anderer gegen den Willen des Rechtsinhabers zum Gegenstand haben, die aber diese Unterlassungspflicht auf ein bestimmtes Gebiet beschränken 36 , durchweg derjenige Staat, in dem das betreffende Verhalten nicht vor sich gehen soll, weil dieser Staat durch unmittelbaren Zwang gegen die Person des Verbotsadressaten das Verhaltensverbot am sichersten durchsetzen kann. Bei anderen subjektiven Rechten, insbesondere Geldforderungen, die aus jedem der in mehreren Staaten belegenen Teile des haftenden Vermögens beigetrieben werden können, ist es indes oft nicht zu sehen, daß ein bestimmter Staat zum „Schutz" des Rechts mehr tun könnte als ein anderer; wenn trotzdem sich in der Rechtsprechung Sätze entwickeln, wonach auch hier eine bestimmte Verknüpfung (z. B. der Schuldnerwohnsitz) die „Belegenheit" begründet, so wird der Ausdruck Belegenheit nur noch als ein Bild für bestimmte vom positiven Recht determinierte Verknüpfungen verwendet. Auf der anderen Seite wäre es falsch anzunehmen, damit allein, daß viele Staaten für heterogen verknüpfte Situationen in ihrer Rechtsordnung die gleiche rechtliche Stellungnahme zugunsten eines konkreten subjektiven Rechts bilden, würde subjektiven Rechten stets effektiver Schutz zuteil. Von einem effektiven Schutz eines subjektiven Rechts in einem Staat kann erst dann gesprochen werden, wenn der Staat überhaupt Möglichkeiten 42
Rezeption durch Zuweisung
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der Rechtszwangsausübung gegenüber dem Verpflichteten besitzt. Der Umstand allein, daß der deutsche Gesetzgeber dem deutschen Richter in einer papierenen Rechtsanwendungsanweisung aufgibt, gegebenenfalls auf die Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht im Verhältnis zwischen einem Australier und einem Indonesier das australische oder indonesische Recht als anwendbar anzunehmen, bedeutet noch keinen effektiven Schutz des unter dem anwendbaren Recht zu bejahenden subjektiven Rechts in Deutschland, wenn keine Verknüpfung zu Deutschland vorhanden ist, welche die Vollstreckung eines eventuellen inländischen oder ausländischen Leistungsurteils ermöglicht. Bezieht sich ein Rechtssatz auf ein als existent unterstelltes subjektives Recht, so ist genau zu prüfen, ob damit eine durch einen besonders wirksamen Schutz des Rechtes qualifizierte Belegenheit des Rechts im Inland, oder ob die Berufung eines das subjektive Recht bejahenden Rechtssatzes durch das internationale Privatrecht eines bestimmten Staates gemeint ist, womit aber keineswegs auch schon ein effektiver Schutz des Rechts in dem betreffenden Staat verbunden sein muß. So kann etwa in einer gesetzlichen Bestimmung über die Bezahlung von Schulden aus den im Gebiet eines Staates befindlichen Nachlaßaktiven ein Unterschied gemacht werden zwischen einer Forderung, die im Inland „belegen" ist, einer Forderung, die nach dem im Inland anwendbaren Recht besteht, und einer Forderung, die zwar nicht nach dem im Inland anwendbaren Recht, wohl aber nach dem Recht, das in einem anderen Belegenheitsstaat von Nachlaß berufen ist, als bestehend gilt. Es ist sogar denkbar, daß eine gesonderte Behandlung solchen Forderungen zuteil werden soll, von denen festgestellt wird, daß sie nach dem nur in einem anderen Staat anwendbaren Recht bestehen, wenn für sie in diesem anderen Staat Vollstreckungsmöglichkeiten gegeben sind. h) „Rezeption" des angewendeten fremden Rechts im Forumstaat? Insoweit ein Staat durch Inaussichtstellung von Rechtszwang gegen Rechtsgüter, die er normalerweise auf seinem Staatsgebiet durch seine Staatsorgane schützt, nach vorausgegangener Anwendung ausländischen Rechts durch seine Gerichte tatsächlich auf das privatrechtlich relevante Verhalten von Rechtssubjekten in heterogen verknüpften Situationen einwirkt, werden die durch die Gerichte des Staates anzuwendenden ausländischen Rechtssätze damit zu Bestandteilen der Rechtsordnung des Forumstaates, wenn man unter „Rechtsordnung" ein „System" zur Erzwingung von Verhaltensnormen versteht 37 . Ein staatliches Rechtserzwingungssystem kann nämlich die von ihm zu erzwingenden Normen nicht nur dem Produktionsergebnis des von den eigenen Rechtserzeugungsorganen des Staates gehandhabten Verfahrens zur Bildung von Rechtsnorminhalten entnehmen, sondern dieses eigene Rechtserzeugungssystem kann seinerseits die Inhalte von Verhaltensnormen auch durch Verweisung auf anderweit produzierte und formulierte Rechtsinhalte bilden; so kann es auch Norminhalte, die in fremden staatlichen Rechtserzeugungssystemen gebildet worden sind, durch Verweisung „übernehmen". Bei der Regelung des menschlichen Verhaltens im heterogen verknüpften Bereich bedienen sich, wie gezeigt 38 , in der Tat die meisten staatlichen Rechtsordnungen solcher Verweisungen auf die Produkte fremder Rechtserzeugungssysteme. Die damit herbeigeführte Eingliederung der ihrem Ursprung nach „ausländischen" Norminhalte in das Rechtserzwingungssystem des Forumstaates führt im Ergebnis zu einer Verhaltensregelung mit derselben Wirkung, wie sie herbeigeführt würde, wenn der Forumstaat selbst die auf einen Teil der heterogen verknüpften Sachverhalte anzuwendenden „ausländischen" Normen als Spezialrecht selbst gebildet und dem für Inlandsbeziehungen und einen anderen Teil der heterogen verknüpften Beziehungen bestimmten Zivilgesetzbuch als Anhang angefügt hätte. Erklärt ein Staat das von seinem Gesetzgeber zunächst als Inlandsrecht geschaffene Familienrecht als anwendbar in heterogen verknüpften Situationen, soweit die Beteiligten Staatsangehörige 43
§ 4
Die Bestimmung des Anwendungsbereiches des eigenen Rechts
dieses Staates sind, so macht es für das praktische Ergebnis keinen Unterschied, ob er für Ausländer, die ihren Wohnsitz auf dem Staatsgebiet haben, das Inlandsrecht ihres Heimatstaates als maßgebend bezeichnet, oder ob er selbst für diesen Personenkreis ein spezielles Familiengesetzbuch erläßt, welches von den Gesetzen, die das Inlandsrecht des Heimatstaates dieser Personen darstellen, abgeschrieben ist. Im Gegensatz zu einer „Rezeption" ausländischen Rechts, die dadurch zustande kommt, daß der Gesetzgeber des rezipierenden Staates den Text eines ausländischen Gesetzbuches abschreibt und als eigenes Recht verkündet, um es auf homogen verknüpfte Situationen anwenden zu lassen, oder daß er ein ausländisches Gesetzbuch nach dem Stand eines bestimmten Tages als wie von ihm erlassen und verkündet erklärt 39 , und wo das rezipierte Recht in dem rezipierenden Staat weitergilt, auch wenn es im Ursprungsstaat später abgeschafft wird, erfolgt durch Anwendbarerklärung von ausländischem Recht auf heterogen verknüpfte Sachverhalte im internationalen Privatrecht eine „Rezeption" ausländischen Rechts stets unter der stillschweigenden Bedingung, daß die in einem fremden Rechtserzeugungssystem gebildeten Rechtsnormen von dem fremden Staat selbst als eigenes Recht auch weiterhin in effektiver Geltung gehalten und von seinen eigenen Gerichten angewendet werden. Bei solcher „elastischen" Rezeption des als im Ursprungsland „lebend" vorausgesetzten ausländischen Rechts wird das jeweilige in einem anderen Staat faktisch geltende Recht meist sogar unter Berücksichtigung der ausländischen intertemporalen Regelungen angewendet 40 , selbst wenn es ohne Rücksicht auf seine eigene Anwendungswilligkeit nach Maßgabe des Kollisionsrechts des Urheberstaates zur Anwendung gebracht wird. Es ist nur eine Frage zweckmäßiger Terminologie, ob man den Terminus „Rezeption" denjenigen Regelungen vorbehalten sollte, in denen das von einem anderen staatlichen Gesetzgeber und in erster Linie für die in diesem Staat homogen verknüpften Situationen geschaffene Inlandsrecht - sei es durch wörtliche Wiederholung des Gesetzestextes, sei es durch Verweisung - von dem rezipierenden Staat als eigenes Inlandsrecht übernommen wird, während die stets vermittels Verweisung angeordnete Verwendung ausländischen Rechts bei der Rechtsanwendung im heterogen verknüpften Bereich gerade als nicht rezipierende Verweisung41 bezeichnet werden sollte 42 . i) Rechtsanwendungsanweisungen als notwendige Ergänzungen eigener Verhaltensnormen des Forumstaates und als materielles Justizrecht Der vollständige Inhalt von privatrechtlichen Verhaltensnormen, die im Rechtserzwingungssystem eines bestimmten Staates wirksam werden, erweist sich bei genauerer Analyse als eine komplizierte Kombination von 1. sogenannten „Sachnormen", d. h. von Aussagen, die sich allein auf den Inhalt des gesollten Verhaltens der Privatrechtssubjekte vor einem gerichtlichen Streitentscheidungsverfahren beziehen, 2. Anweisungen zur richterlichen Anwendung solcher Sachnormen bei der Bildung des Inhalts der richterlichen Entscheidung, und im Zusammenhang damit auch von Anweisungen über den einer Sachnorm vom Gericht zuzubilligenden Anwendungsbereich, und 3. Anweisungen über das sonstige Verfahren der Gerichte und der anderen Verfahrensbeteiligten in denjenigen Gerichtsverfahren, die die erzwingende oder nicht erzwingende Anwendung der oben genannten Sachnormen zum Gegenstand haben 43 . Es ist denkbar, daß beim Erlaß von privatrechtlichen Sachnormen durch den Gesetzgeber eines Staates die Beschreibung des Inhalts der Sachnorm bereits mit der Bestimmung des Anwendungsbereiches kombiniert wird, den die Gerichte des Urheberstaates der Sachnorm dieser zubilligen sollen. Das ist selbstverständlich, wenn der Gesetzgeber Spezialrecht für heterogen verknüpfte Fälle bildet, dessen Anwendung in dem ihm zugewiesenen Bereich die Anwendung des normalen Inlandsrechts ausschließt. Solches Spezialrecht muß stets mit Hilfe (mindestens) einer Inlandsverknüpfung und (mindestens) einer Auslands44
Die Bestimmung des Anwendungsbereiches des eigenen Rechts
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Verknüpfung seinen eigenen Anwendungsbereich selbst abstecken. Kein Staat wird eine „abstrakte" Sachnorm des Inhalts bilden, daß Ehen zwischen Staatsangehörigen verschiedener Staaten genehmigungsbedürftig seien, und daneben in einer gesonderten Zuweisungsnorm zum Ausdruck bringen, daß diese Sachnorm nur gelten solle, sobald einer der Eheschließenden die inländische Staatsangehörigkeit besitzt, und erst damit klarzustellen, daß der Gesetzgeber nicht daran denkt, eine Genehmigung für erforderlich zu halten, selbst wenn es sich um eine im Inland erfolgende Eheschließung von Angehörigen verschiedener ausländischer Staaten handelt, die ihrerseits keine Genehmigung von „Mischehen" für erforderlich halten. Die gesetzliche Formulierung des Spezialrechtssatzes wird also von vornherein nur dahin gehen, daß für die Eheschließung inländischer Staatsangehöriger mit Ausländern eine Genehmigung der inländischen Behörden erforderlich ist. In entsprechender Weise könnte auch jeder Satz des normalen Inlandsrechts mit einer Aussage darüber verbunden werden, wann er im heterogen verknüpften Bereich anwendbar sein will. So könnte man sich denken, daß der Satz des deutschen bürgerlichen Rechts, der die Voraussetzungen und den Umfang der Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem unehelichen Kinde beschreibt, zusammen mit einer Aussage darüber formuliert wäre, daß dieser Satz von deutschen Gerichten anzuwenden sei, wenn alle Verknüpfungen zu Deutschland hingehen, sowie auch beim Vorliegen irgendwelcher Auslandsverknüpfungen, wenn nur die deutsche Staatsangehörigkeit der Mutter gegeben ist. Vorwiegend 44 benutzt man jedoch eine Gesetzestechnik, bei der der Inhalt der Sachnormen des eigenen Inlandsrechts und die Absteckung des Anwendungsbereiches, den ihnen die Gerichte des eigenen Staates in heterogen verknüpften Situationen zu verschaffen haben, getrennt formuliert, ja oft sogar in verschiedenen formellen Gesetzesakten verlautbart werden 45 . Beansprucht der Gesetzgeber eines Staates für die von ihm zunächst einmal als „Inlandsrecht" gedachten Sachnormen unter Angabe einer bestimmten Verknüpfung zu diesem Staat einen zusätzlichen Rechtsanwendungsbereich im Feld der heterogen verknüpften Sachverhalte, so deckt der durch diese Verknüpfung umschriebene Anwendungsbereich natürlich zugleich auch sämtliche ausschließlich mit dem betreffenden Staat verknüpften Sachverhalte; d. h. auch wenn alle übrigen Verknüpfungen zu Deutschland hingehen und deshalb die Anwendbarkeit ausländischen Rechts gar nicht in Frage kommt, bestimmt sich in Deutschland die Unterhaltspflicht des deutschen Vaters gegenüber dem deutschen unehelichen Kind doch deshalb nach deutschem Recht, weil die Mutter deutsche Staatsangehörige ist 46 . Die von der Bestimmung ihres Anwendungsbereiches in heterogen verknüpften Situationen getrennt formulierten Sätze eines staatlichen Zivilgesetzbuches oder eines Einzelgesetzes, die keine Inlandsverknüpfung als Tatbestandsmerkmal aufweisen, dürfen daher sicher nicht so verstanden werden, daß sie das Verhalten aller Menschen in aller Welt und zu jeder Zeit erfassen wollten. Was die Rechtsordnung eines Forumstaates mit den vom Gesetzgeber des Forumstaates selbst erlassenen privatrechtlichen Sachnormen wirklich erfassen will, ergibt sich erst, wenn die Sachnorm gelesen wird in Verbindung mit denjenigen gesetzgeberischen Aussagen, welche ihr außer dem Kernanwendungsbereich auch einen Randanwendungsbereich zuweisen. Es ist bekannt, daß die einzelnen Paragraphen eines Zivilgesetzbuches ihrerseits häufig nur Teile von Verhaltensnormen darstellen, und daß eine vollständige Verhaltensnorm durch Kombination zahlreicher gesetzlicher Einzelbestimmungen zu bilden ist. Aber auch die Abgrenzung des Anwendungsbereiches einer Sachnorm im heterogen verknüpften Feld ist gerade in dem Staat, dessen Gesetzgeber die Sachnorm erlassen hat, notwendiger Bestandteil der vollständigen Verhaltensnorm, weil erst sie dem Normadressaten Klarheit über den Umfang der Befolgungsprätention der gesetzlichen Bestimmung vermittelt. Es wäre schon wegen der völkerrechtlichen Bedenken nicht zu begründen, wenn man 45
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Universaler Geltungsanspruch des eigenen Rechts
annehmen wollte, daß die ohne kombinierte oder gesonderte Angabe der Begrenzung ihres Anwendungsbereiches in einem Gesetz formulierten Sachnormen des Inlandsrechts eines jeden Staates auf alle nicht — oder nicht nur — mit dem Inland verknüpften Sachverhalte anwendbar sein wollten, falls nicht besondere vom Gesetzgeber, oder gegebenenfalls von der Rechtsprechung, als beachtlich erklärte Gründe für die Nichtanwendung des Inlandsrechts und die Anwendung eines bestimmten ausländischen Rechts auf auslandsverknüpfte Situationen vorliegen 47 . Auch eine Vermutung der subsidiären, d. h. mangels einer Anweisung zur Anwendung von ausländischem Recht Platz greifenden Anwendbarkeit des Inlandsrechts auf alle heterogen verknüpften Sachverhalte, für die die inländischen Gerichte Gerichtsbarkeit ausüben dürfen , ist ebenso unbegründet wie die umgekehrte Annahme, daß ein nationales Privatrechtssystem im Zweifel, d. h. beim Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung über die Anwendbarkeit auf heterogen verknüpfte Sachverhalte, überhaupt nur für die mit dem Urheberstaat homogen verknüpften Sachverhalte gelten wolle 49 . Ob dann, wenn nach der Fassung der gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisungen weder das eigene Inlandsrecht noch ein fremdes Inlandsrecht, und wenn auch weder inländische noch ausländische Spezialnormen vom Richter des Forumstaates angewendet werden sollen, subsidiär Freiheit des Verhaltens im heterogen verknüpften Bereich anzunehmen ist, oder ob der Richter dann Billigkeitsentscheidungen — wenn auch vielleicht wieder unter Berücksichtigung des Rechtes aller beteiligten Staaten — zu bilden hat, das kann sich nur aus den später noch zu erörternden allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts ergeben. Auch die Ansicht, daß jedenfalls gewisse Rechtssätze, die der Gesetzgeber des Forumstaates selbst formuliert und erlassen hat — vor allem nämlich diejenigen, denen man „ordre public-Charakter" zuschreibt —, mangels einer ausdrücklichen Eingrenzung ihres Anwendungsbereiches einen unbegrenzten und von keiner Inlandsverknüpfung abhängigen Anwendungsbereich beanspruchen würden 5 0 , ist nicht zu halten. Würde ein Gesetzgeber nur für einzelne Bestimmungen seines Strafrechts den Anwendungsbereich ausdrücklich abstecken, während er die Abfassung allgemeiner Anwendungsanweisungen des „internationalen Strafrechts", weil er das als zu schwierig betrachtet, unterläßt, so rechtfertigt dies sicher nicht die Annahme, daß der Anwendungsbereich derjenigen Strafrechtsnormen, der nicht durch ausdrückliche Bestimmungen begrenzt ist, unbeschränkt sein solle; auch für zwingende und nicht zwingende Bestimmungen des Privatrechts kann das nicht anders sein 51 . Ist andererseits in einer gesetzten Privatrechtsnorm eine Inlandsverknüpfung als Bedingung für eine bestimmte Rechtswirkung, also als ein Element des Tatbestandes, der eine Rechtsfolge auslösen soll, schon eingebaut, so stellt sich die oft schwer zu beantwortende Frage, ob damit allein schon der für diese Norm im Feld der heterogen verknüpften Sachverhalte beanspruchte Anwendungsbereich abgesteckt sein soll, oder ob zur Bestimmung dieses Anwendungsbereiches auch noch die üblicherweise getrennt formulierten Zuweisungsnormen des internationalen Privatrechts herangezogen werden müssen 513 . Jede Vorschrift, mit welcher ein Gesetzgeber den Anwendungsbereich einer von ihm selbst erlassenen Sachnorm abgrenzt, hat in der Rechtsordnung dieses Staates andererseits die gleiche Funktion, wie sie eine Rechtsanwendungsanweisung hat, welche dem Richter des Forumstaates die Anwendung eines in einem ausländischen Rechtserzeugungssystem produzierten normativen Inhalts aufgibt. Die mit der eigenen Sachnorm über das Verhalten von Privatrechtssubjekten gekoppelte Abgrenzung ihres Anwendungsbereiches ist stets zugleich eine Anweisung, die der Gesetzgeber — an dessen Stelle möglicherweise Gewohnheitsrecht oder Lücken ergänzende richterliche Rechtsschöpfung tritt — an den von ihm eingesetzten Richter über dessen Verhalten bei der Rechtsfindung erteilt. Wenn die Gesamtheit dieser Anweisungen über das Verhalten des Richters bei der Rechtsprechung 46
Lokal beschränkte und universale Verhaltenspflichten
§4
wiederum in Verfahrensrecht im engeren Sinne — z. B. Bestimmungen über die Anhörung der Parteien oder über die äußere Form des Urteils — und in „materielles Justizrecht" — d. h. Anweisungen über den richterlichen Denkvorgang der Anwendung von Rechtssätzen bei der Bildung der Endentscheidung — zerfällt, so gehören alle Anweisungen über anzuwendendes Recht offenbar zu diesem materiellen Justizrecht. k) Lokal beschränkte und universale Verhaltenspflichten Zwei oder mehr Staaten können für denselben heterogen verknüpften Sachverhalt durch Anwendbarerklärung eigener und fremder normativer Inhalte, die zu Verhaltensnormen zusammengesetzt werden, und durch das Inaussichtstellen von Rechtszwang bei Nichtbefolgung dieser Normen, auf das Verhalten der Beteiligten einwirken. Es wurde schon dargelegt, daß die völkerrechtliche Berechtigung zu solcher Einwirkung, und zugleich die faktische Chance der Durchsetzung von Verhaltensnormen, sich keineswegs notwendig auf das Verhalten von Menschen bei persönlicher Anwesenheit im eigenen Staatsgebiet des „regelnden" Staates beschränken. Ein Staat kann, wenn z. B. ein Normadressat im Inland seinen Wohnsitz hat, durch die von den Gerichten zu beachtende Anwendbarerklärung von Verhaltensnormen auch auf das Verhalten dieses Normadressaten im Ausland einwirken, ganz gleich, ob der Staat bei dieser Einwirkung sein eigenes Recht, oder das Recht des Staates, wo sich das Verhalten abspielt, oder das Recht eines dritten Staates zugrunde legt. Eine andere Frage ist es, wo ein von einem zum Erlaß des Gebots zuständigen Staat gebotenes Verhalten erfolgen soll. Wird in einem Rechtssatz eine bestimmte menschliche Handlung geboten, so ist es notwendig anzugeben, an welchem Ort der Erde diese Handlung — sei es im Inland des Urheberstaates oder im Ausland — zu erfolgen hat, wenn auch die endgültige Bestimmung des Handlungsortes nicht im Gesetz enthalten sein muß, sondern von der Wahl einer der beteiligten Parteien abhängig gemacht werden kann. Auch eine gebotene Unterlassung kann auf einen bestimmten Ort bezogen sein: Im Staat A können die Gerichte angewiesen sein, für einen Normadressaten die Vornahme einer bestimmten Handlung im Staatsgebiet von A (oder gar nur an einem bestimmten Ort im Staatsgebiet von A) als unter dem Recht von A verboten, eine gleichartige Handlung desselben Normadressaten im Staat B aber unter dem Recht A, oder gemäß dem als anwendbar bezeichneten Recht B, als erlaubt zu betrachten; ein entsprechendes Handeln im Staat C könnte „im Staat" A, d. h. in der Rechtsordnung des Staates A, unter Anwendbarkeit eines anderen Rechtes sogar als geboten betrachtet werden. Unterlassungspflichten, die ein Staat A zu erzwingen bereit ist, können sich aber auch auf Handlungen an irgendeinem Ort der Erde beziehen: Jeder Forumstaat, der irgendwelche Zwangsmöglichkeiten hat, kann das Unterlassen einer inhaltlich bestimmten Handlung durch eine bestimmte Person im Inland, aber auch das Unterlassen einer solchen Handlung im gesamten Ausland, unter Anwendbarerklärung ein und desselben Rechts anordnen. Der Forumstaat A, der auf die Rechtswirkungen einer Ehe das Recht A als anwendbar erklärt, kann sagen, daß jede intime Beziehung eines Ehegatten zu einem Dritten, wo sie sich auch ereignet hat, einen Ehebruch oder eine Eheverfehlung darstellt; hier wird also von der Rechtsordnung des Staates A eine Unterlassungspflicht mit universalem Unterlassungsbereich angenommen, wobei das subjektive Recht des anderen Ehegatten auf die Unterlassung doch zugleich ein „lokales" subjektives Recht „im Forumstaat A" sein kann, wenn z. B. die Ehe in anderen Staaten gemäß dem dort anwendbaren Recht überhaupt nicht als existent gilt. Insbesondere sind es Immaterialgüterrechte, für die jeder einzelne Forumstaat eine behauptete Unterlassungspflicht möglicherweise nach verschiedenen Rechten beurteilt, je nachdem, ob die Unterlassung auf dem Staatsgebiet dieses oder jenes Staates in Frage steht. Auch das subjektive Recht eines Namensträgers, von jedem anderen, der nicht ein „Recht" 47
§4
Hinkende Rechtsverhältnisse
auf Führung desselben Namens hat, die Unterlassung der Führung des Namens zu verlangen, ist meist territorial beschränkt, d. h. bezieht sich nur auf die Namensführung innerhalb eines bestimmten Staatsgebiets, sofern überhaupt das maßgebliche Recht — in aller Regel das örtliche Recht des betreffenden Gebiets — einen solchen Anspruch des Namensträgers auf Unterlassung falscher Namensführung durch andere kennt. Entsprechend kann sogar das konkrete Eigentumsrecht an einer im Staat A belegenen Sache ein territorial beschränktes subjektives Recht sein, d. h. das Eigentum könnte nach dem (in A oder F) anzuwendenden Recht gegen eine im Staat A begangene Störungshandlung geschützt sein, nicht aber z. B. gegen eine vom Staatsgebiet des Staates B oder C ausgehende Störung. 1) „Hinkende" Rechtsverhältnisse und gewolltermaßen räumlich beschränkter Rechtsschutz für Rechtsverhältnisse Damit, daß vom Standpunkt desselben Forumstaates F her ein Handeln auf dem Staatsgebiet des einen Staates A unter Verweisung auf das Recht dieses (oder eines anderen) Staates als verboten, das „gleiche" Handeln auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates (B) — wieder unter Verweisung auf das Recht dieses oder eines anderen Staates — als erlaubt gelten kann, nicht zu verwechseln ist es, daß es infolge der selbständigen Stellungnahme verschiedener Staaten zu denselben heterogen verknüpften Sachverhalten möglich ist, daß eine an einem bestimmten Ort vorgenommene Handlung vom Standpunkt des einen Staates als durch das dort von den Gerichten anzuwendende Recht geboten gilt, während sie vom Standpunkt eines anderen Staates her als unter dem durch seine Gerichte anzuwendenden Recht verboten zu gelten hat. Desgleichen kann eine Handlung vom Standpunkt eines im Staat A anwendbaren Rechts als überall, d. h. auf dem Staatsgebiet dieses und dem Staatsgebiet sämtlicher anderen Staaten verboten gelten, während die Handlung vom Standpunkt eines anderen Staates B her als überall erlaubt zu gelten hat. Schließlich kann aber auch dann, wenn der Forumstaat A ein bestimmtes Verhalten auf dem Gebiet des Staates B als erlaubt und auf dem des Staates C als verboten ansieht, ein anderer Staat D über die lokale Beschränkung der Verhaltenspflichten wieder andere Auffassungen haben. Derartige Konsequenzen der Verschiedenheiten der Stellungnahme der einzelnen Staaten zu eventuellen privatrechtlichen Verpflichtungen aus heterogen verknüpften Sachverhalten werden herkömmlicherweise gern so umschrieben, daß gesagt wird, es lägen in einem solchen Fall „hinkende" Rechtsverhältnisse vor. Das Bild vom hinkenden Rechtsverhältnis beruht auf der unzutreffenden Vorstellung, daß dann, wenn in allen Staaten über Ansprüche aus einem behaupteten konkreten Rechtsverhältnis übereinstimmend entschieden wird, überhaupt nur ein Rechtsverhältnis bestehe, und daß dementsprechend von jedem subjektiven Recht aus diesem Rechtsverhältnis in allen Forumstaaten anzunehmen sei, daß es sich um ein und dasselbe subjektive Recht handelt. Gerade das aber ist, wie oben schon ausgeführt, unrichtig 5 2 . Bei dem angeblich hinkenden Rechtsverhältnis, dessen Existenz in dem einen Staat bejaht, in dem anderen Staat gänzlich verneint wird, handelt es sich also in Wahrheit um nichts anderes als darum, daß verschiedene Staaten konträre Standpunkte zu der Frage nach den Rechtswirkungen desselben Tatbestandes einnehmen. Von hinkenden Rechtsverhältnissen spricht man aber auch, wenn aus ganz oder teilweise übereinstimmenden Tatbeständen in verschiedenen Staaten teilweise inhaltlich übereinstimmende, im übrigen nicht übereinstimmende Folgerungen gezogen werden: A und B schließen im Staat X eine Ehe, die in X, nicht aber in Y als formgültig zustande gekommen gilt; die Tatsache, daß die Ehe einverständlich im Staat Z vollzogen und geführt wird, wird im Staat Z selbst als Begründung einer Rechtsehe bewertet 5 2 3 . Dann gilt die Ehe in X vom Zeitpunkt der förmlichen Eheschließung ab, in Z als vom Zeitpunkt des Zusammenlebens in Z ab als gültige Ehe; möglicherweise kann sich dann Y dem Standpunkt von Z anschließen. Das hindert einen vierten Forumstaat V nicht, in dem Zusammenleben trotz der 48
Hinkende Rechtsverhältnisse
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förmlichen Eheschließung, die als nicht rechtswirksam gewertet wird, ein bloßes Konkubinat zu sehen. Dieses Konkubinat kann aber wiederum in diesem vierten Staat unter seinem Recht selbst als „Ehe minderen Rechts" zwischen den unmittelbar Beteiligten gewisse schwache Rechtswirkungen haben, und zugleich dieselben Nachwirkungen (Ehelichkeit der Kinder, Ehegattenerbrecht usw.) hervorbringen wie eine Vollehe. Das „Hinken" eines Rechtsverhältnisses kann sich auch auf unterschiedliche Beantwortungen der Frage beschränken, wer der Inhaber eines absoluten subjektiven Rechts ist: Infolge divergierender Ansichten über das auf eine konkrete Erbfolge anwendbare Recht wird von dem Nachlaßschuldner im Forumstaat A angenommen, daß er an X als den Erben zu leisten hat, während vom Staat B von dessen Gerichten angenommen wird, daß derselbe Nachlaßschuldner seine Schuld an Y als den richtigen Erben zu bezahlen habe. Als Eigentümer der in A belegenen Sache wird infolge verschiedener Ansichten über das auf den Eigentumserwerb anwendbare Recht möglicherweise im Staat A der X, im Staat B der Y angesehen, so daß bei einer Schädigung der Sache im Staat A der X, im Staat B der Y gegen den Schädiger auf Ersatz klagen kann. Vom Standpunkt des Forumstaates A aus kann Inhaber eines Patentrechts mit dem Staatsgebiet von B als Schutzbereich eine Person X, vom Standpunkt des Staates B her hingegen eine Person Y sein usw. Auch dann, wenn in allen Forumstaaten das Entstehen eines konkreten Rechtsverhältnisses zunächst gemäß demselben anwendbaren Recht mit denselben Wirkungen übereinstimmend bejaht und dem Rechtsverhältnis Schutz gewährt wird, kann es nachträglich zu einem „Hinken" des Rechtsverhältnisses kommen, wenn im Verlauf der Abwicklung des Rechtsverhältnisses der eine oder andere Forumstaat infolge einer Änderung seines Kollisionsrechts einzelne Wirkungen des Rechtsverhältnisses nicht mehr nach demselben Recht beurteilt wie die anderen Staaten, oder wenn eine Änderung des Inhabers von subjektiven Rechten, die in einem Staat auf Grund des dort anwendbaren Rechts bejaht wird, in den anderen Forumstaaten nicht anerkannt wird, oder wenn ein Forumstaat das Rechtsverhältnis, das seine Rechtsordnung gemäß einem von ihm bezeichneten Rechtssatz als beendet betrachtet, und die anderen Staaten den das Rechtsverhältnis beendenden Rechtssatz nicht als anwendbar betrachten, und damit auch die in dem einen Staat vorgesehene Beendigung nicht anerkennen. Das in Gestak der divergierenden rechtlichen Bewertungen eines heterogen verknüpften Sachverhalts in verschiedenen Staaten zum Ausdruck kommende „Hinken" eines Rechtsverhältnisses ist, wie schon angedeutet, zu unterscheiden davon, daß ein in Unterlassungspflichten anderer sich äußerndes Monopolrecht zur Vornahme bestimmter Handlungen auf das Staatsgebiet eines einzelnen Staates beschränkt ist. Das schließt nämlich einen universalen Schutz des Rechts nicht aus; es ist denkbar, daß jemand nur „für" ein einziges Land ein Patentrecht hat, daß aber alle anderen Staaten bereit sind, gegen denjenigen, der in dem betreffenden Land das Monopolrecht verletzt, Unterlassungs- oder Schadensersatzurteile unter Anwendung jenes Rechts aussprechen und vollstrecken zu lassen. Ein nicht selten vorkommender Fall des Hinkens eines Rechtsverhältnisses ist hingegen der, daß die in einem Staat geltenden Rechtsanwendungsanweisungen zwar dieselbe Beurteilung vorsehen wie sie auch in anderen Staaten erfolgt, daß in dem betreffenden Staat auch Möglichkeiten zur Vollstreckung von Unrechtsfolgen bestehen, daß aber keine Verknüpfung verwirklicht ist, welche die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates zu einer Sachentscheidung begründet, und daß auch die Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte anderer Staaten aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist 5 3 . Es kann sodann auch durchaus dem Willen derjenigen, die ein konkretes Privatrechtsverhältnis durch Rechtsgeschäft begründet haben, entsprechen, daß das Rechtsverhältnis nicht in allen Staaten Rechtsschutz genießt, auch wenn die Parteien es andererseits nicht billigen würden, daß die Verwirklichung des Rechtsverhältnisses in einem der zum Schutz vorgesehenen Staaten 49
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örtliche Beschränkung des Rechtsschutzes für Rechtsgeschäfte
durch einen Staat, in dem kein Schutz erstrebt wird, rückgängig gemacht würde. So kommt es vor, daß durch Vertrag Schuldverhältnisse mit der Maßgabe begründet werden, daß aus dem Vertrag nur in bestimmten Staaten geklagt werden, und daß nur in bestimmten Staaten Vollstreckung eines obsiegenden Urteils angestrebt werden dürfe; auch die Gültigkeit des Vertrages soll dann nur in bestimmten Staaten zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden 5 4 . Auf Grund einer solchen Vereinbarung sind zwar diejenigen Staaten, in denen die Parteien keinen Rechtsschutz wünschen, nicht gehindert, dennoch ihre Gerichte und Vollstreckungsbehörden als zuständig zu erklären. Es ist aber möglich, daß diese Staaten bereit sind, jenem Parteiwillen Rechnung zu tragen 5 5 , obwohl sie sonst vielleicht sogar dasselbe Recht anwenden lassen würden, das auch in denjenigen Ländern angewendet werden muß, in denen die Parteien allein Rechtsschutz erstreben. Zumeist wird allerdings eine räumliche Beschränkung des Rechtsschutzverlangens für ein Vertragsverhältnis gerade deshalb erfolgen, weil die Parteien von einigen Staaten befürchten, daß diese ein anderes Recht als das von den Parteien gewünschte Recht anwenden lassen würden. Auch dann sind diese Staaten nicht durch Völkerrecht gehindert, entgegen der Vereinbarung der Parteien von Amts wegen oder auf Klage einer Partei hin ihre Gerichte tätig werden zu lassen; sie können sogar die freiwillige oder auf Grund Urteils erfolgende Erfüllung des Vertrages in anderen Staaten zum Anlaß nehmen, um zivilrechtliche Ansprüche auf Rückgewähr oder Herausgabe von Bereicherungen zuzusprechen. Umgekehrt können diejenigen Länder, in denen die Parteien Rechtsschutz gewünscht haben, ihrerseits versuchen, die Erhebung von Bereicherungsklagen usw. in solchen Ländern, in denen nach der Vereinbarung der Parteien nicht prozessiert werden soll, etwa durch Beugestrafenandrohung zu verhüten 5 6 . Insoweit das Privatrecht einem Rechtssubjekt gesetzliche Ansprüche gegenüber einem anderen auf bestimmte Leistungen, Verhaltensweisen usw. verschafft, hat im allgemeinen der Urheberstaat der betreffenden N o r m nichts dagegen, daß der Rechtssatz auch in anderen Staaten von den dortigen Gerichten erzwingend zur Anwendung gebracht wird. Es kann allerdings vorkommen, daß ein Staat seinen Gerichten die ausschließliche Zuständigkeit zur Klärung einer dem eigenen Recht zugewiesenen Rechtsfrage „vorbehalten will"; das hat aber nur zur Folge, daß die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer Staaten abgelehnt würde, selbst wenn sie genauso lauten sollten wie eine von dem ausschließlich zuständigen Gericht zu erwartende Entscheidung; zur Rückgängigmachung des Ergebnisses der Befolgung der ausländischen Gerichtsentscheidung hingegen besteht dann sicher kein Anlaß. Es ist nicht undenkbar, daß ein Staat einen eigenen Privatrechtssatz durch eigene Gerichte mit ausschließlicher Zuständigkeit auf einen heterogen verknüpften Sachverhalt anwenden lassen will, und daß er auch eine Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidungen in anderen Staaten nicht wünscht. Das kommt wohl in erster Linie in Frage für solche gesetzlichen Bestimmungen, auf Grund deren sich Verhaltenspflichten für Staatsorgane und Haftungen des Staatsvermögens — sei es in erster Linie, sei es nebenbei — ergeben können. So wird ein Staat, welcher für Verträge zwischen dem Fiskus und privaten Vertragsparteien nicht schon kraft Völkerrechts Immunität gegenüber gerichtlichen Verfahren im Ausland unter Hinweis auf den hoheitlichen Charakter eines Vorganges beanspruchen kann, derartige Verträge unter Umständen einem besonderen Gesetz, und Streitigkeiten daraus der Zuständigkeit seiner Verwaltungsgerichte unterstellen, womit eine Vollstreckung derartiger Entscheidungen im Ausland entfällt. Auch bei anderen Privatrechtssätzen, insbesondere solchen mit politischer Färbung, ist es nicht ausgeschlossen, daß ein Staat eine „Rechtshilfe" durch andere Staaten nicht wünscht 5 7 . Es kann auch ein öffentliches Interesse daran bestehen, daß bestimmte Leistungen bestimmter Schuldner auf Grund von Verträgen nur aus ihrem inländischen Vermögen erbracht und gegebenenfalls 50
Das hinkende Rechtsverhältnis als Faktum
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erzwungen werden sollen. Weder der Vorbehalt ausschließlicher eigener Zuständigkeit für die erzwingende Anwendung eigener Gesetze, noch der Vorbehalt ausschließlicher Zuständigkeit zur Vollstreckung der so ergangenen Entscheidungen im Inland sind jedoch für andere Staaten völkenzchtYich verbindlich; nicht selten wird in derartigen Fällen ohnehin damit gerechnet werden müssen, daß andere Staaten das materielle Recht, um das es sich hier handelt, als so ungewöhnlich und vom eigenen Recht so kraß abweichend empfinden, daß sie eine Befassung ihrer Gerichte und Vollstreckungsbehörden damit von sich aus ablehnen. Das Faktum, daß ein Rechtsverhältnis „hinkt", wird vielfach in dem einzelnen Forumstaat gänzlich ignoriert, indem er nur die von seinem internationalen Privatrecht vorgesehene Lösung durchzusetzen versucht 5 7 a . Das von den Urhebern der einschlägigen Gesetze oder Rechtsgeschäfte gewollte oder nicht gewollte Hinken eines Rechtsverhältnisses kann aber von anderen Staaten in den Sachnormen, die sie erlassen, als Tatbestandselement aufgegriffen und mit Rechtsfolgen ausgestattet werden. So ist es z. B., wenn es im materiellen Recht, wie es in einem bestimmten Staat angewendet wird, auf eine „wirtschaftliche" Art und Weise der Betrachtung subjektiver Rechte und Pflichten eines Privatrechtssubjekts ankommt: Wird im Staat X gemäß den dort maßgeblichen Rechtsanwendungsanweisungen angenommen, daß A eine Geldforderung gegen B zusteht, wird aber in den meisten anderen Staaten, in denen B Vermögen besitzt, angenommen, daß die Forderung nicht besteht, so kann auch im Staat X die Forderung in den Bilanzen und für die Vermögenssteuer des A nicht mit ihrem vollen Wert eingesetzt werden, wenn nicht feststeht, daß sie in Y aus dem dort befindlichen Vermögen des B in voller Höhe realisiert werden könnte. Umgekehrt ist eine im Staat C nicht „bestehende" oder nicht erzwingbare Forderung für die Ermittlung des Gesamt„vermögens" einer dort wohnhaften Person unter den Passiven einzusetzen, wenn die Forderung in anderen Staaten als bestehend gilt, und wenn sie dort gegebenenfalls durch Zwangsvollstreckung gegen Aktiven des Vermögensinhabers realisiert werden kann. Der Heimatstaat des Erblassers kapn in seinem auf Erbfälle eigener Staatsangehöriger anwendbaren Recht bestimmen, daß als „Kinder" nicht nur diejenigen erben, die im Heimatstaat des Erblassers die familienrechtlichen Rechte und Pflichten eines Kindes gegenüber dem Erblasser besaßen, sondern auch solche, die nicht im Heimatstaat, wohl aber im Wohnsitzstaat des Erblassers gemäß dem dort anwendbaren Recht die familienrechtlichen Rechte und Pflichten eines Kindes im Verhältnis zum Erblasser besaßen, wenn auch im letzteren Fall auch unter der zusätzlichen Bedingung, daß diese familienrechtliche Rechtsstellung effektiv geworden ist 5 8 . Nicht selten ist das Hinken eines Rechtsverhältnisses Anlaß für den Erlaß bzw. die Bildung von materiellen Spezialrechtssätzen in dem einen oder dem anderen Forumstaat. So kann insbesondere ein nachträglich eingetretenes Hinkendwerden in einem Spezialrechtssatz in dem einen oder dem anderen Staat Tatbestand für neue Rechtswirkungen sein: Ist eine Forderung in mehreren Staaten „belegen" und in einem dieser Staaten enteignet worden, während die anderen die Enteignung nicht anerkennen, so können diese doch einen Spezialrechtssatz bilden, durch den das Risiko der Mehrfachzahlung seitens des Schuldners im Verhältnis zwischen ihm und dem alten Gläubiger in billiger Weise geteilt wird 5 9 . Ist eine Ehe, die zunächst einmal übereinstimmend in mehreren Staaten mit denselben Rechtswirkungen bestanden hat, in dem einen Staat durch eine in den anderen Staaten nicht anerkannte Scheidung aufgelöst worden, so kann einer dieser anderen Staaten in einem Spezialrechtssatz bestimmen, daß die Scheidung der Ehe in jenem Staat — genauer: die Scheidung der in jenem Staat bestehenden Rechtsehe — allein oder im Zusammenhang mit anderen Ereignissen selbst wieder ein Scheidungsgrund für die zunächst im Inland noch fortbestehende Ehe sein soll 6 0 . Ein Staat, in dem eine Ehe als monogame Ehe besteht, während in einem anderen Staat daneben eine zweite (polygame) Ehe eines der Ehegatten 51
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Motive der Rechtsbefolgung
zustande kommen kann, kann das Bestehen der zweiten Ehe unter dem Recht dieses anderen Staates vollkommen ignorieren, so daß seine Gerichte in der „Teilnahme" an der zweiten Ehe den Scheidungsgrund des Ehebruchs der ersten Ehe verwirklicht sehen müssen. Das Land, in dem nur die monogame Ehe besteht, könnte aber auch einerseits der zweiten Ehe selbst jeglichen Rechtsschutz durch seine Gerichte versagen und es andererseits ablehnen, die Teilnahme an der zweiten Ehe als Verletzung der Pflichten aus der monogamen ersten Ehe zu bewerten, sofern sich diese Vorgänge auf dem Staatsgebiet des anderen Staates abspielen. Es kann also durch Bildung von Spezialrechtssätzen unter Umständen auch wieder dazu kommen, daß im Forumstaat das mit dem im Forumstaat bestehende Rechtsverhältnis nicht übereinstimmende Rechtsverhältnis, so wie es in der Sicht einer fremden Rechtsordnung besteht, als ein in seinen Wirkungen räumlich auf das Ausland beschränktes Rechtsverhältnis bewertet wird 6 1 ' 6 2 .
§ 5. Die Folgen divergierender Stellungnahmen der verschiedenen Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten a) Das im Forumstaat von den Gerichten anzuwendende Recht als Motiv für das Verhalten der Privatrechtssubjekte. Die Funktion der Streitentscheidung in heterogen verknüpften Situationen Trotz der ständig wachsenden Zahl zwischenmenschlicher Beziehungen über die Staatsgrenzen hinweg besteht unzweifelhaft auch heute noch die weit überwiegende Zahl rechtlich relevanter Sachverhalte in homogen verknüpften Beziehungen, in denen überhaupt nur die Gerichte eines einzigen Staates zur Streitentscheidung, und nur das in den Gesetzen dieses Staates niedergelegte Inlandsrecht zur Regelung des Verhaltens der beteiligten Privatrechtssubjekte in Frage kommen. Unbeschadet dessen, daß das, was sich im Ergebnis als „Befolgung" von Verhaltensnormen des staatlichen Rechts darstellt, zahlreiche andere Motive haben kann, unterstellt der Gesetzgeber, daß die Verhaltensnormen des Inlandsrechts in homogen verknüpften Fällen von den Normadressaten in aller Regel deshalb befolgt werden, weil sie damit rechnen müssen und tatsächlich damit rechnen, daß sonst die inländischen Behörden Rechtsgüter der Normadressaten entziehen würden, nachdem inländische Gerichte das Verhalten der Betroffenen nachträglich an den Verhaltensnormen des Inlandsrechts gemessen haben. Wenn erst nachträglich eine Verknüpfung zu einem anderen Staat entstehen könnte, die diesem die völkerrechtliche Befugnis verschafft, über das anfänglich nur homogen verknüpfte Rechtsverhältnis durch seine Gerichte entscheiden zu lassen und gegebenenfalls Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen, können die Parteien auch für diesen Fall im allgemeinen damit rechnen, daß der betreffende Staat keine anderen Verhaltenspflichten als gegeben annehmen wird, als sie ein Gericht des Staates annehmen mußte, zu dem ursprünglich allein alle Verknüpfungen hingingen 1 . Anders ist es, wenn mehrere Staaten auf irgendeinem der vorhin skizzierten Wege zu Sachverhalten Stellung nehmen, die von Anfang an in einer Weise heterogen verknüpft sind, daß nicht die Gerichte eines einzelnen Staates zuständig sind und nicht bloß die Anwendung eines einzigen Inlandsrechts in Frage kommt. Dann kann es zur Anrufung der Gerichte mehrerer Staaten und zu Entscheidungen seitens dieser Gerichte kommen, falls es nicht so ist, daß die zuerst ergangene Entscheidung (oder die Entscheidung des zuerst angerufenen Gerichts) in den übrigen Staaten als rechtskräftig anerkannt werden muß. Allein schon die Erwägung, daß das Gericht in dem einen Staat so, das Gericht in einem anderen Staat anders entscheiden würde, wenn es als erstes angerufen würde, macht den Vorgang der vom Gesetzgeber angestrebten Steuerung des menschlichen Verhaltens durch das Recht über seine gerichtliche Anwendung 2 wesentlich komplizierter als bei homogen verknüpften Situationen: 52
Kalkulationsrelevantes Recht
§5
A, ein Staatsangehöriger des Staates X , steht vor der Frage, ob er auf dem Staatsgebiet des Staates Y eine bestimmte Handlung vornehmen „soll", die er gern vornehmen möchte, weil er an dem davon erwarteten Erfolg irgendwie positiv interessiert ist. Diese Handlung kann sich in einer Schadenszufügung zu Lasten des B auswirken, doch ist anzunehmen, daß sich der Schaden weder im Staat X noch im Staat Y, sondern im Staat 2 äußert (Beispiel: Druck und Verteilung eines Prospektes, der sich über einen Wettbewerber äußert, auf einer internationalen Messe). Es sei unterstellt, daß jeder dieser drei Staaten eine zu ihm bestehende Verknüpfung zum Anlaß nimmt, um seine Gerichte für eine eventuelle Schadensersatzklage als zuständig zu erklären. Es soll ferner angenommen werden, daß die Gerichte aller drei Staaten entweder das Inlandsrecht des einen oder des anderen Staates anwenden werden, und es soll unterstellt werden, daß die Handlung nach dem einen Recht als verboten gelte, nach dem anderen nicht. Zugleich mögen aber auch der Wohnsitzstaat von A und verschiedene andere Staaten, in denen er Vermögen besitzt, ihre Gerichte als zuständig erklären, um entweder wiederum gemäß einem der Rechte X, Y oder Z zu entscheiden oder ein in einem der drei erstgenannten Staaten ergangenes Urteil zu vollstrecken. Ist sich A schon vor der Vornahme der Handlung aller dieser Möglichkeiten bewußt, so wird er, bevor er sich zu der Handlung entschließt, vernünftigerweise prüfen, ob irgendeiner derjenigen Staaten, deren Gerichte im konkreten Fall zuständig werden können, ein Recht anwenden lassen würde, welches die Handlung verbietet und eine Schadensersatzpflicht oder sonstige Unrechtsfolgen für den Handelnden vorsieht; desgleichen wird er prüfen, welche Staaten ein in diesem Sinne ergangenes Urteil bei sich vollstrecken lassen würden. Kommt A zu dem Ergebnis, daß in keinem der Länder, wo er Vermögen hat, eine Verurteilung zu Schadensersatz oder eine Vollstreckung eines einem Schadensersatzanspruch stattgebenden Urteils aus anderen Staaten zu erwarten ist, so wird für A die Tatsache, daß in einem der Länder, mit denen Verknüpfungen bestehen, die abstrakten Normen des Inlandsrechts dahin lauten, daß die Handlung verboten ist, praktisch uninteressant. Geht das Ergebnis der Prüfung durch A dahin, daß in einigen Staaten die Handlung in den Anwendungsbereich eines verbietenden Gesetzes einbezogen würde, in anderen hingegen nicht, so wird er prüfen, ob in den erstgenannten Staaten oder in anderen Staaten, welche ein in den erstgenannten Staaten ergangenes Urteil bei sich vollstrecken würden, aktuelle Möglichkeiten zum Vollzug von Unrechtsfolgen bestehen. In dieser Weise kalkulationsrelevant ist die Stellungnahme eines Staates zu heterogen verknüpften Situationen im allgemeinen nur dann, wenn ein Staat im konkreten Fall die Möglichkeit hat, Unrechtsfolgen für die Verletzung einer von seinen Gerichten anzuwendenden Verhaltensnorm zu realisieren. Dabei ist allerdings nicht nur an solche Unrechtsfolgen der Verletzung einer Verhaltensnorm zu denken, die sofort zu Entziehungen solcher Rechtsgüter des Urteilsschuldners führen, die der vollstreckende Staat normalerweise gemäß dem von seinen Gerichten anzuwendenden Recht schützt (insbesondere perönliche Freiheit, Sachgüterbesitz und übertragbare Forderungen). Eine zur Befolgung privatrechtlicher Pflichten anreizende Unrechtsfolge für die Nichtbefolgung der betreffenden Verhaltensnorm kann auch darin bestehen, daß dem Nichtbefolger der Verhaltensnorm neue Verhaltenspflichten auferlegt werden; hier muß der Normadressat prüfen, ob die Nichtbefolgung einer solchen neuen Verhaltenspflicht Unrechtsfolgen der vorhin bezeichneten Art nach sich ziehen soll, und ob für deren Verwirklichung wiederum in irgendeinem Staat eine konkrete Chance besteht. In die Kalkulation einzubeziehende Unrechtsfolgen in den verschiedenen Staaten sind unter Umständen aber auch automatisch, bzw. durch privaten, bzw. richterlichen Gestaltungsakt eintretende Veränderungen ganzer Rechtsverhältnisse, die ihrerseits neue Verhaltenspflichten mit angedrohten Rechtsgüterentziehungen auslösen; eine wichtige „Sanktion" für die als „Ehewirkungen" betrachteten Verhaltenspflichten ist z. B. die Möglichkeit, daß der verletzte Ehepartner Trennung, oder Scheidung, oder Umwandlung des Güterstandes verlangen kann. Kalkulationsrelevant für die potentiellen Befolger von privatrechtlichen Verhaltensnormen kann auch die Haltung eines Staates sein, in dem trotz des Fehlens von Vollstreckungsmöglichkeiten die Gerichte zu einer Entscheidung über die Verletzung von Verhaltensnormen zuständig sind, wenn feststeht, daß ein solches Urteil Vollstreckungsmaßnahmen auslösen kann, und daß andere Staaten, in denen Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen, das Urteil anerkennen und vollstrecken werden 3 . 53
§5
Rules of decision und rules of conduct
Eine auch in der Wissenschaft verbreitete Haltung ignoriert die Funktion der an den Richter gerichteten internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisung als des Versuchs indirekter Steuerung des vor dem Prozeß liegenden Verhaltens der Privatrechtssubjekte in heterogen verknüpften Situationen. Viele sehen in den Sätzen des internationalen Privatrechts ausschließlich ein Mittel um zu verhindern, daß der Richter in seiner Funktion als Entscheider des konkreten Rechtsstreites eine Lösung in subjektiver Willkür bildet, oder gar mangels anderer Rechtsanwendungsanweisungen bilden muß 4 . Auch bei Verwendung der Zuweisungsmethode ist die materielle Rechtsnorm, die der Richter in heterogen verknüpften Streitigkeiten „anwendet", für diese Auffassung nur „rule of decision", an Hand deren eine, nunmehr für die Zukunft verbindliche Klärung einer ungewissen Rechtslage im Forumstaat erfolgt, nicht jedoch „rule of conduct", welche die Parteien vor dem Prozeß hätten kennen können und befolgen sollen. Auf der Vorstellung, daß das vom Richter angewendete materielle Recht in heterogen verknüpften Situationen eine andere Rolle spiele als im homogen verknüpften Rechtsstreit, beruhen daher Vorschläge wie der, der Richter solle in heterogen verknüpften Situationen die Inlandsrechte aller verknüpften Staaten prüfen, sie soweit wie möglich nebeneinander anwenden und bei Widersprüchen Kompromisse für den konkreten Fall bilden 5 ; dasselbe gilt von der Forderung, auf heterogen verknüpfte Situationen solle einfach im Zweifel die lex fori des Gerichts, oder von den verknüpften Rechten solle dasjenige angewendet werden, welches der Richter als das „beste" (oder bessere) betrachtet. Werden so im internationalen Privatrecht letztlich nur rhetorische Begründungen der richterlichen Streitentscheidung in heterogen verknüpften Situationen gesehen, so kann dies bei den Privatrechtssubjekten wiederum nur die Vorstellung fördern, das ohnehin oft nur unvollständig im Gesetz zu findende internationale Privatrecht stelle einen Dschungel dar, bei dem die Anrufung des Gerichts durch eine Partei ihr höchstens eine Spielchance bietet, ihre Interessen durchzusetzen. Würden rechtssoziologische Untersuchungen erweisen, daß in der Wirklichkeit das — vor allem nach Ansicht der Juristen effektiv vom staatlichen Recht „gesteuerte" — zwischenmenschliche Verhalten schon im Normalfall der homogen verknüpften Situationen durch ganz andere Motive als den — Bewußtsein und Kenntnis des Rechts voraussetzenden — Wunsch der Vermeidung von Unrechtsfolgen für rechtswidriges Verhalten bestimmt wird, und daß die Normadressaten sich sogar im Streitfall normalerweise irgendwie „arrangieren", ohne vor die Gerichte zu gehen, wären es also nur wenige „anormale" Situationen, welche zwecks Streitbeilegung vor die staatlichen Gerichte gebracht werden, und bei denen über die richterliche Rechtsanwendung das staatliche Recht in Gestalt von rules of decision zum Zuge kommt 5 3 , so hätte es in der Tat einen guten Sinn, die Frage zu stellen, ob es nicht in heterogen verknüpften Situationen das Wichtigste ist, daß allein der Richter irgendwie durch einfache Rechtsanwendungsanweisungen an bestimmte Regeln über die Bildung seiner Entscheidung gebunden wird, während die Parteien gar nicht von ihm erwarten, daß er Verhaltensnormen anwendet, die sie selbst vor dem Prozeß hätten kennen und beachten müssen. Es gibt in der Tat Bereiche des Privatrechts, in denen die von den Gerichten anzuwendenden normativen Inhalte das menschliche Verhalten vor dem gerichtlichen Verfahren kaum beeinflussen und beeinflussen können. In manchen Rechten ist z. B. die verschuldensfreie Haftung des Vermögens einer Person, deren Handeln für die Entstehung des Schadens kausal war, eine „Billigkeitshaftung". Hier ist das Resultat der richterlichen Billigkeitsentscheidung, bei der auch Tatsachen eine Rolle spielen können, die sich nach der Schadensverursachung ereignen, nicht voraussehbar. Dann kann aber auch nicht erwartet werden, daß derjenige, dessen Haftung in Frage steht (oder sein gesetzlicher Vertreter), sich schon bei dem möglicherweise für einen Schaden anderer kausaler Verhalten Gedanken darüber macht, welche staatlichen Gerichte als Gerichtsstand in Frage kommen, und 54
Streitentscheidung ohne rules of conduct
§5
welches zur richterlichen Anwendung berufene Recht eine Bestimmung über Billigkeitshaftung enthält. Obwohl die Möglichkeit einer verschuldensfreien Haftung aus einem riskanten Verhalten für jemand Veranlassung sein kann, das riskante Verhalten ganz zu unterlassen, ist es doch im allgemeinen so, daß sich die Privatrechtssubjekte über die Frage, welche Rechte eine Risikohaftung vorsehen, wie diese ausgestaltet ist, und welches Recht in dem einen oder anderen Staat zur Anwendung berufen ist, erst dann Gedanken machen, wenn im konkreten Fall eine Schadensersatzforderung gestellt, oder gar erst, wenn Klage erhoben wird. An der Gewißheit über die Anwendbarkeit eines staatlichen Rechts, welches eine verschuldensfreie Haftung für Schäden aus einem vermeidbaren Verhalten begründet, besteht vor Einleitung eines Prozesses ein weit geringeres Interesse als bei solchen Rechtsnormen, welche eine vorsätzliche Verletzung von Verhaltensgeboten meist auch noch mit anderen Rechtsfolgen als der Schadensersatzpflicht, z. B. Unterlassungsurteilen mit Beugezwangsdrohung, ausstatten. Das ermöglicht es dem internationalen Privatrecht, in den erstgenannten Fällen das von einem zuständigen Gericht anwendbare Recht mit Hilfe von solchen Anknüpfungsmomenten zu bestimmen, die der Richter nach mehr oder weniger freiem Ermessen selbst finden kann, wenn nicht ohnehin nach Billigkeit entschieden werden soll. Damit rechtfertigt sich aber nicht eine verallgemeinernde Behauptung, in heterogen verknüpften Situationen sei die Kenntnis über das gegebenenfalls von dem Gericht anzuwendende Privatrecht als Motiv für Entschlüsse über menschliches Verhalten niemals relevant. Insbesondere im geschäftlichen Verkehr sind die Rechtssubjekte durchweg bestrebt, ihre privatrechtlich relevanten Handlungen, insbesondere auch Willenserklärungen, unter Einkalkulierung der Ergebnisse eventueller gerichtlicher Streiterledigungsverfahren zu gestalten. Hier empfindet man sowohl eine Ungewißheit über das, was die Gerichte tun würden, als störend, als auch einen Zustand, bei dem zwar die richterliche Entscheidung in den einzelnen Staaten voraussehbar ist, es aber vom Zufall abhängt, welches Gericht zuerst angerufen wird und damit die überall anzuerkennende Entscheidung nach einem bestimmten Recht fällt 6 . Auch die Errichter eines Rechtsgeschäfts in heterogen verknüpften Situationen mögen unter Umständen bereit sein, eine Regelung zu treffen, wonach eventuelle Streitigkeiten „aus dem Geschäft" vor ein bestimmtes Gericht gebracht werden müssen, und daß diesem Gericht die Befugnis gegeben wird, nach Billigkeit zu entscheiden und das rechtsgeschäftlich begründete Rechtsverhältnis für die Zukunft in bestimmter Weise zu gestalten; diese Bereitschaft besteht aber schon durchweg nicht bezüglich der Frage, ob das Rechtsgeschäft überhaupt gültig zustande gekommen ist. Daß in vielen Fällen die Menschen, deren Verhalten in heterogen verknüpften Situationen nach Absicht der verschiedenen staatlichen Gesetzgeber durch die im Forumstaat anzuwendenden Rechtssätze gesteuert werden soll, eine Kalkulation über Gerichtsstand, Vollstreckungsmöglichkeiten und anwendbares Recht nicht anstellen, obwohl sie dazu imstande wären, ist nicht anders zu bewerten als das ebenso häufige Faktum, daß die an homogen verknüpften Sachverhalten beteiligten Menschen sich in ihrem Verhalten nicht von der Bewertung dieses Verhaltens durch das hier selbstverständlich allein anwendbare Inlandsrecht, sondern von anderen, für sie stärkeren Motiven leiten lassen. Bei der kautelarischen Prüfung eines geplanten Verhaltens am Recht 7 können sich die Rechtssubjekte nicht unmittelbar an den Sachnormen als solchen orientieren, sondern nur in Verbindung mit der Erwartung, daß diese Normen möglicherweise von einem zuständigen Gericht „angewendet" werden, und daß das Resultat dieser gerichtlichen Normanwendung wiederum die Wahrscheinlichkeit staatlicher Rechtszwangsakte nach sich zieht. Andererseits müssen sie es in Kauf nehmen, daß die richterliche Rechtsanwendung sich nicht in einer 10Ö%ig durch die Logik gebundenen Subsumtion eines mit Gewißheit festge55
§5
Pflichtenkonflikte
stellten Tatbestandes unter eine eindeutige abstrakte rule of decision erschöpft 8 . Auch das Ergebnis der richterlichen Anwendung von Zuständigkeitsbestimmungen und Rechtsanwendungsanweisungen durch die Gerichte ist nie mit absoluter Sicherheit voraussehbar; das ist aber kein Grund, um in heterogen verknüpften Situationen jeden Versuch einer Kalkulation über die spätere richterliche Bewertung menschlichen Verhaltens vor dem Prozeß als unangebracht hinzustellen und daraus Konsequenzen für die Gestaltung der Rechtsanwendungsanweisungen zu ziehen 9 . b) Pflichtenkonflikte und andere Folgen divergierender Stellungnahmen der Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten für die Privatrechtssubjekte Wenn alle Staaten, deren Rechtsanwendungsanweisungen die Rechtssubjekte ihren Kalkulationen zugrunde legen können, für die rechtliche Bewertung eines heterogen verknüpften Sachverhalts übereinstimmende Rechtsanwendungsanweisungen „haben", so kann die Gesamtheit der in allen diesen Staaten zu erwartenden gerichtlichen Entscheidungen als Motiv für das Verhalten der Normadressaten denselben Effekt haben, wie die zu erwartende Entscheidung der Gerichte eines einzelnen Staates bei homogen verknüpften Situationen. Praktisch dasselbe Ergebnis kann vorliegen, wenn zwar die Rechtsanwendungsanweisungen divergieren, sie aber im konkreten Fall doch zur Anwendung desselben Rechts führen, wenn also z. B. im Forumstaat A das Recht X in seiner Eigenschaft als Wohnsitzrecht, im Forumstaat B dasselbe Recht X in seiner Eigenschaft als Recht des Heimatstaates anwendbar ist. Schließlich kann dasselbe Ergebnis eintreten, wenn die zur Anwendung bestimmten Rechtssätze zwar aus verschiedenen Rechtssystemen stammen, aber zufällig inhaltlich übereinstimmen. Ist nicht mit inhaltlicher Übereinstimmung der zu erwartenden Entscheidungen der Gerichte in den verschiedenen beteiligten Staaten zu rechnen, so kann sich das in verschiedener Weise auf einen Normadressaten auswirken: 1. Es kann zu einem glatten Widerspruch von konkreten Verhaltenspflichten kommen, wenn der eine Staat auf dem Wege über die Zuständigerklärung seiner Gerichte und die an diese Gerichte gerichteten Rechtsanwendungsanweisungen einem Normadressaten eine Unrechtsfolge für ein bestimmtes Verhalten (Tun oder Unterlassen) a in Aussicht stellt, während ein anderer Staat auf entsprechende Weise zu einer anderen anwendbaren Verhaltensnorm gelangt, welche dem Normadressaten für das Verhalten (Unterlassen bzw. Tun) non-a eine Unrechtsfolge in Aussicht stellt. Ein derartiger Pflichtenkonflikt im engeren Sinne kann z. B. auch darin bestehen, daß der Normadressat dieselbe Sache an verschiedene Personen aushändigen soll. Wie früher dargelegt 10 , hindert das Völkerrecht nur in bestimmten Fällen, daß ein Staat sein Recht auf heterogen verknüpfte Sachverhalte als anwendbar erklärt, wenn dieses Recht Widerspruchsvolles zu dem von einem anderen Staat als anwendbar erklärten Recht besagt. Jeder derartige Pflichtenkonflikt bedeutet nicht nur für den Normadressaten ein Übel, sondern gefährdet zugleich das von jedem Urheber der pflichtbegründenden Normen angestrebte Ziel, diese Verhaltensnormen, die er von seinen Richtern „anwenden" läßt, eben schon vor einer Anwendung seitens des Richters durch die Normadressaten „angewendet" und befolgt zu wissen. 2. Eine ähnliche Situation, wie sie bei einem solchen Pflichtenkonflikt im engsten Sinne entsteht, liegt vor, wenn das in A angewendete Recht von dem einen Normadressaten die Herbeiführung eines Erfolges verlangt, der nicht eintreten kann, wenn derjenige Erfolg realisiert wird, den eine im Forumstaat B anzuwendende Rechtsnorm durch andere Verhaltensgebote an denselben oder an andere Normadressaten anstrebt: Vom Standpunkt des Staates A soll der Wasserspiegel in einem Grenzgewässer durch Ableitung von Wasser an dem Punkt X gesenkt, vom Standpunkt des Staates B soll er durch Zuleitung an einer Stelle 56
Internationale Pflichtenkonflikte
§5
Y angehoben werden; beide Ziele können nicht zugleich verwirklicht werden, selbst wenn das Ab- und Zuleiten von Wasser von verschiedenen Adressaten verlangt wird, und wenn diese dem Verlangen nachzukommen versuchen. Ähnlich ist es, wenn der Staat A mit der von seinen Gerichten angewendeten Verhaltensnorm jemand zwingt, durch sein Verhalten einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, während der Staat B mit einer von seinen Gerichten angewendeten Norm denselben oder einen anderen Normadressaten verpflichtet, den fraglichen Erfolg rückgängig zu machen; so wenn X im Forumstaat A zur Verschaffung des Besitzes an einer Sache an Y, Y im Forumstaat B zur Aushändigung der Sache an X verpflichtet ist. Eine etwas anders geartete „Kollision" besteht darin, daß nach dem im Forumstaat A anwendbaren Recht jemand ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen hat, während das im Forumstaat B angewendete Recht ihm nicht nur keine Unterlassungspflicht auferlegt, sondern anderen verbietet, ihn auf irgendeine Weise an dem fraglichen Verhalten zu hindern. 3. Die Divergenz der Stellungnahmen der Forumstaaten A und B kann auch bloß darin bestehen, daß ein Normadressat auf Grund desselben Tatbestandes, aus demselben Rechtsgrund und zu demselben Zweck Geld oder vertretbare Sachen zu leisten hat, daß aber verschiedene Personen zu Gläubigern bestimmt werden, so z. B. wenn der Vater nach dem in dem einen Staat anwendbaren Recht Geldleistungen für den Unterhalt des unehelichen Kindes an den Vormund des Kindes, nach dem in einem anderen Staat anwendbaren Recht einen Beitrag zur Unterhaltslast der Mutter an diese zu erbringen hat. Dann macht die Leistung an den einen die Leistung an den anderen nicht unmöglich, aber es entsteht eine Disharmonie insofern, als jedes der beiden Rechte die doppelte Belastung des Schuldners aus dem gleichen Rechtsgrund mißbilligt. Absolute Pflichtenkonflikte der oben (zu 1) beschriebenen Art verwandeln sich unter Umständen in eine solche Doppelbelastung, wenn wegen der durch die Erfüllung der einen Verhaltenspflicht eingetretenen endgültigen Unmöglichkeit der Erfüllung der anderen Verhaltenspflicht Schadensersatz geschuldet wird. 4. Die Divergenz zwischen den Stellungnahmen der verschiedenen Forumstaaten kann aber auch zur Folge haben, daß die Normadressaten zwar ohne Schwierigkeiten die von dem einen und dem anderen Staat als anwendbar betrachteten Verhaltenspflichten nebeneinander verwirklichen können, und daß auch nicht auf diese Weise eine Doppelbelastung erfolgt, daß aber das Gesamtbild der dem Normadressaten obliegenden Pflichten sowohl vom Standpunkt des einen, als auch vom Standpunkt des anderen Rechts her als „unharmonisch" und deshalb „ungerecht" zu gelten hat. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn jemand in dem einen Staat als der eheliche, in dem anderen Staat als der uneheliche Vater eines Kindes behandelt wird, oder wenn das Kind in dem einen Staat Unterhalt von X , in dem anderen von Y als dem ehelichen Vater beanspruchen müßte. Kann X im Staat A von seinem Bruder Y bei Bedürftigkeit Unterhalt verlangen, so wird Y es als „ungerecht" empfinden, wenn er seinerseits von X im Staat B, wo X praktisch allein verklagt werden kann, gemäß dem dort anwendbaren Recht keinen entsprechenden hypothetischen Anspruch auf Notunterhalt hat 1 1 . 5. Für den Normadressaten entsteht kein Pflichten„konflikt" dadurch, daß vom Standpunkt des Staates A anläßlich eines bestimmten Tatbestandes eine Verhaltenspflicht gegenüber einem anderen Privatrechtssubjekt zu bejahen ist, während vom Standpunkt des Staates B die Verhaltenspflicht nicht besteht, ohne daß jedoch im Staat B das betreffende Verhalten verboten ist, und ohne daß das in B anwendbare Recht eine Druckausübung zur Herbeiführung jenes Verhaltens mißbilligt. Sicher aber ist es, daß dasjenige Privatrechtssubjekt, dessen subjektives Recht im Staat A gegenüber dem dort verpflichteten Privatrechtssubjekt geschützt wird, die Tatsache, daß es im Staat B nichts gegen den anderen unternehmen kann, als eine Verschlechterung des Schutzes „seines" subjektiven Rechts 57
§5
Bedeutung von Pflichtenkonflikten im materiellen Recht
empfindet, wenn es diese Situation mit der Intensität des Rechtsschutzes in einer absolut homogen verknüpften Situation vergleicht. Es ist ja möglich, daß das Vermögen, welches der Schuldner im Staat A hat, nicht ausreicht, um den Kläger in der Zwangsvollstreckung zu befriedigen, während er an das Vermögen im Land B nicht heran kann. In abgeschwächter Weise ist dasselbe der Fall, wenn zwar ein subjektives Recht auf Leistungen eines anderen in mehreren Forumstaaten im Prinzip bejaht wird, aber wenn wiederum die Höhe des Geschuldeten nicht überall dieselbe ist. 6. Folge der divergierenden Stellungnahmen verschiedener Staaten zu einem heterogen verknüpften Sachverhalt kann schließlich auch sein, daß ein Verhalten, welches in allen Staaten sich in einer homogen verknüpften Situation abspielt, sich in einer heterogen verknüpften Situation deshalb als „frei" erweist, weil keiner der dazu berechtigten Staaten das Verhalten in den Anwendungsbereich der Regelung durch das inländische (oder ausländische) Recht einbezieht. Ob derartige „Lücken" in bezug auf die Regelung eines heterogen verknüpften Sachverhalts möglicherweise gerade wiederum der Natur der Sache solcher Sachverhalte entsprechen, ist eine Frage, die nur im Lichte der allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts beantwortet werden kann 1 2 . Wenn, wie vorhin dargelegt, auch in heterogen verknüpften Situationen die Erwartungen über das Ergebnis richterlicher Entscheidungen wesentliche Verhaltensmotive für das vorprozessuale Verhalten sind oder jedenfalls sein können, so besteht eine primäre rechtspolitische Aufgabe des internationalen Privatrechts offensichtlich darin, die Normadressaten von den Unzuträglichkeiten zu entlasten, die ihnen durch die Gefahr widerspruchsvoller oder unharmonischer Stellungnahmen der verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen erwachsen können. Wie später noch genauer darzulegen, befassen sich die allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts gerade damit, wie den soeben genannten Mißständen für die Normadressaten, wenn sie auch der Gesetzgeber als zu vermeidende Mißstände empfindet, durch eine zweckmäßige Gestaltung der international-privatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen vorzubeugen ist. Ist ersichtlich, daß ein solcher Vorbeugungsversuch nicht zum Erfolg geführt hat, so ist es nicht ausgeschlossen, daß eine mehr oder weniger wirksame Abhilfe in einer zweiten Phase der Stellungnahme der Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten erfolgt. Wichtig ist hierbei, daß dann, wenn ein Staat seine Gerichte als zuständig erklärt, und wenn er zur Beurteilung eines heterogen verknüpften Sachverhalts ein bestimmtes Recht beruft, keineswegs jede abweichende Beurteilung in einem anderen Staat, und erst recht nicht jedes Verhalten, mit dem sich die Privatrechtssubjekte dieser abweichenden Beurteilung fügen, einfach stets als rechtswidrig betrachtet werden müßte. Je nach den Umständen des konkreten Falles kann vielmehr die Stellungnahme anderer Staaten zu der heterogen verknüpften Situation möglicherweise schon in dem im Forumstaat anwendbaren materiellen Recht beachtet werden: Erweist sich die Befolgung einer Verhaltensnorm, die der Forumstaat F als anwendbar betrachtet, angesichts der stärkeren Zwangsmöglichkeiten anderer Staaten, die eine andere Verhaltensnorm als anwendbar betrachten, als praktisch undurchführbar, so kann dies z. B. als unverschuldete Unmöglichkeit der Leistung unter dem in F angewendeten Recht gewürdigt werden. Umgekehrt schließt die durch die Stellungnahme eines anderen beteiligten Staates hervorgerufene irrige Annahme, nicht zu dem Verhalten verpflichtet zu sein, welches nach dem im Forumstaat anwendbaren Recht geboten ist, unter Umständen die Annahme eines Verschuldens und dessen Rechtsfolgen aus; gerade die Tatsache, daß nach dem in dem einen Staat anwendbaren Recht eine bestimmte Rechtslage besteht, kann die irrtümliche Annahme, dasselbe gelte auch in anderen Staaten, als unverschuldet, aber guten Glaubens usw., erscheinen lassen. Möglicherweise kann aber auch der Umstand, daß eine Partei daran mitwirkt, daß ein anderer Staat überhaupt erst die Gelegenheit erhält, durch Ent58
Pflichtenkonflikte im Forumstaat
§6
Scheidungen seiner Gerichte zu einem Rechtsverhältnis in einer Weise Stellung zu nehmen, die von der Stellungnahme des Forumstaates abweicht, im materiellen Recht des Forumstaates berücksichtigt werden, wenn dieser ursprünglich in einer bestimmten Weise Schutz gewähren wollte; das materielle Recht kann z. B . Schadensersatzansprüche daran anknüpfen, daß eine Partei mit Absicht eine anfänglich nicht vorhandene Verknüpfung zu einem Staat begründet hat, der zu dem Rechtsverhältnis eine abweichende Stellungnahme einnimmt. Es besteht jedoch die Gefahr, daß divergierende Maßnahmen der Staaten in dieser zweiten Phase selbst wieder zu Pflichtenkonflikten usw. führen.
§ 6. Folgen der Anwendung von Rechtsinhalten aus verschiedenen Rechtssystemen im Rechtserzwingungssystem des Forumstaates Wenn ein Staat, wie es zumeist geschieht, seine Gerichte auf heterogen verknüpfte Sachverhalte, für deren Beurteilung sie als zuständig erklärt werden, bald sein eigenes Inlandsrecht, bald fremdes Inlandsrecht, bald eigenes oder ausländisches Spezialrecht anwenden läßt, so ergeben sich daraus auch eigenartige Konsequenzen für das Gesamtbild der Rechtsanwendungsvorgänge in diesem Staat, und zugleich für das Gesamtbild der Versuche seiner Rechtsordnung, menschliches Verhalten im heterogen verknüpften Bereich durch gerichtlich angewendete Verhaltensnormen zu steuern. a) Während es im allgemeinen durch die Vorsicht des Gesetzgebers und den Gründsatz lex posterior derogat priori gewährleistet ist, daß in jedem Staat das auf homogen verknüpfte Sachverhalte anzuwendende Recht so gestaltet ist, daß für die Normadressaten keine Pflichtenkonflikte entstehen, und daß die Gerichte desselben Staates nicht genötigt sind, widerspruchsvolle Verhaltensnormen auf das Verhalten derselben Person nebeneinander zur Anwendung zu bringen, bringt das Nebeneinander der Anwendung inländischen und ausländischen Rechts auf heterogen verknüpfte Sachverhalte die Gefahr für die Entstehung derartiger Konflikte im Forumstaat mit sich. Das ist vor allem so, wenn der Forumstaat seine Gerichte anweist, die Gesetze mehrerer Staaten zugleich auf einen Streitfall zur Anwendung zu bringen. So kann ein Forumstaat z. B. bereit sein, ein Verhalten als unerlaubte Handlung zu betrachten, wenn es entweder am Handlungsort oder am Wirkungsort gemäß dem dortigen Inlandsrecht — insbesondere wenn dieses selbst angewendet werden will — verboten ist; dann kann unter Umständen ein bestimmtes Verhalten am Handlungsort geboten, am Wirkungsort hingegen verboten sein, und der Richter im Forumstaat müßte sowohl bei Übertretung des Gebots als auch bei Übertretung des Verbots Schadensersatzansprüche zusprechen. Die Gefahr eines konkreten Pflichtenkonflikts innerhalb ein und desselben Forumstaates besteht auch, wenn auf verschiedene Arten von Rechts Wirkungen auf Grund desselben Sachverhalts im Forumstaat teils die einer bestimmten Normenkategorie angehörenden Normen des Staates A (und nur dieses Staates) und zugleich die einer anderen Normenkategorie angehörenden Normen des Staates B anzuwenden sind, und wenn die Kategorien so gebildet werden, daß sie sich „überschneiden" können: Im Recht A, welches mit seinen „scheidungsrechtlichen" Vorschriften im Forumstaat F anwendbar ist, regeln diese Bestimmungen auch die Frage der Personensorge über die gemeinschaftlichen Kinder nach der Scheidung; mit der Personensorge befaßt sich aber auch das Recht B, welches mit seinen „kindschaftsrechtlichen" Normen im Forumstaat F anzuwenden ist, wobei die Regelung der Personensorge von dem Bestehen oder der Scheidung der Ehe vollkommen unabhängig ist. Ist das internationale Privatrecht des Forumstaates so zu verstehen, daß sowohl die „scheidungsrechtlichen" Bestimmungen über Personensorge des einen Staates als auch „kindschaftsrechtliche" Bestimmungen eines anderen Rechts nebeneinander zur Anwen59
§6
Störungen der materiellen Harmonie
dung berufen sind, so kann es zu einer Situation kommen, in der die berufenen Bestimmungen über Personensorge einander widersprechen. b) Aber auch die anderen oben beschriebenen und durch die Unterschiedlichkeit der Rechtsanwendungsanweisungen mehrerer Staaten möglichweise für den Normadressaten entstehenden Mißhelligkeiten sind innerhalb desselben Forumstaates denkbar, wenn dieser bei der Regelung heterogen verknüpfter Sachverhalte Normen aus verschiedenen Rechtssystemen zur Anwendung beruft: Hat der Richter im Forumstaat F die Pflichten des außerehelichen Erzeugers gegenüber dem Kinde unter Anknüpfung an den Wohnsitz des Kindes nach dem Recht A, die Pflichten gegenüber der Mutter unter Anknüpfung an deren Wohnsitz nach dem Recht B zu beurteilen, so ist es denkbar, daß — jedenfalls mangels einer Korrektur — der Vater angehalten wird, die zum Unterhalt des Kindes notwendigen Beträge gemäß dem im Forumstaat hierfür berufenen Recht A dem Vormund des Kindes auszuzahlen, und daß zugleich gemäß dem Recht B die Mutter des Kindes einen Anspruch gegen ihn hat, ihr die Beträge zu erstatten, die sie selbst zur Erfüllung ihrer (konkurrierenden) Unterhaltspflicht ausgelegt hat bzw. noch braucht. c) Häufig bringt das Nebeneinander verschiedener berufener Rechte in demselben Forumstaat „Disharmonien" zustande, die sich nicht in Pflichtenkonflikten im engeren Sinne oder unerwünschten Doppelbelastungen, sondern anders äußern: In einem geschlossenen Privatrechtssystem erklärt sich die inhaltliche Ausgestaltung einer einzelnen Rechtsnorm häufig daraus, daß ein bestimmter Inhalt einer anderen Rechtsnorm stillschweigend vorausgesetzt wird; damit auf Grund der einen Norm eine bestimmte Rechtswirkung eintritt, wird vorausgesetzt, daß unter Befolgung der anderen Norm eine bestimmte andere Wirkung bereits eingetreten ist oder gleichzeitig eintritt. Bestimmen nun die Rechtsanwendungsanweisungen für einen heterogen verknüpften Sachverhalt, daß die eine Rechtsnorm dem Privatrechtssystem A, andere Rechtsnormen dem Privatrechtssystem B entnommen werden sollen, so ist es möglich, daß keine der aus dem Recht B zu entnehmenden Normen diejenige Eigenschaft aufweist, die innerhalb des Privatrechtssystems A beim Erlaß der aus diesem Privatrechtssystem zu entnehmenden Norm vorausgesetzt wurde. So kann es sein, daß das auf homogen verknüpfte Verhältnisse im Staat A anwendbare Recht dem überlebenden Gatten ein intensives Intestaterbrecht gewährt, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, daß nur der Güterstand der Gütertrennung zulässig ist. Umgekehrt kann das Inlandsrecht von B ein Erbrecht des überlebenden Ehegatten überhaupt nicht kennen, weil dort eine Gütergemeinschaft der einzig denkbare Güterstand ist, und auf diese Weise der ärmere Ehegatte beim Tode des reicheren Ehegatten stets etwas aus dessen Vermögen erhält. Wird nun im Forumstaat F angeordnet, daß für eine konkrete Ehe das anwendbare Erbrecht auf Grund einer zu dem Staat A bestehenden Verknüpfung X, das anwendbare Güterrecht hingegen auf Grund einer Verknüpfung Y dem Recht B zu entnehmen ist, so kann es vorkommen, daß der überlebende Ehegatte — jedenfalls mangels einer Korrektur — nach dem Tode des anderen gar nicht, oder auf Kosten anderer Erben doppelt, „versorgt" wird. Auch eine stillschweigend unterstellte hypothetische Gegenseitigkeit von Rechtslagen kann fehlen, wenn die eine Rechtslage im Forumstaat F nach dem Recht A, die andere nach dem Recht B beurteilt wird: Soll auf die Notunterhaltspflicht zwischen Verwandten das Heimatrecht des angeblich Verpflichteten angewendet werden, so kann zunächst der eine Bruder gemäß seinem Heimatrecht dem anderen unterhaltspflichtig werden; wenn hierbei nicht vorausgesetzt wird, daß auch der Unterhalt beziehende Bruder im hypothetischen umgekehrten Fall ebenfalls gemäß seinem Heimatrecht unterhaltspflichtig wäre, kann es dazu kommen, daß im Forumstaat zunächst der eine Bruder von dem anderen Unterhalt bezieht, und daß später, wenn der erste reich, und der andere arm geworden ist, ein Notunterhaltsanspruch zu verneinen ist. Zu einer besonders stoßenden Disharmonie kommt es, wenn im Forumstaat das gül60
Leitprinzipien zur Gestaltung des internationalen Privatrechts
§7
tige Bestehen einer Ehe nach dem hierauf anwendbaren Recht bejaht werden muß, falls diese Frage im Verhältnis zwischen den Ehegatten unter sich (oder im Verhältnis zwischen den Ehegatten und einem der Familie nicht angehörenden Dritten) aktuell wird, und wenn auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten und ihren in der Ehe gezeugten Kindern ein anderes Rechtssystem anwendbar ist, welches einerseits zwischen ehelichen und unehelichen Kindern unterscheidet, und andererseits gerade den Kindern dieser Eltern die Stellung „ehelicher" Kinder deshalb verweigert, weil es das Bestehen einer Ehe verneint 1 . Eine andere Art der Disharmonie besteht darin, daß ein übergeordnetes Rechtsprinzip nur in einem von zwei zusammenhängenden Komplexen von rechtlichen Regelungen zur Verwirklichung kommt, in dem anderen Komplex hingegen nicht, weil der eine Komplex nach dem Recht A, der andere nach dem Recht B beurteilt wird: Richten sich die persönlichen Beziehungen zwischen Ehegatten nach dem Recht A, die Beziehungen eines jeden einzelnen von ihnen zu den Kindern nach dem Recht B, so ist es mißlich, wenn die im Recht A durchgeführte absolute Gleichberechtigung der Ehegatten nicht auch im Recht B für die Beziehungen der Eltern zu den Kindern gilt. d) Die Tatsache, daß derselbe Mensch in verschiedenen Lebenslagen derart mit einer Mehrheit von Staaten verknüpft sein kann, daß auf sein Verhalten in ähnlichen, aber in verschiedener Weise heterogen verknüpften Situationen inhaltlich verschiedene Normen zur Anwendung gelangen, wird im allgemeinen nicht als „ungerecht" empfunden; ein Kaufmann, der auf vielen Märkten auftritt, wird Verständnis dafür haben, daß verschiedene Vorstellungen über das, was unlauterer Wettbewerb ist, bestehen, und daß von ihm durch die Gerichte in seinem Heimatstaat verlangt wird, daß er sich nach den Vorschriften der einzelnen Marktländer richtet. Erst der Umstand, daß der staatliche Gesetzgeber die große Zahl der homogen verknüpften Sachverhalte dadurch regelt, daß er seinen Gerichten die Anwendung seines Inlandsrechts aufgibt, läßt die Frage auftauchen, ob es tragbar ist, daß dieselben Gerichte in wenigen heterogen verknüpften Fällen durch Rechtsanwendungsanweisungen angehalten werden, ausländische Rechtssätze anzuwenden (insbesondere erzwingend anzuwenden), welche inhaltlich besonders stark von dem auf homogen verknüpfte Sachverhalte anwendbaren Inlandsrecht abweichen. Die psychologische Bereitschaft der Rechtssubjekte zur Befolgung des in homogen verknüpften Situationen anwendbaren Inlandsrechts kann ja erheblich beeinträchtigt werden, wenn von den Gerichten eines Staates auf heterogen verknüpfte Sachverhalte ausländisches Recht zur Anwendung gebracht wird, das besonders stark vom Inlandsrecht abweicht, also z. B. genau das Gegenteil von dem anordnet, was das Inlandsrecht besagt. Die Generalklausel, mit welcher man vor allem in früheren Zeiten der Anwendung von partikulärem Gewohnheitsrecht, welches tatsächlich von den Betroffenen geübt wurde, durch die staatlichen Gerichte eine Schranke setzte — nämlich wenn es in „anstößiger Weise" von dem normalen Recht des Staates abwich 2 —, findet daher eine Parallele im geltenden internationalen Privatrecht, wenn in heterogen verknüpften Situationen einerseits durch globale Verweisungen ausländisches Recht durch inländische Gerichte anwendbar gemacht, aber diesen andererseits ermöglicht wird, einzelnen Sätzen des ausländischen Rechts mit Rücksicht auf ihre krasse Abweichung vom eigenen Recht des Forumstaates, in dem das normalerweise anzuwendende Recht gesehen wird, die Anwendung zu versagen 3 .
§ 7. Leitprinzipien zur Gestaltung des internationalen Privatrechts Die oben geschilderten Gefahren, welche das selbständige Vorgehen der verschiedenen Staaten bei der rechtlichen Regelung heterogen verknüpfter Sachverhalte für die beteiligten Privatrechtssubjekte und die Staaten selbst haben kann, und die Disharmonien und Mißhelligkeiten, welche entstehen können, wenn bei heterogen verknüpften Sachverhalten 61
§ 7
Gleichbehandlung in homogen und heterogen verknüpften Situationen
in demselben Forumstaat neben den Rechtsnormen aus dem Privatrechtssystem des Inlandsrechts insbesondere auch ausländisches Recht angewendet wird, sind die Ausgangsbasis für gewisse allgemeine Zielvorstellungen des internationalen Privatrechts 1 , die bei der Bildung der Rechtsanwendungsanweisungen — vielfach sogar unbewußt — beachtet werden. a) Gleichbehandlung bei der Steuerung menschlichen Verhaltens durch das Recht in heterogen und homogen verknüpften Situationen Wegen seiner Selbstverständlichkeit selten erwähnt, aber von grundlegender Bedeutung ist hierbei der Gedanke, daß die heterogen verknüpften zwischenmenschlichen Beziehungen jedenfalls im Privatrecht eine rechtliche Regelung erfahren sollten, welche der Regelung inhaltlich entsprechender Beziehungen im homogen verknüpften Bereich gleich oder jedenfalls gleichwertig ist 2 . Wenn zugleich bei solcher Regelung den spezifischen Eigenarten gewisser heterogen verknüpfter Situationen Rechnung getragen werden soll, so ist auch das nur ein anderer Aspekt der Forderung nach sachgerechter Gleichbehandlung der Rechtssubjekte im homogen und im heterogen verknüpften Bereich 3 . 1. Hieraus ergibt sich zunächst einmal das Postulat, daß Rechtszwang zur Durchsetzung einer Verhaltenspflicht auf Grund einer auf heterogen verknüpfte Sachverhalte anwendbaren Privatrechtsnorm — wenn darüber tatsächlich Übereinstimmung besteht — nicht auf einen Staat beschränkt sein sollte, sondern daß er von allen Staaten zu ermöglichen ist, die hierzu in der Lage sind: Wer eine Geldleistung auf Grund eines heterogen verknüpften Sachverhalts — wozu auch der Fall gehört, daß Gläubiger und Schuldner verschiedene Wohnsitze haben, und daß das haftende Schuldnervermögen in verschiedenen Staaten belegen ist — schuldet, von der die Gerichte in allen Staaten annehmen würden, daß die Forderung zu Recht besteht, sollte auch überall, wo er sich aufhält, und insbesondere wo er Vermögen hat, mit Zwangsvollstreckung — sei es auf Grund eines Sachurteils der Gerichte des Vollstreckungsstaates, sei es auf Grund einer Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile — rechnen müssen; der Umstand, daß jemand sein Vermögen über mehrere Länder verstreut hat, sollte ihm nicht gegenüber seinen Gläubigern eine günstigere Stellung verschaffen, als sie der Schuldner hat, der sein Vermögen nur in einem Staat aufbewahrt. Das völkerrechtlich gesicherte Monopol zur rechtlichen Regelung der homogen verknüpften Lebensverhältnisse und zur Ausübung von staatlichen Zwangsakten innerhalb des Staatsgebiets erleichtert der staatlichen Rechtsordnung ihre Bemühungen, das staatliche Recht in diesem Bereich zu effektivem Recht zu machen, d. h. den abstrakten Verhaltensregeln in der Mehrzahl der kritischen Fälle zur Befolgung zu verhelfen und die Androhung von Unrechtsfolgen in der Mehrzahl der Fälle, in denen sie fällig werden, zu verwirklichen. Soweit ein Rechtssatz des Inlandsrechts eines Staates auch auf heterogen verknüpfte Sachverhalte als anwendbar gilt, sollte auch hierfür die gleiche Intensität der effektiven Geltung angestrebt werden, wie sie bei Anwendung des Rechtssatzes im homogen verknüpften Bereich gewährleistet ist. Daraus folgt vor allem, daß die Staaten es vermeiden sollten, „Vollstreckungsoasen" zu bilden, indem sie trotz der Möglichkeit von Vollstreckungsmaßnahmen auf ihrem Gebiet weder ein zuständiges Gericht für Streitigkeiten aus heterogen verknüpften Sachverhalten bereitstellen, noch die Urteile aus anderen Staaten zu vollstrekken bereit sind. Dieses Postulat zieht allerdings nicht, wenn die an einem durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnis beteiligten Parteien selbst wollen, daß trotz bestehender Verknüpfungen zu vielen Staaten nur ein Staat oder nur einige Staaten gegebenenfalls durch ihre Gerichte Rechtsschutz gewähren sollen, in den anderen hingegen auch keine Vollstreckung von Urteilen aus den erstgenannten Staaten angestrebt werden soll 4 . Der soeben behandelte Gedanke rechtfertigt es auch, daß die Zuständigkeit staatlicher 62
Verhütung von Pflichtenkollisionen
§7
Behörden zu Feststellungs- und Gestaltungsakten auf dem Gebiet des Privatrechts in heterogen verknüpften Situationen möglicherweise als „Bedarfszuständigkeit" ausgestaltet, d. h. für den Fall eingerichtet wird, daß keine funktionsbereite zuständige Behörde in einem anderen beteiligten Staat vorhanden ist. Manchmal will man daher sogar eine auf eine ungeschriebene Generalklausel gestützte internationale Bedarfszuständigkeit annehmen; die inländische Behörde wird dann unter Umständen trotz des Bestehens einer zuständigen und funktionsbereiten ausländischen Behörde als zuständig betrachtet, wenn das Tätigwerden der ausländischen Behörde in naher Zeit aus irgendeinem Grund nicht erwartet werden kann und dadurch eine Notlage für die Betroffenen entsteht („Notzuständigkeit" für vorläufige Maßnahmen für Geschäftsunfähige, Nachlaßsicherung usw.). Aus einer allzu großen Zahl von zuständigen Gerichten in verschiedenen Ländern für heterogen verknüpfte Sachverhalte können sich allerdings, selbst wenn die Gerichte alle dasselbe Recht anzuwenden haben, wiederum Mißstände ergeben, denen im Interesse einer Gleichbehandlung der an heterogen und der an homogen verknüpften Sachverhalten beteiligten Menschen abgeholfen werden muß. Mit der Generalklausel des forum non conveniens 5 wird es dann einem von mehreren zuständigen Gerichten in verschiedenen Staaten ermöglicht, ein Tätigwerden dann abzulehnen, vor allem wenn feststeht, daß das Verfahren vor einem anderen zuständigen Gericht für alle Parteien weniger Aufwand erfordert, und daß von dem anderen Gericht eine Entscheidung an Hand gleicher Rechtsanwendungsanweisungen zu erwarten ist, wie sie in dem Staat bestehen, dessen Gericht nicht tätig werden will, und wenn schließlich gewährleistet ist, daß das fremde Urteil in dem Staat, der die Sachentscheidung ablehnt, vollstreckt werden würde. Unvereinbar mit dem Gedanken, heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen einen gleichwertigen Rechtsschutz zu verschaffen, wie er für homogen verknüpfte Rechtsverhältnisse besteht, ist es andererseits z. B., wenn ein einzelner Forumstaat, zu dem starke Verknüpfungen bestehen, welche die Zuständigkeit seiner Gerichte nach Völkerrecht rechtfertigen, während andere Staaten vernünftige Gründe haben, ihre Gerichte mit Rücksicht auf die Schwäche der zu ihnen bestehenden Verknüpfungen als unzuständig zu erklären, sein Verfahrensrecht so ausgestaltet, daß gewisse Feststellungen oder Gestaltungsakte nur ergehen können, wenn das anzuwendende ausländische Recht inhaltlich mit dem Inlandsrecht übereinstimmt 6 . 2. Allein aus dem Gedanken einer gleichen rechtlichen Behandlung der Menschen in homogen verknüpften Situationen einerseits und heterogen verknüpften Situationen andererseits ist zu folgern, daß die Normadressaten in heterogen verknüpften Situationen nicht mit Pflichtenkollisionen, Doppelbelastungen und unharmonischen Beurteilungen ihrer Rechtsbeziehungen belastet werden, welche die Urheber von Rechtssystemen für homogen verknüpfte Sachverhalte zu vermeiden pflegen. Da Pflichtenkonflikte zugleich die Effektivität der mit Befolgungsanspruch auftretenden Normen gefährden, besteht auch ein gemeinsames Interesse aller staatlichen Gesetzgeber, vor allem Pflichtenkonflikte für den einzelnen zu vermeiden. Es gilt dies sowohl für Pflichtenkonflikte, die dadurch entstehen, daß in demselben Forumstaat für einen heterogen verknüpften Sachverhalt Normen aus verschiedenen Privatrechtssystemen mit widerspruchsvollem Inhalt berufen werden, als auch für Pflichtenkonflikte, die dem einzelnen dadurch erwachsen, daß zwei oder mehr verschiedene Staaten Normen mit verschiedenen Inhalten als durch ihre Gerichte anwendbar erklären. Das als „Kollisionsrecht" bezeichnete internationale Privatrecht soll ein Recht zur Verhütung aller solcher Pflichtenkollisionen sein 7 . 3. Als idealer Weg zur Gleichbehandlung der rechtlichen Steuerung des menschlichen Verhaltens in homogen und heterogen verknüpften Situationen, und insbesondere zur Verhütung von Pflichtenkonflikten in heterogen verknüpften Situationen, bietet sich eine Lösung an, bei der das internationale Privatrecht in jedem Staat so gestaltet wird, daß der 63
§7
Paritätische Zuweisungsnormen
Bereich der heterogen verknüpften Sachverhalte vermittels paritätischer, d. h. jedem staatlichen Recht gleich viel gewährender Zuweisungsnormen auf die verschiedenen staatlichen Inlandsrechte aufgeteilt wird, und daß es durch Verwendung inhaltsgleicher Zuweisungsnormen dieser Art in sämtlichen Staaten zugleich zur internationalen Entscheidungsgleichheit kommt 8 . Die Inhaltsgleichheit der Zuweisungsnormen bezieht sich insbesondere auf die verwendeten Anknüpfungsmomente und die Art der Bildung der Kategorien für Rechtsfragen bzw. für Sachnormen; diese Kategorien müssen überdies so gestaltet sein, daß damit alle nur denkbaren Rechtsfragen bzw. Sachnormen irgendeines Privatrechts erfaßt werden. Mit diesem Ziel wäre es evident unvereinbar, wenn z. B. jeder Staat alle von ihm nach Völkerrecht erfaßbaren heterogen verknüpften Sachverhalte seinem eigenen Inlandsrecht unterstellen wollte 9 . Unvereinbar mit jenem Idealziel ist aber auch eine Auslegungsmaxime für das von einem einzelnen Staat herrührende internationale Privatrecht, wonach möglichst oft, oder „im Zweifel", d. h. mangels ausdrücklicher anderweitiger Bestimmung, die „lex fori", also das zunächst für die mit dem Forumstaat homogen verknüpften Situationen bestimmte Inlandsrecht des Forumstaates, auch auf heterogen verknüpfte Situationen anzuwenden sei 1 0 . Aus dem gleichen Grunde wäre es abzulehnen, wenn jeder Staat für heterogen verknüpfte Sachverhalte, gleich welche Inlandsverknüpfung zu ihm vorliegt, ein von ihm erlassenes Spezialrecht zur Anwendung bringen lassen wollte. In einem internationalen Privatrecht, welches Gleichbehandlung der an heterogen und an homogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen anstrebt, darf auch kein Staat es sich zum Ziel setzen, im heterogen verknüpften Bereich die Anwendung des Rechtes anderer Staaten möglichst zu vermeiden, indem er seine Gerichte dann als unzuständig erklärt, wenn ausländisches Recht maßgebend ist; das sollte jedenfalls nur dann geschehen, wenn gewährleistet ist, daß wenigstens ein anderer beteiligter Staat seine Gerichte für zuständig erklärt, so daß die Entscheidungen dieses Staates in anderen Staaten anerkannt und vollstreckt werden können. Eine Verfeinerung jenes Idealsystems könnte darin gesehen werden, daß konkurrierende Gerichtsstände mehrerer Staaten für heterogen verknüpfte Sachverhalte weitgehend beseitigt würden, so daß für jeden heterogen verknüpften Sachverhalt nur die Gerichte eines bestimmten Staates zur Entscheidung befugt wären, die an Hand der international übereinstimmenden Rechtsanwendungsanweisungen das Inlandsrecht eines der beteiligten Staaten zur Anwendung zu bringen hätten, während die übrigen Staaten verpflichtet sein müßten, die Entscheidung dieses allein zuständigen Gerichts anzuerkennen und zu vollstrecken. Von der Verwirklichung dieses Gedankens ist man indes noch weiter entfernt als von der Bereitschaft, mit Hilfe international übereinstimmender Zuweisungsregeln die Regelung heterogen verknüpfter Sachverhalte auf die verschiedenen Inlandsrechte zu verteilen. 4. Wie bereits angedeutet, folgt aus dem Gleichheitssatz aber auch, daß dann, wenn die spezifische Eigenart heterogen verknüpfter Situationen es erfordert, eine Regelung durch solches materielles Recht erfolgt, welches dieser Eigenart Rechnung trägt und deshalb vom normalen Inlandsrecht aller verknüpften Staaten abweichen kann: Das materielle Inlandsrecht kann den Rechtsirrtum, und zwar insbesondere den Irrtum über das Bestehen einer Verhaltenspflicht oder deren Inhalt, als entschuldbar oder nicht entschuldbar betrachten. Für heterogen verknüpfte Situationen könnte es aber besondere Regeln über die Bewertung eines Irrtums über die Zuweisungsnormen oder über den Inhalt eines Rechtes geben, zu dem der Irrende keine persönlichen Dauerverknüpfungen hat. Die Maxime, daß von jedem angenommen werden kann, daß er das von den Gerichten gegebenenfalls anzuwendende objektive Recht kennt, ist offenbar in heterogen verknüpften Situationen noch weniger realistisch als in homogen verknüpften Situationen 11 . 64
Spezialrecht für anationale Fälle
§7
Der sachgerechten Gleichbehandlung zuliebe kennt auch das Zivilprozeßrecht manche Sondenegeln für heterogen verknüpfte Situationen, so z. B. verlängerte Fristen für Parteien mit Wohnsitz außerhalb des Gerichtsstaates. In neuerer Zeit mehren sich sodann die Fälle, in denen es der besonderen Eigenart gewisser Gruppen heterogen verknüpfter Sachverhalte zu entsprechen scheint, daß sie gerade nicht dem einen oder anderen nationalen Inlandsrecht zugewiesen werden. Für diese Situationen, die man vielleicht als spezifisch supranationale oder anationale Situationen kennzeichnen kann, scheint die Schaffung eines supranationalen Spezialrechts die angemessenste Lösung zu sein; dabei werden sich allerdings zufällige inhaltliche Ubereinstimmungen eines solchen supranationalen Sonderrechts mit dem einen oder anderen nationalen Recht wohl nie vermeiden lassen. Zu denken ist hier in erster Linie an das Recht für die privatrechtlichen Beziehungen internationaler Organisationen, sei es mit Privaten, sei es mit einzelnen Staaten, sei es untereinander. Es würde dem internationalen Charakter solcher Organisationen, und oft auch dem Zweck der Vorschriften, die ihnen Privatrechtsgeschäfte ermöglichen, widersprechen, wenn diese Geschäfte dem Inlandsrecht der jeweils beteiligten „nationalen" Partei oder dem Inlandsrecht des Sitzstaates der internationalen Organisation unterstellt würden 12 , insbesondere wenn der betreffende staatliche Gesetzgeber dann seine Regelung möglicherweise wieder später ändern könnte. Allerdings können die nationalen Rechte der Gründerstaaten der internationalen Organisation mit gemeinsamen Rechtsgrundsätzen die Basis eines solchen „supranationalen" Sonderrechts für die privatrechtlichen Beziehungen internationaler Organisationen darstellen13. Es stellt sich dann auch die Frage, ob nicht auch Rechtssubjekte, die der Staatsgewalt von Staaten unterworfen sind, für ihre Privatrechtsbeziehungen im heterogen verknüpften Bereich vereinbaren können sollten, daß sie nicht einem nationalen Inlandsrecht zugewiesen, sondern etwa nach den gemeinsamen Rechtsgrundsätzen in den Inlandsrechten der verknüpften Länder beurteilt werden. Gerade um die Gleichbehandlung in heterogen und homogen verknüpften Situationen zu sichern, dürfte dies erst dann zulässig sein, wenn gewährleistet ist, daß das gewählte anationale Recht die Freiheit zum Zwecke eines gerechten Ausgleichs divergierender Sachinteressen der Parteien nicht mehr einschränkt oder erweitert, als dies die verknüpften nationalen Rechte im Durchschnitt tun, es sei denn, daß gerade die Eigenart heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse das eine oder das andere sachlich rechtfertigt. Ein Gesichtspunkt, der dafür spricht, in bestimmten besonderen Verhältnissen anstelle eines einheitlichen Systems paritätischer Zuweisungen an die Inlandsrechte der verschiedenen Staaten für bestimmte heterogen verknüpfte Sachverhalte ein uniformes Spezialrecht anzustreben, ist der folgende: Kommt es in einem Mehrrechtsstaat, in welchem die Anwendungsbereiche der Teilrechte vermittels persönlicher Verknüpfungen der Beteiligten zu Menschengruppen abgegrenzt werden 14 , dahin, daß die Zahl der „gemischten" Rechtsbeziehungen zwischen den Angehörigen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen mit eigenem Recht der Zahl der homogen verknüpften Rechtsbeziehungen nahekommt oder sie vielleicht sogar übersteigt, so empfindet der staatliche Gesetzgeber es nicht mehr als sachgerecht, daß die gemischten Rechtsbeziehungen vermittels paritätischer Zuweisungsnormen dem einen oder dem anderen „Gruppenrecht" zugewiesen werden; vielmehr erfolgt dann die Bildung eines besonderen materiellen Rechts für die gemischten Rechtsbeziehungen durch den Gesetzgeber, unter Umständen auch durch Richterrecht, wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird 15 . In entsprechender Weise kann auch in einem Staat, wenn neben „Einheimischen" eine große Anzahl von Angehörigen verschiedener fremder Staaten dort ansässig oder tätig ist, die Zahl der „gemischten" Rechtsbeziehungen so groß werden, daß Spezialrecht für die Rechtsbeziehungen der in dem betreffenden Land ansässigen Ausländer unter sich und mit der einheimischen Bevölkerung geschaffen wird, insbesondere wenn 65
§7
Nicht nationalisierbare Sachverhalte
die Anwendung des „örtlichen" Rechts des Landes auf die Ausländer nicht als erwünscht oder durchführbar betrachtet wird, und umgekehrt den Einheimischen nicht zugemutet werden kann, sich mit zahlreichen ausländischen Rechten und ihren Divergenzen vertraut zu machen 1 6 . Wenn in einem bestimmten Sachbereich (z. B. Seeverkehr) die Zahl der mit mehreren Staaten verknüpften vertraglichen Beziehungen gegenüber der Zahl der homogen verknüpften Beziehungen entschieden überwiegt, so kann dies ein Grund sein, um die Aufteilung der ersteren unter die verschiedenen Inlandsrechte als wenig sachgerecht zu betrachten und es z. B. zu respektieren, daß die Beteiligten sich anstatt einem der nationalen Inlandsrechte einem Sonderrecht unterwerfen, dessen Lücken in erster Linie durch internationale Übung und Rechtsprechung gefüllt werden 17 . Plausibel ist schließlich auch der Gedanke, daß das Bestehen von Verknüpfungen zu besonders vielen verschiedenen Staaten einem einzelnen heterogen verknüpften Rechtsverhältnis einen solchen Charakter verleihen kann, daß die Zuweisung über eine der verschiedenen, aber notwendigerweise „schwachen" Verknüpfungen an ein einzelnes nationales Inlandsrecht gar nicht mehr als „sachgerechte" Lösung erscheinen kann. Solange eine Bildung von uniformem Spezialrecht gerade für diese besonders buntverknüpften Situationen durch völkerrechtliche Verträge nicht vorliegt und nicht zu erwarten ist, kommt in erster Linie eine Entscheidung etwaiger Streitigkeiten nach Billigkeit in Betracht. Ferner ist es bei menschlichen Tätigkeiten, die im allgemeinen auf Grund territorialer Verknüpfungen einem einzelnen bestimmten staatlichen Inlandsrecht zugewiesen werden, unangebracht, ihre rechtliche Beurteilung mit Hilfe von persönlichen Verknüpfungen auf die verschiedenen nationalen Inlandsrechte aufzuteilen, insbesondere sofern die Tätigkeit einen Charakter hat, der sie gerade auf staat/oses Gebiet konzentriert: Für die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen der Raumfahrt — z. B. Verhalten bei Kontakten zwischen Raumfahrern oder Raumflugobjekten aus verschiedenen Ländern — ist eine Bestimmung des anwendbaren Rechts durch Zuweisung an ein bestimmtes nationales Inlandsrecht offenbar sachwidrig, es sei denn, daß gemeinsame persönliche Verknüpfungen aller Beteiligten zu einem einzigen nationalen Recht hingehen. Dasselbe gilt vielleicht sogar auch von der Haftung für Schäden, die aus der Raumfahrt auf der Erde entstehen können 1 8 . Hat ein Staat ein bestimmtes Staatsgebiet, und stellt sich das Privatrecht in diesem Staat zunächst einmal als eine Vielzahl von Gruppenrechten dar, so bildet sich erfahrungsgemäß über kurz oder lang vor allem für das Sachenrecht und das Deliktsrecht uniformes örtliches Recht für das ganze Staatsgebiet, welches anstelle der einschlägigen Vorschriften der Gruppenrechte zur Anwendung gelangt; für diese Materien wird eine Zuweisung an Gruppenrechte als zu kompliziert empfunden. Dieselben Materien sollten im staatenlosen Raum nicht den verschiedenen staatlichen Rechten vermittels persönlicher Verknüpfungen der Beteiligten zugewiesen werden, sondern auch hier ist die Bildung eines „übernationalen" Spezialrechts anzustreben 19 . Schließlich ist die Bildung von uniformem Spezialrecht für heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse der paritätischen Zuweisung dieser Rechtsverhältnisse an die verschiedenen staatlichen Inlandsrechte dann vorzuziehen, wenn die Chancen für eine vertragliche Einigung über ein solches Spezialrecht und den ihm zukommenden Anwendungsbereich größer sind als die Chancen einer Einigung über die Schaffung von Zuweisungsnormen an die verschiedenen Inlandsrechte; das gilt vor allem dann, wenn die Hoffnung besteht, daß das zunächst für heterogen verknüpfte Verhältnisse geschaffene uniforme Spezialrecht später in den beteiligten Staaten auch in das Inlandsrecht rezipiert wird. 5. Wiederholt ist die Behauptung zu finden, auch in solchen heterogen verknüpften Situationen, die nicht die oben erwähnten besonderen Eigenschaften aufweisen, erfordere ihre spezifische Eigenart, daß jedenfalls Beschränkungen der „Privatautonomie" bei der 66
Größere Freiheit oder Unfreiheit bei heterogener Verknüpftheit
§ 7
Gestaltung von konkreten Privatrechtsverhältnissen durch Rechtsgeschäft, insbesondere Vertrag, geringer sein müßten, als sie es im allgemeinen in dem für homogen verknüpfte Situationen bestimmten staatlichen Recht sind, und daß — uniformes und nicht uniformes — Spezialrecht gebildet werden müsse, welches diesem Postulat Rechnung trägt, oder daß den Parteien wenigstens die freie Wahl des Geschäftsstatuts gestattet werden müsse. Diese Forderung wird allerdings meist stillschweigend auf Geschäfte des internationalen Handels beschränkt 20 , während es wohl nur wenige propagieren, daß die zum Schutz der Arbeitnehmer bestimmten zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts, wie sie sich in den Inlandsrechten finden, für heterogen verknüpfte Arbeitsverhältnisse einer größeren Privatautonomie Platz machen müßten, oder daß auch hier eine möglichst große Freiheit zur Wahl des anwendbaren Rechts gewährt werden müsse. Desgleichen fordert wohl auch niemand für Geschäfte des Familienrechts in heterogen verknüpften Situationen eine im Vergleich zur Regelung homogen verknüpfter Fälle abgeschwächte Einschränkung der Privatautonomie. Umgekehrt erscheint es vielen als ein unvermeidlicher und auch der Sache nach gerechtfertigter Zustand, daß die menschliche Verhaltensfreiheit in heterogen verknüpften Situationen durch gesetzliche Verhaltenspflichten, insbesondere durch deliktsrechtliche Bestimmungen, die zu privatrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen, mehr eingeengt sein kann als in homogen verknüpften Situationen: Wer seine wirtschaftliche Betätigung auf mehrere Länder erstreckt, muß damit rechnen, daß die anwendungswilligen Gesetze des einen Staates eine rechtsgütergefährdende Handlung verbieten und eine andere Handlung frei lassen, während die Gesetze eines anderen Landes umgekehrt verfahren; er muß dann damit rechnen, daß in ein und demselben Forumstaat alle diese Verbotsnormen als nebeneinander berufen gelten. Würde man sowohl die Forderung nach größerer Freiheit bei der rechtsgeschäftlichen Gestaltung der privatrechtlichen Beziehungen des allgemeinen Vermögensrechts, als auch die Hinnahme größerer Beschränkungen der menschlichen Freiheit durch gesetzliche Verhaltenspflichten im heterogen verknüpften Bereich für durch die „Natur der Sache" gerechtfertigt halten, so könnte das Nebeneinander der beiden Postulate vielleicht als eine Art Ausgleich zu billigen sein. Andererseits steht der Forderung nach größerer Freiheit für Geschäfte des internationalen Handels vielfach entgegen, daß gerade die Hemmung (Erschwerung und Kontrolle) solcher Beziehungen in dem einen oder anderen Staat durch sein nationales Interesse gefördert sein kann, während es möglicherweise das egoistische Interesse eines anderen Staates ist, welches die Förderung des internationalen Geschäftsverkehrs durch die Ausschaltung zwingender Bestimmungen, wie sie die Inlandsrechte haben, anstrebt 21 . Ein dritter Forumstaat kann dann sicher nicht die widerspruchsvollen Gesetze beider Staaten berücksichtigen. Desgleichen ist eine gleichzeitige Anwendung von gesetzlichen Verhaltensgeboten aus verschiedenen staatlichen Rechten dann nicht möglich, wenn sie widerspruchsvolle oder nicht miteinander harmonierende Verhaltenspflichten begründen. Wird der Versuch, bestimmte Verpflichtungen zwischen Rechtssubjekten durch Rechtsgeschäft zu begründen, seinerseits möglicherweise als ein deliktisches Verhalten gegenüber den davon indirekt betroffenen Dritten angesehen — wie etwa im Kartellrecht —, so ist es natürlich ebenfalls nicht möglich, größere Freiheit zur Begründung rechtsgeschäftlicher Bindungen in heterogen verknüpften Situationen vorzusehen, und zugleich die deliktsrechtlichen Verbote solcher Geschäfte aus einem anderen Recht oder aus mehreren Rechten zur Anwendung zu bringen 22 . Im Endergebnis dürfte also doch bloß von der stärkeren Einschränkung menschlicher Freiheit zu einem tatsächlichen oder einem rechtsgeschäftlichen Handeln durch alternative Berufung mehrerer Rechte gesagt werden können, daß sie in heterogen verknüpften Situa67
§7
Internationale Entscheidungsgleichheit
tionen unvermeidlich und insofern durch die „Natur der Sache" gerechtfertigt sei; es gilt dies jedenfalls, wenn die heterogene Verknüpfung absichtlich von den Betroffenen geschaffen worden ist. 6. Soweit man dem Gedanken der Gleichbehandlung der an heterogen bzw. homogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen 2 3 dadurch Rechnung tragen will, daß durch das internationale Privatrecht normalerweise die heterogen verknüpften Sachverhalte vermittels paritätischer und möglichst in allen Forumstaaten übereinstimmender Zuweisungsnormen auf die verschiedenen Inlandsrechte verteilt werden, ist es eine der wichtigsten Fragen, ob dies nur auf Grund einer vertraglichen Einigung der Staaten möglich ist, oder ob auch bei der Bildung einseitiger Stellungnahmen der einzelnen Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten sinnvoll dahin gestrebt werden kann, jenem Ideal möglichst nahezukommen. Dies ist durchaus nicht von vornherein zu verneinen. Es wäre z. B. denkbar, daß die einzelnen Staaten die von ihnen ins Auge gefaßten paritätischen Zuweisungsnormen nicht ohne weiteres durch ihre Gerichte anwenden lassen, sondern sie als Vorschläge betrachten würden, derart, daß die letztlich für die Gerichte des Forumstaates verbindliche Zuweisungsregel in der Regel besteht, für die sich eine Mehrheit der beteiligten Staaten ausgesprochen hat. Ohnehin kann und sollte jeder einzelne Staat bestrebt sein, solche Anknüpfungsmomente zu verwenden, von denen man weiß, daß sie auch bei der Mehrzahl der anderen Staaten bereits üblich geworden sind oder ihre Einführung bevorsteht. Es sei hier bemerkt, daß es sich bei diesem letzteren Postulat zugleich um die Anwendung eines anderen allgemeinen Gedankens des internationalen Privatrechts handelt, dessen wesentlicher Inhalt darin besteht, daß der einzelne Staat bei der Gestaltung seiner Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten nicht vollkommen isoliert vorgehen darf, sondern daß er die Stellungnahme anderer Staaten zu beachten hat 2 4 . Solange es zwischen den Staaten zu keinem förmlichen Vertragsschluß über Maßnahmen zur Herstellung der internationalen Entscheidungsgleichheit kommt, sind zu dem gleichen Zweck unter Umständen stillschweigende „Absprachen" denkbar. Nicht zuletzt aber betrachtet die Wissenschaft des internationalen Privatrechts es als ihre Aufgabe, Gesetzgeber und Gerichte zu übereinstimmenden „freiwilligen" Stellungnahmen im heterogen verknüpften Bereich zu überreden. Besteht die Gefahr, daß von freiheitsbeschränkenden Regelungen verschonte „Oasen" entstehen, obwohl feststeht, daß keines der verknüpften Länder in der betreffenden Situation Verhaltensfreiheit gewollt hat, d. h., ist die Gefahr der Oase nur dadurch entstanden, daß über die Art der Abgrenzung der Anwendungsbereiche der übereinstimmenden Gesetze keine Absprache getroffen wurde, und daß jeder Forumstaat in seinen bilateralen Zuweisungsnormen ein anderes Anknüpfungsmoment verwendet hat, so kann eine Ungleichbehandlung der Menschen in homogen und heterogen verknüpften Situationen durch bedingte subsidiäre Zuweisungen vermieden werden 2 5 . 7. Selbst ein durch Staatsvertrag gesichertes System international übereinstimmender paritätischer Zuweisungen bewahrt allein die Normadressaten nicht vor eventuellen Doppelbelastungen : Auch wenn überall der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegen den Vater gemäß einem Recht A bejaht werden müßte, wäre es nicht ausgeschlossen, daß auf die Beziehungen zwischen Vater und Mutter überall ein Recht B anzuwenden wäre, welches, anders als das Recht A, dem Kinde selbst einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater versagt, aber der Mutter einen eigenen Anspruch auf einen Beitrag für ihre Belastung mit Unterhalts- und Sorgepflichten verschafft. Ist in demselben Forumstaat über den Anspruch des Kindes und der Mutter zugleich zu entscheiden, so kann eine Doppelbelastung durch Anpassung der beiden Rechte vermieden werden; die Anpassung ist schwieriger oder unmöglich, wenn der Anspruch des Kindes und der Anspruch der Mutter in verschiedenen Staaten eingeklagt werden. 68
Materiellrechtliche Neutralität des Kollisionsrechts
§7
Ist es nicht durch die Gestaltung der Zuweisungsnormen erreicht worden, daß alle Forumstaaten auf einen heterogen verknüpften Sachverhalt dasselbe Recht anwenden, so erfordert die Gleichbehandlung der Parteien immer noch, daß jeder von ihnen dieselbe Chance geboten wird, in demjenigen Staat eine gerichtliche Klärung der Rechtslage herbeizuführen, dessen Standpunkt ihr am günstigsten erscheint. Sind alle Staaten dann bereit, die Entscheidung desjenigen Gerichts zu respektieren, welches von einer Partei als erstes angerufen wurde, so käme es doch zu einer Ungleichbehandlung, wenn z. B . für denjenigen, der eine Leistung von einem anderen verlangt, ein Gerichtsstand für die Leistungsklage in mehreren Staaten gegeben ist, und er sich den Forumstaat mit dem ihm günstigsten Recht aussuchen kann, während das Prozeßrecht derjenigen Staaten, in denen das anwendbare Recht dem Beklagten günstiger ist, diesem die Erhebung einer negativen Feststellungsklage nicht ermöglicht. Hat also nur die eine Partei die Möglichkeit des forum Shopping, so führt die Bereitschaft aller Staaten, das Urteil des zuerst angerufenen Gerichts anzuerkennen und gegebenenfalls zu vollstrecken, zur Benachteiligung derjenigen Partei, die nicht als erste klagen konnte. U m diese Ungleichbehandlung der Parteien auszugleichen, kann und sollte jedenfalls der Staat, in dem der in dem anderen Staat Verurteilte selbst nicht hätte als erster klagen können, die Vollstreckung des in dem anderen Staat erwirkten Urteils verweigern. Gleichbehandlung der Parteien wäre auch dann nicht gegeben, wenn die Gerichte des Forumstaates zwar für die Ansprüche gegen die eine Partei aus einem gegenseitigen Vertrag, nicht aber für Ansprüche der anderen Partei zuständig wären, und wenn der mit seinen Gerichten zuständige andere Staat den Vertrag als ungültig betrachten würde; dieser Fall wird allerdings äußerst selten sein. Wohl aber kann sich eine entsprechende Situation einstellen, wenn für Notunterhaltspflichten zwischen Seitenverwandten hypothetische Gegenseitigkeit vorausgesetzt wird: Auch wenn der Forumstaat dann selbst die Verurteilung auf die erhobene Klage hin davon abhängig macht, daß der Unterhaltspflichtige nach dem im umgekehrten Fall anwendbaren Recht einen Unterhaltsanspruch hätte, ist damit die hypothetische Gegenseitigkeit faktisch doch nicht gewährleistet, wenn die Klage in dem umgekehrten Fall nur in einem anderen Staat erhoben werden könnte, und dort der Unterhaltsanspruch zu verneinen wäre. Deshalb kann im Forumstaat die Verurteilung des Beklagten davon abhängig gemacht werden, daß die hypothetische Unterhaltspflicht des Klägers nach dem Recht zu bejahren ist, welches in dem Staat anzuwenden wäre, in dem die umgekehrte Klage erhoben werden müßte. Aus dem Gedanken, die Streitparteien in heterogen verknüpften Situationen nicht ungleich zu behandeln, folgt auch die rechtspolitische Forderung, bei Verwendung der Zuweisungsmethode nicht solche Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment zu verwenden, die nur von einer der gegensätzlich interessierten Parteien, und eventuell entgegen dem Willen der anderen, mit Rücksicht auf das materiellrechtliche Resultat von einem Staat zum anderen verschoben werden können; wenn z. B. bei der Scheidung nur auf die Staatsangehörigkeit des iMannes abgestellt wird, so kann der Mann durch Naturalisation in einem bestimmten Lande sich die Anwendung eines ihm günstigeren Scheidungsrechts sichern, nicht aber die Frau. Dasselbe gilt aber umgekehrt auch, wenn nur bei Klage der Frau auf das Personalstatut abgestellt wird, welches sich die Frau verschaffen konnte und verschafft hat. 8. Aus der Forderung nach Gleichbehandlung der Menschen in homogen und heterogen verknüpften Situationen durch ein System paritätischer Zuweisungen läßt sich schließlich auch das Postulat der materiellrechtlichen Neutralität der Zuweisungsnormen herleiten. Dieses Postulat steht vor allem der Verwendung ergebnisbedingter Zuweisungen entgegen, also der Berufung auf zwei oder mehr staatliche Rechte im Forumstaat mit der Maßgabe, daß schließlich dasjenige zur Anwendung zu bringen ist, welches ein bestimmtes 69
§7
Sicherung der materiellen Harmonie
Resultat — Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts, Scheidung der Ehe, Zusprechung von Schadensersatz —, und damit die hieran interessierte Partei, mehr fördert als das andere 26 . Das Postulat, keine ergebnisbedingten Zuweisungen zu verwenden, wird im positiven Recht nicht selten durchbrochen; die Durchbrechung ist dann zu rechtfertigen, wenn sie durch die spezifische Eigenart heterogen verknüpfter Verhältnisse gerechtfertigt werden kann, wie z. B. bei der Beschränkung der Verhaltensfreiheit durch gesetzliche Bestimmungen, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslöst 27 . b) Sicherung der Harmonie der Lösungen für zusammenhängende Rechtsverhältnisse im Forumstaat Während mit dem Gedanken der Gleichbehandlung der an homogen und der an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen nicht nur die paritätische Zuweisung der heterogen verknüpften Sachverhalte an die verschiedenen Inlandsrechte als die normale Gestaltung des internationalen Privatrechts, sondern auch weitere Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Zuweisungsnormen begründet werden können, führen die Mißhelligkeiten, die in einem bestimmten Forumstaat aus dem Nebeneinander der Anwendung von inländischem und ausländischem Recht entstehen können, zu anderen rechtspolitischen Forderungen, die sich wiederum in einigen anderen Postulaten über die Gestaltung des Kollisionsrechts niederschlagen. Jeder Staat sollte bestrebt sein, sein internationales Privatrecht so zu gestalten, daß die Anwendbarkeit mehrerer Rechte durch die Gerichte dieses Staates auf dieselbe heterogen verknüpfte Situation oder auf mehrere zusammenhängende heterogen verknüpfte Situationen nicht zu Pflichtenkonflikten, Doppelbelastungen und Disharmonien führt. Dieser Gedanke kann als das Prinzip der internen Harmonie der Entscheidungen, nämlich im Forumstaat, bezeichnet werden. Aus diesem Ziel ist das Postulat zu erklären, die Zuweisungsnormen so zu bilden, daß möglichst große Komplexe von inhaltlich zusammenhängenden Rechtsfragen einem einzigen Recht zugewiesen werden. So sollten z. B. auf die Verpflichtungen aus einem gegenseitigen Vertrag nicht die Wohnsitzrechte des einen und des anderen Verpflichteten, sondern es sollte auf den ganzen Vertrag ein und dasselbe Recht angewendet werden. Die Störung der materiellen Harmonie im Forumstaat dadurch, daß jemand einem Seitenverwandten Notunterhalt zu leisten hat, der selbst nach dem für seine Unterhaltspflicht maßgebenden Recht nicht unterhaltspflichtig wäre, kann dadurch vermieden werden, daß bei einer auf hypothetischer Gegenseitigkeit basierenden Unterhaltspflicht im Forumstaat die beiden maßgeblichen Rechte kumulativ angewendet werden 28 . Das sogenannte Prinzip der Familieneinheit, welches besagt, daß alle zwischen den Mitgliedern einer Familie bestehenden ehe- und kindschaftsrechtlichen Beziehungen mit Hilfe derselben Verknüpfung einem einzigen Recht unterstellt werden sollen, dient ebenfalls in erster Linie der materiellen Harmonie im Forumstaat, wenn auch dieses Prinzip von vornherein darin seine Grenzen findet, daß jemand — z. B. in seinen Rollen als Sohn seiner Eltern und Vater seiner eigenen Kinder — mehreren Familien angehören kann. Der materiellen Harmonie im Forumstaat zuliebe wird vielfach gefordert, daß auf sämtliche mit dem Tode eines Vermögensinhabers zusammenhängenden Rechtsfragen, und vor allem die Vererbung seines ganzen Nachlasses, ein einziges Erbrecht angewendet wird. Das Bedürfnis der Einheitlichkeit besteht hier nicht so sehr deshalb, weil viele Länder in ihrem Inlandsrecht eine „Universalsukzession" in das ganze Vermögen einer Person vorsehen, so daß es im Widerspruch zu dieser übereinstimmenden Grundstruktur des Erbrechts aller beteiligten Länder stehen würde, wenn man die Regelung der Erbfolge z. B. je nach der Belegenheit der Nachlaßgegenstände mehreren Erbrechten zuweisen würde 2 9 ; vielmehr können sich bei einer sogenannten Nachlaßspaltung im internationalen Privatrecht 70
Anpassung
§7
Disharmonien hauptsächlich im Zusammenhang mit der Regelung der Nachlaßschulden bemerkbar machen. Es ist unmöglich, allein durch die Abfassung der internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen alle Disharmonien 30 im Forumstaat restlos zu verhindern. Aber auch dann brauchen derartige Disharmonien im Einzelfall nicht immer hingenommen zu werden. Die Lösung wird im allgemeinen darin bestehen können, daß das Ergebnis der Anwendung einer der berufenen Normen vorgezogen und das Ergebnis der Anwendung der anderen Norm ihm angepaßt wird. Es bleibt die Frage, nach welchen Grundsätzen diese Bevorzugung vor sich gehen soll. Dabei ist es sicher als eine Gefährdung der internationalen Entscheidungsgleichheit abzulehnen, wenn ein Forumstaat sich auf den Standpunkt stellt, daß das vermittels der Anwendung seines eigenen Rechts erzielte Ergebnis unter allen Umständen aufrechterhalten und das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts ihm angepaßt werden müsse. Dies kann nur dann angenommen werden, wenn die Anwendung des eigenen Rechts aus Gründen des positiven ordre public 31 geboten war. Die durch Anwendung verschiedener Rechte auf zusammenhängende Fragen zu erwartende Disharmonie sollte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß demjenigen Recht der Vorzug gegeben wird, welches der lex fori am ähnlichsten ist. Entsteht die Disharmonie dadurch, daß sich unter den Wirkungen des Rechts A, welches mit sämtlichen einer Normenkategorie X zugehörigen Sätzen im Forumstaat berufen ist, eine Wirkung befindet, welche mit einer Wirkung disharmoniert, die von einem Satz des Rechts B vorgesehen ist, das seinerseits mit sämtlichen Bestandteilen einer Normenkategorie Y im Forumstaat berufen ist, so kann bestimmt werden, daß den Sätzen der einen Normenkategorie als solcher der Vorrang zukommt: Ist das Intestaterbrecht des überlebenden Ehegatten im Recht A davon abhängig, daß die Eheleute in dem einzigen vom Recht A vorgesehenen Güterstand gelebt haben, war aber für den Güterstand in dem streitigen Fall ein anderes Recht berufen und danach ein anderer Güterstand maßgebend, so sollte wohl das Intestaterbrecht der Regelung des Güterstandes durch das Recht B angepaßt werden, und nicht umgekehrt. Die Anpassung könnte so weit gehen, daß in einem solchen Fall einfach das Intestaterbrecht des überlebenden Ehegatten gemäß den erbrechtlichen Sätzen des Güterstatuts bemessen, und daß nur der verbleibende Nachlaßrest nach Maßgabe des Erbstatuts auf die übrigen Intestaterben aufgeteilt würde. Denkbar und dem positiven Recht nicht ganz fremd ist 32 aber auch eine Lösung, wonach ein Teil des Nachlasses — etwa V 2 oder 2/3 — nach dem Erbrecht des Ehegüterstatuts, der Rest hingegen nach dem als Erbstatut berufenen Recht verteilt wird. Selbstverständlich muß diese letzte Lösung auch nicht auf den Fall beschränkt werden, daß Ehegüterrecht und Erbrecht im Einzelfall nicht miteinander harmonieren, sondern das Kollisionsrecht des Forumstaates könnte generell bestimmen, daß der Nachlaß eines verheirateten Erblassers zur Hälfte nach den erbrechtlichen Bestimmungen des Ehewirkungsstatuts, zur anderen Hälfte nach dem Erbstatut im engeren Sinne vererbt wird. Besteht die Disharmonie zwischen den konkreten Ergebnissen der Anwendung der im Forumstaat berufenen Rechte aus verschiedenen Ländern nur darin, daß jemand für denselben Zweck nach dem einen berufenen Recht A eine Leistung an den X , nach einem anderen berufenen Recht B an den Y zu erbringen hat, und ist der Gegenstand der Leistung teilbar, so könnte die Disharmonie einer doppelten Leistung an X und Y auch dadurch vermieden werden, daß die Hälfte der Leistung an X , die andere an Y zu erfolgen hat. In anderen Fällen kann und sollte die Disharmonie dadurch beseitigt werden, daß je nach dem Stand der übrigen im Einzelfall vorhandenen Inlands- und Auslandsverknüpfungen dasjenige Recht bevorzugt wird, zu dem die meisten anderen Verknüpfungen hingehen: Gestaltet der Forumstaat sein Kollisionsrecht so, daß die Frage nach dem Bestehen eines ehelichen Kindschaftsverhältnisses zwischen Kind und Eltern nach dem Heimatrecht 71
§7
Störungen der materiellen Harmonie
des angeblichen Vaters beurteilt wird, so kann ein Kind in dem betreffenden Forumstaat gemäß dem Heimatrecht einer Person X diesen, gemäß dem Heimatrecht einer anderen Person Y diesen zum Vater haben. Sieht man eine unerträgliche Disharmonie darin, daß das Kind rechtlich zwei Väter haben sollte, und verwirft man die Lösung, daß beide Väter etwa die elterliche Gewalt gemeinsam auszuüben hätten, so kann die Bevorzugung des Heimatrechts des einen „Vaters" damit gerechtfertigt werden, daß die mit dessen Heimatstaat bestehende Verknüpfung durch weitere Verknüpfungen, etwa Wohnsitz des Vaters und der Mutter in demselben Staat, gegenüber der Verknüpfung zum Heimatstaat des anderen Vaters verstärkt ist. Ein anderer denkbarer Gesichtspunkt zur Beseitigung der Disharmonie könnte in der größeren Förderung des Kindeswohls oder dem Kindeswillen zu sehen • 33 sein . Gelten zwei Personen im Wohnsitzstaat X als gültig verheiratet, in ihrem Heimatstaat Y aber nicht, so wäre es eine untragbare Störung der internen Harmonie im Forumstaat X, wenn die unbestritten von den Ehegatten während der Ehe gezeugten Kinder im Forumstaat X gegenüber den Eltern nur die Rechtsstellung unehelicher Kinder haben würden, weil das für die ehelichen Kindschaftsbeziehungen maßgebende Recht Y aus der Nichtanerkennung der Ehe schließt, daß es sich um nichteheliche Kinder handle, und weil es auch nicht einen anderen Weg vorsieht, um die Kinder wie eheliche Kinder zu behandeln. Die Anwendung des von X aufgestellten Rechtssatzes über die Vermutung der Ehelichkeit der von der Frau während der im Staat X gültigen Ehe geborenen Kinder wird aber — wenn sie nicht ohnehin schon für den Fall nicht mehr wirken will, daß dauernde faktische Trennung der Ehegatten erwiesen ist — davon abhängig gemacht werden müssen, daß weitere Verknüpfungen zum Staat X bestehen; insbesondere kann darauf abgestellt werden, daß die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes ihren Wohnsitz in X hat, während die Ehelichkeitsvermutung des Rechtes X nicht mehr anwendbar ist, wenn die „Ehegatten" in den Staat Y verzogen sind und entsprechend dem dortigen Rechtszustand — Nichtbestehen der Ehe — neue Ehen mit anderen eingegangen sind; dann können die vermutlich aus dieser Ehe der Frau hervorgegangenen Kinder keinesfalls als Kinder aus der seinerzeit im Staat X gültig bestehenden Ehe gelten34. Mit der internen Harmonie schwer vereinbar wäre es, wenn in einem Forumstaat, der den Bestand einer in anderen Ländern nicht (oder nicht mehr) bestehenden Ehe gemäß dem dafür berufenen Recht im Verhältnis zwischen den Ehegatten bejahen und zugleich den Ansprüchen aus einer anderen Ehe des einen oder anderen dieser Ehegatten gemäß dem dafür berufenen Recht Rechtsschutz gewähren würde, also beide Ehen, von denen jede nach dem maßgebenden Recht nur als monogame Ehe bestehen kann, im Verhältnis zwischen den Eheleuten selbst als gültig behandeln würde. Hier kommen als entscheidende Kriterien zur Auflösung der Disharmonie neben zusätzlichen Verknüpfungen zu dem einen oder anderen Staat wohl auch in Frage der übereinstimmende Wille aller Beteiligten, oder die Effektivität, bzw. die fehlende Effektivität, des einen oder anderen Dauerrechtsverhältnisses: die erste Ehe, deren Scheidung im Ausland im Forumstaat zunächst nicht anerkannt wurde, kann seit dem Abschluß einer zweiten Ehe als aufgelöst gelten, wenn die Scheidung der ersten Ehe von beiden Teilen gewollt oder nachträglich gebilligt worden ist. Hingegen wird man im Forumstaat die zweite Ehe dann ignorieren, wenn der bigame Ehegatte tatsächlich weiter in der zu einer hinkenden Ehe gewordenen ersten Ehe mit der ersten Frau zusammenlebt. Taucht die Frage nach dem Bestehen der einen oder anderen Ehe als Vorfrage auf, so sind wiederum andere Lösungen denkbar: Ist das Recht des Forumstaates als Erbstatut berufen, und beruft sich der Überlebende der im Ausland geschiedenen Ehegatten auf das Fortbestehen der ersten Ehe im Forumstaat, während der andere Ehegatte, nämlich der Erblasser, in einer von seinem Personalstatut her gültigen neuen Ehe gelebt hat, für deren 72
Geltendes deutsches Recht
§7
Nichtigerklärung die Gerichte des Forumstaates überhaupt nicht zuständig gewesen waren, so besteht u. U. eine erträgliche Lösung darin, daß den überlebenden Ehegatten aus beiden Ehen ein Erbrecht im Forumstaat zugestanden wird; das wird man um so eher bejahen können, wenn auch bei einer bigamen, aber vor dem Tode nicht für nichtig erklärten Ehe in homogen verknüpften Situationen die Ehegatten aus beiden Ehen bei der Erbfolge berücksichtigt werden 35 . Liegen die Dinge aber so, daß der Ehegatte aus der ersten Ehe zu Lebzeiten des bigamen Erblassers die Nichtigkeit der zweiten Ehe sowohl im Forumstaat als auch im Wohnsitzstaat des Erblassers hätte feststellen lassen können, und daß er dies unterlassen hat, so kann das ein Grund sein, um für die Erbfolge allein die zweite Ehe zu berücksichtigen, wenn sie „effektiv" war. Gerade zur Auflösung von Disharmonien durch Berufung der Rechte verschiedener Länder im Forumstaat können also BiUigkeitslösungen im Einzelfall angebracht sein. Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Die gesetzlichen Regelungen des internationalen Privatrechts in Deutschland enthalten sicher keine Hinweise darauf, daß die in den vorangegangenen Ausführungen entwikkelten Richtlinien wenigstens für die Füllung von Lücken der gesetzlichen Regelungen schon gebilligt wären. Der Gesetzgeber erwartet gewiß nicht, daß in den dafür geeigneten Fällen spezialrechtliche Regelungen durch richterliche Rechtsschöpfung gebildet werden. Insbesondere die Erweiterung der „einseitigen", d. h. nur die Anwendung des deutschen Rechts regelnden Zuweisungsnormen des E G B G B zu bilateralen Zuweisungsnormen durch die Rechtsprechung zeigt aber, daß die Konzeption einer paritätischen Zuweisung der heterogen verknüpften Situationen zur Regelung an die Inlandsrechte der beteiligten Staaten im Prinzip für das positive internationale Privatrecht anerkannt ist 3 6 . Das Bundesverfassungsgericht betrachtet das Ziel, zu heterogen verknüpften Sachverhalten in allen Staaten möglichst dieselbe Stellungnahme zu bilden, als „ein weithin unerfülltes Ideal, solange nicht alle Staaten wenigstens in ihrem internationalen Privatrecht gleiche Regeln anwenden oder entsprechende vertragliche Verpflichtungen eingehen", während von dem Prinzip des „inneren Entscheidungseinklangs" gesagt wird, daß daran „sowohl seitens der beteiligten Bürger wie (!) seitens der staatlichen Ordnung ein ebenso beachtliches Interesse bestehe". Auch das Bundesverfassungsgericht37 erkennt nicht, daß das Prinzip der internationalen Entscheidungsgleichheit und der Grundsatz der inneren Harmonie als solche nicht Gerechtigkeitswerte sind, die vom Gesetzgeber oder der lückenfüllenden Rechtsprechung verwirklicht werden sollten, sondern daß es sich dabei letztlich um Mittel handelt, um den an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen eine rechtliche Behandlung zu verschaffen, die der Behandlung der nur an homogen verknüpften Situationen Beteiligten gleichwertig und der spezifischen Eigenart der heterogenen Verknüpftheit angemessen ist. c) Verweigerung der Anwendung des vom eigenen Recht des Forumstaates kraß abweichenden ausländischen Rechts. Die negative ordre public-Klausel 1. Die Vergleichung Forumstaates
des berufenen
ausländischen
Rechts mit dem eigenen Recht
des
Wie früher schon angedeutet 38 , läßt sich auch die in allen positiven Rechten anzutreffende Generalklausel des ordre public, welche die Nichtanwendung des durch abstrakte Zuweisungsnormen berufenen ausländischen Rechts im Einzelfall „vorbehält", letztlich als eine Anwendung des Gleichheitsgedankens verstehen: Daß das Gericht des Forumstaates, welches selbst in der überwiegenden Zahl der Fälle das Inlandsrecht des eigenen Staates als die lex fori anwendet, in einem heterogen verknüpften Fall einen von der lex fori kraß 73
§7
Die negative ordre public-Klausel
abweichenden normativen Inhalt erzwingend anwenden müßte, verletzt das „Rechtsgefühl". Verbreitete traditionelle Auffassungen wollen sich allerdings nicht damit zufrieden geben, daß Ausgangsbasis für das Operieren mit der ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht einfach eine als zu weitgehend empfundene inhaltliche Abweichung dieses Rechts vom eigenen Recht des Forumstaates ist. Vielfach 39 wird behauptet, daß nur die Abweichung von besonders wichtigen, für die Erhaltung der staatlichen Ordnung im Forumstaat unentbehrlichen Rechtsinhalten zur Nichtanwendung von berufenem ausländischen 40 Recht führen könne. Das wird schon widerlegt dadurch, daß im positiven Recht immer wieder politisch „harmlose" Bestimmungen, wie etwa die Unverjährbarkeit bestimmter Forderungen 41 , mit Hilfe der ordre public-Klausel ausgeschaltet werden, wenn entsprechende Vorschriften im eigenen Recht des Forumstaates unbekannt sind. Die traditionelle Bezeichnung der Generalklausel ist irreführend, sollte aber doch wohl mangels eines treffenderen Wortes beibehalten werden. Es ist den Gerichten, welche die Klausel anzuwenden haben, ein breites Ermessen gegeben, bei welchen Sätzen des eigenen Rechts sie eine Abweichung von berufenem ausländischen Recht hinnehmen wollen, und bei welchen sie eine Abweichung ziemlich schnell als eine „krasse", und damit „untragbare" Abweichung bewerten wollen 42 . Die vom Richter in einen Rechtssatz des eigenen Rechts hineingelegte besondere Empfindlichkeit dafür, daß neben ihm abweichende Sätze des ausländischen Rechts durch den Richter desselben Staates in heterogen verknüpften Situationen angewendet werden, hängt nicht nur von der Wichtigkeit eines solchen Satzes für den Bestand der ganzen staatlichen Ordnung ab, sondern läßt letzten Endes auch einer Abneigung des richterlichen Rechtsanwenders gegen „ungewöhnliche" Inhalte im fremden Recht Raum 4 3 ; diese Abneigung ist bei national-introvertierten Richterpersönlichkeiten unvermeidlich größer als bei einem weltoffenen Richter, welcher davon überzeugt ist, daß verschiedene Rechte trotz verschiedenen Inhalts vielfach doch letztlich das gleiche Ziel der „Gerechtigkeit" anstreben 44 . Eine besonders große Empfindlichkeit gegenüber abweichendem ausländischen Recht wird vielfach denjenigen Vorschriften des eigenen Rechts zugeschrieben, deren eigener Anwendungsbereich im Urheberstaat nicht durch paritätische bilaterale Zuweisungsnormen mit Hilfe eines bestimmten Anknüpfungsmoments bestimmt ist, sondern vermittels der Erwägung abgesteckt wird, daß der Zweck des Rechtssatzes gefährdet sei, wenn sein Anwendungsbereich nicht außer auf homogen verknüpfte Sachverhalte auch auf einen möglichst breiten Sektor der mit dem Inland verknüpften heterogen verknüpften Sachverhalte erstreckt wird 4 5 . Hier kann allerdings oft nicht mehr behauptet werden, daß für den schon vom inländischen Recht erfaßten Fall zugleich noch ausländisches Recht berufen sei. Wenn dies aber tatsächlich ausnahmsweise so ist, so wird hier der ausländische Rechtssatz von vornherein ausgeschaltet, ohne daß der Versuch einer Angleichung unternommen werden darf; praktisch handelt es sich vorzugsweise um zwingendes Recht über rechtsgeschäftlich begründete Rechtsverhältnisse. Als besonders empfindlich gegen abweichendes ausländisches Recht gelten solche Rechtsinhalte, die in der Verfassung des Forumstaates niedergelegt sind 4 6 , oder auf Grund verfassungsrechtlicher Rechtsetzungsgebote zustande gekommen sind. Andererseits ist von einem Satz des ausländischen Rechts, dessen Erlaß als Satz des eigenen Rechts des Forumstaates durch die Verfassung verboten wäre, nicht ohne weiteres schon anzunehmen, daß es sich hier um einen kraß von der lex fori abweichenden Satz handelt, weil das einfache Gesetzesrecht im Forumstaat den betreffenden Satz nicht aufweist. An anderer Stelle 47 wird dargelegt, daß auch in einem solchen Fall im heterogen verknüpften Bereich die Anwendung von „verfassungswidrigem" ausländischen Recht nicht einfach unter allen Umständen entfällt. 74
Die krasse Abweichung
§7
Die Abweichung des berufenen ausländischen Rechts vom eigenen Recht des Forumstaates ist auch dann für den staatlichen Richter untragbar, wenn der fremde Staat durch völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet war, seinem materiellen Recht — sei es generell, sei es in seiner Anwendung auf die mit ihm und dem Forumstaat verknüpften Situationen — denselben Inhalt zu geben, wie ihn die lex fori hat, und wenn der fremde Staat dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist 4 8 . Sollte der Forumstaat einer vertraglichen Verpflichtung, eine für mehrere Staaten bestimmte Regelung einzuführen, selbst nicht nachgekommen sein, so kann der Richter natürlich das Fehlen der Regelung in einem ausländischen Recht nicht als anstößig kritisieren. Auch ein internationales Gericht kann, wenn ein durch die für dieses Gericht maßgeblichen Rechtsanwendungsanweisungen berufenes staatliches Recht Rechtssätze enthält, die es nach Völkerrecht nicht enthalten dürfte, deren Anwendung ablehnen mit der Begründung, daß das für das internationale Gericht vorrangige Völkerrecht ihm die Anwendung von völkerrechtswidrigem staatlichen Recht verbietet. Hierin liegt aber keine Vergleichung des betreffenden staatlichen Rechts mit der „lex fori" des internationalen Gerichts. Obwohl es hier am ehesten am Platze wäre, von ordre public international zu sprechen, handelt es sich um ein Phänomen, das mit der negativen ordre public-Klausel im staatlichen internationalen Privatrecht nichts zu tun hat. Darin, daß das ausländische Recht eine bestimmte Regelung oder Institution vorsieht, die das eigene Recht des Forumstaates überhaupt nicht „hat", ist nicht notwendig stets eine untragbare Abweichung vom eigenen Recht des Forumstaates zu sehen. Eine solche Abweichung liegt erst dann vor, wenn gesagt werden kann, daß die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in das eigene Recht „undenkbar" wäre. „Undenkbar" ist auch, daß der Gesetzgeber des Forumstaates seinem Recht eine Vorschrift einfügen würde, deren Verwirklichung das, was eine zur Zeit der Entscheidung geltende Vorschrift vorsieht, unmöglich machen, also die Erreichung des Zweckes dieser Vorschrift verhindern würde. Damit ist nicht gesagt, daß die neue Vorschrift niemals im Inlandsrecht vorkommen könnte: Ist durch ein Gesetz im Forumstaat vorgesehen, daß auf dem Staatsgebiet keine Handlungen vorgenommen werden dürfen, durch die der Wasserstand in einem Grenzgewässer erhöht wird, so ist ein in einem vom internationalen Privatrecht dieses Forumstaates berufenen ausländischen Recht enthaltener Satz, der irgend jemand aufgibt, einen Staudamm zu errichten, der eine Erhöhung des Wasserstandes zur Folge hätte, nicht anzuwenden. Er ist deshalb nicht anzuwenden, weil es undenkbar ist, daß er vom inländischen Gesetzgeber erlassen werden könnte, solange dieser seine Vorschrift über die Nichterhöhung des Wasserstandes in Geltung hält. Wird das eigene Privatrechtssystem des Forumstaates von den Kräften, welche für die Gesetzgebung bestimmend sind, als reformbedürftig betrachtet, und ist bereits ersichtlich, welche neuen Inhalte angestrebt werden, so wird man ähnlichen Inhalten in einem berufenen ausländischen Recht nicht mit Hilfe der ordre public-Klausel die Anwendung verweigern, auch wenn es von dem noch geltenden inländischen Recht kraß abweicht. Rechtssysteme, welche grundsätzlich unwandelbar sein wollen, sind meist besonders streng gegenüber abweichendem ausländischen Recht, soweit hier nicht gar, wie bei manchen religiösen Rechten, überhaupt versucht wird, die erzwingende Anwendung fremden Rechts zu vermeiden 4 9 . Im Verhältnis zwischen Rechtssystemen, die auf grundverschiedenen Ideologien beruhen, wäre es denkbar, daß nur die Anwendung inhaltlich gleicher Regelungen des anderen Rechts bedenkenlos zugelassen und abweichendem Recht des anderen Systems im Zweifel die Anwendung versagt würde, d. h. wenn nicht erweisbar ist, daß eine solche Regelung auch im Forumstaat denkbar wäre. Eine solche Haltung könnte im Verhältnis zwischen den Ländern der westlichen Welt und den Ländern der sowjetischen sozialistischen Rechtssysteme naheliegen, doch wird sie weder vom Gesetz bestätigt, noch von der Rechtsprechung befürwortet. 75
§7
Maßstäbe der Vergleichung
Das Messen des durch abstrakte Zuweisungsnormen berufenen ausländischen Rechts am eigenen Recht des Forumstaates bereitet Schwierigkeiten im Mehrrechtsstaat, wo sich schon für das interne Kollisionsrecht50 die Frage stellt, ob die Geltung einer Generalklausel zur Verweigerung der Anwendung eines berufenen Teilrechts anzunehmen ist, wenn es kraß von dem Teilrecht abweicht, dem das Gericht zugeordnet ist. Rühren die verschiedenen Teilrechte von demselben zentralen Gesetzgeber her, oder liegt es allein an seiner Zuständigkeit, das geltende Recht zu ändern, so gelten die von diesem staatlichen Gesetzgeber eingerichteten Gerichte durchweg nicht als befugt, einem „anderen" Teilrecht die Anwendung mit Hilfe der ordre public-Klausel zu versagen, auch wenn ihre Hauptaufgabe die Anwendung eines bestimmten Teilrechts in homogen verknüpften Situationen ist 51 . Besonders in Ländern mit überseeischem Kolonialbesitz kam es jedoch vor, daß gewisse Teilrechte — nämlich durchweg das ungeschriebene „Stammesrecht" der „Eingeborenen" — insofern minderbewertet wurden, als entweder sämtliche Gerichte, oder jedenfalls die Gerichte, die nicht „Stammes"gerichte waren, angewiesen wurden, dem minderbewerteten Recht die Anwendung zu versagen, wenn seine Anwendung als untragbar betrachtet wurde; trotz der verschiedenen hierfür verwendeten Formulierungen war es auch hier letztlich die allzu starke Abweichung einzelner Bestimmungen des minderbewerteten Rechts von dem sonstigen in dem betreffenden Staat anwendbaren Recht, die der Ausgangspunkt für die Nichtanwendung war. Selbst wenn einem staatlichen Gericht in einem Mehrrechtsstaat ein einzelnes Teilrecht dadurch als „seine lex fori" zugeordnet worden ist, daß dieses Gericht für die mit diesem Teilrecht homogen verknüpften Fälle allein zuständig ist, kann ein solches Gericht ausländischem Recht, d. h. dem Recht eines anderen Staates, dann nicht wegen krasser Abweichung von der lex fori die Anwendung versagen, wenn sich gleichlautende Normen in einem anderen Teilrecht des Forumstaates finden, und das entscheidende Gericht diesen Normen die Anwendung nicht versagen dürfte52. Erst recht gilt das, wenn ein Gericht im Mehrrechtsstaat, sei es als Instanzgericht, sei es als Rechtsmittelgericht, für die mit mehreren Teilrechten homogen verknüpften Fälle zuständig ist, wenn es also gar nicht ein Teilrecht, sondern mehrere Teilrechte „zur lex fori" hat. In derselben Situation befindet sich auch ein erstinstanzliches gemeinschaftliches Gericht für mehrere Staaten, selbst wenn es nur für gewisse heterogen verknüpfte Situationen zuständig ist. Es kann weder einen Rechtssatz des einen Gründerstaates wegen allzu krasser Abweichung vom Recht des anderen Gründerstaates ablehnen, noch kann es einem Rechtssatz eines dritten Staates die Anwendung verweigern, sofern einer der Gründerstaaten selbst einen entsprechenden Rechtssatz in seinem Recht hat 5 2 a . Bestehen staatsrechtliche Zusammenhänge zwischen Gebietskörperschaften mit getrennten Gesetzgebern, getrennten Gerichten und verschiedenen Privatrechtssystemen, welche die Gesamtheit noch als einen Staat im Sinne des Völkerrechts erscheinen lassen, wie im Bundesstaat, so ist bei Anwendung des gliedstaatlichen Rechts durch Gerichte eines anderen Gliedstaates die Verwendung der ordre public-Klausel nicht von vornherein ausgeschlossen. Dann kann auch der Umstand, daß ein bestimmter Rechtssatz sowohl im Recht eines anderen Gliedstaates als auch im ausländischen Recht vorkommt, nicht schon ein Grund sein, um die Anwendbarkeit des ausländischen Rechtssatzes zu sichern. Auch ein gemeinschaftliches Rechtsmittelgericht kann dann die mit der ordre public-Klausel begründete Verweigerung der Anwendung eines Rechtssatzes eines anderen Gliedstaates durch ein gliedstaatliches Instanzgericht nicht von vornherein als unzulässig betrachten. Bilden mehrere Staaten ein gemeinsames erstinstanzliches Gericht, um vorzugsweise ein uniformes Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen anzuwenden, so hat auch dieses Gericht, wenn es sich aus irgendeinem Grunde als genötigt betrachtet, Recht eines Nichtvertragsstaates zur Anwendung zu bringen, von diesem Recht durch Vergleich mit dem eigenen Recht festzustellen, ob die Anwendung wegen krasser Abweichung zu ver76
Ordre public-Klausel und Völkerrecht
§7
weigern ist; als „eigenes" Recht eines solchen gemeinschaftlichen Gerichts gilt dann in erster Linie jenes uniforme Spezialrecht. 2. Ordre public-Klausel
und
Völkerrecht
Da das allgemeine Völkerrecht nur in seltenen Fällen fordert, daß ein Staat anwendungswilliges fremdes Recht erzwingend anwenden läßt, sondern anderen Staaten als dem Urheberstaat einer Vorschrift fast stets erlaubt, ihre Gerichte zur Anwendung fremder Rechtssätze als unzuständig zu erklären, so können aus dem allgemeinen Völkerrecht keine Einwendungen dagegen hergeleitet werden, daß ein Staat zunächst einmal mit abstrakten Zuweisungsnormen ausländisches Recht beruft, aber einem einzelnen Satz wegen krasser Abweichung vom eigenen Recht die erzwingende Anwendung verweigert. Selbst wenn die so entstehende Lücke dadurch ausgefüllt wird, daß eigenes Recht des Forumstaates zur Anwendung gebracht wird, ist dies jedenfalls dann nicht völkerrechtswidrig, wenn der Forumstaat auf die betreffende heterogen verknüpfte Situation mit Rücksicht auf eine Inlandsverknüpfung von vornherein eigenes Recht hätte als anwendbar erklären dürfen 5 3 . Auch die relative Ungewißheit über die Tragweite der Vorbehaltsklausel läßt deren Verwendung im internationalen Privatrecht nach einhelliger Rechtsüberzeugung nicht etwa als Verstoß gegen ein völkerrechtlich gesichertes Menschenrecht erscheinen. Erst wenn die ordre public-Klausel verwendet würde, um anstelle der vom ausländischen Recht vorgesehenen Freiheit eines Handelns die Bestrafung einer heterogen verknüpften Handlung gemäß der lex fori zu rechtfertigen, wäre dies bedenklich, obwohl auch dann, wenn eine Inlandsverknüpfung besteht, welche die Anwendung des inländischen Strafrechts ohnehin legitimiert hätte, die soeben erwogene Handhabung der ordre public-Klausel praktisch auf dasselbe hinausläuft wie eine Strafdrohung beim Vorliegen irgendeiner Binnenbeziehung, verbunden mit einem Ermessen, im Einzelfall von der Strafverfolgung mit Rücksicht auf die Gestaltung des ausländischen Rechts abzusehen. Wird die negative ordre public-Klausel richtigerweise dahin verstanden, daß es die krasse Abweichung von dem „eigenen Recht" des Forumstaates ist, welche die Nichtanwendung einzelner Inhalte eines durch abstrakte Zuweisungsnormen berufenen ausländischen Rechts begründet, so stellt eine solche Verweigerung der Anwendung ausländischen Rechts auch keine völkerrechtlich bedenkliche Mißachtung des fremden Staates und seiner Rechtsordnung, oder einen unfreundlichen Akt dar. O b auf die mit der negativen ordre public-Klausel begründete Nichtanwendung eigenen Rechts durch andere Staaten mit Retorsionen reagiert werden sollte, ist eine andere Frage 5 4 . Anders liegen die Dinge, wenn die Anwendung ausländischen Rechts durch einen völkerrechtlichen Vertrag vorgeschrieben ist. Dann kann schon der Vertrag den Vertragsstaaten ausdrücklich erlauben 55 , von der Vorbehaltsklausel ihres nationalen Kollisionsrechts weiterhin Gebrauch zu machen; das Ermessen der Gerichte des Forumstaates, krasse Abweichung und Vorliegen einer Binnenbeziehung zu bejahen, ist dann im allgemeinen auch nicht durch ein internationales Gericht überprüfbar. Eine Vertragsklausel, wonach nur bei „erheblicher" Beeinträchtigung des ordre public eines Vertragsstaates die vorgesehene Anwendung von Recht eines anderen Vertragsstaates verweigert werden darf 5 6 , kann so zu verstehen sein, daß das internationale Gericht, welches die richtige Anwendung des Vertrages zu überprüfen hat, äußerste Grenzen des richterlichen Ermessens bei der Handhabung der negativen ordre public-Klausel feststellen kann. Fehlt in einer vertraglich gebotenen Zuweisungsnorm ein Hinweis darauf, daß die Verwendung der ordre public-Klausel erlaubt ist, so geht die herrschende Meinung dahin, daß diese Erlaubnis in eine vertraglich gebotene Kollisionsnorm hineingelesen werden müsse 57 . Die vertraglich gebotene Einführung von uniformem Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen ist hingegen nicht dahin zu verstehen, daß ein Vertragsstaat die 77
§7
Ordre public-Klausel und fremdes Spezialrecht
Anwendung einer einzelnen Bestimmung dieses Rechts mit Hilfe der ordre public-Klausel ablehnen dürfe. 3. Anwendung der ordre public-Klausel dem normalen Inlandsrecht
gegenüber anderem ausländischen Recht als
Wird in der abstrakten Zuweisungsnorm des Forumstaates die Anwendung von anwendungswilligem Recht eines bestimmten anderen Staates vorgeschrieben, und will dieser andere Staat nicht sein normales Inlandsrecht, sondern Spezialrecht anwenden lassen, so steht auch dessen Anwendung im Forumstaat unter der „Vorbehaltsklausel"; das heißt, das ausländische Spezialrecht ist an etwaigem eigenen Spezialrecht des Forumstaates, möglicherweise aber auch an seinem normalen Inlandsrecht zu messen, um krasse Abweichungen festzustellen: Ist auf die Ehefähigkeit von Ausländern ausländisches Recht anwendbar, und hat das ausländische Recht besondere Ehehindernisse für heterogen verknüpfte Ehen, die in dem normalen Inlandsrecht des fremden Staates nicht bekannt sind, so muß im Forumstaat geprüft werden, ob dieses Ehehindernis vom Inlandsrecht des Forumstaates, aber auch von etwaigem Spezialrecht, kraß abweicht. Es ist aber auch möglich, daß der porumstaat schon die Tatsache, daß der fremde Staat auf heterogen verknüpfte Situationen ein Spezialrecfit angewendet wissen will, als eine krasse Abweichung von seiner eigenen Haltung empfindet. Macht das für die Ehefähigkeit eines Ausländers anwendbare Recht dessen Eheschließung mit Staatsangehörigen anderer Staaten von einer Genehmigung der heimatlichen Behörden abhängig, während der Forumstaat, in dem die Ehe geschlossen werden soll, entsprechende Vorschriften nicht kennt, so mag das zur Nichtanwendung der ausländischen Bestimmung unter Berufung auf die ordre public-Klausel führen. Ausländisches Spezialrecht kann der ordre public-Klausel des Forumstaates auch dann zum Opfer fallen, wenn der fremde Staat z. B. das Zustandekommen von Rechtsgeschäften in heterogen verknüpften Situationen, verglichen mit seinem Inlandsrecht, durch spezialrechtliche Bestimmungen erleichtert. Verwendet der Forumstaat selbst für einen bestimmten Teil des heterogen verknüpften Bereiches spezialrechtliche Vorschriften, so wird die Tatsache, daß ein fremder Staat ebenfalls Spezialrecht bildet, meist nicht auf Bedenken stoßen: Macht der Forumstaat in seinem auf die Ehefähigkeit seiner eigenen Staatsangehörigen anzuwendenden Recht die Eheschließung mit Ausländern von einer behördlichen Genehmigung — nämlich des Forumstaates — abhängig, so kann er es nicht als anstößig betrachten, daß derjenige Staat, dessen Recht für die Ehefähigkeit eines Ausländers berufen worden ist, die Eheschließung seiner Bürger mit Nichtbürgern ebenfalls von einer Genehmigung, und zwar der seiner Behörden, abhängig macht. Die Anwendung von ausländischem Spezialrecht, mit welchem der Urheberstaat in erster Linie eigene nationale öffentliche Interessen, und zwar notfalls auch zu Lasten fremder nationaler Interessen, wahren will, scheitert meist nicht erst daran, daß das Fehlen entsprechender Sätze im Forumstaat als grobe Abweichung des ausländischen Rechts vom inländischen Recht empfunden wird, sondern daran, daß für die Anwendung derartiger Vorschriften Gegenseitigkeit erforderlich ist 58 . Soweit eine Verweisung im internationalen Privatrecht des Forumstaates auf ausländische Rechtsanwendungsanweisungen geht, sind auch diese Vorschriften am eigenen Recht des Forumstaates zu messen, und gegebenenfalls bei krasser Abweichung zu ignorieren 59 . Das gilt vor allem von den intertemporalen Normen des berufenen ausländischen Rechts, wenn sie z. B. in stärkerem Umfang Rückwirkung beanspruchen, als dies bei entsprechenden Normen im Forumstaat üblich ist. Mit der ordre public-Klausel kann auch die Beachtung von internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen des anderen Staates verweigert werden, wenn die Zuweisung durch das Kollisionsrecht des Forumstaates grundsätzlich als Gesamtverweisung verstanden werden soll: Will der Forumstaat das auf 78
Relativität der Vorbehaltsklausel
§7
Fragen der Ehegültigkeit oder der Ehescheidung anzuwendende Recht durch eine objektive Verknüpfung bestimmt wissen, will er aber eine anderweitige Zuweisung im internationalen Privatrecht des berufenen Staates mitmachen, so wird man sich möglicherweise auf die ordre public-Klausel berufen, um z. B. eine Weiterverweisung auf das von den Parteien gewählte Recht zu ignorieren, wenn der Forumstaat in seinem Kollisionsrecht parteiautonome Rechtswahl im Bereich des Eherechts ablehnt. 4. Die Relativität der
Vorbehaltsklausel
Die krasse Abweichung von einzelnen Sätzen des berufenen ausländischen Rechts vom eigenen Recht des Forumstaates führt jedoch nicht in allen Fällen zur Nichtanwendung dieser Rechtssätze. Vielmehr bedeutet die „Relativität der Vorbehaltsklausel", daß das konkrete Ergebnis der Anwendung des kraß abweichenden ausländischen Rechtssatzes innerhalb der Rechtsordnung des Forumstaates, d. h. neben der großen Masse der konkreten Ergebnisse der Anwendung von eigenem Recht, als „untragbar" gelten muß. Die ordre public-Klausel setzt die Zuweisung an den anstößigen ausländischen Rechtssatz nicht voll außer Kraft, sondern hat nur zur Folge, daß in einem bestimmten Zeitpunkt beim Vorhandensein bestimmter Binnenbeziehungen und in bestimmten Zusammenhängen der Rechtssatz von den Gerichten des Forumstaates nicht zur Anwendung gebracht werden darf, so daß insoweit Rechtsschutz für ein durch den ausländischen Rechtssatz begründetes Recht nicht gewährt wird. Die ordre public-Klausel nötigt nicht dazu, den Umstand, daß der Urheberstaat der anstößigen ausländischen Norm diese Norm als anwendbar betrachtet, und den Umstand, daß die Parteien sich nach dem Standpunkt des Urheberstaates der Norm richten, in ihrer Eigenschaft als Fakten zu ignorieren. Die Relativität der Vorbehaltsklausel besagt zunächst einmal, daß von der Anwendung des anstößigen ausländischen Rechtssatzes vorwiegend dann abgesehen werden muß, wenn es sich um eine erzwingende Anwendung handelt, während bei der Anwendung ausländischen Rechts auf Vorfragen eine krasse Abweichung vom eigenen Recht des Forumstaates die Anwendung vielfach nicht hindert. Vor allem erfordert die Verweigerung der Anwendung von berufenem ausländischen Recht unter Bezugnahme auf seine krasse Abweichung vom eigenen Recht des Forumstaates, daß eine, hier meist als „Binnenbeziehung" bezeichnete, Verknüpfung zum Forumstaat vorliegt, obwohl diese Verknüpfung ja nicht zur Berufung des eigenen Rechts des Forumstaates geführt hat. Welche von den im Einzelfall bestehenden Verknüpfungen als ausreichende Binnenbeziehung anzusehen ist, das wird in der Generalklausel des ordre public wiederum meist dem Ermessen der Gerichte des Forumstaates überlassen. Ein Staat kann auch den Standpunkt einnehmen, daß bei einer „zwar krassen, aber nicht allzu krassen" Abweichung des ausländischen Rechts vom eigenen Recht eine relativ intensivere Binnenbeziehung, vielleicht sogar eine Kombination von Binnenbeziehungen, notwendig ist, um dem durch eine bilaterale Zuweisungsnorm mit Rücksicht auf eine Auslandsverknüpfung berufenen ausländischen Rechtssatz die Anwendung zu verweigern, während bei einer ganz ungewöhnlich starken Abweichung auch weniger intensive Binnenbeziehungen die Nichtanwendung des ausländischen Rechts rechtfertigen. Schließlich folgt aus der Relativität der ordre public-Klausel, daß man zu ihrer Verwendung dann weniger geneigt ist, wenn die Zahl der Fälle, in denen die Anwendung eines kraß abweichenden ausländischen Rechtssatzes aktuell wird, die Zahl der Fälle, in denen das inländische Recht, an welchem der ausländische Rechtssatz gemessen wird, anzuwenden ist, übersteigt oder ihr nahekommt 60 . Wird das auf ein rechtsgeschäftlich begründetes Rechtsverhältnis anzuwendende Recht von den Parteien gewählt, so kann zunächst die Freiheit der Parteien hierbei durch zwingendes Recht eines jeden Staates eingeschränkt sein, der mangels einer solchen Rechts79
§7
Ordre public-Klausel und Ersatzrecht
wähl das anzuwendende Recht in einer gesetzlichen Zuweisungsnorm bezeichnet hätte 61 . Wird in einem solchen Staat aber die Rechtswahl als solche anerkannt, so schließt das die Handhabung der ordre public-Klausel gegenüber einem gewählten Rechtssatz, welcher kraß vom eigenen Recht des betreffenden Forumstaates abweicht, nicht aus; wohl aber können in diesem Fall an die Intensität der zur Ausschaltung des ausländischen Rechtssatzes erforderlichen Binnenbeziehung größere Anforderungen gestellt werden, als wenn das ausländische Recht in einer gesetzlichen Zuweisungsnorm unmittelbar berufen wird. Angesichts der Relativität der ordre public-Klausel kann auch berücksichtigt werden, ob, wenn der maßgebliche ausländische Rechtssatz, der die Begründung eines Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft betrifft, das Rechtsverhältnis sich erst in der Phase der Begründung oder des Beginns seiner Abwicklung befindet, oder ob es bereits als Dauerrechtsverhältnis unter dem berufenen ausländischen Recht effektiv geworden ist: Der inländische Standesbeamte darf an der Schließung einer zweiten Ehe, die nach dem Heimatrecht aller Beteiligten erlaubt ist, in denjenigen Staaten nicht mitwirken, die in ihrem Inlandsrecht nur die monogame Ehe kennen. Hat der Standesbeamte trotzdem an der Begründung einer polygamen Ehe mitgewirkt, und wird alsbald in dem betreffenden Staat das gültige Bestehen der Ehe streitig, so kann sie das dortige Gericht mit Hilfe der ordre public-Klausel als nichtig erklären. Der im Ausland nach dem dort maßgeblichen Recht gültig geschlossenen polygamen Ehe, die effektiv als Rechtsverhältnis vollzogen woreen ist, werden aber in dem Staat, der mit seiner ordre public-Klausel gegen polygames Eherecht reagieren will, zunächst einmal Nachwirkungen (Legitimität der Kinder, Erbrecht zwischen den Ehegatten) unter ausländischem oder inländischem Recht nicht verweigert werden. Dasselbe wird aber auch geschehen, wenn der inländische Standesbeamte „versehentlich" an der Eheschließung mitgewirkt hat, die Ehe jedoch nicht im Eheschließungsstaat, sondern im Heimat- und Wohnsitzstaat der Ehegatten als rechtsgültige Ehe geführt worden ist. Der längere Zeit unter ausländischem Recht gültigerweise bestehenden polygamen Ehe, die im Inland nicht hätte geschlossen werden dürfen, wird schließlich die Anerkennung selbst im Verhältnis zwischen den Ehegatten nicht verweigert werden, wenn sie später ihren Wohnsitz ins Inland verlegen und dann die Frage nach einem Unterhaltsanspruch oder einem Scheidungsrecht gestellt wird 6 2 . Besonders deutlich wird die Relativität der ordre public-Klausel, indem das Gericht im Forumstaat zwar einerseits trotz gegebener internationaler Zuständigkeit den Erlaß eines Gestaltungsurteils durch Anwendung eines anstößigen ausländischen Rechtssatzes verweigern, aber den im Statutsstaat von dem dortigen Gericht erwirkten Gestaltungsakt anerkennen muß. Das kann im Ergebnis schließlich sogar einer alternativen Anwendung des inländischen und des anstößigen ausländischen Rechts gleichkommen: Inländische Staatsangehörigkeit oder inländischer Wohnsitz eines der Ehegatten genügen, damit die Ehe im Inland auf Grund des inländischen Scheidungsrechts oder einem dem Inlandsrecht inhaltlich gleichen ausländischen Recht geschieden wird; ausländische Staatsangehörigkeit oder ausländischer Wohnsitz eines Ehegatten genügen, damit die Ehescheidung durch ein ausländisches Gericht (nicht jedoch die Abweisung der Scheidungsklage) im Inland anerkannt wird, auch wenn ein vom Inlandsrecht abweichendes ausländisches Scheidungsrecht zugrunde gelegt wurde 6 3 .
5. Die Ausfüllung der durch Nichtanwendung entstehenden Lücke
des berufenen
ausländischen
Rechts
Durch die Nichtanwendung des von der abstrakten Zuweisungsnorm berufenen Rechtssatzes entsteht eine Lücke, welche irgendwie ausgefüllt werden muß. Eine vor allem außerhalb Deutschlands weitverbreitete Auffassung geht dahin, daß dies durch Anwendung der „lex fori" zu geschehen hat. 80
Lex fori als Ersatzrecht
§7
Ist das vollständige Fehlen einer Parallele in dem berufenen ausländischen Recht zu einer N o r m des inländischen Rechts, welche beim Eintritt eines bestimmten Tatbestandes eine Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten vorsieht, Anlaß zum Eingreifen der ordre public-Klausel, so wird besonders häufig die Anwendung der lex fori als selbstverständlich betrachtet. Daß hiergegen völkerrechtliche Bedenken jedenfalls dann nicht bestehen, wenn die betreffende Binnenbeziehung, mit der die Nichtanwendung des ausländischen Rechts gerechtfertigt wird, zugleich eine völkerrechtlich ausreichende Verknüpfung für die Anwendbarkeit des eigenen Rechts darstellt, w u r d e oben bereits ausgeführt. Schwieriger ist es, über das Bedenken hinwegzukommen, daß dann, wenn das Recht eines anderen Staates, ebenso wie das Recht des Forumstaates, eine Verhaltenspflicht vorsehen, aber mit schwächeren Wirkungen ausstatten würde, dieses Recht im Forumstaat doch „glatt" zur Anwendung käme, während beim vollständigen Fehlen einer Verhaltenspflicht in einem berufenen ausländischen Recht die lex fori mit allen ihren Wirkungen einsetzen soll. Hier muß wohl die richtige L ö s u n g in einer abgemilderten Anwendung der lex fori bestehen: Sieht das berufene ausländische Recht eine Verpflichtung zu einer Handlung A , die lex fori eine Verpflichtung zu einer gegenteiligen H a n d l u n g B vor, und würde Verhaltensfreiheit, wie sie vielleicht ein drittes ausländisches Recht hat, im Forumstaat als tragbar gelten, so kann sich der E f f e k t der ordre public-Klausel auf die Nichtanwendung jener N o r m des Rechtes X , welche zu der H a n d l u n g A verpflichten will, beschränken, ohne daß unter A n w e n d u n g der lex fori zur Vornahme der H a n d l u n g B verurteilt werden m ü ß t e 6 4 . Ist ausländisches Recht für die Frage nach dem Bestehen einer Verhaltens- oder Leistungspflicht berufen, wird aber seine A n w e n d u n g mit Hilfe der ordre public-Klausel abgelehnt, ohne daß eine Verhaltens- oder Leistungspflicht nach Maßgabe anderer Rechtsinhalte bejaht wird, so liegt in der Abweisung der Klage Versagung des Rechtsschutzes im Forumstaat, nicht aber eine A u s s a g e darüber, o b die freiwillige oder durch Zwangsvollstreckung erzwungene Erfüllung der strittigen Verpflichtung im Ausland (nämlich gemäß dem dort anwendbaren Recht) „rechtswidrig", und daß die erneute Erhebung einer Klage im Ausland v o m Standpunkt des Forumstaates her „unerlaubt" sei. E s wäre denkbar, in diesen Fällen im Urteil die Wirkung der ordre public-Klausel dahin zum A u s d r u c k zu bringen, daß die Klage als „im Inland unzulässig" abzuweisen sei. D i e herrschende Meinung läßt hier allerdings die Klage als unbegründet a b w e i s e n 6 5 . A n anderer Stelle 6 6 wird noch darauf z u r ü c k z u k o m m e n sein, o b das Bestehen von Spezialrechtssätzen anzunehmen sein könnte, welche die Erhebung von Klagen vor ausländischen Gerichten unter B e r u f u n g auf ausländisches Recht dann verbieten, wenn die Anwendung dieser Bestimmungen durch inländische Gerichte am ordre public scheitern würde. Daß die Ausfüllung der durch Nichtanwendung des berufenen ausländischen Rechts entstehenden L ü c k e nicht einfach durch Anwendung einer passenden Regel der lex fori zu erfolgen hat, wird vor allem in der folgenden Situation deutlich: D a s berufene ausländische Recht und die lex fori haben Regelungen, die sich quantitativ unterscheiden, ohne daß diese Unterscheidungen Anlaß zum Eingreifen der ordre public-Klausel geben; das ausländische Recht durchbricht aber die Regelung für einen besonderen Tatbestand durch eine spezielle N o r m , die beim Vorliegen des zusätzlichen Tatbestandselements eine Wirkung vorsieht, die von der Regelung in der lex fori kraß abweicht. Beispielsweise kennen die lex fori und das berufene ausländische Recht Legitimation der unehelichen Kinder durch nachfolgende E h e der Eltern, wenn auch mit kleinen Divergenzen; schließt das ausländische Recht die Legitimation von Ehebruchskindern im Gegensatz zur lex fori aus, so kann dies im F o r u m staat Anlaß zur Verwendung der ordre public-Klausel geben, doch bleiben die sonstigen Bestimmungen des ausländischen Rechts über die Legitimationsvoraussetzungen anwendb a r 6 7 . Ein anderer instruktiver Fall ist der folgende: D a s berufene ausländische Recht und die lex fori sehen Verjährung von Geldforderungen, wenn auch mit verschiedenen Fristen, 81
§7
Sonstiges Ersatzrecht
vor; im Gegensatz zur lex fori ermöglicht das ausländische Recht, daß eine Geldforderung nach fruchtlosen Vollstreckungsversuchen des Gläubigers unverjährbar wird, eine Regelung, die im Forumstaat als „untragbare" Abweichung von der lex fori empfunden wird. Hier folgt aus der Nichtanwendung des „anstößigen" ausländischen Rechtssatzes, daß an seiner Stelle die — zweifellos im Urheberstaat nicht anwendbaren — allgemeinen Verjährungsregeln angewendet werden, nicht jedoch die Regelung der lex fori. Die Frist für die Verjährung der nach ausländischem Recht unverjährbar gewordenen Forderung, deren Unverjährbarkeit im Forumstaat als anstößig gilt, wird also nach den allgemeinen Regeln des ausländischen Forderungsstatuts bemessen 68 . Desgleichen wird, wenn für die Voraussetzungen der Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts ein 6 9 ausländisches Recht berufen ist, und von den Gültigkeitsvoraussetzungen eine einzige anstößig ist, eben nur diese im Forumstaat ignoriert, und im übrigen die Gültigkeit nach ausländischem Recht beurteilt. Wenn es abgelehnt wird, Bestimmungen eines Spezialrechts im Forumstaat zur Anwendung zu bringen, welches der mit seinem Recht berufene fremde Staat anstelle seines Inlandsrechts angewendet wissen will, wird auf das Inlandsrecht des anderen Staates zurückgegriffen, und nicht auf die lex fori. Gegen die Ersetzung des berufenen und vermittels der ordre public-Klausel ausgeschalteten ausländischen Rechts durch andere Inhalte, die diesem Recht entnommen werden, spricht allerdings das Postulat, daß ausländisches Recht nicht gegen den Willen seines Urhebers angewendet werden soll 7 0 . Man könnte also auch daran denken, in einem solchen Fall das anwendungswillige Recht eines dritten Staates, gegen das keine inhaltliche Bedenken bestehen, zur Anwendung zu bringen, so wie dies ja auch geschehen sollte, wenn das berufene ausländische Recht nicht selbst angewendet werden will 7 1 . Diese Lösung wird jedoch von den meisten positiven Rechten vermieden. Am schwersten durchschaubar ist die Folge des Eingreifens der ordre public-Klausel, wenn quantitative Unterschiede zwischen dem berufenen ausländischen Recht und der lex fori als unerträglich krasse Unterschiede gelten, so etwa, wenn die lex fori das Ehealter mit 18 Jahren, das berufene ausländische Recht hingegen mit 14 Jahren festsetzt. Dann wird die Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall etwa abgelehnt werden, wenn nur ein Alter von 14 1 / 2 oder 15 Jahren erreicht ist, während bei einem Alter von 17 Jahren das ausländische Recht unbeanstandet zur Anwendung gelangt. Hier kann man sicher nicht sagen, daß in den beiden ersten Fällen die lex fori anstelle des ausgeschalteten ausländischen Rechts zur Anwendung gebracht wird. Vielmehr wird man in einem solchen Fall sagen können, daß anstelle des untragbaren ausländischen Rechtssatzes ein Rechtssatz zur Anwendung gebracht wird, der, wenn er vom ausländischen Gesetzgeber herrühren würde, im Forumstaat als noch tragbar zu gelten hat. Wie dieser hypothetische Rechtssatz genau lautet, ergibt sich im Forumstaat erst dann, wenn wiederholt Entscheidungen darüber getroffen worden sind, ob das berufene ausländische Recht am ordre public scheitert oder nicht 7 2 . Will das berufene fremde Recht selbst angewendet werden, scheitert aber seine Anwendung mit dem Inhalt, den ihm der ausländische Gesetzgeber verschafft hat, im konkreten Fall an der negativen ordre public-Klausel des Forumstaates, so ist also ein Satz mit einem Inhalt zur Anwendung zu bringen, der einerseits dem ausgeschalteten ausländischen Rechtssatz möglichst nahe steht, andererseits für die ordre public-Klausel des Forumstaates gerade noch tragbar ist 7 3 . An eine Billigkeitslösung zur Ausfüllung der durch die ordre public-Klausel verursachten Lücke ist zu denken, wenn nach einem Ausweg aus folgender Situation gesucht wird: Mit einer als unerträglich empfundenen Abweichung vom Recht des Forumstaates enthält ein fremder Staat bestimmten Gruppen seiner Staatsangehörigen die Möglichkeit vor, formgültige Ehen abzuschließen; eine Binnenbeziehung zum Forumstaat entsteht erst später, nachdem die Betroffenen dorthin ausgewandert sind. Es könnte dann eine kirch82
Spezialisierte Vorbehaltsklauseln
§7
liehe Eheschließung im früheren Wohnsitzstaat als formgültige Eheschließung angesehen werden 7 4 , auch wenn weder der frühere noch der spätere Wohnsitzstaat der kirchlichen Eheschließung Wirkungen im staatlichen Recht beilegen. Besser dürfte es allerdings sein, wenn der spätere Wohnsitzstaat sich auf den Standpunkt stellt, auch bei einer Ehe liege ein Vertrag vor, und es müsse auf die Grundregel der lex loci zurückgegriffen werden, wonach zum Vertragsschluß jede erweisbare Einigung der Beteiligten über die Begründung eines Rechtsverhältnisses genügt. Wird ausländisches Recht als kraß abweichend von der lex fori betrachtet, ohne daß es in quantitativer Veränderung noch als tragbar erscheinen könnte, und kommt so das Ergebnis seiner Nichtanwendung der Anwendung der lex fori gleich, oder wird die lex fori offen zur Lückenfüllung herangezogen, und geschieht derartiges stets beim Vorliegen einer bestimmten Binnenbeziehung, so läuft dies auf dasselbe hinaus, was erreicht würde, wenn der Gesetzgeber die bilaterale paritätische Zuweisungsnorm durchbrechen würde durch eine einseitige Zuweisungsnorm, welche unter Verwendung eines anderen Anknüpfungsmoments die alternative Anwendung des Inlandsrechts vorschreibt. Hierzu kommt es, wenn beispielsweise unter Berufung auf die ordre public-Klausel der Kranzgeldanspruch, der zunächst in einer bilateralen Zuweisungsnorm dem Heimatrecht des verlobten Mannes zugewiesen wird, beim Fehlen einer entsprechenden Norm in dem berufenen Recht nach dem Heimatrecht der betreffenden Frau beurteilt wird, sofern diese Inländerin ist 7 5 . Uberzeugender wäre es, wenn schon die bilaterale Zuweisungsnorm so gefaßt wäre, daß alternativ auf die Staatsangehörigkeit des einen und des anderen Teils abgestellt, und Anwendungswilligkeit des berufenen ausländischen Rechts erfordert würde. In vielen Fällen, in denen das Ergebnis des Einsatzes der „negativen" ordre publicKlausel gegenüber dem berufenen ausländischen Recht einer einseitigen Erweiterung des Anwendungsbereichs der lex fori gleichkommt, läuft dies auf das hinaus, was der Norm der lex fori auch mit Hilfe der positiven ordre public-Klausel zugewendet werden kann, indem argumentiert wird, daß die Realisierung des inländischen Rechtssatzes auch im homogen verknüpften Bereich gefährdet sei, wenn der Rechtssatz im Urheberstaat der Norm nicht zugleich auch innerhalb eines breiten Sektors des heterogen verknüpften Bereichs zur Anwendung gebracht wird 7 6 . Keineswegs ist aber die Anwendung der lex fori als Ersatzrecht für das durch die negative ordre public-Klausel ausgestaltete ausländische Recht immer nur Reflex einer positiven ordre public-Klausel. Genügt zur Nichtanwendung eines von der lex fori abweichenden und in einer bilateralen Zuweisungsnorm berufenen ausländischen Rechtssatzes eine einzige Binnenbeziehung zum Forumstaat, liegt aber im konkreten Fall eine Mehrheit solcher Binnenbeziehungen vor, und fällt die Entscheidung so aus, wie sie bei unmittelbarer Berufung der lex fori ausgefallen wäre, so hätte man zu demselben Resultat auch dann kommen können, wenn die Zuweisung an das ausländische Recht, die mit Hilfe eines starren Anknüpfungsmoments vor sich gegangen ist, aufgeweicht worden wäre durch die Bestimmung, daß es auf dieses Anknüpfungsmoment nicht ankommen soll, wenn eine größere Anzahl von Verknüpfungen zu einem einzigen anderen Staat hingeht, und die Gesamtheit dieser Verknüpfungen als gewichtiger anzusehen ist als das Anknüpfungsmoment in der starren bilateralen Kollisionsnorm 77 . Das ist aber kein Grund, um die ordre public-Klausel für überflüssig zu erklären, da sie ja auch schon bei einzelnen Binnenbeziehungen eingreifen kann. 6. Spezialisierte gesetzliche Vorbehaltsklauseln Die negative ordre public-Klausel als Generalklausel macht unzweifelhaft, indem sie sowohl die Annahme einer krassen Abweichung des ausländischen Rechts von der lex fori, als auch die Bejahung des Bestehens einer ausreichenden Binnenbeziehung letzten Endes vom Ermessen der Gerichte im Forumstaat abhängig macht, das Ergebnis der richterlichen 83
§7
Ordre public-Klausel und Schiedsgerichte
Rechtsanwendung auf heterogen verknüpfte Fälle in erheblichem Umfang unberechenbar. Um dem abzuhelfen, bestimmt der Gesetzgeber78 u. U., daß anstelle der als Generalklausel formulierten ordre public-Klausel sogenannte spezialisierte Vorbehaltsklauseln zum Zuge kommen sollen. Solche spezialisierten Vorbehaltsklauseln besagen dann genauer79, welche Abweichungen im berufenen ausländischen Recht vom eigenen Recht des Forumstaates als unerträglich krasse Abweichungen zu gelten haben. So wird etwa bestimmt, daß jedem ausländischen Rechtssatz, der die Scheidung unter leichteren Bedingungen ermöglicht als die lex fori, die Anwendung versagt werden soll 80 ; oder es wird bestimmt, daß das ausländische Recht, wenn es eine Scheidung ganz verweigert, als untragbar zu gelten hat, während ein ausländisches Scheidungsstatut, das nur im Vergleich zur lex fori die Scheidung erschwert, als unbedenklich zu betrachten ist 81 . Die Präzisierung in einer spezialisierten Vorbehaltsklausel bezieht sich besonders häufig auf die Binnenbeziehung, welche vorliegen muß, damit das berufene ausländische Recht bei krasser Abweichung nicht zum Zuge kommen soll; so wird etwa bestimmt, daß ausländisches Recht, welches gesetzliche Haftungen für Schäden in stärkerem Umfang als die lex fori vorsieht, zu Lasten der eigenen Staatsangehörigen des Forumstaates nicht zur Anwendung gebracht werden soll 82 ; oder es wird bestimmt, daß, wenn an sich auch die Frau mit der Staatsangehörigkeit des Forumstaates ihre Scheidungsklage mit dem Mannesrecht begründen müßte, ihr die Scheidung nicht unmöglich gemacht werden darf, wenn und weil das Mannesrecht überhaupt keine Scheidung kennt. Schließlich kann die spezialisierte Vorbehaltsklausel auch eine Lösung für das Problem der Lückenfüllung geben. Dabei wird allerdings meist bestimmt werden, daß anstelle des wegen krasser Abweichung abgelehnten ausländischen Rechts die lex fori zur Anwendung kommen soll. Das läuft dann vielfach darauf hinaus, daß in Durchbrechung einer paritätischen bilateralen Zuweisungsnorm dem eigenen Recht ein zusätzlicher Anwendungsbereich verschafft wird, der davon bedingt ist, daß das auf Grund der paritätischen Zuweisungsnorm berufene ausländische Recht in der von der spezialisierten Vorbehaltsklausel näher bezeichneten Weise von der lex fori abweicht. So wird etwa bestimmt, daß auf eine Scheidungsklage das Heimatrecht des Mannes in Kumulation mit der lex fori anwendbar ist, oder daß umgekehrt das eigene Scheidungsrecht des Forumstaates unter Verdrängung des eigentlich berufenen ausländischen Rechts dann anzuwenden ist, wenn die klagende Frau Staatsangehörige des Forumstaates ist, und das Mannesrecht keine Scheidung kennt. Es ist aber auch möglich, für den Fall, daß das durch paritätische Zuweisungsnorm berufene ausländische Recht den in der spezialisierten Vorbehaltsklausel aufgeführten Erfordernissen nicht genügt, im Forumstaat Spezialrechtssätze bereitzustellen, die gleichsam das Minimum dessen darstellen, was vom berufenen ausländischen Recht erwartet wird 83 . 7. Die negative ordre public-Klausel bei der Rechtsanwendung durch Schiedsgerichte Oben wurde bereits darauf hingewiesen, daß Anlaß zur Verwendung der negativen ordre public-Klausel die krasse Abweichung des für einen kleinen Sektor der heterogen verknüpften Fälle berufenen ausländischen Rechts von dem Recht ist, welches im Forumstaat auf homogen verknüpfte Situationen zur Anwendung gebracht wird, und zwar insbesondere, wenn dasselbe Gericht sowohl für Streitigkeiten in homogen verknüpften Fällen, als auch für Streitigkeiten in heterogen verknüpften Fällen zuständig ist. Würde ein Staat Gerichte einrichten, welche in homogen verknüpften Fällen überhaupt keine Zuständigkeit haben, sondern nur in heterogen verknüpften Situationen entscheiden sollen, so wäre es auch hier das eigene Recht des Forumstaates, an dem die krasse Abweichung berufenen ausländischen Rechts zu messen wäre. Ist ein privates Schiedsgericht, welches ja meist nur bei Streitigkeiten aus einem einzel84
O r d r e public-Klausel und Schiedsgerichte
§7
nen Rechtsverhältnis zu entscheiden hat, anstelle des staatlichen Gerichts zuständig, und handelt es sich um ein Schiedsgericht, welches einem Staat als ein gemäß seinem Recht begründetes „nationales" Schiedsgericht zugerechnet wird 8 4 , und geht der Auftrag der Parteien an das Schiedsgericht dahin, es möge das anwendbare Recht so ermitteln, wie es das ausgeschaltete staatliche Gericht hätte tun müssen, so hat das Schiedsgericht auch die ordre public-Klausel des Staates zu verwenden, nach dessen Recht es begründet worden ist, und in dem es zumeist seinen Sitz hat. In Verbindung mit einer Wahl des auf ihr Rechtsverhältnis anzuwendenden Rechts durch die Parteien ist aber ihr Auftrag an das Schiedsgericht, das so gewählte Recht zur Anwendung zu bringen, vielfach nicht so zu verstehen, daß das Schiedsgericht dieses Recht auf krasse Abweichungen vom Inlandsrecht des Sitzstaates zu prüfen hätte. Die Frage nach der ordre public-Klausel stellt sich erst dann, wenn der Schiedsspruch in einem derjenigen Staaten beachtet bzw. vollstreckt werden soll, deren staatliche Gerichte durch das Schiedsgericht für das Erkenntnisverfahren ausgeschaltet waren. Wird die Anerkennung des Schiedsspruchs verweigert mit der Begründung, das Schiedsgericht habe einen Rechtssatz zugrunde gelegt, dessen Anwendung durch das staatliche Gericht des Anerkennungsstaates an der ordre public-Klausel gescheitert wäre, so kann das wieder Rückwirkungen auf die Einstellung des Schiedsgerichts zu der Auslegung der ihm von den Parteien gegebenen Rechtsanwendungsanweisungen haben: Das Schiedsgericht kann den vernünftigen Willen der Parteien darin sehen, daß schon das Schiedsgericht die ordre public-Klausel aller derjenigen Staaten ins Auge zu fassen habe, in denen die Parteien den Spruch wirksam wissen wollen. Das gilt für nationale wie für anationale Schiedsgerichte. Ein Schiedsgericht, dessen Entscheidungen die Parteien nicht mit Hilfe staatlicher Vollstreckungsbehörden zu erzwingen beabsichtigen, braucht derartige Erwägungen nicht anzustellen. Gerade das kann jedoch unter Umständen schon wieder einen Staat veranlassen, die Vereinbarung über die Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts insoweit als ungültig anzusehen, als sie die gesetzliche Zuständigkeit von staatlichen Gerichten ausschließen will. Selbst wenn durch völkerrechtlichen Vertrag Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen anationaler Schiedsgerichte vorgesehen ist und darin bestimmt wird, daß die kontrollierenden staatlichen Gerichte sich nicht damit zu befassen haben, auf Grund welcher Rechtsanwendungsanweisungen das Schiedsgericht vorgegangen ist, so wird im allgemeinen kein um Vollstreckung angegangener Staat darauf verzichten zu prüfen, ob das von den angewendeten Sachnormen getragene Ergebnis kraß von dem Ergebnis abweicht, zu dem ein staatliches Gericht des um Anerkennung und Vollstreckung ersuchten Staates bei Anwendung des eigenen staatlichen Rechts gekommen wäre. Hier mag allerdings, bevor die Anerkennung des Schiedsspruches mit Hilfe der ordre public-Klausel abgelehnt wird, eine intensivere Binnenbeziehung gefordert werden, als wenn es sich um die Anwendung der ordre public-Klausel gegenüber Sprüchen solcher Schiedsgerichte handelt, die Ersatz für das nationale Gericht eines bestimmten anderen Staates sein sollten. Verpflichten sich mehrere Staaten durch Vertrag, oder erklären sie sich freiwillig dazu bereit, in heterogen verknüpften Streitigkeiten die Sprüche solcher Schiedsgerichte anzuerkennen, die gemäß den ihnen gegebenen Rechtsanwendungsanweisungen der Parteien nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder nach Billigkeit entscheiden durften und entschieden haben, so entfällt damit eine Verweigerung der Anerkennung mit der Begründung, das Schiedsgericht habe ein anderes Recht zur Anwendung gebracht, als das staatliche Gericht des vollstreckenden Staates hätte anwenden müssen. Die Anwendung der ordre publicKlausel auch gegenüber dem materiellen Ergebnis einer Billigkeitsentscheidung ist damit aber nicht ausgeschlossen.
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§7
Ordre public-Klausel im deutschen internationalen Privatrecht
Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Die ordre public-Klausel ist in Art. 30 EGBGB als Bestandteil des positiven Rechts bestätigt worden. Die Fassung des Gesetzes stellt nicht auf die krasse Abweichung des ausländischen vom deutschen Recht ab, sondern will die richterliche Anwendung von solchen ausländischen Rechtssätzen verbieten, die gegen die „guten Sitten" oder den „Zweck eines deutschen Gesetzes" verstoßen. Rechtsprechung und Wissenschaft haben erkannt, daß damit die Absicht des Gesetzgebers nicht richtig ausgedrückt ist. Der Gesetzgeber wollte zum Ausdruck bringen, daß inländische Vorschriften, bei denen die Wertung durch den Gesetzgeber zugleich eine sittliche Wertung ist, als besonders empfindlich dagegen zu behandeln seien, daß in heterogen verknüpften Fällen abweichendes ausländisches Recht zur Anwendung gebracht wird; es sollte aber dem ausländischen Gesetzgeber nicht der Vorwurf der Förderung schlechter Sitten oder der Unsittlichkeit gemacht werden. Man hat auch eingesehen, daß dort, wo der Zweck eines deutschen Gesetzes durch Nichtanwendung in bestimmten heterogen verknüpften Situationen gefährdet wäre, das deutsche Gesetz entweder schon vom Gesetzgeber oder durch die Rechtsprechung unter Verwendung der positiven ordre public-Klausel anwendbar gemacht wird, und damit ohnehin die Anwendung ausländischen Rechts entfällt. Die Rechtsprechung hat es nicht gewagt, offen auszusprechen, daß das entscheidende Kriterium bei der negativen ordre public-Klausel in der als zu kraß empfundenen Abweichung des ausländischen Rechtssatzes vom deutschen Recht besteht, sondern hat sich immer wieder darauf kapriziert, anstelle des Gesetzestextes diejenigen Merkmale der Rechtssätze der lex fori zu beschreiben, die unterstelltermaßen besonders empfindlich gegen Abweichungen sind. Die von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Formulierungen decken indes unzweifelhaft zahlreiche Fälle nicht, in denen auch von den obersten Gerichten die Anwendung eines einzelnen ausländischen Rechtssatzes tatsächlich nur wegen der als unerträglich empfundenen inhaltlichen Abweichung vom deutschen Recht abgelehnt wurde 8 5 . Unter dem Grundgesetz wurde die Frage unvermeidlich, wann in denjenigen Fällen, in denen der Inhalt eines über eine Zuweisungsnorm berufenen ausländischen Rechtssatzes als Inhalt eines deutschen Gesetzes „verfassungswidrig", insbesondere grundrechtsverletzend wäre, so daß das Gesetz vom Bundesverfassungsgericht oder als vorkonstitutionelles Recht schon von den ordentlichen Gerichten „verworfen" werden müßte, die Anwendung des ausländischen Rechtssatzes über die ordre public-Klausel ausgeschlossen ist; hierauf wird in anderem Zusammenhang noch zurückgekommen 8 6 . Darin, daß in den oben erwähnten Fällen als Ersatzrecht für das vermittels der ordre public-Klausel ausgeschaltete ausländische Recht nicht sogleich die lex fori, sondern die nächstgeeignete Norm des berufenen ausländischen Rechts angewendet werden muß, unterscheidet sich die Haltung der deutschen Rechtsprechung von derjenigen der meisten anderen Länder. d) Außenprivatrechtspolitisch motivierte Stellungnahmen eines Staates zu heterogen verknüpften Sachverhalten Spezialrecht zur Förderung oder Hemmung international verknüpfter Rechtsverhältnisse. Positive ordre public-Klausel. Ignorierung oder Beachtung der außenprivatrechtspolitisch oder mit der positiven ordre public-Klausel begründeten Maßnahmen fremder Staaten zur Anwendung ihres Rechts. 1. Die rechtliche, insbesondere die gesetzliche Regelung homogen verknüpfter Sachverhalte beruht auf einer Bewertung der typischen menschlichen Interessen an der Gestaltung ihrer sozialen Beziehungen; auf Grund dieser Bewertung kommt es meist zu einem gesetzgeberischen „Ausgleich" entgegengesetzter, aber „grundsätzlich" vom Gesetzgeber 86
Außenprivatrechtspolitik
§7
anerkannter Interessen; insoweit ein typisches Interesse gegenüber entgegengesetzten typischen Interessen durch den Gesetzgeber bevorzugt wird, spricht man meist von einem „Schutz" dieses Interesses durch den Gesetzgeber. In den Bestimmungen über den Kaufvertrag will beispielsweise der Gesetzgeber zwischen den typischen Interessen derjenigen, die als Warenverkäufer und Gläubiger des Kaufpreises auftreten, und den typischen entgegengesetzten Interessen derjenigen, die Waren abnehmen und Kaufpreisschuldner sind, einen gerechten Ausgleich herstellen; in den Bestimmungen über den unlauteren Wettbewerb will er einen Ausgleich zwischen den typischen Interessen derjenigen Wettbewerber herstellen, die in ihren Werbemethoden rücksichtsvoll bzw. weniger rücksichtsvoll sind, und will evtl. zugleich die Interessen Dritter vorwiegend gegenüber den Interessen rücksichtsloser Wettbewerber „schützen". In den Bestimmungen über Kartelle wird vorwiegend ein Schutz Dritter, nämlich der potentiellen Vertragspartner der einzelnen Kartellteilnehmer, vor den Folgen wettbewerbshemmender Absprachen unter Wettbewerbern angestrebt. Wären die Maßstäbe der Bewertung typischer Interessen in allen Ländern dieselben, so könnten sich die Inlandsrechte immer noch in der Technik des Schutzes der vom Gesetzgeber bevorzugten Interessen unterscheiden. Sie unterscheiden sich aber vielfach gerade dadurch, daß die Wertmaßstäbe der nationalen Gesetzgeber verschieden sind. Wenn trotzdem der Koexistenz gleichberechtigter Staaten auch eine Koexistenz ihrer Regelungen für homogen verknüpfte Situationen entspricht, und wenn alle Staaten sich darüber einig sind, daß für heterogen verknüpfte Situationen weder absolute Rechtlosigkeit gelten, noch daß jeder beteiligte Staat einfach sein Inlandsrecht auf sie anwenden lassen soll, sondern daß die an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen eine rechtliche Behandlung erfahren sollen, die derjenigen gleichwertig ist, welche durch alle Privatrechte insgesamt „im Schnitt" den homogen verknüpften Situationen zuteil wird, so ergibt sich eben daraus das oben dargestellte Idealziel einer paritätischen Aufteilung der heterogen verknüpften Situationen unter die verschiedenen staatlichen Inlandsrechte. Daß die Gleichheitsidee zugleich einerseits die Schaffung von Spezialrecht für typisch anationale Situationen, andererseits in jedem Forumstaat die Verweigerung der Anwendung des vom eigenen Recht kraß abweichenden ausländischen Rechts rechtfertigt, wurde ebenfalls bereits dargelegt. Die Motive der staatlichen Gesetzgeber bei der Regelung heterogen verknüpfter Sachverhalte beschränken sich aber nicht auf die Durchführung dieser von der Gleichheitsidee abgeleiteten Postulate. Daß jeder Staat auch bei Achtung der Koexistenz einer Mehrheit von Staaten „Außenpolitik" im weitesten Sinne betreiben darf und betreibt, hat Auswirkungen auch im internationalen Privatrecht. Es kann zu internationalprivatrechtlichen Regelungen eines Staates kommen, die nur als Mittel seiner Außenpolitik, insbesondere seiner Au&enwirtschaftspolitik, zu verstehen sind, deren Erlaß also selbst eine Maßnahme der Außenprivatrechtspolitik ist. 2. Die für die Gesetzgebung maßgebenden Kräfte im Staat können z. B. ein als „Staatsinteresse" oder „nationales" Interesse ausgegebenes Interesse daran haben, die Entstehung heterogen verknüpfter menschlicher Kontakte zwischen „ihrem" Staat und dem Ausland, oder nur bestimmten anderen Staaten, zu hemmen. Die Folge sind in erster Linie Einreiseund Ausreiseverbote oder -erschwerungen, sowie Verbote und Erschwerungen des Imports und Exports von Waren und Geldmitteln usw. Der Wunsch, grenzüberschreitende Kontakte der Menschen zu hemmen, kann aber auch zu „einseitigem" einzelstaatlichem Spezialprivatrecht führen, das sich durch diese Zielsetzung von dem früher erwähnten Spezialrecht für anationale Situationen87 unterscheidet, welches ja nicht den von ihm erfaßten zwischenstaatlichen Rechtsverkehr hemmen will, oder solchem Spezialrecht, das möglichst international uniform sein soll. Spezialrecht eines einzelnen Staates zur Hem87
§7
Staatsinteressen am internationalen Wirtschaftsverkehr
mung von rechtlichen Konktakten mit Inlands- und zugleich Auslandsverknüpfungen besteht häufig in Bestimmungen des zwingenden Rechts, welche das rechtsgültige Zustandekommen heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft, oder bestimmter Arten heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse dieser Art, in Abweichung vom Inlandsrecht unmöglich machen oder erschweren, oder sonstwie die Gewährung von Rechtsschutz für solche Verträge einengen. Denkbar, wenn auch selten, sind Bestimmungen, mit denen ein Staat ein einerseits mit dem Inland, andererseits mit dem Ausland verknüpftes Verhalten, das in homogen verknüpften Situationen frei ist, gesetzlich verbietet und privatrechtliche Ansprüche auf Unterlassung bzw. Schadensersatz schafft. Schließlich kann auch durch gesetzliche Bestimmungen die Verursachung der Entstehung von AuslandsVerknüpfungen verboten werden, nicht zuletzt, weil sie anderen Staaten Veranlassung geben könnte, ihr eigenes Recht anwenden zu wollen 88 . Umgekehrt kann der Gesetzgeber eines Staates auch die Entstehung heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse mit bestimmten Inlandsverknüpfungen besonders fördern wollen. Auch das geschieht meist durch Spezialrecht, in welchem z. B. heterogen verknüpften Verträgen Vertragsinhalte erlaubt werden, die im Inlandsrecht für homogen verknüpfte Kontrakte nicht zulässig sind 89 . 3. Wenn sich die Unzulässigkeit bestimmter Vertragsinhalte oder bestimmter Wege zur Begründung von Rechtsverhältnissen durch Rechtsgeschäft im Inlandsrecht zumeist daraus erklärt, daß entweder Dritte vor den für sie nachteiligen Folgen solcher Verträge (z. B. Kartellabmachungen) „geschützt" werden sollen, oder daß die eine oder die andere Vertragspartei vor eigenem Leichtsinn geschützt und von der Eingehung eines Vertrages abgehalten werden soll, so liegt gerade in einer Zulassung solcher Verträge durch Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen eine von der gesetzgeberischen Bewertung im homogen verknüpften Bereich abweichende Art der Bewertung der typischen Interessen in dem betroffenen heterogen verknüpften Bereich. Diese abweichende Bewertung wirkt sich vielfach letztlich zugunsten eines mit dem Inland verknüpften Kreises von Privatrechtssubjekten aus; die von der „normalen" Bewertung durch das Inlandsrecht abweichende Bevorzugung der Interessen dieses Personenkreises wird dann eben vom Gesetzgeber damit gerechtfertigt, daß hiermit zugleich ein „Staatsinteresse" gefördert werde. Es kann sogar sein, daß die Machthaber im Staat das „staatliche Interesse" ihres Staates daran fördern wollen, daß bei der Bildung einer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Situationen in Abweichung von dem Ausgleich, der im Inlandsrecht zwischen den typischen Interessen der Parteien gebildet wird, jeweils die Interessen der mit dem Inland verknüpften Partei gegenüber den Interessen der auslandsverknüpften Partei bevorzugt werden. Das würde in krassester Weise zutage treten, wenn ein Staat etwa bestimmen würde, daß auf Kaufverträge zum Import oder Export von Waren in dieses Land bzw. aus diesem Land weder das Inlandsrecht dieses Staates, noch das Inlandsrecht eines anderen Staates angewendet werden soll, sondern daß spezielle Kaufgesetze dieses Landes mit zwingenden Bestimmungen zur Anwendung gelangen, von denen das für Importgeschäfte ausgesprochen käuferfreundlich, das für Exportgeschäfte ausgesprochen verkäuferfreundlich ist. Derartiges ist sicher im positiven Recht selten; weniger selten ist es schon, daß ein Staat Kartelle, wenn alle Verknüpfungen zum Inland hingehen, durch gesetzgeberische Bestrebungen hemmt, daß er Kartelle ausländischer Importeure durch die gleichen (oder eventuell noch strengere) Vorschriften treffen will, während er Exportkartelle inländischer Kaufleute zuläßt. Eine im Staatsinteresse des eigenen Staates liegende Förderung des Interesses derjenigen Partei an einem Rechtsverhältnis, welche persönlich mit diesem Staat durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz (eventuell auch sonstwie) verknüpft ist, während dies bei der anderen Partei nicht der Fall ist, erfolgt im internationalen Privatrecht unter Umständen 88
Vom Normzweck bestimmter Normanwendungsbereich
§7
auch durch Rechtsanwendungsanweisungen, mit denen eine alternative Zuweisung an das eigene Inlandsrecht und an ausländisches Recht erfolgt, und zwar mit der Maßgabe, daß vor den inländischen Gerichten dasjenige Recht zum Zuge kommen soll, welches der mit dem Inland (durch Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder sonstwie) verknüpften Partei günstiger ist. Daß in jedem Staat generell das eigene Inlandsrecht anstelle des durch eine Zuweisungsnorm berufenen ausländischen Rechts dann anzuwenden sei, wenn es sich mehr zugunsten der mit dem Forumstaat persönlich verknüpften Partei auswirkt, wird wohl nirgendwo als eine brauchbare allgemeine Leitlinie für die Gestaltung des internationalen Privatrechts akzeptiert 90 . Es sind bloß bestimmte, insbesondere gewisse wirtschaftspolitisch motivierte Rechtssätze, bei deren Erlaß die Machthaber im Staat es als nationales Anliegen betrachten, daß gerade das typische Interesse der inlandsverknüpften Partei bei der Gestaltung eines internationalen Privatrechts begünstigt wird. Wo der Gesetzgeber umgekehrt das „Staatsinteresse" darin sieht, daß zwischenstaatliche Privatrechtsbeziehungen gehemmt werden sollen, müssen die gesetzlichen Spezialregelungen meist so gestaltet sein, daß vor allem den inlandsverknüpften Rechtssubjekten die Begründung solcher Beziehungen unattraktiv gemacht wird. Unter Umständen erfolgt eine als Förderung eines Staatsinteresses begründete Begünstigung der inlandsverknüpften Partei versteckt in bilateralen Zuweisungsnormen. Das ist vor allem dort möglich, wo die Inländer vorwiegend nur in einer bestimmten Rolle an gewissen Verträgen des internationalen Wirtschaftsverkehrs beteiligt sind: Wenn ein Land keine eigene Handelsflotte hat, und Importe und Exporte über See vorwiegend durch fremde Schiffe erfolgen, so sind Inländer an Transportverträgen eben nur als Verfrachter oder Empfänger von Frachtgut, nicht aber als Frachtführer beteiligt. Dann kann ein solcher Staat ein Inlandsrecht erlassen, in dem vor allem die Interessen des Befrachters durch zwingende Bestimmungen gegenüber den entgegengesetzen Interessen des Frachtführers „geschützt" werden, und kann z. B. für dieses eigene Recht Anwendung auf alle Seefrachtverträge von und nach diesem Land beanspruchen. Ist es so, daß im Seehandelsverkehr dieses Landes die Schiffe, welche Rohstoffe einführen, nur zum geringen Teil wieder mit Exportgütern beladen abgehen, so kann der Staat unter Umständen sogar in einer paritätischen bilateralen Kollisionsnorm die Anwendung seines verfrachterfreundlichen Rechts auf die Transporte nach seinen Häfen beschränken und doch auf diese Weise letztlich gerade inlandsverknüpfte Parteien bei der Bestimmung des auf Seefrachtverträge anwendbaren Rechts bevorzugen 91 . 4. Eine andere Art politisch motivierter Gestaltung des internationalen Privatrechts geht von der — möglicherweise objektiv zutreffenden, möglicherweise auch nicht zutreffenden — Vorstellung des staatlichen Gesetzgebers aus, die Erreichung des mit einem bestimmten einzelnen (meist zwingenden) Rechtssatz des Inlandsrechts angestrebten Ziels sei gefährdet, wenn dieser Rechtssatz außer im homogen verknüpften Bereich nicht auch beim Vorliegen bestimmter Inlandsverknüpfungen, oder gar möglichst breit im heterogen verknüpften Bereich zur Anwendung gebracht wird. Aus dieser Erwägung erklärt es sich, daß ein staatlicher Gesetzgeber nicht selten nur für einzelne Sätze seines zwingenden Rechts über Rechtsgeschäfte den Anwendungsbereich unabhängig von den paritätischen Zuweisungsnormen, die er sonst generell für vertraglich begründete Rechtsverhältnisse verwendet, und zwar oft alternativ mit Hilfe mehrerer Anknüpfungsmomente, gesondert absteckt 92 . In vielen positiven Kollisionsrechten der Staaten wird heute wohl das Bestehen einer Generalklausel anerkannt, welche dem Richter aufgibt, bei allen nicht bereits vom Gesetzgeber selbst mit einem gesonderten Anwendungsbereich versehenen Bestimmungen des zwingenden Rechts zu prüfen, ob die Erreichung des gesetzgeberischen Ziels einer solchen 89
§7
Positive ordre public-Klausel
Bestimmung gefährdet ist, wenn sie nicht im Urheberstaat in einem bestimmten, vielleicht sogar einem möglichst breiten Bereich der heterogen verknüpften Situationen zur Anwendung gebracht wird 93 . Während die Generalklausel des negativen ordre public die Anwendung der auf Grund paritätischer Zuweisungsnormen im Forumstaat berufenen ausländischen Rechtssätze ablehnen läßt, wenn ihr Inhalt kraß vom eigenen Recht des Forumstaates abweicht, wird mit dieser Generalklausel des positiven ordre public, wie sie im folgenden genannt werden soll, einzelnen Bestimmungen des eigenen Inlandsrechts im Urheberstaat unter Umständen ein exzeptionell großer Anwendungsbereich mit Rücksicht auf den, selbstverständlich vom Inhalt des Rechtssatzes untrennbaren, gesetzgeberischen Zweck der einzelnen Bestimmung verschafft. So wie bei der Handhabung der negativen ordre public-Klausel die Tendenz besteht, in einer inhaltlichen Abweichung des berufenen ausländischen Rechtssatzes vom inländischen Recht dann eine untragbare Abweichung zu sehen, wenn es sich bei dem inländischen Rechtssatz um einen Rechtssatz handelt, der nach Ansicht des Gerichts, das die Generalklausel handhabt, besonders empfindlich dagegen ist, daß daneben abweichendes ausländisches Recht zur Anwendung kommt, verschafft auch die Generalklausel des positiven ordre public praktisch den Gerichten ein breites Ermessen, von einzelnen Sätzen des eigenen Rechts zu behaupten, daß das gesetzgeberische Ziel gefährdet sei, wenn gerade dieser Satz nicht in breitestem Umfang auch auf heterogen verknüpfte Sachverhalte angewendet würde. Auch die Ablösung der Generalklausel des negativen ordre public durch spezielle Vorbehaltsklauseln hat ihr Gegenstück bei der Generalklausel des positiven ordre public: Versieht der Gesetzgeber selbst einzelne zwingende Sätze seines Rechts durch eine gesonderte Rechtsanwendungsanweisung mit einem unparitätisch breiten Anwendungsbereich, so ist für das Eingreifen der Generalklausel kein Raum mehr. 5. Während die negative ordre public-Klausel die Frage aufwirft, wie die durch Nichtanwendung des berufenen ausländischen Rechtssatzes entstehende Lücke in der Rechtsordnung des Forumstaates ausgefüllt werden soll, wirft der Umstand, daß ein Staat bei der Gestaltung seines internationalen Privatrechts sich von Motiven seiner nationalen Außenprivatrechtspolitik leiten läßt, die Frage auf, in welchem Umfang derartige Bestimmungen auch im Ausland mit Beachtung rechnen können und sollten. a) Haben zwei Staaten zunächst einmal ein übereinstimmendes System paritätischer Zuweisungsnormen, und läßt einer von ihnen aus Gründen seiner nationalen Außenprivatrechtspolitik innerhalb eines bestimmten Sektors der heterogen verknüpften Situationen die Anwendung des von den paritätischen Zuweisungsnormen berufenen eigenen normalen Inlandsrechts durch Bestimmungen seines Spezialrechts verdrängen, so fragt es sich, ob auch die Gerichte des anderen Staates dieses Spezialrecht dort zur Anwendung bringen sollten, wo sie das normale Inlandsrecht zur Anwendung gebracht haben würden. Wollen z. B. die paritätischen Zuweisungsnormen der Staaten A und B die Gültigkeit heterogen verknüpfter Ehen davon abhängig machen, daß die vom Heimatrecht eines jeden der Verlobten aufgestellten Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen, hat dann der Richter des Staates A auch einen Rechtssatz des Heimatstaates B anzuwenden, wonach — zwecks Hemmung des Zustandekommens national gemischter Ehen — für die Angehörigen dieses Staates, wenn sie Ausländer heiraten wollen, ein höheres Alter notwendig ist, als es in dem normalen Inlandsrecht von B vorgesehen ist? Noch häufiger stellt sich die Frage, ob A einen Rechtssatz des Staates B anwenden lassen sollte, wonach die Staatsangehörigen von B für auslandsverknüphe Ehen einer sonst nicht erforderlichen behördlichen Genehmigung bedürfen, oder wonach ihnen überhaupt Ehen mit Ausländern „verboten", d. h. unmöglich gemacht werden. Hat auch der Staat A Spezialrechtsvorschriften für international gemischte Ehen gebildet, so wird der Richter in diesem Staat zunächst einmal das von seiner paritätischen Zuweisungsnorm berufene Recht des Staates B, insoweit es in solchen 90
Beachtung ausländischer Staatsinteressen
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Spezialbestimmungen besteht, auf eine etwaige krasse Abweichung von seinem eigenen Spezialrecht prüfen und gegebenenfalls auf Grund seiner negativen ordre public-Klausel die Anwendung ablehnen 94 . Hat der Forumstaat A kein eigenes Spezialrecht gebildet, so hat der Richter in A an Hand der Generalklausel des negativen ordre public zu prüfen, ob in A die durch Motive der nationalen Außenprivatrechtspolitik des Urheberstaates B veranlaßte Einführung solcher spezialrechtlichen Bestimmungen, wie sie der Gesetzgeber von B gebildet hat, als „gänzlich undenkbar" anzusehen ist 95 . Die negative ordre public-Klausel steht vor allem der Anwendung solcher spezialrechtlichen Vorschriften im Recht anderer Staaten entgegen, mit denen diese die Interessen der Staatsangehörigen dieser Staaten gegenüber Ausländern — und damit auch gegenüber den Angehörigen des Forumstaates — in heterogen verknüpften Situationen mit Absicht bevorzugen wollten; es kann ja nicht angenommen werden, daß der Forumstaat A selbst Bestimmungen einführen würde, mit denen er die eigenen Staatsangehörigen zum Vorteil von Ausländern benachteiligt. Daher würde man es in einem Forumstaat A sicher ablehnen, das verkäuferfreundliche Spezialrecht, welches ein Staat B für Exportgeschäfte aus B, oder das käuferfeindliche Spezialrecht, welches B für Importgeschäfte anstelle seines normalen Inlandsrecht durch seine Gerichte anwenden läßt 96 , zur Anwendung zu bringen, wenn in A das Recht von B durch eine paritätische Zuweisungsnorm, die nicht auf den Parteiwillen abstellt, zur Anwendung berufen ist. Sind in beiden Staaten ähnliche spezialrechtliche Bestimmungen gebildet worden, bei denen es möglich ist, sie nebeneinander anzuwenden, so ist ein Unterschied zu machen. Wollen beide Länder bestimmte heterogen verknüpfte Geschäfte grundsätzlich einschränken, so kann der Forumstaat den eigenen Spezialrechtssatz und den Spezialrechtssatz des berufenen ausländischen Rechts nebeneinander zur Anwendung bringen lassen: Macht der Forumstaat, und macht das berufene ausländische Eherechtsstatut die Eheschließung eigener Staatsangehöriger mit Ausländern von einer Genehmigung abhängig, so kann die Ehe eines Staatsangehörigen des Forumstaates mit einem Angehörigen des anderen Staates im Forumstaat erst geschlossen werden, wenn den Erfordernissen beider Rechte Genüge getan ist, wenn also die Genehmigungen aus beiden Staaten vorliegen. Will jeder Staat nur solche heterogen verknüpften Geschäfte hemmen, die gerade er als für sich schädlich betrachtet, aber keinesfalls solche, die ihm nützlich und einem anderen Staat schädlich sind, so entfällt die Beachtung der spezialrechtlichen Bestimmungen in dem berufenen ausländischen Recht, auch wenn in der lex fori ähnliche Bestimmungen zu finden sind: Macht jeder der beiden Staaten den Handel mit dem Feind in einem Kriege oder einem kriegsähnlichen Zustand von einer Genehmigung seiner Regierung abhängig, so wird im Forumstaat, wenn die Genehmigung der Regierung des Forumstaates vorliegt, nicht noch nach der Genehmigung in dem anderen Staat, dessen Recht Geschäftsstatut ist, gefragt werden, wenn es sich dabei um den „Feindstaat" handelt. Wird die Anwendung des in einer paritätischen Zuweisungsnorm berufenen ausländischen Spezialrechts mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel des Forumstaates abgelehnt, so ist die entstehende Lücke im allgemeinen mit dem normalen Inlandsrecht des mit seinem Recht berufenen fremden Staates auszufüllen. Andererseits läßt sich nicht sagen, daß dann, wenn der Forumstaat A selbst nicht aus außenprivatrechtspolitischen Motiven Spezialrecht gebildet hat, die Anwendung des vermittels einer paritätischen Kollisionsnorm berufenen Rechts von B stets abzulehnen sei, wenn der Staat B anstelle seines Inlandsrechts Spezialbestimmungen zur Anwendung bringen will, welche die Entstehung heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse hemmen oder fördern wollen: Es kann auch dann im Forumstaat A möglicherweise respektiert werden, daß B als Heimatstaat eigenen eheschließungswilligen Staatsangehörigen die Eheschließung nur mit Genehmigung einer Behörde des Staates B ermöglichen will, oder daß B für 91
§7
Beachtung des ausländischen zwingenden Rechts
gemischte Ehen ein höheres Alter seiner Staatsangehörigen verlangt, oder daß er umgekehrt ein niedrigeres Alter genügen läßt, wenn z. B. die Einführung solcher Bestimmungen im Forumstaat bereits erwogen wird. b) Anders ist die Frage zu beantworten, ob ein Forumstaat in Durchbrechung der Regeln seines Systems paritätischer Zuweisungen spezialrechtliche Bestimmungen eines ausländischen Rechts anwenden sollte, das von den paritätischen Zuweisungsnormen des Forumstaates nicht berufen ist, wenn aber der Urheberstaat jenen Bestimmungen einen Anwendungsbereich verschaffen will, der auch über das hinausgeht, was von dem Urheberstaat normalerweise für sein eigenes Recht in paritätischen Zuweisungsnormen in Anspruch genommen wird. Gegen die Anwendung des aus solchen Gründen anwendungswilligen ausländischen Rechts spricht zunächst die Erwägung, daß ja dann, wenn der Forumstaat A und andere Staaten das auf einen Fall anwendbare Recht mit Hilfe paritätischer Zuweisungsnormen, jedoch unter Verwendung verschiedener Anknüpfungsmomente, bestimmen, und die Zuweisungsnorm des Forumstaates A auf das selbst anwendungswillige Recht B hingeht, das internationale Privatrecht von A die Tatsache ignoriert, daß etwa die Staaten C und D sich darüber einig sind, daß auf den Fall gar nicht das Recht B, sondern das Recht C angewendet werden solle. Anders wäre es nur, wenn der Forumstaat A seine Zuweisung als einen Vorschlag auffassen würde, der bloß dann verbindlich wird, wenn die Mehrheit der anderen beteiligten Staaten gleichlautende Zuweisungen in Vorschlag bringt. Auf der anderen Seite ist zu erwägen, ob nicht dann, wenn der Forumstaat selbst einen entsprechenden Spezialrechtssatz mit gesondert festgelegtem Anwendungsbereich hat, diese „Zuweisungsnorm" zu einer bilateralen Zuweisungsnorm erweitert werden sollte. So könnte z. B. der Forumstaat A die Ehegültigkeitsvoraussetzungen in einer paritätischen Zuweisungsnorm „grundsätzlich" nach dem Wohnsitzrecht beurteilt haben wollen, aber in einer spezialrechtlichen Sachnorm für alle Eheschließungen seiner eigenen Staatsangehörigen mit Ausländern Genehmigungsbedürftigkeit vorsehen. Wenn die Staaten B und C ebenfalls auf die Ehegültigkeit das Wohnsitzrecht anwenden wollen, aber der Staat C für eine Ehe eines in B wohnhaften eigenen Staatsangehörigen mit anderen als den Staatsangehörigen von C eine eigene Genehmigung für erforderlich hält, so könnte diese Bestimmung des Rechtes C auch in A zur Anwendung gebracht werden, obwohl ja hier grundsätzlich das Recht B Ehegültigkeitsstatut sein soll, und dieses Recht seinerseits keine Hindernisse national gemischter Ehen aufstellt. Für eine solche Bevorzugung der durch nationale außenprivatrechtspolitische Ziele des dritten Staates motivierten spezia/rechtlichen Regelung dieses Staates vor einem durch paritätische Zuweisungsnormen berufenen Inlandsrecht im Forumstaat kann u. U. die Erwägung sprechen, daß dies indirekt auch einem eigenen nationalen Interesse des Forumstaates zugute kommt: Befinden sich die Staaten A und B im Kriege mit C, und erläßt B in einem Gesetz über den Handel mit dem Feind eine Bestimmung, wonach die Erfüllung eines Vertrages von Bewohnern des Staates B mit Ausländern, die der Kriegswirtschaft von C vorteilhaft sein würde, unzulässig ist, auch wenn Vertragsstatut das Recht von C, oder das Recht eines neutralen Staates D, oder das Recht des Bundesgenossen A ist, so kann sich die Beachtung des vom Recht B erlassenen spezialrechtlichen Erfüllungsverbots durch ein Gericht im Staat A schon daraus ergeben, daß in Auslegung des Vertragsstatuts die Erfüllung als nachträglich unmöglich geworden zu gelten hat. Dann bleibt immer noch die Frage, ob der von der Erfüllung befreite Schuldner der anderen Vertragspartei Schadensersatz in Geld zu leisten hat. Das wird ein Gericht im Staat B möglicherweise auch verneinen, während es die Gerichte in einem neutralen Staat D vielleicht bejahen würden. Hier kann sich dann das Gericht in A der Haltung des Bundesgenossenstaates B anschließen auf Grund der Erwägung, daß ja die Förderung solcher kriegswirtschaftlichen Maßnahmen des 92
Internationaler ordre public
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Bundesgenossen letztlich auch im nationalen Interesse des Staates A liegt. Dieselbe Erwägung könnte aber auch die Anwendung des Erfüllungsverbots von B in A rechtfertigen, wenn anzunehmen wäre, daß das Erfüllungsverbot nicht schon im Sinne des Vertragsstatuts die Leistung als unmöglich erscheinen läßt. Ob man so weit gehen sollte, mit Hilfe einer Generalklausel den Richter im Forumstaat zu ermächtigen, spezialrechtliche Bestimmungen eines fremden Rechts, deren Anwendungsbereich im Ursprungsstaat von dessen Gesetzgeber auf Grund nationaler außenprivatrechtspolitischer Erwägungen gesondert abgesteckt worden ist, anzuwenden, wenn das betreffende fremde Recht nicht schon auf Grund einer paritätischen Kollisionsnorm berufen ist, aber wenn das Gericht im Forumstaat A glaubt, daß die Anwendung dieser Bestimmung dem eigenen nationalen Interesse des Forumstaates förderlicher ist als ihre Ignorierung — das dürfte allerdings wohl in vielen Ländern heute noch verneint werden. Sicher entfällt die Anwendung der zur Förderung nationaler Interessen des Urheberstaates erlassenen spezialrechtlichen Bestimmungen eines anderen Staates, wenn ihre Zielsetzung mit den eigenen nationalen Interessen des Forumstaates kollidiert: Kein Staat wird das Verbot des Feindhandels in Gesetzen seines Gegners — wenn das Geschäft nicht schon durch eigene Bestimmungen des Forumstaates verboten ist — entgegen dem durch paritätische Kollisionsnormen bestimmten Vertragsstatut zur Anwendung bringen. Ob spezialrechtliche Bestimmungen im Recht eines anderen als des Staates, auf dessen Recht die paritätische Zuweisungsnorm des Forumstaates hingeht, und die der Urheberstaat zunächst aus Gründen eigenen nationalen Interesses erlassen hat, indirekt auch einem nationalen Interesse des Forumstaates zugute kommen, oder ob anzunehmen ist, daß sie das nationale Interesse des Urheberstaates nur zum Schaden des Staatsinteresses des Forumstaates fördern können, darüber können die Auffassungen im Laufe der Zeit wechseln. Begründete man früher die Verweigerung der Anwendung ausländischer Devisengesetze damit, daß der Urheberstaat mit solchen Vorschriften das eigene währungspolitische Interesse stets nur auf Kosten anderer Volkswirtschaften fördern könne, so herrscht heute die Auffassung vor, daß der Ausgleich der Zahlungsbilanzen jedes einzelnen am Weltwirtschaftsverkehr teilnehmenden Landes, und die Anwendung seiner diesem Zweck dienenden Devisengesetze auch im Interesse aller anderen Länder liegen kann. Daher könnte jedenfalls an eine Generalklausel gedacht werden, welche es dem Richter erlaubt, anwendungswillige Spezialrechtssätze aus einem nicht schon von den normalen paritätischen Zuweisungsnormen des Forumstaates erfaßten ausländischen Recht, trotz ihres Ursprungs in der nationalen Außenprivatrechtspolitik des Urheberlandes, dann zur Anwendung zu bringen, wenn solche Sätze — in der Sicht des Forumstaates — einem Interesse der ganzen Völkerrechtsgemeinschaft an der rechtlichen Gestaltung heterogen verknüpfter Beziehungen, also einem ordre public international im eigentlichen Sinne des Wortes, dienen. So mag ein Forumstaat, der selbst Geschäfte über den Export eines im Lande hergestellten Rohstoffs für Rauschmittel ohne Rücksicht auf das — etwa vom Parteiwillen oder Errichtungsort abhängige — Geschäftsstatut durch eine eigene zwingende Bestimmung als genehmigungsbedürftig erklärt und dem Verkaufs- oder Transportvertrag mangels Genehmigung keinen Rechtsschutz zuteil werden läßt, auch bereit sein, die Vorschrift eines anderen Landes anzuwenden, mit welcher etwa der Import bestimmter Medikamente, die auch als Rauschmittel verwendet werden können, genehmigungsbedürftig gemacht und mit der Sanktion der Ungültigkeit des nichtgenehmigten Vertrages versehen wird, auch wenn Geschäftsstatut das Recht eines dritten Landes ist. Es wäre offensichtlich unmöglich, in gesetzlichen Anordnungen jeweils die einzelnen ausländischen Vorschriften zu bezeichnen, die ohne Rücksicht darauf, ob sie bereits von 93
§ 7
Anwendung des einseitig anwendungswilligen ausländischen Rechts
einer abstrakten Zuweisungsnorm im internationalen Privatrecht des Forumstaates erfaßt sind, deshalb von den Gerichten des Forumstaates angewendet werden sollen, weil sie etwas fördern, was in der Sicht des Forumstaates ein „internationales" Anliegen ist. Eine Ermächtigung an den Richter in einer geschriebenen oder ungeschriebenen Generalklausel ist daher unvermeidlich. c) Wieder anders liegen die Dinge, wenn sich im Forumstaat die Frage stellt, ob eine einzelne Bestimmung aus dem Inlandsrecht eines anderen Staates, dessen Recht nicht durch eine paritätische Zuweisungsnorm des Forumstaates zur Anwendung berufen ist, und deren Urheber ihr durch eine gesonderte Zuweisung einen exzeptionellen Anwendungsbereich mit der Begründung verschaffen will, daß sonst die Erreichung des Gesetzeszwecks gefährdet sei, durch die Gerichte des Forumstaates zur Anwendung zu bringen und gegebenenfalls dem durch paritätische Zuweisungsnormen berufenen Recht vorzuziehen ist. Geht die paritätische Zuweisungsnorm auf das Inlandsrecht eines anderen Staates, der selbst sein eigenes Inlandsrecht, und zwar ebenfalls auf Grund einer paritätischen Zuweisungsnorm, jedoch unter Verwendung eines anderen Anknüpfungsmoments, durch seine Gerichte angewendet wissen will, so ist das im allgemeinen kein Grund, um dieses Recht im Forumstaat nicht zur Anwendung zu bringen: Will das deutsche internationale Privatrecht englisches Recht wegen der englischen Staatsangehörigkeit der Partei X, und will das englische internationale Privatrecht das englische Inlandsrecht durch den englischen Richter deshalb angewendet wissen, weil in dem konkreten Fall die Partei Y ihren Wohnsitz in England hat, so ist dies kein Grund, um von der Anwendung des englischen Rechts auf Grund der deutschen Kollisionsnorm in Deutschland abzugehen. Es bestehen daher auch keinerlei Bedenken gegen die Anwendung einer einzelnen Norm des Inlandsrechts eines mit seinem Recht berufenen fremden Staates aus dem Grunde, weil sie im Urheberstaat zwar nicht auf Grund einer paritätischen bilateralen Zuweisungsnorm, wohl aber auf Grund einer einseitigen gesonderten Zuweisungsnorm, als anwendbar gilt. Sollte aber der Forumstaat A eine einzelne Norm aus dem Inlandsrecht eines fremden Staates, welche nicht schon durch die paritätischen Zuweisungsnormen von A erfaßt wird, nicht eventuell auch dann zur Anwendung bringen können, wenn ihr der Urheberstaat durch eine einseitige Zuweisungsnorm einen exzeptionell breiten Anwendungsbereich verschaffen will, und wenn der Forumstaat eine gleichlautende Sachnorm hat, welcher er ebenfalls unabhängig von seinen paritätischen Zuweisungsnormen einen exzeptionellen Anwendungsbereich in einer gesonderten einseitigen Zuweisungsnorm verschafft? Will der Forumstaat A ein eigenes Verbot von Haftungsbeschränkungen des Reeders, weil sonst der gesetzgeberische Zweck dieser Bestimmung seines Inlandsrechts gefährdet erscheint, auch entgegen den Vorschriften des berufenen fremden Vertragsstatuts angewendet wissen, wenn Abgangs- oder Bestimmungshafen im Land A liegen, so ist nicht einzusehen, daß in A ein entsprechendes Verbot des Landes B auf einen Transport etwa zwischen B und C keinesfalls zur Anwendung gebracht werden sollte, falls das Recht B nicht auch das Vertragsstatut stellt. Es liegt vielmehr nahe, daß jeder Staat, der für eine einzelne Bestimmung seines eigenen Inlandsrechts mit Hilfe der positiven ordre public-Klausel, oder einer gesetzgeberischen Spezialisierung dieser Klausel, einen exzeptionellen Anwendungsbereich in Anspruch nimmt, jedenfalls dem Urheber einer inhaltlich gleichen Norm eines fremden Rechts Entsprechendes zugesteht und infolgedessen den fremden Rechtssatz, wenn auch keinesfalls über den selbstgewollten Anwendungsbereich hinaus, zur Anwendung bringen läßt, selbst wenn nicht gesagt werden kann, daß damit ein eigenes nationales Interesse des Forumstaates indirekt gefördert werde, und selbst wenn sich die Anwendung der Bestimmungen des fremden Rechts zum Nachteil einer Partei auswirkt, die persönlich durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz mit dem Forumstaat verknüpft ist. Allerdings sind gewisse Einschränkungen dieses Gedankens angebracht: Die Anwen94
Beachtung ausländischer einseitiger Sonderzuweisungen
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dung des vom Urheberstaat B aus Gründen seines positiven ordre public gesondert angeknüpften ausländischen Rechtssatzes sollte im Forumstaat A wohl unter allen Umständen insofern von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden, als seine Anwendung zugunsten von Staatsangehörigen (oder Bewohnern) des Urheberstaates der Norm (B) abgelehnt wird, wenn der Urheberstaat der Norm die Anwendung der gleichartigen Bestimmungen des Forumstaates (A) für den Fall verweigert, daß sich dies zum Nachteil eines Staatsangehörigen (oder eines Bewohners) von B auswirkt: Verweigert der Staat B die Anwendung eines vom Staat A herrührenden Verbots einer Haftungsbeschränkung des Reeders für Transporte von und nach einem Hafen von A, wenn der Reeder ein Staatsangehöriger von B, der Verfrachter hingegen ein Ausländer ist, so ist das für den Forumstaat A sicher ein Grund, um die Anwendung der entsprechenden Bestimmung des Rechtes B auf einen Transport zwischen B und C dann zu verweigern, wenn weder das Recht von A, noch das Recht von B Vertragsstatut, der Verfrachter Staatsangehöriger von B, und der Reeder Staatsangehöriger von A ist.
Erst recht läßt es sich rechtfertigen, daß in A die Anwendung jenes Rechtssatzes von B verweigert wird, wenn die Gerichte von B dem entsprechenden Rechtssatz von A nicht den entsprechenden Anwendungsbereich zugestehen wollen, den sie jenem Satz des Rechtes B gewähren müssen; die Anwendung des Rechtssatzes von B in A könnte wohl jedenfalls dann verweigert werden, wenn sich dies zum Nachteil eines Staatsangehörigen oder eines Bewohners von A auswirkt. Zu demselben Ergebnis wie die unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit erfolgende Anwendung entsprechender und vom Urheberstaat aus Gründen des ordre public selbständig angeknüpfter ausländischer Rechtssätze könnte u. U. schon die negative ordre public-Klausel führen: Unterstellt man, daß der Gesetzgeber von A seinen Gerichten das eigene Verbot der Haftungsbeschränkung des Reeders unter allen Umständen für homogen verknüpfte Transporte und für heterogen verknüpfte Transporte von und nach A zur Anwendung aufgibt, so schließt das nicht aus, daß der Richter in A das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung im Recht C, wenn dieses Recht als Vertragsstatut berufen ist, als krasse Abweichung betrachtet und dem Satz des Rechtes C, der die Haftungsbeschränkung für wirksam hält, die Anwendung versagt, wenn nur irgendeine Binnenbeziehung zu A besteht; diese Binnenbeziehung kann dann auch etwa in Gestalt der persönlichen Zugehörigkeit des Verfrachters zum Staat A bestehen. Auch bei gesetzlichen Verboten eines bestimmten Verhaltens ist es möglich, daß ein Staat für ein bestimmtes einzelnes Verbot seines eigenen Inlandsrechts mit Rücksicht auf dessen Zweck den Anwendungsbereich breiter absteckt, als es in einer allgemeinen Zuweisungsnorm über „deliktische Ansprüche" vorgesehen ist; dann kann ebenfalls der der eigenen Norm des Forumstaates zugewiesene Anwendungsbereich einer inhaltlich entsprechenden Norm eines anderen Staates zugebilligt werden, wenn auch möglicherweise nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit. Es bleibt die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber des Forumstaates A kein Bedürfnis gesehen hat, in seinem eigenen Inlandsrecht z. B. ein Verbot der Beschränkung der Reederhaftung aufzunehmen, etwa weil es sich um einen Staat ohne Meeresküste, ohne eigene Seehandelsflotte und demgemäß ohne eigenes Seehandelsrecht handelt, daß aber ein Gericht von A vor die Frage gestellt wird, ob es auf einen Seetransportvertrag anstelle des Vertragsstatuts B, dessen Urheber die Beschränkung der Reederhaftung erlaubt hat, das Verbot des Rechtes C zur Anwendung bringen soll, welchem der Gesetzgeber von C einen vom Vertragsstatut unabhängigen Anwendungsbereich — etwa für Transporte von und nach C — verschaffen will. Vor allem wenn dann die eigenen Gerichte von C dessen Verbot der Haftungsbeschränkung auch zugunsten von Staatsangehörigen und Bewohnern des Forumstaates A anwenden müssen, so wäre es unverständlich, wenn die Gerichte von A die Anwendung dieser Bestimmung verweigern sollten. Auf welchem Wege können sie aber 95
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Sonderanknüpfung und Intemationalprivatrechtsverträge
zur Anwendung jener Bestimmung des Rechtes C k o m m e n , zu dem es keine Parallelen im Recht A und keine entsprechenden Bestimmungen im Vertragsstatut B gibt? Auch wenn zu einer einzelnen zwingenden Bestimmung, die sich in einem fremden Recht findet, und welcher der Urheber nach Maßgabe seines positiven ordre public in Durchbrechung paritätischer Zuweisungsnormen einen gesonderten Anwendungsbereich zugewiesen hat, im eigenen Recht des Forumstaates kein Gegenstück vorhanden ist, sollte der Richter im Forumstaat die fremde Bestimmung zur Anwendung bringen können, wenn er der A u f f a s sung ist, daß auch der Forumstaat eine entsprechende Regelung getroffen haben würde, falls das Bedürfnis nach einer solchen Regelung für ihn aktuell geworden w ä r e 9 7 . Die Frage nach der Gegenseitigkeit kann dann nur als Frage nach der hypothetischen Gegenseitigkeit gestellt werden. 6. Wenn die außenpolitischen Maßnahmen der Staaten durch völkerrechtliche Veriträge reguliert werden können, so ist dies selbstverständlich auch bei denjenigen internationalprivatrechtlichen Maßnahmen möglich, mit denen ein Staat nationale Außenprivatrechtspolitik betreibt. Man könnte hier an ein generelles staatsvertragliches Verbot denken, „einseitig" anstelle des eigenen oder fremden Inlandsrechts Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen zu bilden und durch die Gerichte des Urheberstaates anwenden zu lassen, sofern es sich nicht u m vertraglich gebotenes uniformes Spezialrecht oder Spezialrecht für typisch anationale Situationen handelt. Vertragliche Bestimmungen dieser Art sind jedoch im positiven Recht bisher kaum anzutreffen. Macht ein völkerrechtlicher Vertrag die Verwendung bestimmter bilateraler Zuweisungsnormen, die nur auf „ d a s " Recht des einen oder anderen Vertragsstaates hingehen, obligatorisch, so kann die Frage gestellt werden, ob derartige Verweisungen nicht so auszulegen sind, daß sie nur das normale Inlandsrecht der Vertragsstaaten erfassen, und daß sie es ihnen insoweit implizite verbieten, Spezialrecht zu bilden und seine A n w e n d u n g anstelle des Inlandsrechts vorzusehen. D a s ist aber wohl doch im allgemeinen zu verneinen, zumal da die auch in derartigen Verträgen meist anzutreffende negative ordre public-Klausel es jedem Vertragsstaat ermöglicht, in der Bildung von Spezialrecht durch einen anderen Vertragsstaat, dessen Recht der Vertrag als anwendbar bezeichnet, eine krasse Abweichung v o m eigenen Recht zu sehen und die Anwendung dieses Spezialrechts abzulehnen. Daher sind etwa völkerrechtliche Verträge, welche die Bestimmung der materiellen Ehegültigkeitsvoraussetzungen „dem R e c h t " des Heimatstaates überlassen, nicht unbedingt so auszulegen, daß sie z. B. die Beachtung von Erschwerungen oder Erleichterungen des Zustandekommens von Ehen eigener Staatsangehöriger mit Ausländern durch Spezialrecht eines anderen Vertragsstaates hindern würden. Erst recht ist es, wenn mehrere Staaten einen Vertrag über das auf Schuldverhältnisse anwendbare Recht mit paritätischen bilateralen Zuweisungsnormen errichten, den Vertragsstaaten damit nicht verboten, außenwirtschaftspolitisch begründete Spezialrechtssätze zu bilden. D i e Verpflichtung der Vertragsstaaten, beim Vorliegen einer bestimmten Verk n ü p f u n g zu einem Vertragsstaat das „eigene" Recht dieses Vertragsstaates zur Anwendung zu bringen, verpflichtet also diesen Staat nicht, in einem solchen Fall nur die für h o m o g e n verknüpfte Rechtsverhältnisse bestimmten und jeglicher Bezugnahme auf A u s landsverknüpfungen freien Rechtssätze seines Inlandsrechts durch seine Gerichte zur Anwendung bringen zu lassen. Eher finden sich in Verträgen ausdrückliche oder durch Auslegung zu gewinnende Verbote, Spezialrecht zu bilden, welches so gestaltet ist, daß dabei die typischen Interessen eigener Staatsangehöriger (oder eigener Bewohner) zu Lasten der typischen Interessen der anderen Partei, wenn diese Ausländer sind, mehr begünstigt werden als im normalen Inlandsrecht; so wenn etwa ein Staat bestimmen würde, daß bei vertraglich gebotener Anwendbarkeit seines Rechts in seiner Eigenschaft als Wohnsitzrecht auf den Güterstand 96
Sonderanknüpfung und Internationalprivatrechtsverträge
§7
der normale Güterstand des Landes in Gestalt der Gütertrennung dann durch einen spezialrechtlichen Güterstand der Verwaltung und Nutzung des Frauenvermögens durch den Ehemann verdrängt wird, wenn der Ehemann Inländer, die Frau Ausländerin ist 98 . Die in Handels- und Niederlassungsverträgen häufig anzutreffende Inländergleichstellungsklausel kann in Verbindung mit vertraglich gebotenen paritätischen Zuweisungsnormen dahin zu verstehen sein, daß dem zur Regelung einer Frage durch eigenes Recht zuständigen Staat die Bildung und Anwendung von solchen Bestimmungen verboten ist, mit denen auf Grund einer persönlichen Verknüpfung einer Partei zum Inland zugunsten dieser Partei und zu Lasten der anderen Partei eine spezialrechtliche Regelung anstelle des normalen Inlandsrechts tritt. Ein solches Verbot der Diskriminierung zwischen Privatrechtssubjekten an Hand der Staatsangehörigkeit" kann auch eine Regelung als verboten erscheinen lassen, wonach von zwei alternativ berufenen Rechten dasjenige anzuwenden ist, welches der Partei mit der Staatsangehörigkeit des Forumstaates günstiger ist. Ein Verbot der Diskriminierung „nach der Staatsangehörigkeit" hindert aber im Zweifel einen Staat nicht, in einer paritätischen Zuweisungsnorm die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment zu verwenden, und damit die Anwendung der lex fori bei Beteiligung eines Ausländers als Schlüsselperson abzulehnen und zugleich sein Heimatrecht anzuwenden. Wird in einem völkerrechtlichen Vertrag die Bestimmung des auf rechtsgeschäftlich begründete Rechtsverhältnisse anwendbaren Rechts vermittels paritätischer Zuweisungsnormen obligatorisch gemacht, so könnte damit auch eine Verpflichtung verbunden werden, die Bildung und Anwendung von solchem Spezialrecht zu unterlassen, mit dem die Entstehung solcher Rechtsverhältnisse im Vergleich zum Inlandsrecht des betreffenden Staates erschwert oder erleichtert wird, ohne daß dabei eigene Staatsangehörige zu Lasten von Ausländern begünstigt werden; ein stillschweigendes Verbot dieser Art kann aber nicht vermutet werden. Es sind vor allem die Verträge über die Liberalisierung oder die volle Freiheit des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs, aus denen sich Verbote außenwirtschaftspolitischer Maßnahmen, und damit auch der ihnen dienenden internationalprivatrechtlichen Vorschriften, herleiten lassen 100 . Im allgemeinen bedeutet andererseits ein staatsvertragliches Gebot der Verwendung bestimmter paritätischer Zuweisungsnormen, daß ein Vertragsstaat nicht zusätzlich, bzw. mit Vorrang vor dem vertraglich anzuwendenden Recht, auch noch das Recht eines anderen Staates anwenden lassen darf. Ein Vertrag, der die Regelung der Ehegültigkeit dem Heimatrecht der Beteiligten zuweist, schließt aus, daß ein Vertragsstaat eine einzelne anwendungswillige spezialrechtliche Vorschrift über eine bestimmte weitere Ehevoraussetzung etwa aus dem Recht des Wohnsitzstaates — gleich ob dieser Vertragsstaat ist oder nicht — aus irgendwelchen Gründen zur Anwendung bringen läßt. Desgleichen ist es mit dem Gebot der Verwendung bestimmter paritätischer Zuweisungsnormen unvereinbar, daß ein nicht auf diese Weise berufenes Recht mit einer Bestimmung angewendet wird, deren Anwendungsbereich der Urheberstaat mit Hilfe der positiven ordre public-Klausel gesondert absteckt: Hat ein Vertragsstaat die Ehefähigkeit von Ausländern, die auf seinem Gebiet heiraten wollen, nach ihrem Heimatrecht zu beurteilen, so darf er zwar vielleicht mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel in dem Bestehen oder in dem Fehlen eines einzelnen Ehehindernisses in dem berufenen Recht eine krasse Abweichung sehen und die Anwendung des Heimatrechts in dieser Fassung ablehnen; er darf aber nicht etwa von einer im Recht eines dritten Staates anzutreffenden Bestimmung behaupten, daß sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen könne, wenn sie nicht auch mit Vorrang vor dem nach dem Vertrag berufenen Recht auf alle im Inland geschlossenen Ehen, oder auf alle von Personen mit Wohnsitz in dem betreffenden Staat geschlossenen Ehen, angewendet würde. Andererseits ist es selbstverständlich möglich, daß ein völkerrechtlicher Vertrag die Vertragsstaaten verpflichtet, eine in dem Vertrag selbst formulierte zwingende Sachnorm 97
§7
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
als international uniformes Spezialrecht anzuwenden, wenn ein im Vertrag bezeichnetes Anknüpfungsmoment zu irgendeinem der Vertragsstaaten hingeht 101 . Es ist aber auch möglich, daß die Verpflichtung zur Anwendung einer solchen Sachnorm durch die Vertragsstaaten nur dann bestehen soll, wenn derjenige Vertragsstaat, zu dem die maßgebliche Verknüpfung hingeht, ausdrücklich bestimmt hat, daß die betreffende Sachnorm deshalb maßgebend sein soll: Die Unzulässigkeit von bestimmten in einem Staatsvertrag beschriebenen Freizeichnungsklauseln für Seetransporte kann von den Signatarstaaten des Vertrages dann angenommen werden müssen, wenn irgendeiner der Vertragsstaaten Abgangsland oder Bestimmungsland des Transportes ist, oder wenn er das Vertragsstatut stellt; ein Vertrag kann aber auch bestimmen, daß eine vertragliche Verpflichtung zur Anwendung einer zwingenden Norm besteht, wenn ein Vertragsstaat eine solche gesondert angeknüpfte Norm in seinem staatlichen Recht hat; die vertragliche Verpflichtung zur Anwendung durch andere Staaten besteht dann nur in dem Bereich, in dem der Urheberstaat die Bestimmung selbst angewendet wissen will und kann von bestimmten Bedingungen abhängig sein 1 0 2 . In entsprechender Weise kann erst recht von spezialrechtlichen Vorschriften angeordnet werden, daß sie in anderen Vertragsstaaten als dem Urheberstaat dann angewendet werden müssen, wenn sie die im Vertrag vorgesehenen inhaltlichen Eigenschaften haben, und wenn sie von einem der Vertragsstaaten als Spezialrecht mit einem bestimmten Anwendungsbereich erlassen worden sind. In diesem Sinne ist für die Mitgliederstaaten des Internationalen Währungsfonds die Anwendung von gewissen devisenrechtlichen Vorschriften eines anderen Mitgliedstaates obligatorisch 103 , ohne daß die Anwendung in solchen Fällen, wo sie durch den Vertrag nicht geboten ist, als durch den Vertrag verboten zu gelten hätte. Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Die Entwicklung von Spezialrecht, welches bestimmten außenprivatrechtspolitischen Zielen des eigenen Staates dienen soll, ist auch in Deutschland ausschließlich als Sache des Gesetzgebers betrachtet worden; durch Richterrecht sind in Deutschland weder Verbote des Handels mit dem Feind, noch Befreiungen von Kartellverboten für Exportkartelle u. ä. entwickelt worden. Daß ausländischem Spezialrecht, welches den außenprivatrechtspolitischen Zielen anderer Staaten dient, mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel die Anwendung versagt werden kann, wenn es sich zu Lasten deutscher Staatsinteressen auswirkt, gilt als selbstverständlich. Ferner sind spezialrechtliche Bestimmungen im ausländischen Recht stets von der deutschen Rechtsprechung verworfen worden, wenn es als undenkbar gelten müßte, daß eine gleichlautende Bestimmung in einem deutschen Gesetz erlassen werden könnte. Soweit die deutsche Rechtsprechung ausländisches Privatrecht zur Anwendung bringt, geht sie jedoch ohne Bedenken davon aus, daß mit der Verweisung auf das Geschäftsstatut nicht nur die Rechtssätze im Inlandsrecht des betreffenden Staates, sondern auch etwaige in diesem Staat von seinen Gerichten anzuwendende spezialrechtliche Vorschriften erfaßt werden; auch fremdenrechtliche Ehehindernisse im Recht des Heimatstaates von Ausländern sind daher zunächst einmal als berufen betrachtet worden, wenn sie auch meist wieder mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel verworfen worden sind. Da das Kollisionsrecht der Schuldverhältnisse im E G B G B nicht gesetzlich geregelt ist, stand es hier der Rechtsprechung offen, ob sie Regeln über die Anwendung solcher spezialrechtlichen Vorschriften anderer Staaten bilden wollte, die nicht das Geschäftsstatut stellen. Reichsgericht und Bundesgerichtshof haben sich nicht dazu verstehen können, ohne gesetzliche Grundlage — wie sie für das ausländische Devisenrecht im Bretton-Woods-Abkommen gegeben war — spezialrechtliche Sätze im Recht eines fremden Staates, welche der 98
Berücksichtigung der Stellungnahmen anderer Staaten
§7
Gültigkeit bestimmter heterogen verknüpfter Geschäfte im Wege stehen wollen, unmittelbar zur Anwendung zu bringen, sofern sie nicht von dem Staat herrühren, der das Geschäftsstatut stellt. Wohl aber hat man aus der Erwägung, daß ausländische Verbote gewisser Geschäfte des internationalen Verkehrs entweder indirekt auch ein deutsches Staatsinteresse fördern, oder daß sich ähnliche Bestimmungen auch im deutschen Recht finden lassen, die „Sittenwidrigkeit" der dagegen verstoßenden Geschäfte, und damit schließlich Nichtigkeit dieser Geschäfte g e f o l g e r t 1 0 4 . O f f e n geblieben ist es, o b es Sache richterlicher Rechtsschöpfung wäre, die Anwendung von solchem ausländischen Spezialrecht, das nicht vom Geschäftsstatut herrührt, von der Gegenseitigkeit abhängig zu machen. Eine selbständige Zuweisung einer die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts hemmenden N o r m des Inlandsrechts enthält das E G B G B selbst in Art. 13 (3), wonach - abweichend von der grundsätzlichen alternativen Zuweisung der F o r m an das Geschäftsstatut und die lex loci actus — die deutschen Formvorschriften für die Eheschließung bei allen Eheschließungen im Inland allein maßgebend sein sollen, auch wenn die beiden Heimatrechte der Eheschließenden eine andere F o r m genügen lassen oder gar für erforderlich halten. D i e herrschende Meinung steht dem Gedanken, auch einen dem Art. 13 (3) E G B G B entsprechenden anwendungswilligen Satz einer fremden lex loci actus in Deutschland zur Anwendung zu bringen, ziemlich verständnislos gegenüber. T r o t z des Bruchstückcharakters des E G B G B will man in Art. 13 (3) eine eng zu interpretierende Ausnahme von der Grundregel über das Formstatut sehen; einige wollen ohnehin bei der Ehe das Heimatrecht, falls es allein anwendungswillig sein will, der lex loci actus vorziehen. D a über den Anwendungsbereich von zwingenden Sätzen des deutschen Rechts, die sich nicht auf die F o r m , sondern auf den Inhalt pflichtbegründender Geschäfte beziehen, keine gesetzlichen Bestimmungen zu finden sind, war und ist die Rechtsprechung durch das E G B G B nicht gehindert, von einem einzelnen zwingenden Satz des deutschen Rechts anzunehmen, daß er, wenn sich ein gleicher Satz nicht schon in dem durch bilaterale Zuweisungsnormen ermittelten Geschäftsstatut findet, deshalb angewendet werden muß, weil sonst der gesetzgeberische Zweck auch im homogen verknüpften Bereich gefährdet w ä r e 1 0 5 . Eine mit Hilfe der Generalklausel des positiven ordre public gebildete einseitige, v o m Schuldstatut unabhängige „ S o n d e r a n k n ü p f u n g " einzelner Sätze des deutschen Inlandsrechts, vor allem solcher, welche die Gültigkeit von Verträgen mit bestimmten Inhalten (Klauseln) hemmen wollen, dürfte insbesondere für das Arbeitsrecht anerkannt • 106 sein . Angesichts des Art. 7 d e s E W G - V o r e n t w u r f s 1 0 6 a für ein internationales Obligationenrecht wird auch die Anwendung solcher zwingenden Bestimmungen im Inlandsrecht außerdeutscher Staaten, welche ein solcher Staat unter Bezugnahme auf seine positive ordre public-Klausel, unabhängig vom Geschäftsstatut, begehrt, in der deutschen Rechtsprechung nicht mehr auf grundsätzliche Ablehnung stoßen können.
e) Die Berücksichtigung der Stellungnahmen anderer beteiligter Staaten Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Mehrheit der beteiligten Staaten? Unzulässigkeit der Anwendung von ausländischem Recht, das im Urheberstaat nicht anwendbar ist. Berücksichtigung der Rechtslage unter dem im Ausland angewendeten Recht als Faktum. 1. Ein in seiner Tragweite noch vielfältig ungeklärter, und dennoch im Rechtsbewußtsein weitgehend akzeptierter Leitgedanke für die Bildung der Stellungnahme zu heterogen verknüpften Sachverhalten geht dahin, daß der einzelne Forumstaat hierbei die von anderen beteiligten Staaten gebildeten Stellungnahmen nicht — besser: jedenfalls nicht ganz — ignorieren darf. 99
§7
Beachtung der Stellungnahme einer Staatenmehrheit
Ein Anwendungsfall dieses Gedankens wurde bereits erwähnt: Ist ein staatlicher Gesetzgeber bereit, die heterogen verknüpften Sachverhalte im Sinne der Zuweisungsmethode auf das eigene Inlandsrecht und die Inlandsrechte fremder Staaten paritätisch aufzuteilen, so sollte er sich bei der Wahl der maßgeblichen Anknüpfungsmomente in seinen Zuweisungsnormen dem anschließen, worüber die meisten 107 anderen Staaten, die ebenfalls dieses Ziel anstreben, de facto einig sind, um so die Wahrscheinlichkeit internationaler Entscheidungsgleichheit zu vergrößern. Haben die Gerichte des Forumstaates zwar internationale Zuständigkeit zur Streitentscheidung, ist aber die hierfür maßgebliche Inlandsverknüpfung zu schwach, um den betreffenden Staat auch zur Anwendung seines eigenen Rechts zu legitimieren, oder ist sie zu schwach, damit er das anwendbare Recht für einen Zeitpunkt bestimmen könnte, zu dem überhaupt noch keine Verknüpfung zum Forumstaat bestand, so ist eine übereinstimmende, oder mehrheitlich übereinstimmende, Stellungnahme der nächstbeteiligten Staaten, wenn nicht besondere Gründe hiergegen sprechen, bei der Beurteilung der heterogen verknüpften Situation im Forumstaat zugrunde zu legen 108 . Ist es nicht übersehbar, ob eine Mehrheit aller Staaten bei ihren paritätischen Zuweisungsnormen sich bereits für ein bestimmtes Anknüpfungsmoment entschieden hat, so könnte man daran denken, daß jeder als Forumstaat für die Beurteilung eines heterogen verknüpften Rechtsverhältnisses in Frage kommende Staat seine eigene Zuweisungsnorm nur als einen Vorschlag betrachtet, und daß er bereit ist, dasjenige Recht zur Anwendung bringen zu lassen, welches von der Mehrheit der im konkreten Fall beteiligten Staaten in entsprechender Weise „berufen" ist. Zu demselben Ergebnis kann man kommen, indem der Forumstaat die mit Hilfe eines bestimmten Anknüpfungsmoments operierende eigene Zuweisungsnorm aufweicht durch eine Generalklausel, wonach diese Zuweisung nicht maßgebend sein soll, wenn im konkreten Fall eine überwiegende Mehrheit anderer beteiligter Staaten sich über die Anwendbarkeit eines anderen Rechts einig ist, oder wenn die Summe der Verknüpfungen zu einem anderen Staat mit einem anwendungswilligen Recht im Einzelfall als wesentlich gewichtiger erscheint als das von der Zuweisungsnorm des Forumstaates gewählte Anknüpfungsmoment 109 . Nur ein Sonderfall dieses Gedankens ist die folgende Erwägung: Soweit von einem einzelnen anderen Staat auf Grund der zahlreichen im Einzelfall zu ihm hingehenden Verknüpfungen festgestellt werden kann, daß er den von ihm eingenommenen Standpunkt bezüglich des im heterogen verknüpften Bereich zu befolgenden Rechts praktisch allein durchsetzen kann, kann daraus in anderen Staaten die Folgerung gezogen werden, daß sie in einem solchen Fall ihre Gerichte anweisen sollten, überhaupt nicht in der Sache zu entscheiden, oder daß sie jedenfalls dasjenige Recht anwenden lassen sollten, welches der betreffende fremde Staat selbst durch seine Gerichte anwenden läßt; dem ersteren trägt in gewissem Umfang die forum non conveniens-Regel Rechnung 1 1 0 ; der zweite Weg wird beschritten, wenn die Verweisung auf das Recht des im konkreten Fall absolut „stärksten" Staates als Gesamtverweisung gedeutet wird 1 1 1 . 2. Eine andere besonders wichtige Anwendung des Gedankens der Notwendigkeit der Beachtung der Stellungnahme anderer Staaten zu einem heterogenen verknüpften Sachverhalt, dessen rechtliche Beurteilung und damit indirekte „Regelung" im Forumstaat zur Debatte steht, ist das Postulat, das von einem fremden staatlichen Gesetzgeber herrührende Recht dann nicht im Forumstaat auf heterogen verknüpfte Sachverhalte zur Anwendung zu bringen, wenn dies auch in dem Urheberstaat der betreffenden Rechtssätze nicht geschehen würde, ein Postulat, das allerdings nicht ausnahmslos durchgeführt werden kann. Das Postulat, daß der Forumstaat ausländisches Recht auf heterogen verknüpfte Sachverhalte nicht „gegen den Willen" des Urheberstaates zur Anwendung bringen lassen solle, bedeutet nicht etwa, daß der Urheberstaat von Sachnormen seine Rechtsanwendungsanweisungen bezüglich seines eigenen Rechts auch an die Gerichte anderer Staaten richte, und daß sie mit dieser Absicht, jedenfalls mangels eines entschiedenen gegenteiligen Willens des 100
Keine Anwendung fremden Rechts gegen dessen Willen
§7
Rechtsetzers des Forumstaates, für dessen Gerichte beachtlich seien. Das Postulat will nur besagen, daß der Forumstaat das von seinen Rechtsanwendungsanweisungen berufene „ausländische" Recht durch seine Gerichte nicht anwenden lassen sollte, wenn nicht auch die Gerichte des Urheberstaates durch dessen Rechtsanwendungsanweisungen gehalten sind, das betreffende Recht auf den Fall zur Anwendung zu bringen. Dem scheint allerdings zunächst die oben 1 1 2 getroffene Feststellung entgegenzustehen, daß dann, wenn ein Staat durch seine Organe Rechtszwang zur Durchsetzung von Verhaltensnormen ausüben läßt, auch das unter Anwendung von ausländischem Recht geschützte subjektive Recht vom Fommstazt „geschaffen" wird, und nicht von dem Staat, aus dessen Rechtsnormenproduktion die angewendete Norm übernommen wird. Trotzdem steht der Urheberstaat einer Rechtsnorm seinem eigenen Sachrecht insofern näher, als seine Aussage darüber, welcher Anwendungsbereich einer von ihm geschaffenen Norm beim Vorhandensein heterogener Verknüfungen zukommen soll, notwendiger Bestandteil eines jeden Rechtssatzes ist, dessen Urheber erwartet, daß er von dem Adressaten bewußt befolgt wird 113 . Daß ausländisches Recht nicht gegen den Willen seines Urhebers in einem Forumstaat angewendet werden sollte, ist am ehesten verständlich, wenn die Frage, deren Beantwortung von den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates einem ausländischen Recht zugewiesen wird, die Frage danach ist, ob ein bestimmtes Verhalten (Verhalten einschließlich einer Leistung) in Durchbrechung der allgemeinen Verhaltensfreiheit als durch Gesetz oder gesetzlich verbindlich gemachtes Rechtsgeschäft geboten zu gelten hat oder nicht. Trifft die Zuweisung auf das Recht eines Staates, welcher durch seine eigenen Gerichte im heterogen verknüpften Bereich teils sein Inlandsrecht, teils eigenes Spezialrecht anwenden läßt, so ist es ferner wohl unzweifelhaft, daß zunächst einmal das Spezialrecht dieses Staates im Forumstaat keinesfalls auf solche heterogen verknüpften Fälle angewendet werden darf, auf die es der Urheber der betreffenden Rechtssätze nicht selbst angewendet haben will, also wenn nicht diejenige Inlandsverknüpfung zum Urheberstaat und diejenige Auslandsverknüpfung verwirklicht ist, mit welchen der Urheberstaat einer speziellen Sachnorm deren Anwendungsbereich selbst abgesteckt hat 1 1 4 . Daß fremdes Spezialrecht höchstens im Rahmen des von ihm selbst angenommenen Anwendungsbereiches angewendet werden darf, gilt sowohl dann, wenn „das Recht" des betreffenden Staates im Forumstaat durch bilaterale Kollisionsnormen zur Anwendung berufen ist, als auch dann, wenn im Forumstaat eine ausländische Spezialrechtsnorm angewendet werden soll, welcher der Urheberstaat gesondert von seinen paritätischen Zuweisungsnormen aus Gründen seiner Außenprivatrechtspolitik einen Anwendungsbereich zugewiesen hat 1 1 5 . Muß ein Verhaltens- oder Leistungsgebot einem durch paritätische Zuweisungsnormen ermittelten ausländischen Recht entnommen werden, ist aber der Forumstaat bereit, ausnahmsweise auch ein Verhaltensgebot aus dem Inlandsrecht eines dritten Staates zur Anwendung zu bringen, wenn dieser Staat seinen eigenen Gerichten die Anwendung dieser Norm unabhängig von seinen paritätischen Kollisionsnormen durch eine gesonderte Zuweisung aufgibt 116 , so wird der Forumstaat das Verhaltensgebot des dritten Staates keinesfalls außerhalb des vom Urheber gewählten Anwendungsbereiches anwenden lassen. Ist das fragliche Verhalten im Inlandsrecht des Forumstaates frei, im Inlandsrecht eines anderen Staates hingegen durch ein Verhaltensgebot erfaßt, so wird der Richter im Forumstaat keinen Grund haben, ein Verhalten dem fremden Verhaltensgebot zu unterstellen, und bei Zuwiderhandlung Unterlassungsurteile oder Schadensersatzurteile zu erlassen, wenn das Verhalten einerseits vom eigenen Inlandsrecht des Forumstaates nicht erfaßt wird, weil die dort maßgebliche Verknüpfung A nicht zum Forumstaat hingeht, und wenn das Verhalten auch nicht vom Recht des Staates X, in dem das Anknüpfungsmoment A verwirklicht ist, erfaßt wird, weil die Verknüpfung B, auf welche die Zuweisungsnorm des Kollisionsrechts von X abstellt, nicht zum Staat X hingeht. 101
§7
Oasen des freien Handelns
Ist ein Verhalten im Inlandsrecht des Forumstaates F geboten, im Inlandsrecht des im Forumstaat F mit seinem Recht berufenen Staates X hingegen verboten, und wird das konkrete Verhalten vom Recht F nicht erfaßt, weil das in F maßgebliche Anknüpfungsmoment nicht nach F hingeht, und wird es auch nicht vom Recht X erfaßt, weil das nach dem Kollisionsrecht von X maßgebliche Anknüpfungsmoment seinerseits nicht nach X hingeht, so wird der Richter keinesfalls hier das Verbot des Rechtes X gegen dessen Willen zur Anwendung bringen, sondern wird das Verhalten einfach als frei betrachten. Ist ein bestimmtes Verhalten im Inlandsrecht von F durch ein Gebot geregelt, im Inlandsrecht von X hingegen frei, und geht das in der Zuweisungsnorm von F bezeichnete Anknüpfungsmoment nach X, will aber das Recht von X selbst nicht angewendet werden, so hat der Richter in F das konkrete Verhalten nicht durch Anwendung des Rechtes X, sondern deshalb als frei zu behandeln, weil es von keiner staatlichen freiheitsbeschränkenden Regelung erfaßt wird. Das ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn man in F der Anwendung des Rechtes X, wonach das Verhalten frei ist, keine Hindernisse in den Weg gelegt hätte, wenn der Staat X sein Recht wegen einer zu X hinführenden Verknüpfung selbst hätte angewendet wissen wollen. Problematisch erscheint erst der Fall, daß ein bestimmtes Verhalten im Inlandsrecht von F und X in gleicher Weise (durch Gebot oder Verbot) geregelt ist, und daß weder F noch X diese Bestimmung ihres eigenen Rechts angewendet wissen wollen, weil jedes der verschiedenen von ihnen in einer bilateralen Zuweisungsnorm verwendeten Anknüpfungsmomente jeweils nicht zum eigenen Staat hinführt. Ob dann das Verhalten im Forumstaat als frei zu behandeln ist, darauf kann eine Antwort wohl erst gegeben werden, nachdem zuvor eine andere Möglichkeit geprüft worden ist: Es kann sein, daß der Staat F die Anwendbarkeit seiner eigenen freiheitsbeschränkenden Verhaltensregelung davon abhängig macht, daß eine bestimmte Verknüpfung A zum Inland F hingeht, während der Staat X für sein inhaltlich übereinstimmendes Verhaltensgebot das Anknüpfungsmoment B verwendet; zugleich können beide Staaten übereinstimmend — nämlich in einer Spezialnorm — bestimmen, daß das fragliche Verhalten, wenn in X die Verknüpfung A zum Inland, die Verknüpfung B hingegen zum Ausland geht, und wenn in X die Verknüpfung B zum Inland, die Verknüpfung A hingegen zum Ausland geht, in Abweichung vom normalen Inlandsrecht erlaubt sein soll. Dann wird der Richter in F nicht die geringste Veranlassung haben, auf den konkreten Fall, in dem die Verknüpfung A nach X, die Verknüpfung B hingegen nach F oder einem dritten Staat hingeht, die freiheitsbeschränkende Verhaltensregelung des Inlandsrechts von X gegen den Willen des Gesetzgebers von X anzuwenden; vielmehr wird er die Spezialregelung des Rechtes X , wonach das Verhalten in diesem Fall frei sein soll, anwenden, so wie er die gleichlautende Spezialnorm von F ohne weiteres zur Anwendung bringen muß, wenn die Verknüpfung A nach F, die Verknüpfung B hingegen nach dem Ausland geht: Haben die Staaten F und X z. B. in ihrem Inlandsrecht ein Kartellverbot, erklärt aber jeder von ihnen Kartelle für den Export aus dem Inland als frei, so wird er auch auf Exportkartelle des anderen Staates (sofern sie nicht als Importkartelle unter das eigene Kartellverbot fallen) keinesfalls das Kartellverbot des Inlandsrechts des fremden Staates gegen dessen Willen zur Anwendung bringen. Für den umgekehrten Fall, daß ein Verhalten im Inlandsrecht beider Staaten frei ist, daß jeder Staat das eigene Recht mit Hilfe paritätischer Zuweisungsnormen zur Anwendung beruft, daß aber verschiedene Anknüpfungsmomente verwendet werden, und daß jeder Staat überdies in einem bestimmten Sektor der heterogen verknüpften Situationen durch Spezialrecht eine freiheitsbeschränkende Verhaltensregelung trifft, ergibt sich aus dem oben bereits Ausgeführten, daß kein Forumstaat dem ausländischen freiheitsbeschränkenden Spezialrecht einen größeren Anwendungsbereich zubilligen wird als der Urheberstaat es beansprucht. 102
Unerwünschte Verhaltensfreiheit
§7
Keine Schwierigkeiten entstehen selbstverständlich, wenn die nach dem Kollisionsrecht von F maßgebliche Verknüpfung nach F, und zugleich die nach dem Kollisionsrecht von X maßgebliche Verknüpfung nach X geht, und wenn beide Rechte in ihren Inlandsrechten eine übereinstimmende Verhaltensregelung vorsehen; dann wird der Richter in F die Verhaltensregelung dem eigenen Inlandsrecht entnehmen. Unproblematisch ist auch der Fall, daß X in einer paritätischen Zuweisungsnorm das Anknüpfungsmoment B verwendet, der Forumstaat hingegen das Anknüpfungsmoment A, daß X keine spezialrechtliche Regelung in Abweichung von seinem Inlandsrecht vorsieht, während F zwar in seinem Inlandsrecht die gleiche Verhaltensregelung hat wie X , aber für den Fall, daß eine Verknüpfung A nach F, eine Verknüpfung B hingegen nach dem Ausland geht, in einer Spezialnorm Verhaltensfreiheit vorsieht; dann ist in einem mit dem Staat F durch die Verknüpfung A, mit dem Staat X durch die Verknüpfung B verbundenen Fall im Forumstaat A eben unter Anwendung der eigenen Spezialnorm von F Verhaltensfreiheit anzunehmen, auch wenn der Richter in X anders entscheiden müßte. Zu denken ist aber auch daran, daß F und X in ihren paritätischen Zuweisungsnormen verschiedene Anknüpfungsmomente verwenden, daß sie in ihren Inlandsrechten übereinstimmende Verhaltensregelungen vorsehen, und daß nur der Staat F für den Fall, daß die maßgebliche Verknüpfung A nach F, und zugleich eine Verknüpfung C zum Ausland hingeht, in einer Spezialnorm Verhaltensfreiheit vorsieht. Auch dann ist nicht zu sehen, warum der Richter in F, wenn das Recht F einen Sachverhalt weder mit seinem Inlandsrecht, noch mit seinem Spezialrecht erfassen will, und wenn das berufene Recht X den Fall infolge des Fehlens der vom Standpunkt des Staates X maßgeblichen Verknüpfung B zum Inland X nicht erfaßt, die freiheitsbeschränkende Verhaltensregelung von X gegen den Willen des Gesetzgebers von X anzuwenden hätte 1 1 7 . Es bleibt die Frage, ob dann, wenn keiner der beiden Staaten ausdrücklich für diejenigen heterogen verknüpften Situationen, die von keiner der mit verschiedenen Anknüpfungsmomenten arbeitenden paritätischen Zuweisungsnormen der übereinstimmenden Verhaltensregelung der beiden Inlandsrechte unterstellt werden, durch Spezialrecht Verhaltensfreiheit vorgesehen hat, angenommen werden kann, daß das Verhalten in diesem Bereich als frei behandelt werden müsse, oder ob dann eine der beiden übereinstimmenden Verhaltensregelungen irgendwie doch zum Zuge kommen muß. Ehe jedoch angenommen wird, daß im Forumstaat die Verhaltensregelung des fremden Rechts diesem entnommen werden soll, obwohl der Urheber der Norm sie gar nicht angewendet wissen möchte, muß die Frage gestellt werden, ob nicht anzunehmen ist, daß für diesen besonderen Fall — gleichlautende Verbote eines bestimmten Verhaltens im Inlandsrecht beider Staaten, verschiedene Anknüpfungsmomente in den paritätischen Zuweisungsnormen beider Staaten, Fehlen einer spezialrechtlichen Regelung in beiden Staaten, welche andersartige Verhaltensregelung oder Verhaltensfreiheit vorsieht — jeder der beiden Staaten eine subsidiäre Zuweisung an sein eigenes Recht bereit hält. Das ist wohl zu bejahen 118 . Bestimmt der fremde Staat, dessen eigenes Recht unter der Voraussetzung der Anwendungswilligkeit im Forumstaat für die Frage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht berufen worden ist, daß in seinem Inlandsrecht vorgesehene Verhaltenspflichten in dem Sektor der heterogen verknüpften Situationen, welche dieser Staat selbst erfassen will, nur dann anzunehmen seien, wenn sich die Verpflichtung auch bei kumulativer Anwendung dieses Inlandsrechts mit einem selbst anwendungswilligen — vielleicht sogar einem nicht selbst anwendungswilligen — ausländischen Recht ergibt, so ist auch diese Beschränkung der Anwendungswilligkeit des berufenen ausländischen Rechts im Forumstaat zu beachten. Die Frage, ob auch eine alternative Verweisung des berufenen Rechts auf ein anderes Recht beachtlich, und die Frage, ob bzw. wann eine Rück- oder Weiterverweisung des 103
§7
Anwendungswilligkeit von Teilfrageregelungen
selbst nicht anwendungswilligen ausländischen Rechts auf ein anderes Recht zu beachten ist, wird in anderem Zusammenhang noch behandelt werden 119 . 3. Während die Frage nach dem Bestehen einer privatrechtlichen Verhaltenspflicht, wenn ihr nicht durch das berufene und selbst anwendungswillige staatliche Recht ausdrücklich eine bejahende oder verneinende Antwort gegeben wird, beim Fehlen eines anwendungswilligen Rechts als verneint gelten kann, ist dies bei anderen Rechtsfragen, nämlich solchen, die nur als Teilfrage für die Hauptfrage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht praktische Bedeutung erhalten 120 , sicher nicht immer möglich: Wird im Zusammenhang mit einer Klage auf Erfüllung einer angeblich durch Vertrag begründeten Verpflichtung ein anwendbares Recht für die Teilfrage gesucht, mit welchem Lebensalter sich jemand durch Rechtsgeschäft gültig verpflichten kann, wird also die Frage nach seiner allgemeinen Geschäftsfähigkeit gestellt, so kann beim Fehlen eines von sich aus mit Rücksicht auf eine Inlandsverknüpfung zum Urheberstaat anwendungswilligen Rechts unmöglich angenommen werden, daß die betreffende natürliche Person von Geburt an allgemein geschäftsfähig sei; erst recht kann nicht angenommen werden, daß sie mangels eines anwendungswilligen Rechts über ihre allgemeine Geschäftsfähigkeit überhaupt keine Rechtsgeschäfte abschließen könne. Allerdings kann schon die Frage nach dem anwendbaren Recht für solche Rechtsfragen, die letztlich nur als Teilfragen für die Hauptfrage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht einen Sinn haben, auch so gefaßt sein, daß beim Fehlen eines anwendungswilligen Rechts auch schon eine Antwort in der Sache vorliegt: Weist eine Rechtsanwendungsanweisung die Frage, ob zur Begründung eines Adoptionsverhältnisses außer der Zustimmung des Adoptierenden und des zu Adoptierenden (oder seines Vertreters) die Zustimmung eines Elternteils oder gar anderer Verwandter notwendig sei, kumulativ — also „zusätzlich noch" — einem anderen Recht als dem Adoptionsstatut zu, und will das so berufene Recht gar nicht selbst anwendbar sein, so ist es durchaus vertretbar, daß dann die Adoption eben ohne die Zustimmung der betreffenden Person zustande kommen kann, sofern nur die Voraussetzungen des eigentlichen Adoptionsstatuts erfüllt sind 121 . Die Frage nach dem auf eine Teilfrage für das Bestehen oder den Inhalt einer Verhaltenspflicht anwendbaren Recht kann im Sinne der später noch genauer zu beschreibenden Mosaikmethode 122 durch Rechtsanwendungsanweisungen des jeweiligen Forumstaates gestellt werden. Dasselbe gilt für Fragen nach dem Wechsel des Inhabers eines subjektiven Rechts, Fragen nach dem Wechsel der mit ihrem Vermögen haftenden Rechtssubjekte, sowie für die Frage nach der vorzeitigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses. Eine Teilfrage kann aber im Forumstaat auch erst dadurch auftauchen, daß sie von dem Recht aufgeworfen wird, welches eine Rechtsanwendungsanweisung des Forumstaates in seiner Eigenschaft als Grundstatut für die Hauptfrage nach einer Verhaltenspflicht berufen hat. Bei Verwendung der Grundstatutsmethode 123 wird dann das auf eine vom Grundstatut aufgeworfene Teilfrage anzuwendende Recht unter Verwendung der Zuweisungsnormen des Staates ermittelt, der mit seinem materiellen Recht das Grundstatut stellt. Inwieweit ist nun die Anwendungswilligkeit des so oder so für eine Teilfrage berufenen Rechts beachtlich? Bei alternativer oder kumulativer Zuweisung einer solchen Teilfrage an ein staatliches Recht kann, sobald eines der berufenen Rechte selbst anwendungswillig ist, der Anwendungsunwilligkeit des anderen ohne weiteres auch dann Rechnung getragen werden, auch wenn es unumgänglich ist, auf die Teilfrage im Forumstaat irgendein Recht anzuwenden: Ist die Frage nach der Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts alternativ — d. h. zugunsten der Formgültigkeit — nach dem Geschäftsstatut, nach dem Recht des Errichtungsortes und nach dem gemeinsamen Heimatrecht der Geschäftserrichter zu beurteilen, und will das eine dieser Rechte nicht angewendet werden, während das andere zur Anwendung bereit ist, so kann der Richter im Forumstaat sich auf die Anwendung des letzteren beschränken. 104
Nichtanwendungswilliges ausländisches Recht
§7
Ist nur ein Recht auf Grund einer einfachen Zuweisung für eine Teilfrage berufen, und kann bei Anwendungsunwilligkeit des berufenen Rechts die gestellte Frage nicht schon als verneint gelten, so kann, wenn das von der Zuweisungsnorm berufene Recht selbst nicht angewendet werden will, die Anwendungsunwilligkeit des primär berufenen ausländischen Rechts respektiert werden, wenn auf Grund subsidärer Rechtsanwendungsanweisungen ein anderes selbst anwendungswilliges Recht gefunden werden kann. Dafür, ob eine direkte oder indirekte Zuweisung an ein ausländisches Recht, wenn es sich um das anzuwendende Recht für eine andere Frage als die „globale" Frage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht, sondern um eine Teilfrage handelt, die nicht durch die Nichtanwendungswilligkeit des berufenen Rechts als beantwortet gelten kann, mehr oder weniger subsidiär auch gegen den Willen des berufenen Rechts wirken soll, spielt es eine erhebliche Rolle, vermittels welcher Verknüpfung das anwendungswillige Recht berufen worden ist 1 2 4 : So mag es erträglich erscheinen, wenn die Formvorschriften der lex loci actus gegebenenfalls auch gegen den Willen ihres Urhebers angewendet werden 125 , während man größere Hemmungen haben muß, die Formvorschriften des Geschäftsstatuts gegen dessen Willen zur Anwendung zu bringen. Die Bedenken, ein fremdes staatliches Recht gegen den Willen des Urhebers anzuwenden, sind besonders stark, wenn die Rechtsanwendungsanweisung des Forumstaates die Zuweisung an ein ausländisches Recht vermittels eines (persönlichen) Anknüpfungsmoments vornimmt, dessen Bestehen oder Nichtbestehen gerade wieder vom Recht des berufenen Staates abhängt: Soll das Recht desjenigen Staates angewendet werden, dessen Staatsangehörigkeit eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt besitzt, und wird der Besitz oder Nichtbesitz der Staatsangehörigkeit in einem anderen Staat nach den Staatsangehörigkeitsgesetzen dieses anderen Staates beurteilt, so sollte die Anwendung des Heimatrechts nicht nur entfallen, wenn der Heimatstaat sein Recht deshalb nicht zur Anwendung bringen läßt, weil er seinerseits gar nicht auf die Staatsangehörigkeit abstellt, und das von ihm gewählte Anwendungsmoment nicht zu ihm hingeht, sondern auch, wenn der als Heimatstaat berufene Staat der betreffenden Person den Besitz seiner Staatsangehörigkeit in dem entscheidenden Zeitpunkt ausdrücklich verweigert. Daher ist es abzulehnen, das Personalstatut einer natürlichen Person, die ihre bisherige Staatsangehörigkeit nach dem Recht des bisherigen Heimatstaates verloren hat, und die keine neue Staatsangehörigkeit erworben hat, nach dem früheren Heimatrecht zu beurteilen, falls nicht das Recht dieses Staates auf Grund einer anderen Anknüpfung zu ihm (z. B. Wohnsitz) selbst doch wieder angewendet werden will 126 . Bei Staatenlosen wird in bilateralen Zuweisungsnormen meist auf das Recht des Wohnsitzlandes abgestellt. Sollte aber kein selbst anwendungswilliges Wohnsitzrecht ermittelt werden können, so läßt es sich durchaus vertreten, daß dann auf die Beerbung, wenn auch der Belegenheitsstaat des Nachlasses sein Recht nicht angewendet haben will, überhaupt kein staatliches Recht angewendet, sondern daß der Fall nach Billigkeit entschieden wird. Es entspricht dies der Haltung mancher Mehrrechtsstaaten mit bestimmten Gruppenrechten, wo für solche Personen, die überhaupt keiner Gruppe angehören, falls nicht für sie durch Gesetz ein besonderes Privatrecht geschaffen worden ist, Rechtsfragen, die, wie etwa die Beerbung, nicht schon durch das Fehlen eines anwendungswilligen Gruppenrechts als in bestimmter Weise beantwortet gelten können, nach Billigkeit oder Naturrecht gelöst werden 127 . Zur Anwendung von Sätzen des ausländischen Rechts, die im Urheberstaat nicht zur Anwendung gelangen würden, darf es kommen, wenn die Anwendung eines berufenen und anwendungswilligen ausländischen Rechtssatzes an der negativen ordre public-Klausel scheitert, und wenn die Lücke durch solche Inhalte aus dem berufenen Recht gefüllt werden kann, die einerseits dem ausgeschalteten Rechtssatz noch am nächsten stehen 128 . 105
§7
Die ausländische Stellungnahme als Faktum
4. Ist in den an einem heterogen verknüpften Rechtsverhältnis beteiligten Staaten keine Entscheidungsgleichheit zu erwarten, weil weder die Zuweisungsnormen, noch die Inhalte der auf Grund der verschiedenen Zuweisungsnormen berufenen Sachnormen übereinstimmen, oder weil das über die gemeinsame Zuweisungsnorm berufene Recht im Forumstaat der negativen ordre public-Klausel zum Opfer gefallen ist, und entstehen auf diese Weise Pflichtenkonflikte oder Doppelbelastungen, so schließt dies nicht aus, daß die in einem anderen Staat als dem Forumstaat angenommene Rechtslage, bzw. ihre „sozialen" Auswirkungen, trotz ihrer Abweichung von der Rechtslage unter dem im Forumstaat anwendbaren Recht als ein Faktum nach Maßgabe des im Forumstaat anwendbaren Rechts berücksichtigt wird: Der Umstand, daß das im Forumstaat nach dem dort anwendbaren Recht gebotene Verhalten an dem vorgesehenen Verhaltensort unter Strafe verboten ist und schon deshalb nicht Gegenstand einer privatrechtlichen Verpflichtung sein kann, und daß tatsächlich die konkrete Gefahr einer Bestrafung besteht, kann die Erfüllung der Verhaltenspflicht am vorgesehenen Erfüllungsort als „unmöglich" im Sinne eines anderen, im Forumstaat als Schuldstatut anwendbaren Privatrechts erscheinen lassen. Die Unmöglichkeit kann zur Befreiung des Schuldners führen, es kann aber auch eine Anpassung der Leistungspflicht erfolgen, indem ein anderer Erfüllungsort maßgebend wird. Wenn eine Zahlung im Ausland auf Grund eines zwar dort, aber nicht im Forumstaat zur Anwendung berufenen Rechtssatzes erfolgt ist, so kann die Vermögensminderung bei dem Zahlenden einen Schaden darstellen, der auf Grund eines anderen im Forumstaat anwendbaren Rechts ganz oder teilweise zu ersetzen ist 1 2 9 . Beabsichtigen die Errichter eines heterogen verknüpften Rechtsgeschäfts, ein Rechtsverhältnis zu begründen, das in allen Staaten, oder jedenfalls in bestimmten Staaten Rechtsschutz erwarten kann, und erweist sich das Rechtsverhältnis als ein hinkendes insofern, als Rechtsschutz in einigen Staaten zu erwarten ist, in anderen hingegen nicht (weil nämlich dort ein anderes Recht angewendet wird), so kann der Nichteintritt jener von den Parteien selbst ausdrücklich oder stillschweigend gestellten Bedingung dazu führen, daß das Rechtsverhältnis auch in denjenigen Staaten nicht als entstanden gilt, die zu seinem Schutz bereit wären. Es ist jedoch u. U. möglich, daß das Rechtsgeschäft zweckgerecht so „konvertiert" wird, daß die angestrebte Schutzfähigkeit in allen Staaten gewährleistet ist. Ist zur Begründung eines Rechtsverhältnisses nach der im Forumstaat berufenen lex causae ein Staatsakt erforderlich, dessen Vornahme verweigert werden kann, wenn die zuständige Behörde der Auffassung ist, daß die Begründung des Rechtsverhältnisses für eine bestimmte Partei nicht vorteilhaft, sondern nachteilig ist, so kann auch der Umstand, daß das Zustandekommen des Rechtsverhältnisses in einem anderen Staat nicht anerkannt werden wird, die Verweigerung der Vornahme des Staatsaktes mit der genannten Begründung rechtfertigen, so z. B. bei der gerichtlichen Anordnung oder Bestätigung einer Adoption 1 3 0 . Bei gesetzlichen Verhaltenspflichten, deren Verletzung deliktsrechtliche Ansprüche auslöst, und bei gesetzlichen Unterhaltspflichten kommt es selten vor, daß in spezialrechtlichen Vorschriften das Resultat der Anwendung des im Forumstaat berufenen Inlandsrechts abgewandelt wird, wenn und weil in anderen Staaten eine abweichende Stellungnahme zu erwarten ist. Wohl aber kann auch bei gesetzlichen Verpflichtungen, die das im Forumstaat anwendbare Recht vorsieht, die Gefahr einer Bestrafung im Ausland eine Notstandssituation schaffen, in der die gesetzliche Verhaltenspflicht als suspendiert oder modifiziert g i l t 1 3 0 a . Sind Mittel zum Unterhalt einer bestimmten Person im Ausland an einen anderen als den geleistet worden, an den die Leistungen im Forumstaat hätten erbracht werden müssen, sind aber die Mittel tatsächlich für den Unterhalt des Berechtigten verwendet worden, so stellt auch hier das im Forumstaat berufene materielle Recht
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Beachtung der effektiv gewordenen ausländischen Stellungnahme
§ 7
meist schon einen Behelf zur Verfügung, um eine Verurteilung zur nochmaligen Leistung an denjenigen, der im Forumstaat allein empfangsberechtigt ist, zu verhindern. Ein besonders wichtiger Spezialrechtssatz, welcher die Anwendbarkeit von Recht, das im Inland nicht angewendet wird, durch ausländische Gerichte als Faktum respektiert, geht dahin, daß aus der Entgegennahme der im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebenen Leistung auf Grund einer zwar im Vollstreckungsstaat bestehenden, in anderen Staaten hingegen nicht bestehenden Schuld keine Bereicherungsansprüche entstehen, die in diesen anderen Staaten eingeklagt und beigetrieben werden könnten. Die Verneinung derartiger Bereicherungsansprüche läßt sich ohne weiteres damit rechtfertigen, daß ja sonst auch der andere Staat die zwangsweise Befriedigung des Bereicherungsanspruchs selbst als widerrechtlich betrachten und in Gestalt eines umgekehrten Bereicherungsanspruchs korrigieren könnte. Eine endlose Kette von Verfahren zu solcher Korrektur der abweichenden Beurteilung der Rechtslage durch andere Staaten wäre sinnlos 1 3 1 , 1 3 2 . Es ist allerdings zu bemerken, daß die Rechtsprechung das oben Ausgeführte nicht immer beachtet 133 , und daß gelegentlich sogar besondere Gesetze gemacht werden, um die im Ausland unter dem dort anwendbaren Recht verwirklichte Rechtslage nachträglich im Inland zu korrigieren 134 . Vertretbar ist eine solche Rückgängigmachung des wirtschaftlichen Effekts der auf dem Staatsgebiet eines Staates erfolgten Realisierung dessen, was bei Anwendbarkeit des in diesem Staat berufenen Rechts vorgesehen war, durch die Gerichte eines anderen Staates auf dessen Staatsgebiet wohl nur, wenn der realisierte ausländische Rechtssatz nicht bloß aus einem anderen Recht stammt als dem, der in dem späteren Forumstaat durch dessen internationales Privatrecht berufen war, sondern wenn er inhaltlich in besonders krasser Weise von dem Recht abweicht, das im Forumstaat hätte angewendet werden müssen; selbstverständlich muß auch eine Binnenbeziehung zu dem Staat vorliegen, der die „Korrektur" vornehmen will. Man kann hier von einem korrigierenden ordre public sprechen, um diese besondere Situation von dem negativen und dem positiven ordre public zu unterscheiden. Auch wenn nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates für die Frage nach dem Zustandekommen des Dauerrechtsverhältnisses ein Recht berufen ist, wonach dies verneint werden muß, so sollte doch das vom Standpunkt des anderen Staates her rechtlich bestehende und zugleich durch das Verhalten der Parteien im Ausland effektiv gewordene Dauerrechtsverhältnis unter Umständen auch im Forumstaat beachtet werden. Es ist dies u. a. der Fall, wenn das Bestehen des Dauerrechtsverhältnisses im Forumstaat nur als eine Vorfrage für eine Nachwirkung auf Grund eines im Forumstaat anwendbaren anderen Rechtssatzes von Bedeutung wird. So kann ein Staat jedenfalls für sein eigenes Erbrecht bestimmen, daß dann, wenn die Intestaterbberechtigung durch ein mit familienrechtlichen Wirkungen zu Lebzeiten des Erblassers ausgestattetes Abstammungsverhältnis, oder durch eine Ehe des Erblassers mit einem Erbprätendenten ausgelöst wird, und im konkreten Fall ein solches präjudizielles Rechtsverhältnis — falls über seinen Bestand oder seine persönlichen Wirkungen in diesem Staat als Hauptfrage zu entscheiden wäre — nach dem in diesem Staat anwendbaren Recht nicht anzunehmen ist, die Erbberechtigung doch mit Vorrang vor den Erbrechten entfernterer Verwandter, und insbesondere des Fiskus, dann zu bejahen ist, wenn das präjudizielle Rechtsverhältnis vom Standpunkt eines anderen beteiligten Staates her zu Recht bestanden hat und zu Lebzeiten des Erblassers auch effektiv gewesen ist 1 3 5 . Auf eine solche Lösung braucht natürlich dann nicht zurückgegriffen zu werden, wenn das Erbstatut schon ausdrückliche Bestimmungen enthält, wonach versorgungsbedürftigen Personen, die tatsächlich zu Lebzeiten vom Erblasser wie Mitglieder seiner Familie behandelt wurden, vom Richter Versorgungsansprüche gegen den Nachlaß zugesprochen werden können 1 3 6 . Sodann kann das auf Grund des anwendungswilligen Rechts eines unmittelbar betei107
§7
Geltendes deutsches Recht
ligten Staates von Rechts wegen bestehende und effektiv gewordene Dauerrechtsverhältnis möglicherweise in einem anderen Staat fortgeführt werden, wenn sein Recht infolge eines Wechsels der Verknüpfungen für den Weiterbestand und die inhaltliche Ausgestaltung eines Dauerrechtsverhältnisses nachträglich anwendbar wird, obwohl nach dem Kollisionsrecht dieses Staates ursprünglich auf die Frage nach dem Entstehen des Dauerrechtsverhältnisses ein Recht hätte angewendet werden müssen, wonach das Zustandekommen zu verneinen war: Die Ehe, die nach dem zur Zeit der Eheschließung auf ihre Gültigkeit im Staat A anwendungswilligen Recht A gültig war, die aber nach dem im Staat B anwendungswilligen Recht nicht gültig zustande gekommen ist, und deren gültiges Bestehen im Staat C, zu dem zur Zeit der Eheschließung eine die Anwendung des Rechtes von C legitimierende Verknüpfung nicht bestand, in Ubereinstimmung mit dem Recht B hätte verneint werden müssen, kann, wenn die Ehegatten später das Personalstatut von C erwerben, im Staat C als gültige Ehe mit den Wirkungen des Rechtes C fortgeführt werden, wenn sie in der vorangegangenen Zeit im Sinne des Rechtes A rechtmäßig und zugleich effektiv bestanden hat, insbesondere wenn sie dort als „common law"-Ehe auch neu hätte zustande kommen können 1 3 7 . Wenn ein rechtsgeschäftliches Handeln gemäß den in verschiedenen Forumstaaten anwendbaren Rechten unterschiedliche, aber nicht gerade unvereinbare Rechtswirkungen nach sich zieht, kann es auch für die Auslegung des Rechtsgeschäfts nicht ignoriert werden, ob die Geschäftserrichter nur unter einem ganz bestimmten Recht handeln wollten. Andererseits ist es auf Grund spezialrechtlicher Bestimmungen möglich, aber auch angebracht, Rechtsgeschäfte und Staatsakte, die evident nur „im Sinne" eines bestimmten Rechts errichtet worden sind, durch Umdeutung auch Wirkungen in einem anderen anwendungswilligen Recht auslösen zu lassen, wenn die Stellungnahmen der in zwei verschiedenen Staaten anzuwendenden Rechte zwar nicht gleich, aber doch ähnlich sind. Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Das E G B G B hat mit dem Rückverweisungsartikel (Art. 27) das Hauptinteresse auf die Frage hingezogen, was zu geschehen hat, wenn das berufene ausländische Recht nicht selbst anwendungswillig ist. Darüber ist die Problemstellung, bei welchen Rechtsfragen die Anwendung eines berufenen ausländischen Rechts gegen dessen Willen evtl. tragbar oder gar notwendig ist, in den Hintergrund getreten. Wohl aber ist deutlich gemacht worden, daß der deutsche Gesetzgeber, im Gegensatz etwa zum italienischen, der Anwendungswilligkeit von berufenem ausländischen Recht eine maßgebliche Bedeutung beimißt. In der Rechtsprechung der Obergerichte hat man gelegentlich Hemmungen gehabt, die Entscheidung eines heterogen verknüpften Streitfalles einfach auf die Anwendung der nach deutschem internationalen Privatrecht berufenen Sachnormen zu beschränken, und es zu ignorieren, wie sich die anders lautende Beurteilung der Rechtslage in anderen Ländern dennoch auf die Parteien auswirkt. So hat der Bundesgerichtshof die Anwendung der deutschen Regeln über den unlauteren Wettbewerb auf das Verhalten deutscher Kaufleute im Ausland davon abhängig gemacht, ob die deutschen Kaufleute zugleich auf dem Auslandsmarkt im Wettbewerb mit Nichtdeutschen stehen, und ob für diesen Wettbewerb faktisch allein das von den Gerichten des Marktlandes angewendete Recht maßgebend ist 1 3 8 . Wenn der Bundesgerichtshof der verheirateten Frau das Recht geben will, anstelle des Namens, den sie gemäß dem berufenen und anwendungswilligen Heimatrecht auf jeden Fall im Heimatstaat zu tragen hat, im Wohnsitzstaat einen Namen in der Fassung zu verwenden, wie er nach dem materiellen Recht dieses Wohnsitzlandes lauten würde 1 3 9 , so will es damit sogar dem Faktum Rechnung tragen, daß die öffentliche Meinung im Wohnsitzstaat aus der Fortführung des eigenen Namens durch die verheiratete ausländische Frau den falschen Schluß zieht, daß sie nicht in einer Rechtsehe mit ihrem Mann zusammenlebe. 108
Gegenseitigkeitserfordernis
§7
f) Das Gegenseitigkeitserfordernis 1393 1. Bringt derjenige Staat, welcher durch seine eigenen Gerichte eine bestimmte Sachnorm des eigenen Rechts auf heterogen verknüpfte Sachverhalte anwenden lassen will, nicht zum Ausdruck, daß ihm die erzwingende Anwendung derselben Norm seitens der Gerichte anderer Staaten unerwünscht ist, so wirkt eine erzwingende Anwendung dieser Norm durch ausländische Gerichte, wie früher angedeutet, als Rechtshilfe für den Gesetzgeber des Urheberstaates der „anwendungswilligen" Sachnorm. Wenn sonstige Rechtshilfe — etwa Durchführung von Zeugenvernehmungen, Erteilung von Auskünften über Registereintragungen usw. — vielfach nur unter der Bedingung der Gegenseitigkeit gewährt wird, so hat es seine Berechtigung, wenn die Frage gestellt wird, ob nicht auch Rechtshilfe durch Anwendung von anwendungswilligem ausländischen Recht von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden sollte. Eine Gegenseitigkeitsbedingung für die erzwingende Anwendung ausländischen Rechts ist in der Weise denkbar, daß die in einer paritätischen Zuweisungsnorm des Staates A vorgesehene Anwendung des Rechts eines anderen Staates B im Forumstaat A davon abhängig gemacht wird, daß der Staat B seinerseits für dieselbe Materie ausländisches (d. h. für ihn „ausländisches") Recht, und zwar insbesondere das Recht des Forumstaates, auf Grund einer paritätischen Zuweisungsnorm durch seine Gerichte anwenden läßt, wenn die im internationalen Privatrecht des Forumstaates gewählte Verknüpfung zu diesem hingeht. Ist diese Bedingung nicht erfüllt, und wird deshalb das berufene ausländische Recht im Forumstaat nicht angewendet, so entsteht eine Lücke, die anderswie gefüllt werden muß; das kann im allgemeinen nur durch das eigene Recht des Forumstaates, möglicherweise auch durch das Recht eines dritten Staates, geschehen. Weist z. B. das Kollisionsrecht von A in einer paritätischen Zuweisungsnorm die Regelung der Erbfolge dem Recht des Heimatstaates des Erblassers zu, und will der Staat B sein eigenes Erbrecht bei Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz des Erblassers in B, und nur beim Fehlen von Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in B das Recht anderer Staaten anwenden lassen, so könnte der Staat A auf die unparitätische Gestaltung des Kollisionsrechts von B in der Weise reagieren, daß er auf die Beerbung von Staatsangehörigen von B, die ihren Wohnsitz in A (oder in C) haben, nicht das Recht B, sondern das Recht A (C) zur Anwendung bringen läßt 1 4 0 . Der Gedanke einer Retorsion kann auch eine Rolle spielen gegenüber einem anderen Staat, der zwar paritätische Zuweisungsnormen, aber in diesen ein anderes Anknüpfungsmoment verwendet als der Forumstaat: Stellt A für das anwendbare Erbrecht auf die Staatsangehörigkeit, B auf den Wohnsitz ab, so könnte A hierauf in der Weise reagieren, daß die Anwendung des Rechtes B auf Staatsangehörige von B bei Wohnsitz in A (oder C) durch die Anwendung des Rechtes A (C) ersetzt wird. Dann würde aber auch der Staat B möglicherweise in umgekehrter Art „Retorsion" üben können. Jedenfalls wird mit der Retorsion hier gerade das getan, was der „Gegner" selbst zu tun bereit ist. Derartige Reaktionen auf abweichendes ausländisches Kollisionsrecht werden im allgemeinen andere Staaten nicht zur Änderung ihres Kollisionsrechts veranlassen. Sie sind deshalb, ganz abgesehen davon, daß sie für die betroffenen Parteien die Chance der Entscheidungsgleichheit noch weiter verringern als dies ohnehin der Fall ist, de lege ferenda nicht zu rechtfertigen. Daher wird auch im positiven Recht eine derartige Retorsion, soweit sie überhaupt vorkommt, wohl stets dahin eingeschränkt, daß zwecks Retorsion die Anwendung des im Forumstaat berufenen Rechts des anderen Staates dann, und nur dann, verweigert wird, wenn an dem Rechtsverhältnis einerseits Staatsangehörige des anderen Staates, andererseits Staatsangehörige des Forumstaates beteiligt sind, und die Verdrängung des eigentlich berufenen Rechts durch das Recht des Forumstaates (eventuell auch das eines dritten Staates) sich günstiger für die eigenen Staatsangehörigen des Forumstaates auswirkt als das auslän109
§7
Gegenseitigkeit der Zuweisungsnormen
dische Recht. Wird etwa auf die Beerbung eines Staatsangehörigen von A in B gemäß den Kollisionsnormen von B, anders als in A, nicht das Recht A, sondern das Recht B als Wohnsitzrecht angewendet, so läßt man in A auf die Beerbung eines Staatsangehörigen von B mit Wohnsitz in A, wenn Erbprätendenten Staatsangehörige von A und von B sind, das Recht A oder das Recht B anwenden, je nachdem, was dem Erbprätendenten mit der Staatsangehörigkeit des Forumstaates A günstiger ist 1 4 1 . Aber auch diese Art der Retorsion wird im allgemeinen den Staat B nicht veranlassen, sein internationales Privatrecht zu ändern, und stellt dann eine dauernde diskriminierende Behandlung „unschuldiger" Parteien dar 1 4 2 . Verpflichtet ein völkerrechtlicher Vertrag alle Vertragsstaaten gleichmäßig, in bestimmten Fällen das Recht eines Vertragsstaates anzuwenden, so ist die Gegenseitigkeit von selbst gewährleistet, wenn der Vertrag allseitig befolgt wird. Der Vertrag kann aber die Staaten auch verpflichten, das Recht eines Nichtvertragsstaates anzuwenden, wenn das relevante Anknüpfungsmoment zu einem solchen Staat hingeht, und zwar entweder unter der Bedingung, daß Gegenseitigkeit zugunsten der Staatsangehörigen des Vertragsstaates gewährleistet ist, oder unter der Bedingung, daß auch der Nichtvertragsstaat sein Recht anwendet, oder auch - wie viele der neuen Haager Konventionen - ohne ein Gegenseitigkeitserfordernis 1423 . 2. Anders ist es, wenn der Forumstaat A in Durchbrechung seiner eigenen paritätischen Zuweisungsnormen für eine einzelne Norm seines eigenen Inlandsrechts, welche entweder gesetzliche Verhaltenspflichten begründet oder die Parteiautonomie zur Begründung von Verhaltenspflichten durch Rechtsgeschäft einschränkt, einen exzeptionell breiten Anwendungsbereich in Anspruch nimmt mit der Begründung, daß sonst das Ziel der abstrakten Norm gefährdet sei, und wenn dieser Forumstaat A bereit ist, eine gleichlautende oder entsprechende Regelung eines fremden Rechts B durch seine Gerichte anwenden zu lassen 143 . Hier hat es durchaus einen Sinn, die Anwendung der Norm des Rechtes B im Forumstaat A zu verweigern, wenn der Staat B nicht bereit ist, die entsprechende Norm von A gegebenenfalls auch durch seine Gerichte anwenden zu lassen: Haben die Staaten A und B ein Verbot von Freizeichnungsklauseln im Seetransport, wobei jeder die Anwendung seiner eigenen Bestimmung davon abhängig macht, daß der Bestimmungshafen im Inland liegt, und will jeder dieser Staaten das anwendungswillige eigene Verbot auch dann zur Anwendung bringen, wenn er nicht das Vertragsstatut stellt, so sollte das Gericht in jedem dieser Staaten die Anwendung des entsprechenden Rechtssatzes des anderen Staates jedenfalls zugunsten von Staatsangehörigen dieses anderen Staates dann verweigern können, wenn feststeht, daß der andere Staat zwar sein eigenes Verbot, nicht aber gleichlautende Verbote fremder Staaten, deren Recht nicht Vertrags Statut ist, durch seine Gerichte zur Anwendung bringen läßt 1 4 4 . 3. a) Wieder etwas anders liegen die Dinge, wenn darauf reagiert werden soll, daß ein anderer Staat in seinem, auch im Forumstaat berufenen Recht Bestimmungen hat, in denen absichtlich die Interessen inlandsverknüpfter Parteien vor den Interessen auslandsverknüpfter Parteien bevorzugt werden. Das kann der Fall sein, wenn der Forumstaat A eine „Gesamtverweisung" auf das Recht B hat, und der Staat B in seinen Rechtsanwendungsanweisungen die alternative Berufung von zwei Rechten vorsieht mit der Maßgabe, daß dasjenige Recht anwendbar sein soll, welches der durch Staatsangehörigkeit mit B verknüpften Partei günstiger ist; es kann auch sein, daß der Staat B anstelle seines normalen Inlandsrechts ein die Interessen der Parteien anders bewertendes Spezialrecht dann durch seine Gerichte anwenden läßt, wenn die im Spezialrecht günstiger gestellte Partei seine Staatsangehörigkeit besitzt. Die Reaktion des Forumstaates A auf die erste Art der Diskrimination im Kollisionsrecht des Staates B kann darin bestehen, daß A für den Fall, daß ein Staatsangehöriger von 110
Spezialrecht und Gegenseitigkeit
§7
B und zugleich ein Staatsangehöriger von A an einem heterogen verknüpften Rechtsverhältnis beteiligt sind, ausnahmsweise anstelle des durch einfache paritätische Zuweisungsnormen ermittelten ausländischen Rechts eine alternative Berufung dieses Rechts und der lex fori vorsieht mit der Maßgabe, daß dasjenige Recht vorzuziehen ist, welches den Staatsangehörigen von A günstiger ist. Meist wird man aber in A wohl nur mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel die alternative diskriminierende Zuweisung des Rechtes B ignorieren 1 4 5 . Auf das zugunsten der mit B verknüpften Partei diskriminierende Spezialrecht von B kann der Forumstaat A zunächst ebenfalls wieder mit Hilfe der negativen ordre publicKlausel reagieren, wenn das Recht von B durch eine paritätische Zuweisungsnorm berufen ist; dann wird in A anstelle des diskriminierenden Spezialrechts von B das normale Inlandsrecht von B angewendet werden. Wenn das durch außenprivatrechtspolitische G r ü n d e motivierte Spezialrecht eines anderen als des durch paritätische Zuweisungsnormen berufenen Staates zugunsten der eigenen Staatsangehörigen diskriminiert, so genügt ebenfalls die negative ordre public-Klausel, um die Anwendung dieser diskriminierenden Bestimmung im Forumstaat zu hindern, es sei denn, daß der Forumstaat selbst diskriminierendes Spezialrecht hat. b) Bestimmen zwei Staaten das Recht, welches auf den E r w e r b von absoluten Rechten mit einem auf den jeweiligen Staat beschränkten Wirkungsbereich anwendbar sein soll, in paritätischen Kollisionsnormen, so kann Anlaß zu Retorsion gegeben sein', wenn der eine Staat durch eine fremdenrechtliche Spezialnorm den E r w e r b solcher Rechte auf G r u n d seines eigenen anwendbaren Rechts für Ausländer erschwert, während der andere Staat dies nicht tut. A u c h hier kann der andere Staat zunächst die Anwendung des diskriminierenden ausländischen Spezialrechts selbst mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel ablehnen, doch besteht hierzu meist keine Gelegenheit, und überdies wäre die ablehnende Entscheidung praktisch ohne Wirkung: Ermöglicht der Staat B den Eigentumserwerb an den auf seinem Gebiet belegenen herrenlosen Sachen durch Aneignung, erfordert er aber bei A u s ländern eine besondere Genehmigung, so hätte es keinen praktischen Sinn, wenn der Forumstaat A einen eigenen Staatsangehörigen auch ohne Genehmigung als den Eigentümer der von ihm im Staat B okkupierten Sache betrachten würde. Als eine Retorsion k o m m t es in diesen Fällen in der Weise in Frage, daß der Forumstaat A Staatsangehörigen von B den E r w e r b entsprechender absoluter Rechte für das Staatsgebiet von A ohne Genehmigung verweigert. Führt die Retorsion nicht dazu, daß B seine fremdenrechtlichen diskriminierenden Bestimmungen aufgibt, so kann sie allerdings u. U . den eigenen Staatsinteressen von A nicht entsprechen: Wird den Staatsangehörigen von B der Erwerb von Grundeigentum in A verweigert, weil der Staat B Ausländer vom Erwerb von Grundeigentum in B ausschließt, so kann das zur Folge haben, daß volkswirtschaftlich in A erwünschte Investitionen durch Staatsangehörige von B unterbleiben. Ähnlich kann es sein, wenn die B e r u f u n g von Ausländern auf gesetzliche Verhaltensverbote im Staat B eingeschränkt werden, und wenn der Staat A daraufhin in der Weise reagieren will, daß er den Staatsangehörigen von B die B e r u f u n g auf entsprechende Bestimmungen im Recht A verweigert. A u c h das kann staatspolitisch in A unerwünschte Folgen h a b e n 1 4 6 . 4. a) Bestimmen zwei Staaten das Recht, das auf den Erwerb gewisser subjektiver Rechte anwendbar sein soll, in paritätischen Kollisionsnormen vermittels einer territorialen Verknüpfung (Lage einer Sache, O r t der Vornahme einer Handlung), so kann es so sein, daß nach dem Recht A beim Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes ein subjektives Recht als erworben gilt, während das Recht B entsprechende subjektive Rechte in seiner Privatrechtsordnung überhaupt nicht kennt. D i e Folge ist die, daß Staatsangehörige oder Bewohner von B zwar in A subjektive Rechte erwerben können, während Staatsangehörigen oder Bewohnern von A der E r w e r b entsprechender Rechte in B nicht möglich ist. 111
§7
Gegenseitigkeit bei Monopolrechten
O b w o h l hierin keine offene „Diskrimination nach der Staatsangehörigkeit" zu sehen ist, fühlen sich manche Staaten auch hier zu Gegenmaßnahmen veranlaßt. Diese bestehen darin, daß Angehörige (bzw. Bewohner) des Staates, der vor allem bestimmte M o n o p o l rechte oder bestimmte gesetzliche Verbote von Handlungen nicht kennt, sich in dem Staat, der die betreffende Einrichtung hat, auch wenn die erforderliche territoriale Verknüpfung gegeben ist, nicht auf die G e s e t z e dieses Staates berufen können, o b w o h l sie ihrerseits gegenüber Staatsangehörigen (Bewohnern) dieses Staates durch solche Gesetze verpflichtet s i n d 1 4 7 . Auch hier ist von solchen Retorsionsanordnungen meist nicht zu erwarten, daß der Heimat-(oder Wohnsitz-)staat sein materielles Recht ändert und entsprechende Institutionen einführt. A u c h hier können überdies die Retorsionsmaßnahmen dem öffentlichen Interesse des Staates, der sie trifft, abträglich sein: Wenn Angehörige eines Staates, der selbst keinen Erfinderschutz kennt, auf G r u n d von Retorsionsmaßnahmen eines anderen Staates dort kein Patentrecht erwerben können, so werden auch Erfindergenies mit der Staatsangehörigkeit des ersten Staates sich in diesem anderen Staat nicht als Erfinder betätigen, wenn dieser sie auch am Erwerb seiner Staatsangehörigkeit hindert. b) Gerade auf dem Gebiet der Immaterialgüterrechte spielt der Gedanke der Gegenseitigkeit eine Rolle auch noch in einem anderen Zusammenhang: O b w o h l Monopolrechte zu einem Tun, wie sie Erfindern, Urhebern, Erstbenutzern von Warenzeichen usw. von einer staatlichen Rechtsordnung gewährt werden, stets einen auf das Gebiet des schützenden Staates beschränkten Wirkungsbereich haben, wird zum E r w e r b eines solchen Rechts u. U . nicht gefordert, daß der zu Schützende mit dem schutzwilligen Staat schon persönlich verknüpft ist: Ein Staat kann j e d e m Erfinder auf Antrag ein Patentrecht für das Gebiet dieses Staates geben, ein Staat kann jedem Urheber eines literarischen Werks das M o n o p o l der Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes auf seinem Staatsgebiet verschaffen, ohne Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz im Inland vorauszusetzen. Ein solcher Staat kann aber zunächst einmal, wie vorhin ausgeführt, den Erwerb solcher Monopolrechte durch Ausländer davon abhängig machen, daß der Heimatstaat, wenn er entsprechende Monopolrechte kennt, Angehörige anderer Staaten nicht vom Erwerb solcher Rechte diskriminierend ausschließt. Ordnet ein Staat, der selbst Monopolrechte ohne das Erfordernis einer persönlichen Verknüpfung gewährt, eine automatische Erweiterung der gegebenenfalls von einer Person erstmalig in ihrem Heimatstaat erworbenen Monopolrechte auf das Staatsgebiet des erstgenannten Staates an, so kann auch das wieder von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden, nämlich davon, daß der Heimatstaat dessen, der dort bereits ein M o n o polrecht hat, eine automatische Erweiterung ausländischer Monopolrechte auf sein Gebiet vorsieht (oder jedenfalls auch unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorsieht) 1 4 8 . Von der Gegenseitigkeit kann es auch abhängig gemacht werden, daß Enteignungen von Monopolrechten an Sachen unter A n w e n d u n g der Enteignungsgesetze des enteignenden Staates „anerkannt" werden, sei es beim nachträglichen Wechsel der maßgeblichen Verknüpfung, sei es schon vor einem solchen Wechsel. 5. Von der Frage, o b die Anwendung von eigenem Recht des Forumstaates oder von ausländischem Recht von einer Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden sollte, zu unterscheiden ist die Frage, ob die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen in heterogen verknüpften Sachen von einer Gegenseitigkeit abhängig sein soll. Ist die Anerkennung b z w . Vollstreckung nach dem Recht des Staates, in dem sie begehrt wird, ohnehin davon abhängig, daß das ausländische Gericht auf G r u n d desselben Rechts zu entscheiden hatte und entschieden hat, welches das Gericht des u m Anerkennung ersuchten Staaten anzuwenden gehabt hätte, falls es zuständig gewesen und angerufen worden wäre, so führt das Gegenseitigkeitserfordernis offensichtlich zu einer Verringerung der Rechtsschutzchancen für heterogen verknüpfte subjektive Rechte, wenn in dem u m Anerkennung ersuchten Staat zwar Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen, aber kein zur 112
Gegenseitigkeit bei der Anerkennung von Urteilen
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Sachentscheidung zuständiges Gericht vorhanden ist. Besteht in dem Staat, in dem Anerkennung bzw. Vollstreckung einer ausländischen Gerichtsentscheidung erstrebt wird, ein konkurrierend zuständiges Gericht, so wird durch das Gegenseitigkeitserfordernis der im Ausland unterlegenen Partei eine Chance verschafft, daß das inländische Gericht, wenn es angerufen wird, zu einer anderen Würdigung der Tatsachen kommt als das zuerst entscheidende Gericht. Darin ist keine ungerechtfertigte Andersbehandlung der an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Parteien, verglichen mit den nur an homogen verknüpften Sachverhalten beteiligten Parteien zu sehen, insbesondere wenn man bedenkt, daß, wenn der Kläger ein obsiegendes Leistungsurteil erwirkt hat und in dem anderen Staat vollstrekken lassen will, davon ausgegangen werden kann, daß er in dem Staat, wo geklagt wurde, prozessuale Vorteile für sich erwartete, während dem Verurteilten vielfach die Erhebung einer negativen Feststellungsklage in anderen Staaten unmöglich war. Jedenfalls ist es nicht von vornherein unberechtigt, daß ein Staat, der trotz des Bestehens eines Gerichtsstandes im Inland zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen des zuerst angerufenen ausländischen Gerichts grundsätzlich bereit ist, wenn die Rechtsanwendungsanweisungen beider Staaten übereinstimmen, die Anerkennung und Vollstreckung davon abhängig macht, daß der Urteilsstaat sich gegenüber Urteilen aus diesem ersten Staat entsprechend verhalten würde 1 4 9 . Als Druck auf fremde Staaten würde es allerdings mehr wirken, wenn die Nichtanerkennung ausländischer Urteile wegen fehlender Gegenseitigkeit beschränkt würde auf diejenigen Fälle, in denen ein Staatsangehöriger des Urteilsstaates Anerkennung und Vollstreckung des Urteils im Ausland begehrt. In den anderen Fällen könnte dann das Erfordernis der Gegenseitigkeit entfallen, insbesondere wenn der Urteilsstaat sein eigenes Recht hat anwenden lassen; selbst wenn dasselbe Recht auch in dem um Anerkennung ersuchten Staat hätte angewendet werden müssen, ist die Chance der richtigen Anwendung des eigenen Rechts größer. Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile wird oft davon abhängig gemacht, daß zu dem Urteilsstaat eine Verknüpfung bestand, welche nach den Zuständigkeitsbestimmungen des um Anerkennung ersuchten Staates bei deren analoger Anwendung das entscheidende Gericht auch vom Standpunkt dieses anderen Staates her als „international zuständig" erscheinen läßt, wenn es auch meist nicht erforderlich ist, daß der Urteilsstaat seinerseits die Zuständigkeit seinesGerichts auf dieselbe Verknüpfung gestützt hat. Es ist denkbar, daß ein Staat noch weiter geht und fremde Gerichtsentscheidungen auch dann anerkennen will, wenn die internationale Zuständigkeit nur vom Standpunkt des Urteilsstaates her zu bejahen w a r 1 5 0 ; dann liegt es durchaus wieder nahe, eine entsprechende Haltung des Urteilsstaates zur Gegenseitigkeitsbedingung zu machen. Gegenseitigkeit könnte bezüglich der Zuständigkeit 150 ® 1 in dem Sinne verlangt werden, daß das als erstes angegangene Gericht eines Staates von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch machen darf, wenn ein anderer Staat für sein konkurrierend zuständiges Gericht ausschließliche Zuständigkeit in Anspruch nimmt und bereit ist, einen entsprechenden Anspruch der Gerichte des Forumstaates zu respektieren. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen wirft neue Probleme auf, wenn ein Staat bereit ist, fremde Gerichtsentscheidungen anzuerkennen und zu vollstrecken, auch wenn feststeht, daß ein tatsächlich oder nur hypothetisch zuständiges Gericht des anerkennenden Staates an andere Rechtsanwendungsanweisungen gebunden gewesen wäre. Dann kann der Gleichbehandlung der Parteien zuliebe, also um einseitige Chancen für ein forum Shopping zu verhindern, gefordert werden, daß die im Ausland unterlegene Partei zum mindesten die Möglichkeit hatte, als erste, und wenn auch in Gestalt einer negativen Feststellungsklage, ein Verfahren in dem um Anerkennung ersuchten Staat anhängig zu machen, und daß die daraufhin ergangene Entscheidung in dem anderen Staat anerkannt worden wäre. Ist aller113
§7
Die Feststellung des Bestehens der Gegenseitigkeit
dings das zuerst angegangene und entscheidende Gericht auf Grund einer Parteivereinbarung ausschließlich zuständig gewesen, so kann die ergangene Entscheidung ohne Gegenseitigkeitserfordernis in einem Staat in dem Umfang anerkannt werden, in dem der um Anerkennung ersuchte Staat bereit ist, einer indirekten Wahl des maßgeblichen Rechts durch Wahl eines ausschließlichen Gerichtsstandes seitens der Parteien Rechnung zu tragen. 6. Sind Fragen der Gegenseitigkeit nicht durch vertragliche Bestimmungen abschließend gelöst, so bleibt das Problem, ob ein Gegenseitigkeitserfordernis nur aus einem Gesetz entnommen werden kann, oder ob der Richter bei der Füllung von Lücken der Rechtsanwendungsanweisung für heterogen verknüpfte Situationen in irgendeiner Hinsicht Gegenseitigkeit fordern kann. Eine andere Frage ist es, ob dann, wenn eine gesetzliche Bestimmung Gegenseitigkeit erfordert, die Verwirklichung der Gegenseitigkeit im Einzelfall durch die Gerichte geprüft werden muß, oder ob ein anderes Staatsorgan verbindlich generell entscheiden kann, daß im Verhältnis zu einem bestimmten anderen Staat Gegenseitigkeit besteht. Schließlich stellt sich die Frage, ob es Vermutungen über das Bestehen oder Nichtbestehen der Gegenseitigkeit gibt. Wird dem Richter im Forumstaat durch eine gesetzliche Rechtsanwendungsanweisung die Anwendung des eigenen Rechts des Forumstaates ohne ausdrückliche Gegenseitigkeitsbedingung aufgegeben, so ist wohl nirgendwo der Richter als durch eine Generalklausel ermächtigt anzusehen, die Anwendung des eigenen Rechts gegenüber Ausländern wegen fehlender Gegenseitigkeit in anderen Staaten zu verweigern. Wird dem Richter im Forumstaat die Anwendung von ausländischem Recht oder die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen aufgegeben, so ermöglicht den Gerichten die negative ordre public-Klausel, wie schon erwähnt, die Ausschaltung ausländischer fremdenrechtlicher und anderer Bestimmungen, die gegenüber Staatsangehörigen des Forumstaates diskriminieren. Wird die für die Anwendung der negativen ordre public-Klausel erforderliche Binnenbeziehung darin gesehen, daß die andere Partei die Staatsangehörigkeit des Forumstaates besitzt, so kommt die Handhabung der negativen ordre public-Klausel u. U . der Handhabung einer Gegenseitigkeitsklausel nahe 1 5 1 . Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, daß eine von der Rechtsprechung entwickelte Zuweisung an ausländisches Recht schon im Richterrecht davon abhängig gemacht wird, daß der Urheber der ausländischen N o r m in dieser oder jener Hinsicht Gegenseitigkeit gewährt. Wird Gegenseitigkeit in einer gesetzlichen Bestimmung gefordert, und soll die Feststellung, ob Gegenseitigkeit im Verhältnis zu einem bestimmten anderen Land besteht, nur in einer durch die Gerichte unüberprüfbaren Bekanntmachung seitens der Regierung erfolgen, so kann das ein verfassungswidriger Eingriff in das Rechtsprechungsmonopol der Gerichte sein. Wohl aber können die oben erwähnten nachteiligen Folgen einer Gegenseitigkeitsbedingung für den Gesetzgeber auch Veranlassung sein, die Handhabung der von ihnen aufgestellten Gegenseitigkeitsbedingung gegenüber den einzelnen anderen Ländern zu einer Ermessensentscheidung zu machen. Hierzu ist dann die Regierung eher legitimiert, als es die Gerichte sind; der Gebrauch eines solchen Ermessens sollte aber dann nicht als „Feststellung", daß Gegenseitigkeit besteht oder nicht besteht, ausgegeben werden 152
müssen . Stellt das Gesetz eine Bedingung der Gegenseitigkeit, und ist sie von den Gerichten zu handhaben, so kann die Beantwortung der Frage, wenn das ausländische Recht weder im Gesetz, noch in fester Rechtsprechung seinerseits die gleiche Gegenseitigkeitsklausel gebildet hat, durch Vermutungen, sei es gegen, sei es für das Bestehen der Gegenseitigkeit, erleichtert werden. Ist zu vermuten, daß keine Gegenseitigkeit besteht, so muß von Amts wegen geprüft werden, ob geübte153 Gegenseitigkeit vorliegt; mit dem Bestehen einer gesetzlichen Vorschrift, deren Anwendung Verwirklichung der Gegenseitigkeit wäre, kann 114
Geltendes deutsches Recht
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die Vermutung ihrer praktischen Anwendung bis zum Nachweis des Gegenteils verbunden werden, der von der interessierten Partei zu erbringen ist. Hat der Richter hingegen von der Vermutung des Bestehens der Gegenseitigkeit auszugehen, so ist von Amts wegen zu prüfen, ob Gründe bestehen, aus denen das Fehlen der Gegenseitigkeit zu folgern wäre; aber nur bei festgestellter Übung verweigerter Gegenseitigkeit kann die Vermutung als widerlegt angesehen werden. O b die Vermutung in dem einen oder anderen Sinne lauten sollte, ist für die einzelnen Rechtsanwendungsanweisungen, welche Gegenseitigkeit erfordern, nicht notwendig in gleicher Weise zu regeln: Es könnte z. B., wenn die Anwendung des ausländischen Heimatrechts auf die Beerbung eines Ausländers davon abhängt, daß der Heimatstaat auf die Beerbung deutscher Erblasser deutsches Erbrecht anwenden läßt, vermutet werden, daß die bilateralen Kollisionsnormen im ausländischen Recht dieselben sind, wie sie im Forumstaat gelten; gleichzeitig könnte davon ausgegangen werden, daß ein anderer Staat fremdenrechtliche Bestimmungen, die er erlassen hat, trotz angebotener Gegenseitigkeit nicht suspendieren will, solange sich nicht eine dahin gehende gesetzliche Vorschrift oder eine entsprechende Übung nachweisen lassen. Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Den einzelnen oben erwähnten gesetzlichen Vorschriften des deutschen Rechts, welche in irgendeiner Hinsicht Gegenseitigkeit erfordern, liegt sicher keine allgemeine Konzeption zugrunde. Die Ermächtigung des Art. 31 E G B G B zur Anordnung von „Vergeltungsrecht" „gegen einen ausländischen Staat sowie dessen Angehörige und ihre Rechtsnachfolger" durch die Regierung bezieht sich nicht nur darauf, daß bei völkerrechtlich unrechtmäßigem Verhalten anderer Staaten Repressalien in Gestalt der Nichterfüllung eigener völkerrechtlicher Pflichten, und daneben andere Reaktionsmaßnahmen angeordnet werden können, sondern erlaubt auch Retorsionsmaßnahmen in Gestalt irgendwelcher vom Völkerrecht nicht verbotener Gestaltungen des inländischen Rechts anläßlich einer völkerrechtlich unbedenklichen Maßnahme eines fremden Staates, die als Beeinträchtigung „deutscher" Interessen empfunden wird. Die Klausel ist aber bisher nicht zum Anlaß für Anordnungen benutzt worden, welche über die in den Gesetzen vorgesehenen Gegenseitigkeits- und Retorsionsbestimmungen hinausgehen. Die Bedeutung des Art. 31 E G B G B liegt in erster Linie darin, daß er ein Verbot der Ausübung von Vergeltung durch die Gerichte impliziert. Damit ist aber nicht die Bildung von solchen Rechtsanwendungsanweisungen durch die Rechtsprechung gehindert, welche die Anwendung einseitig angeknüpfter zwingender Bestimmungen eines ausländischen Rechts davon abhängig machen, daß auch der andere Staat bereit ist, gleiche oder ähnliche Bestimmungen des deutschen Rechts durch seine Gerichte anwenden zu lassen. g) Kollisionen der internationalprivatrechtlichen Leitsätze unter sich Von allergrößter Wichtigkeit ist es, daß nicht selten eines der verschiedenen internationalprivatrechtlichen Leitprinzipien nur dann befolgt werden kann, wenn zugleich entgegen einem anderen anerkannten Leitprinzip gehandelt wird 1 5 3 ®: Das Ideal der Annäherung an die Entscheidungsgleichheit durch Verwendung paritätischer und möglichst uniformer Zuweisungsnormen kann mit Sicherheit nicht erreicht werden, wenn im Einzelfall unter Einsatz der negativen ordre public-Klausel die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts ausgeschaltet wird. Das Ziel der internationalen Entscheidungsgleichheit wird nicht erreicht, wenn die Anwendung von anwendungswilligem ausländischen Recht aus diesem oder jenem Grund von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht wird und diese nicht besteht. Das Postulat, der internationalen Entscheidungsgleichheit dadurch möglichst nahezukommen, daß das auf Vorfragen nach dem Bestehen eines anderen Rechtsverhältnisses, wie sie das auf eine Hauptfrage anwendbare Recht aufgewor-
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§7
Widersprüche zwischen den Leitprinzipien
fen hat, anzuwendende Recht so bestimmt wird, wie es das internationale Privatrecht des Staates vorsieht, dessen materielles Recht auf die Hauptfrage angewendet wird, kann auch dazu führen, daß das Postulat der internen Harmonie zwischen den Lösungen, die im Forumstaat für zusammenhängende Rechtsfragen erzielt werden, verletzt wird, usw. Den verschiedenen Prinzipien und Postulaten und den zu ihrer Verwirklichung dienenden Rechtsanwendungsanweisungen liegt nun eine bestimmte Rangfolge insofern zugrunde, als jedenfalls eine von vornherein als Ausnahmeregelung konzipierte Rechtsanwendungsanweisung, wie insbesondere die ordre public-Klausel oder das Gegenseitigkeitserfordernis, da, wo sie eingreifen, den Vorrang vor einem evtl. widersprechenden anderen Postulat haben. Im übrigen sind Kompromisse zwischen den verschiedenen Postulaten am Platz; so wenn beim Vorfragenproblem in bestimmten Situationen der internen materiellen Harmonie, in anderen der internationalen Entscheidungsgleichheit der Vorrang verschafft w i r d 1 5 4 . Selbst die Generalklausel des negativen ordre public ist insofern elastisch zu handhaben, als diese Generalklausel dann mit größerer Zurückhaltung verwendet werden muß, wenn das Ziel der internationalen Entscheidungsgleichheit besonders nahe greifbar ist: Sind paritätische Zuweisungsnormen in einem Vertrag unter Verwendung bestimmter Anknüpfungsmomente fixiert worden, so wird die Verwendung der negativen ordre public-Klausel in einem Vertragsstaat zwar nicht gänzlich ausgeschaltet, aber es wird meist bestimmt, daß sie mit größerer Zurückhaltung zu handhaben ist als dies dann der Fall ist, wenn ein Forumstaat sich nicht vertraglich auf die Verwendung eines bestimmten Anknüpfungsmoments festgelegt hat. Desgleichen darf dann, wenn das auf eine Hauptfrage anwendbare Recht durch Vertrag für die Vertragsstaaten fixiert ist, von dem Standpunkt des Hauptfragenstatuts in bezug auf das Recht, das auf Teilfragen und Vorfragen nach präjudiziellen Rechtsverhältnissen anwendbar ist, im Interesse der internationalen Entscheidungsgleichheit zwecks Sicherung der materiellen Harmonie im Forumstaat nicht so schnell abgewichen werden, wie dies bei vertraglich ungebundener Ermittlung des auf eine Hauptfrage anwendbaren Rechts möglich ist. Auch die Berücksichtigung der vom Standpunkt eines anderen Staates her zu Recht bestehenden, aber im Forumstaat nicht mit Rechtsschutz versehenen präjudiziellen Rechtsverhältnisse ist elastisch zu handhaben: Ein nur vom Standpunkt eines anderen Staates zu Recht bestehendes Dauerrechtsverhältnis kann in einem anderen Staat erst dann als präjudizielles Rechtsverhältnis „anerkannt" werden, wenn es eine gewisse Zeit hindurch effektiv bestanden hat. Auch bei Verwendung der positiven ordre public-Klausel und bei der Anwendung ausländischer Gesetze, die der Urheberstaat auf Grund seiner positiven ordre public-Klausel für anwendbar betrachtet, sind Kompromisse vor allem mit dem Postulat der Förderung der internationalen Entscheidungsgleichheit notwendig: Wird von den Errichtern eines Rechtsgeschäfts bewußt Rechtsschutz nur in bestimmten wenigen Staaten angestrebt, so sollte jeder dieser Staaten dem anwendungswilligen und gesondert angeknüpften Recht eines der anderen Rechtsschutzstaaten großzügig Rechnung tragen. Kann jedoch ein rechtsgeschäftlich begründetes Rechtsverhältnis nur mit dem Anspruch auf Universalrechtsschutz begründet werden (wie z. B. die Ehe), so sollten die Staaten sich bei der gesonderten Anknüpfung eigener zwingender Bestimmungen mehr Zurückhaltung auferlegen. Zwischen dem Postulat, die gleichmäßige Behandlung der an heterogen und der an homogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen vorwiegend durch paritätische Zuweisung der rechtlichen Regelung heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse an die verschiedenen nationalen Inlandsrechte zu gewährleisten, und der Anerkennung dessen, daß die einzelnen Staaten, insbesondere durch einseitige Bildung von Spezialrecht, Außenprivatrechtspolitik betreiben, oder daß sie glauben, es sei zur Erreichung des Zwecks einzelner Normen ihres Inlandsrechts notwendig, diesen einen besonders breiten Anordnungsbe116
Universale Rechtsvereinheitlichung als Ausweg?
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reich zuzuweisen, besteht ein Konflikt besonderer Art. Zweifellos ist es unerwünscht, wenn verschiedene Staaten den Rechtssubjekten in Verfolgung divergierender Außenprivatrechtspolitik 1 5 5 absolut widersprüchliche Verhaltenspflichten auferlegen. Soweit die einseitigen Spezialrechtssätze, wie meist, abweichend von dem durch paritätische Zuweisungen ermittelten Geschäftsstatut nur die Gültigkeit von Rechtsgeschäften behindern, ist es jedoch sehr wohl möglich, daß derartige Sätze auch außerhalb des Urheberstaates zur Anwendung gebracht, und daß damit Entscheidungsgleichheit hergestellt wird. Dann wird die Wahrscheinlichkeit der Gültigkeit heterogen verknüpfter Geschäfte gemindert im Vergleich zu dem, was für homogen verknüpfte Rechtsgeschäfte gilt. Das ist jedoch nichts, was unbedingt als eine unerträgliche Diskrimination gegenüber den an heterogen verknüpften Rechtsgeschäften beteiligten Personen beseitigt werden müßte. Solange die Rechtssubjekte die Möglichkeit haben, Rechtsschutz für ein von ihnen begründetes Rechtsverhältnis nur in einigen Ländern in Anspruch zu nehmen, müssen sie auch, wenn sie Rechtsschutz in möglichst vielen Ländern wollen, damit rechnen, daß das eine Land diese, das andere jene zusätzliche Gültigkeitsvoraussetzung aufstellt, und daß die betreffenden Länder sich dabei gegenseitig Rechtshilfe leisten. Es scheint wichtiger zu sein, sich dieser unvermeidlichen Konflikte zwischen den Postulaten des internationalen Privatrechts bewußt zu sein, als Vorsätze zu bilden, die sich nur auf die Technik des internationalen Privatrechts beziehen, so wenn etwa gefordert wird, zwischen esoterischer Entrücktheit, primitiver Vereinfachung oder endloser Materialanhäufung einen „Mittelweg" zu finden. Wenn diejenigen, die sich direkt oder indirekt für eine bessere Gestaltung des Rechts verantwortlich fühlen, das Operieren mit einer Mehrheit rechtspolitischer Postulate, ihren Widersprüchen und eventuellen Kompromissen zwischen diesen Postulaten — Dinge, die eben auch bei vertraglicher Vereinheitlichung der Zuweisungsnormen oder der Bildung von uniformem Spezialrecht nicht ganz zu vermeiden sind — im internationalen Privatrecht wirklich als unerträglich finden, so bleibt ihnen nur der Ausweg, sich um eine möglichst weltweite Vereinheitlichung des Privatrechts zu bemühen. Auch wenn nun nicht schon die Beeinflussung der Privatrechte durch divergierende verfassungsrechtliche Prinzipien in den verschiedenen Staaten der heutigen Welt einer solchen Vereinheitlichung in unabsehbarer Zeit entscheidend im Wege stehen würde, bliebe die Frage, ob der Aufwand an Arbeit, um zu solcher Vereinheitlichung zu kommen, und die mit der Einführung von neuem Recht stets verbundenen Umlernschwierigkeiten nicht unverhältnismäßig größer wären als die Vorteile durch Beseitigung der Unzuträglichkeiten, die sich in den immer noch verhältnismäßig seltenen heterogen verknüpften Situationen aus der Verschiedenheit der Rechte und dem Wesen des internationalen Privatrechts ergeben. Das Problem ist vergleichbar damit, ob zwei Länder mit einem entwickelten Straßenverkehrssystem, von denen das eine das Rechtsfahren, das andere das Linksfahren vorsieht, zur Beseitigung der damit verbundenen Mißhelligkeiten im grenzüberschreitenden Verkehr sich auf das Rechts- oder Linksfahren einigen sollten, wenn die damit verbundene Änderung der Verkehrszeichen und der Fahrzeugkonstruktion in dem einen Land riesige Kosten verursachen würde (selbst wenn man sagen würde, daß dieses Land sie nicht selbst allein tragen sollte). Überdies aber fragt es sich, ob die unterschiedlichen „local conditions", an denen schon die Einführung des Rechts der europäischen Kolonialmächte in Übersee ihre Grenze fand, nicht die Koexistenz inhaltlich unterschiedlicher, aber jeweils den örtlichen Bedingungen sachgerechter Rechte für mehr oder weniger breite Bereiche des Privatrechts notwendig macht. Zu den local conditions gehört nun auch — was nichts mit der Vorstellung vom „arteigenen" Recht verschiedener Rassen zu tun hat — die geschichtlich gewordene Verbundenheit der Angehörigen bestimmter Menschengruppen mit hergebrachten Rechtsinhalten und Methoden zur Beilegung von Streitigkeiten. Diese Verbundenheit ist gerade in 117
§7
Bevorzugung der lex fori
den sogenannten Entwicklungsländern stärker als in den modernen Industriestaaten; sie kann als psychologische Voraussetzung für die Bereitschaft, das Recht normalerweise zu befolgen, nicht ersatzlos aufgegeben werden. Ist anderweitiger Ersatz nicht zu sehen, so können dann auch die geschilderten Antinomien in dem notwendigerweise fortbestehenden internationalen Privatrecht nicht als untragbar kritisiert werden; das internationale Privatrecht ist dann auch mit diesen Mängeln die sachgerechte Ergänzung der auf die Unterschiedlichkeit der local conditions gegründeten Uneinheitlichkeiten der staatlichen Privatrechte.
h) Abzulehnende Postulate für die Gestaltung des internationalen Privatrechts Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich andererseits, daß gewisse in der Literatur nicht selten propagierte Postulate absolut unvertretbar sind, wenn man die oben entwickelten Prinzipien anerkennt. 1. Es gilt dies, wie schon angedeutet, zunächst von der Ansicht, daß in heterogen verknüpften Situationen „grundsätzlich", „im Zweifel", d. h. beim Fehlen einer klaren positivrechtlichen anderweitigen Rechtsanwendungsanweisung, das eigene Inlandsrecht, wie es der staatliche Richter auf homogen verknüpfte Fälle anzuwenden hat, anzuwenden sei 156 . Diese Ansicht ist auch dann abzulehnen, wenn sie dahin eingeschränkt werden sollte, daß diese „grundsätzliche" Anwendbarkeit des eigenen Rechts jedenfalls dort entfällt, wo die Anwendbarkeit völkerrechtswidrig wäre. Jener angebliche Leitsatz ist ohnehin sinnlos für Gerichte, welche überhaupt keine Zuständigkeit besitzen, um auf homogen verknüpfte Fälle ein bestimmtes staatliches Recht als „ihre lex fori" anzuwenden, oder welche für die mit mehreren Privatrechtssystemen homogen verknüpften Fälle zuständig sind. Besonders verwerflich ist das Ansinnen, rechtstechnische Tricks zu benutzen, um möglichst oft zur Anwendung der lex fori zu gelangen, wie es die Lehre vom „Heimwärtsstreben" zu dem dem Richter besonders vertrauten eigenen Recht propagiert. Unhaltbar ist daher vor allem der Vorschlag, bei fehlender Anwendungswilligkeit des im Forumstaat durch paritätische Rechtsanwendungsanweisungen berufenen ausländischen Rechts dadurch zur Anwendung des — primär zweifellos nicht anwendungswilligen — eigenen Rechts zu gelangen, indem behauptet wird, daß dieses Recht subsidiär ohne weiteres anwendungsbereit sei, wenn der Staat, dessen Recht berufen ist, seinerseits sein eigenes Recht gar nicht angewendet wissen will, aber in seinen eigenen Rechtsanwendungsanweisungen auf das Recht des Forumstaates „zurück"verweise 157 . Für Rechtsprechung und Wissenschaft war unter dem E G B G B die Versuchung groß, dem Gesetzgeber die Absicht zuzuschreiben, daß der deutsche Richter über die Rückverweisung hinaus befugt sein solle, das internationale Privatrecht so zu verstehen, daß er möglichst oft zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts gelangt. Trotzdem ist die Rechtsprechung nicht so weit gegangen, daß sie ein derartiges Auslegungsprinzip anerkannt hätte. Die Erweiterung der einseitigen Zuweisungen des E G B G B zu bilateralen Kollisionsnormen, die Weigerung, jede durch Anwendung der negativen ordre public-Klausel entstandene Lücke einfach durch Heranziehung der lex fori auszufüllen, und die Erweiterung der Rückverweisung zu einer die Weiterverweisung einschließenden Gesamtverweisung sind alles andere als Bekenntnisse zu einer „lex fori-Theorie". Obwohl es in gewissem Umfang unvermeidlich ist, daß das Gericht, wenn es nach Billigkeit entscheiden soll, sich bei der Suche nach Maßstäben zur Bewertung kollidierender menschlicher Interessen von den ihm bekannten positiven Rechten, und damit in erster Linie von der lex fori, beeinflussen läßt, ist es auch abzulehnen, daß die Billigkeit in heterogen verknüpften Situationen einfach mit der Regelung der lex fori identifiziert wird 138 . 118
Anwendung aller anwendungswilligen Rechte
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2. Abzulehnen ist andererseits auch ein Gedanke, der in gewisser Weise das Gegenstück zu den „lex fori-Theorien" darstellt, nämlich die Forderung, es sei generell jedes Recht, zu dem eine als Anknüpfungsmoment verwendbare Verknüpfung hingeht, bei der Stellungnahme zu einer heterogen verknüpften Situation heranzuziehen, und insbesondere, wenn es selbst angewendet werden will. Da der Richter im Forumstaat keinesfalls widerspruchsvolle Normen aus verschiedenen Rechten zugleich anwenden darf, wird diese Forderung allerdings oft nur in der eingeschränkten Fassung gestellt, daß die Inlandsrechte aller „beteiligten" Staaten dann anzuwenden seien, wenn sie inhaltlich übereinstimmen. Oben wurde jedoch bereits ausgeführt 159 , daß auch bei inhaltlicher Ubereinstimmung der Inlandsrechte von zwei oder mehr Staaten alle oder einzelne von ihnen den Willen haben können, daß das im Inlandsrecht für homogen verknüpfte Situationen unter Beschränkung der allgemeinen Verhaltensfreiheit geregelte Verhalten in gewissen heterogen und mit dem Inland verknüpften Situationen auf Grund von Spezialrecht frei sein soll (bzw. umgekehrt), und daß eine für bestimmte heterogen verknüpfte Situation gewollte Freiheit auch indirekt darin zum Ausdruck kommen kann, wie jeder von zwei Staaten den Anwendungsbereich seiner freiheitsbeschränkenden Regelung im heterogen verknüpften Bereich selbst absteckt. Auch der Vorschlag, daß in allen heterogen verknüpften Fällen der Richter ein Ermessen haben soll, unter Berücksichtigung der Inlandsrechte der verknüpften Länder eine konkrete Entscheidung zu bilden, ist überall da nicht tragbar, wo nach dem Recht aller dieser Staaten Verhaltensnormen befolgt werden sollen, und wo alle diese Staaten davon ausgehen, daß der einzelne die Möglichkeit hat, die Entscheidung über sein Verhalten auf Grund einer Kalkulation der Rechtsfolgen eines normwidrigen Verhaltens zu bilden. Wichtig wird vor allem eine kritische Prüfung der Auffassung, welche propagiert, alle selbst anwendungswilligen Sachnormen eines beteiligten Staates müßten im Forumstaat als berufen gelten, und es sei von ihnen dasjenige Recht vorzuziehen, bei dem das stärkere staatliche Interesse des Urheberstaates an der Anwendung seines eigenen Rechts besteht. Das wird zum Teil mit der Vermutung gekoppelt, jeder Staat wolle „eigentlich" — im Sinne der lex fori-Theorie - sein eigenes Recht möglichst breit auch auf heterogen verknüpfte Situationen angewendet haben, zum Teil auch mit der Vermutung, jeder Staat wolle im Zweifel sein eigenes Recht dann angewendet wissen, wenn sich dies zum Vorteil derjenigen Partei auswirkt, die mit diesem Staat persönlich (durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz) dauernd verknüpft ist 1 6 0 . Die Frage, welcher dieser Staaten das stärkere oder „bessere" Interesse an der Anwendung seines als anwendungswillig unterstellten Rechts hat, kann in dritten Forumstaaten nur die Frage danach sein, welches Interesse in der Siebt dieser Forumstaaten das stärkere oder bessere ist. Wenn es nun dabei anzustreben sein soll, daß alle Forumstaaten sich möglichst eine übereinstimmende Meinung bilden, so kann die Antwort wieder nur zur Bildung von paritätischen Zuweisungsnormen führen, und die Lehre vom stärkeren staatlichen Interesse der verschiedenen beteiligten Staaten an der Anwendung ihres Rechts läuft dann auf die Frage hinaus, ob die Anerkennung des stärkeren Interesses in der Verwendung einer bestimmten starren Verknüpfung als Anknüpfungsmoment in ihrer paritätischen Zuweisungsnorm zum Ausdruck kommt, oder ob sie in der Weise erfolgen sollte, daß geprüft werden muß, zu welchem Staat die im Einzelfall gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen hingeht. Zu vermeiden ist erst recht ein System, wonach im Forumstaat das eigene Recht unter allen Umständen dann allein angewendet werden soll, wenn irgendeine völkerrechtlich haltbare Verknüpfung zu diesem Staat hingeht, und zugleich die Anwendung des eigenen Rechts sich mehr zum Vorteil der mit dem Forumstaat persönlich verknüpften Partei auswirkt als die eines anwendungswilligen Rechts eines anderen beteiligten Staates, und wonach nur in den Fällen, in denen diese Argumentation nicht möglich ist — weil nämlich 119
§7
Anwendung des besseren Rechts
keine der Parteien eine Dauerverknüpfung mit dem Inland aufweist, oder weil mehrere in Frage kommende ausländische Rechte der inländischen Partei günstiger sind als die lex fori —, nach dem stärkeren Interesse eines Staates an der Anwendung seines eigenen Rechts gesucht wird. 3. Unhaltbar ist auch die Ansicht, daß dort, wo die lex fori kraft klarer Rechtsanwendungsanweisungen nicht angewendet werden darf, sondern nur eine Wahl zwischen mehreren anwendungswilligen fremden Rechten in Frage kommt, demjenigen Recht der Vorzug zu geben sei, welches der lex fori gleich oder am ähnlichsten ist. Das könnte letztlich ohnehin nur damit begründet werden, daß die lex fori inhaltlich das bessere Recht sei. Manchmal wird propagiert, der Richter solle generell von mehreren anwendungswilligen Rechten oder unter den Rechten der beteiligten Staaten, auch wenn sich das eigene Recht des Forumstaates darunter befindet, das „bessere" Recht vorziehen, also das Recht, das in der Sicht des Richters die gerechtere Lösung in der Sache liefert 1 6 1 . Die Befolgung dieses Postulats würde zunächst einmal die Voraussehbarkeit der richterlichen Entscheidung in einem unerträglichen Umfang verhindern. Sie bringt überdies den Richter in eine schwierige Lage gegenüber dem Gesetzgeber, wenn er ausländisches Recht im Vergleich zur lex fori als das bessere Recht betrachtet. Die Idee von der Bevorzugung des besseren Rechts wird daher manchmal gekoppelt damit, daß das Bestehen einer übernationalen Rangordnung von rechtspolitischen Werten zwecks Ermittlung des besseren Rechts behauptet wird: Es soll jede Regelung, welche der Gültigkeit eines von den Parteien gewollten Rechtsgeschäfts günstiger ist als andere Regelungen, oder jede Norm, welche das Kindeswohl mehr fördert, oder jede Norm, welche dem Zustandekommen oder der Erhaltung einer Ehe förderlicher ist, oder gar jede Norm, welche die Belastung der Gerichte mit Streitentscheidungen verringert, vorgezogen werden, wenn die anwendungswilligen Rechte divergieren. Selbst wenn in einem Forumstaat eine solche Wertskala vielleicht sogar eine Bestätigung in der Verfassung findet, führt die Verwendung des genannten Postulats jedoch zu einer gleichheitswidrigen Bevorzugung dieser Wertskala in heterogen verknüpften Situationen, verglichen mit homogen verknüpften Situationen, in denen ja unter allen Umständen ein bestimmtes staatliches Recht angewendet werden muß, auch wenn seine Regelung nach jener Wertskala „schlechter" ist als die ausländischer Rechte. Überdies gerät auch hier der Richter, wenn er nicht Verfassungsrichter ist, in eine peinliche Situation gegenüber dem Gesetzgeber, wenn er behauptet, daß das zu bevorzugende Ziel durch eine ausländische Rechtsordnung besser erreicht wird als durch das eigene Recht: Wenn der Gesetzgeber der lex fori bewußt das Zustandekommen von rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen durch Aufstellung von Gültigkeitsvoraussetzungen, und zwar im Interesse der von diesem Gesetzgeber bevorzugt geschützten Parteien, erschwert, so kann er sich schlecht vom Richter sagen lassen müssen, die liberalere Haltung eines ausländischen Rechts sei die bessere und müsse daher in heterogen verknüpften Fällen vorgezogen werden. 4. Unter den angeblich spezifischen Leitprinzipien zur Gestaltung des internationalen Privatrechts führen manche Autoren 1 6 2 solche rechtspolitischen Forderungen auf, die üblicherweise auch an das sonstige Recht gestellt werden: Voraussehbarkeit der richterlichen Entscheidung durch Klarheit und Unzweideutigkeit der rechtlichen Regelung, Einfachheit der Handhabung des anzuwendenden Rechts durch den Richter selbst, usw. Es kann sich jedoch höchstens darum handeln, ob der Ausgleich zwischen diesen allgemeinen rechtspolitischen Anforderungen an die Rechtsgestaltung in bezug auf internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsanweisungen anders zu gestalten sei, als dies bei der Bildung des Inhalts der Sachnormen geschieht. Das dürfte jedoch zu verneinen sein. Schon frühere Ausführungen haben gezeigt, daß für die internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen absolute Voraussehbarkeit des Ergebnisses dort nicht 120
Anwendung des vertrauten Rechts
§7
erforderlich ist, wo auch für die Sachentscheidung Vorausberechenbarkeit nicht erwünscht oder gar nicht möglich ist, wie z. B. bei der Billigkeitshaftung für schuldlos verursachte Schäden 163, 1 6 4 ' Umgekehrt muß der Satz nulla poena sine lege sich nicht nur auf die Sachnormen beziehen, sondern auch auf die Bestimmung des Anwendungsbereiches solcher Sachnormen, und er gilt infolgedessen auch für den Anwendungsbereich von Privatrechtssätzen, die bei einer Verletzung von Verhaltensnormen solche Unrechtsfolgen vorsehen, die nur generalpräventiven Zweck haben sollen 165, 1 6 6 . Einfache Zuweisungsregeln, welche das anwendbare Recht mit großer Sicherheit vorausberechnen lassen, wenn auch eventuell auf Kosten einer sachlich mehr befriedigenden komplizierteren Lösung 167 , können dort vorzuziehen sein, wo die zur Lösung einer Frage in Betracht kommenden Rechte sich in allen zivilisierten Rechten inhaltlich wenig untereinander unterscheiden, während Zuweisungsregeln nicht unter dem Gesichtspunkt der Einfachheit gebildet werden sollten, wenn damit zu rechnen ist, daß die einzelnen Privatrechte außerordentlich divergierende Regelungen vorsehen. Ein Unterschied besteht zwischen heterogen und homogen verknüpften Situationen für die Normadressaten in der Tat insofern, als die Notwendigkeit, sich nicht nur über den Inhalt der Sachnormen, sondern zuvor auch über den Stand der Rechtsanwendungsanweisungen mehrerer Staaten zu informieren, die Chancen für Rechtsirrtümer in heterogen verknüpften Situationen größer erscheinen läßt als in homogen verknüpften Fällen. Dem kann dadurch Rechnung getragen werden, daß die Bedeutung des Rechtsirrtums über Rechtsanwendungsanweisungen — selbstverständlich für alle Beteiligten — anders geregelt wird als die Bedeutung des Irrtums über den Stand der Sachnormen eines bestimmten Rechts 168 ; eine solche spezifische Rücksichtnahme auf größere Irrtumsmöglichkeiten in heterogen verknüpften Situationen kann in der Verwendung alternativer Zuweisungen, z. B. für die Formgültigkeit von Rechtsgeschäften, geschehen. Es ist die Frage gestellt worden, ob es für die Gestaltung der Zuweisungsnormen nicht entscheidend sein müsse, daß die meisten Menschen vorzugsweise mit einem bestimmten staatlichen Recht, wenn überhaupt, vertraut sind, nicht hingegen mit anderen. Bei natürlichen Personen, die ihren Wohnsitz nicht gewechselt haben, ist wohl das Recht des Wohnsitzlandes das vertrauteste Recht. Auf diese Vertrautheit kann es aber natürlich dann nicht ankommen, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis Personen mit verschiedenen Wohnsitzen beteiligt sind und sich jede auf das ihr vertrautere Recht berufen will, obwohl das im Prozeß im allgemeinen ohnehin nur dann geschehen wird, wenn das betreffende Recht zugleich der Partei vorteilhafter ist. Das Vertrautsein aller Parteien mit einem bestimmten Recht kann im Ergebnis berücksichtigt werden, wenn das elastische Anknüpfungsmoment der gewichtigsten Kombination der im Einzelfall zu einem Staat hingehenden Verknüpfungen verwendet wird: Führt der Errichtungsort des Rechtsgeschäfts zu einem Recht A, der Erfüllungsort zu einem Recht B, so kann dem Recht A deshalb der Vorzug gegeben werden, weil auch beide Parteien ihren Wohnsitz in A haben. Es ist dann aber nicht das größere Vertrautsein der Parteien mit dem Recht A, mit welchem dessen Anwendung zu begründen ist: Die Tatsache, daß beide Parteien früher einen gemeinsamen Wohnsitz in X hatten und mit diesem Recht übereinstimmend vertraut sind, kann als Verknüpfung nicht in die Waagschale geworfen werden, wenn sie beide ihren Wohnsitz verlegt haben und beide mit dem neuen Wohnsitzrecht noch nicht vertraut sind 169 . Was für die Gestaltung der nicht in Gesetzen niedergelegten Zuweisungsnormen durch den Richter eine Rolle spielen kann, ist hingegen das Vertrautsein der Normadressaten mit bestimmten effektiv gehandhabten ungeschriebenen Rechtsanwendungsanweisungen. Hat in einem Forumstaat die Praxis der Gerichte in einer bestimmten Sparte des Geschäftslebens jahrzehntelang eine bestimmte Zuweisungsnorm verwendet, so sollten die Gerichte vorsichtig sein, um diese Zuweisungsnorm durch Änderung der Rechtsprechung 121
§7
Irrtum über das anwendbare Recht
für „falsch" zu erklären und neue Zuweisungsnormen zu bilden. Das Vertrautsein der Parteien mit gebräuchlichen Rechtsanwendungsanweisungen kann auch über spezifische Regeln für die Beachtlichkeit des Rechtsirrtums über Rechtsanwendungsanweisungen von Bedeutung werden, z. B. wenn ein juristischer Laie vom Staatsangehörigkeitsprinzip annimmt, daß es überall gelte, während der Forumstaat das Wohnsitzprinzip verwendet. Auch wenn beide Parteien an die Geltung des Staatsangehörigkeitsprinzips geglaubt haben, kann dies jedoch für den Richter im Forumstaat kein Grund sein, etwa im internationalen Eherecht entgegen der gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisung, die auf den Wohnsitz abstellt, zu handeln. Der übereinstimmende Glaube von Parteien an einem Rechtsgeschäft an die Maßgeblichkeit eines bestimmten Rechts als Geschäftsstatut kann aber unter Umständen dem Willen zur Wahl des Geschäftsstatuts gleichgestellt werden 1 7 0 . Hat es als ein allgemeines Postulat an den Gesetzgeber zu gelten, daß eine rückwirkende Einführung neuer Gesetze zu unterlassen ist, soweit das Vertrauen der Rechtsnormadressaten auf den Fortbestand der Geltung solcher Bestimmungen, die ein bereits entstandenes Rechtsverhältnis betreffen, als schützenswert gilt, so müßte dies auch einer rückwirkenden Änderung der internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen im Wege stehen. Dennoch gilt hier eine Ausnahme, wenn ein Forumstaat sich in seinem neuen internationalen Privatrecht für bereits bestehende Rechtsverhältnisse einer Haltung anschließt, die schon vorher von den meisten anderen beteiligten Staaten eingenommen wurde; daß er sich also rückwirkend der Stellungnahme anderer beteiligter Staaten anpaßt, kann ihm insbesondere dann nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn der Standpunkt der anderen Staaten sich effektiv durchgesetzt hat, indem z. B. die Parteien an einem Dauerrechtsverhältnis sich tatsächlich diesem Standpunkt gebeugt haben 1 7 1 . An allgemeinen rechtspolitischen Postulaten wie Einfachheit usw. soll häufig auch die Beantwortung der Frage ausgerichtet werden, welches Anknüpfungsmoment zu verwenden ist. Gerade hier führen diese Postulate häufig zu entgegengesetzten Resultaten: Der Beweis der Staatsangehörigkeit eines bestimmten Staates kann im Prozeß oft relativ schnell durch öffentliche Register oder amtliche Auskünfte geführt werden; insofern ist das Anknüpfungsmoment der Staatsangehörigkeit für den Richter einfacher zu handhaben als das Anknüpfungsmoment des Wohnsitzes, wenn dieser im Einzelfall streitig ist. Auf der anderen Seite ist im rechtsgeschäftlichen Verkehr zwar meist der Aufenthalt oder Wohnsitz einer Partei für die andere erkennbar, nicht aber die Staatsangehörigkeit. Der Gedanke, daß die Parteien das Geschäftsstatut durch ausdrückliche Bestimmung im Vertrag wählen können, kann damit begründet werden, daß die Ermittlung des maßgeblichen Rechts so für den Richter wesentlich einfacher ist, als wenn er z. B. prüfen soll, zu welchem Staat die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall hingeht. Auf der anderen Seite verschafft die Zulassung der Rechtswahl den Parteien offensichtlich Möglichkeiten, sich unerwünschtem zwingenden Recht zu entziehen, und führt damit zu einer Bevorzugung der an heterogen verknüpften Verhältnissen beteiligten Rechtsgeschäftserrichter gegenüber denjenigen, die ihre Geschäfte in einem homogen verknüpften Bereich errichten müssen. 5. Irreführend ist es, wenn von einem internationalprivatrechtlichen Prinzip gesprochen wird, welches grundsätzlich einer richterlichen Anwendung von ausländischem öffentlichen Recht entgegenstehe. Daß sich die Normadressaten vom öffentlichen Recht eines bestimmten Staates auch in ihrem Verhalten auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates beeinflussen lassen, wenn sie bei Verletzung jener Vorschriften mit Rechtsgüterentziehungen auf dem Gebiet des Urhebers der öffentlich-rechtlichen Normen rechnen müssen, das kann kein Staat verhindern. Es ist selten, daß ein Staat ausdrücklich eine Handlung im Inland deshalb, und n u r deshalb, verbietet, weil sie dem Normadressaten vom ausländischen öffentlichen Recht geboten ist 1 7 2 . 122
Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts
§7
Insoweit aus der völkerrechtlichen Immunität des hoheitlichen Handelns für einen fremden Staat sich ergibt, daß ein staatliches Gericht weder gegen das fremde Staatsorgan, noch gegen den fremden Staat als solchen ein Verfahren durchführen darf, in dem das fremde Staatsorgan oder der fremde Staat zur Vornahme oder Nichtvornahme eines Hoheitsaktes oder zur Schadensersatzleistung wegen eines solchen Aktes verurteilt werden soll 1 7 3 , gilt dies sowohl dann, wenn der Verurteilung das ausländische öffentliche Recht, als auch dann, wenn ihr das Recht des Forumstaates zugrunde gelegt werden müßte. Insoweit aus der völkerrechtlichen Immunität folgt, daß ein fremder Staatsakt nicht als mit Wirkung für die Rechtsordnung des Urheberstaates beseitigt oder als ungültig erklärt werden darf 1 7 4 , gilt dies ohne Rücksicht darauf, unter welchem Recht die angebliche Mangelhaftigkeit geprüft würde. Selbst wenn eine Klage gegen einen fremden Staat nicht an der Immunität des hoheitlichen Handelns scheitert, kann bei vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsbeziehungen zwischen einem Staat und einer Privatperson auch die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart werden. Diese Abmachung kann wiederum in einem anderen Forumstaat ebenso anerkannt werden wie Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Privatpersonen; schon deshalb sind die Gerichte anderer Staaten nicht zuständig für Ansprüche beider Parteien aus Konzessionsverträgen, aus der Vergabe öffentlicher Aufträge usw., ohne daß es einer Prüfung bedarf, ob das Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlichen Charakter hat. Insoweit fremde Gesetzgebungs- oder andere Staatsakte für die im Forumstaat gehandhabte Rechtsordnung als beachtlich erklärt werden, bestehen keine völkerrechtlichen Bedenken dagegen zu bestimmen, daß dies nur für die nach dem Recht des Ursprungsstaates rechtmäßig zustande gekommenen Staatsakte gelten soll. Es bestehen daher auch keine Bedenken dagegen, daß in diesem Zusammenhang die Rechtmäßigkeit der ausländischen Staatsakte an Hand des ausländischen öffentlichen Rechts unabhängig von den im Ursprungsstaat zugänglichen Prüfungsverfahren inzidenter nachgeprüft wird. Manche Staaten versagen indes ihren Gerichten eine solche Prüfung, d. h. sie verschaffen dem, was prima facie als ausländischer Staatsakt kundgemacht ist, für die inländische Rechtsordnung eine Vermutung der Rechtmäßigkeit, bis der Staatsakt im Ursprungsland durch einen neuen Staatsakt mit Wirkung für die Rechtsordnung des Ursprungslandes als nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist 1 7 5 . Zwischen diesen beiden Lösungen kommt es vielfach zu Kompromissen. So ist es denkbar, daß nur besonders schwere Mängel bei der Bildung des ausländischen Staatsaktes unter dem maßgeblichen ausländischen öffentlichen Recht im Forumstaat aufgedeckt werden können, und daß deswegen dem ausländischen Staatsakt die Relevanz in der Rechtsordnung des Forumstaates versagt wird; das schließt aber nicht aus, daß der im Ursprungsstaat nach dem dortigen Recht trotz Mangelhaftigkeit rechtskräftig gewordene Staatsakt auch im Forumstaat nicht mehr inzidenter geprüft werden kann. Insoweit im Forumstaat eine Inzidentprüfung erfolgt, kann beispielsweise festgestellt werden, daß ein neu erlassenes ausländisches Gesetz wegen evidenten Verstoßes gegen die Verfassung des ausländischen Staates keine Chance hat, zu effektivem Recht zu werden; es kann im Forumstaat unter Anwendung ausländischen Staatsrechts festgestellt werden, daß eine von einer evident unzuständigen Behörde des fremden Staates ausgesprochene Naturalisation unwirksam ist 1 7 6 . Ist in einem Forumstaat in einem Rechtsstreit zwischen Privatrechtssubjekten die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts an Hand ausländischen Rechts zu prüfen, so wird die Feststellung der privatrechtlichen Ungültigkeit in keinem Forumstaat deshalb unzulässig, weil nach dem ausländischen Recht, welches der Prüfung zugrunde gelegt wird, die Errichtung des fraglichen Rechtsgeschäfts oder der Vollzug eines solchen Rechtsgeschäfts 123
§7
Anwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts
zugleich eine strafbare b z w . durch Verwaltungszwang inhibierbare Verletzung seines öffentlichen Rechts darstellt. D i e Feststellung der Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts unter einem ausländischen Recht scheitert auch nicht daran, daß das ausländische Privatrecht ausdrücklich unter seinem öffentlichen Recht v e r b o t e n e Rechtsgeschäfte als privatrechtlich unwirksam erklärt. D a ß die unter der negativen ordre public-Klausel erfolgende Prüf u n g im Forumstaat, die zur Nichtanwendung der die Ungültigkeit des Geschäfts statuierenden ausländischen Rechtsnorm führen kann, häufig gerade an solchen Bestimmungen des ausländischen Rechts Anstoß nimmt, welche das Geschäft zugleich unter dem öffentlichen Recht des fremden Staates mißbilligen, beruht nicht darauf, daß im Forumstaat in diesem Zusammenhang ausländisches öffentliches Recht „ a n z u w e n d e n " ist, sondern ausschließlich darauf, o b die ausländische Regelung kraß von der Regelung im Recht des Forumstaates abweicht. Desgleichen ist ein gesetzliches Verhaltensgebot im ausländischen Recht, dessen Verletzung im Urheberstaat Unrechtsfolgen des Straf- oder Verwaltungsrechts nach sich ziehen kann, nicht deshalb in seiner Eigenschaft als ein zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösendes „Schutzgesetz" unanwendbar. Auch die Zulässigkeit einer Popularklage auf Unterlassung einer strafbaren H a n d l u n g im Ursprungsland der Verbotsnorm, also eine Regelung, welche unterstreicht, daß die Verbotsnorm vorzugsweise für öffentliches Interesse erlassen worden ist, hindert in einem anderen Forumstaat nicht, daß dort die von einem Schaden bedrohte Partei im Zivilprozeß Klage auf Unterlassung einer Verletzung des im fremden Recht bestehenden Schutzgesetzes erhebt, und daß die Gerichte des Forumstaates darüber entscheiden. D i e erzwingende Anwendung ausländischen Rechts, welches gesetzliche Unterhaltspflichten begründet, wird nicht dadurch gehindert, daß die Pflicht zur Leistung von Unterhalt an unterhaltsbedürftige Angehörige in dem betreffenden Staat zugleich oder gar primär eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung darstellt mit dem Zweck, Fürsorgeleistungen durch den Staat unnötig zu machen. Der Verlust oder der E r w e r b von Eigentum an Sachen im Lagestaat durch den öffentlich-rechtlich geregelten Vorgang der Zwangsvollstreckung wird als privatrechtliche Rechtswirkung ohne weiteres auch in anderen Staaten, insbesondere in einem späteren Lagestaat der betreffenden Sache, anerkannt, ganz gleich, o b es sich um die Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche, oder um die Zwangsvollstrekkung aus rechtskräftig festgestellten öffentlich-rechtlichen Ansprüchen, oder um die Zwangsvollstreckung von Enteignungsgesetzen h a n d e l t 1 7 7 . Wenn über Ansprüche zwischen einem fremden Staat und einer Privatperson, oder umgekehrt, die Gerichte des Forumstaates vielfach nicht entscheiden, so ist dafür nicht der U m s t a n d maßgebend, daß in solchen Fällen ausländisches öffentliches Recht angewendet werden müßte. Vielmehr ist das eigentliche Motiv hier der Gedanke, daß die Parteien an dem betreffenden Rechtsverhältnis in B e z u g auf den Rechtsschutz nicht ungleich behandelt werden dürfen: D e r fremde Staat, der sich auf seine Immunität berufen könnte, wenn einer seiner Beamten vor dem Gericht eines anderen Staates sein Gehalt einklagen würde, kann überzahltes Gehalt nicht im Zivilprozeß vor einem ausländischen Gericht einklagen; der fremde Staat kann seine Steueransprüche nicht einklagen, weil ja auch eine Klage des Steuerpflichtigen auf Rückzahlung von überhöhten Vorauszahlungen nicht vor den Gerichten eines anderen Staates als desjenigen, um dessen Steuergesetze es sich handelt, angebracht werden k ö n n t e 1 7 8 . W o zwischen einem Staat (oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft) und einem Privatrechtssubjekt beiderseitige Pflichten zu Vermögenswerten Leistungen aus einem gesetzlichen Rechtsverhältnis, eventuell auch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, bestehen, w o aber die Rechtsgrundlage nicht das allgemeine Privatrecht, wie es zwischen Privatrechtssubjekten gilt, ist, sieht der Urheberstaat der einschlägigen Rechtssätze für die 124
Anforderungen der Verfassung an das internationale Privatrecht
§7
Geltendmachung von Ansprüchen der einen bzw. der anderen Partei häufig unterschiedliche Verfahren vor: Die Eintreibung von Beiträgen der Sozialversicherung ist für den öffentlich-rechtlichen Gläubiger durchweg wesentlich leichter als die Durchsetzung von Leistungs- oder Schadensersatzansprüchen des Sozialversicherten gegen die öffentlichrechtliche Anstalt. Auch hier wäre es eine diskriminierende Begünstigung der öffentlichrechtlichen Partei, wenn diese eigene Ansprüche nicht nur im eigenen Staat in dem dafür vorgesehenen besonderen Verfahren, sondern zugleich auch im Wege des Zivilprozesses vor ausländischen Gerichten gegen eine im Ausland ansässige Privatperson geltend machen könnte, während diese Privatperson für die Geltendmachung eigener Ansprüche auf die im Heimatstaat der öffentlich-rechtlichen Partei vorgesehenen Verfahren angewiesen wäre. Wo aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen zwischen einer Privatperson und einem öffentlich-rechtlichen Partner der in einem anderen Staat erstrebte Rechtsschutz sämtlichen Beteiligten in gleicher Weise zuteil werden kann, bestehen keinerlei grundsätzliche Bedenken dagegen, daß dieser Staat, wenn der andere auf seine Immunität verzichtet, unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit auch ausländisches öffentliches Recht durch seine Gerichte anwenden läßt 1 7 9 . i) Die Beeinflussung des internationalen Privatrechts durch die Verfassung des Forumstaates 1. Eine staatliche Verfassung kann dem Gesetzgebungsorgan, welches zum Erlaß „einfacher" Gesetze als zuständig erklärt wird, den Erlaß von Gesetzen mit einem bestimmten Inhalt, und sie kann zugleich den Gerichten des Landes die Anwendung der entgegen diesem Verbot erlassenen Gesetze verbieten. Verfassungsbestimmungen, die dem einfachen Gesetzgeber den Erlaß von Gesetzen mit bestimmten inhaltlichen Eigenschaften verbieten, können sich sowohl auf den Erlaß von materiellem Recht, als auch auf den Erlaß von internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen beziehen 180 . Verbietet die Verfassung des Landes den Gerichten, inhaltlich verfassungswidrige Gesetze bei der Bildung einer Entscheidung zu verwenden, und hindert sie sie nicht, zu diesem Zweck die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze nachzuprüfen, so gilt dies selbstverständlich auch für solche Gesetze, welche internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsanweisungen aussprechen. Es bleibt dann vor allem die Frage, inwieweit mit einem Verbot des Erlasses von Rechtsnormen bestimmten Inhalts durch den inländischen Gesetzgeber und der richterlichen Anwendung derselben auch ein Verbot verbunden ist, den Gerichten die Anwendung von ausländischem Recht mit ebensolchem Inhalt durch Rechtsanwendungsanweisungen aufzugeben. Soweit — was im folgenden noch näher zu erörtern sein wird — das Bestehen eines solchen Verbotes anzunehmen ist, erstreckt sich das Prüfungsrecht der Gerichte im Forumstaat dann auch auf ausländisches Recht. Dies gilt sowohl dann, wenn die Verweisung auf einen bestimmten einzelnen ausländischen Rechtssatz hingeht, als auch dann, wenn sich die Verweisung auf irgendwelches jeweils im Ausland geltende Recht bezieht. Es kann unmöglich angenommen werden, daß der einfache Gesetzgeber verfassungsrechtliche Verbote des Erlasses von Sachnormen mit einem bestimmten Inhalt, sofern es sich um die Regelung homogen verknüpfter Situationen handelt, dadurch umgehen könnte, daß er eine rezipierende Verweisung 181 auf ausländisches Recht ausspricht. Werden heterogen verknüpfte Situationen vom Gesetzgeber im Forumstaat in der Weise geregelt, daß die Anwendung des normalen Inlandsrechts oder die Anwendung von eigenem Spezialrecht angeordnet wird, so kann angenommen werden, daß die Anforderungen der Verfassung an den Inhalt dieser gesetzgeberischen Regelungen dieselben sind, wie sie an den Inhalt von Regelungen für homogen verknüpfte Situationen gestellt werden 182 . 125
§ 7
Verfassungswidrigkeit ausländischen Rechts und ordre public-Klausel
Erfolgt hingegen die Regelung heterogen verknüpfter Situationen durch eine Verweisung auf ausländisches Recht oder auf das von einem gemeinschaftlichen Gesetzgebungsorgan mehrerer Staaten formulierte Recht, wobei der Inhalt des Rechts, auf das verwiesen wird, variabel sein kann, so muß auch dann vermutet werden, daß der verweisende einfache Gesetzgeber verfassungskonform hat handeln wollen, d. h. daß er den Gerichten des Staates nicht die Anwendung von ausländischem oder supranationalem Recht hat aufgeben wollen, insoweit dem die Verfassung des Forumstaates entgegensteht. Damit stellt sich die letzte entscheidende Frage, ob der Verfassungsgesetzgeber den Erlaß von gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisungen zur Anwendung von ausländischem Recht auf heterogen verknüpfte Situationen stets für unzulässig hält, wenn die Bestimmungen des ausländischen Rechts durch den eigenen Gesetzgeber in Gestalt von Inlandsrecht oder Spezialrecht nicht hätten erlassen werden dürfen. Oder ist eine Anweisung zur Anwendung von solchem ausländischen Recht, das wegen seines Inhalts durch den inländischen Rechtssetzer nicht hätte erlassen werden dürfen, etwa nur in dem Bereich verfassungsrechtlich verboten, in dem der eigene Gesetzgeber nach Völkerrecht die Anwendung des eigenen Rechts hätte vorschreiben können? Oder ist das verfassungsrechtliche Verbot, heterogen verknüpfte Situationen direkt oder durch Verweisung auf ausländisches Recht in einer von der Verfassung mißbilligten Weise zu regeln, mit einem besonderen räumlichen Anwendungsbereich ausgestattet, der durch Auslegung der einzelnen Verfassungsbestimmungen zu ermitteln ist? Eine Entscheidung der Frage, wann die Anwendung inhaltlich „verfassungswidrigen" ausländischen Rechts auf heterogen verknüpfte Beziehungen verfassungsrtchiYich verboten ist, erübrigt sich, wenn sich unter den Rechtsanwendungsanweisungen, die der einfache Gesetzgeber erlassen hat, eine Generalklausel befindet, welche krasse inhaltliche Abweichungen des ausländischen Rechts vom inländischen Recht als ausreichend erklärt, um dem ausländischen Recht die Anwendung zu verweigern. Wenn das eigene Gesetzesrecht des Forumstaates im Einklang mit seiner Verfassung steht, so wird „verfassungswidriges" Recht des Auslandes in aller Regel wegen grober Abweichung vom verfassungskonformen Inlandsrecht mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel als unanwendbar erklärt werden können, sofern eine ausreichende Binnenbeziehung vorhanden ist. Soweit ein unbeschränktes richterliches Prüfungsrecht in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit des Inhalts von anderen als verfassungsrechtlichen Bestimmungen gegeben ist, können die Gerichte auch in Auslegung der Verfassung des Forumstaates sogar prüfen, ob ausländisches Recht, zu dem übereinstimmende Bestimmungen im eigenen Gesetzesrecht des Forumstaates vorhanden sind, „verfassungswidrig" ist. Komplikationen entstehen, wenn die Verfassung die Entscheidung der Frage, ob Rechtsnormen des eigenen Gesetzgebers verfassungswidrig sind, den normalen Gerichten verweigert, oder jedenfalls eine negative Beantwortung der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eigener Gesetze einem besonderen Verfassungsgericht vorbehält. Schwierigkeiten bereitet es auch, wenn nur ein Verfassungsgericht klären darf, welcher räumliche Anwendungsbereich einem verfassungsgesetzlichen Verbot bestimmter Regelungen zukommen soll. Der Zweck solcher Vorbehalte verfassungsgerichtlicher Prüfung wäre offensichtlich gefährdet, wenn der normale Richter vom ausländischen Gesetz, dessen Anwendung in Frage steht, im Zusammenhang mit der Handhabung der ordre public-Klausel feststellen könnte, daß es einen verfassungswidrigen Inhalt hat, obwohl die entsprechende Vorschrift im eigenen Recht des betreffenden Landes genauso lautet, und das Verfassungsgericht sie für zulässig hält. Ist die Anwendung eines ausländischen Rechtssatzes im konkreten Fall nicht mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel verweigert worden, so schließt dies nicht aus, daß ein Verfassungsgericht in den dafür vorgesehenen Verfahrensarten prüft, ob in der konkreten Anwendung des ausländischen Rechts eine Verfassungsverletzung zu sehen ist. So kann 126
Verfassungsrechtlich gebotener Einsatz der ordre public-Klausel
§ 7
jedenfalls unter dem Grundgesetz der Bundesrepublik das Bundesverfassungsgericht im Verfassungsbeschwerdeverfahren feststellen, daß das Ergebnis der Anwendung eines ausländischen Gesetzes, die das ordentliche Gericht nicht an der negativen ordre public-Klausel hat scheitern lassen, die Verletzung eines Grundrechts darstellt 1 8 3 . Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die das Grundrecht schützende Verfassungsbestimmung auch bei den im konkreten Fall gegebenen Auslandsverknüpfungen Geltung beansprucht. Andererseits kann die durch Verweisung seitens des inländischen internationalen Privatrechts erfaßte ausländische Rechtsnorm, deren Anwendung im Einzelfall als Grundrechtsverletzung gilt, nicht etwa im Tenor der Verfassungsgerichtsentscheidung als verfassungswidrig oder gar als ungültig erklärt werden. Bei der Prüfung der Frage, inwieweit ein verfassungsrechtliches Verbot der Anwendung von Rechtsnormen bestimmten Inhalts sich auch auf das durch Rechtsanwendungsanweisungen erfaßte ausländische Recht bezieht, sind jedoch auch andere Verfassungssätze als diejenigen über den nicht diskriminierenden oder möglichst breiten Schutz der Grundrechte zu beachten. Insbesondere für das westdeutsche Verfassungsrecht kann angenommen werden, daß mit der völkerrechtlichen Gleichheit der Staaten auch eine „grundsätzliche" Gleichbehandlung inländischen und ausländischen Rechts bei der Ausgestaltung des internationalen Privatrechts als verfassungsrechtliche Richtlinie zu beachten ist. Das bedeutet aber noch keinen Vorrang dieser Richtlinie vor anderen verfassungsgesetzlichen Direktiven über die Rechtsbildung; eine Kollision der internationalprivatrechtlichen Leitprinzipien kann möglicherweise zugleich eine Kollision der verfassungsrechtlichen Direktiven zur Gestaltung des internationalen Privatrechts sein. Wie hier ein Kompromiß zwischen widerspruchsvollen Direktiven herzustellen ist, dafür hat der Gesetzgeber, und mangels einer gesetzlichen Regelung auch der Richter, offenbar ein breites Ermessen. Das Bundesverfassungsgericht kann nur prüfen, ob es äußerste Schranken dieses Ermessens als verletzt halten will. Seine Aufgabe bei der Entscheidung über Verfassungsbeschwerden wegen der Anwendung grundrechtswidrigen ausländischen Rechts in Befolgung abstrakter Kollisionsnormen des deutschen internationalen Privatrechts konzentriert sich daher darauf festzustellen, ob im Einzelfall eine solche Inlandsverknüpfung gegeben war, die als verfassungsrechtlich relevante Binnenbeziehung den Gerichten hätte Anlaß geben müssen, unter Handhabung der negativen ordre public-Klausel festzustellen, daß die inhaltliche Unvereinbarkeit des berufenen ausländischen Rechtssatzes mit einer Grundrechtsnorm als eine untragbare krasse Abweichung von der lex fori zu behandeln ist, und daß deshalb der ausländische Rechtssatz nicht angewendet werden darf. Das Ganze läuft darauf hinaus, daß dem Ermessen des ordentlichen Richters bei der Entscheidung der Frage, ob eine zur Handhabung der negativen ordre public-Klausel ausreichende Binnenbeziehung vorliegt, bei grundrechtswidrigem ausländischen Recht noch eine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht aufgestülpt wird, bei der das Bundesverfassungsgericht selbst wieder ein breites Ermessen hat, wann es verfassungsrechtliche Schranken für das Ermessen des ordentlichen Richters bei der Feststellung einer relevanten Binnenbeziehung als verletzt betrachten will 1 8 4 . 2. Besonders kritisch geworden ist unter dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik die Frage, welche Bedeutung bestimmte Konkretisierungen 1 8 5 , 1 8 6 des Gleichheitssatzes für das internationale Privatrecht haben, wie vor allem das Verbot, nach dem Geschlecht zu diskriminieren. Dieser Verfassungssatz läßt es zunächst schon zweifelhaft werden, ob eigene internationalprivatrechtliche Zuweisungsnormen erlaubt sind, welche auf die Staatsangehörigkeit des Ehemannes bzw. auf die Staatsangehörigkeit des männlichen Elternteils abstellen. Für die Zulässigkeit wird angeführt, daß ja mit der Anwendbarkeit des Mannesrechts bzw. Vaterrechts noch nichts darüber feststeht, ob sich dies zum Vorteil des Mannes bzw. des Vaters auf Kosten der Ehefrau, oder des Kindes, oder Dritter auswirkt. 127
§7
Verfassungswidrige Differenzierungen
Gegen die Zulässigkeit dieses Anknüpfungsmoments läßt sich einwenden, daß der Träger der maßgeblichen Staatsangehörigkeit meist allein die Möglichkeit hat, diese zu wechseln, und damit die Anwendbarkeit eines ihm günstigeren Rechts herbeizuführen. Wenn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein verfassungswidriger Nachteil für irgendeinen Betroffenen jedoch schon darin gesehen wird, daß das Kind einer deutschen Mutter im Gegensatz zum Kind eines deutschen Vaters nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt 1 8 7 , so scheint ein Abstellen auf die Staatsangehörigkeit des Ehemannes bzw. des Vaters allein im internationalen Privatrecht ebenfalls schon im Ansatz grundgesetzwidrig zu sein. Es fragt sich indes, ob sich aus der Grundrechtswidrigkeit derartiger Kollisionsnormen bereits ergibt, daß eine andere Lösung die allein verfassungsrechtlich zulässige darstellt. Kann der Gesetzgeber zwischen mehreren verfassungskonformen Gestaltungen des internationalen Privatrechts wählen, wenn er die bestehenden grundrechtswidrigen Kollisionsnormen, die auf die Staatsangehörigkeit des Mannes oder des Vaters allein abstellen, beseitigt, so darf diesem Wahlrecht des Gesetzgebers nicht vorgegriffen werden; bis zur gesetzgeberischen Beseitigung sind also die bestehenden Kollisionsnormen zu beachten 1 8 8 . Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, wann, wenn das durch eine Zuweisungsnorm berufene ausländische materielle Recht eine unter deutschem Verfassungsrecht unzulässige Unterscheidung nach dem Geschlecht vornimmt, die Nichtanwendung dieser Gesetze verfassungsrechtlich geboten ist. Die verfassungsrechtlich gebotene Binnenbeziehung kann dann insbesondere in der deutschen Staatsangehörigkeit eines Beteiligten, aber auch in einem deutschen Wohnsitz, zu sehen sein. Ist eine ausländische Sachnorm, die in grundgesetzwidriger Weise zwischen den Geschlechtern diskriminiert, nicht anwendbar, so kann selbstverständlich nicht gewartet werden, bis der ausländische Gesetzgeber seine Vorschrift ändert; vielmehr hat das ordentliche Gericht die durch die negative ordre public-Klausel geschaffene Lücke selbst zu füllen 1 8 9 . Von erheblicher Bedeutung sind sodann auch die deutschen Verfassungsgrundsätze, wonach im Privatrecht weder nach der subjektiven religiösen Einstellung, noch nach der Zugehörigkeit zu einer öffentlich anerkannten Religionsgemeinschaft differenziert, und wonach nicht nach dem persönlichen Bekenntnis „gefragt" werden darf. Da zahlreiche fremde Staaten Mehrrechtsstaaten mit verschiedenen religiösen Gruppenrechten sind, könnte das Recht dieser Staaten in Deutschland überhaupt nicht zur Anwendung kommen, wenn man die vorgesehene Differenzierung nach der Religion — die für das deutsche Inlandsrecht sicher grundgesetzlich unzulässig ist — gänzlich ignorieren wollte. Wenn die Parteien sich selbst über ihre Zugehörigkeit zu organisierten Religionsgemeinschaften, die nach dem ausländischen Recht relevant ist, äußern, so kann das deutsche Gericht davon sicher Kenntnis nehmen. Anders ist es jedoch, wenn das berufene ausländische Recht unter religiösen Gesichtspunkten diskriminiert190, also z. B. Angehörige bestimmter Konfessionen vom Erbrecht ausschließt, oder wenn es Mischehen zwischen Angehörigen verschiedener Religionen behindert. Die Bedenken gegen die Anwendung derartiger Sätze sind gewichtiger als die Bedenken gegen eine in einem ausländischen Mehrrechtsstaat vorgesehene Differenzierung des Privatrechts nach der Religion. Aber auch die soeben genannten Vorschriften eines ausländischen Rechts dürften in der Bundesrepublik nicht gänzlich ignoriert werden: Ein Urteil des Heimat- und Wohnsitzstaates von Ausländern, welcher eine wegen Religionsverschiedenheit unzulässige Ehe als nichtig erklärt, ist auch in der Bundesrepublik anzuerkennen. Andererseits sollte ein deutsches Gericht, wenn von ihm die Feststellung der Nichtigkeit verlangt wird, prüfen, ob ein Gericht des Heimatstaates konkurrierend zuständig ist, und so den Nichtigkeitsausspruch durch Heranziehung der forum non conveniens-Regel vermeiden. Die Mitwirkung des deutschen Standesbeamten am Abschluß einer Ehe, die 128
Grundgesetz und Recht der DDR
§7
vom ausländischen Heimatrecht eines Verlobten als religiöse Mischehe verboten ist, sollte nicht versagt, d. h. das ausländische Mischehenverbot sollte mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel ignoriert werden, wenn eine persönliche Binnenbeziehung, etwa in Gestalt des deutschen Wohnsitzes oder der deutschen Staatsangehörigkeit eines Verlobten, vorliegt 1 9 1 ; es sollte aber auch vermutet werden, daß Eheschließungswillige ihren zukünftigen ehelichen Wohnsitz nicht in einem Land nehmen wollen, wo die Ehe als religiöse Mischehe ungültig ist 1 9 2 ; dann erübrigt es sich auch, die nach deutschem Verfassungsrecht unzulässige Frage nach der Religionszugehörigkeit, auch wenn sie unter dem berufenen ausländischen Recht erheblich wäre, zu stellen 193 . Ob für die Gestaltung der Rechtsanwendungsanweisungen in den Fällen, in denen nur Anwendung des Rechts der Bundesrepublik einerseits und des Rechts der DDR andererseits in Frage kommen, aus dem Grundgesetz Konsequenzen zu ziehen sind, ist bisher nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geworden. Dem Gedanken, den Privatrechten dieser beiden Staatsgebilde unparitätisch bemessene Anwendungsbereiche zuzuweisen, steht entgegen, daß dies gerade für solche Personen, welche die Bundesrepublik als (gesamt-)deutsche Staatsangehörige behandeln will, eine verstärkte Belastung mit Pflichtenkonflikten zur Folge hätte, was sicherlich wiederum selbst verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Als noch größere Hoffnung auf baldige Wiederherstellung der Rechtseinheit bestand, hätte eine unparitätische Behandlung auf solche neuen Gesetze beschränkt werden können, welche die anfänglich noch vorhandene Ubereinstimmung des Rechts in den beiden deutschen Staaten durchbrach 194 . Ein Vorwurf völkerrechtlicher Illegimität gegenüber dem DDR-Regime deckt sich mit dem Vorwurf der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts. Ist dies der eigentliche Sinn des „Wiedervereinigungsgebots" im Verfassungsrecht der Bundesrepublik, so kann eine verfassungsrechtliche Verpflichtung der zuständigen Organe angenommen werden, bis zu einer freien Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechts durch die Deutschen in der DDR im Kollisionsrecht der Bundesrepublik bei Verknüpfungen zu nichtdeutschen Staaten einerseits und den beiden deutschen Staaten (und Berlin) andererseits mit der Institution einer (gesamt)deutschen „Staatsangehörigkeit zu operieren, und dann, wenn das anzuwendende Recht nicht das Recht eines verknüpften dritten Staates, sondern das in „Deutschland" geltende Recht ist, die weitere Zuweisung an das Recht der Bundesrepublik (einschließlich von Westberlin) oder der DDR vermittels territorialer Verknüpfungen (gewöhnlicher Aufenthalt usw.), und jedenfalls nicht vermittels der DDR-Bürgschaft vorzunehmen 195 . Da die Bundesrepublik jedoch keine Personalhoheit über solche „Deutschen" ausüben darf, die keinerlei territoriale Verknüpfung zur Bundesrepublik haben, und die auch nicht sonstwie die Anwendbarkeit von Recht der Bundesrepublik ausdrücklich oder stillschweigend gewählt haben, ist eine generelle Anwendung von Recht der Bundesrepublik bei Anknüpfung an die „deutsche" oder „inländische" Staatsangehörigkeit nicht anzunehmen. Auf Grund der Verfassungslage besteht keine Veranlassung, die negative ordre public-Klausel im Kollisionsrecht der Bundesrepublik gegenüber dem Recht der DDR zurückhaltender zu handhaben als gegenüber dem Recht eines dritten Staates. Die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, daß das Gebiet der DDR im Recht der Bundesrepublik als „Inland" behandelt werden müsse, ist in dieser Allgemeinheit unvertretbar und rechtfertigt keinesfalls, das Recht der Bundesrepublik als ein auf dem Gebiet der DDR geltendes Recht zu betrachten.
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B. Die Technik des internationalen Privatrechts § 8. Die B e s t i m m u n g d e r A n k n ü p f u n g s g e g e n s t ä n d e u n d die „Qualifikation" a) Grundsätzliches Das Entstehen (Bestehen) von konkreten Verhaltenspflichten als wichtigste „Rechtsfrage". Kategorien für Ansprüche auf die Erfüllung von Verhaltenspflichten anderer und Kategorien für anspruchsbegründende Rechtssätze. Wenn man davon ausgeht, daß alles Recht aus Sollsätzen über menschliches Verhalten besteht, so beziehen sich auch richterliche Entscheidungen der Zivilgerichte vorwiegend auf die Frage, ob eine vom Kläger behauptete konkrete Verhaltenspflicht des Beklagten besteht, bzw. ob sie in der Vergangenheit bestanden hat und nicht erfüllt worden ist; in beiden Fällen fast stets in Verbindung mit der Frage, welche „Sanktionen" eine festgestellte Nichterfüllung der Pflicht — in Gestalt neuer Verhaltenspflichten oder in Gestalt von Rechtsgüterentziehungen durch Staatsakte — nach sich zieht. Die Erwartung von Entscheidungen dieser Art — genauer: die Erwartung von solchen Entscheidungen der Gerichte, welche Rechtsnormen über Verhaltenspflichten mit solchen weiteren Konsequenzen anwenden, die als Verwirklichung angedrohter Zwangsakte für den Fall der Nichtbefolgung der Verhaltensnormen empfunden würden — ist für die Normadressaten in erster Linie kalkulationsrelevant, wenn sie Überlegungen darüber anstellen, wie sie sich rechtskonform zu verhalten haben 1 . Im Zivilprozeß kommt es zu Entscheidungen der beschriebenen Art meist auf Grund eines Begehrens, des „(Klag)-Anspruchs" einer Partei, der anderen möge vom Gericht aufgegeben werden, sich in bestimmter Weise zu verhalten, bzw. es möge vom Gericht, weil die andere Partei sich vor dem Prozeß nicht normgemäß verhalten hat, die Verwirklichung der vom Recht vorgesehenen Unrechtsfolgen erlaubt bzw. angeordnet werden. Die Frage, „nach welchem Recht" der Richter über einen solchen Klaganspruch zu entscheiden hat, deckt sich also mit der Frage, welches Recht auf die „Frage" nach dem Bestehen und dem Inhalt der (behaupteten) Verhaltenspflicht anzuwenden ist. Soweit derartige Rechtsfragen dem einen oder dem anderen von verschiedenen staatlichen Rechten zugewiesen werden, könnte dies, jedenfalls theoretisch, ohne eine Unterscheidung nach der Art der Ansprüche bzw. des Inhalts der auf die angeblichen Verhaltenspflichten anwendbaren Rechtsnormen erfolgen. Es könnte beispielsweise bestimmt werden, daß es generell auf die Staatsangehörigkeit des Beklagten bzw. die Staatsangehörigkeit dessen ankommt, dessen angeblich rechtlich gebotenes Verhalten zur Debatte steht 2 . Diese einfache Lösung genügt aber, ohne daß dies einer näheren Begründung bedarf, den allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts nicht 3 . Vielmehr erfolgen die Zuweisungen an die verschiedenen staatlichen Rechte in unterschiedlicher Weise je nach der inhaltlichen Eigenart des Anspruchs bzw. der Rechtsnormen, nach denen der Anspruch begründet wäre: Auf Ansprüche auf Ersatz des durch eine menschliche Handlung verursachten Schadens wird nicht einfach stets das Heimatrecht des in Anspruch 130
Klagansprüche und anspruchsbegründende Rechtssätze
§8
Genommenen angewendet, sondern etwa, wenn es sich um Schadensersatz wegen „unerlaubter Handlung" handelt, das Recht des Deliktsortes, wenn es sich um Schadensersatz wegen „Vertragsverletzung" handelt, das Recht des Vertragsabschlußortes. Damit stellt sich für den Gesetzgeber eine erste grundlegende Frage für die gesetzestechnische Gestaltung der Zuweisungen: Sollen zu diesem Zweck Kategorien für irgendwelche Klagansprüche auf Erfüllung von angeblichen Verhaltenspflichten gebildet werden, so daß für jede Kategorie solcher Ansprüche ein Anknüpfungsmoment bezeichnet wird, mit dessen Hilfe dann das anwendbare Recht ermittelt wird? Oder soll der Gesetzgeber des Forumstaates bei der Bildung seiner Rechtsanwendungsanweisungen versuchen, alle Rechtssätze, welche tatsächlich Verhaltenspflichten begründen, in mehrere Kategorien einzuteilen, und diese Kategorien bei der Formulierung seiner Zuweisungsnormen zu verwenden? Der erste Weg scheint auf den ersten Blick deshalb nahezuliegen, weil ja auch die Prozeßgesetze oft die Zuständigkeit der verschiedenen Gerichte allein von Eigenschaften der erhobenen Klagansprüche abhängig machen: Klagansprüche „auf Gewährung von Unterhalt" gehören etwa vor dieses, Klagansprüche „auf Unterlassung einer Handlung" vor jenes Gericht usw. Dabei mag sich der Kläger auf die Andeutung des Sachverhaltes, der angeblich den vorgebrachten Anspruch stützt, die Angabe der begehrten Entscheidung, das Verlangen, das Gericht möge seinem Begehren auf Grund irgendeiner im Forumstaat anwendbaren Rechtsnorm stattgeben, und die implizierte Behauptung, es gäbe eine solche Norm, die sein Begehren stütze, beschränken können. Andererseits ist es nicht selten, daß das Prozeßrecht eines Landes vom Kläger verlangt, daß er den Rechtssatz bezeichnet, der nach seiner Meinung den erhobenen Anspruch stützt. Auch ohne eine solche Vorschrift wird in manchen Prozeßrechten unterstellt, daß der Kläger, wenn er sein Begehren bei einem bestimmten Gericht und in einem bestimmten Verfahren anbringt, und wenn das betreffende Gericht in dem betreffenden Verfahren nur an Hand bestimmter Rechtssätze entscheiden darf, selbst will, daß dies, und nur dies, geschieht; mit der Erhebung der Klage vor einem auf die Anwendung bestimmter Rechtssätze beschränkten Gericht bezeichnet dann auch der Kläger selbst diejenigen Rechtssätze, die angeblich seinen Anspruch stützen 4 . Wenn nun im „totalen Rechtsstaat", der für jede von einer Partei aufgestellte Behauptung über eine Verhaltenspflicht anderer, die von diesen bestritten wird, eine gerichtliche Streitentscheidung verspricht, auch für das absurdeste Klagbegehren ein zuständiges Gericht bereitgestellt werden muß, so kann dies nicht anders geschehen als dadurch, daß ein Gericht für die Restkategorie aller derjenigen Ansprüche als zuständig erklärt wird, für die das zuständige Gericht nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer spezifischen Kategorie bestimmt worden ist. Der „allgemeine Gerichtsstand" des angeblich Pflichtigen gilt dann in erster Linie für diese Restkategorie von Ansprüchen. Daß auch für die Zwecke des internationalen Privatrechts Kategorien für „reine", d. h. ohne Angaben über den anspruchbegründenden Rechtssatz vorgebrachte Ansprüche, allein an Hand von Eigenschaften des behaupteten Tatbestandes bzw. der behaupteten Rechtsfolge, gebildet und den Zuweisungen zugrunde gelegt werden, ist nun schon deshalb nicht empfehlenswert, weil es außerordentlich schwierig sein würde, mit Hilfe eines einzigen Anknüpfungsmoments dasjenige Recht zu bezeichnen, welches für jene Restkategorie aller derjenigen Ansprüche anwendbar sein sollte, die nicht einer durch inhaltliche Eigenschaften näher bezeichneten Kategorie zugehören. Sodann könnte, wenn den Zuweisungen des internationalen Privatrechts Kategorien für Klagansprüche zugrunde gelegt würden, nicht berücksichtigt werden, was bei einer Einteilung von Rechtsnormen in Kategorien möglich ist, nämlich der rechtspolitische oder funktionelle Zusammenhang einer einzelnen Rechtsnorm mit einer bestimmten Gruppe von anderen Rechtssätzen, ein Gesichtspunkt, über den unten5 noch Genaueres gesagt werden wird. 131
§8
Kategorien für Rechtssätze
Die Zuweisungen des internationalen Privatrechts eines Forumstaates für Fragen nach dem rechtlich gebotenen Verhalten einer Person müssen daher rationellerweise so konstruiert bzw. so verstanden werden, daß sie mit bestimmten Kategorien für Verhaltenspflichten begründende Rechtssätze, und nicht mit Kategorien für Klagansprüche, arbeiten. Rechtsanwendungsanweisungen, die so gefaßt sind, daß auf „Ansprüche aus unerlaubter Handlung" das Recht des Deliktsortes, auf „Ansprüche aus einem schuldrechtlichen Vertrag" hingegen das Recht des Vertragsabschlußortes anzuwenden ist, sind also so zu verstehen, daß jedem Begehren auf Verurteilung zu einem Verhalten oder einer Leistung, wenn es auf Grund eines „deliktsrechtlichen Satzes" im Recht des Deliktsortes als begründet erscheint, stattgegeben werden muß, desgleichen aber auch, wenn das Klagbegehren durch Vorschriften des Vertragsabschlußortes über die Begründung von Verhaltens- und Leistungspflichten durch Vertrag der Beteiligten gerechtfertigt ist. Wird eine Verpflichtung des Mannes zur Leistung von Prozeßkostenvorschüssen an die Ehefrau eingeklagt, so ist nicht der erhobene Anspruch selbst als „eherechtlich" oder „güterrechtlich" zu „qualifizieren", sondern der tatsächlich erhobene Anspruch ist als begründet zu betrachten, wenn er von einer erbrechtlichen bzw. güterrechtlichen Norm des jeweils mit seinen „erbrechtlichen" bzw. „güterrechtlichen" Vorschriften berufenen staatlichen Rechts gedeckt ist. Aus jeder berufenen Kategorie von Rechtssätzen eines jeden staatlichen Privatrechtssystems, zu dem eine Zuweisung des Forumstaates hingeht, wird also der auf den Klaganspruch „passende" Rechtssatz im Forumstaat zur Anwendung gebracht 6 . Das hat unter Umständen zur Folge, daß ein Klagbegehren, zu dessen Rechtfertigung eine Partei einen „auslösenden" Sachverhalt in seiner Gesamtheit vorträgt, auf den einen und den anderen Rechtssatz aus mehreren zur Anwendung berufenen Privatrechtssystemen gestützt werden kann, wobei der eine Rechtssatz der einen, der andere Rechtssatz einer anderen Normenkategorie angehört. Möglicherweise kann also der Anspruch nach zwei anwendbaren Rechtssätzen aus verschiedenen Normenkategorien in verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen begründet sein, ähnlich wie dies auch bei reinen Inlandsbeziehungen der Fall ist, wenn eine „Anspruchskonkurrenz" angenommen werden kann. Verlangt die Frau vom Ehemann Gewährung eines Vorschusses für die Kosten des von ihr zu führenden Prozesses, und „qualifiziert" das internationale Privatrecht des Forumstaates nicht diesen Anspruch als solchen, sondern ist der Forumstaat bereit, auf den erhobenen konkreten Anspruch die „güterrechtlichen" Bestimmungen innerhalb des Eherechts des Staates A zur Anwendung zu bringen, wenn eine Verknüpfung X zu dem Staat A besteht, und die „personenrechtlichen" Bestimmungen innerhalb des Eherechts des Staates B, wenn eine Verknüpfung Y zum Staat B besteht, so ist es möglich, daß der Anspruch entweder allein nach den güterrechtlichen Bestimmungen des Rechtes A, oder allein nach den personenrechtlichen Bestimmungen des Rechts B, aber auch daß er nach beiden, oder daß er nach keinem der beiden Rechte begründet ist. Ist in keiner der beteiligten Rechtsordnungen ein Rechtssatz vorhanden, welcher den geltend gemachten Anspruch als schlüssig begründet erkennen lassen würde, so ist auch dann nicht etwa der Anspruch als solcher zu qualifizieren, nur um sagen zu können, daß der Stand des Rechts in dem Land, zu dessen Recht man dann kommt, den erhobenen Klaganspruch nicht als begründet erkennen läßt, und daß die Klage unter Anwendung dieses Rechts abgewiesen ist 7, 8 . b) Kategorien für Rechtssätze zur Beantwortung von Teilfragen Selbständige und unselbständige Anknüpfung von Teilfragen. Grundstatutsmethode und Mosaikmethode. Nicht immer liegen aber im positiven Kollisionsrecht die Dinge so, daß für die Beantwortung der Frage, ob ein erhobener Anspruch auf ein Verhalten (eine Leistung) eines 132
Rechtssätze zur Lösung von Teilfragen
§8
anderen durch das Recht gedeckt ist, nur Rechtsinhalte aus einem einzigen staatlichen Privatrechtssystem herangezogen werden, so daß dieses eine Recht dann insbesondere auch sämtliche Voraussetzungen für das Entstehen der Rechtspflicht abschließend regelt. Gehört etwa zu dem pflichtauslösenden Tatbestand nach dem Recht, welches grundsätzlich als das pflichtbegründende Recht berufen ist, eine „rechtsgeschäftliche" Willenserklärung, so kann doch ein anderes Recht — allein oder neben jenem „Geschäftsstatut" — mit einem Satz anwendbar sein, welcher besagt, daß die Erklärung schriftlich abgegeben sein muß, damit die Verhaltenspflicht eintritt; ein anderes Recht kann mit einem Satz anwendbar sein, welcher ein bestimmtes Lebensalter des Geschäftserrichters zu einer der Voraussetzungen für das Entstehen der Rechtspflicht macht; ein Rechtssatz, der eine staatliche Genehmigung als zusätzliches Erfordernis für die Entstehung der Rechtspflicht macht, kann wieder einem dritten Recht entnommen werden. Zur Anwendung solcher gesondert angeknüpften Rechtssätze — nämlich gesondert von dem Statut für die Hauptfrage nach der Begründetheit einer Klage auf Feststellung einer Verhaltenspflicht der anderen Partei — betreffend einzelne Voraussetzungen der Entstehung der Rechtspflicht kann es im Forumstaat kommen, wenn der Gesetzgeber des Forumstaates selbst Urheber eines derartigen Rechtssatzes ist, indem er diesem seinem Rechtssatz einen bestimmten Anwendungsbereich zuweist und die (notfalls vorrangige) Anwendung vor demjenigen Recht vorsieht, dem im übrigen die Frage nach der Begründetheit des Klaganspruchs zugewiesen worden ist. Zur Anwendung einzelner aus einem anderen Recht als dem eigentlich pflichtbegründenden Statut stammender Rechtssätze - also z. B. von Rechtssätzen über Alterserfordernisse oder Schriftformerfordernisse beim Rechtsgeschäft — kann es jedoch auch dadurch kommen, daß das als pflichtbegründendes Statut berufene Recht selbst besondere Kategorien für solche Rechtssätze bildet, welche das Vorhandensein bestimmter persönlicher Eigenschaften des Urhebers einer Willenserklärung, oder das Vorhandensein gewisser Formtatbestände, zur Voraussetzung für das Entstehen der Rechtspflicht machen, und daß Zuweisungsnormen derjenigen Rechtsordnung, welche „im übrigen" für die Entstehung der Rechtspflicht anwendbar sein will, eine Verknüpfung bezeichnen, auf Grund deren derartige Bestimmungen möglicherweise einem anderen Recht als dem pflichtbegründenden „Grund"-Statut zu entnehmen sind. Es ist das Wesentliche an der Grundstatutsmethode, daß ein dritter Forumstaat sich einer solchen Regelung anschließt. Es ist aber auch möglich, daß das internationale Privatrecht des Forumstaates seine Zuweisung an das Recht, welches die Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht beantworten soll, von vornherein in der Weise einschränkt, daß z. B. Rechtssätze über das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit, oder über Formerfordernisse bei einem pflichtbegründenden Rechtsgeschäft, anderen Rechten entnommen werden sollen. Bei Verwendung der Mosaikmethode erfolgen die Zuweisungen der Fragen nach einer Verhaltenspflicht von vornherein mit der Maßgabe, daß sie sich nicht beziehen sollen auf diejenigen Teilfragen, die vom Kollisionsrecht des Forumstaates durch gesonderte Zuweisungsnormen einem anderen Recht zugewiesen worden sind; das zunächst für die Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht global als maßgebend bezeichnete Recht wird damit zu einem „Reststatut", d. h. einem Statut für sämtliche Fragen, die nicht vom Kollisionsrecht des Forumstaates gesondert zugewiesen worden sind. Vor allem sind es gewisse typische Teilfragen, bei denen die Mosaikmethode, wie sie im folgenden genannt wird, das vom Kollisionsrecht des Forumstaates für die Frage nach einer Verhaltenspflicht berufene Grundstatut und dessen Kollisionsrecht ignoriert, um das im Forumstaat auf solche Teilfragen anzuwendende Recht durch eigene Zuweisungsnormen selbständig zu bestimmen. Dazu gehören insbesondere nicht nur die Teilfrage nach der Geschäftsfähigkeit für die Abgabe rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen, die Teilfrage nach der Formgültigkeit von Rechtsgeschäften, son133
§8
Grundstatutsmethode und Mosaikmethode
d e m z. B. auch die Frage nach dem erbrechtlichen Übergang von Rechten und Pflichten auf neue Träger, wenn der bisherige Träger durch Tod wegfällt, und das Bestandsstatut für die Rechte bzw. die Pflichten Vererblichkeit vorsieht. Es muß späterer Prüfung vorbehalten bleiben, ob eine Gestaltung des internationalen Privatrechts anzustreben ist, bei welcher der jeweilige Forumstaat selbst mit eigenen Rechtsanwendungsanweisungen nur solche Rechtsfragen zuweist, die sich auf das Bestehen von Verhaltens- und Leistungspflichten beziehen, und ob es jedem auf diese Weise berufenen und anwendungswilligen Statut im Sinne der Grundstatutsmethode überlassen bleiben sollte, andere Rechte als Teilfragenstatute heranzuziehen —, oder ob im Sinne der Mosaikmethode der jeweilige Forumstaat selbst bestimmen soll, für welche Rechtsfragen, die nicht als „globale" Fragen nach dem Bestehen einer Rechtspflicht gefaßt sind, andere Rechte maßgebend sein sollen als dasjenige, welches eine Zuweisungsnorm des Forumstaates zum „Reststatut" für die Beurteilung der Klagbehauptung, es bestehe eine rechtliche Verhaltenspflicht, berufen hat. Wichtig ist indes, daß Grundstatutsmethode und Mosaikmethode auch kombiniert auftreten können, indem nämlich für Unterteilfragen von solchen Teilfragen, die im Sinne der Mosaikmethode zunächst selbständig zugewiesen worden sind, möglicherweise wieder mit der Grundstatutsmethode gearbeitet wird. Das ist besonders deutlich beim Erbrecht: O b das Eigentum an einem Grundstück nach dem Tode des Eigentümers auf eine bestimmte andere Person übergeht, und welche Person das ist, das könnte dasselbe Recht, welches auf die Frage nach dem Bestehen eines Eigentumsrechts und dessen Inhalt angewendet werden will (und auch zumeist in allen anderen Staaten angewendet werden soll), selbst abschließend regeln. Dieses Recht (das „Sachstatut") könnte also z. B. bestimmen, daß das Eigentumsrecht erlischt, soweit nicht der Eigentümer zu Lebzeiten durch eine schriftliche Anordnung bestimmt hat, wer bei seinem Tode Eigentümer werden soll. Dann würde kaum ein anderer Staat es als Forumstaat wagen, selbst in einer Zuweisungsnorm ein anderes Recht zu benennen, welches über das Schicksal des Eigentums beim Tode des Eigentümers Bestimmungen treffen soll. Sobald aber das Bestands Statut anordnet, daß das konkrete Eigentumsrecht beim Tode des bisherigen Inhabers unter allen Umständen auf Grund „erbrechtlicher" Bestimmungen einen anderen Inhaber erhalten soll, fühlen sich die Internationalprivatrechtsgesetzgeber anderer Forumstaaten meist veranlaßt, das anwendbare „Erbstatut" selbst zu bestimmen. Im Geiste der Grundstatutsmethode wäre das Erbstatut durch Gesamtverweisung auf das Kollisionsrecht des Bestandsstatuts des einzelnen zu vererbenden subjektiven Rechts zu ermitteln; im Geiste der Mosaikmethode wird aber in vielen Staaten das Erbstatut ohne Rücksicht, und möglicherweise sogar gegen den Willen des Bestandsstatuts, ermittelt 9 . Selbst wenn nun aber im letzteren Sinne das Erbstatut in einem Forumstaat unabhängig davon ermittelt wird, wie die Gerichte in dem Staat zu entscheiden haben, dessen Recht für den Bestand eines vererbten Nachlaßgegenstandes als subjektives Recht maßgebend ist, so kann bei Anwendung von ausländischem Erbrecht doch wieder die Frage nach dem für die Form eines Testaments maßgeblichen Formstatut auftauchen. Das Formstatut kann dann entweder im Sinne der Mosaikmethode durch eine selbständige Zuweisung in einer Kollisionsnorm des jeweiligen Forumstaates zu ermitteln sein; es ist aber auch möglich, für diese Frage nunmehr im Sinne der Grundstatutsmethode die Rechtsanwendungsanweisungen im Staat des Erbstatuts dafür heranzuziehen, ob überhaupt Formvorschriften aus einem anderen Recht als dem, welches das Erbstatut stellt, beachtlich werden können. Sowohl bei Verwendung der Mosaikmethode, als auch bei Verwendung der Grundstatutsmethode sind jedenfalls nicht nur Kategorien für solche Rechtsinhalte zu bilden, welche geeignet sind, eine Hauptfrage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht abschließend zu beantworten, sondern es sind auch Kategorien für solche Rechtssätze zu bilden, an 134
Technik der Kategorienbildung
§8
Hand deren möglicherweise irgendwelche Teilfragen oder Unterteilfragen von solchen Teilfragen zu lösen sind. Wenn es aber schon abzulehnen ist, die Kollisionsnormen so zu bilden, daß Kategorien für Ansprüche auf Erfüllung von Verhaltenspflichten gebildet werden, so daß der konkrete Klaganspruch das Qualifikationsobjekt darstellt, so wäre es erst recht falsch anzunehmen, daß Teilfragen als solche Gegenstand der Qualifikation seien 10 . Es darf daher z. B. nicht die Frage gestellt werden, ob eine eventuelle Mitwirkung eines Geistlichen an einer Eheschließung, oder gar ob eine bestimmte Art seiner Mitwirkung als „Formfrage" zu qualifizieren ist oder nicht, sondern es darf nur die Frage gestellt werden, ob die positivrechtliche Regelung im Staat A, welche eine bestimmte Art der Mitwirkung des Geistlichen zur Voraussetzung für die Gültigkeit der Eheschließung erklärt, zu denjenigen Bestimmungen gehört, welche ein bestimmtes staatliches internationales Privatrecht in seine Kategorie der „FormVorschriften" einordnet. Das als Formstatut berufene Recht wird mit Vorschriften über gewisse Arten von Gültigkeitsvoraussetzungen für das Rechtsgeschäft zur Anwendung gebracht. Wie die Kategorie „FormVorschriften" näher zu bestimmen ist, darauf wird unten noch zurückzukommen sein. c) Die Technik der Bildung von Kategorien für Privatrechtssätze 1. Kategorien für Rechtssätze des eigenen Rechts, und Kategorien für Rechtssätze des eigenen und des ausländischen Rechts Die Technik der Bildung von Kategorien für Privatrechtssätze, ob diese sich nun zur Beantwortung der Frage nach einer Verhaltenspflicht, oder zur Beantwortung einer Teilfrage oder einer Unterteilfrage eignen, ist nicht unabhängig davon, ob das internationale Privatrecht des betreffenden Staates nur mit einseitigen Zuweisungen an das eigene Recht, und Zuweisungen an jedes selbst anwendungswillige fremde Recht arbeiten will, oder ob Zuweisungen an ausländisches Recht in Gestalt einseitiger oder bilateraler Sachnormverweisungen erfolgen sollen. Wenn jeder Forumstaat alle von sich aus anwendungswilligen Rechte, soweit dies sich durchführen läßt, innerhalb der Grenzen ihrer Anwendungswilligkeit nebeneinander anwenden lassen (und gegebenenfalls bei Widersprüchen oder Störungen der materiellen Harmonie eine „Anpassung" der verschiedenen anwendungswilligen Rechte vornehmen lassen) wollte, so brauchte jeder Staat für die Zwecke des internationalen Privatrechts nur die Normen seines eigenen Rechts in Kategorien einzuteilen. Verwendet ein Forumstaat aber Zuweisungsnormen, bei denen die Anwendung von ausländischem Recht nicht nur davon abhängig ist, daß das fremde Recht selbst angewendet werden will, so muß das betreffende internationale Privatrecht die eigenen Kategorien für Rechtssätze so bilden, daß auch Rechtssätze aus fremden Rechten damit erfaßt werden können. 2. Kategorienbildung
durch normierte
Enumeration
Soweit sich die Kategorien nur auf das eigene materielle Recht beziehen, kann der Bestand der einzelnen Kategorien durch „normierte Enumeration" gebildet werden. Es ist aber außerordentlich selten, daß dies in der Form von gesetzlichen „Listen" geschieht. Vielfach wird bei einem systematisch kodifizierten Privatrecht die Ansicht vertreten, daß alle in einem bestimmten Abschnitt des Kodifikationsgesetzes untergebrachten Rechtssätze einer bestimmten Kategorie angehören, auf die dann möglicherweise auch das internationale Privatrecht des betreffenden Staates zurückgreift. Oft ist es jedoch Richterrecht, welches aus den Sätzen der lex fori diejenigen, die zu einer internationalprivatrechtlichen Normenkategorie gehören sollen, im Laufe der Zeit Stück für Stück zusammenstellt, ohne sich dabei streng an die Systematik der gesetzgeberischen Kodifikation zu halten. Sollen nun auch ausländische Rechtssätze durch die Kollisionsnormen des Forumstaates in Kategorien erfaßt werden, so könnten die zunächst für Inhalte des eigenen Rechts des Forumstaates durch Enumeration gebildeten Kategorien die Ausgangsbasis darstellen, und 135
Funktionszusammenhänge zwischen Rechtssätzen
§8
zwar so, daß ausländische Rechtssätze, die mit einem bereits kategorisierten Satz des inländischen Rechts inhaltlich übereinstimmen, einfach als derselben Kategorie zugehörig gelten, wie der betreffende Satz des inländischen Rechts, und daß Sätze des ausländischen Rechts, die inhaltlich vom inländischen Recht abweichen, nach Maßgabe der größeren Ähnlichkeit mit Sätzen des inländischen Rechts der einen oder der anderen Kategorie zugefügt werden. Derartiges schwebt offenbar der Lehre vor, es sei „nach der lex fori" zu qualifizieren 11 . 3. Kategorienbildung
durch
Definition
Auch soweit noch nicht alle Rechtssätze des eigenen Rechts durch Enumeration für die Zwecke des internationalen Privatrechts qualifiziert sind, könnte man versuchen, einen noch nicht qualifizierten Rechtssatz in diejenige Kategorie einzuordnen, in der sich schon inhaltlich ähnliche Rechtssätze befinden. Damit mündet die Enumerationsmethode in eine andere Methode der Bildung von internationalprivatrechtlichen Kategorien für Rechtssätze: Sollen — was auf den ersten Blick plausibel erscheint — die Kategorien für Rechtssätze mit Hilfe von Definitionen gebildet werden, so bedeutet dies, daß irgendwelche Eigenschaften der Rechtssätze dafür maßgebend sind, welcher internationalprivatrechtlichen Normenkategorie sie angehören. Es sind vor allem bestimmte inhaltliche Eigenschaften des Tatbestandes, an den ein solcher Reehtssatz die Rechtsfolge einer Verhaltenspflicht — oder sehr oft einen Komplex von Verhaltenspflichten in Gestalt eines Rechtsverhältnisses — anknüpft, oder es sind bestimmte inhaltliche Eigenschaften dieser Rechtsfolge, oder es sind bestimmte Kombinationen von Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgemerkmalen, welche in erster Linie die Kriterien für eine Definition abgeben können 12 . Es wäre indes falsch anzunehmen, daß im positiven Recht eine Zuteilung aller Verhaltensnormen zu bereits endgültig definierten Kategorien erfolgt. Unverkennbar stellen die meisten der im positiven Recht entwickelten Kategorien für materielle Rechtssätze einfach auf „Familienähnlichkeiten" im Sinne der Wittgensteinschen Logiklehre ab, d. h. es ist für die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu einer Kategorie maßgebend, daß sich bei ihm eine (meist wiederum nicht exakt festgelegte) Mindestzahl von mehreren Eigenschaften findet, die man bei einer Betrachtung der zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Gegenstände für die Kategorie („Familie") als typisch ansieht, wobei im Laufe der Zeit weitere zu qualifizierende Gegenstände auftauchen, zu den anfänglich verwendeten Kennzeichen für eine Kategorie („Familie") neue hinzukommen können, und zugleich neue Kategorien gebildet werden 13 . 4. Zugehörigkeit
zu einer Normenkategorie
durch
Funktionszusammenhang
Außerordentlich wichtig ist sodann bei der Bildung von Kategorien für Rechtssätze vermittels einer solchen „Definition" das folgende: Oft wird nur der Kern einer Kategorie von Rechtssätzen mit Hilfe einer Definition nach Inhaltsmerkmalen gebildet; weitere Rechtssätze gelten aber als einer mit einem bestimmten Kern feststehenden Kategorie zugehörig, wenn es Zweck dieser Rechtssätze ist, ergänzend zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles beizutragen, dem solche Normen dienen, die zum Kern einer einzelnen Normenkategorie (in diesem Privatrechtssystem) gehören 14 . Die Anwendbarkeit weiterer, einer Randzone der Kategorie zugehöriger Normen neben den Normen des Kategorienkerns wird unter Umständen auch notwendig, um ein harmonisches Resultat der Auswirkung aller dieser Normen in ihrer Gesamtheit zu gewährleisten. Es handelt sich hier um denselben Gesichtspunkt, der bei der verfassungsgesetzlichen Regelung der Zuständigkeiten zur Gesetzgebung im Bundesstaat eine Rolle spielt, wo ebenfalls ein Rechtssatz unter Umständen allein wegen seines „Sachzusammenhangs" mit der für eine bestimmte Materie getroffenen Regelung von demselben Gesetzgeber erlassen werden darf, dem diese „Materie" in der Verfassung zugewiesen worden ist 1 5 . 136
Ausschlüsse aus Normenkategorien
§8
Es kann dann vorkommen, daß ein Satz eines ausländischen Rechts, wenn allein auf seinen Inhalt abgestellt wird, definitionsgemäß als dem Kern einer Normenkategorie A zugehörig erscheint, während er im Zusammenhang mit den übrigen Normen der Privatrechtsordnung, aus der er kommt, betrachtet, dort der Ergänzung einer Normenkategorie B dient 16 : Ein Satz, welcher den Ehemann verpflichtet, der Frau die Mittel für die von ihr zu führenden Prozesse vorzuschießen, kann im Privatrecht des Staates, der ihn geschaffen hat, Ergänzung von solchen Rechtssätzen sein, die das Kollisionsrecht des Forumstaates als Sätze des ehelichen Güterrechts betrachtet; ein inhaltsgleicher Rechtssatz im Privatrecht des Forumstaates kann solche Vorschriften vervollständigen, die der Forumstaat in seinem internationalen Privatrecht als Bestimmungen über die persönlichen Wirkungen der Ehe betrachtet17. Zu einer Kategorie von Rechtssätzen, welche typische Teilfragen, wie etwa Fragen nach dem Übergang von subjektiven Rechten auf neue Inhaber beim Tode des bisherigen Inhabers, regeln, können zwecks Ergänzung solche Rechtssätze hinzukommen, die ihrerseits eine neue Verhaltenspflicht begründen. 5. Normierte Ausschlüsse aus einer definierten Normenkategorie Wenn zusätzlich zu den von der Definition des Kerns einer Rechtsnormenkategorie erfaßten Rechtssätzen weitere funktionsergänzende Rechtssätze desselben Privatrechtssystems als Bestandteile der Normenkategorie hinzutreten, so kann vom Gesetzgeber angeordnet werden, daß sie nicht zugleich als einer anderen Normenkategorie zugehörend gelten sollen, auch wenn die Definition für den Kern dieser Kategorie auf den betreffenden Rechtssatz zutreffen sollte. Unter Umständen werden auch durch eine Vorschrift des positiven Rechts bestimmte Rechtssätze aus anderen Gründen aus einer Kategorie entfernt, obwohl sie von der Definition für die betreffende Rechtssatzkategorie gedeckt sind. Das gilt z. B. für die Rechtssätze, welche bestimmen, daß mangels eines durch Testament verfügten Erbschaftsanfalls und beim Fehlen von Angehörigen des Erblassers, die mit einem Intestaterbrecht ausgestattet sind, der Staat (oder eine andere öffentliche Einrichtung) den Nachlaß erhalten soll. Von diesen Rechtssätzen über den Erwerb des „erbenlosen" Nachlasses durch den Staat besagt eine in vielen Kollisionsrechten akzeptierte Deutung der Zuweisungsnormen für „Erbrechts"sätze, daß die genannten Rechtssätze nicht dem Recht desjenigen Staates entnommen werden sollen, dem das internationale Privatrecht des Forumstaates die Regelung der Erbfolge durch „Erbrechtssätze" vermittels eines anderen Anknüpfungsmoments als der Lage des Nachlaßgegenstandes zuweist, sondern dem Recht des Lagestaates der einzelnen Nachlaßgegenstände18; Sätze über „Staatserbrecht" sollen dem Erbstatut auch dann nicht entnommen werden, wenn dieses selbst den Staat in jeder Hinsicht genauso behandelt wie einen privaten Erben. Hier liegt einfach ein durch das positive Recht des Forumstaates verfügter Ausschluß aus der internationalprivatrechtlichen Normenkategorie der „Erbrechtsnormen" vor. Wenn von einem solchen nicht im Gesetz, sondern erst durch die Rechtsprechung geprägten Ausschluß der Sätze über Rechte des Staates an einem Nachlaß aus der Kategorie der erbrechtlichen Normen versucht wird, ihn in der Phase der Bildung solchen Richterrechts damit zu „begründen", daß die fraglichen Rechtssätze „wesensmäßig" nicht als „Erbrecht" qualifiziert werden könnten, so handelt es sich um eine Scheinbegründung. Desgleichen ist denkbar, daß ein bestimmter Tatbestand bei der Errichtung eines Rechtsgeschäfts zwar von der Definition erfaßt wird, die eine Kollisionsnorm für ihre Kategorie der „Formvorschriften" gebildet hat, daß aber von einem Satz der lex fori, welche diesen Tatbestand als Gültigkeitserfordernis für das Rechtsgeschäft bezeichnet, angeordnet wird, daß er „nicht als Formvorschrift gelten" solle, mit der Folge, daß die Anwendbarkeit dieses Rechtssatzes nicht entfällt, wenn er sich in dem Recht findet, wel137
§8
Bezeichnung der Normenkategorien
ches „grundsätzlich" für das Rechtsgeschäft maßgebend ist, während nur „Formvorschriften" dem Recht des Errichtungsortes zu entnehmen sind 19 . 6. Bildung von Normenkategorien auf der Basis der Rechtsvergleichung Im Interesse der Entscheidungsgleichheit ist es wünschenswert, daß jeder Forumstaat bei der Bildung seines internationalprivatrechtlichen Kategoriensystems, welches in- und ausländische Privatrechtsnormen erfassen soll, den Tendenzen folgt, die bereits bei den meisten anderen Staaten festgestellt werden können. Zugleich aber sollte man überall bestrebt sein, auf Grund breitester Kenntnis des Privatrechts aller Länder die Kategorien so zu bilden, daß jedenfalls die Gesamtheit der gegenwärtig geltenden oder zu erwartenden Sätze des positiven Privatrechts mit Sicherheit erfaßt werden 20 . Bis dahin ist es nicht ausgeschlossen, daß eine einzelne Norm eines ausländischen Rechts in den von einem bestimmten Forumstaat verwendeten internationalprivatrechtlichen Normenkategorien nach Ansicht eines Rechtsanwendungsorgans deshalb nicht untergebracht werden kann, weil unter den Sätzen, an die bei der Aufstellung der Kategorien gedacht wurde, „ähnliche" Inhalte sich nicht finden. Dann wird die Anwendung einer solchen Vorschrift oft schon wegen allzu krasser Abweichung von der lex fori mit Hilfe der ordre public-Klausel verweigert werden. Es mögen Fälle bleiben, wo dies nicht angenommen werden kann; wenn hier nicht ein großzügigeres Verständnis der „Ähnlichkeit" mit den durch die Kategorien des Kollisionsrechts des Forumstaates bereits gedeckten Inhalten die Einordnung in eine bestehende Kategorie doch noch ermöglicht, wäre es denkbar, daß zwar eine erzwingende Anwendung einer solchen Norm unterbleibt, während eine derartige „unbekannte Institution" eines ausländischen Rechts unter Umständen doch als präjudizielles Rechtsverhältnis21 im Forumstaat Beachtung finden könnte. 7. Die Bezeichnung der Normenkategorien Praktisch unvermeidlich ist, daß der Forumstaat, der die Kriterien zur Bildung von Normenkategorien für sein internationales Privatrecht selbst festsetzt, den von ihm gebildeten Kategorien einen Namen gibt 22 . Die gleiche Bezeichnung für zwei Normenkategorien durch die Internationalprivatrechte verschiedener Staaten garantiert aber nicht, daß die Kategorien wirklich nach denselben Kriterien gebildet werden; sie garantiert daher auch nicht, daß ein bestimmter Satz des positiven Rechts in der Sicht des einen und des anderen Kollisionsrechts tatsächlich den beiden gleichbenannten Kategorien zugehört 23 . Immerhin läßt der Umstand, daß zwei internationale Privatrechte gleiche Bezeichnungen für Normenkategorien verwenden, fast stets vermuten, daß die Kategorien im praktischen Ergebnis doch jedenfalls zu einem großen Teil dieselben Normen erfassen. Auch eine bestimmte Bezeichnung einer Normengruppe im System einer Kodifikation des eigenen Privatrechts gilt für die Praxis oft als eine Vermutung dafür, daß ein einzelner so „qualifizierter" Rechtssatz des eigenen Rechts auch der gleichbenannten Normenkategorie in einer kollisionsrechtlichen Zuweisungsnorm desselben Staates angehöre24. Wohin ein einzelner positiver Rechtssatz eines ausländischen Privatrechts im internationalprivatrechtlichen Kategoriensystem des Forumstaates gehört, hängt aber sicher nicht davon ab, daß eine im Ursprungsstaat gebildete Rechtssatzkategorie, in die ihn der Ursprungsstaat einordnet, dieselbe Bezeichnung erhalten hat, wie eine Normenkategorie im internationalen Privatrecht des Forumstaates. Für die Unterbringung einer ausländischen Norm in einer internationalprivatrechtlichen Normenkategorie des Forumstaates ist von Bedeutung, welchen Inhalt ihm der Urheberstaat gegeben hat, und an Hand welcher inhaltlichen Eigenschaften der Forumstaat den Kern einer Normenkategorie seines Kollisionsrechts definiert. Es kann aber auch davon abhängen, ob der betreffende Rechtssatz nach den Absichten seines Urhebers der Ergänzung von Rechtssätzen dient, die ihrerseits auf Grund ihres Inhaltes als einer bestimmten Normenkategorie im Sinne des Kollisions138
Beachtung ausländischer Kategorien
§8
rechts des Forumstaates zugehörig gelten. Hierfür ist dann weder die Unterbringung der Norm im System des Zivilgesetzbuches des Ursprungsstaates, noch die Unterbringung einer etwaigen inhaltsgleichen Norm im System des Zivilgesetzbuches des Forumstaates, und noch weniger die Übereinstimmung der in dem Zivilgesetzbuch verwendeten Bezeichnung entscheidend. Vielfach wird von der Qualifikation „nach" der ausländischen lex causae — nämlich als Gegensatz zur Qualifikation „nach der lex fori" — gesprochen. Qualifikation nach dem internationalen Privatrecht des zur Beantwortung einer Rechtsfrage berufenen ausländischen Rechts erfolgt, wie spätere Ausführungen zeigen werden, wenn die Anwendungswilligkeit eines auf die Rechtsfrage passenden Rechtssatzes an Hand der Kollisionsnormen dieses fremden Landes unter Verwendung der dortigen internationalprivatrechtlichen Normenkategorie geprüft wird. Hingegen ist es nicht „Qualifikation nach" dem fremden Recht, wenn ermittelt wird, ob ein auf die im Forumstaat zu lösende Frage passender ausländischer Rechtssatz in dem Ursprungssystem an Hand seiner Funktion als eine Ergänzung anderer Rechtssätze zu verstehen ist, welche auf Grund inhaltlicher Merkmale vom Standpunkt des internationalen Privatrechts des Forumstaates her gesehen den Kern einer bestimmten Kategorie dieses Kollisionsrechts darstellen. Diese Ergänzungsfunktion erhält der zu qualifizierende ausländische Rechtssatz durch den Urheberstaat aber sicher nicht mit der Absicht, ihn damit zum Bestandteil einer im Kollisionsrecht dieses oder eines anderen Staates verwendeten Normenkategorie zu machen. 8. Qualifikation
von Rechtssätzen
bei bedingter Zuweisung und
Gesamtverweisung
Ordnet der Forumstaat die Anwendung ausländischen Rechts durch direkte und unbedingte Sachnormverweisungen an, so sind die auf die durch den Klaganspruch aufgeworfene Rechtsfrage passenden Rechtssätze des ausländischen Rechts allein an Hand des internationalprivatrechtlichen Kategoriensystems des Forumstaates zu qualifizieren, unbeschadet dessen, daß der Inhalt der zu prüfenden Rechtssätze und die zwischen ihnen bestehenden funktionellen Zusammenhänge natürlich nur vom ausländischen Recht begründet sein können. Will der Forumstaat hingegen die Anwendung ausländischen Rechts davon abhängig machen, daß die Rechtsanwendungsanweisungen des Ursprungsstaates ebenfalls dieses Recht angewendet wissen wollen 25 , so ist bei der Prüfung, ob das letztere der Fall ist, das Kategoriensystem des fremden internationalen Privatrechts zugrunde zu legen. Dabei kann sich ergeben, daß im Recht X ein auf die gestellte Rechtsfrage, insbesondere den gestellten Klaganspruch, passender Rechtssatz 2 vorhanden ist, der im Kategoriensystem des Kollisionsrechts von F zur Normenkategorie a) gehört, während der Staat X in seinem internationalen Privatrecht einerseits eine oft gleichbenannte Normenkategorie b) kennt, deren Bildungskriterien zum großen Teil, aber nicht ganz, den Kriterien für die Bildung der Normenkategorie a) im internationalen Privatrecht von F entsprechen, und daß der auf die gestellte Rechtsfrage passende Rechtssatz des Rechtes X in der Sicht des internationalen Privatrechts von X zu einer Normenkategorie b) gerechnet wird. Will der Staat X diesen passenden Rechtssatz, weil die von ihm als maßgebend betrachtete Verknüpfung gegeben ist, selbst angewendet wissen, so steht diese andere „Begründung" seiner Anwendbarkeit durch das internationale Privatrecht von X dem nicht im Wege, daß F Anwendungswilligkeit des Rechts von X bejaht, und daß es den betreffenden Satz selbst in F anwenden läßt. Es kann sich aber auch ergeben, daß das mit der Kategorie a) im Sinne des internationalen Privatrechts des Forumstaates F berufene Recht X unter seinen Normen, die dieser Kategorie angehören, keine passende Rechtsnorm hat, daß aber das Recht X in einer Rechtsnormengruppe, die das internationale Privatrecht von F als der Normenkategorie b) zugehörig betrachtet, eine solche Norm hat. Sind nach dem internationalen Privatrecht von F'für den betreffenden Fall auch die Normen der Kategorie 139
§8
Uberkreuzqualifikation
b) dem Recht von X zu entnehmen, so kann der betreffende Rechtssatz auch in F zur Anwendung gebracht werden; sind aber infolge der internationalen Verknüpfungen des Falles im Forumstaat F die Sätze der Kategorie b) nicht aus dem Recht X zu entnehmen, sondern einem anderen Recht Y, so kann der im Recht X zu findende passende Satz im Forumstaat F nicht angewendet werden. Ist ein auf die Rechtsfrage passender Satz auch nicht in irgendeinem anderen Recht (Y, Z . . .), das mit einer anderen Normenkategorie (b, c, . . .) im Forumstaat F berufen ist, enthalten, und will der Forumstaat F die durch die Nichtanwendungswilligkeit der nur mit der Normengruppe a) berufenen Privatrechtssätze des Staates A entstehende Lücke dadurch schließen, daß er mit einer subsidiären Zuweisung 27 die der Kategorie a) angehörigen Privatrechtssätze des Landes Y beruft, so geschieht auch dies wohl nur unter der Voraussetzung, daß der passende Rechtssatz im Privatrechtssystem von Y auch nach dem internationalen Privatrecht von Y anzuwenden ist; das kann möglicherweise darauf zurückzuführen sein, daß er im Sinne des Kollisionsrechts von Y einer Normenkategorie zugehört, die mit der Normenkategorie a) des Kollisionsrechts von F nichts gemeinsam hat. Will der Forumstaat F die Lücke, die dadurch entsteht, daß der Staat X gar keine von denjenigen Normen seines Rechts, welche den Anspruch bejahen, selbst angewendet wissen will, durch eine Gesamtverweisung auf das internationale Privatrecht des Staates X schließen 28 , so muß der Richter in F nunmehr selbst mit dem Kategoriensystem des internationalen Privatrechts von X arbeiten. Dabei kann es sich ereignen, daß das in X mit einer Normenkategorie b) berufene Recht von Y einen passenden Rechtssatz enthält. Bevor er in F angewendet wird, muß jedoch geprüft werden, ob er auch diejenigen Merkmale aufweist, die ihn im Forumstaat F als der dortigen Normenkategorie a) zugehörig erkennen lassen; denn mit der ursprünglichen Zuweisung der Rechtsfrage an X will ja das internationale Privatrecht von F nur solche Privatrechtssätze (direkt oder indirekt) zur Anwendung bringen, die im Sinne des Kollisionsrechts von F der Normenkategorie a) angehören. Nicht anders aber ist es, wenn das Kollisionsrecht von X die einer Normenkategorie b) zugehörigen Rechtssätze aus dem Recht des Forumstaates F entnehmen will. Kommt der Richter damit zu einem passenden Rechtssatz im materiellen Recht des eigenen Forumstaates, der auf Grund der Kollisionsnormen des Forums ursprünglich gar nicht zur Anwendung kommen wollte, so ist dieser Rechtssatz nur dann kraft Rückverweisung im Forumstaat anwendbar, wenn er vom Standpunkt des Forumstaates zu der Normenkategorie a) gehört. Die Gefahr, daß eine auf die Rechtsfrage passende Rechtsnorm deshalb nicht zur Anwendung gelangen kann, weil sie sowohl in die der ursprünglichen Zuweisungsnorm des Forumstaates F zugrundeliegende Abteilung des Kategoriensystems von F, als auch in die Normenkategorien der rück- oder weiterverweisenden Kollisionsnormen des zunächst berufenen Staates A passen muß, ist im allgemeinen deshalb nicht sehr groß, weil sich ein passender Rechtssatz möglicherweise auch dadurch finden läßt, daß der Forumstaat F mit Hilfe einer anderen Kollisionsnorm als derjenigen, die zum Staat X führt, zu einem fremden Recht gelangen kann, welches in der vom Forumstaat F bezeichneten Normenkategorie seinerseits eine Norm hat, die einerseits paßt, andererseits anwendungswillig ist, weil sie in diejenige Normenkategorie gehört, die der andere Staat seinem eigenen Recht entnehmen will. Der frappierendste Fall einer Lücke durch divergierende Qualifikation liegt vor, wenn der vom Forumstaat mit einer Normenkategorie a), nicht aber mit der Normenkategorie b) berufene Staat X in seinem Recht eine passende Norm in der Normenkategorie b) hat, und wenn der im Forumstaat mit der Normenkategorie b) berufene Staat Y zwar eine passende Norm hat, diese aber vom Standpunkt des Forumstaates der Kategorie a) oder c) angehört. Insbesondere wenn X selbst seine passende Norm angewendet haben will, und wenn auch 140
Ausgleichung
§8
Y seine gleichlautende passende Norm angewendet haben möchte, wäre es mißlich, wenn keine dieser Normen bei einer solchen „Uberkreuzqualifikation" in F zur Anwendung kommen könnte. 9. Zugehörigkeit eines Rechtssatzes widerspruchsvollen Rechtssätzen
zu mehreren Kategorien. Ausgleichung aus mehreren Kategorien
zwischen
Wenn einerseits die internationalprivatrechtlichen Kategorien für materielle Rechtssätze so beschaffen sein müssen, daß sämtliche Normen möglichst aller positiven Privatrechtssysteme darin irgendwo unterkommen, so ist es andererseits offenbar erwünscht, daß jede einzelne N o r m eines bestimmten positiven Privatrechts im allgemeinen nur einer dieser Kategorien von Normen im internationalen Privatrecht eines Forumstaates zugehört. Um dies zu erreichen, ist es z. B. zu vermeiden, daß die Normenkategorien etwa in der Weise gebildet werden, daß einige Kategorien nur nach Merkmalen der Rechtsfolge irgendwelcher Tatbestände — oder gar nach Merkmalen der Sanktionen für Rechtsnormverletzungen — gebildet werden, während andere Kategorien nur nach Merkmalen der Tatbestände konstruiert werden. Würden alle Rechtssätze über „eine Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt" in einer Kategorie zusammengefaßt werden, und würden alle Rechtssätze, welche „Pflichten zwischen Verwandten" begründen, eine andere Kategorie darstellen, so würde jeder Rechtssatz über die Unterhaltsverpflichtung zwischen Verwandten beiden Kategorien angehören. Wird in heterogen verknüpften Situationen die Frage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht gestellt, so kann eine bejahende Antwort in einem bestimmten Forumstaat unter Umständen sowohl durch eine Norm begründet sein, die einer Kategorie a) im Privatrecht des Staates X angehört, als auch auf Grund einer Norm, die einer Kategorie b) im Privatrecht des Staates Y zugehört. Ähnlich wie bei Verwendung eines einzigen Privatrechtssystems Anspruchskonkurrenzen möglich sind, ist es durchaus denkbar, daß in heterogen verknüpften Situationen der konkrete Anspruch durch mehrere im Forumstaat berufene Privatrechte „gedeckt" wird, auch wenn jedes dieser Privatrechte nur mit einer bestimmten Kategorie seiner Normen herangezogen wird. Umgekehrt ist es aber auch nicht ausgeschlossen, daß ein bestimmtes Verhalten im Forumstaat F einerseits durch einen dem Privatrecht des Staates X angehörigen Rechtssatz aus der Kategorie a) geboten ist, und zugleich durch einen dem Privatrecht von Y zugehörigen Satz der Kategorie b) verboten wird. Dann hat im Forumstaat ein Ausgleich zwischen diesen widersprechenden Normen stattzufinden, weil ihre gleichzeitige Anwendung mit der materiellen Harmonie unvereinbar wäre. Das gleiche gilt, wenn das in einem Forumstaat anwendbare Recht die eine Partei zur Leistung an die andere Partei, das zweite Recht hingegen zu der umgekehrten Transaktion verpflichtet. Besonders häufig kommt es vor, daß eine einzelne Wirkung oder Nachwirkung der Ehe, welche die übrigen Ehewirkungen innerhalb einer bestimmten Privatrechtsordnung ergänzt, mit dem in Widerspruch steht, was in einem anderen berufenen Recht ein Satz vorsieht, der dem Normenkomplex des „Personalstatuts" für eine einzelne natürliche Person, oder dem Normenkomplex „Kindschaftsrecht" wegen seines Inhaltes, oder wegen seines Ergänzungszweckes zuzurechnen ist. Es gibt keine Möglichkeit, die Wege zur Bildung der Kategorien für Ansprüche oder für Rechtsnormen von vornherein so zu gestalten, daß sich derartige Disharmonien nicht ereignen, wenn im Forumstaat mehrere Privatrechtssysteme jeweils mit Teilgruppen ihrer Sachnormen nebeneinander zur Anwendung auf die Rechtsbeziehungen derselben Parteien berufen werden. Die dann zwischen den verschiedenen Rechten vorzunehmende Anpassung kommt oft einer Billigkeitsentscheidung unter „Berücksichtigung" dessen, was die berufenen Rechte vorsehen, gleich. Bei der Anpassung sollten, soweit möglich, alle berufenen Rechte gleichmäßig betroffen werden. 141
§8
Vorbehalte von speziellerem Recht
d) Zusammenhänge zwischen verschiedenen Normenkategorien
Die aus Verhaltensgeboten bestehenden Rechtssätze eines bestimmten Privatrechtssystems stehen im Zweifel in der Weise nebeneinander, daß das Fehlen einer eine Verhaltenspflicht begründenden Norm in einer bestimmten Kategorie von Nonnen es nicht hindert, daß eine solche freiheitsbeschränkende Verhaltensnorm sich in einer anderen Normenkategorie findet. Selbst wenn daher im Privatrechtssystem des Staates X eine bestimmte Art der Freiheitsbeschränkung in keiner Kategorie der Normen dieses Rechts zu finden ist, so hindert dies nicht, daß im Staat X eine freiheitsbeschränkende Verhaltensnorm aus dem Recht Y zur Anwendung kommen kann, wenn dieses in heterogen verknüpften Situationen mit seinen der Normenkategorie a) angehörigen Sätzen zur Anwendung berufen ist, auch wenn im übrigen die Normen sämtlicher anderen Normenkategorien des Rechtes X zum Zuge kommen. Nur ganz ausnahmsweise wird gesagt werden können, daß das Funktionieren der einer Normenkategorie b) oder c) angehörenden Normen des Rechtes X, unter denen sich eine bestimmte Verhaltensregelung nicht befindet, dadurch gefährdet ist, daß eine Verhaltensfreiheitsbeschränkung durch eine Norm vorgesehen ist, die dem Recht Y und dessen im Staat X anwendbaren Sätzen aus der Normenkategorie a) angehört. 1. Vorbehalte von Spezialregelungen in allgemeinen Regelungen Schwieriger ist die folgende Situation: Eine Verhaltensnonn im Privatrechtssystem von X ist, auch wenn sie der internationalprivatrechtlichen Normenkategorie a) angehört, unter Umständen dahin zu verstehen, daß sie einer inhaltlich mit ihr unvereinbaren Verhaltensnorm desselben Privatrechtssystems weichen will, wenn diese andere Norm Bestandteil einer anderen Normenkategorie ist, und wenn diese andere Norm zugleich gegenüber der erstgedachten Norm eine lex specialis darstellt 29 . Das wird vor allem wichtig bei der Anwendung von Rechtssätzen, die zu einer Kategorie „Rechtssätze über unerlaubte Handlungen" zusammengefaßt werden: Jede Regelung der nicht durch Rechtsgeschäft begründeten Verpflichtungen in der Kategorie der „Normen über unerlaubte Handlungen" will wohl in allen Privatrechtssystemen selbst zurücktreten, wenn eine gegenteilige Verpflichtung z. B. in Rechtssätzen des Familienrechts oder des öffentlichen Rechts vorgesehen ist. Diese Selbstbeschränkung der allgemeinen Verhaltensnormen des Deliktsrechts für den Fall einer gegenteiligen Verhaltensverpflichtung in einer speziellen Norm gilt zunächst einmal sicher dann, wenn nach dem internationalen Privatrecht des Forumstaates die allgemeine und die spezielle Norm aus demselben staatlichen Recht entnommen werden müssen, und die spezielle Norm selbst anwendungswillig ist: Will die zum Deliktsstatut berufene lex fori generell Körperverletzungen als unerlaubte Handlungen betrachten, aber gilt die Verursachung einer Körperverletzung unter der anwendbaren lex fori als Dienstpflicht eines inländischen Staatsorgans und deshalb auch für die Zwecke des Privatrechts als erlaubt, so geht diese spezielle Norm selbstverständlich der allgemeineren vor. Nicht anders ist es, wenn im Forumstaat ein ausländisches Recht als Deliktsstatut berufen ist, und dieses ausländische Recht die Verursachung der Körperverletzung zur Dienstpflicht eines Organs dieses Staates gemacht hat. Ist die speziellere Norm als solche öffentliches Recht (Strafrecht, Verwaltungsrecht) des Forumstaates, das selbst anwendbar sein will, so geht sie im Forumstaat aber nicht nur dem eigenen privatrechtlichen Deliktsrecht des Forumstaates, sondern auch dem dort berufenen ausländischen Deliktsrecht vor. Erklärt der Forumstaat seine eigenen privatrechtlichen Vorschriften über deliktische Haftung als anwendbar, SQ ist es zwar sicher, daß er eine erzwingende Anwendung ausländischer Verhaltensnonnen, die einem ausländischen öffentlichen Recht angehören und das Gegenteil vorsehen, mangels einer ausdrücklichen Rechtsanwendungsanweisung dieser Art ablehnen wird; das schließt aber nicht unter allen Umständen aus, daß die privatrechtliche Haftung unter dem Recht des Forum142
Deliktsrecht und Familienrecht
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staates angesichts der abweichenden Verhaltensregelung im öffentlichen Recht eines anderen Staates entfällt. Hierzu genügt es allerdings nicht, daß der fremde Staat, der die öffentlich-rechtliche Vorschrift erlassen hat, sie seinerseits auf den heterogen verknüpften Sachverhalt als anwendbar erklärt; vielmehr muß er sich dabei innerhalb der Schranken des Völkerrechts gehalten haben. Aber selbst wenn das zu verneinen ist, so kann möglicherweise die Haftung unter dem Privatrecht des Forumstaates entfallen, wenn die Verpflichtung einer Person durch das öffentliche Recht des anderen Staates für den Normadressaten die Gefahr einer Bestrafung, und damit eine Notstandssituation, mit sich brachte. Andererseits kann auch die völkerrechtlich einwandfreie Verpflichtung durch ausländisches öffentliches Recht keine Entschuldigung für die Nichtbefolgung einer anwendungswilligen deliktsrechtlichen Verhaltensnorm des Forumstaates sein, wenn der Normadressat sich selbst unter Verletzung einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtung im Recht des Forumstaates in eine Situation gebracht hat, in der er sich der Befolgung des ausländischen öffentlichen Rechts nicht entziehen konnte. Wird im Forumstaat ausländisches Recht über Haftung aus unerlaubten Handlungen angewendet, und gehört der zur Rechtfertigung angeführte gegenteilige Verhaltenssatz dem öffentlichen Recht eines dritten Staates an, so ist im Forumstaat die Lösung aus der Sicht des Staates zu finden, der die anwendbare privatrechtliche Verhaltensnorm stellt. Wird behauptet, daß eine im Recht der unerlaubten Handlungen vorgesehene privatrechtliche Verhaltenspflicht durch eine gegenteilige privatrechtliche Verhaltenspflicht in einer speziellen Vorschrift des Familienrechts verdrängt sei, so ist dem zuzustimmen, wenn sowohl im Forumstaat, als auch in dem Staat, der mit seinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen berufen ist, im konkreten Fall die familienrechtlichen Bestimmungen des Forumstaates, oder die gleichlautenden Bestimmungen aus dem Recht eines dritten Staates zur Anwendung berufen sind, und wenn sich in diesen anwendbaren familienrechtlichen Bestimmungen eine andere Verhaltensvorschrift findet als in dem anwendbaren Recht der unerlaubten Handlungen. Entnimmt der Forumstaat sowohl die Bestimmungen über unerlaubte Handlungen, als auch die familienrechtlichen Verhaltensvorschriften dem Recht anderer Staaten (D bzw. E), und läßt auch derjenige Staat, der das Recht der unerlaubten Handlungen stellt (D), durch seine Gerichte die familienrechtlichen Bestimmungen eines anderen Rechts als desjenigen von D anwenden, so geht wiederum die familienrechtliche Verhaltensnorm als eine im Recht der unerlaubten Handlungen vorrangig erklärte Spezialbestimmung vor, wenn sowohl das im Forumstaat anwendbare Familienrecht Ej als auch das in dem Staat des Deliktsstatuts anzuwendende Familienrecht E2 Gegenteiliges anordnen wie das Recht, welches für unerlaubte Handlungen maßgebend sein soll. Bestimmt nur das eine, nicht aber das andere Familienrecht Gegenteiliges wie das Recht der unerlaubten Handlungen, so kann der Forumstaat F keine unerlaubte Handlung „gemäß" einem Deliktsstatut D annehmen, wenn im Staat D die eigene Verhaltensnorm des Rechts der unerlaubten Handlungen deshalb nicht zum Zuge kommt, weil dort das Familienrecht E t mit seiner gegenteiligen Verhaltensvorschrift Vorrang erhält. Wenn aber der Staat des Deliktsstatuts D seine Vorschriften über unerlaubte Handlungen ungehemmt zur Anwendung bringt, weil bei ihm das Familienrecht E2 anwendbar ist und sich dort keine gegenteilige Vorschrift findet, so wird doch der Forumstaat F im allgemeinen der durch seine Gerichte anzuwendenden Vorschrift des Familienrechts Ej den Vorzug geben, wenn sie Gegenteiliges bestimmt wie die im Forumstaat F anwendbaren Vorschriften des Staates D über unerlaubte Handlungen. Häufiger als Widersprüche zwischen den allgemeinen Verhaltensnormen des Rechtes der unerlaubten Handlungen und den Verhaltensnormen in anderen Normenkategorien, bei denen die ersteren in ihrer Eigenschaft als allgemeinere Vorschriften gegenüber den letzteren in ihrer Eigenschaft als speziellerer Vorschriften zurückstehen wollen, kommt es 143
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vor, daß die Verhaltensnormen des Rechtes der unerlaubten Handlungen als allgemeineres Recht deshalb nicht zum Zuge kommen wollen, weil sich in anderen Normenkategorien speziellere Vorschriften finden, die das gegenteilige Verhalten zwar nicht gebieten, aber erlauben. Auch hier ist mit der Fragestellung, ob die erlaubende Vorschrift zum Recht der unerlaubten Handlungen oder z. B. zum Familienrecht „gehört", die Antwort nicht zu ermitteln, weil ja eben die Norm über unerlaubte Handlungen selbst den Vorrang aller anderweitigen spezielleren Bestimmungen konzediert. Speziellere Bestimmungen, welche ein bestimmtes Verhalten, das durch eine allgemeine Norm des Deliktsrechts verboten ist, beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, die nicht in einem sonstigen Recht-Pflicht-Verhältnis bestehen, erlauben (oder jedenfalls die Sanktion einer Haftung für Schäden ausschließen), werden stets ohne Bedenken selbst als Rechtssätze „über unerlaubte Handlungen" qualifiziert werden: Gibt es Haftungserleichterungen im Verhältnis zwischen nahen Verwandten (Geschwistern, Vettern), obwohl das Verwandtschaftsverhältnis keinerlei sonstige Recht-Pflicht-Beziehungen zwischen den Verwandten begründet, so kommt wohl niemand auf den Gedanken, daß für diese Haftungserleichterungen ein anderes Recht als das Deliktsstatut selbst maßgebend sein könne. Anders ist es jedoch, wenn dasjenige Recht, welches das Deliktsstatut stellt, Bestimmungen enthält, die beim Vorliegen eines bestimmten anderweitigen .Rechtsverhältnisses zwischen bestimmten Personen (z. B. Ehegatten) Abweichungen von dem allgemeinen Haftungsrecht (Erleichterung oder Erweiterung der Haftung) vorsehen. Ist nun dasjenige Recht, welches das anderweitige Rechtsverhältnis regelt, ein anderes Recht als dasjenige, welches die deliktischen Haftungsbestimmungen stellt, so ist zu unterscheiden, ob die besonderen Bestimmungen über die Haftung sich nur auf das Verhältnis zwischen den Parteien jenes besonderen Rechtsverhältnisses, oder ob sie sich auf das Verhältnis zwischen den Parteien an diesem Rechtsverhältnis und Dritten beziehen. Wird z. B. bestimmt, daß der Ehemann für unerlaubte Handlungen der Frau, oder daß der Inhaber der elterlichen Gewalt über ein Kind für unerlaubte Handlungen des Kindes haftet, so will eine solche Bestimmung des Deliktsstatuts vermutlich nicht schon dann unanwendbar sein, wenn auf die Ehe oder das Kindschaftsverhältnis das Recht eines anderen Staates anwendbar ist. Die Bestimmung des Deliktsstatuts will auch in diesem Fall möglicherweise angewendet werden, selbst wenn das Recht, welches die Ehe bzw. die elterliche Gewalt regelt, eine entsprechende Haftung des Mannes oder des Gewalthabers nicht kennt. Wohl aber setzt die fragliche Bestimmung des Deliktsstatuts meist stillschweigend voraus, daß die Regelung der Ehewirkungen bzw. die Regelung der elterlichen Gewalt dem Mann bzw. dem Inhaber der elterlichen Gewalt Möglichkeiten verschafft hat, die unerlaubte Handlung zu verhindern; es kann auch so sein, daß jene Haftungsbestimmung davon ausgeht, daß der Mann bzw. der Inhaber der elterlichen Gewalt Nutznießungsrechte am Vermögen der Frau bzw. des Kindes hat, die seine Mithaftung als gerechtfertigt erscheinen lassen. Hat aber das familienrechtliche Rechtsverhältnis gemäß dem darauf anwendbaren Recht gerade nicht diese Eigenschaften, die nach dem Deliktsstatut die Haftung des Mannes begründen, so kommen die besonderen Bestimmungen des Deliktsstatuts über die Haftung des Ehemannes bzw. Vaters nicht zur Anwendung. Ist es umgekehrt so, daß dasjenige Recht, welches das Deliktsstatut stellt, keine Spezialbestimmungen über die Haftung des Manne für unerlaubte Handlungen der Frau kennt, weil in der Gestaltung des Eherechts dieses Staates eine Rechtfertigung für die Haftung des Mannes nicht gegeben ist, sieht aber das maßgebliche Eherecht eine solche Mithaftung des Mannes vor, so ist es möglich, daß schon die normalen Haftungsregeln des Deliktsstatuts ebenfalls die Mithaftung des Mannes als begründet erscheinen lassen, nämlich dann, wenn nach dem Deliktsstatut für den Schaden nicht nur derjenige haftet, der ihn angerichtet hat, sondern auch derjenige, der ihn verhindern konnte und zur Verhinderung 144
Deliktsrecht und Familienrecht
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verpflichtet war; das könnte bei ausländischen Eheleuten gemäß deren Eherecht zu bejahen sein, selbst wenn es bei inländischen zu verneinen ist. Sicher aber führt es nicht weiter, wenn in den eben erwähnten Fällen danach gefragt wird, ob die „Frage" der Haftung des Mannes für unerlaubte Handlungen der Frau zum Recht der unerlaubten Handlungen oder zum Familienrecht „gehört"; es genügt aber auch nicht, nur die Frage zu stellen, ob die haftungsbejahende Vorschrift in die Kategorie der Normen über unerlaubte Handlungen, oder in die Kategorie der familienrechtlichen Vorschriften „gehört". Geht es um die Anwendung einer Bestimmung, welche im Verhältnis zwischen den Ehegatten selbst (oder im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern) Abweichungen vom allgemeinen Recht der unerlaubten Handlungen vorsieht, indem sie zwar nicht gegenteilige Verhaltensvorschriften gibt, wohl aber ein bestimmtes Verhalten ausdrücklich erlaubt, oder die Realisierung der Haftung im Verhältnis zwischen Ehegatten hemmt, so kann durchweg davon ausgegangen werden, daß allgemeine Bestimmungen eines jeden Rechts, das als Deliktsstatut berufen ist und selbst angewendet werden will, vor derartigen speziellen Bestimmungen des maßgeblichen Eherechts zurücktreten wollen. Es gilt dies sicher, wenn z. B. die Regelung der persönlichen Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten zusätzliche Verhaltenspflichten zwischen den Ehegatten, die über die normalen gesetzlichen Verhaltenspflichten zwischen natürlichen Personen hinausgehen, vorsieht, und wenn der Staat, der das Eherecht stellt, bei Verletzung dieser Pflichten einfach die Haftung nach den Vorschriften über die Haftung aus unerlaubten Handlungen bemißt; damit ist die Haftung in demjenigen Privatrechtssystem gemeint, welchem das anwendbare Eherecht angehört. Das Zurücktreten der Vorschriften über unerlaubte Handlungen vor einer speziellen Regelung in demjenigen Recht, welches die Beziehungen zwischen Ehegatten aus der Ehe regeln soll und will, ergibt sich hier wiederum aus dem in die allgemeinere Vorschrift eingebauten Vorbehalt zugunsten einer speziellen Regelung. Nicht anders aber ist es für Vorschriften, die im Verhältnis zwischen Ehegatten (oder für die Parteien an einem anderen besonderen Rechtsverhältnis) eine Milderung des allgemeinen Rechts der unerlaubten Handlungen vorsehen. Sind im Forumstaat die eigenen Vorschriften über unerlaubte Handlungen berufen, so geschieht dies von vornherein mit dem Vorbehalt, daß sie nicht zum Zuge kommen sollen, soweit spezielle Bestimmungen für die Parteien an einem besonderen Rechtsverhältnis bestehen, ganz gleich, ob diese Bestimmungen ebenfalls dem Recht des Forumstaates oder einem fremden Recht zu entnehmen sind. Bestimmungen über eine Milderung des allgemeinen Rechts der unerlaubten Handlungen zwischen den Parteien an einem bestimmten Rechtsverhältnis sind meist zur „Abrundung" der Regelung dieses besonderen Rechtsverhältnisses geschaffen. Auch das rechtfertigt es, daß der Forumstaat Vorschriften in demjenigen ausländischen Recht, welches das besondere Rechtsverhältnis beherrscht, unter Verdrängung seiner eigenen allgemeinen deliktischen Haftungsbestimmungen anwenden läßt. Stellt der Forumstaat selbst das allgemeine Deliktsstatut, kennt er aber selbst eine Milderung der deliktischen Haftung für die Parteien an einem besonderen Rechtsverhältnis, wie sie das hierfür maßgebende Recht hat, nicht, so kann er dies natürlich möglicherweise als krasse Abweichung von seinem eigenen Recht betrachten und die Anwendung dieser Bestimmung mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel ausschließen. Auf der anderen Seite wird der Forumstaat, der sein eigenes Deliktsrecht anwenden läßt, einschlägige Bestimmungen seines eigenen Rechts über die Milderung der deliktischen Haftung im Verhältnis zwischen den Parteien eines anderen, in bestimmter Weise ausgestalteten Rechtsverhältnisses nicht zur Anwendung bringen, wenn auf das betreffende Rechtsverhältnis eben nicht das eigene Recht, sondern ein anders gestaltetes fremdes Recht anwendbar ist 30 . Wendet der Forumstaat sein eigenes Recht auf das besondere Rechtsverhältnis an, und ist fremdes Recht als allgemeines Deliktsstatut berufen, so bereitet es keine Schwierigkei145
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Spezielles Deliktsrecht und Vorfrage
ten, den Vorrang der speziellen Bestimmungen z. B. im Familienrecht des Forumstaates vor den allgemeinen Bestimmungen des fremden Deliktsstatuts zu begründen und durchzuführen 31 . Problematisch ist eigentlich nur die Haltung eines Staates F, der fremdes Recht als allgemeines Deliktsstatut zur Anwendung bringen will,, wenn die Haltung des Forumstaates und des Staates D, der das Deliktsstatut stellt, in bezug auf die Existenz des besonderen Rechtsverhältnisses bzw. des darauf anwendbaren Rechts divergieren: Hält der Forumstaat eine Ehe als existent, und wendet er ein besimmtes Recht darauf an, so wird er Spezialbestimmungen dieses Rechts über unerlaubte Handlungen zwischen Ehegatten zur Anwendung bringen, auch wenn in dem Staat, der das allgemeine Deliktsrecht stellen soll, die Ehe als nicht bestehend gilt, oder wenn auf ihre Wirkungen ein Recht zur Anwendung gelangt, welches solche Spezialvorschriften für unerlaubte Handlungen zwischen Ehegatten nicht hat. Nach den neuerdings in vielen Ländern im Vordringen befindlichen Vorstellungen über das auf unerlaubte Handlungen anwendbare Rcht 3 1 a ist allerdings ohnehin für Personen, die schon durch ein bestimmtes Rechtsverhältnis miteinander verknüpft und so gemeinsam einem bestimmten Recht unterworfen sind, bei Haftungstatbeständen, die im Zusammenhang mit der Abwicklung dieses Rechtsverhältnisses stehen, anzunehmen, daß demselben Recht zum mindesten die Vorschriften über den Umfang der Haftung aus Delikt, eventuell auch die Normen über die Verhaltenspflichten zu entnehmen sind, während die Normen der lex loci delicti zurückzutreten haben. Das bedeutet, daß zwischen Ehegatten unter sich auch bei einem Aufenthalt im Ausland weitgehend das gesamte Recht der unerlaubten Handlungen, wie es am ehelichen Wohnsitz für die Ehewirkungen im engeren Sinne gilt, anwendbar wird, gleich, ob es sich um die normalen Bestimmungen des allgemeinen Deliktsrechts, oder um spezielle Abschwächungen oder Verstärkungen dieses Rechts im Verhältnis zwischen Ehegatten unter sich handelt. Ist es hingegen so, daß im Forumstaat F das Bestehen des besonderen Rechtsverhältnisses (Ehe) verneint wird, während diese Frage in dem Staat, der das Deliktsstatut stellt, bejaht wird, so kommen die allgemeinen Bestimmungen des Deliktsstatuts sicher zur Anwendung, wenn in dem Staat D des Deliktsstatuts auf das besondere Rechtsverhältnis ein Recht E j angewendet wird, und dies keine Spezialvorschriften für die deliktische Haftung zwischen den Parteien dieses besonderen Rechtsverhältnisses kennt. Würde das allgemeine Deliktsstatut D der in dem Recht E t (welches das besondere Rechtsverhältnis vom Standpunkt des Kollisionsrechts D aus gesehen beherrscht) bestehenden speziellen Regelung für unerlaubte Handlungen unter den Parteien des besonderen Rechtsverhältnisses wegen Verstoßes gegen den ordre public von D den Vorrang verweigern, so wäre im Forumstaat F entsprechend zu verfahren. Eigene Bestimmungen des Deliktsstatuts D sind im Forumstaat F auch anwendbar, soweit sie eine speziellere Regelung nicht von dem Bestehen des Rechtsverhältnisses, sondern von einem rein faktischen Verhältnis zwischen den Beteiligten abhängig machen. Dann aber wäre nicht zu verstehen, warum man in F die der allgemeinen Regelung der unerlaubten Handlungen vorgehende Verweisung auf die speziellere Regelung in demjenigen Recht (E^, welches nach Ansicht des Deliktsstatuts das besondere Rechtsverhältnis beherrscht, nicht beachten sollte, auch wenn im Forumstaat F auf dieses besondere Rechtsverhältnis ein anderes Recht (E 2 ) anwendbar ist: Lösen nach dem Recht A leicht fahrlässige Körperverletzungen zwischen Personen, die tatsächlich in demselben Haushalt leben, keine Schadensersatzansprüche aus, so ist diese spezielle Regelung selbstverständlich auch im Forumstaat F anzuwenden, wenn dort das Recht A als Deliktsstatut berufen ist. Ist aber die Haftungsbefreiung im Recht A nur im Verhältnis zwischen Ehegatten im Rechtssinn oder im Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern im Rechtssinn vorgesehen, so ist auch im Forumstaat F die Vorfrage, ob ein solches präjudizielles Rechtsverhältnis besteht, 146
Bedingtheit einer Regelung durch anderweitige Regelungen
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im Zusammenhang mit der Anwendung des Deliktsstatuts von A zu bejahen, sobald sie im Staat A bejaht wird. Verallgemeinernd läßt sich also feststellen: Die einer bestimmten Normenkategorie angehörigen Verhaltensnormen können sich selbst als allgemeine Regelungen betrachten mit dem immanenten Vorbehalt, daß sie gar nicht verpflichten wollen, sobald eine abweichende speziellere Regelung Befolgung beansprucht, auch wenn die Rechtssätze, welche diese Regelung begründen, Eigenschaften haben, die sie als einer anderen Normenkategorie zugehörig erkennen lassen. Stellt sich die speziellere Regelung ihrerseits wiederum als ergänzende Regelung für die Beziehungen der Parteien an einem durch Normen einer anderen Normenkategorie geregelten besonderen Rechtsverhältnis dar, so ist es Sache des Urhebers der allgemeinen Regelung, durch seine Kollisionsnormen zu bestimmen, welche Staaten mit ihrem Recht berufen sein sollen, um bei heterogen verknüpften Situationen ein solches anderweitiges Rechtsverhältnis mit einer eventuellen spezielleren Regelung zu stellen, hinter der die allgemeine Regelung selbst zurücktreten will. Ist aber die allgemeine Regelung durch die Rechtsanwendungsanweisungen eines anderen Forumstaates zur Anwendung berufen, so wird dieser Forumstaat auch noch die materielle Harmonie zwischen dem der allgemeinen Regelung immanenten Vorbehalt und der im Zusammenhang mit der Regelung des besonderen Rechtsverhältnisses stehenden spezielleren Regelung sichern, wenn das besondere Rechtsverhältnis nur im Forumstaat gemäß dessen Kollisionsrecht als existent angesehen werden muß. 2. Bedingtheit der Regelungen in Rechtssätzen einer bestimmten Kategorie durch Regelungen in anderen Normenkategorien. Anpassung Schon bei der Bildung von Kategorien für pflichtbegründende Rechtssätze wird einerseits beachtet, ob mit Rücksicht auf die Eigenart der einzelnen Regeln über Verhaltenspflichten ein bestimmtes Anknüpfungsmoment vorzuziehen ist 32 . Andererseits muß der Gesetzgeber zur Sicherung der materiellen Harmonie im Forumstaat bestrebt sein, dafür zu sorgen, daß auf Verpflichtungen derselben Person, oder verschiedener Personen, deren Regelungen innerlich zusammenhängen, möglichst dasselbe Recht zur Anwendung gebracht wird; das wird dadurch gewährleistet, daß solche zusammenhängenden pflichtbegründenden Normen als einer Kategorie von Normen zugehörig gelten müssen33. Aber auch wenn darauf geachtet wird, daß für inhaltlich zusammenhängende Rechtspflichten möglichst ein und dasselbe Recht berufen wird, läßt es sich nicht vermeiden, daß unter Umständen für verschiedene Kategorien von Rechtssätzen verschiedene Privatrechtssysteme maßgebend sind, und daß in jedem Privatrechtssystem zwischen den verschiedenen Kategorien Zusammenhänge bestehen, die aber nicht immer dieselben sind. Am deutlichsten wird die Abhängigkeit der Gestaltung eines Rechtsverhältnisses durch die in einer bestimmten Normenkategorie untergebrachten Rechtssätze von der Art der Ausgestaltung eines anderen Rechtsverhältnisses durch Rechtsnormen einer anderen Kategorie, wenn der Rechtssatz ausdrücklich bestimmt, daß das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses Bestandteil des Rechtswirkungen auslösenden Tatbestandes ist, und wenn infolgedessen zu ermitteln ist, welche Eigenschaften das präjudizielle Rechtsverhältnis durch die dafür maßgebenden Rechtssätze erhalten haben muß, damit es die Nachwirkung auslöst34. Es genügt aber auch nicht, Kriterien zur Bildung von internationalprivatrechtlichen Kategorien für materielle Rechtssätze zu entwickeln und dabei zu bestimmen, daß neben den Rechtssätzen, die den Kern einer Normenkategorie in einem bestimmten Privatrecht bilden, auch diejenigen Rechtssätze zur Anwendung gelangen, die den Normenkern ergänzend abrunden35; vielmehr ist der materiellen Harmonie im Forumstaat zuliebe auch noch zu berücksichtigen, inwieweit die zu einer bestimmten Kategorie gehörigen Rechtssätze in 147
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Anpassung
einem Privatrechtssystem stillschweigend voraussetzen, daß anwendbare Rechtssätze in anderen Normenkategorien — denen ja dieselben Rechtssubjekte unterworfen sind — einen bestimmten Inhalt haben. Es führt dies unter Umständen zur Notwendigkeit einer Anpassung, wenn im konkreten Fall auf die gleichen Parteien die Sätze einer Kategorie a) aus dem Privatrecht von X, und die Rechtssätze aus einer Kategorie b) aus dem Recht von Y zur Anwendung kommen müssen, und wenn in der Normenkategorie a) vorausgesetzt wird, daß die gleichzeitig anzuwendenden Normen der Kategorie b) einen bestimmten Inhalt haben, und zwar einen Inhalt, der nur im Privatrechtssystem von X mit Sicherheit zu erwarten ist: Wenn Angehörigen des Erblassers ein Erbrecht gewährt wird, so geschieht dies häufig in der Annahme, daß die Betreffenden zu Lebzeiten des Erblassers Unterhaltsansprüche gegen ihn gehabt haben, und daß diese Ansprüche mit dem Tode erlöschen, also nicht als Nachlaßschulden fortbestehen. Umgekehrt erklärt sich das Fehlen oder der geringe Umfang von Erbberechtigungen oft daraus, daß für die nach dem Tode des Unterhaltspflichtigen fortbestehenden Unterhaltsansprüche der Nachlaß in vollem Umfang haftet, oder daß der Unterhaltsberechtigte denselben Anspruch, den er gegen den Erblasser hatte, nunmehr gegen die Erben, oder gegen einen der Erben, geltend machen kann. Hier wird, wenn das für die Unterhaltsansprüche maßgebliche Recht nicht dasselbe Recht ist, welches auf die Erbfolge anwendbar ist, eine Anpassung erforderlich 36 . Desgleichen hängt der Umfang dessen, was ein Privatrecht dem überlebenden Ehegatten als Intestat- oder Noterbrecht verschaffen will, oft von der Ausgestaltung des Ehegüterrechts in dem betreffenden Privatrechtssystem ab, auch wenn eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, welche das Intestaterbrecht je nach dem Güterstand, in dem der Erblasser lebte, verschieden gestaltet, fehlt: Das Intestaterbrecht des überlebenden Gatten neben Abkömmlingen ist gering, wenn vorausgesetzt wird, daß seine Versorgung dadurch gewährleistet ist, daß er im Fall der Eheauflösung auf alle Fälle einen Anteil an einem aus Vermögen beider Ehegatten gebildeten „Gesamtgut" erhält. Das Intestaterbrecht wird hingegen meist größer bemessen sein, wenn als Güterstand Gütertrennung vorausgesetzt wird. Gerade wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Umfang des Intestaterbrechts des überlebenden Ehegatten je nach verschieden möglichen Güterständen verschieden gestaltet, ist das Ehegattenerbrecht vor allem dann als durch einen bestimmten Güterstand stillschweigend bedingt anzusehen, wenn in dem betreffenden Privatrechtssystem überhaupt nur eine bestimmte güterrechtliche Regelung vorgesehen ist. Ist dann zwar das Erbrecht dieses Staates anwendbar, nicht aber sein Güterrecht, und hat die güterrechtliche Regelung in dem dafür maßgeblichen Recht einen wesentlich anderen Inhalt, so hat das Gericht bei der Anwendung der Erbrechtsnormen deren Regelung über das Gattenerbrecht dem anderweitigen Güterstand anzupassen. Hier kann für einen Forumstaat, der nicht sein eigenes Erbrecht, sondern ausländisches Erbrecht anwenden läßt, die weitere Frage hinzutreten, ob der Güterstand, an den das Erbrecht anzupassen ist, gemäß den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates, oder unter Verwendung des Kollisionsrechts des Erbstatuts zu ermitteln ist. Nur einen Sonderfall einer solchen Anpassung stellt es dar, wenn in dem oben 37 erwähnten Fall der „Uberkreuzqualifikation" der auf die Rechtsfrage passenden Rechtssätze festgestellt werden kann, daß der betreffende Rechtssatz im Privatrechtssystem des Staates X deshalb nicht in der Normenkategorie a) (z. B. Ehegüterrecht) erscheint, weil der Gesetzgeber von X davon ausgeht, daß der betreffende Rechtssatz innerhalb einer anderen Rechtssatzgruppe b) (z. B. persönliches Ehewirkungsrecht) des Privatrechts von X schon vorhanden ist. Kann Entsprechendes mit umgekehrtem Vorzeichen auch für das Privatrechtssystem von B festgestellt werden, so erfolgt die Anpassung in der Weise, daß der betreffende Rechtssatz im Forumstaat zur Anwendung gebracht wird, obwohl er eigentlich 148
Das Teilfragenstatut
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gemäß den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates nicht zur Anwendung berufen scheint. Evidentester Zusammenhang besteht zwischen der Kategorie derjenigen Rechtssätze, welche sich auf das Rechtsverhältnis zwischen einem Adoptierenden und dem minderjährigen Adoptierten beziehen, und der Kategorie derjenigen Rechtssätze, welche sich auf das Verhältnis zwischen den natürlichen Eltern und dem adoptierten Kind beziehen. Es ist praktisch nicht möglich, daß in demselben Staat auf Grund der dort anwendbaren Rechtssätze über die Adoption der Adoptierende elterliche Gewalt ausüben kann, ohne daß die elterliche Gewalt der natürlichen Eltern durch einen Rechtssatz aus der Kategorie der hierauf bezüglichen Rechtssätze beendet worden ist. Es kann aber nicht gesagt werden, daß bei der Zuweisung des „Adoptionsrechts" an den Staat A neben einer Zuweisung des Kindschaftsrechts an den Staat B das internationale Privatrecht des Forumstaates ein Satz über die Beendigung der elterlichen Gewalt aus dem natürlichen Kindschaftsverhältnis durch Adoption „selbstverständlich" dem Recht A zu entnehmen sei, wenn etwa nach dem Recht B die Eltern auf ihre elterliche Gewalt gar nicht zugunsten eines anderen verzichten können. Vielmehr hat man im Forumstaat eine Entscheidung über Anpassung oder Vorrang eines der divergierenden Rechte zu treffen 373 . e) Bildung der Kategorien für Rechtssätze für Teilfragen unter der Grundstatutsmethode und unter der Mosaikmethode Daß eine Rechtsfrage, die letztlich nur als Teilfrage für die Hauptfrage nach dem Bestehen eines subjektiven Rechts auf die Erfüllung von Verhaltenspflichten anderer in der Rechtspraxis relevant ist, entweder von den Zuweisungsnormen des Forumstaates „selbständig angeknüpft" werden, oder daß auf sie im Forumstaat das Recht desjenigen Staates angewendet werden kann, das gemäß dem internationalen Privatrecht des Landes bestimmt wird, dessen materielles Recht auf eine umfassendere Hauptfrage angewendet werden soll und will, wenn die Regelung dieser Hauptfrage zwar die Teilfrage aufwirft, aber die Bestimmungen dieses Rechts nicht selbst darauf angewendet werden wollen, darüber besteht heute kein Streit 37b . Welcher dieser beiden Wege zur Bestimmung eines Teilfragenstatuts gegangen wird, ist nun schon von erheblicher Bedeutung dafür, wie die Kategorien für Rechtssätze gebildet werden, die zur Beantwortung der Teilfrage herangezogen werden. Wird nämlich die gesonderte Ermittlung eines Rechts für eine Teilfrage durch Zuweisungsnormen des Hauptfragenstatuts vorgesehen, so sind es materiellrechtliche Gesichtspunkte des auf die Hauptfrage anwendungswilligen Rechts, welche entscheidende Bedeutung dafür haben, wie die Kategorie der Normen gebildet wird, welche als Teilfragenstatut in Frage kommen; auch die Art der Zuweisung an das Teilfragenstatut (einfache Zuweisung, alternative oder kumulative Zuweisung) ist durch materiellrechtliche Wertungen des Hauptfragenstatuts beeinflußt. Eine solche am materiellen Recht des Hauptfragenstatuts orientierte Regelung der Bestimmung des Teilfragenstatuts ist nicht mehr möglich, wenn das Teilfragenstatut unabhängig von der Haltung des Hauptfragenstatuts durch das Kollisionsrecht des jeweiligen Forumstaates bestimmt wird. Das läßt sich besonders deutlich aufzeigen bei der Frage nach dem Statut für die „Form" von Rechtsgeschäften. Wird durch eine Kollisionsnorm die globale Frage nach der „Gültigkeit" eines Rechtsgeschäfts (insbesondere eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts) einem bestimmten Recht zugewiesen, und ist dieses Recht selbst anwendungswillig, so erstrecken sich Zuweisung und Anwendungswilligkeit mangels abweichender Anordnung ohne weiteres auch auf die Frage nach der Form des Rechtsgeschäfts. Die Sachnormen des Geschäftsstatuts können inhaltlich so gestaltet sein, daß der Urheber des 149
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Formstatut unter der Grundstatutsmethode
Geschäftsstatuts gar keine sinnvolle Veranlassung hat, die eigenen „Formvorschriften" mit Rücksicht darauf nicht als anwendbar zu erklären, daß neben der Verknüpfung, welche im Prinzip die Anwendbarkeit des Geschäftsstatuts legitimiert, eine einzelne andere Verknüpfung zu einem anderen Staat hingeht, insbesondere daß das Rechtsgeschäft nicht auf dem Boden des Staates errichtet wird, dessen Recht das Geschäftsstatut stellt: Bestimmt das anwendungswillige Geschäftsstatut, daß das Geschäft mündlich errichtet werden kann, oder gar mündlich errichtet werden muß, oder bestimmt es, daß das Geschäft durch eine vom Geschäftsstatut näher geregelte privatschriftliche Beurkundung zustande kommt, so besteht kein Bedürfnis, von diesen Bestimmungen anzuordnen, daß sie nicht gelten sollen, wenn das Geschäft auf einem anderen Staatsgebiet errichtet wird. Wenn das internationale Privatrecht des Errichtungsortes die Beachtung dieser Vorschriften des Geschäftsstatuts nicht genügen lassen will, damit die Gerichte des Errichtungslandes das Geschäft als gültig betrachten, so ist dies für die Anwendungswilligkeit der eigenen Formvorschriften des Geschäftsstatuts nicht gewichtiger als der Umstand, daß das internationale Privatrecht des Geschäftserrichtungslandes das anwendungswillige Geschäftsstatut nicht als das „richtige" Geschäftsstatut anerkennen will. Der Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut stellt, und der ein pflichtbegründendes Rechtsgeschäft als zustande gekommen ansieht, wenn die Voraussetzungen seines Rechts erfüllt sind, wird jedenfalls, soweit er für die Geschäftserrichtung „Formlosigkeit" genügen läßt, oder soweit er eine bestimmte, aber ohne weiteres auch im Ausland vollziehbare „private" Form der Geschäftserrichtung vorschreibt, keinen Grund sehen, die Einhaltung anderer im Recht des Errichtungsortes vorgesehenen Formen zu verlangen, indem er eine Zuweisung der Formfrage an die lex loci actus ausspricht und die Formvorschriften des Errichtungslandes vorrangig vor den eigenen Vorschriften anwenden läßt 3 8 . Höchstens der Umstand, daß — was selten ist — das Recht des Errichtungsortes den Versuch der Geschäftserrichtung in anderer Form als der von ihm zugelassenen unter Strafe verbietet, könnte den Gesetzgeber des Geschäftsstatuts veranlassen zu prüfen, ob er eine von der lex loci actus in dieser Weise als strafbar erklärte Art der Geschäftserrichtung trotz Wahrung der Vorschriften des Geschäftsstatuts als unwirksam betrachten sollte. Ehe dann aber die Verwendung solcher Formen als ausreichend erklärt würde, welche n u r die lex loci actus, nicht aber das Geschäftsstatut kennt, müßte der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts der Meinung sein, es sei den Geschäftserrichtern nicht zuzumuten, das Geschäft in einem anderen Staat zu errichten, in welchem die Verwendung der vom Geschäftsstatut vorgesehenen Formen nicht strafbar ist 3 9 . Anders liegen die Dinge, wenn das Geschäftsstatut vorsieht, daß eine bestimmte Art von Geschäften nur durch Beurkundung in einer durch ein Staatsorgan aufgesetzten oder bestätigten, also einer „öffentlichen", Urkunde zustande kommen kann. Auch dann kann der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts auf der Beachtung dieser seiner Vorschriften bestehen, wenn am Errichtungsort im Ausland ein Organ des Staates vorhanden ist, der das Geschäftsstatut stellt, und wenn dieses Organ die Eigenschaften besitzt, die erforderlich sind, um eine öffentliche Beurkundung vorzunehmen, wie z. B. ein Konsul. Wollen die Geschäftserrichter das Geschäft im Ausland nicht vor dem Konsul des Landes errichten, das das Geschäftsstatut stellt, so mag der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts der Auffassung sein, daß ihnen dann durchaus zugemutet werden könne, das Geschäft in dem Land zu errichten, welches das Geschäftsstatut stellt. Selbst wenn aber der Urheber des Geschäftsstatuts der Auffassung ist, er müsse es — insbesondere zwecks Förderung der Errichtung bestimmter Arten von Rechtsgeschäften — den Parteien ermöglichen, das Geschäft möglichst an jedem von ihnen gewünschten Platz zu errichten, und wenn die Geschäftserrichtung in den vorgesehenen Formen des Geschäftsstatuts entweder an Strafdrohungen des Errichtungslandes oder an dem Fehlen 150
Dosierte Verweisung bei der Form
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eines Staatsorgans des Geschäftsstatutsstaates scheitert, so braucht dies für den Gesetzgeber des Geschäftsstatuts noch kein Grund zu sein, nunmehr die Verwendung jeder Form zuzulassen, die das Recht des Errichtungsortes für ausreichend bzw. geboten hält, damit die Gerichte des Errichtungslandes das Geschäft als formgültig betrachten40. Erfordert das Geschäftsstatut Beurkundung durch ein Staatsorgan, so mag es eine normale Beurkundung durch Notare des Errichtungslandes gemäß den einschlägigen Vorschriften des Errichtungslandes genügen lassen, nicht aber eine privatschriftliche Beurkundung, auch wenn das Recht des Errichtungslandes wahlweise notarielle oder privatschriftliche Beurkundung zuläßt. Selbst dann braucht aber das Geschäftsstatut keineswegs jede An der öffentlichen Beurkundung, wie sie das Recht des Errichtungslandes vorsieht, als eine öffentliche Beurkundung gemäß dem Geschäftsstatut gelten zu lassen; vielmehr kann eine öffentliche Beurkundung im Errichtungsland erfordert werden, die in ihren wesentlichen Elementen der Regelung des Geschäftstatuts entspricht. Dabei kann das Geschäftsstatut etwa darauf abstellen, daß die Beurkundungsperson die Parteien fachkundig über die rechtliche Tragweite der zu beurkundenden Erklärungen belehren kann und muß 41 , oder darauf, daß die Beurkundungsperson die Identität und Geschäftsfähigkeit der Geschäftserrichter zu prüfen hat, oder darauf, daß sie nur die Abgabe der Willenserklärungen unparteilich bezeugt. Die Erwägung, daß die Errichter eines Rechtsgeschäfts sich über die Details von Formbestimmungen am Errichtungsort unter Umständen schnellere und genauere Kenntnis verschaffen können als über die Details von Formbestimmungen des Geschäftstatuts, kann Anlaß dafür sein, daß der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts einerseits die Verwendung seiner Formen im Ausland, soweit sie möglich ist, als ausreichend erklärt, und andererseits daneben die Verwendung äquivalenter Formen der lex loci actus zuläßt. So kann das Geschäftsstatut auf privatschriftlicher Beurkundung auch bei Geschäftserrichtung im Ausland bestehen, aber seine Vorschriften und die der lex loci actus über die Details privatschriftlicher Beurkundung42 als alternativ anwendbar erklären. Aber auch dann, wenn der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, zwecks Vereinfachung seiner Kollisionsnormen generell die Beachtung aller Formvorschriften des ausländischen Errichtungsortes genügen läßt und in diesem Fall von der Beachtung seiner eigenen Formvorschriften dispensiert, wird ein zu diesem Zweck unvermeidlicher Versuch der Definition der als Formvorschriften zu qualifizierenden Rechtssätze in beiden Rechten häufig dadurch beeinflußt, daß von der einen oder anderen Vorschrift im positiven Inlandsrecht des Geschäftsstatuts gewünscht wird, daß sie keinesfalls bei Geschäftserrichtung im Ausland unbeachtet bleiben soll. Dies kann „offen" dadurch geschehen, daß die Verweisung auf die Formvorschriften eines anderen Rechts „unbeschadet" der fortdauernden Anwendbarkeit jener Einzelvorschrift des Geschäftsstatuts erfolgt. Es ist auch denkbar, daß ein offener „normierter Ausschluß" der betreffenden Vorschrift aus der Kategorie der Formvorschriften ausgesprochen wird 43 . Nicht selten aber wird die von der Rechtsprechung unterstellte „Definition" der Formvorschriften so manipuliert, daß jene Vorschrift nicht von dieser Definition erfaßt wird, mit der Folge, daß sie als „Nichtformvorschrift" zu qualifizieren ist. Dieser Techniken bedienen sich die internationalen Privatrechte mancher Staaten, die in ihrem materiellen Recht die Mitwirkung eines Geistlichen bei der Eheschließung im Sinne einer privilegierten Religionsgemeinschaft vorsehen, und die von dieser Bestimmung wollen, daß sie anwendbar bleibt, auch wenn grundsätzlich die Beachtung der Formvorschriften einer ausländischen lex loci actus ausreichen soll. Es ist also dem Geschäftsstatut möglich, für die von ihm selbst gestellte Frage nach der Formgültigkeit des Rechtsgeschäfts mit Rücksicht auf die inhaltliche Gestaltung seines eigenen Inlandsrechts zu einem bestimmten Zeitpunkt, offen oder versteckt, eine mehr oder weniger dosierte, einfache oder alternative, Verweisung auf ein anderes Recht, insbesondere die lex loci actus, auszusprechen. 131
§8
Formstatut unter der Mosaikmethode
Bei Verwendung der Grundstatutsmethode werden auch in einem anderen Forumstaat als dem Staat, der das Geschäftsstatut stellt, Formvorschriften eines dritten Landes nur nach Maßgabe dessen zur Anwendung gebracht, was das internationale Privatrecht des Geschäftsstatuts vorsieht 4 4 . Dabei erfolgt sowohl die Qualifikation von Rechtssätzen als Formvorschriften, als auch eine dosierte Zuweisung an ein anderes Recht als das des Geschäftsstatuts im Forumstaat genauso wie es in dem Staat geschieht, der das Geschäftsstatut stellt. Das hat z. B. zur Folge, daß ein Land, welches seine eigenen Vorschriften über die Mitwirkung eines Geistlichen bei der Eheschließung nicht als -ForOTVorschriften behandelt haben will, es doch respektieren kann, wenn ein anderes Recht, welches als Ehestatut berufen und anwendungswillig ist, seine Bestimmungen über die religiöse Eheschließung als Formvorschriften qualifiziert und nicht auf ihrer Anwendung besteht, falls die Ehe in einem dritten Staat, etwa in standesamtlicher Form, geschlossen wird. Erst recht aber brauchen diejenigen Staaten, welche ihre eigenen Vorschriften über religiöse Eheschließung nicht als Formvorschriften betrachten, keine Bedenken zu haben, daß Personen, für die ein ausländisches Recht Ehegültigkeitsstatut ist, die Ehe im Inland in der religiösen Form des Inlandsrechts schließen, obwohl das Ehegültigkeitsstatut gar keine religiöse Eheschließung kennt, aber die Bestimmungen der lex loci actus über die religiöse Eheschließung als Formvorschriften und als alternativ anwendbar betrachtet. Ganz anders stellt sich die Frage, o b eine bestimmte Vorschrift im positiven Recht eines anderen Landes als Formvorschrift oder als Nichtformvorschrift qualifiziert werden muß, wenn im Sinne der Mosaikmethode der Forumstaat in eigenen generellen Rechtsanwendungsanweisungen ohne Rücksicht auf die Haltung des jeweiligen Geschäftsstatuts die Frage nach der Formgültigkeit ausschließlich oder alternativ einem anderen Recht zuweist als dem, welches Geschäftstatut sein soll 4 5 . Unter der Mosaikmethode erwartet man von dem Urheber dieser selbständigen Zuweisung, daß er durch eine Definition dessen, was Formvorschrift ist, es ermöglicht, irgendeine Vorschrift in irgendeinem Recht an Hand ihres Inhaltes als Formvorschrift oder Nichtformvorschrift zu qualifizieren. Praktisch aber wird nirgendwo eine solche Definition versucht; vielmehr begnügt man sich im Forumstaat damit, zunächst von den vorhandenen Bestimmungen des eigenen Rechts solche, die man, wenn das eigene Recht Geschäftsstatut ist, unbedingt auch bei der Geschäftserrichtung im Ausland zur Anwendung gebracht haben will, als Nichtformvorschriften zu erklären, um sodann von jeder Vorschrift des ausländischen Rechts, die inhaltlich einer als Formvorschrift betrachteten Bestimmung des eigenen Rechts entspricht, zu behaupten, daß auch sie als Formvorschrift behandelt werden müsse, obwohl eine solche Vorschrift in dem Staat, der das Geschäftsstatut stellt, als Nichtformvorschrift betrachtet wird. Es ist indes durch keines der allgemeinen rechtspolitischen Postulate des internationalen Privatrechts zu rechtfertigen, daß ein Forumstaat den Anwendungsbereich der in der eben geschilderten Weise definierten Formvorschriften auch dann selbst abstecken will, wenn das eigene Recht des Forumstaates weder als Geschäftsstatut, noch als Formstatut beteiligt ist, und wenn sich die Kollisionsrechte derjenigen Staaten, die das Geschäftsstatut bzw. das Formstatut stellen, über eine andere Art der Qualifizierung einer Vorschrift in ihren Rechten und über die Bestimmung ihres Anwendungsbereichs einig sind. D a die Mosaikmethode mit einer die Geschäftsgültigkeit fördernden alternativen Anwendung dessen, was der Forumstaat an Vorschriften des Geschäftsstatuts oder Vorschriften eines anderen Rechts als „Formvorschriften" anerkennt, zu unbefriedigenden Resultaten führt 4 5 3 , wird eine solche Regelung möglicherweise durch Ausnahme eingeschränkt; das geschieht vor allem dann, wenn der Forumstaat selbst das Geschäftsstatut stellen will. Es wird dann also z. B . bestimmt, daß für solche Geschäftsarten die die lex loci actus überhaupt nicht kennt, nicht die subsidiäre Vorschrift der lex loci actus, wonach „sonstige" Verträge „formlos" geschlossen werden können, anwendbar ist, falls der 152
Weiteres zum Formstatut
§8
Forumstaat in ¿einem anwendungswilligen Geschäftsstatut für diese Geschäfte eine qualifizierte Beurkundung vorschreibt 4 6 . Oder es werden für einzelne Geschäfte spezialrechtliche Form Vorschriften gebildet, deren Anwendungsbereich einerseits durch diejenige Inlandsverknüpfung abgesteckt wird, die das inländische Recht als Geschäftsstatut erscheinen läßt, und andererseits durch die Errichtung des Geschäfts im Ausland; es wird also etwa bestimmt, daß eigene Staatsangehörige im Ausland, für die das Heimatrecht das Ehestatut stellen will, im Ausland die standesamtliche Eheschließung wählen müssen, wenn das Recht des Errichtungsortes die Wahl zwischen standesamtlicher und sonstiger Eheschließung ermöglicht 4 7 . Oder es kann bestimmt werden, daß eigene Staatsangehörige, für die das Heimatrecht das Erbstatut stellt, und deren privatschriftliche oder öffentliche Testamente bei Errichtung im Heimatstaat in öffentliche Verwahrung gegeben werden müssen, ein Testament im Ausland nur unter einem gleichlautenden Recht des fremden Staates oder vielleicht auch unter der Voraussetzung errichten können, daß die öffentliche Beurkundungsperson ein zweites Exemplar der Urkunde behält und verwahrt 4 8 . Unter Umständen mag ein Forumstaat sein internationales Privatrecht so gestalten, daß er einerseits im Sinne der Grundstatutsmethode es dem im Prinzip anwendungswilligen Geschäftsstatut überläßt, unter welchen Bedingungen von der Anwendung solcher Vorschriften, die das Geschäftsstatut als Formbestimmungen qualifiziert, abgesehen, und dafür die Anwendung derjenigen Bestimmungen eines anderen Rechts zugelassen werden soll, die das Geschäftsstatut als Formbestimmungen betrachtet, während andererseits im Forumstaat auch die Beachtung derjenigen Bestimmungen der lex loci actus genügen soll, die das internationale Privatrecht des Forumstaates als Form Vorschriften qualifiziert 49 . Dann kann es vorkommen, daß eine Vorschrift des Errichtungslandes, die das internationale Privatrecht des Forumstaates nicht als Formvorschrift betrachtet, vom internationalen Privatrecht des Geschäftsstatuts als Formvorschrift angesehen und auf Grund der alternativen Zuweisung im Kollisionsrecht des Forumstaates auch dort zur Anwendung gebracht wird. So findet sich nicht selten eine Regelung in einem Forumstaat, wonach für sämtliche Fragen der Erbfolge eine Zuweisung an ein bestimmtes Recht als Erbstatut als Gesamtverweisung erfolgt und zugleich bestimmt wird, daß die Formvorschriften des Errichtungsortes einer letztwilligen Verfügung heranzuziehen seien, wenn danach die Formgültigkeit bejaht werden kann. Dann kann auf Grund der letzteren Zuweisung eine Vorschrift der lex loci actus, welche gemeinschaftliche Testamente bei Ehegatten zuläßt, zwar deshalb nicht zum Zuge kommen können, weil sie bei Qualifikation nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates nicht als Form Vorschrift anzusehen ist; das braucht aber nicht auszuschließen, daß das internationale Privatrecht des Erbstatuts, wenn dieses ebenfalls auf die Form alternativ die lex loci actus neben dem Erbstatut angewendet haben will, von einer Vorschrift des eigenen Rechts, welche grundsätzlich gemeinschaftliche Testamente ausschließt, und von jener Vorschrift der lex loci actus, welche gemeinschaftliche Testamente unter Ehegatten zuläßt, annimmt, daß es sich um Form Vorschriften handelt; die betreffende Bestimmung der lex loci actus ist dann auch im Forumstaat anwendbar 5 0 . Sinnlos wäre es, wenn das Gericht im Forumstaat bei einer Gesamtverweisung auf das Geschäftsstatut die Qualifikation der Sachnormen, auf die das Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts verweist, nach Maßgabe derjenigen Kategorie vornehmen würde, die der Forumstaat in seinen eigenen Zuweisungsnormen verwendet und mit derselben Bezeichnung versieht, wie sie im internationalen Privatrecht des Geschäftsstatuts für die dortige Kategorie verwendet wird. U m eine Abart der Mosaikmethode handelt es sich, wenn ein Staat in einer einseitigen Zuweisungsnorm eine Vorschrift des eigenen Rechts über eine gesetzliche Gültigkeitsvoraussetzung für ein Rechtsgeschäft ohne Rücksicht darauf zur Anwendung gebracht haben will, ob das Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts seinerseits ebenfalls die Beachtung dieser 153
§8
Einseitige Berufung eigener Formvorschriften
Vorschrift durch seine Gerichte anordnet. So kann auch das Errichtungsland eines Rechtsgeschäfts für eine einzelne Bestimmung seines Rechts Anwendung beanspruchen, obwohl im übrigen sämtliche Gültigkeitsvoraussetzungen einschließlich der Formvoraussetzungen dem Geschäftsstatut entnommen werden. Es könnte also etwa bestimmt werden, daß jede im Inland geschlossene Ehe, wenn sie durch die Gerichte des Errichtungslandes als gültig betrachtet werden soll, vor dem Standesbeamten dieses Landes geschlossen werden muß, selbst wenn „grundsätzlich" das gemeinsame Heimatrecht der Eheschließenden für sämtliche Fragen der Gültigkeit der Ehe maßgebend sein soll. Eine solche Vorschrift würde es nicht ausschließen, daß auch eine Bestimmung des gemeinsamen Heimatrechts Beachtung findet, welche eine kirchliche Einsegnung der Eheschließenden zur Gültigkeitsvoraussetzung für die Ehe macht. Ist es indes gerade die Absicht des Gesetzgebers des Eheschließungslandes, die Notwendigkeit der Anwendung einer solchen Vorschrift durch seine Gerichte bei Eheschließung im Inland auszuschließen, so wird der Satz des Errichtungslandes so gefaßt werden, daß bei Eheschließung im Inland die „inländischen Formvorschriften" allein maßgebend sein sollen, wobei der Begriff der Formvorschriften dann so verstanden werden soll, daß jede Vorschrift über die Mitwirkung eines Dritten, bei der es sich nicht um die Mitwirkung einer Person handelt, deren Zustimmung zur Eheschließung Gültigkeitsvoraussetzung ist, als Formvorschrift zu qualifizieren ist. Ein Land, welches im Inlandsrecht wahlweise standesamtliche und religiöse Eheschließung kennt und für Inlandseheschließungen die eigenen Formvorschriften allein angewendet wissen will, könnte eine Bestimmung des Inhalts treffen, daß von Ausländern die religiöse Eheschließungsform eingehalten werden muß, wenn der Heimatstaat auf seiner Vorschrift über die Mitwirkung eines Geistlichen aus irgendeinem Grund, insbesondere aber, weil er sie als Nichtformvorschrift betrachtet, besteht, und daß Ausländer nur in der standesamtlichen Form heiraten dürfen, wenn ihr Heimatstaat die Benutzung dieser Form durch seine Staatsangehörigen im Ausland zwingend vorschreibt. Schwierigkeiten entstehen, wenn das Verfahrensrecht im Forumstaat die Teilfrage nach der Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts zum selbständigen Gegenstand richterlicher Prüfung und rechtskraftfähiger Entscheidung macht. Das gleiche Problem besteht indes bei jeder anderen Teilfrage, wenn sie zum Gegenstand eines isolierten Verfahrens gemacht wird 51 . Während auf die Frage, ob der Klaganspruch auf Feststellung einer konkreten Verhaltenspflicht des Beklagten in der Rechtsordnung des Forumstaates nach „dem" dort anwendbaren Recht durch Urteil eine bejahende oder verneinende Antwort gegeben werden kann, ohne daß das angewendete Recht in der Entscheidung selbst namhaft zu machen ist, ist dies bei Teilfragen vielfach nicht möglich: Richtet sich die Bedeutung eines Testaments für die in verschiedenen Ländern belegenen Nachlaßteile nach mehreren verschiedenen Erbstatuten, und gestaltet der Forumstaat seine Zuweisungen auf Formvorschriften so, daß das Testament für die Vererbung des einen Nachlaßteils als formgültig, für die Vererbung anderer Nachlaßteile als formungültig betrachtet werden muß, so ist es unmöglich, in einem isolierten Verfahren über die Formgültigkeit eine Entscheidung generell in der Weise zu fällen, daß „das Testament formgültig sei". Die Entscheidung muß dahin lauten können, das Testament sei unter den Vorschriften des Staates X als gültig anzusehen, insoweit es auf diese Vorschriften bei der Frage nach den Wirkungen des Testaments ankommt, und es sei unter den Formvorschriften eines anderen Staates Y als ungültig zu betrachten, insoweit es auf die Wirkungen unter einem anderen Recht ankommt. In Rechtsprechung und Lehre besteht oft wenig Neigung, diese Konsequenzen zu ziehen. Im Gegenteil finden sich immer wieder Tendenzen, die Mosaikmethode sogar bei solchen „Teilfragen" anzuwenden, bei denen es nur um gesetzliche Regelungen dessen geht, wie ein rechtlich relevantes Faktum erwiesen werden kann, oder welche Wahrscheinlichkeit anstelle des nicht voll zu erbringenden Beweises ausreicht. So soll vor allem die 154
Konstitutiv feststellende und gestaltende Staatsakte
§8
Frage, ob und für welchen Zeitpunkt der Tod eines Menschen als eingetreten zu gelten hat, oder die Frage nach der biologischen Abstammung dem Einfluß der verschiedenen Wirkungsstatuten, also der Rechte, welche an Tod bzw. an Abstammung irgendwie Wirkungen anknüpfen, entzogen, und soll unmittelbar vom Kollisionsrecht des Forumstaates einem bestimmten Recht zugewiesen werden; bei Todeserklärung und Klärung des Todeszeitpunktes soll dabei häufig nur auf die lex fori abzustellen sein. Das ermöglicht dann auch isolierte Verfahren, in denen unter Anwendung des im Forumstaat als allein maßgebend erklärten Abstammungsstatuts bzw. Todesfeststellungsstatuts Abstammung bzw. Tod rechtskräftig festgestellt werden. Im Sinne der Grundstatutsmethode hingegen müßten derartige Fragen nur im Zusammenhang mit der Rechtsfrage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht inzidenter aufgeworfen und nach Maßgabe desjenigen Rechts beantwortet werden, welches in den Rechtsanwendungsanweisungen des jeweiligen Grundstatuts bezeichnet wird. Zumindest muß im Sinne der Grundstatutsmethode eine isolierte Entscheidung solcher Fragen, welche gemäß der lex fori eines Staates erfolgt ist, in ihrer Rechtskraftwirkung auf diejenigen Fälle eingeschränkt werden, in denen das auf die Hauptfrage anwendbare Recht die Teilfragen nach Tod bzw. Abstammung ebenfalls nach jenem Recht gelöst haben will. f) Problematik der Teilfragen in bezug auf privatrechtserhebliche Staatsakte 1. Allgemeines Die in einem abstrakten Rechtssatz begründete Verhaltenspflicht soll und kann normalerweise von dem Normadressaten befolgt werden, ohne daß das Bestehen der konkreten Rechtspflicht zuvor durch richterliche Anwendung des abstrakten Rechtssatzes autoritativ in einem Staatsakt festgestellt sein muß. Selbst wenn aber der Staat, dessen Recht auch vom Standpunkt eines anderen Staates her für die Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht maßgebend ist, bestimmen sollte, daß eine als Pflichterfüllung gewollte Handlung nicht als befreiend gilt, wenn nicht zuvor das Bestehen der konkreten Verpflichtung in einem Staatsakt rechtskräftig festgestellt worden i s t 5 l a , und selbst wenn dieser Staat bestimmen würde, daß seine Gerichte für eine solche Feststellung ausschließlich zuständig sein sollen, wird im allgemeinen kein anderer Staat allein schon mit Rücksicht auf diese Anordnung des Statutsstaates seine zur Entscheidung über Leistungsklagen zuständigen Gerichte anweisen, von der Entscheidung abzusehen. O b eine von den Gerichten des Statutsstaates tatsächlich schon getroffene Entscheidung bei der Anerkennung und Vollstreckung in anderen Staaten mehr Beachtung erhalten sollte als eine Entscheidung aus einem Nichtstatutsstaat, ist eine andere Frage. Während also normalerweise der Statutsstaat den Staatsakt der Feststellung einer konkreten Rechtspflicht zu einem bestimmten Verhalten, insbesondere wenn der feststellende Staatsakt Vollstreckungsmaßnahmen rechtfertigen soll 5 2 , nicht seinen Gerichten vorbehalten kann, liegen die Dinge anders bei anderen Staatsakten, welche nicht in der (positiven oder negativen) Feststellung einer Pflichtverletzung bestehen, sondern welche in einem früheren Zeitpunkt ergehen mußten, damit es überhaupt zu einer befolgbaren konkreten Verhaltenspflicht unter Entstehung eines einklagbaren Anspruchs kommen konnte. Zu diesen „präjudiziellen" (besser: vorprozessualen) Staatsakten 53 gehören zunächst einmal staatliche Genehmigungen der Begründung von Rechtsverhältnissen durch Rechtsgeschäft, gleich ob für die Genehmigung ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zuständig ist. Zu diesen Staatsakten sind ferner zu rechnen Staatsakte der Begründung der Fähigkeit von Privatrechtssubjekten zur Mitwirkung an einem Rechtsgeschäft. Zu den hier behandelten Staatsakten rechnen sodann konstitutive gerichtliche Feststellungen (evtl. auch gewisse nicht rechtskraftfähige Prüfungen) der Verwirklichung aller oder von einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Rechtsgültigkeit eines Rechtsgeschäfts; hierher gehört etwa 155
Die Anknüpfung von Rechtssätzen über Staatsakte
§8
eine gerichtliche „Bestätigung" (der Gültigkeit) eines AdoptionsVertrages. Obwohl es denkbar ist, daß dem rechtsgeschäftlichen Akt der Ausübung eines Gestaltungsrechts zur Umwandlung oder Beendigung eines Rechtsverhältnisses eine konstitutive gerichtliche Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Aktes nachfolgt (oder vorausgeht), kennen die meisten Rechte hier die Einrichtung des auf Antrag des Gestaltungsberechtigten erfolgenden gerichtlichen Gestaltungs„urteils", wie z. B . bei der Ehescheidung. Es besteht wohl kaum ein Zweifel, daß es prima facie das pflichtbegründende Statut ist, welches derartige Staatsakte überhaupt als für den Eintritt einer privatrechtlichen Rechtswirkung erforderlich bezeichnet, und daß eine solche Regelung dieses Statuts jedenfalls grundsätzlich auch dann beachtlich sein muß, wenn es in einem anderen Forumstaat zur Anwendung berufen wird. Diese Ausgangsregelung — die offensichtlich der Grundstatutsmethode entspricht — erfährt im positiven Recht gewisse Durchbrechungen. Es ist insbesondere mit den folgenden Fragenkomplexen fertig zu werden, wobei Grundstatutsmethode und Mosaikmethode eine Rolle spielen können. 1. Der Staat, dessen anwendungswilliges materielles Recht einen privatrechtsgestaltenden oder konstitutiv feststellenden Staatsakt zur Voraussetzung für eine Rechtswirkung erklärt, kann nicht nur Vorschriften über die Zuständigkeit und das Verfahren eigener Organe zur Bildung solcher Staatsakte aufstellen, sondern kann auch Bestimmungen darüber treffen, daß Akte der Organe anderer Staaten dieselbe Bedeutung haben sollen wie Akte eigener Organe des Statutsstaates. Im Zusammenhang mit solchen Vorschriften über die „Anerkennung" von ausländischen Staatsakten im Statutsstaat erfolgen dann — und zwar vielfach „dosierte" — Verweisungen auf das von den ausländischen Staatsorganen angewendete Recht. Zugleich finden sich subsidiäre Zuständigkeitszuweisungen an eigene Organe des Statutsstaates für den Fall, daß anerkennungsfähige ausländische Staatsakte nicht erwartet werden können. 2. Obwohl jedes Staatsorgan Zuständigkeit und Auftrag zur Vornahme von Staatsakten nur von dem eigenen Dienstherrenstaat erhalten kann, kann ein Staat seine eigenen Organe anweisen, Staatsakte vorzunehmen, deren Wirkungen in diesem Staat nach einem ausländischen Recht beurteilt werden, und die überdies nur erfolgen sollen, wenn die Voraussetzungen für den Staatsakt nach Maßgabe eines ausländischen Rechts gegeben sind. Dann müssen vor allem für die Prüfung der staatlichen Zuständigkeit die Rechtsvorschriften anderer Staaten, die als Statutsstaat in Frage kommen, kumulativ herangezogen werden. Die Zuständigkeit der Staatsorgane zur Vornahme von Staatsakten der hier erörterten Art unter Anwendung ausländischen Rechts kann vom Dienstherrenstaat entsprechend der Grundstatutsmethode davon abhängig gemacht werden, daß die Akte im Statutsstaat auf Anerkennung rechnen können. Im Sinne der Mosaikmethode kann aber der Dienstherrenstaat eines Organs das Organ zur Vornahme von Staatsakten unter Anwendung ausländischen Rechts auch ermächtigen, ohne die Bedingung zu stellen, daß der Staatsakt im Statutsstaat anerkannt wird. 3. Im Sinne der Mosaikmethode kann unter Umständen ein Staat auch bestimmen, daß ein Staatsakt von Behörden dieses Staates notwendig ist, damit eine im übrigen nach dem Recht eines anderen Staates zu beurteilende Rechtswirkung im Forumstaat eintritt, obwohl das ausländische Wirkungsstatut selbst keinen Staatsakt erfordert. 4. Dritte Staaten können sich in bezug auf die Bewertung bzw. die Notwendigkeit von Staatsakten anderer Staaten als des Statutsstaates entweder der Haltung des Statutsstaates oder der Haltung des Dienstherrenstaates des tätig gewordenen Organs anschließen, oder Kompromisse zwischen beiden Möglichkeiten bilden. 2. Zuständigkeit
der Organe
des Statutsstaates
nach dem Recht des
Statutsstaates
Zunächst stellt sich in dem Staat, der in einem eigenen Privatrechtssatz einen Staatsakt 156
Ermessen zur Vornahme von Staatsakten
§8
der hier behandelten Art vorsieht und den betreffenden Rechtssatz auf heterogen verknüpfte Rechtssätze als anwendbar betrachtet, die Frage, ob überhaupt nur Organe dieses Staates in der Lage sein sollen, die in dem Rechtssatz genannten Funktionen auszuüben, oder ob auch Akte fremder Staatsorgane vom Standpunkt des Staates, der das Wirkungsstatut stellt, in Frage kommen. Während es in restlos homogen verknüpften Situationen selbstverständlich ist, daß nur eigene Organe des Statutsstaates tätig werden können, ist dies offenbar in heterogen verknüpften Situationen nicht notwendig ebenfalls so. Auf alle Fälle ist die Regelung der Frage, ob und welche der im Statutsstaat vorhandenen Staatsorgane für privatrechtlich relevante Staatsakte zuständig sein sollen, eine notwendige Vervollständigung der betreffenden Rechtssätze, soweit sie auf heterogen verknüpfte Situationen Anwendung finden: Sieht ein Privatrecht vor, daß eine Ehe aus bestimmten Gründen aufgelöst werden kann, und daß die Auflösung nicht automatisch kraft Gesetzes, aber auch nicht durch einseitige Erklärung eines Ehegatten oder einverständlich, sondern auf Klage eines Ehegatten hin durch Gestaltungsurteil eines Gerichts zu erfolgen hat, nachdem dieses das Vorliegen eines Scheidungsgrundes festgestellt hat, so muß der Urheberstaat eines solchen Rechtssatzes sicher auch Bestimmungen treffen, welche von seinen Gerichten als Scheidungsgerichte zuständig sein sollen, falls dieses Scheidungsrecht auch in heterogen verknüpften Situationen gelten soll. Der Staat, in dessen eigenem Recht sich ein Rechtssatz findet, der dem Akt eines Staatsorgans eine solche Bedeutung für das Zustandekommen materiellrechtlicher Wirkungen verschafft, kann beim Bestehen einer Auslandsverknüpfung neben der Tätigkeit seiner eigenen als zuständig erklärten Organe auch die Tätigkeit eines ausländischen Organs „anerkennen", d. h. ihr dieselben Wirkungen beilegen wie der Tätigkeit eines eigenen Organs. Tut er es nicht, so spricht man davon, daß er für seine eigenen Organe eine „ausschließliche" Zuständigkeit (z. B. zur Ehescheidung gemäß dem eigenen Scheidungsrecht, oder zur Erteilung des Dispenses von einem durch sein Recht aufgestellten Ehehindernis) in Anspruch nimmt. Aus einer ausdrücklichen Anweisung, bei der Ausübung eines Ermessens das „öffentliche Interesse" gerade desjenigen, und nur desjenigen Staates zu beachten, von dem der Rechtssatz herrührt, kann die Vermutung entnommen werden, daß nur Staatsorgane dieses Staates für die Vornahme des Staatsaktes zuständig sein sollen 54 . Keine Vermutung für die ausschließliche Zuständigkeit der eigenen Organe des Statutsstaates besteht hingegen, wenn ein Gericht, d. h. ein mit Unabhängigkeitsgarantien versehenes Staatsorgan, dessen Aufgabe normalerweise die objektive Anwendung abstrakter Rechtssätze auf den konkreten Fall ist, zwar ein Ermessen hat, sich aber dabei von der „Gerechtigkeit" oder von dem „Wohl" einer bestimmten Privatperson leiten lassen soll 55 . Besteht der Staatsakt darin, daß ein Gericht — in Vorwegnahme einer Inzidentprüfung in einem etwaigen zukünftigen Rechtsstreit über das Bestehen bzw. die Verletzung von Verhaltenspflichten — eine „konstitutive" und für alle zukünftigen Verfahren rechtskräftige Feststellung bestimmter privatrechtlich erheblicher Tatsachen zu treffen hat, so spricht eine Vermutung gegen die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Statutsstaates, wenn dieser auch für die eventuellen späteren Verfahren über die Verhaltenspflicht als solche keine ausschließliche Zuständigkeit in Anspruch nimmt 56 . Ist die örtliche Zuständigkeit der eigenen Organe in homogen verknüpften Situationen nicht abschließend im Gesetz festgelegt, sondern soll von mehreren Organen dasjenige zur Vornahme eines privatrechtlich relevanten Staatsaktes zuständig sein, welches von einer Partei um die Vornahme des Staatsaktes gebeten wird, so spricht auch dies meist gegen die Inanspruchnahme einer ausschließlichen Zuständigkeit eigener Organe des Statutsstaates in heterogen verknüpften Situationen. Sind eigene Organe des Statutsstaates auf ausländischem Staatsgebiet stationiert und für die fraglichen Akte unter dem Recht des Statutsstaa157
§ 8
Anerkennung fremder Staatsakte im Statutsstaat
tes als zuständig erklärt worden 563 , so kann dies allerdings wieder ein Argument sein um zu sagen, daß eine Anerkennung von Akten ausländischer Staatsorgane nicht beabsichtigt ist. 3. Bedingungen für die Anerkennung
fremder Staatsakte im Statutsstaat
Eine mangels ausschließlicher Zuständigkeit der Organe des Statutsstaates mögliche Anerkennung ausländischer Staatsakte durch den Statutsstaat setzt zunächst voraus, daß das ausländische Organ vom Standpunkt des Statutsstaates her als „international zuständig" gilt. Diese Prüfung erfolgt oft unter analoger Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen, wie sie für die eigenen Organe des Statutsstaates gelten, und dann unter Umständen unter analoger Anwendung der Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit der eigenen Organe auf die „internationale" Zuständigkeit inländischer und ausländischer Organe. Denkbar ist aber auch, daß der Statutsstaat durch besondere Bestimmungen angibt, unter welchen Bedingungen ausländische Organe als zuständig gelten sollen. Kann in homogen verknüpften Situationen das zuständige Organ durch eine Partei gewählt werden, so wird in heterogen verknüpften Situationen diese Ermächtigung meist auch auf die Bestimmung ausländischer Organe erstreckt. Der Statutsstaat könnte so weit gehen, daß er einen ausländischen Staatsakt anerkennt, wenn das tätig gewordene Staatsorgan nur vom Standpunkt des Statutsstaates her „Zuständigkeit besaß"; im allgemeinen wird indes der Statutsstaat dies einerseits verlangen, andererseits sich aber auch nicht damit begnügen, daß das ausländische Organ in der Sicht des Statutsstaates zuständig war, sondern weitere Voraussetzung für die Anerkennung wird es sein, daß auch Zuständigkeit gemäß dem eigenen Recht des fremden Organs gegeben war, wobei eine etwaige Rechtskraft einer objektiv unrichtigen Bejahung der Zuständigkeit unter dem eigenen Recht des ausländischen Organs ebenfalls wieder im Statutsstaat respektiert werden kann 57 . Die Tatsache, daß jedes Staatsorgan nur „gemäß" den in den Rechtsanwendungsanweisungen des eigenen Staates bezeichneten Rechtssätzen tätig wird, nötigt den Staat, der die Ausübung einer in seinem materiellen Recht relevanten Funktion durch fremde Staatsorgane anerkennen möchte, unter Umständen dazu, das von seinen eigenen Organen zu beachtende Recht in gewissem Umfang durch Vorschriften des fremden Staates verdrängen zu lassen, dessen Organe tätig werden. So ist man sich weitgehend darüber einig, daß das Organ des Staates B, damit es zur Anerkennung seiner Akte im Staat A unter dem materiellen Recht des Staates A kommen kann, bei der Ausübung seiner Funktionen nicht unbedingt alle „Verfahrens"vorschriften befolgen mußte, die ein Organ des Staates A zu beachten gehabt hätte. Oft liegt hier — genauso wie bei der Zuweisung von Teilfragen der Form an ein anderes Recht als das Grundstatut durch Rechtsanwendungsanweisungen des Staates, der die lex causae stellt — ein dosierter Verzicht des Statutsstaates auf die Beachtung seines eigenen Rechts vor. Stets wird unter Verwendung der negativen ordre public-Klausel die Anerkennung der Akte ausländischer Organe im Statutsstaat dadurch ausgeschlossen, daß Verfahrensregeln des Statutsstaates nicht beachtet wurden, deren Fehlen im Recht des Dienstherrenstaates als eine allzu krasse Abweichung vom Recht des Statutsstaates betrachtet wird. Das Gesagte ist nicht dahin zu verstehen, daß der Statutsstaat A dem Organ des fremden Staates B die Befolgung solcher Verfahrensvorschriften aus dem Recht A „befiehlt"; wohl aber versagt der Statutsstaat A die Anerkennung des fremden Organaktes, wenn das gehandhabte Verfahren nicht gewissen „elementaren" Verfahrensregeln entspricht, deren Beachtung der Statutsstaat seinen eigenen Organen für ihr Verfahren befiehlt (und nur ihnen „befehlen" kann). Ob im Statutsstaat, in dem sich die Frage der Anerkennung fremder Staatsakte stellt, die Anerkennung auch noch davon abhängig sein soll, daß das fremde Organ Verfahrensvorschriften des Dienstherrenstaates, die nicht zu den vom Standpunkt des Statutsstaates 158
Anerkennung fremder Staatsakte im Statutsstaat
§8
her unverzichtbaren Verfahrensregeln gehören, nicht verletzt hat, wird im allgemeinen davon abhängig sein, ob der Verfahrensmangel im Recht des Dienstherrenstaates durch Rechtskraft geheilt wurde oder nicht. Ebenso wie der Statutsstaat dem fremden Organ, dessen Akte es als unter seinem materiellen Recht relevant anzuerkennen bereit ist, keine bindenden Weisungen über das Verfahren erteilen kann, kann er ihm auch keine Anweisungen über das anzuwendende materielle Recht erteilen; wohl aber kann er wiederum die Anerkennung der fremden Staatsakte davon abhängig machen, ob damit dasselbe materielle Recht, welches die eigenen Organe des anerkennenden Staates hätten anwenden müssen, richtig angewendet worden ist, oder ob wenigstens das fremde Organ glaubte, dieses Recht richtig anzuwenden. Der Staat A, welcher durch seine eigenen zuständigen Gerichte auf die Scheidungsklage das eigene Scheidungsrecht hätte anwenden lassen, kann also die Anerkennung des Scheidungsurteils des Staates B davon abhängig machen, daß das dortige Gericht ebenfalls das Scheidungsrecht von A angewendet hat. Ob die dazu führenden abstrakten Rechtsanwendungsanweisungen des Staates B mit denen von A übereinstimmen, oder ob sie nur im konkreten Fall zu demselben Ergebnis geführt haben, oder ob gar das fremde Staatsorgan unter Verletzung der Rechtsanwendungsanweisungen seines eigenen Staates das vom Standpunkt des anerkennenden Staates „richtige" Recht angewendet hat, spielt meist keine Rolle 58 . Hat das fremde Organ behauptet, die Bestimmungen des Rechts desjenigen Staates anzuwenden, der das Statut stellen will, und ist das Ergebnis des Anwendungsvorgangs im Dienstherrenstaat des Organs unnachprüfbar geworden, so kann dies auch vom Statutsstaat hingenommen werden; oft kann aber die richtige Anwendung des Rechts des Statutsstaates in diesem Gegenstand einer Nachprüfung werden59. Es ist möglich, daß die Anerkennung auch dann nicht verweigert wird, wenn z. B. ein anderes Scheidungsrecht als das des Staates A angewendet wurde, falls nur die im konkreten Fall zum Zuge gekommenen abstrakten Normen des angewendeten Rechts mit den abstrakten Nonnen des Rechtes A übereinstimmen. In einer solchen Regelung steckt allerdings eine nicht unerhebliche Unsicherheit, wenn z. B. trotz gleichen Wortlauts der gesetzlichen Bestimmungen im geübten Recht der beiden Staaten eine verschiedene Auslegung üblich ist, oder wenn Ubereinstimmung des materiellen Rechts behauptet wird, das nicht in Gesetzesrecht, sondern nur in Gewohnheitsrecht oder richterlichen Präjudizien besteht. Oft werden dem im Ausland bei der Setzung von Staatsakten angewendeten ausländischen Recht im anerkennenden Statutsstaat weitere Konzessionen gemacht. Geht es beispielsweise um die Anerkennung der (konstitutiven) gerichtlichen „Bestätigung" einer Adoption durch ein Gericht des Staates B im Staat A, der das Gericht des Staates B als zuständig, aber Beachtung seines Adoptionsrechts als erforderlich betrachtet, so wird unter Umständen Anerkennung gewährt, wenn das von dem Gericht in B angewendete Recht von B bei Ubereinstimmung in allen anderen Punkten ein im Recht A vorgesehenes Adoptionshindernis nicht kennt, wenn aber nach dem Recht A hiervon hätte dispensiert werden können, falls dies dem Wohl des zu Adoptierenden dienlich ist. Schließlich kann der Statutsstaat die Anerkennung eines unter Anwendung ausländischen Rechts ergangenen ausländischen Staatsaktes möglicherweise zwar nicht von der Ubereinstimmung der angewendeten Rechtssätze mit denen der lex causae abhängig machen, aber auch nicht bloß davon, daß das ausländische Recht nicht kraß vom Recht des Statutsstaates abweicht, wohl aber davon, daß der Effekt der angewendeten Rechtssätze insgesamt dem Effekt der Anwendung der lex causae „äquivalent" (oder „annähernd äquivalent") ist 60 . Die in der Anerkennung der Wirkungen des ausländischen Staatsaktes im Statutsstaat liegende indirekte Verweisung auf das bei der Bildung des Staatsaktes angewendete Recht stellt sich auch damit letztlich wieder als eine dosierte Zuweisung dar. 159
§8
Anerkennung unter Umdeutung
Worin Äquivalenz zu sehen ist, bleibt praktisch oft Ermessenssache des Richters, für den sich die Frage stellt, bis sich allmählich gewohnheitsrechtliche Vorstellungen darüber bilden. Sind die Voraussetzungen, unter denen der ausländische Staatsakt ergeht, in dem von dem Organ angewendeten Recht dieselben wie im Statutsstaat, oder sind sie diesem „äquivalent", und sind nur die Rechts Wirkungen, die der Staatsakt „auslöst", in dem von dem Staatsorgan dafür maßgeblich betrachteten (oder gar ausdrücklich als maßgeblich bezeichneten) Recht und dem Recht eines Staates, der den Staatsakt als „unter" seinem materiellen Privatrecht wirksam anerkennen möchte, nicht dieselben, so besteht noch eine andere Möglichkeit: Im Statutsstaat kann angenommen werden, daß dort der ausländische Staatsakt die vom Recht des Statutsstaates vorgesehenen Wirkungen auslöst, obwohl dies gar nicht den Vorstellungen des Organs entspricht, das den Akt vorgenommen hat. Eine solche Substituierung der Wirkungen des Rechtes des Statutsstaates anstelle der Wirkungen eines Rechts, welches das ausländische Staatsorgan im Auge hatte, als es den im Statutsstaat anzuerkennenden Staatsakt vornahm, liegt besonders dann nahe, wenn der Staatsakt die Details der materiellrechtlichen Wirkungen des von ihm vorgenommenen Aktes nicht im einzelnen beschreibt, sondern nur „andeutet": Betrachtet der Staat A auf Voraussetzungen und Wirkungen einer Adoption, wenn ein Gericht von A zur Bestätigung als zuständig erklärt wird, das Recht von A als anwendbar, ist dieser Staat aber bereit, anstelle der Mitwirkung der eigenen Gerichte die Mitwirkung eines Gerichts von B anzuerkennen, wenn das durch das Organ von B in bezug auf die Adoptionsvoraussetzungen gehandhabte Recht entweder das Recht von A, oder ein inhaltsgleiches, oder ein im wesentlichen äquivalentes Recht ist, so kann, wenn der Staatsakt in B mit dem Ausspruch endet, daß „die Adoption" von X durch Y bestätigt wird, die Anerkennung dieses Staatsaktes im Staat A bedeuten, daß dort die Wirkungen der Adoption die des Rechtes A sein sollen, auch wenn die Wirkungen der Adoption gemäß dem im Land B als anwendbar geltenden Recht die in Details abweichenden Wirkungen des Rechtes B sein sollten 61 . Erfordert die Adoption nach dem Recht von A einen Vertrag aller Beteiligten, dessen gültiges Zustandekommen ein Gericht von A in einer „Bestätigung" konstitutiv festzustellen hat, und begründet die Adoption ein Kindschaftsverhältnis zwischen X und Y, ohne sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen Y und den natürlichen Eltern zu lösen, während die Adoption nach dem Recht von B (welches das in B tätig gewordene Gericht beachtet) zwar die „Einwilligung" derselben Privatpersonen erfordert, aber durch gestaltende Anordnung des Gerichts erfolgt, und die Rechtsbeziehungen zwischen dem Adoptierten und seinen natürlichen Eltern in größerem Umfang beseitigt als nach dem Recht von A, so kann der Staat A eine umdeutende Anerkennung des Staatsaktes von B vornehmen mit der Folge, daß in A nicht die Wirkungen der Adoption eintreten, die in B kraft Gesetzes an den Ausspruch der Adoption durch das Gericht angeknüpft werden, sondern die des Rechtes A. Ein Staat, der keine Ehescheidung, aber eine Trennung in seinem Privatrecht kennt, und der sein Recht auf seine eigenen Staatsangehörigen als allein anwendbar betrachtet, könnte vielleicht auch eine von einem für Trennungen als zuständig betrachteten ausländischen Gericht ausgesprochene Scheidung zwar nicht als Scheidung, aber als Trennung anerkennen. Zu einer solchen Anerkennung ausländischer Staatsakte unter Umdeutung der Wirkungen besteht vorwiegend dann Veranlassung, wenn der Staat A zwar sein materielles Recht (welches den materiellrechtlich relevanten Staatsakt vorsieht) als allein maßgebend betrachtet, aber bei einer bestimmten Konstellation der Verknüpfungen nur ein ausländisches Organ, und keinesfalls ein eigenes Organ als zuständig betrachtet, und wenn das als zuständig geltende ausländische Organ den Staatsakt nicht mit den vom Recht des Statutsstaates vorgesehenen Wirkungen, sondern nur mit den Wirkungen seines eigenen Rechts vornehmen kann.
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Tatbestandswirkungen fremder Staatsakte
§8 Eine Umdeutung der in dem Staatsakt nur angedeuteten Wirkungen eines ausländischen Rechts in solche des Grundstatuts, das den ausländischen Staatsakt anerkennen will, setzt allerdings voraus, daß die Wirkungen „in den Grundzügen" in beiden Rechten die gleichen sind. Hier erfolgt eine vergleichende Qualifikation, wenn auch etwas anders als sie vorliegt, wenn die Anerkennung des ausländischen Staatsaktes davon abhängig gemacht wird, daß die von dem fremden Organ angewendeten Rechtssätze über die Voraussetzungen des Staatsaktes im wesentlichen äquivalent sind. Es gibt Situationen, in denen eine solche Umdeutung der Wirkungen eines anerkannten ausländischen Staatsaktes in solche des Grundstatuts nicht angebracht ist: Will der Heimatstaat einer Person deren Geschäftsfähigkeit und deren Vertretung im Falle der Geschäftsunfähigkeit durch sein eigenes Recht geregelt wissen, erkennt er aber eine unter den Voraussetzungen dieses seines Rechtes im Ausland durch ein dortiges Gericht erfolgte Entmündigung und die Bestellung eines Vormunds an, so wird die Vertretungsmacht des Vormunds in jeder Hinsicht gemäß dem Recht des Staates zu beurteilen sein, wo der Vormund ernannt worden ist, wenn die Bestellung zum Vormund durch das dortige zuständige Organ in dem Sinne erfolgte, daß der Vormund seine Aufgabe „nach Maßgabe" des Rechtes des ernennenden Staates und eventuell gemäß den konkreten Anweisungen des Vormundschaftsgerichts „ausüben soll". Eine Substituierung der Wirkungen des Rechtes des Statutsstaates an die Stelle der von dem handelnden ausländischen Staatsorgan einem anderen Recht unterstellten Rechtswirkungen ist eher denkbar, wenn durch den Staatsakt einer Privatperson privatrechtliche Befugnisse verschafft werden, die sie nicht als verlängerten Arm des ernennenden Staatsorgans verstehen lassen: Beansprucht der Staat A die Regelung der kindschaftsrechtlichen Beziehungen des Kindes zu seinen geschiedenen Eltern für sein eigenes Recht, ist er aber bereit, die im Zusammenhang mit der Scheidung getroffene Neuregelung dieser Beziehungen durch ein Gericht im Staat des als zuständig anerkannten ausländischen Scheidungsgerichts anzuerkennen, so kann er eine „Zuweisung der Personensorge" an einen einzelnen Elternteil, die das regelnde Gericht im Sinne seines örtlichen Rechts nicht als Zuweisung der Vermögenssorge versteht, weil sie dort den Eltern als solchen ohnehin nicht zusteht, vielleicht in eine Zuweisung der vollen elterlichen Gewalt im Sinne des Rechtes des Statutsstaates umdeuten. Wenn der Staatsakt ausdrücklich zu erkennen gibt, nach Maßgabe welcher Privatrechtsordnung, und daß er nur nach einer anderen Privatrechtsordnung als dem anwendungswilligen Recht A Rechtswirkungen hervorbringen will, so wird es kaum noch möglich sein, die Tragweite des Staatsaktes im Statutsstaat A umzudeuten, wenn die Wirkungen nicht zufällig die gleichen sind. Dann ist es möglich, daß der Staatsakt im Statutsstaat möglicherweise nur mit einigen seiner Wirkungen, nämlich denjenigen, die das anwendungswillige Recht des Statutsstaates kennt, anerkannt wird, mit anderen hingegen nicht. So könnte ein Ehescheidungsurteil in dem Staat, der sein eigenes Recht auf die Scheidungsvoraussetzungen und -Wirkungen als anwendbar betrachtet, insoweit anerkannt werden, als es sich um die Beendigung der Pflichten zum ehelichen Zusammenleben und der ehelichen Treue handelt, nicht aber bezüglich des „Rechtes" zur Eingehung einer neuen Ehe, wenn die Regelung des Scheidungsstaates hierfür eine ganz andere ist als die des anderen Staates. Insoweit Staatsakte ein bestehendes Rechtsverhältnis beenden, und das Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses Tatbestandselement für eine andere Rechtswirkung ist, insoweit also der Staatsakt letztlich „Tatbestandswirkungen" für ein anderes Rechtsverhältnis auslöst als das von ihm unmittelbar gestaltete, so wird hierauf noch an anderer Stelle zurückzukommen sein 62 . Es ist aber auch möglich, daß ein nicht anerkannter Staatsakt im Statutsstaat auf das Rechtsverhältnis, welches der Staatsakt gestalten wollte, eine andere „Tatbestandswirkung" auslöst: Ist eine im Staat A bestehende Ehe auf Klage
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§8
Anerkennung fremder Staatsakte als alternative Zuweisung
eines Ehegatten in einem anderen Staat B geschieden worden, und wird das Urteil wegen fehlender internationaler Zuständigkeit, oder aus einem anderen Grunde, im Staat A, dessen Gerichte sein eigenes Recht auf die Scheidung angewendet haben würden, nicht anerkannt, so kann doch das Scheidungsurteil (allein oder in Verbindung mit einer faktischen Trennung der Ehegatten) vom Recht des Staates A als neuer selbständiger Scheidungsgrund behandelt werden; ein Spezialrechtssatz im Scheidungsrecht von A kann also bestimmen, daß das ausländische Scheidungsurteil allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen als Symptom einer Ehezerrüttung gilt, die jeden Ehegatten zur Beantragung der Scheidung durch die Gerichte von A berechtigt 63 . Schließlich kann das Wirkungsstatut des Rechtsverhältnisses bestimmen, daß eine Partei eigene Rechte aus dem Rechtsverhältnis nicht mehr geltend machen kann, wenn sie eine im Statutsstaat nicht anerkannte Auflösung des Rechtsverhältnisses durch einen ausländischen Staatsakt erwirkt hat. Die positive Verletzung des Rechtsverhältnisses durch diese Partei liegt dann allerdings eigentlich schon in der Beantragung des Staatsaktes bei den unzuständigen fremden Staatsorganen; diese selbst ist eben eine „erfolgsqualifizierte" positive Verletzung des Rechtsverhältnisses. Eine dahin gehende Vorschrift kann sich in besonderen gesetzlichen Bestimmungen finden, wird aber z. B. im anglo-amerikanischen Recht nicht selten mit dem „Estoppelprinzip" begründet. Es ist sodann auch möglich, daß ein Staatsakt, der auf die nach einem ausländischen Recht beurteilte Rechtslage einwirken will, diese Wirkung selbst territorial beschränkt, oder daß der Statutsstaat seinerseits eine auf das Gebiet des Dienstherrenstaates des handelnden Organs territorial beschränkte Wirkung automatisch, eine Wirkung auf seinem eigenen Staatsgebiet hingegen nur auf Grund des eigenen förmlichen Anerkennungsaktes anerkennt: Die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für den Inhaber von Vermögensrechten, die dadurch begründet wird, daß der zu Vertretende nach dem auf seine Geschäftsfähigkeit anwendbaren Recht im Heimatstaat entmündigt werden und als Entmündigter einen Vertreter erhalten könnte, durch den Wohnsitzstaat oder den Lagestaat von Vermögensteilen kann z. B. ausdrücklich in dem Sinne territorial beschränkt sein, daß der Vertreter nur über die im Dienstherrenstaat des Organs belegenen Vermögensgegenstände verfügen kann. Aber auch wenn eine solche territoriale Beschränkung durch das Recht des Dienstherrenstaates des Organs nicht vorgesehen ist, sondern der Staatsakt behauptet, Vertretungsmacht für das ganze Vermögen der entmündigten Person zu verschaffen, so kann doch der Heimatstaat zwar die Entmündigung und Schaffung von Vertretungsmacht in bezug auf Vermögen auf dem Gebiet des Dienstherrenstaates automatisch anerkennen, ihre Erstreckung auf sonstiges Vermögen aber davon abhängig machen, daß die Entmündigung und die Bestellung des gesetzlichen Vertreters durch einen weiteren gestaltenden Staatsakt eigener Organe ausdrücklich anerkannt wird. Unter Umständen steckt in der Bereitschaft zur Anerkennung ausländischer Staatsakte eine verdeckte „alternative" Zuweisung einer in dem Staatsakt zu beantwortenden Frage an das Recht des Statutsstaates und das Recht desjenigen Staates, dessen Organen der Statutsstaat konkurrierende internationale Zuständigkeit zubilligt. Das ist dann der Fall, wenn der Statutsstaat die Anerkennung des ausländischen Staatsaktes überhaupt deutlich nicht davon abhängig macht, daß das fremde Staatsorgan dasjenige Recht angewendet hat, welches das konkurrierend zuständige Organ des Statutsstaates hätte anwenden müssen. Eine solche alternative Zuweisung durch Anerkennung fremder Staatsakte ohne Rücksicht auf das dabei angewendete Recht wird am deutlichsten, wenn derjenige Staat, der ein zuständiges Gericht zur Scheidung einer Ehe gemäß seinem Recht bereithält, bereit ist, auch ausländische Scheidungsurteile anzuerkennen, selbst wenn sie gemäß einem anderen Scheidungsrecht ergangen sind. Sollen vom Standpunkt des Statutsstaates her bei bestimmten heterogenen Konstella162
Zuständigkeit der Organe des Statutsstaates
§8
tionen ein ausländisches Staatsorgan und ein eigenes Organ des Statutsstaates konkurrierend zuständig sein, und macht der Statutsstaat die Anerkennung des ausländischen Staatsaktes davon abhängig, daß er unter Anwendung des materiellen Rechts des zur Anerkennung bereiten Staates auf Voraussetzungen und Wirkungen des Staatsaktes, wenn auch unter Beachtung fremder, den Minimalerfordernissen des Statutsstaates genügender Verfahrensvorschriften, zustande gekommen ist, so ist es auch möglich, die Ablehnung der Vornahme des Staatsaktes, wenn sie in beiden Rechten einer Wiederholung des Antrages auf Grund desselben Vorbringens entgegensteht, im Statutsstaat „anzuerkennen". Ist der positiv gestaltende Staatsakt auch dann anzuerkennen, wenn er gemäß einem anderen Recht ergangen ist, so ist die rechtskräftige Verweigerung der Vornahme des Staatsaktes eigentlich nur unter der Bedingung anerkennungsfähig, daß das handelnde Organ das Recht des Statutsstaates angewendet hat: Der Staat, der für die Scheidung seiner Staatsangehörigen stets ein eigenes Gericht bereitstellt, das sein eigenes Recht anzuwenden hat, wird also, wenn er ein ausländisches Gericht als zuständig betrachtet und ihm das anzuwendende Recht freistellt, eine Klagabweisung anerkennen, wenn das Recht des Statutsstaates angewendet wurde. Der Statutsstaat kann aber noch weiter gehen und mit der Klagabweisung im Ausland jedes Scheidungsbegehren auf Grund der im Zeitpunkt des klagabweisenden Urteils als Scheidungsgrund bestehenden (oder vorgebrachten) Tatsachen als rechtskräftig abgewiesen betrachten. Das reizt allerdings zu allen möglichen Machenschaften der klagenden Partei (z. B. Provokation einer Widerklage, die in dem anderen Staat mehr Chancen hätte) und ist schon deshalb de lege ferenda abzulehnen. 4. Subsidiäre Zuständigkeit der Organe des Statutsstaates und Verzicht Staatsakt in heterogen verknüpften Situationen durch das Sachstatut
auf
den
Entfällt eine Anerkennung ausländischer Staatsakte, wie sie vom Recht des Statutsstaates A in Aussicht genommen worden ist, deshalb, weil der vom Standpunkt des Statutsstaates zuständige Staat B angesichts dessen, daß in seinem eigenen Recht die fragliche Rechtswirkung ohne Einschaltung eines Staatsorgans eintritt, keinem seiner Staatsorgane Zuständigkeit zur Vornahme des Staatsaktes verschafft, so kann dies unter Umständen für den Statutsstaat auch Veranlassung sein, in seinem Recht die normalerweise von einem Staatsakt abhängige Rechtswirkung ohne diesen eintreten zu lassen, wenn sich diejenigen Tatbestände, welche der Statutsstaat neben dem Staatsakt erfordert, im Staat B ereignet haben und im Staat B nach dem dortigen Recht ohne das Hinzutreten eines Staatsaktes die fragliche Rechtswirkung auslösen. Das wird manchmal damit begründet, daß die Bestimmung im Recht des Statutsstaates über die Mitwirkung eines Staatsorgans an einem privatrechtlich relevanten Vorgang in der Sicht des Kollisionsrechts des Statutsstaates eine „Form"vorschrift darstelle, die dann, wenn die erforderliche Akte der beteiligten Privatpersonen im Ausland erfolgen, unanwendbar werde, und daß die nunmehr im Statutsstaat zur Anwendung berufene „Formvorschrift" der lex loci actus eben keine Mitwirkung eines Staatsorgans kenne 6 4 . Auch wenn im Statutsstaat zwar eine subsidiäre Zuständigkeit eigener Organe vorgesehen ist, wenn aber deren Inanspruchnahme nach den Umständen des Falles als unzumutbar gelten muß, kann der Statutsstaat die von ihm vorgesehene Wirkung in den genannten Fällen unter Umständen auch ohne den normalerweise erforderlichen Staatsakt eintreten lassen. Das ist besonders dann gebräuchlich, wenn es sich bei diesem Staatsakt nur um die konstitutive Feststellung anderer wirkungsauslösender Tatbestände als privater Willenserklärungen handelt: Erfordert im Statutsstaat die Legitimation vorehelicher Kinder durch Eheschließung der Eltern eine konstitutive gerichtliche Feststellung durch das Gericht am Eheschließungsort, so wird man die Legitimation bei Auslandseheschließung auch ohne eine solche Feststellung als eingetreten betrachten, wenn im Ausland ein entsprechendes 163
§ 8
Automatische Anerkennung und Feststellung der Anerkennungsfähigkeit
konstitutives Legitimationsfeststellungsverfahren nicht bekannt ist, und auch eine subsidiäre Zuständigkeit der Gerichte im Statutsstaat für den Fall einer Auslandseheschließung nicht vorgesehen ist. 5. Automatische und förmliche Anerkennung fremder Staatsakte Der Statutsstaat kann, wenn er fremden Staatsakten dieselbe materiellrechtliche Wirkung beilegen will wie Akten eigener Organe, die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Staatsaktes selbst wieder zum Gegenstand einer förmlichen Prüfung in einem gesonderten Verfahren und eventuell sogar einer rechtskraftfähigen weiteren konstitutiven Entscheidung machen; geschieht dies nicht, so ist die Anerkennungsfähigkeit des fremden Staatsaktes von Fall zu Fall inzidenter zu prüfen, eventuell dann auch die Anerkennungsfähigkeit als solche auf Antrag in einem besonderen Verfahren rechtskräftig festzustellen. Welches dieser verschiedenen möglichen Verfahren gewählt wird, hängt dabei auch davon ab, ob solche Akte der eigenen Organe des Statutsstaates jederzeit so lange auf ihre Gültigkeit überprüft werden können, bis darüber eine endgültige rechtskräftige Entscheidung gefällt worden ist, oder ob schon die implizierte Behauptung des Staatsaktes, er sei gültig — insbesondere wenn es sich um den Akt eines Gerichts handelt — mangels fristgerechter Anfechtung selbst rechtskräftig wird: Ein Staat kann bestimmen, daß auch die durch Gerichtsakt bestätigte oder verfügte Adoption jederzeit inzidenter daraufhin überprüft werden kann, ob eine Gültigkeitsvoraussetzung nicht vorgelegen hat, bis über den gültigen Bestand des Adoptionsverhältnisses in einem besonderen Verfahren rechtskräftig entschieden worden ist. Es kann aber auch bestimmt werden, daß alle, oder gewisse, Gültigkeitsmängel als geheilt gelten, wenn der Rechtsakt der Begründung des Adoptionsverhältnisses nicht von den dazu legitimierten Personen innerhalb der vorgesehenen Frist angefochten worden ist. Behält der Statutsstaat die Vornahme eines Staatsaktes seinen Behörden vor, so wäre es widerspruchsvoll, wenn er die nachträgliche gerichtliche Prüfung anderer Staaten über die Gültigkeit des Staatsaktes anerkennen würde: Kann die gerichtliche Bestätigung einer Adoption unter dem Recht von A nur durch ein Gericht in A erfolgen, so kann der Staat keine rechtskräftige Entscheidung des Staates B über die Gültigkeit der Adoption anerkennen. Erkennt hingegen der Statutsstaat die Zuständigkeit der Organe anderer Staaten zur Vornahme eines konstitutiven oder eines gestaltenden Staatsaktes an, so kann diesem anderen Staat die nachträgliche gerichtliche Prüfung seiner Staatsakte sicher nicht verwehrt werden, und die Anerkennung rechtskräftiger Ergebnisse einer solchen Überprüfung durch den Statutsstaat ist naheliegend. Wenn nun der Statutsstaat A , der die Behörden von B zur Bestätigung einer Adoption unter dem Recht von A, jedenfalls unter bestimmten Bedingungen, als zuständig ansieht, unmöglich die Ergebnisse einer nachträglichen Prüfung durch ein Gericht in B blindlings anerkennen wird, sondern zu diesem Zweck ein besonderes Anerkennungsverfahren durchführen läßt, so scheint dasselbe Verfahren auch dann angebracht zu sein, wenn in A und in B schon die gerichtliche Adoptionsbestätigung mangels Anfechtung rechtskräftig wird. Hat der bei der Begründung des Adoptionsverhältnisses erfolgende Staatsakt weder im Recht von A , noch im Recht von B die Fähigkeit, mangels Anfechtung rechtskräftig zu werden, so erübrigt es sich, im Statutsstaat A ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit des Staatsaktes von B durchzuführen. Etwas anders ist es, wenn der Staat A den Adoptionsbestätigungen durch seine Gerichte die Fähigkeit beilegt, rechtskräftig zu werden, nicht aber der Staat B. Es klingt zunächst plausibel, daß ein Forumstaat, der nicht Statutsstaat ist, sämtliche Staatsakte der hier erörterten Art, die das in diesem Staat berufene und anwendungswillige Recht vorsieht, sofern sie durch Organe des Statutsstaates unter behaupteter Anwendung dieses Rechts erfolgen und im Statutsstaat unanfechtbar geworden sind, unbedingt aner164
Ermächtigung zu Staatsakten unter fremdem Recht
§8
kennen sollte. Allerdings wäre auch hier daran zu denken, daß auf Antrag einer interessierten Partei ein besonderes Prüfungsverfahren durchgeführt wird um festzustellen, daß ein anerkennungsfähiger Staatsakt des Statutsstaates besteht. In der Berufung eines anwendungswilligen Rechts zum Statut für ein Rechtsverhältnis ist aber unmöglich die bedingungslose Anerkennung aller angeblich auf Grund dieses Rechtes vorgenommenen Staatsakte in dem Statutsstaat impliziert: Bestimmt der Staat B, daß eine Ehe nach dem Recht des Staates A zu scheiden sei, so wird B doch ein von einem Gericht des Staates A gefälltes Scheidungsurteil nicht anerkennen wollen, wenn elementare Verfahrensgrundsätze nicht beachtet worden sind, und eine Binnenbeziehung zu B, etwa in Gestalt der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes der beklagten Partei, besteht. Es ist also ein gesondertes Verfahren in B zweckmäßig, in dem die Anerkennungsfähigkeit auch des im Statutsstaat ergangenen Scheidungsurteils abschließend geprüft wird. Entsprechendes ist aber auch bei einer gerichtlichen Adoptionsbestätigung, die durch die Gerichte des Adoptionsstatuts erfolgt, nicht von vornherein ausgeschlossen. Auf der anderen Seite würde es zu weit gehen, wenn jeder privatrechtsgestaltende Staatsakt der Organe eines mit seinem Recht berufenen und anwendungswilligen Staates, selbst wenn die darin implizierte Behauptung seiner Gültigkeit durch Nichtanfechtung rechtskräftig werden kann, stets erst in einem besonderen Verfahren als anerkennungsfähig erklärt werden müßte, ehe der Staatsakt im Forumstaat von den dortigen Gerichten „beachtet" werden dürfte. Das positive Recht bietet ein fast unübersehbar buntes Bild von Regelungen, die sich damit befassen, ob konstitutive bzw. gestaltende Staatsakte in einem anderen Staat als dem, in dem sie ergangen sind, entweder „automatisch" anerkannt und höchstens inzidenter auf ihre Anerkennungsfähigkeit geprüft werden6S, oder ob ihre Anerkennungsfähigkeit Gegenstand gesonderter Prüfungsverfahren ist, in denen darüber mit bindender Wirkung entschieden wird 66 . 6. Zuständigkeit von Staatsorganen zur Vornahme privatrechtlich Staatsakte unter ausländischem Recht
relevanter
Ein Staatsorgan im Staat B wird einen für privatrechtliche Beziehungen relevanten Akt, wenn ein solcher in einem nach den Zuweisungsnormen des Staates B berufenen und nach dem Kollisionsrecht von A anwendungswilligen Rechtssatz des Rechtes A vorgesehen ist, nicht schon deshalb vornehmen, weil ihm nachgewiesen wird, daß die Zuständigkeit des Organs in B durch den Statutsstaat A bejaht, und deshalb der Akt in dem anderen Staat A auch „anerkannt" werden würde. Auch wenn das Organ im Staat B nach dem Recht des Statutsstaates A „als zuständig gilt", muß es im Recht des Staates B, der das Organ als eigenes Organ begründet hat und unterhält, den Auftrag für die fragliche Tätigkeit und damit auch Zuständigkeit gemäß dem Recht des Staates B erhalten haben 67 . Wohl aber kann der Staat B die Zuständigkeit seiner Organe zu gestaltenden Akten unter dem ausländischen Recht A davon abhängig machen, daß der Statutsstaat A die Anerkennung nicht an der von ihm aus angenommenen Unzuständigkeit scheitern lassen würde. Der Staat, von dessen Organ die Vornahme des Staatsaktes unter Zugrundelegung eines ausländischen Rechts erbeten wird, kann das Organ auch prüfen lassen, ob alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Staatsakt im Statutsstaat68 anerkannt werden würde. Erweist sich die durch das Staatsorgan vorgenommene positive Prognose über die Anerkennung in dem Statutsstaat als falsch, so ist damit allerdings der Staatsakt in dem Staat, wo er vorgenommen worden ist, nicht notwendig unwirksam, insbesondere dann nicht, wenn es sich um einen mit Rechtskraftfähigkeit ausgestatteten Akt handelt. Es wäre möglich, daß ein Staat, der selbst nicht Statutsstaat ist, die Tätigkeit seiner Organe unter ausländischem Recht davon abhängig machen würde, daß im Statutsstaat 165
§8
Zuständigkeit zu Staatsakten
zuvor ein Staatsakt ergeht, der eine gewisse Gewähr dafür bietet, daß der in Aussicht genommene inländische Staatsakt in dem fremden Staat auch in einem zukünftigen streitigen Verfahren anerkannt werden wird, analog der Verpflichtung des inländischen Standesbeamten, an einer Eheschließung von Ausländern nicht mitzuwirken, bevor derjenige Staat, dessen Recht vom internationalen Privatrecht des Eheschließungsstaates zur Anwendung berufen ist, ein „Ehefähigkeitszeugnis" erteilt h a t 6 9 . Gerade wenn auch der Statutsstaat für die in seinem materiellen Recht vorgesehenen Staatsakte ein eigenes zuständiges O r g a n bereithält, o b w o h l er bereit ist, Akte anderer Staaten anzuerkennen, so stellt sich andererseits für diese anderen Staaten auch die Frage, o b sie die Zuständigkeit ihrer Organe nicht durch eine Generalklausel modifizieren sollten, welche es diesen Organen ermöglicht, die Vornahme des Staatsaktes abzulehnen, wenn das O r g a n sich im Vergleich mit den Organen des Statutsstaates und angesichts der zu beiden Staaten bestehenden Verknüpfungen als f o r u m non conveniens betrachtet 7 0 . Auf der anderen Seite kann ein Staat, der einen Staatsakt, den di6 O r g a n e des Statutsstaates selbst entgegen diesem Recht vorgenommen haben, ohne weiteres anerkennen würde, dann, wenn er sein eigenes O r g a n für zuständig erklärt, diesem aufgeben, den Staatsakt nur dann vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen dafür sowohl nach dem Recht des eigentlichen Wirkungsstatuts, als auch nach der lex fori vorliegen; die A n o r d nung, daß auf die Ehescheidung durch inländische Gerichte kumulativ das ausländische Heimatrecht der Parteien und die lex fori anwendbar sein sollen, ist letztlich eine Beschränkung der Zuständigkeit der Gerichte, Scheidungen nach dem „eigentlich" berufenen Recht auszusprechen. H a t das internationale Privatrecht eines Staates ein ausländisches Recht berufen, welches einen der hier erörterten Staatsakte vorsieht, so ist die Ermächtigung des ersten Staates an seine Organe, den fraglichen Staatsakt unter den Voraussetzungen und mit den Wirkungen des ausländischen Statuts vorzunehmen, auch wenn sie nicht ausdrücklich davon abhängig gemacht wird, daß der Statutsstaat den Staatsakt anerkennen wird, durchweg nicht als eine ausschließliche Zuständigkeit zu verstehen. Vielmehr ist bei einer Ermächtigung der eigenen Organe zur Setzung von Staatsakten unter ausländischem Recht im Zweifel anzunehmen, daß jedenfalls ein bereits im Statutsstaat von dessen Organen vorgenommener A k t anerkannt werden muß und eine erneute Tätigkeit der eigenen O r g a n e ausschließt. Dabei werden die Staatsakte des Statutsstaates im Zweifel automatisch anerkannt werden. Selbstverständlich dürfen auch die zuständigen Organe des Statutsstaates hoheitliche privatrechtsgestaltende Akte, einschließlich konstitutiver Feststellungen, nur auf dem Staatsgebiet des Statutsstaates selbst vornehmen, insbesondere wenn der Staatsakt in Gegenwart der Parteien oder gar öffentlich erfolgt. So darf das Gericht des Staates, der das Adoptionsstatut stellt, die Bestätigung nicht etwa in einer auf fremdem Staatsgebiet erfolgenden öffentlichen Sitzung verkünden. Auch die Konsuln des Statutsstaates dürfen, soweit nicht die Konsularverträge ausdrücklich anderes bestimmen, unter dem Recht des Entsendestaates nicht zur Vornahme privatrechtsgestaltender Staatsakte ermächtigt werden. Ist dies doch geschehen, so werden diese Akte im Empfangsstaat ignoriert werden: Soll in F eine Ehe von Staatsangehörigen des Staates B geschlossen werden, und ist nach dem auch in F anwendbaren Recht von B ein behördlicher Dispens von einem Ehehindernis erforderlich, so darf im allgemeinen nicht der Konsul des Staates B am Eheschließungsort zur Erteilung des Dispenses ermächtigt werden. Konsuln dürfen auch mangels Vertrages oder einseitiger Einwilligung des Empfangsstaates nicht etwa Vormünder über die Staatsangehörigen des Entsendestaates bestellen. Dieses Verbot kann wohl auch nicht dadurch umgangen werden, daß das Recht des Entsendestaates den Konsul selbst „kraft G e s e t z e s " als V o r m u n d erscheinen läßt 7 1 . 166
Zuständigkeit zu Staatsakten trotz Nichtanerkennung im Statutsstaat
§ 8
Werden Staatsakte, die durch Organe des Statutsstaates selbst vorgenommen worden sind, in einem anderen Staat anerkannt, so kann die Anerkennungsfähigkeit möglicherweise in einem selbständigen Verfahren rechtskräftig festgestellt werden 72 . Steht fest, daß der Statutsstaat, dessen Gerichte den Rechtssatz, welcher den Staatsakt notwendig macht, selbst anzuwenden haben, fremde Staatsakte nicht anerkennt (insbesondere weil er für seine eigenen Organe ausschließliche Zuständigkeit in Anspruch nimmt), so scheint schon das Postulat, daß fremdes Recht nicht „gegen den Willen" des fremden Staates angewendet werden sollte, hier zur Folge zu haben, daß Organe eines Staates B einen Staatsakt, den ein in B zur Anwendung berufener Privatrechtssatz des Rechtes A überhaupt erst hat notwendig werden lassen, im Zweifel nicht vornehmen sollten. Aber es gibt begründete Ausnahmen. Der Umstand, daß der Staat A für Gestaltungsakte usw. unter seinem eigenen Recht nur die eigenen Organe als zuständig betrachtet, macht es sicher nicht fö/^errechtswidrig, daß die Organe von B in diesem Staat Zuständigkeit zur Vornahme von Akten unter dem Recht des Staates A erhalten; so wie kein Staat einen anderen Staat hindern kann, privatrechtliche Verhaltensnormen aus dem Recht des ersten Staates durch seine Gerichte zwecks Vorbereitung von Rechtszwangsakten in feststellenden Entscheidungen zur Anwendung zu bringen, auch wenn der Staat, dessen Recht in dem anderen Staat angewendet wird, seinen Gerichten hierfür die ausschließliche Zuständigkeit vorbehalten möchte, so kann sicher kein Staat einen anderen hindern, daß dieser seinen Organen die Vornahme gestaltender und ähnlicher Staatsakte aufgibt, wenn beide Staaten das materielle Privatrecht des einen Staates als anwendbar betrachten, wenn aber derjenige Staat, der den Rechtssatz erlassen hat, die Vornahme der dort vorgesehenen Staatsakte seinen eigenen Staatsorganen vorbehalten will. Wenn kein Staat seinen Gerichten eine von anderen Staaten zu respektierende ausschließliche Zuständigkeit zu solchen richterlichen Feststellungen der Befolgung oder Nichtbefolgung von Verhaltenspflichten, die mit einer Ermächtigung zum Vollzug von Sanktionen verbunden sind, verschaffen kann, obwohl er das pflichtbegründende Statut stellt, so kann er dies auch nicht dadurch erreichen, daß eine rechtskraftfähige Feststellung über das Bestehen aller oder einzelner Voraussetzungen für eine-bestimmte Verhaltenspflicht durch seine Staatsorgane zu einer weiteren konstitutiven Voraussetzung für das Entstehen der Verhaltenspflicht erklärt wird. Daher haben andere Staaten als der Statutsstaat vielfach keine Bedenken, ihre Gerichte zu Feststellungen zu ermächtigen, die unter dem anwendbaren ausländischen Recht konstitutive Bedeutung für das Entstehen oder die Beendigung eines Rechtsverhältnisses haben sollen, auch wenn der Statutsstaat hierfür ausschließliche Zuständigkeit seiner Organe in Anspruch nimmt. Gibt der Statutsstaat seinem zu Gestaltungsakten berufenen Gericht ein Ermessen, ob es den Akt (z. B. Ehescheidung) beim Vorhandensein der gesetzlichen Voraussetzungen vornehmen will, so ist der Anspruch des Statutsstaates auf ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte sicher nicht zu respektieren, wenn das Ermessen nach Billigkeit oder zum Wohl einer bestimmten Person ausgeübt werden soll; soll sich das Gericht bei der Ermessensausübung in privatrechtlichen Angelegenheiten an politischen Interessen des Statutsstaates orientieren, so mag dies gerade ein Grund sein, um mit Hilfe der ordre public-Klausel den Anspruch auf ausschließliche Zuständigkeit zu ignorieren. Der Staat B kann es sodann als mit der Gleichmäßigkeit der Rechtsfürsorge für heterogen und homogen verknüpfte Rechtsverhältnisse unvereinbar betrachten, wenn den Beteiligten zugemutet werden würde, das zwar zuständige, und vom Standpunkt des Statutsstaates her allein zuständige, aber nur mit großen Schwierigkeiten, Kosten oder Zeitverlust erreichbare Organ des Statutsstaates A um das Tätigwerden zu bitten 7 2 3 . Hier wird von einer „Notzuständigkeit" der Organe von B gesprochen, die tätig werden dürfen, obwohl der Akt im Statutsstaat A nicht anerkannt werden wird. Ein einwandfreier Fall der 167
§8
Staatsakt und Verfahren
Notzuständigkeit liegt vor, wenn die zuständigen Organe des Statutsstaates A selbst ein Ermessen haben, ob sie tätig werden wollen, und wenn sie dies im konkreten Fall ablehnen; hier wird dann allerdings meist auch mit der Anerkennung des Aktes des Staates B im Statutsstaat A gerechnet werden können. Ein weiterer Fall, in dem die nach Ansicht des Statutsstaates A unzuständigen Organe des Staates B dennoch auf Anordnung des Rechtes von B „unter" dem im Staat B berufenen fremden Recht des Staates A tätig werden sollten, ist der, daß das Recht von A in B nur auf eine Teilfrage anwendbar ist, welche ihrerseits von einem in B anwendbaren materiellen Rechtssatz des Landes B aufgeworfen wird. Dann ist es durchaus legitim, daß das Recht von B die „Unterteilfrage" der Zuständigkeit zu dem in einem Rechtssatz des Rechtes A vorgesehenen Staatsakt wieder an sich „zurücknimmt". So kann z. B. der Lagestaat von körperlichen Sachen, der für Verfügungsgeschäfte über Rechte an solchen Sachen selbst die lex causae stellen will, aber die Frage der gesetzlichen Vertretung eines Minderjährigen dem Recht des Heimatstaates überlassen hat, für eine von diesem Recht vorgesehene vormundschaftsgerichtliche Genehmigung von Akten des gesetzlichen Vertreters das eigene Vormundschaftsgericht als zuständig bezeichnen, weil es die Angemessenheit des Preises usw. am besten beurteilen kann. Wenn schließlich in B ein Rechtssatz des Staates A auf heterogen verknüpfte Fälle angewendet wird, für die er im Staat A gemäß dem dortigen internationalen Privatrecht überhaupt nicht anwendbar ist, so mag der Staat A vielleicht bei sich das Recht des Staates B als maßgeblich betrachten, und einen Staatsakt eines Organs von B, welchen dieses unter Anwendung des Rechtes von A vornimmt, in einen Staatsakt unter dem Recht B umdeuten und bei sich anerkennen; möglicherweise wird aber der Staat A auch dies, verweigern. Hier ist es geboten, daß der Staat B, wenn er schon den Rechtssatz von A gegen den Willen des Urhebers als anwendbar betrachtet, auch dafür sorgt, daß Staatsorgane von B privatrechtsgestaltende und ähnliche Staatsakte vornehmen, die in dem anwendbaren Rechtssatz von A vorgesehen sind 7 2 b . Insoweit ein Staat eigene Organe für zuständig erklärt, privatrechtsgestaltende und ähnliche Akte vorzunehmen, wobei aber die Zulässigkeit und die Wirkung solcher Akte nach einem ausländischem materiellen Recht zu beurteilen ist, könnte dieser Staat auch bezüglich des Verfahrens seiner Organe auf ausländisches Recht verweisen. Durchweg wird aber hier bestimmt, daß Staatsakte auch bei der Vornahme von Staatsakten „unter" ausländischem Privatrecht nach den Verfahrensvorschriften des Dienstherrenstaates zustande kommen sollen. Während der Staat der lex causae, wie oben ausgeführt, bei der Anerkennung des fremden Staatsaktes zumeist nur verlangt, daß sich unter den Verfahrensvorschriften, die das handelnde fremde Staatsorgan beachtet, auf alle Fälle diejenigen Vorschriften befinden, die den vom Standpunkt des Statutsstaates her als unentbehrlich betrachteten Verfahrensprinzipien des Grundstatuts gleich oder äquivalent sind, und daß keine Verfahrensvorschriften angewendet worden sind, die allzu kraß von denen des Grundstatuts abweichen, stellt sich im Organstaat die Qualifikationsfrage, welche von seinen Vorschriften „Verfahrensvorschriften" sind, die daher unter allen Umständen beachtet werden müssen, und welche Vorschriften im Recht des Statutsstaates ihrerseits Verfahrensvorschriften sind, die durch das handelnde Staatsorgan nicht beachtet zu werden brauchen. Es kann im Recht des Statutsstaates „ambivalente" Bestimmungen geben, die neben entsprechenden Bestimmungen im Recht des handelnden Organs alternativ beachtet werden können 73 . Gerade diese Fragen sind in Theorie und Praxis weitgehend unbeachtet und ungeklärt geblieben. Hiervon zu unterscheiden ist ein anderes Qualifikationsproblem: Die Zuständigkeitsbestimmungen der verschiedenen Staaten zur Vornahme von privatrechtlich relevanten Staatsakten, wie sie hier erörtert werden, orientieren sich durchweg am eigenen Inlandsrecht des Forumstaates, denn es werden ja Zuständigkeitsbestimmungen in erster Linie für 168
Zuständigkeit zu Staatsakten unter ausländischem Recht
§8
die im eigenen Privatrecht des Forumstaates vorgesehenen Staatsakte getroffen. Während nun für Leistungsklagen und Klagen auf Feststellung des Bestehens von Verhaltenspflichten die Zivilprozeßordnungen neben speziellen Zuständigkeiten für einzelne Anspruchsarten fast stets eine Zuständigkeit für die „Restkategorie" aller sonstigen Klagansprüche vorsehen — sei es in Gestalt des allgemeinen Gerichtsstandes des Beklagten, sei es in Gestalt des Rechtes der eigenen Staatsangehörigen zur A n r u f u n g der eigenen Gerichte —, k o m m t es wohl nie vor, daß ein Staatsorgan für eine Restkategorie aller hier erörterten Staatsakte, die unter inländischem oder ausländischem Recht privatrechtlich relevant sind, als zuständig erklärt wird. Während die Kategorien in den internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen eines Staates, die sich auf die materiellen Rechtssätze beziehen, im Zweifel so gestaltet sind, daß durch die Gesamtheit dieser Rechtsanwendungsanweisungen sämtliche denkbaren privatrechtlichen Rechtsvorschriften erfaßt werden, erfassen die Bestimmungen über die Zuständigkeit der eigenen O r g a n e eines Staates zur Vornahme privatrechtlicher Gestaltungsakte niemals auch sämtliche im ausländischen Recht vorkommenden privatrechtsgestaltenden Akte: Kennt ein Staat in seinem Eherecht keine dispensablen Ehehindernisse, und hat infolgedessen kein O r g a n dieses Staates eine Zuständigkeit zur Erteilung von Dispensen, so läßt sich in diesem Staat auch keine zuständige Behörde zur Erteilung eines Dispenses finden, wenn das anwendbare ausländische Eherecht dispensable Ehehindernisse kennt und bereit wäre, entsprechenden O r g a nen, wie sie der betreffende Staat selbst hat, Zuständigkeit zuzuerkennen 7 3 a . O f t muß daher die Zuständigkeit zur Vornahme der von einem ausländischen Recht vorgesehenen Staatsakte durch ausdehnende Auslegung derjenigen Zuständigkeitsvorschriften bestimmt werden, welche sich auf die im eigenen Privatrecht des Forumstaates vorgesehenen Staatsakte beziehen: D a s Gericht, das zum Ausspruch von Ehescheidungen nach der lex fori zuständig ist, hat nicht nur als zum Ausspruch von Ehescheidungen unter ausländischem Recht, oder zur Feststellung der Wirksamkeit einer nach ausländischem Recht durch Privatrechtsgeschäft erfolgten Scheidung befugt zu gelten, sondern sollte sich auch zur Verurteilung zur Ü b e r g a b e und Annahme eines Scheidebriefes unter ausländischem Recht, oder zur Feststellung der Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Trennung der Ehegatten unter ausländischem Recht als zuständig zu betrachten haben, selbst wenn es eine solche Trennung, und damit entsprechende Gestaltungsurteile, und damit auch ausdrückliche Zuständigkeitsregelungen, im eigenen Recht des Forumstaates nicht gibt 7 4 . Vor allem dann aber, wenn mit der dem Staatsakt vorweggehenden Tätigkeit des Staatsorgans schwierige Tatsachenermittlungen und Zweckmäßigkeitsprüfungen verbunden sind, die im eigenen Recht des Organstaates nicht vorgesehen sind, und für die das Staatsorgan infolgedessen auch nicht ausgerüstet wird, kann dies zu dem Schluß führen, daß die primär zur H a n d h a b u n g des eigenen Rechts gewährten Zuständigkeiten ein Tätigwerden unter ausländischem Recht nicht d e c k e n 7 5 . H a t dann der Staat A , dessen Recht in B anwendbar ist, keine eigenen zuständigen Behörden, so mag dies unter Umständen dazu führen, daß ein in A und B als anwendbar erklärter Rechtssatz des Rechtes A überhaupt nicht „durchgeführt" werden kann. U m dies zu verhindern, ist es dringend erwünscht, daß einerseits jeder Staat, der selbst sein eigenes Recht als anwendbar betrachtet; unter allen Umständen wenigstens eine subsidiäre Zuständigkeit eigener Behörden zur Vornahme privatrechtlich relevanter Staatsakte unter Sätzen seines Privatrechts vorsieht; andererseits sollte auch jeder Staat, der ausländisches materielles Recht entgegen den Rechtsanwendungsanweisungen des Urheberlandes als anwendbar erklärt, entweder auf irgendeine Weise dafür sorgen, daß die im ausländischen Recht vorgesehenen Staatsakte durch inländische Behörden erfolgen, oder daß, wenn dies nicht der Fall ist, anstelle des nicht realisierbaren ausländischen Rechtssatzes ein anderer im Inland vollziehbarer Rechtssatz zur Anwendung berufen wird. 169
§8
Sonderanknüpfung von Sätzen über Staatsakte
7. Selbständige Zuweisung von Sätzen über Staatsakte durch das Privatrecht des Forumstaates
internationale
Im Forumstaat kann für ein Rechtsverhältnis ein ausländisches Recht berufen sein, das im Gegensatz zum eigenen Recht des Forumstaates eine Rechtswirkung „kraft Gesetzes" oder durch Privatrechtsgeschäft allein eintreten läßt, ohne einen Staatsakt zur weiteren Voraussetzung hierfür zu machen; ein Adoptionsverhältnis entsteht danach etwa durch privatschriftlichen Vertrag ohne Bestätigung durch ein Gericht, eine Ehe wird durch einseitiges oder zweiseitiges Rechtsgeschäft der Ehegatten aufgelöst, ohne daß ein Gericht feststellen muß, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eheauflösung gegeben sind. Dann kann im Forumstaat ein Staatsakt unter Umständen schon deshalb als notwendig gelten, weil die Teilfrage der „Form" im Sinne der Mosaikmethode durch eine Sonderzuweisung der lex causae entzogen und der lex loci aqtus zugewiesen ist, und es nach deren Recht erforderlich ist, daß außer den sonstigen Voraussetzungen für die Rechtswirkung die hierfür notwendigen privaten Willenserklärungen mit einem Staatsakt gekoppelt sind, der ihre Gültigkeit feststellt. In dieser Weise kann allerdings nicht argumentiert werden, wenn die „Frage nach der Form", wie oft, alternativ der lex causae zugewiesen wird. In diesem letzteren Fall kann der Forumstaat aber eine Anordnung treffen, wonach generell in Durchbrechung der allgemeinen alternativen Zuweisung der Formfrage die lex loci actus allein maßgebend ist, wenn sie eine Bestimmung enthält, wonach der private Willensakt mit einem Staatsakt verbunden sein muß, und vielleicht ohne diese Verbindung strafbar ist. Häufiger findet sich jedoch, daß ein Staat allein von derjenigen Bestimmung des eigenen Rechts, welche für eine bestimmte Privatrechtswirkung einen Staatsakt voraussetzt, anordnet, daß sie beim Vorhandensein bestimmter Inlandsverknüpfungen unbedingt zur Anwendung kommen muß, wenn auch im übrigen für das Rechtsverhältnis, auf welches sich der Staatsakt auswirkt, ausländisches Recht maßgebend ist. Ein Staat kann also die gerichtliche Bestätigung eines Adoptionsvertrages, für den grundsätzlich ausländisches Recht maßgebend ist, für notwendig erklären, falls der Vertrag zwar in den Formen des Adoptionsstatuts, aber im Inland geschlossen worden ist, oder wenn der zu Adoptierende inländischer Staatsangehöriger ist. Die meisten Länder, welche im eigenen Recht zur Ehescheidung neben den Scheidungsgründen und der Äußerung des Scheidungswillens eines Ehegatten ein gerichtliches „Scheidungsurteil" — unter Umständen sogar zusätzlich die Eintragung der Ehescheidung im Standesregister — erfordern, verlangen diese Staatsakte auch bei Anwendbarkeit von ausländischem Scheidungsrecht zumeist dann, wenn die auf Scheidung gerichtete Willenserklärung im Inland abgegeben wird 76 . Eine derartige Anordnung zur Anwendung eines eigenen Rechtssatzes des Forumstaates, welcher für eine bestimmte privatrechtliche Wirkung im Gegensatz zur lex causae einen Staatsakt erfordert, sollte allerdings im Interesse der internationalen Entscheidungsgleichheit — ähnlich wie die einseitige Anordnung der lex loci actus über die Anwendbarkeit ihrer Formvorschriften 77 — abgeschwächt werden, wenn der abweichende Standpunkt der lex causae sich offensichtlich als effektiv erweist: Ist vom Standpunkt des Heimatstaates von Personen mit islamrechtlichem Personalstatut ihre Ehe durch eine in Deutschland erfolgte Privatscheidung ohne Hinzutreten eines deutschen Scheidungsurteils aufgelöst, so sollte die Ehe auch in Deutschland dann als aufgelöst gelten, wenn die geschiedenen Ehegatten wieder ihren Wohnsitz im Heimatstaat genommen haben und dort neue Ehen eingegangen sind 78 . Die von der Haltung des Statutsstaates unabhängige Begründung einer Zuständigkeit eigener Organe des Forumstaates zur Vornahme von privatrechtlich relevanten Staatsakten in heterogen verknüpften Situationen, mit der die Anweisung zur ausschließlichen Anwendung der diesbezüglichen Vorschriften des eigenen Rechts verbunden ist, mündet unter 170
Angaben des Staatsaktes über das angewendete Recht
§8
Umständen darin, daß eine Zuweisung der ganzen Rechtsfrage, auf die sich der Staatsakt bezieht, an das eigene Recht des Forumstaates erfolgt: Auf die Ehescheidung ist in den Ländern des englischen Rechts, wenn die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts zum Erlaß eines Scheidungsurteils vorgesehen und Inlandsscheidung nur in Gestalt eines Scheidungsurteils zulässig ist, stets nur inländisches Recht anwendbar. 8. Weitere Fragen des anwendbaren Rechts bei der Vornahme von Staatsakten unter ausländischem Recht Ergeht im Staat B ein Staatsakt unter einem im Staat B und im Staat A als anwendbar betrachteten Privatrechtssatz des Rechtes A mit der Absicht, daß auch in B die Wirkungen des Rechtes A eintreten sollen, wenn — außer dem Staatsakt — die übrigen Voraussetzungen dafür gemäß dem Recht A gegeben sind, so kann es zweckmäßig werden, dies auch im Tenor des Staatsaktes zum Ausdruck zu bringen, vor allem, um ihn von ähnlichen Staatsakten zu unterscheiden, die unter dem eigenen Recht des Staates B erfolgen, und bei denen im allgemeinen nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, daß sie Wirkungen dieses Rechts auslösen: Bei der Bestätigung einer Adoption, deren Voraussetzungen und Wirkungen sich nach dem fremden Heimatrecht des Adoptierenden richten sollen, aber auch bei der Trennung einer Ehe unter ausländischem Recht ist es de lege ferenda erwünscht, daß im Tenor des Staatsaktes angegeben wird, daß die Wirkungen des durch den Staatsakt zustandegekommenen Rechtsverhältnisses sich in dem Staat, dessen Organ handelt, nach ausländischem Recht richten, wenn auch selbstverständlich unter Vorbehalt des negativen ordre public. Ob dies möglich ist, kann aber deshalb zweifelhaft sein, weil die Vorschriften über die Abfassung des Tenors des Staatsaktes meist zum Verfahrensrecht gerechnet werden. Sieht das in einem Staat anwendbare ausländische Recht die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit eines privatrechtsgestaltenden Staatsaktes vor, und behauptet ein Staatsorgan, einen solchen Staatsakt unter dem Recht des fremden Statutsstaates, aber im Auftrag des eigenen Gesetzgebers vorzunehmen, so stellt sich auch für dritte Staaten die Frage, ob sie diesem Staatsakt die unter dem dort anwendbaren Recht vorgesehene Wirkung zuschreiben sollen. Erklärt der dritte Staat entsprechend der Grundstatutsmethode seine eigenen Organe nur nach Maßgabe der Haltung des Statutsstaates für befugt, Staatsakte unter fremdem Recht vorzunehmen, so wird er den Staatsakten anderer Staaten keine umfangreicheren Befugnisse zuerkennen: Dürfen eigene Gerichte eines Staates Ehescheidungen unter ausländischem Recht nur vornehmen, wenn sie der Statutsstaat anerkennt, so werden sie Scheidungsurteile anderer Staaten nur dann anerkennen, wenn feststeht, daß sie im Statutsstaat tatsächlich anerkannt werden. Die Gerichte des dritten Staates können dann entweder inzidenter oder in einem gesonderten Verfahren darüber entscheiden, ob das Scheidungsurteil deshalb anerkennungsfähig ist, weil es im Statutsstaat anerkannt wird bzw. anerkannt werden kann. Ist dann bereits eine positive oder negative und rechtskraftfähige Entscheidung im Statutsstaat ergangen, so wird man sie im dritten Staat ungeprüft auf ihre Richtigkeit übernehmen. Ist noch keine rechtskräftige Entscheidung im Statutsstaat ergangen, ist aber dort eine förmliche Anerkennungsentscheidung erforderlich, so braucht das damit beanspruchte Monopol über die Feststellung, daß der Staatsakt im Statutsstaat anerkennungsfähig ist, im dritten Staat nicht respektiert zu werden; wohl aber kann sich das Gericht im dritten Staat auf den Standpunkt stellen, daß, wenn von den Gerichten des Statutsstaates ohne Schwierigkeiten eine Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit des Staatsaktes im Statutsstaat erwartet werden kann, das Gericht des dritten Staates sich zur Entscheidung dieser Frage als forum non conveniens erklären darf 79 . Nimmt ein Staat für seine eigenen Organe in Anspruch, daß sie Staatsakte unter einem ausländischen Recht vornehmen, obwohl nicht mit der Anerkennung durch den Statutsstaat gerechnet werden kann, so liegt es nahe, daß den Organen anderer Staaten beim 171
Wirkungen und Nachwirkungen von Rechtsverhältnissen
§8
Vorliegen entsprechender Umstände dieselbe Befugnis zuerkannt wird. Es wurde bereits erwähnt, daß die Zuständigkeit eigener Organe, 1 Staatsakte unter Durchbrechung der normalen bilateralen Kollisionsnonnen gemäß eigenem Recht vorzunehmen, dadurch zu einer bilateralen Zuweisungsnorm erweitert wird, daß auch Organen anderer Staaten eine entsprechende Zuständigkeit zugebilligt und ihre Akte anerkannt werden: Bestimmt ein Staat A, daß für die Auflösung einer Ehe „grundsätzlich" das Recht des Heimatstaates des Ehemannes (B) maßgebend sein soll, daß aber eine Eheauflösung im Inland nur in der Form eines gerichtlichen Scheidungsurteils eines inländischen Gerichts vor sich gehen, und daß bei einer Ehescheidungsklage der Frau mit der Staatsangehörigkeit des Staates A das eigene Recht von A anzuwenden ist, so liegt es nahe, daß man in A auch eine Vorschrift des anderen Staates C respektiert, wonach — unbeschadet dessen, daß grundsätzlich das Recht B Eheauflösungsstatut ist — eine Scheidung durch Akte auf dem Gebiet des Staates C nur in der Form eines gerichtlichen Scheidungsurteils erfolgen, und daß eine Frau mit der Staatsangehörigkeit des Staates C diese Ehescheidung unter Anwendung des Rechts C erlangen kann. Während diese Bilateralisierung im positiven Recht nicht immer erfolgt, gehen einzelne Staaten manchmal noch weiter; sie erkennen jede Ehescheidung an, wenn sie in irgendeinem Staat mit einer völkerrechtlich ausreichenden Verknüpfung — gemäß dem Recht dieses Staates oder gemäß dem Recht eines als Scheidungsstatut berufenen anderen Rechts — durch Staatsakt erfolgt ist 8 0 . Das kommt in seiner Wirkung auf das hinaus, was rechtens wäre, wenn im Forumstaat alternativ (zugunsten der Eheauflösung) die Scheidung über eine Gesamtverweisung nach dem Recht aller derjenigen Länder beurteilt werden müßte, die ihre Gerichte zur Auflösung der Ehe durch Scheidungsurteil als international zuständig erklärt haben. Es dürfte jedoch nicht möglich sein, dies aus den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts zu rechtfertigen. g) Präjudizielle Recht-Pflicht-Verhältnisse. Qualifikation und Wege zur Bestimmung des anwendbaren Rechts 1. Wirkungen
und Nachwirkungen
von
Rechtsverhältnissen
Schwierige Probleme entstehen, wenn ein Satz des materiellen Rechts, das selbst angewendet werden will — sei es als Grundstatut für eine Verhaltenspflicht, sei es als Statut für Teilfragen, die ein pflichtbegründendes Statut aufwirft —, eine Rechtswirkung nicht nur von dem Eintritt eines faktischen Ereignisses, oder einer Willenserklärung, oder einem Staatsakt abhängig macht, sondern allein oder zugleich davon, daß ein anderweitiges Rechtsverhältnis, insbesondere ein Recht-Pflicht-Verhältnis, besteht (entsteht) oder nicht besteht (erloschen ist). Als ein solches anderweitiges Rechtsverhältnis, welches als „präjudizielles" Rechtsverhältnis direkt oder indirekt „Nachwirkungen" auf andere Rechtsverhältnisse hat, kommt besonders häufig die Ehe in Frage: Das Entstehen einer Ehe läßt nicht nur die für die Ehe wesentlichen Rechte und Pflichten zwischen den Ehegatten entstehen, sondern ihr Bestehen hindert nach vielen Rechten die Eingehung und die Gültigkeit einer weiteren Ehe eines Ehegatten mit Dritten; ihr Bestehen oder Nichtbestehen beeinflußt meist die RechtPflicht-Beziehungen zwischen Eltern und Kind; ihr Bestehen kann die volle oder die beschränkte Geschäftsfähigkeit der Ehefrau (und damit Gültigkeit bzw. Ungültigkeit von Rechtsgeschäften mit Dritten), sie kann die Haftung eines Ehegatten aus unerlaubter Handlung des anderen gegenüber Dritten, sie (bzw. ihre Auflösung) kann Änderungen des Namens der Ehegatten zur Folge haben usw. Desgleichen kann eine Veränderung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses ihrerseits Veränderungen in einem anderen Rechtsverhältnis als Nachwirkung auslösen: Die 172
Qualifikation als Wirkung oder Nachwirkung
§8
Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kind können sich ändern, wenn die Ehe der Eltern getrennt wird. In diesen Fällen wird zunächst häufig die Frage gestellt, ob die fragliche „Nach"wirkung, die das Bestehen oder die Beendigung des bestehenden präjudiziellen Rechtsverhältnisses auf das andere Rechtsverhältnis zur Folge haben könnte, als eine Wirkung des letzteren, oder als eine Wirkung des ersteren Rechtsverhältnisses (bzw. als ein Teil seiner Veränderung) zu „qualifizieren" ist, und ob demzufolge dasjenige Recht anwendbar ist, dem die „Regelung der Wirkungen" des einen bzw. anderen Rechtsverhältnisses vom Kollisionsrecht zugewiesen wird 8 0 3 . Besteht die Bedeutung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses darin, daß im Verhältnis zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses eine Spezialregelung derjenigen Rechtsbeziehungen Platz greift, die normalerweise durch Verhaltensnormen einer anderen Normenkategorie geregelt, und die selbst mit dem Vorbehalt versehen sind, daß sie vor jeder Spezialregelung zurücktreten wollen, so kann es offen bleiben, wie die Spezialregelung zu „qualifizieren" ist: Geht in einem Rechtssystem die Regelung dahin, daß im Verhältnis zwischen Ehegatten Ansprüche aus unerlaubter Handlung während bestehender Ehe nicht geltend gemacht werden können, oder daß aus leicht fahrlässigen Handlungen im Verhältnis zwischen Ehegatten überhaupt keine Schadensersatzansprüche erwachsen, so handelt es sich eben um „eherechtliche Normen über unerlaubte Handlungen", denen das allgemeine Recht der unerlaubten Handlungen deshalb den Vorrang läßt, weil es hinter jeder irgendwo vorgesehenen spezielleren Regelung für unerlaubte Handlungen zurücktreten will. Daher tritt in demjenigen Staat, der sein eigenes allgemeines Recht der unerlaubten Handlungen als anwendbar betrachtet, dieses Recht hinter der Regelung zurück, die das in diesem Staat anzuwendende Eherecht vorsieht, ganz gleich, ob es sich um das Recht desselben Staates oder um ausländisches Recht handelt 81 . Handelt es sich nicht um spezielle Regelungen der Rechtsbeziehungen, die von einer allgemeineren Regel abweichen, so findet sich die Auffassung, es sei einfach Sache einer positivrechtlichen, insbesondere gesetzgeberischen Anordnung, ob z. B. ein Rechtssatz, welcher an das Bestehen einer Ehe Wirkungen auf Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten und Dritten anknüpft, als eine „eherechtliche", und nicht als eine einer anderen Normenkategorie zuzurechnende Regelung anzusehen ist. Andererseits wird sogar behauptet, daß auch eine Regelung, wonach z. B. eine Ehe das Zustandekommen einer bestimmten Nachwirkung nicht auslöst, eine „eherechtliche" Regelung in dem betreffenden Privatrecht sei; so wird gesagt, es sei eine „Ehewirkung", wenn die Frau in der Ehe ihren Mädchennamen behält, um daraus zu folgern, daß eine dahingehende Bestimmung im Statut der persönlichen Ehewirkungen anzuwenden sei. Würde von einem Rechtssatz, der die nicht vollgeschäftsfähige Frau mit der Ehe volljährig, und einem Satz, der die vollgeschäftsfähige Frau mit der Ehe beschränkt geschäftsfähig werden läßt, ebenfalls „eherechtliche" Natur angenommen, so müßte dies auch von einer Regelung gelten, wonach die Ehe keinen Einfluß auf die Geschäftsfähigkeit hat. Besonders schwierige Fragen ergeben sich daraus, daß es zu den Pflichten einer Partei aus einem Rechtsverhältnis gehören kann, daß sie nicht an der Errichtung bestimmter Rechtsgeschäfte mit Dritten teilnimmt; meist handelt es sich dabei um Rechtsgeschäfte, mit denen über Vermögensrecht verfügt wird, oder mit denen neue Verpflichtungen begründet werden. Beschränken sich die Sanktionen für eine Übertretung dieses Verbotes darauf, daß zwischen den Parteien an dem alten Rechtsverhältnis Schadensersatzansprüche entstehen, oder daß die „verletzte" Partei das Recht erhält, das alte Rechtsverhältnis mit nachteiligen Folgen für die pflichtwidrig handelnde Partei einseitig zu beenden, so bereitet die Anwendung dieses Satzes aus dem Statut für das alte Rechtsverhältnis keine Schwierigkeiten, auch wenn das verbotswidrig begründete Rechtsverhältnis volle Rechtswirkungen auslöst. 173
§8
Verweisungen zwischen Wirkungs- und Nachwirkungsstatut
Macht andererseits das Statut für das neue Rechtsgeschäft selbst das Bestehen eines derartigen Verbots zum Hindernis für das gültige Zustandekommen des neuen Rechtsgeschäfts, so ist dieser Satz ebenfalls ohne Komplikationen überall anwendbar. Nicht selten aber ist es so, daß das Statut für das neue Rechtsverhältnis das Verbot seiner Begründung in dem Statut für das alte Rechtsverhältnis ignoriert, und daß die Frage auftaucht, ob nicht das Statut für das alte Rechtsverhältnis auch mit einem Satz anzuwenden ist, der das verbotswidrig errichtete Rechtsgeschäft als ungültig, und das damit begründete Rechtsverhältnis als unwirksam bezeichnet. Die Frage stellt sich u. U. auf einem Umwege, indem nämlich gesagt wird, es gehöre zu den Wirkungen des alten Rechtsverhältnisses, daß es die „Fähigkeit" einer Partei zur Teilnahme an neuen Rechtsgeschäften beeinträchtige und auf diese Weise das gültige Zustandekommen dieser Rechtsgeschäfte behindere 82 . Es ist nun nicht zu bestreiten, daß es dem Urheber des Statuts für neue selbständige Rechtswirkungen freistehen muß, ob er das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses zur Voraussetzung für den Eintritt der von ihm vorgesehenen Rechtswirkung machen will, auch wenn das Statut für das präjudizielle Rechtsverhältnis einerseits diese Nachwirkung selbst nicht vorsieht, wenn es sie andererseits aber auch nicht verbietet, und wenn es schließlich nicht selbst eine mit der vorgesehenen Wirkung unverträgliche andere Nachwirkung anstrebt. Eine Rechtfertigung dafür, daß auch das Statut für ein Rechtsverhältnis mit einem Satz, der eine bestimmte Nachwirkung auf ein anderes selbständig lebensfähiges Rechtsverhältnis anstrebt, überhaupt zur Anwendung in Frage kommt, kann nur in dem früher bereits behandelten Gedanken gefunden werden, daß ein dahingehender Rechtssatz eine für das Funktionieren der eigentlichen Regelung des alten Rechtsverhältnisses unentbehrliche Ergänzung darstellt 83 . Dann gehört der ergänzende Rechtssatz zu der Kategorie der auf das alte Rechtsverhältnis anzuwendenden Rechtssätze; er ist anzuwenden, wenn dasjenige Recht, welches diese Rechtssatzkategorie stellt, einen derartigen Rechtssatz enthält. Daneben aber ist jede Aussage über die Bedeutung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses, die sich in demjenigen Recht findet, dem das internationale Privatrecht des Forumstaates die Regelung eines neuen Rechtsverhältnisses anvertraut hat, unvermeidlicherweise zu mindestens gleichem Recht zur Anwendung berufen. Finden sich in beiden Rechten auf diese Weise widersprüchliche Bestimmungen, so hat eine Anpassung stattzufinden. Die Anpassung kann sich u. U. erübrigen, wenn das Statut für die neuen Rechtswirkungen ohnehin schon selbst eine mit einem bestimmten präjudiziellen Rechtsverhältnis zusammenhängende Teilfrage nicht selbst regeln, sondern die Regelung aus dem Statut für das präjudizielle Rechtsverhältnis übernehmen will, immer vorausgesetzt, daß sich dort eine einschlägige Regelung findet. Das frappierendste Beispiel für dieses Phänomen ist wohl das folgende: Der Urheber einer Regelung des Intestaterbrechts, der ja für den überlebenden Ehegatten überhaupt keine Erbberechtigung vorsehen könnte, kann bestimmen, daß der Nachlaß grundsätzlich an die Blutsverwandten des Erblassers geht, daß aber daneben eine Erbberechtigung des überlebenden Ehegatten in dem Umfang besteht, in dem dies im Ehewirkungsstatut der z. Zt. des Todes noch bestehenden Ehe des Erblassers vorgesehen ist. Das Erbstatut kann dann möglicherweise selbst wieder eine Höchstgrenze für das Ehegattenerbrecht unter dem Ehewirkungsstatut festsetzen. Eine solche Regelung findet sich bereits im intergentilen Recht mehrerer ehemaliger britischer Kolonien. Sie beruht darauf, daß nach dem hergebrachten Stammesrecht die Versorgung Erwerbsunfähiger und die Regelung des Schicksals von Nachlässen letztlich mehr oder weniger Sache der Autoritätspersonen in der Großfamilie ist, während eine Beerbung eines Vermögensträgers durch Kinder und Ehegatten zunächst nur für die nicht nach Stammesrecht lebenden Personen vorgesehen war. Als nun aber der einheimischen Bevölkerung die Eingehung von Ehen in den Formen und mit den Wirkungen des Europäerrechts ermöglicht wurde, wurde 174
Das Prädestinationserfordernis
§8
zugleich bestimmt, daß im Verhältnis zwischen den engeren Angehörigen einer solchen europäisierten Kleinfamilie trotz Fortbestehens der Stammeszugehörigkeit mit allen sich daraus sonst ergebenden rechtlichen Folgen des europäische Erbrecht maßgebend sein sollte 84 . Diese eigenartige Gestaltung des Erbrechts im intergentilen Recht eignet sich nun sicher nicht dazu, verallgemeinert in das internationale Privatrecht übernommen zu werden. Trotzdem wäre es jedenfalls theoretisch denkbar, daß das Erbstatut die Statuten für gewisse familienrechtliche Rechtsverhältnisse, an denen der Erblasser beteiligt war, selbst entscheiden ließe, welche Intestaterbberechtigungen zugunsten der überlebenden Partei an einem solchen Rechtsverhältnis entstehen sollen; übersteigen sie den ganzen Nachlaß, so wäre das Ergebnis notfalls durch eine proportionale Herabsetzung der Anteile zu korrigieren. Aus den verschiedensten Gründen kann nicht erwartet werden, daß ein Gesetzgeber eine solche Regelung trifft 85 . Wohl aber ist es denkbar, daß das Personalstatut einer natürlichen Person es dem Ehewirkungsstatut (oder dem Ehegüterrechtsstatut) überläßt zu bestimmen, ob und welchen Einfluß die Eheschließung auf die sonst grundsätzlich vom Personalstatut selbst geregelte Geschäftsfähigkeit haben soll. Desgleichen könnte das für die Fassung des Namens einer Person anwendungswillige Personalstatut bestimmen, daß der Namensträger das Recht haben soll, anstelle des Namens, den ihm das Personalstatut anläßlich einer Eheschließung geben oder belassen will, denjenigen Namen zu wählen, der sich aus einer Bestimmung des Ehewirkungsstatuts ergibt 86 . 2. Bedingtheit von Nachwirkungen durch das Bestehen ähnlicher Regelungen Statut des präjudiziellen Rechtsverhältnisses (das Prädestinationserfordernis)
im
Ist die Auslösung einer bestimmten Nachwirkung durch ein präjudizielles Rechtsverhältnis auf ein anderes Rechtsverhältnis letztlich Sache desjenigen Rechts, welches das zu beeinflussende Rechtsverhältnis zu regeln hat und regeln will, und ist nicht damit zu rechnen, daß auch das für das präjudizielle Rechtsverhältnis zuständige Recht eine einschlägige Vorschrift als unentbehrliche Vervollständigung seiner Vorschriften betrachtet, so kann doch dasjenige Recht, welches das beeinflußte Rechtsverhältnis zu regeln hat, es in anderer Weise als beachtlich erklären, wie sich das Rechtssystem, dem das präjudizielle Rechtsverhältnis anvertraut ist, zu der Frage der Nachwirkung stellt. Vor allem kann die „Prädestinierung" des präjudiziellen Rechtsverhältnisses für die in Frage stehende Nachwirkung durch das Recht, welches das präjudizielle Rechtsverhältnis regelt, in dem Nachwirkungsstatut als zusätzliche Bedingung für den Eintritt der Nachwirkung bezeichnet werden. Das Erfordernis der „Prädestinierung" des präjudiziellen Rechtsverhältnisses für die Nachwirkung könnte sich sogar auf das Quantum der Wirkungen erstrecken 87 , doch wird der Staat, der dieses Erfordernis aufstellt, sich oft wohl damit begnügen, daß das andere Privatrechtssystem wenigstens eine Nachwirkung derselben Art vorsieht. So kann das Heimatrecht der Ehefrau, wenn es sie ihre Staatsangehörigkeit durch Eheschließung nicht verlieren läßt, sie aber beschränkt geschäftsfähig mit Vormundstellung des Mannes werden lassen will, den Eintritt dieser Wirkung davon abhängig machen, daß das Recht, welches die eigentlichen Ehewirkungen regelt, selbst eine derartige Nachwirkung vorsieht. Das Erfordernis der Prädestinierung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses für die Nachwirkung ist vor allem angebracht, wenn eines der beiden Rechte es ermöglicht, bei Begründung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft bereits die Nachwirkung ebenfalls durch Rechtsgeschäft (eventuell auch durch das Unterlassen einer entsprechenden Vereinbarung) auszuschließen: Das Erbstatut, das ein Intestaterbrecht des Adoptivkindes kennt, welches bei der Begründung der Adoption ausgeschlossen werden kann, wird also etwa ein Adoptivkind nicht erben lassen, wenn das Adoptionsstatut zwar familienrecht175
§ 8
Die wesentlichen Eigenschaften des präjudiziellen Rechtsverhältnisses
liehe Beziehungen, aber keine Intestaterbrechte zwischen den an der Adoption Beteiligten vorsieht, sondern erfordert, daß diese durch Testament oder Erbvertrag begründet werden. Auch dann, wenn die vom Erbstatut vorgesehene Erbberechtigung von der hypothetischen Ausstattung der Adoption mit erbrechtlichen Wirkungen im Adoptionsstatut bedingt ist, ist die Erbberechtigung selbst aber stets eine Wirkung, die das Erbstatut als solches hervorruft. Ist das Personalstatut einer natürlichen Person dafür maßgebend, ob sie bei Eheschließung einen anderen Namen erhält, so kann eine derartige Namensveränderung nicht nur davon abhängig gemacht werden, ob auch in dem Recht, welches die Wirkungen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses der Ehe beherrscht, irgendeine Nachwirkung der Eheschließung auf den Namen dieser Person als Ehegatte vorgesehen ist, sondern auch davon, daß das Personalstatut des anderen Ehegatten eine gleichartige Nachwirkung auf dessen Namen vorsieht (so z. B. wenn nach dem einen Namensstatut alle Verheirateten einen Doppelnamen zu führen haben). In vielen Fällen wird jedoch eine solche Prädestinierung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses für die vom Nachwirkungsstatut vorgesehene Rechtswirkung nicht erfordert 88 . 3. Die für die Nachwirkungen Rechtsverhältnisses
wesentlichen
Eigenschaften
des
präjudiziellen
Unabhängig davon, ob das Nachwirkungsstatut erfordert, daß das präjudizielle Rechtsverhältnis in dem dafür maßgeblichen Recht für eine Nachwirkung prädestiniert sein muß, muß es auf alle Fälle durch dieses Recht diejenigen Eigenschaften erhalten haben, welche das Nachwirkungsstatut als wesentlich für den Eintritt der Nachwirkung ansieht. Diese Eigenschaften sind dann, wenn das präjudizielle Rechtsverhältnis nach demselben Recht besteht, das auf die Nachwirkungen anwendbar ist, und wenn dieses Recht auch für die „Vorfrage" maßgebend sein soll, selbstverständlich gegeben. Sind aber verschiedene Rechte maßgebend, so ist erst durch Auslegung des Nachwirkungsstatuts festzustellen, auf welche Eigenschaften des präjudiziellen Rechtsverhältnisses es ihm ankommt, sofern diese nicht durch Gesetz oder Richterrecht bereits klargestellt worden sind; ob diese Eigenschaften gegeben sind, kann sich selbstverständlich nur aus dem Inhalt des Rechtes ergeben, welches das präjudizielle Rechtsverhältnis beherrscht. Selbst dann, wenn für das präjudizielle Rechtsverhältnis dasselbe Recht maßgebend ist wie für die Nachwirkung, ist die Übereinstimmung der Bezeichnung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses in dem Rechtssatz, der die Nachwirkung regelt, mit der Bezeichnung, die bei der Regelung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses selbst verwendet wird, jedenfalls nicht allein entscheidend: Läßt das Erbrecht „Kinder" des Erblassers erben, und soll es sich dabei um Personen handeln, die — als „Kinder" — zu dem Erblasser zu Lebzeiten in einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis standen 89 , so kann es sich dabei nur um solche Kinder handeln sollen, die zum Erblasser in einem Rechtsverhältnis standen, wie es für „legitime" oder meistbegünstigte Kinder vorgesehen ist; der im Erbrechtssatz verwendete Ausdruck „Kinder" kann sich aber auch auf alle Personen beziehen wollen, die auf Grund einer als erwiesen geltenden Abstammung vom Erblasser zu Lebzeiten mit einem Unterhaltsanspruch versehen waren; der im Erbrecht verwendete Ausdruck Kinder kann möglicherweise aber auch solche Personen erfassen wollen, die wegen einer nur möglichen Abstammung unterhaltsberechtigt wären, oder die als „Kinder der Familie" einen Unterhaltsanspruch (nämlich auch gegen Stiefeltern) hatten. Wichtig ist, daß, wenn die im Sinne des Nachwirkungsstatuts wesentlichen Eigenschaften der rechtlichen Regelung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses bei Anwendung dieser Regelung auf den konkreten Fall verwirklicht sind, die Nachwirkung im allgemeinen nicht deshalb versagt wird, weil die abstrakte gesetzliche Regelung im ausländischen Recht 176
Präjudizielle familienrechtliche Rechtsverhältnisse im Erbrecht
§ 8
auch Rechtsverhältnisse begründet, welche den Anforderungen des Nachwirkungsstatuts nicht genügen: Will das Erbstatut Kindern ein Erbrecht nur gewähren, wenn es sich um Kinder handelt, die zu Lebzeiten des Erblassers zu ihm mit Rücksicht auf eine Ehe ihrer Eltern in dem familienrechtlichen Rechtsverhältnis des meistbegünstigten Kindes gestanden haben, während „nichtehelichen" Kindern kein Erbrecht zukommen soll, kennt indes das maßgebliche Kindschaftsstatut überhaupt keinen Unterschied in der Rechtsstellung der Kinder je nachdem, ob die Eltern verheiratet sind oder nicht, so wird das Erbstatut eine Erbberechtigung jedenfalls solchen Kindern nicht versagen, die bei hypothetischer Anwendung der familienrechtlichen Bestimmungen des Erbstatuts die besonderen Eigenschaften „ehelicher" Kinder haben. Würde das Erbstatut eine Erbberechtigung von Kindern, die durch nachfolgende Ehe der Eltern unter einem ausländischen Recht nachträglich „ehelich" geworden sind, bejahen, obwohl das Familienrecht des Erbstatuts die Institution der Legitimation überhaupt nicht kennt, so wäre es unbillig, einem Kind das Erbrecht zu versagen, wenn das für die Vorfrage maßgebliche Kindschaftsstatut seinerseits nur deshalb keine Legitimation kennt, weil es ohnehin alle Kinder gleich behandelt. Kritisch wird es, wenn das Nach Wirkungsstatut, etwa das Erbstatut, eine vom ausländischen Recht beherrschte monogame Ehe voraussetzt, und die Frage gestellt wird, ob eine nur potentiell polygame Ehe das Erbrecht auslöst. Das wird man wohl bejahen, wenn eine vertragliche Bindung zwischen den Ehegatten über den Fortbestand der de facto monogamen als einziger Ehe besteht, selbst wenn eine Sanktion dieser Bindung in dem betreffenden Eherecht nur in dem Gebrauch eines Gestaltungsrechts zur Auflösung der Ehe für den Fall des Abschlusses einer zweiten Ehe bestehen sollte. Hingegen wäre es gleichermaßen unbefriedigend, wenn man bei aktuell polygamen Ehen nur der ersten Frau ein Erbrecht gewähren, oder wenn man bei „potentiell" polygamen Ehen auch der einzigen überlebenden Ehefrau das Erbrecht versagen würde. Das Erbstatut sollte möglichst dahin ausgelegt werden, daß jede für ein Erbrecht prädestinierte „eheliche" Verbindung ein — möglicherweise gegenüber dem Erbrecht aus der monogamen Ehe quantitativ modifiziertes — Erbrecht auslöst. Die für die Auslösung der Nachwirkungen wesentlichen Eigenschaften des präjudiziellen Rechtsverhältnisses sind keineswegs immer aus einem bestimmten „Zweck" des Nach Wirkungsstatuts abzulesen; sie beruhen häufig nur auf Tradition bzw. auf Willkür seitens des Gesetzgebers oder der für die Auslegung des Gesetzes entscheidenden Gerichte 9 0 . O b jemand z. B. im Verhältnis zum Erblasser in einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis gestanden hat, das das Erbstatut als „legitimes" Kindschaftsverhältnis bezeichnet, läßt sich mit Sicherheit nur bejahen, wenn das maßgebende fremde Recht das präjudizielle familienrechtliche Rechtsverhältnis unter denselben Vorausetzungen entstehen läßt wie das Kindschaftrecht des Staates, der das Erbstatut stellt. Ist das nicht der Fall, so betrachten einige Erbrechte als legitime Kinder alle diejenigen, die in dem fremden Kindschaftsstatut aus irgendeinem Grunde in die Kategorie der familienrechtlich meistbegünstigten Kinder eingeordnet worden sind, sei es wegen Geburt in der Ehe, sei es auf Grund einer Legitimation, sei es aus irgendeinem anderen Grund. Andere Erbrechte (wie z. B. das alte auf englische Grundstücke anwendbare englische Recht) sehen erbberechtigte „legitime" Kinder nur in solchen, die deshalb, weil sie in Ehe geboren oder erzeugt worden sind, im maßgeblichen Familienrecht als legitime Kinder gelten, nicht aber in anderen durch das maßgebliche Familienrecht meistbegünstigten Kindern 9 1 . Die Folge ist, daß Abkömmlinge, die zwar nach dem maßgeblichen ausländischen Familienrecht die auch in England beachtliche familienrechtliche Stellung eines „legitimierten" Kindes erst durch nachfolgende Ehe erworben hatten, nicht als „legitime" Kinder galten, die kraft englischen Erbrechts englische Grundstücke erben konnten, während englische Grundstücke von solchen Kindern ausländischer Eltern ererbt werden konnten,
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§8
Anpassung von Nachwirkungen
denen das maßgebliche Familienrecht die Stellung des ehelichen Kindes nur infolge andersartiger Bemessung der gesetzlichen Empfängniszeit verschaffte 92 . Bei der Vererbung von Mobilien gemäß dem englischen Domizilrecht des Erblassers hingegen erkennt das englische Recht die Erbberechtigung von Kindern, die unter dem früheren ausländischen Domizilrecht des Erblassers durch nachfolgende Ehe legitimiert worden waren, an. Die Kategorie der familienrechtlichen Vorschriften, welche im Forumstaat zur Anwendung gelangen, wenn es um die für das Erbrecht präjudizielle familienrechtliche Stellung von „Kindern" geht, kann also enger sein als die Kategorie der familienrechtlichen Vorschriften, welche einem „Kind" unter dem im Forumstaat anwendbaren Familienrecht Unterhaltsansprüche usw. verschaffen 93 ' 9 4 . Entspricht die Ausgestaltung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses durch das dafür maßgebende Recht nicht ganz den Anforderungen, die das Nachwirkungsstatut stellt, so kann unter Umständen eine (insbesondere quantitative) Anpassung der Nachwirkung an diese Ausgestaltung des präjudiziellen Rechtsverhältnisses erfolgen. Dabei können die Nachwirkungen, die in dem Recht vorgesehen sind, welches das präjudizielle Rechtsverhältnis beherrscht, als Hinweis dafür benutzt werden, wie die Anpassung vor sich zu gehen hat. Das ist besonders deutlich, wenn das Erbstatut bei der Gewährung eines Ehegattenintestaterbrechts und dessen Umfang nicht nur das Bestehen irgendeiner Ehe, sondern das Bestehen einer Ehe mit bestimmten durch das zuständige Ehewirkungsstatut geregelten güterrechtlichen Wirkungen voraussetzt. Daß dem so ist, ist evident, wenn das Erbrecht das Ehegattenerbrecht ausdrücklich je nach dem Güterstand verschieden gestaltet. Dann wird der Gesetzgeber wohl stets von seinem eigenen Recht ausgehen und nur für die dort vorkommenden Typen von Güterständen das Ehegattenerbrecht so oder so regeln; gilt aber für den Güterstand das Recht eines anderen Staates, so muß geprüft werden, welche ausländischen Güterstände den erbrechtlich relevanten Güterstandstypen im Privatrecht des Erbstatuts deshalb gleichzusetzen sind, weil sie dieselben Eigenschaften aufweisen, die bei den Güterständen des Erbstatuts für das O b und Wieviel des Ehegattenerbrechts maßgebend waren. Unter Umständen aber muß für einen im Privatrecht des Erbstatuts vollkommen unbekannten Güterstand eines ausländischen Rechts die ihm angemessene erbrechtliche Nachwirkung ergänzend ermittelt werden, nachdem man diesen Güterstand mit denjenigen Güterständen verglichen hat, für die das Erbrecht tatsächlich die erbrechtlichen Nachwirkungen ausdrücklich geregelt hat. Ist also im Erbstatut für den Güterstand A V 4 , für den Güterstand B V 8 als Erbquote des überlebenden Ehegatten vorgesehen, so kann für einen ausländischen Güterstand C möglicherweise eine Erbquote von V 3 angemessen sein. Hätte das Erbrecht des Ehegüterstatuts selbst ein differenzierteres Erbrecht für die verschiedenen Güterstände, so könnte die erbrechtliche Bewertung eines solchen Güterstandes Hinweise dafür geben, welche erbrechtlichen Nachwirkungen für einen dem Erbstatut unbekannten Güterstand im Erbrecht angemessen sind. Ein nicht seltener Grenzfall besteht darin, daß der Gesetzgeber scheinbar für alle Ehen ein Ehegattenerbrecht in bestimmter Höhe (oder umgekehrt gar kein Ehegattenerbrecht) vorsieht, weil er von dem Normalfall der homogen verknüpften Situationen ausgeht und dabei unterstellt, daß in seinem Recht überhaupt nur ein ganz bestimmter Güterstand vorkommen kann. Hat aber der Erblasser in einer Ehe mit einem ganz anders gestalteten Güterstand eines ausländischen Rechts gelebt, so muß zunächst einmal der Erbrechtssatz dahin berichtigt werden, daß das dort vorgesehene Ehegattenerbrecht nicht für alle Ehen, sondern nur für den Fall einer Ehe mit dem im Privatrechtssystem des Erbstatuts allein denkbaren Güterstand oder einem gleichwertigen ausländischen Güterstand gilt. Das Erbrecht muß sodann entsprechend dem vermutlichen Willen des Gesetzgebers ergänzt werden für diejenigen Fälle, in denen der von einem ausländischen Recht geregelte Güterstand wesentlich anders gestaltet ist. Ergibt sich aus dem Erbstatut, daß es das Ehegatten178
Das Vorfragenstatut
§8
erbrecht ohne jede Rücksicht auf irgendeine Art der Gestaltung des Güterstandes regeln will, so kann daran nichts mit dem Argument geändert werden, daß das für die Ehe des Erblassers maßgebliche Güterrecht je nach dem Güterstand eine differenzierte erbrechtliche Regelung vorsehe 95 . Wohl aber kann dann im einzelnen heterogen verknüpften Fall eine Anpassung der erbrechtlichen an die güterrechtliche Regelung am Platz sein. Nicht selten nimmt eine Regelung im Kindschaftsstatut auf Details der Regelung der eherechtlichen Beziehungen zwischen den Eltern Bezug, welche in dem tatsächlich anwendbaren Eherecht gar nicht bekannt sind. Wenn die elterliche Gewalt nach Scheidung dem im Scheidungsurteil als unschuldig bezeichneten Elternteil zufallen soll, so unterstellt das Kindschaftsstatut, daß es — wie dies gerade in diesem Recht der Fall sein wird — nur Scheidung aus Verschulden des einen oder des anderen Ehegatten geben könne; dann muß eine ergänzende Regelung im Kindschaftsstatut für den dort nicht vorgesehenen Fall gebildet werden, daß die Ehe nach dem maßgeblichen Recht aus beiderseitigem Verschulden oder gar ohne Verschulden geschieden worden ist 9 6 . Enthält das Kindschaftsstatut keine Bestimmung über die Neuregelung der Beziehungen zwischen Kind und Eltern nach einer Scheidung der Eltern, weil nämlich im Kindschaftsstatut die Ehescheidung unbekannt ist, so können zur Ausfüllung der Lücke die Vorschriften des Kindschaftsstatuts über die Regelung der elterlichen Gewalt bei gerichtlicher Trennung der Eltern, aber auch die Vorschriften des Kindschaftsstatuts über die Regelung der elterlichen Gewalt bei faktischer Trennung der Eltern zur Anwendung in Frage kommen. Man könnte die ersteren zur Anwendung bringen, wenn der Staat des Kindschaftsstatuts die im Ausland erfolgte Scheidung der Eltern unter Umdeutung in eine gerichtliche Trennung anerkennt; man wird die letzteren vorzuziehen haben, wenn der Staat, der das Kindschaftsstatut stellt, das ausländische Scheidungsurteil vollkommen ignoriert, und wenn die von ihm für den Fall der faktischen Trennung der Eltern vorgesehene Regelung — etwa Zuweisung der Kinder nach Alter und Geschlecht, solange nicht das Kindeswohl anderes erfordert — mit der im Forumstaat gültigen Scheidung der Eltern nicht in Disharmonie steht. 4. Die Bestimmung des auf die Frage des Bestehens eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses anwendbaren Rechts im Staat des Nachwirkungsstatuts Von größter Bedeutung ist es, ob der Staat, der in seinem eigenen materiellen Recht eine Nachwirkung an das Bestehen oder das Nichtbestehen eines bestimmten präjudiziellen Rechtsverhältnisses anknüpft, durch seine Gerichte das Bestehen (und gegebenenfalls den Inhalt) des präjudiziellen Rechtsverhältnisses gemäß dem Recht beurteilen läßt, welches ihnen zu diesem Zweck durch spezielle Rechtsanwendungsanweisungen angegeben wird, oder ob das Gericht von den „normalen" Rechtsanwendungsanweisungen seines Staates ausgehen muß, d. h. denjenigen, die es zu beachten hätte, wenn über das präjudizielle Rechtsverhältnis nicht als Vorfrage zu entscheiden wäre, sondern wenn Bestehen und Inhalt des Rechtsverhältnisses von dem Gericht als Hauptfrage zu klären gewesen wären, so z. B. wenn eine der daran beteiligten Parteien die Befolgung einer dem präjudiziellen Rechtsverhältnis eigentümlichen Verhaltenspflicht verlangt und zu diesem Zweck das Gericht angerufen hätte. Es ließe sich eine Regelung denken, wonach von den normalen Zuweisungsnormen des Nachwirkungsstatuts auszugehen ist, und überdies nur die vom Recht desselben Staates, der das Nachwirkungsstatut stellt, geprägten präjudiziellen Rechtsverhältnisse die Nachwirkung auslösen können. Es wäre aber eine untragbare Diskriminierung der an heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen beteiligten Personen, wenn z. B. ein Ehegattenerbrecht unter dem Erbstatut nur in Frage käme für Ehen, deren Gültigkeit und Wirkungen sich nach dem Recht desselben Staates richten, welcher das Erbstatut stellt. Eine 179
§8
Spezielle Kollisionsnormen für die Vorfrage
Rechtsanwendungsanweisung für Vorfragen in dem eben geschilderten Sinne kommt hingegen in Frage, wenn z. B. ein familienrechtliches Verhältnis Vorfrage für den Erwerb der Staatsangehörigkeit ist; dann kann der betreffende Staat den Erwerb möglicherweise nur eintreten lassen, wenn das präjudizielle Rechtsverhältnis gemäß seinem Inlandsrecht zum Entstehen gekommen ist 9 7 . Es ist sodann denkbar, daß in einem Rechtssatz des Staates A die Bezugnahme auf ein anderes Rechtsverhältnis, das durch seine Wirkungen gekennzeichnet ist, überhaupt nicht die „Anwendbarkeit" der darauf bezüglichen Regeln voraussetzt, sondern daß es sich nur Verweisung auf die Voraussetzungen für diese Wirkungen in um eine gesetzestechnische demselben Recht A handelt: Wenn ein Steuergesetz Steuerermäßigungen in solchen Fällen vorsieht, in denen ein Steuerpflichtiger Verwandte in seinem Haushalt unterhält, so kann der Kreis dieser Verwandten im Gesetz in der Weise beschränkt werden, daß bestimmt wird, es müsse sich um solche Personen handeln, welche als Intestaterben der ersten oder zweiten Ordnung erbberechtigt wären. Dann ist nicht etwa bei einem Steuerpflichtigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, der deshalb nach ausländischem Recht beerbt würde, anzunehmen, daß hier diejenigen Verwandten gemeint sind, die nach ausländischem Erbstatut als Intestaterben der ersten oder zweiten Ordnung in Frage kommen; vielmehr handelt es sich offensichtlich um solche Verwandte, die im Privatrecht des Staates, von dem die steuerrechtliche Vorschrift herrührt, als Intestaterben erster oder zweiter Ordnung erben würden 98 . Bei Bezugnahme privatrechtlicher Vorschriften auf präjudizielle Privatrechtsverhältnisse ist jedoch im allgemeinen eine solche rein gesetzestechnische Verweisung auf die Voraussetzungen einer bestimmten Rechtswirkung in dem gleichen Recht nicht gemeint, sondern es wird unterstellt, daß das präjudizielle Rechtsverhältnis nach einem dafür internationalprivatrechtlich berufenen Recht mit seinen Wirkungen „zustandegekommen" ist. Viele halten es dann für selbstverständlich, daß die bei der Anwendung eigener Sachnormen im Forumstaat aufgeworfenen Vorfragen nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses einfach nach demselben Recht beurteilt werden müssen, nach dem sie zu beurteilen wären, wenn die Frage als Hauptfrage in einem Verfahren im Forumstaat gestellt und als solche entschieden werden müßte. Das trifft jedoch keineswegs zu. Zunächst einmal ist es sehr wohl denkbar, daß das Gesetz in einer spezialrechtlichen Vorschrift gerade dem Umstand, daß im Ausland auf die Frage nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses eine andere Antwort gilt als im Forumstaat, die Bedeutung beimißt, daß eine bestimmte Nachwirkung eintritt: Hat der überlebende Ehegatte im Ausland mit Erfolg auf Scheidung geklagt, und wurde das daraufhin ergangene Urteil im Inland nicht anerkannt, so kann eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung dem Uberlebenden die Erbberechtigung entziehen, während beim Vorversterben des Klägers das Erbrecht des anderen Gatten bejaht würde. Vor allem aber ist es möglich, daß für die Beantwortung der in einem eigenen Rechtssatz des Forumstaates aufgeworfenen Vorfrage besondere Rechtsanwendungsanweisungen gebildet werden, die von denjenigen, die für die Lösung der Frage als Hauptfrage maßgebend wären, abweichen. Unter diesen Abweichungen ist am wichtigsten eine alternative Zuweisung an mehrere Rechte unter Bevorzugung eines bestimmten Resultats in bezug auf die Nachwirkung: Der Staat z. B., der das Erbstatut stellt, hält ein präjudizielles familienrechtliches Rechtsverhältnis (Ehe, legitimes Kindschaftsverhältnis) dann für bestehend, und damit als erbrechtsauslösend, wenn das Rechtsverhältnis entweder gemäß demjenigen Recht besteht, das nach den normalen Rechtsanwendungsanweisungen im Staat des Erbstatuts dafür berufen ist, oder wenn es nach dem Recht eines anderen Staates besteht, zu dem eine bestimmte andere Verknüpfung existiert. Die Ermittlung des zweiten, alternativ 180
Alternative Zuweisungen der Vorfrage
§8
anwendbaren Rechts für die Vorfrage kann dabei wieder verschieden gestaltet werden: Die vom Staat des Erbstatuts gebildete spezielle Kollisionsnorm kann das zweite auf die Vorfrage alternativ anwendbare Recht durch unbedingte Sachnorm Verweisung bestimmen: Jemand soll beispielsweise als legitimes Kind erben, wenn er entweder gemäß dem nach dem nationalen Kollisionsrecht des Staates, der das Erbstatut stellt, maßgeblichen Heimatrecht des Vaters zu dessen Lebzeiten zu ihm im Rechtsverhältnis eines ehelichen Kindes gestanden hat, oder wenn der Betreffende gemäß dem Wohnsitz recht des Vaters die kindschaftsrechtliche Rechtsstellung eines ehelichen Kindes gehabt hat, ganz gleich, ob der Urheberstaat die betreffende Norm selbst angewendet wissen wollte. Die alternative Zuweisung kann aber auch dahin lauten, daß das Bestehen eines ehelichen Kindschaftsverhältnisses als Vorfrage zu bejahen ist, wenn es einerseits „vom Standpunkt" des Forumstaates, oder andererseits vom Standpunkt eines bestimmten anderen Staates zu bejahen ist; die alternative Zuweisung erfolgt dann in Gestalt einer Gesamtverweisung auf das internationale Privatrecht des anderen Staates. Die besondere Zuweisungsnorm für die Vorfrage könnte schließlich auch dahin lauten, daß das Bestehen eines ehelichen Kindschaftsverhältnisses als Vorfrage für die Zwecke des Erbrechts zu bejahen ist, wenn irgendeiner der „beteiligten" Staaten darauf sein eigenes Recht angewendet haben will, und wenn nach Maßgabe eines solchen Rechts die Frage nach dem Bestehen des Kindschaftsverhältnisses zu bejahen ist. Derartige alternative Zuweisungen in speziellen Rechtsanwendungsanweisungen des Nachwirkungsstatuts für Vorfragen sind derzeit in gesetzlichen Bestimmungen selten zu f i n d e n " . O b sie durch Richterrecht gebildet werden, hängt entscheidend davon ab, ob bei hinkenden präjudiziellen Rechtsverhältnissen der Eintritt der Nachwirkung gefördert werden soll oder nicht. Für familienrechtliche Vorfragen des Erbrechts wird die alternative Anwendung mehrerer Rechte wohl nur zugunsten bestimmter naher Angehöriger des Erblassers gebilligt werden, nicht aber zugunsten aller durch ein familienrechtliches Verhältnis bezeichneter Intestaterben. Eine solche Bestimmung würde es z. B. erreichen, daß das aus einer hinkenden Ehe stammende Kind im Erbrecht den entfernteren Verwandten, und erst recht dem Fiskus vorgezogen werden müßte. Geht bezüglich der Vorfrage eine der alternativen Zuweisungen auf das in einem bestimmten anderen Staat anwendbare Recht, so hat es seinen guten Sinn, wenn die Anwendung dieses Rechts zugleich davon abhängig gemacht wird, daß ein nach dem anwendbaren Recht zu bejahendes präjudizielles Dauerrechtsverhältnis auch wirklich in dem fremden Staat effektiv geworden ist: Das Kind würde z. B. dann ein Kindeserbrecht haben, wenn das von dem berufenen ausländischen Recht als von Rechts wegen bestehend angenommene Kindschaftsverhältnis schon zu Lebzeiten des Erblassers auch effektiv geworden ist, d. h. wenn die Eltern das Kind tatsächlich als rechtmäßiges Kind aufgezogen und unterhalten haben — dies wiederum entweder in dem Land, das sein Recht als anwendbar betrachtete, oder möglicherweise auch in einem anderen Land. Eine alternative Zuweisung an eines der Rechte, welche befugt waren, sich selbst für die Frage nach Voraussetzungen und Inhalt des Dauerrechtsverhältnisses als anwendbar zu erklären, unter der Bedingung, daß das Dauerrechtsverhältnis tatsächlich effektiv zustande gekommen ist, deckt sich weitgehend mit den Resultaten, welche erzielt werden, wenn eine Rechtswirkung durch das zuständige Recht gar nicht von dem „Bestehen" eines gültigen präjudiziellen .Rechtsverhältnisses abhängig gemacht wird, sondern von dem faktischen Bestehen der sozialen Wirkungen, wie sie bestimmte Dauerrechtsverhältnisse üblicherweise erzeugen. So kann das positive Recht Erbberechtigungen daran anknüpfen, daß jemand vom Erblasser tatsächlich unterhalten wurde, ohne daß jedoch das Bestehen einer Unterhaltspflicht unter einem bestimmten Recht vorausgesetzt wird 1 0 0 . Sieht ein Erbstatut auf diese Weise vor, daß Erbberechtigungen gar nicht durch präjudizielle Äec&isverhält181
§8
Kumulative Zuweisung einer Vorfrage
nisse, sondern durch das Bestehen sozialer Wirkungen ausgelöst werden, wie sie normalerweise durch ein Rechtsverhältnis geboten sind, so deckt dies alle diejenigen Fälle, wo ein anderes Recht auf hinkende präjudizielle Rechtsverhältnisse Bezug nimmt und die Bedingung stellt, daß diese auch effektiv geworden sind. Wenn die Erbberechtigung des überlebenden Ehegatten an das Bestehen einer „faktischen" Ehe, oder wenn die Erbberechtigung von nichtehelichen Kindern daran angeknüpft wird, daß sie aus einem Konkubinat hervorgegangen sind, so wird es sich in heterogen verknüpften Situationen oft um hinkende Ehen handeln 1 0 1 . Manchmal kann es zweifelhaft sein, ob die Nachwirkung das Bestehen eines präjudiziellen Recht-Pflicht-Verhältnisses voraussetzt, oder ob sie nur auf ein Faktum oder eine Willensäußerung als solche Bezug nehmen will, ohne daß es darauf ankommt, ob damit ein anderweitiges präjudizielles Recht-Pflicht-Verhältnis zustandegekommen ist: Läßt das Erbstatut Personen erben, die vom Erblasser zu Lebzeiten oder im Testament „als Kinder anerkannt" worden sind, so kann damit auch eine in Äußerung oder im Verhalten zum Ausdruck gekommene Anerkennung gemeint sein, die nach dem zu Lebzeiten des Erblassers maßgeblichen Kindschaftsstatut allein nicht genügte, um ein familienrechtliches Recht-Pflicht-Verhältnis hervorzubringen 102 . Läßt das Erbrecht „die Kinder" des Erblassers erben, und regelt es selbst, wie die Abstammung im Erbstreit bewiesen werden kann, so löst allein die Abstammung die Erbberechtigung aus, ohne daß ein zu Lebzeiten des Erblassers mit Unterhaltspflichten, elterlicher Gewalt usw. versehenes familienrechtliches Rechtsverhältnis bestanden haben muß. Die alternative Berufung mehrerer Rechte auf die Vorfrage kann jedoch u. U. zu Situationen führen, die als Disharmonie empfunden werden: Während es tragbar erscheint, daß alle Kinder aus mehreren nebeneinander bestehenden hinkenden Ehen des Erblassers gleichberechtigt als legitime Kinder erben, mag es von manchen als untragbar angesehen werden, daß beide Ehegatten aus mehreren hinkenden Ehen desselben Erblassers nebeneinander erben sollen 1 0 3 . Denkbar ist andererseits auch, daß die spezielle Rechtsanwendungsanweisung des Hauptfragenstatuts für die Vorfrage eine kumulative Zuweisung ausspricht, um den Eintritt der Nachwirkung zu hemmen. Eine solche kumulative Zuweisung kommt z. B. vor, wenn das Nichtbestehen einer Ehe Voraussetzung für die Gültigkeit einer neuen Ehe oder jedenfalls dafür ist, daß ein Staatsorgan an dem Abschluß der neuen Ehe mitwirken darf. So wird die in den Heimatrechten der Verlobten gestellte Bedingung, daß keiner von ihnen noch in einer gültigen Ehe lebt, durchweg dahin verstanden, daß keiner der Verlobten weder durch eine vom Standpunkt seines Heimatstaates, noch durch eine vom Standpunkt des Heimatstaates des anderen Verlobten gültige Ehe gebunden sein darf 1 0 4 . Es ist aber sogar denkbar, daß ein Staat seine Standesbeamten anweist, an einer Eheschließung so lange nicht mitzuwirken, wie entweder einer dieser Heimatstaaten oder einer der Wohnsitzstaaten der Verlobten das Bestehen einer gültigen Vorehe bejaht 1 0 5 . Wenn die Ehe dann anderswo doch geschlossen wird, wird man möglicherweise in dem betreffenden Staat nur die beiden Heimatrechte prüfen, so daß ein Ehehindernis vom Standpunkt eines der beiden Wohnsitzstaaten praktisch nur als Trauungshindernis wirkt. Selbst wenn aber ein Forumstaat im Nichtigkeitsprozeß die beiden Heimatrechte der Ehegatten kumulativ anwendet, so muß dies nicht hindern, daß die Frage nach dem Bestehen der Ehe, wenn sie Vorfrage für die Ehelichkeit der Kinder ist, wieder unter alternativer Anwendung mehrerer Rechte zu beantworten wäre. 5. Das in anderen Staaten als dem Staat des Nachwirkungsstatuts anwendbare Recht
auf die
Vorfrage
Wird ein materieller Rechtssatz, welcher eine Nachwirkung an ein präjudizielles 182
Das Vorfragenstatut im dritten Forumstaat
§8
Rechtsverhältnis anknüpft, in einem anderen Staat (F) als dem, der den Rechtssatz als eigenes Recht erlassen hat (A), angewendet, und steht fest, daß der materielle Rechtssatz auch im Ursprungsland A auf den fraglichen Fall angewendet werden würde, so ist zunächst gar nicht zu sehen, warum der Richter in F bei der Ermittlung des auf die Vorfrage anzuwendenden Rechts anders verfahren sollte als der Richter im Staat A. Wenn es letztlich Gesichtspunkte des materiellen Rechts, nämlich des in A und in F auf die Hauptfrage anwendbaren Rechts A, sind, welche insbesondere die Verwendung alternativer oder kumulativer Zuweisungsnormen durch den Staat begründen, der in seinem materiellen Recht an ein präjudizielles Rechtsverhältnis eine Nachwirkung anknüpfen will, so ist es durch keines der allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts zu rechtfertigen, daß ein anderer Staat F, der das Recht von A auf die Hauptfrage anwendet, diese auf materiellrechtliche Gesichtspunkte gestützte Bestimmung des auf die Vorfrage anwendbaren Rechts nicht mitmachen, sondern beanspruchen würde, daß auf die Vorfrage nur ein Recht angewendet würde, und daß dies mit Hilfe der normalen Kollisionsnormen des Staates A, oder gar des Staates F, zu ermitteln wäre. Die Kollisionsnormen, welche zur Bestimmung des, auf die in einem materiellen Rechtssatz aufgeworfene Vorfrage anzuwendenden Rechts dienen, sind hier letztlich Bestandteil des materiellen Rechtssatzes selbst. Ebenso wie die selbstgesetzten Schranken, die der fremde materielle Rechtssatz seinem Anwendungsbereich in heterogen verknüpften Situationen zieht, sind die Zuweisungsnormen zur Ermittlung des für Vorfragen maßgeblichen Rechts demjenigen Recht zu entnehmen, welches in einem anwendungswilligen Satz die Vorfrage überhaupt erst a u f w i r f t . Dem Staat, der in seinem anwendungswilligen und im Forumstaat berufenen materiellen Recht die Vorfrage als Frage nach einem präjudiziellen .Rechtsverhältnis stellt, sind im Forumstaat nicht weniger Befugnisse zur Ausgestaltung dieser Regelung zuzubilligen als demjenigen Staat, dessen materielles Recht nur auf Fakten Bezug nimmt: Es ist selbstverständlich, daß Begriffe für reine Fakten, die ein im Forumstaat angewendetes fremdes Gesetz verwendet, so zu verstehen sind, wie sie der fremde Gesetzgeber verstanden haben will, selbst wenn sich die Fakten auf dem Gebiet des Forumstaates abspielen: Stellt das ausländische Erbrecht allein auf die blutmäßige Abstammung und nicht auf das Bestehen eines .familienrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Aszendenten und Deszendenten ab, und enthält es ausdrückliche Bestimmungen darüber, wie diese Abstammung festgestellt wird, so kann der Forumstaat nicht seine Regeln über die blutmäßige Abstammung — sei es aus seinem Erbrecht, sei es aus seinem Familienrecht — anstelle der Vorschriften des Erbstatuts zur Anwendung bringen. Bestimmt das Erbstatut, daß der in der Ehe geborene Erstgeborene mehr erhält als der durch Legitimation ehelich gewordene Sohn, so kann der Forumstaat nicht den Begriff des privilegierten Erstgeborenen anders bestimmen als das Erbstatut. Aber auch eine zum Forumstaat bestehende Verknüpfung eines familienrechtlichen Rechtsverhältnisses gibt dem Forumstaat keinen Anlaß, bei der Auslegung von Begriffen, die ein im Forumstaat berufenes ausländisches Erbstatut für präjudizielle familienrechtliche Beziehungen verwendet, anders zu verfahren als dieses Erbstatut. Erklärt eine allgemeine Auslegungsregel für das Gesetzesrecht des Forumstaates, daß der Ausdruck „Kinder" nicht nur eheliche, sondern auch uneheliche Kinder umfassen soll, so reicht das nicht aus, um den Begriff der Kinder in einem im Forumstaat anwendbaren fremden Erbgesetz, wo er nur eheliche Kinder erfaßt, im Sinne der Interpretationsregel des Forumstaates zu verstehen, auch wenn infolge Anwendung eines anderen als des im Staat des Erbstatuts anwendbaren Familienrechts ein Kind im Forumstaat den familienrechtlichen Status eines ehelichen Kindes hat, während es im Staat des Erbstatuts als unehelich gilt 1 0 6 . Umgekehrt ist im Forumstaat eine weite Auslegung des Begriffes Kinder in einem ausländischen Erbstatut zu respektieren, auch wenn für das Erbrecht des Forumstaates eine enge Auslegung vorgeschrieben ist. 183
§8
Vorfragenstatut und Grundstatutsmethode
Erklärt eine gesetzliche Bestimmung des Forumstaates, daß unter Kindern auch alle anerkannten unehelichen Kinder zu verstehen seien, und daß als „anerkannte" Kinder alle diejenigen zu verstehen seien, für die der Vater auf irgendeine Weise das Bestehen der Abstammung und die daraus hervorgehenden Bindungen anerkannt hat, so darf diese Auslegung nicht einem im Forumstaat anwendbaren ausländischen Erbgesetz untergeschoben werden, wenn dieses unter erbberechtigten Kindern nur eheliche Kinder oder nur solche anerkannten unehelichen Kinder verstehen will, die in einer förmlichen Erklärung anerkannt worden sind. Dann aber muß im Forumstaat auch respektiert werden, nach welchem Recht vom Standpunkt des Erbstatuts her die förmliche Anerkennung erfolgt sein muß, und der Forumstaat kann sich auch für diese Frage nicht mit seinen Kollisionsnormen einmischen. Sieht man im Forumstaat in der Anwendung eines ausländischen Rechts, welches eine Rechtswirkung an eine nicht vom Recht gedeckte, sondern „rein faktische" Beziehung anknüpft, keinen Verstoß gegen den ordre public, so ist auch nicht zu verstehen, warum ein solcher Verstoß darin liegen sollte, daß das fremde Recht eine Rechtswirkung alternativ an eine solche faktische Beziehung und an ein präjudizielles Rechtsverhältnis anknüpft, oder daß es sie an das Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses unter dem einen oder dem anderen Recht, und damit möglicherweise an ein im Forumstaat nicht, aber irgendwo anders gültig bestehendes „hinkendes" Rechtsverhältnis anknüpft: Läßt der Forumstaat unter Anwendung ausländischen Rechts das im Forumstaat belegene Vermögen durch den überlebenden „Gatten" aus einer faktischen Ehe oder einer Putativehe erben, oder behandelt der Forumstaat unter Anwendung ausländischen Rechts Kinder aus einer Putativehe, oder Kinder von Verlobten im Verhältnis zu den Eltern (oder auch deren Verwandten) wie eheliche Kinder, so ist nicht zu begründen, weshalb ein Gericht des Forumstaates nicht zu einem entsprechenden Resultat kommen sollte, wenn das ausländische Recht einerseits nur rechtsgültigen Ehen und ehelichen Kindern gewisse Rechtswirkungen zuerkennt, das Bestehen der betreffenden Rechtsverhältnisse aber alternativ nach dem einen oder dem anderen Recht bejaht. Die Maßgeblichkeit der Rechtsanwendungsanweisungen des Rechtes, welches für die Nachwirkungen berufen ist, auf die Frage nach dem Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses gilt aber im Forumstaat nicht nur, wenn das Nachwirkungsstatut für die Bestimmung des auf die Vorfrage anzuwendenden Rechts spezielle Rechtsanwendungsanweisungen verwendet, sondern auch dann, wenn in dem betreffenden Staat das auf das präjudizielle Rechtsverhältnis anwendbare Recht allein mit Hilfe der „normalen" Rechts^ anwendungsanweisungen des Nachwirkungsstatuts ermittelt werden muß. Die gegenteilige Ansicht, welche das auf die von einem ausländischen Rechtssatz aufgeworfene Vorfrage anzuwendende Recht mit Hilfe der normalen Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates ermitteln lassen will, dürfte vor allem dadurch zustande gekommen sein, daß, wie oben schon dargelegt 107 , das positive Kollisionsrecht häufig gemäß der Mosaikmethode schon bei einfachen Teilfragen 108 (nach der Form des Rechtsgeschäfts, nach der Geschäftsfähigkeit usw.) selbständige Zuweisungen durch den Forumstaat ohne Rücksicht auf die Haltung des Grundstatuts vornimmt. Daß dies unter den allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts de lege ferenda nur ausnahmsweise gebilligt werden kann, wird später noch ausgeführt 109 . Entsprechendes gilt dann aber auch für die isolierte Anknüpfung der durch ein ausländisches Recht aufgeworfenen Vorfrage nach dem Bestehen eines präjudiziellen Recht-Pflichtverhältnisses im Forumstaat. Sie entspricht der Mosaikmethode, während es der Grundstatutsmethode entspricht, das auf die von einem ausländischen materiellen Rechtssatz aufgeworfene Vorfrage anzuwendende Recht auf dem Wege über die Kollisionsnorm desjenigen Staates zu bestimmen, dessen Recht auf die Hauptfrage anwendbar i s t 1 1 0 ' l n . 184
Vorfragenstatut und materielle Harmonie 6. Störungen der materiellen Harmonie im Forumstaat bei Bestimmung fragenstatuts an Hand der Kollisionsnormen des Nachwirkungsstatuts
§8 des
Vor-
Ein ernst zu nehmender Grund für die gegenteilige Ansicht ist der, daß die Verwendung der Rechtsanwendungsanweisungen des Nachwirkungsstatuts für die Ermittlung des auf die Vorfrage anwendbaren Rechts unter Umständen zu Störungen der materiellen Harmonie im Forumstaat führen kann, und daß diese Störungen durch Anwendung des Kollisionsrechts des Forumstaates auf die Vorfrage hätten vermieden werden können. Das Paradebeispiel hierfür ist der Fall, daß eine Ehe im Forumstaat A gemäß dem dort anwendbaren Recht als gültig anzusehen ist, soweit das Bestehen der Ehe bzw. der Inhalt der aus ihr für die Ehegatten unter sich resultierenden Rechte und Pflichten Gegenstand eines Verfahrens im Forumstaat wird, und daß in einem anderen Staat B, dessen Recht dort und in dem ersten Staat auf die Recht-Pflicht-Beziehungen zwischen Eltern und Kind maßgebend ist, die von diesem Recht aufgeworfene Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe nach einem anderen Recht als in dem ersten Staat beurteilt und danach verneint werden würde mit der Folge, daß im Forumstaat die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder im Verhältnis zu den Eltern nicht die Rechtsstellung „ehelicher" Kinder erhalten. Das kommt nun nicht bloß davon, daß das auf die Vorfrage der Ehe anwendbare Recht im Forumstaat gemäß den Kollisionsnormen des Kindschaftsstatuts zu ermitteln ist; letzte Ursache für die Kalamität ist es vielmehr in diesen Fällen meist, daß der Forumstaat im Sinne der Mosaikmethode schon eine Teilfrage für das Zustandekommen der Ehe selbständig und unabhängig von dem Recht anknüpft, welches im übrigen das Zustandekommen der Ehe regelt: Wenn in Deutschland das Kind aus der in Deutschland nur standesamtlich geschlossenen Ehe von Griechen ein Kind „aus" einer in Deutschland gültigen Ehe ist, so deshalb, weil das deutsche internationale Privatrecht die Teilfrage der Gültigkeit dieser Eheschließungs/orwz nach deutschem Recht beantworten will, obwohl für die Ehe in allen übrigen Punkten griechisches Recht maßgebend ist. Untragbar scheint es auch, wenn im Forumstaat neben einer ersten monogamen Ehe eine zweite monogame Ehe eines der Partner mit einer dritten Person vollgültig bestehen und zu Lebzeiten des Bigamisten Rechtsschutz genießen würde, weil das für die Gültigkeit der zweiten Ehe maßgebende Recht zwar das Ehehindernis der bestehenden Ehe kennt, aber die erste Ehe vom Standpunkt dieses Rechts her als nichtbestehend oder bereits aufgelöst gilt. Oben wurde nun jedoch bereits ausgeführt, daß für den Forumstaat, der die erste Ehe zunächst als bestehend ansieht, der Abschluß einer neuen Ehe in Verbindung mit der faktischen Trennung der ersten Ehe ein Grund sein kann, um auf Grund eines Spezialrechtssatzes die erste Ehe als aufgelöst zu betrachten. Da in vielen Staaten eine bigamische Ehe erst durch Urteil als nichtig erklärt werden muß, ziehen auch bei homogener Verknüpftheit sowohl die erste Ehe, als auch die noch nicht für nichtig erklärte bigamische Ehe Unterhaltspflichten, und jedenfalls Nachwirkungen, nach sich. Es führt sodann auch keineswegs immer zu Störungen der materiellen Harmonie, wenn ein Forumstaat einerseits die auf das Rechtsverhältnis zwischen den Ehegatteh anwendbaren Bestimmungen des Eherechts unvermeidlicherweise mit Hilfe seiner eigenen Kollisionsnormen ermittelt, und wenn er andererseits ein ausländisches Recht als Kindschaftsstatut bezeichnet, und dabei die von diesem Kindschaftsstztut aufgeworfene Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe zwischen den Eltern durch seine Gerichte so beantworten läßt, wie sie in dem Staat zu beantworten ist, welcher das Kindschaftsstatut stellt. Von einer Störung der materiellen Harmonie kann sicher nicht die Rede sein, wenn nach dem im Forumstaat auf die Frage nach dem Bestehen einer Ehe als Hauptfrage (oder auf die Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht zwischen den Ehegatten aus dem Rechtsverhältnis der Ehe) anwendbaren Recht keine gültige Ehe vorhanden ist, und das Kindschaftsstatut 185
§8
Vorfragenstatut und materielle Harmonie
seinerseits das Bestehen einer Ehe überhaupt nicht zum Tatbestandselement für das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind macht. Selbst wenn das Kindschaftsstatut die erweisbare Tatsache, daß das Kind innerhalb bestimmter Zeit von einer verheirateten Frau geboren wurde, nicht einmal als Ausgangspunkt für eine Abstammungsvermutung gegenüber dem Ehemann verwenden würde, wäre zwar möglicherweise das Fehlen eines derartigen Rechtssatzes eine krasse Abweichung vom Kindschaftsrecht des Forumstaates, keinesfalls könnte jedoch gesagt werden, daß die Anwendung dieses Satzes eine Disharmonie zu der Feststellung, daß keine Ehe im Forumstaat besteht, hervorrufen würde. Kennt das Kindschaftsstatut nur eine Art des rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses, knüpft es aber selbst eine Vermutung der Abstammung an die Geburt „in der Ehe" an, oder soll nach dem Kindschaftsstatut in erster Linie nur das in einer Rechtsehe der Eltern gezeugte Kind als „legitimes" Kind eine bestimmte Rechtsstellung gegenüber den Eltern haben, und zwar eine solche, die durchweg dem Kind günstiger ist als die Rechtsstellung zwischen Eltern und Kind, die die betreffenden Privatrechte für das „illegitime" Kind vorsehen, und sieht das internationale Privatrecht des Kindschaftsstatuts die alternative Anwendung mehrerer Rechte (A und B) auf die so gestellte Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe vor, so folgt aus der Verneinung der Frage nach dem Bestehen der Ehe im Forumstaat unter Anwendung des Rechtes F oder E keine Disharmonie, wenn dieselbe Frage als Vorfrage im Sinne des Kindschaftsstatuts etwa gemäß dem Recht B bejaht wird, während sie gemäß dem Recht A zu verneinen wäre. Die materielle Harmonie im Forumstaat ist aber auch dann nicht gestört, wenn das Kindschaftsstatut B einem nicht vbn einer in rechtsgültiger Ehe lebenden Frau geborenen Kind ab Geburt die Stellung eines meistbegünstigten Kindes aus einem anderen Grund (Kind aus Konkubinat, Putativehe oder Verlöbnis) als der Zeugung innerhalb der Ehe verschafft, und eine Rechtsehe im Forumstaat nicht besteht. Dann aber kann auch keine Störung der materiellen Harmonie darin liegen, daß das Kindschaftsstatut unter Verwendung der normalen Zuweisungsnormen dieses Staates die von ihm aufgeworfene Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe der Eltern durch ein von ihm bestimmtes Recht bejahen läßt, während dieselbe Frage als Hauptfrage nach dem im Forumstaat anwendbaren Recht zu verneinen wäre 1 1 2 . Wenn das Kindschaftsstatut Kindern wegen des guten Glaubens eines Elternteils an das Bestehen einer rechtsgültigen Ehe, die aber in allen Staaten nicht als solche anerkannt wird, oder wegen des Bestehens einer in der Öffentlichkeit als Rechtsehe betrachteten faktischen Ehe die Rechtsstellung ehelicher Kinder verschafft, und wenn schon dies im Forumstaat anerkannt wird, so muß die Legitimität des Kindes mit ihren familienrechtlichen Wirkungen und ihren (z. B. erbrechtlichen) Nachwirkungen im Forumstaat auch dann anerkannt werden, wenn sie im Lande des Kindschaftsstatuts gleichsam mit dem guten Glauben der dortigen Richter an das Bestehen der Ehe begründet ist. Es besteht also keine Veranlassung, die oben entwikkelte, der Grundstatutsmethode für Teilfragen entsprechende Lösung für die Bestimmung des auf Vorfragen anwendbaren Rechts generell aufzugeben. Die im Forumstaat gültige Ehe muß selbstverständlich, solange wesentliche Verknüpfungen mit dem Forumstaat weiterbestehen, als ein die Eingehung einer im Forumstaat wirksamen Ehe unter dem Recht eines Staates, der selbst keine gültige Zweitehe zuläßt, hinderndes präjudizielles Rechtsverhältnis beachtet werden. Daraus folgt aber nicht, daß es ein gleich unerträglicher Widerspruch wäre, wenn im Forumstaat keine Ehe besteht, und das Kindschaftsstatut dem Kind die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes deshalb zuspricht, weil es die Vorfrage des Bestehens der Ehe bejaht. Wird im Forumstaat das Bestehen der Ehe bejaht, und verneint es der Staat, der das Kindschaftsstatut stellen soll, wenn die Frage dort als Hauptfrage gestellt würde, ist aber durch alternative Zuweisung der Vorfrage nach der Ehe im Kindschaftsstatut gesichert, daß die Frage dort als Vorfrage nach einem anderen Recht bejaht werden müßte, so entstehen 186
Vorfragenstatut und materielle Harmonie
§8
keinerlei Probleme. Besteht aber im Kollisionsrecht des Kindschaftsstatuts keine Möglichkeit, die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe zu bejahen, verschafft hingegen dieser Staat dem aus der Ehe hervorgegangenen Kind aus irgendeinem anderen der oben genannten Gründe (Kinder aus Putativehe, Konkubinat usw.) die Rechtsstellung eines „legitimen" Kindes, so bestehen gegen die Anwendung dieser Bestimmungen im Forumstaat 113 keine Bedenken: Erhält im Endeffekt das Kind aus der nur im Forumstaat gültigen Ehe durch das Kindschaftsstatut dieselbe Rechtsstellung, wie sie das Kind aus der auch im Staat des Kindschaftsstatuts gültigen Ehe haben würde, so ist die anderslautende „Begründung" dieser Rechtsstellung für die materielle Harmonie im Forumstaat nicht störend. Erfordert die Sicherung der Rechtsstellung eines legitimen Kindes vom Standpunkt des Kindschaftsstatuts Anerkennungen oder gerichtliche Akte, so sollten sie im Interesse des Kindes (wenn nämlich seine Legitimität sonst im Staat des Kindschaftsstatuts bezweifelt werden könnte) auch von einer Behörde des Staates vorgenommen werden können, der das Bestehen der Ehe bejaht, wenn die Frage dort als Hauptfrage auftaucht, auch wenn in den kindschaftsrechtlichen Bestimmungen des Forumstaates die Legitimität auf eine Vermutung zugunsten des in einer Ehe geborenen Kindes gestützt werden kann. Eine unerträgliche Disharmonie im Forumstaat würde auch nicht vorliegen, wenn die Eltern des auch vom Standpunkt des Forumstaates vorehelich geborenen Kindes, dem im Forumstaat in Obereinstimmung mit dem Kindschaftsstatut die Stellung eines ehelichen Kindes abgesprochen wird, später eine im Forumstaat gültige, im Staat des Kindschaftsstatuts hingegen ungültige Ehe eingehen, und wenn es vom Standpunkt des Rechts, das als Kindschafts- bzw. Legitimationsstatut berufen ist, deshalb nicht durch nachfolgende Ehe legitimiert wird, weil vom Standpunkt dieses Staates aus keine gültige Ehe vorliegt. Dieses Ergebnis kann im Forumstaat nur dann wieder auf Bedenken stoßen, wenn man es dort generell als allzu krasse Abweichung von der lex fori empfinden würde, daß ein 'ausländisches Kindschaftsstatut Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht kennt 1 1 4 , oder nicht für sämtliche Fälle der späteren Eheschließung der Eltern vorsieht; dann könnte auch nicht hingenommen werden, daß das fremde Kindschaftsstatut der hinkenden und im Forumstaat als bestehend betrachteten Ehe die Fähigkeit, Legitimationswirkungen hervorzurufen, versagen würde. Es bleibt also nur der Fall, daß das Kind, welches tatsächlich aus einer „im Forumstaat gültig bestehenden" Ehe hervorgegangen ist, in dem Staat, der das Kindschaftsstatut stellt und zwischen meistbegünstigten („ehelichen" oder legitimierten oder gleichgestellten) Kindern und „anderen" Kindern unterscheidet, gemäß dessen Recht die Stellung eines meistbegünstigten Kindes nicht erlangen würde, weil dort die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe verneint wird, und daß auch nicht diejenigen Erfordernisse erfüllt sind, die im Kindschaftsstatut aus einem anderen Grund zur Bejahung der Legitimität oder zur Verschaffung derselben Rechtsstellung, wie sie ein legitimes Kind hat, geführt hätten. Hier ist in der Tat im Forumstaat die materielle Harmonie zwischen der Aussage, es bestehe eine Ehe der Eltern, das aus der Ehe geborene Kind sei aber kein meistbegünstigtes Kind, in einem Grade gestört, daß eine Abhilfe in dem Sinne notwendig wird, daß dem Kind im Forumstaat entgegen der Haltung des Staates, der das Kindschaftsstatut stellt, irgendwie die Rechte eines meistbegünstigten Kindes verschafft werden müssen. Ein Nebeneinander von möglichen gerichtlichen Aussagen im Forumstaat, durch welche im Verhältnis zwischen den Eltern das Bestehen einer Ehe bejaht, aber dem nachweisbar aus der Ehe hervorgegangenen Kinde die Rechte legitimer Kinder versagt würden, wenn das Privatrecht des Forumstaates und das im Forumstaat anwendbare Kindschaftsrecht von der Konzeption ausgehen, daß die aus einer Ehe hervorgegangenen Kinder eine andere Rechtsstellung haben müssen als „illegitime" Kinder, wäre in einem unerträglichen Grade widersprüchlich. Es wird an anderer Stelle 115 noch zu erörtern sein, ob der Umfang der Rechte des legitimen 187
§8
Ehe als Vorfrage
Kindes in diesem Fall ausschließlich nach dem des Kindschaftsstatuts zu bemessen ist, oder ob eine kumulative Anwendung auch der Vorschriften über die Rechte des legitimen Kindes aus dem Recht desjenigen Staates zu erfolgen hat, nach dessen Recht die Ehe gültig ist, bzw. dessen Recht im Forumstaat auf die Wirkungen der gültigen Ehe anzuwenden ist. Auch der Kreis der Kinder, welchen mit Rücksicht auf eine Ehe ihrer Eltern die Stellung eines meistbegünstigten Kindes zu verschaffen ist, kann durch kumulative Anwendung beider Rechte bestimmt werden müssen 1 1 6 . Gilt die im Forumstaat bestehende, aber in dem Staat, der das Kindschaftsstatut stellt, nicht existierende Ehe im Forumstaat zu einem späteren Zeitpunkt infolge neuer Ereignisse nach Maßgabe von Spezialrechtssätzen des Forumstaates als aufgelöst 1 1 7 , so kann selbstverständlich von den nachher geborenen Kindern nicht geltend gemacht werden, daß sie als eheliche Kinder aus der als aufgelöst geltenden Ehe betrachtet werden müssen. Wird das Kind dann in einer zweiten Ehe der Mutter geboren, die ihrerseits im Staat des Kindschaftsstatuts vollgültig ist (weil dort die erste Ehe nicht als bestehend gilt), so wäre es ein untragbares Ergebnis, wenn das Kind mangels Anfechtung durch den Mann aus erster Ehe im Forumstaat als eheliches Kind dieses ersten Mannes zu gelten hätte, und bis zur Nichtigkeitserklärung der zweiten Ehe im Forumstaat - die im allgemeinen gar nicht zu erwarten sein wird - zugleich als eheliches Kind aus der - vom Standpunkt des Forumstaates aus gesehen bigamen - zweiten Ehe der Mutter gelten müßte! Keine Störung der materiellen Harmonie kann darin gesehen werden, daß das im Forumstaat berufene fremde Erbstatut, wenn von seinem Standpunkt her die Vorfrage nach dem Bestehen einer Rechtsehe und die Vorfrage nach dem meistbegünstigten familienrechtlichen Status eines Kindes zu bejahen ist, Personen als Ehegatten oder Kinder ein Erbrecht verschafft, owohl sie vom Standpunkt des Forumstaates her gar nicht die familienrechtliche Stellung von Ehegatten und ehelichen Kindern hatten. Wenn das berufene Erbstatut auch den „faktischen" Ehegatten und illegitimen Kindern ein Erbrecht verschaffen kann, das im Forumstaat verwirklicht wird, so muß dies auch gelten, wenn das präjudizielle familienrechtliche Rechtsverhältnis, welches das Erbstatut im Auge hat, nur vom Standpunkt des Erbstatuts her besteht 1 1 8 . Ist vom Standpunkt des Forumstaates her Bestehen der Ehe und zwecks materieller Harmonie der Meistbegünstigtenstatus der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder anzunehmen, und verschafft das berufene Erbstatut, welches Ehe und legitime Kindschaft als solche nicht anerkennt, den Betreffenden trotzdem als faktischen Ehegatten oder illegitimen Kindern ein Ehegatten- oder Kindeserbrecht, so ist die materielle Harmonie wieder nicht gestört. Sie ist auch nicht gestört, wenn nach dem Erbstatut die Angehörigen kein Pflichtteils- oder Noterbrecht haben und der Erblasser über den Nachlaß testamentarisch verfügt hat, ohne Ehegatten und Kinder aus der nur im Forumstaat bestehenden Ehe zu bedenken. Knüpft jedoch der Forumstaat eigene zwingende Bestimmungen über die Versorgung naher Angehöriger aus dem Nachlaß gesondert an — bringt er z. B. sein eigenes Noterbrecht zur Anwendung, wenn die Noterben ihren Wohnsitz im Inland haben oder der Nachlaß im Inland belegen ist —, so können sich selbstverständlich hierauf gerade diejenigen Personen berufen, die in dem Staat, der sonst die erbrechtlichen Bestimmungen stellt, nicht als rechtmäßige Ehegatten und Kinder anerkannt sind. Es bleibt der Fall der Anwendung ausländischen Intestaterbrechts auf die im Forumstaat rechtsgültige und effektiv bestehende Ehe und die daraus hervorgegangenen Kinder, wenn die Ehe vom Standpunkt des Erbstatuts her nicht besteht, und die Kinder im Staat des Erbstatuts aus irgendeinem Grunde nicht die Stellung ehelicher Kinder haben. Hier muß wohl unterschieden werden, ob mit den Angehörigen der nur im Forumstaat rechtmäßig bestehenden Familie Angehörige einer anderen nur im Staat des Erbstatuts rechtmäßig bestehenden Familie konkurrieren, oder ob als konkurrierende Erbprätendenten nur ent188
Vorfrage und Rechtskraft
§8
fernte Verwandte in Frage kommen. Ist das letztere der Fall, so erfordert die materielle Harmonie im Forumstaat, daß jedenfalls der dort belegene Nachlaß den Angehörigen der im Forumstaat rechtmäßig bestehenden Familie verschafft wird, während der im Staat des Erbstatuts belegene Nachlaß ohnehin praktisch an diejenigen fällt, die vom Standpunkt des Erbstatuts her als Intestaterben berufen sind. Hingegen kann der Forumstaat nicht so weit gehen, daß er zugunsten der von seinem Standpunkt aus rechtmäßig bestehenden Familie die Angehörigen der Familie, die vom Standpunkt des Erbstatuts her die rechtmäßige Familie ist, vollkommen ignoriert. Hier ist notfalls eine Billigkeitslösung zu bilden und diese jedenfalls aus dem im Forumstaat belegenen Nachlaß zu realisieren. Zu denken ist etwa daran, daß ein Erblasser nach einer im Heimatstaat nicht anerkannten standesamtlichen Eheschließung in Deutschland eine zweite, nur im Heimatstaat, nicht aber in Deutschland gültige religiöse Ehe eingegangen ist, und daß nicht schon dessen als Erbstatut berufenes Heimatrecht die Angehörigen beider Familien infolge alternativer Anknüpfung der Vorfrage gleich behandelt. Dann hat auch die deutsche Rechtsordnung dafür Sorge zu tragen, daß dies bezüglich des in Deutschland belegenen Nachlasses geschieht. Darüber hinaus zu gehen, und dann, wenn der Nachlaß im Staat des Erbstatuts in anderer Weise verteilt wird, den dabei benachteiligten Angehörigen der in Deutschland rechtmäßig bestehenden Familie des Erblassers zum Ausgleich zusätzliche Beteiligung am inländischen Nachlaß zu verschaffen, ist aus Gründen, die an anderer Stelle dargelegt werden 1 1 9 , abzulehnen. 7.
Rechtskraftfragen
Wie ist es mit der Notwendigkeit, vorbehaltlich einer exzeptionellen Korrektur im Interesse der materiellen Harmonie im Forumstaat, das anwendbare Recht für die von einem ausländischen Rechtssatz aufgeworfene Vorfrage an Hand der Rechtsanwendungsanweisungen des Statuts für die Hauptfrage zu ermitteln, zu vereinbaren, wenn die Frage nach dem Bestehen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses im Forumstaat bereits Gegenstand einer rechtskräftigen Entscheidung geworden ist (oder wenn eine im Forumstaat anerkennungsfähige Entscheidung eines dritten Staates vorliegt), insbesondere wenn sich die Rechtskraft der Entscheidung auch auf andere als die Parteien des Verfahrens erstreckt? Kann im Forumstaat dem Ehegatten aus hinkender und nur im Staat des Erbstatuts bestehender Ehe ein Intestaterbrecht gegeben werden, wenn kurz vor dem Tode noch das Nichtbestehen der Ehe ausdrücklich im Forumstaat rechtskräftig festgestellt wurde? Die Antwort ergibt sich daraus, daß die Rechtskraft der Entscheidung über ein Rechtsverhältnis, ähnlich wie sie im allgemeinen auf die Parteien des betreffenden Verfahrens beschränkt ist, im Zweifel auch auf die Relevanz des Rechtsverhältnisses unter dem eigenen Recht des Forumstaates beschränkt ist. Wenn der in dem Forumstaat F anzuwendende Satz eines fremden Rechtes A die Vorfrage gar nicht nach dem Recht des Forumstaates F, sondern z. B. alternativ danach beurteilt wissen will, ob in einem der Staaten A oder B — also eventuell sogar „nach" dem Recht C oder D — das präjudizielle Rechtsverhältnis mit dem für die Nachwirkung erforderlichen Inhalt entstanden ist (oder noch besteht), so liegt für die so gefaßte Vorfrage eben überhaupt keine rechtskräftige Vorentscheidung im Forumstaat F vor, wenn dort über das Bestehen des Rechtsverhältnisses als Hauptfrage rechtskräftig „unter dem Recht F " entschieden worden ist. Nicht anders aber ist es, wenn der Staat A, dessen materielles Recht die Vorfrage aufwirft, hierauf nur ein einziges Recht angewendet haben will, und zwar dasjenige Recht, das mit Hilfe seiner normalen Kollisionsnormen zu ermitteln ist. Dies bedeutet, daß im Sinne des Rechtssatzes von A das präjudizielle Rechtsverhältnis „im Staat A", d. h. vom Standpunkt der Rechtsordnung des Staates A einschließlich ihrer Rechtsanwendungsanweisungen, existent sein muß, um die Nachwirkung auszulösen. Auch die so formulierte Frage ist nicht identisch mit der Frage, 189
§8
Eheauflösung als Vorfrage
die Streitgegenstand des im Forumstaat bereits entschiedenen Verfahrens war, denn dort ging es eben darum, ob das Rechtsverhältnis „im Staat F " als existent zu gelten hatte. Manche glauben, daß eine unerträgliche Störung der materiellen Harmonie im Forumstaat dann vorliege, wenn eine erste Ehe durch ein Gericht des Forumstaates rechtskräftig geschieden ist, und im Zusammenhang mit einer im Forumstaat beabsichtigten Eingehung einer zweiten Ehe durch einen der Geschiedenen von einem hierfür maßgebenden Recht die Frage aufgeworfen wird, ob einem der Ehewilligen die Fähigkeit zur Eingehung dieser neuen Ehe infolge des Fortbestehens seiner oder des anderen Bindung an die erste Ehe fehlt. Es sei untragbar, wird gesagt, wenn im Scheidungsstatut dem Geschiedenen die Eingehung einer neuen Ehe nur deshalb verweigert werde, weil vom Standpunkt eines anderen Staates, dessen Recht die Gültigkeitsbedingungen für die neue Ehe regelt, die Scheidung der Vorehe nicht anerkannt werde, und daher vom Standpunkt dieses Rechts das Ehehindernis des Bandes nicht beseitigt sei. Es ist aber schon nicht zu sehen, warum die Auflösung einer Vorehe durch Scheidungsurteil eines Gerichtes des Forumstaates stärker beachtet werden sollte, als etwa das NichtZustandekommen der angeblichen Vorehe infolge der Rechtslage im Forumstaat: Erachtet Griechenland die außerhalb Griechenlands entgegen der lex loci actus nur religiös geschlossene Ehe eines Griechen als rechtmäßig bestehend, so wird eine Störung der materiellen Harmonie innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht dadurch verursacht, daß dem Griechen die Mitwirkung des deutschen Standesbeamten beim Abschluß einer zweiten Ehe mit einem anderen Partner verweigert wird mit der Begründung, daß er nach seinem Heimatrecht nicht zu dieser Ehe fähig sei, bevor seine erste Ehe aufgelöst ist; dabei spielt es keine Rolle, ob der in Aussicht genommene Partner der neuen Ehe die deutsche, die griechische oder die belgische Staatsangehörigkeit hat. Desgleichen kann aber auch von einer Störung der materiellen Harmonie dann nicht die Rede sein, wenn in Deutschland eine in Deutschland geschiedene Vorehe eines Spaniers bei Anwendung des Heimatrechts des Spaniers als Ehehindernis für eine neue Ehe wirkt 1 2 0 . Es kann keinen Unterschied machen, ob gerade die Scheidung der Vorehe, z. B. wenn sie wegen Ehebruchs erfolgt ist, nach dem Heimatrecht des Ehebrechers ein Hindernis für die Eingehung einer neuen Ehe darstellt, von dem der Heimatstaat des Ausländers nicht dispensieren kann oder dispensieren will 121 , oder ob dem Scheidungsurteil des Forumstaates aus irgendwelchen Gründen die Anerkennung im Heimatstaat des Ausländers, der im Forumstaat eine neue Ehe eingehen will, verweigert wird 122 . Stellt man sich auf den Standpunkt, daß das durch Scheidungsurteil des Forumstaates herbeigeführte Nichtmehrbestehen der Vorehe in der Rechtsordnung des Forumstaates es ausschließt, das Bestehen dieser Ehe als Vorfrage für die Zulässigkeit einer neuen Ehe des Geschiedenen (oder „mit" dem Geschiedenen) unter einem für die Gültigkeit der neuen Ehe maßgebenden ausländischen Recht zu bejahen, so müßte dasselbe auch für jede im Forumstaat anerkannte Auslandsscheidung, sei es durch ein Gericht, sei es durch Rechtsgeschäft, gelten. Im Endergebnis würde dies darauf hinauslaufen, daß dasjenige Land, in dem eine neue Ehe geschlossen werden soll, seinen eigenen verneinenden Standpunkt bezüglich des Ehehindernisses der Vorehe auf alle Fälle vorrangig durchsetzt, und daß die Partner der geplanten neuen Ehe bei geschiedener Vorehe durch Wahl eines in der Gewährung der Scheidung oder der Anerkennung von Auslandsscheidungen großzügigen Landes größere Möglichkeiten zum Abschluß einer (hinkenden) Ehe erhalten, als dies bei anderen Ehehindernissen der Fall ist. Das ist aber durch kein plausibles Argument zu rechtfertigen 123 . Wenn ein völkerrechtlicher Vertrag für die Angehörigen der Vertragsstaaten mehrere konkurrierende Gerichtsstände schafft, und wenn der Vertrag jedem dieser Gerichte die Anwendung der lex fori erlaubt, und die Wirksamkeit der Scheidung für alle Vertragsstaaten anordnet, so liegt darin die Einführung einer gemeinsamen Kollisionsnorm, welche für 190
Vorfrage im Rechtsgeschäft
§8
alle Vertragsstaaten die alternative Zuweisung der Scheidung an die Rechte derjenigen Staaten mit sich bringt, in denen ein Gerichtsstand besteht. Hierin liegt indes wieder eine diskriminierende Förderung der Scheidungsmöglichkeiten für heterogen verknüpfte Ehen, verglichen mit homogen verknüpften Ehen. Wird sie in Kauf genommen, so ist es selbstverständlich, daß jemand, der in allen Vertragsstaaten als geschieden gelten muß, auch in allen Vertragsstaaten von dem Ehehindernis des bestehenden Bandes im Sinne des Rechts irgendeines Vertragsstaates befreit zu gelten h a t 1 2 4 . Daß über eine derartige vertragliche Regelung hinaus die Auflösung einer Ehe durch Scheidung im Forumstaat auch das von einem ausländischen Recht aufgestellte Ehehindernis der Bindung durch eine Vorehe im Forumstaat beseitigen soll, läßt sich nur rechtfertigen, wenn das Ehehindernis der Vorehe im ausländischen Recht auf einer Differenzierung nach der Religionszugehörigkeit beruht, und wenn die Anwendung solcher Vorschriften mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich vorgeschriebene religiöse Neutralität des Privatrechts im Forumstaat und eine Binnenbeziehung zum Forumstaat gegen dessen ordre public verstößt 1 2 4 3 . 8. Im Inhalt von Rechtsgeschäften
aufgeworfene
Vorfragen
O f t taucht eine Vorfrage nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses bei der Anwendung des von den Geschäftserrichtern formulierten Inhalts von Rechtsgeschäften auf: Ähnlich wie die gesetzlichen Bestimmungen über Intestaterbfolge kann auch ein Testament von „Frau" oder „Kindern" einer (hier mit Namen bezeichneten) Person sprechen usw. Dann ist es zweifellos Sache der Auslegung des Rechtsgeschäfts, ob der Errichter überhaupt an ein Rechtsverhältnis, oder ob er an ein rein faktisches Verhältnis gedacht hat. Hat er an ein Rechtsverhältnis gedacht, so ist es durch Auslegung des Rechtsgeschäfts zu ermitteln, welche Eigenschaften das fragliche Rechtsverhältnis haben muß, um für das Rechtsgeschäft relevant zu sein, z. B. ob unter „Kindern" nur solche zu verstehen sind, die die Rechtsstellung ehelicher oder legitimer Kinder innehaben, ob darunter auch die den ehelichen Kindern „gleichgestellten" Kinderrechnen sollen usw. Dann aber kann es auch nicht bestritten werden, daß aus der Sicht der Geschäftserrichter heraus zu ermitteln ist, „unter welchem Recht" sie das präjudizielle Rechtsverhältnis als zustande gekommen wissen wollen. Die „parteiautonomen" speziellen Zuweisungsregeln für diesen Zweck können nun außerordentlich verschieden gestaltet sein: Der Testator kann wollen, daß es sich um Kinder handelt, die in einem ganz bestimmten Staat — Wohnsitzstaat des Erblassers, Wohnsitzstaat der Eltern der Kinder, Lagestaat des vermachten Grundstücks — nach den dort, also über das internationale Privatrecht dieses Staates berufenen Rechtssätzen die Rechtsstellung ehelicher Kinder haben. Der Testator kann aber auch schon an ein ganz bestimmtes nationales Recht denken, etwa das der Staatsangehörigkeit der in Frage kommenden Personen. Der Testator kann vor allem auch eine alternative Anwendung mehrerer Rechte im Sinne haben, und dabei kann er möglicherweise auch wieder darauf abstellen, ob das präjudizielle Rechtsverhältnis effektiv geworden ist (bzw. werden wird). Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß der Erblasser eigenwillige laienhafte Vorstellungen darüber hatte, unter welchen Umständen jemand ein eheliches Kind im Rechtssinne ist; dann sind diese irrtümlich als anwendbares positives Recht betrachteten normativen Inhalte wie ein Spezialrecht heranzuziehen. Sicher ist, daß nicht über das normale Kollisionsrecht des zufälligen Forumstaates F zu beurteilen ist, ob etwa bei einer testamentarischen Zuwendung unter dem Erbstatut A das von dem Testator vorausgesetzte präjudizielle Rechtsverhältnis zwischen einer Person und seinem ehelichen Kind besteht. Der Versicherungsvertrag, der auch die Haftpflicht für Unfälle im Ausland decken will, kann selber sagen, ob damit die Haftpflicht gemeint ist, wie sie gemäß dem Recht 191
§8
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
besteht, welches am Unfallort (oder am Wohnsitz des Versicherten) durch die Gerichte angewendet werden würde, oder ob der Versicherer dafür einzustehen hat, was der Versicherte irgendwo kraft des in dem betreffenden Staat anwendbaren Rechts und des daraufhin ergangenen Urteils hat zahlen müssen. Der Versicherungsvertrag könnte aber ausdrücklich bestimmen, daß nur das Recht des Unfallortes, wenn es am Unfallort oder anderswo als anwendbar betrachtet wird, für die Begründung eines Anspruchs auf Versicherungsleistung zugrunde gelegt werden soll. ' Wichtig ist andererseits, daß das für die Auslegung des Rechtsgeschäfts anzuwendende Auslegungsstatut Vermutungen auch über das Recht aufstellen kann, nach dem eine im Rechtsgeschäft aufgeworfene Vorfrage zu beurteilen ist; das Auslegungsstatut kann also bestimmte Zuweisungsregeln aufstellen und bestimmen, daß diese als Wille des Rechtsgeschäftserrichters zu gelten haben, sofern nichts Gegenteiliges bewiesen wird. Das für die Auslegung des Testaments anzuwendende Recht kann also z. B. nicht nur bestimmen, daß unter Kindern mangels einer gegenteiligen Angabe im Testament selbst nur eheliche (legitime) Kinder im Sinne der staatlichen Kollisionsnormen dieses Rechts zu verstehen seien, sondern auch, daß die Ehelichkeit mangels gegenteiliger Bestimmung im Testament in der Sicht desjenigen Staates bestehen muß, der das Erbstatut stellt, wenn Auslegungsstatut für das Testament und Erbstatut nicht dasselbe Recht ist. A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik Aus der textlichen Fassung der Bestimmungen des E G B G B können sicher keine Schlüsse darauf gezogen werden, ob der Gesetzgeber bestimmte Konzeptionen über den Anknüpfungsgegenstand und über die Bildung von „Kategorien" in den Zuweisungsnormen als verbindlich gewollt hat 1 2 5 . Die logischen Probleme der Kategorienbildung, insbesondere auch das Phänomen der Zugehörigkeit einer N o r m zu einer Normenkategorie wegen Sachzusammenhangs, sind in der Rechtsprechung nicht geklärt worden. Daß Gegenstand der von den Zuweisungsnormen verwendeten Kategorien Inhalte von Sachnormen sind, die zur Beantwortung der Frage nach der Begründetheit eines im Verfahren erhobenen Anspruchs geeignet sein könnten, und daß Gegenstand der Kategorienbildung nicht „Ansprüche" oder „Rechtsfragen" als solche sind, entspricht zwar weitgehend der Praxis, ist aber nicht Gegenstand einer durchdachten Erörterung seitens der obersten Gerichte geworden. In der Rechtsprechung ist mehrfach das Bekenntnis zur „Qualifikation nach" der (deutschen) lex fori abgegeben worden 1 2 6 . In der praktischen Anwendung versteht man darunter sicher, daß bei der Anwendung des deutschen internationalen Privatrechts eine Subsumtion ausländischer Rechtssätze unter die in der deutschen Kollisionsnorm verwendeten Kategorien auf Grund der „deutschen" Auslegung dieser Kollisionsnorm zu erfolgen hat, und nicht unter Zugrundelegung dessen, wie der Rechtssatz in gleichbezeichneten Kategorien des ausländischen Rechts eingeordnet ist. Unbezweifelt ist andererseits, daß bei der Verwendung ausländischer Kollisionsnormen im Zusammenhang mit der Gesamtverweisung nach ausländischem Recht zu qualifizieren ist. Unbestritten ist aber auch, daß die Frage, ob die ausländische N o r m die von ihr zwecks Qualifikation unter irgendeinem Recht erforderlichen Eigenschaften hat, nur an Hand des ausländischen Rechts geklärt werden kann. Das E G B G B enthält neben Zuweisungen der Frage nach bestimmten Rechtspflichten bzw. ganzen Rechtsverhältnissen mehrere gesetzliche Zuweisungen von solchen Rechtsfragen, welche nicht Fragen nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht sind, sondern welche nur als Teilfragen bei der Entscheidung über eine solche Hauptfrage Sinn haben, wie Geschäftsfähigkeit, Form von Rechtsgeschäften, eheliche Abstammung, Legitimation, Erbfolge. Da das E G B G B nicht den geringsten Hinweis dafür gibt, daß seine Zuweisungen 192
Arten der Zuweisung
§9
von derartigen typischen Teilfragen nur dann gelten sollen, wenn die Teilfrage im Zusammenhang mit einer nach deutschem Recht zu beurteilenden Hauptfrage auftaucht, sondern daß es sich um gewollte gesonderte Zuweisungen 127 handelt, hatte die Rechtsprechung keine Veranlassung, sich mit dem Problem zu befassen, ob derartige Sonderzuweisungen von Teilfragen nach den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts vertretbar sind, und ob die Grundstatutsmethode nicht jedenfalls im Prinzip vorzuziehen ist 1 2 8 . Das Problem des auf Vorfragen nach dem Bestehen eines anderen Rechtsverhältnisses anwendbaren Rechts hat sich sowohl dem B G H als auch dem Bundesverfassungsgericht schon gestellt. Während die vom Bundesverfassungsgericht 129 gefundene Lösung für die von ihm allein zu behandelnde konkrete Frage — Nachwirkung der durch deutsches Scheidungsurteil aufgelösten deutschen Ehe als Ehehindernis unter dem spanischen Recht bei Eheschließung in Deutschland — auch vom Standpunkt der Grundstatutsmethode her gebilligt werden kann, und keineswegs als ein grundsätzliches Bekenntnis zur Bestimmung des auf Vorfragen unter ausländischem Recht anwendbaren Rechts an Hand der normalen Kollisionsnorm des Forumstaates zu verstehen ist, hat der B G H die Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe als Voraussetzung für die Ehelichkeit unter griechischem Abstammungsstatut in der Tat „selbständig angeknüpft", ohne daß dies durch das Erfordernis der materiellen Harmonie begründet war. Allein die Tatsache, daß in der Entscheidung des B G H 1 3 0 gar nicht geprüft wurde, ob die Ehelichkeit unter griechischem Recht nicht aus einem anderen Grunde hätte bejaht werden müssen, rechtfertigt es, in dieser Entscheidung einen faux pas zu sehen und jedenfalls nicht die durchdachte Bestätigung eines Rechtssatzes, wonach die Vorfrage nach dem Bestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses — oder vielleicht auch nur die Frage nach dem Bestehen einer präjudiziellen Ehe — stets nur nach dem Recht zu beurteilen sei, welches vom deutschen Richter angewendet werden müßte, wenn ihm dieselbe Frage als Hauptfrage in einem Verfahren gestellt würde. Die Haager Konvention von 1977 bestimmt, daß die Vertragsstaaten, soweit sie nach der Konvention das Zustandekommen einer in einem Vertragsstaat geschlossenen Ehe anzuerkennen und damit den für die Ehe wesentlichen Wirkungen Rechtsschutz zu gewähren haben, das Bestehen der Ehe auch bejahen müssen, wenn die Frage bei ihnen als Vorfrage unter einer nach dem Recht eines Vertragsstaates zu beurteilenden Hauptfrage auftaucht. Sie sind nicht dazu verpflichtet, wenn die Vorfrage durch ein von ihnen für eine Hauptfrage berufenes Recht eines Nichtvertragsstaates aufgeworfen wird; sie sind aber auch nicht gehindert, die Frage nach dem gültigen Bestehen einer in einem anderen Staat geschlossenen Ehe auch als Vorfrage zu bejahen, wenn sie dazu nicht durch die Konvention, verpflichtet sind (Art. 12, 13).
§ 9. Die Zuweisung an die Sachnorm eines staatlichen Rechts a) Arten der Zuweisung Während die Zuweisungsmethode im engeren Sinne die in heterogen verknüpften Situationen auftauchenden Rechtsfragen den verschiedenen nationalen Inlandsrechten, d. h. den in erster Linie für homogen verknüpfte Sachverhalte bestimmten Sachnormen, zuweisen will, sind bei der Untersuchung der Technik der Zuweisung auch die Zuweisungen an eigenes und fremdes Spezialrecht mit einzubeziehen. 1. Positive und negative
Zuweisungen
Zuweisungen sind normalerweise positive Zuweisungen. Ein spezieller Satz, der für bestimmte Fälle die Nichtbeachtung einer positiven Zuweisung anordnet, kann als „negative Zuweisung" bezeichnet werden. Die negative ordre public-Klausel stellt eine besonders wichtige negative Zuweisung dar 1 . Auch gewisse ergebnisbedingte Zuweisungen sind 193
§9
Arten der Zuweisung
zugleich negative Zuweisungen; so wenn auf den Unterhaltsanspruch eines Kindes im allgemeinen das Recht seines ständigen Aufenthalts angewendet werden soll, dies jedoch nicht, wenn nach diesem Recht überhaupt kein Unterhaltsanspruch besteht 2 . Ist eine solche negative Zuweisung wieder mit einer positiven Zuweisung dessen, was einem bestimmten Recht in Durchbrechung einer allgemeineren Regel entzogen wurde, an ein anderes Recht verbunden, so entstehen keine besonderen Komplikationen; so z. B. wenn bestimmt wird, daß auf die Erbfolge nach ausländischen Staatsangehörigen ausländisches, bei Rückverweisung auch inländisches Recht angewendet werden soll, daß aber auf die Vererbung der Grundstücke, die sie im Forumstaat haben, ausländisches Recht keinesfalls angewendet werden darf, und daß diese nach dem Erbrecht des Lagestaates vererbt werden. Denkbar sind negative Zuweisungen auch in dem Sinne, daß die Zuweisung auf ausländisches Recht als Gesamtverweisung gedeutet wird, aber mit der Maßgabe, daß Rück- und Weiterverweisungen unter Verwendung gewisser Anknüpfungsmomente im Forumstaat nicht beachtet werden dürfen, sondern daß dann eine unbedingte Sachnormverweisung der Kollisionsnorm des Forumstaates wirksam wird 3 . Komplizierter werden die Dinge, wenn die Negation der Anwendbarkeit eines zunächst durch eine umfassende Zuweisung als anwendbar erklärten Satzes aus einem fremden Recht nicht automatisch die Anwendung des Rechtes eines bestimmten anderen Staates nach sich zieht. So wird die durch Ausschaltung eines bestimmten ausländischen Rechtssatzes vermittels der negativen ordre public-Klausel entstehende Lücke nicht stets durch den passenden Rechtssatz der lex fori oder eines dritten Staates ausgefüllt, sondern es wird möglicherweise eine andere geeignete Norm des berufenen fremden Rechtssystems zu diesem Zwecke herangezogen 4 . Von der negativen Zuweisung, mit der eine andere Zuweisung im Kollisionsrecht des Forumstaates durchbrochen wird 5 , zu unterscheiden sind völkerrechtliche, insbesondere vertragliche Verbote der Verwendung bestimmter Zuweisungen. Mit einem vertraglichen Gebot der Verwendung einer positiven Zuweisung ist meist ein Verbot der Verwendung anderer Zuweisungen in den Vertragsstaaten verbunden; auch ein vertragliches Gebot der Verwendung bestimmter alternativer Zuweisungen enthält im allgemeinen keine stillschweigende Erlaubnis, auch noch andere alternative Zuweisungen zu verwenden. Verträge können jedoch ausdrücklich die alternative Verwendung anderer Zuweisungen erlauben, wenn ein einzelner Vertragsstaat dies wünscht, ohne sie zu gebieten 6 . 2. Direkte und indirekte
Zuweisungen
Die vom Richter des Forumstaates zu beachtende internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsanweisung kann so gestaltet sein, daß sie ihn sofort auf die passende Sachnorm des eigenen oder eines fremden Staates hinführt. Das setzt allerdings voraus, daß das berufene staatliche Recht nicht das Recht eines Mehrrechtsstaates ist. Ist das letztere der Fall, so ist die internationalprivatrechtliche Verweisung auf das Recht eines Mehrrechtsstaates im Zweifel eine Verweisung auf das intergentile bzw. interregionale Recht dieses Staates. Auch wenn die internationalprivatrechtliche Verweisung auf „das" an einem bestimmten Ort im Staatsgebiet eines Mehrrechtsstaates mit unterschiedlichen interregionalen Teilrechten „geltende" Inlandsrecht das interregionale Recht des betreffenden Staates ignorieren und das „örtliche" Recht entgegen diesen Kollisionsnormen berufen kann, so ist doch auch eine solche Verweisung im allgemeinen als eine Verweisung auf dasjenige Teilrecht zu verstehen, welches über das interregionale Kollisionsrecht des Mehrrechtsstaates ermittelt wird. Soll Inlandsrecht eines vom Forumstaat verschiedenen Mehrrechtsstaates entgegen dem Willen seines eigenen internationalen Privatrechts auf einen heterogen verknüpften Sachverhalt angewendet werden, so muß unter Umständen im Forumstaat ein Weg gefunden werden, um unter den verschiedenen Teilrechten im 194
Indirekte Zuweisung
§9
Inlandsrecht des fremden Mehrrechtsstaates eines als das maßgebliche zu ermitteln, d. h. es müssen interregionale bzw. intergentile Zuweisungsnormen für den Mehrrechtsstaat „interpoliert" werden 7 . Eine indirekte Verweisung liegt auch darin, daß dann, wenn das durch die internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen des Forumstaates berufene inländische oder ausländische Recht neben dem normalen Inlandsrecht Spezialrechtssätze für bestimmte heterogen verknüpfte Sachverhalte gebildet hat, das normale Inlandsrecht und das Spezialrecht nach Maßgabe der diesbezüglichen Rechtsanwendungsanweisungen des Urheberstaates zur Anwendung gebracht werden 8 . Eine indirekte Verweisung auf die Sachnormen eines Inlandsrechts liegt vor allem vor, wenn das internationale Privatrecht des Forumstaates den Parteien an einem Privatrechtsverhältnis, oder gar einer einzelnen Partei, ermöglicht, aus mehreren in der gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisung bereitgestellten Inlandsrechten verschiedener Staaten eines als das maßgebliche Recht zu wählen 9 ; eine solche Wahlmöglichkeit kann sich unter Umständen ebenfalls auf Spezialrechtssätze des eigenen oder eines fremden Rechts für heterogen verknüpfte Situationen erstrecken. Eine Rechtsanwendungsanweisung könnte auch dem im Streitfall entscheidenden Richter des Forumstaates ermöglichen, selbst nach mehr oder weniger freiem Ermessen eines von mehreren zur Wahl gestellten Privatrechtssystemen verschiedener Länder auszusuchen. Während die geltenden Kollisonsrechte 10 eine Wahl von Verhaltensnormen, an denen das Verhalten der Parteien in der Vergangenheit gemessen werden soll, dem Richter des Forumstaates nur selten o f f e n überlassen, ist ein solches richterliches Wahlrecht u. U. versteckt in den „elastischen" Zuweisungsnormen zu finden, bei welchen der Richter alle im konkreten Fall vorhandenen Verknüpfungen beachten und feststellen soll, zu welchem Staat die „gewichtigsten" Verknüpfungen hingehen; abgesehen davon, daß hierbei der Richter möglicherweise Verknüpfungen beachten kann, welche erst nach dem zu bewertenden Verhalten verwirklicht worden sind, führt die Unmeßbarkeit des Gewichtes der einzelnen Verknüpfungen praktisch zu einem Ermessen des Richters, unter den verschiedenen Rechten das eine oder das andere auszuwählen mit der Begründung, daß die zu diesem Recht hingehende Verknüpfung die gewichtigste sei 11 . Eine indirekte Zuweisung liegt sodann vor, wenn die Zuweisungsnorm des Forumstaates, falls sie auf „ausländisches" Recht verweist, damit nicht diejenigen Sachnormen meint, die in Gestalt von normalem Inlandsrecht oder Spezialrecht vom Gesetzgeber des fremden Staates herrühren („direkte Sachnormverweisung"), sondern wenn sie als „Gesamtverweisung" verstanden sein will. Die Zuweisung des Forumstaates geht damit auf die internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen des fremden Staates als solche; erst diese verweisen, wenn es sich dabei ebenfalls um Zuweisungsnormen an bestimmte Systeme von Sachnormen handelt, ihrerseits entweder auf das eigene Inlandsrecht des fremden Staates, bzw. auf Spezialrechtssätze dieses Staates für heterogen verknüpfte Sachverhalte, oder sie verweisen „international" auf das Recht des Forumstaates „zurück", oder auf das „Recht" eines dritten Staates „weiter". Dann ist es wiederum möglich, daß die Rück- bzw. Weiterverweisung des fremden Staates selbst entweder eine direkte Sachnormverweisung oder eine indirekte Verweisung, insbesondere eine Gesamtverweisung, sein will 1 2 . Eine indirekte Zuweisung im Forumstaat an das gemäß ausländischen Rechtsanwendungsanweisungen bestimmte Recht liegt auch darin, daß im Forumstaat Entscheidungen fremder Gerichte anerkannt und gegebenenfalls vollstreckt werden, obwohl das fremde Gericht andere Rechtsanwendungsanweisungen beachten mußte und beachtet hat als diejenigen, die ein Gericht in dem anerkennenden Forumstaat hätte beachten müssen, wenn es selbst in der Sache entschieden hätte 13 . 195
§9
Gesamtverweisung
Verkappte indirekte Zuweisungen finden sich sodann in solchen Bestimmungen eines staatlichen Rechts, welche die Anerkennung und Vollstreckung von Sprüchen privater Schiedsgerichte vorsehen, wenn das vom Schiedsgericht angewendete Recht anders bestimmt wurde, als es das staatliche Gericht des Forumstaates auf Grund der für dieses Gericht verbindlichen Rechtsanwendungsanweisungen hätte tun müssen. Möglicherweise können dabei die Parteien des Schiedsvertrages — im Einverständnis mit dem Recht des Sitzes des Schiedsgerichts — dem Schiedsgericht die Beachtung von Rechtsanwendungsanweisungen aufgeben, welche sie einem staatlichen Gericht nicht durch einverständliche „Wahl" des anwendbaren Rechts hätten oktroyieren können 1 4 . Mit Gesamtverweisung zur indirekten Bestimmung des im Forumstaat auf heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse anwendbaren Rechts ist es nicht zu verwechseln, wenn in einem Staat das jeweilige Inlandsrecht eines fremden Staates durch Verweisung als Inlandsrecht rezipiert, und wenn dem rezipierten Recht in dem rezipierenden Staat ein Randanwendungsbereich für heterogen verknüpfte Situationen unter analoger Anwendung der Rechtsanwendungsanweisungen des Staates, aus dem das materielle Recht rezipiert wurde, zugewiesen, und zugleich das Recht dritter Staaten nach Maßgabe der rezipierten jeweiligen Kollisionsnorm des anderen Staates zur Anwendung berufen wird. So ist es denkbar, daß in einer Kolonie (oder in einem Mandatsgebiet, selten in einem selbständigen Staat) Privatrecht des Mutterlandes (bzw. des Mandatars, bzw. des ehemaligen Mutterlandes) nach Maßgabe seines jeweiligen Standes im „Stammland" rezipiert wird, und zwar einschließlich der einschlägigen internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen; diese letzteren müssen dabei insofern umgedeutet werden, als jede Bezugnahme auf das „Stammland" eine Bezugnahme auf das rezipierende Land wird 1 4 a . Sollen für eine bestimmte Materie im staatlichen Recht andere Vorschriften desselben staatlichen Rechts analog zur Anwendung gebracht werden, was rechtstechnisch in Gestalt einer „Verweisung" geschieht, so ist es eine Auslegungsfrage, ob damit auch die Normen, mit denen der Anwendungsbereich der analog anzuwendenden Vorschriften abgesteckt worden ist, übernommen werden. Wenn dies geschieht, und wenn die analog angewendeten Vorschriften von einem anderen staatlichen Gesetzgebungsorgan herrühren als dem, das die Anordnung zur analogen Anwendung ausspricht, kann hier aber keine „Rück"verweisung erfolgen, wie sie im Verhältnis zwischen den Rechten verschiedener Staaten möglich ist: Erklärt im Bundesstaat der Bundesgesetzgeber auf die Haftung der Bundesbeamten (bzw. die Haftung des Bundes für Amtsdelikte seiner Beamten), wenn diese Materie zur Bundeszuständigkeit gehört, das Recht (Amtshaftungsrecht oder allgemeines Haftungsrecht für unerlaubte Handlungen) desjenigen Gliedstaates als (analog) anwendbar, wo sich das Beamtendelikt ereignet hat, so ist damit eine Rezeption der Sachnormen im Deliktsrecht des betreffenden Gliedstaates gemeint; es kann aber auch eine Verweisung auf die Rechtsanwendungsanweisungen des betreffenden Gliedstaates gewollt sein, die ihrerseits zwar unter Umständen wieder auf das Recht anderer Gliedstaaten weiterverweisen, sicher aber nicht auf Bundesrecht zurückverweisen können 1 5 . Von einer „Gesamtverweisung" in dem Sinne, wie sie vorliegt, wenn die Rechtsanwendungsanweisung des Staates A den Inhalt der für die Gerichte von B bestimmten Rechtsanwendungsanweisungen des Staates B für die Gerichte von A „übernehmen" will, kann auch nicht gesprochen werden, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag die Signatare verpflichtet, bestimmte in dem Vertrag formulierte internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsanweisungen in Gestalt von Zuweisungen zu verwenden, und wenn ein Vertragsstaat dieser Verpflichtung dadurch nachkommt, daß eine innerstaatliche Rechtsquelle auf den Vertrag „verweist". Anders ist es, wenn ein durch den Vertrag gar nicht verpflichteter Staat einem solchen Vertrag Beachtung verschaffen will 1 5 3 . Dann kann eine Gesamtverweisung im engeren Sinne vorliegen, wenn z. B. ein unbeteiligter Staat, d. h. ein Staat, 196
Aufgeweichte Zuweisung
§9
der angesichts der zu ihm bestehenden Verknüpfungen zwar seine Gerichte als zur Rechtsanwendung zuständig erklären, aber sein eigenes Recht nicht als anwendbar erklären darf, die für die beteiligten Staaten völkerrechtlich verbindlichen und in dem Vertrag niedergelegten Rechtsanwendungsanweisungen auch durch seine eigenen Gerichte beachten läßt. Es kann sich aber auch um eine Rezeption zwecks analoger Anwendung handeln; das wäre der Fall, wenn z. B. ein Staat, ohne einer der Haager Konventionen über internationales Privatrecht beizutreten, den Inhalt einer solchen Konvention bei sich freiwillig als Gesetz einführen und in dem betreffenden Gesetz auf den Text der Haager Konvention verweisen würde. Eine extreme Form indirekter Verweisung würde vorliegen, wenn der Richter im (unbeteiligten) Forumstaat angewiesen würde, alle Rechte nebeneinander zur Anwendung zu bringen, die in den unmittelbar beteiligten Staaten auf Grund ihrer nicht durch Vertrag vereinheitlichten Kollisionsnormen als anwendbar gelten 16 . Auch wenn sämtliche Staaten, die nach Völkerrecht durch ihre eigenen Gerichte ihr eigenes Recht zur Anwendung bringen dürfen, ohne Vertrag de facto darüber einig sind, daß das Recht eines von ihnen allein zur Anwendung kommen soll, kann ein „unbeteiligter" Staat, der nach Völkerrecht seine Gerichte als zuständig erklären darf, seine Verweisung als eine von der Einhelligkeit der beteiligten Staaten bedingte und zugleich indirekte Verweisung auf das durch die übereinstimmenden Rechtsanwendungsanweisungen der beteiligten Staaten berufene Recht ausgestalten. Von einer indirekten Zuweisung müßte auch gesprochen werden, wenn ein selbst beteiligter Forumstaat seine Zuweisung nur als einen Vorschlag auffassen und die endgültige Rechtsanwendungsanweisung davon abhängig machen würde, wie sich die Mehrheit der beteiligten Staaten (oder der Staaten mit konkurrierend zuständigen Gerichten) bei der Gestaltung ihrer Zuweisungsnormen entscheidet. Hierin läge zugleich eine bedingte Zuweisung an das im Vorschlag des Forumstaates berufene (inländische oder ausländische) Recht, nämlich bedingt dadurch, daß die Mehrheit der beteiligten Staaten den Standpunkt des Forumstaates über das auf den heterogen verknüpften Sachverhalt anzuwendende Recht teilt. Es würde dies beispielsweise bedeuten, daß das Gericht eines Staates, der die Erbfolge nach dem Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers beurteilen möchte, dies dann tun wird, wenn im konkreten Erbfall der Wohnsitzstaat des Erblassers und die meisten derjenigen Staaten, in denen Nachlaß belegen ist, ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellen; derselbe Forumstaat würde hingegen die Anwendung des Heimatrechts des Erblassers fallen lassen und anstatt dessen z. B. das Recht des letzten Wohnsitzes anwenden, wenn festgestellt wird, daß sowohl der Wohnsitzstaat als auch die Mehrheit der Staaten, in denen Nachlaß belegen ist, für die Anwendung des Wohnsitzrechtes sind. Sind die Zuweisungsnormen in gesetzlichen Bestimmungen des Forumstaates enthalten, so bereitet es wohl meist schon unüberwindliche Auslegungsschwierigkeiten, diese Zuweisungen von vornherein nur als Vorschläge für solche „Abstimmungen" unter den beteiligten Staaten zu verstehen. Schwierigkeiten würde es aber auch oft bereiten, den Kreis derjenigen Staaten zu bestimmen, die mit ihren „Vorschlägen" als an der „Abstimmung" teilnehmend gelten müßte, und nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob die Stellungnahmen der verschiedenen Staaten nur gezählt, oder auch „gewogen" werden sollten. Zu demselben Ergebnis wie eine indirekte Verweisung auf das von einer Mehrheit der beteiligten Staaten „vorgeschlagene" Recht führt es jedoch, wenn ein Staat seine Zuweisungsnorm, die ein bestimmtes Anknüpfungsmoment verwendet, ohne sie als Vorschlag für eine Mehrheitsentscheidung zu bezeichnen, aufweicht durch eine Generalklausel, wonach anstelle des so berufenen Rechts ein anderes Recht zur Anwendung kommen soll, falls im Einzelfall sämtliche (oder fast sämtliche) sonstigen Verknüpfungen zu einem anderen Staat hingehen 17 , wenn dabei unterstellt wird, daß dann gerade dieses Recht selbst angewendet werden will und von den meisten übrigen Staaten berufen wird. 197
§9
Weitere Arten der Zuweisung
Der Gedanke, daß ein selbst beteiligter Forumstaat sich einer Mehrheitsentscheidung der beteiligten Staaten anschließen sollte, kann am ehesten dann eine Rolle spielen, wenn ein Staat, der im Zeitpunkt der Entstehung eines Rechtsverhältnisses, dessen Abwicklung sich über längere Zeit erstreckt (insbesondere eines Dauerrechtsverhältnisses), nicht zu den mit der Sache verknüpften Staaten — den „beteiligten" Staaten im engeren oder weiteren Sinne — gehört, und wenn später eine Verknüpfung zu diesem Staat entsteht, die sein Recht als neues Wirkungsstatut erscheinen läßt, und seine Gerichte nötigt, auch über die Frage zu entscheiden, ob das betreffende Rechtsverhältnis überhaupt entstanden ist. Ist vom Standpunkt der Mehrheit der bisher beteiligten Staaten das Rechtsverhältnis gültig entstanden, so könnte sich der neu als beteiligt hinzukommende Forumstaat hier dem anschließen, insbesondere wenn das Rechtsverhältnis durch ein entsprechendes Verhalten der daran beteiligten Parteien „effektiv" geworden ist 1 8 . 3. Einseitige und zweiseitige, duelle Zuweisungen
paritätische
und unparitätische,
generelle
und
indivi-
Ein Forumstaat kann die internationalprivatrechtlichen Zuweisungen an eigenes und an fremdes Recht im Gesetz getrennt formulieren, wobei man die Zuweisungen an das eigene Recht allein häufig als „einseitige Kollisionsnormen" bezeichnet. Derartige einseitige Zuweisungen sind unvermeidlich, wenn die Zuweisungen an das Recht anderer Staaten und das eigene Recht des Forumstaates nicht „paritätisch" sein, sondern den verschiedenen nationalen Rechten unterschiedlich bemessene Anteile an den heterogen verknüpften Situationen verschaffen sollen, indem z. B. die Anwendung des eigenen Erbrechts des Forumstaates beansprucht wird für die Nachlässe aller Staatsangehörigen des Forumstaates sowie derjenigen Ausländer, die im Forumstaat Wohnsitz haben, während die Anwendung ausländischen Erbrechts nur für Nachlässe in Frage kommen soll, die von solchen ausländischen Erblassern herrühren, die im Forumstaat keinen Wohnsitz hatten. Unparitätisch, und daher notwendig als einseitige Kollisionsnorm abzufassen ist z. B. auch eine Regelung, wonach auf kindschaftsrechtliche Fragen das Inlandsrecht des Forumstaates Anwendung finden soll, wenn entweder der Vater oder das Kind Staatsangehöriger des Forumstaates ist, während ausländisches Recht nur zum Zuge kommen kann, wenn Vater und Kind Ausländer sind. Zweiseitige oder, wie es oft heißt, vollständige Kollisionsnormen sind hingegen stets paritätische Zuweisungen, wenn sie mit Hilfe ein und derselben Anknüpfung die Anwendungsbereiche des eigenen und des fremden Rechts abstecken. Zuweisungen an ausländisches Recht allein entsprechen nur dann ganz den einseitigen Zuweisungen an das eigene Recht, wenn sie sich auf ein individuell bestimmtes ausländisches Recht beziehen; derartige Zuweisungen finden sich allerdings fast nur in bilateralen Verträgen 19 . Vertraglich nicht gebundene Zuweisungen an jedes andere Recht, welches nicht eigenes Recht des Forumstaates ist, aber durch ein bestimmtes Anknüpfungsmoment bezeichnet wird, wirken ähnlich wie „vollständige" Kollisionsnormen, die mit dem Vorbehalt versehen sind, daß sie nicht zum Zuge kommen sollen, wenn durch eine anderweitige einseitige Zuweisungsnorm das eigene Recht als anwendbar bezeichnet worden ist. Kombinationen einseitiger Zuweisungen an das eigene Recht des Forumstaates und einseitiger Zuweisungen an fremdes Recht können indes auch im Effekt zusammen dasselbe bestimmen wie „vollständige" Zuweisungsnormen 20 . Zuweisungen an „ausländisches" Recht beziehen sich im Zweifel auf das Recht irgendwelcher Staaten, die einen völkerrechtlichen Status haben; inwieweit eine Anerkennung dieser Staaten durch den Forumstaat erforderlich ist, ist an anderer Stelle zu prüfen 2 1 . Möglich sind, wie schon erwähnt, auch Zuweisungen, die sich nur auf eine beschränkte Anzahl fremder Staaten beziehen; sie finden sich meist in völkerrechtlichen Verträgen, welche beim Vorliegen bestimmter Verknüpfungen zu einem der Vertragsstaaten diesem 198
Alternative Zuweisungen
§9
selbst die Anwendung seines Inlandsrechts, und zugleich den anderen Vertragsstaaten die Anwendung desselben Rechts aufgeben, während die Vertragsstaaten frei sind, das anwendbare Recht nach Belieben zu bestimmen, soweit nicht nach dem Vertrag das Recht eines Vertragsstaates zur Anwendung kommen muß. Der Anwendungsbereich der in einem Vertrag formulierten Zuweisungsnormen muß allerdings nicht immer so geregelt sein, daß sie nur dann zum Zuge kommen wollen, wenn eine bestimmte Verknüpfung zu einem Vertragsstaat vorliegt, welche die Anwendung seines Inlandsrechts nach sich ziehen soll; neuerdings finden sich häufig Verträge, welche die Kollisionsnormen der Vertragsstaaten generell vereinheitlichen wollen, und welche auf diese Weise auch vertragliche Verpflichtungen zur Anwendung des Rechtes von Nichtvertragsstaaten nach sich ziehen 22 . Ob auch dann nicht wieder eine bestimmte Verknüpfung zu einem Vertragsstaat vorliegen müßte, damit dieser Vertragsstaat vor einem internationalen Gericht gegen einen anderen Klage wegen Verletzung der Konvention erheben könnte, wird allerdings meist nicht im Vertragstext geklärt. Denkbar ist jedenfalls auch, daß der Vertrag die Vertragsstaaten zwar generell auffordert, dasjenige Recht anwenden zu lassen, welches mit Hilfe des in der Konvention bezeichneten Anknüpfungsmoments ermittelt wird, ohne Rücksicht darauf, ob es das Recht eines Vertragsstaates oder das Recht eines dritten Staates ist, dies jedoch mit der Maßgabe, daß eine völkerrechtliche Verpflichtung hierzu nur dann besteht, wenn ein Staatsangehöriger eines Vertragsstaates an dem Rechtsverhältnis beteiligt ist. Die einseitige Zuweisung an eigenes materielles Recht des Staates, der die Zuweisung in einer Rechtsanwendungsanweisung ausspricht, kann mit der gesetzgeberischen Verlautbarung des betreffenden Rechtssatzes verbunden sein 23 . Bei mehrseitigen Zuweisungen ist eine Kombination von Zuweisung und Sachnorm gesetzestechnisch unmöglich, d. h. mehrseitige Zuweisungen müssen stets getrennt von den Sachnormen des eigenen Rechts formuliert werden und müssen sich auf irgendwelche Kategorien von im eigenen oder im fremden Staat geltenden Sachnormen beziehen. 4. Zuweisungen an ein einzelnes Recht und Zuweisungen an mehrere
Rechte
Meist erfolgen im positiven Recht Zuweisungen in Rechtsanwendungsanweisungen in der Art, daß die vom Gericht zu lösende Rechtsfrage ausschließlich einem einzigen Recht zugewiesen wird. Der Gedanke, daß der Richter mehrere Rechte auf eine Rechtsfrage gleichzeitig anwenden sollte, wenn der Sachverhalt Verknüpfungen zu mehreren Staaten mit verschiedenen Rechten aufweist, ist zwar nicht von vornherein abwegig, aber läßt sich nur unter bestimmten Umständen verwirklichen; entsprechende Zuweisungsnormen sind daher im positiven Recht selten. Denkbar ist, daß dem Richter im Forumstaat aufgegeben würde, das Recht mehrerer Staaten anzuwenden, wenn inhaltliche Ubereinstimmung gegeben ist; dann muß aber eine subsidiäre Rechtsanwendungsanweisung für den Fall gegeben werden, daß diese Bedingung nicht verwirklicht ist. Wenn die subsidiäre Rechtsanwendungsanweisung dahin lauten würde, daß dann nur eines der verschiedenen Rechte, und zwar das durch ein bestimmtes Anknüpfungsmoment oder durch Wahl seitens der Parteien bestimmte Recht angewendet werden soll, so läuft dies auf dasselbe hinaus, wie wenn von vornherein dieses Recht als anwendbar bezeichnet worden wäre. Geht die subsidiäre Rechtsanwendungsanweisung dahin, daß dasjenige Recht heranzuziehen ist, welches ein bestimmtes inhaltliches Ergebnis fördert, so läuft dies auf dasselbe hinaus, wie wenn von vornherein eine entsprechende alternative Berufung mehrerer Rechte vorgesehen worden wäre. Die Berufung mehrerer Rechte unter der Bedingung, daß sie inhaltlich übereinstimmen, hat daher eigentlich nur dann Sinn, wenn eine subsidiäre Rechtsanwendungsanweisung dahin geht, daß mangels Ubereinstimmung der berufenen Rechte zwischen ihnen ein Kompromiß gebildet werden muß, oder daß nach Billigkeit, oder gar daß nach der ursprünglich gar nicht berufenen lex fori entschieden werden muß 24 . 199
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Unbedingte und bedingte Zuweisung
Während die alternative Berufung mehrerer Rechte eine vom Resultat bedingte Berufung des einen oder des anderen Rechts ist, bedeutet Berufung mehrerer Rechte zur kumulativen Anwendung, daß die fragliche Rechtswirkung im Forumstaat nur eintritt, wenn sie sowohl in dem einen als auch in dem anderen Recht vorgesehen ist, und die Voraussetzungen dafür sowohl unter dem einen als auch unter dem anderen Recht verwirklicht sind. Mit einer Zuweisung derselben Rechtsfrage an mehrere Rechte zur gleichzeitigen Anwendung nicht zu verwechseln ist es, wenn eine Rechtsfrage, falls sie im Prozeß als Hauptfrage zu entscheiden ist, diesem, hingegen falls sie als Teil- oder Vorfrage zu entscheiden ist, einem anderen Recht (oder mehreren anderen Rechten, eventuell wieder alternativ) zugewiesen wird 25 . 5. Unbedingte und bedingte Zuweisung Zuweisungen an ein staatliches Recht können sodann unbedingte oder bedingte Zuweisungen sein. Mit einer bedingten Zuweisung verbunden ist häufig eine ergänzende Regelung für den Fall, daß die Bedingung nicht verwirklicht ist, d. h. daß das Recht, dem nur bedingt zugewiesen wird, nicht zum Zuge kommt. Besteht die subsidiäre Regelung, wie meist, selbst wieder in einer Zuweisung, so kann es sich hierbei erneut um eine bedingte Zuweisung handeln, zu der wiederum eine subsidiäre Regelung notwendig wird. Keine echte „Bedingung" der Zuweisung liegt darin, daß das Anknüpfungsmoment, mit dessen Hilfe zugewiesen werden soll, überhaupt in irgendeinem Staat als dem Geltungsgebiet eines Inlandsrechts verwirklicht ist: Läuft ein Anknüpfungsmoment leer, d. h. führt es überhaupt nicht zu einem Staat mit einem Rechtsgebiet, sondern z. B. zu staatlosem Gebiet, so finden sich allerdings, wie an anderer Stelle dargelegt 26 , meist ebenfalls subsidiäre Zuweisungen, die notwendig ein anderes Anknüpfungsmoment verwenden müssen, von dem man hofft, daß es zu einem staatlichen Recht hinführt. Von einer „bedingten" Zuweisung sollte auch nicht gesprochen werden, wenn die Anwendung eines nationalen Inlandsrechts davon abhängig gemacht wird, daß nicht nur eine als das Anknüpfungsmoment bezeichnete Verknüpfung, sondern zugleich eine weitere Verknüpfung zu dem betreffenden Staat hingeht; dann besteht das Anknüpfungsmoment eben in einer mehrfachen Verknüpfung 27 . Zwei Zuweisungen im internationalen Privatrecht desselben Forumstaates, die zueinander in einem Bedingungsverhältnis stehen, liegen vor, wenn der Forumstaat eine bestimmte Zuweisung in den Rechtsanwendungsanweisungen für die eigenen Gerichte hat, und wenn er zugleich eine möglicherweise auf Grund abweichender Rechtsanwendungsanweisungen in einem fremden Staat zustandegekommene Entscheidung anzuerkennen und zu vollstrecken bereit ist. Oben wurde schon gesagt, daß das letztere wie eine indirekte Zuweisung wirkt; jede der beiden Zuweisungen kommt hier aber nur unter einer Bedingung zum Zuge, nämlich unter der Bedingung, daß nicht bereits eine rechtskräftige Entscheidung unter Verwendung der anderen Zuweisungsnorm vorliegt, bzw. daß nicht bereits ein Verfahren anhängig ist, welches zu einer rechtskräftigen inländischen bzw. anerkennungsfähigen ausländischen Entscheidung führen kann 28 . Andere nicht selten anzutreffende bedingte Zuweisungen machen die Anwendung eines Rechtes davon abhängig, daß mit diesem Recht ein bestimmtes Ergebnis in der Sache erzielt werden kann. Rechnet man damit, daß mehrere Rechte, deren Anwendung in Frage steht, in bezug auf das Quantum der von ihnen vorgesehenen Rechtswirkungen divergieren können (wobei der Umfang der Rechtswirkungen möglicherweise in einem Recht gleich Null sein kann), so erfolgt manchmal im positiven Kollisionsrecht eine Rangordnung der verschiedenen anzuwendenden Rechte in der Weise, daß zuerst ein bestimmtes Recht geprüft, und daß dieses dann allein angewendet werden muß, wenn es die fragliche Wirkung nicht gänzlich verneint, während ein zweites, subsidiär zu prüfendes Recht nur dann 200
Bedingte Zuweisungen
§9
zum Zuge kommen soll, wenn das erste Recht die Wirkung überhaupt nicht eintreten läßt, während das zweite Recht nicht schon deshalb zur Anwendung kommen würde, weil es der Wirkung nur einen größeren Umfang gibt. So sieht, wie schon erwähnt 29 , das Haager Abkommen über die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vor, daß das vom nationalen Kollisionsrecht des Forumstaates an Hand irgendwelcher Anknüpfungsmomente bestimmte Recht erst dann zum Zuge kommen soll, wenn das Wohnsitzrecht des Kindes diesem überhaupt keinen Unterhaltsanspruch verschafft. Im deutschen internationalen Privatrecht war zeitweise die Anwendung des deutschen Heimatrechts der Frau auf ihre Scheidungsklage für den Fall vorgeschrieben, daß das Heimatrecht des Mannes überhaupt keine Scheidung zuließ, während eine Anwendung des deutschen Rechts nicht vorgesehen war, wenn das deutsche Recht aus einem ihm bekannten Grunde die Scheidung ermöglicht hätte, aber das Heimatrecht des Mannes keine Scheidung aus diesem Grunde zuließ 30 . Die schon erwähnten alternativen Zuweisungen sind Zuweisungen unter der Bedingung, daß ein bestimmtes Ergebnis in dem schließlich anzuwendenden Recht am besten gefördert wird. Eine solche von dem Anwendungsergebnis bedingte Zuweisung an eines von mehreren Rechten bereitet Komplikationen, wenn mehrere alternativ berufene Rechte der gestellten Bedingung (vor allem: Gültigkeit des Schuldvertrages) genügen, wenn sie aber im übrigen verschieden sind. Es ist daher denkbar, daß mehrere Rechte unter der Bedingung, zu einem bestimmten Ergebnis zu führen, berufen sind, und daß sie dann, wenn die Bedingung bei mehreren erfüllt ist, wiederum nach anderen Gesichtspunkten in bestimmter Reihenfolge als zur Anwendung berufen gelten. Besonders wenn die Frage nach dem auf ein präjudizielles Dauerrechtsverhältnis anwendbaren Recht alternativ mehreren Rechten zugewiesen wird, kann eine andere Art ergebnisbedingter Gesamtverweisungen sinnvoll sein: Das präjudizielle Rechtsverhältnis gilt als vorhanden, wenn es in dem einen oder dem anderen Staat gemäß dem dort anwendbaren Recht gültig entstanden ist, und wenn die weitere Bedingung erfüllt ist, daß das Rechtsverhältnis im konkreten Fall durch entsprechendes Verhalten der Beteiligten auch effektiv geworden ist 3 1 . Alle Zuweisungen an ausländisches Recht sind schließlich ergebnisbedingt in einem weiteren Sinne insofern, als der zur Anwendung berufene ausländische Rechtssatz inhaltlich nicht gegen den ordre public des Forumstaates verstoßen darf. Soweit eine Zuweisung auf das eigene Recht des Forumstaates geht, ist sie unter Umständen davon bedingt, daß von einem der mit der Sache ebenfalls verknüpften fremden Staaten „Gegenseitigkeit" gewährleistet ist. Auf welchen Staat es dabei ankommt, und worin die geforderte Gegenseitigkeit zu bestehen hat, wird an anderer Stelle behandelt 32 . Ist eine solche Gegenseitigkeitsbedingung nicht erfüllt, so hat dies nicht etwa die Anwendbarkeit ausländischen Rechts, sondern die Anwendbarkeit von Sonderrecht des Forumstaates zur Folge. Umgekehrt kann im Forumstaat auch die Zuweisung an ausländisches Recht davon bedingt sein, daß der betreffende fremde Staat in seinem eigenen internationalen Privatrecht Gegenseitigkeit gewährt, d. h. seinen Gerichten für andere Fälle als den im Forumstaat zu entscheidenden konkreten Fall die Anwendung des Inlandsrechts des Forumstaates mit Hilfe solcher Kollisionsnormen aufgibt, die inhaltlich denen des Forumstaates entsprechen 33 . Die Zuweisung an das eigene Inlandsrecht des Forumstaates kann unmöglich als eine von der „Anwendungswilligkeit" dieses Rechts bedingte Zuweisung verstanden werden; wohl aber ist sie insofern bedingt, als sie stets hinter einer etwaigen Zuweisung an Spezialrecht des Forumstaates zurückzutreten hat. Die Frage nach der Anwendungswilligkeit ausländischen Rechts entfällt im Forumstaat, wenn diesem die Zuweisung an das ausländische Recht durch völkerrechtlichen Vertrag aufgegeben und zugleich der fremde Staat durch völkerrechtlichen Vertrag gegen201
§ 9
Beachtung der Anwendungswilligkeit von ausländischem Recht
über dem Forumstaat verpflichtet ist, sein eigenes Recht zur Anwendung zu bringen, wie dies insbesondere der Sinn der meisten, wenn auch nicht aller Bestimmungen der Verträge der H a a g e r K o n f e r e n z über internationales Privatrecht i s t 3 4 . b) V o n der A n w e n d u n g s w i l l i g k e i t des a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s bedingte Z u w e i s u n g 1.
Allgemeines
D i e wichtigste Art der bedingten Zuweisung ist die, welche bei einer Verweisung auf ausländisches Recht darauf abstellt, o b der fremde Urheberstaat von Sachnormen, die an sich auf die Rechtsfrage passen, diese selbst auf den heterogen verknüpften Sachverhalt durch seine Gerichte angewendet wissen will 3 5 . D i e Bedingung der „Anwendungswilligkeit" des berufenen fremden Rechts kann dazu führen, daß dann, wenn v o m Forumstaat mehrere Rechte zur Anwendung in Erwägung gezogen werden, der Kreis dieser Rechte eingeengt wird: Wird in Aussicht genommen, die Rechte aller beteiligten Staaten alternativ oder unter der Bedingung anzuwenden, daß sie inhaltlich übereinstimmen, so liegt es daher besonders nahe, dies auf die selbst anwendungswilligen Rechte zu beschränken. Ist dann unter den beteiligten Rechten überhaupt nur noch ein einziges anwendungswilliges Recht da, und wird dieses im Forumstaat zur Anwendung gebracht, so liegt eine Situation vor, bei der m a n in der Internationalprivatrechtswissenschaft der Vereinigten Staaten von einem „false conflict" spricht. D i e Bedingung der Anwendungswilligkeit des berufenen ausländischen Rechts hat aber durchaus auch dann ihren Sinn, wenn die Zuweisungsnorm des Forumstaates auf ein einziges fremdes Recht hingeht. Daß jedenfalls die Anwendung ausländischer freiheitsbeschränkender Verhaltensnormen, insoweit sie der Urheber des Rechtssatzes nicht von seinen eigenen Gerichten angewendet wissen will, gegen ein allgemeines Postulat des internationalen Privatrechts verstößt, wurde früher bereits dargelegt 3 6 . D i e Anwendung fremden Inlandsrechts in heterogen verknüpften Zusammenhängen, in denen der fremde Staat selbst sein eigenes freiheitsbeschränkendes Recht durch seine eigenen Gerichte gar nicht anwenden läßt, ist vor allem dann schwer zu verstehen, wenn die Nichtanwendung des berufenen Rechts in dem Urheberstaat darauf beruht, daß sie ihm durch völkerrechtlichen Vertrag verboten ist; dann sollte auch kein anderer Staat dieses Recht anwenden, auch wenn der Forumstaat nicht zu den aus dem Vertrag berechtigten Staaten gehört 3 7 - was ohnehin zumeist zur Folge hätte, daß auch er völkerrechtlich verpflichtet wäre, das betreffende ausländische Recht nicht, und dafür ein anderes Recht anwenden zu lassen. Evident unangebracht wäre die Anwendung ausländischer Rechtssätze gegen den Willen des Urheberstaates, wenn damit Staatsakte (insbesondere privatrechtsgestaltende Staatsakte oder Beurkundungen von Rechtsgeschäften), welche die O r g a n e eines Staates entgegen dem Recht ihres Dienstherren in heterogen verknüpften Fällen vorgenommen haben, und die nach dem Recht dieses Staates unheilbar nichtig sind, im Forumstaat als gültig behandelt werden müßten. Grenzt der Urheberstaat den Anwendungsbereich eines von seinem Gesetzgeber verfaßten materiellen Rechtssatzes nicht durch gesondert formulierte Kollisionsnormen ab, sondern verbindet er gesetzestechnisch die Verlautbarung der eigenen Sachnorm mit einer Angabe über ihren Anwendungsbereich 3 8 , so erscheint es auf den ersten Blick plausibel, daß ein anderer Forumstaat, der seine Gerichte zur Anwendung des Rechtes des ersten Staates anweist, diese Abgrenzung des Anwendungsbereiches durch den Urheberstaat selbst respektiert. Dasselbe gilt, wenn der fremde Staat sein Inlandsrecht nur auf einen Teil der mit ihm heterogen verknüpften Sachverhalte, auf andere jedoch ein von ihm geschaffenes Spezialrecht anwenden läßt. D i e Anwendung ausländischen Rechts gegen den Willen des fremden Gesetzgebers wirkt besonders dann als widerspruchsvoll, wenn sie auf eine Verknüpfung mit dem fremden Staat gestützt wird, die, wie z. B . die Staatsangehörigkeit, 202
Anwendungswilligkeit und Anwendungsunwilligkeit
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in einem vom Recht des fremden Staates geschaffenen Rechtsverhältnis bestellt, welches von ihm selbst gar nicht zur Bestimmung des Randanwendungsbereiches seines Inlandsrechts verwendet wird. Trotzdem kann es, wie später noch zu erörtern 39 , Situationen geben, in denen die Anwendung ausländischen Rechts auch gegen den Willen des Urheberstaates durch allgemeine Leitprinzipien gerechtfertigt werden kann. 2. Wann liegt Anwendungswilligkeit bzw. Anwendungsunwilligkeit vor? Schwierigkeiten kann die Frage bereiten, wann Anwendungsunwilligkeit des fremden Rechts anzunehmen ist. Die Anwendungswilligkeit fremden Rechts ist zweifellos als bejaht anzusehen, wenn der fremde Staat für seine Gerichte ausschließliche oder konkurrierende Zuständigkeit neben den Gerichten des Forumstaates in Anspruch nimmt, wenn er den eigenen Gerichten die Anwendung seines eigenen Rechts aufgibt, und wenn er, mangels Inanspruchnahme seiner eigenen Gerichte durch die Parteien, Entscheidungen aus anderen Staaten, soweit überhaupt, unter der ausdrücklichen Bedingung anerkennt und vollstreckt, daß darin sein eigenes Recht angewendet wurde. Anwendungswilligkeit ist hingegen zweifellos als nicht gegeben zu betrachten, wenn der fremde Staat keine zuständigen eigenen Gerichte bereithält, die sein Recht anzuwenden hätten, und wenn er ausländischen Entscheidungen gerade deshalb die Anerkennung versagen würde, weil sie sein Recht angewendet haben. Von einer Unwilligkeit zur Anwendung des eigenen Rechts kann hingegen nicht die Rede sein, wenn der fremde Staat seine Gerichte als zuständig erklärt und sie zur Anwendung eigenen Rechts anweist, aber zugleich bereit ist, eine in einem zuerst anhängig gemachten ausländischen Verfahren ergangene Entscheidung auch dann anzuerkennen, falls darin sein Recht nicht angewendet worden ist 4 0 . Von Unwilligkeit zur Anwendung des eigenen Rechts kann auch nicht gesprochen werden, wenn der fremde Staat konkurrierend zuständige Gerichte bereithält und die Anwendung seines eigenen Inlandsrechts, oder die Anwendung von eigenem Spezialrecht, im konkreten Fall auf die Verwirklichung eines anderen Anknüpfungsmoments stützt, als es die das fremde.Recht berufene Zuweisungsnorm des fremden Staates verwendet, so z. B. wenn der als Heimatstaat berufene fremde Staat sein eigenes Recht in seiner Eigenschaft als Wohnsitzrecht anwenden lassen will. Von einer Unwilligkeit des staatlichen Gesetzgebers, daß „sein" Recht auf einen heterogen verknüpften Fall zur Anwendung gebracht wird, kann nicht gesprochen werden, wenn der betreffende staatliche Gesetzgeber seine eigenen Gerichte anweist, auf eine bestimmte Gruppe heterogen verknüpfter Situationen, die in bestimmter Weise mit dem Inland und zugleich in bestimmter Weise mit dem Ausland verknüpft sind, zwar nicht das auf homogen verknüpfte Situationen anwendbare „normale" Inlandsrecht zur Anwendung zu bringen, wohl aber eine von ihm für diesen besonderen Fall geschaffene Spezialregelung, die inhaltlich mehr oder weniger vom normalen Inlandsrecht abweicht. Die vom Forumstaat ausgesprochene bedingte Verweisung auf das Recht eines anderen Staates geht nicht nur auf dessen anwendungswilliges Inlandsrecht, sondern gegebenenfalls auch auf das von dem fremden Gesetzgeber formulierte und anstelle seines normalen Inlandsrechts für heterogen verknüpfte Situationen gebildete Spezialrecht, sofern dieses anwendungswillig ist 4 1 . Es ist denkbar, daß der Richter in dem fremden Staat, der nach den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates in erster Linie mit seinem Inlandsrecht berufen sein soll, falls dieses anwendungswillig ist, auf den heterogen verknüpften Sachverhalt weder dieses Inlandsrecht, noch ein Spezialrecht mit gesetzlich fixierten Regeln anzuwenden hat, sondern daß er beauftragt wird, in allen oder bestimmten heterogen verknüpften Fällen nach Billigkeit zu entscheiden. Dann ist die Billigkeit wohl als eine besondere Art des Spezialrechts für heterogen verknüpfte Sachverhalte zu behandeln, d. h. auch der Richter im Forumstaat hat dann nach Billigkeit als dem anwendungswilligen fremden Recht zu entscheiden. 203
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Anwendungsunwilligkeit des ausländischen Rechts
Nicht von Bedeutung ist es auch, daß die Anwendungswilligkeit des auf eine Rechtsfrage passenden Rechtssatzes im Recht des „angesprochenen" Staates A darauf zurückzuführen ist, daß das Kollisionsrecht von A die Kategorien der von seinen Zuweisungsnormen erfaßten Sachnormen anders bildet als das Kollisionsrecht des Forumstaates F: Will der Forumstaat F die Frage der Legitimation eines Kindes durch Eheschließung seiner Eltern deshalb nach dem Recht A beurteilen, weil das Kind die Staatsangehörigkeit von A besitzt, und weil Normen über den „Status" des Kindes seinem Heimatrecht entnommen werden sollen, so ist Anwendungswilligkeit des eigenen Rechts von A im Forumstaat auch dann anzunehmen, wenn A seine einschlägigen Normen deshalb angewendet haben will, weil sich der Wohnsitz der Eltern in A befindet, und weil das Recht A als Wohnsitzrecht der Eltern in seiner Eigenschaft als Ehewirkungsstatut auch über die Frage der Legitimation eines Kindes durch Ehe entscheiden soll. Aus dem entsprechenden Grunde ist aber Anwendungswrcwilligkeit des Rechtes von A anzunehmen, wenn es diejenigen Normen seines eigenen Rechts, die auf die Rechtsfrage an sich passen würden, anders qualifiziert als der Forumstaat, und wenn es die Anwendung dieser anders qualifizierten Normen deshalb verneint, weil hierfür keine Verknüpfung zu A besteht. Ist in dem vom Forumstaat mit seinem Recht berufenen fremden Staat im konkreten Fall kein Gericht zu der Entscheidung zuständig, die im Forumstaat angestrebt wird, und würden in dem fremden Staat Entscheidungen aus anderen Ländern ohne Rücksicht auf das darin angewendete Recht anerkannt, d. h. also auch dann, wenn sie das Recht des anerkennenden Staates zur Anwendung gebracht haben, so kann ebenfalls nicht von Anwendungs«rawilligkeit des berufenen fremden Rechts gesprochen werden 42 . Hält der mit seinem Recht berufene fremde Staat zuständige eigene Gerichte bereit, denen er aufgibt, das eigene Recht alternativ oder kumulativ mit dem Recht des anderen Landes anzuwenden, so ist Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts anzunehmen, wenn die alternativ oder kumulativ berufenen anderen Rechte so gestaltet sind, daß in dem fremden Staat dieselbe Entscheidung ergeht, wie sie zustande gekommen wäre, wenn er sein eigenes Recht allein hätte anwenden lassen. Eine volle Anwendungsunwilligkeit des berufenen fremden Rechts ist sodann sicher nicht gegeben, wenn der Urheber des berufenen Rechts dieses Recht durch seine eigenen Gerichte als „Grundstatut" für die ihm zugewiesene Rechtsfrage anwenden lassen will, und nur bei einzelnen Teilfragen das eigene Recht nicht, sondern ein anderes Recht zur Anwendung bringen lassen würde. Ist das als Geschäftsstatut berufene fremde Recht „im Prinzip" anwendungswillig, so kann die Anwendungswilligkeit nicht deshalb bestritten werden, weil der Staat des Geschäftsstatuts die Teilfrage der Form nach der lex loci actus beurteilt wissen will. Teilweise Anwendungswilligkeit liegt vor, wenn der fremde Staat sein Recht nur für einen quantitativ beschränkten Teil der Rechtsfrage als anwendbar betrachtet; so wenn z. B. der als Heimatstaat des Erblassers mit seinem Erbrecht berufene Staat sein Inlandsrecht wegen der Belegenheit der auf seinem Gebiet befindlichen Nachlaßgegenstände und unter Beschränkung hierauf als anwendbar betrachtet. 3. Die bei Anwendungsunwilligkeit des berufenen ausländischen Rechts bestehenden Möglichkeiten Führt die bedingte Zuweisung im internationalen Privatrecht des Forumstaates auf ein in dem oben beschriebenen Sinne nicht anwendungswilliges ausländisches Recht, so sind verschiedene Möglichkeiten gegeben, zwischen denen schließlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Leitprinzipien gewählt werden muß. a) Es ist denkbar, daß die Anwendungsunwilligkeit des berufenen Rechts für die gestellte Rechtsfrage im Forumstaat so zu behandeln ist, wie wenn die Frage in dem 204
Anwendungsunwilligkeit des ausländischen Rechts
§9
berufenen materiellen Recht negativ entschieden worden wäre; um welche Situationen es sich dabei handeln kann, darauf wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein 43 . b) Ebenso wie eine subsidiäre Zuweisung für den Fall gebildet werden muß, daß das von der Zuweisungsnorm verwendete Anknüpfungsmoment nicht zu einem Staat hingeht 433 — die Person, auf deren Staatsangehörigkeit es ankommt, ist staatenlos; der Ort, auf dessen Zugehörigkeit zu einem Staatsgebiet es ankommt, befindet sich auf staatenlosem Gebiet —, so kann jedenfalls im Forumstaat eine subsidiäre Zuweisung auch für den Fall gebildet werden, daß das berufene Recht eines anderen Staates weder in Gestalt des normalen Inlandsrechts, noch in Gestalt von Spezialrecht selbst angewendet werden will. Der Forumstaat, welcher dieser Anwendungsunwilligkeit Rechnung tragen will, könnte also eine Staffel von subsidiären Zuweisungen mit anderen Anknüpfungsmomenten bilden, wobei jede wieder von der Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts bedingt ist. So könnte der Forumstaat etwa die Regelung der Erbfolge in erster Linie dem Heimatrecht, wenn dieses nicht angewendet werden will, dem Domizilrecht, wenn auch dieses nicht angewendet werden will, dem Lagerecht der Nachlaßgegenstände zuweisen 43b . Der Forumstaat könnte ganz subsidiär sogar den Richter zwischen solchen Rechten wählen lassen, die sich in der gesetzlichen Staffel des Forumstaates nicht finden, aber aus einem völkerrechtlich zulässigen Grunde Anwendung beanspruchen. c) Einen anderen Ausweg, um anstelle des anwendungsunwilligen berufenen Rechts ein anderes nationales Recht zu finden, benutzt die Technik der Gesamtverweisung auf das erstberufene Recht: Es wird anstelle des mit eigenen Sachnormen nicht anwendungswilligen erstberufenen Rechts im Forumstaat dasjenige Recht zur Anwendung gebracht, das die Kollisionsnormen des erstberufenen Rechts bezeichnen. Die Zuweisungsnormen des erstberufenen Rechts können nun unbedingte Sachnormverweisungen sein, mit denen das internationale Privatrecht des erstberufenen Staates auf die Anwendungswilligkeit des von ihm bezeichneten Rechts keine Rücksicht nimmt. Die Beachtung dieser Verweisungen im Forumstaat steht offensichtlich im Widerspruch mit der Grundkonzeption des Forumstaates, bei sich nur ein anwendungswilliges Recht zur Anwendung zu bringen. Die Zuweisungsnormen der erstberufenen Rechtsordnung können aber auch selbst wieder von der Anwendungswilligkeit des Rechts, auf das verwiesen wird, bedingte Zuweisungen sein. Dann kommt es auch im Forumstaat zur Anwendung eines selbst anwendungswilligen Rechts eines dritten Staates, wenn der mit Gesamtverweisung angesprochene fremde Staat auf ein solches selbst anwendungswilliges Recht verweist. Geht aber die bedingte Verweisung im Kollisionsrecht desjenigen Staates, dem die Rechtsfrage mit einer Gesamtverweisung zugewiesen worden ist, auf ein nicht primär selbst anwendungswilliges Recht — und dazu gehört sicher das Recht des Forumstaates —, so kommt es noch nicht sofort zu einer Lösung. Im Forumstaat wäre das eigene Recht eines dritten Staates dann im Sinne des mit einer Gesamtverweisung operierenden anderen Rechts nur dann anwendbar, wenn es ohnehin primär anwendungswillig wäre. In allen anderen Fällen kommt es also früher oder später zu dem berüchtigten Spiegelkabinett von Gesamtverweisungen zwischen den Kollisionsrechten von zwei Staaten. Über die dann zu treffende Entscheidung im Forumstaat ist später noch zu handeln 44 . d) Für den Fall, daß weder mit einer subsidiären Verweisung des Forumstaates, noch mit der Gesamtverweisung ein anwendungswilliges Recht ermittelt werden kann, kann sich der Urheber der Rechtsanwendungsanweisungen im Forumstaat entschließen, ausnahmsweise doch ein nationales Recht gegen seinen Willen zur Anwendung zu bringen; er könnte auch anordnen, daß hier eine Lösung an Hand von normativen Inhalten zu bilden sei, die sich nicht mit dem positiven Recht eines bestimmten Staates decken.
205
§9 4. Subsidiäre Zuweisung oder Gesamtverweisung
f
Bei einer Prüfung der verschiedenen aufgeführten Möglichkeiten, der Anwendungsunwilligkeit des berufenen Rechts Rechnung zu tragen, ist es zweckmäßig, mit der Frage zu beginnen, ob dann, wenn der Forumstaat einerseits die Anwendungsunwilligkeit des von ihm primär berufenen ausländischen Rechts beachten und dann irgendein anderes nationales Recht zur Anwendung bringen lassen will, und wenn dies, worauf später noch zurückzukommen ist, den allgemeinen Leitprinzipien entspricht, die Gesamtverweisung generell, oder jedenfalls für bestimmte Konstellationen, als durch die allgemeinen Leitprinzipien gedeckt anzusehen ist, oder ob diese vielmehr die Bildung subsidiärer Zuweisungsnormen erfordern. Hierfür kann es wichtig werden, ob die Anwendungswilligkeit eine quantitativ totale ist, oder ob sie sich nur auf Teilfragen bezieht, ferner aber auch, ob die Zuweisungen des mit eigenen Sachnormen nicht anwendungswilligen Rechts unbedingte oder bedingte Zuweisungen, und ob sie einfache oder alternative oder kumulative Zuweisungen sind. Für gewisse extreme Situationen ist die Antwort eindeutig: a) Es ist nicht mit den allgemeinen Leitprinzipien vereinbar, daß der Forumstaat, der in seinen eigenen Zuweisungsnormen die Anwendbarkeit seines eigenen Rechts zunächst verneint hat, diese seine Sachnormen doch deshalb, und nur deshalb, zur Anwendung bringen läßt, weil das im Forumstaat berufene, aber mit eigenen Sachnormen im vollen Umfang nicht anwendungswillige fremde Recht mit Hilfe irgendwelcher Anknüpfungsmomente eine unbedingte Rückverweisung auf das materielle Recht des Forumstaates ausspricht. Der Forumstaat setzt sich mit der ursprünglich von ihm angenommenen Haltung, daß er sein eigenes Recht nicht angewendet haben und deshalb ein fremdes Recht anwenden lassen will, in Widerspruch, wenn er die bedingungslose „Rückverweisung" des fremden Staates „annimmt" 45 . In der Akzeptierung der Rückverweisung auf das materielle Inlandsrecht des Forumstaates liegt dann eben eine unterschiedliche Bewertung der Entscheidungen des eigenen und des ausländischen Gesetzgebers, daß das eigene Inlandsrecht nicht angewendet werden soll: Während man dem Nicht-angewendet-werden-Wollen des ausländischen Inlandsrechts unbedingten Respekt erweist, revoziert man das der Verweisung auf ausländisches Recht vorausgehende Nicht-angewendet-werden-Wollen des eigenen Rechts, indem man die fremde Rückverweisung auf das Inlandsrecht akzeptiert. Das fällt besonders auf, wenn sich der fremde Staat bezüglich des von ihm gewählten Anknüpfungsmoments in einen Widerspruch mit dem Forumstaat setzt: Der Forumstaat A betrachtet jemand nicht als Staatsangehörigen von A, sondern infolge Ausbürgerung als staatenlos; er will deshalb sein Recht nicht mehr angewendet wissen, ist aber bereit, das Recht des Wohnsitzstaates auf Fragen des Personalstatuts oder der Erbfolge anzuwenden. Wenn aber der fremde Wohnsitzstaat B seinerseits das eigene Recht weder als Wohnsitzrecht, noch auf Grund einer anderen Verknüpfung anwenden lassen will, und wenn B durch seine eigenen Gerichte das Recht des Staates A in seiner Eigenschaft als früheres Heimatrecht des Staatenlosen anwenden lassen würde, so kann sich der Richter in A die Anwendung des eigenen Rechts auf den früheren Staatsangehörigen vernünftigerweise nicht durch Rückverweisung oktroyieren lassen. Oder: Der Forumstaat A wäre bereit, sein eigenes Recht als Wohnsitzrecht anzuwenden, aber nur, wenn die betreffende Person eine behördliche Erlaubnis zur Wohnsitznahme erhalten hätte. Da diese Erlaubnis verweigert wurde, betrachtet man in A das Recht des Staates B als Recht des „domicile of origin" als anwendbar. Wird diese Verweisung auf das Recht von B als Gesamtverweisung verstanden, und betrachtet B die Person gemäß ihrem Wohnsitzbegriff auch ohne Genehmigung als „wohnhaft" im Staat A, so kann der Richter in A doch unmöglich deshalb das Recht von A anwenden. 206
Gesamtverweisung für Teilfragen
§9
Desgleichen ist es nicht zu rechtfertigen, daß durch Gesamtverweisung das weder von den Kollisionsnormen des Forumstaates berufene, noch selbst anwendungswillige Recht eines dritten Staates im Forumstaat zur Anwendung gebracht wird. Die Koppelung der Respektierung der Anwendungsunwilligkeit des im Forumstaat berufenen fremden Rechts mit der Bevorzugung der von diesem Recht ausgesprochenen unbedingten Sachnormverweisungen könnte dann gerechtfertigt sein, wenn es feststünde, daß der im Forumstaat mit seinem Recht berufene fremde Staat allein in der Lage wäre, den von ihm eingenommenen Standpunkt zu der rechtlichen Regelung der heterogen verknüpften Situationen durchzusetzen. Es ist aber erstens unwahrscheinlich, daß gerade dann der fremde Staat das eigene Recht nicht angewendet haben will, und zweitens noch unwahrscheinlicher, daß dann die Gerichte eines anderen Staates angerufen werden. Das Gericht eines anderen Staates wird vorwiegend nur dann Gelegenheit haben, die Frage aus der Sicht des allein zur effektiven Gestaltung fähigen fremden Staates zu beantworten, wenn sie in dem anderen Staat als Vorfrage auftaucht. Abgesehen von dem Fall, daß auf das Recht desjenigen Staates verwiesen wird, der allein zur Durchsetzung seines Standpunktes in der Lage ist, ist es nicht zu begründen, daß gerade derjenige fremde Staat, welcher durch seine Gerichte weder eigenes Inlandsrecht, noch eigenes Spezialrecht anwenden läßt, mit seinen internationalprivatrechtlichen Verweisungen auf die Sachnormen anderer Staaten eine gewichtigere Rolle spielen soll als die Urheber dieser Sachnormen selbst, die deren Anwendbarkeit verneinen. Das wird besonders deutlich, wenn im Recht des Forumstaates neben dem normalen Inlandsrecht Spezialrechtssätze mit einem besonderen Anwendungsbereich gebildet worden sind 46 . Wenn dann der Urheberstaat weder die eine noch die andere Art des eigenen Rechts angewendet haben will, so kann unmöglich einem anderen Staat auch noch eine Entscheidung darüber unterstellt werden, ob infolge Rückverweisung das normale Inlandsrecht oder das Spezialrecht zum Zuge kommt. Die „Annahme" einer Rückverweisung durch den Forumstaat ist vor allem nicht zu rechtfertigen bei Rechtssätzen, die Verhaltens- oder Leistungspflichten begründen. Will der Forumstaat einen eigenen pflichtbegründenden Rechtssatz nicht auf die heterogen verknüpfte Situation angeknüpft haben, während er bereit ist, einen gleichlautenden oder ähnlichen Rechtssatz durch seine Gerichte anwenden zu lassen, falls sich ein solcher in dem berufenen ausländischen Recht finden läßt, und der Urheber dieser Norm sie durch seine eigenen Gerichte auf den heterogen verknüpften Fall anwenden lassen würde, so ist nicht einzusehen, daß der Forumstaat seinen eigenen Rechtssatz schließlich doch, und zwar nur deshalb durch seine Gerichte anwenden lassen sollte, weil der andere Staat bereit ist, diese Anwendung seinen Gerichten aufzugeben. b) Liegen die Dinge hingegen so, daß dasjenige fremde Recht, dem das internationale Privatrecht des Forumstaates gleichsam anbietet, bei der Erzwingung der von diesem anderen Staat in eigenen anwendungswilligen Sachnormen vorgesehenen Verhaltenspflichten Hilfe zu leisten, „grundsätzlich" selbst in Gestalt von normalem Inlandsrecht oder von Spezialrecht auf die Frage nach dem Bestehen einer solchen Verhaltenspflicht angewendet werden will, und nur bezüglich einer einzelnen Teilfrage, etwa bezüglich einer einzelnen Voraussetzung für die Verhaltenspflicht, eigene Sachnormen nicht angewendet haben will, sondern auf ein anderes Recht verweist, so entspricht es dem Postulat der größtmöglichen Annäherung an die Entscheidungsgleichheit, wenn sich der Forumstaat hier im Sinne der Grundstatutsmethode bezüglich des Teilfragenstatuts dem Standpunkt des Hauptfragenstatuts mit Hilfe einer Gesamtverweisung anschließt 47 . Das gleiche gilt für die Bestimmung des auf Vorfragen nach dem Bestehen anderer Recht-Pflicht-Verhältnisse anwendbaren Rechts, es sei denn, daß dies mit der Gewährleistung der materiellen Harmonie im Forumstaat unvereinbar ist. Mit einer Gesamtverweisung auf alternative oder kumulative 207
§9
Beachtung der Anwendungsunwilligkeit des Teilfragenstatuts?
Zuweisungen von Teilfragen und Vorfragen durch die einschlägigen Rechtsanwendungsanweisungen des Hauptfragenstatuts wird zugleich die mit alternativen Verweisungen angestrebte materiellrechtliche Entscheidung des Gesetzgebers des Hauptfragenstatuts, daß dieses oder jenes Ergebnis gefördert werden soll, respektiert. Aus diesem Grund sind auch vertraglich gebotene Verweisungen auf das Recht eines bestimmten Staates, soweit sie das Hauptfragenstatut betreffen, als vertraglich gebotene Gesamtverweisungen bezüglich einer vom Hauptfragenstatut getroffenen kollisionsrechtlichen Teilfragenregelung zu verstehen. Auch dann, wenn das im Forumstaat berufene Recht nur in kumulativer Anwendung mit einem anderen Recht die fragliche Rechtspflicht auslösen will, entspricht es der Förderung der internationalen Entscheidungsgleichheit, wenn der Forumstaat sich dem anschließt. c) Werden auch im Privatrecht Pflichten zu menschlichem Verhalten in Durchbrechung der allgemeinen Verhaltensfreiheit begründet, und zwar so, daß das Bestehen der Pflicht von den Normadressaten im kritischen Zeitpunkt erkannt werden kann, oder daß, wo die richterliche Entscheidung die Rechtslage erst verbindlich klärt, nunmehr die Parteien über ihre Pflichten Bescheid wissen, so muß jedes staatliche internationale Privatrecht auf alle Fälle bei Verwendung der Zuweisungsmethode Zuweisungsnormen bilden, die zu solchen Rechtssätzen führen, die sich über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Rechtspflicht auslassen. Zur Verhütung der Zersplitterung der Zuweisungen sollte das internationale Privatrecht des Forumstaates eine gesonderte Zuweisung von Teilfragen, welche von dem auf die Verhaltenspflicht anwendbaren ausländischen Recht aufgeworfen werden, unterlassen, und zwar auch dann, wenn das Aufwerfen einer bestimmten Teilfrage mit Sicherheit zu erwarten ist. Es sind nur wenige Fragen, bei denen die Sicherung der materiellen Harmonie im Forumstaat anderes erfordert (wie z. B. bei der Geschäftsfähigkeit), oder wo Gesichtspunkte der Außenprivatrechtspolitik die gesonderte Anknüpfung von Teilfragen als angebracht erscheinen lassen. Im positiven Recht wird allerdings gerade diesem Postulat häufig nicht Rechnung getragen. Zieht so das internationale Privatrecht des Forumstaates für irgendeine von ihm selbst gestellte Rechtsfrage, die nicht eine Frage nach dem Bestehen von Verhaltenspflichten ist, sondern nur als Teilfrage für die Frage nach einer Verhaltenspflicht praktische Bedeutung erhalten kann, eine von der Haltung des pflichtbegründenden Statuts unabhängige gesonderte Zuweisung vor, die zu einem ausländischen Recht führt, so sollte auch diese Zuweisung von der Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts bedingt sein. Ist das so im Forumstaat berufene Recht im Prinzip anwendungswillig und nur bezüglich einzelner von seinen Sachnormregelungen aufgeworfener Unterteilfragen nicht, so ist auch hier im Forumstaat eine Gesamtverweisung auf das im Prinzip anwendungswillige berufene Statut angebracht, wenn auch wiederum mit dem Vorbehalt, daß die materielle Harmonie im Forumstaat etwas anderes erfordert. Es gilt dies insbesondere, wenn der Forumstaat Fragen nach dem Übergang eines Rechts oder einer Haftung, oder Fragen nach der Auflösung eines Rechtsverhältnisses, unabhängig von der Haltung des Bestandsstatuts des Rechtes bzw. Rechtsverhältnisses einem bestimmten Recht zuweisen will. Dann sollte es z. B. Sache des auf den Übergang eines Rechts durch Rechtsgeschäft im Forumstaat anwendbaren und anwendungswilligen Rechts sein zu bestimmen, ob die Teilfrage nach der Form des Rechtsgeschäfts einem anderen Recht überlassen werden soll. Wie früher ausgeführt, ist es das Erbstatut, welches besonders häufig Vorfragen nach dem Bestehen präjudizieller Rechtsverhältnisse aufwirft, und das darauf anwendbare Recht entsprechend dem Sinn und Zweck des Erbrechtssatzes entweder nur an Hand der normalen Zuweisungsnormen im Kollisionsrecht des Erbstatutsstaates, oder unter alternativer Anwendung dieser Zuweisungen und einer weiteren Zuweisung an ein anderes anwendungswilliges Recht bestimmt; es wurde auch ausgeführt, daß es sich dabei in erster Linie 208
Das Spiegelkabinett der Rückverweisung
§9
um ein solches anderes Recht handelt, unter dem das präjudizielle Dauerrechtsverhältnis tatsächlich effektiv bestanden hat 473 . Um diese Lösung des Erbstatuts auch im Forumstaat beachtlich zu machen, muß die direkt vom jeweiligen Forumstaat ausgesprochene Berufung eines ausländischen Rechts zum Erbstatut als eine Gesamtverweisung verstanden werden, welche den einen und den anderen Weg zur Ermittlung des Rechts, das auf die vom Erbstatut aufgeworfenen Teil- und Vorfragen anzuwenden ist, miterfaßt. d) Es bleibt die Frage, wie sich der Forumstaat verhalten soll, wenn das für eine Rechtsfrage berufene ausländische Recht nicht bloß für einzelne Teilfragen auf andere Rechte verweist, im übrigen aber grundsätzlich selbst das Hauptfragenstatut stellen will, sondern wenn das berufene fremde Recht grundsätzlich nicht auf die vom Kollisionsrecht des Forumstaates als Hauptfrage gefaßte Frage angewendet werden will. Verweist das so nicht anwendungswillige Recht auf ein drittes Recht unter der Bedingung, daß es selbst angewendet werden will, so kann ein Eingehen des Forumstaates auf diese Stellungnahme des berufenen Rechts im Einzelfall zu demselben Postulat führen wie die Verwendung einer subsidiären Zuweisung durch den Forumstaat: Verweist das Kollisionsrecht von F auf das Recht A, will das Recht A nicht selbst angewendet werden, und verweist das Kollisionsrecht von A auf das von sich aus anwendungswillige Recht B, so kann mit der Beachtung dieser Weiterverweisung im Forumstaat das gleiche Resultat zustande kommen, wie es dann zustande kommt, wenn F für den Fall der Nichtanwendungswilligkeit des primär berufenen Rechts A eine subsidiäre bedingte Zuweisung auf das Recht B vorsieht. Subsidiäre Ermittlung eines anderen anwendungswilligen Rechts und Gesamtverweisung können aber auch zu divergierenden Resultaten führen: Die Weiterverweisung durch A kann auf ein anwendungswilliges Recht B hingehen, während die subsidiäre Zuweisung des Forumstaates auf ein ebenfalls anwendungswilliges Recht C stoßen kann. Im Lichte der allgemeinen Postulate gebührt hier der Vorzug einer subsidiären Zuweisung durch den Forumstaat48, und nicht der Weiterverweisung durch das berufene, aber selbst nicht anwendungswillige Recht. Bestehen zwar Verknüpfungen mit weiteren Staaten als demjenigen, dessen Recht vom Kollisionsrecht des Forumstaates berufen, aber nicht anwendungswillig ist, läßt sich aber kein anwendungswilliges drittes Recht finden, so ist, wie später noch darzulegen, möglicherweise ein verknüpftes, aber nicht anwendungswilliges Recht gegen seinen Willen zur Anwendung zu bringen. Kommen nur der Forumstaat und der Staat des berufenen, aber nicht anwendungswilligen Rechtes in Frage, und verweist jeder Staat auf das Recht des anderen, so führt die Deutung beider Verweisungen als Gesamtverweisung, wie schon erwähnt, zu dem Spiegelkabinett endloser Rückverweisungen zwischen den beiden Rechten. Für ein solches Spiegelkabinett kann und muß dann eine „gewaltsame" Lösung gefunden werden. Sie kann darin bestehen, daß im Forumstaat eine subsidiäre unbedingte Sachnormverweisung auf das berufene Recht angenommen wird. Die Lösung kann aber auch darin bestehen, daß die auf das „Recht" des Forumstaates zurückverweisende Gesamtverweisung des berufenen Rechts in eine Sachnormverweisung umgedeutet, und das eigene Recht des Forumstaates angewendet wird. Werden sowohl die Gerichte des Staates F als auch die des Staates A angerufen, und beenden beide Staaten das Spiegelkabinett mit Hilfe der gleichen Lösungsmethode, so kommt es nicht zur Entscheidungsgleichheit, es sei denn, daß die beiden in Frage stehenden Rechte ohnehin inhaltlich gleich sind. Verwenden die beiden Staaten unterschiedliche Auswege aus dem Spiegelkabinett, so kommt es dazu, daß sie dasselbe Recht anwenden. Es ist aber auch möglich, daß ein Staat die von ihm ins Auge gefaßte „letzte" Lösung erst dann zum Zuge kommen lassen will, wenn es nicht möglich ist, daß er sich einer bereits definitiven letzten Lösung des anderen Staates anschließen kann 49 . 209
§9
Ignorierung der beschränkten Anwendungsunwilligkeit
Ein wichtiger Gesichtspunkt, der für die Wahl zwischen drei Rechten, von denen zwei sich gegenseitig mit einer bedingten Verweisung berufen, während ein von sich aus anwendungswilliges drittes Recht Ziel einer subsidiären Zuweisung des Forumstaates sein könnte, eine Rolle spielen kann, ist die Gleichheit der Inhalte der in Frage kommenden Sachnormen: Weicht das eigene nicht primär anwendungswillige Inlandsrecht des Forumstaates F von dem bedingt berufenen, aber ebenfalls nicht primär anwendungswilligen Inlandsrecht des Staates A nicht ab, und verweist das Kollisionsrecht von A auf das Recht von F zurück, so ist es vertretbar, daß in F (und in A) das übereinstimmende Recht 5 0 dieser beiden Staaten zur Anwendung gebracht wird, und daß die subsidiäre Zuweisung des Forumstaates an das inhaltlich abweichende Recht B nicht zum Zuge kommt. Bezieht sich die zu beantwortende Rechtsfrage auf das Bestehen einer Verhaltens- oder Leistungspflicht, so setzt das soeben Gesagte allerdings voraus, daß weder der Staat F, der das Anknüpfungsmoment X verwendet, welches nach A hingeht, noch der Staat A, der das Anknüpfungsmoment Y verwendet, welches nach F hingeht, ausdrücklich oder stillschweigend eine eigene Spezialrechtsnorm eingreifen lassen will, wonach bei dieser Konstellation der Verknüpfungen das in den Inlandsrechten verbotene Verhalten frei sein soll. e) Es kann schließlich so sein, daß das im Forumstaat für eine Rechtsfrage — etwa die Erbfolge — berufene Recht nur für einen quantitativ beschränkten Teil dieser Frage anwendungswillig, im übrigen jedoch nicht anwendungswillig ist: Das für die Erbfolge berufene Heimatrecht will etwa für den beweglichen Nachlaß, nicht aber für Grundvermögen Anwendung finden und verweist bezüglich des Grundvermögens auf die lex rei sitae. Hier kann der Forumstaat es ablehnen, das berufene Recht in der von ihm gewollten Beschränkung anzuwenden. Es kann dann durch eine subsidiäre Verweisung nach einem anderen Recht gesucht werden, das ohne Einschränkung Anwendung finden will, wenn der Forumstaat sich nicht entschließt, sofort das berufene, aber nur zum Teil anwendungswillige Recht gegen dessen Willen auf die Rechtsfrage in ihrem ganzen Umfang anwenden zu lassen. Die Nichtberücksichtigung einer quantitativ beschränkten Anwendungswilligkeit kann insbesondere damit gerechtfertigt sein, daß der Forumstaat die interne Harmonie durch eine solche Aufteilung als gefährdet betrachtet 51 . 5. Hinnahme der Anwendungsunwilligkeit des berufenen Gesamtverweisung oder subsidiäre Zuweisung
Rechts
ohne
Selbst wenn einerseits generell jede Zuweisung an ein Recht davon abhängig gemacht würde, daß ein berufenes ausländisches Recht selbst anwendungswillig ist, und wenn andererseits nicht jedes selbst anwendungswillige Recht durch eine subsidiäre Zuweisungsnorm berücksichtigt würde — und wenn von dem Fall abgesehen wird, daß nur zwei Rechte beteiligt sind und jedes auf das andere verweist —, ist es selten, daß keines der verknüpften Rechte selbst angewendet werden will. Die traditionellen Lehren haben diesem seltenen Fall auch deshalb keine Beachtung geschenkt, indem sie entweder die nicht von der Anwendungswilligkeit bedingte Sachnormverweisung propagieren, oder sich bei Zugrundelegung der Gesamtverweisung der Hoffnung hingeben, es werde damit ein anwendungswilliges Recht gefunden, oder die letzte Verweisung sei als unbedingte Sachnormverweisung zu verstehen. Trotzdem wird gelegentlich schon im positiven Recht das Resultat dessen, daß kein Recht selbst anwendbar sein will, als Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage hingenommen: Sind die Gerichte angewiesen, in den vom Gesetz bezeichneten Fällen über Scheidungsklagen zu entscheiden, aber nur das eigene Recht anzuwenden, und gegebenenfalls Scheidungsurteile anderer entsprechend verfahrender Staaten anzuerkennen, so wird es hingenommen, daß möglicherweise in einem heterogen verknüpften Fall gar kein Recht zur Scheidung zuständig ist. Die Ehe ist dann unscheidbar, bis eventuell eine Partei eine neue 210
Anwendungsunwilligkeit eines alternativ berufenen Rechts
§9
Verknüpfung zum Entstehen bringt, mit deren Hilfe es zu einem anwendungswilligen Scheidungsrecht k o m m t 5 2 . Wird, wie z. B . im englischen internationalen Privatrecht, für die Zusprechung eines Schadensersatzanspruchs im Forumstaat gefordert, daß die ursächliche Handlung im Staat des Handlungsortes verboten war, und daß sie, wenn sie im Forumstaat begangen worden wäre, auch dort als verboten und als G r u n d für einen Schadensersatzanspruch zu gelten hätte, so wird es auch hingenommen, daß eine Schadensersatzklage abzuweisen ist, weil der Staat des Handlungsortes die Anwendung seines Verbotes durch seine Gerichte nicht vom Handlungsort, sondern vom inländischen Wirkungsort abhängig macht, und daß der Staat des Wirkungsortes eine gleiche materiellrechtliche Bestimmung nicht kennt. D e r U m s t a n d , daß jeder Staat nur das eigene Strafrecht anwenden läßt, kann dazu führen, daß eine Tat weder vom Strafrecht des Handlungsortes, noch vom Strafrecht eines anderen Staates erfaßt wird, o b w o h l die Strafbestimmungen in allen Staaten übereinstimmen, und keiner ein Interesse daran hat, daß eine L ü c k e zwischen den Strafgesetzen entsteht. W i r d das zur Beurteilung von deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen berufene Privatrecht in einer bilateralen Kollisionsnorm mit Hilfe eines einzigen A n k n ü p f u n g s m o ments bestimmt, und gilt die kausale Handlung nur dann als rechtswidrig, wenn sie von einem mit öffentlich-rechtlichen Unrechtsfolgen versehenen Gesetz verboten war, so führt die im Strafrecht nicht ausgefüllte L ü c k e zwischen den Anwendungsbereichen der Strafgesetze dazu, daß auch der Schadensersatzanspruch entfällt. Ist der Forumstaat bereit, alternativ zu Gunsten des Klägers die V e r b o t s n o r m e n und die die Schadensersatzpflicht begründenden Sätze aus dem einen oder dem anderen R e c h t anzuwenden, und geht die eine Verknüpfung zu einem Staat, der das vom Forumstaat ausgesprochene V e r b o t nicht kennt, so ist auf G r u n d des Rechtes des Forumstaates Schadensersatz auch dann zuzusprechen, wenn das alternativ berufene R e c h t nicht angewendet werden will. Erst wenn zwei ausländische R e c h t e berufen sind, die beide V e r b o t und Schadensersatzanspruch vorsehen, und beide R e c h t e nicht angewendet werden wollen, stellt sich die Frage, ob nicht diese beiden R e c h t e für diesen Fall als subsidiär anwendungswillig zu verstehen s i n d 5 2 a . Ist für die Frage nach der gültigen Begründung eines Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft ein bestimmtes R e c h t berufen und anwendungswillig, so kann es doch so sein, daß entweder der Forumstaat, oder das anwendungswillige Statut die Entstehung des Rechtsverhältnisses zusätzlich auch n o c h davon abhängig machen will, daß bestimmte Gültigkeitsvoraussetzungen vorliegen, sofern ein bestimmtes anderes R e c h t sie aufstellen sollte. Will nun dieses andere R e c h t auf den Fall angesichts der bestehenden V e r k n ü p f u n gen gar nicht selbst angewendet werden, so entsteht hier keine L ü c k e , zu deren Ausfüllung nach einem anderen R e c h t gesucht werden m ü ß t e : Ist nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates auf eine A d o p t i o n das Heimatrecht des Adoptierenden anwendbar, und bestimmt entweder der Forumstaat, oder das grundsätzlich anwendungswillige H e i m a t recht des Adoptierenden, daß das Zustandekommen der Adoption die Zustimmung von Blutsverwandten des Adoptierten erfordert, wenn das Heimatrecht des Adoptierten eine solche (im Heimatrecht des Adoptierenden noch nicht vorgesehene) Zustimmung vorsieht, so wird dieses zusätzliche Erfordernis hinfällig, wenn das Heimatrecht des Adoptierten selber gar nicht angewendet werden w i l l 5 3 . Weist das Geschäftsstatut die F o r m alternativ der lex loci actus und dem gemeinsamen Heimatrecht der Vertragschließenden zu, während auf alle Fälle die W a h r u n g der F o r m des Geschäftsstatuts ausreichen soll, so kann ohne Bedenken die Anwendbarkeit der beiden anderen R e c h t e von ihrer Anwendungswilligkeit abhängig gemacht werden. Sind nun beide nicht anwendungswillig, so braucht eine subsidiäre Zuweisung nicht gebildet zu werden. K a n n aber auch die F o r m des Geschäftsstatuts bei Geschäftserrichtung im Ausland nicht
211
§9
Anwendungsunwilligkeit aller berufenen Rechte
gewahrt werden, so nötigt auch das nicht unbedingt zur Suche nach einem anderen anzuwendenden Recht. Vielmehr ist dem Gesetzgeber des Geschäftsstatuts zu unterstellen, daß er es den Parteien freistellt, das Geschäft eben anderswo als an dem von ihnen selbst gewählten Errichtungsort zu errichten. Nur wenn dies — oder die damit verbundene Verzögerung der Geschäftserrichtung — nach Lage der Dinge unzumutbar ist, wird der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts eine Form genügen lassen, deren Wahrung am Errichtungsort möglich ist, auch wenn das Errichtungsland die Benutzung dieser Form für das unter ausländischem Recht stehende Geschäft nicht selbst billigt. 6. Welches Recht ist bei Anwendungsunwilligkeit anzuwendenf
aller berufenen
Rechte
Ist der Urheber der Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates entschlossen, eine gestellte, und nur mit ja oder nein zu beantwortende Rechtsfrage auch dann nicht als verneint betrachten zu lassen, wenn keines der auf irgendeine Weise berufenen Rechte anwendungswillig ist, so bieten sich mehrere Wege zu einer Lösung an: Es könnte bestimmt werden, daß das primär vom Kollisionsrecht des Forumstaates berufene Recht nun doch noch mangels eines anderen anwendungswilligen Rechts zur Anwendung gebracht werden soll. Es kann aber auch bestimmt werden, daß dasjenige nationale Recht angewendet werden muß, zu dessen Anwendung eine Mehrheit der anderen beteiligten Staaten auf Grund ihrer bilateralen Zuweisungsnormen bereit gewesen wäre. Was hingegen mit den allgemeinen Leitprinzipien sicher nicht zu vereinbaren wäre, ist der Gedanke, daß die aus irgendeinem Grunde international zuständigen Gerichte jedes Forumstaates mangels eines anwendungswilligen anderen Rechts einfach das eigene normale Inlandsrecht anzuwenden hätten. Diese Lösung würde die Chance einer Entscheidungsgleichheit endgültig zunichte machen. Welche der obengenannten Wege zu beschreiten sind, darauf gibt es nicht für alle Fälle dieselbe Antwort. Weist der Forumstaat selbst irgendeine Rechtsfrage einem ausländischen Recht zu, das sich grundsätzlich als anwendungsunwillig erweist, und führt auch die „Befragung" von subsidiär berufenen Rechten nicht zu einem anwendungswilligen Recht, stimmen jedoch die Zuweisungen der Kollisionsrechte der beteiligten Staaten mehrheitlich darin überein, daß ein bestimmtes selbst nicht anwendungswilliges nationales Recht berufen sei, so sollte wohl im Forumstaat dieses Recht zur Anwendung gebracht werden. Ist eine derartige Mehrheit unter den beteiligten Staaten nicht zu ermitteln, so sollte geprüft werden, ob unter den beteiligten Staaten eine Mehrheit mit übereinstimmendem materiellen Recht festgestellt werden kann, und dieses übereinstimmende Recht zur Anwendung gebracht werden. Ist auch dies nicht der Fall, so sollte von der Suche nach einem nationalen Recht abgesehen und unter Berücksichtigung des Inhalts der beteiligten Rechte eine Billigkeitslösung gebildet werden. Ganz anders ist zu verfahren, wenn ein Staat sein eigenes Recht „im Prinzip" auf die vom Forumstaat gestellte Rechtsfrage angewendet haben will, und wenn es nur für eine von dem anwendungswilligen Recht in seiner Sachnorm aufgeworfene Teilfrage so ist, daß das im Prinzip anwendungswillige Recht für sie nicht maßgebend sein will. Dann ist, wie oben ausgeführt, das von dem Hauptfragenstatut berufene Teilfragenstatut anzuwenden. Es bleibt nur die Frage, ob auch seine Anwendungswilligkeit geprüft werden muß. Das ist dann der Fall, wenn der Urheber des Hauptfragenstatuts entschlossen ist, bei Anwendungsunwilligkeit des Teilfragenstatuts die gestellte Frage als verneint zu betrachten. Soll das nicht geschehen, so sollte das für die Teilfrage berufene Recht zur Anwendung gebracht werden, ohne zu prüfen, ob auch der Urheber der betreffenden Norm eine Anweisung gibt, sie durch seine Gerichte zur Anwendung zu bringen. Die Richtigkeit dieser Lösung läßt sich am deutlichsten aufzeigen, wenn das im Prinzip auf die Frage nach 212
Rechtsvergleichendes zur Gesamtverweisung usw.
§9
der Begründung von Rechtspflichten durch Rechtsgeschäft anwendungswillige Recht (das „Geschäftsstatut") nur die Teilfrage nach der Formgültigkeit einem anderen Recht zuweist: Folgt das internationale Privatrecht des so als Formstatut berufenen Rechts der Grundstatutsmethode, und erkennt es das selbst anwendungswillige Geschäftsstatut als solches an, so wird es auch eine unbedingte Sachnormverweisung auf seine Formvorschriften respektieren. Folgt das als Formstatut berufene Recht der Grundstatutsmethode, sieht es aber ein anderes Recht als das Geschäftsstatut an, so wird es die Verweisungen dieses anderen Geschäftsstatuts in bezug auf die Formfrage beachten. Dann hat der Gesetzgeber, der selbst sein Recht als Geschäftsstatut angewendet wissen will, keine Veranlassung, seine Zuweisung der Teilfrage nach der Form zugunsten der Haltung des anderen anwendungswilligen Geschäftsstatuts aufzugeben. Ist das vom Grundstatut berufene Teilfragenstatut deshalb nicht anwendungswillig, weil das internationale Privatrecht des Teilfragenstatuts eine selbständige Zuweisung gebildet hat, so gilt das früher Ausgeführte 54 . 7. Die Gestaltung der Zuweisungen
im positiven
Recht
Das positive Recht vieler Staaten trägt den bisher dargestellten Konsequenzen, die aus den allgemeinen Prinzipien sich für die Frage der Ausgestaltung der Zuweisung ergeben, nur ungenügend Rechnung. So werden weitgehend im Sinne der Mosaikmethode Rechtsfragen, die nur als Teilfragen innerhalb einer Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht einen Sinn haben, unabhängig vom Hauptfragenstatut durch kollisionsrechtliche Vorschriften des jeweiligen Forumstaates selbständig angeknüpft, ohne daß dafür eine Rechtfertigung durch die Wahrung der materiellen Harmonie oder durch außenprivatrechtspolitische Gesichtspunkte besteht; oder es wird die Anwendung des materiellen Rechts des Hauptfragenstatuts auf Teilfragen angordnet, ohne zu beachten, daß in dem Staat, der das Hauptfragenstatut stellt, dieses Recht auf die Teilfrage nicht, oder nicht allein, anzuwenden ist. So ordnet im Sinne der Mosaikmethode das deutsche internationale Privatrecht bei Schuldverträgen die alternative Anwendung der Formvorschriften des Geschäftsstatuts und der lex loci actus an, ohne zu fragen, wie das Kollisionsrecht des ausländischen Schuldstatuts sich dazu stellt; das Kollisionsrecht des deutschen Forumstaates ordnet die alleinige Anwendbarkeit der Formvorschriften des ausländischen Geschäftsstatuts für Verfügungen über Sachenrechte an, ohne zu fragen, ob nicht das Geschäftsstatut ausschließliche oder alternative Anwendungen der Formbestimmungen anderer Rechte vorsieht. Bei erbrechtlichen Verfügungen über einzelne Sachen durch Testament will hingegen das deutsche internationale Privatrecht unabhängig von der Haltung des Erbstatuts wieder dieselbe kollisionsrechtliche Regelung bezüglich der Form treffen, wie sie für Schuldverträge gilt. Treffen irgendwelche in bilateralen Zuweisungsnormen des Forumstaates enthaltenen Verweisungen auf ausländisches Recht, so wird in den meisten Rechten vorwiegend nur die Frage gestellt, ob alle derartigen Verweisungen als unbedingte Sachnormverweisungen oder als Gesamtverweisungen zu deuten sind; einige Länder lehnen die Gesamtverweisung grundsätzlich ab, andere bejahen sie ebenso grundsätzlich, andere bilden Zwischenlösungen 5 5 . Nur selten wird im positiven Recht die Verweisung auf ausländisches Recht ausdrücklich von der Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts abhängig gemacht 56 und durch eine subsidäre Zuweisung im Kollisionsrecht des Forumstaates ergänzt. Im deutschen internationalen Privatrecht sind es nur die güterrechtlichen und erbrechtlichen Vorschriften, von denen im Gesetz bestimmt, bzw. in Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen von der Rechtsprechung angenommen wird, daß die unter Anknüpfung an den Lageort ermittelten Sachnormen unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit als Lagerecht primär berufen sind, und daß mangels anwendungswilliger Bestimmungen dieser Art, also 213
§9
Versteckte Rückverweisung
subsidiär, das Heimatrecht (des Ehemannes bzw. Erblassers) anzuwenden ist, während bei Anwendungsunwilligkeit dieses Heimatrechts nicht etwa ein anderes subsidiär anwendbares Recht bestimmt, sondern mit Gesamtverweisung gearbeitet wird 57 . Das schweizerische internationale Privatrecht kennt bisher primäre Berufung des Wohnsitzrechts unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit, und subsidiäre Berufung des Heimatrechts, sofern es sich um Schweizer Recht handelt 58 . 8. Die Gesamtverweisung als Mittel zur unparitätischen Erweiterung dungsbereichs der eigenen Sachnormen des Forumstaates
des
Anwen-
Eine Deutung der Verweisung auf ausländisches Recht als Gesamtverweisung wird von vielen nicht deshalb befürwortet, weil man die Anwendungsunwilligkeit des berufenen ausländischen Rechts respektieren will und in der Gesamtverweisung den geeignetsten Ausweg sieht, sondern geschieht oft in der Erwartung, daß das mit eigenen Sachnormen nicht anwendungswillige ausländische Recht auf das Recht des Forumstaates zurückverweist, und daß damit eine Chance besteht, im Forumstaat dem eigenen Recht über den durch paritätische Zuweisungsnormen zugewiesenen, und eventuell schon durch unparitätische einseitige Zuweisungsnormen erweiterten Anwendungsbereich hinaus einen weiteren Anwendungsbereich zu verschaffen. Dem Bestreben, die Erweiterung des Anwendungsbereiches der lex fori zu rechtfertigen, dient es auch, wenn die Rückverweisung, falls es zum Spiegelkabinett kommt, in eine unbedingte Sachnormverweisung umgedeutet wird 59 , auch wenn das System der subsidiären Zuweisungen es vielfach ermöglichen würde, ein selbst primär anwendungswilliges drittes Recht heranzuziehen. Das Bestreben, es möglichst oft zur Anwendung des Inlandsrechts des Forumstaates kommen zu lassen, steht schließlich hinter dem Gedanken, es sei auch eine „versteckte Rückverweisung" des berufenen Rechts zu beachten. Eine versteckte Rückverweisung wird darin gesehen, daß der Staat, dessen Recht im Forumstaat berufen ist, bereit ist, eine Gerichtsentscheidung des Forumstaates, die unter Anwendung der lex fori ergangen ist, anzuerkennen, auch wenn der fremde Staat seinen eigenen Gerichten die Anwendung dieses Rechts nicht aufgibt 60 . Eine versteckte Rückverweisung liegt in der Tat vor, wenn der in der Zuweisungsnorm des Forumstaates angesprochene fremde Staat die Entscheidungen der Gerichte des Forumstaates nur unter der Voraussetzung anerkennt, daß sie unter Anwendung der lex fori des entscheidenden Gerichts ergangen sind. Derartige Bestimmungen sind aber im positiven Recht äußerst selten 61 . Die Lehre von der versteckten Rückverweisung will eine solche aber in anderen Fällen annehmen: Selbst wenn der Staat, auf dessen Recht durch das internationale Privatrecht des Forumstaates verwiesen wird, ausländische Entscheidungen anerkennt, falls entweder nach dem Recht des anerkennenden Staates oder nach dem Recht des Staates, dessen Gerichte entschieden haben, oder gar nach dem Recht eines dritten Staates entschieden worden ist, so kann, wie oben 62 dargelegt, noch nicht gesagt werden, daß das vom Forumstaat berufene Recht seine eigene Anwendung grundsätzlich ablehnt und zugleich auf das Recht des Forumstaates zurückverweist. Dies gilt sowohl dann, wenn in dem Staat des berufenen Rechts kein zuständiges Gericht vorhanden ist, als auch dann, wenn der Staat des berufenen Rechts eigene Gerichte als zuständig erklärt und sie anweist, sein eigenes Recht anzuwenden63, obwohl er sich bereit erklärt, die Entscheidungen der Gerichte anderer Staaten, falls sie als der erste angerufen werden, ohne Rücksicht auf das angewendete Recht anzuerkennen. Demgemäß bietet auch das positive Recht kein Beispiel dafür, daß ein Forumstaat anstelle des in seinen Zuweisungsnormen bezeichneten ausländischen Rechts auf Leistungsklagen sein eigenes Recht allein deshalb anwenden läßt, nur weil nachgewiesen ist, daß der Staat mit dem berufenen Recht die Entscheidungen des Forumstaates ohne Prüfung, welches Recht darin angewendet wurde, anerken214
Zuweisung an mehrere Rechte
§9
nen und vollstrecken würde 6 4 . Es ist aber auch kein Grund vorhanden, um bei gerichtlichen Gestaltungsakten oder konstitutiven Feststellungen im Sinne der Lehre von der versteckten Rückverweisung anderes anzunehmen 6 5 . Die Annahme der versteckten Rückverweisung seitens des Forumstaates läßt sich auch hier nicht etwa damit rechtfertigen, daß der Statutsstaat den Parteien eine versteckte Wahl des anwendbaren Rechts dadurch ermögliche, daß er bereit ist, die von Behörden des anderen Staates gemäß deren lex fori gebildeten Staatsakte anzuerkennen unter der Voraussetzung, daß die Parteien den Staatsakt unter diesem Recht von dem betreffenden Staat erbeten haben. Daß das Staatsorgan, bei dem die Errichtung eines Staatsaktes beantragt wird, entgegen den gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisungen sein eigenes Recht anwenden muß, kann das Staatsorgan nicht daraus entnehmen, daß der Statutsstaat sich bereit erklärt, den Staatsakt anzuerkennen, wenn die Parteien ihn beantragt und die Anwendung der lex fori gewünscht haben. Ist in dem Staat, der seine Gerichte zu einer Ehescheidung als zuständig erklärt, ausländisches Recht berufen, und würde das berufene Recht es dem Kläger ermöglichen, das eine oder das andere Scheidungsrecht zu wählen, so würde die Beachtung dieses einseitigen Wahlrechts in vielen Forumstaaten mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel verneint werden; dann aber kann ein Wahlrecht der klagenden Partei auch nicht in Gestalt der versteckten Rückverweisung beachtlich werden. Auch die Anwendung des eigenen Rechts auf Grund versteckter Rückverweisung erklärt sich letztlich nur aus dem Bestreben, die zunächst hingenommene paritätische Aufteilung der heterogen verknüpften Fälle auf die Rechte der verschiedenen Staaten nicht bloß als durch das Erfordernis der Anwendungswilligkeit ausländischen Rechts modifiziert zu betrachten, sondern möglichst oft der lex fori einen unparitätisch großen Anwendungsbereich zu verschaffen. Gerade diese Absicht ist aber, wie früher ausgeführt, grundsätzlich zu verwerfen. c) Zuweisung an mehrere Rechte Die Rechtsfrage, deren Beantwortung gemäß dem in der Rechtsanwendungsanweisung als anwendbar erklärten Recht erfolgen soll, wird bei Verwendung der Zuweisungsmethode meist einem einzigen durch ein bestimmtes Anknüpfungsmoment ermittelten staatlichen Recht zugewiesen, wobei von den tatsächlich vorhandenen Verknüpfungen zu den verschiedenen Staaten, wie später noch zu erörtern, meist diejenige Verknüpfung zum Anknüpfungsmoment erhoben wird, welche vom Urheber der Rechtsanwendungsanweisung als die „gewichtigere" betrachtet wird. 1. Wenn nun der Urheber der internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen glaubt, daß zwei oder gar mehr der bestehenden Verknüpfungen absolut gleich gewichtig sind, mag er dies zum Anlaß nehmen um zu bestimmen, daß die Zuweisung einfach auf alle diese Rechte zugleich hingehen soll 6 6 . Wie früher bereits ausgeführt, wäre es sogar denkbar, generell alle staatlichen Rechte, die auf Grund einer völkerrechtlich ausreichenden Verknüpfung zu dem betreffenden Staat selbst anwendungswillig sind, als im Forumstaat zugleich berufen zu betrachten 67 . Hiergegen spricht allerdings schon die Erwägung, daß damit die mit unparitätischen Zuweisungen zugunsten des eigenen Rechts arbeitenden Staaten vor den mit paritätischen Zuweisungsnormen arbeitenden staatlichen Rechten bevorzugt würden. Die Berufung mehrerer Rechte zur gleichzeitigen Anwendung auf dieselbe Rechtsfrage bereitet sicher keinerlei Komplikationen, wenn die Verweisung unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit erfolgt, und wenn tatsächlich nur eines der berufenen Rechte anwendungswillig ist. Gleichzeitige Anwendung mehrerer Rechte ist auch dann praktikabel, wenn die berufenen Rechte zufällig inhaltsgleich sind 6 8 . Schließlich kann die Berufung mehrerer Rechte zur gleichzeitigen Anwendung durchführbar sein, wenn die ihnen zuge215
§9
Vorrangsregeln
wiesene „Frage" dahin formuliert ist, ob die Rechtswirkung A, oder die Rechtswirkung B, oder die Rechtswirkung A + B eintreten soll, und wenn das eine berufene Recht die Rechtswirkung A, das andere die Rechtswirkung B vorsieht. Die Zuweisung an mehrere Rechte führt dann zu Komplikationen, wenn die berufenen Rechte einander in der Beantwortung der gestellten Frage absolut widersprechen, oder wenn sie Lösungen vorsehen, die miteinander sonstwie nicht harmonieren, wenn also z. B. das eine Recht die Vornahme einer Handlung als geboten, das andere sie als verboten bezeichnet, oder wenn die für ein und denselben Zweck bestimmte Leistung nach dem einen Recht nur von X, nach dem anderen Recht nur von Y eingeklagt werden kann. In diesen Fällen hindert das Postulat der Wahrung der materiellen Harmonie im Forumstaat, daß der Richter im Forumstaat als angewiesen gelten müßte, widerspruchsvolle oder nicht miteinander harmonierende Urteile auszusprechen. Die Abgrenzung zwischen den Fällen, in denen die gleichzeitige Anwendung mehrerer Rechtsbestimmungen aus verschiedenen Ländern trotz inhaltlicher Divergenzen als tragbar erscheint, und den Fällen, in denen das nicht so ist, kann allerdings Schwierigkeiten bereiten. Dann, wenn die gleichzeitige Anwendung mehrerer berufener Rechte mit Rücksicht auf die materielle Harmonie unmöglich ist, ist an zwei verschiedene Wege zu einer Abhilfe zu denken: Der Richter im Forumstaat kann durch Vorrangsregeln angewiesen werden, in einem solchen Fall nur eines der berufenen Rechte anzuwenden und das andere zu ignorieren. Er kann auch angewiesen werden, soweit möglich eine Mittellösung zwischen den untereinander nicht harmonierenden Rechten zu bilden und dann, wenn dies nicht möglich ist, frei nach Billigkeit zu entscheiden. 2. Wird der Weg der Bildung von Vorrangsregeln in der zweiten Phase eingeschlagen, so kann dabei auf die Herkunft der Rechtssätze abgestellt werden; es könnte also z. B. der anwendungswillige Rechtssatz des eigenen Rechts des Forumstaates unter allen Umständen vor einem damit nicht harmonierenden und zugleich berufenen ausländischen Rechtssatz vorzuziehen sein 69 . Werden Vorrangsregeln für das Verhältnis zwischen ausländischen Rechtssätzen unter sich gebildet, und dabei der durch eine bestimmte Art der Verknüpfung mit dem Urheberstaat ausgezeichnete Rechtssatz dem damit nicht harmonierenden Rechtssatz des anderen Rechts vorgezogen, so läuft das letztlich auf dasselbe hinaus wie die Verwendung bilateraler Zuweisungsnormen: Würden alle von sich aus anwendungswilligen Rechtssätze berufen mit der Maßgabe, daß dann, wenn ihre gleichzeitige Anwendung an dem Erfordernis der materiellen Harmonie scheitert, das durch ein bestimmes, vom internationalen Privatrecht des Forumstaates angegebenes, Anknüpfungsmoment ausgezeichnete Recht den Vorrang genießt und allein angewendet wird, so unterscheidet sich das kaum von einem System, bei dem das internationale Privatrecht des Forumstaates eine Staffel von Anknüpfungsmomenten aufstellt, an Hand deren die verschiedenen anwendungswilligen Rechte «beieinander berufen werden 70 . Gelten zunächst mehrere Rechte als zugleich berufen, können sie aber nicht zugleich angewendet werden, so kann eine Vorrangsregel aber auch auf anderes als die Herkunft der Rechtssätze, also die Art der zum Urheberstaat bestehenden Verknüpfungen, abstellen. Vor allem kann ein bestimmter Inhalt, und damit die Fähigkeit des Rechtssatzes zur Erzielung eines bestimmten Ergebnisses, vorgezogen werden. Es kann also z. B. darauf abgestellt werden, welches Recht die umfangreichste — oder umgekehrt, welches Recht die schwächste — Leistungspflicht vorsieht; es kann darauf abgestellt werden, welches Recht die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts am meisten begünstigt usw. Besonders wichtig ist die Frage der Gestaltung der Vorrangsregeln für den Fall, daß von mehreren zugleich berufenen Rechten das eine eine bestimmte Verhaltenspflicht, und damit eine Beschränkung der allgemeinen menschlichen Freiheit vorsieht, während das andere das betreffende Verhalten als frei erklärt. Bei gesetzlichen Verhaltensgeboten läßt 216
Ergebnisbedingte Vorrangsregeln
§9
sich aus bereits früher erwähnten Gründen 7 1 sagen, daß eine Vorrangsregel zugunsten der freiheitsbeschränkenden Norm gelten sollte, jedenfalls, wenn der Normadressat die Entstehung der Verknüpfungen zu mehreren Rechten selbst veranlaßt hat, oder wenn es in seiner Macht steht, die heterogen verknüpfte Situation zu einer homogen verknüpften Situation zu machen. Desgleichen ist eine Zuweisung der Frage nach gesetzlichen Leistungspflichten (Unterhalt, Ersatz für ohne Verschulden verursachte Schäden) an mehrere divergierende Rechte meist wohl als eine alternative Zuweisung an das dem eventuellen Leistungsempfänger günstigere Recht zu verstehen. Mit ergebnisbedingten Vorrangsregeln für nebeneinander berufene Rechte wird unvermeidlicherweise durch den Urheber der Rechtsanwendungsanweisung eine materiellrechtliche Entscheidung getroffen. Das kann trotz der grundsätzlichen materiellrechtlichen Neutralität des internationalen Privatrechts 713 als gerechtfertigt angesehen werden, wenn der Forumstaat der Meinung ist, daß für zwei oder mehr anwendungswillige Rechte eine absolut gleiche Intensität der kollisionsrechtlichen Gesichtspunkte für ihre Anwendbarkeit gegeben ist. Die Chance, daß es zu gleichen Entscheidungen der gestellten Rechtsfrage in verschiedenen Forumstaaten kommt, wird auf diese Weise jedoch wieder gemindert. Am deutlichsten wäre dies, wenn jeder Forumstaat bestimmen würde, daß von mehreren zugleich berufenen und anwendungswilligen Rechten dasjenige zum Zuge kommen soll, welches das eigene Recht des Forumstaates ist, oder welches diesem am ähnlichsten ist. Unbedingt verwerflich wäre es, wenn der Vorrang demjenigen Recht gegeben werden sollte, welches der mit dem Forumstaat etwa durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz verknüpften Partei am günstigsten ist 7 2 . Dieses Kriterium versagt ohnehin, wenn beide Parteien in gleicher Weise mit dem Forumstaat, oder wenn keine von ihnen in der vorgesehenen Weise mit dem Forumstaat verknüpft ist. Eine solche Regelung wäre höchstens als Retorsion gegenüber einem anderen Staat, der selbst solche Vorschriften hat, zu rechtfertigen. Ist das Bestehen eines durch Rechtsgeschäft zu begründenden Rechtsverhältnisses Hauptfrage, so läßt sich die nicht selten anzutreffende Meinung, es sei von mehreren mit einem Rechtsgeschäft verknüpften Rechten dasjenige auf die Frage der Gültigkeit anzuwenden, welches (im konkreten Fall) zu einer bejahenden Antwort führt 7 3 , nicht aus den allgemeinen Prinzipien des allgemeinen internationalen Privatrechts begründen. Es ist nicht einzusehen, daß das Interesse der im Rechtsstreit an der Gültigkeit interessierten Partei bei heterogen verknüpften Verträgen stärker beachtet werden sollen als das Interesse desjenigen, welchen gerade dasjenige Recht „schützen" will, das zusätzliche Gültigkeitserfordernisse aufstellt 74 . Die die Gültigkeit fördernde alternative Anwendung mehrerer Rechte auf ein einzelnes Gültigkeitserfordernis (z. B. Form) könnte eventuell als Ausgleich dafür zu rechtfertigen sein, daß bei heterogen verknüpften Rechtsgeschäften die Beschaffung der Kenntnis vom Inhalt des maßgeblichen Rechts den Beteiligten unverhältnißmäßig größere Schwierigkeiten bereitet als in homogen verknüpften Situationen. Hält man zugunsten der Gültigkeit des Vertrages, durch welchen Verhaltenspflichten begründet werden, alternative Anwendung mehrerer Rechte auf die Frage der Konsensmängel als der heterogenen Verknüpfung adäquat, so könnte man zum Ausgleich auch alternative Anwendung anderer gesetzlicher Vorschriften bejahen, die den Abschluß „verbieten" und dieses Verbot durch Ungültigkeit der verbotswidrig geschlossenen Rechtsgeschäfte sanktionieren. 3. Bei Rechtsfragen, die sich auf die Veränderung oder die Beendigung eines zunächst einmal gültig entstandenen Rechtsverhältnisses oder auf den Wechsel der hieran beteiligten Personen beziehen, ist Berufung mehrerer Rechte unter Bevorzugung eines bestimmten Resultats meist unbekannt: O b ein Vermögensrecht vererblich ist, dafür wendet man durchweg nur ein Recht an, und nicht etwa kumulativ oder alternativ Einzelstatut und
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§9
Alternative Zuweisung
Erbstatut, weil man die Hemmung bzw. Förderung der Vererblichkeit eines Rechtes in heterogen verknüpften Situationen im Vergleich zu homogen verknüpften Situationen nicht als eine adäquate Folgerung aus der internationalen Verknüpfung erklären kann. Kein Staat läßt auch das Bestehen von Erbberechtigungen alternativ nach mehreren Rechten — etwa Heimat- und Wohnsitzrecht des Erblassers (oder Heimatrecht des Erblassers und des Erben) — beurteilen, je nachdem, ob es damit gefördert wird oder nicht, daß heterogen verknüpfte Nachlässe näheren und nicht entfernteren Angehörigen des Erblassers (oder nicht dem Fiskus) anheimfallen75. Etwas anderes ist es, wenn ein als einziges Recht berufenes Erbstatut selbst möglicherweise die Erbchancen bestimmter nächster Angehöriger (Abkömmlinge, Ehegatten) gegenüber anderen Verwandten, und erst recht gegenüber dem Fiskus, unter Umständen dadurch bevorzugt, daß auf die Vorfrage nach dem Bestehen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses, welches das Erbrecht auslöst (Ehe, Kindschaft), mehrere Rechte berufen werden, und das dem Bestehen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses günstigste Recht angewendet wird 76 . Als eine unangebrachte Ungleichbehandlung der an heterogen bzw. homogen verknüpften Rechtsverhältnissen beteiligten Parteien müßte es empfunden werden, wenn bei heterogen verknüpften Ehen es jedem der Ehegatten ermöglicht würde, unter alternativer Berufung auf eines von mehreren Personalstatuten die Scheidung herbeizuführen; als Ungleichbehandlung der Ehegatten unter sich im materiellen Recht würde es wirken, wenn jeder nur nach seinem eigenen Personalstatut Ehescheidung verlangen könnte. Soweit bei heterogen verknüpften Ehen alternative Anwendung mehrerer Scheidungsrechte vorgesehen wird, könnte sie wieder durch kumulative Anwendung des ausländischen Rechts mit der lex fori kompensiert werden. Gegen eine Gestaltung des internationalen Privatrechts, wonach in großem Stil oder gar generell zunächst mehrere anwendungswillige Rechte als zugleich berufen gelten, und wonach nur bei fehlender Harmonie zwischen den Ergebnissen ihrer Anwendung an Hand einer Vergleichung dieser Ergebnisse durch Vorrangsregeln ein einziges dieser Rechte allein zum anwendbaren Recht erklärt wird, spricht, daß solche Vorrangsregeln unmöglich vorsorglich für alle denkbaren Divergenzen zwischen materiellrechtlichen Regelungen vom Forumstaat gebildet werden können. Nur bei quantitativ meßbaren Unterschieden der von den Sachnormen verwendeten Tatbestände oder Wirkungen können verschiedene Rechte als „stärkere" oder „schwächere" einander gegenübergestellt werden, während dies bei qualitativen Unterschieden nicht möglich ist. Es ist auch nicht immer möglich, bei den zu vergleichenden Sätzen mehrerer fremder Rechte zu sagen, welches von ihnen dem eigenen Recht des Forumstaates am ähnlichsten ist. Es ist also z. B. unmöglich, auf die Frage nach der Fassung des rechtmäßigen Namens einer Person mehrere Rechte zugleich zu berufen und dann, wenn sie nicht zufällig zu einem übereinstimmenden Ergebnis führen, eine Vorrangsregel unter Bevorzugung eines bestimmten Ergebnisses zu bilden. Von der Bildung eines nationalen Uber-Privatrechts, welches in Rangzuweisungen an die verschiedenen denkbaren Gestaltungen der materiellen Privatrechtssätze bestehen würde, und dessen Regeln dann zum Zuge kommen müßten, wenn auf heterogen verknüpfte Situationen zugleich mehrere Rechte berufen, aber inhaltlich unvereinbar sind, sind die Staaten derzeit noch weit entfernt, und noch ferner steht die Bildung international übereinstimmender Regeln dieser Art. Aber selbst wenn z. B. gesagt werden könnte, es sei allgemein anerkannt, daß demjenigen Recht der Vorzug zu geben sei, welches das Wohl des Kindes am meisten begünstigt, so wird es immer wieder verschiedene Meinungen darüber geben können, welche von mehreren möglichen Regelungen im Kindschaftsrecht 77 das Kindeswohl mehr fördert. Nicht zuletzt aber wäre es eine gleichheitswidrige Schlechterstellung der an homogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen, wenn in heterogen verknüpften Fällen das218
Zuweisung an mehrere Rechte
§9
jenige der verknüpften Rechte zum Zuge kommt, welches ein bestimmtes Resultat am meisten fördert, und somit der an diesem Resultat interessierten Partei größere Chancen der Verwirklichung ihres Standpunktes verschaffen würde, als sie im Durchschnitt der homogen verknüpften Fälle bestehen 78 . 4. Wird eine einzelne Teilfrage in dem früher beschriebenen Sinn, oder wird die Frage nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses, insbesondere auch eines durch Rechtsgeschäft zu begründenden Rechtsverhältnisses, durch einen Satz eines selbst anwendungswilligen materiellen Rechts als Vorfrage aufgeworfen, so kann sich aus dem Zweck des betreffenden materiellen Rechtssatzes, eine bestimmte Rechtswirkung in möglichst großem oder möglichst geringem Umfang eintreten zu lassen, ergeben, daß der Teil- bzw. Vorfrage durch Berufung mehrerer Rechte und Verwendung von Vorrangsregeln im Kollisionsrecht des Staates, der das Hauptfragenstatut stellt, eine größere oder kleinere Chance der Bejahung verschafft wird. Ist das präjudizielle Rechtsverhältnis seinerseits ein heterogen verknüpftes Verhältnis, so fördert alternative Anwendbarkeit mehrerer Rechte auf die Vorfrage nach dem Bestehen dieses präjudiziellen Rechtsverhältnisses den Eintritt der Nachwirkung; die Chancen dafür sind größer als sie es wären, wenn nur ein Recht auf die Vorfrage angewendet werden würde. Ist das Nichtbestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses Voraussetzung für den Eintritt der Nachwirkung, so wirkt die alternative Anwendung mehrerer Rechte auf die Vorfrage hemmend auf den Eintritt der Nachwirkung: Wird im Erbrecht die familienrechtliche Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe oder eines ehelichen Kindschaftsverhältnisses unter alternativer Anwendung mehrerer Rechte schließlich bejaht, so wird das Erbrecht von Ehegatten und Kindern, auch wenn „hinkende" Ehen vorliegen, gegenüber anderen Erbprätendenten gefördert. Muß die Vorfrage nach dem Bestehen einer Vorehe für das Ehehindernis der bestehenden Ehe vom Standesbeamten alternativ nach mehreren Rechten geprüft und gegebenenfalls verneint werden, so wird verhindert, daß Ehen zustande kommen, mit denen die Gefahr der Strafverfolgung wegen Bigamie verbunden ist. Bei alternativer Berufung mehrerer Rechte durch die Rechtsanwendungsanweisungen des Hauptfragenstatuts wird aber jedenfalls die materiellrechtliche Entscheidung über Förderung eines bestimmten Resultats nicht von dem jeweiligen Formstatut, sondern von dem zur materiellrechtlichen Regelung berufenen Gesetzgeber getroffen. 5. Wenig Aufmerksamkeit ist der Frage gewidmet worden 79 , ob nicht dann, wenn mehrere Rechte für dieselbe Frage im Forumstaat als gleich gewichtig zugleich berufen werden, aber ihre gleichzeitige Anwendung an der Disharmonie der erzielten Resultate scheitert, anstelle von Vorrangsregeln zugunsten des einen oder eines anderen Rechts durch den Richter Kompromisse zwischen den Sachnormen der beteiligten Rechte gebildet werden sollten. Es wäre dies nicht grundsätzlich mit den allgemeinen Prinzipien des allgemeinen internationalen Privatrechts unvereinbar. Auch solche Kompromisse sind aber höchstens bei zahlenmäßig meßbaren quantitativen Divergenzen, und nicht bei qualitativen Divergenzen möglich: Sieht das eine Recht Scheidung aus einem bestimmten Grunde vor, und kennt das andere Recht überhaupt keine Scheidung, so wird man sich kaum zu einem Kompromiß in der Weise verstehen, daß zu dem Scheidungsgrund des ersten Rechts etwa noch eine zusätzliche Voraussetzung aufgestellt wird. Lautet der richtige Name einer Person nach dem einen Recht Müller, nach dem anderen Recht Schultze-Müller, so läßt sich nicht etwa die Namensfassung Müller-Schultze als Kompromiß rechtfertigen. 6. Seltener findet sich der Gedanke, daß dann, wenn zu mehreren Rechten solche Verknüpfungen bestehen, die als untereinander gleich stark empfunden werden, die Lösung in der kumulativen Anwendung aller dieser Rechte zu bestehen habe derart, daß für den Richter des Forumstaates die eine in Frage stehende Rechtswirkung nur dann als eingetreten gilt, wenn dies von allen berufenen Rechten, wenn auch möglicherweise auf 219
§9
Kumulative Anwendung mehrerer Rechte
Grund verschiedener Tatbestände, vorgesehen wird, und daß, wenn dies nicht der Fall ist, die Rechtswirkung nicht eintritt. Gerade damit würde aber wieder vom internationalen Privatrecht des Forumstaates eine materiellrechtliche Entscheidung getroffen, und zwar eine solche, welche für die an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Rechtssubjekte — im Vergleich zu den an homogen verknüpften Situationen Beteiligten — evident diskriminierenden Charakter hat: Ist, wenn die Verknüpfungen X und Y beide zum Staat A hingehen, die Ehe gültig, sobald die Voraussetzungen E + F gegeben sind, und ist die Ehe, wenn die Verknüpfungen X und Y beide zum Staat B hingehen, gültig, falls die Voraussetzungen C + D vorliegen, so liegt eine Diskriminierung zwischen den an diesen Situationen beteiligten Personen einerseits und denjenigen Ehewilligen andererseits vor, die eine Ehe eingehen wollen, wenn die Verknüpfung X zum Staat A, die Verknüpfung Y zum Staat B hingeht; dann ist bei kumulativer Anwendung der beiden Rechte das gültige Zustandekommen der Ehe nur zu bejahen, wenn die Voraussetzungen C + D + E -I- F vorliegen. Die kumulative Anwendung mehrerer Rechte verstößt also besonders stark gegen das Postulat, die an homogen und heterogen verknüpften Situationen beteiligten Parteien gleich zu behandeln. Zur Rechtfertigung einer solchen kumulativen Anwendung mehrerer Rechte, die das Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts in heterogen verknüpften Situationen erschwert, kann angeführt werden, daß dort, wo die Parteien für das Rechtsgeschäft Rechtsschutz nicht nur in einigen Staaten, sondern in allen Staaten der Welt erwarten, und wo es umgekehrt die meisten Staaten auch mißbilligen würden, wenn die Parteien das Rechtsverhältnis nur als innerhalb einer bestimmten staatlichen Rechtsordnung bestehend und geschützt begründen wollten, ein Staatsorgan an der Begründung des Rechtsverhältnisses nur dann mitwirken sollte, wenn jedenfalls für die wichtigsten potentiellen Rechtsschutzländer feststeht, daß dort das Geschäft als gültig betrachtet werden würde. Daraus kann insbesondere für die Ehe gefolgert werden, daß die Ehegültigkeitsvoraussetzungen nicht bloß nach einem im internationalen Privatrecht des Eheschließungslandes bestimmten Geschäftsstatut gegeben sein müssen, ehe der Standesbeamte an der Trauung teilnehmen darf, sondern daß für ihn gesichert sein muß, daß die Ehe auch nach denjenigen Vorschriften als gültig zustande gekommen gilt, die in den Heimat- oder Wohnsitzstaaten der Eheschließenden als maßgebend gelten. Es sind also die Ehegültigkeitsanforderungen mehrerer Rechte unter Zugrundelegung des internationalen Privatrechts mehrerer Länder zu kumulieren. Eine konsequente Durchführung dieses Gedankens ist allerdings im positiven Recht selten. Die kumulative Anwendung mehrerer Rechte kann manchmal ein Mittel sein, um im Interesse der materiellrechtlichen Harmonie die Gegenseitigkeit zwischen den Positionen zweier Rechtssubjekte, die bei der Anwendung eines einzigen Rechts in einer homogen verknüpften Situation automatisch gewahrt ist, auch dann zu sichern, wenn für die Frage nach dem Bestand der Rechtspositionen der einen und der anderen Partei verschiedene Rechte berufen werden: Wollen die Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates für die Frage nach der Anfechtbarkeit der vertragsbegründenden Willenserklärungen nicht etwa das Recht des Geschäftsabschlußortes oder das Geschäftsstatut berufen, sondern wollen sie die verschiedenen Heimatrechte der Vertragschließenden heranziehen, und stimmen diese nicht zufällig überein, so erfordert die materielle Harmonie beim gegenseitigen Vertrag, daß jede Partei gleiche Möglichkeiten zur 'Anfechtung erhält. Das kann dadurch geschehen, daß der Vertrag erst dann als im Forumstaat endgültig bindend gilt, wenn die Erklärungen jeder Vertragspartei weder nach dem einen, noch nach dem anderen Heimatrecht wirksam angefochten worden sind, daß also die Rechtssätze über das Bindendwerden des Vertrages kumulativ angewendet werden. Ist es wirklich nicht möglich, die materielle Gegenseitigkeit beim gegenseitigen Vertrag dadurch zu gewährleisten, daß ein einziges Recht auf den Vertrag und das Zustandekommen des Vertrages angewendet 220
Richterliches Ermessen zur Wahl des anwendbaren Rechts
§9
wird, so kann in der Tat die Sicherung der materiellen Harmonie durch kumulative Anwendung mehrerer Rechte als wichtiger erscheinen als die damit verbundene Verschlechterung der Chancen der vertragschließenden Parteien, einen gültigen Vertrag zustande zu bringen. Kumulative Anwendung mehrerer Rechte im Forumstaat genügt allerdings nicht, um zu gewährleisten, daß im Interesse der materiellrechtlichen Gegenseitigkeit der Chancen zur Erzwingung von Rechtspflichten der einen Partei im Forumstaat, mit dem sie in bestimmter Weise verknüpft ist, auch eine Chance der Erzwingung der Rechtspflichten der anderen Partei in einem anderen Staat gegenübersteht, mit dem diese Partei in entsprechender Weise verknüpft ist 8 0 . 7. Anstatt zunächst einmal mehrere Rechte zu berufen, sie bei inhaltlicher Übereinstimmung sämtlich als gleichwertig anwendbar zu betrachten, und erst bei Divergenzen durch Vorrangsregeln eines dieser Rechte allein als maßgebend zu erklären, kann eine alternative Berufung mehrerer Rechte, die auf das materielle Ergebnis abstellen will, auch so gestaltet werden, daß auch bei Übereinstimmung nur ein Recht als das anwendbare Recht gilt. Es wird dann also etwa bestimmt, daß „grundsätzlich" das durch eine Verknüpfung X ermittelte Recht maßgebend sei, daß dessen Anwendung aber zu entfallen habe, wenn durch die Anwendung dieses Rechts ein bestimmtes Ergebnis erzielt würde, und wenn durch Verwendung eines alternativ berufenen anderen Rechts über das Anknüpfungsmoment Y ein anderes Anwendungsergebnis mit einem vorzuziehenden Resultat erzielt werden kann. Man könnte sogar an eine Staffel von Zuweisungsnormen denken, bei der die Anwendung eines in der Staffel vorrangigen Rechts sowohl davon abhängt, daß es anwendungswillig ist, als auch davon, daß es zu einem bestimmten Ergebnis führt (bzw. daß es ein bestimmtes Ergebnis vermeidet). Die Ausarbeitung eines solchen Systems ist aber offenbar so kompliziert, daß sie praktisch entfällt. d) Ermächtigung des Richters oder der Parteien zur Bildung der Zuweisung 1. Richterliches Ermessen zur Wahl des anwendbaren
Rechts
Als eine besondere Art der indirekten Zuweisung durch den Urheber der Rechtsanwendungsanweisungen im Forumstaat ist es zu verstehen, wenn das Gesetz den Richter ermächtigt, nach mehr oder weniger freiem Ermessen eines von mehreren nationalen Rechten als das anwendbare Recht zu erklären. So ließe sich an eine Regelung denken, wonach der Richter unter mehreren anwendungswilligen und mit dem Forumstaat in völkerrechtlich ausreichender Weise verknüpften Rechten dasjenige auswählen kann, welches zu der nach seiner Meinung besten sachlichen Lösung führt. An anderer Stelle wurde bereits ausgeführt 81 , 4aß ein derartiges Ermessen des Richters sicher dort nicht angebracht ist, wo von ihm die Frage zu beantworten ist, ob eine Partei in der Vergangenheit bewußt eine gesetzliche Verhaltensanweisung, mit der sie rechnen konnte oder mußte, nicht befolgt hat. Am ehesten ist eine Delegation der Bildung der Zuweisung an das Gericht dort angebracht, wo nach den in Frage kommenden Rechten ohnehin ein konkretes Rechtsverhältnis erst durch Staatsakt zum Entstehen gebracht werden soll; dann mag der Dienstherrenstaat das zuständige Organ ermächtigen, das Rechtsverhältnis gemäß dem von dem Organ gewählten Recht durch Gestaltungsakt zu schaffen; gerade derartige Regelungen sind aber im positiven Recht äußerst selten 82 . Ein verkapptes Ermessen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts durch den Richter wird diesem jedoch nicht selten dadurch verschafft, daß der Richter im Forumstaat die im Einzelfall gewichtigste Kombination von Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment verwenden soll, wobei meist unterstellt wird, daß das so ermittelte Recht aus demselben oder aus einem anderen Grunde auch selbst anwendungswillig ist 8 3 . Daß vom Richter ein Recht, dessen Anwendbarkeit nicht mit erheblicher Sicherheit vor221
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Bestimmung des anwendbaren Rechts durch die Parteien
aussehbar ist, nicht zugrunde gelegt werden sollte, um die Frage zu beantworten, ob eine Partei Verhaltenspflichten in der Vergangenheit verletzt hat, ist jedoch einleuchtend. Mit dem breiten Ermessen, welches der Richter bei der Ermittlung der im Einzelfall gewichtigsten Kombination von Verknüpfungen erhält, nicht zu verwechseln ist der allgemeine Auftrag an „die Rechtsprechung" zur Ausfüllung von Gesetzeslücken in einem staatlichen Kollisionsrecht. Ist dieses grundsätzlich der Zuweisungsmethode zugetan, so sind die Gerichte zunächst einmal an eine ständige Rechtsprechung, durch welche Zuweisungen zu Gewohnheitsrecht erstarrt sind, gebunden. Ist derartiges noch nicht der Fall, so hat der Richter die im Gesetz fehlende abstrakte Rechtsanwendungsanweisung sicher nicht nach freiem Ermessen zu bilden, sondern unter Analogie zu bestehenden gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Zuweisungsnormen, und jedenfalls unter der Beachtung der anerkannten Postulate für die Gestaltung des internationalen Privatrechts. 2. Bestimmung des anwendbaren
Rechts durch die Parteien
Eine Delegation der Bildung der Zuweisung für das auf ein Rechtsverhältnis vom Richter anzuwendende Recht an die Parteien oder an eine Partei ist denkbar als verfahrensrechtliche oder als kollisionsrechtliche Regelung. Es wäre möglich, daß jede der Parteien an einem Prozeß gehalten wäre, das nach ihrer Meinung in der heterogen verknüpften Situation anwendbare Recht anzugeben, und daß das Gericht an übereinstimmende Angaben der Parteien gebunden, also nur bei divergierenden Angaben genötigt wäre, selbst zu prüfen, welches Recht anwendbar ist. Derartiges wird offen wohl in keinem positiven Recht generell angeordnet 84 . Wohl aber stehen manche staatlichen Rechte auf dem Standpunkt, daß die Anwendung eines anderen Rechts als das des Forumstaates im Prozeß postuliert werden müsse, daß mangels eines solchen Vorbringens die Anwendbarkeit der lex fori anzunehmen sei, und daß überdies mangels eines Beweises des Inhalts des von einer Partei als anwendbar postulierten ausländischen Rechts davon auszugehen sei, daß das ausländische Recht mit der lex fori übereinstimme 85 . Auf diese Weise kann es zu einer indirekten gemeinschaftlichen Unterwerfung der Parteien unter die lex fori im Prozeß kommen, die auch für den Richter maßgebend ist. Eine nicht im Verfahrensrecht versteckte Delegation der Bestimmung des anwendbaren Rechts an die beteiligten Parteien findet sich vorzugsweise dort, wo Rechtssubjekte durch Rechtsgeschäfte konkrete Recht-Pflicht-Verhältnisse begründen, oder wo sie durch solche Rechtsgeschäfte bestehende, im Gesetz oder durch Rechtsgeschäfte begründete Rechtsverhältnisse abändern oder beseitigen können. Dabei sind jedoch verschiedene Dinge zu unterscheiden: Ein Staat kann das von ihm herrührende materielle Recht — normales Inlandsrecht oder Spezialrecht — durch seine Gerichte auf die durch Rechtsgeschäft zu ermittelnden Fragen deshalb, und nur deshalb, zur Anwendung bringen lassen, weil die Parteien sich diesem Recht in bezug auf das fragliche Rechtsverhältnis „unterworfen" haben, was in einem Rechtsvertrag oder auch in übereinstimmenden einseitigen Willenserklärungen gesehen werden kann. Diese „Wahl" des anwendbaren Rechts entspricht der Regelung, wonach allein durch Vereinbarung der Parteien ein Gerichtsstand im Inland begründet werden kann. Es ist sodann möglich, daß ein Staat, der auf Grund einer objektiven Verknüpfung im Prinzip gewillt ist, sein eigenes Recht auf das Rechtsverhältnis anwenden zu lassen, den Parteien ermöglicht, diejenigen ergänzenden und nicht zwingenden Bestimmungen seines Rechts, welche mangels ausdrücklicher rechtsgeschäftlicher Regelung zum Zuge kommen, dadurch zu verdrängen, daß sie Bestimmungen eines ausländischen Rechts zum Vertragsinhalt machen, so wie das ergänzende Gesetzesrecht für rechtsgeschäftlich begründete Rechtsverhältnisse ja meist auch durch parteiautonome Verweisungen auf allgemeine Geschäftsbedingungen usw. verdrängt werden kann. Ferner aber kann ein Staat, der grund222
Rechtswahl durch die Parteien
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sätzlich das eigene Recht als das Geschäftsstatut gelten lassen will, bei heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen auch Sätze eines Spezialrechts bilden, welche einzelne zwingende Bestimmungen des Inlandsrechts als für bestimmte heterogen verknüpfte Verhältnisse unanwendbar erklären. Dann aber muß es auch möglich sein zu bestimmen, daß die Ausschaltung der sonst zum Zuge kommenden Bestimmungen des Inlandsrechts für das Rechtsgeschäft nur eintreten sollen, wenn die Parteien es gewollt und diesen ihren Willen in der Weise zum Ausdruck gebracht haben, daß sie entweder generell oder bezüglich einzelner Fragen auf ein ausländisches Recht verweisen, in dem sich die zwingenden Bestimmungen des Inlandsrechtes des Staates, der „eigentlich" das Geschäftsstatut stellen wollte, nicht finden. Ein Staat kann schließlich auch seine Gerichte anweisen, von der zunächst einmal auf Grund eines objektiven Anknüpfungsmoments vorgesehenen Anwendung seines eigenen Rechts generell abzusehen, wenn die Urheber des Rechtsgeschäfts darüber einig sind, daß auf dieses Rechtsgeschäft dieses staatliche Recht nicht angewendet werden soll; das kann nun stillschweigend dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß die Parteien erklären, sie wollten sich einem anderen Recht unterwerfen, das entweder mit Rücksicht auf die Unterwerfung oder ohnehin auf Grund einer anderen objektiven Verknüpfung anwendungswillig ist. Auf alle diese Dinge ist im Zusammenhang mit der rechtsgeschäftlichen Begründung von Verhaltenspflichten noch zurückzukommen 8 6 . Bei mehrseitigen Rechtsgeschäften ist es auch wieder möglich, daß eine gesetzliche Befugnis aller Beteiligten, das maßgebende Recht selbst zu bestimmen, im Rechtsgeschäft selbst einer einzelnen Partei delegiert wird 8 7 . Bei einseitigen Rechtsgeschäften (z. B . Testament) kann der Errichter des Rechtsgeschäfts Befugnisse zur Bestimmung des anwendbaren Rechts unmittelbar vom Gesetz (Erbstatut) erhalten. Versteckte Möglichkeiten für eine einzelne an einem mehrseitigen Rechtsgeschäft beteiligte Partei, allein entscheidenden Einfluß darauf zu nehmen, welches Recht durch ein Gericht zur Anwendung gebracht wird, bestehen, wenn die Gerichte mehrerer Staaten mit unterschiedlichen Kollisionsnormen zuständig sind, aber nur eine Partei an dem Rechtsverhältnis (bzw. dem angeblichen Rechtsverhältnis) die Möglichkeit hat, Anträge zur gerichtlichen Klärung der streitigen Rechtslage oder zur Vornahme richterlicher Gestaltungsakte zu stellen. Dies ist z. B . dann der Fall, wenn zwar eine Partei vor den Gerichten verschiedener Staaten auf Leistung klagen, hingegen die andere Partei solchen Klagen nicht mit negativen Feststellungsklagen zuvorkommen kann. Die versteckte Befugnis derjenigen Partei, welche allein die Gerichte angehen kann, auf diese Weise durch forum Shopping auf das anwendbare Recht Einfluß zu nehmen, wirkt sich besonders aus, wenn andere Staaten als derjenige, dessen Gerichte entschieden haben, zur Anerkennung und Vollstreckung der ergangenen Entscheidung bereit sind, obwohl ihre eigenen Gerichte zuständig waren, und obwohl das entscheidende Gericht auf Grund anderer Rechtsanwendungsanweisungen entschieden hat, als es die eigenen Gerichte hätten tun müssen. Derartige einseitige Einflußmöglichkeiten einer Partei auf das anwendbare Recht 8 8 stehen in Widerspruch zu dem Postulat der Gleichbehandlung der Parteien in heterogen verknüpften Situationen und sollten daher de lege ferenda vermieden werden. Wird den Beteiligten, oder wird einer Partei die Möglichkeit zur Wahl des anwendbaren Rechts gegeben, so kann die in einer solchen Rechtswahlerklärung — insbesondere bei der Wahl des Geschäftsstatuts — ausgesprochene Verweisung selbst eine Verweisung auf die Sachnormen im Inlandsrecht eines bestimmten Staates nach dem Stand eines bestimmten Zeitpunktes sein wollen. Die parteiautonome Verweisung kann aber auch eine Verweisung auf das Recht dieses Staates darstellen, wie es bei einem homogen verknüpften Fall auf Grund seines intertemporalen Rechts maßgebend wäre. Die Rechtswahl kann sich nur auf das Inlandsrecht eines bestimmten Staates beziehen wollen; sie kann aber auch der Mög223
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Geltendes Recht in der Bundesrepublik
lichkeit Rechnung tragen wollen, daß der Staat mit dem gewählten Recht, obwohl er sein Recht auf G r u n d dieser Wahl als anwendbar betrachtet, für heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse in mehr oder weniger großem U m f a n g anstelle seines normalen Inlandsrechts ein von ihm gebildetes Spezialrecht zur Anwendung bringen läßt. Schließlich aber kann die Rechtswahlerklärung selbst als Gesamtverweisung gefaßt sein, indem nämlich dasjenige Recht als gewählt erklärt wird, welches die Gerichte eines bestimmten Staates auf G r u n d der gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisungen ohne eine Rechtswahl anzuwenden hätten.
Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik D i e meisten Zuweisungen des E G B G B sind v o m Gesetzgeber als einseitige Zuweisungen an deutsches Recht formuliert worden, einige besonders wichtige Zuweisungen sind jedoch als bilaterale Kollisionsnormen abgefaßt w o r d e n 8 9 . O b w o h l es nicht unmöglich gewesen wäre, überall dort, w o nicht im G e s e t z bilaterale Zuweisungen bestehen, und w o deutsches Recht nicht auf G r u n d einer einseitigen Zuweisung maßgebend ist, jedes selbst anwendungswillige ausländische Recht als durch eine Generalklausel auch'für den deutschen Richter berufen zu betrachten, ist die Rechtsprechung mit fast ausnahmsloser Zustimmung der Wissenschaft einen anderen Weg gegangen: D i e einseitigen Zuweisungen des Gesetzes an das deutsche Recht sind durchweg zu bilateralen Zuweisungen erweitert worden90. Soweit das E G B G B selbst Zuweisungen an ausländisches Recht enthält, bestimmt es für die meisten von ihnen ausdrücklich in Art. 27, daß eine Rückverweisung des mit eigenen Sächnormen nicht anwendungswilligen ausländischen Rechts auf das deutsche Recht vom deutschen Richter beachtet werden sollte. So wie die einseitigen Zuweisungen von der Rechtsprechung zu zweiseitigen Zuweisungen erweitert wurden, ist auch der Rückverweisungsartikel erweiternd ausgelegt worden: Bei fehlender Anwendungswilligkeit des berufenen ausländischen Rechts ist nach absolut herrschender Meinung auch eine etwaige Weiterverweisung auf ein drittes Recht durch den deutschen Richter zu beachten; der Rückverweisungsartikel ist also zu einem Gesamtverweisungsartikel erweitert worden. Als Gesamtverweisungen sollen aber nicht nur die in Art. 27 E G B G B genannten gesetzlichen Zuweisungen auf ausländisches Recht verstanden werden, sondern im Zweifel jede durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht gebildete Zuweisung des deutschen internationalen Privatrechts an nichtdeutsches R e c h t 9 1 . F ü r die von der Rechtsprechung zugelassene Rechtswahl durch die Parteien im Schuldvertragsrecht 9 2 ist man sich einig, daß eine solche Wahl mangels ausdrücklicher anderweitiger Erklärung nicht als Gesamtverweisung, sondern als unbedingte Sachnormverweisung verstanden werden müsse. Ist ausländisches Recht als Geschäftsstatut wegen des „hypothetischen Partei willens" b e r u f e n 9 3 , so wird ebenfalls Gesamtverweisung abgelehnt, nicht aber, wenn ganz subsidiär das Geschäftsstatut durch den Erfüllungsort bestimmt w i r d 9 4 . Bei den alternativ anwendbaren Formstatuten ist es umstritten, o b auch die Verweisung als Gesamtverweisung oder als Sachnormverweisung zu verstehen ist. Desgleichen ist es nicht entschieden worden, daß eine Verweisung auf ein ausländisches Recht als Deliktsstatut nicht als Gesamtverweisung aufzufassen ist. D i e Annahme der versteckten Rückverweisung ist bei Scheidung und Adoption zwar von einigen Oberlandesgerichten, aber noch nicht vom B G H gebilligt w o r d e n 9 5 . Für den Fall, daß es bei Rückverweisung auf deutsches Recht dadurch zum Spiegelkabinett k o m m t , daß das ausländische Recht seine Verweisung ebenfalls als Gesamtverweisung versteht, hat das Reichsgericht den A u s w e g der U m d e u t u n g der ausländischen Gesamtverweisung in eine unbedingte Sachnormverweisung auf deutsches Recht gewählt 9 6 . Angesichts dessen, daß Art. 27 E G B G B in der ihm beigelegten Auslegung Gesamtverweisung auch für solche Rechtssätze vorsieht, welche typische Teilfragen beantworten 224
Das Anknüpfungsmoment
§10
sollen, selbst wenn sie, wie z. B. die Geschäftsfähigkeit, in einem Gerichtsverfahren überhaupt nur als Inzidentfragen auftauchen können, und angesichts dessen, daß das Gesetz gerade die Beachtung der Rückverweisung ausdrücklich vorschreibt, war jedenfalls der Rechtsprechung der Weg versperrt, die Frage zu stellen, ob bei Nichtanwendungswilligkeit des von der deutschen Zuweisungsnorm berufenen ausländischen Rechts nicht andere Wege als die Gesamtverweisung begehbar sind. Insbesondere hat sich die Rechtsprechung nie die Frage gestellt, ob nicht Gesamtverweisung in erster Linie dort angebracht ist, wo das für eine Rechtsfrage berufene und im Prinzip selbst anwendungswillige Recht von sich aus Teil- und Vorfragen aufwirft und einem anderen Recht zuweist, während bei Nichtanwendungswilligkeit des für die Hauptfrage nach einer Verhaltenspflicht berufenen Rechts notfalls subsidiäre Zuweisungsnormen gebildet werden sollten. In den Erörterungen der Wissenschaft darüber, ob Verweisungen auf ausländisches Recht de lege ferenda als Gesamtverweisungen verstanden werden sollten oder nicht, ist ebenfalls die Notwendigkeit gerade dieser Unterscheidung 97 nicht gesehen worden. Derjenige Artikel des E G B G B , welcher Ausgangspunkt für eine andere Sicht der Dinge hätte sein können, nämlich Art. 28 E G B G B , ist so ungeschickt gefaßt, daß man daraus keine entsprechenden Folgerungen gezogen hat. Anders als bei den in Art. 27 aufgeführten Zuweisungen an ausländisches Recht ergibt sich aus der Stellung des Art. 28 neben den übrigen Bestimmungen des E G B G B , daß, wenn die erbrechtlichen oder güterrechtlichen Vorschriften des Lagestaates nicht — und zwar auf Grund einer Zuweisung durch das internationale Privatrecht des Lagestaates an das eigene Recht in seiner Eigenschaft als lex rei sitae — selbst anwendungswillig sind, vom deutschen Richter keine Rückund Weiterverweisung im internationalen Privatrecht des Lagestaates zu beachten, sondern daß nunmehr auf Grund einer subsidiären Zuweisung durch das deutsche internationale Privatrecht das Heimatrecht mit Gesamtverweisung berufen ist. Eine alternative Zuweisung kennt das E G B G B selbst in Art. 11 zugunsten der Formgültigkeit schuldrechtlicher Geschäfte. Die Rechtsprechung hat eine alternative Zuweisung der Ansprüche aus unerlaubter Handlung an das Recht des Handlungsortes und des Wirkungsortes gebilligt 98 . Durch Anordnung der kumulativen Anwendung mehrerer Rechte, wovon aber eines das deutsche Recht sein muß, wird im E G B G B erschwert die Ehescheidung, die Haftung aus unerlaubter Handlung, die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters, der Bestand der durch Geburt in der Ehe erworbenen Ehelichkeit gegenüber Anfechtung, die Legitimation eines anfänglich unehelichen Kindes, und die Adoption 99 . Es handelt sich dabei aber wohl mehr um ungeschickt formulierte Versuche der Konkretisierung der negativen ordre public-Klausel. Bilaterale Zuweisungen mit Kumulation hat die Rechtsprechung nur bei den materiellen Ehegültigkeitsvoraussetzungen angenommen 100 § 10. Das A n k n ü p f u n g s m o m e n t a) Gesichtspunkte für die Gestaltung der Anknüpfungsmomente in den Zuweisungsnormen Die internationalprivatrechtliche Zuweisungsnorm benutzt eine bestimmte gegebene Verknüpfung der zu beurteilenden Situation mit einem Staat, um diese Verknüpfung zum Anknüpfungsmoment zu erheben und damit das Recht dieses Staates als im Forumstaat anwendbar zu erklären; dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um einseitige oder bilaterale, unbedingte oder bedingte Zuweisungen, Sachnormzuweisungen oder Gesamtverweisungen, Zuweisungen an das Recht eines Staates oder an die Rechte mehrerer Staaten handelt. Seit Savigny findet sich die Vorstellung, daß das „richtige" Anknüpfungsmoment sich 225
§10
Sachgerechtheit des Anknüpfungsmoments
aus der Eigenart des „Rechtsverhältnisses", für welches das anzuwendende Recht gesucht wird, ergeben könne, und daß dies wissenschaftlich deduzierbar sei. Diese Fragestellung nach dem „sachgerechten" Anknüpfungsmoment muß allerdings schon mit Rücksicht auf das oben über den Anknüpfungsgegenstand Gesagte dahin präzisiert werden, daß es sich nicht um die Eigenart der gestellten Rechtsfrage, sondern nur um Eigenarten der in Frage stehenden Rechtssätze handelt, auf die es für die Bestimmung des sachgerechten Anknüpfungsmoments ankommen kann1. So läßt sich etwa sagen, daß für die Frage nach der Regelung der Erbfolge die Staatsangehörigkeit des Erblassers zur Zeit des Todes, oder die Belegenheit der Nachlaßgegenstände, vielleicht auch die Staatsangehörigkeit der Erbprätendenten2, sachgerechte Anknüpfungsmomente seien, keinesfalls aber der Geburtsort des Erblassers; es läßt sich aber auch sagen, daß für die Bestimmung des Anwendungsbereiches von Erbhofgesetzen die Belegenheit des Erbhofs sachgerechteres Anknüpfungsmoment als die Staatsangehörigkeit des Erblassers sei, während bei erbrechtlichen Regelungen mit Universalsukzession die Anknüpfung an Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz des Erblassers sachgerecht, die Anknüpfung an die Belegenheit vielleicht weniger sachgerecht, aber keineswegs vollkommen unsachgerecht ist3. Schon diese Beispiele zeigen, daß vielfach mehrere Anknüpfungsmomente als gleich sachgerecht gelten müssen, und daß nur von gewissen anderen Verknüpfungen gesagt werden kann, daß sie als keineswegs sachgerechte Anknüpfungsmomente von vornherein ausgeschaltet werden müssen. Der alte Streit, ob für die Fragen des Personalstatuts die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz als Anknüpfungsmoment vorzuziehen ist, kann nicht mit dem Argument entschieden werden, daß das eine oder das andere allein sachgerecht4, oder auch nur sachgerechter sei als das andere. Sachgerechtheit des Anknüpfungsmoments ist nicht zu verwechseln damit, daß im Sinne der positiven ordre public-Klausel u. U. geprüft werden muß, ob der gesetzgeberische Zweck der Sachnorm gefährdet ist, wenn sie nur im homogen verknüpften Bereich, und nicht auch für einen durch bestimmte Verknüpfungen bezeichneten Sektor der heterogen verknüpften Situationen als anwendbar erklärt würde5. Diese Verknüpfungen sind dann allerdings sicher zugleich sachgerechte Anknüpfungsmomente. Daraus, daß das Anknüpfungsmoment „sachnormgerecht" sein muß, erklärt sich, daß die Gesetzgeber bei der Bildung der Kategorien für Sachnormen im internationalen Privatrecht fast stets auf den Inhalt der Sachnormen abstellen6. Während in manchen intergentilen Kollisionsrechten ohne nähere Unterscheidung nach dem Inhalt der in Frage kommenden Rechtssätze auf die Gruppenzugehörigkeit des angeblich zu einem Verhalten Verpflichteten oder gar auf die des „Beklagten" abgestellt wird, unterscheidet man im internationalen Privatrecht etwa schon bei den gesetzlichen Verhaltenspflichten, ob es sich um Pflichten aus Schutzgesetzen, um gesetzliche Unterhaltspflichten oder um die Verletzung von Monopolrechten handelt usw.7. Die traditionelle Argumentation geht üblicherweise dann weiter dahin, daß, wenn mehrere Anknüpfungsmomente als sachgerecht anerkannt werden, versucht werden solle, unter ihnen das stärkste oder gewichtigste Anknüpfungsmoment8 zu finden. Die Gewichtigkeit einer Verknüpfung ist jedoch nicht objektiv und exakt meßbar, sondern „Gefühlssache". Überdies stellt sich die Frage, ob nicht u. U. doch zwei Verknüpfungen als gleich gewichtig betrachtet werden müssen, was zu der Berufung beider Rechte mit den früher bereits erwähnten Komplikationen9 führt. Ferner aber stellt sich die Frage, ob die als Anknüpfungsmoment gewählte gewichtigste Verknüpfung gegenüber allen anderen Verknüpfungen das absolute Ubergewicht haben muß, oder ob relatives Mehrgewicht genügen soll. Bejaht man das letztere, so wirkt das relative Mehrgewicht der zu einem Staat hingehenden Verknüpfung gegenüber den zu anderen Staaten hingehenden Verknüpfungen dann nicht mehr überzeugend, wenn die Situation mit besonders vielen Staaten verknüpft 226
Die gewichtigste Verknüpfung
§10
ist: Gehen die Verknüpfungen mit dem Gesamtgewicht von 100 zu 10 verschiedenen Staaten hin, so ist es schwer zu begreifen, daß eine dieser Verknüpfungen, weil sie mit der Zahl 12 bewertet wird, während alle anderen darunter bleiben, ausreichen soll, um diese Verknüpfung allein zum Anknüpfungsmoment zu erheben und das damit bezeichnete Recht als anwendbar zu erklären. Es ergibt sich dann die Frage, ob nicht in solchen besonderen bunt verknüpften Situationen das anwendbare Recht in Billigkeitslösungen unter Berücksichtigung der übereinstimmenden Inhalte aller beteiligten Rechte zu sehen ist 1 0 . Sollen bei gleicher Gewichtigkeit der als (starre) Anknüpfungsmomente in Frage kommenden Verknüpfungen die betreffenden Rechte nebeneinander anwendbar sein (sofern sie sämtlich anwendungswillig sind), so unterscheiden sich die auftauchenden Fragen nicht wesentlich von der Problematik, vor die der Richter gestellt wird, wenn ihm vom Gesetzgeber des Forumstaates aufgegeben wird, alle von sich aus anwendungswilligen Rechte zu beachten, soweit sie einen auf die zu lösende Frage passenden Satz enthalten. Der Gedanke einer Verwendung mehrerer als sachgerecht anerkannter Verknüpfungen führt unvermeidlicherweise nicht nur zu der Frage, ob durch alternative bzw. kumulative Zuweisungen das eine oder das andere sachliche Ergebnis gefördert werden soll, sondern setzt eine Stellungnahme zu der Frage voraus, ob, jedenfalls bei bestimmten Arten von Rechtssätzen, nicht unter allen Umständen nach einem anderen Ausweg gesucht werden muß, welcher die heterogen verknüpfte Situation unter Parität der verschiedenen Rechtsordnungen doch irgendwie einem einzigen Recht zuführt um zu gewährleisten, daß die rechtliche Behandlung dem gleichkommt, was sich im Schnitt für die homogen verknüpften Situationen ergibt: Niemand wird wollen, daß, weil Staatsangehörigkeit und Wohnsitz des Erblassers — oder die beiden von ihm besessenen Staatsangehörigkeiten — als gleichwertige Anknüpfungsmomente für die Bestimmung des Erbstatuts zu betrachten seien, eine Erbberechtigung nur dann anzunehmen sei, wenn sie von beiden Rechten gedeckt sei (so daß der Nachlaß herrenlos wird, wenn dies nicht der Fall ist). Niemand wird aber auch wollen, daß die widersprechenden Ansprüche von Erbprätendenten nur von dem einen oder dem anderen Erbrecht gebilligt zu sein brauchen, so daß nur eine proportionale Reduzierung sämtlicher Ansprüche notwendig würde, wenn sie insgesamt den Nachlaß übersteigen. Entscheidet man sich also z. B. gerade beim Erbrecht dafür, auch bei Annahme der gleichen Gewichtigkeit mehrerer Anknüpfungsmomente unter allen Umständen nach einem einzigen anwendbaren Recht zu suchen, so kann darauf abgestellt werden, welches von den beiden gleichstarken Anknüpfungsmomenten im Einzelfall durch andere — allein nicht sachgerechte — Verknüpfungen so verstärkt wird, daß es den Vorrang verdient; das läuft dann auf dasselbe hinaus, wie wenn von vornherein nach der gewichtigsten K o m b i n a t i o n von Verknüpfungen im konkreten Fall als dem Anknüpfungsmoment gesucht wird. Auch dann ist es aber nicht ausgeschlossen, daß man zwei Kombinationen von Verknüpfungen als gleichgewichtig befindet. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als „willkürlich" eben doch das eine oder das andere der als gleichwertig empfundenen Anknüpfungsmomente zu bevorzugen, wobei das Kriterium für die willkürliche Bevorzugung höchstens durch seine internationale Gebräuchlichkeit gerechtfertigt werden kann, so z. B., indem auf das Personalstatut des Mannes, und nicht dasjenige der Frau, abgestellt wird. Eine alternative Anwendung der durch gleichstarke Anknüpfungsmomente ermittelten Rechte erscheint unter allgemeinen Prinzipien vertretbar dort, wo sich jemand selbst der Gefahr, von mehreren Rechten mit gesetzlichen Verhaltenspflichten belastet zu werden, ausgesetzt hat, indem er die Entstehung der betreffenden Verknüpfungen selbst herbeigeführt hat. Auf diese Weise läßt sich die alternative Anwendung der Deliktsnormen des Handlungsortes und des Wirkungsortes 1 1 , insoweit sie gesetzliche Verhaltenspflichten begründen, mit der Gleichwertigkeit dieser Anknüpfungsmomente begründen. 227
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Die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen
Differenzierter ist die Lösung für die Frage, ob Rechtssätze, welche die Rechtsverbindlichkeit der in einem Rechtsgeschäft vorgesehenen Verhaltenspflichten hemmen, der Gleichbehandlung wegen unter allen Umständen nur einem Recht entnommen werden sollen, oder ob angesichts gleichwertiger Verknüpfungen (die nicht oder nur zum Teil von den beteiligten Privatrechtssubjekten selbst willkürlich verursacht worden sind) die alternativ berufenen Rechte mehrerer Staaten zur Bejahung der Gültigkeit oder der Nichtigkeit des Geschäfts führen können. Die positiven Rechte sind heute zumeist bestrebt, mangels Wahl des Geschäftsstatuts durch das Abstellen auf die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall ein einziges Recht zum „Geschäftsstatut" zu machen, welches dann nicht nur die Wirkungen, sondern jedenfalls im Prinzip auch die Gültigkeitsvoraussetzungen für das Rechtsgeschäft regelt. Dennoch verzichtet kein durch eine starke Inlandsverknüpfung beteiligter Staat gänzlich darauf, auch wenn alle Voraussetzungen für die Gültigkeit des Geschäfts unter dem Geschäftsstatut gegeben sind, einzelne zwingende Sätze seines Inlandsrechts über Gültigkeitsvoraussetzungen von seinen eigenen Gerichten anwenden zu lassen, wenn man den Zweck des betreffenden Rechtssatzes im homogen verknüpften Bereich als dadurch gefährdet ansieht, daß dieser Satz nicht auch in einem bestimmten Sektor des heterogen verknüpften Bereichs zur Anwendung gebracht wird 1 2 . Für den betreffenden Staat ist bezüglich dieses die Geschäftsgültigkeit hemmenden Rechtssatzes die zu ihm hingehende Verknüpfung dann eben doch stärker als die Kombination der Verknüpfungen, auf Grund deren das Geschäftsstatut ermittelt wurde. Die Folge hiervon kann sein, daß einem Rechtsgeschäft in dem Staat, der seinen zwingenden Satz ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut zur Anwendung bringen läßt, Rechtsschutz versagt wird, während das Geschäft überall anderswo als gültig behandelt wird. Das ist deshalb kein völlig untragbares Ergebnis, weil ja auch die Errichter eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts u. U. den Wunsch haben, daß dem Rechtsgeschäft nicht in allen Staaten Rechtsschutz zuteil wird, und weil das positive Recht auch wieder diesen Wunsch berücksichtigt 13 . In einem gewissen Umfang finden sich aber auch dritte Staaten, und zwar möglicherweise auch der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, bereit, den vom Urheberstaat einseitig als anwendbar erklärten Satz über eine Gültigkeitsvoraussetzung alternativ neben dem Geschäftsstatut durch ihre Gerichte anwenden zu lassen. Tun es alle anderen Staaten, so wird einerseits die internationale Entscheidungsgleichheit wiederhergestellt, andererseits wird das Postulat preisgegeben, daß die Chance der gültigen Errichtung eines heterogen verknüpften Geschäfts nicht geringer sein soll, als es die Chance der gültigen Geschäftserrichtung in homogen verknüpften Situationen im Schnitt ist. Die an anderer Stelle beschriebene Notwendigkeit, zwischen den rechtspolitischen Postulaten des internationalen Privatrechts gegebenenfalls Kompromisse zu bilden, wird also auch hier sichtbar, nur mit der Besonderheit, daß eine der Kompromißmöglichkeiten darin bestehen kann, daß der Rechtsschutz für das Rechtsgeschäft örtlich beschränkt wird. Den divergierenden Auffassungen darüber, welche Verknüpfung im Vergleich zu anderen die gewichtigere ist, kann dadurch ein Ende bereitet werden, daß von den in Frage kommenden sachgerechten, und vermutlich gleichwertigen, Anknüpfungsmomenten dasjenige vorgezogen wird, welches im positiven Recht bereits das gebräuchlichere geworden ist. Das Postulat der Bevorzugung der zum international gebräuchlichsten Anknüpfungsmoment gewordenen Verknüpfung in jedem einzelnen staatlichen Kollisionsrecht steht insbesondere dem Bestreben entgegen, im Forumstaat solche Anknüpfungsmomente zu wählen, von denen zu erwarten ist, daß sie die Anwendbarkeit des eigenen Rechts des Forumstaates für eine möglichst große Zahl der heterogen verknüpften Fälle sichern, so etwa, wenn ein Auswanderungsland, das den Auswanderern die alte Staatsangehörigkeit beläßt, das Personalstatut in einer bilateralen Zuweisungsnorm mit Hilfe der Staatsangehörigkeit bestimmen will, obwohl feststeht, daß die meisten anderen Länder, auch wenn sie 228
Die gebräuchlichste Verknüpfung
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selbst nicht gerade Einwanderungsländer sind, auf den Wohnsitz abstellen. Die Bevorzugung der bereits unter den meisten anderen Staaten zum gebräuchlichsten Anknüpfungsmoment gewordenen Verknüpfung kann auch damit gerechtfertigt werden, daß jedenfalls bei der Verwendung persönlicher Verknüpfungen (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) eine derartige Übung oft 1 4 auch eine psychologische Bindung der Menschen an das Recht des Staates erzeugt, dessen Recht üblicherweise auf sie angewendet wird; die Gebräuchlichkeit einer sachlichen Verknüpfung rechtfertigt es auch, beim Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl anzunehmen, daß der hypothetische Parteiwille zu demjenigen Recht hingeht, welches durch das gebräuchlichste Anknüpfungsmoment bestimmt wird. Das Kriterium der „Gebräuchlichkeit" eines Anknüpfungsmoments ist jedoch nicht ganz eindeutig: Wollte man nur auf die Zahl derjenigen Staaten abstellen, welche das Personalstatut mit Hilfe der Staatsangehörigkeit bzw. des Wohnsitzes ermitteln, so würde dem nicht Rechnung getragen werden, daß die Bewohner mancher Länder sehr häufig, Bewohner anderer Länder selten an heterogen verknüpften Situationen beteiligt sind. Man könnte auch nicht berücksichtigen, daß die Praxis eines großen Landes einen stärkeren Einfluß auf die Gebräuchlichkeit ausübt als die Praxis eines kleinen Landes. Für die Wahl des Anknüpfungsmoments durch den Gesetzgeber eines bestimmten Staates kann im übrigen auch eine Rolle spielen, ob die heterogen verknüpften Situationen, die mit diesem Land verknüpft sind, vorwiegend nur mit solchen Ländern Zustandekommen, die bereits eine bestimmte Verknüpfung als Anknüpfungsmoment gewählt haben, oder ob dies nicht der Fall ist. Sachnormgerechtheit, Gewichtigkeit und Gebräuchlichkeit des Anknüpfungsmoments können also nur Richtlinien für die gesetzgeberische Auswahl des Anknüpfungsmoments unter den bestehenden Verknüpfungen sein. Abgesehen von den Fällen, wo der gesetzgeberische Zweck, der mit einem bestimmten Rechtssatz verfolgt wird, als gefährdet erscheint, wenn der Rechtssatz außer auf homogen verknüpfte Situationen nicht auch bei bestimmten Inlandsverknüpfungen im heterogen verknüpften Bereich zur Anwendung gebracht wird, wo also der positive ordre public die Anwendung des Rechtssatzes in einem bestimmten Sektor des heterogen verknüpften Bereiches erfordert, ist es auch nicht möglich, insbesondere ein zur Verwendung in paritätischen Zuweisungsnormen geeignetes Anknüpfungsmoment dadurch zu ermitteln, daß danach gefragt wird, welcher Anknüpfungsbereich für die einzelnen Sachnormen des eigenen oder eines fremden Rechts mit Rücksicht auf das Staatsinteresse des Urheberstaates der Norm erforderlich ist. So wie die Lehre vom governmental interest in der Rechtsprechung zum interregionalen Recht der U S A meist verstanden wird, läuft sie allerdings darauf hinaus zu unterstellen, daß in jedem Staat ein Staatsinteresse daran bestehe, daß der mit diesem Staat persönlich (nämlich durch Wohnsitz) verknüpften Partei die Anwendung dieses Rechts dann verschafft wird, wenn dieses Recht für sie günstiger ist als das Recht eines anderen, ebenfalls mit der Sache verknüpften Staates 15 . Haben aber zwei Staaten die Möglichkeit, die Anwendung ihres „ihrer" Partei günstigeren Rechts unter Hinweis auf weitere Verknüpfungen zu ihrem Gebiet zu rechtfertigen, so wird unterstellt, daß jeder dieser beiden Staaten dies tue; dann soll das jeweilige Forum ermitteln, welcher von beiden Staaten das stärkere Interesse an der Anwendung seines Rechts hat. Für diese Bewertung der Intensität dieser Staatsinteressen gibt es aber noch weniger objektive Maßstäbe als für die Bewertung der Gewichtigkeit von Verknüpfungen. Vor allem die Gerichte in jedem der an dem Erfolg „ihrer" Partei interessierten Staaten werden nur selten zu dem Ergebnis gelangen, daß das governmental interest des anderen Staates größer sei als das Interesse des eigenen Staates an dem Obsiegen seiner Partei. Wenn gelegentlich ein governmental interest eines Staates an der Anwendung seiner eigenen Gesetze auch darin gesehen wird, daß in Gestalt von Schadensersatzpflichten die in 229
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Arten der Anknüpfungsmomente
der lex fori vorgesehene Unrechtsfolge für die Verletzung gesetzlicher Verhaltensvorschriften eintritt, die bei Handlungen auf dem Staatsgebiet gelten wollen, auch wenn sich das zu Lasten des eigenen Bürgers auswirkt, oder wenn ein governmental interest an der Anwendung des eigenen Rechts des Forumstaates darin gesehen wird, daß der öffentlichen Hand finanzielle Belastungen erspart werden, auch wenn sich dies zugunsten einer Partei auswirkt, die durch Anwendung des Rechtes ihres Wohnsitzstaates schlechter gestellt wäre, so bleibt die Möglichkeit, daß zu dem Wohnsitzstaat der anderen Partei Verknüpfungen bestehen, die für die Anwendung seines Rechts mit Rücksicht auf sein governmental interest an dem Obsiegen seiner Partei ins Feld geführt werden können. Die Abwägung zwischen dem governmental interest des Wohnsitzstaates einer Partei, dessen Recht ihr günstiger ist, und dem governmental interest des Staates, der an der Abschreckung vor Verletzung anwendungswilliger Bestimmungen seines öffentlichen Rechts, oder an der Entlastung seiner öffentlichen Finanzen interessiert ist, kann aber ebenfalls weder durch die Gerichte dieser Staaten selbst, noch in einem dritten Forumstaat nach objektiven feststellbaren Maßstäben erfolgen. Das Argumentieren mit den governmental interests ist dann nur eine andere Formulierung für das, was geschieht, wenn eine elastische Kollisionsnorm den Richter auffordert, im Einzelfall die gewichtigste K o m b i n a t i o n von Verknüpfungen zu dem einen oder dem anderen Staat zu ermitteln 1 6 . b) Arten der A n k n ü p f u n g s m o m e n t e Anknüpfungsmomente zur Bestimmung des anwendbaren Rechts und zuständigkeitsbegründende Verknüpfungen. Positive und negative Anknüpfungsmomente Von den Verknüpfungen eines Faktums oder einer Person mit einem Staat, welche als Anknüpfungsmoment verwendet werden können, um die rechtliche Beurteilung einer Rechtsfrage durch die Gerichte des Forumstaates einem nationalen Recht zuzuweisen, werden manche zugleich auch verwendet, um die Zuständigkeit der Gerichte oder anderer Behörden des Forumstaates zu begründen, oder um die „internationale Zuständigkeit" der Gerichte und Behörden anderer Staaten als Voraussetzung für die Anerkennung ihrer Akte zu beurteilen. Diese Anknüpfungsmomente im weiteren Sinne kann man als positive Anknüpfungsmomente bezeichnen. Eine „negative" Inlandsverknüpfung, also das Fehlen einer bestimmten Verknüpfung zum Inland bei gleichzeitigem Bestehen einer Verknüpfung dieser Art zum Ausland — wozu dann neben fremden Staaten auch staatloses Gebiet gehören kann —, ist ein wesentliches Element für die Technik der Abgrenzung des Anwendungsbereiches von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen 1 7 . Möglicherweise kann eine bestimmte Auslandsverknüpfung auch nur dazu führen um zu bestimmen, daß trotz der zum Inland hingehenden anderen Verknüpfungen das inländische Recht nicht anwendbar sei; man könnte von dieser Auslandsverknüpfung als von einem „Abknüpfungsmoment" sprechen 1 8 ' 1 9 . Werden als Anknüpfungsmoment zur Bestimmung des anwendbaren Rechts, oder zur Beurteilung von Zuständigkeiten, Verknüpfungen mit der gleichen Bezeichnung in dem von einem bestimmten Staat erlassenen Recht verwendet, so garantiert dies nicht, daß der Begriff überall gleich zu verstehen ist: Wohnsitz im Sinne einer internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnorm kann durchaus anders zu verstehen sein als Wohnsitz im Sinne einer Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte, aber auch anders als Wohnsitz im Sinne einer Sachnorm, welche etwa eine Person verpflichtet, dort „zu wohnen", wo eine andere Person schon wohnt. Erst recht bedeuten gleich bezeichnete Anknüpfungsmomente in den internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen verschiedener Staaten keineswegs dasselbe. Hier von Qualifikationskonflikten zu sprechen, ist allerdings mißverständlich, da es sich ja jedenfalls nicht um Kategorien für Rechtssätze handelt, bei denen der einzelne Satz durch „Qualifi230
Beweis von Anknüpfungsmomenten
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kation" als einer bestimmten Kategorie zugehörig erklärt wird. Wird im Forumstaat die Zuweisungsnorm eines anderen Staates, insbesondere bei Gesamtverweisung, beachtlich, so darf selbstverständlich auch dem von dem fremden Staat verwendeten Anknüpfungsmoment nicht der Inhalt beigelegt werden, den das mit dem gleichen Wort bezeichnete Anknüpfungsmoment in den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates hat. Damit ist wiederum nicht zu verwechseln, daß der Forumstaat den Begriff eines von ihm verwendeten Anknüpfungsmoments auch als Sammelbegriff ausgestalten und die nähere Definition der Einzelbegriffe, die unter diesen Sammelbegriff fallen, einem anderen Staat delegieren kann 2 0 . c) Der Beweis des Bestehens von Anknüpfungsmomenten Oft wenig geklärt sind die Fragen, ob das Bestehen von internationalprivatrechtlichen Anknüpfungsmomenten sowie von zuständigkeitsbegründenden Verknüpfungen von Amts wegen durch den Richter zu prüfen ist, oder ob hier Regelungen über die Beweislast einer Partei bestehen. Die Dinge sind offenbar sehr verschieden, je nachdem ob es sich um die eigene Zuständigkeit eines Gerichts oder um die von dem zuständigen Gericht zu beurteilende Zuständigkeit ausländischer Organe, oder ob es sich um die Bestimmung des anwendbaren Rechts handelt. Aber auch dann sind wohl noch Unterschiede je nach den verschiedenen Verfahrensarten und Materien zu machen. Hängt die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts, z. B. in Ehesachen, von der Staatsangehörigkeit einer Partei ab, so ist diese wohl meist von Amts wegen zu prüfen, und doch begnügt man sich in der Praxis unter Umständen mit der nicht evident unrichtigen Behauptung des Antragstellers, wenn es sich um seine eigene Staatsangehörigkeit handelt, oder man unterstellt gar, daß der Antragsteller stillschweigend den Besitz der zuständigkeitsbegründenden Staatsangehörigkeit behaupte 2 1 . In vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit Parteimaxime wird die Behauptung des Klägers über den den Gerichtsstand begründenden Wohnsitz des Beklagten mangels Bestreitung als richtig unterstellt, wenn die Klage, was das Gericht von Amts wegen prüft, tatsächlich durch Zustellung an der als Wohnsitz behaupteten Stelle in seine Hand gelangt ist. Höchst delikat hingegen ist die Frage, was vom Gericht zu prüfen ist, wenn der Kläger behauptet, der Beklagte habe durch eine unerlaubte Handlung im Gerichtsland die inländische Zuständigkeit der Gerichte am Deliktsort begründet, und wenn nicht nur die Möglichkeit besteht, daß die Handlung des Beklagten gar keine unerlaubte Handlung war, sondern auch die, daß er die Handlung gar nicht im Inland, sondern im Ausland begangen hat, oder gar, daß er sie überhaupt nicht begangen hat. Hier kann das Gericht sich nicht auf die Prüfung der Zustellung der Klage an den Beklagten beschränken, sondern muß, insbesondere bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung, von Amts wegen Nachforschungen anstellen, ob überhaupt die Möglichkeit zu einem Handeln des Beklagten im Inland, wie es der Kläger vorträgt, gegeben war. Bestreitet der Beklagte, der sich auf den Prozeß einläßt, den ganzen Vortrag des Klägers, so hat dieser zur endgültigen Begründung der Zuständigkeit zwar nicht schon nachzuweisen, daß die Handlung des Beklagten eine im Inland begangene unerlaubte Handlung war, wohl aber, daß der im Ausland wohnhafte Beklagte zu dem Zeitpunkt, zu dem er angeblich eine unerlaubte Handlung im Inland begangen hat, im Inland anwesend war 2 2 . Anders ist es mit dem Nachweis des Anknüpfungsmoments, welches die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts unabhängig von der Zuständigkeit des angegangenen Gerichts begründen soll. Diese Fragen hängen eng mit der Regelung der Fragen zusammen, ob die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts, eventuell auch nur die Anwendbarkeit von Auslandsrecht, von einer Partei, insbesondere vom Kläger, zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen ist, oder ob das anwendbare Recht, und damit die anwendbarkeitsbe231
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Völkerrechtlich unzulässige Anknüpfungsmomente
gründenden Tatsachen, in vollem Umfang vom Gericht von Amts wegen zu ermitteln sind. Dies wird an anderer Stelle dargestellt 23 . Eine besonders große Schwierigkeit des Beweises der Existenz einer bestimmten als Anknüpfungsmoment in Frage kommenden Verknüpfung führt unter Umständen dazu, daß dann ein anderes Anknüpfungsmoment maßgeblich wird: Ist für das anzuwendende Sachenrecht prinzipiell die jeweilige Belegenheit der Sache entscheidend, kann aber bei einer durch andere Länder transportierten Sache (res in transitu) meist nur schwer festgestellt werden, wo sich die Sache gerade in dem Zeitpunkt der Errichtung des sachenrechtlichen Rechtsgeschäfts befunden hat, so findet sich vielfach die Regelung, daß es für die res in transitu generell, oder bei Unmöglichkeit des Beweises der Belegenheit in einem bestimmten Zeitpunkt, auf eine andere Verknüpfung ankommt, nämlich auf die Belegenheit der Sache vor Beginn oder nach Beendigung des Transportes 24 . Unabhängig davon, ob eine Partei im konkreten Fall das Bestehen des maßgeblichen Anknüpfungsmoments nachzuweisen, oder ob das Gericht das Bestehen eines Anknüpfungsmoments von Amts wegen zu prüfen hat, finden sich nicht selten Vermutungen des Inhalts, daß beim Nachweis einer bestimmten Verknüpfung mangels Gegenbeweises auch das Bestehen der als Anknüpfungsmoment maßgeblichen anderen Verknüpfung angenommen werden soll. So kann bestimmt werden, daß bei einem erwiesenen 20jährigen Wohnsitz in einem Lande der Besitz der Staatsangehörigkeit in diesem Lande zu vermuten ist, usw. Anstelle der offenen Bezeichnung eines subsidiären Anknüpfungsmoments bei der Unmöglichkeit des Beweises, wohin das primär maßgebliche Anknüpfungsmoment geht, kann der Hinweis auf das subsidiäre Anknüpfungsmoment auch in die Gestalt einer Vermutung gekleidet werden: Ist das Anknüpfungsmoment seiner Art nach eine Dauerverknüpfung einer Person zu einem bestimmten Land, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen muß, so kann eine Vermutung gebildet werden, daß eine einmal in einem bestimmten Zeitpunkt als bestehend erwiesene Dauerverknüpfung weiterbesteht, bis ihre Beendigung erwiesen wird; in diesem Sinne wird etwa das Fortbestehen einer einmal erworbenen Staatsangehörigkeit meist vermutet 25 . d) Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Beschränkungen des Gesetzgebers bei der Aufstellung von Anknüpfungsmomenten Mehrfach wurde bereits erwähnt, daß für den staatlichen Gesetzgeber sowohl bezüglich der positiven Anordnung der Zuständigkeit seiner Gerichte, als auch bezüglich der Bestimmungen über das anwendbare Recht Schranken im allgemeinen Völkerrecht bestehen. Weitere Verbote oder auch Gebote der Verwendung bestimmter Anknüpfungsmomente können in völkerrechtlichen Verträgen enthalten sein. Ein Staat (F) darf nach allgemeinem Völkerrecht seinem eigenen Recht einen Anwendungsbereich sowohl mit Hilfe einer objektiven sachlichen Verknüpfung zum eigenen Staatsgebiet, als auch durch Anknüpfung vermittels der eigenen Staatsangehörigkeit in Anspruch nehmen. Er kann dann die letztere Zuweisung wieder dadurch einschränken, daß zugleich eine Verknüpfung zu bestimmten fremden Ländern erforderlich ist. Es kann also z. B. vorgesehen sein, daß die Vornahme einer Handlung auf dem Staatsgebiet allen verboten ist, und daß sie zugleich den Staatsangehörigen von F auf dem Gebiet der fremden Staaten A und B (nicht aber in anderen Staaten) verboten ist. Die Verwendung einer gesetzestechnischen Fiktion, daß die Handlung der eigenen Staatsangehörigen, soweit sie in A oder B erfolgt, „als im Inland vorgenommen gilt" 2 5 a , läßt die Anordnung noch nicht als völkerrechtswidrig erscheinen. Bedenklicher ist es schon, die in A oder B begangene Handlung als im Inland begangen zu definieren und andere Personen als die Staatsangehörigen von F als von dem Verbot befreit zu bezeichnen. Eine gesetzliche Bestimmung, welche ein Verhalten im Geltungsgebiet des eigenen Rechts verbietet und das Verhalten im 232
Fraudulöse Verknüpfungen
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Ausland als von dem Gesetz nicht erfaßt erklärt, ist sicher nicht völkerrechtswidrig. Dies ist wohl auch dann nicht der Fall, wenn das Verhalten außerhalb des Geltungsgebiets des eigenen Rechts als von dem Verbot befreit bezeichnet wird. Eine Formulierung des Gesetzes, welches das Verhalten in einigen völkerrechtlich zu fremden Staaten gehörigen Gebieten als von dem Gesetz befreit erklärt und zugleich das Verhalten im übrigen Ausland als vom Gesetz nicht erfaßt bezeichnet, ist völkerrechtlich bedenklich, wenn damit versteckt ein objektiv unberechtigter Anspruch auf Gebietshoheit über die erstgenannten Gebiete zum Ausdruck gebracht werden soll. Sodann kann auch die Verfassung eines Staates insbesondere die Verwendung bestimmter Verknüpfungen als internationalprivatrechtliche Anknüpfungsmomente als unzulässig erscheinen lassen. So kann etwa bestimmt werden, daß es verboten ist, einen Unterschied zu machen zwischen Personen, welche die Staatsangehörigkeit durch Naturalisation, und Personen, welche sie aus einem anderen Rechtsgrund erworben haben. Bedeutsam wird in manchen Staaten die Frage, inwieweit der Gleichheitssatz ihrer Verfassung nicht nur die Bildung verschiedener Privatrechte für verschiedene Gebietsteile oder Bevölkerungsgruppen als unzulässig erscheinen läßt, sondern ob aus dem Gleichheitssatz zu folgern ist, daß dann, wenn es schon auf eine persönliche Verknüpfung zwecks Bestimmung des anwendbaren Rechts ankommen soll, die Regelung für alle Staatsangehörigen dieses Staates gleich sein muß, das heißt also, daß die Verwendung der Gesamtstaatsangehörigkeit als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment für das Personalstatut verfassungsrechtlich geboten, hingegen die Verwendung der Gliedstaatsangehörigkeit im interregionalen Recht verfassungsrechtlich verboten sein kann 2 6 . Völkerrechtlich und verfassungsrechtlich bedenklich kann es sein, daß dem nicht am Gerichtsort ansässigen Beklagten die Bestreitung der Behauptung des Bestehens des Anknüpfungsmoments, auf dem die internationale Zuständigkeit des Gerichts beruhen müßte, in unangemessener Weise erschwert wird 2 7 . e) Irrelevanz fraudulöser Verknüpfungen Damit, daß die Verwirklichung der meisten als Anknüpfungsmoment verwendeten objektiven Verknüpfungen von einer Partei beeinflußt werden kann, hängt das Problem zusammen, ob „fraudulös" begründete Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment ignoriert werden können oder sollen. Zur Klärung dieses Problems ist zunächst festzustellen, daß die fraudulöse Begründung eines Anknüpfungsmoments nichts zu tun hat mit der objektiv unrichtigen Behauptung einer Partei, es bestehe im konkreten Fall die als Anknüpfungsmoment relevante Verknüpfung, unter Vortäuschung dieses Bestehens durch Manipulationen in oder vor dem gerichtlichen Verfahren: Das „Briefkastendomizil" der juristischen Person, welches die Anwesenheit des leitenden Organs der juristischen Person an einem bestimmten Ort nur vortäuscht, ist aber eben überhaupt nicht Verwirklichung derjenigen Verknüpfung, auf die das Gesetz abstellt. Fälschlich vorgebracht werden kann auch die objektiv unrichtige Behauptung, es bestehe eine nach der gesetzlichen Definition des Anknüpfungsmoments erforderliche Absicht, eine bestehende Verknüpfung auf Dauer beizubehalten, so z. B. wenn nach der gesetzlichen Definition des Wohnsitzes außer dem Innehaben einer Wohnung und deren Benutzung die Absicht erforderlich ist, dies auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Keineswegs ist aber bei jeder Dauerverknüpfung, die zum Anknüpfungsmoment erklärt wird, eine solche Absicht der Nichtänderung einer solchen Verknüpfung stets ein gesetzliches Begriffsmerkmal. Nichts hindert jedoch den Urheber einer internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnorm, von einer zum Anknüpfungsmoment erhobenen Dauerverknüpfung zusätzlich zu bestimmen, daß sie, auch wenn die Existenz dieser Verknüpfung nicht nur vorgespielt, 233
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Absicht der Aufrechterhaltung von Dauerverknüpfungen
sondern real ist, dann nicht als A n k n ü p f u n g s m o m e n t zu gelten habe, wenn bei der Partei, die die Entstehung der Verknüpfung veranlaßt hat, die Absicht nachweisbar ist, die Verk n ü p f u n g später wieder zu beseitigen, und wenn nachweisbar ist, daß die Verknüpfung nur in der Absicht begründet wurde, um auf bestimmte Vorgänge ein bestimmtes Recht anwendbar zu machen. Eine solche Regelung kann nicht nur für den W o h n s i t z 2 8 und die Staatsangehörigkeit, sondern auch für andere Dauerverknüpfungen getroffen werden; es könnte bestimmt werden, daß es auf die Belegenheit eines Vermögensrechts nicht ankommen soll, wenn die Belegenheit nur begründet wurde, um bloß für eine kurze Zeit das Recht des Lagestaates auf bestimmte Rechtsgeschäfte anwendbar zu machen. Eine solche gesetzliche Anordnung, wonach ein in d e r a r t bestimmter Absicht begründetes A n k n ü p f u n g s m o m e n t nicht als A n k n ü p f u n g s m o m e n t internationalprivatrechtlich wirksam werden soll, hängt offenbar mit anderen gelegentlich anzutreffenden materiellrechtlichen Regelungen z u s a m m e n : In manchen Rechten wird bestimmt, daß eine Ehe, bei deren Abschluß die Absicht bestand, sie nach der Erlangung der Staatsangehörigkeit eines bestimmten Staates durch einen der Ehegatten auf G r u n d der Eheschließung wieder scheiden zu lassen (eventuell auch die Ehe gar nicht zu vollziehen), als nichtig zu betrachten sei, oder jedenfalls auf Antrag der Staatsanwaltschaft als nichtig erklärt werden könne. H i e r führt die festgestellte Nichtigkeit der Ehe dann auch nicht den an die Eheschließung angeknüpften E r w e r b der Staatsangehörigkeit herbei. Möglich ist aber auch eine gesetzliche Regelung dahin, daß die mit dieser Absicht geschlossene Ehe im Verhältnis zwischen den Ehegatten als gültig behandelt wird, und daß nur der angestrebte E r w e r b der Staatsangehörigkeit nicht wirksam wird. Schließlich aber kann der Gesetzgeber in seinen Bestimmungen über internationales Privatrecht, wenn er auf die Staatsangehörigkeit abstellt, bestimmen, daß, obwohl die nur zu Zwecken des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit geschlossene Ehe rechtsgültig ist und die erworbene Staatsangehörigkeit ihre völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Wirkungen auslöst, sie nicht als Teil eines A n knüpfungsmomentes für die Begründung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit ausländischer Gerichte zu Gestaltungsakten anerkannt werden soll. Keineswegs ist jedoch anzunehmen, daß es in allen positiven Kollisionsrechten einen Rechtssatz gäbe, wonach sämtliche Verknüpfungen, die ihrer Art nach Dauerverknüpfungen sind, dann als internationalprivatrechtliches A n k n ü p f u n g s m o m e n t unwirksam sind, wenn die (nachzuweisende) Absicht bestand, die Verknüpfung wieder zu beseitigen, nachdem bestimmte Vorgänge unter dem Recht des durch die Verknüpfung ermittelten Staates abgelaufen sind. Erst recht ist nicht anzunehmen, daß es in jedem positiven staatlichen Kollisionsrecht einen Satz gibt, wonach nur die Veranlassung eines Wechsels einer zunächst einmal vorhandenen Verknüpfung zum Inland die neu begründete Verknüpfung als A n k n ü p f u n g s m o m e n t unwirksam macht, wenn der Wechsel nur in der Absicht erfolgt, einen Wechsel des anwendbaren Rechts herbeizuführen. Vor allem gibt es keinen anerkannten allgemeinen internationalprivatrechtlichen Leitsatz, wonach das Bestehen derartiger Vorschriften in den Kollisionsrechten der verschiedenen Staaten erwünscht, und deshalb mangels ausdrücklicher gegenteiliger B e s t i m m u n g e n 2 9 zu vermuten wäre. Besonders widerspruchsvoll wäre es, wenn in einem Staat, dessen internationales Privatrecht den Parteien in weitem U m f a n g die Möglichkeit verschafft, das anwendbare Recht durch ausdrückliche Wahl zu bestimmen, anzunehmen wäre, daß die Begründung einer objektiven Verknüpfung mit der Absicht, die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts herbeizuführen, grundsätzlich als „ f r a u d u l ö s " zu behandeln wäre. A m ehesten hätte es noch einen Sinn, wenn ein Staat, der sein eigenes Recht prinzipiell als „ G r u n d s t a t u t " auf ein Rechtsverhältnis anwenden lassen will, die Verdrängung dieses Rechts für einzelne Teilfragen durch ein anderes Recht, falls die erforderliche Verknüpfung zur Anwendung des anderen Rechts von den Parteien veranlaßt worden ist, nur unter der Bedingung 234
Verbote der Veränderung bestehender Verknüpfungen
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zulassen würde, daß dabei andere Gründe maßgebend gewesen sind als die Absicht, die einschlägigen Bestimmungen des Grundstatuts für diese Teilfrage auszuschalten 30 . Andererseits kann jeder Staat in seinem materiellen Recht Spezialrechtssätze bilden, welche die „Zerstörung" einer bestehenden Inlandsverknüpfung oder die Begründung einer Auslandsverknüpfung neben bestimmten bestehenden Inlandsverknüpfungen verbieten, wobei es sich in erster Linie um Vorschriften handeln wird, die mit strafrechtlichen Unrechtsfolgen ausgestattet sind. Der eigentliche Grund für ein solches Verbot ist dann zunächst ein anderer als die Beeinflussung des anwendbaren Rechts: Ein Staat kann die Ausfuhr bestimmter Sachen, und damit die Begründung ihrer „Belegenheit" im Ausland, aus wirtschafts- oder kulturpolitischen Gründen verbieten; ein Staat kann wehrpflichtigen Staatsangehörigen die Verlegung des Wohnsitzes in das Ausland verbieten; ein Staat kann vielleicht auch seinen Staatsangehörigen unter Strafandrohung verbieten, einen Antrag auf Naturalisation in einem anderen Staat zu stellen, auch wenn der Erwerb der anderen Staatsangehörigkeit nicht den Verlust der Staatsangehörigkeit in dem ersten Staat zur Folge hat. Bestehen solche Verbote, so ist es möglich, daß der Urheberstaat des Verbots die vom Standpunkt seines Rechts her verbotenerweise begründete Verknüpfung auch nicht als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment verwenden will, bzw. daß er die verbotenerweise beseitigte Verknüpfung in ihrer Rolle als Anknüpfungsmoment als weiterbestehend fingiert. Eine solche Gestaltung des internationalen Privatrechts ist jedoch keineswegs die einzig denkbare und selbstverständliche: Kein Staat wird im allgemeinen die Anwendung des Sachenrechts des neuen Lagestaates auf eine verbotenerweise exportierte Sache verweigern. Hingegen wird man eine entgegen einem Verbot des Heimatstaates neu erworbene fremde Staatsangehörigkeit neben der fortbestehenden eigenen Staatsangehörigkeit im alten Heimatstaat keinesfalls als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment anerkennen. Verbote der Einwirkung auf den Stand der Verknüpfungen zum Inland bzw. zum Ausland können nun auch in Bestimmungen des materiellen Privatrechts enthalten sein; ein Staat kann es zu einer „Nebenwirkung" eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlich begründeten Privatrechtsverhältnisses machen, daß die Parteien an diesem Rechtsverhältnis gewisse bestehende Verknüpfungen nicht ändern dürfen: Bei der Regelung der Personensorge über die Kinder nach der Ehescheidung kann z. B. angeordnet werden, daß der sorgeberechtigte Elternteil, damit das Besuchsrecht des anderen Elternteils nicht illusorisch wird, das Kind nicht ins Ausland verbringen darf 3 1 . In einem Privatrecht kann für eine homogen verknüpfte Ehe eine Verpflichtung der Ehefrau bestehen, sich ohne Zustimmung des Ehemannes nicht anderswo als an seinem Wohnsitz aufzuhalten; es kann auch eine „eheliche Verpflichtung" sein, keinen selbständigen Wohnsitz in einem anderen Land als dem bisherigen gemeinsamen Wohnsitzland zu begründen. Unter Umständen werden durch Rechtsgeschäft ausdrücklich oder stillschweigend Verbote begründet, bestehende Verknüpfungen zu dem einen oder zu dem anderen Land, die als internationalprivatrechtliche Anknüpfungsmomente für das Rechtsverhältnis in Frage kommen, zu verändern: Wer eine Sache für einen anderen zu verwahren hat, kann verpflichtet sein, die Sache in einem bestimmten Staat zu verwahren, wenn es ihm auch freisteht, den Ort der Verwahrung in diesem Staat selbst zu bestimmen. Bei all diesen soeben genannten Verboten, auf bestehende Verknüpfungen eines Rechtsverhältnisses einzuwirken, handelt es sich letztlich um „Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen" im weitesten Sinne 32 . Ein solches spezialrechtliches Verbot der Einwirkung auf bestehende Verknüpfungen kann nun seinerseits insofern „lex perfecta" sein, als der verbotenerweise begründeten Verknüpfung die Funktion als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment verweigert und der verbotenerweise beseitigten Verknüpfung diese Funktion weiter beigelegt wird. Aber auch hier ist diese Folgerung keines235
Starre und elastische Anknüpfungsmomente
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wegs immer zu ziehen, sondern es ist Sache des positiven Rechts, ob sie bei einzelnen Verboten gezogen werden soll, bei anderen nicht. Insbesondere kann gerade hier die internationalprivatrechtliche Ignorierung einer verbotenen Veränderung von Verknüpfungen zusätzlich davon abhängig gemacht werden, daß die Parteien, die die Veränderung veranlaßt haben, dies allein in der Absicht getan haben, auf das anwendbare Recht einzuwirken. Es ist auch möglich, daß ein Staat seinen Gerichten ein Ermessen gibt, im Verhältnis zwischen denjenigen, die gegen das Verbot der Einwirkung auf bestehende Verknüpfungen verstoßen haben, und insbesondere gegenüber dem Verbotsverletzer, das „fraudulös" hergestellte Anknüpfungsmoment zu ignorieren, es aber zugunsten anderer Personen als wirksam zu betrachten. Eine Ignorierung einer verbotenerweise begründeten Verknüpfung im Kollisionsrecht wird in erster Linie durch denjenigen Staat erfolgen, von dessen eigenem Recht das Verbot herrührt. Es ist aber auch möglich, daß eine Verknüpfung, wenn sie unter Verletzung von Verboten eines anderen Staates hergestellt worden ist, im Forumstaat deswegen nicht als Anknüpfungsmoment verwendet wird, bzw. daß eine unter Verletzung ausländischer Verbote beseitigte Verknüpfung im Forumstaat weiterhin als Anknüpfungsmoment bestehend fingiert wird. Dies ist insbesondere dann zu erwarten, wenn der Forumstaat selbst spezialrechtliche Verbote der Einwirkung auf den Stand der Verknüpfungen eines Rechtsverhältnisses kennt und diesen Verboten in seinem internationalen Privatrecht Beachtung beilegt. Umgekehrt ist die Beachtung ausländischer Verbote der Einwirkung auf bestehende Verknüpfungen bei der Bewertung der tatsächlich vorhandenen Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment im Forumstaat nicht zu erwarten, wenn der Forumstaat entsprechende Regelungen nicht hat, und wenn er das Bestehen solcher Regelungen als krasse Abweichung von der lex fori im weiteren Sinne empfindet. Im übrigen ist es denkbar und wohl sogar empfehlenswert, daß eine Beachtlichkeit ausländischer Bestimmungen der genannten Art im internationalen Privatrecht des Forumstaates nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorgesehen wird: Begründet in zwei Staaten der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes die internationale Zuständigkeit der Gerichte, Anordnung über die endgültige Zuweisung der Personensorgegewalt nach Maßgabe des Rechtes dieses Landes zu treffen, während der einfache Aufenthalt die Zuständigkeit zur vorläufigen Entziehung bestehender Sorgegewalt bei schwerer Gefährdung des Kindeswohls begründet, so wird der unter Verletzung einer Anordnung des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltslandes neu begründete gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einem dieser Staaten jedenfalls bei Gegenseitigkeit keine in dem bisherigen Aufenthaltsland anzuerkennende Zuständigkeit zu einer endgültigen Entscheidung über die Sorgegewalt unter Anwendung dieses Rechts nach sich ziehen; der verbotenerweise begründete Aufenthalt kann aber als einfacher Aufenthalt ausreichen, damit die Gerichte des Aufenthaltsortes bei einer schweren Gefährdung des Kindeswohls vorläufige Eingriffe in den tatsächlichen Besitzstand nehmen 3 3 . f) Die Technik der Bildung der Anknüpfungsmomente 1. Starre und elastische
Anknüpfungsmomente
Mit der Frage nach dem „gewichtigsten" Anknüpfungsmoment hängt der lange Zeit wenig beachtete Unterschied zwischen starren und elastischen Anknüpfungsmomenten (bzw. Zuweisungen) zusammen: Die starre Zuweisung bezeichnet generell eine bestimmte Verknüpfung (etwa Staatsangehörigkeit, Ort der unerlaubten Handlung) als das Anknüpfungsmoment, ungeachtet dessen, ob vielleicht im einzelnen Fall alle anderen bestehenden Verknüpfungen (etwa Wohnsitz, Wirkungsort usw.) zu einem einzigen anderen Staat hingehen. Bei der elastischen Zuweisung wird der Richter hingegen angewiesen, alle im konkreten Fall vorhandenen Verknüpfungen irgendwelcher Art zu irgendwelchen Ländern zu prüfen und zu klären, welche der zu einem bestimmten Land hingehenden Kombinatio236
Direkte und indirekte Bestimmung des Anknüpfungsmoments
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nen von Verknüpfungen gewichtiger ist als die zu den anderen Ländern hingehenden Verknüpfungen bzw. Kombinationen von Verknüpfungen. Da die Gewichtigkeit der Verknüpfungen nicht objektiv meßbar ist, wird damit dem Richter letztlich ein breites Ermessen zur Bestimmung des anwendbaren Rechts verschafft 34 . Da dies mit dem Postulat, das in einem bestimmten Forumstaat anwendbare Recht für die Parteien voraussehbar zu machen, schwer vereinbar ist, beschränkt das positive Recht zutreffenderweise die Verwendung eines solchen elastischen Anküpfungsmomentes auf gewisse Rechtsgebiete, wie z. B. die verschuldensfreie Haftung für Schäden 35 . Bei obligatorischen Verträgen wird die elastische Zuweisung meist nur subsidiär gehandhabt, nämlich wenn ein übereinstimmender Wille der Beteiligten zur Anwendung eines bestimmten Rechts, also vor allem eine „parteiautonome Wahl des Geschäftsstatuts" für rechtsgeschäftlich begründete Recht-Pflicht-Beziehungen, nicht ermittelt werden kann 36 . Daneben sind Kompromisse zwischen starren und elastischen Zuweisungen möglich: Es wird von einer bestimmten Verknüpfung vermutet, daß sie die gewichtigste Verknüpfung sei, es wird aber den Parteien ermöglicht zu behaupten und dem Richter ermöglicht „festzustellen", daß in Ausnahmefällen eine so große Anzahl anderer Verknüpfungen zu einem einzigen anderen Staat hingeht, daß dessen Recht als das anwendbare Recht zu gelten hat 37 . Es ist auch denkbar, daß die Ansichten der Rechtsprechung darüber, welche Kombination von Verknüpfungen zu einem Staat im Vergleich zu den Verknüpfungen mit anderen Staaten in den verschiedenen denkbaren Konstellationen als die gewichtigste anzusehen ist, sich im Laufe der Zeit verfestigen, und daß es so doch wieder zu starren Zuweisungen kommt, etwa in der Fassung, daß die Kombination der Verknüpfungen A + B stets gewichtiger sei als die Verknüpfung C, D oder E allein, daß aber eine Kombination aller dieser Verknüpfungen zu einem einzigen Staat gewichtiger sei als das Zusammentreffen der Verknüpfungen A + B. 2. Direkte und indirekte Bestimmung des
Anknüpfungsmoments
Die gebräuchlichen starren Zuweisungen bezeichnen meist unmittelbar die als Anknüpfungsmoment maßgebliche Verknüpfung; gelegentlich kommt es aber vor, daß die Zuweisungsnorm für eine bestimmte Rechtsfrage besagt, es solle dasjenige Recht angewendet werden, das in einer anderen Zuweisungsnorm (desselben Forumstaates) für eine andere Art von Rechtsfragen als maßgeblich bezeichnet worden ist 38 . Es wird also z. B. vorgesehen, die Bestimmungen über die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts sollen alternativ dem Recht des Errichtungsortes und demjenigen Recht entnommen werden, welches — nämlich auf Grund eines anderen Anknüpfungsmoments als des Errichtungsortes — für die übrigen Fragen des durch das Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses bereits als „Geschäftsstatut" berufen ist. Selbstverständlich bedeutet auch Gesamtverweisung, daß das Anknüpfungsmoment, das die Kollisionsnorm des mit Gesamtverweisung berufenen Rechts verwendet, indirekt auch im Forumstaat maßgeblich wird. Als einseitige Zuweisungsregeln mit indirekter Bezeichnung des Anknüpfungsmoments sind die meisten derjenigen Sätze zu verstehen, welche die Anwendbarkeit der „lex fori" (und nur dieser) vorsehen. Derartige Zuweisungen bedeuten nichts anderes, als daß im Forumstaat auf heterogen verknüpfte Situationen das eigene Inlandsrecht anzuwenden ist, wenn diejenige Verknüpfung, welche die Zuständigkeit der inländischen Gerichte begründet, tatsächlich zum Inland verwirklicht ist 3 9 ; zur direkten Anwendung ausländischen Rechts kommt es dann überhaupt nicht. Es ist indes eine Frage der Auslegung, ob eine solche Zuweisungsnorm auch bei einer Neugestaltung der Zuständigkeitsregeln weitergelten soll: Sieht ein Recht die ausschließliche internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte für Ansprüche aus Delikten im Inland vor (etwa weil die Prozeßgesetze hierfür Verhandlung am Tatort vorschreiben), so mag die Rechtsanwendungsanweisung so gefaßt 237
Objektive und subjektive Verknüpfungen
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werden, daß auf die Frage nach Ansprüchen aus Delikt „die lex fori" als anwendbar erklärt wird. Wird dann das Prozeßrecht dahin geändert, daß der angebliche Täter an seinem inländischen Wohnsitz auch aus Delikten im Ausland verklagt werden kann, so ist keineswegs ohne weiteres anzunehmen, daß die Rechtsanwendungsanweisung nunmehr auch für die Ermittlung des maßgeblichen Rechts am Gerichtsstand des Wohnsitzes gelten will. Eine „Erweiterung" der einseitigen Zuweisungsnorm, welche die lex fori des anderweit als international zuständig bezeichneten inländischen Gerichts als anwendbar bezeichnet, zu einer bilateralen Zuweisungsnorm ist sinnlos 40 . Es ist aber auch nicht möglich, aus einer solchen Rechtsanwendungsanweisung zu schließen, daß eine Anerkennung ausländischer Entscheidungen nur dann, und stets dann in Frage komme, wenn ein ausländisches Gericht unter Anwendung seiner lex fori entschieden hat. Das ist auch dann nicht anzunehmen, wenn die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts in dem um Anerkennung ersuchten Staat deshalb bejaht wird, weil die im Forumstaat maßgebliche zuständigkeitsbegründende Verknüpfung zu jenem fremden Staat verwirklicht war, obwohl das entscheidende ausländische Gericht seine Zuständigkeit auf eine andere zu diesem Land hingehende Verknüpfung gestützt hat: Ist der Staat, dessen eigene Gerichte nur auf Grund des Wohnsitzes zuständig sein sollen, bereit, ausländische Scheidungsurteile anzuerkennen, wenn Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit in dem Urteilsstaat gegeben war, so ist aus der einseitigen Kollisionsnorm, daß die Gerichte des anerkennenden Staates, wenn sie zuständig sind, nach der lex fori zu scheiden haben, weder zu schließen, daß die Anerkennung der ausländischen Entscheidung davon abhängig sein soll, daß in dem fremden Staat, wenn dort nur Wohnsitz bestand, nach Wohnsitzrecht geschieden wurde, noch ist daraus zu schließen, daß, wenn die Gerichte des Scheidungsstaates wegen Staatsangehörigkeit zuständig waren, sie nur nach dem Heimatrecht, und nicht nach dem Wohnsitzrecht entscheiden durften. Erst recht ist nicht anzunehmen, daß dann, wenn Wohnsitz und Staatsangehörigkeit zu dem fremden Staat bestanden haben, die Anerkennung nur dann möglich sein soll, wenn „nach Wohnsitzrecht" entschieden worden ist. 3. Objektive
und subjektive
Verknüpfungen
als
Anknüpfungsmomente
Als subjektive Verknüpfungen werden im folgenden diejenigen bezeichnet, welche in einer Meinung oder Meinungsäußerung eines Menschen bestehen: Anknüpfungsmoment kann sein die ausdrückliche Erklärung der an der Errichtung eines Rechtsgeschäfts, oder der an einem Prozeß beteiligten Partei, sie „wolle", daß ein bestimmtes Recht für eine bestimmte Rechtsfrage „maßgebend sei", oder sie wolle, daß ihre rechtsgeschäftlichen Erklärungen Rechtswirkungen nach einem bestimmten Recht auslösen sollen. Als Anknüpfungsmoment verwendbar ist aber auch eine subjektive Verknüpfung in Gestalt von Äußerungen der Parteien, sie glaubten, daß kraft gesetzlicher und zwingender Rechtsanwendungsanweisungen ein bestimmtes Recht maßgebend sei 4 1 . Als Anknüpfungsmoment verwendbar ist es auch, wenn der Glaube einer Partei an die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts sich nur darin äußert, daß sie in ihren Erklärungen auf Institutionen dieses Rechts Bezug nimmt. Anknüpfungsmoment kann schließlich auch allein der ausdrücklich erklärte oder durch Auslegung ermittelte Glaube einer Partei an das Bestehen eines objektiven Anknüpfungsmoments sein 4 2 . Anknüpfungsmoment in Gestalt einer objektiven Verknüpfung ist etwa die Lage eines Grundstücks; aber auch Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Handlungsort sind objektive Verknüpfungen. Viele objektive Verknüpfungen sind allerdings durch Handlungen einer Partei mehr oder weniger „manipulierbar"; man kann sich durch Naturalisation eine bestimmte Staatsangehörigkeit verschaffen, und schließlich beruht auch der Ort, von wo aus eine Handlung vorsätzlich vorgenommen wird, zumeist auf dem Willen des Handelnden. Nicht von den Parteien beeinflußbar ist die Lage eines Grundstücks in einem Staat. 238
Sachliche und persönliche Verknüpfungen
§10
Der erklärte Wille zur Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts, oder der Glaube an die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts braucht andererseits nicht notwendig allein das Anknüpfungsmoment darzustellen 43 , sondern kann bei einer elastischen Zuweisung als eine von vielen Verknüpfungen behandelt werden, die untereinander „abgewogen" werden 4 4 . Bei dem auf einen Staat und damit dessen Recht hingehenden „Parteiwillen" ist im übrigen, wenn darin ein Anknüpfungsmoment gesehen werden soll, zu unterscheiden zwischen dem Willen, daß die durch Rechtsgeschäft zu begründenden subjektiven Rechte in einem bestimmten staatlichen Recht dadurch Schutz genießen, daß gegebenenfalls durch Entziehung der in diesem Staat befindlichen Rechtsgüter des Verpflichteten Rechtszwang geübt wird, und dem davon verschiedenen Willen, daß die Frage der Gültigkeit, der Ergänzung von Inhaltslücken und Auslegung des Rechtsgeschäfts in irgendeinem Forumstaat nach einem einzigen bestimmten nationalen Recht beurteilt werden solle 45 . Auch der bei der Begründung von Verhaltenspflichten durch Rechtsgeschäft von den Errichtern des Rechtsgeschäfts ausgedrückte Wille, daß zugunsten der Rechte einer Vertragspartei „aus dem Vertrag" in einem bestimmten Staat gegebenenfalls Rechtszwang geübt werde, legitimiert allein als solcher diesen Staat nach Völkerrecht, die Bestimmungen seines Rechts auf das Rechtsgeschäft anwenden zu lassen. Wollen die Begründer eines Rechtsgeschäfts, daß aus dem zu begründenden Rechtsverhältnis nur in einem einzigen Staat geklagt und nur dort aus dem Urteil vollstreckt werden könne, daß also das Rechtsverhältnis nur in diesem einen Staat Rechtsschutz genießt, so kann und wird der um solchen Rechtsschutz ersuchte Staat, der auf diesen Parteiwillen eingeht, auch dann, wenn die Parteien nicht schon selbst erklärt haben, daß das Recht dieses Staates auf das Rechtsverhältnis angewendet werden solle, im allgemeinen seinen eigenen Gerichten aufgeben, sie sollten auf die Frage der Gültigkeit und der Rechtswirkungen des Rechtsgeschäfts sein eigenes Recht anwenden. Hier wird also der Wille, für das Rechtsgeschäft gerade in diesem einen Staat allein Rechtsschutz zu erhalten, seinerseits als Anknüpfungsmoment verwendet. 4. Sachliche und persönliche
Verknüpfungen
Als „sachliche" Anknüpfungsmomente können Eigenschaften einer Sache oder eines Vorgangs (Lage einer körperlichen Sache, Abschlußort eines Vertrages) in Gegensatz gestellt werden zu „persönlichen", aber objektiven Anknüpfungsmomenten, wie etwa Staatsangehörigkeit, Wohnsitz 4 S a oder Aufenthalt einer natürlichen oder juristischen Person. Von persönlichen Dauerverknüpfungen, die als Anknüpfungsmoment bezeichnet werden, wird manchmal angenommen, es handle sich um vom Recht verliehene rechtliche Eigenschaften, für deren Verleihung stets wieder zuerst das zuständige Recht bestimmt werden müsse; das ist aber ein Irrtum. Wenn die Staatsangehörigkeit auch in ihrer Eigenschaft als intemationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment nur von dem angeblichen Heimatstaat verliehen bzw. entzogen werden kann, so deshalb, weil dies für die Staatsangehörigkeit im Sinne des Völkerrechts im Völkerrecht so vorgesehen ist, und überdies nur dann, wenn das internationale Privatrecht des Forumstaates auf den Begriff der völkerrechtlichen Staatsangehörigkeit abstellt, und nicht einen besonderen Begriff der „Staatsangehörigkeit für die Zwecke des internationalen Privatrechts" bildet. Es ist hingegen abwegig anzunehmen, daß der Forumstaat nicht seinen Wohnsitzbegriff verwenden könne um zu bestimmen, ob jemand einen Wohnsitz in einem anderen Staat hat, und daß entweder auf das Recht des angeblichen Wohnsitzstaates, oder gar auf das Recht des Heimatstaates, zurückgegangen werden müsse um zu ermitteln, wo jemand seinen Wohnsitz als rechtlich relevante persönliche Eigenschaft hat. Eine natürliche Person mit nichtbritischer Staatsangehörigkeit hat nach englischem internationalen Privatrecht ihr 239
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Punktverknüpfung und Raumverknüpfung
domicile of origin dort, wo die Merkmale des englischen Rechtsbegriffs zutreffen, auch wenn der betreffende Staat selbst den Begriff des domicile of origin überhaupt nicht kennt. Es ist indes durchaus möglich, daß bei solchen Anknüpfungsmomenten, die ein Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen voraussetzen, dieses Rechtsverhältnis in seiner Relevanz für das Anknüpfungsmoment nicht bloß in der Sicht des Forumstaates, sondern auch in der Sicht desjenigen Staates bestehen muß, zu dem das Anknüpfungsmoment angeblich hingeht: O b die Ehefrau einen abgeleiteten Wohnsitz an dem in einem anderen Staat belegenen Wohnsitz des Mannes hat, dafür kann der Forumstaat bestimmen, daß dies nur dann bejaht werden soll, wenn im Wohnsitzstaat des Mannes die Ehe von Rechts wegen besteht; es könnte sogar gefordert werden, daß auch nach dem Wohnsitzrecht des Mannes die Ehe einen abgeleiteten Wohnsitz der Ehefrau zur Folge haben muß. Eine objektive persönliche Verknüpfung erfordert unter Umständen einen „Willen" einer natürlichen Person zur Begründung der Verknüpfung, und damit Willensfähigkeit im Rechtssinne: Der Wohnsitzbegriff kann so gestaltet sein, daß ein Wille zur Begründung und Beibehaltung einer Wohnung erforderlich ist. Es ist dann Sache des Urhebers der Rechtsanwendungsanweisung, die den Wohnsitzbegriff verwendet, zu sagen, ob für Inländer und Ausländer dieselben Kriterien der „Wohnsitzwillensfähigkeit" gelten sollen, oder ob es auf die allgemeine Geschäftsfähigkeit im Sinne des Heimatrechts ankommen soll, oder ob die Wohnsitzwillensfähigkeit nach dem Recht des in Frage stehenden Wohnsitzstaates zu beurteilen ist 4 6 . 5. Punktverknüpfung Verknüpfung
und Raumverknüpfung.
Dauerverknüpfung
und
ephemere
Jedes internationalprivatrechtliche Anknüpfungsmoment soll auf das „Geltungsgebiet" einer Privatrechtsordnung hinführen. Auch die Staatsangehörigkeit soll zu dem im Staats gebiet des Heimatstaates geltenden Recht führen. Das Anknüpfungsmoment kann so beschaffen sein, daß es von vornherein auf die Gesamtheit des Staatsgebietes hingeht, wie z. B. die Staatsangehörigkeit; das Anknüpfungsmoment kann auch zunächst nur einen Punkt im Staatsgebiet eines Staates 47 (z. B. den Handlungsort einer unerlaubten Handlung) betreffen. Der Wohnsitz einer Person kann entweder dahin zu verstehen sein, daß er sich auf eine bestimmte Wohnung an einem bestimmten Ort bezieht, er kann aber auch dahin zu verstehen sein, daß er sich auf das ganze Staatsgebiet eines Staates, oder auf das Geltungsgebiet eines Teilrechtssystems in einem Mehrrechtsstaat bezieht. Anknüpfungsmomente, welche als Punktverknüpfung zunächst auf einen einzelnen Ort innerhalb des Staatsgebietes eines Staates Bezug nehmen, sind als internationalprivatrechtliche Anknüpfungsmomente normalerweise in eine Raumverknüpfung umzudeuten. Daß sie nicht ausschließlich als Punktverknüpfung gemeint sind, zeigt sich insbesondere, wenn das an einem bestimmten Ort geltende örtliche Recht durch völkerrechtliche Gebietsveränderungen wechselt: Wird ein Vertrag in einer bestimmten Stadt geschlossen, die zur Zeit des Vertragsschlusses zu einem bestimmten Staat gehört und später zum Staatsgebiet eines anderen Staates kommt, so kann doch die Zuweisung an das Recht des Vertragsabschlußortes dahin zu verstehen sein, daß es sich um das — möglicherweise geänderte — Recht des Staates handelt, zu dem der Vertragsabschlußort im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gehörte, nicht aber das Recht des Staates, zu dem der Vertragsabschlußort im Zeitpunkt der Entscheidung eines Rechtsstreites aus dem Vertrag gehört. Daß eine ephemere Punktverknüpfung stets die Anwendbarkeit des an diesem Punkt geltenden örtlichen Rechts nach Maßgabe des intertemporalen Rechts des letzten Inhabers der Gebietshoheit über den Ort nach sich ziehen soll, ist also nicht anzunehmen. Auf welchen Raum sich die Punktverknüpfung beziehen soll, ergibt sich bei Veränderungen der Gebietshoheit und des örtlichen Rechts möglicherweise erst durch die Heranziehung ande240
Anknüpfungsmomente, die ein Rechtsverhältnis voraussetzen
§ 10
rer späterer Verknüpfungen: Das als Recht des Abschlußortes berufene Geschäftsstatut für einen Vertrag ist, wenn die Vertragsparteien französische Staatsangehörige waren und geblieben sind, das im europäischen Gebiet Frankreichs geltende Recht, auch wenn der Vertrag vor der Verselbständigung Algeriens dort geschlossen wurde; für Personen, die später algerische Staatsangehörige mit algerischem Wohnsitz wurden, wird Vertragsstatut das algerische Recht; bei anderen Konstellationen der Verknüpfungen, insbesondere wenn auch noch Verknüpfungen zu dritten Staaten vorhanden sind, sind andere später entstehende Verknüpfungen maßgebend dafür, ob Vertragsstatut das französische oder das algerische Recht ist 4 8 . Die als Anknüpfungsmoment verwendete Verknüpfung kann eine ihrem Wesen nach längere Zeit bestehende Verknüpfung sein, wie z. B. Staatsangehörigkeit und Wohnsitz. Aber auch ephemere Anknüpfungsmomente, wie z. B. der Ort der Errichtung' eines Rechtsgeschäfts, können sich über eine gewisse Zeit erstrecken und infolgedessen im Verlauf dieser Zeit zu mehreren Staatsgebieten hingehen. Selbst das Angebot zu einem Vertrag kann vor einer Naturalisation des Adressaten ihm zugehen und nach der Naturalisation angenommen werden. Damit nicht zu verwechseln ist es, daß anstelle des tatsächlichen Lageortes einer Sache, wenn es sich um eine beförderte Sache handelt, und wenn der Lageort zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Reise schwer feststellbar ist, als Anknüpfungsmoment derjenige Ort maßgebend sein kann, wo der Beförderungsvorgang beginnt oder endet 49 . 6. Faktische Verknüpfungen Anknüpfungsmomente
und rechtlich qualifizierte
Vorgänge als
Komplikationen bereitet es, wenn die als Anknüpfungsmoment gewählte Verknüpfung nicht in einem reinen Faktum besteht; reines Faktum ist etwa die Belegenheit einer körperlichen Sache oder der Aufenthalt eines Menschen an einem bestimmten Ort. Wird der „Errichtungsort" eines Vertrages als Anknüpfungsmoment gewählt, so ist zu beachten, daß nach einigen Rechten der Vertrag dadurch endgültig bindend wird, daß die Mitteilung über die Annahme des Angebots dem Anbieter zugeht, während nach anderen Rechten die Bindung bereits durch die Absendung der Abnahmeerklärung eintritt. Selbst wenn als Anknüpfungsmoment der Ort bezeichnet wird, an dem der letzte Vorgang, der zum Bindendwerden des Vertrages führt, sich abspielt, hängt der Errichtungsort von dem auf die Frage des Bindendwerdens anwendbaren Recht ab. Soll es im Sinne einer Zuweisungsnorm für die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehende natürliche Person auf ihren „abgeleiteten" Wohnsitz ankommen, so muß zur Ermittlung dieses abgeleiteten Wohnsitzes geklärt werden, ob und nach welchem Recht jemand über die Person mit dem angeblich abgeleiteten Wohnsitz elterliche Gewalt oder Vormundschaft innehat. Hierbei kommt es nicht selten vor, daß auf das für die Ermittlung des Anknüpfungsmoments zu prüfende Rechtsverhältnis gerade wieder dasjenige Recht als anwendbar erklärt worden ist, welches erst mit Hilfe des fraglichen Anknüpfungsmoments ermittelt werden soll 5 0 : Ob eine elterliche Gewalt über einen Minderjährigen besteht, und ob er minderjährig ist, kann gerade nach dem „Wohnsitzrecht" des angeblich unter elterlicher Gewalt Stehenden zu beurteilen sein, und dieser Wohnsitz kann wieder ein vom Wohnsitz des Inhabers der Gewalt abgeleiteter Wohnsitz sein 51 . In solchen Fällen ist es natürlich möglich, nach dem Wohnsitzrecht eines jeden der in Frage kommenden Gewalthaber zu prüfen, ob danach Minderjährigkeit und die Voraussetzungen elterlicher Gewalt gegeben sind, um dann, wenn dies bejaht wird, auch das Bestehen des abgeleiteten Wohnsitzes, und damit die endgültige Anwendbarkeit jener Sachnormen zu bejahen. Dieses Verfahren kann dann aber dazu führen, daß mehrere Rechte anwendbar werden, die aus Gründen der materiellen Harmonie nicht zugleich angewendet werden können. Dann sind irgendwie Vorrangsregeln zu bilden. 241
§10
Rahmenbegriffe für Anknüpfungsmomente
Mit dem oben Ausgeführten ist ein anderes Phänomen nicht zu verwechseln: D i e Rechtsanwendungsanweisung des Forumstaates kann das von ihr verwendete A n k n ü p f u n g s m o m e n t als einen Rahmenbegriff für verschiedene durch das positive Recht erst näher auszugestaltende A n k n ü p f u n g s m o m e n t e verstehen und kann die nähere Ausgestaltung dem in Frage kommenden Recht überlassen. Die Rechtsanwendungsanweisung des Forumstaates besagt also z. B., daß als „ W o h n s i t z " einer natürlichen Person der O r t in Frage k o m m t , w o sie eine Wohnung hat und sich normalerweise aufhält, oder der O r t , w o sie sich tatsächlich innerhalb der letzten zwei Jahre die längste Zeit aufgehalten hat, oder der O r t , w o sie zuletzt mit der Absicht des ständigen Verbleibens bzw. der Rückkehr eine Wohnung gehabt hat, oder auch der abgeleitete Wohnsitz von Minderjährigen oder Ehefrauen; die Rechtsanwendungsanweisung besagt weiter, daß jeder Staat unter Zugrundelegung eines dieser unter dem Sammelbegriff des Forumstaates möglichen Wohnsitzbegriffe selbst bestimmen soll, o b jemand in diesem Staat seinen Wohnsitz h a t 5 2 . Auch dieses Verfahren kann dazu führen, daß jemand v o m Standpunkt mehrerer Staaten einen Wohnsitz in jedem dieser Staaten hat. Ist das Bestehen eines A n k n ü p f u n g s m o m e n t s auf diese Weise nach dem Recht des Staates zu beurteilen, zu dem es angeblich hingeht, so stellt sich auch die Frage, o b eine rechtskräftige positive oder negative Feststellung des Bestehens der Verknüpfung durch die Behörden dieses Staates in dem Staat, der das A n k n ü p f u n g s m o m e n t verwendet, anzuerkennen ist. D a s wird jedenfalls bei der Staatsangehörigkeit im allgemeinen zu bejahen sein; aber auch eine nicht rechtskräftige Entscheidung durch die Behörden des Staates, der das A n k n ü p f u n g s m o m e n t nach seinem Recht bilden soll, kann im Forumstaat mit der Vermutung der Richtigkeit ausgestattet w e r d e n 5 3 . Selbst wenn der Forumstaat die Voraussetzungen für die Verwirklichung einer A n k n ü p f u n g in einem fremden Staat abschließend selbst bestimmen will 5 4 , kann das Recht des betreffenden anderen Staates „beachtlich" werden: Erfordert Wohnsitz im Sinne des internationalen Privatrechts des Forumstaates, daß die Wahrscheinlichkeit der Fortdauer des Aufenthalts in dem angeblichen Wohnsitzstaat gegeben ist, so hängt diese Wahrscheinlichkeit nicht nur von den Absichten der betreffenden Person, sondern auch davon ab, o b sie nicht von dem Wohnsitzstaat gehindert wird, sich weiter dort aufzuhalten, und damit von dem Recht des Wohnsitzstaates über den Aufenthalt von Ausländern u s w . 5 5 . D e r markanteste Fall eines A n k n ü p f u n g s m o m e n t s , dessen Relevanz von dem in Frage stehenden Recht selbst abhängt, ist der, daß auf ein rechtsgeschäftlich zu begründendes Rechtsverhältnis im Forumstaat dasjenige Recht angewendet werden soll, welches selbst deshalb, und nur deshalb, anwendbar sein will, weil sich die Parteien ihm nach den von diesem Staat (und nicht dem Forumstaat) aufgestellten Bedingungen unterworfen h a b e n 5 6 . Wieder eine andere Art eines in einem „Rechtsverhältnis" gemäß dem Recht des in Frage kommenden Staates bestehenden A n k n ü p f u n g s m o m e n t s liegt vor bei der Staatsangehörigkeit. Staatsangehörigkeit im Sinne des Völkerrechts ist eine Zugehörigkeit einer natürlichen Person zu einem Staat, an welche das Völkerrecht verschiedene Rechtswirkungen, u. a. das Recht des Heimatstaates zur A u s ü b u n g von Personalhoheit und des diplomatischen Schutzrechts, anknüpft. D i e Voraussetzungen für Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit in einem bestimmten Staat werden aber mangels vertraglicher Regelung durch einseitige Akte des einzelnen Staates geregelt, wenn auch im Rahmen äußerster im Völkergewohnheitsrecht zu suchender Schranken. Ein staatliches internationales Privatrecht kann diese völkerrechtliche Staatsangehörigkeit als A n k n ü p f u n g s m o m e n t verwenden mit der Folge, daß nach dem Recht desjenigen Staates, dessen Staatsangehörigkeit behauptet wird, zu prüfen ist, ob jemand in diesem Staat Staatsangehöriger ist. D i e staatlichen Bestimmungen über E r w e r b und Verlust der Staatsangehörigkeit können nun ihrererseits wieder auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen abstellen, so etwa darauf, o b jemand eheliches Kind 242
Vorfragen bei der Staatsangehörigkeit
§10
eines Menschen ist, der bereits Staatsangehöriger in diesem Staat ist, oder ob ein uneheliches Kind mit der Staatsangehörigkeit dieses Staates von einem Ausländer legitimiert worden ist. Dann ist auch im Forumstaat auf eine solche Vorfrage für das Bestehen einer ausländischen Staatsangehörigkeit dasjenige Recht anzuwenden, das in dem Staat angewendet wird, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. Dieser Staat kann dafür wieder die normalen Regeln seines internationalen Privatrechts verwenden, er kann aber auch spezielle Kollisionsnormen für privatrechtliche Vorfragen seines Staatsangehörigkeitsrechts bilden, die dann auch wieder in einem anderen Forumstaat angewendet werden müssen 57 . Es kann dies etwa dazu führen, daß im Forumstaat auf eine Legitimation eines Kindes das Recht seines Heimatstaates A dann anzuwenden ist, wenn nach dem Staatsangehörigkeitsrecht von A das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Staates bereits vor der Legitimation besitzt; es kann aber auch sein, daß nach dem Staatsangehörigkeitsrecht von A dessen Staatsangehörigkeit möglicherweise schon zuvor dadurch weggefallen ist, daß eine gemäß dem Recht B wirksame Legitimation vorliegt, die zum Erwerb der Staatsangehörigkeit von B geführt hat. Besonders häufig kommt der Fall vor, daß jemand nach dem Staatsangehörigkeitsrecht von A dessen Staatsangehörigkeit durch einen Vorgang verlieren soll, aber nur unter der Voraussetzung, daß er auf Grund dieses Vorgangs eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt 58 . Dann kann möglicherweise umgekehrt auch der Erwerb der Staatsangehörigkeit in B von dem Verlust der bisherigen Staatsangehörigkeit in einem anderen Staat bedingt sein. Auf Grund einer solchen gegenseitigen Bedingtheit von Erwerb und Verlust ist dann meist der Wechsel der Staatsangehörigkeit anzunehmen; ausnahmsweise kann er jedoch scheitern, wenn jeder der beiden Staaten auf eine privatrechtliche Vorfrage (z. B. Legitimation) ein anderes Recht anwendet als der andere, und wenn dann die Vorfrage nicht in der gleichen Weise beantwortet wird. 7. Mehrspurigkeit
des
Anknüpfungsmoments
Zur Verwirklichung eines Anknüpfungsmoments in mehreren Staaten kann es dadurch kommen, daß die als Anknüpfungsmoment verwendete Verknüpfung im Einzelfall zugleich zu mehreren Staaten hingeht: Jemand kann mehreren Staaten als Staatsangehöriger im Sinne des Völkerrechts angehören, jemand kann aber auch in mehreren Staaten seinen Wohnsitz haben, wenn der Wohnsitzbegriff allein im Sinne des Forumstaates zu verstehen ist, und dieser einen mehrfachen Wohnsitz ermöglicht. Gilt der ganze Vorgang des Vertragsabschlusses von dem letzten Angebot bis zum Bindendwerden des Vertrages durch einen Annahmeakt als das Anknüpfungsmoment, so kann sich dieser Vorgang über mehrere Staatsgebiete erstrecken, wie z. B. beim Korrespondenzvertrag. Uberlagern sich der als Gebiet des Flaggenstaates geltende Raum des Schiffes und das Staatsgebiet der Eigengewässer eines anderen Staates, so kann im Sinne der Kollisionsnormen eines dritten Staates ein Vorgang als in zwei Staatsgebieten erfolgt gelten, usw. Bei solcher Mehrspurigkeit des Anknüpfungsmoments stellt sich zunächst die Frage, ob dann die mehreren Rechte prima facie als zugleich berufen gelten müssen, oder ob dies stets dadurch zu vermeiden ist, daß eine ergänzende Bestimmung vorhanden ist, die dazu führt, daß doch nur ein Recht zur Anwendung kommt. Wenn die Zuweisungsnorm mit dem Anknüpfungsmoment, das sich im Einzelfall als mehrspurig erweist, selbst Bestandteil eines Bündels von Zuweisungen ist mit der Maßgabe, daß die berufenen Rechte möglichst zugleich, oder alternativ, oder kumulativ anzuwenden seien 59 , dann ist es vertretbar und liegt nahe, auch die durch das mehrspurige Anknüpfungsmoment bezeichneten Rechte ebenfalls möglichst zugleich, bzw. alternativ, bzw. kumulativ anzuwenden — immer vorausgesetzt, daß die Berufung, wenn sie unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit erfolgt, auf ein anwendungswilliges Recht stößt. So 243
§10
Mehrspurigkeit des Anknüpfungsmoments
kann etwa die F o r m des Testaments, wenn sie alternativ (zugunsten der Formgültigkeit) nach dem Recht des Errichtungsortes und der Staatsangehörigkeit des Testators zu beurteilen ist, bei mehrfacher Staatsangehörigkeit alternativ nach beiden Heimatrechten zu beurteilen sein 6 0 . Ist die Zuweisung mit dem mehrspurigen A n k n ü p f u n g s m o m e n t Teil einer Rechtsanwendungsanweisung, wonach mehrere Rechte zugleich anzuwenden sind, wenn sie inhaltlich übereinstimmen oder jedenfalls verträglich sind, so kann auch der für den Fall der Unverträglichkeit auf G r u n d von Vorrangsregeln 6 1 vorgesehene Vorrang des einen oder anderen Rechts im Verhältnis zwischen den durch das mehrspurige A n k n ü p f u n g s m o ment ermittelten Rechten gelten sollen. Desgleichen könnte eine Anordnung, zwischen den zugleich berufenen Rechten K o m p r o m i s s e zu bilden, auch für die mehreren auf G r u n d des mehrspurigen A n k n ü p f u n g s m o m e n t s berufenen Rechte gelten. D a nun im positiven Recht Zuweisungen an mehrere Rechte zugleich mit Hilfe verschiedener A n k n ü p f u n g s m o m e n t e relativ seltene Ausnahmen sind, wird das Problem des mehrspurigen A n k n ü p f u n g s m o m e n t s allerdings auch in den Fällen, in denen es sich u m einen Zweig einer alternativen oder kumulativen Zuweisung handelt, vielfach in der Weise zu lösen versucht, daß man das mehrspurige A n k n ü p f u n g s m o m e n t zu einem eindeutigen A n k n ü p f u n g s m o m e n t verfeinert. Bei einfacher Zuweisung ist das ohnehin die Regel. D i e „Verfeinerung" kann insbesondere dadurch geschehen, daß man von den berufenen und anwendungswilligen mehreren Rechten nur dasjenige anwendet, zu welchem die gewichtigste Kombination anderer Verknüpfungen hingeht. Von mehreren Staatsangehörigkeiten ist also etwa nur die Staatsangehörigkeit in dem Staat maßgebend, in dem auch Wohnsitz und Vermögen der betreffenden Person vorhanden sind. Unter Umständen ist ohnehin von den durch das mehrspurige A n k n ü p f u n g s m o m e n t berufenen Rechten nur dasjenige anwendungswillig, zu dem sonstige Verknüpfungen bestehen, während die anderen mangels solcher anderen Verknüpfungen nicht anwendungswillig sind. D e r Weg der Verfeinerung des mehrspurigen Anknüpfungsmomentes wird allerdings im positiven Recht häufig nur subsidiär verwendet, nämlich wenn das mehrspurige A n k n ü p f u n g s m o m e n t nur zu fremden Staaten hingeht, während dann, wenn damit auch das eigene Recht des Forumstaates berufen ist, dieses unter allen Umständen den Vorrang erhält; so wird häufig bestimmt, daß bei Mehrstaatern, wenn sie die Staatsangehörigkeit des Forumstaates haben, nur dieses Recht zur Anwendung gelangt, während Personen mit der Staatsangehörigkeit mehrerer anderer Staaten demjenigen Heimatrecht unterworfen werden, zu dem die meisten anderen Verknüpfungen hingehen 6 2 . Diese unparitätische L ö s u n g ist selbstverständlich mit den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts nicht zu vereinbaren. Ist die Zuweisung vermittels eines A n k n ü p f u n g s m o m e n t s , das sich im konkreten Fall als mehrspurig erweist, eine solche, mit der der Urheber der Rechtsanwendungsanweisung offenbar ein einziges Recht ermitteln möchte, so ist das noch kein G r u n d , u m stets anzunehmen, daß ein Weg beschritten werden muß, der eines der mehreren Rechte als das einzig anwendbare bezeichnet 6 3 . M a n könnte die Ansicht vertreten, daß, wenn das eine A n k n ü p f u n g s m o m e n t zu mehreren staatlichen Rechten hinführt, gerade dann diese Verknüpfungen als gleichwertig zu gelten haben, daß deshalb alle Rechte möglichst zugleich angewendet werden müssen, und daß, wenn dies nicht möglich ist, eine L ö s u n g gefunden werden muß, die der Gleichheit der Rechte Rechnung trägt, also die Bildung von K o m p r o missen zwischen den konkreten Anwendungsergebnissen, und notfalls eine Billigkeitsentscheidung. Ferner ist an Wahlrecht zu d e n k e n 6 4 ; eine diskriminierende B e v o r z u g u n g von Mehrstaatern gegenüber Personen mit nur einer Staatsangehörigkeit wäre es indes, wenn man z. B . einem solchen Testator die Wahl zwischen seinen Heimatrechten in ihrer Eigenschaft als Erbstatut überlassen würde; ein Wahlrecht des Mehrstaaters bezüglich des Erbstatuts wäre insbesondere dann schwer zu begründen, wenn es abgelehnt wird, den Erblas244
Mehrspurigkeit des Anknüpfungsmoments
§10
ser zwischen mehreren anwendungswilligen Rechten, die auf G r u n d verschiedener Verknüpfungen angewendet werden wollen, wählen zu lassen 6 5 . Die L ö s u n g , wonach bei Mehrspurigkeit des A n k n ü p f u n g s m o m e n t s dasjenige Recht zu bevorzugen ist, zu dem die gewichtigsten übrigen Verknüpfungen hingehen, hat den Nachteil der Ungewißheit der richterlichen Entscheidung über die Gewichtigkeit der sonstigen Verknüpfungen. E s ist auch möglich, daß der Kreis der Verknüpfungen, die zur Verstärkung einer der von dem mehrspurigen A n k n ü p f u n g s m o m e n t geschaffenen Legitimationen eines Rechtes hätten gezogen werden sollen, durch positives Recht von vornherein eingeschränkt wird, oder daß eine Bewertung durch den Gesetzgeber erfolgt. So kann etwa bestimmt werden, daß die durch W o h n s i t z verstärkte Staatsangehörigkeit eines Mehrstaaters maßgebend sein soll, oder daß, wenn jemand mehrere Wohnsitze hat, der Wohnsitz im Heimatstaat (falls dort ein solcher besteht) vorzuziehen ist. K a u m plausibel begründbar ist es, von mehreren Staatsangehörigkeiten die zuletzt erworbene vorzuzieh e n 6 6 , u. ä. Verwenden die über ein mehrspuriges A n k n ü p f u n g s m o m e n t in einem dritten Staat berufenen Rechte selbst dasselbe mehrspurige A n k n ü p f u n g s m o m e n t , und sollen sie nur bei Anwendungswilligkeit im Forumstaat zur Anwendung gelangen, so sind alle Versuche im Kollisionsrecht eines solchen berufenen Rechts, die mehrspurige Verknüpfung zu einer einspurigen Verknüpfung zu verfeinern, im Forumstaat in dem U m f a n g zu berücksichtigen, in dem sie zur Nichtanwendungswilligkeit eines der mehreren Rechte führen: Will das eine Heimatrecht deshalb nicht angewendet werden, weil e« dem später erworbenen Heimatrecht den Vorrang lassen will, so scheidet es auch im Forumstaat aus, selbst wenn dieser nicht auf die Anciennität der Staatsangehörigkeit, sondern auf andere zusätzliche Verknüpfungen, wie etwa Wohnsitz, abstellen will. D i e Folge kann allerdings sein, daß jedes der durch mehrspurige A n k n ü p f u n g s m o m e n t e berufenen Rechte auf G r u n d seiner Vorrangsregelung selbst nicht angewendet werden will, und daß im Forumstaat dann vielleicht sogar auf ein subsidiäres anderes A n k n ü p f u n g s m o m e n t zurückgegriffen werden muß. Während auf die Frage der Mehrspurigkeit persönlicher Dauerverknüpfungen, wie Staatsangehörigkeit und Wohnsitz, unten noch z u r ü c k z u k o m m e n ist, sei hier noch auf den Fall eingegangen, daß sich die Geltungsgebiete der vermittels einer sachlichen Verknüpfung (Ort einer H a n d l u n g oder eines Ereignisses usw.) berufenen Rechte überlagern, wie es insbesondere dann der Fall ist, wenn ein Schiff oder Luftfahrzeug, welches sich innerhalb des Wasser- oder Luftgebietes eines anderen Staates befindet, wie eine bewegliche Exklave des Staatsgebietes des Flaggen- bzw. Registrierungsstaates behandelt werden darf. H i e r bedarf es einer Regelung im Forumstaat nicht, wenn es schon unter den beteiligten Rechten zu einem Einverständnis darüber k o m m t , daß eines von ihnen nicht angewendet wird, weil zusätzliche weitere Verknüpfungen zu dem anderen Staat hingehen. So stimmen die Kollisionsrechte vieler Staaten darin überein, daß bei Belegenheit einer Sache auf dem Fahrzeug, oder bei Lokalisierung eines Vorgangs in dem Fahrzeug das Recht des Staates, in dessen Gewässern sich ein fremdes Schiff befindet, nicht angewendet werden will, wenn keine Wirkungen auf diesem Gebiet eintreten und an dem zu beurteilenden Rechtsverhältnis nur Transitpassagiere des Fahrzeugs und seine Besatzung beteiligt sind; ein weiterer Gesichtspunkt für die alleinige Anwendung des Flaggenrechts kann sein, daß sich das Fahrzeug schon wieder auf der Ausfahrt aus dem Staatsgebiet des anderen Staates befindet. U m g e kehrt will das Recht des Flaggenstaates vielfach schon selbst nicht angewendet werden, wenn die obengenannten Bedingungen nicht sämtlich erfüllt sind, insbesondere wenn der Vorgang Wirkungen auf das umgebende Staatsgebiet hat, oder Angehörige und Bewohner des umgebenden Staates betroffen sind. Der Uberlagerung der Geltungsgebiete örtlicher Rechte ähnlich ist es, wenn privatrechtlich relevante Vorgänge in realexterritorialen Gebäuden als auf dem Gebiet des Ent245
§10
Leerlaufen der Zuweisung
sendestaates der diplomatischen Vertretung usw. erfolgt behandelt werden, und die Anwendbarkeit des „örtlichen" Rechts des Empfangsstaates entfällt, weil an den Vorgängen nur Staatsangehörige des Entsendestaates, oder jedenfalls nicht Staatsangehörige des Empfangsstaates, beteiligt sind. Die in dieser Weise „aufgeweichte" Zuweisung mit Hilfe eines starren Anknüpfungsmoments, wie Belegenheit, Handlungsort usw., erzielt dann meist dasselbe Resultat, wie es erzielt worden wäre, wenn die Zuweisungsnorm eine elastische Zuweisung ausgesprochen hätte, nämlich zu demjenigen Staat, zu dem die gewichtigste Verknüpfung der im Einzelfall vorhandenen Verknüpfungen hingeht. 8. Leerlaufen
der Zuweisung
Es kann vorkommen, daß die als Anknüpfungsmoment vorgesehene Verknüpfung im konkreten Fall nicht zu einem Geltungsgebiet von staatlichem Recht hingeht: Eine Handlung kann auf staatlosem Gebiet begangen werden, eine natürliche Person kann keinem Staat als Staatsangehöriger angehören, sie kann ohne Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in irgendeinem Staat sein usw. Vielfach wird es als selbstverständlich angesehen, daß dann notfalls durch das Gericht selbst eine subsidiäre Zuweisung gebildet werden muß, von der zu erwarten ist, daß sie zu einem Staat und seinem Recht hinführt; häufig wird gefordert, daß das verwendete Anknüpfungsmoment der subsidiären Zuweisung dem Anknüpfungsmoment der leerlaufenden Zuweisung möglichst ähnlich sei. Trotzdem ist die Frage berechtigt, ob die Lösung nicht unter Umständen darin zu sehen ist, daß die gestellte Rechtsfrage beim Versagen der Anknüpfung als verneint anzusehen ist, oder daß sie nach Billigkeit beantwortet wird: Soll auf Rechtsgeschäfte, mit denen in einer heterogen verknüpften Situation ein Recht-Pflicht-Verhältnis begründet werden sollte, dasjenige Recht angewendet werden, das die Errichter des Rechtsgeschäfts gewählt haben, so wäre es nicht von vornherein abwegig, wenn bestimmt würde, daß mangels einer solchen Wahl eben kein gültiges Geschäft als zustande gekommen gelten müßte. Soll auf eine Adoption das Heimatrecht des Adoptierenden angewendet werden, so mag es naheliegen, subsidiär auf den Wohnsitz zu verweisen, wenn der Adoptierende staatenlos ist; umgekehrt könnte bei Maßgeblichkeit des Wohnsitzrechts und fehlendem Wohnsitz in einem Staat auf den Heimatstaat verwiesen werden, wenn ein solcher da ist. Fehlt aber jede Dauerverknüpfung eines Adoptionswilligen zu einem Staat, so ist eine Verweigerung der „Fähigkeit zur Adoption" mangels eines anwendbaren Rechts nicht untragbar. Kommt als Ersatzanknüpfungsmoment für den Handlungs- oder Wirkungsort bei Vorgängen auf staatlosem Gebiet nur die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Beteiligten als Anknüpfungsmoment in Frage, so mag es doch auch dann Verhaltensnormen geben, bei denen die Annahme ihres Verpflichtungswillens auf staatlosem Gebiet mit Rücksicht auf ihre besondere Natur entfällt: Verhaltensgebote eines staatlichen Inlandsrechts über den Straßenverkehr und den unlauteren Wettbewerb passen, auch wenn es sich um Staatsangehörige desselben Staates oder um Staatsangehörige verschiedener Staaten mit übereinstimmendem Recht handelt, für staatloses Gebiet vielfach nicht. Daß die Begründung juristischer Personen mit Sitz auf staatlosem Gebiet unbedingt ermöglicht und ein anwendbares Recht hierfür ermittelt werden müßte, ist ebenfalls nicht einzusehen. Soll andererseits eine völkerrechtliche Organisation oder ein durch Völkerrecht begründetes Organ als „nichtnationale" juristische Person des Privatrechts auftreten können, so ist für die Frage, die bei den juristischen Personen üblicherweise nach einem staatlichen Recht beantwortet werden, eine Beantwortung nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gründerstaaten wohl angebrachter als ein krampfhafter Versuch, eine solche juristische Person mit einem einzelnen staatlichen Recht in Verbindung zu bringen. Andererseits ist beim Fehlen jeglicher Dauerverknüpfungen einer natürlichen Person 246
Vorgänge auf staatlosem Gebiet
§10
zu einem Staat unter Umständen weder die Verneinung der gestellten Rechtsfrage angebracht, noch der Versuch, hier eine vorübergehende persönliche Verknüpfung als Hilfsanknüpfungsmoment zu verwenden: Auch das Vermögen einer Person, die weder Staatsangehörigkeit noch gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat, noch eine sonstige reale Dauerverknüpfung zu einem Staat hat, sollte bei ihrem Tode nicht herrenlos werden; anstelle der Anwendung des Erbrechts des Ortes, wo sie sich zufällig beim Tode aufgehalten hat, wäre aber die Anwendung des Lagerechts der Nachlaßgegenstände wohl angebrachter. Detaillierte Lösungen für alle Fälle, in denen ein Anknüpfungsmoment nicht zu einem Staat mit seinem „örtlichen" Recht hinführt, können nicht entwickelt werden. Soweit es sich um das Fehlen von persönlichen Dauerverknüpfungen handelt, sind im intergentilen Recht schon analoge Fragen aufgetaucht, bei denen keineswegs immer ein subsidiäres Anknüpfungsmoment gebildet wurde, sondern für die Rechtsverhältnisse solcher Personen, die keiner Gruppe mit eigenem Recht angehören, Billigkeitsentscheidungen getroffen wurden 6 7 . Geht eine sachliche Verknüpfung nicht zu einem Staatsgebiet im eigentlichen Sinne hin, so erlaubt das Völkerrecht jedem Staat die Ausübung von Gebietshoheit auf Schiffen und Flugzeugen, die ihm zugehören, während des Aufenthalts solcher Fahrzeuge auf staatlosem Gebiet. Die meisten Staaten erstrecken daher die Anwendbarkeit ihres eigenen vermittels seiner sachlichen Verknüpfung zum Staatsgebiet berufenen Rechts auch auf solche Fälle, in denen das Anknüpfungsmoment zu einem „eigenen" Schiff oder Flugzeug hingeht. Schiffen und Luftfahrzeugen dürften Raumfahrzeuge, künstliche Inseln und ähnliche Einrichtungen im Meer, sowie Landfahrzeuge und Wohneinrichtungen auf staatlosem Landgebiet gleichzustellen sein; sie sind wie Exklaven des Staatsgebietes im staatlosen Raum zu behandeln. Auf bewohntem Gebiet, dessen Bewohner eine wenn auch nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anzusehende soziale Organisation mit Rechtsnormen haben, ist dieses Recht im Sinne der internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen als das durch sachliche Anknüpfungsmomente bezeichnete „örtliche" Recht anzusehen. N u r auf diese Weise ist die z. B. bei Grundstückserwerben bis heute bedeutsame Rechtserheblichkeit von Geschäften der Europäer mit Eingeborenen vor der Annexion weiter Gebiete Afrikas und anderer Länder zu begründen 6 8 . Versagen auch diese Möglichkeiten, unter Verwendung eines sachlichen Anknüpfungsmoments auf staatlosem Gebiet ein anwendbares „örtliches" Recht zu finden, so ist es nach Völkerrecht zweifellos zulässig, daß auf Grund der Personalhoheit der Heimatstaat seinen Staatsangehörigen Rechtsvorschriften über das Verhalten auf staatlosem Gebiet macht, daß er ihnen gegenüber Rechtszwang durch eigene Organe ausübt, ja sogar, daß er auf staatlosem Gebiet Gerichte für die eigenen Staatsangehörigen tätig werden läßt 6 8 a . Obwohl so der Anwendung des Heimatrechts anstelle des über eine sachliche Verknüpfung nicht ermittelbaren örtlichen Rechts im Verhältnis zwischen Staatsangehörigen desselben Staates keine völkerrechtlichen Hindernisse im Wege stehen, ist es jedoch keineswegs so, daß jedes staadiche Recht alle seine Verhaltensnormen im Verhältnis zwischen eigenen Staatsangehörigen auf staatlosem Gebiet anstelle des dort nicht vorhandenen örtlichen Rechts als anwendbar betrachtet. Die subsidiäre Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts dürfte nur mit einer generalklauselhaften Einschränkung gelten, wonach die Anwendung dieses Rechts entfällt, wenn es nicht zu den „örtlichen Verhältnissen" des staatlosen Gebietes paßt. Soweit die Vorschriften verschiedener Heimatstaaten, die auf staatlosem Gebiet im Verhältnis zwischen Angehörigen desselben Staates gelten wollen, inhaltlich übereinstimmen, ist ihre Anwendung im Verhältnis zwischen Angehörigen verschiedener Staaten für die Gerichte in den beiden Heimatstaaten akzeptabel; es dürfte dabei nicht erforderlich 247
§10
Gekoppelte Verknüpfungen
sein, daß die beteiligten Personen von der Staatsangehörigkeit der anderen und der Tatsache, daß die Heimatrechte übereinstimmen, im Einzelfall Kenntnis haben: Es ist auch sicher nicht anzunehmen, daß sonst im Verhältnis zwischen Angehörigen verschiedener Staaten auf staatlosem Gebiet ein „Naturzustand" absoluter Verhaltensfreiheit gilt. Auch für das Verhältnis von Angehörigen eines Staates gegenüber Staatenlosen auf staatlosem Gebiet gibt es nach übereinstimmender Auffassung der Kulturstaaten ein naturrechtliches Minimum von gegenseitigen Verhaltenspflichten. Staatsorgane dürfen auch auf staatlosem Gebiet die eigenen Staatsangehörigen gegen rechtswidrige Eingriffe von Ausländern schützen und dürfen das Verhalten der Angehörigen anderer Staaten auf staatlosem Gebiet nachträglich zum Gegenstand einer gerichtlichen Beurteilung machen 6 9 . Kennt das eine Recht für seine Staatsangehörigen Verhaltenspflichten auf staatlosem Gebiet, die das andere Recht für seine Staatsangehörigen nicht kennt oder im staatlosen Gebiet für anwendbar betrachtet, so ist im allgemeinen nicht anzunehmen, daß der erste Staat seine Staatsangehörigen auch gegenüber den Angehörigen des letzteren Staates durch sein Recht verpflichten will. Das Erfordernis der materiellen Gegenseitigkeit, wie es in jedem staadichen Recht für gesetzliche Verhaltenspflichten besteht 7 0 , gilt auch hier. Bei Ubereinstimmung des materiellen Rechts können auch auf staatlosem Gebiet absolute Rechte (Sachenrechte) gemäß dem Heimatrecht des Berechtigten mit Wirkung gegenüber Ausländern erworben werden; so erklärt sich, daß Eigentum oder ausschließliche Nutzungsrechte an „herrenlosen" Grundstücken gemäß den übereinstimmenden Heimatrechten der Rechtserwerber und der Unterlassungspflichtigen auf staatlosem Gebiet entstehen können; so erklärt sich auch, daß Eigentum an besessenen oder in Besitz genommenen beweglichen Sachen auf staatlosem Gebiet möglich ist. Wahrscheinlich hat sich sogar ein gewisses völkergewohnheitsrechtlich gebotenes uniformes Sonderrecht über Sacheigentum auf staatlosem Gebiet, z. B. in bezug auf den Fischfang und die Rechtsverhältnisse an Wracks, gebildet; durch Völkervertragsrecht sind auch Verbote der Aneignung von Sachen (geschützte Tiere) auf staadosem Gebiet durch die Angehörigen der Vertragsstaaten begründet worden. Soweit es bei verhaltenspflichtbegründenden Rechtsgeschäften und Rechtsgeschäften über bereits bestehende Rechte auf den Errichtungsort oder den Erfüllungsort ankommt, kann das inhaltlich übereinstimmende Heimatrecht der Beteiligten anstelle des auf staatlosem Gebiet nicht bestehenden örtlichen Rechts treten. Stimmen die Heimatrechte nicht überein, wohl aber die Wohnsitzrechte, und ist dies den Errichtern des Rechtsgeschäfts bewußt, so kann auch das gemeinsame bzw. übereinstimmende Wohnsitzrecht maßgeblich werden. Soweit Rechtsgeschäfte die Mitwirkung von Staatsorganen erfordern, können solche auch zur Tätigkeit auf staatlosem Gebiet im Verhältnis zwischen eigenen Staatsangehörigen ermächtigt werden; fehlt es an einer solchen Bestimmung, so kann das Rechtsgeschäft auch nach dem gemeinsamen Heimatrecht nicht Zustandekommen. Es geht sicher zu weit anzunehmen, es bestünde ein übereinstimmendes Spezialrecht aller Staaten, wonach alle Rechtsgeschäfte auf staatlosem Gebiet privatschriftlich oder mündlich errichtet werden könnten; indes können Erwägungen der Menschlichkeit und der Billigkeit im Einzelfall herangezogen werden, um die Gültigkeit von formlosen Rechtsgeschäften auf staatlosem Gebiet zu begründen. 9. Gekoppelte Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment Es ist denkbar, daß der Urheber von Rechtsanwendungsanweisungen bestimmt, daß zwei (eventuell auch mehr) verschiedene Arten von Verknüpfungen zu demselben Staat hingehen müssen, damit diese mehrfache Verknüpfung gewichtig genug ist, um für das anwendbare Recht maßgebend zu sein; es handelt sich also letztlich um eine Abart der kumulativen Zuweisung. Eine Koppelung von Verknüpfungen ist z. B. manchmal erfor248
Doppelverknüpfungen
§10
derlich, damit ausländische Formbestimmungen angewendet werden: Damit eine diplomatische oder konsularische Eheschließung wirksam wird, ist meist erforderlich, daß das trauende Organ und mindestens einer der Eheschließenden demselben Staat angehören. Auch sonst wird bei Rechtsgeschäften gelegentlich vorgeschrieben, daß ein bestimmtes Recht als Geschäftsstatut nur dann anwendbar ist, wenn alle beteiligten Personen entweder durch gemeinsame Staatsangehörigkeit, oder durch gemeinsamen Wohnsitz oder eine andere gemeinsame Verknüpfung mit demselben Staat verbunden sind. Unter Umständen wird auch bestimmt, daß das durch eine solche Doppelverknüpfung ermittelte Recht auf ein Dauerrechtsverhältnis weiterhin maßgebend anwendbar ist, wenn eine der Verknüpfungen wegfällt, bis wieder gleichartige Verknüpfungen zu einem anderen Land entstehen. Zu einer Doppelverknüpfung kommt es auch, wenn der Anwendungsbereich einer Sachnorm des Inlandsrechts in einer gesondert formulierten Zuweisungsnorm von einem bestimmten Anknüpfungsmoment abhängig gemacht wird, und wenn Tatbestandselement in der Sachnorm eine weitere Verknüpfung zu demselben Staat ist; so kann z. B. die allgemeine Kollisionsnorm bestimmen, daß das inländische Adoptionsrecht anwendbar ist, wenn der Adoptierende inländischer Staatsangehöriger ist, und die Sachnorm kann dahin lauten, daß „inländische" Staatsangehörige unter den und den Voraussetzungen adoptiert werden können. Anknüpfungsmomente in Gestalt von Doppelverknüpfungen werden häufig zur Abgrenzung des Anwendungsbereiches von Spezialrecht verwendet 71 . Im allgemeinen sind aber gekoppelte Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment mit dem Ziel der paritätischen Aufteilung aller heterogen verknüpften Situationen auf die verschiedenen nationalen Rechte, und mit dem Postulat der Gleichbehandlung der an heterogen und homogen verknüpften Rechtsverhältnissen beteiligten Rechtssubjekte schwer vereinbar. Zweckmäßig können Koppelungen von Verknüpfungen in einem System von Zuweisungsnormen sein, welches eine bestimmte Verknüpfung als Anknüpfungsmoment verwenden möchte, aber sich dessen bewußt ist, daß diese Verknüpfung nicht immer die stärkste Verknüpfung zu einem der beteiligten Staaten darstellt. Es kann dann etwa bestimmt werden, daß die Verknüpfung A allein maßgebend ist, wenn die Verknüpfungen B, C, und D zu je einem anderen Staat hingehen, daß aber die Verknüpfung A zu weichen hat, wenn zwei oder mehr dieser anderen Verknüpfungen zu einem einzigen anderen Staat hingehen. Der Gefahr, daß eine Doppelverknüpfung „leerläuft" 71 ®, kann dadurch begegnet werden, daß subsidiäre Zuweisungsnormen mit einer anderen Doppelverknüpfung gebildet werden: Die Wirkungen der Ehe können primär dem gemeinsamen Heimatrecht zugewiesen werden; besteht keine gemeinsame Staatsangehörigkeit 72 , so können die Rechte der beiden Heimatstaaten als berufen gelten, sofern sie inhaltlich übereinstimmen; ist auch das nicht der Fall, so kann subsidiär auf einen gemeinsamen Wohnsitz abgestellt werden usw. O b beim Leerlauf aller denkbaren Doppelverknüpfungen eine kumulative Anwendung der durch das Anknüpfungsmoment bezeichneten verschiedenen Rechte angebracht ist, ist zu bezweifeln. g) Einzelne Anknüpfungsmomente 1.
Staatsangehörigkeit
Es wäre denkbar, daß ein staatliches internationales Privatrecht Kriterien für die Zugehörigkeit einer natürlichen Person zu einem Staat bilden würde, die ausschließlich im internationalen Privatrecht als Anknüpfungsmoment relevant wären. Eine solche „internationalprivatrechtliche Staatsangehörigkeit" könnte sich sowohl auf die Zugehörigkeit zum eigenen Staat, als auch auf die Zugehörigkeit zu anderen Staaten beziehen. Obwohl vereinzelt Ansätze in dem Sinne festzustellen sind, daß man als Anknüpfungsmoment zum 249
§10
Staatsangehörigkeit
Ausland eine in Analogie zum eigenen Staatsangehörigkeitsrecht ermittelte „Staatsangehörigkeit" im fremden Staat zugrunde legt, macht das positive Recht von dieser Idee einer spezifischen Zugehörigkeit natürlicher Personen zu einem Staat für die Zwecke des internationalen Privatrechts kaum Gebrauch 7 3 . Vielmehr wird als Anknüpfungsmoment im internationalen Privatrecht entweder in einseitigen Kollisionsnormen eine zu anderweitigen Zwecken schon bedeutsame Zugehörigkeit zum eigenen Staat verwendet, oder es wird in bilateralen Zuweisungsnormen auf die für das Völkerrecht bedeutsame Staatsangehörigkeit abgestellt. Staatsangehörigkeit im Sinne des Völkerrechts verschafft als solche nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht den Heimatstaaten die völkerrechtliche Befugnis zur Ausübung des Schutzrechts und der Personalhoheit; die letztere bedeutet gerade eine völkerrechtliche Befugnis, eigenen Staatsangehörigen auch beim Fehlen anderer Inlandsverknüpfungen durch eigenes Recht Verhaltenspflichten aufzuerlegen. Auf Grund einer Delegation des allgemeinen Völkerrechts kann jeder Staat die Gründe für Erwerb und Verlust seiner eigenen Staatsangehörigkeit durch einseitige Maßnahmen festlegen, wenn auch innerhalb gewisser äußerster Schranken. Wenn auch eine Einzelnaturalisation auf Antrag ein völkerrechtliches Schutzrecht nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs nur dann verschafft, wenn gewisse persönliche Kontakte zu dem naturalisierenden Staat bereits bestanden haben 7 4 , dürfte dies zur Begründung von Personalhoheit durch Naturalisation im Einverständnis mit dem Betroffenen nicht erforderlich sein; ein Staat kann auch sein Recht als Personalstatut einfach deshalb als anwendbar erklären, weil eine Person sich damit einverstanden erklärt. Wie schon erwähnt, ist „Staatsangehörigkeit" in einer bilateralen Zuweisungsnorm des Forumstaates fast stets so zu verstehen, daß es sich um die völkerrechtlich relevante Staatsangehörigkeit gemäß den Vorschriften des Staates handelt, für den das Bestehen der Staatsangehörigkeit behauptet wird 7 5 . Zu vermuten ist, daß eine unter Verletzung des allgemeinen Völkerrechts verliehene fremde Staatsangehörigkeit nicht als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment wirksam sein soll, während die Völkerrechtswidrigkeit eigener Staatsangehörigkeitsgesetze vielfach nicht nachgeprüft werden darf. Daß fremdes Recht bei einer völkerrechtswidrigen Entziehung der Staatsangehörigkeit trotzdem als das im Forumstaat berufene Heimatrecht angewendet werden müßte, ist hingegen zu bezweifeln, da das Fehlen der Anwendungswilligkeit bei fremdem Recht ja fast immer zu respektieren ist 7 6 . H a t sich ein Staat durch Vertrag gegenüber dem Forumstaat verpflichtet, seine Regeln über Erwerb und Verlust seiner Staatsangehörigkeit in bestimmter Weise zu gestalten, und ist er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, so dürfte ebenfalls eine vertragswidrig verliehene fremde Staatsangehörigkeit im Forumstaat nicht als Anknüpfungsmoment wirksam werden, während die vertragswidrige Entziehung oder Nichtverleihung der Staatsangehörigkeit allein auch hier keinen rechten Anlaß bietet, um das fremde Recht gegen den Willen des Urheberstaates anzuwenden. In einem Nichtvertragsstaat dürfte auch die vertragswidrige einseitige Regelung des Staatsangehörigkeitsrechts beachtet werden, solange sie sich im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts hält. Auch wenn der Forumstaat auf die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit in einem anderen Staat abstellen will, ist er natürlich nicht gehindert, für bestimmte Fälle die nach fremdem Recht erworbene Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment auszuschalten. Die fremde Staatsangehörigkeit kann als Anknüpfungsmoment z. B. dann unwirksam sein, wenn sie entgegen einem Verbot des Forumstaates, sich um eine Naturalisation im Ausland zu bewerben, erworben wurde. Es wäre nicht undenkbar, daß der Richter im Forumstaat bestimmte Arten des Erwerbs oder Besitzes fremder Staatsangehörigkeit als kraß abweichend von den Regelungen des Forumstaates unter Berufung auf die ordre public-Klausel 250
Staatsangehörigkeit
§ 10
ignorieren muß 7 7 . Andererseits kann der Forumstaat eine völkerrechtswidrig oktroyierte fremde Staatsangehörigkeit für die Zwecke des internationalen Privatrechts als Anknüpfungsmoment verwenden, wenn das Einverständnis des Betroffenen mit dem Besitz dieser Staatsangehörigkeit erweisbar ist; da hierfür förmliche Willenserklärungen oft nicht vorliegen werden, erzeugt eine solche Bestimmung allerdings Rechtsunsicherheit. Es ist denkbar, daß ein Staat über jemand, den er zum Staatsangehörigen erklärt hat, zwar nicht das völkerrechtliche Schutzrecht, wohl aber Personalhoheit ausüben darf 7 8 ; dann ist auch im Sinne des Kollisionsrechts anderer Staaten das Anknüpfungsmoment der Staatsangehörigkeit gegeben. Hingegen ist das Anknüpfungsmoment der völkerrechtlichen Staatsangehörigkeit nicht als verwirklicht anzusehen, wenn ein anderer Staat gewissen Personen, die nicht seine Staatsangehörigen im Sinne des Völkerrechts sind, nur gewisse staatsbürgerliche Rechte wie den eigenen Staatsangehörigen gewährt. Als Staatsangehörige im Sinne des internationalen Privatrechts sind auch nicht solche Personen zu betrachten, die in einem anderen Staat den eigenen Staatsangehörigen insofern gleichgestellt worden sind, als spezifisch fremdenrechtliche Bestimmungen nicht auf sie anwendbar sind. Nicht als Staatsangehörige eines anderen Staates im Sinne des internationalen Privatrechts des Forumstaates sind auch solche Personen zu betrachten, von denen der andere Staat erklärt, daß sie nur während ihres Aufenthalts auf seinem Staatsgebiet, nicht aber außerhalb als oder wie Staatsangehörige zu behandeln sind 79 . Ob ein Staat eine von ihm, z. B. unter der Bezeichnung Bürgerrecht, verliehene Zugehörigkeit als Staatsangehörigkeit im Sinne des Völkerrechts, oder nur als Kriterium für die Gewährung staatsrechtlicher Positionen verstanden haben will, kann unter Umständen zweifelhaft sein 80 . Andererseits kann eine völkerrechtlich relevante Staatsangehörigkeit in einem Staat nicht notwendig in einem einzigen Gesetz geregelt sein, sondern kann auf Grund unterschiedlicher Bestimmungen mehrerer Gesetze erworben und verloren werden; so ist es z. B., wenn auf verschiedenen Teilgebieten eines Staates unterschiedliche Gesetze über den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit gelten, oder wenn die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit für gewisse Personengruppen auf Grund des einen, für andere auf Grund eines anderen Gesetzes erworben oder verloren wird. Es kann vorkommen, daß für einen Staat zwei Gesetzgeber behaupten, legitime Inhaber der Gesetzgebungsgewalt für den ganzen Staat zu sein, und daß jeder von ihnen Staatsangehörigkeitsgesetze für den ganzen Staat erläßt, obwohl er nur einen Teil des Staatsgebietes beherrscht. Wenn in einem solchen Fall vom Standpunkt anderer Staaten angenommen wird, daß der gespaltene Staat ein de facto-Mehrrechtsstaat sei 81 , so ist auch die Staatsangehörigkeitsgesetzgebung der beiden rivalisierenden Gesetzgeber unter Beschränkung auf ihr Teilgebiet beachtlich 82 . Es ist möglich, daß der Kreis der völkerrechtlichen Staatsangehörigen eines Staates vom zentralen Gesetzgeber in der Weise umschrieben wird, daß es sich um die Gesamtheit auch derjenigen handelt, die eine Zugehörigkeit zu einem Teilstaat dieses Staates auf Grund der einschlägigen Gesetze des Teilstaates besitzen 83 . Bei einem langsamen Zerfall eines ursprünglich völkerrechtlich einheitlichen Staates in mehrere selbständige Staaten kann auch unter Umständen ein solcher durch Teilung gebildeter Staat die Existenz einer perönlichen Zugehörigkeit zu einem noch als vorhanden behaupteten „Gesamtstaat" annehmen und ihr auch im internationalen Privatrecht Bedeutung beilegen. Das internationale Privatrecht dieses Teilstaates kann also auf die Zugehörigkeit zum Gesamtstaat abstellen, und die Maßgeblichkeit der Privatrechtsordnungen der Teilstaaten nicht auf Grund der Staatsangehörigkeit in diesen Teilstaaten, sondern mit Hilfe interregionaler Zuweisungsnormen, etwa an Hand des gewöhnlichen Aufenthalts, regeln 84 . Es läuft dies praktisch weitgehend auf dasselbe hinaus, wie wenn ein Staat von den Staatsangehörigen eines bestimmten anderen Staates anordnet, daß sie im Inland wie eigene Staatsangehörige behandelt werden sollen, 251
§10
Staatenlosigkeit
während er für die Bestimmung des anwendbaren Privatrechts generell, oder jedenfalls im Verhältnis zu diesem anderen Staat, gar nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf den Wohnsitz abstellt 85 . Auch durch Vertrag kann zwischen zwei Staaten, die in ihrem internationalen Privatrecht auf die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit abstellen, bestimmt werden, daß, wenn nicht wegen Staatsangehörigkeit in einem dritten Staat dessen Recht anwendbar ist, die Staatsangehörigen beider Staaten eine einheitliche Gruppe bilden sollen, und daß das anwendbare Privatrecht des einen oder des anderen Staates an Hand anderer Kriterien als der Staatsangehörigkeit zu ermitteln ist 8 5 a . Daß das Verhaltenspflichten begründende Recht eines anderen Staates keinesfalls unter Verwendung der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment entgegen dem Willen des Heimatstaates angewendet werden sollte, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt 8 6 ; will der Heimatstaat sein eigenes Recht in seiner Eigenschaft als Wohnsitzrecht anwenden, so stehen natürlich der Anwendung dieses Rechts im Forumstaat keine Bedenken im Wege. Hat jemand nach den Staatsangehörigkeitsgesetzen mehrerer Staaten in jedem dieser Staaten die Staatsangehörigkeit, und weist das internationale Privatrecht des Forumstaates vermittels der Staatsangehörigkeit zu, so erübrigt sich die Frage, ob die Heimatrechte des Mehrstaaters möglicherweise zugleich angewendet werden sollen, wenn nur einer der Heimatstaaten selbst sein Recht angewendet haben will. Ist das nicht der Fall, so ist gemäß dem oben 8 7 für mehrspurige Anknüpfungen Ausgeführten zu verfahren. Soll nur dasjenige der Heimatrechte angewendet werden, zu dem die gewichtigsten sonstigen Verknüpfungen hingehen, so wird das vielfach so ausgedrückt, daß es sich hier um die „effektive", bzw. „effektivere" Staatsangehörigkeit handelt 8 8 . Besteht zu keinem Staat eine Staatsangehörigkeit im Sinne des Völkerrechts, so stellt sich die oft nicht gesehene Frage, ob die gestellte Rechtsfrage nicht einfach zu verneinen ist: Ist auf Delikte bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Beteiligten das Recht des Tatortes, bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit jedoch ihr Heimatrecht anzuwenden, so ist gemeinsame Staatenlosigkeit sicher kein Grund, um hier nach einem Ersatzrecht für das gemeinsame Heimatrecht zu suchen. Meist wird allerdings bei den Materien, bei denen die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment verwendet wird, nicht anzunehmen sein, daß für Staatenlose die gestellte Rechtsfrage als verneint zu gelten hat; auch Staatenlosen muß ermöglicht werden, nach einem bestimmten Recht Ehen zu schließen, oder bestehende Ehen scheiden zu lassen. Bei solchen „Staatenlosen", welche auf einem Gebiet mit organisierter staatlicher Gewalt leben, das aber kein Staat im Sinne des Völkerrechts ist, wie Mandatsgebiete und Kondominien, kann anstelle der Staatsangehörigkeit eine staatsangehörigkeitsartige Zugehörigkeit zu einer solchen Gebietseinheit vorgesehen sein, die den Inhaber der Gebietshoheit über das Heimatgebiet auch zur Ausübung von Schutzrecht und Personalhoheit legitimiert 8 9 . Eine solche Zugehörigkeit wird dann auch von dem Begriff Staatsangehörigkeit im internationalen Privatrecht anderer Länder erfaßt. Hier liegt es allerdings nicht fern, daß diese Zugehörigkeit mit der Begründung eines Wohnsitzes außerhalb des Gebiets mit dem Sonderstatus erlischt. Menschen, die zusammen mit anderen in einer Gemeinschaft leben, die zwar rechtlich organisiert ist, aber nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts gelten kann - wie vielleicht manche außereuropäischen Gebiete vor der Kolonialisierung-, sind ebenfalls dem Recht des Wohnsitzgebietes (oder ihrem Stammesrecht) wie Staatsangehörige verbunden. Für diejenigen Staatenlosen, die ohne eine solche Ersatzstaatsangehörigkeit irgendwo leben, tritt anstelle der Staatsangehörigkeit meist ein Ersatzanknüpfungsmoment in Gestalt des ständigen Aufenthalts oder des Wohnsitzes 9 0 . Fehlen auch ständiger Aufenthalt und Wohnsitz von Staatenlosen, so sollte nicht immer der zufällige Aufenthaltsort Ersatzanknüpfungsmoment sein, sondern eventuell ein sachliches Anknüpfungsmoment maßgebend werden 9 1 . 252
de facto-Staatenlosigkeit
§10
Als de facto-Staatenlosigkeit bezeichnet man nicht nur Fälle, in denen zwar nach dem Recht eines Staates Staatsangehörigkeit in diesem Staat (noch) besteht, aber die Behörden dieses Staates den Vollzug der völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Wirkungen der konkreten Staatsangehörigkeit verweigern, sondern auch Fälle, in denen der Staatsangehörige selbst von sich aus keinerlei Beziehungen zum Heimatstaat unterhält und unterhalten will. Zuweisungen, welche auf die Staatsangehörigkeit abstellen, können möglicherweise so zu verstehen sein, daß bei solcher „faktischer Staatenlosigkeit" das Heimatrecht nicht angewendet werden soll 92 . Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn die Zuweisung mit Hilfe der Staatsangehörigkeit aufgeweicht wird durch eine Generalklausel, wonach die Staatsangehörigkeit aufhört, Anknüpfungsmoment zu sein, wenn Verknüpfungen zu einem anderen Staat in solcher Intensität bestehen, daß sie die Gewichtigkeit der Verknüpfung zum Heimatstaat übersteigen. Das ist noch nicht der Fall, wenn jemand einen ständigen Aufenthalt oder Wohnsitz außerhalb des Heimatstaates und dessen Staatsangehörigkeit formell noch nicht verloren hat, wohl aber vielleicht dann, wenn er sich Personalpapiere nur vom Wohnsitzstaat verschafft, und wenn er alle Kontakte mit dem Heimatstaat vermeidet. Im positiven Recht gibt es eine Reihe von Zuweisungsnormen, auf Grund deren für Personen, die aus ihrem Heimatstaat aus politischen Gründen geflüchtet sind, anstelle des Heimatrechts das Wohnsitz- oder Aufenthaltsrecht anwendbar wird 93 . Den de facto Staatenlosen sind sicher solche Personen gleichzustellen, denen objektiv zu Unrecht, aber vom Standpunkt des betreffenden Staates rechtskräftig der Besitz der Staatsangehörigkeit durch Staatsakt abgesprochen worden ist. Ist jemand gemäß seinem eigenen Antrag objektiv zu Unrecht, aber rechtskräftig als Staatsangehöriger eines Staates festgestellt worden, so ist dies einer Naturalisation gleichzusetzen. Sind Erwerb und Verlust einer Staatsangehörigkeit die Folge davon, daß ein Staat Gebiet eines anderen Staates oder gar einen ganzen anderen Staat völkerrechtswidrig annektiert hat, so hängt die Frage, welche Staatsangehörigkeit hier Anknüpfungsmoment im internationalen Privatrecht anderer Staaten ist, eng mit der Frage zusammen, ob das bei völkerrechtswidriger Usurpation der Gebietshoheit eingeführte und effektiv gewordene Recht trotz des völkerrechtswidrigen Ursprungs der Gesetzgebungsgewalt im Forumstaat als staatliches Recht angewendet werden soll. Wird dies nur in dem Umfang bejaht, in dem die Bewohner des Gebiets sich der Beachtung des von dem völkerrechtswidrigen Gesetzgeber eingeführten Rechts nicht entziehen konnten 94 , so ist es auch möglich, die Zugehörigkeit insbesondere der aus dem annektierten Gebiet geflüchteten Personen zu dem de facto ausgelöschten Staat zu bejahen und bereits bestehende Rechtsverhältnisse unter Anwendung des versteinerten früheren Rechts dieses Staates auslaufen zu lassen. Häufig werden diese Flüchtlinge aber von den schon erwähnten besonderen Bestimmungen erfaßt, wonach anstelle ihres Heimatrechts das Recht des neuen Wohnsitzstaates anzuwenden ist 9 5 ; zu demselben Ergebnis kommt man, wenn sowohl die Staatsangehörigkeit in dem völkerrechtswidrigerweise annektierenden Staat, als auch die Staatsangehörigkeit in dem annektierten Staat deshalb als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment ignoriert werden, weil der Flüchtling de facto staatenlos ist. Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit erfolgen entweder durch individuelle Staatsakte, oder auf Grund abstrakter Rechtssätze. Letztere müssen jedenfalls für den Erwerb ihrerseits auf eine Inlandsverknüpfung abstellen; diese anderweitige Inlandsverknüpfung kann in der bereits vorhandenen Staatsangehörigkeit einer anderen Person bestehen, zu der der Erwerber der Staatsangehörigkeit etwa in einem familienrechtlichen Verhältnis steht. Daß dieses familienrechtliche Verhältnis unter Anwendung desjenigen Rechts gegeben sein muß, das durch spezielle oder allgemeine Zuweisungsnormen des Staates bezeichnet wird, um dessen Staatsangehörigkeit es sich handelt, wurde bereits gesagt 96 . Die 253
§10
Gewöhnlicher Aufenthalt
Staatsangehörigkeit der den Erwerb vermittelnden Person muß ihrerseits entweder auf individuellem Staatsakt, oder auf anderen abstrakten Rechtssätzen beruhen; hierbei greifen vielfach Vermutungen ein, wonach bei nachgewiesenem langjährigen Inlandswohnsitz bereits verstorbener Personen und Fehlen von Hinweisen auf den Besitz einer fremden Staatsangehörigkeit der Besitz der inländischen Staatsangehörigkeit anzunehmen ist. Insoweit Willensakte zum Erwerb oder Verlust einer Staatsangehörigkeit Geschäftsfähigkeit bzw. Vertretungsbefugnisse voraussetzen, kann der Staat, um den es sich handelt, hierfür Spezialrecht bilden 9 7 . Er kann aber auch auf die Fähigkeit bzw. Vertretungsbefugnis zur Errichtung von Privatrechtsgeschäften abstellen und das dafür maßgebende Recht mit Hilfe seiner normalen Internationalprivatrechtsnormen bestimmen. Zur Verschaffung der Staatsangehörigkeit führt unter Umständen auch „Ersitzung" durch langjährigen Wohnsitz im Inland, vielfach aber auch das zufällige Faktum der Geburt auf dem Staatsgebiet. Soweit zum Erwerb der Staatsangehörigkeit inländischer Wohnsitz des Erwerbers oder eines Vorfahren erforderlich ist, kann evtl. ein spezieller Wohnsitzbegriff verwendet werden. Bei rückwirkender Feststellung der rechtlichen Unwirksamkeit einer Naturalisation, oder bei Rückwirkung der Unrichtigerklärung eines Staatsangehörigkeitsausweises kann möglicherweise die Putativstaatsangehörigkeit, d. h. der gute Glaube des Betroffenen an das Bestehen der Staatsangehörigkeit, sowohl von dem betreffenden Staat, als auch von anderen Staaten für die Zeit ihres Bestehens als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment verwendet werden 9 8 . Zusammen mit den Regeln des als Heimatstaat in Frage kommenden Staates über Erwerb und Verlust seiner Staatsangehörigkeit sind auch etwaige Vermutungen dieses Rechts über Besitz oder Nichtbesitz seiner Staatsangehörigkeit und die Art der Widerlegung solcher Vermutungen in einem anderen Staat zu beachten. Es ist aber nicht unzulässig, daß der Forumstaat seinerseits Vermutungen über den Besitz oder Nichtbesitz einer ausländischen Staatsangehörigkeit bildet, und daß er zum Nachweis der für den Besitz einer fremden Staatsangehörigkeit relevanten Tatsache den Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit genügen läßt. Sind Vermutungsregeln des Forumstaates unvereinbar mit Vermutungsregeln im Recht des als Heimatstaat in Frage kommenden Staates, so gehen die letzteren vor. 2. Gewöhnlicher Aufenthalt und Wohnsitz Die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit ist ihrer Natur nach eine Dauerverknüpfung, die wohl schon nach Völkerrecht nicht von vornherein nur für eine bestimmte Zeit verliehen werden darf. Als eine solche Dauerverknüpfung würde eigentlich nur ein ununterbrochener und nicht von vornherein zeitlich beschränkt gewollter Aufenthalt einer natürlichen Person im Staatsgebiet eines bestimmten Staates der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment vergleichbar sein. Wenn ein Land den gewöhnlichen (oder auch den „ständigen") Aufenthalt als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment verwendet, so bleibt dieses Anknüpfungsmoment sicher trotz gelegentlicher Auslandsaufenthalte bestehen; gewöhnlicher Aufenthalt kann auch gegeben sein, wenn für einen späteren Zeitpunkt die Aufgabe des Aufenthalts in dem betreffenden Land schon beabsichtigt ist. Problematisch kann die Annahme eines „gewöhnlichen" Aufenthalts sein, wenn ein solcher, z. B . infolge Todes, nur ganz kurze Zeit bestanden hat; Details hierüber können in dem Recht, welches den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts als Anknüpfungsmoment verwendet, durch positives Recht geregelt sein. Dasselbe gilt davon, ob ein gegen den Willen einer Person begründeter, oder ob ein trotz Verbotes des Aufenthaltslandes bestehender Aufenthalt einem freiwilligen und erlaubten Aufenthalt gleichzustellen ist. Der Zwang, einen anderen Staat zu verlassen, 254
Wohnsitz
§10
macht den Aufenthalt in dem nunmehrigen Aufenthaltsland wohl meist nicht zu einem als Anknüpfungsmoment unbrauchbaren Zwangsaufenthalt, auch wenn der Betreffende keine große Auswahl unter den als Aufenthaltsland in Frage kommenden Staaten h a t t e " . Der schillernde Begriff des Wohnsitzes erfordert oft außer dem ständigen Aufenthalt an einem Ort oder in einem Land den Besitz einer für den Daueraufenthalt geeigneten Wohnung. Dabei kann jedoch vielfach auch das Wohnen in einem Hotel usw. genügen, wenn der auf Wohnsitzbegründung und -beibehaltung gerichtete Wille besteht. Die verschiedenen Rechte lassen praktisch meist den zur Feststellung eines Wohnsitzes zuständigen Instanzen ein breites Ermessen, in welchem Umfang den Elementen der persönlichen Anwesenheit, des Besitzes einer Wohnmöglichkeit und dem Willen, einen Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu haben, Bedeutung beigemessen werden soll. Bei einem Wohnsitzbegriff, der dem Wohnsitzwillen Bedeutung beilegt, wird es wichtig, daß der Wohnsitzwille in der Weise geregelt sein kann, daß sich der gewollte Wohnsitz nicht auf einen bestimmten Ort oder gar eine bestimmte Wohnung beziehen muß, sondern daß er auf ein ganzes Land oder das Geltungsgebiet eines bestimmten Rechts gerichtet sein kann. Zu dem englischen Begriff des domicile of choice gehört daher bereits ein inneres Verhältnis zu dem Geltungsgebiet eines bestimmten Privatrechts, und damit diesem Recht selbst. Erst recht kann gewöhnlicher Aufenthalt in einem bestimmten Land bejaht werden, obwohl der Aufenthaltsort innerhalb dieses Landes vielleicht ständig gewechselt wird. Während bei der Staatsangehörigkeit zumeist gesonderte Verfahren zum Erlaß rechtskraftfähiger oder nicht rechtskraftfähiger Feststellungen über das Bestehen einer Staatsangehörigkeit im Einzelfall vorgesehen sind, ist dies im allgemeinen beim ständigen Aufenthalt und beim Wohnsitz nicht der Fall; anders ist es nur, wenn der Wohnsitz so definiert wird, daß eine Erlaubnis zur Wohnsitzbegründung erforderlich ist, und diese nur beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen erteilt wird. Ist der gesetzliche Begriff des Wohnsitzes so gestaltet, daß jemand nicht an zwei Stellen zugleich einen Wohnsitz haben kann, so kann bei Aufgabe eines Wohnsitzes unter Umständen ein Wohnsitz an dem Ort, zu dem der Wohnsitzbegründungswille hingeht, bestehen, auch wenn erst die Reise zu diesem Ort angetreten worden ist. Im Gegensatz zum völkerrechtlichen Staatsangehörigkeitsbegriff ist es durchaus möglich, daß an Hand des Wohnsitzbegriffes des Forumstaates nicht nur der Wohnsitz im Inland, sondern auch der Wohnsitz im Ausland bestimmt wird. Dann mag nach dem von einem anderen Staat verwendeten Wohnsitzbegriff ein Wohnsitz dort nicht bestehen, doch ist das Recht dieses Staates im Forumstaat anwendbar, wenn seine Anwendungswilligkeit aus einem anderen Grunde bejaht wird. Der immer wieder anzutreffende Gedanke, daß der Wohnsitzbegriff in der Rechtsanwendungsanweisung des Forumstaates als ein Sammelbegriff zu verstehen sei, der nicht nur den zur Bestimmung des Wohnsitzes in diesem Staat verwendeten Wohnsitzbegriff, sondern auch andere Wohnsitzbegriffe anderer Länder für den dortigen Wohnsitz umfaßt, und daß nach dem Wohnsitzbegriff des Landes, für das der Wohnsitz behauptet wird, zu bestimmen ist, ob der Wohnsitz besteht 100 , scheint insbesondere dort sinnvoll zu sein, wo ein Staat Wohnsitz bei sich nur dann annimmt, wenn eine behördliche Erlaubnis vorliegt. Ein anderer Grund dafür, Wohnsitz in einem fremden Land nur dann zu bejahen, wenn Wohnsitz nach dem vom Sammelbegriff des Forumstaates gedeckten Wohnsitzbegriff des angeblichen Wohnsitzstaates besteht, wird darin gesehen, daß es widerspruchsvoll wäre, die Fähigkeit zur Betätigung eines Wohnsitzbegründungs- und -beibehaltungswillens nicht nach dem Recht des angeblichen Wohnsitzstaates zu beurteilen, wenn man die Fähigkeit zu Rechtsgeschäften gerade nach dem Recht des Wohnsitzlandes beurteilen will. Sicher ist es vorzuziehen, auch auf den Wohnsitz in einem anderen Staat den Wohnsitzbegriff des Forumstaates anzuwenden, wenn der fremde Staat seinerseits den Wohnsitz 255
§10
Wohnsitz
gar nicht als internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment verwendet. Nicht unter einen vom Forumstaat aufgestellten Sammelbegriff des Wohnsitzes fällt andererseits möglicherweise schon dieser oder jener abgeleitete Wohnsitz auf Grund des Wohnsitzrechts anderer Länder. Bildet das internationale Privatrecht des Forumstaates einen Sammelbegriff unter Verweisung auf den Wohnsitzbegriff des behaupteten Wohnsitzlandes, so kann es dazu kommen, daß jemand im Sinne des Wohnsitzrechts des einen Landes seinen Wohnsitz dort, und im Sinne des Wohnsitzrechts eines anderen Landes seinen Wohnsitz in diesem Land hat, obwohl die beiden Wohnsitzländer einen doppelten Wohnsitz nicht kennen. Aber auch wenn der Forumstaat allein seinen eigenen Wohnsitzbegriff für die Frage des Bestehens eines Wohnsitzes im Ausland anwenden will, und wenn dieser Wohnsitzbegriff nur einen Wohnsitz einer Person kennt, kann es doch zu einem doppelten Wohnsitz kommen, wenn die Frage nach der Wohnsitzwillensfähigkeit dem Recht des behaupteten Wohnsitzes unterstellt wird: Die Fähigkeit, den Willen zur Aufgabe des bisher bestehenden Wohnsitzes zu haben, kann nach dem bisherigen Wohnsitzrecht fehlen, hingegen die Fähigkeit, den Willen zur Begründung eines neuen Wohnsitzes zu haben, nach dem neuen Wohnsitzrecht bestehen. Dieses Ergebnis wird vermieden, wenn die Fähigkeit, einen Wohnsitz irgendwo zu begründen oder aufzugeben, durch eine Spezialnorm des Forumstaates oder durch das Heimatrecht geregelt ist. Denkbar wäre, daß der Forumstaat einen Satz hat, wonach eine nach dem bisherigen Wohnsitzrecht bestehende Wohnsitzwillensfähigkeit fortbesteht, um einen neuen Wohnsitz zu begründen. Fehlt jemand nach dem dafür im Forumstaat maßgeblichen Recht die Wohnsitzwillensfähigkeit, so könnte man daran denken, daß dieser Wille durch einen gesetzlichen Vertreter ausgeübt werden kann, so daß dann wieder das maßgebliche Recht für die Vertretungsbefugnis ermittelt werden müßte. Die meisten Rechte sehen jedoch, unbeschadet dessen, daß sie dem Inhaber der Personensorge über einen Willensunfähigen auch die Befugnis zur Bestimmung des tatsächlichen Aufenthalts verschaffen, Begründung eines gesonderten „Wohnsitzes" für den Willensunfähigen allein durch einen gesetzlichen Vertreter nicht vor; sie arbeiten anstatt dessen mit einem vom Wohnsitz einer anderen Person „abgeleiteten" Wohnsitz der natürlichen Person, der die Wohnsitzwillensfähigkeit fehlt 1 0 1 , unter Umständen aber auch mit einem abgeleiteten Wohnsitz solcher Personen, die normalerweise zur Begründung eines eigenen Wohnsitzes durch einen entsprechenden Akt fähig wären (z. B. Ehefrau) 1 0 2 . Die Konzeption des abgeleiteten Wohnsitzes und ihre Verwendung als Anknüpfungsmoment oder als zuständigkeitsbegründende Verknüpfung wird im positiven Recht wieder von verschiedenen Gesichtspunkten beeinflußt. Als Analogie zu der von den Eltern abgeleiteten Staatsangehörigkeit erscheint der abgeleitete Wohnsitz insbesondere beim domicile of origin des englischen Rechts, welches jemand mit Geburt von dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden domicile des ehelichen Vaters bzw. der unehelichen Mutter ableitet und als eine in ihrer Wirkung suspendierte Dauerverknüpfung beibehält, auch wenn er später ein anderes domicile of choice innehat. Der abgeleitete Wohnsitz der Ehefrau am Wohnsitz des Mannes ist hingegen vielfach nur eine Vermutung für den von der Frau selbst gewollten Wohnsitz, die widerlegbar ist. Bei denjenigen, die nicht die Fähigkeit haben, durch eigenen Willen einen Wohnsitz zu begründen, ist der abgeleitete Wohnsitz aber auch evtl. nur ein Ersatzanknüpfungsmoment hinter dem gewöhnlichen Aufenthalt. Hat eine wohnsitzwillensfähige Person deshalb keinen Wohnsitz, etwa weil sie nirgendwo ständig bleiben will, so tritt an Stelle des Wohnsitzes wohl in fast allen Rechten ein Ersatzanknüpfungsmoment; als solches verwendet das englische Recht das domicile of origin, andere Rechte hingegen den jeweiligen „gewöhnlichen" Aufenthalt 1 0 3 . Fehlt auch ein gewöhnlicher Aufenthalt, so ist wieder nach einem anderen Ersatzanknüpfungsmoment 256
Staatsangehörigkeits- oder Wohnsitz „prinzip"
§10
zu suchen. Dabei ist der einfache Aufenthalt, auf den manche Kollisionsrechte abstellen wollen 1 0 4 , jedoch keineswegs die einzig mögliche und sachgerechte Ersatzverknüpfung. Vielmehr sollte hier nach einer beständigeren Verknüpfung gesucht werden, die, wenn sie nicht im domicile of origin gesehen wird, in dem Land gesehen werden sollte, zu dem die betreffende Person ihre gewichtigsten Verknüpfungen unabhängig vom Aufenthalt auf längere Zeit unterhält. Wenn zum Wohnsitzbegriff die Absicht der Beibehaltung, oder jedenfalls das Fehlen eines Willens zur Aufgabe des Wohnsitzes gehört, wie beim domicile des englischen Rechts, so stellen auch längere Aufenthalte in einem Land für sich allein noch keinen Wohnsitz dar. W o das subjektive Element nicht so stark betont wird, wird unter Umständen durch spezielle Regeln bestimmt, daß z. B . der Diplomat, der ja auch „bis auf weiteres" im Empfangsland wohnt, trotzdem weiter als im Entsendestaat wohnhaft gilt. Ist der Wohnsitzbegriff so ausgestaltet, daß jemand mehrere Wohnsitze in verschiedenen Ländern haben kann, oder kommt es aus den oben erwähnten Gründen zur Annahme eines mehrfachen Wohnsitzes, so stellt sich ähnlich wie bei der mehrfachen Staatsangehörigkeit die Frage, ob versucht werden soll, die verschiedenen Wohnsitzrechte zugleich anzuwenden bzw. Kompromisse zwischen ihnen zu bilden, oder ob einer der Wohnsitze mit Rücksicht auf das Bestehen weiterer Verknüpfungen zu dem betreffenden Staat letztlich doch allein als der „Hauptwohnsitz" das maßgebliche Recht bestimmen soll.
3. Staatsangehörigkeits-oder
Wohnsitz „prinzip"?
Heute besteht eine breite Uberzeugung darüber, daß für bestimmte Rechtsfragen eine dauernde persönliche Verknüpfung einer natürlichen Person zu einem Staat das sachgerechte Anknüpfungsmoment darstellt, so vor allem für die Fragen des „Personalstatuts". Dabei aber bevorzugen einige positive Kollisionsrechte die Staatsangehörigkeit, andere den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungsmoment; hier spricht man gerne davon, daß die verschiedenen Staaten entweder dem Staatsangehörigkeits„prinzip" oder dem Wohnsitz „prinzip" folgen. Ist einmal erkannt, daß es keine objektiven Maßstäbe zur Bemessung der Gewichtigkeit von Verknüpfungen gibt, so besteht auch kein Anlaß zu einer Erörterung darüber, ob die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz grundsätzlich als die gewichtigere Verknüpfung anzusehen ist. Höchstens könnte von dem domicile of origin des englischen Rechts, oder von einem durch eigene Wohnsitzbegründung nicht zu beseitigenden abgeleiteten Wohnsitz der Ehefrau gesagt werden, daß diese „Wohnsitze" im Vergleich zu einer nicht ganz uneffektiven Staatsangehörigkeit die schwächere Verknüpfung darstellen. Nach dem derzeitigen Stand der Dinge gibt es auch keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz das international gebräuchlichere Anknüpfungsmoment ist. Für die Bevorzugung der Staatsangehörigkeit vor dem Wohnsitz spricht, daß die Tatsachen, auf Grund deren die Staatsangehörigkeit meist erworben oder verloren wird, häufig mit größerer Sicherheit festzustellen sind als die verschiedenen Elemente des Wohnsitzes. Dieses Argument überzeugt aber schon nicht mehr, wenn die Anknüpfung mit Hilfe der Staatsangehörigkeit durch eine Generalklausel bei mangelnder Effektivität der Staatsangehörigkeit als unwirksam erklärt wird. D e r Vorzug schnellerer Bestimmbarkeit der Staatsangehörigkeit im Vergleich mit dem Wohnsitz fällt natürlich ferner weg, wenn ihr Erwerb oder Verlust selbst wieder vom Wohnsitz abhängt. Wird die Frage gestellt, o b Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz eine intensivere psychologische Bindung eines Menschen an einen Staat und dessen Recht schaffen, so ist die Antwort gerade dort zweifelhaft, wo im Einzelfall Staatsangehörigkeit und Wohnsitz auseinandergehen. Soweit überhaupt psychologische Bindungen an ein nationales Recht entstehen, werden sie gerade wieder davon beeinflußt, ob die beteiligten Staaten übereinstim257
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Staatsangehörigkeits- oder Wohnsitz„prinzip"
m e n d auf die Staatsangehörigkeit oder den W o h n s i t z abstellen. Ist das nicht der Fall, so hängt die psychologische Bindung an ein bestimmtes R e c h t vorwiegend von den K o n t a k ten mit der Kultur des einen oder anderen Landes ab: W ä h r e n d die Staatsangehörigen eines europäischen Landes mit dem R e c h t eines anderen europäischen Wohnsitzlandes schnell vertraut werden mögen, ist dies meist anders für das R e c h t „exotischer" L ä n d e r 1 0 5 . D e r Gegensatz zwischen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzip wird von selbst abgeschwächt, wenn sowohl Staatsangehörigkeit als auch W o h n s i t z einer bestimmten P e r son nach den Kollisionsrechten, die darauf abstellen, nur „im Zweifel" das anwendbare R e c h t bezeichnen sollen, und der Nachweis geführt werden kann, daß die Summe aller Verknüpfungen zu einem bestimmten anderen S t a a t 1 0 6 im Einzelfall gewichtiger ist als die Verknüpfung durch Staatsangehörigkeit b z w . W o h n s i t z , wenn also sowohl das A n k n ü p fungsmoment der Staatsangehörigkeit als auch das des W o h n s i t z e s durch eine Generalklausel „ a u f g e w e i c h t " 1 0 7 werden. Angesichts dessen, daß also Staatsangehörigkeit und W o h n s i t z als A n k n ü p f u n g s m o mente ziemlich gleichwertig sind, fragt es sich, o b nicht grundsätzlich ein K o m p r o m i ß zwischen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzip möglich wäre. M a n könnte etwa daran denken, im Verhältnis zwischen bestimmten Ländern unter sich auf den W o h n s i t z ihrer eigenen Staatsangehörigen in einem dieser Länder, bei Staatsangehörigen anderer L ä n d e r hingegen auf die Staatsangehörigkeit abzustellen. M a n könnte auch daran denken, bei einem schon längere Zeit bestehenden W o h n s i t z von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf diesen W o h n s i t z , bis dahin aber auf die Staatsangehörigkeit abzustellen. M a n k ö n n t e den Betroffenen vielleicht auch die Möglichkeit der einverständlichen W a h l zwischen H e i matrecht und Wohnsitzrecht g e b e n 1 0 8 , oder jeder einzelnen Person die Möglichkeit einer generellen O p t i o n in bezug auf ihr P e r s o n a l s t a t u t 1 0 9 ; ein solches Wahlrecht in bezug auf einzelne Rechtsverhältnisse bewirkt jedoch eine Bevorzugung derjenigen M e n s c h e n , bei denen Staatsangehörigkeit und W o h n s i t z nicht in demselben Staat bestehen, vor denen, bei denen dies der Fall ist, und das ist unter den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts bedenklich. D i e vorhin genannten Möglichkeiten einer Anpassung zwischen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzip haben im positiven R e c h t bisher wenig Anklang g e f u n d e n 1 1 0 . N o c h weniger Aufmerksamkeit hat das positive R e c h t der M ö g l i c h keit geschenkt, das anwendungswillige Heimatrecht und das anwendungswillige W o h n sitzrecht als zugleich berufen zu betrachten und, falls die Ergebnisse ihrer A n w e n d u n g nicht harmonieren, einen K o m p r o m i ß zu diesen Ergebnissen zu bilden. D i e Vorstellung, daß der zur Anwendung seines R e c h t s bereite Wohnsitzstaat oft die größeren C h a n c e n der D u r c h s e t z u n g seiner Stellungnahme hat als der Heimatstaat, steht hinter dem Vorschlag, eine einverständliche Regelung durch Vertrag dahin zu treffen, daß im Konfliktsfall das anwendungswillige W o h n s i t z r e c h t dem anwendungswilligen H e i m a t recht in den beiden beteiligten Staaten vorzuziehen sei. D a m i t verbunden wäre eine einverständliche L ö s u n g für das Spiegelkabinett, wenn Heimatstaat und Wohnsitzstaat auf das nicht primär anwendungswillige R e c h t des anderen Staates verweisen; hier m ü ß t e dann auch das W o h n s i t z r e c h t angewendet werden. D i e L ö s u n g m ü ß t e möglicherweise für den Fall korrigiert werden, daß ein anderes anwendungswilliges R e c h t mit einer völkerrechtlich ausreichenden Verknüpfung vorhanden ist. D e r Vorschlag, dem W o h n s i t z r e c h t den V o r rang zu verschaffen, wenn der Wohnsitzstaat es angewendet wissen w i l l 1 1 1 , enthält allerdings keine L ö s u n g für den Fall, daß mehrfacher W o h n s i t z besteht, oder daß auf den W o h n s i t z verschiedener Personen abgestellt werden soll. 4. Zugehörigkeit
juristischer Personen
zu einem
Staat
D i e unüberlegte Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen hat vielfach zu der Vorstellung geführt, daß es auch für juristische Personen eine der Staatsangehörig258
Stäatszugehörigkeit juristischer Personen
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keit von natürlichen Personen entsprechende „Staatsangehörigkeit" im Sinne des Völkerrechts und einen „Wohnsitz" gäbe. Die Dinge liegen jedoch komplizierter: Ob ein Staat unter Anwendung seines eigenen Rechts die Existenz (das Entstehen) einer juristischen Person bejaht, das hängt unvermeidlicherweise davon ab, ob eine Verknüpfung zu diesem Staat vorhanden ist, als die sicher nicht die noch unbestimmte Staatsangehörigkeit der juristischen Person gelten kann. Ein Staat mag eine juristische Person gemäß seinem Recht als zustande gekommen betrachten, wenn die juristische Person nach dem Gründungsgeschäft ihren statutarischen Sitz in diesem Staat haben soll; er mag sein Recht auch dann als anwendbar erklären, wenn gewährleistet ist, daß tatsächlich das Hauptorgan der juristischen Person den Ort seiner Tätigkeit im Inland haben wird. Ein Staat kann aber auch allein auf die Belegenheit des dör juristischen Person zugedachten Vermögens im Inland abstellen, um z. B. sein Stiftungsrecht als anwendbar zu erklären, und nichts hindert einen Staat, allein die Tatsache, daß eigene Staatsangehörige irgendwo einen Verein gründen wollen, zum Anlaß zu nehmen, dem Verein Rechtspersönlichkeit nach Maßgabe seines Rechts zu verschaffen. Eine Staats „Zugehörigkeit" einer juristischen Person kommt also stets dadurch zustande, daß die juristische Person auf Grund einer von vielen möglichen und völkerrechtlich zulässigen anderen Inlandsverknüpfungen zu einem Staat gemäß dem staatlichen Recht dieses Staates begründet wird 112 . Daß andere Staaten diese juristische Person zum Erwerb von Rechten und Pflichten in ihrem Privatrecht mehr oder weniger beschränkt zulassen, ändert an dieser Zugehörigkeit der juristischen Person zu dem Staat, nach dessen Recht sie begründet wurde, nichts. Es ist möglich, daß Verknüpfungen zu mehreren Staaten bestehen, die jedem von ihnen Veranlassung geben, die Anwendbarkeit seines Rechts auf das Zustandekommen der juristischen Person zu bejahen113; dann besteht eine entsprechende Zugehörigkeit zu mehreren „Gründerstaaten". Wird umgekehrt von einem Staat gemäß seinem anwendungswilligen Recht verneint, daß eine juristische Person entstanden sei, so wird gerade dieser Staat die nach dem Recht des anderen Staates als entstanden geltende juristische Person nur in besonderen Fällen als Inhaber von Rechten oder Pflichten unter seiner Privatrechtsordnung zulassen. Juristische Personen, für die kein staatliches Privatrecht Gründungsstatut sein will, von denen aber trotzdem angenommen werden müßte, daß sie Träger privatrechtlicher Rechte und Pflichten sind, und für die deshalb auf entsprechenden Wegen wie für staatenlose natürliche Personen ein Personalstatut in Gestalt eines staatlichen Privatrechts anderweit ermittelt werden müßte, gibt es nicht 114 . Die Tatsache, daß eine juristische Person nach dem Recht eines Staates als bestehend gilt und deshalb ihre Rechtsfähigkeit auch in anderen Staaten „anerkannt" wird, also die „Zugehörigkeit zum Gründerstaat", hindert nicht, daß ein anderer als der Gründerstaat für einzelne Zwecke seines Rechts eine andere „Zugehörigkeit" der juristischen Person nach anderen Kriterien relevant werden läßt. So kann insbesondere der tatsächliche Sitz der Hauptorgane der nach einem Recht A begründeten juristischen Person im Staate B entweder vom Recht des Staates B, oder vom Recht eines anderen Staates zum Anlaß genommen werden, um die juristische Person für bestimmte Zwecke (Devisenrecht, Handel mit dem „Feind") als dem Staat B zugehörig zuzuordnen. Auch die Tatsache, daß eine juristische Person ihr Vermögen in einem anderen Staat als dem Gründerstaat hat, oder die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit der an dem Vermögen der juristischen Person letztlich interessierten natürlichen Personen115, möglicherweise auch die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit der leitenden Organpersonen, können für einzelne Zwecke eine irgendwie gekennzeichnete weitere Art der „Zugehörigkeit" der juristischen Person zu einem Staat darstellen, und die Anwendungswilligkeit des so bestimmten Rechtes kann in dem betreffenden Land die Anwendbarkeit abweichender Bestimmungen des Rechtes des Gründerstaates verdrängen. 259
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Staatszugehörigkeit von Organen
Unabhängig davon kann selbstverständlich jede „Betätigung" einer juristischen Person auf dem Gebiet eines Staates, dem sie nicht aus irgendeinem der genannten Gründe zugehört, diesem Staat Veranlassung geben, Bestimmungen seines Rechts als anwendbar zu erklären, mit denen sich die Anwendung von anwendungswilligen Bestimmungen des Gründerstaates, des Sitzstaates usw. nicht vereinbaren läßt; das ist aber nichts, was nicht auch bei natürlichen Personen eine Parallele findet, und was der juristischen Person eine weitere Art der „Zugehörigkeit" zu dem Betätigungsland verschaffen würde. Soweit öffentlich-rechtliche juristische Personen in einem Staat Privatrechtssubjektivität besitzen, haben sie wohl stets auch Sitz usw. nur im Gründerstaat, so daß hier alle denkbaren Zugehörigkeiten nur zu einem Staat gehen. Soweit internationale Organisationen und internationale Organe durch Völkerrecht begründet werden und in den verschiedenen Staaten Privatrechtssubjektivität genießen sollen, entspricht es meist nicht dem anationalen Charakter solcher juristischen Personen, daß sie für die Zwecke des Privatrechts als einem bestimmten Staat „zugehörig" gelten 116 . 5. Zugehörigkeit eines rechtsanwendenden staatlichen Inlandsrecht
Organs zu einem Staat und einem
Die „Zugehörigkeit" eines Organs zu einem Staat wird als Anknüpfungsmoment verwendet, wenn der Gesetzgeber eines Staates nur den „eigenen" Staatsorganen Anweisungen über ihre Tätigkeit geben will. Bei privaten Schiedsgerichten könnte daran gedacht werden, daß jeder Staat, dessen staatliche Gerichte durch Anrufung des Schiedsgerichts an der Ausübung ihrer Zuständigkeit gehindert sind, das Schiedsgericht als ein Schiedsgericht „seines" Rechts betrachten und daraus folgern könnte, daß sein Recht die lex fori des Schiedsgerichts darstelle. Dann hätte das Schiedsgericht mehrere Rechte zur lex fori, wenn die Schiedsabrede in mehreren Staaten die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausschaltet. Dann liegt es nahe, nach anderen Argumenten zu suchen, die ein einziges Recht als die lex fori des Schiedsgerichts erkennen lassen. Vielfach will man auf den Sitz des Schiedsgerichts in einem bestimmten Staat abstellen, um darin ein diesem Staat „zugehöriges" Schiedsgericht zu sehen; das wird damit begründet, daß es vom Recht dieses Sitzstaates abhängt, ob den Schiedsrichtern die Ausübung ihrer Tätigkeit dort überhaupt erlaubt ist, oder damit, daß auch die staatlichen Gerichte dieses Staates durch Parteivereinbarung hätten zuständig gemacht werden können, oder daß ja in erster Linie die staatlichen Gerichte des Sitzstaates durch einstweilige Verfügungen usw. in die Betätigung des Schiedsgerichts eingreifen 117 . Daß die von einer Organisation gestellten ständigen Schiedsgerichte, auch wenn sie nicht am Sitz dieser Organisation tätig werden, dem Staat zugehören, der die gründende Organisation zur juristischen Person gemacht hat, ist vielleicht sinnvoll, wenn es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, nicht aber, wenn die gründende Organisation gerade keinen spezifisch nationalen Charakter haben will, wie etwa die Internationale Handelskammer, oder eine Börse, an der vorzugsweise Geschäfte des internationalen Handels zustande kommen. Andererseits kann ein Staat auch die Tätigkeit von Gerichten, die er nicht selbst begründet hat, als Tätigkeit seiner eigenen Gerichte betrachten, wenn durch Völkerrecht die Zuständigkeit und die von den Gerichten zu beachtenden Rechtsanwendungsanweisungen abschließend festgelegt sind 1 1 8 . Ferner kann ein Staat z. B. von bestimmten kirchlichen Organen im Ausland, die der Staatsgewalt dieses Staates sicher nicht unterworfen sind, sagen, daß er die von ihnen ausgeübte Tätigkeit, etwa bei Eheschließungen, so behandeln will, als wenn sie von seinen eigenen Staatsorganen ausgeübt worden wären 1 1 9 . Die Zugehörigkeit eines Gerichts oder eines anderen Organs zu einem bestimmten Staat wird im Recht anderer Staaten relevant, wenn es ihnen verboten ist, Organakte eines 260
Zugehörigkeit von Gerichten
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fremden Staates direkt auf ihre Gültigkeit nachzuprüfen, oder wenn die Entscheidungen der Gerichte des einen Staates anzuerkennen sind, die eines anderen hingegen nicht; die Zugehörigkeit eines Organs zu einem bestimmten Staat wird besonders wichtig bei der Haftung für völkerrechtswidrige Akte 1 2 0 . In diesen Zusammenhängen muß jedoch die Frage nicht immer gleich beantwortet werden: Es kann darauf ankommen, welcher Staat das Organ eingerichtet hat, und welcher Staat es wieder beseitigen könnte; es kann aber auch darauf ankommen, „unter welchem staatlichen Recht" das Organ selbst tätig sein will bzw. tätig sein soll. Aber auch dieses letztere Kriterium ist selbst wieder mehrdeutig: es kann darauf ankommen, welcher staadiche Gesetzgeber dem Gericht Arbeitsaufträge in Gestalt von Zuständigkeitsbestimmungen erteilt; es kann aber auch darauf ankommen, von welchem Staat die Rechtsanwendungsanweisungen herrühren, die das Gericht bei der Rechtsprechung zu beachten hat 1 2 1 ; es könnte schließlich auch darauf ankommen, welches staatliche Inlandsrecht das fragliche Gericht als seine „lex fori" zu beachten hat, wenn die Rechtsanwendungsanweisung ihm die Anwendung der lex fori aufgibt, oder ihm aufgibt, sonstiges Recht auf krasse Abweichungen von der lex fori zu überprüfen. Gemeinschaftliche Gerichte mehrerer Staaten können daher in dieser oder jener Hinsicht dem einen oder dem anderen Staat als zugehörig gelten. Der Umstand, daß in dem Zuständigkeitsbereich eines Konsulargerichts Gerichtsbarkeit der Gerichte des örtlichen Staates kraft Völkerrechts nicht ausgeübt werden darf, macht die Konsulargerichte nicht zu Gerichten, die dem örtlichen Staat zugehören, obwohl man versucht sein könnte, hier eine Parallele zu den Bundesgerichten in den Vereinigten Staaten zu ziehen, soweit diese Gerichtsbarkeit anstelle der gliedstaatlichen Gerichte ausüben, und deshalb auch so entscheiden müssen, wie das gliedstaatliche Gericht im Sitzstaat zu entscheiden gehabt hätte 122 . Die Konsulargerichte haben jedoch nicht die Rechtsanwendungsanweisungen des Sitzstaates zu beachten und können dessen Recht auch nicht als lex fori ansehen 123 . Es ist möglich, daß ein Staat gewissen von ihm unterhaltenen und ihm insofern zugehörigen Gerichten auf Grund völkerrechtlichen Vertrages keine neuen Rechtsanwendungsanweisungen neben den mit der Begründung der Gerichte schon festgelegten Kollisionsnormen geben darf, und daß diese Gerichte das Inlandsrecht des betreffenden Staates nicht als „ihre" lex fori zu betrachten haben 1 2 4 . Unter Umständen kommt es aber gar nicht auf die Zugehörigkeit eines Organs zu einem bestimmten Staat, oder auf sein Tätigwerden unter der Rechtsordnung eines bestimmten Staates an, sondern einfach darauf, ob das Organ im Staatsgebiet eines Staates tätig ist 1 2 5 . Die Eheschließung eines Staatsangehörigen des Entsendestaates mit dem Angehörigen eines dritten Staates vor dem Konsul kann, wenn sie vom Empfangsstaat anerkannt wird, für das internationale Privatrecht eines dritten Staates sowohl als Eheschließung „im" Empfangsstaat, als auch wie eine Eheschließung im Entsendestaat des Konsuls behandelt werden 1 2 6 . Aus dem Umstand, daß ein Gericht, das auf Grund Völkerrechts in heterogen verknüpften Sachen anstelle der sonst zuständigen staatlichen Gerichte eines oder mehrerer Staaten tätig wird, möglicherweise unter einem der genannten Gesichtspunkte nicht als einem bestimmten Staat zugehörig gelten kann, folgt jedoch auch wieder nicht, daß ein solches Gericht außer den ihm bei seiner Begründung ausdrücklich gegebenen Rechtsanwendungsanweisungen überhaupt keine sonstigen Rechtsanwendungsanweisungen hätte, und daß ein solches Gericht keinesfalls einen Ersatz für das hätte, was sonst einem staatlichen Gericht ein staatliches Recht als lex fori bedeutet: Ein gemeinschaftliches erstinstanzliches Gericht für heterogen verknüpfte Sachen kann sich an Hand der allgemeinen Postulate des internationalen Privatrechts weitere Rechtsanwendungsanweisungen bilden, und es kann das übereinstimmende Recht der Gründerstaaten als seine lex fori betrachten.
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Belegenheit von Sachen und Rechten
6. Belegenheit
von Sueben und Rechten als
Anknüpfungsmoment
Die Belegenheit einer körperlichen Sache im Staatsgebiet eines Staates als das zur Anwendbarkeit des Rechtes des Lagestaates auf Monopolrechte an der Sache führende Anknüpfungsmoment bereitet im allgemeinen keine Schwierigkeiten 127 . Die manchmal noch anzutreffende Behauptung, daß die an einer Sache — praktisch an einer beweglichen Sache — bestehenden Rechte als im Wohnsitzstaat des Eigentümers belegen anzusehen seien, ist nichts anderes als eine als Fiktion aufgezogene Zuweisung an das Recht des Wohnsitzstaates. Wenn dies allerdings bedeuten sollte, daß der Wohnsitzstaat einer natürlichen Person durch sein Sachenrecht mit Wirkung gegenüber Ausländern ohne Verknüpfung mit dem Wohnsitzstaat auch die Frage regeln könnte oder wollte, ob die betreffende Person Eigentümer der in einem anderen Staat belegenen Sache geworden ist, so wäre ein dahingehender Anspruch des Wohnsitzstaates wohl schon völkerrechtswidrig. Anders als die Belegenheit von Sachen wirft das Anknüpfungsmoment der Belegenheit von subjektiven Rechten in einem Staatsgebiet schwierige Fragen auf. Daß Belegenheit eines subjektiven Rechtes in einem Staat, wenn sie das Anknüpfungsmoment für die Zuweisung einer Rechtsfrage darstellen soll 1 2 8 , nicht dahin verstanden werden kann, daß dieser Staat als einer von vielen „Schutzstaaten" bereit ist, unter Anwendung inländischen oder ausländischen Rechts letztlich durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen „dem" subjektiven Recht Schutz zu gewähren, wurde bereits ausgeführt 129 . Als Anknüpfungsmoment kaum verwendbar ist aber auch der Umstand, daß in einem schutzwilligen Staat tatsächlich Möglichkeiten zur Realisierung von Rechtszwang bestehen. Als ein Anknüpfungsmoment, das zu einem einzigen Staat hinführen soll, wird Belegenheit eines in mehreren Staaten geschützten subjektiven Rechts zumeist so zu verstehen sein, daß derjenige Staat als der Lagestaat zu gelten hat, in dem die größte Chance der Verwirklichung des subjektiven Rechts durch staatlichen Rechtszwang besteht. Hierüber kann allerdings der Urheber der Zuweisungsnorm unwiderlegliche Vermutungen aufstellen, etwa dahin, daß Rechte an Sachen, oder auf die Lieferung von Sachen, am ehesten im Lagestaat der Sache verwirklicht werden können, daß Forderungen auf Leistungen aus dem Vermögen am besten im Wohnsitzstaat des Schuldners eingetrieben werden können usw.; es könnte auch an eine Widerlegung dieser Vermutungen gedacht werden, bei der im Einzelfall ein anderer Staat als Lagestaat gilt, wenn dort die besseren Verwirklichungschancen bestehen 1 3 0 . Subjektive Rechte, die darauf gehen, daß nirgendwo ein bestimmter Vorgang durch einen anderen als den Rechtsinhaber ohne dessen Zustimmung verwirklicht werden darf, müssen in mehrere subjektive Rechte auf Unterlassung innerhalb eines bestimmten Staatsgebietes aufgespalten werden, um einen Lageort zu erhalten 1 3 1 . Es ist möglich, daß der Lagestaat eines subjektiven Rechts bestimmt hat, daß das subjektive Recht dadurch übertragen werden kann, daß das Eigentum an einem das Recht verkörpernden Wertpapier nach dem Sachenrecht des Lageorts des Wertpapiers übertragen wird; dann kann in bestimmten Zusammenhängen, keinesfalls aber generell, von dem im Wertpapier verkörperten Recht angenommen werden, daß es selbst am Lageort des Wertpapiers als belegen zu gelten habe. Neben der Anknüpfung vermittels des Lageortes eines „unbeweglichen" Vermögensrechtes findet sich manchmal die Zuweisung an das Recht des Landes, wo das Recht oder die Sache einen „festen Lageort" hat 1 3 2 . Als Rechte mit festem Lageort kommen neben Rechten an Grundstücken und Zubehör vor allem Forderungen an eine juristische Person des öffentlichen Rechts in Frage, da diese ja ihren Sitz im Gründungsstaat nicht verlegen kann. 7. Zugehörigkeit
von Schiffen und Luftfahrzeugen
zu einem. Staat
In erster Linie kann es für das Völkerrecht von Bedeutung werden, daß ein Vermögensrecht, das in mehreren Staaten geschützt sein kann, einem Staatsangehörigen eines 262
Zugehörigkeit von Schiffen und Flugzeugen
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bestimmten Staates zusteht; für bestimmte Zwecke gilt dann etwa das Vermögen französischer Staatsangehöriger außerhalb Frankreichs als „französisches" Vermögen. Damit nicht zu verwechseln ist es, daß — hier sowohl für völkerrechtliche Zwecke, als auch für die Zwecke des internationalen Privatrechts — bestimmte Arten von Sachen, und zwar vor allem See- und Luftverkehrsmittel, einem Staat in dem Sinne „zugehören", daß sie seine Flagge oder sein nationales Kennzeichen führen dürfen, daß dieser Staat sie in seinem Kollisionsrecht wie bewegliche Teile seines Staatsgebiets behandeln und auf staatenlosem Gebiet gegen Eingriffe anderer Staaten schützen darf. Mit dieser Zugehörigkeit kann zufällig zusammentreffen, daß der Eigentümer des Verkehrsmittels Staatsangehöriger des Flaggen- oder Registrierungsstaates ist. Die Verleihung der Zugehörigkeit wird nicht selten davon abhängig gemacht, daß der Eigentümer die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates besitzt. Es ist jedoch durchaus zulässig, Schiffen und Luftfahrzeugen die Zugehörigkeit auf Grund anderer Verknüpfungen als der Staatsangehörigkeit des Eigentümers auf dessen Antrag zu verleihen; dann kann der Eigentümer das Schiff usw. auch in einem anderen Staat als seinem Heimatstaat registrieren lassen. Eine Sollvorschrift des Völkerrechts geht dahin, daß außer dem Willen des Eigentümers noch objektive Verknüpfungen zu dem Staat bestehen sollen, der sein Flaggenrecht verleihen will 1 3 3 . Einem Fahrzeug, das völkerrechtskonform die Zugehörigkeit zu einem Staat erworben hat, kann ein anderer Staat sicher nicht gegen den Willen des Eigentümers seine Zugehörigkeit aufzwingen. Die völkerrechtliche Zugehörigkeit von Schiffen und Fahrzeugen in Gestalt des Flaggenführungsrechts und der Registrierung in nationalen Registern wird in den verschiedenen Staaten, ähnlich wie Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen, im einzelnen gesetzlich geregelt 134 . Die Zugehörigkeit kann internationalprivatrechtliches Anknüpfungsmoment insofern werden, als der „Heimatstaat" die Geltung seines örtlichen Privatrechts auf dem Fahrzeug auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn das Fahrzeug sich auf staatlosem Gebiet, oder auch im Gebiet eines anderen Staates befindet; andere Staaten können ihrerseits vor allem die Anwendbarkeit ihres Sachenrechts für die auf ihrem Gebiet befindlichen Schiffe und Flugzeuge, die einem anderen Staat zugehören, ganz oder teilweise ausschließen 135 . Für Landfahrzeuge und für Raumfahrzeuge 136 kann ein Staat ebenfalls unter Rückgriff auf eine schon vorhandene Inlandsbeziehung neben dem Registrierungswillen des Eigentümers eine nationale Registrierung vorsehen. Bei Anwesenheit auf dem Gebiet anderer Staaten dürfen diese Gegenstände jedoch wohl nicht wie bewegliche Exklaven des registrierenden Staates behandelt werden; befinden sie sich auf staatlosem Gebiet, so ist dies nicht ausgeschlossen. Einrichtungen zur Ausbeutung des von einem Staat für sich in Anspruch genommenen Meeresschelfs sind, wenn sie sich dort beifinden, mangels anderweitiger vertraglicher Regelung in jeder Hinsicht als nur dem Uferstaat „zugehörig" zu betrachten, auch wenn das Eigentum daran Ausländern zustehen sollte. Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Das E G B G B verwendet als starre Anknüpfungsmomente vor allem die Staatsangehörigkeit natürlicher Personen 1 3 7 , seltener den Wohnsitz 1 3 8 , den gewöhnlichen und den einfachen Aufenthalt 1 3 9 . Daneben stellt es in anderen Bestimmungen auf die Belegenheit eines Vermögensgegenstandes 140 , den Ort der Errichtung eines Rechtsgeschäfts 141 oder den Begehungsort einer unerlaubten Handlung a b 1 4 2 . Insbesondere in den von der Bundesrepublik ratifizierten neueren Haager Verträgen ist die Staatsangehörigkeitsanknüpfung vielfach durch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt verdrängt worden . Wo eine Doppelverknüpfung im Gesetz verwendet wird 1 4 4 , ist es zweifelhaft, ob es sich nicht um einen Redaktionsfehler handelt. Der Gedanke, daß aus der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu fol263
§11
Spezialrechtssätze im weiteren und im engeren Sinn
gern ist, findet sich bei der Bestimmung des Wirkungsstatuts von Vormundschaft und Pflegschaft in der Rechtsprechung. Weder Gesetz noch Rechtsprechung verwenden die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment, doch läuft der hypothetische Parteiwille, wie er von der Rechtsprechung bei Schuldverträgen zugrundegelegt wird, auf nichts anderes hinaus 145 . Daneben legt die Rechtsprechung dem Erfüllungsort Bedeutung bei 1 4 6 . Eine Aufweichung der Anknüpfung vermittels der Staatsangehörigkeit bei de facto-Staatenlosigkeit usw. konnte vermieden werden, weil für die wichtigsten Fälle (Flüchtlinge) durch gesetzliche und vertragliche Bestimmungen 147 hier anstelle der Staatsangehörigkeit Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt als Anknüpfungsmomente vorgesehen wurden. Der Gedanke, daß die Begründung einer Verknüpfung in der Absicht, damit die Anwendbarkeit des sonst berufenen Rechts auszuschalten, genügt, um das Anknüpfungsmoment zu ignorieren, spielt in der deutschen Rechtsprechung kaum eine Rolle 1 4 8 . Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit ist lange Zeit angenommen worden, daß eine deutsche Staatsangehörigkeit stets den Vorrang hat; neuerdings findet sich Rechtsprechung, welche auf die effektive Staatsangehörigkeit abstellt 149 , ohne daß jedoch gesagt werden kann, daß dies als generell maßgebliche Lösung zu gelten habe.
§ 11. Spezialrechtssätze für auslandsverknüpfte Situationen a) Spezialrechtssätze im weiteren und im engeren Sinn Eine Sachnorm des reinen Inlandsrechts einer staatlichen Privatrechtsordnung bestimmt Rechtswirkungen und wirkungsauslösende Tatbestände ihrer Art nach mit der Maßgabe, daß alle Verknüpfungen der rechtlich relevanten Vorgänge und der beteiligten Rechtssubjekte, welche als internationalprivatrechtliche Anknüpfungsmomente möglicherweise die Anwendung ausländischen Rechts rechtfertigen könnten, hier zum Urheberstaat der Sachnorm hingehen, auch ohne daß die Sachnorm ausdrücklich von solcher Inlandsverknüpftheit der Tatbestandselemente oder der Rechtswirkung spricht. Es ist möglich, daß eine Sachnorm gebildet wird, die eine bestimmte Rechtswirkung gerade für den Fall vorsieht, daß der Tatbestand eine solche -4«iZawi&verknüpfung aufweist, die kein Grund sein kann, die Frage zu stellen, ob nicht ihretwegen ausländisches Recht als anwendbar erklärt werden sollte. Nicht selten ist es so, daß neben einer solchen Norm eine andere Sachnorm des Inlandsrechts gilt, die, ohne sich über die Inlandsverknüpfungen der einzelnen Tatbestandselemente auszusprechen, denselben Tatbestand wie die erstgenannte Norm aufweist, und daß nur aus dem Nebeneinander der beiden Rechtssätze zu erklären ist, daß bei dieser zweiten Norm anstelle des auslandsverknüpften Tatbestandselements ein inlandsverknüpftes Tatbestandselement erfordert wird: Es wird also etwa in der einen Sachnorm des Inlandsrechts bestimmt, daß der Käufer den in „Geld" vereinbarten Kaufpreis bei Fälligkeit am Wohnsitz des Verkäufers zur Zahlung wie vereinbart anzubieten habe; in der anderen Sachnorm wird bestimmt, daß dann, wenn ein Kaufpreis in ausländischer Währung vereinbart sei, der Käufer am Wohnsitz des Verkäufers nach seiner Wahl Zahlung in ausländischer Währung oder in inländischer Währung zum Tageskurs der nächsten inländischen Börse leisten könne 1 ; damit wird der Anwendungsbereich der ersten Norm auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Kaufpreis in inländischer Währung vereinbart ist. Daß allein wegen der ausländischen Währung auf den Kaufvertrag ausländisches Recht als anwendbar gelten könne, wenn alle anderen Verknüpfungen zum Inland hingehen, ist nicht anzunehmen; diese Auslandsverknüpfung macht den Sachverhalt nicht zu einem „international verknüpften" Sachverhalt. Desgleichen kann der Umstand, daß die verkaufte Sache ursprünglich im Ausland hergestellt worden ist 2 , Anlaß dazu sein, daß, auch wenn sie sich schon jahrelang im Inland 264
Spezialrechtssätze im weiteren und im engeren Sinn
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befindet, etwa eine behördliche Genehmigung für den Verkaufsvertrag vorgeschrieben wird. Auch hier ist es undenkbar, daß diese Auslandsverknüpfung allein dem betreffenden fremden Staat noch die Befugnis geben könnte, die Anwendung seines Rechts anzuordnen; erst recht hätte der inländische Gesetzgeber dazu keinen Anlaß. Ein Satz über die Genehmigungspflicht für Kaufverträge über Waren ausländischer Herkunft ist also neben dem normalen Inlandsrecht über Kaufverträge ein Spezialrechtssatz in einem weiteren Sinne. Spezialrecht für den Fall, daß der Tatbestand eine Auslandsverknüpfung aufweist, die nicht die Frage der Anwendbarkeit eines ausländischen Rechts aufwerfen könnte, weil sie gar nicht zum Staatsgebiet eines anderen Staates hingeht, findet sich auch z. B. in einer Bestimmung, wonach bei der Errichtung eines Testaments auf einem inländischen Schiff auf hoher See der Kapitän des Schiffs als Beurkundungsperson fungieren kann 3 ; dabei wird unterstellt, daß die übrigen inländischen Vorschriften über Testamentserrichtung selbstverständlich maßgebend sind. Anders ist es, wenn der Gesetzgeber für die Anwendbarkeit von inländischem bzw. ausländischem Recht in einer bilateralen Zuweisungsnorm entweder auf die Verknüpfung A oder auf die Verknüpfung B hätte abstellen können, wenn das inländische Recht wegen des inländischen Anknüpfungsmoments A anwendbar sein soll, und wenn dann anstelle der Regelung durch das normale Inlandsrecht eine hiervon mehr oder weniger inhaltlich abweichende sachliche Regelung für den Fall getroffen wird, daß die Verknüpfung B zum Ausland hingeht. Das hat zur Folge, daß aus dem Randanwendungsbereich, der innerhalb des Bereiches der heterogen verknüpften Situationen mit Hilfe des Anknüpfungsmoments A (zunächst) dem Inlandsrecht zugewiesen worden ist, wieder ein kleinerer Sektor herausgeschnitten und jenem Spezialrechtssatz des eigenen Gesetzgebers unterstellt wird. Ein Staat, der Fragen des Personalstatuts mit Hilfe der Staatsangehörigkeit anknüpft, könnte also ausschließlich für Ehen, die seine Staatsangehörigen mit Ausländern schließen wollen, andere Ehehindernisse als die des normalen Inlandsrechts aufstellen; es wäre denkbar, daß für Ehen der eigenen Staatsangehörigen, die die Staatsangehörigkeit durch Naturalisation erworben haben, und die Angehörige ihres früheren Heimatstaates heiraten wollen, ein solches besonderes Eherecht gebildet würde. Besteht die maßgebliche Inlandsverknüpfung in der inländischen Staatsangehörigkeit einer Partei, die maßgebliche Auslandsverknüpfung in der ausländischen Staatsangehörigkeit der anderen Partei, so kommt es häufig zu spezialrechtlichen „Verboten", genauer: Bestimmungen, über die Unzulässigkeit „national gemischter" rechtsgeschäftlicher Beziehungen. Dieses einfachste Schema zur Bestimmung des Anwendungsbereiches einer Spezialrechtsnorm im engeren Sinne durch den Urheber der Norm — Vorhandensein einer Inlandsverknüpfung, die stark genug ist, um die Regelung durch den eigenen Gesetzgeber zu rechtfertigen, und Vorhandensein einer Auslandsverknüpfung, die stark genug wäre, um die Anwendungswilligkeit eines ausländischen Rechts und eine Zuweisung an das ausländische Recht zu rechtfertigen — kann in vielfältiger Weise variiert werden. Es kann bestimmt werden, daß mehrere Inlandsverknüpfungen, oder daß mehrere Auslandsverknüpfungen gegeben sein müssen, ehe die normale Sachnorm des Inlandsrechts, deren Anwendungsbereich im Sinne der Zuweisungsmethode abgesteckt ist, durch den Spezialrechtssatz verdrängt wird. Spezialrechtliche Hemmungen der Eheschließung von eigenen Staatsangehörigen mit Ausländern können sich z. B. auf eigene Staatsangehörige mit inländischem Wohnsitz oder auf Ehen mit Ausländern, die im Ausland ihren Wohnsitz haben, beschränken. Zu diesen zusätzlichen Inlands- oder Auslandsverknüpfungen können auch wieder solche „schwachen" Verknüpfungen gehören, wie sie sonst nur bei Spezialrecht im weiteren Sinne eine Rolle spielen. Die Verdrängung des Inlandsrechts von F durch ein Spezial265
§11
Anwendungsbereiche von Spezialrecht
recht kann in diesem Fall auch davon abhängig gemacht werden, daß Auslandsverknüpfungen Y und Z alternativ vorliegen; der Forumstaat kann auch für die Auslandsverknüpfung Y diese, für die Auslandsverknüpfung Z jene Spezialnormen als anwendbar bezeichnen. Der Inhalt von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen kann auch durch bloße „Bezugnahmen" auf ausländisches Recht gebildet werden, ohne daß damit das ausländische Recht als solches als anwendbar erklärt wird: Ein Staat kann den Wettbewerb zwischen inländischen Kaufleuten auf ausländischen Märkten zunächst einmal seinen eigenen Regeln über den unlauteren Wettbewerb unterstellen; er kann jedoch zugleich eine Spezialregel schaffen, wonach gewisse sonst im Inlandsrecht verbotene Handlungen im Verhältnis zwischen inländischen Kaufleuten beim Wettbewerb auf dem ausländischen Markt dann erlaubt sind, wenn zugleich ausländische Kaufleute als Wettbewerber auf dem ausländischen Markt auftreten, und wenn diesen nach dem Recht des Marktortes die fragliche Handlung erlaubt ist (oder gar unter der weiteren Bedingung, daß diese Wettbewerber von dieser Freiheit unter dem Recht des Marktortes tatsächlich Gebrauch gemacht haben)4. Auch eine Verweisung einer spezialrechtlichen Sachnorm auf die „Sitten" kann dazu führen, daß z. B. die Wirkungen eines Rechtsverhältnisses, welches dem Recht A als dem Heimatrecht der Parteien untersteht, unter Ausschaltung der Berücksichtigung der Sitten, wie sie in diesem Staat gelten, in gewissem Umfang den Sitten am ausländischen Wohnort oder Aufenthaltsort angepaßt werden: Bestimmte Kontakte eines Ehegatten mit Dritten können nach den Sitten des einen Landes mißbilligt, nach den Sitten eines anderen Landes harmlos oder gar notwendig sein. Sie werden im Eherecht als ehewidriges Verhalten gewertet, wenn daß maßgebende Heimatrecht der Ehegatten allein auf die Sitten im Heimatstaat abstellt und dort die Kontakte mißbilligt werden; ein Spezialrechtssatz des Heimatrechts kann hier für den Fall des ausländischen Wohnsitzes eine „Berücksichtigung" der Sitten dieses Wohnsitzlandes vorsehen5. Der einem Spezialrechtssatz im engeren Sinne im Urheberstaat zugewiesene Anwendungsbereich kann aber auch auf Kosten des Anwendungsbereichs gehen, der zunächst in einer bilateralen Zuweisungsnorm ausländischem Recht zugedacht ist: Verwendet zunächst eine bilaterale Zuweisungsnorm das Anknüpfungsmoment A, und geht dieses zum Staat Y hin, so kann eine Spezialnorm des Forumstaates vorrangige Anwendung beanspruchen für Situationen, die durch das Anknüpfungsmoment B mit dem Inland, durch das Anknüpfungsmoment A mit dem Ausland verknüpft sind. So kann etwa bestimmt werden, daß ausländische Ehegatten mit inländischem Wohnsitz während bestehender Ehe ihren Güterstand durch Vertrag ändern können, auch wenn grundsätzlich für ihre güterrechtlichen Verhältnisse das Heimatrecht des Mannes zur Zeit der Eheschließung maßgebend ist, und dieses Recht eine solche Änderung nicht erlauben sollte 6 . Ein Staat kann einerseits generell die Bestimmungen des Ehe- und Güterrechts von Ausländem dem Recht ihres Heimatstaates entnehmen, kann aber in Durchbrechung dieser Regel für Angehörige eines bestimmten anderen Staates mit inländischem Wohnsitz (oder z. B. für Angehörige anderer Staaten mit bestimmter Religion und inländischem Wohnsitz) selbst einzelne Vorschriften des Personalstatuts geben, wobei diese Vorschriften keineswegs mit dem auf die eigenen Staatsangehörigen anwendbaren Inlandsrecht übereinzustimmen brauchen7. Nicht selten geht der Anwendungsbereich eines Spezialrechtssatzes sowohl zu Lasten des Randanwendungsbereichs, der sonst dem eigenen normalen Inlandsrecht, als auch zu Lasten des Anwendungsbereichs, welcher sonst ausländischem Recht zugewiesen8 wäre. Andererseits kann ein vom staatlichen Gesetzgeber herrührendes Spezialrecht auch für solche heterogen verknüpften Situationen gelten wollen, für die die Zuweisungsnormen dieses Staates eine Lücke gelassen haben: Hängt die Anwendung des normalen Inlandsrechts, bzw. die Anwendung von Auslandsrecht, davon ab, daß sowohl die Verknüpfung 266
Spezialrecht zur Lückenfüllung bei der Zuweisungsmethode
§ 11
A, als auch die Verknüpfung B zu demselben Land hingehen, so kann ein Spezialrechtssatz für die Fälle gebildet werden, wo nur die Verknüpfung A, oder nur die Verknüpfung B zum Inland hingeht. Vom eigenen normalen Inlandsrecht abweichendes Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen rührt im allgemeinen vom Gesetzgeber her. Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen,, welches in mehreren Staaten übereinstimmende Inhalte aufweist, wird meist auf Grund völkerrechtlichen Vertrages geschaffen, doch ist es gerade hier möglich, daß solches Spezialrecht durch Übung der Normadressaten selbst als Gewohnheitsrecht entsteht. Wo die staatlichen Zuweisungsnormen unvollständig sind, oder wo sie ganz fehlen, pflegen die Gerichte selbst Zuweisungsnormen zu bilden. Zur Bildung von Spezialrecht im Wege der Rechtsprechung kommt es manchmal dadurch, daß die Generalklausel, welche auf die Sittenwidrigkeit eines Verhaltens oder eines Rechtsgeschäftsinhaltes abstellt, bei Inlands- bzw. Auslandsverknüpfungen unterschiedlich gehandhabt wird: Eine Anzeige bei ausländischen Behörden, oder eine sonstige ausländischen Behörden zugänglich gemachte Äußerung über Verletzung ausländischer Strafgesetze, welche die ausländischen Strafverfolgungsbehörden zum Einschreiten veranlaßt, wird unter Umständen als sittenwidrig betrachtet, während die entsprechende Information inländischer Behörden als zulässig gilt; entsprechend wird eine vertragliche Verpflichtung zu Handlungen, die nur nach ausländischem Recht, insbesondere einem ausländischen Recht, das nicht Geschäftsstatut ist, strafbar sind, bald als sittenwidrig behandelt, bald nicht. b) Anlaß und Zweck von Spezialrecht im engeren Sinn 1. Spezialrecht zur Lückenfüllung bei der Zuweisungsmethode wendung der Zuweisungsmethode
und bei
Nichtan-
Aus früheren Darlegungen ergibt sich, daß es bei Verwendung der Züweisungsmethode aus den verschiedensten Gründen dazu kommen kann, daß für einen bestimmten Sektor der heterogen verknüpften Beziehungen vom Standpunkt des Forumstaates her weder dessen normales Inlandsrecht, noch ein ausländisches Recht angewendet werden soll. Das kann bedeuten, daß der Forumstaat hier die gestellte Rechtsfrage einfach als verneint betrachten will9. Es kann aber auch so sein, daß für diese Lücke ein vom Forumstaat gebildetes Spezialrecht anwendbar sein will, wenn eine Inlandsverknüpfung vorhanden ist, die ausgereicht hätte, um das normale Inlandsrecht des Forumstaates zu berufen. Unter Umständen stellt solches Spezialrecht eine Versteinerung von Billigkeitslösungen dar, zu deren Bildung der Richter in solchen Fällen selbst ermächtigt ist. Es wurde auch bereits erwähnt, daß ein Staat für einen bestimmten Sektor heterogen verknüpfter Situationen, die er nach Völkerrecht durch von ihm selbst erlassene Sachnormen regeln darf, die Anwendung jeglichen nationalen Rechts ausschließen und seine Gerichte anweisen kann, hier nach Billigkeit zu entscheiden. Nicht zuletzt um zu verhüten, daß die Gerichte unbewußt als Billigkeit doch wieder einfach das betrachten, was in ihrer lex fori vorgesehen ist, mag angeordnet werden, daß die übereinstimmenden Inhalte des Inlandsrechts der beteiligten Staaten die Grundlage für solche Billigkeitsentscheidungen darstellen sollen. Auch das ist letztlich Spezialrecht, und zwar eben solches, das nicht abschließend vom Gesetzgeber des Forumstaates formuliert werden kann. Anlaß zu spezialrechtlichen Regelungen gibt insbesondere auch der Wechsel der Verknüpfungen eines Dauerrechtsverhältnisses. Für die Zuweisungsmethode gibt es hier neben der unbeschränkten Anwendbarkeit der Sätze eines durch die neue Verknüpfung ermittelten Nachfolgestatuts die Möglichkeit, nicht nur das alte Statut weiter als anwendbar zu belassen, sondern auch die Möglichkeit von Kombinationen; insbesondere kann die bisherige Regelung weiter angewendet werden, wobei jedoch neue Gesetze, die der Urheber des 267
§11
Uniformes Spezialrecht
bisherigen Statuts erläßt, außer Betracht gelassen werden. Diese Regelung wird möglicherweise wieder durch Spezialrecht modifiziert: Bleibt beim Wechsel der Staatsangehörigkeit der Ehegatten der Güterstand, wie ihn bis dahin das zu Beginn der Ehe maßgebliche Recht gestaltet hat, erhalten, so kann doch der neue Heimatstaat eine einzige spezialrechtliche Regelung zur Anwendung bringen, die es den Ehegatten ermöglicht, den Güterstand durch Vertrag zu ändern, obwohl das maßgebliche bisherige Güterstatut eine solche Änderung nicht zuläßt 10 . Erwirbt jemand, der in einer aktuell polygamen Ehe lebt, die Staatsangehörigkeit in einem Lande, welches keine polygamen Ehen kennt, so wird dieser Staat das Fortbestehen der vorhandenen Ehen anerkennen und seine Bestimmungen über Ehewirkungen, soweit notwendig, dieser besonderen Rechtslage anpassen. Auch wenn nunmehr grundsätzlich die bestehenden Ehen nach dem neu erworbenen Personalstatut geschieden werden können, wäre hier eine spezialrechtliche Regelung am Platz, die, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, was ohne den Staatsangehörigkeitswechsel gegolten hätte, eine erleichterte Scheidung solcher übernommenen polygamen Ehen ermöglicht 11 . Wird der Name einer natürlichen Person nach den Bestimmungen ihres Heimatrechts gebildet, bei einem Staatsangehörigkeitswechsel der bisherige Name beibehalten, und besteht die Möglichkeit einer Änderung unter dem neuen Heimatrecht, so ist zugleich Spezialrecht zweckmäßig, um z. B. — wenn Namensänderung durch Staatsakt normalerweise im Ermessen der zuständigen Behörden liegt — einen Rechtsanspruch darauf zu begründen, daß der Name so geändert wird, daß er der Sprache des neuen Heimatstaates und der dort üblichen Gestaltung der Namensform angepaßt wird 12 . Naheliegend ist es, daß die Gesetzgeber mehrerer Staaten sich bemühen, für die Fälle, die keiner von ihnen unbedingt nach einem der normalen Inlandsrechte beurteilt wissen will, durch Vertrag gebotenes inhaltlich übereinstimmendes 13 Spezialrecht zu bilden, welches eventuellen sachlichen Eigenarten dieser heterogen verknüpften Situationen besonders gerecht wird. Dann kommt es unter Umständen zu international uniformem Spezialrecht für einen in bestimmter Weise durch Verknüpfungen zu den Vertragsstaaten abgegrenzten Bereich heterogen verknüpfter Situationen, bei welchem auch die Anwendung von Inlandsrecht anderer Staaten, die sich an dieser Bildung von uniformem Recht nicht beteiligen, ausgeschlossen ist. Nach Völkerrecht dürfen allerdings die Staaten ihr uniformes Spezialrecht nur auf solche Situationen anwenden lassen, bei denen sie ihr normales Inlandsrecht als anwendbar hätten erklären können; das zwischen mehreren Staaten durch Vertrag vereinheitlichte Spezialrecht für heterogen verknüpfte Fälle darf also nicht auf solche Situationen als anwendbar erklärt werden, die nur mit anderen Staaten verknüpft sind, also keine Verknüpfung zu einem Vertragsstaat aufweisen, die ihn zur Anwendung seines Inlandsrechts legitimiert hätte 14 . Internationales uniformes Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen kann sich auch als Gewohnheitsrecht, und zwar in erster Linie durch Übung und Rechtsüberzeugung der Normadressaten, bilden. Lange Zeit wurde vom Seehandelsrecht angenommen, daß es von der internationalen Gemeinschaft der am Seehandel beteiligten Kaufleute als Gewohnheitsrecht zunächst für heterogen verknüpfte Situationen gebildet worden sei, und daß es dann möglicherweise von einzelnen Ländern auch für homogen verknüpfte Situationen als Inlandsrecht rezipiert worden sei 1 5 . Der Anwendungsbereich von vertraglich uniformiertem Spezialrecht entspricht meist dem oben erwähnten einfachen Schema und lautet dahin, daß eine bestimmte Verknüpfung A zu einem Vertragsstaat, und eine bestimmte Verknüpfung B zu einem anderen Vertragsstaat, evtl. auch zu einem Nichtvertragsstaat, vorliegen muß. Es kann aber auch eine mehrfache Verknüpfung zu einem Vertragsstaat erforderlich sein, ehe sein nationales Recht durch das uniformierte Spezialrecht verdrängt wird 16 . 268
Fremdenrecht
§11
Wird das für homogen verknüpfte Situationen bestimmte Inlandsrecht mehrerer Staaten durch völkerrechtlichen Vertrag vereinheitlicht, wie das Wechsel- und Scheckrecht, so ist es selbstverständlich, daß dort, wo keine Verknüpfung zu einem Nichtvertragsstaat besteht, die die Anwendung seines Rechts rechtfertigen könnte, das uniforme Recht in einem Vertragsstaat auch auf heterogen verknüpfte Situationen angewendet werden muß. Es ist möglich, daß auch für alle Vertragsstaaten verbindlich festgelegt wird, bei welchen Inlandsverknüpfungen sie das uniforme Recht in den Fällen zur Anwendung bringen müssen, in denen andere Verknüpfungen zu Nichtvertragsstaaten hingehen17. 2. Außenprivatrechtspolitisch
motiviertes
Spezialrecht
Vielfach ist zur Bildung von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen nicht der Wunsch entscheidend, Sachnormen anwendbar zu machen, die auch von anderen Staaten zu demselben Zweck benutzt werden, sondern es sind „egoistische" Motive der Außenprivatrechtspolitik eines einzelnen Staates, die seinen Gesetzgeber veranlassen, auf heterogen verknüpfte Situationen, die er nach Völkerrecht seinem normalen Inlandsrecht hätte unterstellen dürfen, nicht dieses, sondern ein abweichendes Spezialrecht einseitig als anwendbar zu erklären. Damit wird meist beabsichtigt, die Entstehung und den Ablauf heterogen verknüpfter Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten entweder zu hemmen, oder zu fördern, oder in bestimmter Weise zu lenken. So sind es Gesichtspunkte der Politik gegenüber den im Inland wohnenden, oft auch gegenüber allen Staatsangehörigen anderer Länder, welche die Bildung von fremdenrechtlichen Spezialrechtssätzen des Privatrechts veranlassen. Hier stellt die ausländische Staatsangehörigkeit eines Beteiligten die Auslandsverknüpfung (oder eine der Auslandsverknüpfungen) dar, welche zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs solcher fremdenrechtlichen Sachnormen zugrundegelegt wird. Ausländern wird damit oft der Erwerb von bestimmten inlandsverknüpften subjektiven Rechten, bzw. die Beteiligung an Rechtsgeschäften zur Begründung solcher Rechte, ganz unmöglich gemacht, oder durch Genehmigungsbedürftigkeit oder sonstwie erschwert. Fremdenrechtliche Beschränkungen inlandsverknüpfter Rechtsgeschäfte von Ausländern behindern selbstverständlich auch die Inländer an der Errichtung solcher Geschäfte mit den betroffenen Ausländern. Es wäre denkbar, daß durch fremdenrechtliche Vorschriften bestimmte Handlungen von Ausländern gegenüber Inländern (oder im Inland) zu unerlaubten Handlungen erklärt würden, während sie für Inländer unter sich, oder gegenüber Ausländern, erlaubt wären. Fremdenrechtliche Spezialrechtssätze könnten aber sogar die Ausländer „besser" stellen, als es Inländer unter dem normalen Deliktsrecht des Inlandsrechts sind. Für Ausländer kann auch ein Spezialrecht gebildet werden, das sie weder benachteiligen noch begünstigen soll, das aber doch inhaltlich ein anderes ist als das Inlandsrecht für homogen verknüpfte Situationen. Derartiges Spezialrecht kann sich auf die Angehörigen eines bestimmten Staates beziehen, oder auf alle Ausländer: Weil man die Einwanderer aus bestimmten Staaten nicht den eigenen Staatsangehörigen assimilieren, aber weil man sie zugleich ihrem Heimatstaat entfremden will, bildet der Wohnsitzstaat für sie möglicherweise ein besonderes Familien- und Erbrecht, das durch die Gerichte des Wohnsitzstaates unter Anknüpfung an den inländischen Wohnsitz und die ausländische Staatsangehörigkeit zur Anwendung gebracht wird 18 . Weil man nicht erwartet, daß die in einem Staat ansässigen Ausländer die komplizierte inländische Sprache und den Umgang mit inländischem Recht erlernen, schafft ein Staat unter Umständen ein für die Geschäfte dieser Ausländer unter sich, oder auf ihre Geschäfte mit Inländern über Gegenstände im Inland anwendbares Spezialrecht19. Spezialrecht für „gemischte" Rechtsbeziehungen zwischen Ausländern und Inländern hat Vorbilder im intergentilen Recht: Wenn mehrere Menschengruppen sich eigene Grup269
§11
Außenwirtschaftlich motiviertes Spezialrecht
penrechte gebildet haben, die zur Anwendung kommen wollen, wenn alle Beteiligten derselben Menschengruppe angehören, und wenn die maßgebenden Kreise in der Gruppe es ablehnen, daß die eigenen Gerichte der Gruppe auf Mischbeziehungen mit solchen, die nicht der Gruppe angehören, das eigene Gruppenrecht zur Anwendung zu bringen, so bildet nicht selten der über den verschiedenen Gruppen mit eigenem Recht stehende staatliche Gesetzgeber für die Mischbeziehungen ein Spezialrecht 20 . Ist das Recht einer Menschengruppe das normale Recht in einem Staat, so kommt es zur Bildung von besonderen Sachnormen für „gemischte" Rechtsbeziehungen, wenn man hierfür einerseits die Anwendung des eigentlichen eigenen Gruppenrechts und die Anwendung fremder Gruppenrechte ablehnt, andererseits keine vollkommen rechtsfreien Räume schaffen will: Das auf die Mischbeziehungen der römischen Bürger zu den Peregrinen und der Peregrinen unter sich anwendbare ius gentium stellt das älteste bekannte Spezialrecht dieser Art dar. Meist Motive der Außenwirtschaftspolitik stehen hinter solchem Spezialrecht, bei dem die maßgebliche Auslandsverknüpfung nicht in der ausländischen Staatsangehörigkeit eines Beteiligten, sondern in dem ausländischen Wohnsitz einer Person, oder in sachlichen Auslandsverknüpfungen besteht. Die Abweichung solchen Spezialrechts vom normalen Inlandsrecht besteht hier oft nur darin, daß Rechtsgeschäfte, die bei ausschließlichen Inlandsverknüpfungen — oder bei ausschließlichen Auslandsverknüpfungen — gemäß inländischem (bzw. ausländischem) Recht gültig wären, insbesondere durch devisenrechtliche und andere außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften unzulässig oder genehmigungsbedürftig, oder sonstwie erschwert werden. Es wäre auch möglich, daß ein Staat von Vermögensrechten, die seine Staatsangehörigen oder Bewohner in anderen Staaten gemäß dem dort anwendbaren Recht haben, durch Spezialrecht bestimmt, daß sie nur mit seiner Genehmigung veräußert werden dürfen, während die Veräußerung entsprechender Rechte im Inland frei ist. Außenwirtschaftspolitisch motiviertes Spezialrecht kann aber auch zum Inhalt haben,' daß für Geschäfte, die einerseits bestimmte Inlandsverknüpfungen, andererseits bestimmte Auslandsverknüpfungen aufweisen, gewisse zwingende Sätze, falls sie sich in dem durch Zuweisungsnormen sonst berufenen inländischen oder ausländischen Geschäftsstatut finden sollten, nicht zum Zuge kommen sollen, um das Zustandekommen der betroffenen Geschäfte zu fördern 2 1 . Ein Staat, der Außenhandel nur durch Staatsstellen oder privilegierte Privatrechtssubjekte betreiben läßt, kann für die einschlägigen Verträge ein von seinem Inlandsrecht abweichendes Spezialrecht bilden und den am Außenhandel beteiligten Rechtssubjekten verbieten, Verträge so abzuschließen, daß nicht auch im Ausland die Anwendbarkeit dieses Spezialrechts gesichert ist 2 2 . Politisch motivierte spezialrechtliche Verhaltensvorschriften, die im Inlandsrecht nicht vorkommen, können in ihrer Eigenschaft als „Schutzgesetze" auch wieder zu privatrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen führen: Die Anzeige einer strafbaren Handlung an eine Behörde ist im Inlandsrecht der meisten Länder keine unerlaubte Handlung im Sinne des Privatrechts; die durch eigene Staatsangehörige oder vom inländischen Staatsgebiet aus erfolgte vorsätzliche oder fahrlässige Denunziation einer nur nach ausländischem Recht strafbaren Handlung bei einer ausländischen Behörde kann aber durch Spezialrechtssätze — die hier nicht selten aus dem Verbote „sittenwidrigen" Verhaltens hergeleitet werden — zu einer verbotenen Handlung gemacht werden, die Schadensersatzansprüche Privater auslösen mag. Ein Spezialrechtssatz kann schließlich auch aus Gründen der Außenwirtschaftspolitk ein normalerweise freies Verhalten gerade dann zum Gegenstand eines Verbotes machen, wenn dieses Verhalten von einem anderen Staat durch sein Recht geboten worden ist, wie etwa die Erteilung von Auskünften an ausländische Kartellbehörden durch inländische Unternehmungen; auch hier kann der Verstoß gegen 270
Weitere Fälle von Spezialrecht
§ 11
das Verbot Schadensersatzansprüche anderer zur Folge haben. Anstatt auf die Frage, ob Handlungen, die eigene Staatsangehörige im Ausland gegenüber anderen eigenen Staatsangehörigen begehen, erlaubt sind, das ausländische Recht des Tatortes oder das inländische Recht des gemeinsamen Heimatstaates anzuwenden, kann der Heimatstaat besondere Sachnormen schaffen und als anwendbar erklären. 3. Spezialrechtliche Beendigung von
Verbote der Schaffung Inlandsverknüpfungen
von Auslandsverknüpfungen
und
der
Schon im Zusammenhang mit dem Problem des „fraudulösen" Anknüpfungsmoments wurde darauf hingewiesen, daß es Bestimmungen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts geben kann, welche jemand, der irgendwie in ausreichender Weise mit dem betreffenden Staat verknüpft sein muß, verbieten, bestimmte Verknüpfungen zum Inland oder Ausland, die als Anknüpfungsmomente in Frage kommen, zu begründen oder zu beseitigen, also etwa einen Wohnsitz im Ausland zu nehmen, um die Naturalisation in einem fremden Staat nachzusuchen, Sachen oder Kinder, die sich im Inland befinden, ins Ausland zu verbringen usw 23 . Motiv solcher Vorschriften ist oft, daß die Möglichkeiten für die Zwangsvollstreckung im Inland nicht verschlechtert werden sollen, oder daß einem anderen Staat nicht die Möglichkeit einer effektiven Einwirkung auf das Rechtsverhältnis verschafft werden soll. Ein Verstoß gegen ein solches Verbot kann, wie gezeigt, zur Folge haben, daß das verbotswidrig begründete Anknüpfungsmoment bei Handhabung der Zuweisungsnorm nicht wirksam wird. Ein Verstoß gegen das Verbot kann aber auch in einer Spezialrechtsnorm des Privatrechts relevant werden, die zu dem normalen Inlands recht hinzutritt: Die Verschiebung der vorhandenen Verknüpfungen kann bei einem noch nicht erfüllten Vertrag zur positiven Vertragsverletzung erklärt werden, die zur Auflösung des Vertrages durch die benachteiligte Partei legitimiert; die verbotswidrige Verbringung eines Kindes in das Ausland durch den Inhaber der Sorgegewalt kann zur Entziehung der Sorgegewalt führen usw. Während es im intergentilen Recht nicht selten vorkommt, daß die freiwillige Beendigung einer Verknüpfung zu einer Gruppe mit eigenem Recht, oder die Begründung einer solchen Verknüpfung zu einer bestimmten anderen Gruppe, zur Folge hat, daß etwa Ehen aufgelöst werden oder Erbberechtigungen wegfallen, ist Entsprechendes im internationalen Privatrecht selten zu finden 24 . 4. Spezialrecht mit Rücksicht auf die Ungewißheit knüpften Situationen anwendbare Recht
über das in heterogen
ver-
In vielen Inlandsrechten wird Ungewißheit über die Rechtslage als Entschuldigung für eine irrtümliche Nichtbefolgung von Rechtspflichten, oder als Rechtfertigung für die Hinterlegung geschuldeter Geldleistungen, oder sonstwie in den Sachnormen berücksichtigt. Hat der Forumstaat derartige Bestimmungen, und fehlen entsprechende Bestimmungen in dem im Forumstaat berufenen ausländischen Recht, so kann dies ein Grund sein, um darin eine krasse Abweichung vom Inlandsrecht zu sehen, und mit der negativen ordre publicKlausel Abhilfe zu schaffen. Ein Staat kann aber auch eigene Vorschriften der genannten Art bei einer Ungewißheit darüber, welches Recht maßgebend ist, als anwendbar erklären und zu diesem Zweck eine Inlandsverknüpfung bezeichnen, welche die Anwendung dieser eigenen Vorschriften rechtfertigt. Es ist auch möglich, daß eine aus Rechtsirrtum unterbliebene Erfüllung einer Leistungspflicht, die in homogen verknüpften Situationen die Rechtsfolgen einer schuldhaften Nichterfüllung nach sich ziehen würde, in heterogen verknüpften Situationen wegen der besonders großen Unübersichtlichkeit der Rechtslage durch Spezialrecht als entschuldbar erklärt wird 25 . 271
Weitere Fälle von Spezialrecht
§11
Spezialrecht könnte auch gebildet werden, wenn in einem fremden Staat mehrere Regierungen behaupten, die Regierung für den ganzen Staat zu sein, und wenn Vermögensrechte auf den Namen des fremden Staates im Inland belegen sind; dann könnten z. B . Zahlungen eines inländischen Schuldners an den fremden Staat nicht nur gemäß den allgemeinen Regeln hinterlegt werden, sondern jede Zahlung an ausländische Stellen könnte bis zur Klärung der Machtverhältnisse in dem anderen Staat verboten werden. Wichtig sind Spezialrechtssätze, welche einer über ein anwendungswilliges Recht informierten Partei die Verpflichtung auferlegen, bei den Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft, oder bei der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts, der anderen, in einem anderen Staat lebenden Partei Informationen über das betreffende Recht zu geben 2 6 . Nebenpflichten beim internationalen Versendungskauf können die Mitwirkung des Verkäufers bei den Einfuhrformalitäten im Käuferstaat, z. B . durch Abgabe von Erklärungen über die Ware, oder die Eigentumsverhältnisse vor Absendung, vorsehen. Die Tatsache, daß die Frage nach dem auf heterogen verknüpfte Situationen in diesem oder jenem Lande anwendbaren Recht für den Laien vielfach als solche schon nicht verständlich ist, geschweige denn, daß er leicht die richtige Antwort finden kann, kann es auch rechtfertigen, daß derjenige Staat, der ein heterogen verknüpftes Rechtsgeschäft seinem eigenen Recht unterstehen will, Auslegungsregeln seines Inlandsrechtes durch spezialrechtliche Regelungen ersetzt. Auf der anderen Seite kann ein Spezialrechtssatz ausdrücklich zusätzliche Äußerungen über die Tragweite des in einer rechtsgeschäftlichen Erklärung zum Ausdruck gekommenen Geschäftswillens in heterogen verknüpfte Situationen als beachtlich erklären, während solche Äußerungen in homogen verknüpften Situationen die umgekehrte Wirkung haben, daß die Erklärung ganz unwirksam ist: In einem Satz des Inlandsrechts eines Staates kann bestimmt sein, daß die Anerkennung der Vaterschaft, wenn sie mit irgendeiner Bedingung oder Einschränkung verbunden ist, unwirksam sein soll; derselbe Staat kann einen Spezialrechtssatz bilden, wonach die in heterogen verknüpften Situationen erklärte Anerkennung der Vaterschaft mit dem Zusatz, daß damit nur die im Recht eines bestimmten Staates zu erwartenden Wirkungen gewollt oder in Kauf genommen würden, zulässig sein soll 2 7 . Ungewißheit über das anzuwendende Recht kann, wenn nicht vorläufige Maßnahmen ohnehin im Verfahrensrecht vorgesehen sind, zu vorläufigen Anordnungen des Gerichts Anlaß geben, so z. B . wenn bei Unterhaltsklagen der Umfang des vorläufigen Unterhalts zwischen den Beträgen liegt, die nach dem einen bzw. dem anderen Recht geschuldet wären, solange nicht feststeht, welches Recht anwendbar ist. 5. Spezialrecht über delegung anderer
die Auslösung von Kollisionsnormen
Rechtsschutz
im Ausland,
unter
Zugrun-
Eng mit etwaigen spezialrechtlichen Sachnormen, welche die Neubegründung von Verknüpfungen mit dem Ausland verbieten, hängen Vorschriften zusammen, welche die Inanspruchnahme der Rechtsschutzeinrichtungen anderer Staaten beeinflussen sollen. Für ihre Beurteilung unter den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts sind die folgenden Erwägungen vorauszuschicken: In den meisten Staaten ist es weder unter Androhung öffentlich-rechtlicher, noch unter Androhung privatrechtlicher Unrechtsfolgen verboten, einen bestimmten Rechtsstandpunkt zu vertreten und zu versuchen, ihn mit Hilfe der Gerichte durchzusetzen; wenn nicht gerade sichere Kenntnis und Überzeugung von der Unrichtigkeit des verfochtenen Standpunkts beim Kläger besteht, geht selten die Haftung für Schäden durch Anhängigmachung eines vom Kläger nachher verlorenen Prozesses über die Kostenerstattungspflicht hinaus. Andererseits darf jeder Staat nach Völkerrecht, von gewissen Ausnahmen abgesehen, das Verhalten seiner Staatsangehörigen im Ausland regeln, und Verletzungen solcher Verhaltensgebote in seinem Recht als 272
Verbote der Klagerhebung im Ausland
§H
unerlaubte Handlungen bewerten. Daher dürfen auch Vorschriften des gemeinsamen Heimatrechts über böswillige Belästigung mit Klagen, oder über Prozeßbetrug, auf die Prozeßführung in einem ausländischen Verfahren, oder Vorschriften des gemeinsamen Heimatrechts über die Haftung aus ungerechtfertigtem Arrest von Vermögen auf Arreste im Ausland als anwendbar erklärt werden, unbeschadet dessen, daß hier auch die Vorschriften des „Tatortes" Anwendung beanspruchen mögen. Darüber hinaus darf wohl auch nach Völkerrecht insbesondere den eigenen Staatsangehörigen in spezialrechtlichen Vorschriften die Anrufung ausländischer Gerichte mit der Absicht, eine andere Beurteilung heterogen verknüpfter Streitfälle zu erlangen, als sie im Urheberstaat des Verbotes zu erwarten ist, untersagt werden 28 . Beansprucht ein Staat in bestimmten heterogen verknüpften Fällen ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte, so bedeutet das zwar im allgemeinen nur, daß die Entscheidungen der Gerichte anderer Staaten keinesfalls anerkannt werden; es ist indes nicht undenkbar, daß den Parteien unter Androhung irgendwelcher Sanktionen verboten würde, die Gerichte anderer Staaten in einer solchen Sache anzugehen. Es sollten aber schon weitere Elemente vorliegen, ehe die Anrufung des nach anderen Rechtsanwendungsanweisungen entscheidenden ausländischen Gerichts in einem Spezialrechtssatz als rechtswidrig erklärt wird. Ist bei der Begründung eines Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft (genauer: dem Versuch einer solchen Begründung) vereinbart worden, daß „daraus" nur in einem bestimmten Staat, und nicht auch in anderen Staaten geklagt werden „solle" (dürfe), so kann eine solche Vereinbarung vom Standpunkt aller beteiligten Staaten gültig sein; der böswillige Versuch, vor dem ausgeschlossenen Gericht zu klagen, könnte hier den Kläger über die Kostentragungspflicht hinaus aus positiver Vertragsverletzung schadensersatzpflichtig machen. Ist die Vereinbarung vom Standpunkt des einen Staates her von vornherein ungültig, so mag sie vom Standpunkt des anderen her gültig sein; es ist dann aber jedenfalls keine Völkerrechtsverletzung, wenn der letztere Staat Beugestrafen oder Schadensersatzpflichten androht, um die eine Partei von der Anrufung der Gerichte des anderen Staates abzuhalten. Liegt keine Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes vor, so mag das bewußt unbegründete Bestreiten des Bestehens eines gültigen Vertrages als eine positive Vertragsverletzung in dem Staat bewertet werden, wo der Vertrag gültig ist; eine solche positive Vertragsverletzung kann aber nicht darin zu sehen sein, daß eine Partei sich im Inland oder im Ausland darauf beruft, daß der Vertrag unter dem im Ausland berufenen Recht ungültig sei. Daß auch die begründete Berufung auf die Nichtigkeit oder das Nichtbestehen einer Ehe unter dem nur in einem anderen Staat anzuwendenden Recht in dem Staat, wo die Ehe gültig besteht, als ein Symptom der 'Ehezerrüttung aufzufassen ist, ist wohl nicht zu bezweifeln. Sicher wird im allgemeinen bei einem Vertrag, der in dem einen Staat als gültig zustande gekommen angesehen wird, in dem anderen Staat hingegen nicht, im Recht des letztgenannten Staates an die in seiner Sicht erfolglosen Vertragsverhandlungen keine spezialrechtliche Verpflichtung angeknüpft werden, nicht unter Berufung auf den Vertrag in dem Staat zu klagen, der ihn für gültig hält. Umgekehrt ist aber auch nicht zu sehen, daß es in dem Staat, wo der Vertrag gültig ist, eine positive Vertragsverletzung, oder gar eine Verletzung eines spezialrechtlichen Rechtssatzes, darstellen sollte, wenn eine Partei in dem anderen Staat Klage auf Feststellung des NichtZustandekommens des Vertrages erhebt. In manchen Ländern wird es nach Anhängigmachung eines Zivilverfahrens vor einem Gericht eines bestimmten Landes mißbilligt, wenn der Beklagte, oder auch der Kläger, nunmehr dieselbe Sache noch vor ein ausländisches Gericht bringt, welches im Gegensatz zu einem inländischen Gericht bereit ist, trotz der Rechtshängigkeit tätig zu werden 29 . Das wird insbesondere auch für die Widerklage in Scheidungsprozessen angenommen; als Ent273
§11
Korrektur des Vollzugs ausländischer Entscheidungen?
schuldigung gilt es nicht, daß das ausländische Gericht ja die Rechtslage nach seinen Rechtsanwendungsanweisungen zu beurteilen habe. Da eine solche Vorschrift diejenige Partei begünstigt, die als erste klagt, und die oft auch nur allein als erste klagen kann, scheint sie mit dem Postulat der Gleichbehandlung der Parteien in heterogen verknüpften Sachen schlecht vereinbar zu sein. Andererseits ist es sicher zu vermeiden, daß das, was eine Partei in einem Staat durch Zwangsvollstreckung des nach dem dortigen Recht rechtmäßig ergangenen Urteils erlangt hat, ihr in einem anderen Staat als ungerechtfertigte Bereicherung allein mit der Begründung wieder abgenommen wird, daß bei einem Prozeß in diesem Staat der Anspruch nicht bestanden haben würde30. Würde man das nämlich annehmen, so könnte ja auch der Staat des ersten Prozesses das Ergebnis der Vollstreckung in dem zweiten Staat als ungerechtfertigte Bereicherung behandeln, und es wäre jedenfalls theoretisch eine endlose Kette von Prozessen in den verschiedenen Ländern die Folge. Hier ist also notfalls das Bestehen eines entsprechenden Spezialrechtssatzes zur Durchbrechung des normalen Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung in einem Land anzunehmen. Eine Ausnahme kann höchstens da angenommen werden, wo das von dem zuerst angerufenen Gericht angewendete Recht inhaltlich besonders kraß von der in dem anderen Staat berufenen lex fori abweicht. Ein Staat, der auf eine Rechtsfrage sein eigenes Inlandsrecht auf Grund einer bilateralen Zuweisungsnorm anwenden lassen will, nimmt allerdings gelegentlich das Faktum, daß andere Staaten dieses Recht nicht anwenden lassen, zum Anlaß, um die Anwendbarkeit seines Rechts durch seine Gerichte durch einen Spezialrechtssatz zu ergänzen, welcher den Effekt der Nichtanwendung dieses Rechts im Ausland rückgängig machen oder ausgleichen soll. Das markanteste Beispiel dafür ist die Bestimmung in einem als Heimatrecht oder Wohnsitzrecht für den ganzen Nachlaß anwendungswilligen Erbstatut, wonach die nach diesem Recht erbberechtigten Miterben von dem inländischen Nachlaß über ihr eigentliches Erbteil hinaus zu Lasten von anderen Miterben so viel erhalten sollen, wie diese von dem im Ausland belegenen Nachlaß auf Grund des im Ausland angewendeten abweichenden Erbrechts zu Lasten jener Miterben bekommen haben 31 . Ein anderer Lagestaat von Nachlaß kann dann natürlich entsprechende Bestimmungen haben und anwenden lassen. Ihren Zweck können solche Bestimmungen daher nur erreichen, soweit in ihrem Urheberstaat ein so großer Teil des Nachlasses belegen ist, daß daraus die Quote, die einem Erbprätendenten vom Standpunkt dieses Staates am ganzen Nachlaß zusteht, voll zu Lasten der nur in anderen Staaten erbberechtigten Personen befriedigt werden kann. Derartige Bestimmungen sind grundsätzlich ebenso verwerflich wie der Versuch, die durch Vollstreckung im Ausland auf Grund eines Urteils des dortigen Gerichts erzielte Vermögensverschiebung als ungerechtfertigte Bereicherung rückgängig zu machen. Hat eine Partei, um ihre sicher zu erwartende Verurteilung in einem anderen Staat zu einer Leistung und die dort mögliche Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen zu vermeiden, freiwillig eine Leistung erbracht, die zwar nach dem in diesem Staat anwendbaren Recht geschuldet war, nicht aber in anderen Staaten, so sollte der von ihr in einem dieser anderen Staaten erhobene Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung des Leistungsempfängers nicht anders beurteilt werden, wie wenn sich dieser die angebliche Bereicherung durch Klage und Zwangsvollstreckung verschafft hätte 32 . 6. Spezialrecht mit Rücksicht auf die Stellungnahmen heterogen verknüpften Sachverhalt
anderer
Staaten zu
dem
Anstatt die Parteien durch Spezialrecht zu hindern, eine abweichende Beurteilung der Rechtslage durch ausländische Gerichte zu veranlassen, kann ein Staat vor allem die an einem in diesem Staat gültigen Vertrag beteiligten Parteien durch Spezialrecht veranlassen, Schritte zu unternehmen, damit der Vertrag auch in anderen Staaten als gültig behandelt 274
Weitere Arten von Spezialrecht
wird. Wird ein Vertrag geschlossen mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden Maßgabe, daß Ansprüche aus dem Vertrag in möglichst vielen Staaten Rechtsschutz genießen sollen, so kann es doch so sein, daß die verschiedenen Staaten nicht dasselbe Recht auf die Gültigkeitsvoraussetzungen des Vertrages für anwendbar halten. Ist dann der Vertrag „in" einem dieser Staaten bindend geworden, weil die von ihm (besser: dem von ihm als anwendbar betrachteten Recht) aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind, so löst der Vertrag die typisch spezialrechtliche Nebenverpflichtung aller Vertragsparteien aus, die ihnen zugänglichen Maßnahmen durchzuführen, damit der Vertrag auch vom Standpunkt der anderen Staaten als gültig zustandegekommen gilt, soweit die dort geforderten Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind, aber noch erfüllt werden können. Die Eheschließenden sind also etwa, wenn eine heterogen verknüpfte Ehe vom Standpunkt des Wohnsitzstaates her durch standesamdiche Eheschließung zustandegekommen ist, gegenseitig verpflichtet, an einer religiösen Eheschließung mitzuwirken, wenn erst damit die Ehe auch im Heimatstaat als zustandegekommen gilt 3 3 ; die Weigerung kann ein Scheidungsgrund für die schon im Wohnsitzstaat bestehende hinkende Ehe sein. Ist ein vermögensrechtlicher Vertrag im Staat A ohne devisenrechtliche Genehmigung gültig geworden, nicht aber im Staat B, wo er erfüllt werden soll, so besteht eine beiderseitige Verpflichtung der Parteien, die zur Genehmigung im Staat B erforderlichen Anträge zu stellen 3 4 . Anders ist es natürlich, wenn spezialrechtliche Vorschriften bestehen, welche es verbieten, sich um die Genehmigung eines Geschäfts in einem „feindlichen" Staat zu bemühen, oder sich zwecks Erlangung der Genehmigung bestimmten Auflagen des anderen Staates zu unterwerfen; eine Sanktion gegen die Verletzung dieser Verpflichtung kann dann auch wieder darin bestehen, daß es einer Vertragspartei ermöglicht wird, den Vertrag zu kündigen. Ist eine zunächst in mehreren Staaten gültig bestehende Ehe in einem Staat geschieden worden und dadurch zu einer hinkenden Ehe geworden, daß das Scheidungsurteil in einem anderen Staat nicht anerkannt wird, so kann es im Scheidungsstaat eine spezialrechdiche „letzte" Verpflichtung der einen oder der anderen Partei aus der aufgelösten Ehe sein, auch die Auflösung in dem anderen Staat herbeizuführen, wenn nur ihm dies möglich ist 3 5 . Andererseits kann der Staat, in dem die Scheidung, insbesondere wegen des vom Scheidungsgericht zugrunde gelegten Rechts, nicht anerkannt werden kann, die Herbeiführung dieser, zunächst nur im Ausland wirksamen, Ehescheidung durch den klagenden Ehegatten als einen besonderen Scheidungsgrund erklären, mit dem die Scheidungsklage des anderen Ehegatten in diesem Staat zu begründen ist 3 6 . Denkbar sind Spezialrechtssätze, welche entweder zur Begründetheit der neuen Scheidungsklage erfordern, daß der andere Teil im Ausland wieder eine (dort vollgültige) neue Ehe eingegangen ist, oder welche in der Eingehung einer neuen Ehe einen Umstand sehen, welcher nunmehr das Scheidungsurteil anerkennungsfähig macht 3 7 ' 3 8 . Nicht immer ist aber Spezialrecht am Platz, um eine Partei gegen ihren Willen zu veranlassen, Akte vorzunehmen, damit die Rechtslage anderswo der in diesem Staat schon bestehenden Rechtslage entspricht: Ist ein Vertrag im Staat A trotz des bei seinem Abschluß angewendeten Drucks der einen Partei auf die andere gültig, in dem Staat B hingegen kraft Gesetzes oder infolge Anfechtung wegen Zwanges nichtig, so wäre es nicht zu begründen, wenn ein Gericht in Staat A die unter Druck gesetzte Partei auch noch verurteilen würde, den Vertrag nochmals in dem anderen Staat unter Verzicht auf ihre Einwendungen gegen den ursprünglich ausgeübten Zwang zu schließen. Die abweichende Beurteilung der Rechtslage in anderen Staaten kann schließlich auch unter dem im Forumstaat anwendbaren materiellen Recht als Faktum beachtlich werden. Der Umstand, daß von einem anderen Recht als dem Schuldstatut die Erbringung der vertraglich versprochenen Handlung nachträglich als strafbar erklärt wird, oder daß 275
§ 11
Die Rechtslage im Ausland als materiellrechtlich relevantes Faktum
Maßnahmen getroffen werden, um ihre Verwirklichung zu verhindern, kann die Erfüllung des Vertrages als unzumutbar oder als unmöglich im Sinne der Vorschriften des Schuldstatuts erscheinen lassen 39 . Der Umstand, daß die geschlossene Ehe in einem Staat, dessen Recht im Forumstaat nicht berufen ist, als gültig angesehen wird, kann die Annahme rechtfertigen, daß in einem anderen Staat unter dem dort für die Wirkungen einer Putativehe maßgeblichen Recht eine solche Putativehe vorliegt 40 . Auf alle Fälle muß das Zusammenleben in einer in einem beteiligten Staat gültigen, im Forumstaat hingegen als nichtbestehend anzusehenden Ehe im Forumstaat als „Konkubinat" angesehen werden, wenn ein solches Konkubinat unter dem eigenen Recht des Forumstaates, oder unter dem dort berufenen Recht eines dritten Staates, Rechtswirkungen unter den Beteiligten, oder Nachwirkungen im Kindschaftsrecht oder im Erbrecht, auslöst. Bei einer von einem ausländischen Gericht verfügten Ehescheidung kann trotz Nichtanerkennung ihrer Wirkung (Auflösung der Ehe) angenommen werden, daß die geschiedenen Ehegatten getrennt leben, wenn dies z. B. für die Ehelichkeit der von der Frau geborenen Kinder relevant wird. Die Art der Bewertung der Rechtslage im Ausland als eines Faktums kann nun auch wieder durch spezialrechtliche Vorschriften noch genauer geregelt werden: Geht der Unzumutbarkeit der Erfüllungshandlung mit Rücksicht auf ihre Strafbarkeit unter ausländischem Recht eine „Anstiftung" des ausländischen Gesetzgebers durch den Schuldner voraus, so handelt es sich eben um eine spezialrechtliche Norm, wenn hier die Folgen einer verschuldeten Unmöglichkeit in Gestalt von Schadensersatzpflichten eintreten, während ja bei einer „Anstiftung" des eigenen Gesetzgebers derartiges nicht angenommen würde. Während angesichts eines nachträglichen Verbots der Erfüllungshandlung bei einem homogen verknüpften Vertrag im allgemeinen nicht anzunehmen ist, daß der Schuldner eine andere Leistung zu erbringen, oder daß er die im Inland verbotene Handlung im Ausland vorzunehmen habe, wo sie nicht strafbar ist, ist bei Unzumutbarkeit der Erfüllung mit Rücksicht auf ein mit Strafdrohung ausgestattetes ausländisches Verbot möglicherweise eine Modifikation des Erfüllungsortes angebracht; selbst wenn sie mit der Treu- und Glaubensklausel des Schuldstatuts begründet wird, handelt es sich hier eben doch um Spezialrecht, wie es nur für heterogen verknüpfte Fälle gilt. Spezialrecht für auslandsverknüpfte Kaufverträge kann sodann auch in Gestalt von Vermutungen über die Absichten der Parteien bestehen, welchen Staates Vorschriften z. B. bei einer verkauften Maschine beachtet sein müssen, damit sie nicht als mangelhaft zu gelten hat, also z. B. ob mangels anderweitiger Angabe durch den Käufer Verwendung der Maschine im Wohnsitzland des Käufers anzunehmen ist; im Zusammenhang damit sind auch wieder spezialrechtliche Vorschriften denkbar, wonach der Käufer den Hersteller über die administrativen Vorschriften des Käuferlandes zu informieren hat. Eine spezialrechtliche Anwendung des allgemeinen Estoppel-Prinzips 41 liegt vor, wenn derjenige, der im Ausland ein Scheidungsurteil in Kenntnis dessen erwirkt hat, daß es im Forumstaat nicht anerkannt werden wird, und der nicht ausdrücklich zu erkennen gegeben hat, daß er sich trotz des Scheidungsurteils an die im Forumstaat fortbestehende Ehe gebunden halten will, sich nicht zu seinem Vorteil auf das Bestehen der Ehe berufen kann, auch wenn der andere Teil nicht schon seinerseits Trennungs- oder Scheidungsklage im Forumstaat erhoben hat: Der im Ausland erfolgreiche Scheidungskläger kann im Forumstaat nicht Unterhalt auf Grund der dort noch bestehenden Ehe verlangen, er kann auch ein Ehegattenerbrecht nicht geltend machen. Ein anderer Fall, wo eine Bildung von Spezialrecht in einer Situation nahe liegt, zu der ein ausländischer Staat abweichend vom Inland Stellung genommen hat, und das konkrete Ergebnis der Stellungnahme im Inland nicht rückgängig gemacht werden kann, ist der, daß ein Gläubiger in mehreren Staaten Zahlung vom Schuldner verlangen konnte, daß infolge der Anwendung von verschiedenen Erbrechten, oder infolge einer in anderen Ländern 276
Spezialrecht als Retorsion
§11
nicht anerkannten Enteignung, anstelle des ursprünglichen Gläubigers in dem einen Staat diese, in dem anderen Staat jene Person Inhaber der Forderung geworden ist, und beide Gläubiger Zahlung verlangen. Ist der Schuldner in Verzug gewesen, als der Forderungsübergang eintrat, so ist es sein alleiniges Risiko, wenn er an jedem Zahlungsort an den dort berechtigten Gläubiger voll zahlen muß. Daraus folgt nicht, daß in den anderen Fällen das Risiko jeweils auf den säumigeren Gläubiger abgewälzt werden müßte, indem jeder Gläubiger sich die bereits an den anderen erfolgte Zahlung als Befreiung des Schuldners entgegenhalten lassen müßte. Jeder der beteiligten Staaten könnte hier Spezialrecht bilden etwa dahin, daß der Schuldner gegenüber dem im Forumstaat anerkannten Gläubiger mit Rücksicht auf die Inanspruchnahme durch den anderen Gläubiger in einem anderen Staat nur die Hälfte der Schuld zu zahlen hat, oder daß er mit der Hinterlegung von Teilbeträgen in jedem der beiden Staaten frei wird, usw. 4 2 . 7. Spezialrecht als Retorsion Spezialrechtliche Vorschriften, welche fremdenrechtlichen Charakter haben oder Maßnahmen der Außenwirtschaftspolitik darstellen, oder mit denen das Ergebnis der Stellungnahme eines anderen Staates zu einer heterogen verknüpften Situation korrigiert werden soll, werden eventuell als Retorsionsbestimmungen aufgezogen, d. h. sie sind nur dann (anstelle des normalen Inlandsrechts) anwendbar, wenn der fremde Staat, zu dem die für die Spezialnormen wesentliche Auslandsverknüpfung hingeht, in seinem Recht Vorschriften hat, die der Urheber der spezialrechtlichen Vorschrift als Beeinträchtigung seiner Staatsinteressen empfindet, und zu deren Abschaffung er Druck auf den anderen Staat ausüben will. Tatbestand für eine solche Retorsion kann es sein, daß der andere Staat selbst unerwünschte spezialrechtliche Vorschriften erlassen hat; Anlaß für die Retorsion kann auch sein, daß der andere Staat sein Recht so gestaltet hat, daß dort weder Inländer noch Ausländer gewisse subjektive Rechte erwerben können, wie sie der Retorsion übende Staat durch seine Sachnormen begründen und gemäß seinem Kollisionsrecht sowohl Inländern als auch Ausländern zukommen lassen will 4 3 . Obwohl die Retorsionsbestimmungen in Gestalt von Spezialrecht durchweg „unschuldige" Ausländer treffen und indirekt möglicherweise auch Inländern nachteilig werden, und obwohl sie oft nicht den Effekt haben, daß andere Staaten ihr Recht in der gewünschten Weise ändern, kann nicht gesagt werden, daß solche Retorsionen unter allen Umständen durch allgemeine Prinzipien des internationalen Privatrechts mißbilligt würden. c) Internationalprivatrechtliche Zuweisungsnormen und Spezialrecht 1. Der Anwendungsbereich
von inländischem
Spezialrecht
Der Anwendungsbereich von eigenem Spezialrecht kann in den Rechtsanwendungsanweisungen seines Urhebers in der Weise bestimmt werden, daß zunächst an Hand der allgemeinen bilateralen Zuweisungsnormen des internationalen Privatrechts in diesem Staat geklärt wird, ob der Urheberstaat überhaupt eigenes Recht und nicht ausländisches Recht angewendet haben will; ist das erstere zu bejahen, so können in dem für das eigene Recht reservierten Sektor der heterogen verknüpften Situationen diejenigen Sachverhalte, welche eine bestimmte Inlandsverknüpfung und eine bestimmte Auslandsverknüpfung aufweisen, anstatt nach dem normalen Inlandsrecht nach einem Spezialrecht beurteilt werden müssen. So ist es im allgemeinen, wenn die maßgebliche Auslandsverknüpfung so schwach ist, daß sie keinesfalls die Berufung bzw. Anwendungswilligkeit von ausländischem Recht hätte rechtfertigen können. Es wäre nicht unzulässig, wenn ein Spezialrechtssatz i. e. S. bestimmen würde, daß er überall da zur Anwendung kommen soll, wo einerseits irgendeine Auslandsverknüpfung 277
§11
Anwendungsbereiche von Spezialrecht
besteht, die ausgereicht hätte, damit der betreffende fremde Staat sein eigenes Recht als anwendbar erklärt hätte, und wo andererseits irgendeine Inlandsverknüpfung besteht, die so stark ist, daß damit der Urheber des Spezialrechts auch sein normales Inlandsrecht als anwendbar hätte erklären dürfen. Mit einer solchen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der spezialrechtlichen Sachnorm würden z. B. bei dem vertraglich vereinheitlichten Kaufrecht für internationale Käufe den völkerrechtlichen Bedenken dagegen Rechnung getragen, daß dieses Spezialrecht auf Kaufverträge anwendbar sein soll, bei denen alle wesentlichen Verknüpfungen zu Nichtvertragsstaaten hingehen 4 4 ; andererseits würde auf diese Weise das nationale Inlandskaufrecht der Vertragsstaaten nur noch in den homogen verknüpften Situationen maßgeblich sein. Gegen diesen Vorschlag spricht allerdings, daß derzeit auch viele Juristen gar keine bestimmte Vorstellung davon haben, welche Auslandsverknüpfungen so stark sind, daß die Frage gestellt werden muß, ob die Anwendbarkeit des Rechtes des Forumstaates, zu dem alle sonstigen Verknüpfungen hingehen, wirklich noch selbstverständlich ist. Aus diesem Grunde sollte man dann an eine andere Regelung denken, welche dahin geht, daß diejenigen Verknüpfungen aufgezählt werden, bei denen, wenn sie sämdich zu einem einzigen Staat hingehen, das normale Inlandsrecht dieses Staates anwendbar bleibt; würden die aufgezählten Verknüpfungen zwar nicht zu einem einzigen Staat, wohl aber sämtlich zu Nichtvertragsstaaten des Abkommens über internationale Käufe gehen, so würde ebenfalls die Anwendbarkeit des vereinheitlichten Kaufrechts entfallen. Wird spezialrechtlichen Sätzen i. e. S. ihr Anwendungsbereich im Urheberstaat durch Angabe einer Inlandsverknüpfung und einer Auslandsverknüpfung auf Kosten des Anwendungsbereichs zugewiesen, der sonst dem eigenen Inlandsrecht oder einem berufenen Auslandsrecht zugekommen wäre, so kann die maßgebliche Inlandsverknüpfung unter Umständen auch allein in dem auf Anwendbarkeit des Spezialrechts gerichteten Willen der Parteien bestehen. So ist es, wenn ein Land sich zu einem Scheidungsparadies aufmacht, indem sein Gesetzgeber in spezialrechdichen Bestimmungen Scheidung auf Grund gegenseitigen Einvernehmens ohne zusätzliche Bedingungen vorsieht, und die Anwendung dieser Bestimmungen auf solche Ausländer beschränkt, welche einverständlich die dafür vorgesehene internationale Zuständigkeit der Gerichte dieses Landes in Anspruch nehmen 4 5 . Läßt ein Staat die Wahl seines eigenen Rechts ohne weitere Bedingungen, oder beim Vorhandensein einer objektiven Inlandsverknüpfung, zum Geschäftsstatut für einen obligatorischen Vertrag zu, so kann er dabei sein normales Inlandsrecht und ein Spezialrecht für auslandsverknüpfte Geschäfte zur Wahl stellen; er kann bestimmen, daß mangels einer ausdrücklichen Wahl das eine oder das andere Recht als gewählt gelten soll; er kann auch nur die Wahl seines Spezialrechts zulassen 46 ' 4 7 ' 4 8 . Läßt ein Staat zu, daß sein Recht, welches sonst das gesetzliche Geschäftsstatut gewesen wäre, zu Gunsten eines ausländischen Geschäftsstatuts abgewählt werden kann, so kann er dies auch für diejenigen Fälle zulassen, in denen mangels Rechtswahl als Recht dieses Staates nicht sein normales Inlandsrecht, sondern ein von ihm geschaffenes Spezialrecht zur Anwendung gelangt wäre. Besteht das Spezialrecht jedoch nur in einzelnen zwingenden Sätzen, so wird es innerhalb des ihm zugewiesenen Anwendungsbereichs nicht dadurch unanwendbar, daß die Parteien ein anderes Recht zum Geschäftsstatut wählen 4 9 . Die häufig vorkommenden spezialrechtlichen Vorschriften eines Staates, welche zusätzliche Gültigkeitsvoraussetzungen für vermögensrechtliche Geschäfte im Fremdenrecht, Devisenrecht, Außenwirtschaftsrecht usw. aufstellen, wollen meist das gültige Zustandekommen des Geschäfts behindern, ohne daß danach gefragt wird, ob Geschäftsstatut das inländische oder das ausländische Recht ist, und ob gegebenenfalls das ausländische Recht durch Rechtswahl oder kraft gesetzlicher Zuweisung zum Geschäftsstatut geworden ist. Daß diesen Bestimmungen im Urheberstaat darüber hinaus ein noch weiterer Anwen278
Der Anwendungsbereich von ausländischem Spezialrecht im Forumstaat
^ 11
dungsbereich dadurch zukommen könnte, daß die Parteien das Recht dieses Staates zum Geschäftsstatut gewählt haben, ist mangels einer ausdrücklichen dahingehenden Bestimmung nicht anzunehmen. Geht der Spezialrechtssatz dahin, daß innerhalb des ihm zugewiesenen Anwendungsbereichs eine inhaltliche Beschränkung der Geschäftsgültigkeit, wenn sie sich als zwingendes Recht im Geschäftsstatut finden sollte, von den Parteien ausgeschaltet werden kann, so gilt dies im Zweifel nicht nur, wenn das eigene Recht des Urheberstaates der Norm das Geschäftsstatut ist, sondern auch, wenn ausländisches Recht auf Grund Rechtswahl, oder ohne Rechtswahl, Geschäftsstatut geworden ist 50 ' s 1 ' Geht der Spezialrechtssatz dahin, daß ein bestimmter Inhalt eines Rechtsgeschäfts bei bestimmten Inlands- und Auslandsverknüpfungen als verbindlich zu gelten hat, obwohl er unter dem Inlandsrecht des Urheberstaates unzulässig wäre und im Inlandsrecht anderer Staaten ebenfalls unzulässig sein könnte, so geht dieser Satz auch einem ausländischen Geschäftsstatut ohne weiteres vor. 2. Der Anwendungsbereich
von ausländischem Spezialrecht im Forumstaat
Verweist eine bilaterale Zuweisungsnonn des Forumstaates auf ausländisches Recht, und will der mit seinem Recht berufene Staat nicht sein normales Inlandsrecht, sondern ein von ihm geschaffenes Spezialrecht angewendet wissen, so würde es sicher nicht den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts entsprechen, wenn man im Forumstaat diese Spezialrechtsregelung des berufenen Rechts einfach ignorieren und das normale Inlandsrecht des anderen Staates gegen dessen Willen anwenden lassen würde: Ist ein Land nicht Vertragsstaat der Konvention betreffend das einheitliche Recht für internationale Käufe, bezeichnet sein Kollisionsrecht aus irgendeinem Grunde das Recht eines Vertragsstaates als Geschäftsstatut, und will der betreffende Vertragsstaat angesichts der zu ihm hingehenden Verknüpfungen und der zu einem anderen Vertragsstaat hingehenden Auslandsverknüpfung nicht sein normales Inlandskaufrecht, sondern das besondere Kaufrecht für internationale Käufe angewendet haben, so hat der Forumstaat keinen vernünftigen Grund, sich dem nicht anzuschließen. Daß eine anwendungswillige Spezialrechtsnorm des berufenen Rechts mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel des Forumstaates ausgeschaltet wird, wenn sie einen Inhalt hat, der sie auch dann als untragbar erscheinen ließe, wenn es sich um einen Satz des normalen ausländischen Inlandsrechts handeln würde, ist selbstverständlich: Würde der Forumstaat eine Vorschrift des berufenen ausländischen Eherechts, wonach Ehen wegen Religionsverschiedenheit unzulässig sind, als kraß abweichend von der lex fori betrachten und bei genügender Binnenbeziehung ihre Anwendung ablehnen, so ist es nicht anders, wenn solche religiösen Ehehindernisse vom fremden Staat nur für Ehen seiner Staatsangehörigen mit Ausländern aufgestellt werden. Wichtiger ist, ob es mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel auch beanstandet werden könnte, daß der Staat mit dem berufenen Recht überhaupt für heterogen verknüpfte Beziehungen Spezialrecht neben seinem normalen Inlandsrecht unterhält, oder daß er den Anwendungsbereich des Spezialrechts in bestimmter Weise absteckt. Diese Beanstandung ist nicht möglich, wenn der Forumstaat gleiches, und oft auch dann nicht, wenn er entsprechendes Spezialrecht hat. Dann liegt in der Schaffung von Spezialrecht durch den anderen Staat keine krasse Abweichung von der Haltung des Forumstaates: Macht der Forumstaat die Eheschließung seiner Staatsangehörigen mit Ausländern von der Genehmigung durch eine seiner Behörden abhängig, so kann und wird er es auch respektieren, daß ein anderer Staat, dessen Recht im Forumstaat auf Grund einer bilateralen Zuweisungsnorm berufen ist, für seine Staatsangehörigen bei Eheschließung mit Ausländern eine Genehmigung durch seine Behörden erfordert. 279
§11
Anwendung von ausländischem Spezialrecht
Auch wenn der Forumstaat selbst entsprechende spezialrechtliche Bestimmungen, wie sie das ausländische Recht hat, in seinem positiven Recht noch nicht hat, aber die Einführung einer solchen Bestimmung als „nicht ganz undenkbar" gelten kann, wird die Anwendung von ausländischem Spezialrecht oft nicht beanstandet werden. Denkbar ist aber auch, daß der Forumstaat die Anwendung von ausländischem Spezialrecht davon abhängig macht, daß der Urheber dieser Bestimmungen nicht seinerseits die Anwendung von Spezialrecht des Forumstaates aus Gründen seines ordre public verweigert. Der Forumstaat wird also etwa die Anwendung einer Vorschrift des Staates B, wonach dessen Staatsangehörige bei der Eheschließung mit Ausländern seiner Genehmigung bedürfen, nur dann durch seinen Standesbeamten beachten lassen, wenn der Staat B die Vorschrift des Forumstaates über die Genehmigungsbedürftigkeit von Ehen seiner Staatsangehörigen mit Ausländern durch die Standesbeamten von A beachten läßt. Ist die eigene Spezialrechtsnorm als Retorsionsvorschrift aufgezogen, so wird sich nur selten die Frage stellen, ob im Forumstaat die ausländische Spezialnorm, deren Abschaffung angestrebt wird, angewendet werden muß, solange sie besteht. Immerhin sind Fälle denkbar, in denen keine so starke Binnenbeziehung zum Forumstaat vorhanden ist, daß die Anwendung des ausländischen Spezialrechts mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel versagt werden könnte: Ist für Kaufverträge zum Erwerb inländischer Grundstücke durch Ausländer eine Genehmigung des Lagestaates A nur dann erforderlich, wenn der Heimatstaat B des Käufers Verträge über den Erwerb von Grundstücken auf seinem Staatsgebiet durch Angehörige des Staates A von einer besonderen Genehmigung abhängig macht, und hat der Staat B eine solche Vorschrift, so wird auch bei einer Klage eines Staatsangehörigen von A auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines (nicht genehmigten) Kaufvertrags über ein Grundstück in B die fremdenrechtliche Bestimmung des Staates B angewendet, d. h. der Kaufvertrag als ungültig betrachtet und der Schadensersatzanspruch abgewiesen werden. Beruft das internationale Privatrecht des Forumstaates als Geschäftsstatut ausländisches Recht, und sind vom Standpunkt des fremden Staates anstelle seines normalen Inlandsrechts Spezialrechtssätze anwendbar, welche außenwirtschaftspolitische Maßnahmen dieses Staates darstellen, so stellt sich die früher oft nicht gesehene Frage, ob in solchen Maßnahmen stets eine Schädigung der Interessen anderer Länder gesehen werden muß (was zur Folge hat, daß von ihren Gerichten die Anwendung des fremden Spezialrechts mit Hilfe der ordre public-Klausel zu versagen ist), oder ob sich außenwirtschaftspolitische Maßnahmen eines Staates in Gestalt von Spezialrecht letztlich auch zum Nutzen anderer Staaten auswirken können und daher bei ihnen angewendet werden dürfen. Wie an anderer Stelle ausgeführt 52 , ist nichts dagegen einzuwenden, daß in dem letzten Fall, eventuell auch nur bei Gewährleistung der Gegenseitigkeit, das außenwirtschaftspolitisch motivierte ausländische Spezialrecht, wie es im Staat des Geschäftsstatuts gilt, im Forumstaat zur Anwendung gebracht wird. Ähnliche Erwägungen sind anzustellen, wenn durch Spezialnormen des berufenen ausländischen Rechts die Veränderung von bestehenden Verknüpfungen verboten wird: Bestimmt der Staat A, dem die geschiedenen Eltern und das Kind angehören, und wo sie Wohnsitz haben, daß auch der allein sorgeberechtigte Elternteil das Kind nicht ohne Genehmigung des Vormundsfchaftsgerichts in das Ausland bringen darf, und will der Staat B, wohin das Kind gebracht worden ist, die Frage nach dem Sorgerecht nach dem Recht A als dem Heimatrecht des Kindes beurteilen, so wird eine Bestimmung dieses Rechts, wonach die ungenehmigte Verbringung des Kindes ins Ausland den Verlust des Sorgerechts nach sich zieht, sicher dann anwendbar sein, wenn B eine entsprechende Bestimmung hat. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, muß die Anwendung der Vorschrift des Staates A in B nicht etwa notwendigerweise der negativen ordre public-Klausel zum Opfer fallen. 280
Anwendung von ausländischem Spezialrecht
§11
Ein Spezialrechtssatz, welcher die Anrufung ausländischer Gerichte für den Fall verbietet, daß die Sache schon vor einem inländischen Gericht anhängig ist, maßt sich nicht an, dem ausländischen Gericht das Tätigwerden zu verbieten, und das Recht des angerufenen Gerichts wird im allgemeinen das mit contempt of court begründete ausländische Verbot der Klagerhebung nicht als Prozeßhindernis qualifizieren 53 . O b auf Grund einer Vereinbarung der Parteien, mit der die Zuständigkeit eines Gerichts eines bestimmten Staates ausgeschlossen werden soll, das Gericht sich für unzuständig erklären muß, kann sich nur aus dem eigenen Recht dieses Staates ergeben. Es wäre denkbar, daß bei Gegenseitigkeit ein Staat das Verbot der Anhängigmachung eines zweiten Prozesses in dem Recht des Staates, in dem der erste Prozeß anhängig ist, als beachtlich erklären ließe. Spezialrechtssätze des Forumstaates können, wie gezeigt, nicht nur das sonst auf Grund einer Zuweisungsnorm anwendbare eigene normale Inlandsrecht des Forumstaates ausschalten, sondern sie können auch in den Anwendungsbereich eingreifen, den die bilateralen Zuweisungsnormen des Forumstaates sonst einem ausländischen Recht haben einräumen wollen. Daß anwendungswillige ausländische Spezialrechtssätze, wenn sich nicht aus der negativen ordre public-Klausel des Forumstaates anderes ergibt, im Forumstaat anstelle des sonst berufenen Inlandsrechts des Staates zur Anwendung kommen, der die lex causae stellen soll, wurde schon ausgeführt. Sind aber nicht unter Umständen im Forumstaat anwendungswillige Spezialrechtssätze eines anderen Staates als desjenigen zur Anwendung zu bringen, der auf Grund der bilateralen Zuweisungsnorm des Forumstaates die lex causae stellt? Es kann dies auf Grund einer Generalklausel zu bejahen sein, wenn mit der Anwendung des nicht vom Gesetzgeber der lex causae herrührenden ausländischen Spezialrechts nicht bloß das eigene Interesse des Urheberstaates gefördert wird, sondern indirekt auch ein besonders wichtiges Staatsinteresse des Forumstaates, oder gar ein Interesse der internationalen Gemeinschaft 54 . Es kann vorkommen, daß zwei Staaten Spezialrechtssätze für heterogen verknüpfte Situationen gebildet haben, die inhaltlich miteinander unvereinbar sind, und daß die von den Urhebern festgelegten Anwendungsbereiche sich überschneiden: Der Staat A verpflichtet die nach seinem Recht gegründete Gesellschaft, die von ihrem Sitz in A aus Geschäfte im Staat B betreibt, darüber öffentlich zugängliche Berichte an eine Behörde des Staates A zu geben, während der Staat B derartiges gerade ausdrücklich verbietet. Hier wird jeder Staat nur seine eigene Vorschrift durch seine Gerichte anwenden lassen und die des anderen Staates ignorieren, soweit er nicht Unzumutbarkeit der Befolgung des eigenen Rechts annehmen will. Der Gegensatz zwischen spezialrechtlichen Vorschriften von zwei Staaten kann auch darin bestehen, daß ein Spezialrechtssatz des Forumstaates A eine Vertragsklausel in bestimmten heterogen verknüpften Fällen ausdrücklich als verbindlich erklärt, während in dem Staat, der das Geschäftsstatut stellt, die Klausel in einem Spezialrechtssatz für ungültig erklärt worden ist; überschneiden sich die Anwendungsbereiche der beiden Vorschriften, so geht das eigene Spezialrecht vor, obwohl dies dazu führt, daß im Staat A das Recht von B auf sämtliche übrigen Fragen der Gültigkeit und der Wirkungen eines Geschäfts angewendet wird, das in B selbst auf Grund des dort anwendbaren Spezialrechtssatzes ungültig ist: Steht der Staat A als Wohnsitzstaat des Schuldners auf dem Standpunkt, daß bei internationalen Anleihen, die durch Gläubiger- oder Schuldnerwohnsitz mit A verknüpft sind, die Goldklausel unter allen Umständen als gültig zu betrachten ist, so wird der in A wohnhafte Schuldner zur Zahlung in Gold oder in Goldwert verurteilt, vorausgesetzt, daß nicht andere Gründe im Recht des Geschäftsstatuts B für die Ungültigkeit des Geschäfts vorliegen. Hat der Forumstaat spezialrechtliche Vorschriften, welche das gültige Zustandekommen von heterogen verknüpften Geschäften stärker hemmen, als dies unter dem Inlands281
& 12
Die Prüfung der Legitimität des eigenen Gesetzgebers
recht des Forumstaates der Fall wäre, so wird man in diesem Forumstaat das Fehlen entsprechender spezialrechtlicher Vorschriften im Recht des ausländischen Geschäftsstatuts sicher noch nicht als eine krasse Abweichung bewerten: Kein Staat, der seinen eigenen Staatsangehörigen die Eheschließung mit Ausländern unmöglich macht, wird das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift im Heimatrecht von Ausländern mit seiner ordre publicKlausel beanstanden. Geht der eigene Spezialrechtssatz dahin, daß ein bestimmter heterogen verknüpfter Bereich von Bestimmungen frei bleiben müsse, welche die Rechtsverbindlichkeit des von den Parteien gewünschten Vertragsinhaltes behindern, während derselbe Staat solche Bestimmungen in seinem Inlandsrecht für homogen verknüpfte Fälle hat, und ist in diesem Staat über einen Vertrag zu entscheiden, der von jenem Spezialrecht nicht erfaßt wird, so kann nicht die negative ordre public-Klausel eingesetzt werden, wenn das ausländische Geschäftsstatut keine entsprechenden Bevorzugungen der Parteiautonomie für heterogen verknüpfte Fälle kennt. Trotzdem kommt es im Effekt weitgehend auf dasselbe hinaus, wenn ein Staat seinen Satz über die unbedingte Gültigkeit bestimmter Vertragsklauseln im internationalen Verkehr überall da zur Anwendung bringen will, wo neben Auslandsverknüpfungen auch nur irgendeine Inlandsverknüpfung vorhanden ist, die ihn legitimieren würde, sein eigenes Recht zum Geschäftsstatut zu erklären. So kann z. B. in Frankreich der Spezialrechtssatz des Forumstaates, wonach bei Verträgen, die eine Verbringung und Rückverbringung von Geld zwischen zwei verschiedenen Ländern zum Gegenstand haben, die Goldklausel unter allen Umständen beachtet werden muß, nicht nur dann anwendbar sein, wenn Gläubiger oder Schuldner Wohnsitz in Frankreich haben, sondern auch bei ausländischem Wohnsitz von Gläubiger und Schuldner, sofern nur etwa Zahlungsort oder Ausgabeort der Anleihe sich in Frankreich befindet 55 .
§ 12. Das anzuwendende ausländische Recht a) Die Prüfung der Legitimität des Urhebers von Rechtsanwendungsanweisungen und Sachnormen im Forumstaat Verweist die internationalprivatrechtliche Zuweisungsnonn vermittels ihres Anknüpfungsmoments auf das Recht eines anderen Staates als des Forumstaates, so stellt man häufig die Frage, ob damit jedes anderswo effektiv geltende Recht gemeint sei, oder ob nur solches Recht heranzuziehen sei, das von einem Gesetzgeber herrührt, der von den zuständigen politischen Organen des Forumstaates als der legitime Gesetzgeber für einen fremden Staat anerkannt worden ist. Eine Prüfung dieser Frage setzt indes schon Klarheit darüber voraus, worin denn eigentlich derjenige, der als staatlicher Richter für einen bestimmten Staat tätig werden will, die für ihn verbindlichen Rechtsprechungsaufträge und Rechtsanwendungsanweisungen der eigenen staatlichen Rechtsordnung (und gegebenenfalls auch deren Sachnormen) zu sehen hat. Die Antwort kann schon hier nicht darin bestehen, daß man erklärt, der Richter habe einfach nur die durch Übung der Gerichte in der Vergangenheit bereits effektiv gewordenen Rechtssätze des eigenen Staates zu befolgen, wenn ein neuer Gesetzgeber auftaucht, Reicher, im Gegensatz zu dem bisherigen Stand der Dinge, Anspruch auf Befolgung und richterliche Anwendung der von ihm herrührenden neuen Gesetze stellt. Die Annahme der „Verbindlichkeit" eines von einem Gesetzgebungsprätendenten in einem Staat an die dort bereits bestehenden Gerichte gerichteten Auftrags, nach Maßgabe der zusammen mit diesem Auftrag erteilten Rechtsanwendungsanweisungen Recht zu sprechen, kann vom Richter in verschiedener Weise begründet werden. Der staatliche Richter kann von einer bestimmten konkreten Verfassung für seinen Staat ausgehen, aus der er seine Berufung in sein richterliches Amt herleitet, und kann sich nur zur Beachtung derjenigen gesetzlichen Bestimmungen als verpflichtet betrachten, die ebenfalls von dieser 282
Anwendung von Gesetzen illegitimer Gesetzgeber
§12
Verfassung gedeckt sind. Der Richter kann aber auch der Meinung sein, daß die effektive Macht eines Regimes, welches Gesetzgebungsgewalt ausüben will, allein ein genügender Grund sei, um die Rechtsprechungsaufträge und die übrigen Rechtssätze dieses Regimes, und nur sie allein, als das Recht dieses Staates zu betrachten, wenn das Regime offensichtlich in der Lage wäre, bei Ungehorsam den Richter seines Amtes zu entsetzen und ihm die richterüche Tätigkeit unmöglich zu machen. Diese Legitimationsbegründung wird häufig damit verstärkt, daß behauptet wird, die Verweigerung des richterlichen Gehorsams gegenüber einem so starken Regime könne zur Folge haben, daß das bonum commune des Staatsvolkes gefährdet sei. Diese Rechtfertigung spielt vor allem eine Rolle, wenn durch eine revolutionäre Umwälzung die bisherigen Gesetzgebungsorgane ganz beseitigt worden sind. Soweit dann als Rechtfertigung für den Gehorsam der auf Grund der alten Verfassung im Amt befindlichen Richter gegenüber dem neuen Regime nicht noch angeführt werden kann, daß das Volk inzwischen als höchster Verfassungsgesetzgeber seine Billigung des Regimes zum Ausdruck gebracht habe, erklären sich die Richter u. U. auch bereit, die gesetzgeberische Tätigkeit eines noch nicht als legitim anerkannten Regimes zeitweise in dem Umfang zu beachten, in dem sonst eine Gefährdung des Gemeinwohls eintreten würde1. Auch dafür, daß einzelne gesetzliche Bestimmungen des eigenen verfassungsmäßigen Regimes von den Gerichten nicht mehr angewendet werden, wenn sie von den Normadressaten überwiegend nicht mehr als Recht anerkannt und befolgt worden sind, bildet der staatliche Richter mit entsprechenden Erwägungen eine Rechtfertigung. Bestehen im Forumstaat zeitweise mehrere zur Herrschaft über den ganzen Staat strebende Staatsgewalten nebeneinander, und hat jedes dieser Regime innerhalb eines Teils des Staatsgebiets seinen Gesetzen effektiv Geltung verschafft, so wird der unter einem solchen Teilregime tätige Richter möglicherweise von seinem Gesetzgeber angewiesen, auch effektives Recht in dem von dem anderen Teilregime beherrschten Gebiet gänzlich zu ignorieren. Es ist aber auch möglich, daß in einem Teilgebiet der Gesetzgebung des „feindlichen" Teilregimes eine beschränkte Anerkennung zuteil wird: Die Effektivität des anderen Teilregimes kann z. B. als Grund für die Unzumutbarkeit der Befolgung von anderslautenden Vorschriften des eigenen Regimes anerkannt werden. Aus diesem Gedanken hat die Rechtsprechung das allgemeine Prinzip entwickelt, daß die Gesetzgebung eines illegitimen, aber effektiven Teilregimes insoweit als ein Teilrecht „des ganzen Staates" zu beachten sei, als diese Gesetze inhaltlich dem Gemeinwohl dienen, und es sich nicht um solche Vorschriften handelt, welche nur der Aufrechterhaltung des illegitimen Teilregimes und der Unterdrückung des anderen Teilregimes dienen. In diesem Sinne wird auch judiziert, nachdem sich eins der um die Macht kämpfenden Regime schließlich die Herrschaft über den ganzen Staat verschafft hat, und Vorgänge in dem zeitweise von dem illegitimen Teilregime beherrschten Gebiet nachträglich rechtlich bewertet werden müssen2. DLT Richter, der als staatlicher Richter für einen bestimmten Staat tätig werden will, hat weder unter der einen, noch unter der anderen Hypothese für die Legitimität des Gesetzgebers danach zu fragen, ob diesem Gesetzgeber die Ausübung von Gesetzgebungsgewalt auch vom Völkerrecht generell verboten ist3. Es gibt derzeit keinen Rechtssatz im Völkerrecht, der dem staatlichen Richter für den Fall, daß er einem völkerrechtlich mangelhaften staatlichen Regime gehorcht, völkerrechtliche Unrechtsfolgen in Aussicht stellen würde4. Ob der staatliche Richter einzelne Sätze eines von ihm anerkannten Gesetzgebers deshalb nicht zur Anwendung bringen sollte, weil der staatliche Gesetzgeber mit dem Erlaß oder mit der Nichtaufhebung von Gesetzen bestimmten Inhalts gegen Völkerrecht verstoßen hat, das hängt wieder davon ab, ob und in welchem Umfang der Richter sich auf Grund einer von ihm als Schranke der Gesetzgebungstätigkeit anerkannten Verfassung des Forumstaates berechtigt glaubt, die normierende Tätigkeit auch des verfassungsgemäßen Gesetzgebers auf ihre Völkerrechtswidrigkeit zu prüfen und aus dieser Prüfung Konsequenzen zu ziehens. 283
§12
Das effektiv geltende ausländische Recht
b) Effektivität und Legitimität beim ausländischen Recht Unter jeder der denkbaren Begründungen für den Gehorsam des staatlichen Richters gegenüber den Anweisungen eines Gesetzgebers im eigenen Staat beruht die Anwendung von ausländischem Recht stets auf einer dahingehenden Anweisung in diesem Recht des Forumstaates. Der einem bestimmten Staat zugehörige Richter darf ausländisches Recht sicher nicht allein schon deshalb anwenden, weil ihm ein ausländischer Gesetzgeber ein derartiges Ansinnen stellt. Weisen die internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen im Recht des Forumstaates dessen Gerichte an, das über ein bestimmtes Anknüpfungsmoment zu ermittelnde staatliche Recht anderer Staaten anzuwenden, so hat der Richter im Forumstaat mangels einer anderslautenden Anweisung seines Gesetzgebers das „ausländische" Recht in denjenigen Gesetzen zu sehen, die nachweislich oder vermutlich in dem Gebiet, das als Geltungsgebiet der Rechtssätze eines fremden Staates in Frage kommt, von den dortigen staatlichen Gerichten als „ihr" inländisches Recht zur Anwendung gebracht werden. Ausländisches Privatrecht im Sinne der Kollisionsnorm des Forumstaates ist mangels einer abweichenden Äußerung des Urhebers der Kollisionsnormen vor allem das im Ausland für die mit dem fremden Staat verknüpften Situationen bestimmte, und von den Gerichten im Geltungsgebiet durch erzwingende Anwendung in effektiver Geltung gehaltene Recht 6 . Der Richter im Forumstaat, der ausländisches staatliches Recht anwendet, hat es den Gerichten des fremden Staates zu überlassen, wie sie sich bei einem revolutionären Wechsel der politischen Organe zu den Ansprüchen des neuen Gesetzgebers und ihrer Bindung an die alte Verfassung verhalten; eine eigene „Gewissensentscheidung" angesichts des Bruchs einer fremden Verfassung kommt für den Richter im Forumstaat nicht in Frage. Ist bei einem einzelnen Rechtssatz einer im allgemeinen effektiven ausländischen Rechtsordnung die endgültige Geltung deshalb zweifelhaft, weil der Rechtssatz unter der Verfassung des fremden Staates möglicherweise verfassungswidrig ist, und besteht im Ursprungsland eine wirksame Kontrolle der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen durch die Gerichte, so kann dies im Forumstaat nicht ignoriert werden. Im Forumstaat sollte allerdings die Anwendung verfassungswidriger ausländischer Gesetze erst dann verweigert werden, wenn entweder bereits eine verbindliche Verwerfung im Ursprungsland erfolgt ist, oder wenn besonders starke Indizien dafür gegeben sind, daß das ausländische Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit sich nicht auf die Dauer im Ursprungsland halten wird 7 . Auch im übrigen haben sich die Gerichte im Forumstaat bei der Anwendung ausländischen staatlichen Rechts zu bemühen, der Handhabung dieses Rechts im Urheberstaat 8 möglichst nahe zu kommen. Daraus folgt beispielsweise, daß eine Bindung an die Gesetzesauslegung und die „Feststellungen" des Standes von ungeschriebenem Recht durch das ausländische oberste Gericht auch im Forumstaat beachtlich ist, selbst wenn bei der Auslegung der Gesetze des Forumstaates entsprechendes nicht gilt 9 ' 1 0 . Ein Ermessen, Billigkeitserwägungen bei der Auslegung und Anwendung ausländischer Gesetze wirksam werden zu lassen, wie es die Gerichte des Ursprungsstaates ausüben können, ist auch den Gerichten im Forumstaat zuzubilligen. Generalklauseln politischer Fassung für die Auslegung und Handhabung ausländischer Gesetze sind allerdings dann zu ignorieren, wenn der Forumstaat nicht wenigstens ähnliche Generalklauseln hat 1 1 . Ist zweifelhaft oder umstritten, ob ein Gebiet, innerhalb dessen bestimmte Privatrechtssätze als effektives örtliches Recht festgestellt werden können, zu diesem oder jenem Staat gehört, so kann sich im Forumstaat die Prüfung der Frage, als welchen Staates Recht dieses effektiv geltende Recht zu betrachten ist, erübrigen, wenn die Gesetzgeber der beiden Staaten darin übereinstimmen, daß dieses effektiv geltende Recht das „richtige" örtliche Recht sei. Beanspruchen in einem fremden Staat mehrere Regime die Herrschaft über den 284
Anerkennung des fremden Gesetzgebers
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ganzen Staat, beherrscht aber jedes davon nur ein Teilgebiet, und wird das in einem solchen Teilgebiet effektiv geltende Recht auch von dem anderen Teilregime als das richtige Recht anerkannt, so braucht der Richter im Forumstaat nach der Legitimität des Urhebers dieses fremden Rechts nicht zu fragen. Anders ist es, wenn für ein bestimmtes Gebiet, das unbestrittenermaßen nicht zum Forumstaat gehört, die Befugnis zum Erlaß von örtlichem Recht von mehreren Gesetzgebern in Anspruch genommen wird, und deren auf heterogen verknüpfte Situationen anwendungswillige Gesetze nicht zufällig übereinstimmen. Eine verbreitete Meinung will hier die Bestimmung des „richtigen" örtlichen Rechts im Ausland durch die Gerichte im Forumstaat davon abhängig machen, ob eine Anerkennung des einen oder des anderen Regimes als der zur völkerrechtlichen Vertretung des fremden Staates befugten „Regierung" durch die zuständigen Organe des Forumstaates abgegeben worden ist; desgleichen soll die Gesetzgebung eines mit seinem Gebiet von einem anderen Staat abgespaltenen Neustaates erst nach dessen Anerkennung durch die Regierung des Forumstaates erfolgen, und schließlich wird gefordert, daß der Gesetzgeber, der für eine bestimmte örtlichkeit legiferiert hat, von der Regierung des Forumstaates auch als völkerrechtlich legitimierter Inhaber der Gebietshoheit für diesen Ort anerkannt worden ist. Die eine Meinung macht dabei wieder eine ausdrückliche positive Anerkennung fremder Staaten, fremder Regierungen und fremder Gebietshoheit durch die Regierung des Forumstaates zur Bedingung dafür, daß fremde Gesetze als örtliches Recht für ausländisches Gebiet von den Gerichten im Forumstaat zur Anwendung gebracht werden. Eine andere Meinung betrachtet jedenfalls die Anwendung solcher Gesetze eines ausländischen Regimes als unzulässig, bei denen eine Äußerung der Regierung des Forumstaates vorliegt, daß dieses Regime nicht als Regierung eines fremden Staates anerkannt werde, oder daß es nicht als Inhaber der Gebietshoheit über eine bestimmte örtlichkeit anerkannt worden sei. Liegt noch keine ausdrückliche positive oder negative Erklärung der Regierung des Forumstaates mit derartigen Anerkennungen oder Nichtanerkennungen vor, so soll nach einer in manchen Staaten geübten Praxis die eigene Regierung vom Gericht im Prozeß um Abgabe einer Stellungnahme ersucht werden können 12 . Demgegenüber wird in anderen Ländern darauf hingewiesen, daß auch eine ausdrückliche Verweigerung der Anerkennung „als Staat" oder „als Regierung" eines bestimmten anderen Staates13 durch die Regierung des Forumstaates nicht bewirken kann, daß der Forumstaat auf der Ebene des Völkerrechts fremde Gebietshoheit nicht zu respektieren und das Interventionsverbot gegenüber dem nichtanerkannten fremden Regime nicht zu beachten habe, sofern nur objektiv ein Staat im Sinne des Völkerrechts, eine effektive Regierung für diesen Staat und der Besitz von Staatsgebiet durch den Staat gegeben ist. Bestehen in Teilen eines fremden Staates mehrere effektive Teilregierungen, die sämtlich die Macht im ganzen Staat anstreben, so müssen sie alle nach Völkerrecht von dritten Staaten so behandelt werden, daß es nicht zu Eingriffen in die Gebietshoheit des „geteilten" Staates kommt 14 . Kann in einem Staat die völkerrechtliche Wirksamkeit der Akte der eigenen politischen Organe eines Staates von den eigenen staatlichen Gerichten trotz der Behauptung ihrer Wirksamkeit durch jene Organe überprüft werden, weil die Staatsverfassung das Völkerrecht zu staatlichem Recht „transformiert" und ihm einen bestimmten Rang innerhalb der staatlichen Rechtsquellen gegeben hat, so wäre es widerspruchsvoll, wenn gerade die — völkerrechtlich unverbindlichen — Feststellungen der Regierung über die Existenz fremder Staaten, über deren Regierung und über den Gebietsumfang für die Gerichte im Forumstaat im Zusammenhang mit der Ermittlung dessen, was geltendes Recht im Ausland ist, verbindlich sein sollten15. Sieht ein in innerstaatliches Recht transformierter Vertrag vor, daß die Gerichte des Staates F auf Fragen des Personalstatuts von Staatsangehörigen 285
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Anerkennung des fremden Gesetzgebers
des Staates A das Inlandsrecht des Staates A anzuwenden haben, und ist dies dahin zu verstehen, daß der Staat A die Anwendung seines Rechts insoweit nicht verlangen kann, als eine Zuweisung seiner Staatsangehörigkeit gegen allgemeines Völkerrecht verstößt, so können die Gerichte im Forumstaat F auch feststellen, daß der Staat A durch Loslösung von Teilen seines Staatsgebietes, die sich zu einem Neustaat formiert haben, einen Teil seiner Staatsangehörigen (nämlich diejenigen, die nur Verknüpfungen zu dem Neustaat aufweisen) verloren hat, und daß er diese Personen nicht gegen ihren Willen weiterhin als seine Staatsangehörigen behandeln darf; die Gerichte in F brauchen infolgedessen auch das Recht des Staates A auf Grund des transformierten Vertrages nicht mehr auf diese Personen anzuwenden. Die Befugnis zu einer solchen Feststellung sollte nicht davon abhängig sein, ob die Regierung im Forumstaat F auch bereits die Entstehung des Neustaates und die damit verbundene Verkleinerung des Staatsgebietes und Staatsvolkes von A anerkannt hat 16 . Schreckt man davor zurück, die Regierung im Forumstaat zu einer bindenden Zwischenentscheidung der in einem gerichtlichen Verfahren auftauchenden Frage zu ermächtigen (und zu verpflichten), welche Rechtssätze zu einem bestimmten Zeitpunkt als „das örtliche Recht" an irgendeinem Punkt der Erde zu gelten haben, so muß auch die Frage nach dem irgendwo im Ausland geltenden Recht ohne Rücksicht auf die von der Regierung des Forumstaates17 abgegebenen Erklärungen über den völkerrechtlichen Bestand anderer Staaten durch die Gerichte beantwortet werden können. Die Schwebezustände, die bei Revolutionen in einem Staat oder bei gewaltsamen Neustaatbildungen häufig mehr oder weniger lange Zeit bestehen, lassen sich ohnehin oft nur so deuten, daß jedenfalls Privatrechtssätze in einer menschlichen Gesellschaft auch während eines Zeitraums in Geltung stehen können, innerhalb dessen kein staatlicher Gesetzgeber vorhanden ist, der die Macht hätte, eigene neue gesetzliche Bestimmungen durchzusetzen. Daraus, daß diejenigen Rechtsnormen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einem nicht zum Forumstaat gehörenden Gebiet effektiv gelten, als „örtliches" staatliches Recht des betreffenden Gebietes von den Gerichten des Forumstaates angewendet werden können ohne Rücksicht darauf, ob das Regime, von dem die Normen herrühren, von den politischen Organen des Forumstaates als die rechtmäßige Regierung eines fremden Staates anerkannt worden ist 18 , ist nicht zu schließen, daß der Anspruch eines anderen Regimes für den fremden Staat, daß seine Gesetze auch in dem nicht von ihm beherrschten Gebiet befolgt werden, im Forumstaat gänzlich unbeachtet bleiben müßte. Es ist dies wohl dann nicht der Fall, wenn das eine Regime ein anderes zeitweise effektives Regime verdrängt, und wenn dann der Befolgungsanspruch für die Gesetze des Regimes, das sich durchgesetzt hat, auch für die Vergangenheit verwirklicht werden will, sofern diese Rückwirkungsabsicht nicht wieder von der negativen ordre public-Klausel des Forumstaates erfaßt wird 19 . Die von der Haltung der Regierung im Forumstaat gegenüber fremden Regimen unabhängige Anwendung des auf fremdem Staatsgebiet effektiv geltenden Rechts erstreckt sich auch auf die Beachtung der „unter" diesem Recht in dem betreffenden Gebiet vorgenommenen Staatsakte, mit denen konkrete Rechtsverhältnisse gestaltet werden (z. B. Scheidungsurteile, standesamdiche Eheschließungen). Die Gerichte im Forumstaat können hingegen sicher nicht ihre Regierung zwingen, z. B. zwecks Erledigung von Rechtshilfeersuchen mit einer ausländischen Regierung oder den von ihr abhängigen Behörden zu verkehren, wenn die Regierung des Forumstaates dies wegen Nichtanerkennung eines ausländischen Regimes verweigert; es gilt dies auch dann, wenn das von der nicht anerkannten Regierung herrührende Recht nach Ansicht der Gerichte im Forumstaat das allein effektiv geltende Recht im fremden Staat ist. Aus der Haltung der Regierung müssen die Gerichte im Forumstaat dann möglicherweise folgern, daß die Geltung von Abkommen und Gesetzen über den internationalen Rechtsverkehr als zeitweise suspendiert anzusehen 286
Anwendung von völkerrechtswidrigem ausländischen Recht
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ist. Ist die Beachtlichkeit eines ausländischen Staatsaktes im Forumstaat davon abhängig, daß eine Urkunde, mit der der Staatsakt bewiesen werden müßte, von der Regierung des Wirkungslandes legalisiert ist, so kann die Regierung dieses Staates auch nicht zur Legalisierung solcher Urkunden genötigt werden, die von Behörden eines von ihr nicht anerkannten ausländischen Regimes herrühren. Dürfen die Gerichte des Forumstaates direkt mit den Gerichten eines bestimmten fremden Staates verkehren, und sind auf dem Gebiet des fremden Staates Gerichte tätig, die die von der Regierung des Forumstaates anerkannte Regierung des anderen Staates nicht als »ihre" rechtmäßige Regierung betrachten, so dürfte der direkte Verkehr der Gerichte mit ihnen unzulässig sein. Geht es nicht um die Frage, ob das von dem einen oder anderen ausländischen Regime herrührende Recht als das auf einem bestimmten fremden Gebiet effektiv geltende Recht im Forumstaat anzuwenden ist, sondern geht es darum, welchem fremden Staat Vermögensrechte, die im Forumstaat belegen sind, gehören, und welche Organe einen solchen Rechtsinhaber in der Ausübung seiner Rechte und im Rechtsverkehr innerhalb des Forumstaates zu vertreten haben, so kommt der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung der fremden Regierung durch die Regierung des Forumstaates eine auch von den Gerichten im Forumstaat zu respektierende Bedeutung zu: Ist die Regierung im Forumstaat bereit, die diplomatische Vertretung der von ihr noch anerkannten ausländischen Regierung im Besitz des Gesandtschaftsgebäudes zu belassen, obwohl es zweifelhaft geworden ist, ob die anerkannte Regierung noch die effektive Regierung in ihrem Staat darstellt, so kann unmöglich ein Gericht im Belegenheitsstaat des Gesandtschaftsgebäudes auf Klage der nicht anerkannten Regierung, die den anderen Staat effektiv beherrscht, und deren Gesetze daher von den Gerichten als das Recht des fremden Staates betrachtet werden, Herausgabe des Gebäudes an die von dieser fremden Regierung beauftragten Personen anordnen, und die eigene Regierung um Unterstützung bei der Zwangsvollstreckung ersuchen 20 . Man wird zu diesem Zweck möglicherweise das Bestehen eines ungeschriebenen Rechtssatzes im Forumstaat anzunehmen haben, wonach die Befugnis zur Vertretung fremder Staaten oder ausländischer öffentlicher Körperschaften im inländischen Rechtsverkehr von einer Bestätigung durch die Exekutive des Forumstaates abhängt, und die Exekutive ein breites Ermessen hat, wem sie die Bestätigung erteilen will 2 1 . c) Die Anwendung von völkerrechtswidrigem ausländischen Recht, sowie von ausländischem Recht, das von einer völkerrechtswidrigen Staatsgewalt herrührt Von den bisher behandelten Fragen zu unterscheiden ist die ganz andere Frage, ob nicht u. U. in der effektiven Geltung bestimmter von einem ausländischen staatlichen Gesetzgeber herrührenden Rechtssätze auf einem bestimmten Gebiet selbst ein völkerrechtswidriger Zustand zu sehen ist, oder ob solche effektive Geltung von staatlichem Recht als Folge einer Völkerrechtsverletzung zustande gekommen ist, und ob daraus Konsequenzen für die Anwendung dieses Rechts in einem anderen Forumstaat zu ziehen sind. Ist ein Staat verpflichtet, auf seinem Staatsgebiet bestimmte Rechtssätze, etwa ein uniformes Wechselgesetz, als Inlandsrecht einzuführen, kommt er aber dieser Verpflichtung nicht nach, und duldet er, daß die Gerichte auf seinem Staatsgebiet abweichendes Recht erzwingend anwenden, so ist dieser Stand des örtlichen Rechts, auch wenn er effektiv ist, zweifellos völkerrechtswidrig im Verhältnis zu den anderen Vertragsstaaten. Hat ein Staat sich vertraglich verpflichtet, auf neu erworbenem Staatsgebiet das bis dahin dort in Kraft stehende Privatrecht nicht zu ändern, und geschieht dies doch, so stellt auch hier der Stand des effektiven Rechts gegenüber dem anderen Staat eine Völkerrechtsverletzung dar. Der Stand des effektiven örtlichen Rechts in einem Staat ist aber auch dann völkerrechts287
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Anwendung von völkerrechtswidrig erlassenen ausländischen Gesetzen
widrig, wenn Teile des von ihm beanspruchten Gebietes, für das er legiferiert, völkerrechtswidrig annektiert worden sind; der Stand des örtlichen Rechts ist in diesem Fall auch dann völkerrechtswidrig, wenn vermutlich inhaltsgleiche Normen von dem rechtmäßigen Inhaber der Gebietshoheit eingeführt worden wären. Besteht eine völkerrechtliche Bindung der Verfassung eines einzelnen Staates oder mehrerer Staaten, und ist unter Verletzung der völkerrechtlich gebundenen Verfassung neues Recht erlassen worden, so ist auch hier der Stand des effektiven Rechts als solcher völkerrechtswidrig. Bejaht man die Frage, ob das Völkerrecht „positives" Recht sei, so liegt darin schon die Annahme einer geminderten Wahrscheinlichkeit der fortdauernden Effektivität von solchem völkerrechtswidrigen, wenn auch zunächst einmal effektiven staatlichen Recht. Soweit die Gerichte im Forumstaat befugt sind, Gesetzen des eigenen Gesetzgebers, die in dieser Weise „völkerrechtswidrig" sind, die Anwendung zu versagen 22 , wäre es widerspruchsvoll, wenn sie völkerrechtswidriges ausländisches Recht nur mit Rücksicht auf seine derzeitige Effektivität im Ausland uneingeschränkt anwenden müßten 23 . Die Gesetzgeber derjenigen Staaten, welche völkerrechtlich aktivlegitimiert sind, um etwas zur Beseitigung des völkerrechtswidrigen Zustandes zu tun, könnten ihren Gerichten ausdrücklich verbieten, das ausländische Recht, in dessen effektiver Geltung ein völkerrechtswidriger Zustand gesehen wird, auf Grund der Zuweisungsnormen des internationalen Privatrechts zur Anwendung zu bringen und damit dem völkerrechtswidrig handelnden ausländischen Gesetzgeber Rechtshilfe zu leisten 2 4 ' 2 5 . Gegen eine generelle Nichtanwendung von ausländischem Privatrecht, dessen effektive Geltung auf einem bestimmten Gebiet nicht bestritten ist, dessen Durchsetzung in diesem Gebiet durch die Organe des fremden Staates selbst etwas Völkerrechtswidriges ist, spricht jedoch, daß es den Normadressaten vielfach unmöglich ist, sich der Befolgung dieses Rechts zu entziehen. Soweit die betreffenden Rechtssätze nicht auch inhaltlich kraß von dem Recht anderer Forumstaaten abweichen, wird es als ein Gebot der Menschlichkeit empfunden, daß dieser Situation der unmittelbar betroffenen Normadressaten Rechnung getragen wird 2 6 . Erläßt der Gesetzgeber eines Staates, dem gegenüber der durch einen anderen Staat geförderte Stand des effektiv geltenden Rechts in einem bestimmten Gebiet eine Völkerrechtsverletzung darstellt, kein ausdrückliches Verbot der Anwendung jenes Rechts durch seine Gerichte, so ist nicht anzunehmen, daß der nationale Richter das effektive ausländische Recht entweder überhaupt nicht, oder in vollem Umfang zur Anwendung bringen müßte. Das letztere ist bestimmt nicht anzunehmen, wenn ein fremder Staat sich völkerrechtswidrig der Herrschaft über Teile des Staatsgebietes des Forumstaates bemächtigt hat. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob bei solcher völkerrechtswidrigen Besetzung von eigenem Staatsgebiet des Forumstaates der fremde Staat behauptet, dieses Gebiet endgültig annektiert zu haben, oder ob er nur als „Besetzer" legiferieren will. Aber auch wenn bei völkerrechtlich einwandfreier Besetzung von Staatsgebiet des Forumstaates völkerrechtliche Schranken für den Erlaß von Besatzungsrecht nicht eingehalten worden sind 2 7 , oder wenn der besetzende Staat in dem besetzten Gebiet einem „Quisling"-Regime zur Macht verhilft, welches anstelle des rechtmäßigen Gesetzgebers für das besetzte Gebiet legiferiert, kann von einer uneingeschränkten Anerkennung dieses Rechtes durch die Gerichte des Forumstaates nicht die Rede sein. Sofern nicht der Gesetzgeber des Forumstaates ausdrücklich auf die Geltung seiner Gesetze in eigenem, von einem fremden Staat rechtswidrig besetzten Gebiet verzichtet, sollte der Richter im Forumstaat nicht gehindert sein, dieses Recht vor allem dann zur Anwendung zu bringen, wenn es die im besetzten Gebiet lebenden Staatsangehörigen selbst auf ihre Rechtsverhältnisse angewendet wissen wollen: Hat ein in dem besetzten Gebiet wohnhafter Staatsangehöriger gemäß dem Recht des Forumstaates testiert, so sollte die Ungültigkeit des Testaments unter dem völkerrechts288
Anwendung von völkerrechtswidrig erlassenen ausländischen Gesetzen
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widrig eingeführten Recht der Besatzungsmacht sich keinesfalls auf die Vererbung des im Restgebiet des Forumstaates belegenen Vermögens auswirken. Ist in dem Stand der Gesetzgebung außerhalb des Herrschaftsgebietes des Forumstaates, auch wenn es sich um effektiv geltendes Recht handelt, eine Verletzung des Völkerrechts zu Lasten des Forumstaates zu sehen, so sollte der Richter im Forumstaat beim Schweigen des Gesetzgebers selbst als durch eine Generalklausel ermächtigt anzusehen sein, einerseits Akte der Befolgung solchen Rechts dann nicht als rechtswidriges Verhalten zu bewerten, wenn sich die Normadressaten diesem Recht nicht entziehen konnten; andererseits sollte er der Haltung derjenigen Rechtssubjekte, welche die unter Verletzung von Völkerrecht erfolgte Neugestaltung des staadichen Rechts durch einen fremden Gesetzgeber selbst mißbilligen, in größtmöglichem Umfang Rechnung tragen, und insbesondere beim Bestehen von Binnenbeziehungen zum Forumstaat die Anwendung des von einem völkerrechtswidrig handelnden fremden Machthaber erlassenen Rechts ablehnen können 2 8 . Es ist möglich, daß eine völkerrechtswidrige 29 effektive Ausübung von Gebietshoheit durch eine ebenfalls völkerrechtswidrige und effektive Ausübung von Gebietshoheit seitens eines anderen Staates abgelöst wird. Hier kann es insbesondere bei einer späteren Beurteilung von Vorgängen angebracht sein, auf die Rechtsbeziehungen der Bewohner des besetzten Gebietes dasjenige Recht zur Anwendung zu bringen, welches vermutlich der Einstellung der eingesessenen Bevölkerung noch am ehesten entsprochen hat 3 0 . Endet die effektive Geltung von inhaltlich völkerrechtswidrigem Recht, oder von Recht eines völkerrechtswidrig zur Ausübung von Gebietshoheit gelangten Gesetzgebers dadurch, daß der völkerrechtlich legitime Gesetzgeber in dem betreffenden Gebiet wieder zur Macht gelangt, so ist die Bereinigung des von ihm vorgefundenen Rechtszustandes seine Sache 31 ; die zu solcher Bereinigung erlassenen gesetzgeberischen Maßnahmen können ohne weiteres auch in dritten Staaten zur Anwendung gelangen 32 . Der Staat, der zeitweise völkerrechtswidrig für fremdes Gebiet legiferiert hat, ist aber nicht selbst unbedingt verpflichtet, solche Bereinigungsakte durch seine eigenen Gerichte zur Anwendung zu bringen, wenn wesendiche Verknüpfungen weiterhin zu seinem eigenen Gebiet bestehen; er kann dann beispielsweise im Verhältnis zwischen eigenen Staatsangehörigen Rechtsverhältnisse, die seinerzeit auf Grund seiner völkerrechtswidrig in einem besetzten Gebiet eingeführten Gesetzgebung entstanden sind, gemäß diesem Recht abwickeln 33 . Eine gegenüber dem Forumstaat anfänglich bestehende Völkerrechtswidrigkeit des Standes von ausländischem Recht kann im Bereich des Völkerrechts durch Verzicht seitens des Forumstaates geheilt werden, nämlich Verzicht auf den Anspruch, die Beseitigung des völkerrechtswidrigen Zustandes zu fordern. Dieser Verzicht wird unter Umständen in der Form einer „Anerkennung" erfolgen; hieran sind dann auch die Gerichte des Forumstaates gebunden. Aus der völkerrechtlichen Relevanz des Selbstbestimmungsrechts als einer Direktive für die Bildung von Staaten und den territorialen Bestand von Staaten ist allein nicht zu schließen, daß ausländisches Recht nicht anwendbar sei, wenn es in seinem Geltungsgebiet vom Gesetzgeber der Bevölkerung des Gebietes nach Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts „aufgezwungen" worden ist. Wohl ist aber als Heimatrecht einer natürlichen Person, die außerhalb eines geteilten Staates lebt, das Recht desjenigen Teilgebietes anzusehen, zu desen Regime die betreffende Person sich selbst bekennt, wenn die effektiven örtlichen Teilgebietsrechte im Forumstaat gleichermaßen zur Anwendung kommen können. Ist das Regime für ein Teilgebiet eines fremden Staates gegen den Willen der örtlichen Bevölkerung durch ein anderes Teilregime beseitigt worden, so kann dies Anlaß sein, um wenigstens eine rückwirkende Anwendung der Vorschriften des siegreichen Regimes abzulehnen. 289
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Recht in Anschlußgebieten und supranationales Recht
Ist die Ausübung von Gebietshoheit durch einen Staat über ein ihm nicht gehöriges Gebiet nicht nur die Folge einer völkerrechtswidrigen Verletzung des Gewaltverbotes, sondern erfolgt sie gegen den Willen der Bevölkerung, so ist es für die oben erwähnte Generalklausel betreffend Anwendung bzw. Nichtanwendung des in dem betreffenden Gebiet völkerrechtswidrig neu eingeführten Rechts in einem anderen Staat von Bedeutung, ob die beteiligten Privatrechtssubjekte dieses Recht nicht wegen seines Inhalts, sondern allein deswegen ablehnen, weil es ihnen unter Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts aufgezwungen ist 3 4 . Die Anwendung dieses Rechts auf die Privatrechtsbeziehungen der in dem völkerrechtswidrig besetzten Gebiet befindlichen Angehörigen der besetzenden Macht kann hingegen durchaus vertretbar sein. d) Recht in Anschlußgebieten und supranationales Recht Gewisse Komplikationen können entstehen, wenn ein Staat für bestimmte Materien des Privatrechts auf die Ausübung seiner Gesetzgebungsgewalt kraft Gebietshoheit verzichtet und, anstatt die von einem anderen staatlichen Gesetzgeber erlassenen Gesetze zu rezipieren und noch einmal als eigene Gesetze zu verkünden, einem anderen Staat gestattet, für die Regelung der betreffenden Materien das Staatsgebiet des ersten Staates, oder Teile desselben, so zu behandeln, als ob es Staatsgebiet des legiferierenden Staates wäre 3 5 . Ein Staat gestattet es also dann einem anderen Staat, Gebiet des ersten dem Geltungsgebiet der Gesetze des anderen zuzurechnen, und weist vielfach auch seine eigenen Gerichte an, die von dem fremden Gesetzgeber erlassenen Vorschriften für das „Anschlußgebiet" 3 6 erzwingend anzuwenden 3 7 . Anstelle der Überlassung von Teilen der aus der Gebietshoheit fließenden Gesetzgebungsgewalt an einen anderen Staat zwecks Anschlusses an das Geltungsgebiet des eigenen Rechts des anderen Staates kann ein Land (oder können mehrere Länder) einem internationalen Organ ihre Gesetzgebungsbefugnisse überlassen, und die von dem internationalen Organ erlassenen Rechtssätze, ohne sie als Äußerungen des eigenen Gesesetzgebers zu wiederholen, durch die eigenen Behörden erzwingend anwenden lassen. Gegebenenfalls können dabei auch Entscheidungen internationaler Gerichte unter Anwendung solchen supranationalen Rechts wie Entscheidungen eigener Gerichte behandelt werden. Dies ist der Effekt der „unmittelbar" in den Mitgliedstaaten wirkenden Rechtsetzungsgewalt von Organen der Europäischen Gemeinschaft 3 8 . Bei den „Anschlüssen" stellt sich dann für dritte Staaten die Frage, ob sie die für das Anschlußgebiet erlassenen Rechtssätze als Recht des Staates behandeln sollen, zu dem das Gebiet nach Völkerrecht gehört, oder als Recht des Staates, dessen Gesetzgeber legiferiert hat, insbesondere wenn sie sich in einem Vertrag mit einem der am Anschluß beteiligten Staaten verpflichtet haben, auf bestimmte Situationen „sein" von ihm selbst auf Grund seiner Gebietshoheit erlassenes Recht anzuwenden. Hier ist es nicht ausgeschlossen, daß das für den Anschluß geschaffene Recht sowohl als eigenes Recht des legiferierenden Staates, als auch als eigenes Recht des Staates zu behandeln ist, der diese Bestimmungen wie selbst geschaffenes Recht erzwingen läßt. Erlaubt der Staat A dem Staat B nicht nur, Gebiet von A zum Geltungsgebiet bestimmter Gesetze von B hinzunehmen, wozu die Bereitschaft von A hinzukommen mag, das so gebildete Recht „für" das Anschlußgebiet auch durch die Gerichte von A anwenden zu lassen, wenn dazu Gelegenheit besteht, sondern erlaubt der Staat A zusätzlich dem legiferierenden Staat B, durch eigene Vollstreckungsorgane auf dem Anschlußgebiet Zwang zur Durchsetzung seiner Vorschriften auszuüben, nachdem die Gerichte von B Rechtsverletzungen festgestellt haben, so ist es wohl nicht mehr angebracht, das in dem fraglichen Gebiet durch den Staat B gesetzte und unterhaltene Recht noch dem Staat A als dessen Recht zuzuschreiben. Entsprechendes gilt, insoweit eine Besatzungsmacht im militärisch 290
Die Regelung der internen Konflikte im Mehrrechts Staat
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besetzten Gebiet eines anderen Staates nicht nur Gesetze für dieses Gebiet erläßt, sondern auch durch Organe, die sie bestellt hat, gerichtlich anwenden und erzwingen läßt. Fungieren die Organe und Gerichte des besetzten Staates im Auftrag ihrer Regierung unter der Besatzung weiter, und wenden sie in Ausübung dieses Auftrages Rechtsvorschriften der Besatzungsmacht an, insbesondere solche, die der Besetzer nach Völkerrecht erlassen darf, so können diese im besetzten Gebiet geltenden Rechtsnormen für dritte Forumstaaten auch als Recht des besetzten Staates gelten 39 . Wird Gebiet von A dem Staat B zur vollen Verwaltung überlassen, und erhalten die auf dem Gebiet tätigen Gerichte und Behörden ihr Amt vom Staat B, so stellt sich das vom Gesetzgeber von B für das verwaltete Gebiet geschaffene, von „örtlichen" Organen angewendete, und vom Recht der beiden Staaten unterschiedliche Recht vielleicht sogar so dar, als ob das betreffende Gebiet ein eigener Staat mit eigener Rechtsordnung wäre 4 0 . Handelt es sich um Gesetze eines anstelle der „örtlichen" Gesetzgeber mehrerer Staaten legiferierenden „supranationalen" Gesetzgebungsorgans, so ist es sicher nicht etwa so, daß solche Bestimmungen allen Staaten, die das supranationale Organ eingerichtet haben, als ihr eigenes staatliches Recht zugerechnet werden können. Daher könnte auch in einem Mitgliedstaat einer solchen Gemeinschaft die Frage von Bedeutung werden, ob das supranationale Recht, insoweit als es für Vorgänge auf dem Gebiet anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, z. B. für die Zwecke der Revision, wie „ausländisches" Recht behandelt werden muß. Sieht supranationales Recht nicht bloß Vereinheitlichung des Gesellschaftsrechts der Mitgliedstaaten vor, sondern wird ein spezielles Gesellschaftsrecht für „supranationale" Gesellschaften geschaffen, so kann sich auch für dritte Staaten die Frage stellen, ob eine solche supranationale Gesellschaft alle Staaten der Gemeinschaft zu Gründerstaaten hat, oder ob sie irgendwie doch nur einem dieser Staaten und seinem Recht als zugehörig gelten muß. Die Frage nach der „Nationalität" einer Sachnorm stellt sich im übrigen auch, wenn zwei oder mehr Staaten ihr materielles Recht für bestimmte Materien durch Vertrag vereinheitlicht haben mit der zusätzlichen Maßgabe, daß jeder von ihnen das uniformierte Recht jedenfalls auch in solchen heterogen verknüpften Situationen anwenden muß, bei denen die Verknüpfungen ausschließlich zu Vertragsstaaten hingehen. Dann muß ein dritter Forumstaat möglicherweise zu der Frage Stellung nehmen, ob der Vertragsstaat A, dessen Recht im Forumstaat berufen wird, das uniforme Recht in einem durch ein Anknüpfungsmoment mit einem anderen Vertragsstaat verknüpften Fall in seiner Eigenschaft als eigenes Recht, oder in seiner Eigenschaft als Recht des anderen Vertragsstaates anwenden läßt, was z. B. für die Revisibilität der Entscheidungen der Instanzgerichte von Bedeutung werden kann 4 0 a . e) Das internationale Privatrecht und die Mehrrechtsstaaten 1. Die Regelung der internen Konflikte im Mehrrechtsstaat Von einem Mehrrechtsstaat im weiteren Sinne könnte gesprochen werden, sobald in einer staatlichen Rechtsordnung für „dieselbe" Sachfrage unterschiedliche Lösungen im positiven Recht vorgesehen sind, und im Zusammenhang damit die „Anwendungsbereiche" der betreffenden Rechtssätze voneinander abgegrenzt werden 41 . Beim Mehrrechtsstaat im eigentlichen Sinne setzt man jedoch voraus, daß das ganze privatrechtliche Inlandsrecht, oder daß jedenfalls größere Teile des Inlandsrechts nicht für den ganzen Staat und seine Bevölkerung einheitlich sind, sondern daß die Privatrechtsordnung des Staates auch für die allein mit diesem Staat verknüpften Situationen aus mehreren Teilrechten besteht, deren Abgrenzung voneinander nicht an Hand zusätzlicher Sachelemente des Tatbestandes der Rechtssätze, sondern auf Grund sachneutraler Verknüpfungen zu einem Gebiet oder einer Menschengruppe erfolgt 42 . Ähnlich wie dem nationalen Inlandsrecht eines Staates im 291
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Die Regelung der internen Konflikte im Mehrrechtsstaat
internationalen Privatrecht zunächst ein Kernanwendungsbereich für die homogen verknüpften Situationen zukommt, kommt auch jedem derartigen Teilrecht innerhalb der Rechtsordnung des Mehrrechtsstaates zunächst ein Kernanwendungsbereich zu, während für die mit mehreren Teilrechten verknüpften Fälle sich dieselbe Aufgabe stellt wie im internationalen Privatrecht, nämlich vor allem die Aufgabe, Pflichtenkollisionen und Disharmonien zu vermeiden. Ein verbreiteter Irrtum besteht darin zu glauben, daß sämtliche allgemeinen Leitprinzipien, und vor allem die Techniken des internationalen Privatrechts, auch für das innere Kollisionsrecht eines Mehrrechtsstaates passend seien 43 ; vielfach sollen auch umgekehrt Rechtsanwendungsanweisungen eines internen Kollisionsrecht in einem Mehrrechtsstaat ohne weiteres zu internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen erweitert werden können. Indes unterscheiden sich internationales Privatrecht einerseits und interregionales (interlokales) und intergentiles Kollisionsrecht im Mehrrechtsstaat andererseits schon bei der Art und Weise der Bestimmung des Kernanwendungsbereichs für ein Teilrecht. Im intergentilen Recht wird neben der Rechtswahl als einziges Anknüpfungsmoment in einer Zuweisungsnorm die persönliche Zugehörigkeit eines Rechtssubjekts zu einer mit ihrem eigenen „Gruppenrecht" ausgestatteten Menschengruppen verwendet; der Kernanwendungsbereich eines solchen Gruppenrechts erfaßt diejenigen Rechtsverhältnisse, bei denen alle Beteiligten Angehörige derselben Gruppe mit eigenem Gruppenteilrecht sind. Kriterium der Gruppenzugehörigkeit kann das religiöse Bekenntnis 44 , oder die förmliche Zugehörigkeit zu einer organisierten religiösen Gemeinschaft 45 , oder die Zugehörigkeit zu einem Stamm 4 6 , einer Kaste, einem Berufsstand 47 usw. sein, sicher aber nicht die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit, wie sie im internationalen Privatrecht als Anknüpfungsmoment verwendet wird. Hat ein Staat unterschiedliche Regelungen des bürgerlichen Kaufrechts und des Handelskaufrechts, so stellen sich die beiden Kaufrechte als Gruppenrechte dar, wenn die Anwendbarkeit des einen bzw. des anderen nicht z. B. von der Menge der verkauften Sachen oder der Verwendungsabsicht beim Käufer, sondern von dem Besitz oder Nichtbesitz der Kaufmannseigenschaft auf seiten der Parteien abhängt 48 . Jede Regelung der Frage, ob auf Verträge zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten bürgerliches Kaufrecht oder Handelskaufrecht anwendbar ist, ist dann eine Regelung des intergentilen Rechts. Bei der Bestimmung des Kernanwendungsbereichs der Teilrechte im interregionalen Kollisionsrecht kommt es hingegen darauf an, daß alle relevanten persönlichen und sachlichen Verknüpfungen zu einem Teil des Staatsgebietes des Mehrrechtsstaates als dem Geltungsgebiet eines regionalen Teilrechts hingehen. Während die sachlichen Verknüpfungen für ein interregionales Kollisionsrecht dieselben sein können wie im internationalen Privatrecht 49 , ist dies bei der Regelung der persönlichen Verknüpfungen anders. Die völkerrechtliche Staatsangehörigkeit scheidet auch hier als Anknüpfungsmoment aus; neben Wohnsitz und Aufenthalt kann es auf eine der Staatsangehörigkeit entsprechende Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Teilrechtsgebiet ankommen. Diese persönliche Zugehörigkeit zu einem Teilrechtsgebiet kann in der Zugehörigkeit zu einem Gliedstaat eines Bundesstaates bestehen, wie sie auch für staatsrechtliche Zwecke von Bedeutung ist; es kann sich aber auch um eine irgendwie besonders geregelte und nur im interregionalen Recht bedeutsame Zugehörigkeit zu einem Teilrechtsgebiet handeln 50 . Ein anderer wichtiger Unterschied des internen Kollisionsrechts im Mehrrechtsstaat vom internationalen Privatrecht geht davon aus, daß das allgemeine Völkerrecht höchstens äußerste Grenzen für die Gestaltung des internationalen Privatrechts durch die Staaten setzt, und daß das materielle Privatrecht grundsätzlich von den verschiedenen Staaten herrührt und nur von deren Gesetzgebern geändert werden kann. Im Mehrrechtsstaat hingegen können die Teilrechte durchaus voll durch Disposition eines einzigen zentralen 292
Die Regelung der internen Konflikte im Mehrrechtsstaat
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Gesetzgebers stehen. Das ist dann der Fall, wenn der Gesetzgeber selbst für verschiedene Teile des Staatsgebietes 51 oder für verschiedene Gruppen seines Staatsvolkes 52 unterschiedliches Recht bildet, oder wenn er, wie dies häufig der Fall ist, unterschiedliches Recht in verschiedenen Teilen des Staatsgebietes aufrechterhalten hat, nachdem das ursprüngliche Staatsgebietes durch Erwerb neuen Gebiets vergrößert wurde 5 3 . Die Befugnis zur Änderung bestehender Teilrechte im Mehrrechtsstaat kann aber auch dezentralisiert sein, d. h. sie kann verschiedenen „lokalen" Gesetzgebern für die verschiedenen Teilrechtsgebiete, oder den mit Rechtsetzungsgewalt ausgestatteten Organen einer Menschengruppe mit eigenem Gruppenrecht, zukommen. Dann kann innerhalb eines Teilgebietes bzw. innerhalb einer Gruppe neues Teilrecht möglicherweise auch durch Gewohnheitsrechtsbildung entstehen 54 . Die Befugnis zur Bildung der Stellungnahme zu heterogen verknüpften Situationen kann unabhängig davon sein, wie die Befugnis zur Änderung der Teilrechte geregelt ist: Nach der Verfassungsordnung eines Mehrrechtsstaates kann der zentrale Gesetzgeber allein zuständig sein, um die Anwendungsbereiche der Teilrechte festzulegen 55 , auch wenn die Teilrechte selbst von dezentralisierten Gesetzgebern gebildet und geändert werden. Die Verfassung kann auch bestimmen, ob der zentrale Gesetzgeber 56 die heterogen verknüpften Situationen durch Bildung von Zuweisungsnormen oder durch Bildung von Spezialrecht zu regeln hat 5 7 . Es ist aber auch möglich, daß es dieselben dezentralisierten Gesetzgeber, welche die Sachnormen der Teilrechte ändern können, sind, die auch die Stellungnahme zu den heterogen verknüpften Situationen zu bilden haben 58 . Dazwischen sind Kompromisse der Zuständigkeitsregelung denkbar; so könnte etwa bestimmt werden, daß der zentrale Gesetzgeber dann Spezialrecht bilden darf, wenn nicht die dezentralisierten Gesetzgeber schon Zuweisungsnormen gebildet haben. Insbesondere im Bundesstaat kommt auch konkurrierende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers und der gliedstaatlichen Gesetzgeber für die Regelung des interregionalen Privatrechts vor 5 9 ; dabei kann der Bundesgesetzgeber möglicherweise nur dann tätig werden dürfen, wenn die Gliedstaaten nicht zu übereinstimmenden Regelungen gelangen. Auch im intergentilen Recht greift der zentrale staatliche Gesetzgeber evd. nur dann mit der Bildung von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen ein, wenn sich die einzelnen Rechtsetzungsorgane für die Gruppenrechte nicht de facto auf ein übereinstimmendes System von Zuweisungsnormen geeinigt haben. Soweit die Bildung von Kollisionsnormen durch dieselben dezentralisierten Gesetzgeber erfolgt, die auch das materielle Recht der Teilrechte ändern können, setzt die Verfassung des Gesamtstaates ihrem Ermessen unter Umständen Schranken: Im Bundesstaat dürfen die Gliedstaaten keine diskriminierenden spezialrechtlichen Regelungen zu Lasten anderer Gliedstaaten schaffen, oder sie dürfen nur bestimmte Anknüpfungsmömente in ihren Zuweisungsnormen verwenden. Unter Umständen ist ihnen auch eine Gestaltung des interregionalen Rechts unter egoistischen Gesichtspunkten ihrer Außenprivatrechtspolitik, oder eine unparitätische Absteckung des Anwendungsbereichs für eigenes und „fremdes" Recht verboten 60 . Aber auch der zentrale Gesetzgeber eines Bundesstaates darf nach der Verfassung, wenn er die Stellungnahme zu heterogen verknüpften Situationen zu bilden hat, meist nicht die einzelnen Gliedstaaten und ihr Recht unparitätisch behandeln 61 . Oft darf er auch keine Regelungen bilden, welche die Entstehung heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse hemmen könnten 62 . Unabhängig von der Frage nach der Zuständigkeit zur Änderung des materiellen Rechts und der Zuständigkeit zur Bildung von internem Kollisionsrecht im Mehrrechtsstaat ist wieder die Zuständigkeit zur Einrichtung der Gerichte, die zur Entscheidung heterogen verknüpfter Fälle zuständig sein sollen. Es ist denkbar, daß in erster Instanz nur 293
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Die Regelung der internen Konflikte im Mehrrechtsstaat
die von einem Gliedstaat eingerichteten Gerichte für alle heterogen verknüpften Fälle zuständig sind, und daß ein Bundesgericht erst als Rechtsmittelgericht in Frage kommt 6 3 . Es ist aber auch möglich, daß schon in erster Instanz Bundesgerichte speziell für heterogen verknüpfte Streitigkeiten allein oder vorrangig zuständig sind, wobei sie aber möglicherweise doch wieder die Rechtsanwendungsanweisungen im Recht des Gliedstaates zu beachten haben, wo sie ihren Sitz haben 64 . Ist in einem Staat nur der zentrale Gesetzgeber zur Änderung der bestehenden Teilrechte zuständig, so wird auch dieser zentrale Gesetzgeber allein für die Gerichtsverfassung zuständig sein; das schließt aber nicht aus, daß das Gerichtsverfassungs- oder Prozeßrecht zeitweise noch regional verschieden ist. Von einer „lex fori" des einzelnen Gerichts im Mehrrechtsstaat kann nur dann gesprochen werden, wenn ein solches Gericht, abgesehen von seiner Zuständigkeit für heterogen verknüpfte Fälle, Zuständigkeit besitzt für solche Streitigkeiten, bei denen alle Verknüpfungen nur zu einem einzigen Teilrecht hingehen. Nicht selten aber hat in einem Mehrrechtsstaat ein einzelnes Gericht Zuständigkeit für homogen verknüpfte Streitigkeiten aus mehreren Teilrechten 65 . Dann hat dieses Gericht nicht ein Privatrecht zu seiner lex fori, sondern man müßte schon sagen, daß dieses Gericht mehrere Rechte als lex fori „hat". In diesem Fall sind interregionale oder intergentile Zuweisungsnormen des Inhalts, daß das Gericht „die" lex fori anwenden soll, zweckmäßigerweise zu vermeiden. Wie schon erwähnt, kommt es nicht selten zur Bildung eines Mehrrechtsstaates dadurch, daß ein Staat ein Gebiet, das bisher einem anderen Staat gehörte, annektiert und das dort geltende Recht weiter bestehen läßt. Dann werden auch möglicherweise bereits vorhandene interregionale oder intergentile Kollisionsnormen aufrecht erhalten. Nicht selten werden aber auch die internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen eines annektierten Teilgebietes aufrechterhalten und zugleich die internationalprivatrechtlichen Bestimmungen des ursprünglichen Staatsgebietes und die des neuerworbenen Gebietes in interregionale Kollisionsnormen umgedeutet 66 . Gerade in dem letzten Fall ist jedoch anzunehmen, daß mit Rücksicht auf die jeweiligen besonderen Verhältnisse des Mehrrechtsstaates gewisse Modifikationen erfolgen müssen 6 7 . Kann nur der eine zentrale Gesetzgeber die Rechtsverschiedenheit im Staat durch Einführung von uniformem Inlandsrecht beseitigen, und kann nur er bis dahin das interregionale Kollisionsrecht oder die Sachnormen der Teilrechte ändern, so hat es einen guten Sinn, wenn die Zuweisungsnorm, die durch Umdeutung von Sätzen des internationalen Privatrechts in Sätze des interregionalen Rechts gebildet werden sollen, als einseitige Abgrenzungen des Geltungsbereichs der verschiedenen Teilrechte verstanden werden. „Will" dann keines der verschiedenen Teilrechte selbst angewendet werden, so kann die entstehende Lücke in der Weise zu füllen sein, daß die einschlägigen Sachnormen der verschiedenen Teilrechte dann zur Anwendung gebracht werden, sofern sie inhaltlich übereinstimmen. Divergieren die Teilrechte, so kann darauf abgestellt werden, welche materiellrechtliche Lösung der zentrale Gesetzgeber vermutlich vorzieht: Will eine Verhaltensnorm im Recht eines Teilgebietes selbst anwendbar sein, so mag sie den Vorrang vor den anwendungswilligen Normen anderer Teilgebiete erhalten, welche Verhaltensfreiheit vorsehen. Ist eine Ehe unter dem einen anwendungswilligen Teilrecht gültig, unter dem anderen anwendungswilligen Teilrecht ungültig, so wird häufig anzunehmen sein, daß der zentrale Gesetzgeber demjenigen Recht den Vorzug geben will, unter dem die Ehe als gültig gelten kann 6 8 . Bei konkurrierender Zuständigkeit der Gerichte in mehreren Teilgebieten mit unterschiedlichen interregionalen Kollisionsnormen ergibt sich in manchen Mehrrechtsstaaten die Lösung auch oft schon daraus, daß die Rechtshängigkeit bei dem zuerst angerufenen Gericht von allen anderen Gerichten im Staat zu beachten ist, und daß das von dem zuerst angerufenen Gericht gefällte Urteil im ganzen Staat rechtskräftig wird 6 9 . 294
Parität der Teilrechte im Mehrrechtsstaat
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Bei einer uniformen gesetzlichen Regelung des interregionalen Kollisionsrechts durch den zentralen Gesetzgeber sind die Zuweisungen an ein Teilgebietsrecht selbstverständlich als unbedingte Sachnormverweisungen zu verstehen, so daß hier die Problematik einer Rückverweisung von vornherein entfällt 70 . Ist ein zentraler Gesetzgeber im Mehrrechtsstaat allein zur Änderung der Teilrechte und zur Bildung der internen Kollisionsnormen zuständig, so kommt es öfter als im internationalen Privatrecht zu anderen Regelungen als der paritätischen Aufteilung der heterogen verknüpften Situationen unter die verschiedenen Teilrechte. So bildet häufig der zentrale Gesetzgeber für diejenigen Fälle, in denen nicht zufällig mehrere Teilrechte mit inhaltlich übereinstimmenden Vorschriften Anwendung beanspruchen, ein Spezialrecht, oder er duldet die Bildung von solchem Spezialrecht durch die Rechtsprechung. Das ist besonders üblich bei intergentiler Rechtsverschiedenheit im Staat 7 1 ; aber auch bei interregionaler Rechtsverschiedenheit ist die Bildung von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen wohl häufiger als im internationalen Privatrecht 72 . Das zunächst nur für heterogen verknüpfte Situationen vom zentralen Gesetzgeber geschaffene und für den ganzen Staat einheitliche Spezialrecht kann dann u. U. im Laufe der Zeit zu „normalem" Inlandsrecht werden, d. h. zu dem Recht, welches im Zweifel immer anwendbar ist, soweit nicht die Anwendbarkeit eines Teilrechts („partikulären" Rechts) erweisbar ist. Dann werden religiöse Gruppenrechte zu partikulärem Sonderrecht, das anstelle des für den ganzen Staat einheitlichen „staatlichen" Rechts nur dann anwendbar ist, wenn alle Beteiligten derselben Gruppe angehören. Solches partikuläres Gruppenrecht wird möglicherweise auch nur dann angewendet, wenn dies im konkreten Rechtsstreit von sämdichen Beteiligten verlangt wird; dabei müssen sie sich u. U. der Zuständigkeit eines besonderen Gerichts unterwerfen 73 . Vielfach werden die verschiedenen Gruppenrechte im intergentilen Recht untereinander nicht paritätisch behandelt, d. h. dem einen Gruppenrecht wird ein relativ größerer Anwendungsbereich zugestanden als den anderen 74 . Werden die Gruppenrechte zu Ausnahmerechten hinter einem normalerweise anwendbaren uniformen Recht für den ganzen Staat, so wird den Gerichten u. U. auch in einer Generalklausel verboten, solche Gruppenrechte anzuwenden, die allzu stark von dem Normalrecht abweichen 75 . Manchmal wird auch für gemischte Rechtsverhältnisse zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen die Frage, ob eines der Gruppenrechte angewendet werden soll, oder ob das normale Inlandsrecht des Staates zum Zuge kommt, der Wahl der Parteien oder dem Ermessen des Richters überlassen 76 . Ist das Recht im Mehrrechtsstaat regional verschieden, so kommt es ebenfalls u. U. zu unparitätischer Behandlung der verschiedenen Teilgebietsrechte, so z. B. wenn das örtliche Recht eines neu erworbenen Gebietes nur vorübergehend aufrecht erhalten werden soll, und die spätere Einführung eines Rechts des Kernlandes schon in Aussicht genommen ist 7 7 . Gesetzestechnisch erfolgt die Diskriminierung gegenüber einem Teilrechtgebiet u. U. dadurch, daß eine mehrfache Verknüpfung zu diesem Gebiet erforderlich ist, ehe das örtliche Teilrecht zur Anwendung gelangt77®. Manchmal ist es im Bundesstaat Sache des zentralen Gesetzgebers, für einzelne Materien in homogen und heterogen verknüpften Fällen Spezialrecht zu bilden, auch wenn das Privatrecht im Prinzip Sache der gliedstaatlichen Gesetzgebung ist 7 8 . Es kommt aber auch vor, daß der zentrale Gesetzgeber für bestimmte Teile des Staatsgebietes Privatrecht anstelle der gliedstaatlichen Gesetzgeber erlassen darf; dann kann es zu der Frage kommen, wie bundesunmittelbares Teilgebietsrecht und gliedstaatliches Recht voneinander abzugrenzen sind: Ist das Seerecht innerhalb der Küstengewässer Bundessache, während dieselben Vorgänge, wenn sie sich auf Flüssen oder auf dem Landgebiet ereignen, Sache der gliedstaatlichen Gesetzgeber bleiben, so müssen die Anwendungsbereiche des „Bundessee295
ordre public-Klausel im Mehrrechtsstaat
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rechts" und des gliedstaatlichen Rechts in solchen Fällen, in denen Verknüpfungen sowohl zum Küstenwassergebiet als auch zum Landgebiet bestehen, voneinander abgegrenzt werden; das geschieht durch vorrangige Rechtsanwendungsanweisungen im Bundesrecht 79 . Ist sowohl das materielle Privatrecht, als auch das interregionale Kollisionsrecht im Mehrrechtsstaat dezentralisiert, so ist die Ähnlichkeit mit dem internationalen Privatrecht am größten. Im übrigen aber entwickelt sich das innere Kollisionsrecht in jedem Mehrrechtsstaat in einem individuellen Klima, welches insbesondere davon bestimmt wird, ob die Vielheit der Rechte als Dauereinrichtung betrachtet wird, ob ein Teilrecht vom Gesetzgeber bevorzugt wird, und ob die Vereinheitlichung des Rechts auf der Basis eines solchen bevorzugten Teilrechts, oder auf der Basis des für gemischte Beziehungen geschaffenen Spezialrechts erwartet wird. Gelegentlich hat man eine spezifische Besonderheit des Kollisionsrechts für die Konflikte zwischen den Teilrechten im Mehrrechtsstaat darin sehen wollen, daß die Anwendung von Sätzen der durch interregionale oder intergentile Zuweisungsnormen berufenen anderen Teilrechte des eigenen Staates nicht mit Hilfe einer negativen ordre public-Klausel von einem Gericht des Mehrrechtsstaates abgelehnt werden könne. Das trifft jedoch nur bedingt zu: Für die ordre public-Klausel ist im inneren Rechtsanwendungsrecht des Mehrrechtsstaates in der Tat kein Raum, wenn von einem staatlichen Gericht überhaupt nicht gesagt werden kann, daß es nur ein einziges Teilrecht zur eigenen lex fori habe, sondern wenn es in erster oder zweiter Instanz auch über homogen verknüpfte Fälle unter sämtlichen Teilrechten zuständig ist. Aber auch wenn sowohl die Änderung der bestehenden Sachnormen aller Teilrechte, als auch die Gestaltung des interregionalen oder intergentilen Kollisionsrechts allein Sache des einen zentralen Gesetzgebers ist, kann ihm nicht unterstellt werden, daß er den einzelnen Richter in diesem Staat anweise, von Rechtsnormen solcher Teilrechte, die für ihn nicht als lex fori gelten können, die Anwendung wegen allzu großer Abweichung von dem „eigenen" Teilrecht des Gerichtes abzulehnen 80 . Wohl aber ist für eine ordre public-Klausel, die der negativen ordre public-Klausel des internationalen Privatrechts entspricht, durchaus Platz, wenn die Bildung der interregionalen bzw. intergentilen Rechtsanwendungsanweisungen zur ausschließlichen Zuständigkeit dezentralisierter Gesetzgeber im Mehrrechtsstaat gehört 81 . Selbst bei zentraler Regelung des interregionalen bzw. intergentilen Rechts wird u. U. jeder Richter im Mehrrechtsstaat angewiesen, einzelne Normen solcher Teilrechte nicht anzuwenden, die von demjenigen Teilrecht kraß abweichen, welches schon durch eine unparitätische Bevorzugung bei der Gestaltung der Anwendungsbereiche gegenüber den anderen Teilrechten hervorgehoben wird. Das gilt sowohl für das intergentile Recht, wo eine negative ordre public-Klausel etwa gegenüber einem noch geduldeten „Eingeborenenrecht" angewendet wird, wenn ein europäisiertes Teilrecht als das bevorzugte subsidiäre örtliche Recht des ganzen Staates aufgezogen ist, als auch für das interregionale Recht, wenn etwa der Anwendungsbereich der zeitweise noch geduldeten lokalen Partikularrechte gegenüber dem Anwendungsbereich des Privatrechts des Kerngebiets des Landes ohnehin unparitätisch eingeengt ist 82 . 2. Besonderheiten
des intergentilen Rechts im
Mehrrechtsstaat
Besonders eigenartige Fragen entstehen im Zusammenhang damit, daß die Teilrechte in einem Mehrrechtsstaat 83 Gruppenrechte sind, zwischen denen ein intergentiles Kollisionsrecht gelten muß. Hier ist die persönliche Zugehörigkeit (natürlicher) Personen zu einer Gruppe mit eigenem Teilrecht des Hauptanknüpfungsmoment 84 . Beruht die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe darauf, daß der einzelne durch einen Rechtsakt von Gruppenorganen in die Gruppe aufgenommen oder aus ihr ausgeschlossen wird, so kann es Menschen ohne Gruppenzugehörigkeit geben. Sind die Gruppen mit eigenem Teilrecht irgendwo vom zentralen Gesetzgeber abschließend aufgezählt, so wird es unvermeidlich, 296
Intergentiles Kollisions recht
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für alle nicht einer solchen Gruppe zugehörigen Personen entweder ein subsidiäres Gruppenrecht der „Nichtgruppenangehörigen"85 zu bilden, oder die Rechtsverhältnisse solcher Personen nach Billigkeit beurteilen zu lassen, wenn sie nicht einfach rechtlos sein sollen 86 . Ob durch Rechtsgeschäft Rechtsbeziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen entstehen können, auf die ein Gruppenrecht angewendet werden müßte, wird u. U. von den eigenen Rechtsanwendungsnormen eines solchen Gruppenrechts selbst verneint; vor allem religiöse Gruppen wollen ihr Recht häufig als ein reines Binnenrecht gestalten, d. h. sie wollen, daß dieses Recht nur Beziehungen zwischen Angehörigen der eigenen Gruppe regelt. Es ist dann selten, daß ein über den Gruppen stehender staatlicher Gesetzgeber gemischte Beziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen, oder gar Rechtsbeziehungen von Personen, die keiner Gruppe angehören, einem Gruppenrecht gegen dessen Willen zuweist. Vielmehr wird dann für gemischte Rechtsbeziehungen dasjenige Recht als Spezialrecht für anwendbar erklärt, welches das Gruppenrecht derjenigen darstellt, die nicht einer Gruppe mit eigenem originären Gruppenrecht angehören. Werden rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen von den Gruppenrechten selbst nicht ausgeschlossen, so finden sich besonders häufig Zuweisungen an das von den Parteien ausdrücklich gewählte Recht, oder Zuweisungen an das persönliche Recht des Verpflichteten87, sofern sich nicht gerade für derartige Geschäfte durch Gewohnheitsrecht Spezialrecht gebildet hat 88 . Läßt ein Gruppenrecht selbst Angehörige anderer Gruppen an Rechtsbeziehungen mit den eigenen Gruppenangehörigen gemäß diesem Gruppenrecht teilnehmen, so finden sich Fälle, in denen dem Recht anderer Gruppen Parität gewährt wird, so wie etwa im Verhältnis zwischen Stammesrechten. Vor allem bei religiösen Gruppenrechten wird jedoch das Recht anderer Gruppen von jeder Gruppe vielfach grundsätzlich ignoriert mit der Folge, daß die eigenen Gerichte einer Gruppe als angewiesen gelten, keinesfalls das Recht einer anderen religiösen Gruppe anzuwenden. Hiervon werden unter Umständen wieder Ausnahmen gemacht, wenn sich einzelne religiöse Gruppen untereinander als „verwandt" fühlen 89 . Wird das fremde religiöse Gruppenrecht ignoriert, so wird auf Rechtsverhältnisse von Angehörigen anderer Gruppen unter sich, insoweit darüber als Vorfrage zu entscheiden ist, nicht etwa das eigene Gruppenrecht des Forums angewendet, sondern möglicherweise ein Spezialrecht, das als „Naturrecht" hingestellt wird 90 . Soweit Mischbeziehungen zwischen Angehörigen der eigenen Gruppe und Angehörigen anderer Gruppen von einem Gruppenrecht zugelassen werden, werden sie meist dem eigenen Recht unterstellt, was zur Folge hat, daß jedes von mehreren Gruppenrechten etwa auf „gemischte" Ehen anwendbar sein will. Es ist dann möglich, daß der zentrale staadiche Gesetzgeber derartige divergierende Stellungnahmen der Gerichte der verschiedenen Gruppen duldet, solange es sich um Ausnahmefälle handelt91. Soweit die (nicht einer bestimmten Gruppe zugeordneten) staatlichen Gerichte nicht angewiesen werden, auf solche Mischbeziehungen ihrerseits ein Spezialrecht oder Billigkeit anzuwenden, kommt es auch vor, daß der zentrale staatliche Gesetzgeber den Parteien an gemischten Rechtsverhältnissen ermöglicht, das eine oder das andere Recht zu wählen 92 ; dabei können die Gruppenrechte u. U. unparitätisch behandelt werden, indem z. B. die Wahl eines bevorzugten Gruppenrechts vermutet wird 93 . Selbst wenn zwischen den eigentlichen Gruppenrechten und dem für die Nichtgruppenangehörigen gebildeten subsidiären Teilrecht Parität herrschen soll, und die Herstellung gemischter Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäfte vom zentralen staatlichen Gesetzgeber ermöglicht wird, erweist sich vor allem eine Anwendung von Gruppenrechten auf gesetzliche Rechtsverhältnisse (Delikte) und auf „absolute" Rechte meist über kurz oder lang als undurchführbar, es sei denn, daß die verschiedenen Gruppen auf bestimmte Wohngebiete konzentriert sind, und daß aus den Gruppenrechten Teilgebietsrechte 297
§12
Das internationale Privatrecht des Mehrrechtsstaates
werden 94 . Bei unerlaubten Handlungen zwischen Angehörigen von Gruppen mit verschiedenen Rechten kann der durch eine unerlaubte Handlung Verletzte Ansprüche auf Grund des Gruppenrechts des Täters u. U. nur stellen, wenn er für eine tatsächlich oder hypothetischerweise von ihm gegenüber dem Beklagten begangene gleichartige Handlung gemäß seinem Recht in derselben Weise haftbar wäre 9 5 . Das bedeutet, daß die Gruppenrechte der Beteiligten in solchen Fällen kumuliert werden müssen; in der Kumulation liegt aber wieder eine Ungleichbehandlung der Menschen in heterogen verknüpften und homogen verknüpften Situationen. Die Folge ist, daß bei den unerlaubten Handlungen mehr oder weniger ein uniformes „örtliches" Recht des ganzen Staates meist die Bestimmungen der Gruppenrechte verdrängt. So einfach es klingt, daß der Erwerb von Rechten an Sachen, der Inhalt solcher Rechte und ihre Beendigung oder Übertragung doch einfach nach dem Gruppenrecht des (angeblichen) Rechtserwerbers oder Rechtsinhabers beurteilt werden könnte, so erweist sich eine derartige Regelung doch in der Praxis meist als schwer durchführbar, so z. B. wenn gesetzliche Rechtsbeziehungen zwischen den Inhabern von Sachenrechten an verschiedenen Grundstücken (Nachbarrecht) bestehen, und die Rechtsinhaber verschiedenen Gruppen mit unterschiedlichen Gruppenrechten angehören 96 . Auch Vorkaufsrechte unter benachbarten Grundstückseigentümern mit verschiedenen Gruppenrechten sind selbst bei Kumulation schwierig zu handhaben. Auch hier ist die Folge, daß die sachenrechtlichen Bestimmungen von Gruppenrechten oft durch Bildung von uniformem örtlichen Recht verdrängt werden. Wird ein einzelnes Gruppenrecht in der Weise bevorzugt, daß es als das im Zweifel anwendbare subsidiäre Recht des ganzen Staates gilt, so bleibt den anderen Gruppenrechten u. U. nur ihr Kernanwendungsbereich für Rechtsbeziehungen zwischen Angehörigen derselben Gruppe. Es ist auch möglich, daß paritätische Zuweisungen nur im Verhältnis zwischen den nicht bevorzugten Gruppenrechten unter sich in Geltung stehen. Im Verhältnis zwischen Angehörigen einer Gruppe mit Gruppenrecht im engeren Sinne und denjenigen, die nicht einer solchen Gruppe angehören, kommt es unter Umständen zu einer Regelung mit Hilfe einer Generalklausel, wonach anstelle des subsidiären örtlichen Rechts das Gruppenrecht nur angewendet wird, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist, oder wenn der Richter glaubt, daß dies notwendig sei, um „grobes Unrecht" gegenüber den Gruppenangehörigen zu verhüten. Praktisch bedeutet das ein richterliches Ermessen, Gruppenrecht z. B. dann anzuwenden, wenn Angehörige einer bestimmten Gruppe unfähig erscheinen, das allgemeine Recht zu verstehen 97 .
3. Das internationale Privatrecht des Mehrrechtsstaates, und die internationalprivatrechtlichen Zuweisungen anderer Staaten an das Recht des Mehrrechtsstaates Für die Bildung rechtlicher Stellungnahmen zu solchen Situationen, die einerseits mit einem oder mehreren Teilrechten eines Mehrrechtsstaates, andererseits mit dem Ausland Verknüpfungen aufweisen, kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage. Ist schon die Bildung der Stellungnahme zu interregional verknüpften Situationen innerhalb des Mehrrechtsstaates Sache dezentralisierter Teilrechtsgesetzgeber, so kann diesen auch die Bildung der internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen überlassen sein; gliedstaatliche Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts müssen dann u. U. auch von denjenigen Gerichten angewendet werden, die der zentrale Gesetzgeber des Mehrrechtsstaates eingerichtet hat, wenn diese sich nach den Rechtsanwendungsanweisungen des Sitzstaates zu richten haben 98 . Werden exterritoriale Gerichte des Bundes im Ausland eingerichtet, so haben sie von den Teilrechten des Bundesstaates möglicherweise dasjenige materielle Privatrecht bzw. dasjenige internationale Privatrecht anzuwenden, das in der Hauptstadt gilt 9 9 . 298
Verweisungen auf das Recht eines Mehrrechtsstaates
§12
Selten ist es, daß die dezentralisierten Gesetzgeber für Gruppenrechte ermächtigt werden, den Anwendungsbereich des Gruppenrechts auch gegenüber dem Ausland abzustecken, obwohl in religiösen Gruppen mit eigenem Recht nicht selten angenommen wird, daß das eigene Gruppenrecht ohne weiteres auch für diejenigen Ausländer gelte, bei denen Zugehörigkeit zu der betreffenden Religion zu bejahen ist. Gibt der zentrale Gesetzgeber des Mehrrechtsstaates selbst die Rechtsanwendungsanweisungen für die inneren Konflikte, so ist er im allgemeinen auch allein zur Bildung von internationalem Privatrecht zuständig. Möglicherweise ist der zentrale Gesetzgeber hierfür auch dann zuständig, wenn die Bildung von interregionalen oder intergentilen Kollisionsnormen dezentralisiert ist 1 0 0 . Selbst wenn aber im Bundesstaat nur der zentrale Gesetzgeber die Zuständigkeit zur Schaffung von internationalem Privatrecht hat, ist es doch wieder möglich, daß er das internationale Privatrecht regional verschieden ausgestaltet, oder daß er unterschiedliche internationale Privatrechte in den einzelnen Teilgebieten aufrechterhält 1 0 1 . Bindet sich die zentrale Staatsgewalt im Bundesstaat durch völkerrechtliche Verträge, in denen bestimmte internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsanweisungen für den ganzen Staat vorgeschrieben werden, so kann die verfassungsrechtliche Frage entstehen, wie dies für die gliedstaatlichen Gerichte verbindlich gemacht werden kann 1 0 2 . Ein vom Bundesgesetzgeber geschaffenes vertragskonformes internationales Privatrecht könnte möglicherweise sogar auch den Anwendungsbereich von gliedstaatlichem Recht über das hinaus erweitern, was der gliedstaatliche Gesetzgeber selbst in Anspruch nehmen will. Sieht das internationale Privatrecht eines Forumstaates eine Verweisung auf das Recht eines anderen Staates vor, der sich als Mehrrechtsstaat erweist, unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts (oder als Gesamtverweisung), so entstehen keine Schwierigkeiten, wenn das internationale Privatrecht im Mehrrechtsstaat einheitlich geregelt ist. Stimmen die verschiedenen regionalen Kollisionsrechte des Mehrrechtsstaates für international verknüpfte Situationen zufällig inhaltlich überein, so ist die Situation auch hier unproblematisch. Gelten aber in dem Mehrrechtsstaat verschiedene inhaltlich unterschiedliche internationalprivatrechtliche Kollisionsnormen in den verschiedenen Teilgebieten, so muß im Forumstaat geprüft werden, auf welches Teilgebiet abgestellt werden soll 1 0 3 . Hier dürfte das anwendungswillige Recht des Teilgebiets, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, vorzuziehen sein. Zerfällt der Staat, dessen „eigenes" Recht auf Grund des internationalen Privatrechts eines anderen Forumstaates 104 anwendbar ist, in die Geltungsgebiete mehrerer Teilrechte, so ist ein de lege oder de facto uniformes interregionales oder intergentiles Kollisionsrecht auch in jenem anderen Forumstaat maßgebend. Es ist unbedingt zu vermeiden, daß hier ein uniformes internes Kollisionsrecht des Mehrrechtsstaates im fremden Forumstaat ignoriert wird 1 0 5 . Ist das innere Kollisionsrecht im Mehrrechtsstaat nicht einheidich, so ist im fremden Forumstaat wieder nach der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen zum Geltungsgebiet eines solchen interregionalen Kollisionsrechts zu fragen; eine besonders gewichtige Verknüpfung ist hierbei der wahrscheinlichste konkurrierende Gerichtsstand im Mehrrechtsstaat selbst 1 0 6 ' 1 0 7 . Will das internationale Privatrecht im Forumstaat das materielle Recht anderer Staaten zur Anwendung bringen lassen, auch wenn deren Sachnormen im Herrschaftsgebiete ihres Urhebers auf den heterogen verknüpften Sachverhalt nicht angewendet würden, und handelt es sich um einen Mehrrechtsstaat, dessen eigenes internationales Privatrecht die Anwendbarkeit eigenen Rechts ablehnt, so muß der Richter im Forumstaat selbst eine interregionale Zuweisung innerhalb des Mejirrechtsstaates „interpolieren" 108 . Dasselbe ist der Fall, wenn ein Richter im Mehrrechtsstaat die unbedingte Rückverweisung des auslän299
§12
Behandlung von Ausländern im Mehrrechtsstaat
dischen Kollisionsrechts auf das Recht des Mehrrechtsstaates „annehmen" will 1 0 9 . Da die Anwendung von fremdem Recht gegen den Willen des Urhebers im allgemeinen ohnehin gegen allgemeine Prinzipien des internationalen Privatrechts verstößt 110 , sind derartige Interpolationen interregionaler Kollisionsnormen im Mehrrechtsstaat letztlich nur als unvermeidliche „Auswege" zu rechtfertigen. Andere Schwierigkeiten entstehen, wenn ein Mehrrechtsstaat mit verschiedenen Gruppenrechten und intergentilem Kollisionsrecht nach Maßgabe seines internationalen Privatrechts „eigenes" Recht zur Anwendung bringen will, und im Zusammenhang damit Ausländer, insbesondere wenn es sich um Fragen des Personalstatuts handelt, nach „dem" Recht des Mehrrechtsstaates beurteilt werden müssen. Die Zuweisung an eines der verschiedenen inländischen Gruppenrechte bereitet wenig Schwierigkeiten, wenn im intergentilen Recht das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit so gestaltet ist, daß es auch bei einem Ausländer ohne weiteres zutreffen kann, wie z. B. bei dem Bekenntnis einer bestimmten Religion. Das Kriterium der Gruppenzugehörigkeit kann aber auch so gestaltet sein, daß es für Ausländer nur bei inländischem Wohnsitz verwirklicht sein kann, wie z. B. dann, wenn es auf die Zugehörigkeit zu einer organisierten inländischen Religionsgemeinschaft 111 , oder auf die Teilnahme am Leben einer Gruppe mit eigenem Stammesrecht ankommt. Kann ein Ausländer nicht in eine der verschiedenen Gruppen des Mehrrechtsstaates eingeordnet werden 1 1 2 , so kann dieselbe Lösung angebracht sein, wie wenn ein eigener Staatsangehöriger des Mehrrechtsstaates keiner der vorhandenen Gruppen mit eigenem Gruppenrecht angehört; es ist dann möglicherweise nach Billigkeit zu entscheiden 113 . Es kommt auch vor, daß Ausländer, die in einem Mehrrechtsstaat ansässig sind, ein besonderes eigenes „inländisches" Gruppenrecht haben 1 1 4 . Ist ein Ausländer in keiner der vorhandenen Gruppen unterzubringen, und soll trotzdem inländisches Recht des Mehrrechtsstaates zur Anwendung gebracht werden, weil eine sachliche Verknüpfung zum Inland vorliegt — Grundstücke eines Ausländers im Mehrrechtsstaat mit verschiedenen Gruppenrechten sollen nach der „inländischen" lex rei sitae vererbt werden —, so wird möglicherweise wieder doch Heimatrecht des Ausländers anstelle eines inländischen Gruppenrechts zur Anwendung gebracht 115 . Wenn in Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen im Mehrrechtsstaat nicht ein Gruppenrecht zur Anwendung gelangt, sondern Billigkeitsentscheidungen getroffen werden müssen, so ist dies erst recht dann angebracht, wenn nach dem internationalen Privatrecht des Mehrrechtsstaates auf Streitigkeiten von Inländern mit solchen Ausländern, die nicht derselben Gruppe angehören, jedenfalls ausländisches Recht nicht angewendet werden soll 1 1 6 . Wird in einem Mehrrechtsstaat einzelnen Gruppenrechten ein kleinerer Anwendungsbereich zugewiesen als anderen, indem mehrere Verknüpfungen zu der betreffenden Gruppe vorhanden sein müssen, ehe ihr Recht angewendet wird, so wird ein solches benachteiligtes eigenes Gruppenrecht gerade auch in international verknüpften Situationen meist zurücktreten, und anstatt dessen das im intergentilen Recht bevorzugte Teilrecht als das inländische Recht des Mehrrechtsstaates zur Anwendung gebracht werden, wenn nach den internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen sein Recht maßgebend ist. Vor allem religiöse Gruppenrechte beanspruchen von sich aus vielfach Anwendung auf Ausländer, wenn sie derselben Religion angehören, auch wenn keine Inlandsverknüpfung zu dem Staat besteht, der religiöse Gruppenrechte als eigene Teilrechte hat. Nach Auffassung des jüdisch-religiösen Rechts, das etwa in Israel das Personalstatut jüdischer Israelis beherrscht, gilt das religiöse Eherecht auch für Juden in solchen Ländern, die nur staatliches Eherecht haben; nach Auffassung des kanonischen Rechts der katholischen Kirche, das in Spanien als das Eherecht der Katholiken auch vom Staat anerkannt wird, gilt das kirchliche Eherecht, soweit es nicht selbst anderes bestimmt, für alle Getauften, auch wenn andere Staaten dies nicht anerkennen. Soweit eigene Gerichte einer solchen religiösen 300
Die Harmonisierung von internationalem und innerem Kollisionsrecht
§ 12
Gruppe auch in Fällen mit Auslandsverknüpfungen judizieren, haben sie Gelegenheit zur Anwendung des eben skizzierten Standpunktes vorzugsweise bei Vorfragen, also etwa bei religiösen Eheschließungen oder Scheidungen von Juden, die erst später Israelis werden. Wenn der Staat hier eine „exterritoriale" Anwendung des religiösen Gruppenrechts auf Rechtsverhältnisse, die gar nicht mit dem Inland verknüpft sind, duldet, so ist das bei Vorfragen nicht völkerrechtswidrig, aber unter den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts sicher nicht immer zu billigen 117 . Mit dem Anspruch einer religiösen Gemeinschaft, daß der Anwendungsbereich ihres Rechts nicht von Verknüpfungen mit dem Staat abhängig sei, der das religiöse Recht als Teilrecht seiner staatlichen Rechtsordnung anerkennt, hängt es zusammen, daß als eigene Gerichte einer solchen religiösen Gruppe eventuell auch Gerichte zu gelten haben, die in einem anderen Staat — etwa dem Sitz der zentralen Organe einer über mehrere Länder verbreiteten religiösen Gruppe — ihren Sitz haben 1 1 8 . Die Entscheidungen solcher auswärtigen religiösen Gerichte werden dann möglicherweise auch in dem Staat anerkannt, der das religiöse Gruppenrecht als eigenes Teilrecht mit eigenem Gerichtsverfassungsrecht betrachtet. Der Staat, der den Angehörigen einer bestimmten Religionsgruppe die Anwendung des religiösen Gruppenrechts zugesteht, tut dies unter Umständen in der Meinung, daß das religiöse Gruppenrecht überhaupt nicht zur Zuständigkeit des staatlichen Gesetzgebers gehört. Diese Meinung braucht in anderen Staaten selbstverständlich nicht geteilt zu werden; sie behandeln dann das religiöse Recht wie ein Teilrecht der fremden staatlichen Rechtsordnung.
4. Die Harmonisierung rechtsstaat
von internationalem
und innerem Kollisionsrecht
im Mehr-
So falsch es ist, internationales Privatrecht und interregionales Privatrecht absolut gleich zu regeln, so kann doch im Mehrrechtsstaat das internationale Privatrecht nicht ohne Rücksicht auf das interregionale bzw. intergentile Recht dieses Staates ausgebildet werden und umgekehrt: Es würde zu schwierigsten Problemen führen, wenn z. B. in der internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnorm für Ehen auf eine persönliche Zugehörigkeit des Mannes abgestellt würde, in der interregionalen oder intergentilen Zuweisungsnorm hingegen auf die Zugehörigkeit der Frau 1 1 9 . Während es bei der Ablösung eines Neustaates von einem bestehenden Staat möglich ist, das bisherige internationale Privatrecht dieses letzteren unter Umdeutung der auf das „Inland" hingehenden Zuweisungen 120 voll aufrechtzuerhalten, kann bei der Vergrößerung eines Landes durch Annexion das bisherige internationale Privatrecht des annektierten Gebietes bei krassen Abweichungen vom internationalen Privatrecht des Kernlandes nicht unverändert als partikuläres internationales Privatrecht und zugleich als örtliches interregionales Recht weitergelten 121 : Vergrößert sich ein Staat mit Wohnsitzprinzip um ein Gebiet, in dem bis dahin das Staatsangehörigkeitsprinzip galt, so wird im internationalen Recht bei Umdeutung der aufrechterhaltenen Kollisionsnormen des neu erworbenen Gebiets in interregionale Kollisionsnormen sicher nicht auf eine staatsangehörigkeitsähnliche Zugehörigkeit zu dem betreffenden Gebiet abgestellt werden. Aber auch soweit in dem neu erworbenen Gebiet dessen internationales Privatrecht aufrechterhalten wird, wird hier möglicherweise die Staatsangehörigkeit durch den Wohnsitz ersetzt werden 1 2 2 . Da im interregionalen Recht noch mehr als im internationalen Privatrecht das Bedürfnis besteht, divergierende Entscheidungen durch die Gerichte der verschiedenen Teilgebiete zu vermeiden, entfallen bei einer Umdeutung der internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen eines Teilgebietes in lokale interregionale Zuweisungsnormen solche Bestimmungen, welche dem „eigenen" Recht im Verhältnis zum fremden Recht einen 301
§13
Das Zeitmoment im internationalen Privatrecht
unparitätisch großen Anwendungsbereich verschaffen, oder das eigene Recht mit dem berufenen „fremden" Recht kumulieren 1 2 3 . Wird das Geltungsgebiet eines einzelnen Teilrechts eines Mehrrechtsstaates zu einem selbständigen Staat, so bleiben im Verhältnis zwischen dem Altstaat und dem Neustaat die bisher geltenden interregionalen Kollisionsnormen nicht etwa als besonderes internationales Privatrecht im Verhältnis zwischen diesen beiden Staaten in Kraft, sondern in jedem der beiden Staaten gilt das normale internationale Privatrecht auch für solche Situationen, die nur mit diesen beiden Staaten verknüpft sind. Das schließt nicht aus, daß kraft besonderer Bestimmungen in dem einen oder dem anderen Staat gewisse Staatsakte des anderen weiterhin „wie inländische" Staatsakte behandelt werden. Es ist aber unmöglich, im Verhältnis zu dem abgelösten Neustaat zu behaupten, daß sein Gebiet generell weiterhin als Inland zu betrachten sein, und daß sein Recht generell, wie seinerzeit im Mehrrechtsstaat, „inländisches" Recht darstelle 1 2 4 . Hat ein Mehrrechtsstaat ein unparitätisches intergentiles (evtl. auch interregionales) Recht gehabt, und löst sich ein Gebietsteil als Neustaat ab, so ist es trotz der Anordnung, daß in dem Neustaat das bisherige Recht in Kraft bleibt, nicht ohne weiteres anzunehmen, daß die unparitätische Behandlung desjenigen Teilrechts aufrechterhalten bleibt, dem nunmehr die Mehrheit der Staatsangehörigen des abgelösten Staates untersteht 1 2 5 . § 13. Das Z e i t m o m e n t im internationalen P r i v a t r e c h t a) Die Abgrenzung der zeitlichen Anwendungsbereiche von altem und neuem Spezialrecht und alten und neuen Zuweisungsnormen des Forumstaates Folgt in einer staatlichen Rechtsordnung einer in einem bestimmten Zeitraum geltenden Regelung homogen verknüpfter Sachverhalte durch Sachnormen des normalen Inlandsrechts der Erlaß einer Neuregelung (sei es durch dasselbe Staatsorgan in derselben Zusammensetzung, wie es die ältere Regelung gebildet hat, sei es durch das Nachfolgeorgan), so muß unvermeidlicherweise nunmehr der zeitliche Anwendungsbereich, der dem älteren Recht noch zukommen soll, für Situationen, die mit der Zeit vor und der Zeit nach dem „Inkrafttreten" des neuen Rechts verknüpft sind, gegenüber dem Anwendungsbereich des neuen Rechts abgegrenzt werden 1 . Es kann dies in verschiedener Weise geschehen. Der zuletzt tätig gewordene Gesetzgeber kann in einer „bilateralen" intertemporalen Rechtsanwendungsanweisung ausdrücklich bestimmen, auf welche Verknüpfungen in den Zeiten vor und nach dem „Inkrafttreten" der neuen Normen es ankommen soll, damit der nationale Richter vom Inkrafttreten dieser intertemporalen Rechtsanwendungsanweisung ab das neue bzw. das alte Recht zur Anwendung zu bringen hat. Es ist auch möglich, und praktisch wohl häufiger, daß in Verbindung mit der Formulierung der neuen Sachnormen, und zwar meist bei der Beschreibung des Tatbestandes, der zeitliche Anwendungsbereich der neuen Normen in der Weise abgesteckt wird, daß zum Ausdruck gebracht wird, welche Vorgänge vom „Inkrafttreten" ab (eventuell auch von einem anderen früheren oder späteren Zeitpunkt ab), und selbstverständlich in der Folgezeit (dies eventuell aber nur bis zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt), entscheidend für die Anwendbarkeit des neuen Gesetzes sein sollen; das ist dahin zu verstehen, daß „im übrigen" die alten Gesetze weiter gelten 2 . Drittens ist es möglich, die Anwendbarkeit des neuen Rechts auch für „alte" Rechtsverhältnisse vorzusehen und altes Recht darauf nur noch anzuwenden, soweit eine ausdrückliche Bestimmung in diesem Sinne getroffen wird. Vielfach ist es so, daß mangels einer auf eine bestimmte gesetzliche Neuregelung bezüglichen ausdrücklichen intertemporalen Regelung subsidiär „abstrakte" intertemporale Rechtsanwendungsanweisungen zum Zuge kommen, die für die einzelne staatliche Privatrechtsordnung möglicherweise in einem Gesetz 3 , häufig aber in anerkannten unge302
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schriebenen Regeln 4 enthalten sind, und die im Zweifel für die Abgrenzung aller sich zeitlich folgenden Sachnormen dieses Staates gelten wollen. Dabei steht fest, daß irgendwelche beim Inkrafttreten von neuem Recht zunächst maßgeblichen intertemporalen Regelungen durch später erlassene abweichende intertemporale Rechtsanwendungsanweisungen abgelöst werden können; so kann vor allem der zeitliche Anwendungsbereich, der einem neuen Gesetz im Zusammenhang mit seinem Erlaß zugelegt wird, durch später geschaffene Rechtsanwendungsanweisungen — und zwar rückwirkend — in die Vergangenheit erweitert oder verengert werden. Bei allen diesen intertemporalen Rechtsanweisungen ist es so, daß eine zeitlich heterogen verknüpfte Situation keineswegs immer nur dem alten oder nur dem neuen Recht zugewiesen werden könnte; nicht selten wird, wenn Verknüpfungen sowohl zur Vergangenheit als auch zur Zukunft bestehen, alternativ dasjenige Recht als anwendbar erklärt, welches ein bestimmtes Ergebnis mehr fördert. Das Gesagte gilt zunächst einmal für die auf homogen verknüpfte Situationen anwendbaren Sachnormen des normalen Inlandsrechts. Das Gesagte gilt aber auch für Spezialrechtssätze, die für international heterogen verknüpfte Situationen gelten wollen, und die, wie anderweit gezeigt 5 , stets ihren räumlichen Anwendungsbereich selbst abschließend festlegen. Die Folge davon ist, daß auch der räumliche Anwendungsbereich eines neu erlassenen Spezialrechtssatzes nach Maßgabe der letzten intertemporalen Rechtsanwendungsanweisung für alle diejenigen Fälle gilt, in denen das neue Spezialrecht anwendbar sein soll, während in denjenigen Fällen, in denen das alte Spezialrecht noch zur Anwendung gelangt, auch der von ihm fixierte räumliche Anwendungsbereich weiterhin maßgebend ist. Wird also z. B. durch die ältere Norm eine Genehmigung zu Kaufverträgen über inländische Grundstücke gefordert, wenn der Käufer Ausländer, der Verkäufer Inländer ist, während die neue Spezialnorm Genehmigung für jeden Erwerb inländischer Grundstücke durch Ausländer (also auch vom ausländischen Veräußerer) fordert, und erklärt die neue Norm selbst, daß sie für alle bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht erfüllten Kaufverträge gelten wolle, so erfaßt sie auch einen vor dem Inkrafttreten bindend gewordenen, aber noch nicht erfüllten Verkauf eines inländischen Grundstücks durch einen ausländischen Verkäufer an einen anderen Ausländer. Das Gesagte gilt auch, wenn eine Sachnorm des Inlandsrechts zugleich den räumlichen Bereich ihrer Anwendung auf heterogen verknüpfte Situationen selbst abschließend bestimmt 6 : Will das neue Erbgesetz eines Landes ausdrücklich auf alle Nachlässe von Erblassern mit inländischem Wohnsitz, und zwar für alle Erbfälle Anwendung finden, bei denen der Nachlaß zur Zeit des Inkrafttretens des neuen Gesetzes noch nicht verteilt bzw. von allen Erben angenommen worden ist, während das alte Erbgesetz auf die inländische Staatsangehörigkeit des Erblassers zur Zeit des Todes abstellte, so ist die Erbfolge nach einem vor dem Inkrafttreten des neuen Erbgesetzes verstorbenen Erblasser mit inländischer Staatsangehörigkeit und ausländischem Wohnsitz nach dem alten inländischen Recht, die Erbfolge nach einem vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verstorbenen ausländischen Erblasser mit inländischem Wohnsitz, wenn der Nachlaß noch nicht verteilt ist, nach dem neuen inländischen Erbrecht zu beurteilen, während weder altes noch neues inländisches Recht, sondern ausländisches Recht anwendbar ist, wenn es sich um einen bereits abgewikkelten Nachlaß eines mit inländischem Wohnsitz vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes verstorbenen Ausländer handelt. Sind für die Abgrenzung der zeitlichen Anwendungsbereiche von altem und neuem Inlandsrecht über eine bestimmte Materie im Bereich der homogen verknüpften Situationen keine besonderen Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Erlaß des neuen Rechts getroffen worden, so gelten die eingangs erwähnten subsidiären abstrakten Regeln des „nationalen" intertemporalen Rechts: Neues Erbrecht gilt dann etwa für alle Erbfälle, die 303
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Anwendungsbereich alter und neuer Kollisionsnormen
nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eintreten, altes Erbrecht, wenn der Todesfall vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes liegt. Dieselben subsidiären Regeln des intertemporalen Kollisionsrechts im Forumstaat bestimmen dann aber auch die zeitlichen Geltungsbereiche von neuen und alten Abgrenzungen des räumlichen Anwendungsbereiches der inländischen Sachnormen, die in gesonderten Gesetzen mit internationalprivatrechtlichen Zuweisungen enthalten sind 7 . Dabei können gewisse Komplikationen aus folgenden Gründen eintreten: Löst der Gesetzgeber ältere eigene Sachnormen für homogen verknüpfte Situationen durch neues Recht ab, so kann er Detailfragen des intertemporalen Rechts, die nicht in den abstrakten Regeln des subsidiären intertemporalen Rechts für diesen Staat gelöst sind, durch spezielle gesetzliche Bestimmungen regeln; diese speziellen intertemporalen Bestimmungen nehmen dann Rücksicht auf die inhaltlichen Eigenarten des neuen und des alten Rechts, die ja dem Urheber dieser intertemporalen Regelung bekannt sind. Eine solche am Inhalt des alten und neuen Rechts orientierte intertemporale Regelung ist aber nicht möglich, wenn zwischen dem auf Grund neuer Kollisionsnormen berufenen Recht irgendwelcher Länder und dem auf Grund der alten Kollisionsnormen berufenen Recht irgendwelcher Länder zeitlich abgegrenzt werden soll. Hier müssen die durch die inhaltlichen Eigenarten des von alten Kollisionsnormen und von neuen Kollisionsnormen berufenen Rechts bestimmten Detailregelungen der richterlichen Rechtsergänzung überlassen bleiben. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, daß die Frage nach der Abgrenzung der zeitlichen Anwendungsbereiche der durch Zuweisungsnormen berufenen (inländischen oder ausländischen) Sachnormen gegenüber dem auf Grund der älteren Kollisionsnormen berufenen Recht beim Wechsel der internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen im allgemeinen analog dem beantwortet wird, was geschieht, wenn der Gesetzgeber des Forumstaates die Sachnormen seines älteren eigenen Inlandsrechts für homogen verknüpfte Sachverhalte durch neues Inlandsrecht ablöst 8 . Das bedeutet insbesondere, daß die zeitliche Fixierung der in der neuen Zuweisungsnorm verwendeten Anknüpfungsmomente unter analoger Anwendung dessen zu erfolgen hat, was bei der Änderung von Sachnormen im Inlandsrecht des Forumstaates rechtens ist: Lauten die subsidiären abstrakten intertemporalen Regeln in einem Staat dahin, daß neues Erbrecht für die Beerbung der nach dem Inkrafttreten der neuen Sachregelung verstorbenen Erblasser gilt, das ältere Erbrecht aber weiterhin für die vor diesem Zeitpunkt erfolgten Erbfälle anwendbar ist, so bedeutet eine analoge Anwendung bei der Einführung neuer Kollsionsnormeri für erbrechtliche Fragen, daß das durch die neue Kollisionsnorm bezeichnete Erbrecht nur anwendbar ist für diejenigen Fälle, in denen das maßgebliche Anknüpfungsmoment im Zeitpunkt des Todes nach dem Inkrafttreten der neuen Kollisionsnormen verwirklicht ist. Es ist denkbar, daß der zeitliche Anwendungsbereich der alten und der neuen Kollisionsnormen, und damit die Grenze zwischen den zeitlichen Anwendungsbereichen der durch die alten bzw. neuen Kollisionsnormen berufenen Sachnormen im Forumstaat, durch ausdrückliche gesetzliche Regelungen anders abgesteckt wird, als es bei analoger Anwendung der „abstrakten" subsidiären Regeln des intertemporalen Rechts des betreffenden Staates der Fall wäre: Bestimmt die neue Kollisionsnorm das anwendbare Erbrecht über den Wohnsitz, die alte über die Staatsangehörigkeit, so kann ausdrücklich bestimmt werden, daß das Erbrecht des Wohnsitzlandes zur Zeit des Todes des Erblassers auf alle noch nicht abgewickelten Nachlässe, für die das Gericht des Forumstaates aus irgendeinem Grunde tätig werden muß, angewendet werden soll, auch wenn der Todeszeitpunkt vor dem Inkrafttreten der neuen Kollisionsnormen liegt, obwohl dabei die Sachnormen des inländischen Rechts nach dem Stande des Todeszeitpunkts zugrunde gelegt werden. Tritt das neue Kollisionsrecht erst längere Zeit nach seiner Verkündung in Kraft, so könnte ausdrücklich bestimmt werden, daß die testamentarische Erbfolge sich nach dem durch die 304
Völkerrechtliche Gesichtspunkte
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neue Kollisionsnorm berufenen Recht richtet, wenn der Zeitpunkt der Testamentserrichtung und der Todeszeitpunkt zwischen der Verkündung des neuen Gesetzes und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegen, wobei aber die Sachnormen des eigenen Rechts erst gelten, wenn der Erbfall sich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, eventuell auch zu einem ausdrücklich bestimmten Zeitpunkt zwischen Verkündung und Inkrafttreten, ereignet. Derartige anormale Rückwirkungen neu eingeführter Zuweisungsnormen sind insbesondere dann als durch allgemeine Prinzipien des internationalen Privatrechts gedeckt anzusehen, wenn die neue Zuweisungsnorm den von anderen beteiligten Ländern schon bisher verwendeten Zuweisungsnormen ähnlicher ist als die alte Zuweisung im Forumstaat. b) Völkerrechtliche Gesichtspunkte Wenn das Völkerrecht es erfordert, daß, um die Anordnung der Anwendung des eigenen Rechts auf die Frage nach dem Bestehen von menschlichen Verhaltenspflichten durch einen Forumstaat zu rechtfertigen, eine ausreichende Verknüpfung zu diesem Staat bestehen muß, so wird es unumgänglich zu klären, zu welchem Zeitpunkt diese Verknüpfung nach Völkerrecht gegeben sein muß. Es dürfte allgemeine völkerrechtliche Rechtsüberzeugung sein, daß nach dem Wegfall sämtlicher völkerrechtlich ausreichenden Verknüpfungen zu einem Staat dieser nicht mehr befugt ist, an später eintretende Tatbestände Verhaltenspflichten gemäß seinem Recht anzuknüpfen. Auch eine früher bestehende Staatsangehörigkeit in einem Staat legitimiert diesen nicht, weiterhin Verhaltenspflichten für den betreffenden Menschen gemäß seinem eigenen Recht zu begründen 9 ; die frühere Staatsangehörigkeit 10 kann allerdings zusammen mit anderen Nachschubverknüpfungen11 mit in die Waagschale geworfen werden, um die Anwendbarkeit des eigenen Rechts damit zu begründen, daß die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu diesem Staat hingeht. Während es im allgemeinen ausreicht, daß eine Verknüpfung im Zeitpunkt der Fälligkeit einer vom Recht eines Staates begründeten Verhaltens- oder Leistungspflicht vorhanden ist, darf nach Völkerrecht ein Staat, wenn im Zeitpunkt der Verwirklichung eines nach seinem Recht die Verhaltenspflicht auslösenden Tatbestandes eine ausreichende Verknüpfung besteht, durch Anwendbarerklärung seines Rechts auch Verhaltenspflichten begründen, die möglicherweise erst nach dem späteren Wegfall dieser Verknüpfung zu erfüllen sind. Das ist sicher anzunehmen, wenn zur Zeit der Fälligkeit einer Verhaltenspflicht irgendwelche anderen Verknüpfungen zu dem Urheberstaat der anwendungswilligen pflichtbegründenden Norm noch bestehen; aber das ist keine unbedingte Notwendigkeit: Erklärt ein Rechtssatz denjenigen, der durch eine Handlung einen möglicherweise erst zukünftig entstehenden Schaden verursacht, zur Leistung von Schadensersatz nach Eintritt des Schadens und der Feststellbarkeit der Schadenshöhe für verpflichtet, so kann der staatliche Urheber dieses Rechtssatzes, der ihn wegen einer im Zeitpunkt der Handlung bestehenden Inlandsverknüpfung als anwendbar erklärt, diesen Satz auch dann noch durch seine Gerichte anwenden lassen, wenn Inlandsverknüpfungen zur Zeit der Verwirklichung des Schadens nicht mehr bestehen. Daß andere Staaten unter Umständen in ihren Zuweisungsnormen auf ausländisches Recht auf dem Vorhandensein einer Nachschubverknüpfung, oder gar einer bestimmten Nachschubverknüpfung, bestehen, damit ihre Gerichte das „noch" anwendungswillige ausländische Recht anzuwenden haben, ist eine andere Sache. Ein Forumstaat, der anwendungswilliges ausländisches Recht anwenden will, kann eine Nachschubverknüpfung zu dem fremden Staat insbesondere dann für erforderlich halten, wenn der Urheberstaat der pflichtbegründenden Norm vor deren Erfüllung sein materielles Recht ändert, und auf die nach altem Recht begründete Verpflichtung nunmehr sein neues Recht zur Anwendung bringen will. Das Völkerrecht selbst ist großzügiger: 305
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Völkerrechtliche Gesichtspunkte
Darf ein Staat einem Menschen nur auf G r u n d der Tatsache, daß er zufällig auf seinem Staatsgebiet geboren wurde, seine Staatsangehörigkeit, und damit für die Dauer seines Lebens die Personalhoheit, und damit die Anwendbarkeit seines Rechts oktroyieren, so können nach Völkerrecht sicher auch Inlandsverknüpfungen, die zur Zeit der Entstehung eines einzelnen Recht-Pflicht-Verhältnisses den Anwendungsanspruch eines nationalen Rechts legitimieren, ausreichen, damit der betreffende Staat das Rechtsverhältnis bis zu seiner Abwicklung seinem jeweiligen Recht auch dann unterstellt, wenn die anfänglich vorhandene Inlandsverknüpfung später wegfällt, oder die „ E r e i g n i s v e r k n ü p f u n g " 1 2 nicht durch eine Dauerverknüpfung ergänzt wird. N u r soweit der Statutsstaat durch neue Gesetze eine schon erfüllte Verpflichtung nachträglich Wiederaufleben lassen und nochmals vergrößern will, dürfte allerdings auch nach Völkerrecht eine Nachschubverknüpfung erforderlich sein 1 3 . Wichtig ist, daß vor allem eine Unterwerfung eines rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnisses unter das nationale Recht eines bestimmten Staates durch die Parteien von diesem Staat als eine Verknüpfung betrachtet werden darf, aus der er das Recht herleiten kann, Pflichten aus dem Rechtsverhältnis auch durch später erlassene gesetzliche Vorschriften zu vergrößern oder sonstwie zu ändern. Entsteht zu einem Staat in einem bestimmten Zeitpunkt eine Verknüpfung, die ihn zur Begründung von zukünftig fälligen Verhaltens- oder Leistungspflichten völkerrechtlich legitimiert, so ist es auch völkerrechtlich unbedenklich, daß dieser Staat auslandsverknüpfte Tatbestände, die sich vorher ereignet haben, „rückwirkend" gemäß seinem Recht als pflichtauslösende Tatbestände bewertet, sofern nur die Verhaltens- oder Leistungspflicht n a c h dem Zeitpunkt zu erfüllen ist, zu dem eine legitimierende Verknüpfung erstmals vorlag. So darf insbesondere der neue Heimat- oder Wohnsitzstaat einer Person pflichtbegründende Rechtsgeschäfte, die vor dem E r w e r b dieser Staatsangehörigkeit bzw. dieses Wohnsitzes errichtet wurden, und die nach den früheren Heimat- bzw. Wohnsitzrechten nichtig waren, als gültige Rechtsgeschäfte behandeln, um damit jedenfalls solche Rechtspflichten zu begründen, die während des Bestehens der neuen Staatsangehörigkeit b z w . des neuen Wohnsitzes fällig werden. Umgekehrt hindert das Völkerrecht nicht, daß der neue Heimatstaat einer Person z. B . der unter ihrem früheren Heimatrecht erfolgten Ehescheidung die Anerkennung verweigert, und die Ehe „unter seinem Recht" als weiterbestehend betrachtet 1 4 . Ein Staat, der als Heimatstaat einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt befugt ist, auf G r u n d irgendwelcher Tatbestände ihr Pflichten zum Ersatz von Schäden aufzuerlegen, auch wenn sie den Schaden nicht durch rechtswidriges Verhalten verursacht hat, darf nach Völkerrecht solche Beitragspflichten zur Beseitigung von Schäden auch dann auferlegen, wenn zur Zeit der Schadensentstehung noch keine Verknüpfung zu dem betreffenden Staat bestand, aber eine solche Verknüpfung später verwirklicht worden ist. Selbstverständlich kann ein anderer Staat als Forumstaat derartige Stellungnahmen als krasse Abweichung von seiner eigenen Haltung für eine entsprechende Situation empfinden, und die Anwendung rückwirkender N o r m e n des neuen Heimatstaates mit Hilfe seiner negativen ordre public-Klausel ablehnen. Jeder Staat, zu dem unmittelbar vor dem Zeitpunkt des rechtlich kritischen Verhaltens irgendeine ausreichende Verknüpfung besteht, darf nach Völkerrecht sicher auch das Verhalten aus einem Rechtsverhältnis regeln, welches bereits vom Standpunkt eines anderen Staates her gemäß dessen Recht besteht, und auf welches auch dieser Staat nach Völkerrecht weiterhin sein eigenes Recht anwenden darf: Verlegen Eheleute, deren Ehe bisher von dem Staat, in dem sie Staatsangehörigkeit und Wohnsitz hatten, der Staatsangehörigkeit wegen seinem Recht unterstellt wurde, nur ihren Wohnsitz in einen anderen Staat, und wendet der Heimatstaat weiterhin sein Recht an, so hindert dies den neuen Wohnsitzstaat nicht, unter Verwendung der Wohnsitzverk n ü p f u n g nunmehr Anwendung seines Rechts auf die Ehewirkungen zu beanspruchen. 306
Ausländisches intertemporales Recht
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c) Die Beachtlichkeit der intertemporalen Rechtsanwendungsanweisungen des berufenen und anwendungswilligen ausländischen Rechts
Ist mit Hilfe der neuesten, bzw. der nach Maßgabe des intertemporalen Kollisionsrechts des Forumstaates noch anwendbaren älteren internationalprivatrechtlichen Kollisionsnorm im Forumstaat ein ausländisches Recht für die als Hauptfrage gestellte Rechtsfrage als berufen anzusehen, und ist dessen Anwendungswilligkeit zu prüfen, so kann es dafür wieder nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts im Forumstaat ankommen. Hat auch der Staat, dessen Recht im Forumstaat berufen ist, sein internationales Privatrecht im Laufe der Zeit geändert, so ist bei der Prüfung der Anwendungswilligkeit des materiellen Rechts dieses Staates zu untersuchen, ob seine Gerichte gemäß den dort maßgeblichen intertemporalen Normen neues oder altes internationales Privatrecht anzuwenden haben, und ob nach der hiernach maßgeblichen Kollisionsnorm eigenes Recht dieses Staates durch seine Gerichte anwendbar ist 15 . Ist das zu bejahen, so können neue Komplikationen dadurch entstehen, daß der fremde Staat sein materielles Recht im Laufe der Zeit geändert hat, wobei es zur Bildung von speziellen gesetzlichen Regelungen des intertemporalen Rechts gekommen ist, oder wobei die Gerichte in dem betreffenden Staat auf die subsidiären abstrakten intertemporalen Regelungen dieses Staates zurückgreifen müssen. Die intertemporalen Regelungen in dem Staat, der mit eigenem Recht anwendungswillig ist, können nun von dem intertemporalen Rechtsanwendungsrecht des Forumstaates durchaus abweichen: Der mit seinem Recht im Forumstaat berufene fremde Staat kann z. B. neu erlassenem Recht in weit größerem Umfange Rückwirkung zubilligen, als dies im Forumstaat bei Gesetzesänderungen geschieht. Gegen besonders krasse Abweichungen des intertemporalen Kollisionsrechts in der mit ihren Sachnormen berufenen ausländischen Rechtsordnung von dem Stand des intertemporalen Rechts im Forumstaat kann der Forumstaat mit Hilfe seiner negativen ordre public-Klausel in derselben Weise reagieren, wie er gegen krasse inhaltliche Abweichungen ausländischer Sachnormen von den Sachnormen des Forumstaates reagiert: Ist es im Forumstaat „undenkbar", daß die mit einem Erbfall gemäß dem zur Zeit des Erbfalles geltenden Recht „wohlerworbenen" Rechte der Miterben auf bestimmte Quoten am Nachlaß nachträglich geändert werden, nur weil der Nachlaß zur Zeit des Inkrafttretens von neuem Erbrecht aus Gründen, die nicht von den Erben zu verantworten sind, noch nicht abgewickelt ist, so wird man sich in diesem Forumstaat rückwirkender Anwendung von neuen („postmortalen") Erbgesetzen des ausländischen Erbstatuts widersetzen, vorausgesetzt, daß eine Binnenbeziehung zum Forumstaat, sei es in Gestalt der Belegenheit von Nachlaßgegenständen, sei es in Gestalt der inländischen Staatsangehörigkeit von Erbprätendenten, vorliegt 16 . Während vor allem eine rückwirkende Begründung von gesetzlichen Verhaltens- oder Leistungspflichten mit der Folge, daß die Nichterfüllung der rückwirkend begründeten Rechtspflicht Unrechtsfolgen in Gestalt von Schadensersatzansprüchen usw. auslöst, in einem anderen Forumstaat häufig an dessen negativer ordre public-Klausel scheitern wird, mag eine rückwirkende Validierung von Rechtsgeschäften dort hingenommen werden, wenn der Gültigkeitsmangel den Geschäftserrichtern unbekannt war und sie sich vor der Validierung nicht darauf berufen haben 163 . Gesetzgeberische Eingriffe, welche Rechte und Pflichten aus bereits bestehenden Rechtsverhältnissen gegenüber dem anfänglichen Stand verändern wollen, werden allerdings vielfach gar nicht von dem Gesetzgeber vorgenommen, welcher bisher das Statut für das Rechtsverhältnis stellte, sondern erfolgen oft durch einen anderen Gesetzgeber, der seine diesbezügliche Norm „selbständig anknüpft", d. h. auch für Rechtsverhältnisse zur Anwendung bringen lassen will, die einem anderen „Geschäftsstatut" unterstehen: Gesetzliche Moratorien für Geldschulden wollen zumeist nicht für „alte" Geldschulden aus sol307
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Dauerrechtsverhältnisse
chen Rechtsverhältnissen gelten, für die das Recht des betreffenden Landes das Schuldstatut ist, sondern wollen etwa für alle Geldforderungen an Schuldner mit inländischem Wohnsitz maßgebend sein. Falls in einem anderen Staat nicht auf die negative ordre publicKlausel zurückgegriffen wird, werden derartige Normen außerhalb des Urheberstaates im allgemeinen dann angewendet, wenn der Urheberstaat des Moratoriumsgesetzes auch das Schuldstatut stellt. Ist das nicht der Fall, so müssen besondere Gründe hinzukommen, damit es zur Anwendung des selbständig angeknüpften Moratoriumsgesetzes in anderen Staaten kommt 17 . Der Gedanke, daß von dem inländischen oder ausländischen Recht, wie es vermittels des zu einem bestimmten Zeitpunkt verwirklichten Anknüpfungsmoments im Forumstaat berufen ist, die neuere bzw. ältere Sachregelung nach Maßgabe derjenigen intertemporalen Rechtsanwendungsanweisungen anwendbar ist, die der zur Sachregelung berufene Gesetzgeber im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts als beachtlich erklärt, bedarf jedoch einer weiteren Prüfung und Klarstellung. Sowohl ganze Recht-Pflicht-Verhältnisse, als auch andere rechtliche Vorgänge erstrecken sich über eine gewisse Zeit. Dieser „Lebenszeitraum" eines Rechtsverhältnisses kann relativ kurz sein, wie die Abwicklung eines einfachen Kaufvertrages oder der Abschluß des Vertrages selbst. Von vornherein auf längere Dauer angelegt sind rechtsgeschäftlich begründete Rechtsverhältnisse wie die Ehe, oder gesetzliche Rechtsverhältnisse wie die Unterhaltspflicht der Eltern; hier bestehen Pflichten zu einer ständig sich wiederholenden Leistung usw. Schließlich ist für das einmal entstandene Eigentum an Sachen, ungeachtet eines Wechsels der Rechtsinhaber, überhaupt keine entsprechende zeitliche Beschränkung vorgesehen, wie sie bei Ehe und Unterhaltspflicht besteht, es sei denn, daß die Sache zerstört oder herrenlos wird. Damit entsteht vor allem die Frage, ob solche Dauerrechtsverhältnisse für den ganzen Zeitraum ihres Bestehens nur nach einem Recht beurteilt werden sollen, oder ob das Rechtsverhältnis für die einander folgenden zeitlichen Phasen seiner Existenz verschiedene „Statuten" haben soll. Das Statut beherrscht dann das Rechtsverhältnis nur innerhalb einer bestimmten Zeit, was zur Folge hat, daß während dieser Zeit das beherrschende Statut auch neue Vorschriften nach Maßgabe seiner intertemporalen RechtsanWeisungen auf das Rechtsverhältnis zur Anwendung bringen kann; allerdings muß auch die Frage gestellt werden, ob nicht eventuell ein solches Statut nach dem Ende seiner eigentlichen Herrschaft noch rückwirkende Änderungen der früher von ihm verfügten Wirkungen vorsehen könnte 18 . Die Anknüpfungsmomente, die zur Ermittlung des Statuts führen können, sind nun ihrerseits entweder Ereignisverknüpfungen, wie Geburtsort, Geschäftserrichtungsort, Deliktsort, oder sie sind Dauerverknüpfungen, wie Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz einer Person, Belegenheit einer Sache. Während Ereignisverknüpfungen nicht variabel sind, können Dauerverknüpfungen zunächst zu diesem, später zu einem anderen Staat hingehen. Geht es nun darum, die Statuten für ein Rechtsverhältnis zu bezeichnen, welches als Dauerrechtsverhältnis nicht für die ganze Dauer seiner Existenz einem Recht, sondern möglicherweise mehreren Rechten unterstehen soll, so sind Ereignisverknüpfungen hier offensichtlich nicht sachgerecht, während sich gerade variable Dauerverknüpfungen für diesen Zweck gut eignen. Für Rechtsverhältnisse, welche Dauerrechtsverhältnisse sind, denen aber keine unabsehbare Lebensdauer zugeschrieben werden kann, wie der Ehe, wird nun im positiven Recht nicht selten zwar eine variable Dauerverknüpfung zum Anknüpfungsmoment gemacht, aber es wird gerade nicht berücksichtigt, wenn das Anknüpfungsmoment sich verändert; so wird also beispielsweise die Staatsangehörigkeit des Mannes zur Zeit der Eheschließung für die ganze Dauer der Ehe zugrunde gelegt, um das Güterrechtsstatut zu bestimmen, während für die persönlichen Ehewirkungen das jeweilige Heimat308
Intertemporales Recht und Dauerrechtsverhältnisse
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recht des Mannes maßgebend sein soll. Zwischen diesen beiden Lösungen sind jedoch auch Zwischenlösungen denkbar und, wie sich aus dem Folgenden ergibt, auch sachgerecht. Wenn das Statut für ein Rechtsverhältnis während der Dauer seiner Herrschaft auch mit neu erlassenen Vorschriften auf das bestehende Rechtsverhältnis einwirken kann, so gilt dies auch, wenn das Statut von den Parteien selbst gewählt wird. Hier kann und sollte das für ein rechtsgeschäftlich begründetes Rechtsverhältnis gewählte Recht seine Anwendungswilligkeit davon abhängig machen, daß die Rechtswahl sich insbesondere auf zukünftige zwingende Vorschriften des gewählten Geschäftsstatuts bezieht, die auf bereits bestehende Rechtsverhältnisse Anwendung finden wollen 19 . Ebenso wie die ausdrückliche Wahl des Geschäftsstatuts ist es zu behandeln, wenn ein Recht deshalb gesetzliches Geschäftsstatut sein will, weil zu diesem Statut eine Ereignisverknüpfung hingeht, welche die Parteien selbst einverständlich geschaffen haben, wie insbesondere der Geschäftserrichtungsort oder der vereinbarte Erfüllungsort. Ist für ein rechtsgeschäftlich begründetes Rechtsverhältnis eine längere Zeit seiner Abwicklung vorauszusehen, und wird das Geschäftsstatut durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen bestimmt, so handelt es sich dabei zunächst einmal sicher um die zur Zeit der Entstehung des Rechtsverhältnisses vorhandenen Verknüpfungen; doch ist es keineswegs so, daß das Recht, das zu diesem Zeitpunkt durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen bestimmt wird, auch weiterhin maßgebend sein müßte, wenn die einzelnen Verknüpfungen, und damit auch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen, sich verschieben: Bei einem auf lange Zeit berechneten Gesellschaftsverhältnis, oder bei einer auf Lebenszeit einer Partei vereinbarten Unterhaltspflicht, kann es nicht unbeachtlich bleiben, wenn alle anfänglich vorhandenen Verknüpfungen durch andere ersetzt werden, und schließlich die gewichtigste Kombination zu einem anderen Staat hingeht. Dann muß also ein Statutenwechsel bezüglich des Geschäftsstatuts angenommen werden 20 . Die größten Schwierigkeiten entstehen, wenn das gesetzliche Statut für ein rechtsgeschäftlich begründetes Dauerrechtsverhältnis durch ein nicht von den Parteien einverständlich geschaffenes Anknüpfungsmoment bestimmt werden soll, und wenn dabei eine variable Dauerverknüpfung zum Anknüpfungsmoment erklärt wird, so wie sie zur Zeit der Begründung des Rechtsverhältnisses besteht. Der innere Widerspruch, der darin liegt, das Statut für ein Dauerrechtsverhältnis mit Hilfe einer variablen Dauerverknüpfung zu bestimmen, aber nur den ersten Stand dieser Dauerverknüpfung zu berücksichtigen, wird fühlbar, wenn nach einem Wechsel des Anknüpfungsmoments das „erste" und einzig maßgebliche Statut mit neuen Gesetzen Anwendung beansprucht; also wenn beispielsweise der Staat, der zur Zeit der Eheschließung Heimatstaat des Mannes war, nach einem Staatsangehörigkeitswechsel des Mannes auf den bisherigen Güterstand mit neuen Gesetzen einwirken will, oder wenn gar der Forumstaat diese neuen Gesetze gegen den Willen ihres Urhebers als anwendbar erklärt 21 . Läßt sich auf der einen Seite argumentieren, daß die Parteien damit, daß sie die Ehe in Kenntnis der Anwendungswilligkeit des Heimatrechts des Mannes für den Güterstand während der ganzen Dauer der Ehe abgeschlossen haben, es selbst in Kauf genommen haben, daß dieses Güterrechtsstatut durch spätere Gesetze geändert wird, so erscheint es andererseits unrealistisch, von den Parteien zu erwarten, daß sie bei einem Wegfall der Staatsangehörigkeit und sämtlicher übrigen Verknüpfungen zu dem Heimatstaat des Mannes zur Zeit der Eheschließung sich noch laufend über die Gesetzgebung dieses Staates informieren. Es ist dann eine auch mit den allgemeinen Leitlinien für die Gestaltung des internationalen Privatrechts vereinbare Kompromißlösung, wenn einerseits die gesetzliche Anweisung des Forumstaates, keinen Statutenwechsel anzunehmen, respektiert, andererseits aber die Anwendung neuer Gesetze des Güterrechtsstatuts davon abhängig gemacht 309
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Nachschubverknüpfung und Versteinerung des Statuts
wird, daß zu dem ersten Heimatstaat des Mannes nach Wegfall der Staatsangehörigkeit in diesem Staat andere Verknüpfungen noch bestehen, welche die Rolle von Nachschubverknüpfungen spielen können. Bestehen solche Verknüpfungen nicht, oder fallen auch sie später weg, so bleibt die Möglichkeit, das Rechtsverhältnis unter dem letzten „versteinerten" Statut auslaufen zu lassen 2 2 . D e r G e d a n k e der N a c h s c h u b v e r k n ü p f u n g 2 3 wird im positiven Recht auch in anderer Weise verwendet: E s wird zwar ein Statutenwechsel für ein Dauerrechtsverhältnis als möglich in Aussicht genommen, aber vor allem das erste Statut wird bei Wegfall der als A n k n ü p f u n g s m o m e n t vorgesehenen variablen Dauerverknüpfung noch nicht abgelöst, solange eine bestimmte andere Nachschubverknüpfung zu dem betreffenden Staat besteht: D i e Unterhaltspflicht des ehelichen Vaters richtet sich nach seinem Heimatrecht, aber das bisherige Unterhaltsstatut ist auch bei einem Wegfall dieser Staatsangehörigkeit des Vaters weiterhin maßgebend, solange das Kind die Staatsangehörigkeit in diesem Staat behält 2 4 . D e r andere Weg — Versteinerung des durch eine beendete Dauerverknüpfung ermittelten Statuts mangels Nachschubverknüpfung — ist nicht nur begehbar bei Dauerrechtsverhältnissen, wie dem ehelichen Güterstand, sondern auch in anderen Zusammenhängen: Wird das Erbstatut durch die Belegenheit der Nachlaßgegenstände bestimmt, so ist es von vornherein unbedenklich, dem Lagestaat der Sache zur Zeit des Erbfalls bis zur Abwicklung des Nachlasses die Möglichkeit zuzugestehen, die erbrechtlichen Vorschriften „ p o s t m o r t a l " zu ändern, d. h. nach Maßgabe intertemporaler Rechtsanwendungsanweisungen Vorschriften, die nach dem T o d e ergangen sind, auf den noch nicht abgewickelten Nachlaß anwenden zu lassen, insbesondere wenn die Sache an ihrem bisherigen Lageort verblieben ist. Selbst wenn in einem anderen Forumstaat die Rückwirkungsabsicht der neuen Vorschriften des Erbstatuts als krasse Abweichung von den intertemporalen Regelungen des Forumstaates empfunden wird, so bestehen hier meist keine Möglichkeiten, den Willen des Lagestaates zu korrigieren 2 5 . Ist es jedoch so, daß der Lagestaat von Nachlaß selbst nicht eigenes Erbrecht, sondern das letzte Heimatrecht des Erblassers auf die Erbfolge anwenden lassen will, und daß das Erbstatut postmortal Änderungen seines Rechts anbringt, so ist es, ganz unabhängig von der ordre public-Klausel des Lagestaates, durchaus vernünftig, wenn dieser die Anwendung der postmortalen Erbrechtsvorschriften des Heimatstaates des Erblassers davon abhängig macht, daß nach dem T o d e wesentliche Nachschubverknüpfungen zu diesem Staat, etwa in Gestalt des Wohnsitzes oder der Staatsangehörigkeit der als Erben in Frage kommenden Personen, vorhanden sind. Fehlen diese. Nachschubverknüpfungen, so wird im Lagestaat der Nachlaß nach dem versteinerten H e i matrecht des Erblassers, wie es zur Zeit des Erbfalls bestanden hat, verteilt 2 6 . In entsprechender Weise legitimiert eine Nachschubverknüpfung den Staat des Deliktsortes, seine Bestimmungen über den Schadensersatzanspruch usw. nachträglich durch neue Gesetze zu ändern. Im positiven Recht wird nicht selten dem eigenen Recht des Forumstaates bei der Gestaltung des Zeitmoments in der Zuweisungsnonn ein größerer Anwendungsbereich zugebilligt als im ausländischen Recht: Ein Staat besteht z. B. darauf, mit seinem Recht, also einschließlich etwaiger neuer Gesetze, auch nach dem Wechsel der als A n k n ü p f u n g s m o m e n t verwendeten Dauerverknüpfung anwendbar zu bleiben, nimmt aber Anwendung seines Rechts, oder jedenfalls einzelner seiner Bestimmungen, an, wenn das Dauerrechtsverhältnis zunächst durch ein ausländisches Recht beherrscht wird und die maßgebliche Dauerverknüpfung später z u m Forumstaat hingeht 2 7 . O d e r es wird Fortdauer der A n wendbarkeit des eigenen Rechts durch Nachschubverknüpfungen bejaht, Entsprechendes aber ausländischem Recht verweigert 2 8 . Derartige unparitätische Regelungen sind unter den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts nicht zu rechtfertigen. Andererseits sind jedoch nicht selten die vielfältigen Anforderungen dieser Postulate an die Art 310
Postmortale Ehen
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der Gestaltung des Zeitmoments in der Zuweisungsnonn nicht gleichzeitig zu verwirklichen. Ist eine Verknüpfung als Anknüpfungsmoment gewählt worden, welche von einer Partei einseitig verändert werden kann, so sollte eine fraudulöse Veränderung nach Möglichkeit ignoriert werden; doch kann eine fraudulös geschaffene Verknüpfung zu einem Recht hingehen, das allein imstande ist, sich durchzusetzen. Wird es berücksichtigt, daß das berufene Recht nicht für die ganze Dauer, die seiner Herrschaft vom Forumstaat zugedacht worden ist, angewendet werden will, so können unter Umständen Lücken entstehen, die nur dadurch ausgefüllt werden können, daß eines der beteiligten Rechte gegen seinen Willen angewendet wird. Ist das Bestehen eines Rechtsverhältnisses „Vorfrage" für eine „Nachwirkung", so ist es Sache des Nachwirkungsstatuts zu bestimmen, auf welchen Zeitpunkt, bzw. auf welchen Zeitraum es für das Bestehen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses ankommt, und auf welchen Zeitpunkt es für die Entscheidung zwischen alten und neuen Sachnormen des Vorfragenstatuts ankommen soll 2 9 : Das Erbstatut kann bestimmen, daß eine Ehe des Erblassers ein Intestaterbrecht des überlebenden Ehegatten auslöst, und kann dann auch bestimmen, ob zu diesem Zweck die Ehe nur zur Zeit des Todesfalles, oder etwa bereits mindestens sechs Monate zuvor bestanden haben muß; das Erbstatut kann sich auch darüber auslassen, ob eine nachträgliche Validierung einer anfänglich absolut nichtigen Ehe durch das Ehestatut (bzw. durch das Statut für die Formgültigkeit der Eheschließung) beachtet werden soll oder nicht. Es ist also nicht so, daß ein postmortaler Staatsakt des Staates, der das Ehestatut stellt, und mit dem das Bestehen einer rechtsgültigen Ehe des Erblassers in der Zeit vor seinem Tode nachträglich fingiert wird, ohne weiteres vom Erbstatut als erbrechtsauslösender Sachverhalt hingenommen werden müßte 3 0 . Kennt die Privatrechtsordnung, die das Erbstatut stellt, selbst postmortale Ehebegründungen, so wird sie im allgemeinen auch postmortalen Ehebegründungen auf Grund eines anderen Rechts, denen ähnliche Motive zugrunde liegen, die erbrechtliche Nachwirkung beilegen. Vor allem aber ist es möglich, daß das Erbstatut selbst den Anwendungsbereich seiner eigenen Bestimmungen über postmortale Ehevalidierung so absteckt, daß davon auch Fälle erfaßt werden, auf die im Zeitpunkt des fingierten Zustandekommens der Ehe das Recht des Staates, welches das Erbstatut stellt, gar nicht als Eherecht anwendbar war. Hingegen ist eine Einmischung des Kollisionsrechts des Forumstaates in die Beurteilung des zeitlichen Anwendungsbereichs von Vorfragenstatuten, wenn die Hauptfrage einem ausländischen Recht untersteht, im Prinzip ebenso abzulehnen wie die Einmischung des Kollisionsrechts in die Frage, welches Recht auf die vom Nachwirkungsstatut aufgeworfene Vorfrage anwendbar ist 31 . d) Besonderheiten beim Statutenwechsel durch veränderte Lokalisierung veränderlicher Dauerverknüpfungen Bestimmt das internationale Privatrecht des Forumstaates, daß die Wirkungen eines Rechtsverhältnisses durch das Recht desjenigen Staates bestimmt werden, zu dem eine als Anknüpfungsmoment gewählte Dauerverknüpfung (Lage einer Sache, Staatsangehörigkeit einer Person) jeweils hingeht, und sind die berufenen Rechte selbst willig, für die Zeit der Verwirklichung des Anknüpfungsmomentes anwendbar zu sein, so wird dies in der Sicht des Forumstaates meist so hingestellt, daß ein bestimmtes Recht auf die Frage nach der Entstehung des Rechtsverhältnisses anzuwenden ist, und daß dasselbe Recht, eventuell auch ein anderes, zunächst das erste Wirkungsstatut darstellt; das so zunächst unter dem ersten Wirkungsstatut bestehende Rechtsverhältnis wird dann im Forumstaat bei einer Veränderung des Anknüpfungsmoments durch Statutenwechsel auf ein anderes Recht als zweites, drittes usw. Wirkungsstatut „übergeleitet", bis es, soweit es nicht aus irgendeinem 311
§13
Statutenwechsel bei Dauerrechtsverhältnissen
G r u n d e erlischt, im Zeitpunkt der Entscheidung im Forumstaat einem letzten Wirkungsstatut untersteht. In der Sicht des Staates, der ein späteres Wirkungsstatut selbst stellen will, werden die D i n g e aber eventuell anders aufgefaßt: Von diesem Staat könnte ja auch gesagt werden, daß er in dem Zeitpunkt, von dem ab sein Recht maßgebend wird, das Rechtsverhältnis „unter seinem Recht neu begründet". D i e s wiederum könnte geschehen entweder unter Bewertung der Begründungstatbestände, die sich früher ereignet haben, gemäß seinem eigenen normalen Inlandsrecht, oder gemäß einem Spezialrechtssatz, der allein auf G r u n d der Tatsache, daß ein Rechtsverhältnis bis dahin unter dem vorausgegangenen Wirkungsstatut bestanden hat, nunmehr ein gleichartiges oder äquivalentes Rechtsverhältnis mit den Wirkungen des Inlandsrechts entstehen läßt: Während der Belegenheit einer beweglichen Sache im Staatsgebiet von A hat X die nach dem Recht von A herrenlose Sache mit Aneignungswillen in Besitz genommen und k u r z darauf dem Y ein Pfandrecht an der Sache bestellt, ohne den Besitz der Sache aufzugeben. Dann kann der spätere Lagestaat B sowohl von dem Eigentumsrecht als auch von dem Pfandrecht annehmen, daß es vom Zeitpunkt des Lagewechsels ab mit den Wirkungen des Sachenrechts von B besteht, und zwar deshalb besteht, weil die Voraussetzungen für den Erwerb der beiden dinglichen Berechtigungen, wie sie das Recht von B beschreibt, auch im Zeitpunkt des Lagewechsels noch verwirklicht waren; die beteiligten Personen hatten ja noch den Willen, daß Eigentum bzw. Pfandrecht bestehen sollte, und die erforderlichen Besitzverhältnisse waren gegeben. Bei dieser Stellungnahme des späteren Lagestaates B kann es infolgedessen ignoriert werden, daß etwa nach dem Sachenrecht von A der X als Ausländer die Sache ohne eine staatliche Erlaubnis gar nicht zu Eigentum okkupieren konnte, b z w . daß es nach dem Recht von A kein besitzloses Pfandrecht gab. D i e andere denkbare Stellungnahme des Staates B würde dahin gehen, daß, wenn und weil an der Sache im Zeitpunkt des Lagewechsels gemäß dem bisherigen Lagerecht keine sachenrechtlichen Berechtigungen bestanden haben, solche höchstens nach Maßgabe des Rechtes B durch neue Akte neu begründet werden können. D e r Staat B könnte beispielsweise, wenn nach dem Recht A zwar ein Eigentumsrecht, aber kein Pfandrecht zustandegekommen war, das Eigentum an der Sache in Eigentum mit den Wirkungen des Rechtes B überführen und sich auf den Standpunkt stellen, daß das nach dem Recht A nicht vorhandene Pfandrecht zwar als besitzloses Pfandrecht begründet werden kann, daß dies aber durch ein neues Rechtsgeschäft geschehen muß. Zwischen diesen beiden extremen Möglichkeiten der Bildung eines Standpunkts des Staates B sind K o m p r o m i s s e denkbar: D e r Staat B könnte z. B., wenn der O k k u p a n t der Sache in seiner Eigenschaft als Ausländer nach dem Recht A kein Eigentum erwerben konnte, den fortbestehenden Willen des X , Eigentümer zu sein, umdeuten in einen Aneignungswillen, der die Sache dann zu Eigentum des X im Sinne des neuen Lagerechts B werden läßt, wenn er zur Zeit des Lagewechsels oder später die Sache mit Eigentumsbewußtsein in seinem Besitz hat. Erwirbt nach dem Recht B der O k k u p a n t eine herrenlose Sache nicht allein durch Inbesitznahme mit Aneignungsabsicht, sondern ist eine mehrjährige Ersitzungszeit zusätzlich erforderlich, so könnte B die in A bereits zurückgelegte Besitzzeit auf die Ersitzungszeit des Rechtes B anrechnen. D e r Gedanke, daß E r w e r b und Verlust von subjektiven Rechten bei Wechsel der Verknüpfung durch rückwirkende Anwendung des letzten Wirkungsstatuts auf früher verwirklichte Tatbestände beurteilt werden könnten, unbeschadet dessen, daß während der Herrschaft des zuvor maßgebenden Statuts das Rechtsverhältnis für diese Zeit gemäß diesem Statut beurteilt werden muß, ist praktisch indes nur dann verwendbar, wenn es damit nicht dazu k o m m t , daß zur Zeit des Statutenwechsels bestehende subjektive Rechte von einem bisherigen Inhaber auf einen a n d e r e n übergehen. Uberall, w o dies der Fall sein würde, wird sich das neue Statut im allgemeinen darauf beschränken, die unter dem bishe312
Statutenwechsel bei Dauerrechtsverhältnissen
§13
rigen Statut bestehenden subjektiven Rechte in subjektive Rechte des neuen Statuts mit gleichen oder den ähnlichsten Wirkungen zu „überführen" 3 2 . Wie das Rechtsverhältnis unter dem früheren Statut beschaffen gewesen sein muß, um in ein äquivalentes Rechtsverhältnis des neuen Statuts überführbar zu sein, ist weitgehend Sache positivrechtlicher Regelung; ob Fideikomiß-Eigentum an beweglichen Sachen automatisch zu Volleigentum wird, wenn und weil der neue Lagestaat der Sache kein Fideikommiß-Eigentum kennt, oder ob eine jederzeit einseitig auflösbare Ehe zu einer nicht oder nur erschwert auflösbaren Ehe wird, wenn das durch Wechsel der Staatsangehörigkeit maßgebend gewordene neue Ehewirkungsstatut nur solche Ehen kennt, das wird das eine Recht so, das andere Recht anders beantworten. Für die Frage nach der „Äquivalenz" des unter dem früheren Statut bestehenden mit einem unter dem neuen Statut möglichen Rechtsverhältnis können im übrigen nicht nur die Wirkungen, sondern auch die Entstehungsgründe als bedeutsam betrachtet werden: Ein Staat, der keine Adoption kennt, wird eine bestehende „elterliche" Gewalt „künstlicher" Eltern nicht in eine elterliche Gewalt seines Rechts, die nur natürlichen Eltern zukommen kann, überführen; er wird dies vermutlich auch dann nicht tun, wenn in seinem Recht echte „elterliche" Gewalt von den Eltern bei deren Tod etwa auf die Großeltern übergeht 3 3 . Wohl aber könnte er die Adoptiveltern als Pflegeeltern behandeln. Scheitert eine Uberführung eines Rechtsverhältnisses vom bisherigen Wirkungsstatut auf das neue Wirkungsstatut an fehlender Äquivalenz der Wirkungen oder des Auslösungstatbestandes, so wird man, insbesondere in einem dritten Forumstaat, unter Umständen das alte Statut noch insoweit fortwirken lassen, als ein bestehendes Rechtsverhältnis unter den daran beteiligten Personen gemäß dem bisherigen Statut abgewickelt oder liquidiert werden muß. Ein neues als Wirkungsstatut anwendungswilliges Recht muß nun nicht nur darüber eine Stellungnahme bilden, ob ein unter dem alten Statut bestehendes Rechtsverhältnis in ein Rechtsverhältnis des neuen Statuts überführbar ist, sondern muß auch eine Stellungnahme zu der Frage bilden, welches Recht für das gültige Zustandekommen des Rechtsverhältnisses, und möglicherweise, welches Recht bei einem früheren Statutenwechsel als maßgebend betrachtet werden soll: Will ein Staat C als letzter Wohnsitzstaat die Wirkungen einer vor der Wohnsitzbegründung in C bereits bestehenden Ehe durch sein Recht regeln, und hat zunächst Wohnsitz der Eheschließenden in A, später in B bestanden, so sind verschiedene Möglichkeiten einer Stellungnahme für die Beurteilung der früheren Vorgänge durch das Recht des Staates C gegeben: Der Staat C kann darauf abstellen, daß der vorausgegangene Wohnsitzstaat B sein Recht als Wirkungsstatut auf die von seinem Standpunkt her schon bestehende Ehe als anwendbar betrachtete; die vorher gemäß dem Recht B wirkende Ehe wird dann in eine Ehe des Rechtes C überführt. Der Staat C kann aber auch sagen, daß anstelle der Rechtswirkungen des Rechtes B nur dann die Rechtswirkungen des Rechtes C eintreten sollen, wenn die Ehe zur Zeit ihrer Begründung, nämlich als die Ehegatten ihren Wohnsitz in A hatten, gemäß dem Recht gültig zustandegekommen ist, welches vom Standpunkt des Staates A damals anwendbar war; ist dann vom Standpunkt des Rechtes A keine Ehe entstanden, so kommt es nicht zu einer Uberleitung der vom Standpunkt des Staates B wirksamen Ehe in eine Ehe des Rechtes C. Dieser Punkt wird besonders wichtig, wenn es sich bei den Staaten A und C um denselben Staat handelt; der Staat A = C wird dann die Ehe, die während des früheren Wohnsitzes in A = C nicht bestanden hat, nicht zu einem späteren Zeitpunkt als eine mit den Wirkungen des Rechtes C ausgestattete gültige Ehe ansehen, nur weil der vorausgegangene Wohnsitzstaat B eine gültige Ehe deshalb mit den Wirkungen seines Rechts ausgestattet hat, weil in B das Zustandekommen der Ehe nach dem Recht eines vierten Staates D beurteilt und bejaht wurde. 313
§13
Grundstatutsmethode und Mosaikmethode beim Statutenwechsel
Sieht das Kollisionsrecht des Forumstaates F vor, daß für ein konkretes Rechtsverhältnis ein Statutenwechsel unter den anwendungswilligen Rechten A, B und C in der Weise stattfindet, daß jedes dieser Rechte diejenigen Wirkungen regelt, welches das Rechtsverhältnis in der Zeit der Verwirklichung des Anknüpfungsmomentes zu dem betreffenden Staat hervorbringen könnte, können aber die Staaten B und C entsprechend dem oben Ausgeführten dem Standpunkt des jeweils vorausgehenden Statuts in durchaus unterschiedlicher Weise eine Bedeutung beilegen, so entsteht die weitere Frage, welche Stellung der Forumstaat F seinerseits einnehmen soll. Hierfür macht sich der früher bereits erwähnte Unterschied zwischen der Grundstatutsmethode und der Mosaikmethode besonders auffällig bemerkbar: Vom Standpunkt der Grundstatutsmethode her ist dasjenige Recht, das für die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes fraglichen Wirkungen das Wirkungsstatut ist, das „Grundstatut", aus dessen Sicht auch im Forumstaat darüber zu entscheiden ist, wie und nach welchem Recht frühere Vorgänge und Rechtslagen zu beurteilen sind, insoweit sie für die Rechtswirkungen unter dem letzten Statut eine Rolle spielen sollen. Das letzte Wirkungsstatut entscheidet also auch für den Forumstaat, ob das Rechtsverhältnis, wie es in dem vorangegangenen Wirkungsstatut als bestehend galt, in ein Rechtsverhältnis des neuen Statuts überführbar ist; das letzte Wirkungsstatut entscheidet, inwieweit Vorgänge, die sich vor dem Wirksamwerden dieses Rechts abgespielt haben, unter dem letzten Wirkungsstatut als Tatbestandselemente relevant werden; das letzte Wirkungsstatut entscheidet auch, welches Recht auf die Frage anzuwenden ist, ob das Rechtsverhältnis vor dem Wirksamwerden des letzten Statuts „schon bestanden hat" und deshalb weitergeführt wird; das letzte Wirkungsstatut entscheidet infolgedessen auch im Forumstaat, welches Recht auf die Frage nach dem erstmaligen Entstehen des Rechtsverhältnisses zur Anwendung zu bringen ist. Entsprechendes gilt auch für die Frage, ob das Rechtsverhältnis vor dem Statutenwechsel beendet, ob also die Ehe wirksam geschieden ist usw. Ganz anders als unter der Grundstatutsmethode werden die Dinge in einem Forumstaat gesehen, wenn dort die Mosaikmethode zugrunde gelegt wird: Ist das Rechtsverhältnis gemäß dem Recht A, das im Forumstaat F für die Frage nach dem Entstehen des Rechtsverhältnisses in dem ersten dafür in Frage kommenden Zeitpunkt als anwendbar gilt, tatsächlich entstanden, so gilt es in F als entstanden und fortbestehend, auch wenn ein späteres Wirkungsstatut B oder C zwar zur Uberführung eines Rechtsverhältnisses dieser A r t bereit ist, aber die Frage nach dem Entstehen des Rechtsverhältnisses nach einem anderen Recht, als dies in F geschieht, beurteilen und danach verneinen würde. Umgekehrt gilt unter der Mosaikmethode ein Rechtsverhältnis, das im Zeitpunkt des angeblichen ersten Entstehens im Forumstaat F nach dem dort berufenen. Recht gar nicht zur Entstehung gekommen ist, auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt deshalb als existent, weil der Staat B oder C, der das Wirkungsstatut für den späteren Zeitpunkt stellt, die Frage nach dem Entstehen des Rechtsverhältnisses nach einem anderen Recht beurteilt als der Staat F, und wenn danach das Entstehen des Rechtsverhältnisses zu bejahen ist. In entsprechender Weise beantwortet die Mosaikmethode auch die Frage nach dem auf die Beendigung des Rechtsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt anzuwendenden Recht. Unter der Mosaikmethode nimmt aber der Forumstaat F möglicherweise auch die Entscheidung darüber in Anspruch, ob das Rechtsverhältnis bei einem Statutenwechsel zwischen B und C in ein Rechtsverhältnis des neuen Wirkungsstatuts überführbar ist, und ob Dinge, die sich während der Herrschaft des Wirkungsstatuts B ereignet haben, vom späteren Wirkungsstatut C gemäß seinen Sachnormen als Tatbestandselemente bewertet werden körinen. Es ist evident, daß die Mosaikmethode dazu führen kann, daß das als Wirkungsstatut berufene Recht gegen den Willen dieses Gesetzgebers im Forumstaat auf die Wirkungen 314
Materielle Harmonie beim Statutenwechsel
§13
eines Rechtsverhältnisses angewendet werden kann, das vom Standpunkt des Staates, der das Wirkungsstatut stellt, überhaupt nicht entstanden ist oder nicht mehr besteht, bzw. umgekehrt. Aber auch die sonstigen Konsequenzen aus der Mosaikmethode erhöhen offenbar die Gefahr, daß es im Forumstaat und in dem Staat, dessen Recht zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung das Wirkungsstatut sein soll, zu divergierenden Stellungnahmen kommt. Die Grundstatutsmethode sichert jedenfalls die volle Ubereinstimmung des Forumstaates mit dem Standpunkt des letzten Wirkungsstatuts während der Zeit der Herrschaft dieses Rechts. Auf der anderen Seite können Resultate, die mit der Grundstatutsmethode beim Statutenwechsel herbeigeführt werden, als Störungen der materiellen Harmonie im Forumstaat empfunden werden. Das ist besonders deutlich bei der Ehe, wenn man unterstellt, daß die Ehewirkungen im Sinne des internationalen Privatrechts des Forumstaates nach dem jeweiligen Personalstatut einer bestimmten Person beurteilt werden müssen, daß also das Ehewirkungstatut wandelbar ist. Dann mögen sowohl der Forumstaat als auch der Staat, der das erste Ehewirkungsstatut stellen soll, das Zustandekommen der Ehe (eventuell auch die Beendigung der Ehe durch Scheidung) in gleicher Weise positiv beurteilen; teilt der Staat eines späteren Wirkungsstatuts aber diese Beurteilung nicht, so hat das zur Folge, daß im Forumstaat eine während der Herrschaftsdauer des ersten Wirkungsstatuts bestehende Ehe in dem Zeitpunkt, in dem ein neues Wirkungsstatut seine Herrschaft beginnt, auch für den Forumstaat deshalb keine Wirkungen mehr auslöst, weil die Ehe vom Standpunkt des neuen Wirkungsstatuts her gar nicht besteht; bei einem weiteren Statutenwechsel kann dann vielleicht die Ehe auch im Forumstaat wieder als bestehend gelten und Wirkungen auslösen. Ein solcher Wandel in der Beurteilung des Bestehens einer Ehe im Forumstaat muß dort nicht immer als absolut unerträglich gelten: Besteht die Ehe vom Standpunkt des Forumstaates und des ersten Wirkungsstatuts zunächst einmal nicht, und wäre das spätere Wirkungsstatut für die Frage der Gültigkeit einer erst nunmehr abgeschlossenen Ehe auch im Forumstaat maßgebend, so kann die Ehe mit dem Statutenwechsel infolge der positiven Stellungnahme des neuen Wirkungsstatuts zu dem früheren Eheschließungsversuch auch im Forumstaat als nunmehr zustandegekommen gelten. Das ist besonders deutlich, wenn eine Ehe im Staat des neuen Wirkungsstatuts dadurch Zustandekommen kann, daß die „Eheleute" einfach irgendwann anfangen, „als Ehepaar" zusammenzuleben, wie dies bei der common law-Ehe mancher amerikanischer Staaten rechtens ist. Es ist dann nicht einzusehen, daß der Forumstaat, auch wenn er in Übereinstimmung mit dem ersten Wirkungsstatut ein gültiges Entstehen der Ehe durch förmliche Eheschließung gemäß dem dafür berufenen Recht verneint hat, sich nicht auf den Standpunkt stellen sollte, daß die Ehe jedenfalls von dem Zeitpunkt ab besteht, von dem ab Wirkungsstatut das Recht eines Landes ist, welches die common law-Ehe kennt, und wo überdies die frühere Eheschließung unter Anwendung eines anderen Rechts als im Forumstaat als gültig angesehen wird 3 4 . Wirklich störend wäre es hingegen, wenn eine Ehe, die im Forumstaat gemäß dessen eigenem Recht gültig zustandegekommen ist, und zunächst einmal eine Zeitlang die Wirkungen dieses Rechts oder die Wirkungen eines anderen Wirkungsstatuts unter den tatsächlich als Eheleuten zusammenlebenden Partnern ausgelöst hat, im Forumstaat, wenn zu ihm andere Verknüpfungen weiter bestehen als diejenigen, die zur Bestimmung des Ehewirkungsstatuts führen, plötzlich als beendet behandelt werden müßte, weil das berufene und anwendungswillige neue Wirkungsstatut seinerseits die Frage nach dem ursprünglichen Zustandekommen der Ehe nach einem anderen Recht verneinend beurteilt und „seine" Wirkungen nicht eintreten läßt. Ähnlich wie dann, wenn das Bestehen einer Ehe Vorfrage für die Nachwirkung in 315
§13
Statutenwechsel und Gesamtverweisung
Gestalt eines legitimen Kindschaftsverhältnisses ist, ist es also die Disharmonie zwischen den sich zeitlich folgenden Stellungnahmen des Forumstaates bei Verwendung der Grundstatutsmethode, welche einerseits je nach der Richtung, in der die Disharmonie verläuft (früheres Bestehen und späteres Nichtbestehen, früheres Nichtbestehen und späteres Bestehen der Ehe), und andererseits je nach der Dichte der noch zum Forumstaat bestehenden Binnenbeziehungen, unter Umständen zu einer Korrektur der mit der Grundstatutsmethode erzielten Resultate nötigt, ohne daß jedoch damit die grundsätzliche Unverwendbarkeit der Grundstatutsmethode und die „Richtigkeit" der Mosaikmethode erwiesen wäre 3 5 . Schwierigkeiten ergeben sich, wenn ein zum Statut für Dauerrechtsverhältnisse berufenes Recht nicht für die ganze ihm in der Zuweisungsnorm des Forumstaates zugeteilte Zeit anwendungswillig ist, so z. B. wenn das für die ganze Dauer der Ehe zum Güterrechtsstatut berufene Recht des Heimatstaates des Mannes zur Zeit der Eheschließung zwar zunächst auch selbst, aber nicht mehr bei einem Wechsel dieser Staatsangehörigkeit angewendet sein will. Für die Anhänger der Gesamtverweisung ist dann im Forumstaat einer Rück- oder Weiterverweisung Beachtung zu schenken mit der Folge, daß der Forumstaat das zunächst in seinem Kollisionsrecht zugrunde gelegte Ziel der Unveränderlichkeit des Güterrechtsstatuts aufgibt. Die Anhänger der unbedingten Sachnormverweisung hingegen lassen im Forumstaat das nicht mehr anwendungswillige erste Güterrechtsstatut nunmehr gegen seinen Willen auch mit neuen Gesetzen im Forumstaat zur Anwendung bringen. Hält man es für die bessere Lösung, daß der mit eigenem Recht nicht anwendungswillige Forumstaat eine subsidiäre Zuweisung auf ein anderes anwendungswilliges Recht vorsieht 36 , so bleibt die Frage, ob dies bereits bei der Begründung des Rechtsverhältnisses oder erst dann zu geschehen hat, wenn das berufene und zunächst selbst anwendungswillige Statut aufhört, anwendungswillig zu sein. Die letztere Lösung dürfte vorzuziehen sein: Sind also bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes sowohl d ^ neue Wohnsitzrecht, als auch das neue Heimatrecht anstelle des zunächst anwendungswilligen ersten Heimatrechts anwendungswillig, so sollte im Forumstaat die subsidiäre Zuweisung auf das neue Heimatrecht hingehen, auch wenn das Kollisionsrecht des nicht mehr mit eigenem Recht anwendungswilligen ersten Heimatstaates das neue Wohnsitzrecht angewendet haben will (und dieses vielleicht selbst gar nicht angewendet sein möchte). Sieht das Kollisionsrecht des Forumstaates Zuweisung an das durch die jeweilige Staatsangehörigkeit einer Person bestimmte Recht unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit vor, so ist es natürlich unbeachtlich, wenn das erste Statut trotz des Wechsels der Verknüpfung weiter angewendet werden will, und andererseits das berufene neue Statut Anwendung beansprucht. Ist aber das neue Statut nicht, oder nicht in vollem Umfang, anwendungswillig, so ist es, wenn man aus der Grundstatutsmethode die früher aufgezeigten Folgerungen zieht, konsequent, daß der Forumstaat hier ebenso verfährt wie der Staat, der mit seinem Recht das letzte Wirkungsstatut stellen soll: Entnimmt das internationale Privatrecht eines Staates das Güterrechtsstatut dem Recht des jeweiligen Wohnsitzlandes, und ist die Bundesrepublik das zweite Wohnsitzland, so sind in dem fremden Forumstaat sicher die anwendungswilligen Spezialrechtsvorschriften des Rechtes der Bundesrepublik für auslandsverknüpfte Güterstände 363 zu beachten; es ist ferner zu beachten, wenn das Kollisionsrecht der Bundesrepublik den Ehegatten die Umwandlung des aus ihrem bisherigen Heimat- und Wohnsitzstaat mitgebrachten gesetzlichen Güterstandes in den gesetzlichen Güterstand des Inlandsrechtes der Bundesrepublik, wo sich nunmehr der Wohnsitz befindet, ermöglicht; es ist auch zu beachten, wenn in der Bundesrepublik der konkrete Güterstand unter dem versteinerten bisherigen Bestandsstatut ausläuft; es ist schließlich auch zu beachten, wenn in der Bundesrepublik das Recht des 316
Veränderungen des Geltungsbereichs eines berufenen Statuts
§ 13
bisherigen Heimatstaates, zu dem noch Nachschubverknüpfungen bestehen, einschließlich seiner anwendungswilligen neuen Gesetze als maßgebend betrachtet wird. e) Der Einfluß von Veränderungen des Geltungsbereichs von staatlichen Privatrechtsordnungen auf bestehende Rechtsverhältnisse Eine andere Art von Statutenwechsel als bei einer Veränderung der als Anknüpfungsmoment verwendeten variablen Dauerverknüpfung liegt vor, wenn das Geltungsgebiet des staatlichen Rechts 3 7 , das auf ein bestehendes Rechtsverhältnis als dessen „Statut" anwendbar ist, sich verändert, also wenn dieses Gebiet beim völkerrechtlichen Zerfall des Staates auf mehrere Staaten aufgeteilt wird, oder wenn Teile davon an einen anderen Staat abgetreten werden. Dann kann nämlich jeder Nachfolgestaat als Erwerber von Gebietshoheit das „örtliche" Recht in dem ihm zugefallenen Gebiet durch neue Gesetze ändern, oder anstelle des bis dahin geltenden örtlichen Rechts ein Recht, das schon anderswo bei ihm als örtliches Recht gegolten hat, „einführen" und kann bestimmen, daß solches neues Recht in mehr oder weniger großem Umfang auch für die bereits „in" dem erworbenen Gebiet bestehenden und nach seinem Recht zu beurteilenden Rechtsverhältnisse anwendbar sein soll. Nach Völkerrecht darf ein Staat als Erwerber von Gebiet, welches schon Geltungsgebiet von staatlichen Privatrechtsnormen war, die das Statut bestehender Rechtsverhältnisse darstellten, „sein" Recht auf diese Rechtsverhältnisse als anwendbar erklären, wenn neben den Verknüpfungen, die bis dahin die Anwendbarkeit des örtlichen Rechts des ungeteilten Gebietes rechtfertigten, ergänzende Verknüpfungen gerade zu dem Geltungsgebiet der Rechtsordnung des neuen Gebietshoheitsinhabers bestehen, und zwar eben solche, die nach Völkerrecht zur Erfassung eines heterogen verknüpften Rechtsverhältnisses durch ein staatliches Recht ausreichen. Unmaßgeblich für die Bestimmung des Nachfolgestatuts ist es, daß bei Verkleinerung eines Staates durch Gebietsabtretung der verkleinerte Staat, oder daß bei Zerfall eines Staates einer der Nachfolgestaaten für die Zwecke des Völkerrechts als „identisch" mit dem früher bestehenden unverkleinerten Staat betrachtet wird 3 7 a . Welcher Nachfolgestaat ein unter dem Recht des ungeteilten Staates entstandenes Rechtsverhältnis unter „seinem" Recht weiterführt, braucht oft nicht entschieden zu werden, wenn und solange alle Nachfolgestaaten in dem Geltungsgebiet des Rechts, welches bis dahin das Statut für ein fortdauerndes Rechtsverhältnis stellte, in den von ihnen erworbenen Gebietsteilen das alte materielle Recht ohne Änderungen aufrechterhalten. Läßt ein Staat, der Nachfolgestaat auf einem Teil des Geltungsgebiets des staatlichen Privatrechts des früher ungeteilten Staates geworden ist, das „alte" Recht auf bereits entstandene Rechtsverhältnisse weiterhin durch seine Gerichte anwenden — sei es, weil er selbst die Befugnis zu einer eventuellen gesetzgeberischen Einwirkung auf das Rechtsverhältnis in Anspruch nimmt, sei es, weil er das alte Recht in seiner Eigenschaft als das in einem anderen Nachfolgestaat fortgeltende Recht als Nachfolgestatut durch seine Gerichte anwenden läßt —, so ist es nur konsequent, wenn mit dem alten Recht auch alle rechtskräftigen Entscheidungen, die unter Anwendung dieses Rechts auf das Rechtsverhältnis seinerzeit in dem noch ungeteilten Staat ergangen sind, weiterhin als rechtskräftig anerkannt werden, gleich, ob sie durch ein Gericht gefällt worden sind, das seinen Sitz auf dem Gebiet des Staates hat, der jetzt Forumstaat ist, oder im Gebiet eines anderen Nachfolgestaates. Ist die Gerichtsentscheidung vor der Staatsteilung gefällt, aber noch nicht rechtskräftig geworden, so kann die Entscheidung über ein Rechtsmittel nicht bloß von dem Nachfolgestaat in Anspruch genommen werden, auf dessen Gebiet sich der Sitz des Gerichtes mit der anzufechtenden Entscheidung befand, sondern auch von jedem anderen Nachfolgestaat, der die alte Entscheidung als bindend angesehen hätte, falls sie schon rechtskräftig gewesen wäre, und dessen Gerichte auch Zuständigkeit in erster 317
§13
Die Bestimmung des Nachfolgestatuts
Instanz gehabt hätten, wenn das Verfahren erst nach der Staatsteilung anhängig gemacht worden wäre. Jeder Nachfolgestaat kann in einer neu von ihm geschaffenen, einseitigen oder zweiseitigen Zuweisungsnorm eine bestimmte Verknüpfung zu einem Nachfolgestaat als maßgebend dafür bezeichnen, daß er das Recht dieses Nachfolgestaates zum Nachfolgestatut für bestehende Rechtsverhältnisse berufen will. Nicht selten ist es jedoch, insbesondere beim Zerfall eines ganzen Staates, so, daß das einheitliche internationale Privatrecht des ungeteilten Staates, der das Statut für ein Rechtsverhältnis stellte, in den Nachfolgestaaten aufrechterhalten wird, wenn auch mit der Maßgabe, daß die namentliche Bezeichnung des Staates, der als der „eigene" Staat gilt, wechselt 3 8 : Wird dann in dem aufrechterhaltenen internationalen Privatrecht für die jeweiligen Wirkungen des Rechtsverhältnisses auf eine persönliche oder sachliche Dauerverknüpfung abgestellt, so tritt ohne weiteres etwa die Belegenheit einer Sache in einem Nachfolgestaat an die Stelle der Belegenheit in dem ungeteilten Geltungsgebiet des bisher maßgebenden Statuts mit der Folge, daß das Recht dieses Nachfolgestaates nunmehr das unter dem Recht des ungeteilten Staates entstandene Rechtsverhältnis beherrscht. An Stelle des Wohnsitzes in dem ungeteilten Staatsgebiet tritt der Wohnsitz in einem der Nachfolgestaaten, an Stelle der Staatsangehörigkeit in dem ungeteilten Staat die im Zusammenhang mit der Gebietsveränderung erworbene Staatsangehörigkeit in einem Nachfolgestaat, z. B. zur Bestimmung des Wirkungsstatuts einer „alten" Ehe. War das Recht des ungeteilten Staates in solchen Situationen anwendbar geworden, die zugleich mit anderen Staaten Verknüpfungen aufwiesen, und war es deshalb anwendbar geworden, weil die gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen zu dem Staatsgebiet des noch ungeteilten Staates hinging, und gilt diese Kollisionsnorm in sämtlichen Nachfolgestaaten weiter, so ist es die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem der Nachfolgestaaten z. Z. der Aufteilung des Geltungsgebiets des ursprünglichen Statuts, welche das Recht dieses Nachfolgestaates zum Nachfolgestatut werden läßt. War das Recht des ungeteilten Staates deshalb anwendungswillig, weil das Anknüpfungsmoment in der inländischen Lokalisierung eines früheren Ereignisses bestand, wie z. B. im Abschlußort des Vertrages, so ist die spätere Gebietshoheit eines Nachfolgestaates über die örtlichkeit, an der das Ereignis stattgefunden hatte, sicher nicht von entscheidender Bedeutung: War das italienische Privatrecht vor 1945 deshalb auf einen Vertrag anwendbar, weil der Vertrag in einer Stadt im Geltungsgebiet des italienischen Rechts vor 1945 errichtet worden war, so wird keineswegs später das Recht desjenigen Staates Nachfolgestatut, zu dem die Stadt, in der der Vertrag geschlossen wurde, später gehört, wenn alle sonstigen Verknüpfungen der Parteien und des Vertragsinhaltes zu einem anderen von denjenigen Staaten hingehen, zu deren Staatsgebiet Teile des früheren italienischen Staatsgebiets gekommen sind. War das Recht in dem ungeteilten Geltungsgebiet deshalb anwendungswillig, weil eine persönliche Verknüpfung z. Z. eines früheren Ereignisses zu dem ganzen Staat hinging (z. B. Staatsangehörigkeit des Mannes z. Z. der Eheschließung), so ist auch bei Aufrechterhaltung des alten internationalen Privatrechts in sämtlichen Nachfolgestaaten aus dieser Kollisionsnorm nicht schon die Lösung für die Frage zu finden, welcher Nachfolgestaat nunmehr mit seinem Recht das Rechtsverhältnis fortführen soll. In Erweiterung des Gedankens der Nachschubverknüpfung zur Begründung der Maßgeblichkeit der neuen Gesetze eines Statuts, das vermittels einer Ereignisverknüpfung oder des Bestehens einer Dauerverknüpfung in einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt worden war 3 9 , wird man aber mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in den verschiedenen Nachfolgestaaten in den eben erwähnten Fällen zur Ermittlung des Nachfolgestatuts darauf abstellen können, zu welchem Nachfolgestaat im Zeitpunkt des Zerfalls des Geltungsgebiets des 318
Die Bestimmung des Nachfolgestatuts
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bisherigen Statuts die gewichtigste Kombination von (Nachschub-)Verknüpfungen hingeht. Der spätere gemeinsame Wohnsitz der Parteien in einem Nachfolgestaat, oder die spätere gemeinsame Staatsangehörigkeit in einem Nachfolgestaat stellen dabei oft besonders gewichtige Nachschubverknüpfungen dar 4 0 . War das Recht des ungeteilten Gebiets durch ausdrückliche Rechtswahl zum Statut für ein z. Z. der Gebietsveränderung noch nicht beendetes rechtsgeschäftliches Verhältnis geworden, so kann dann, wenn auf das Rechtsverhältnis von den Beteiligten durch neues Rechtsgeschäft eingewirkt werden kann, auch eine ergänzende Neuwahl des Rechtes eines der Nachfolgestaaten zum Geschäftsstatut stattfinden. D a eine ausdrückliche Neuwahl in der Praxis äußerst selten ist, ist man vielfach bestrebt, das Resultat einer hypothetischen Rechtswahl zu ermitteln. Ganz abgesehen davon, daß zu den dann abzuwägenden Verknüpfungen sowohl neue, als auch frühere Verknüpfungen zu den Gebieten der Nachfolgestaaten gehören können, ist ein hier zu beachtender Gesichtspunkt auch, wenn auch keineswegs allein, die Tatsache, daß einer der Nachfolgestaaten das bisherige Recht, welches Geschäftsstatut war, unverändert beibehält, während andere Nachfolgestaaten sofort neues Recht einführen 4 1 . Wurde bei der früheren Rechtswahl das Recht eines Staates, zu dem eine Verknüpfung bestand, mit Absicht von den Parteien wegen seines Inhalts nicht gewählt, so kann das auch beim späteren Zerfall des Geltungsgebiets des gewählten Geschäftsstatuts ein Grund dafür sein, daß Nachfolgestatut nicht das Recht eines Nachfolgestaates wird, der gerade das von den Parteien seinerzeit gemiedene Recht auf dem von ihm erworbenen Gebiet einführt. Gehen nach der Teilung des Geltungsgebietes des ursprünglichen Geschäftsstatuts alle Verknüpfungen nur zu einem bestimmten Nachfolgestaat hin, so reicht allerdings der unterstellte Wunsch der Parteien, das Recht dieses Staates nicht angewendet zu wissen, meist für diesen Staat, aber auch für die anderen Nachfolgestaaten, nicht aus, um ein mit dem ursprünglichen Geschäftsstatut noch übereinstimmendes Recht eines Nachfolgestaates auf das Rechtsverhältnis mit der Begründung anzuwenden, es liege ein dahingehender hypothetischer Parteiwille v o r 4 2 . Hingegen ist von der bei heterogenen Verknüpfungen vorgenommenen ausdrücklichen oder hypothetischen Wahl des Rechtes des Staates mit später verkleinertem Staatsgebiet nicht anzunehmen, daß sie sich bei Aufteilung des anfänglichen Geltungsgebietes dieses staatlichen Rechts auf das Recht desjenigen Nachfolgestaates beziehen soll, der für die Zwecke des Völkerrechts mit dem verkleinerten Staat identisch sein will; das ist insbesondere dann sinnlos, wenn auch die anderen Nachfolgestaaten zunächst jedenfalls das gleiche materielle Privatrecht beibehalten: War für einen Vertrag mit objektiven Kontakten zu Algerien und nichtfranzösischen Staaten, aber ohne Kontakte zum europäischen Frankreich, „französisches" Recht als Vertragsstatut vereinbart, so wird nach der Verselbständigung Algeriens nicht ohne weiteres das Recht des Reststaates Frankreich Vertragsstatut. Das Idealziel, die Gesamtheit der Rechtsverhältnisse, die als homogen oder heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse zunächst einmal das Recht eines bestimmten Staates zum Statut hatten, bei Aufteilung des Geltungsgebiets dieses Statuts unter mehrere Staaten in paritätischer Weise je einem Nachfolgestaat und seinem Recht zuzuweisen, ist bei Fortgeltung des internationalen Privatrechts des bisherigen Statutsstaates in den Nachfolgestaaten dann nicht zu realisieren, wenn dieses internationale Privatrecht unparitätisch ausgestaltet war und bleibt 4 3 . Die Erreichung jenes Ziels ist ferner gefährdet, wenn die Nachfolgestaaten alsbald nach Teilung des Geltungsgebiets des ursprünglichen Statuts das internationale Privatrecht in den ihnen zugefallenen Gebieten abweichend von dem internationalen Privatrecht des ungeteilten Staates neu und unterschiedlich gestalten; so wenn z. B. ein Staat Gebiet von einem anderen erwirbt und dort sofort das internationale Privatrecht des Kernlandes einführt 4 4 . Selbstverständlich ist es auch möglich, daß aus politischen, insbesondere 319
§13
Spezialrechtliche Regelungen bei Staatsteilung
auch aus wirtschaftspolitischen, Gesichtspunkten heraus der eine oder andere N a c h f o l g e staat sich veranlaßt sieht, für bereits bestehende Rechtsverhältnisse Spezialrecht zu bilden, und dessen Anwendungsbereich ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut abzustecken 4 5 , oder für einzelne zwingende Sätze seines Rechts Anwendung zu beanspruchen, auch wenn grundsätzlich das fortbestehende Rechtsverhältnis nach dem Recht eines anderen N a c h f o l gestaates beurteilt wird. Einseitige Anwendungsanweisungen erläßt meist jeder Nachfolgestaat für diejenigen Sätze seines Rechts, aus denen sich ergibt, welche Geldschulden in der Währung des Landes, welches das ursprüngliche Statut für das Rechtsverhältnis stellte, in Schulden in der Währung dieses Nachfolgestaates umgewandelt werden; das hierfür maßgebliche A n k n ü p f u n g s m o m e n t ist dabei keineswegs immer dasjenige, welches zur Bestimm u n g desjenigen Rechts maßgebend ist, welches im übrigen nunmehr das neue Geschäftsstatut darstellen s o l l 4 6 . D e m Anspruch eines Nachfolgestaates, trotz Anerkennung des Rechts eines anderen Nachfolgestaates als des neuen Geschäftsstatuts, auf G r u n d einer bestimmten zu ihm hingehenden Verknüpfung die Anwendbarkeit einer einzelnen zwingenden N o r m seines Rechts anzuordnen, oder die Anwendung einer auf bestehende Rechtsverhältnisse anzuwendenden zwingenden Spezialnorm vorzusehen, können auch andere Nachfolgestaaten wieder aus denselben Gründen Rechnung tragen, aus denen sonst gesondert angeknüpfte Rechtssätze im Recht anderer Staaten zur Anwendung gebracht w e r d e n 4 7 . E s kann auch zu Überschneidungen solcher Ansprüche der verschiedenen Nachfolgestaaten auf Anwendung ihres eigenen Rechts k o m m e n . E s kann aber auch dazu k o m m e n , daß kein Nachfolgestaat ein noch nicht abgewickeltes Rechtsverhältnis seinem eigenen Recht unterstellen will. In diesem letzteren Fall bleibt dann die Möglichkeit, daß man das Rechtsverhältnis unter dem „versteinerten" Recht des Geltungsgebietes des früheren Statuts „auslaufen" läßt. Ein Auslaufen eines Rechtsverhältnisses (auch im weiteren Sinne) unter dem alten Recht des ungeteilten Geltungsgebiets ist auch dann angebracht, wenn gar keine aktuellen Verknüpfungen zum Gebiet eines der Nachfolgestaaten mehr bestehen. D a s ist der G r u n d , weshalb z. B . postmortale Erbrechtsregelungen in den Nachfolgestaaten eines zerfallenen Staates nicht zur Anwendung k o m men, wenn zu keinem dieser Nachfolgestaaten ergänzende Nachschubverknüpfungen — etwa über die Belegenheit von Nachlaß oder persönliche Verknüpfungen der Erbprätendenten — bestehen; dann ist insbesondere in Drittstaaten das alte Recht des ungeteilten Staates als Erbstatut maßgebend. Bei rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen ist aber auch noch an anderes zu denken. E s muß damit gerechnet werden, daß bei zweckgerechter Auslegung eines Rechtsgeschäfts die Herrschaft des anfänglich maßgeblichen Geschäftsstatuts unter einem unveränderten, oder jedenfalls nicht wesentlich veränderten, Geltungsbereich eine G r u n d bedingung für den Bestand des Rechtsverhältnisses selbst ist. D i e Aussicht, daß mehrere Nachfolgestaaten divergierende Bestimmungen ihres zwingenden Rechts auf das Rechtsverhältnis zur Anwendung bringen wollen, kann dann ein G r u n d sein, u m zu dem Schluß zu k o m m e n , daß das Rechtsverhältnis nach dem Geschäftswillen seiner Urheber mit der Aufteilung des Geltungsgebiets des ursprünglichen Geschäftsstatuts (eventuell auch anderer damit verbundener Vorgänge), und zwar eben gemäß dem alten Statut, als beendet anzusehen i s t 4 8 . Aber auch eine spezialrechtliche Regelung in einem Nachfolgestaat, der dazu durch eine zu ihm hingehende Verknüpfung legitimiert sein muß, kann dahin gehen, daß alte Rechtsverhältnisse in diesem Nachfolgestaat nicht weitergeführt werden, sondern daß sie erlöschen, weil sie sich weder zur Ü b e r f ü h r u n g in das neue Recht des Nachfolgestaates eignen, noch ihr Auslaufen unter dem alten Statut als tragbar erscheint. D a s wird insbesondere dann angenommen, wenn der Nachfolgestaat der Meinung ist, daß das frühere Recht, 320
Aufteilung von Mehrrechtsstaaten
§13
wie es in dem ungeteilten Geltungsgebiet des Statuts für das vorgefundene Rechtsverhältnis galt, solchen politischen Zielsetzungen diente, die mit denen des Nachfolgestaates absolut unvereinbar sind. Die sofortige Einführung des Rechts des bisherigen Kernlandes eines Nachfolgestaates in dem neuerworbenen Gebiet kann einer Revolution gleichkommen, bei der mit der Beseitigung des früheren „Regimes" auch das bisherige Recht grundsätzlich außer Kraft gesetzt, und zugleich die unter dem „vorrevolutionären" Recht entstandenen Rechtsverhältnisse nur in Ausnahmefällen fortgeführt und in Rechtsverhältnisse des neuen Rechts überführt werden 49 . War derjenige Staat, nach dessen internationalem Privatrecht sein eigenes Recht auf ein auch mit dem Ausland verknüpftes Rechtsverhältnis anwendbar war, ein Mehrrechtsstaat mit regional verschiedenem Recht, so daß das Rechtsverhältnis schon von Anfang an dem einen oder anderen Teilgebietsrecht durch interregionale Kollisionsnormen zugewiesen werden mußte, und geht das Staatsgebiet des Mehrrechtsstaates in der Weise auf mehrere Nachfolgestaaten über, daß einer von ihnen ein ganzes früheres Teilrechts gebiet erwirbt, so ist, wie oben schon erwähnt 50 , nicht anzunehmen, daß das frühere interregionale Kollisionsrecht zwischen den Teilgebietsrechten nunmehr als spezielles internationales Privatrecht zwischen den Nachfolgestaaten weitergilt. Wohl aber wäre es möglich, daß die Nachfolgestaaten das alte interregionale Recht unter Beschränkung auf die bereits bestehenden Rechtsverhältnisse weitergelten lassen; hatte der ungeteilte Mehrrechtsstaat ein unparitätisches internationales Privatrecht, während die Teilrechte im interregionalen Recht paritätisch behandelt wurden, und deutet jeder Nachfolgestaat das alte internationale Privatrecht in eigenes internationales Privatrecht um, so könnte im Verhältnis zwischen den Rechten der Nachfolgestaaten unter sich eventuell die frühere paritätische Behandlung der Teilrechte weiter bestehen, soweit es sich um die Behandlung bereits bestehender Rechtsverhältnisse handelt. Unter Umständen kann es auch dazu kommen, daß zwar einer der Nachfolgestaaten eines Mehrrechtsstaates angesichts der nunmehr überwiegend zu ihm hingehenden Verknüpfungen mit „seinem" Recht das Nachfolgestatut stellt, daß er aber auf das Rechtsverhältnis nicht eines der auf seinem Gebiet weitergeführten Teilgebietsrechte anwenden läßt, sondern das bis dahin interregional maßgebende Teilgebietsrecht eines für diesen Staat verlorenen Gebietes 51 . Dann kann sogar dieses Recht, ohne Teilgebietsrecht in dem neuen Staatsgebiet zu sein, noch Modifikationen durch den Gesetzgeber des neuen Statutsstaates erfahren 52 . Es kann möglicherweise auch so sein, daß man das bestehende Rechtsverhältnis unter dem Recht des verlorenen Teilgebietsrechts auslaufen läßt, und schließlich ist es nicht unmöglich, daß das Teilgebietsrecht eines verlorenen Gebiets in einem Nachfolgestaat zu einem partikulären Gruppenrecht für die Staatsangehörigen des Nachfolgestaates wird, die aus dem verlorenen Teilgebiet stammen 53 , und die dann vielleicht sogar ihr Personalstatut auf ihre Abkömmlinge vererben 54 . Auch dritte Forumstaaten können nicht umhin, durch ihre Gerichte, bzw. für ihre Gerichte eine Stellungnahme zu bilden, wenn bei ihnen zunächst einmal das Recht eines anderen Staates anzuwenden war, und später das Geltungsgebiet dieses Rechts zerfällt. Gelangen dann die Nachfolgestaaten irgendwie zu einer übereinstimmenden Lösung für die Frage, was aus dem bestehenden Rechtsverhältnis wird, und nach welchem Recht es nunmehr beurteilt werden soll, so ergibt sich aus allgemeinen Postulaten 55 , daß dritte Forumstaaten sich dieser Lösung abschließen sollten. Gelangen die unmittelbar beteiligten Nachfolgestaaten nicht zu übereinstimmenden Standpunkten, so sollte ein dritter Forumstaat jedenfalls keine eigene Stellungnahme bilden, die in keinem der Nachfolgestaaten geteilt wird. Führt ein Staat mit mehreren Teilrechtsgebieten in einem Teilgebiet unter Aufhebung des bisher dort geltenden Teilgebietsrechts das Recht eines anderen Teilgebiets ein, so sind 321
§13
Aufspaltung von Immaterialgüterrechten und juristischen Personen
die Fragen der Behandlung bestehender Rechtsverhältnisse, die unter dem aufgehobenen Teilgebietsrecht entstanden sind, keine anderen als die, wie sie zu lösen sind, wenn ein Einrechtsstaat anstelle des bisher geltenden Rechts neues Recht bildet: Nach der Einführung des anderen Teilrechts begründete Rechtsverhältnisse werden selbstverständlich nur nach dem neu eingeführten Recht beurteilt; gewisse Rechtsverhältnisse, die unter dem alten Recht entstanden sind, werden in ähnliche Rechtsverhältnisse des neuen Rechts überführt, andere läßt man unter dem alten Recht auslaufen, einzelne werden vorzeitig ganz beendet. Die Überführung alter Rechtsverhältnisse in Rechtsverhältnisse des neuen Rechts kann aber auch von einer Option für das neue Recht abhängig gemacht werden 56 , bzw. sie kann bei Option für das alte Recht unterbleiben. Die Konzeption, daß das Recht eines der Nachfolgestaaten, welche Teile des Geltungsgebietes des ursprünglichen Status für ein Rechtsverhältnis innehaben, zum Nachfolgestatut wird, läßt sich nicht durchführen bei Immaterialgüterrechten und juristischen Personen. Geht, wie vor allem bei Immaterialgüterrechten, ein subjektives Recht dahin, daß andere Rechtssubjekte ein bestimmtes Verhalten innerhalb des Staatsgebiets des Staates zu unterlassen haben, nach dessen Bestimmungen das subjektive Recht begründet worden ist 5 7 , so ist eine Auslegung des anwendungswilligen Rechtssatzes, der ein solches Recht begründet, vertretbar, daß sich das Recht auf das jeweilige Staatsgebiet dieses Staates beziehen solle, solange er als identischer Staat besteht. Erwirbt dann ein anderer Staat Teile des Staatsgebietes, so ist er selbst nicht gehindert, ein derartiges Recht als Monopolrecht gemäß dem Recht des Wirkungslandes 573 in dem von ihm erworbenen Gebiet weiterhin zu schützen. Zerfällt ein Staatsgebiet als Schutzbereich eines Immaterialgüterrechts in mehrere Neustaaten, so kann aber auch mangels einer Regelung durch Staatsvertrag angenommen werden, daß das ursprünglich „eine" Recht in eine Mehrheit von Rechten mit je einem eigenen Schutzbereich zerfällt. Es ist dann jedoch auch an eine Regelung zu denken, wonach nur das Immaterialgüterrecht in einem der Nachfolgestaaten - etwa am Wohnsitz des Inhabers — als das „Hauptrecht" gilt, zu dem die parallelen Rechte in den anderen Neustaaten in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen 58 . Erwirbt ein bereits bestehender Staat Teile des früheren Schutzbereichs eines Immaterialgüterrechts, so bereitet es oft Schwierigkeiten, das subjektive Recht unter Beschränkung auf das neuerworbene Teilgebiet aufrechtzuerhalten; dann wird möglicherweise dem vorgefundenen Immaterialgüterrecht auch im Restgebiet des Erwerberstaats Schutz zuteil; früher oder später folgt dann meist eine Vereinheitlichung der einschlägigen Gesetze für das ganze Staatsgebiet 59 . Zerfällt das Geltungsgebiet einer Privatrechtsordnung, nach deren Sachnormen eine juristische Person begründet worden ist, in die Staatsgebiete zweier oder mehrerer Staaten, so ist es keineswegs notwendig so, daß die juristische Person stets als juristische Person des Rechtes desjenigen Nachfolgestaates weiterbestehen würde, in dem sich ihr Sitz befand, und daß sie in dem anderen Nachfolgestaat nunmehr als „ausländische" juristische Person Inhaber des dort belegenen Vermögens wäre, obwohl natürlich die Nachfolgestaaten ausdrücklich oder stillschweigend eine solche Lösung einverständlich durchführen können. Es ist vielmehr auch möglich, daß jeder der Nachfolgestaaten das auf seinem Gebiet befindliche Vermögen der früheren juristischen Person einer neuen juristischen Person seines Rechts zuweist, wobei jede dieser neuen juristischen Personen auch ihren statutarischen Sitz in dem betreffenden Nachfolgestaat erhalten wird. Dabei können die Rechte der Gesellschafter usw. in bezug auf die mehreren neuen juristischen Personen durchaus denen entsprechen, die vorher an der einen „alten" juristischen Person bestanden 60 . Es wird selten sein, daß die Nachfolgestaaten übereinstimmend die Organe der juristischen Person selbst bestimmen lassen, ob diese nur unter dem Recht eines einzigen Nachfolgestaates fortgeführt werden solle, und daß sie diesen Staat selbst wählen können 61 . Eine andere 322
Zerfall juristischer Personen bei Staatsteilung
§13
mögliche Regelung, welche übereinstimmende Billigung der Nachfolgestaaten voraussetzt, ist die, daß das Vermögen einer Gesellschaft in einem Nachfolgestaat einer neuen Gesellschaft mit Sitz in diesem Nachfolgestaat anvertraut wird, und daß die in dem anderen Nachfolgestaat fortgeführte Gesellschaft alle Anteile an der neu begründeten Gesellschaft als einer Tochtergesellschaft erhält 62 . Wird ein Teil des Geltungsgebietes desjenigen Rechts, welches bis dahin das Personalstatut einer juristischen Person stellte, an einen anderen bereits bestehenden Staat abgetreten, so kann es ebenfalls von beiden Staaten als unerwünscht angesehen werden, daß die bis dahin bestehende juristische Person, und nur sie allein, unter dem Personalstatut des einen Staates weiterlebt, wo ihr bisheriger Sitz war, obwohl das Vermögen der juristischen Person ganz oder zum größten Teil sich in dem anderen Staat befindet; auch die Tatsache, daß die an der juristischen Person beteiligten natürlichen Personen sämtlich oder größtenteils die Staatsangehörigkeit des anderen Staates erwerben, kann ein Grund sein, daß dieser andere Staat selber die juristische Person weiterführen will. Mangels einer staatsvertraglichen Regelung62® besteht auch hier eine denkbare Lösung stets darin, daß die juristische Person in zwei ähnliche juristische Personen unter den Rechten des zedierenden Staates und des Erwerberstaates zerfällt. Bei Zerfall der ursprünglich einen juristischen Person in mehrere juristische Personen mit verschiedenen Personalstatuten und getrennten Vermögen sollten die neuen juristischen Personen Gesamtschuldner gegenüber den alten Gläubigern der ungeteilten juristischen Person werden. Eine Beschränkung der Haftung für Schulden der ungeteilten juristischen Person auf das Vermögen einer einzigen der neuen juristischen Personen, welche Aktivvermögen erworben haben, stellt einen enteignungsgleichen Eingriff in die Rechte der Gläubiger, aber auch einen enteignungsgleichen Eingriff in die Rechte der an der alten juristischen Person beteiligten Gesellschafter u. ä. dar, wenn die eine Nachfolgeperson nicht im Verhältnis ihrer Aktiven mit alten Schulden belastet wird. Problematisch wird das Schicksal des in dritten Staaten befindlichen Vermögens und laufender Verträge mit Dritten. Anzunehmen, daß nur einer der in den Nachfolgestaaten als existent angenommenen Erwerber von Aktivvermögen der alten juristischen Person deren Aktiven auch in dritten Staaten erwirbt mit der Begründung, daß er allein mit der alten juristischen Person identisch sei, wäre selbst dann unbefriedigend, wenn es sich um die juristische Person handelt, die ihren Sitz im Sitzstaat der alten juristischen Person hat, und die in diesem Nachfolgestaat auch den größeren Teil des Aktivvermögens erworben hat. Eine juristische Person gemäß dem Recht eines Nachfolgestaates, der die Aktiven in diesem Lagestaat überlassen worden sind, die aber nach dem Willen dieses Gesetzgebers an den Passiven der alten juristischen Person nicht beteiligt sein soll, kann andererseits sicher keine Ansprüche in bezug auf das in dritten Staaten belegene Vermögen der alten juristischen Person stellen. Das gilt vor allem, wenn auch die Rechte von Gesellschaftern in bezug auf diese juristische Person ihrerseits erloschen oder enteignet worden sind 6 2 b . Dies allein ist aber nun wieder noch kein Grund um anzunehmen, daß an allen noch nicht abgewickelten Rechtsverhältnissen der alten juristischen Person mit Dritten nur die neue juristische Person beteiligt ist, welche Rechtsnachfolger sein will, und nach dem Recht ihres Heimatstaates sein soll, oder daß mehrere juristische Personen gemeinsam an dem Rechtsverhältnis beteiligt sind. Im Gegensatz zu einem Vertrag mit einer natürlichen Person, an dem beim Tod dieser Person der Erbe oder die Erbengemeinschaft weiter beteiligt sein kann, und wo der andere Vertragspartner beim Vertragsschluß mit einem derartigen Ereignis rechnen konnte und mußte, wird bei einem Vertrag mit einer juristischen Person im allgemeinen nicht erwartet, daß anstelle dieser juristischen Person als Vertragspartner die Gesamtheit derjenigen juristischen Personen tritt, die Aktiven des ursprünglichen Vertragspartners erwerben werden, wenn als das ursprüngliche Geltungsgebiet des Personal323
§13
Warenzeichen aufgeteilter juristischer Personen
statuts der juristischen Person aufgeteilt wird. Andererseits ist es oft schwer zu sagen, welche der neuen juristischen Personen für den laufenden Vertrag mit der alten juristischen Person allein als „identisch zu gelten" hat. Vielfach ist es so, daß ein Geschäftsverhältnis mit der „alten" juristischen Person von A n f a n g an evident auf ein Teilgebiet lokalisiert war, so daß das Geschäfts Verhältnis mit derjenigen juristischen Person weitergeführt wird, die die Aktiven auf diesem Teilgebiet erworben hat; das wird z. B. für Depositenverhältnisse bei Zweigniederlassungen einer Bank vielfach angenommen. Ist aber der Vertrag mit der alten juristischen Person nicht schon auf einem Teilgebiet des Staatsgebietes lokalisiert, welches das Geltungsgebiet ihres Personalstatuts war, sondern handelt es sich um einen Vertrag, der mit der Zentrale „für die ganze juristische P e r s o n " geschlossen worden ist, so kann die Teilung der juristischen Person möglicherweise zur Folge haben, daß eine wesentliche Geschäftsgrundlage für den Vertrag als weggefallen gelten m u ß 6 3 . Ergibt sich dann ein Passivsaldo zu Lasten der juristischen Person, so müssen wieder die in den verschiedenen Nachfolgestaaten entstandenen neuen juristischen Personen als Gesamtgläubiger haften. Ähnliche spezialrechtliche L ö s u n g e n sind wohl nicht zu vermeiden, um bei einer Spaltung von juristischen Personen und ihres Geschäftsvermögens im Zusammenhang mit Veränderungen im Staatsgebiet des Gründungsstaates eine L ö s u n g dafür zu finden, daß die anfänglich für das eine Staatsgebiet des Gründungsstaates der juristischen Person geltenden Warenzeichen, die ihr gehören, in eine Mehrheit von solchen Rechten in den einzelnen Nachfolgestaaten zerfallen. Hier kann angenommen werden, daß die durch Spaltung entstandenen neuen Rechtsinhaber verpflichtet sind, ihre durch Spaltung erworbenen verschiedenen Warenzeichen voneinander unterscheidungsfähig zu machen. Dabei entspricht es allerdings auch der Billigkeit, wenn das Unternehmen, welches in der Rechtsordnung seines neuen Heimatstaates als mit der alten juristischen Person identisch betrachtet wird und deshalb einerseits für deren Schulden grundsätzlich weiter haftet, und w o andererseits die alten Gesellschafter in ihrer Rechtsstellung belassen worden sind, auch das Warenzeichen in der alten Fassung weiterführt, während das andere abgespaltene Unternehmen in dem anderen Nachfolgestaat sein durch Spaltung entstandenes eigenes Zeichen abweichend gestalten muß. Anstelle eines Warenzeichens, das eine im Zusammenhang mit einer Staatsspaltung in mehrere juristische Personen zerfallene juristische Person für das Gebiet dritter Staaten besessen hat, treten dann ebenfalls neue unterscheidbare Warenzeichen der Nachfolgepersonen64. A n h a n g : Geltendes R e c h t in der B u n d e s r e p u b l i k Daß dem E G B G B präzise Vorstellungen über die zeitlichen Aspekte des internationalen Privatrechts zugrunde liegen, ist nicht zu sehen. Der Rechtsprechung ist kaum bewußt geworden, daß die Beurteilung der Frage nach dem rechtmäßigen Bestehen eines Dauerrechtsverhältnisses nach einem Statutenwechsel unter der Grundstatutsmethode und der Mosaikmethode zu recht verschiedenen Resultaten führt, und daß um eine grundsätzliche Entscheidung für die eine oder andere Methode nicht herumzukommen ist. In Art. 15 E G B G B hat sich der Gesetzgeber beim ehelichen Güterrecht für die Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts zu Beginn der Ehe entschieden, und man hat hieran festgehalten, o b w o h l angesichts der großen Anzahl von Ehen, bei denen im Zusammenhang mit politischen Vorgängen die Staatsangehörigkeit des Mannes im Verlauf der Ehe gewechselt hat, die Beibehaltung des Gedankens der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts von vielen kritisiert wurde. Eine Durchbrechung brachte das Bundesgesetz vom 4. 8. 1969 über den Güterstand vertriebener Deutscher und von Sowjetzonenflüchtlingen in der Bundesrepublik. D i e Gedanken des Auslaufens eines Rechtsverhältnisses unter dem versteinerten 324
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
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Anfangsstatut, und des Erfordernisses von Nachschubverknüpfungen für die Anwendung neuer Gesetze des ursprünglichen Statuts für ein Dauerrechtsverhältnis nach Wegfall des anfänglich entscheidenden Anknüpfungsmoments sind von der Rechtsprechung gerade beim Güterstand aufgegriffen worden 6 5 . In der Vorschrift des Art. 15, Abs. 2, Halbs. 2 E G B G B fand sich bereits eine einzelne Durchbrechung des Gedankens der Unwandelbarkeit, indem für auslandsrechtliche Güterstände von Ehegatten mit deutschem Wohnsitz oder nach Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eine etwaige Bestimmung des maßgeblichen Rechts, aus der sich die Unzulässigkeit des Abschlusses eines Güterrechtsvertrages ergab, als unanwendbar erklärt wurde. Die Rechtsprechung hat schließlich auch die nachträglich eingetretene Anwendungsunwilligkeit des ersten ausländischen Güterstatuts und die Verweisung dieses Rechts auf ein anderes Recht respektieren, und damit auch den Wechsel des Güterrechtsstatuts übernehmen wollen, indem Art. 15 (2) im Sinne des Art. 27 E G B G B als Gesamtverweisung behandelt, und überdies Art. 28 E G B G B , in derselben Weise wie beim Erbrecht 66 , auf güterrechtliche Veränderungen der Rechtsverhältnisse an Vermögensrechten, die im Ausland belegen sind, angewendet wurde. Die Gebietsveränderungen nach dem ersten und zweiten Weltkrieg hätten Gelegenheit geboten, Rechtsanwendungsanweisungen für den Zerfall des Geltungsgebietes der deutschen Privatrechtsordnung zu entwickeln, soweit nicht mit der Verkleinerung des Deutschen Reiches ohnehin schon ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in Verbindung mit dem Erwerb der Staatsangehörigkeit eines anderen Nachfolgestaates verbunden war. Abgesehen von einzelnen gesetzlichen Maßnahmen 67 ist jedoch nie grundsätzlich an das Problem herangegangen worden, nach welchen Grundsätzen neben dem Recht des verkleinerten Deutschen Reichs bzw. dem Recht der Bundesrepublik die Rechte anderer Nachfolgestaaten als Nachfolgestatuten für „alte" Rechtsverhältnisse maßgebend werden sollten. Daß bei völligem Fehlen aktueller Nachschubverknüpfungen zur Bundesrepublik bzw. zur D D R frühere Verknüpfungen zu einer örtlichkeit, die heute auf dem Gebiet des einen oder anderen deutschen Staates belegen ist, nicht dafür entscheidend sein können, ob ein Dauerrechtsverhältnis unter dem einen oder dem anderen Nachfolgerecht fortgeführt wird, scheint aber unbestritten zu sein: Das Ehegüterrecht der D D R ist, wenn der eheliche Wohnsitz deutscher Staatsangehöriger schon vor dem Einsetzen der Rechtsverschiedenheit in Ost und West nach Westdeutschland verlegt war, nicht deshalb maßgebend, weil der erste eheliche Wohnsitz an einem Ort bestanden hat, der heute zum Gebiet der D D R gehört. Im Rückerstattungsrecht hat die Rechtsprechung die anfänglich weit verbreitete Auffassung, daß es nur darauf ankomme, ob die Entziehung seinerzeit an einem Ort vor sich gegangen ist, der später innerhalb des Geltungsgebietes eines westdeutschen Rückerstattungsgesetzes belegen war, nicht aufrecht erhalten. Andererseits wurde auch der Gedanke, daß es nur auf die Durchsetzbarkeit eines in den Rückerstattungsgesetzen vorgesehenen Anspruchs im Geltungsgebiet eines solchen Rückerstattungsgesetzes ankomme, nicht konsequent durchgeführt. Die Rechtsprechung bejaht die Anwendung eines deutschen Rückerstattungsgesetzes einerseits, wenn die Entziehung im Gebiet eines solchen Gesetzes erfolgt ist; sie bejaht sie aber auch, wenn der entzogene Gegenstand oder sein Surrogat trotz Entziehung außerhalb eines solchen Gebietes irgendwann später in das Geltungsgebiet eines Rückerstattungsgebietes verbracht worden ist 6 8 . Bei Entziehungen durch das Deutsche Reich auf dem Gebiete des heutigen Ostberlin ist durch besondere gesetzliche Bestimmung auch von diesem Erfordernis des Verbringens abgesehen worden.
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§14
Internationale Zuständigkeit der Gerichte
§ 14. Das internationale Privatrecht und das gerichtliche Verfahren a) Die internationale Zuständigkeit der Staatsorgane zur rechtsanwendenden Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren 1. Allgemeines Wiederholt ist bereits betont worden, daß ein Staatsorgan die Anweisungen über die als „rules of decision" bei seiner rechtsanwendenden Tätigkeit herbeizuziehenden Rechtssätze von demselben Gesetzgeber erhält, von dem es auch den Auftrag zur Ausübung einer solchen Tätigkeit erhält. Das letztere geschieht insbesondere in Gestalt von Zuständigkeitsvorschriften. Staatliche Zivilgerichte werden so in erster Linie damit beauftragt, bei Streitfällen, die ihnen vorgelegt werden, Feststellungen über eine konkrete Rechtslage zu treffen; sie haben zu klären, was bezüglich der streitigen Rechtslage „im Forumstaat" als die richtige Rechtslage angesehen werden muß; diese Fragestellung bezieht sich auf das, was als die vom Richter zu entscheidende „Hauptfrage" des Prozesses bezeichnet wird. Wird, wie es in einer großen Zahl von Fällen geschieht, vom Richter bei der Klärung der streitigen Rechtslage das Bestehen einer in seiner Entscheidung abschließend beschriebenen konkreten Verhaltenspflicht einer Partei festgestellt, so kann die Entscheidung in Gestalt eines für vollstreckbar erklärten Leistungsurteils die Grundlage für Eingriffe anderer Staatsorgane in Rechtsgüter, die der Verurteilte im Forumstaat besitzt, durch Vollstreckungsakte werden. Gerichtliche Feststellungen des Inhalts, daß die Klage auf Leistung unzulässig oder unbegründet sei, oder auch gerichtliche Feststellungen, daß ein ganzer Vertrag in jeder Hinsicht gültig, oder daß bestimmte Personen zu bestimmten Anteilen Erben eines Verstorbenen geworden seien, und Feststellungen ähnlichen Inhalts können zwar rechtskräftig, d. h. in zukünftigen Gerichtsverfahren bindend sein; es kann sich sogar um konstitutive Feststellungen von Rechtslagen handeln; doch können derartige Entscheidungen nicht vollstreckt werden. Dasselbe gilt von privatrechtsgestaltenden Gerichtsakten (Ehescheidung usw.). Sofern solche' Akte in einem gesonderten Verfahren zu erfolgen haben, muß aber auch hierfür ein Gericht von seinem Gesetzgeber einen Arbeitsauftrag in Gestalt von Zuständigkeitsbestimmungen erhalten. Auch das Bestehen von „reinen" Tatsachen, einschließlich solcher Tatsachen, an die das Recht eine Vermutung über das Bestehen anderer Tatsachen anknüpft, kann, wenn diese Tatsachen irgendwie rechtserheblich sind (Echtheit einer Urkunde, Abstammung), als eine „Hauptfrage" alleiniger Gegenstand einer rechtskraftfähigen, wenn auch nicht vollstreckbaren gerichtlichen Feststellung in einem gesonderten Verfahren sein; auch hierfür sind Zuständigkeitsbestimmungen unentbehrlich. Die Regelung der Zuständigkeit irgendwelcher Gerichte ein und desselben Staates zu Entscheidungen über Rechtsstreitigkeiten oder zu anderen Akten1 in heterogen verknüpften Situationen wird als die Regelung ihrer internationalen Zuständigkeit bezeichnet. Die internationale Zuständigkeit kann in gesonderten Vorschriften „offen" durch Angabe einer die internationale Zuständigkeit auslösenden Inlandsverknüpfung geregelt sein. Sie kann sich auch indirekt aus der Regelung der „örtlichen" Zuständigkeit ergeben, wenn im Staat an verschiedenen Orten mehrere Gerichte mit gleicher sachlicher Zuständigkeit, aber verschiedener örtlicher Zuständigkeit bestehen: Wird von den inländischen Gerichten im Gesetz dasjenige als örtlich zuständig erklärt, in dessen Sprengel der Beklagte seinen Wohnsitz hat, und ist keine besondere Bestimmung über die internationale Zuständigkeit getroffen worden, so sind „die" Gerichte dieses Staates auf Grund des inländischen Wohnsitzes „international" zuständig2. In Ländern, welche in ihrem Zivilprozeßrecht negative Feststellungsklagen kennen, 326
Gründe der internationalen Zuständigkeit
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die eine rechtskräftige Entscheidung des Inhaltes anstreben, daß eine angeblich meist vom Beklagten behauptete konkrete Verhaltenspflicht, oder ein ganzes Rechtsverhältnis, oder eine bestimmte Tatsache nicht besteht, muß eine Regelung getroffen werden, ob die Zuständigkeit in solchen negativen Feststellungsprozessen davon abhängig sein soll, ob für ein von der beklagten Partei betriebenes hypothetisches Verfahren auf positive Feststellung eine Zuständigkeit gegeben wäre, oder ob es auf Grund gesonderter Zuständigkeitsbestimmungen für negative Feststellungsklagen auf andere Inlandsverknüpfungen ankommt 3 . Der Gesetzgeber, der irgendwelche Teilfragen für die hypothetische Hauptfrage nach dem Bestehen einer bestimmten Verhaltenspflicht, oder der das Bestehen eines Rechtsverhältnisses als solches, oder der das Bestehen von rechtserheblichen Tatsachen isoliert zum zulässigen Gegenstand gerichtlicher Feststellungsverfahren machen will, muß sich ebenfalls darüber entscheiden, ob er speziell für solche Verfahren bestimmte Inlandsverknüpfungen als Zuständigkeitsauslösend erklären will, oder ob die internationale Zuständigkeit für solche Verfahren davon abhängig sein soll, daß für Prozesse über konkrete Verhaltenspflichten, in denen jene Fragen als Vorfragen relevant würden, eine internationale Zuständigkeit besteht4. Bei der Auswahl der die internationale Zuständigkeit für gerichtliche Verfahren begründenden Verknüpfungen ist der staatliche Gesetzgeber an gewisse äußerste völkerrechtliche Schranken gebunden, die vorwiegend durch Tradition bestimmt sind. Die Inlandsverknüpfungen, welche nach Völkerrecht die internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte eines Staates begründen können, sind weit zahlreicher als die Verknüpfungen, welche als internationalprivatrechtliche Anknüpfungsmomente in einer Zuweisungsnorm die Anwendbarkeit von eigenen Vorschriften des betreffenden Staates rechtfertigen können. Es gibt Staaten, welche die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte zur Klärung streitiger privatrechtlicher Rechtslagen allein davon abhängig machen, daß ein eigener Staatsangehöriger an dem nach der Klagbehauptung angeblich bestehenden Rechtsverhältnis „beteiligt" ist 5 ; auch wenn zugleich der Erwerb dieser Staatsangehörigkeit ohne Verletzung von Völkerrecht allein an die zufällige Tatsache der Geburt auf dem Staatsgebiet angeknüpft wurde, so wird doch die auf diese Weise begründete internationale Zuständigkeit der Gerichte nicht als völkerrechtswidrig angesehen. Ein Staat darf auch allein den Umstand, daß dem Beklagten die Klagschrift auf Anordnung oder auf Grund einer Erlaubnis des Gerichts persönlich bei einem zufälligen Aufenthalt auf dem Staatsgebiet „zugestellt" (also eventuell nur zur Entgegennahme angeboten) werden konnte, als Anknüpfungsmoment für die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte verwenden6. Vom Standpunkt des Völkerrechts her ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß ein Staat die Zuständigkeit seiner Gerichte zur Feststellung irgendwelcher vermögensrechtlicher Verpflichtungen eines Privatrechtssubjektes daran anknüpft, daß der Betreffende Vermögen im Gerichtsstaat hat 7 , oder daß er sich dort direkt oder indirekt geschäftlich betätigt, auch wenn der geltend gemachte Anspruch nichts mit diesem Vermögen im Forumstaat oder den dort betriebenen Geschäften zu tun hat 8 . Völkerrechtlich unbedenklich ist auch eine Generalklausel, wonach die Gerichte sich mangels präziserer gesetzlicher Vorschriften auf Grund jeder völkerrechtlich und verfassungsrechtlich ausreichenden Inlandsverknüpfung als international zuständig betrachten müssen9' 1 0 . Es ist kein völkerrechtliches Hindernis der internationalen Zuständigkeit von Gerichten, daß das Verhalten des Beklagten, zu dem er verurteilt werden soll, im Ausland vor sich gehen soll bzw. nur im Ausland vor sich gehen kann, wie z. B. die Herausgabe einer Sache außerhalb des Gerichtsstaates11, oder die Unterlassung einer Handlung in einem anderen Staat. Das Erfordernis einer Inlandsverknüpfung für die Inanspruchnahme internationaler Zuständigkeit der eigenen Gerichte gilt im übrigen nur für die Zuständigkeit zur Entschei327
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Völkerrechtliche Aspekte
dung über die Hauptfrage; für die Beurteilung von Inzidentfragen ist keinerlei Inlandsverknüpfung erforderlich. Ein wichtiges weiteres völkerrechtliches Erfordernis für die Ausübung von Zivilgerichtsbarkeit über Ausländer, deren Beachtung durch den Heimatstaat dieser Ausländer in Ausübung seines völkerrechtlichen Schutzrechts gefordert werden könnte, geht dahin, daß, wenn eine völkerrechtlich genügende internationale Zuständigkeit gegeben ist, dem Beklagten der Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Kenntnis gebracht werden muß. Auch andere Personen, die von der Rechtskraft einer eventuellen Entscheidung betroffen werden, müssen, wenn es sich nicht gerade um die Allgemeinheit handelt, nach Völkerrecht von der Einleitung eines Verfahrens in Kenntnis gesetzt werden. Eine allgemeine Rechtsüberzeugung verlangt hier vor allem, daß die bestehenden Möglichkeiten, dem Beklagten persönlich Mitteilung über den Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zukommen zu lassen, weitestgehend ausgeschöpft werden müssen, ehe das Verfahren allein nach „öffentlicher Zustellung" der Klage am Gerichtsort 1 2 betrieben w i r d 1 3 . Verhindert der Aufenthaltsstaat des Beklagten, daß diesem auf irgendeinem beweisbaren Wege Kenntnis von der bei einem ausländischen Gericht erhobenen Klage verschafft wird, so ist die öffentliche Zustellung am Gerichtsort völkerrechtlich ausreichend. Eine völkerrechtliche Verpflichtung, „Klagzustellungen" an eine auf dem Staatsgebiet befindliche Person durch ausländische Konsuln oder gar durch Privatpersonen zu dulden, besteht nicht; d. h. der Aufenthaltsstaat kann für Zustellungen auf Anordnung eines ausländischen Gerichts die Einschaltung seiner eigenen Behörden verlangen 1 4 . Er kann dann allerdings auch wieder die Durchführung der Zustellung verweigern, wenn das angerufene Gericht nach seiner Auffassung keine ausreichende völkerrechtliche Zuständigkeit besitzt 1 5 . Wenig beachtet, aber von erheblicher Bedeutung ist es, daß nach einer allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsüberzeugung die Behauptung des Klägers, es läge eine zur Begründung der internationalen Zuständigkeit ausreichende Inlandsverknüpfung vor, allein noch nicht als genügend angesehen werden darf 1 6 , damit das Gericht in der Sache tätig wird, selbst wenn der ausländische Beklagte, dem die Klage nachweislich persönlich außerhalb des Gerichtsstaates oder „öffentlich" zugestellt worden ist 1 7 , die internationale Zuständigkeit nicht, oder nicht in der vom Verfahrensrecht vorgesehenen Form, bestreitet. Die Gefahr, daß gegen einen Ausländer auf Grund der absolut unrichtigen Behauptung des Klägers, der Beklagte habe im Gerichtsstaat einen Wohnsitz oder eine Geschäftsniederlassung, oder im Gerichtsstaat befinde sich ein Vertragsabschlußort, Erfüllungsort oder Deliktsort, oder der Beklagte sei Staatsangehöriger des Staates, dessen Gerichte auf Grund dieser Staatsangehörigkeit international zuständig sind, ein Verfahren anhängig gemacht und weiter betrieben wird, wenn der Beklagte auf die vielleicht in einer ihm fremden Sprache abgefaßte oder schwer verständliche Klagschrift auch nicht einmal mit dem formlosen Einwand der Unzuständigkeit reagiert, ist außerordentlich erheblich. Hängt die internationale Zuständigkeit von einer persönlichen Verknüpfung des Beklagten oder des Klägers mit dem Gerichtsstaat ab, so hat das Gericht, sofern nicht dem Beklagten im Gerichtsstaat persönlich zugestellt wurde, das Bestehen dieser Verknüpfung von Amts wegen zu klären 1 8 . Hängt die internationale Zuständigkeit vom Deliktsort, Vertragsabschlußort, Erfüllungsort usw. ab, so würde eine Prüfung der internationalen Zuständigkeit, wenn sie sich darauf beziehen würde, ob der Beklagte tatsächlich ein zu Schadensersatzansprüchen führendes Delikt begangen hat, oder ob ein gültiger Vertrag abgeschlossen worden ist, dazu führen, daß der größte Teil der Sachprüfung schon von Amts wegen vorweg bei Prüfung der internationalen Zuständigkeit erfolgen müßte, obwohl es bei einer Klage am inländischen Wohnsitz des Beklagten Sache der Parteien wäre, vorgebrachte Tatsachen zu bestreiten und an Hand der Regeln über die Beweislast zu beweisen 1 9 . Daraus folgt aber nicht, daß die für die internationale Zuständigkeit vorgetragenen Behauptungen, des Klä328
Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit
§14
gers mangels Bestreitung durch den Beklagten, dem im Ausland, insbesondere am ausländischen Wohnsitz, zugestellt worden ist, als wahr zu unterstellen sei. Vielmehr muß sich das Gericht von Amts wegen davon überzeugen, daß die behaupteten Tatsachen nicht unwahrscheinlich sind 20 . Die endgültige Klärung, ob die fragliche Inlandsverknüpfung in dem behaupteten rechtlichen Aspekt sich wirklich im Sinne der Klagbehauptung zugetragen hat, kann dann davon abhängig gemacht werden, daß der Beklagte die Zuständigkeit bestreitet, und gegebenenfalls ein voller Beweis für zuständigkeitsbegründende Tatsachen erbracht wird 203 . Hat der Beklagte Vermögen in dem Staat, dessen Gerichte nur auf Grund einer anderen (von dem Kläger behaupteten) Verknüpfung sich als zuständig betrachtet haben, so steht sich allerdings der Beklagte, wenn schließlich im Urteilsstaat in dieses Vermögen vollstreckt wird, nicht schlechter, als wenn die internationale Zuständigkeit auf diesen Vermögensbesitz hätte gestützt werden können, was ja völkerrechtlich unbedenklich ist. Komplikationen bereitet es, wenn das für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Anknüpfungsmoment sich seinerseits erst durch Anwendung des in der Sache selbst anwendbaren, und bei Prüfung der internationalen Zuständigkeit anläßlich der Klagerhebung oft noch gar nicht bereits feststehenden materiellen Rechts (insbesondere der Gültigkeit eines Vertrages unter diesem Recht) ergeben kann, wie dies vor allem beim Erfüllungsort und dem abgeleiteten Wohnsitz der Fall ist 21 . Die Art und Weise, wie die Rechtsprechung hier Lösungen bildet, ist oft unbefriedigend. Noch schwieriger ist es, wenn durch völkerrechtlichen Vertrag bestimmt wird, daß die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Vertragsstaaten nur auf Grund bestimmter Inlandsverknüpfungen bejaht werden darf, und wenn dabei mit Anknüpfungsmomenten gearbeitet wird, die ihrerseits von dem anwendbaren materiellen Recht abhängen, und wenn das Kollisionsrecht der Vertragsstaaten noch nicht durch Vertrag vereinheitlicht worden ist 22 . Hat der ausländische Beklagte, der sich normalerweise außerhalb des Gerichtsstaates aufhält, von dem geplanten Verfahren Kenntnis erhalten, so darf ihm auch schon nach Völkerrecht die Bestreitung der internationalen Zuständigkeit des angegangenen Gerichts nicht in unbilliger Weise, z. B. durch das Erfordernis des persönlichen Erscheinens, der Zahlung von Kostenvorschüssen oder kostspieligem Anwaltszwang, erschwert werden. Darüber hinaus wird es gerade in heterogen verknüpften Situationen wichtig, daß ein völkerrechtlich gesichertes Menschenrecht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs in allen Gerichtsverfahren angenommen werden muß. Bei Nichteinhaltung der genannten völkerrechtlichen Bestimmungen erfolgen allerdings nur selten diplomatische Vorstellungen seitens des Heimatstaates des Beklagten oder gar Androhung oder Anwendung von Repressalien; praktisch ist es in erster Linie die Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte, zu der es kommt, wenn das entscheidende Gericht die völkerrechtlichen Grundsätze über internationale Zuständigkeit und Information des Beklagten in heterogen verknüpften Sachen verletzt hat. Dem Ideal einer international uniformen Zuweisung der heterogen verknüpften Situationen zur privatrechtlichen Regelung an die verschiedenen Staaten durch paritätische Zuweisungsnormen könnte es dienlich sein, wenn normalerweise die Gerichte des Staates, der das anwendbare Recht stellt, entscheiden würden, und wenn ihre Entscheidung in allen anderen Staaten anerkannt würde. Bei rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen scheitert das oft schon daran, daß sowohl nach der Grundstatutsmethode, als auch nach der Mosaikmethode die Hauptfrage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht gar nicht nach einem Recht beantwortet werden kann, sondern daß mehrere Rechte herangezogen werden müssen. Wenn, wie dies weitgehend der Fall ist, schon Entscheidungen der Gerichte solcher Länder, die dieselben internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen haben, im Verhältnis dieser Länder unter sich nicht ohne weiteres anerkannt und 329
§14
Zuständigkeit der Gerichte des Statutsstaates
vollstreckt werden 2 2 3 , so wäre es eine empfindliche Behinderung der Rechtsschutzchancen in heterogen verknüpften Situationen und eine Ungleichbehandlung der an heterogen bzw. homogen verknüpften Rechtsverhältnissen beteiligten Rechtssubjekte, wenn die Staaten die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte nicht nur von dem Bestehen einer bestimmten zuständigkeitsbegründenden Inlandsverknüpfung, sondern stets zusätzlich auch noch davon abhängig machen würden, daß das eigene Recht anwendbar ist 2 3 . Unter Umständen erfolgt eine einseitige Zuweisung im internationalen Privatrecht des Forumstaates an die lex fori, indem die internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte von einem bestimmten Anknüpfungsmoment abhängig gemacht und in dem auf Grund dieser Zuständigkeit betriebenen Verfahren, möglicherweise aber auch in einem anderen Verfahren, nur das eigene Recht auf die Hauptfrage angewendet werden soll: Manche Länder bestimmen, daß auf Scheidungsklagen oder bei der Regelung der Personensorge das inländische Gericht in jedem Verfahren, in dem es international zuständig ist, nur die lex fori anzuwenden habe. Entsteht das Bedürfnis der Fürsorge für einen Prozeßunfähigen im Inland dadurch, daß gegen ihn vor einem inländischen Gericht geklagt wird, so ist die inländische Lokalisierung des Bedürfnisses nach Fürsorge zugleich maßgebend für die Zuständigkeit des inländischen Gerichts für die Bestellung eines Pflegers; dasselbe Anknüpfungsmoment entscheidet dann aber auch über das auf die Pflegerbestellung und die Rechtsstellung des Pflegers anzuwendende (inländische) Recht. Daß andererseits vor allem für privatrechtsgeita/iewde Staatsakte eine subsidiäre Zuständigkeit der Organe im Statutsstaat vorgesehen werden sollte, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt 24 . Aber auch für die Frage nach dem Bestehen von Verhaltenspflichten 25 sollte die Anwendungswilligkeit des eigenen Rechts eines Staates als subsidiäre zuständigkeitsbegründende Verknüpfung anerkannt werden, wenn nachweislich ein Verfahren unter Anwendung desselben Rechts in keinem anderen Staat betrieben werden kann 2 6 . Hierbei müßte allerdings wieder sichergestellt werden, daß die Anwendbarkeit des inländischen Rechts nicht nur vom Kläger behauptet sein muß, sondern daß er sie durch Angabe von Beweismitteln für die einschlägigen Inlandsverknüpfungen wahrscheinlich zu machen hat 2 7 . Die Anwendbarkeit der lex fori als letztes Mittel zur Füllung der Lücke, die durch Ausschaltung von berufenem ausländischen Recht vermittels der negativen ordre public-Klausel entsteht, sollte wohl kein Grund sein, um eine nicht schon anderweit begründete internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates zu rechtfertigen, wohl aber der Umstand, daß die Entscheidung eines ausländischen Gerichts wegen der Unvereinbarkeit des von ihm zugrunde gelegten Rechts mit der ordre public-Klausel des Forumstaats in Widerspruch gerät 28 ' 2 9 . Wird einem Staat durch völkerrechtlichen Vertrag nur die Verwendung bestimmter Inlandsverknüpfungen zum Zwecke der Begründung der internationalen Zuständigkeit seiner Gerichte erlaubt 30 , und wird er zugleich verpflichtet, die Entscheidungen der Gerichte anderer Staaten mit zuständigen Gerichten ohne Rücksicht auf das angewendete Recht anzuerkennen 31 , so wird damit, was vielfach übersehen wird, die internationalprivatrechtliche Rechtsanwendungsanweisung des Anerkennungsstaates praktisch entkräftet. Um so wichtiger ist es, daß dort, wo solche Bindungen nicht bestehen, derjenige Staat, der selbst die lex causae für eine auf das Bestehen einer Rechtspflicht gerichtete Hauptfrage stellen will, seine Rechtsanwendungsanweisung nicht dadurch entwertet, daß er diese Anwendbarkeit nicht als subsidiären Grund für die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte betrachtet, falls nicht gesichert ist, daß das zuständige ausländische Gericht ebenfalls sein Recht als lex causae zur Anwendung zu bringen hat. 2. Gerichtliches
Ermessen zur Ausübung internationaler
Zuständigkeit
Wenn durch völkerrechtliche Verträge den Staaten geboten wird, ihren Gerichten 330
Forum non conveniens
§14
internationale Zuständigkeit zu verschaffen, so ist es meist nicht mehr möglich, dem Richter ein Ermessen zu geben, ob er von der durch eine Inlandsverknüpfung begründeten internationalen Zuständigkeit Gebrauch machen will. Im übrigen aber bedeutet insbesondere die in nicht wenigen Ländern 32 anerkannte forum non conveniens-Regel, daß das auf Grund einer Inlandsverknüpfung international zuständige Gericht ein Tätigwerden in heterogen verknüpften Sachen ablehnen darf, wenn es sich davon überzeugt hat, daß ein auf Grund ausländischer Gesetze konkurrierend zuständiges ausländisches Gericht vorhanden ist, dessen Entscheidung auch im Inland anerkannt und vollstreckt würde, und daß es für die richtige Rechtsfindung und zur Vermeidung unnötiger Belastungen der Parteien und Zeugen besser ist, daß dieses ausländische Gericht, und nicht das angegangene Gericht in der Sache entscheidet. Ein zusätzlicher Gesichtspunkt für die Ablehnung der Ausübung internationaler Zuständigkeit kann es dann auch sein, daß die Ermittlung und Handhabung des berufenen und anwendungswilligen ausländischen Rechts dem angerufenen Gericht ungewöhnliche Schwierigkeiten bereitet; das kann vor allem dann der Fall sein, wenn das ausländische Recht nicht in Gesetzen, sondern in Gewohnheitsrecht, oder in Gestalt schwer übersehbaren Richterrechts, oder in Gestalt gewisser nur durch Sachverständige zu ermittelnder „Bräuche" besteht, oder wenn der berufene ausländische Rechtssatz es notwendig macht, mit Wertvorstellungen oder Ideologien zu operieren, die zwar mit dem ordre public des Forumstaates nicht unvereinbar sein mögen, mit denen aber der Richter im Forumstaat nicht vertraut ist. Ein Grund für die Ablehnung des Gebrauchs der eigenen internationalen Zuständigkeit kann es auch sein, daß das ausländische Recht auf Tatbestände abstellt, die nur von spezialisierten Sachkennern, die es im Inland nicht gibt, beurteilt werden können 33 . Ein verkapptes Ermessen zur Nichtausübung der durch eine bestimmte Inlandsverknüpfung gegebenen internationalen Zuständigkeit wird unter Umständen darin gewährt, daß die Prozeßvoraussetzung des Rechtsschutzbedürfnisses des Antragstellers dahin verstanden wird, daß ein Bedürfnis zu solchem Schutz gerade im Inland erforderlich sei 34 . Ein Ermessen zur Nichtausübung einer nach dem Gesetz begründeten internationalen Zuständigkeit könnte auch darauf abstellen, daß unter den Umständen des Einzelfalles im Inland keinerlei Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen und zu erwarten sind 3S . Das richterliche Ermessen zur Ausübung gesetzlich begründeter internationaler Zuständigkeit könnte auch so gesteuert werden, daß neben dem Bestehen einer Inlandsverknüpfung ein öffentliches Interesse an der Durchführung des Verfahrens durch das inländische Gericht erfordert wird, wenn ausländische Gerichte mit konkurrierender Zuständigkeit vorhanden sind. Stets sollte die Ablehnung der Ausübung eigener internationaler Zuständigkeit im Einzelfall davon abhängig gemacht werden, daß das konkurrierend zuständige ausländische Gericht, für dessen Entscheidung vermutlich Vollstreckung in dem Staat begehrt würde, bei dessen Gerichten geklagt worden ist, seine Stellungnahme zu dem heterogen verknüpften Sachverhalt auf Grund desselben Rechts bilden muß, das auch im Forumstaat berufen ist. Das ist besonders dann plausibel, wenn die internationale Zuständigkeit des inländischen Gerichts ohnehin davon abhängig gemacht worden ist, daß gemäß dem inländischen internationalen Privatrecht das eigene Recht des Forumstaates zur Anwendung zu gelangen hat. Wird ein Ermessen gegeben, von der internationalen Zuständigkeit keinen Gebrauch zu machen, obwohl damit gerechnet werden muß, daß das konkurrierend zuständige ausländische Gericht ein anderes Recht anwendet, als es das angegangene Gericht hätte tun müssen, so bedeutet dies, daß dem inländischen Richter ein Recht verschafft wird, anstelle des eigenen internationalen Privatrechts im Forumstaat das internationale Privatrecht des Staates, dessen Gerichtsentscheidungen im Inland gegebenenfalls anerkannt würden, wirksam werden zu lassen. Am ehesten wäre dies noch tragbar, wenn die zum Forumstaat 331
§14
Bedingte internationale Zuständigkeit
bestehenden Verknüpfungen so schwach sind, daß sein eigenes Recht keinesfalls als anwendbares Recht in Frage k o m m t 3 5 3 . Könnte die Ausübung der internationalen Zuständigkeit durch das angegangene Gericht des Forumstaates abgelehnt werden, obwohl feststeht, daß die Entscheidung des konkurrierenden zuständigen ausländischen Gerichts aus irgendwelchen anderen Gründen nicht anerkannt oder vollstreckt werden würde, so würde das Ermessen zur Verweigerung des Gebrauchs der internationalen Zuständigkeit zu einem Ermessen, im heterogen verknüpften Rechtsverhältnis jeden Rechtsschutz im Inland zu versagen, obwohl die Parteien, die das Rechtsverhältnis begründet haben, eine solche territoriale Beschränkung des Rechtsschutzes nicht gewünscht haben 3 5 b . Hierin liegt dann eine Verletzung des Postulats, daß heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen gleichwertiger Rechtsschutz wie homogen verknüpften Rechtsverhältnissen verschafft werden sollte. 3. Bedingte
internationale
Zuständigkeit
und
Zuständigkeitsrückverweisung
Die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates kann von dessen Gesetzgeber außer von einer Inlandsverknüpfung auch ausdrücklich davon abhängig gemacht werden, daß keine ausländischen Gerichte (oder: daß kein Gericht eines bestimmten anderen Staates) nach ausländischem Recht internationale Zuständigkeit haben 3 6 . Die internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte kann auch erst dann bejaht werden dürfen, wenn bestimmte ausländische Gerichte von einer nach den Gesetzen ihres Staates bestehenden internationalen Zuständigkeit im konkreten Fall keinen Gebrauch machen wollen 3 7 ; das könnte allerdings die Verwendung der eigenen forum non conveniens-Regel behindern. Die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte kann sodann auch davon abhängig gemacht werden, daß die Anerkennung (und eventuell Vollstreckung) der angestrebten Entscheidung in einem bestimmten anderen Staat erwartet werden kann 3 8 . Geschieht dies, so entfällt die Zuständigkeit auch dann, wenn der fremde Staat zwar die Gerichte eines dritten Staates, nicht aber die Gerichte des Forumstaates als zuständig betrachtet, um eine anerkennungsfähige Entscheidung zu bilden. Die Zuständigkeit entfällt auch dann, wenn feststeht, daß der fremde Staat die inländische Entscheidung deshalb nicht anerkennen würde, weil sie auf Grund eines anderen Rechts zustande gekommen ist, als es die Gerichte des fremden Staates selbst anwenden müßten; das läuft im Ergebnis weitgehend auf dasselbe hinaus, wie wenn der Forumstaat seinen Gerichten aufgeben würde, dem Klagantrag nur dann stattzugeben, wenn er sowohl nach dem vom internationalen Privatrecht des Forumstaates, als auch nach dem vom internationalen Privatrecht dieses anderen Staates berufenen Sachrecht begründet ist. Da Anerkennung der Entscheidungen des angerufenen Gerichts in einem bestimmten anderen Staat sicher dann nicht zu erwarten ist, wenn der betreffende fremde Staat seinen Gerichten eine ausschließliche internationale Zuständigkeit zuspricht, so kann die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte auch als allein dadurch bedingt erklärt werden, daß ein bestimmter anderer Staat keine ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte beansprucht. Geschieht das, und muß die eventuelle ausländische Entscheidung im Inland anerkannt werden, so hat damit das vom ausländischen Gericht zugrunde gelegte Kollisionsrecht in dem Staat, der die Entscheidung anerkennt, dessen Kollisionsrecht ganz verdrängt. Beansprucht ein Staat für die richterliche Anwendung bestimmter von ihm selbst als Inlandsrecht oder als Spezialrecht gebildeter Sachnormen eine ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte, so ist daraus jedoch keinesfalls ein völkerrechtliches Verbot der Anwendung dieser Bestimmungen durch die Gerichte anderer Staaten zu folgern, wenn sie ihre internationale Zuständigkeit auf eine völkerrechtlich ausreichende Inlandsverknüpfung stützen können 3 9 . Auch der Umstand, daß nach Völkerrecht jeder Staat allein über 332
Zuständigkeitsrückverweisung
§14
Erwerb und Verlust seiner Staatsangehörigkeit im Sinne des Völkerrechts Bestimmungen aufstellen kann, daß er eine ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte zur Anwendung dieser Bestimmungen beansprucht, und daß seine bereits vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen über den Besitz seiner Staatsangehörigkeit im allgemeinen auch von anderen Staaten anerkannt werden, hindert die Zivilgerichte anderer Staaten nicht, mangels einer solchen Vorentscheidung über Besitz der Staatsangehörigkeit des ersten Staates unter Anwendung der Gesetze jenes Staates als „Vorfrage" zu entscheiden, selbst wenn etwa die Zivilgerichte in dem anderen Staat die Frage nach der Staatsangehörigkeit einem Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde vorlegen müßten. Auch die inzidente Anwendung der Verfassung eines anderen Staates auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit und der davon abhängigen Fortgeltungswahrscheinlichkeit seiner Gesetze 40 , oder die Anwendung fremden politischen Strafrechts auf die Teilfrage der Rechtswidrigkeit von Handlungen im Zusammenhang mit Deliktsansprüchen, kann vom Urheberstaat der betreffenden Rechtssätze nicht als völkerrechtlich unzulässige Einmischung kritisiert werden. Wohl aber kann die Erkenntnis, daß die Anwendung von berufenem ausländischen Recht die Beurteilung von Inzidentfragen der eben erwähnten Art notwendig macht, für das Gericht ein zusätzlicher Grund sein, um von einem Ermessen zur Nichtausübung seiner internationalen Zuständigkeit41 Gebrauch zu machen. Gelegentlich ist der Gedanke aufgetaucht, daß ein staatliches Gericht in heterogen verknüpften Situationen seine internationale Zuständigkeit auf eine „Zuständigkeitsrückverweisung" in einem ausländischen Recht stützen könne oder solle 42 . Das würde bedeuten, daß der eigene Gesetzgeber dem Gericht den Auftrag gibt, sich nicht nur dann als zuständig zu betrachten, wenn das eigene Gesetz dies mit Rücksicht auf eine Inlandsverknüpfung vorschreibt, sondern auch dann, wenn ein ausländischer Staat bereit scheint, Anerkennung und Vollstreckung einer eventuellen Entscheidung des inländischen Gerichts jedenfalls nicht an dem Einwand fehlender internationaler Zuständigkeit scheitern zu lassen. Demgegenüber43 ist es jedoch offenbar vorzuziehen, den Gerichten des Forumstaates ein Ermessen zu geben, auch auf Grund anderer als der im Gesetz bezeichneten Inlandsverknüpfungen im Rahmen des völkerrechtlich Zulässigen internationale Zuständigkeit auszuüben, und bei der Ausübung des Ermessens vor allem zu berücksichtigen, ob Vollstreckung des beantragten Urteils im Inland möglich ist, bzw. ob mit der Realisierung einer Vollstreckung in einem fremden Staat gerechnet werden kann. Desgleichen könnte ein „beteiligter" Staat, d. h. ein Staat, der die Anwendbarkeit seines eigenen Rechts hätte anordnen dürfen, seinen Gerichten eine subsidiäre und vom Vorhandensein sonstiger zuständigkeitsbegründender Inlandsverknüpfungen unabhängige (Not-)Zuständigkeit geben, wenn für eine der Parteien (oder beide) die Teilnahme am Verfahren vor einem zuständigen ausländischen Gericht unzumutbar ist, etwa weil sie dort mit politischer Verfolgung zu rechnen haben. Das positive Recht einiger Staaten kennt eine internationale Retorsionszuständigkeit der eigenen Gerichte gegenüber Ausländern, wenn deren Heimatstaat für Klagen gegen Inländer seinen Gerichten eine internationale Zuständigkeit aus Gründen verschafft, die der Forumstaat nicht kennt 44 . Es kann vorkommen, daß durch völkerrechtlichen Vertrag eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Staates für gewisse heterogen verknüpfte Sachen, und zugleich eine Verpflichtung der anderen Vertragsstaaten zur Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen der allein mit internationaler Zuständigkeit versehenen Gerichte vorgesehen ist. Das bedeutet im Endergebnis, daß die von den ausschließlich zuständigen Gerichten zu beachtenden internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen auch in den zur Anerkennung der Entscheidung verpflichteten Staaten anstelle ihrer Kollisionsnormen maßgebend werden. Daraus kann gefolgert werden, daß, wenn die Gerichte des zur Anerkennung verpflichteten Staates über die betreffende 333
§14
Wahl des Gerichtsstandes
Rechtsfrage inzidenter zu entscheiden haben, sie sich nach den Kollisionsnormen des Staates zu richten haben, dessen Gerichte über dieselbe Frage als Hauptfrage allein entscheiden können. Obwohl es denkbar wäre, daß die Gerichte die Frage, die bei ihnen als Inzidentfrage auftaucht, dem zur Entscheidung über dieselbe Frage als Hauptfrage ausschließlich zuständigen Gericht des anderen Vertragsstaates vorzulegen hätten, ist eine solche Regelung bisher kaum anzutreffen. 4. Begründung der internationalen Zuständigkeit Wahl des Gerichtsstandes seitens der Parteien
eines staatlichen
Gerichts
durch
Haben die Gerichte eines Staates durch Gesetz auf Grund einer Inlandsverknüpfung internationale Zuständigkeit erhalten, so haben vielfach die Parteien die Möglichkeit, unter den Gerichten dieses Staates ein nach den dortigen Gesetzen örtlich nicht zuständiges Gericht durch Vereinbarung zuständig zu machen. Handelt es sich um eine heterogen verknüpfte Situation, so kann schon hier die Frage nach dem auf die persönliche Fähigkeit zu einem solchen Geschäft anwendbaren Recht auftauchen; sie ist wohl genauso zu beantworten wie bei der Frage nach der Fähigkeit zur Klagerhebung und zur Wahrnehmung der Rolle des Beklagten im inländischen Prozeß 4 5 . Desgleichen kann die Frage nach der Form von Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte eines Staates auftauchen, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung im Ausland geschlossen wird. Hier ist es zweifelsfrei, daß das Recht des Gerichtsstaates auf der Wahrung der von seinem Recht für solche Gerichtsstandsvereinbarungen vorgesehenen Form bestehen kann; es dürfte auch nicht zu vermuten sein, daß die Rechtsanwendungsanweisungen über die Form von Privatrechtsgeschäften, insbesondere über die Anwendbarkeit der lex loci actus, ohne weiteres auch auf die Form von Vereinbarungen betreffend die örtliche Zuständigkeit der Gerichte eines Staates anzuwenden sind. Das Völkerrecht schließt es nicht aus, daß ein Staat seinen Gerichten, denen nach seinen Gesetzen keine internationale Zuständigkeit auf Grund einer objektiven Inlandsverknüpfung zusteht, internationale Zuständigkeit verschafft, wenn und weil die Parteien eine dahingehende Vereinbarung getroffen haben. Ihr ist die ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung der internationalen Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Gerichts durch den Beklagten gleichzustellen 46 . Man könnte zweifeln, ob dies auch für Streitigkeiten aus absolut homogen verknüpften Rechtsverhältnissen gilt. Bei vermögensrechtlichen Geschäften ist das aber sicher zu bejahen: Wenn Kaufleute in einem Land, dessen Gerichte notorisch überlastet sind, für ihre homogen verknüpften Rechtsgeschäfte die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Landes vereinbaren, wo vielleicht ein inhaltsgleiches Recht gilt, so ist es völkerrechtlich unbedenklich, daß dieser andere Staat hierauf eingeht und seine Gerichte anweist, auf Grund einer solchen Zuständigkeitsvereinbarung bei Klagerhebung tätig zu werden. Selbst wenn der Heimat- oder Wohnsitzstaat ausländische Entscheidungen in Ehesachen keinesfalls anerkennen will, begeht ein anderer Staat auch dann keine Völkerrechtswidrigkeit, wenn er seinen Gerichten allein auf Grund einer Vereinbarung der Parteien dennoch internationale Zuständigkeit, etwa für Scheidungsklagen, verschafft 47 . Andererseits kann selbstverständlich jeder Staat nicht nur eine Verschaffung internationaler Zuständigkeit für seine Gerichte auf Grund Parteivereinbarung ablehnen, sondern sie nur unter Beschränkungen oder bedingt zulassen 48 . Zu den Bedingungen kann dann z . B . gehören, daß das anzuwendende Recht das des gewählten Gerichtsstaates oder diesem Recht inhaltsgleich ist; daß das anzuwendende Recht die lex fori des gewählten Gerichts ist, kann sich allerdings unter Umständen wiederum nur daraus ergeben, daß die Parteien ihr Rechtsverhältnis dem Recht des Gerichtsstaates unterworfen haben, und daß dessen internationales Privatrecht die Unterwerfung angenommen hat 4 9 . Zu den Bedingungen der 334
Wahl des Gerichtsstandes
§14
Gewährung internationaler Zuständigkeit an die eigenen Gerichte wegen einer dahingehenden Gerichtsstandswahl seitens der Parteien kann es auch gehören, daß mit der Anerkennung der Urteile dieses Gerichtsstandes in bestimmten anderen Staaten gerechnet werden kann. Es ist de lege ferenda empfehlenswert, dem Gericht, das nur auf Grund Parteivereinbarung internationale Zuständigkeit haben soll, ein Ermessen zu geben, gerade von dieser Zuständigkeit mit Hilfe der forum non conveniens-Klausel keinen Gebrauch zu machen, insbesondere in den Fällen, wo der Vereinbarung nur das Motiv zugrunde liegt, von den niedrigen Kosten im Forumstaat zu profitieren, oder wenn ein Verfahren in dem betreffenden Staat deshalb als zwecklos gelten muß, weil im Forumstaat keine Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen und andere Staaten das Urteil nicht anerkennen. Der gewählte Gerichtsstand sollte auch ein Ermessen erhalten, von der durch Vereinbarung begründeten internationalen Zuständigkeit dann keinen Gebrauch zu machen, wenn den Parteien der Abschluß einer solchen Vereinbarung vom Heimat- oder Wohnsitzstaat verboten war, und dieses Verbot dort auch mit anderen Sanktionen als der Nichtanerkennung der Entscheidung ausgestattet ist. Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit durch Vereinbarung stellt sich vor allem die Frage nach der Geschäftsfähigkeit und der Form. Sie ist ähnlich zu lösen wie bei der Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts innerhalb des Rahmens der gesetzlichen internationalen Zuständigkeit aller Gerichte eines Staates: Die Fähigkeit, an einer Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit teilzunehmen, hängt davon ab, ob die Prozeßfähigkeit im gewählten Forumstaat zu bejahen ist. Die Regelung der Form von Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit ist ebenfalls im Zweifel Sache des Rechts des Staates, dessen Gerichte angeblich gewählt wurden. Hierbei wird es wichtig, daß der Forumstaat so weit gehen kann, daß er bei vorbehaltloser Einlassung des Beklagten auf das Vorbringen des Klägers, die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts könne auf eine Vereinbarung gestützt werden, dem Gericht die Prüfung, ob eine gültige Vereinbarung wirklich vorlag, abschneidet. Die Formfrage für vorprozessuale Vereinbarungen über die Wahl eines zuständigen Gerichts kann vom Recht des angeblich gewählten Gerichtslandes jedoch auch unbedingt oder alternativ an ein anderes Recht delegiert werden. Hierbei kann es sich um die lex loci actus, möglicherweise aber auch um das Geschäftsstatut oder das Formstatut des Rechtsverhältnisses handeln, auf das sich die Gerichtsstandsvereinbarung beziehen soll. Es kann jedoch nicht unterstellt werden, es gäbe in jedem Recht, das die Begründung der internationalen Zuständigkeit seiner Gerichte durch Vereinbarung ermöglicht, ohne weiteres auch einen Satz, wonach die Form, die für das Rechtsgeschäft genügt, aus welchem Streitigkeiten vor den gewählten Gerichtsstand kommen sollen — und dessen Zustandekommen ja häufig vom Kläger nur behauptet wird — stets auch für die Vereinbarung über diesen Gerichtsstand ausreicht 50 . Wenn der Forumstaat eine Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit seiner Gerichte für eine unbestimmte Anzahl von Rechtsverhältnissen zwischen zwei Parteien ermöglicht, die vielleicht erst in Zukunft begründet werden sollen, so ist ohnehin eine Verweisung auf die Formvorschriften, die für das einzelne Privatrechtsgeschäft gelten, unmöglich. Ähnliches gilt für die Frage, wie der Konsens über die Begründung internationaler Zuständigkeit zustandekommt, d. h. welches Recht auf Konsensmängel anwendbar ist: Es gilt das eigene Recht des angeblich begründeten Gerichtsstandes, sofern nicht in diesem Recht eine Verweisung auf das Konsensstatut für materiellrechtliche Geschäfte nachweisbar ist, mit denen die Gerichtsstandsbegründung im Zusammenhang steht 5 1 . Häufig wird die Frage gestellt, ob aus der Begründung einer internationalen Zuständigkeit in einem Vertrag ohne weiteres auch eine stillschweigende Unterwerfung des Rechtsverhältnisses, für das diese Zuständigkeit gelten soll, unter das eigene Recht des gewählten Forumstaates zu schließen ist 5 2 . Das ist sicher zu verneinen, wenn die durch 335
§14
Wahl des Gerichtsstandes
Vereinbarung geschaffenen Gerichtsstände keine ausschließlichen Gerichtsstände sein sollen, wenn also der Kläger die Wahl zwischen zwei vereinbarten Gerichtsständen, oder zwischen einem vereinbarten und einem gesetzlichen Gerichtsstand, haben soll 53 . Ist der vereinbarte Gerichtsstand als „ausschließlicher" Gerichtsstand gewählt worden, so kann das Kollisionsrecht des betreffenden Forumstaates eine Vermutung aufstellen, daß die Parteien rechtsgeschäftlich begründete Rechtsverhältnisse, für die dieser Gerichtsstand maßgebend sein soll, dem Recht dieses Forumstaates unterworfen haben 54 . Die Vermutung sollte jedoch dann widerlegt werden können, wenn nach Lage der Dinge Vollstreckbarkeit der Entscheidung auch in anderen Ländern als dem Urteilsstaat von den Parteien gewünscht war, und wenn gerade solche Länder, die für eine Vollstreckung in Frage kommen, die Vollstreckung eines Urteils ablehnen würden, das auf Grund eines von den Parteien gewählten Rechts eines Staates zustande gekommen ist, zu dem eine objektive Verknüpfung nicht bestand. Anders liegen die Dinge, wenn die Parteien nicht ein Gericht in einem Land gewählt haben, von dem sie annehmen, daß es ohne diese Vereinbarung nicht schon auf Grund Gesetzes zuständig war, sondern wenn sie von den Gerichten, die mit gesetzlicher Zuständigkeit ausgestattet sind, alle mit Ausnahme eines ausdrücklich als „ausschließlich zuständig gewählten" Gerichts ausschalten wollten. Handelt es sich dabei um das Gericht eines Landes, zu dem weitere Verknüpfungen bestehen, welche für die Ermittlung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen des Geschäfts bedeutsam sind, so ist eine erhebliche Wahrscheinlichkeit gegeben, daß hier mit der Wahl des zuständigen Gerichts auch die lex fori dieses Gerichts das Geschäftsstatut stellt. Im übrigen aber bedeutet mangels ausdrücklicher Rechtswahl jede Wahl eines Gerichtsstandes auch „Wahl" der dort geltenden gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisungen 55 . Noch mehr als bei der internationalen Zuständigkeit des Gerichts an dem behaupteten Erfüllungs- oder Deliktsort bedeutet es eine Gefährdung des Beklagten, wenn dieser in einem anderen Staat als seinem Wohnsitzland oder dem Staat, wo ihm die Klage persönlich zugestellt werden kann, verklagt wird, und die Behauptung des Klägers, das angegangene Gericht sei durch eine Vereinbarung der Parteien zuständig geworden, von diesem Gericht ohne Prüfung auf ihre Richtigkeit zugrunde gelegt wird, oder die Einwendungen des Beklagten gegen diese Zuständigkeitsbehauptung des Klägers aus formalen Erwägungen nicht berücksichtigt werden. Die Gefährdung des Beklagten wird noch größer, wenn andere Staaten grundsätzlich bereit sind, das von dem angeblich vereinbarten Gericht erlassene Urteil anzuerkennen und zu vollstrecken, ohne wenigstens nunmehr die Einwendungen gegen das gültige Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung zu prüfen. Die Möglichkeit, daß ein Gericht die positive Entscheidung eines nur kraft Vereinbarung zuständigen Gerichts über das Bestehen dieser Zuständigkeit als unnachprüfbar zu betrachten hätte, ist tragbar, wenn die internationale Zuständigkeit der Gerichte innerhalb eines bestimmten Staates unbestritten ist und es sich nur um eine Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit handelt; hingegen wäre es untragbar, wenn die Behauptung eines Gerichts über seine internationale Zuständigkeit auf Grund einer Parteivereinbarung in einem anderen Staat überhaupt nicht nachgeprüft werden könnte 56 . Ob vom Beklagten zu verlangen ist, daß er vor dem nach seiner Meinung zu unrecht als vereinbartes Gericht bezeichneten ausländischen Gericht unter Aufwendung erheblicher Mittel seine Einwendungen vorgebracht und Beweise auf seine Kosten beigebracht hat, wenn er sich später in einem anderen Staat gegen die Anerkennung des gegen ihn ergangenen Urteils zur Wehr setzt, muß wohl vom Einzelfall abhängen. Bedenklich ist es, wenn darin, daß der Beklagte sich nicht auf die Bestreitung der internationalen Zuständigkeit beschränkt, sondern auch Einwendungen gegen die sachliche Berechtigung des Klaganspruchs vorbringt, eine freiwillige Einlassung auf das ausländische Verfahren gesehen wird 5 7 . 336
Erschwerungen von Ausländerklagen 5. Erschwerungen
der Inanspruchnahme
internationaler
§ 14 Zuständigkeit
Gewissermaßen ein Gegenstück zu Vorschriften über die Begründung internationaler Zuständigkeit durch Parteivereinbarung stellen diejenigen Regelungen dar, mit denen die Staaten die Inanspruchnahme der vom Gesetz vorgesehenen internationalen Zuständigkeit ihrer Gerichte in heterogen verknüpften Situationen bestimmten Parteien erschweren. Hierher gehören Bestimmungen, wonach Ausländer nur bei Gewährleistung der Gegenseitigkeit durch ihren Heimatstaat im Inland, oder jedenfalls gegen Inländer, klagen könn e n 5 8 ; hierher gehören die häufig anzutreffenden Bestimmungen, wonach ausländische Kläger Sicherheit für die eventuelle Kostenerstattungspflicht bei Klagabweisung zu leisten haben 5 9 , insbesondere wenn der Beklagte Angehöriger des Forumstaates ist oder dort seinen Wohnsitz hat; auch hiervon wird bei erweisbarer Gegenseitigkeit meist dispensiert. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit in Bezug auf das Recht zur Klagerhebung kann sich auch auf die Begründung der internationalen Zuständigkeit beziehen: Ein Ausländer kann etwa am inländischen Gerichtsstand des Vermögens des Beklagten nur dann klagen, wenn in seinem Heimatstaat Angehörige des Staates, vor dessen Gerichten Klage erhoben werden soll, den Gerichtsstand des Vermögens in Anspruch nehmen können. Das Erfordernis der Gegenseitigkeit kann sich auch auf das anwendbare Recht beziehen: Es kann bestimmt werden, daß ein Ausländer im Inland unter Berufung auf das anwendbare inländische Recht nur dann klagen kann, wenn auch einem Angehörigen des Gerichtsstaates im Heimatstaat des Klägers nicht durch dessen fremdenrechtliche Vorschriften eine Klage unter Berufung auf das entsprechende dortige Recht verwehrt ist 6 0 . O d e r : Ein Ausländer kann im Inland unter Berufung auf ausländisches Recht nur klagen dürfen, wenn die Gerichte seines Heimatstaates auch für Klagen von Angehörigen des Forumstaates ihre Zuständigkeit nicht mit der Begründung verneinen können, daß sie ausländisches Recht nicht anzuwenden hätten. In diesen Fällen soll allerdings nicht die internationale Zuständigkeit als solche, sondern die Zulässigkeit von Klagen der Ausländer unter Gebrauch einer gesetzlich vorgesehenen internationalen Zuständigkeit verneint werden; der Unterschied kann sich bemerkbar machen, wenn es darum geht, ob ein von einem Inländer verklagter Ausländer Widerklage erheben kann. Von der retorsionsweisen Einschränkung der internationalen Zuständigkeit bzw. derZulässigkeit der Klagerhebung durch Ausländer zu unterscheiden sind Regelungen, bei denen die Entstehung eines subjektiven Rechts zugunsten eines Ausländers gänzlich verneint wird, indem der inländische oder ausländische Rechtssatz, der das subjektive Recht vorsieht, überhaupt nur dann als anwendbar gilt, wenn der Heimatstaat des Ausländers in dem bei ihm zur Anwendung berufenen Recht entsprechende subjektive Rechte für Ausländer, und insbesondere Angehörige des Forumstaates, vorsieht 6 1 . Liegt eine solche Gegenseitigkeitsbestimmung vor, so kann auch derjenige, dem der Ausländer seinen angeblichen Anspruch abgetreten hat, nicht mit Erfolg klagen, während es bei einer retorsionsweisen Beschränkung der internationalen Zuständigkeit oder der Zulässigkeit von Klagen ausländischer Staatsangehöriger einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung bedarf, daß auch der Zessionar nicht klagen darf. Im Verhältnis zwischen bestimmten Staaten werden die verschiedenen Arten der Gegenseitigkeit häufig durch völkerrechtliche Verträge gewährleistet. Liegen solche Verträge nicht vor, so kann jedoch nicht gesagt werden, daß Retorsionsbestimmungen, welche die Inanspruchnahme der Gerichte des Forumstaates durch Ausländer betreffen, grundsätzlich durch allgemeine Leitprinzipien des internationalen Privatrechts mißbilligt seien; das kann auch nicht daraus gefolgert werden, daß sie in aller Regel „Unschuldige" treffen. 6. Ausschluß der internationalen Zuständigkeit der Gerichte durch Ausschließung Rechtsqualität eines durch Vereinbarung begründeten sozialen Verhältnisses
der
Das Gegenstück zur Begründung internationaler Zuständigkeit der Gerichte eines 337
§14
Rechtsgeschäftlicher Ausschluß des Rechtsschutzes
Landes durch Parteivereinbarung bildet die Ausschließung einer durch Gesetz an objektive Inlandsverknüpfungen angeknüpften internationalen Zuständigkeit durch Parteivereinbarung. Solche Vereinbarungen können in verschiedener Art auftreten: Die an einem sozialen Verhältnis, welches ein mit staatlichem Rechtsschutz versehenes „Rechtsverhältnis sein könnte, beteiligten Parteien können einverständlich generell ausschließen wollen, daß eine von ihnen staatlichen Rechtsschutz in irgendeiner Weise und in irgendeinem Land begehrt. Möglicherweise wollen aber die Parteien nur, daß aus einem von ihnen begründeten Rechtsverhältnis nur in einem bestimmten Staat weder geklagt noch versucht werden soll, Urteile aus anderen Staaten zu vollstrecken, während Rechtsschutz in sämtlichen übrigen Staaten, die dazu bereit sind, angestrebt werden darf. Die Vereinbarung kann auch — und das kommt am häufigsten vor — dahin gehen, daß nur die Gerichte weniger Staaten (oder die eines einzigen Staates) über Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis entscheiden sollen und zu diesem Zweck angerufen werden „dürfen", während die Gerichte der anderen Staaten gegebenenfalls zur Vollstreckung der ergangenen Entscheidungen des für allein zuständig erklärten Gerichts tätig werden sollen; der Staat des von den Parteien nicht ausgeschlossenen Gerichts kann dann seinerseits dessen internationale Zuständigkeit auf Grund einer objektiven Verknüpfung, oder nur wegen der Vereinbarung der Parteien, bejahen. Schließlich ist es möglich, daß die Parteien jede Streitigkeit nur durch ein privates Schiedsgericht entschieden wiesen, aber die Entscheidung des Schiedsgerichts gegebenenfalls durch alle staatlichen Gerichte anerkannt und vollstreckt haben wollen. Das ist wieder zu unterscheiden davon, daß die Parteien jeden staatlichen Rechtsschutz für Ansprüche aus ihrem Verhältnis ablehnen, und Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht entschieden haben wollen, dessen Entscheidungen aber nirgendwo zur Zwangsvollstreckung durch staatliche Behörden berechtigen sollen. Soll für Ansprüche aus einer sozialen Beziehung, mit der Versprechungen und Vorstellungen über ein „gesolltes" Verhalten verbunden sind, nach einer Abmachung der Parteien jegliche aggressive oder defensive Inanspruchnahme staatlichen Rechtsschutzes ausgeschlossen sein 62 , so können die Parteien doch nicht verhindern, daß ein Staat beiden, oder einer von ihnen, dennoch Rechtsschutzmöglichkeiten aufdrängt, wenn es auch wohl häufig so ist, daß derartige Abmachungen ohnehin im staatlichen Recht „verboten" sind, d. h. ihr Abschluß eventuell sogar als strafbar erklärt wird 63 . Allein die Möglichkeit, daß ein staatliches Recht den Willen der Parteien, ein außerrechtliches Verhältnis zu begründen, in den Willen zur Begründung eines Rechtsverhältnisses unter staatlichem Recht „umdeuten" kann 64 , genügt jedoch nicht, daß ein Staat mit einem für Rechtsstreitigkeiten international zuständigen Gericht durch sein Recht auch die Voraussetzungen regelt, die vorliegen müssen, damit von den Parteien die Möglichkeit, sich vor einem staatlichen Gericht auf diese Abmachung zu berufen, wirksam ausgeschaltet wird. Eine solche Regelung ist vielmehr im allgemeinen Sache des Rechts desjenigen Staates, welcher, und zwar auf Grund objektiver Inlandsverknüpfungen, berechtigt und willens wäre, das Geschäft seinem Recht zu unterstellen, • wenn die Parteien es als Rechtsgeschäft hätten behandelt wissen wollen. Das anwendungswillige potentielle gesetzliche Geschäftsstatut entscheidet also, welche Bedingungen vorliegen müssen, um die Rechtsqualität eines Geschäfts, das ein Rechtsgeschäft sein könnte, durch Abmachung der Parteien auszuschließen. In vielen Fällen wollen die Parteien aber gar nicht jede Berufung auf ihre Abmachung vor Gericht ausschließen, vielmehr soll es nur unzulässig sein, wegen der Nichterfüllung einer abgemachten Verpflichtung das staatliche Gericht anzurufen, während insbesondere eine in freiwilliger Erfüllung einer solchen Verpflichtung bereits vollzogene Verschaffung subjektiver Rechte des staatlichen Rechts auch rechtswirksam sein, und die begünstigte Partei sich darauf vor Gericht berufen können soll. Die Frage, ob ein solcher Ausschluß der Einklagbarkeit von Forderungen gültig ist, wird nun in heterogen verknüpften Situationen 338
Ausschluß des Rechtsschutzes in bestimmten Staaten
§14
wieder nicht von jedem Staat, der ein international zuständiges Gericht bereithält, nur nach seinem eigenen Recht beurteilt, sondern wieder nach dem vom internationalen Privatrecht des Forumstaates berufenen Geschäftsstatut, welches maßgebend wäre, wenn die Parteien die Einklagbarkeit nicht ausgeschlossen hätten. Im Forumstaat wird allerdings hier häufig die negative ordre public-Klausel eine Rolle spielen. Eine Vereinbarung, wonach eine Partei die Nichterfüllung einer außerhalb des staatlichen Rechts gestellten Verpflichtung durch ein privates Schiedsgericht feststellen lassen kann und aus der obsiegenden Entscheidung solche Konsequenzen ziehen darf, die ohnehin im Gebrauch ihrer Freiheit unter staatlichem Recht bestehen — praktisch insbesondere, daß sie mit der vom Schiedsgericht verurteilten Partei keine neuen Verträge abschließt —, wird vom staatlichen Recht in homogen wie in heterogen verknüpften Situationen eventuell durch Sätze über unerlaubte Handlungen erfaßt: Soweit die Verweigerung der Annahme von Vertragsangeboten zur Belieferung durch ein Geschäftsunternehmen nach einem staatlichen Recht eine unerlaubte Handlung darstellt, kann dieses Recht nicht umhin, den Anwendungsbereich des betreffenden Rechtssatzes im heterogen verknüpften Bereich abzustecken, und bei Anwendbarkeit des eigenen Rechts auch die sachliche Stellungnahme dieses Rechts zu der Frage zugrunde zu legen, ob eine Belieferungsverweigerung als Sanktion für die Nichterfüllung einer bewußt außerhalb des Rechts begründeten Verpflichtung als gerechtfertigt gilt. Ist ein ausländisches Recht als Deliktsstatut berufen, so ist die Abmachung über das außerhalb des Rechts gestellte Verhältnis nach dem fremden Deliktsstatut zu bewerten; hier spielt praktisch die negative ordre public-Klausel jedoch einer erhebliche Rolle. 7. Vereinbarte
räumliche
Beschränkung
des Rechtsschutzes
für ein
Rechtsverhältnis
Wenig Beachtung wird meist der Möglichkeit geschenkt, daß Parteien, die Recht- und Pflichtverhältnisse durch Rechtsgeschäft begründen, den Geschäftswillen haben können, daß jede Partei sich auf das Rechtsverhältnis nicht überall, sondern nur in bestimmten Ländern (oder überall mit Ausnahme bestimmter Länder) vor Gericht berufen darf 6 5 . Es steht dann sicher einem Staat, der das Geschäftsstatut für das Rechtsverhältnis stellen will, zu, zu bestimmen, ob das Geschäft mit dieser Bedingung überhaupt zulässig sein soll und daher zunächst einmal in diesem Staat als gültig behandelt werden kann. Ist das mit örtlich beschränktem Rechtsschutz von den Parteien gewollte Rechtsgeschäft nicht schon nach seinem Geschäftsstatut ungültig, so bleibt es immer noch Sache eines jeden Staates, in dem nach Absicht der Parteien aus dem Rechtsverhältnis weder geklagt, noch aus einem ausländischen Urteil vollstreckt werden „soll", ob er dennoch einer Partei, die sich nicht an die Vereinbarung halten will, den Zugang zu seinen Gerichten ermöglichen und die Verwirklichung des Rechtsverhältnisses durchsetzen soll. Meist tritt dieser Fall schon deshalb nicht ein, weil die Parteien Berufung auf das Rechtsverhältnis gerade in solchen Staaten ausschließen werden, in denen das Rechtsverhältnis als nicht bestehend behandelt oder mit einem ganz anderen Inhalt versehen wird, als ihn beide Parteien wünschen. Eine Vereinbarung, wonach für ein Rechtsverhältnis staatlicher Rechtsschutz irgendwelcher Art nur in bestimmten Ländern in Anspruch genommen werden darf, ist schwerwiegender als eine Vereinbarung, wonach von einer gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeit der Gerichte eines Landes zur Streitentscheidung nicht Gebrauch gemacht werden soll, aber die Vollstreckung der Urteile anderer Länder betrieben werden darf. Andererseits steht die Vereinbarung, daß man sich nur in bestimmten Ländern auf das Rechtsverhältnis berufen soll, einer Vereinbarung, welche die Rechtsqualität von Versprechungen über das, was jemand tun werde, überhaupt gänzlich ausschließen will, näher als eine Vereinbarung über den Ausschluß eines vom Gesetz begründeten Gerichtsstands. Daher ist für die Form 339
§14
Ausschließung gesetzlicher Zuständigkeiten
einer solchen Vereinbarung und die Frage des Konsenses (der Konsensmängel) dasjenige Recht maßgebend, das selbst auf Grund der zu diesem Recht hingehenden Verknüpfungen als Geschäftsstatut anwendungswillig, und in dieser Eigenschaft auch in anderen Forumstaaten berufen ist. 8. Ausschluß der internationalen Zuständigkeit staatlicher Gerichte im Erkenntnisverfahren Geht die Vereinbarung der Parteien nicht dahin, daß jede Berufung auf das Rechtsverhältnis vor den Gerichten bestimmter Staaten unzulässig sein soll, sondern geht sie nur dahin, daß aus einem Rechtsverhältnis — vielleicht sogar aus sämtlichen zwischen ihnen jeweils bestehenden Vertragsverhältnissen — vor den Gerichten eines bestimmten Staates nicht geklagt werden könne, obwohl dessen Gerichte nach seinen Gesetzen hierfür zuständig wären, während eine eventuelle Vollstreckung von Urteilen aus anderen Staaten zulässig sein soll, so kann nach Völkerrecht sowohl der Staat, dessen Gerichte von der Sachentscheidung „ausgeschlossen" werden sollen, als auch der Staat, der sein Recht auf die Frage anwenden lassen will, ob zwischen den Parteien Verhaltenspflichten bestehen, die rechtliche Bedeutung jener Abmachung selbst näher regeln. Die Regelung in dem ersten Staat kann dahin gehen, daß eine Vereinbarung, von der im Gesetz vorgesehenen Zuständigkeit seiner Gerichte zur Entscheidung über eine Klage keinen Gebrauch zu machen, insofern unwirksam ist, als sie das Gericht nicht an der Ausübung des ihm vom Gesetzgeber erteilten Rechtsprechungsauftrags hindern kann 66 . Eine solche Unwirksamkeit von Zuständigkeitsausschlußvereinbarungen wird meist nicht generell vorgesehen, sondern nur für bestimmte Arten von Rechtsverhältnissen und Streitigkeiten angeordnet 67 , oder nur, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen. Sie ist durchweg anzunehmen, wenn die vom Gesetz vorgesehene Zuständigkeit des Gerichtes eines Staates eine ausschließliche Zuständigkeit sein soll. Es kann auch Ermessenssache des Gerichtes sein, ob es entgegen der Vereinbarung tätig werden will 68 . Die Anerkennung der Vereinbarung als einer „Zerstörung" der vom Gesetz vorgesehenen Zuständigkeit kann ferner davon abhängig gemacht werden, daß ein durch Parteivereinbarung gewähltes oder nicht ausgeschlossenes Gericht eines anderen Staates vom Standpunkt des ausgeschlossenen Staates her internationale Zuständigkeit besitzt, und daß seine Entscheidungen in dem Staat, dessen Gerichte im Erkenntnisverfahren nicht tätig werden sollen, anerkannt und vollstreckt werden können. Eine andere denkbare Voraussetzung für die Anerkennung des Ausschlusses der eigenen Zuständigkeit kann dahin gehen, daß das nicht ausgeschlossene ausländische Gericht dasselbe Recht anwenden muß, wie es das ausgeschlossene Gericht hätte tun müssen. Wird in einem Staat der Ausschluß der internationalen Zuständigkeit seiner Gerichte zur Entscheidung über Ansprüche „aus" einem bestimmten Rechtsverhältnis durch Parteivereinbarung anerkannt, obwohl feststeht, daß die Entscheidung eines zuständigen ausländischen Gerichts in diesem Staat nicht anerkannt und vollstreckt werden könnte 69 , so läuft dies auf dasselbe hinaus, wie wenn es anerkannt wird, daß die Parteien für ihr Rechtsverhältnis jeglichen Schutz in dem betreffenden Staat ausgeschlossen haben 70 . Liegen alle Voraussetzungen vor, um das kraft Gesetzes zuständige inländische Gericht mit Rücksicht auf den vereinbarten Ausschluß seiner Zuständigkeit und mit Rücksicht darauf, daß noch ausländische Gerichte zuständig bleiben, deren Entscheidungen im Inland vermutlich anerkannt werden, an der Ausübung der Zuständigkeit zu hindern, so bleibt es immer noch möglich, daß die spätere Anerkennung der ausländischen Entscheidung im Einzelfall aus Gründen entfällt, die nicht von vornherein erkennbar waren, z. B. weil in dem konkreten Verfahren das rechtliche Gehör verweigert wurde. Dann wird der Staat, dessen Gerichte durch Parteivereinbarung ausgeschlossen waren, im allgemeinen keine Veranlassung sehen, nunmehr die Zuständigkeit seiner 340
Ausschließung und Wahl von Zuständigkeiten
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Gerichte aufleben zu lassen; dieses Risiko müssen die Parteien, die die Zuständigkeit dieser Gerichte ausdrücklich ausgeschlossen haben, wohl selbst tragen. Der Ausschluß der im Gesetz vorgesehenen internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Staates zugunsten der Gerichte anderer Staaten kann indes auch mit der Maßgabe zugelassen sein, daß nur noch ein bestimmter anderer Staat mit seinen Gerichten allein zuständig ist 7 1 . Häufig erfolgt der Versuch der Ausschließung der gesetzlichen Zuständigkeit der Gerichte sämtlicher anderer Staaten in Verbindung mit dem Versuch der Begründung der Zuständigkeit der Gerichte eines einzigen Staates, dessen Gerichte ohne diese Vereinbarung überhaupt nicht zuständig gewesen wären. Dann kann zunächst jeder der Staaten, dessen Gerichte ausgeschlossen werden sollen, die Beachtung dieser negativen Seite der Gerichtsstandsvereinbarung davon abhängig machen, daß die Gerichtsstandsvereinbarung in ihrem positiven Aspekt durch den Staat des gewählten Gerichts als gültig behandelt wird; möglicherweise kann auch hier die zusätzliche Voraussetzung aufgestellt werden, daß das gewählte Gericht nach demselben Recht entscheiden muß, wie es das ausgeschlossene Gericht hätte tun müssen. Wird diese zuletzt genannt^ Bedingung nicht gestellt, aber die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des gewählten Gerichts davon abhängig gemacht, daß es dasselbe Recht angewendet hat, das in dem um Anerkennung ersuchten Staat hätte angewendet werden müssen, so kommt es auch hier im Effekt eventuell wieder zu einer örtlichen Beschränkung des Rechtsschutzes für das Rechtsverhältnis. Die Anerkennung des Ausschlusses der im Gesetz begründeten Zuständigkeit der Gerichte eines Staates durch Parteivereinbarung im Zusammenhang mit der Vereinbarung eines anderen Gerichtsstandes kann auch von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden. Der Staat, dessen Gerichte ausgeschlossen werden sollen, verlangt dann, daß der Staat, in dem sich das von den Parteien für zuständig erklärte Gericht befindet, eine eventuelle Vereinbarung zugunsten der Gerichte des Forumstaates in gleicher Weise beachtet. Der verständliche Gedanke, daß die vom Gesetzgeber vorgesehene internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Staates nur dann aufgegeben werden sollte, wenn das von den Parteien bezeichnete Gericht anderer Staaten die Gewähr annähernd gleicher Zuverlässigkeit bietet, wie sie bei den inländischen Gerichten unterstellt wird, kann seine Verwirklichung eventuell darin finden, daß angeordnet wird, es solle durch Verordnung bestimmt werden, von welchen Staaten Gegenseitigkeit in dem eben erwähnten Sinne erwartet werden kann. Wird die Ausschließung der gesetzlichen Zuständigkeit inländischer Gerichte zugunsten ausländischer Gerichte nicht davon abhängig gemacht, daß die ausländischen Gerichte dasselbe Recht anwenden müssen, welches das inländische Gericht hätte anwenden müssen, und werden auch die Entscheidungen des ausländischen Gerichts ohne Rücksicht auf das ihnen zugrunde gelegte Recht anerkannt und vollstreckt, so bedeutet dies im Ergebnis Zulassung einer indirekten Wahl des anwendbaren Rechts durch die Gerichtsstandsvereinbarung. Hier wird es wichtig, daß eine etwaige Beschränkung der Parteien in der parteiautonomen Wahl des Geschäftsstatuts durch das internationale Privatrecht eines Landes F möglicherweise ergänzt werden muß, nämlich nicht nur durch ein Verbot der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, welche diese Beschränkung der Parteiautonomie ignorieren, sondern auch durch eine Beschränkung des Ausschlusses der im Gesetz vorgesehenen internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Staates F durch Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten solcher ausländischen Gerichte, welche nicht diejenigen Vorschriften anwenden, deren Anwendbarkeit durch die Gerichte von F nicht durch Rechtswahl ausgeschlossen werden kann 7 2 . Es bleibt die Frage, welches Recht auf die Form von Vereinbarungen zum Ausschluß der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Staates und auf die Fähigkeit zur Teilnahme an solchen Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbar ist. Das ist mangels einer 341
§ 14
Form und Geschäftsfähigkeit für Gerichtsstandsvereinbarungen
staatsvertraglichen Regelung73 zweifellos das Recht, welches der Gesetzgeber des ausgeschlossenen Gerichts direkt oder indirekt hierfür als maßgebend erklärt. Es kann sich dabei um spezielle Vorschriften dieses Staates, oder um seine generellen Regeln über die Form von Prozeßhandlungen handeln. Nahe liegt es, daß für die Form einer Vereinbarung über den Ausschluß der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Landes dasselbe Recht als maßgebend erklärt wird, welches anwendbar wäre, wenn durch Vereinbarung die internationale Zuständigkeit der Gerichte dieses Landes begründet werden soll 74 . Eine zwingende oder alternative Zuweisung der Formfrage an die lex loci actus, oder an das gemeinsame Heimatrecht der Parteien, wie sie für materiellrechtliche Geschäfte gilt, ist weder direkt, noch analog für die Form solcher Vereinbarungen anzunehmen. Entsprechendes gilt für die persönliche Fähigkeit zur Teilnahme an der Gerichtsstandsvereinbarung. Eher läßt sich daran denken, daß das Recht des Landes, dessen Gerichte ausgeschlossen werden sollen, die Frage nach der Form der Vereinbarung an das Recht des Landes delegiert, dessen Gerichte nach der Vereinbarung allein international zuständig bleiben oder werden sollen. Damit wird vermieden, daß die Gerichtsstandsvereinbarung in ihrem negativen Aspekt diesen, in ihrem positiven Aspekt verschiedenen Form Vorschriften untersteht; das ist aber kaum ohne eine ausdrückliche Vorschrift anzunehmen. Sind in der Gerichtsstandsvereinbarung zwei oder mehr andere Staaten mit ihren Gerichten als „erlaubte" Gerichtsstände vorgesehen worden, so könnte die Formgültigkeit nach einem dieser Rechte genügen, damit die Vereinbarung über den Ausschluß der Zuständigkeit der Gerichte anderer Staaten formgültig ist. Entsprechende Erwägungen können für die Bestimmung des auf die persönliche Fähigkeit zu solchen Vereinbarungen anwendbaren Rechts angestellt werden. Auch für die Bildung des Konsenses und für Konsensmängel der „negativen" Gerichtsstandsvereinbarung kann das Recht jedes Staates mit ausgeschlossenen Gerichten alleinige Anwendbarkeit beanspruchen; auch hier ist aber eine Verweisung auf das Recht des Landes denkbar, dessen Gerichte noch allein zuständig sein sollen. Daß dieses Recht wiederum auf das Geschäftsstatut für ein bestimmtes Privatrechtsgeschäft verweisen könnte, wenn es nicht ohnehin mit ihm identisch ist, wurde bereits ausgeführt75. Die Komplikationen, die auf diese Weise für die Ermittlung des Konsensstatuts betreffend den Ausschluß einer gesetzlichen Zuständigkeit entstehen können, machen es wohl ratsam, die Frage des Konsenses bei jeder Vereinbarung, insoweit sie den Ausschluß einer kraft Gesetzes bestehenden internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Landes bewirken soll, doch nur nach dem Recht dieses Landes zu beurteilen. Keinesfalls wird ein Land, in dem die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte angeblich durch Vereinbarung ausgeschlossen worden ist, die Frage, ob die Vereinbarung an Konsensmängeln leidet, endgültig und unnachprüfbar durch die angeblich allein international zuständigen Gerichte eines anderen Staates beantworten lassen, es sei denn bei Gegenseitigkeit auf Grund eines Vertrages 76 . . . . . Wichtig wird oft die Frage, ob allein mit der positiven Angabe eines Gerichtsstandes für Streitigkeiten aus einem (meist einem rechtsgeschäftlich begründeten) Rechtsverhältnis — wobei es sich um ein nur durch Vereinbarung zuständig gewordenes oder um ein ohnehin schon gesetzlich zuständiges Gericht handeln kann — der Ausschluß aller anderen kraft Gesetzes mit internationaler Zuständigkeit versehenen Gerichte stillschweigend vereinbart worden ist. Es kann auch die Frage gestellt werden, ob es eine dahingehende rechtliche Vermutung gibt, und wie sie gegebenenfalls zu widerlegen ist. Das letzte Wort hat auch hier zweifellos das Recht des Landes, für dessen Gerichte der Ausschluß fraglich geworden ist, doch kann das Recht dieses Landes auch die Auslegungsfrage an ein anderes Recht delegiert haben 77 . Stellt sich heraus, daß entgegen der Absicht der Parteien ein gesetzlich zuständiges Gericht durch die Wahl eines Gerichts in einem anderen Staat seine internationale Zustän342
Internationale Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und Schiedsverfahren
§ 14
digkeit nicht verloren hat, so kann natürlich auch die Frage gestellt werden, ob nicht damit die Wahl eines nicht ohnehin kraft Gesetzes zuständigen Gerichts hinfällig geworden ist. Das wird zwar meist zu verneinen sein, aber es ist darauf hinzuweisen, daß darüber letztlich das Recht des gewählten Gerichts entscheidet. Ein an die eigenen Staatsangehörigen oder andere mit dem Inland verknüpfte Personen gerichtetes gesetzliches Verbot im Recht eines Landes, ausländische Gerichte anzurufen, die in völkerrechtlich einwandfreier Weise internationale Zuständigkeit kraft Gesetzes erhalten haben, und wobei die Verletzung des Verbots Strafen und Ansprüche auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens zur Folge haben könnte, ist im positiven Recht selten anzutreffen; überdies ist es mit den allgemeinen rechtspolitischen Postulaten des internationalen Privatrechts kaum zu vereinbaren 78 . Anders ist es bei einem rechtsgeschäftlichen Ausschluß der internationalen Zuständigkeit der neben den inländischen Gerichten konkurrierend zuständigen Gerichte eines anderen Staates für Ansprüche aus Rechtsgeschäften. Hier könnte vor allem der Staat des Geschäftsstatuts, wenn die alleinige Zuständigkeit seiner Gerichte vereinbart worden ist, bei einer Verletzung dieser Vereinbarung durch Anrufung ausländischer Gerichte derjenigen Partei, der dadurch ein Schaden entstanden ist, Schadensersatz zusprechen 79 . 9. Internationale Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und Schiedsverfahren In der Praxis wohl noch häufiger als Gerichtsstandsvereinbarungen, welche die vom Gesetzgeber vorgesehene internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Landes zu Streitentscheidungen zugunsten der staatlichen Gerichte anderer Länder hemmen wollen, sind Vereinbarungen, wonach anstelle aller kraft Gesetzes zuständigen staatlichen Gerichte ein privates Schiedsgericht 80 im Erkenntnisverfahren tätig werden soll, jedoch mit der Maßgabe, daß Urteile des Schiedsgerichts von den staadichen Gerichten als rechtskräftig anerkannt, und jedenfalls ohne eine restlose Uberprüfung der Richtigkeit wie eine Entscheidung eines staatlichen Gerichts behandelt, und daß Leistungsurteile des Schiedsgerichts, wenn auch eventuell erst nach Vollstreckbarerklärung durch ein staatliches Gericht, durch staatliche Vollstreckungsorgane vollstreckt werden sollen. Besteht eine internationale Zuständigkeit der staatlichen Gerichte eines Landes für eine heterogen verknüpfte Sache, so kann man an eine Regelung denken, wonach eine Schiedsgerichtsvereinbarung, um das staatliche Gericht gerade dieses Landes an der Ausübung seiner Zuständigkeit zu hemmen, entweder allen Anforderungen genügen muß, die das Recht dieses Staates in dieser Hinsicht aufstellt, oder wonach sie den Anforderungen genügen muß, die ein bestimmtes ausländisches Recht aufstellt, damit in erster Linie ein Verfahren vor den Gerichten dieses anderen Staates durch die Schiedsvereinbarung gehemmt ist; in dem letzteren Fall mag als weitere Bedingung für die Anerkennung der Schiedsvereinbarung als Zuständigkeitshemmnis gefordert werden, daß die Entscheidung des staatlichen Gerichts in dem fremden Staat, welche die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs bestätigt, ihrerseits mit Anerkennung rechnen kann. Dabei ist zu beachten, daß viele Staaten eine Ausübung schiedsrichterlicher" Tätigkeit durch Privatrechtssubjekte nicht absolut ungehemmt auf ihrem Gebiet vor sich gehen lassen wollen 81 . Es ist möglich, daß ein Staat es unter Strafandrohung verbietet, daß ein privates Schiedsgericht auf seinem Gebiet tätig wird, wenn die Schiedsvereinbarung vom Staat nicht anerkannt wird und ein staatliches Gericht sich bereits mit der Sache befaßt. Es ist auch möglich, daß ein Staat, welcher der Ausübung von Schiedsgerichtsbarkeit auf seinem Gebiet im Prinzip keine Verbote entgegenstellt, dennoch die staatlichen Gerichte ermächtigt, in bezug auf einzelne Punkte dem Schiedsgericht Weisungen zu geben. Schließlich ist es denkbar, daß ein privates Schiedsgericht staatliche Rechtshilfe erhält, z. B. durch Vernehmung von Zeugen, die sich weigern und weigern dürfen, vor dem Schiedsge343
§14
Inländische und ausländische Schiedsgerichte
rieht auszusagen. Manchmal werden auch ständige Schiedsgerichte, die im Einzelfall auf Grund einer Schiedsvereinbarung tätig werden dürfen, von einem Staat auf seinem Gebiet gefördert. Daraus erklärt sich wiederum, daß das positive Recht, auch wenn ein Land grundsätzlich die Zulässigkeit der Ersetzung der Tätigkeit seiner staatlichen Gerichte im Erkenntnisverfahren durch ein Schiedsgericht vorsieht, fordert, daß die schiedsrichterliche Tätigkeit sich im Inland abspielen muß, wenn die Bestimmungen des inländischen Rechts über die Hemmung der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und über Rechtskraft und Vollstrekkung des Schiedsspruches voll anwendbar sein sollen 81 a . Das wird evtl. dahin abgemildert, daß das Schiedsgericht als „inländisches" Schiedsgericht seinen Sitz im Inland haben muß, aber einzelne Sitzungen auch im Ausland abhalten darf; andererseits mag unter Umständen gefordert werden, daß die Schiedsrichter Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz im Inland haben müssen 82 . Eine solche Regelung macht es wiederum notwendig, die Rechtswirkungen einer Vereinbarung eines „ausländischen" Schiedsgerichts 83 und dessen Tätigkeit im Inland durch besondere Bestimmungen zu regeln; es werden also Bestimmungen darüber getroffen, welchen Anforderungen ein anwendungswilliges ausländisches Recht genügen muß, damit ein „unter" diesem Recht — also meist mit Sitz in diesem Staat — eingerichtetes Schiedsgericht auch die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte des Inlands hemmt, und damit der „ausländische" Schiedsspruch im Inland anerkannt und vollstreckt werden kann 8 4 . Wird im Zusammenhang mit einem bestimmten Rechtsgeschäft eine Schiedsvereinbarung getroffen, die ein Schiedsgericht vorsieht, welches von einem bestimmten Staat als „sein" nationales Schiedsgericht unter den Vorschriften dieses Staates betrachtet wird, so steht es den anderen Staaten mangels eines völkerrechtlichen Vertrages frei, unter welchen Bedingungen sie eine Hemmung der gesetzlichen Zuständigkeit ihrer Gerichte vorsehen wollen. Sie werden dann die Frage, ob ein Streit seiner Art nach überhaupt arbitrabel ist, d. h. ob die gesetzlich begründete Zuständigkeit ihrer Gerichte überhaupt durch eine Schiedsvereinbarung gehemmt werden kann, sicher nach ihrem Recht entscheiden wollen 85 . Bezüglich aller anderen Fragen betreffend die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung ist es jedoch möglich, daß von jedem Staat, der den Rechtsstreit als arbitrabel betrachtet, und dessen staatliche Gerichte ihre Zuständigkeit beim Vorliegen einer Schiedsvereinbarung nicht ausüben sollen, auf dieselben Rechte verwiesen wird, die das staatliche Gericht hätte anwenden müssen, um über die Gültigkeit eines materiellrechtlichen Geschäfts zu entscheiden, wenn die Schiedsvereinbarung sich auf Streitigkeiten aus einem solchen Geschäft beziehen soll 86 . Bemüht sich dann jeder Staat in seinen Kollisionsnormen über Rechtsgeschäfte des Privatrechts, die Entscheidungsgleichheit zu fördern, so kommt dies dann auch der Schiedsvereinbarung zugute. In Anlehnung daran, daß die Parteien vielfach das Geschäftsstatut wählen können, wird aber häufig angenommen, daß die Parteien auch das Statut für den Schiedsvertrag allein frei wählen können 87 . Es muß allerdings damit gerechnet werden, daß ein Staat, dessen staatliche Gerichte internationale Zuständigkeit besitzen, von einzelnen zwingenden Bestimmungen seines Rechts über Schiedsvereinbarungen — insbesondere auch von seinen Formvorschriften — annimmt, daß sie unter allen Umständen auch bei einer Schiedsvereinbarung zugunsten eines „ausländischen" Schiedsgerichts beachtet werden müssen, und auch wenn die Schiedsvereinbarung sich auf ein Privatrechtsgeschäft bezieht, dessen Gültigkeit ganz oder teilweise nach ausländischem Recht beurteilt wird 8 8 . Die Vereinbarung schiedsrichterlicher Entscheidung von Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis anstelle der Streitentscheidung durch staatliche Gerichte, und doch mit Rechtswirkung innerhalb der staatlichen Rechtsordnungen, ist ein Teil der Vereinbarung, daß das durch ein Geschäft begründete Verhältnis letztlich mit staatlichem 344
Schiedsvereinbarung
§14
Rechtsschutz ausgestattet sein soll, und betrifft Modalitäten dieses Rechtsschutzes. Es ist aber eben keineswegs nur das Statut für das durch das Rechtsgeschäft begründete Rechtsverhältnis, welches darüber entscheidet, ob vom Staat Rechtsschutz in der von den Geschäftserrichtern gewünschten Weise gewährt wird, sondern jeder Staat, in welchem „letzte" Rechtsschutzmaßnahmen in Gestalt der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches durch staatliche Gerichte gewünscht werden, kann sich seinerseits vorbehalten, ob und unter welchen Bedingungen er auf die von den Geschäftserrichtern gewünschten Modalitäten der Rechtsschutzverschaffung eingehen will 89 . Ebensowenig wie sich kein Staat den Ausschluß der Zuständigkeit seiner Gerichte allein deshalb aufzwingen zu lassen braucht, weil die vereinbarte ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates vom Recht des Staates, der das Geschäftsstatut für das streitige Rechtsverhältnis stellt, gebilligt wird, braucht sich auch kein Staat vom Geschäftsstatut, oder gar von dem gewählten Statut des Schiedsvertrages, die „Arbitrabilität" des Rechtsverhältnisses und die Bedingungen der Arbitrabilität aufzwingen zu lassen. Daß ein Staat mit zuständigen Gerichten sich dem Standpunkt desjenigen anderen Staates anschließt, der die Schiedsvereinbarung für sich als gültig betrachtet, ist nicht als durch ein allgemeines Postulat geboten anzusehen. Es ist sodann möglich, daß bezüglich der Schiedsvereinbarungen über heterogen verknüpfte Sachen die Gültigkeitsvoraussetzungen in einem einzelnen Staat, oder übereinstimmend in mehreren Staaten, spezialrechtlich, also abweichend von dem, was für homogen verknüpfte Situationen gilt, geregelt werden 90 . Das wird besonders wichtig, wenn ein Land die Zuständigkeit seiner Gerichte zugunsten eines Schiedsgerichts nicht nur dann ausschließt, wenn für ein bestimmtes Rechtsgeschäft (evtl. auch für ein gesetzliches Rechtsverhältnis) zugleich eine Schiedsvereinbarung getroffen wird, sondern wenn in dem betreffenden Land „abstrakte" Schiedsvereinbarungen über eine unbestimmte Zahl zukünftiger Streitigkeiten zwischen zwei Parteien als zulässig gelten. Spezialrecht über Schiedsvereinbarungen in heterogen verknüpften Situationen kann im Gegensatz zum rein internen Recht Schiedsgerichtsbarkeit auch für solche Fälle zulassen, in denen sie sonst unzulässig wäre 91 . Das auf den Vertrag, der die Ausschaltung der staatlichen Gerichte zugunsten des Schiedsgerichts bewirken soll, anwendbare Recht ist möglicherweise ein anderes Recht als dasjenige, welches für die Rechte und Pflichten der Schiedsrichter gegenüber den Parteien und umgekehrt anwendbar ist. Es ist möglich, daß die Parteien nur mit der Institution, die das Schiedsgericht stellt, in vertraglichen Beziehungen stehen, und daß die Schiedsrichter selbst Erfüllungsgehilfen der Institution sind 92 . Auf den Vertrag der Schiedsrichter mit ihrem Auftraggeber ist in heterogen verknüpften Situationen mangels ausdrücklicher Wahl des Geschäftsstatuts das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelte Recht anwendbar; besonders gewichtig, aber nicht allein maßgebend, ist dabei wieder der Sitz des Schiedsgerichts93. Hiervon wieder zu unterscheiden ist es, woher die Rechtsanwendungsanweisungen stammen, die das Schiedsgericht zu beachten hat. Diese Rechtsanwendungsanweisungen können von den Parteien selbst in dem Geschäft formuliert worden sein, mit dem sie das Schiedsgericht zum Tätigwerden beauftragen. Dazu gehört praktisch vor allem die Anweisung zur Anwendung des von den Parteien zum Geschäftsstatut gewählten Rechts 94 , oder die Anweisung, nach Billigkeit zu entscheiden 95 . Die Parteien können die Rechtsanwendungsanweisungen auch zwar selbst, aber indirekt bestimmen, indem sie das Schiedsgericht beauftragen, unter Anwendung des internationalen Privatrechts zu entscheiden, nach dem die staatlichen Gerichte eines bestimmten Landes — etwa des Sitzstaates des Schiedsgerichts oder des Sitzstaates der Institution, die das Schiedsgericht bildet — zu entscheiden hätten. Mangels einer solchen Angabe der Parteien über das von dem Schiedsgericht anzu345
§ 14
Die Rechtsanwendungsanweisungen für das Schiedsgericht
wendende Recht 9 6 sollte es das Recht des Landes sein, welches das Geschäftsstatut für die Rechtsbeziehungen zwischen Parteien und Schiedsrichtern stellt, dem subsidiär eine Regelung zu entnehmen ist. Als subsidiäre Zuweisungsnorm dürfte hier im Zweifel wieder eine Verweisung auf das internationale Privatrecht des Sitzstaates des Schiedsgerichts anzunehmen sein. Denkbar ist auch Ermächtigung zur Wahl eines staatlichen internationalen Privatrechts durch das Schiedsgericht selbst, oder freie Bildung der Rechtsanwendungsanweisungen durch das Schiedsgericht 97 . Mit der Zulassung von Schiedsgerichten für heterogen verknüpfte Streitigkeiten entsteht die Gefahr, daß die Rechtsanwendungsanweisungen aller derjenigen Staaten, in denen später Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches erstrebt wird, umgangen werden können, und zwar eben auch solche Rechtsanwendungsanweisungen, die nicht durch ausdrückliche Rechtswahl verdrängt werden könnten, und welche die Anwendung von solchem zwingenden Recht vorsehen, dessen Eingreifen ein staatliches Gericht von Amts wegen hätte prüfen müssen. Vielfach wird nun schon in homogen verknüpften Fällen bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte mehr oder weniger offen darüber hinweggesehen, daß dabei zwingende Rechtssätze, deren Anwendbarkeit ein staatliches Gericht von Amts wegen hätte prüfen müssen, nicht beachtet worden sind. Ferner wird bei der Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte, die durch Parteivereinbarung zuständig geworden sind, keineswegs immer gefordert, daß sie dasjenige Recht angewendet haben bzw. anzuwenden haben, wie es die staatlichen Gerichte in anderen Staaten angewendet hätten 98 . Man ist offenbar der Auffassung, daß die negative ordre public-Klausel es bei einer Prüfung der Anerkennungsfähigkeit des Schiedsspruches ermöglicht, einer Umgehung des internationalen Privatrechts, wie es für die staatlichen Gerichte gilt, entgegenzutreten, daß aber dabei das Ermessen des Gerichts bei der Frage nach einer ausreichenden Binnenbeziehung es gestattet, im Einzelfall großzügig zu sein; nichtsdestoweniger bleibt die Frage, ob das mangels eines gültigen Schiedsvertrages zuständige staatliche Gericht nicht schon das Fehlen einer Anweisung an das Schiedsgericht, solche Sätze zur Anwendung zu bringen, deren Ignorierung im Schiedsspruch zur Nichtanerkennung des Spruches führen müßte, zum Anlaß nehmen sollte, um die Einrede des Schiedsvertrages zu verwerfen, eventuell auch um das in dem betreffenden Land sitzende Schiedsgericht am Tätigwerden zu verhindern. Dem kann entgegengehalten werden, daß es ja durchaus möglich ist, daß das Schiedsgericht auf Grund anderer Gesichtspunkte zu demselben Ergebnis kommt, welches auch vom staatlichen Gericht bei Beachtung jener Rechtssätze erzielt worden wäre. Es spricht dies dafür, wenn sonst keine Einwendungen gegen die Gültigkeit des Schiedsvertrages bestehen, das vor dem staatlichen Gericht eingeleitete Verfahren auszusetzen, bis ein Schiedsspruch im Schiedsverfahren vorliegt 99 . Dies ist insbesondere auch dann angebracht, wenn das Schiedsgericht durch eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung im Recht des Sitzstaates 100 — die unter Umständen wieder auf einen Staatsvertrag zurückzuführen ist 1 0 1 — angewiesen ist, bestimmte zwingende Vorschriften auch entgegen einer Anweisung der Parteien, die das Schiedsgericht vereinbart haben, zu beachten. , Die bisherigen Ausführungen gelten für den Fall, daß die Parteien — und sei es auch für Streitigkeiten aus heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen — ein „nationales" Schiedsgericht im Sinne des staatlichen Rechts eines bestimmten Staates haben begründen wollen. Ein Schiedsgericht kann aber auch als ein nicht von einem bestimmten Staat als eigenes „nationales" Schiedsgericht zu betrachtendes Schiedsgericht, sondern als „nichtnationale" Schiedsinstanz begründet worden sein, und die Schiedsvereinbarung kann sich auf ein solches Schiedsgericht beziehen mit der Absicht, einerseits die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte im Erkenntnisverfahren auszuschließen, andererseits den Spruch des nicht346
Nichtnationale Schiedsgerichte
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nationalen Schiedsgerichts möglichst in allen dafür praktisch in Frage kommenden staatlichen Rechtsordnungen rechtskräftig und vollstreckbar zu machen. Man könnte dann darauf abstellen, ob der Staat, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz haben soll, spezialrechtliche Vorschriften über „nichtnationale" Schiedsgerichte in heterogen verknüpften Angelegenheiten hat, wobei solches Spezialrecht vor allem von dem Zwang zur Anwendung zwingender Bestimmungen, wie sie für nationale Schiedsgerichte gelten, dispensieren könnte. Eine verbreitete Tendenz will jedoch, daß die mit internationaler Zuständigkeit ausgestatteten staatlichen Gerichte unter Umständen auch einen Schiedsvertrag beachten können, ohne darauf abzustellen, daß das vorgesehene Schiedsgericht im Sitzstaat unter dem staatlichen Recht dieses Staates als nichtnationales Schiedsgericht anerkannt wird. Das mehr oder weniger deutlich zugegebene Fernziel 1 0 2 ist es oft, daß ein nichtnationales Schiedsgericht in der Ermittlung des anzuwendenden Rechts noch freier sein soll als nationale Schiedsgerichte, und daß seine diesbezügliche Tätigkeit im Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckung vom staatlichen Gericht noch weniger nachprüfbar sein soll als bei den Sprüchen nationaler Schiedsgerichte. Nicht selten soll gerade ein solches anationales Schiedsgericht nur nach „Recht und Billigkeit", oder gar nur „nach Völkerrecht", oder nach „allgemeinen Rechtsgrundsätzen", und zwar unter ausdrücklicher oder implizierter Ausschaltung irgendwelcher anwendungswilliger zwingender Sätze des staatlichen Rechts entscheiden 103 , und auch die Gültigkeit des Schiedsvertrags selbst soll, auch nach solchen Sätzen zu beurteilen sein. Würden die Staaten dieser Tendenz nachgeben, so käme es zu einer schwerwiegenden Ungleichbehandlung der an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Rechtssubjekte im Vergleich mit den nur in homogen verknüpften Situationen beteiligten Personen, indem die ersteren sich durch Vereinbarung eines anationalen Schiedsgerichts mit derartigen Rechtsanwendungsanweisungen in viel größerem Umfang über zwingendes staatliches Recht hinwegsetzen könnten als die letzteren 104 . Das entspricht prima facie nicht den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts. Inwieweit es die spezifische Eigenart ganz bestimmter heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse rechtfertigen kann, den Parteien die Umgehung zwingenden Rechts in größerem Umfang als sonst zu ermöglichen, wird im Zusammenhang mit der Frage zu prüfen sein, inwieweit eine schrankenlose Wahl der anzuwendenden Normen auf heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse mit diesen allgemeinen Prinzipien vereinbar ist 1 0 5 . Wollen die Parteien nicht, daß der Schiedsspruch des nichtnationalen Schiedsgerichts über Streitigkeiten aus einem Geschäft, soweit es sich um Leistungsurteile handelt, auf Antrag der obsiegenden Partei durch staatliche Vollstreckungsorgane vollstreckt wird, so bedeutet die Anerkennung der Schiedsvereinbarung als Zuständigkeitshemmnis für die staatlichen Gerichte in einer staatlichen Rechtsordnung im Ergebnis dasselbe, wie wenn der Staat die Vereinbarung der Parteien über den Ausschluß jeglichen staatlichen Rechtsschutzes für ein von ihm abgeschlossenes Geschäft anerkannt hätte. Dafür gilt das oben bereits Ausgeführte 1 0 6 . In homogen wie in heterogen verknüpften Situationen wichtig wird es, ob die Behauptung, eine Schiedsabrede, deren Scheinexistenz nicht bestritten wird, sei wegen eines Konsensmangels oder aus einem anderen Grunde nichtig, oder eine Einigung sei gar nicht als Schiedsabrede zu verstehen, oder eine gültige Schiedsabrede beziehe sich nicht auf die Streitigkeit, für die sie die andere Partei in Anspruch nehmen will, von einem Schiedsgericht selbst mit Bindung für die staatlichen Gerichte entschieden werden kann 1 0 7 . Das erste und das zweite ist sicher dann zu verneinen, wenn die Schiedsabrede sich auf eine unbestimmte Zahl von Rechtsverhältnissen, etwa aus zukünftigen Verträgen der Parteien über ihre geschäftlichen Beziehungen, bezieht. Es kann aber im allgemeinen auch nicht angenommen werden, daß eine mit einem bestimmten obligatorischen Vertrag verbundene Schiedsabrede unter allen Umständen selbst als gültig zu betrachten, und deshalb das 347
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Abgrenzung der Schiedsgerichtsbarkeit von sonstigen Institutionen
Schiedsgericht auch zuständig sei, um wiederum darüber zu befinden, ob der materiellrechtliche Vertrag gültig zustande gekommen ist 1 0 8 . Die Prüfung, ob überhaupt eine Schiedsabrede zustande gekommen ist, ob die zustande gekommene Schiedsabrede aus irgendeinem Grunde nichtig, und ob das Schiedsgericht für eine bestimmte Sache zuständig ist, steht einem Staat, dessen staatliche Gerichte mangels Schiedsvertrages Zuständigkeit hätten und als Vollstreckungsgerichte in Frage kommen — also nicht bloß dem Sitzstaat des Schiedsgerichts - , nicht erst dann zu, wenn die Vollstreckung des Schiedsspruchs beantragt wird 1 0 9 . Vor allem der Sitzstaat des Schiedsgerichts kann darüber auch schon bei Beginn des Schiedsverfahrens auf Antrag einer Partei durch seine staatlichen Gerichte entscheiden lassen 1 1 0 . Höchstens könnte die forum non conveniens-Regel das Gericht eines Staates veranlassen, diese Prüfung der Gültigkeit einer Schiedsabrede einem anderen Staat zu überlassen 111 . Wird in einem Staat ein Verfahren anhängig gemacht darüber, ob ein Schiedsgericht tätig werden darf, und wird dies vom staatlichen Gericht verneint, so ist damit nicht notwendig schon ein vollstreckbares Verbot an die Schiedsrichter verbunden, ihre schiedsrichterliche Tätigkeit auszuüben; es wird ihnen und den Parteien nur durch das staatliche Gericht klargemacht, daß der Spruch des Schiedsgerichts keinesfalls auf staatliche Anerkennung rechnen kann. Selbstverständlich kann ein Staat weitergehen und vorsehen, daß den Schiedsrichtern durch Unterlassungsürteil die Ausübung ihrer Tätigkeit verboten wird. In heterogen verknüpften Situationen ist aber wohl nur der Staat, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz haben will, oder der Heimatstaat bzw. Wohnsitzstaat der Schiedsrichter befugt, derartige Verbote auszusprechen. Von der seitens der Streitparteien vereinbarten Ersetzung der staatlichen Gerichte im Erkenntnisverfahren durch Schiedsgerichte bei einem Rechtsstreit 1 1 2 zu unterscheiden ist es, wenn die Parteien einem Dritten (den sie als „Schieds"instanz bezeichnen) Befugnis und Auftrag geben wollen, ihr konkretes Rechtsverhältnis aus eigener Initiative, oder auf Anregung einer Partei, oder insbesondere auch anläßlich eines Streites um Auslegung und Tragweite des Rechtsgeschäfts, das dem Rechtsverhältnis zugrunde liegt, neu zu regeln; dasselbe gilt, wenn die Schiedsinstanz bewußtermaßen offen gelassene Lücken im Inhalt des Rechtsgeschäfts nach ihrem Ermessen, also nicht unter Anwendung von ergänzendem Gesetzesrecht, ausfüllen soll. Auch hier ist ein staatliches Gericht, wenn bei ihm aus dem Rechtsverhältnis geklagt wird, u. U . an der Entscheidung gehemmt, aber nicht weil es mit Rücksicht auf einen Schiedsvertrag unzuständig ist, sondern deshalb, weil das Rechtsverhältnis noch nicht durch Akte jener Schiedsinstanz endgültig zustande gekommen ist. O b eine derartige (Um-)gestaltung eines durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses durch Dritte überhaupt zulässig ist, bestimmt im allgemeinen allein das Geschäftsstatut 1 1 3 . Selbstverständlich ist der Forumstaat auch nicht gehindert, in der Zulassung einer solchen Bestimmung des Inhalts eines noch nicht abgewickelten Rechtsgeschäfts durch Dritte eine untragbar krasse Abweichung zu sehen, falls die lex fori entsprechende Einrichtungen nicht kennt. Der eine oder der andere Staat mag es insbesondere als bedenklich betrachten, daß Organe privater Verbände bei Schwierigkeiten anläßlich der Abwicklung von Verträgen zwischen einzelnen Privatrechtssubjekten nach Ermessen das Rechtsverhältnis neu gestalten können, wenn dabei vermutlich Verbandsinteressen mehr im Vordergrund stehen als der gerechte Ausgleich der Interessen der Beteiligten. Wird ein Dritter ermächtigt, auf Antrag einer Partei anläßlich eines Streites „aus" einem Rechtsverhältnis dieses „in billiger Weise neu zu gestalten", so unterscheidet sich das wenig davon, daß die Parteien vereinbaren, es solle bei einem Streit aus dem Rechtsverhältnis jede Partei ein Schiedsgericht anrufen können, und das angerufene Schiedsgericht solle, anstatt nach einem staatlichen Recht, nach Billigkeit entscheiden. Der Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten ist der, daß der Schiedsspruch einer als Ersatz eines staatlichen Gerichts gewollten privaten Schiedsinstanz Gegenstand einer Vollstreckungser348
Verfahren und materielles Recht
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klärung durch ein staatliches Gericht werden soll, wenn der Schiedsspruch eine Verhaltensoder Leistungspflicht feststellt; ein Akt der billigen Neugestaltung eines Rechtsverhältnisses auch anläßlich eines Rechtsstreits durch eine dritte Instanz ist als solcher nicht vollstreckbar, sondern kann erst bei Nichtbefolgung der neu gestalteten Pflichten Anlaß für eine Klage bei einem staatlichen Gericht oder einem echten Schiedsgericht abgeben. Das Recht, welches das gesetzliche Geschäftsstatut für ein Rechtsverhältnis stellt, aus welchem Streitigkeiten entsprechend der Vereinbarung der Parteien durch ein „Schiedsgericht" „nach Billigkeit" beigelegt werden sollen, kann in einer solchen Vereinbarung eine unzulässige verkappte Ermächtigung zur Modifikation des Rechtsverhältnisses durch Dritte sehen. Aber auch ein Recht, welches nicht Geschäftsstatut ist, kann — auch wenn nicht die Umgehung anwendungswilliger zwingender Vorschriften dieses Rechts befürchtet wird — einer eigenen Vorschrift, die derartigen Regelungen ablehnend gegenübersteht, einen Anwendungsbereich für heterogen verknüpfte Fälle zuweisen um zu verhindern, daß der ablehnende Satz im homogen verknüpften Bereich seinen Zweck verfehlt: Mißbilligt es ein Staat, daß eine verkappte Einmischung externer Mächte in die Privatrechtsbeziehungen in Gestalt von Billigkeitsrechtsprechung durch Schiedsgerichte erfolgt, so wird der betreffende Staat vor allem bei inländischem Wohnsitz einer Partei darauf bestehen, daß der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten 114 nicht unter Berufung auf eine solche Schiedsvereinbarung ausgeschaltet wird. Gegen eine Abmachung, wonach bei einem Streit aus einem Rechtsverhältnis durch jede Partei eine unverbindliche Äußerung über die Rechtslage von einer dafür vereinbarten Stelle angefordert werden kann, und wo erwartet wird, daß sich die Parteien freiwillig gemäß dieser Äußerung verhalten und kein staatliches Gericht anrufen werden, hat der Gesetzgeber meist keine Bedenken, die ihn veranlassen müßten, solche Abmachungen nicht nur als rechtlich wirkungslos, sondern auch als strafbar zu erklären 115 . Das gilt auch dann, wenn damit gerechnet wird, daß gegen die Partei, die sich nicht an die Äußerung jener außergerichtlichen Instanz hält, Reaktionen erfolgen werden,die als solche durchaus rechtmäßig sind, wie z. B. die Nichtfortführung von Geschäftsbeziehungen. Eine solche Vereinbarung kann auch dahingehen, daß das staatliche Gericht zwar angerufen werden kann, aber zunächst nicht tätig werden soll, bis die außergerichtliche Instanz sich geäußert hat. b) Sonstige Beziehungen zwischen dem Rechtsschutz durch Verfahrensrecht und dem anwendbaren materiellen Recht 1. Allgemeines Das Begehren nach Verwirklichung eines konkreten Verhaltens eines anderen Privatrechtssubjekts, dem zumeist ein Interesse des Begehrenden als gegebenes Faktum zugrunde liegt, erweist sich als ein vom Staat gebilligter .Rechtsanspruch auf Erfüllung einer Äec^ispflicht des anderen nur dadurch, daß der Anspruch mit Rechtsschutz im staatlichen Recht ausgestattet ist. Der schon in den Sachnormen des materiellen Privatrechts zugunsten des Rechts „Inhabers" als angestrebt zu unterstellende Rechtsschutz für subjektive Rechte ist der gemäß den Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren zu erwartende staatliche Rechtsschutz. Das vom materiellen Recht geschaffene subjektive Recht auf ein bestimmtes Verhalten anderer, aber auch das „Recht", bei rechtlich unbegründeten Klagansprüchen „geschützt" und von wissentlich unbegründeten Ansprüchen anderer verschont zu bleiben, ist nur so viel wert, wie der Rechtsinhaber auf Verlangen von staatlichen Behörden Rechtsschutzakte, und der zu Unrecht Verklagte Klagabweisung (unter Kostenerstattungspflicht) durch „richtige" Rechtsanwendung erwarten kann. Dem Idealziel paritätischer Zuweisung der Gesamtheit der heterogen verknüpften Rechtsfälle an die verschiedenen staatlichen Privatrechte 1153 scheint es daher durchaus zu entsprechen, wenn 349
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Kein besserer Rechtsschutz als im Staat der lex causae
entweder das nach übereinstimmenden Kollisionsnormen berufene Recht allein von den Gerichten des Statutsstaates in einem gemäß seinem Verfahrensrecht ablaufenden Verfahren angewendet werden würde, und ausländische Gerichte das Urteil nur zu vollstrecken hätten, oder wenn ein staatliches Gericht bei der Anwendung ausländischen Rechts auch die Verfahrensbestimmungen, die für die Gerichte des Statutsstaates gelten, zu beachten hätte. Beides ist aber offensichtlich nicht realisierbar: Welches Recht anwendbar ist, stellt sich vielfach erst im Laufe des Verfahrens heraus; nicht selten sind mehrere Privatrechte nebeneinander zur Anwendung berufen, doch können Verfahrensvorschriiten aus mehreren Ländern meist gar nicht gleichzeitig nebeneinander anwendbar sein. Allein der Umstand, daß die Verfahrensbestimmungen nicht nur dem Kläger, der objektiv im Recht ist, Schutz verschaffen, sondern auch den zu Unrecht in einen Prozeß hineingezogenen Beklagten schützen wollen, und daß auch klagabweisende Urteile rechtskräftig werden, macht es unvermeidlich, daß jedenfalls die Vorschriften über die Prozeßhandlungen des Gerichts und der Parteien auch in heterogen verknüpften Situationen nicht etwa dem vom Kläger als in der Sache anwendbar behaupteten Recht, sondern im Prinzip dem Recht des Dienstherrenstaates des Gerichts entnommen werden müssen. Daß Prozeßhandlungen, die am Gerichtsort zu erfolgen haben, insbesondere in bezug auf die Form dem am Gerichtsort geltenden Recht entsprechen müssen, gilt heute als selbstverständlich. Können Prozeßhandlungen der Parteien oder anderer Beteiligter im Ausland vorgenommen werden, so daß nur der Beweis für ihre Vornahme wiederum beim Gericht erbracht werden muß, so ist ebenfalls im Prinzip die Form des Rechtes des Gerichtsortes zu wahren. Erfolgt die Prozeßhandlung im Ausland vor dem rechtshilfeleistenden Gericht des Auslandes, so kann die als äquivalent anzusehende Form des Vornahmelandes genügen. Keinesfalls ist jedoch eine internationalprivatrechtliche Zuweisungsnorm über eine alternative Verwendung der Formvorschriften der lex causae und der lex loci actus bei Rechtsgeschäften dahin zu erweitern, daß Prozeßhandlungen, die außerhalb des Gerichtslandes vorgenommen werden dürfen, wahlweise in den Formen des Vornahmeortes erfolgen können 116 . Es ist mit der Gleichbehandlung der Parteien auch durchaus vereinbar, daß einerseits die Gerichte mehrerer Staaten in heterogen verknüpften Situationen konkurrierende internationale Zuständigkeit haben, daß aber die „prozessualen Lasten" der einen und der anderen Partei, je nachdem, in welchem Land es zum Prozeß kommt, verschieden sind. Wohl aber erfordert es die Gleichbehandlung der Parteien an homogen und heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen, daß es in einem Land, das nicht selbst die lex causae für die Hauptfrage nach einer Pflicht stellt, nicht zu einer gerichtlichen Rechtsschutzverschaffung kommt, die der Anspruchsinhaber keinesfalls in einem Verfahren in dem Staat hätte erreichen können, der die lex causae stellt, während umgekehrt nicht gefordert werden kann, daß zugunsten desjenigen, der als Inhaber eines subjektiven Rechts in einem anderen Staat als dem der lex causae klagt, unter allen Umständen im Erkenntnisverfahren derselbe Rechtsschutz verfügbar gemacht wird, mit dem er im Staat der lex causae rechnen kann. Daß der klagende Inhaber eines subjektiven Rechts vor einem anderen Gericht als dem im Staat der lex causae nicht mehr erreichen sollte als dort, gilt vor allem dann, wenn eine umstrittene Frage dort dem Gericht nur von einer Partei, und nicht auch von der anderen (insbesondere durch negative Feststellungsklage), zur Entscheidung vorgelegt werden kann. Ferner müssen gesetzliche Vermutungen für Tatbestände und Beschränkungen der Beweismittel für bestimmte rechtserhebliche Tatbestände, denen dieselben materiellrechtlichen Bewertungen der Interessen der Parteien zugrunde liegen, wie sie auch für die inhaltliche Gestaltung der Sachnormen im engeren Sinne durch den Gesetzgeber maßgebend sind, der ausländischen lex causae entnommen werden. Dieser durch allgemeine Postulate gestützten Forderung 117 wird die traditionelle Maxime von der grundsätzlichen 350
Klagrecht
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Unanwendbarkeit ausländischen Verfahrensrechts110 ebensowenig gerecht wie die damit meist verbundene Vorstellung, daß jeder einzelne Satz des positiven Rechts im inländischen oder ausländischen Recht nach Maßstäben der lex fori durch positivrechtliche Normierung entweder als verfahrensrechtlich, oder als materiellrechtlich „qualifiziert" sei 119 . Die heterogene Verknüpftheit ist sodann unter Umständen Anlaß für spezielle Verfahrensvorschriften, die im Verfahren über homogen verknüpfte Situationen nicht zum Zuge kommen: Die Schwierigkeiten, von einem Kläger, der kein Vermögen im Gerichtsstaat hat, und der den angestrengten Prozeß verloren hat, die Kosten zu erhalten, die der Beklagte zu seiner Verteidigung ausgelegt hat, können das Erfordernis einer Prozeßkostensicherheit für Kläger ohne inländisches Grundvermögen rechtfertigen120. Ist eine der Parteien nicht im Gerichtsstaat ansässig, so kann das eine Verlängerung der von ihr zu beachtenden Fristen für Prozeßhandlungen rechtfertigen, usw. Vor allem sind im positiven Recht Spezialbestimmungen darüber entwickelt worden, unter welchen Voraussetzungen der Richter die Anwendbarkeit ausländischen Rechts zu bejahen und dessen Inhalt zu ermitteln hat, sowie Vorschriften über den Beweis ausländischen Rechts durch die Parteien 121 . Nicht die normalen Bestimmungen, wie sie für Rechtshilfe der inländischen Gerichte unter sich gelten, sondern spezialrechtliche Vorschriften gelten vor allem auch bezüglich der Gewährung von Rechtshilfe für ein Verfahren vor ausländischen Gerichten121®. 2. Klagbarkeit
und Klagbefugnis
Das subjektive Recht einer natürlichen oder juristischen Person, von den Staatsorganen eine in der „Anwendung" von Recht bestehende Prüfung der diesen Organen von dem Antragsteller vorgelegten „Fragen" verlangen zu können, wenn die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Organs gegeben sind, besteht unabhängig davon, ob die Auffassungen des Antragstellers darüber, wie das Ergebnis der Prüfung aussehen sollte, zutreffen; dieses „Klagrecht" ist infolgedessen auch unabhängig von dem bei der Prüfung anzuwendenden Recht. Anders ist es nur, wenn die Gerichte ausdrücklich nur zu einer Entscheidung unter Anwendung inländischen Rechts zuständig sein sollen 121b ; das bedeutet, daß dann die Klage schon- unzulässig ist, wenn sie mit der Behauptung der Anwendbarkeit ausländischen Rechts verbunden ist, und daß die Klage sich als unzulässig erweist, sobald feststeht, daß inländisches Recht nicht anwendbar ist. Das „Klagrecht" wird in diesem Sinne stets vom Recht des Forumstaates „geschaffen" und kann infolgedessen auch vom Recht des Forumstaates beschränkt werden 1210 . Das Verfahrensrecht des Forumstaates bestimmt daher z. B. selbst, ob die Gerichte in Bagatellsachen überhaupt tätig werden müssen, oder ob dies in ihrem Ermessen steht. Das Verfahrensrecht des Forumstaates bestimmt, ob in gewissen Sachen eine Genehmigung eines Organs der Exekutive erforderlich ist, damit durch eine Privatperson eine Zivilklage eingereicht werden kann, was in Wirklichkeit bedeutet, daß dem Gericht ein Tätigwerden verboten ist, wenn die Genehmigung nicht vorliegt. Insbesondere hat die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses durch das angegangene Gericht allein nach den dafür im Verfahrensrecht des Forumstaates entwickelten Regeln zu erfolgen. Volle Verweigerung des Klagrechts in einem Staat wirkt aber auf das materielle Recht selbst ein: Dürfen gewisse Anträge auf Prüfung des Bestehens einer Verhaltenspflicht von sämtlichen Gerichten eines Landes überhaupt nicht behandelt werden, so wird damit letztlich der Rechtscharakter der fraglichen Pflichten im Recht dieses Landes selbst in Frage gestellt: Besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Verbot für die Gerichte eines Landes, sich auf eine Klage einzulassen, mit der von dem Beklagten die Vornahme einer (von ihm angeblich in einem privatrechtlichen Vertrag versprochenen) Handlung gefordert wird, die in einem Akt der Religionsausübung besteht, so folgt daraus, daß es in dem 351
§14
Klagbarkeit
Privatrecht dieses Landes jedenfalls keine rechtsverbindlichen Verträge geben kann, durch die eine solche Verpflichtung begründet würde. Dann ist auch in einem anderen Staat die Klage aus dem Vertrag als unter dem Geschäftsstatut unbegründet abzuweisen, wenn das Recht des ersten Staates zum Geschäftsstatut berufen ist. N i c h t selten enthält das Recht eines Landes Bestimmungen, wonach gewisse Ansprüche auf Leistungen (Verhalten) des Beklagten unter bestimmten U m s t ä n d e n unklagbar sein sollen, während die freiwillige Erfüllung des Anspruchs in dem betreffenden Recht, trotz der Uneinklagbarkeit, als rechtmäßig und nicht als Erbringung einer ungeschuldeten Leistung gelten würde. Eine solche Uneinklagbarkeit von Ansprüchen, welche es offen läßt, o b der Anspruch nicht aus einem anderen G r u n d e zu verneinen wäre, und nach welchem Recht dies zu beurteilen wäre, stellt manchmal eine Art Strafe für die Verletzung gewisser anderer Rechtsvorschriften des Forumstaates durch den Kläger d a r 1 2 2 . Sie findet sich dann nicht selten als Spezialrecht für heterogen verknüpfte Fälle: D e m ausländischen Unternehmen, das zum Geschäftsbetrieb im Inland zugelassen worden ist, das aber seine Steuern im Inland nicht bezahlt hat, wird das Recht zur Erhebung von Klagen vor den inländischen Gerichten aus inländischen Rechtsgeschäften vorenthalten; die von A m t s wegen zu beachtende, aber auch vom Beklagten geltend zu machende Uneinklagbarkeit schließt nicht aus, daß die andere Partei freiwillig leisten, sowie daß sie das ausländische Unternehmen verklagen kann, wobei vielleicht sogar auch eine negative Feststellungsklage zugelassen i s t 1 2 2 a . Betreibt ein ausländisches Unternehmen, ohne die erforderliche Zulassung zum Geschäftsbetrieb im Inland erworben zu haben, derartige Geschäfte, so sind zwar die in diesem Geschäftsbetrieb zustandegekommenen Verträge in den meisten Ländern keineswegs ungültig, d. h. sie dürfen erfüllt werden, und die andere Partei kann daraus klagen, während das nicht zugelassene ausländische Unternehmen in dem betreffenden L a n d selbst aus derartigen Geschäften nicht klagen k a n n 1 2 3 ; das gilt auch, wenn Geschäftsstatut das Recht eines anderen Landes ist. Selbst wenn aber Geschäftsstatut das Recht des Landes ist, w o das Geschäft ohne die erforderliche Registrierung des Unternehmens getätigt wurde, so werden die Gerichte anderer Staaten sich nicht veranlaßt fühlen, die bei ihnen erhobene Klage mit Rücksicht auf jene gesetzliche Bestimmung abzuweisen. D a v o n zu unterscheiden ist es, wenn insbesondere für rechtsgeschäftlich begründete Schuldverhältnisse bestimmter Art das maßgebliche Recht vorsieht, daß das Geschäft zwar nicht in jeder Hinsicht als nichtig behandelt werden soll, daß aber beide Parteien die ihnen versprochenen Leistungen nicht einklagen können, obwohl die freiwillig erbrachte Leistung nicht zurückgefordert werden kann. D a s ist in vielen Rechten der Fall bei den sogenannten Naturalobligationen; aber auch bei genehmigungsbedürftigen Verträgen k o m m t es manchmal vor, daß ihre freiwillige Erfüllung nicht gehindert wird und als vollkommen rechtmäßig gilt, daß aber die Klage aus dem noch ungenehmigten Vertrag unzulässig ist. A u c h hier kann und muß das Gericht die Klage als unzulässig abweisen, sobald die Anwendbarkeit des diesbezüglichen Rechtssatzes feststeht; es muß also nicht erst prüfen, o b nicht aus anderen Gründen die volle Ungültigkeit des Vertrages anzunehmen ist, was zur Folge hätte, daß auch die freiwillige Erfüllung unrechtmäßig wäre, und die Klage als u n b e g r ü n d e t abgewiesen werden müßte. D e r Richter im Forumstaat, in dessen eigenem materiellen Recht Spielverträge voll verbindlich, also nicht von der Rechtsschutzgewährung durch Gerichte dieses Staates ausgeschlossen sind, und der andererseits die volle Unwirksamkeit eines Spielvertrages unter einem berufenen und anwendungswilligen ausländischen Recht zu beachten hätte, hat nun auch eine solche von dem zuständigen Sachstatut angeordnete bloße Unklagbarkeit des Leistungsanspruchs aus Spielvertrag zu beachten. D e r Richter in einem Forumstaat, in dessen eigenem Recht Spielverträge gänzlich unwirksam sind, und w o infolgedessen die 352
Klagbarkeit
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Klage aus einem Spielvertrag des eigenen Rechts als unbegründet abzuweisen wäre, kann die Klage aus einem nach dem zuständigen Recht voll gültigen Spielvertrag ebenfalls als unbegründet abweisen müssen, wenn im Forumstaat anzunehmen ist, daß die krasse Abweichung des berufenen ausländischen Rechts von der lex fori es als unanwendbar erscheinen läßt, und die Lücke durch die lex fori ausgefüllt werden muß. Derselbe nationale Richter könnte dann auch der Meinung sein, daß ein ausländisches Recht, welches den Spielvertrag als erfüllbar, aber nicht als einklagbar behandelt, insofern gegen den ordre public verstoße, als es die Rückforderung der freiwillig gezahlten Spielschuld nicht zuläßt. Dieser Richter braucht aber über diesen Punkt keine Aussage zu machen, wenn er den Satz des maßgeblichen ausländischen Rechts, wonach der Anspruch auf Zahlung der Spielschuld uneinklagbar ist, anwendet. Der Richter in dem Staat, der auch den absurdesten Klaganspruch auf seine Begründetheit prüfen muß, wenn seine Zuständigkeit gegeben ist, und in dessen eigenem Privatrecht Spielschulden zwar erfüllbar, aber nicht einklagbar sind, wird wohl meist keine Veranlassung sehen, einem ausländischen Rechtssatz, der Spielverträge als gänzlich unwirksam betrachtet, wegen untragbarer krasser Abweichung die Anwendung zu versagen. Um eine Zahlungsklage aus einem Spielvertrag unter ausländischem Recht als unzulässig zu betrachten, obwohl das ausländische Geschäftsstatut keine dahingehende Bestimmung hat, kommen dann mehrere Wege in Frage: Der Richter im Forumstaat kann das Fehlen der Bestimmung über die Unklagbarkeit als untragbare Abweichung betrachten, mit der negativen ordre public-Klausel operieren und die eigenen Bestimmungen als Ersatzrecht anwenden; Erhebung der Klage im Inland kann zu diesem Zweck als ausreichende Binnenbeziehung gelten. Wird die Verwendung der ordre publicKlausel als unangebracht behandelt, so ist es aber immer noch möglich, daß das Gericht im Forumstaat seinen eigenen Satz über die Unklagbarkeit von Spielschulden vorrangig vor dem anders lautenden Geschäftsstatut beim Bestehen einer bestimmten Inlandsverknüpfung zur Anwendung bringt, so etwa dann, wenn die eine oder andere Partei an dem Vertrag Bewohner des Forumstaates ist 1 2 4 . Dann aber kann der betreffende Richter bei gesicherter Gegenseitigkeit auch einen entsprechenden Satz eines ausländischen Wohnsitzstaates einer Partei vorrangig vor dem Geschäftsstatut zur Anwendung bringen: Ist der Spielvertrag nach dem Recht des Staates A als dem durch die gewichtigsten Verknüpfungen ermittelten Geschäftsstatut voll gültig, würde aber der Forumstaat F Klagbarkeit einer Spielschuld auf Grund seines eigenen Rechts verneinen, wenn eine der Parteien Bewohner von F wäre, so sollte der Richter in F bei gesicherter Gegenseitigkeit auch Unklagbarkeit auf Grund eines Rechtes G annehmen können, wenn der Staat G für alle Spielverträge, an denen eigene Staatsangehörige beteiligt sind, Unklagbarkeit vorsieht. Zeitweiser Ausschluß der Klagbarkeit gewisser Ansprüche kann auch eine durch zwingendes Recht angeordnete Wirkung eines bestimmten Privatrechtsverhältnisses zwischen zwei Parteien sein; so wenn etwa zwischen Ehegatten gewisse Ansprüche, für die die lex causae auch ein anderes Recht sein mag, als während des Bestehens der Ehe unklagbar zu gelten habe. Ist es so, daß ein durch Vorschriften des Verfahrensrechts des Forumstaates in der Einklagbarkeit nicht behinderter Anspruch nach einem ausländischen Recht zu beurteilen ist, so ist aber nicht nur eine als gemilderte Hemmung der Rechtsverbindlichkeit im materiellen Recht vorgesehene Nichteinklagbarkeit, wie sie die lex causae vorsieht, beachtlich, sondern erst recht der Umstand, daß der erhobene Anspruch im Staat der lex causae überhaupt nicht zu zivilprozessualen Rechtsschutzakten auf Grund privater Initiative prädestiniert ist. Ein solches Fehlen der Prädestination zu zivilem Rechtsschutz wäre etwa anzunehmen, wenn Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung eines bestimmten Schutzgesetzes im Urheberstaat dieses Gesetzes allein von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erhoben werden könnten, und wenn sowohl die 353
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Klagbefugnis
Einleitung des Strafverfahrens, als auch die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs zugunsten der geschädigten Privatpersonen von politischen Ermessenserwägungen abhängig wäre 125 . Hingegen ist Prädestination zum Rechtsschutz durch die Zivilgerichte eines anderen Staates nicht dadurch ausgeschlossen, daß im Staat der lex causae etwa über Schadensersatzansprüche einer Privatperson aus der Verletzung von Strafgesetzen auf ihren Antrag hin im Strafprozeß mitentschieden wird, oder daß für gewisse privatrechtliche Ansprüche die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Ebenso wie es sowohl Ausschluß der Klagbarkeit ohne Rücksicht auf die Begründetheit des Anspruchs unter dem Verfahrensrecht des Forumstaates, als auch Ausschluß der Klagbarkeit als gemilderte Hemmung der Rechtsverbindlichkeit unter dem Geschäftsstatut oder einem anderen materiellen Recht gibt, können auch Bestimmungen über die persönliche „Klagbefugnis" sowohl im Verfahrensrecht des Forumstaates, als auch im materiellen Recht der lex causae zu finden sein: Es ist das Recht des Forumstaates, welches, unbeschadet der Klagbefugnis von beteiligten Privatrechtssubjekten, eigenen Behörden, so insbesondere der Staatsanwaltschaft, die Befugnis verschaffen kann, gewisse Voraussetzungen für privatrechtliche Rechtspflichten (oder das Nichtbestehen solcher Pflichten) durch Antragstellung vor dem Zivilgericht feststellen zu lassen. Dann spielt es keine Rolle, ob in der Sache inländisches oder ausländisches Recht anwendbar ist; so z. B. wenn die Staatsanwaltschaft die Nichtigerklärung einer bigamen Ehe oder die Feststellung außerehelicher Vaterschaft beantragen, oder wenn sie die Ehelichkeit von Kindern einer verheirateten Frau anfechten kann, oder wenn bei der Verletzung gewisser Schutzgesetze auch das Bestehen von Schadensersatzpflichten gegenüber dem Geschädigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft festgestellt werden kann 1 2 6 . Eine in einem Staat vorgesehene Befugnis einer öffentlichen Behörde, Klagen in Privatrechtssachen zu erheben, ermöglicht der betreffenden Behörde selbstverständlich nicht die Klagerhebung vor ausländischen Gerichten. Andererseits ist aus der Tatsache, daß das Recht des ersten Staates die lex causae stellt, nicht zu schließen, daß ein anderer Forumstaat auch seine eigenen entsprechenden Behörden mit der Klagbefugnis ausstatten müsse. Ist in einem Staat, dessen Gerichte in einem anderen Land als international zuständig gelten, ein Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingeleitet und mit einer Entscheidung über Privatrechtsverhältnisse zwischen Privatrechtssubjekten beendet worden, so hindert das nicht unbedingt die Anerkennung dieser Entscheidung in anderen Staaten; ein anderer Staat könnte höchstens in der Klagbefugnis der Staatsanwaltschaft im Recht des Urteilslandes eine untragbare Abweichung von seinem Recht sehen und deshalb die Anerkennung verweigern. Sind es normalerweise nur beteiligte Privatpersonen, welche ein Tätigwerden der Zivilgerichte veranlassen können, so ist es im allgemeinen die im Forumstaat berufene inländische oder ausländische lex causae, welche vorschreibt, ob nur eine bestimmte Partei an einem Rechtsverhältnis oder ob jede von mehreren Parteien unabhängig voneinander einen Antrag, der auf dieselbe Wirkung gerichtet ist, stellen darf; es ist die lex causae, welche bestimmt, ob die Feststellung der Unrichtigkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses, oder ob die Widerlegung einer gesetzlichen Vaterschaftsvermutung nur von dem angeblichen Vater bzw. dem Kind, oder auch etwa von der Mutter beantragt werden können. Selbst Klagen auf Feststellung der Pflicht zu bestimmten Leistungen an eine bestimmte Person können unter dem pflichtbegründenden Statut u. U. nicht nur von dem Leistungsempfänger bzw. seinem gesetzlichen Vertreter, sondern auch von Dritten erhoben werden, z. B. solchen Personen, die durch das Unterbleiben der Leistung Nachteile haben, wie z. B. nachrangige Unterhaltsverpflichtete127' 1 2 8 ' 1 2 9 . Auch hier kann jedoch zugleich der Forumstaat für einzelne eigene Bestimmungen vorrangige Anwendung beanspruchen; der Forumstaat kann z. B. vorsehen, daß vor seinen Gerichten ein Anspruch auf Leistung von Unterhalt für minderjährige Kinder auf alle Fälle von dem rechtmäßigen Inhaber der 354
Behauptungslast bezüglich des anwendbaren Rechts
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Personensorgegewalt eingeklagt werden kann, auch wenn Unterhaltsstatut ein ausländisches Recht ist, und dieses Unterhaltsleistungen allein durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes einklagen lassen will 1 3 0 . 3. Allgemeine Grundsätze anwendbaren Rechts
über das Verfahren. Behauptungslast
bezüglich
des
Allein das Verfahrensrecht des Forumstaates ist dafür maßgebend, ob in einem von einer befugten Person eingeleiteten Verfahren das Gericht seine Entscheidung nur im Rahmen der von einer Partei gestellten Anträge bilden darf, oder ob es auch über einen Antrag entscheiden darf, der dahin geht, das Gericht möge gemäß seinem Ermessen die sachdienliche Entscheidung treffen, oder ob das Gericht gar ohne Antrag Feststellungen über Rechtsverhältnisse, auf die sich das gerichtliche Verfahren bezieht, aus eigener Initiative treffen kann. Allein das Verfahrensrecht des Forumstaates entscheidet sodann, ob und mit welcher Detailliertheit der Kläger — wenn auch evtl. erst auf Verlangen des Beklagten oder des Gerichts — die konkreten Tatsachen behaupten muß, die angeblich die Rechtswirkungen hervorrufen, die das Gericht nach Ansicht des Klägers feststellen soll. Das Verfahrensrecht des Forumstaates bestimmt auch allein, ob der Kläger die Rechtsvorschrift bezeichnen muß, die nach seiner Ansicht in dem Verfahren anwendbar ist und den Klagantrag begründet, oder ob es sich überhaupt nicht über die anwendbaren Rechtssätze zu äußern braucht. Allein das Verfahrensrecht des Forumstaates regelt sodann die Frage, ob und inwieweit das Gericht mangels Bestreitung der Behauptungen einer Partei durch die andere Partei seinerseits an die Behauptungen gebunden ist, oder ob es von sich aus Ermittlungen über die Wahrheit der unbestrittenen Behauptungen anstellen, oder der behauptenden Partei die Angabe von Beweismitteln aufgeben kann, und nur auf Grund der erhobenen Beweise die Behauptung als richtig hinnehmen darf. Es ist Sache des Forumstaates, ob er in sämtlichen Verfahren vor seinen Zivilgerichten Anerkenntnis- oder Versäumnisurteile zulassen will, oder ob dies bei bestimmten Verfahren unzulässig sein soll. Der Umstand, daß ausländisches Recht evident anwendbar ist, und daß in einem Verfahren vor einem Gericht des Staates der lex causae Anerkenntnis- und Versäumnisurteile möglich wären, reicht nicht aus, damit es im Forumstaat zu einem Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil kommt, wenn dessen Verfahrensrecht derartiges nicht zuläßt 131 . Umgekehrt hindert die Unzulässigkeit von Anerkenntnis- oder Versäumnisurteilen im Recht der lex causae es nicht, daß sie gemäß den Vorschriften des Forumstaates ausgesprochen werden. Hat in einem Forumstaat der Kläger eine Behauptungslast bezüglich der anwendbaren materiellrechtlichen Vorschriften, so ist manchmal die Behauptung, es sei inländisches Recht anwendbar, nicht von Amts wegen auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren, während auch die unbestrittene oder ausdrücklich von der anderen Partei gebilligte Behauptung einer Partei, es sei ein bestimmtes ausländisches Recht anwendbar, wohl überall vom Gericht gemäß dem internationalen Privatrecht des Forumstaates auf ihre Richtigkeit geprüft wird. Dann hat die klagende Partei auf Verlangen des Gerichts in aller Regel auch das Bestehen der zur Anwendung ausländischen Rechts führenden Auslandsverknüpfungen zu beweisen. Anders ist es nur, wenn das auf ein rechtsgeschäftlich begründetes Rechtsverhältnis anwendbare, inländische oder ausländische, Recht nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates nicht nur anläßlich der Errichtung des Rechtsgeschäfts, sondern auch noch im Prozeß durch übereinstimmende Äußerungen der Parteien gewählt werden kann. Wird dabei im Prozeß das Recht gewählt, so sollten aber die Beschränkungen im internationalen Privatrecht des Forumstaates für eine Rechtswahl 1313 anläßlich der Ge355
§14
Beweislast
schäftserrichtung nicht umgangen werden können; das gilt dann auch für die nach dem internationalen Privatrecht des Forumstaates zu beachtenden Beschränkungen der Rechtswahl durch das ausländische gesetzliche Geschäftsstatut. Hat der Kläger keine Behauptungslast bezüglich der anwendbaren Rechtssätze, so hat das Gericht meist keineswegs die als relevant in Frage kommenden Inlands- und Auslandsverknüpfungen von Amts wegen zu ermitteln, sondern kann den Kläger, wenn er nicht Abweisung wegen Unschlüssigkeit riskieren will, zu ergänzenden Behauptungen oder gar der Glaubhaftmachung der gegebenenfalls zur Anwendung von ausländischem bzw. inländischem Recht führenden Verknüpfungen auffordern. Das gilt nicht, wenn das Gericht an eine Vermutung gebunden ist, es sei inländisches Recht anwendbar 1 3 1 b , d. h. die zur Rechtfertigung der Anwendung des inländischen Rechts führenden Inlandsverknüpfungen seien gegeben. Muß oder kann das Gericht von der Anwendbarkeit inländischen Rechts ausgehen, so ist durchweg die Schlüssigkeit der Klage an Hand der behaupteten Tatsachen zu prüfen, wenn deren Richtigkeit mangels Bestreitung vom Gericht unterstellt werden muß. Die Schlüssigkeitsprüfung erfolgt unter Umständen in einem besonderen Zwischenverfahren auf Antrag des Beklagten. Ist ausländisches Recht anwendbar, so ist eine solche Schlüssigkeitsprüfung in einem Zwischenverfahren 132 meist erst nach Ermittlung des Inhalts des ausländischen Rechts, für die möglicherweise wieder besondere Vorschriften gelten, möglich. 4. Beweislast im Verhältnis zwischen den Parteien und widerlegbare
Vermutungen
Auch dort, wo das Gericht die Behauptungen des Klägers über die anspruchsbegründenden Tatsachen mangels Bestreitung durch die andere Partei nicht als Wahr hinzunehmen hat, sondern wo es die entscheidungserheblichen Tatsachen entweder selbst aufklären oder deren Beweis durch den Kläger verlangen kann, kann die andere zum Verfahren zugelassene Partei durchweg entweder die Tatsachenbehauptungen des Klägers bestreiten, oder das Vorliegen anderer Tatsachen behaupten, insbesondere solcher, durch die der Anspruch des Klägers ausgeschlossen, beendet oder gehemmt sein könnte. Wenn das Gericht von sich aus eine Parteibehauptung anzweifeln darf und anzweifelt, so stellt sich oft die Frage, ob das Gericht seine Zweifel als behoben zu betrachten hat, wenn die behauptende Partei Tatsachen vorbringt und beweist, die eine Vermutung für die Richtigkeit der von ihr eigentlich zu beweisenden Tatsachen auslösen. Stehen sich nur Behauptungen einer Partei und Bestreiten dieser Behauptungen durch die Gegenpartei gegenüber, so stellt sich die Frage, wer die Beweislast trägt. Vermutungen und Beweislast hängen innerlich zusammen, da eine gegenüber dem Gericht wirksame rechtliche Vermutung nichts anderes bedeutet, als daß dem Gericht eine „Last" zur Entkräftung der gesetzlichen Vermutung durch Ermittlungen von Amts wegen, oder dadurch, daß es die andere Partei zum Beweis der Unrichtigkeit auffordert, obliegt. Die Beweislast der Partei, die eine Verhaltenspflicht eines anderen festgestellt haben will, für das Bestehen des die Verhaltenspflicht auslösenden Tatbestandes entspricht der generellen Vermutung, daß jeder Mensch im Zweifel als von rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen frei anzusehen ist, und daß von ihm zunächst einmal angenommen werden muß, daß er gesetzliche Verhaltenspflichten nicht verletzt hat. Dieser „allgemeinen Freiheitsvermutung" können zunächst speziellere Vermutungen aus der Lebenserfahrung über das Geschehen in der großen Zahl der Fälle entgegenstehen: Ist einmal das Zustandekommen einer Ehe erwiesen, so kann auch ihr Weiterbestehen vermutet werden; d. h. derjenige, der Auflösung der Ehe zu Lebzeiten der Ehegatten behauptet, hat dafür die Beweislast. Auch hier kann die Erfahrung über die große Zahl die Bildung von weiteren speziellen gegenteiligen Vermutungen rechtfertigen: Wäre es statistisch erweisbar, daß die größte 356
Vermutungen
§14
Zahl der Ehen nach zehn Jahren aufgelöst ist, so könnte dies eine Vermutung rechtfertigen, daß eine Ehe nicht länger als zehn Jahre besteht. Derartige Vermutungen sind aber nicht nur von dem Verhalten der Normadressaten in der großen Zahl der Fälle abhängig, sondern auch vom Stand des materiellen Rechts: Für eine Rechtsgemeinschaft, in der die Mehrehe nicht gültig und der Versuch der Begründung einer bigamischen Ehe strafbar ist, ist eine Vermutung sinnvoll, daß bei erwiesener Eheschließung vermutet werden kann, daß etwaige frühere Ehen der Eheschließenden aufgelöst waren. In einer Rechtsgemeinschaft, in der Mehrehen erlaubt sind, wäre eine solche Behauptung höchstens dann zu rechtfertigen, wenn für die große Zahl statistisch erwiesen werden könnte, daß von der rechtlichen Möglichkeit der Mehrehe im allgemeinen kein Gebrauch gemacht wird. Die im Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht zu findenden Rechtssätze, wonach mit dem Beweis einer bestimmten Tatsache eine Vermutung für das Bestehen einer anderen Tatsache bis zum Beweis des Gegenteils geschaffen wird, sind zum Teil rechtliche Versteinerungen von Vermutungen aus der Lebenserfahrung. Vielfach aber handelt es sich um das Ergebnis von gesetzgeberischen Wertungen der Parteiinteressen, und zwar durchweg derselben Wertungen, die bei der gesetzgeberischen Gestaltung des Privatrechts auch sonst an die divergierenden Interessen der Rechtssubjekte angelegt werden. Diese Wertungen sind aber eben in den verschiedenen Privatrechten vielfach nicht dieselben: Das eine Recht erlegt dem Ehegatten der erwiesenermaßen zustande gekommenen ersten Ehe, welcher die Auflösung dieser Ehe bestreitet und die von seinem Partner erwiesenermaßen geschlossene neue Ehe als bigamisch hält, die Beweislast für das Fortbestehen seiner Ehe, also die Beweislast für das NichtVorliegen einer Scheidung seiner Ehe, auf 133 , während ein anderes Recht 134 umgekehrt verfährt. Das eine wie das andere kann damit begründet sein, daß innerhalb der von dem ersten Recht beherrschten Rechtsgemeinschaft die Zahl der Fälle, in denen Ehen geschieden und neue Ehen eingegangen werden, die Zahl der ungeschiedenen Ehen erheblich übersteigt, während es in der von dem anderen Recht beherrschten Rechtsgemeinschaft umgekehrt ist. Gerade aber wenn die rechtliche Regelung der Vermutungen nicht der größeren statistischen Wahrscheinlichkeit entspricht, wird es deutlich, daß hinter der Regelung das Motiv einer Bewertung von Interessen steht: Der eine Gesetzgeber mißbilligt eben den Wechsel der Ehepartner und will deshalb den Partner aus der älteren Ehe in seiner Behauptung des Fortbestehens der Ehe durch eine Vermutung begünstigen; das andere Recht hält die Interessen der beiden Partner dessen, der nacheinander zwei verschiedene Ehen eingegangen ist, für gleichwertig und gründet darauf, daß der Abschluß bigamischer Ehen, weil strafbar, selten ist, die Vermutung, daß die erste Ehe aufgelöst ist. Oft wird durch das positive Recht sogar die Beweislast, bzw. die Last zur Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung, verschieden gestaltet, je nachdem, in welchem Zusammenhang die Frage auftaucht. Auch darin, daß in dem einen Recht die Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung jedem ermöglicht wird, der daran im konkreten Fall ein Interesse hat, während die Regelung eines anderen Rechts dahin geht, daß die Vermutung nur von bestimmten Personen bestritten und widerlegt werden kann, und daß auch dies eventuell nur innerhalb bestimmter Fristen und in einem besonderen Verfahren möglich sein soll, kommt eine „Parteilichkeit" des Gesetzgebers zum Ausdruck. Sind die Wertungen, die der Regelung der Beweislast einschließlich der gesetzlichen Vermutungen zugrunde liegen, dieselben Wertungen, die auch sonst der inhaltlichen Ausgestaltung des Privatrechts zugrunde gelegt werden, so ist es nur konsequent, daß im Forumstaat bei der Anwendung eines bestimmten ausländischen Rechts auch die dort anzutreffenden Regelungen über Beweislast und gesetzliche Vermutungen, einschließlich der Wege zu ihrer Widerlegung, und nicht die im Recht des Forumstaates, heranzuziehen sind: Auch wenn im eigenen Recht des Forumstaates das Bestreiten der ehelichen Abstammung des während der Ehe geborenen Kindes vom Ehemann nur in der Weise möglich ist, daß bestimmte 357
§14
Todeserklärung
wenige dazu berechtigte Personen innerhalb einer bestimmten Frist die eheliche Abstammung in einem besonderen Verfahren „anfechten", sind, wenn die eheliche Abstammung, etwa bei der Anwendung ausländischen Rechts auf die Personensorge oder die Erbfolge, relevant wird, die Vorschriften der lex causae 135 heranzuziehen, die jedem Interessenten jederzeit den Nachweis der Unmöglichkeit der Zeugung des Kindes durch den Ehemann der Mutter ermöglichen. Beweislastregelungen und gesetzliche Vermutungen der berufenen ausländischen lex causae 136 ' 1 3 7 sind dann im Forumstaat unanwendbar, wenn sie dort als krasse Abweichungen von den eigenen Regelungen im Inlandsrecht des Forumstaates empfunden werden. Hat das Gericht des Forumstaates, unabhängig von den Behauptungen der Parteien, die rechtlich relevanten Tatsachen durch eigene Untersuchungen aufzuklären, während die lex causae Beweislast und gesetzliche Vermutungen vorsieht, so sind diese unbeachtlich. Ist es umgekehrt, so können die Beweislastregeln und Vermutungen der lex fori nur insoweit zum Zuge kommen, als sie nicht mit materiellrechtlichen Wertungen der lex causae in Widerspruch stehen. Eine eigenartige Situation besteht, wenn mangels vollen Beweises einer Tatsache, deren hohe Wahrscheinlichkeit dem vollen Beweis gleichgestellt werden soll, wenn auch vorbehaltlich einer Korrektur der Rechtsfolgen, falls sich die Annahme des Eintritts der Tatsache als unzweifelhaft falsch erweisen sollte. Hier ist folgendes zu erwägen: Kommt es in einer anwendbaren ausländischen Sachnorm auf den Tod eines Tieres an (etwa wenn Unmöglichkeit der Lieferung eines verkauften, aber dem Verkäufer entlaufenen Tieres zur Debatte steht), so wird das Gericht im Forumstaat kaum danach fragen, ob das Gericht im Staat der lex causae die hohe Wahrscheinlichkeit des Todes bejahen würde. Kommt es (z. B. bei der Anwendung testamentarischer Verfügungen oder einer Stiftungssatzung) darauf an, daß ein bestimmter Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr lebt, so wird das Gericht auch bei Anwendung ausländischen Rechts den Tod eines Verschollenen wohl sicher inzidenter bejahen, wenn seit seiner Geburt mehr als hundert Jahre vergangen sind, ohne daß danach gefragt wird, ob im Staat der lex causae eine förmliche Todesfeststellung erforderlich ist. Die Frage nach dem Tod eines Menschen, aus dessen Alter allein die hohe Wahrscheinlichkeit seines Versterbens nicht zu entnehmen ist, sondern wo die Wahrscheinlichkeit des Todes aus dem Fehlen von Nachrichten gefolgert werden soll, ist nun in vielen Rechten Gegenstand einer Prüfung in einem besonderen Verfahren, ohne daß die Wirkung der Todeserklärung auf ein einzelnes Rechtsverhältnis beschränkt ist. Ist der Tod eines Verschollenen als Tatbestand in einem im Forumstaat berufenen ausländischen Rechtssatz relevant, so ist eine bereits vorliegende Todeserklärung aus dem Staat der lex causae auch im Forumstaat im Zusammenhang mit der Anwendung des ausländischen Rechtssatzes zugrunde zu legen. Liegt eine Todeserklärung durch den Staat der lex causae nicht vor, so kann dem, der das Verfahren betreibt, in dem der ausländische Rechtssatz angewendet werden muß, möglicherweise anheimgestellt werden, eine Todeserklärung im Staat der lex causae zu beantragen. Es ist aber auch möglich, daß bestimmte Verknüpfungen zum Forumstaat ausreichen, damit auf Antrag interessierter Personen eine selbständige allgemeine Todeserklärung wegen Verschollenheit gemäß den einschlägigen Vorschriften der lex fori erfolgt; sie kann dann auch bei der Anwendung ausländischen Rechts zugrunde gelegt werden. Als Anknüpfungsmoment für eine Todeserklärung im Inland gilt häufig, daß der Verschollene zuletzt Staatsangehöriger oder Bewohner des Forumstaates war; als ausreichende Verknüpfung gilt aber oft auch, daß der Verschollene Inhaber von Vermögensrechten war, die im Inland belegen sind, oder daß er an Rechtsverhältnissen beteiligt war, für welche das inländische Recht Wirkungsstatut war; genügend kann auch sein, daß andere an solchen Rechtsverhältnissen beteiligte Personen Staatsangehörige oder Bewohner des Forumstaates sind. 358
Beweismittel
§14
Erfolgen allgemeine Todeserklärungen sowohl im Ausland, als auch im Forumstaat, wo der Tod eines Menschen bei Anwendung einer inländischen oder ausländischen lex causae von Bedeutung wird, so ist die Todeserklärung durch den Staat der lex causae und der darin angegebene Todeszeitpunkt vorzuziehen. Davon gilt eine Ausnahme, wenn es auf diese Weise zu schweren Störungen der materiellen Harmonie im Forumstaat kommt: Der Ehegatte des Verschollenen, der dessen Tod im Lande des Ehewirkungsstatuts hat feststellen lassen, um wieder heiraten zu können, kann sich nicht auf die im Lande des Erbstatuts für den Verschollenen ergangene Todeserklärung berufen, wenn dort der Tod mit einem Zeitpunkt angenommen wird, der nach der zweiten Eheschließung liegt, und das nach der ersten Todeserklärung eingeführte Erbrecht für den überlebenden Ehegatten günstiger ist. 5. Die Zulässigkeit von
Beweismitteln
Sowohl bei der vom Gericht selbst betriebenen Aufklärung des Sachverhalts, als auch bei dem Versuch der Erbringung des Beweises durch eine beweis„pflichtige" Partei stellt sich die weitere Frage, welche Beweismittel zulässig bzw. unzulässig sind, und aus welchem Recht bei heterogener Verknüpfung die hierfür einschlägigen Regeln zu entnehmen sind. Es ist unbestritten, daß Beweismittel, die im Recht des Forumstaates generell unzulässig sind, vom Gericht nicht beachtet werden dürfen, auch wenn ihre Verwendung in dem Staat, der die lex causae stellt, möglich ist. Kennt z. B. der Forumstaat keinerlei Beweis einer Behauptung durch „Parteieid" (im Gegensatz zur Vernehmung der Partei als Zeuge), so kann dieses Beweismittel nicht angebracht werden, nur weil die lex causae es kennt 138 . Das ist unter dem Gesichtswinkel der allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts jedenfalls dann unbedenklich, wenn jede der Parteien die Möglichkeit gehabt hätte, das Verfahren vor dem Gericht des Staates anhängig zu machen, der die lex causae stellt. Komplikationen bereiten die zahlreichen Fälle, in denen in dem einen oder dem anderen Recht nur bei der richterlichen Anwendung gewisser einzelner Rechtssätze bestimmte Beweismittel unzulässig, oder gar bloß bestimmte Beweismittel zum Beweis der nach diesen Rechtssätzen erheblichen Tatsachen zulässig sind. Bei derartigen Beschränkungen der Beweismittel im Zusammenhang mit der Handhabung einzelner Rechtssätze handelt es sich durchweg wiederum um eine vom Urheber der materiellrechtlichen Regelung gewollte Begünstigung einer bestimmten Lösung und der daran interessierten Partei, die, genauso wie die Bewertung der Interessen durch diesen Gesetzgeber in der von ihm erlassenen „materiellrechtlichen" Regelung — und gegebenenfalls der Beweislastregelung — Sache des staatlichen Gesetzgebers ist, der die lex causae stellen soll. Kann der Beweis der Unmöglichkeit der Zeugung des Kindes durch den Ehemann der Mutter innerhalb der Empfängniszeit nicht durch eine Zeugenaussage der Mutter über die Unterbrechung bzw. die Unmöglichkeit ehelicher Beziehungen geführt werden 139 , so liegt dem betreffenden Rechtssatz dieselbe materiellrechtliche Zielsetzung zugrunde, wie dem Satz, daß nur der Ehemann und nicht auch ein anderer die Ehelichkeit des während der Ehe gezeugten Kindes der verheirateten Frau bestreiten kann: Die Position des von einer verheirateten Frau geborenen Kindes, welches ja normalerweise an dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses zum Ehemann der Mutter interessiert ist, soll gegenüber all denjenigen gefördert werden, die ein gegenteiliges Interesse haben 140 . Während daher generelle Ausschlüsse bestimmter Beweismittel der lex fori zu entnehmen sind 141 , sind Beschränkungen der Beweismittel im Zusammenhang mit einzelnen Rechtsverhältnissen der lex causae, und nur dieser, zu entnehmen142. Allerdings sind die einschlägigen Regelungen eines Forumstaates oft außerordentlich sensibel gegenüber abweichenden Regelungen einer fremden lex causae; es kommt daher hierbei häufig zum Einsatz der negativen ordre public-Klausel, wobei die durch Ausschaltung der ausländischen lex causae entstehende Lücke meist ohne weiteres durch Anwendung der lex fori ausgefüllt wird. 359
§14
Unwiderlegliche Vermutungen
6. Unwiderlegliche Vermutungen Bei jeder unwiderleglichen Vermutung wird letztlich die Rechtswirkung an den die Vermutung auslösenden Tatbestand angeknüpft und nur die gesetzestechnische Fiktion aufgestellt, es liege ein anderer Tatbestand vor, an den „eigentlich" der Gesetzgeber die Rechtswirkung anknüpfen wolle: Wird die „schuldhafte" psychologische Einstellung bei demjenigen, dessen Handlung einen bestimmten Erfolg verursacht (oder mitverursacht) hat, unwiderleglich vermutet, so handelt es sich eben nicht mehr um einen Rechtssatz über Verschuldenshaftung, sondern einen Rechtssatz über Risikohaftung (absolute liability). Dasselbe ist der Fall, wenn eine zunächst widerlegliche Vermutung unwiderleglich wird, sobald ein bestimmter Zusatztatbestand143 erwiesen ist: Kann die Vermutung der Vaterschaft dessen, der mit der Mutter Verkehr gehabt hat, nicht mehr auf den sonst zulässigen Wegen widerlegt werden, falls nachgewiesen ist, daß der Betreffende ein schriftliches Eheversprechen abgegeben hat, so bedeutet dies, daß die Rechtspflichten der „Vaterschaft" auch dann eintreten sollen, wenn die beiden Tatbestände Verkehr mit der Mutter und Eheversprechen erwiesenermaßen vorliegen, obwohl mit anderen Beweismitteln die Vaterschaft als unmöglich festgestellt werden könnte, oder gar festgestellt worden ist. Es ist eine Frage der Kategorienbildung und eine Frage nach der Wahl der Anknüpfungsmomente, ob ein Kollisionsrecht z. B. alle diejenigen Rechtssätze, die die Folgen einer mit allen Mitteln des Beweises und Gegenbeweises als bestehend erwiesenen Vaterschaft betreffen, und zugleich alle Rechtssätze über die Wirkungen der Unwiderleglichkeit von Vermutungen der Vaterschaft in ein und derselben Kategorie unterbringen und mit Hilfe desselben Anknüpfungsmoments einem Recht zuweisen will, oder ob für die eine oder die andere Art dieser Rechtssätze unterschiedliche Anknüpfungsmomente zur Ermittlung des maßgeblichen Rechts verwendet werden sollen. So könnte man, anstatt die Frage nach der Unterhaltspflicht irgendwelcher als „wahrscheinlichster" oder „möglicher" Väter in Frage kommenden Männer einem Recht (etwa dem Heimatrecht der Mutter) zu unterstellen, die Unterhaltspflicht eines Mannes gegenüber einem Kind nach dem Heimatrecht des Mannes bejahen, wenn, und nur wenn, dieses Heimatrecht alle Beweismittel zum Beweis des Bestehens oder Nichtbestehens der Vaterschaft zuläßt, und dem auf Grund dieser Vorschriften als Vater ermittelten Mann nicht nur Unterhaltspflicht, sondern auch Sorgerecht verschafft; mangels Bejahung der Vaterschaft auf Grund des so gestalteten Heimatrechts des angeblichen Vaters, sowie dann, wenn das Heimatrecht des Vaters eine solche Regelung nicht kennt, könnte etwa das Recht des Zeugungsortes oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes mit denjenigen, und nur mit solchen Bestimmungen anwendbar sein, welche allein an die Tatsache des Verkehrs mit der Mutter innerhalb der Empfängniszeit eine „Risikohaftung" zu Unterhaltsleistungen anknüpfen144. Keinesfalls aber wäre es zu rechtfertigen, daß der Forumstaat Bestimmungen des eigenen Rechts, welche unwiderlegliche Vermutungen aufstellen, in ihrer Eigenschaft als „Verfahrensrecht" zur Anwendung bringen lassen wollte, obwohl die berufene ausländische lex causae die Widerlegung der Vermutung zuläßt, oder gar für den vermuteten Tatbestand vollen Beweis oder Beweis mit bestimmten Beweismitteln erfordert. Auch hier sind allerdings die Regelungen im eigenen Recht des Forumstaates oft besonders empfindlich dagegen, daß abweichendes ausländisches Recht in heterogen verknüpften Situationen zur Anwendung gebracht werden soll. Wenn ein Staat in seinem eigenen Recht Beweis der Vaterschaft, bzw. des Nichtbestehens eines Abstammungsverhältnisses, mit allen Beweismitteln zuläßt, so mag es dort als eine krasse Abweichung betrachtet werden, wenn das berufene ausländische Recht einerseits bei einer mit bestimmten Mitteln erwiesenen Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft Gegenbeweis der Unmöglichkeit der Abstammung nicht zuläßt, und andererseits die Unterhaltspflicht eines „mögli360
§14
Urkundenbeweis und Form
chen" Vaters von solchen anderen Umständen abhängig macht, die, wie etwa ein Eheversprechen, überhaupt keine Verstärkung der Vaterschaftsvermutung darstellen können. 7. Urkundenbeweis
und Form der Abgabe von rechtsgeschäftlichen
Erklärungen
Ein besonders schwieriges Kapitel bilden von jeher die Regeln über die zum Beweis der Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung erforderlichen Beweismittel, insbesondere von schriftlichen, evtl. auch anderen „Urkunden", und ihr Verhältnis zu Vorschriften über die „Form" der Errichtung von Rechtsgeschäften. Die Herstellung einer im Zusammenhang mit der Errichtung eines Rechtsgeschäfts stehenden Urkunde kann ein Teil der Errichtung des Rechtsgeschäfts selbst sein; das ist am deutlichsten, wenn ein Vertrag von einer Partei als einseitiges Angebot schriftlich niedergelegt und unterschrieben, und dieses Angebot von der anderen Partei auf derselben Urkunde als angenommen erklärt werden muß, damit der Vertrag gültig ist. Die schriftliche Niederlegung einer „Bestätigung" der Geschäftserrichter über die vorausgegangene mündliche Abgabe von Willenserklärungen ist meist nur als fakultative Herstellung eines Beweismittels für die eigentliche Geschäftserrichtung zu verstehen 145 , kann aber, insbesondere durch mündliche oder schriftliche Vereinbarung in einem Vorvertrag, zum Gültigkeitserfordernis gemacht worden sein 146 . Die schriftliche Niederlegung der Wahrnehmung eines Dritten, daß andere ein Rechtsgeschäft durch mündliche Äußerungen errichtet haben, kann ebenfalls vom Gesetz 147 oder in einem Vorvertrag zum Gültigkeitserfordernis für das Rechtsgeschäft erklärt werden, auch wenn sie normalerweise Herstellung eines Beweismittels sein soll. Daß die eine oder die andere Art der Errichtung einer Urkunde neben dem Konsens usw. zusätzliches Erfordernis für die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, und damit auch für die Einklagbarkeit von Ansprüchen aus dem Rechtsgeschäft, sein soll, das zu bestimmen ist Sache des Formstatuts; zu erinnern ist hier daran, daß das Formstatut entweder direkt in einer Kollisionsnorm des jeweiligen Forumstaates bestimmt wird, oder daß es im Forumstaat auf dem Wege über eine Gesamtverweisung auf das Geschäftsstatut ermittelt werden kann 148 . Das Formstatut bestimmt jedoch auch allein, ob eine Geschäftserrichtung durch Kommunikation schriftlicher Willenserklärungen unter den Geschäftserrichtern überhaupt für die Formgültigkeit ausreicht, insbesondere z. B. indem mündliche Geschäftserrichtung vor Zeugen als zwingende Normalform vorgesehen wird. Wenn die Errichtung einer Urkunde, sei es seitens der Geschäftserrichter, sei es durch einen „Zeugen" i. w. S., Erfordernis für das gültige Zustandekommen des darin beschriebenen Rechtsgeschäfts sein soll, so gehört zur gebotenen „Schriftlichkeit" zumeist, daß die Urkunde von dem, der „aus der Urkunde sprechen will", mit seinem Namen oder einem anderen Identifizierungsmerkmal eigenhändig unterzeichnet wird. Der Beweis der eigenhändigen Unterzeichnung durch den Namensträger kann vielfach nur durch Zeugnis anderer über ihre Wahrnehmungen bei der Errichtung der Urkunde geführt werden; es kann aber auch eine Unterzeichnung der Urkunde durch derartige Zeugen ein Erfordernis der Formgültigkeit sein. Liegt nun eine nach dem Formstatut zur Gültigkeit erforderliche Geschäftserrichtung unter Herstellung einer Urkunde vor, oder liegt eine zur Gültigkeit erforderliche zusätzliche Beurkundung über eine mündlich erfolgte Geschäftserrichtung vor, so bedeutet dies nicht notwendig, daß, wenn später in dem Staat, der das Geschäftsstatut oder das Formstatut stellt, über das Rechtsgeschäft ein Streit entsteht, die Urkunde unter allen Umständen dem Gericht vorgelegt werden muß. Das Prozeß recht dieses Staates kann dahin lauten, daß die unbestrittene Behauptung des Klägers, das Geschäft sei unter Errichtung der erforderlichen Urkunde zustandegekommen, vom Richter hingenommen werden muß; es ist sogar denkbar, daß die unbestrittene Behauptung des Klägers, ein Rechtsgeschäft mit dem Inhalt, aus dem er seinen Klaganspruch herleitet, sei „formgerecht" zustandegekommen, ohne 361
§14
Urkundenbeweis und Form
daß näheres über die angeblich benutzte Form gesagt wird, vom Richter zur Grundlage der Rechtsfindung gemacht werden muß. Hat hingegen das Gericht auch die unbestrittene Behauptung der klagenden Partei von Amts wegen zu prüfen, oder hat es bei Bestreitung des klägerischen Vortrags die Beweislast des Klägers zu beachten, so folgt auch daraus noch nicht, daß bei einem angeblich beurkundeten Rechtsgeschäft, wenn Schriftlichkeit Gültigkeitserfordernis ist, die Urkunde unter allen Umständen dem Gericht vorgelegt werden muß; das Gericht kann sich nach den von ihm zu beachtenden Verfahrensregeln etwa mit der mündlichen Zeugenaussage eines Verwahrers der Urkunde begnügen 149 . Häufig geht indes die gesetzliche Regelung dahin, daß die im Besitz der Urkunde befindliche beweispflichtige Partei die Urkunde dem Gericht zur Einsicht vorlegen muß, oder daß der im Besitz der Urkunde befindliche Beklagte oder Dritte sie auf Verlangen des Gerichts vorzulegen hat. Nur dann, wenn die Unmöglichkeit der Vorlage durch eine der Jurisdiktion des Gerichts unterstehende Person oder die Zerstörung der Urkunde auf irgendeine Weise bewiesen worden ist, kann der Beweis über die Errichtung einer zur Geschäftsgültigkeit erforderlichen Urkunde im Zusammenhang mit der Geschäftserrichtung, und Beweis über den Inhalt der Urkunde, möglicherweise allein durch Zeugen geführt werden. Die „Beweiskraft" einer vorgelegten Urkunde für die Richtigkeit der darin enthaltenen Aussagen über die eigenen Erklärungen des Urhebers der Urkunde bei Geschäftserrichtung beruht ihrerseits in erster Linie darauf, daß die Anbringung einer „falschen" Unterschrift unter eine zum Beweis in Frage kommende Urkunde etwas darstellt, was vor allem im Staat des Errichtungsortes unter Strafe gestellt ist, und daß nach der Lebenserfahrung solche strafbaren Handlungen normalerweise eben nicht erfolgen. Die Vermutung, daß die Urkunde „echt" ist, kann im allgemeinen durch Zeugen und Sachverständige widerlegt werden. Eine nicht unterzeichnete Urkunde kann wohl überall nur als Entwurf gelten. Die denkbare extreme Regelung, daß Beweis für die zur formgültigen Geschäftserrichtung notwendige Anfertigung einer Urkunde überhaupt nur durch Vorlage dieser Urkunde, also nicht mehr, nach deren erweisbarer Zerstörung, durch Zeugen geführt werden kann, kommt in den modernen Rechten wohl kaum noch vor; es kann aber vorgesehen sein, daß dann eine in einem besonderen Verfahren zu erwirkende „Ersatzurkunde" notwendig ist 150 . Ist nun ein anderer Staat als der, der das Formstatut oder das Geschäftsstatut stellt, Forumstaat für einen Streit aus einem Rechtsgeschäft, und ist in dem Staat, der das Geschäfts- oder das Formstatut stellt, die unbestrittene Behauptung einer Partei über die zur Geschäftsgültigkeit erforderliche formgerechte Anfertigung einer Urkunde bei der Geschäftserrichtung vom Gericht zugrunde zu legen, während das Recht des Forumstaates es erfordert, daß der Richter sich, wenn von einer Partei das Vorhandensein einer Urkunde behauptet wird, von Amt wegen Gewißheit über die Urkundenerrichtung und deren Inhalt verschafft, und daß dies wiederum, soweit nicht die Beschaffung der Urkunde erweislich unmöglich ist, die Vorlage der Urkunde bei Gericht voraussetzt, so geht diese Bestimmung des Forumstaates der abweichenden Regelung des Form- oder Geschäftsstatuts vor. Hat umgekehrt der Richter des Forumstaates nach seinem Recht die unbestrittene Behauptung einer Partei über die formgerechte Errichtung des Rechtsgeschäfts hinzunehmen, so gilt dies auch, wenn in dem Staat, der das Formstatut oder das Geschäftsstatut stellt, der Richter sich die Urkunde vorlegen lassen muß. Würde nun der Urheber einer Bestimmung, wonach Beweis über bestimmte Rechtsgeschäfte normalerweise nur durch Vorlage einer von den Geschäftserrichtern selbst herrührenden Urkunde erbracht werden kann 151 , diese Bestimmung durch seine Gerichte auch in allen heterogen verknüpften Fällen, in denen seine Gerichte zuständig sind, anwenden lassen, so könnte es geschehen, daß er sich damit in Widerspruch setzt zu der Regelung seines internationalen Privatrechts, aus der sich ergibt, daß für Geschäfte unter einem 362
Anpassung des Beweismittelrechts an das Formstatut
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bestimmten ausländischen Geschäftsstatut schriftliche Geschäftserrichtung überhaupt nicht ausreicht, sondern eine vor Zeugen erfolgte mündliche Geschäftserrichtung notwendig ist. Vor allem aber kann es, wenn im Forumstaat eine Partei die Beweislast für das formgültige Zustandekommen eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts im Sinne eines ausländischen Rechtes hat, nicht unbeachtet bleiben, wie sich das Land, dessen Recht Geschäftsstatut ist, zu der Frage des Beweises der Geschäftserrichtung und des Geschäftsinhaltes stellt 1 5 1 ". Wenn der Staat, der das Geschäftsstatut stellen will, in einem Verfahren vor seinen Gerichten für Ansprüche aus Rechtsgeschäften Vorlage einer von den Geschäftserrichtern unterzeichneten Urkunde verlangen würde, auch wenn das Geschäft im Ausland errichtet worden ist, so würde er sich damit möglicherweise in Widerspruch zu einer Regelung seines internationalen Privatrechts setzen, welche auf die lex loci actus verweist, und die mündliche Geschäftserrichtung gemäß der lex loci actus als ausreichend oder gar als notwendig erkennen läßt. Zur Beseitigung dieses Widerspruchs bleibt dann dem Urheber eines Rechtssatzes, wonach der Beweis bestimmter Rechtsgeschäfte vor seinen Gerichten die Vorlage einer von den Errichtern herrührenden Urkunde erfordert, nur die Möglichkeit zu bestimmen, daß diese Vorschrift dort nicht zum Zuge kommen darf, wo sich aus dem internationalen Privatrecht desselben Staates ergibt, daß auf die Formgültigkeit des Geschäfts ein Recht anwendbar sein soll, welches entweder überhaupt nur die mündliche Geschäftserrichtung als gültig ansieht, oder wo die Parteien das Geschäft mündlich gemäß einem fremden Formstatut errichtet haben, weil sie nicht damit rechneten und zu rechnen brauchten, daß ein Rechtsstreit über das Geschäft vor die Gerichte eines Landes kommen würde, welches zum Beweis der Geschäftserrichtung die Vorlage einer Urkunde verlangt. Es ist dies nichts anderes als eine Erweiterung des unter einem derartigen Recht vielfach anzutreffenden Satzes, wonach die Notwendigkeit des Beweises für das Rechtsgeschäft durch Vorlage einer von den Errichtern herrührenden Urkunde vor Gericht entfällt, wenn die Anfertigung einer solchen Urkunde nach den Umständen des Falles unzumutbar („moralisch unmöglich") war 1 5 2 . Das Beweismittelrecht des Forumstaates ist hier also dem Geschäftsstatut, bzw. einem besonderen über das internationale Privatrecht ermittelten Formstatut anzupassen. Der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, kann der Meinung sein, daß er bei einzelnen Geschäftsarten, für die in seinem Inlandsrecht eine qualifizierte Form vorgeschrieben ist, verlangen sollte, daß diese Form auch gewahrt wird, wenn das Geschäft im Ausland errichtet wird, falls dort die qualifizierte Form des Geschäftsstatuts gewahrt werden kann, und die Geschäftserrichter ausdrücklich dieses Geschäftsstatut gewählt haben 1 5 3 . Derselbe Gesetzgeber wird dann auch bei ausdrücklicher Wahl seines Rechts zum Geschäftsstatut, zu der vielleicht noch eine ausdrückliche Wahl der Zuständigkeit seiner Gerichte hinzukommt, von den Parteien erwarten, daß sie als Geschäftserrichter diejenigen Urkunden angefertigt haben, die nach seinem Recht für den Beweis des Geschäfts und seines Inhalts erforderlich sind, wenn es zu einem Rechtsstreit vor seinen Gerichten kommt. Haben nun die Geschäftserrichter darauf keine Rücksicht genommen, und haben sie infolgedessen auch keine Aussicht, vor den Gerichten im Staat des Geschäftsstatuts im Streitfall Ansprüche aus dem Geschäft gerichtlich festgestellt zu sehen, falls eine Partei die Geschäftserrichtung bestreitet, so sollten auch die Gerichte in einem dritten Forumstaat nicht zu einem anderen Ergebnis kommen 1 5 4 . Der Gedanke, dies damit zu begründen, daß der Kläger vor dem Gericht anderer Staaten nicht günstiger gestellt sein darf als vor den Gerichten desjenigen Staates, der das pflichtbegründende Statut stellt, ist allerdings für Rechtsprechung und Wissenschaft bisher einigermaßen fremd. Meist zieht man es vor, die Frage nach dem Anwendungsbereich von Vorschriften, welche für den Beweis bestimmter Rechtsgeschäfte die Vorlage von Urkunden verlangen, dadurch zu lösen, daß man solche Vorschriften als verkappte „FormVorschriften" qualifi363
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Beweis der Eheschließung
ziert 1 5 5 und sie nach Maßgabe der Kollisionsnormen des jeweiligen Forumstaates über das berufene Formstatut zur Anwendung bringen läßt 1 5 6 . In Verbindung mit der Bildung selbständiger, d. h. von der Haltung des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, unabhängiger bilateraler Zuweisungsnormen für die Teilfrage der Formgültigkeit führt das wieder zu Resultaten, die mit den großen rechtspolitischen Postulaten des internationalen Privatrechts nicht mehr zu vereinbaren s i n d 1 S 6 a . Höchst komplizierte Probleme entstehen daraus, daß manche Rechte an die einverständliche Erfüllung der Pflichten aus einem Dauerrechtsverhältnis, insbesondere einer Ehe, durch die Beteiligten eine Vermutung dafür anknüpfen, daß das zur Begründung des Dauerrechtsverhältnisses notwendige Rechtsgeschäft in der Form des dafür maßgeblichen Formstatuts zustande gekommen sei 1 5 7 . Hat das Gericht im Forumstaat nach seinem Verfahrensrecht die Behauptung, es sei eine Ehe formgerecht geschlossen worden, von Amts wegen nachzuprüfen, und hat es, wenn das maßgebliche Formstatut die Herstellung einer Urkunde erfordert, sich die Urkunde oder jedenfalls Kenntnis von ihrer Existenz und ihrem Inhalt zu beschaffen, sofern dies nicht unmöglich ist, so braucht davon nicht abgegangen zu werden, auch wenn in einem Verfahren in dem ausländischen Staat, der das Wirkungsstatut der angeblichen Ehe stellt, die Behauptung einer formgültigen Eheschließung in Verbindung mit der dem Gericht bekannten oder glaubhaft gemachten Tatsache eines längeren ehelichen Zusammenlebens erst von der anderen Partei durch den (außerordentlich schwierigen) Beweis dessen, daß nirgendwo eine formgerechte Eheschließung erfolgt ist, widerlegt werden muß. Anders ist es, wenn das gegenwärtige oder frühere Wirkungsstatut der Ehe eine nicht beurkundete und nicht vor Zeugen erfolgte Einigung als formgültige Eheschließung genügen läßt, und zugleich an das offene eheliche Zusammenleben eine Vermutung für das Vorliegen irgendeiner formgültigen Einigung anknüpft 1 5 8 . Der Beweis des Zusammenlebens kann dann im Forumstaat durch Zeugen oder die übereinstimmenden Angaben beider Teile geführt werden, während der Beweis des ausländischen Rechts durch Sachverständige erbracht werden kann. Derjenige Staat, der in seinem eigenen Recht einen Satz hat, wonach das als erwiesen betrachtete offene eheliche Zusammenleben eine Vermutung für einen (vom Standpunkt dieses Staates) formgerechten Abschluß der Ehe hervorbringt, wird seinerseits die Anwendung dieser Vermutung nicht davon abhängig machen, daß sein Recht Wirkungsstatut für die Ehe ist. Wohl aber spielt es eine Rolle, wo sich der die Vermutung auslösende Tatbestand abgespielt hat: Ist es das Gebiet desselben Staates, so ist die Anwendung der Vermutung unbedenklich; ist es das Gebiet eines Staates, wo eine entsprechende Vermutung gilt, ebenfalls. Haben aber die angeblichen Eheleute offen in einem Staat zusammengelebt, der hieran nicht die Vermutung des Zustandekommens einer Rechtsehe knüpft, und der dies deshalb tut, weil auf seinem Gebiet eheartiges Zusammenleben ohne Rechtsehe nicht weniger gebräuchlich ist als das Zusammenleben in einer Rechtsehe, so ist es nicht angebracht, daß der Satz des Forumstaates über die Vermutung zur Anwendung kommt 1 5 9 . Hat der gemeinsame Heimatstaat der Personen, dessen Recht Wirkungsstatut einer etwaigen Ehe ist, eine Vorschrift, wonach das einverständliche eheliche Zusammenleben während einer bestimmten Zeit einen Tatbestand darstellt, der kraft Gesetzes dieselben Rechtswirkungen hervorbringt wie eine gemäß den anwendbaren Formvorschriften „förmlich" und formgültig geschlossene Ehe, so ist diese Bestimmung auch in einem anderen Forumstaat anwendbar, der das betreffende Recht als Ehewirkungsstatut beruft und es dem Wirkungsstatut als dem Grundstatut überläßt, die Form des begründenden Rechtsgeschäfts selbst zu regeln oder die Regelung an ein anderes Formstatut zu delegieren 1 6 0 . Dasselbe hat auch zu geschehen, wenn das Wirkungsstatut für die Ehe von dem Zusammenleben innerhalb bestimmter Zeit bestimmt, daß damit eine unwiderlegliche Vermutung dafür begrün364
Anerkenntnisse im Prozeß
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det sei, daß das Geschäft der Eheschließung in der im Zeitpunkt der Geschäftserrichtung maßgeblichen Form zustandegekommen sei. Ein anderer Forumstaat kann jedoch die Anwendung solcher Vorschriften davon abhängig machen, daß der vermutungsauslösende Tatbestand, nämlich das Zusammenleben der Beteiligten, entweder im Staat des anwendungswilligen Wirkungsstatuts oder in einem Land mit entsprechenden Bestimmungen vor sich gegangen ist; dieses Erfordernis wird insbesondere dann gestellt werden, wenn der Forumstaat die Frage nach der Form selbständig anknüpft, und insbesondere, wenn er dann die Umgehung seiner eigenen anwendungswilligen Form Vorschriften verhindern will 161 . 8. Anerkenntnisse im Prozeß und vor dem Prozeß Jeder Staat darf nach Völkerrecht auch dann, wenn ausländisches Recht in der Sache anwendbar ist, seine Rechtsschutzorgane, also insbesondere seine im Rahmen des Völkerrechts mit internationaler Zuständigkeit versehenen Gerichte, anweisen, ohne weiteres gemäß den gestellten Anträgen einer Partei zu entscheiden, wenn diejenige Partei, die durch die begehrte Entscheidung belastet würde, dem Antrag zustimmt oder das in dem Antrag enthaltene Begehren „anerkennt". Ob ein dann ergehendes „Anerkenntnisurteil" in gewisser Hinsicht andere Wirkungen hat als ein sonstiges Urteil, und ob für bestimmte Verfahren in bestimmten Sachen derartige Anerkenntnisurteile unzulässig sind, das zu bestimmen ist Sache des Forumstaates 162 . Eng verwandt damit ist die Einrichtung des Versäumnisverfahrens, dem im allgemeinen der Gedanke zugrunde liegt, daß derjenige, der nicht, wie angeordnet, zur mündlichen Verhandlung erscheint, den von der Gegenseite gestellten Anträgen stillschweigend zustimmt. Jedenfalls läßt sich weder aus dem Völkerrecht, noch aus den allgemeinen rechtspolitischen Postulaten des internationalen Privatrechts herleiten, daß Anerkenntnis- und Versäumnisurteile dann nicht ergehen dürften, wenn derartiges in dem Staat, der die lex causae stellt, nicht möglich wäre. Die Behauptung der Klage über die zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erforderliche Inlandsverknüpfung (einschl. der Behauptung, es liege eine Gerichtsstandsvereinbarung vor) und das Zugeständnis dieser Behauptung reicht für ein späteres Anerkenntnisurteil aus, wenn die internationale Zuständigkeit durch Vereinbarung hätte begründet werden können. Eine Regelung im Verfahrensrecht des Forumstaates, wonach das Nichtbestreiten oder das ausdrückliche Zugeständnis der Wahrheit der Behauptungen der anderen Partei über Tatsachen, die für die Sachentscheidung relevant sein können 163 , vom Richter hinzunehmen ist, gilt durchweg ohne weiteres auch bei Anwendbarkeit ausländischen Privatrechts. Steht für das Gericht fest, welche Verknüpfungen in dem Streitfall bestehen, welches Recht anwendbar ist, und wie dieses Recht lautet, so kann das Zugeständnis des Bestehens der vom Kläger behaupteten Tatsachen, welche unter dem maßgeblichen Recht seinen Klagantrag stützen würden, durch den Beklagten für dessen Verurteilung erst recht als ausreichend erklärt werden, insbesondere wenn unter dem betreffenden Recht die in der Klage behauptete Verpflichtung des Beklagten von ihm durch ein einseitiges Anerkenntnis des Bestehens der Verpflichtung in einem Rechtsgeschäft außerhalb des Prozesses hätte begründet werden können, und das Anerkenntnis im Prozeß der Form für ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis genügt. Dem außerhalb des Prozesses abgegebenen rechtsgeschäftlichen Anerkenntnis einer als schon bestehend hingestellten rechtlichen Verpflichtung wird in vielen Rechten die mehr oder weniger beschränkt widerlegbare Vermutung der Richtigkeit der Aussage beigelegt. Die Widerlegung muß dann u. U. in einem besonderen Verfahren erfolgen; in manchen Rechten wird ein Anspruch auf Rückgängigmachung der in der Richtigkeitsvermutung enthaltenen „Bereicherung" des angeblichen Gläubigers angenommen. Gibt das Anerkenntnis die „causa" der anerkannten Verpflichtung selbst an, so ist es die auf diese 365
§14
Anerkenntnisse außerhalb des Prozesses
causa anwendbare lex causae, welcher zu entnehmen ist, ob dem Anerkenntnis die Vermutung der Richtigkeit beigelegt wird, und wenn ja, wie diese Vermutung widerlegt werden kann. Manche Rechte sehen „abstrakte" Anerkenntnisse von Verpflichtungen des Anerkennenden vor, die keine Aussage über die causa der anerkannten Verpflichtung enthalten. Wie ist dann die mit ihren Bestimmungen über die Tragweite einer Vermutung für die Richtigkeit eines abstrakten Anerkenntnisses und mit den Bestimmungen über die Widerlegung maßgebliche lex „causae" zu ermitteln? Kann das maßgebliche Recht dadurch bestimmt werden, daß das abstrakte Schuldanerkenntnis ausdrücklich einem bestimmten Recht unterstellt wurde? Würde man das bejahen, so könnte offenbar leicht die Anwendungswilligkeit aller derjenigen Rechte überspielt werden, welche dahin gehen, daß „aus" einem abstrakten Schuldanerkenntnis überhaupt nicht geklagt werden kann, sondern dieses höchstens als zusätzliches Beweismittel für das Bestehen einer Schuld verwendet werden kann, als deren causa andere Tatbestände behauptet und gegebenenfalls bewiesen werden müssen. Die Lösung, das in einem Staat, der später zum Forumstaat wird, gemäß der lex loci actus errichtete abstrakte Anerkenntnis nach dem Recht dieses Staates zu beurteilen, liegt dann nahe, wenn das Recht dieses Staates die Einrichtung der vollstreckbaren Urkunde für bezifferte Geldleistungsschulden kennt. Schon die Errichtung der Urkunde, in der eine Geldleistungsverpflichtung und die Zulässigkeit der Vollstreckung „aus" der Urkunde abstrakt anerkannt und von einer Amtsperson bestätigt wird, ist dann eben ein „verfahrensrechtlicher" Vorgang unter dem Recht des Staates, in dem die Vollstreckung der Urkunde begehrt wird, und wo der Aussteller seinerseits ein besonderes Gerichtsverfahren anhängig machen muß, um die Vollstreckung zu hemmen oder das auf Grund der vollstreckbaren Urkunde Geleistete zurückzuerhalten. Im allgemeinen wird daher vollstreckbaren Urkunden des Auslandes nicht Anerkennung und Vollstreckung wie ausländischen Gerichtsurteilen gewährt 164 . Eine vorprozessuale Aussage einer späteren Prozeßpartei über das Bestehen einer Tatsache, an die das Recht möglicherweise Folgerungen anknüpft, welche dem Interesse dieser Partei nachteilig sind, kann bei freier Beweiswürdigung gemäß dem Verfahrensrecht des Forumstaates als Beweismittel für die von der anderen Partei behauptete Verwirklichung der seinerzeit anerkannten Tatsache verwendet werden. Dieses Beweismittel äußert aber dann keine Wirkung mehr, wenn die anerkennende Partei von ihrer früheren Aussage behauptet und glaubhaft macht, daß sie auf einem Irrtum beruhte, oder daß sie bewußt falsch war. Dem Zugeständnis einer im Gerichtsverfahren von der Gegenseite behaupteten Tatsache kann durch gesetzliche Vorschrift das Anerkenntnis dieser Tatsache in einem anderen Verfahren, oder in einem früheren Beweissicherungsverfahren, oder in einem sonstigen vorausgegangenen förmlichen Verfahren gleichgestellt werden; die Gleichstellung ist Sache des Verfahrensrechts des Forumstaates. Unter Umständen legt nun das Recht unter dem Einfluß der Wertungen, die der Gesetzgeber bei der Schaffung privatrechtlicher Regelungen zugrunde legt 165 , bestimmten Arten außerprozessualer Anerkenntnisse von Tatsachen eine spezifische Beweiswirkung bei. Das gilt möglicherweise nicht nur für Tatsachen, die den Anerkennenden belasten, sondern auch für Tatsachen, die ihm neben Belastungen Vorteile verschaffen bzw. die eine andere Partei belasten. Dabei wird es außerordentlich wichtig, ob, wie, und von wem diese besondere Vermutung über die Richtigkeit einer solchen Aussage betreffend eine Tatsache, bestritten und widerlegt werden kann. Ist die Aussage gänzlich unwiderlegbar, so kommt sie einer rechtsverbindlichen rechtsgeschäftlichen Willenserklärung gleich, welche auf die Hervorbringung der Rechtswirkung gerichtet ist, die das Recht an die als bestehend erklärte Tatsache anknüpft. Solange die Aussage jedoch, und sei es mit noch so vielen Beschränkungen, widerlegbar bleibt, handelt es sich 366
Vaterschaftsanerkennungen
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um eine von materiellrechtlichen Erwägungen beeinflußte Sonderregelung eines Beweismittels. Derartige Regelungen sind dann nicht dem Recht des zufälligen Forumstaates, sondern der lex causae zu entnehmen. Der vorprozessualen Anerkennung gleichzustellen ist der ausdrückliche Verzicht auf die Möglichkeit, eine gesetzliche Vermutung für das Bestehen einer Tatsache zu widerlegen; ein solcher Verzicht kann ja auch als Anerkennung des Fehlens sämtlicher Tatsachen, die zur Widerlegung der Vermutung geeignet wären, konstruiert sein. In einem solchen Verzicht liegt zugleich die vorsorgliche Ausübung eines Gestaltungsrechts, wenn der Verzichtende allein zum Bestreiten und zur Widerlegung der Vermutung befugt war 1 6 6 . Eine ähnliche Bedeutung hat die Anerkennung einer von einem anderen herrührenden Anerkennung, wenn damit auf das „Recht" verzichtet wird, die Richtigkeit der ersten Anerkennung zu bestreiten und zu widerlegen. Knüpft das Recht Rechtswirkungen an die biologische Abstammung, insbesondere in Gestalt von Rechtspflichten, an, so kann in einem Rechtsstreit um das Bestehen solcher Pflichten diese Pflicht selbst Gegenstand eines Zugeständnisses im Prozeß, und damit eines Anerkennungsurteils nach Maßgabe des Verfahrensrechts des Forumstaates werden. Ein im Prozeß erklärtes „Geständnis" der Tatsache der biologischen Abstammung ist noch am ehesten sinnvoll für die Mutter, wobei ihr Geständnis sich nicht nur auf die Tatsache der Geburt eines Kindes, sondern auch auf die Identität des Klägers mit diesem Kind bezieht. Ein Zugeständnis der väterlichen Abstammung im Prozeß wäre als eine Erklärung eigenen Wissens über das Ergebnis naturwissenschaftlicher Abstammungsuntersuchungen an sich denkbar; ein derartiges Geständnis im Verfahren spielt aber in den meisten Rechten schon deshalb keine Rolle, weil das Gericht sich von Amts wegen Wissensaussagen dieser Art von sachverständigen Dritten verschafft. Wohl aber kennen die meisten Rechte Regelungen, welche vorprozessualen „Anerkennungen der Vaterschaft" bzw. der Mutterschaft eine Bedeutung beilegen. In ihrer Rolle als besonderer und auf Grund sachlichrechtlicher Erwägungen des Gesetzgebers geregelter Beweismittel für die biologische Abstammung sind derartige Anerkenntnisse der Elternstellung nach demjenigen Recht zu beurteilen, welches der Abstammung, oder der Möglichkeit der Abstammung, als solcher Rechtswirkungen beilegen will, also etwa dem Statut für die Unterhaltspflichten von Eltern und anderen Verwandten, dem Statut für die Sorgegewalt, den verschiedenen Erbstatuten usw. 1 6 7 Hingegen kommt eine Anwendung der Bestimmungen des Forumstaates als Verfahrensrecht nicht in Frage. Das ist um so notwendiger, als die Wirkungsstatuten vielfach gerade der Vaterschaftsanerkennung gestaltende Wirkungen beimessen, die über den gegebenenfalls durch Gegenbeweis zu entkräftenden Beweis der Abstammung hinausgehen. Die vorprozessuale Anerkennung der Mutterschaft ist letztlich nur eine Aussage des Inhaltes, daß die anerkennende Frau zu einem bestimmten Zeitpunkt das mit seinem Namen bezeichnete Kind geboren habe; nur selten umfaßt die Mutterschaftsanerkennung auch einen Hinweis auf eine bestimmte Person als der mit dem von der Frau geborenen Kind identischen Person. Die meist als Vaterschaftsanerkennung bezeichnete vorprozessuale Erklärung eines Mannes bezieht sich als Tatsachengeständnis in vielen Rechten nur darauf, daß der Mann mit der Mutter eines Kindes während der Empfängniszeit Verkehr gehabt habe; das Vaterschaftsanerkenntnis stellt sich damit als ein Zugeständnis der möglichen Abstammung des Anerkannten von dem Anerkennenden dar. Diese Tatsache allein kann in einem Recht unmittelbar schon die Rechtswirkung einer Unterhaltspflicht nach sich ziehen, die hier gleichsam eine Risikohaftung darstellt 168 . Sie wird dann aktuell, wenn es nicht gelingt nachzuweisen, daß ein anderer allein der Vater ist, oder daß die Abstammung von dem Anerkennenden trotz des Verkehrs mit der Mutter unmöglich ist. Die Anwendung eines ausländischen Unterhaltsstatuts, welches auch den Versuch dieser Gegenbeweise nicht zuläßt, führt in einem Forumstaat möglicherweise zu einer 367
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Vaterschaftsanerkennungen
Störung der materiellen Harmonie, nämlich dann, wenn das Recht des Forumstaates vorsieht, daß sowohl die Behauptung des Bestehens einer Vaterschaft, als auch die Behauptung, ein Abstammungsverhältnis zwischen zwei Personen sei unmöglich, von den Gerichten mit allen verfügbaren naturwissenschaftlichen Beweismitteln nachgeprüft werden kann, und daß beim Vorhandensein einer Inlandsverknüpfung ein Recht einer Partei auf Durchführung einer solchen Prüfung besteht. Eine Risikohaftung auf Unterhalt seitens des Mannes, der als möglicher Vater in Frage kommt, wird dann in diesem Forumstaat sinnlos, sobald die Unmöglichkeit der Abstammung von diesem Vater, oder die Gewißheit der Abstammung von einem anderen Mann, festgestellt worden ist. Ein im ausländischen Recht begründeter Unterhaltsanspruch aus Risikohaftung bleibt ohne Störung der materiellen Harmonie, wenn weder die eine noch die andere Feststellung getroffen werden konnte. Eine Störung der materiellen Harmonie liegt auch nicht darin, daß der mit der Vaterschaftsanerkennung verbundenen Anerkennung einer Unterhaltspflicht eines möglichen Vaters die Bedeutung eines bedingten schenkungsweisen Unterhaltsversprechens beigelegt wird, indem der Anerkennende sich auch dann zur Unterhaltsleistung verpflichten will, wenn andere als mögliche Väter in Frage kommen sollten, und er verzichtet, hieraus Einwendungen gegen seine Unterhaltspflicht herzuleiten. Zahlreiche Rechte sind bestrebt, sobald eine Anerkennung der möglichen Vaterschaft vorliegt, dieser dieselbe Wirkung beizulegen wie dem vollen Nachweis der Abstammung, weil dies für den Staat gleichsam die bequemste Regelung darstellt 169 . Manche Rechte unterstellen, daß bewußt unrichtige Vaterschaftsanerkennungen angesichts dessen, daß der Anerkennende sich ja damit die Gefahr einer Unterhaltspflicht aufbürdet, oder angesichts dessen, daß bewußt unrichtige Vaterschaftsanerkennungen als Personenstandsfälschung strafbar sind, so selten seien, daß die abgegebene Erklärung ohne weiteres auch im Verhältnis zwischen dem anerkannten Kind und anderen Personen als dem Anerkennenden Beweiskraft für die Abstammung haben könnte; die Widerlegung der Anerkennung durch Dritte wird dann entweder erschwert oder gar ganz ausgeschlossen. In einigen Ländern ist jedoch zu beobachten, daß ein Mann, oder eventuell auch eine Frau, nicht selten ein nicht von ihnen abstammendes Kind als eigenes Kind ausgeben, und daß sie auf diese Weise eine als Kindesanerkennung verkleidete Adoption zustande bringen 170 . Dann sind manche Gesetzgeber wieder bemüht, wenigstens den Interessen anderer Personen daran, daß eine solche unrichtige Kindesanerkennung sie nicht benachteiligt, Rechnung zu tragen: So kann das anerkannte Kind ja selbst ein Interesse daran haben, daß nicht der Anerkennende, sondern der wahre Vater, insbesondere wenn er der zahlungskräftigere ist, Pflichten und Rechte als Vater ausübt. Die Mutter kann ein Interesse daran haben, daß sie die Sorgegewalt nicht mit dem anerkennenden Mann zu teilen hat. Die Eltern des anerkennenden Mannes können daran interessiert sein, gegenüber dem angeblichen Enkelkind nicht unterhaltspflichtig zu werden. Andere Kinder der Eltern des Anerkennenden können ein Interesse daran haben, daß ihr Erbteil am Nachlaß der Eltern beim Vorversterben des Anerkennenden nicht durch Erbrechte eines fälschlich anerkannten Kindes beeinträchtigt werde. Auch für den Staat kann ein Interesse bestehen, daß er nicht Heimatstaat eines zu Unrecht anerkannten Kindes wird. Es wird dann die Bestreitung der Gefälligkeitsanerkennung insbesondere gemäß der lex fori zugelassen. Angesichts der verschiedenen möglichen Stellungnahmen des positiven Rechts kann es in heterogen verknüpften Fällen dazu kommen, daß eines der verknüpften Rechte auf Grund der ersten zustandegekommenen Vaterschaftsanerkennung ein Rechtsverhältnis zwischen dem Anerkennenden und dem Anerkannten entstehen lassen und nicht durch Anfechtungsrechte beeinträchtigt wissen will; zugleich können andere verknüpfte Rechte Bestimmungen haben, welche insbesondere Dritten die Widerlegung der dem Vaterschafts368
Widerlegbarkeit von Vaterschaftsanerkennungen
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anerkenntnis zugeschriebenen Vermutung der Richtigkeit in mehr oder weniger großem U m f a n g e ermöglichen. H i e r sollte der Forumstaat schon bei der Gestaltung seiner Kollisionsnormen nicht einseitig den Standpunkt des ersten Rechts begünstigen. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem aber auch die H a l t u n g der verschiedenen beteiligten Privatrechtsordnungen zu dem U m f a n g der Wirkungen und Nachwirkungen einer A d o p t i o n : Läßt der Forumstaat auf die Frage der subsidiären Unterhaltspflicht der Eltern des Adoptierenden gegenüber dem Adoptivkind das Heimatrecht dieser Eltern anwenden, und bejaht dieses Recht die Unterhaltspflicht, ohne die Zustimmung der Eltern zur Adoption zu erfordern, so wird es im allgemeinen so sein, daß dieses Recht auch eine Unterhaltspflicht der Eltern des Anerkennenden gegenüber dem anerkannten Kind vorsieht, ohne den Eltern die M ö g lichkeit zu geben, die Anerkennung wegen Unrichtigkeit anzufechten. Kennt aber das Heimatrecht der Eltern desjenigen, der ein Kind adoptiert, weder Unterhaltsanspruch noch Erbrecht des Adoptierten gegenüber diesen Eltern, und sieht dasselbe Privatrecht vor, daß die an eine Kindesanerkennung geknüpfte Vermutung der Richtigkeit von jeder interessierten Partei jederzeit widerlegt werden kann, so sollte die Anwendbarkeit dieser Sätze des Wirkungsstatuts (für Unterhaltspflicht b z w . Erbrecht) nicht deshalb ausgeschaltet werden, weil unter einem im Forumstaat als „ Abstammungsstatut" berufenen Recht die biologische A b s t a m m u n g durch die Vaterschaftsanerkennung unanfechtbar erga omnes als festgestellt gilt. Wenn das Haager A b k o m m e n über Unterhaltsansprüche von Kindern dahin zu verstehen ist, daß der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes die von seinem Inlandsrecht geregelte Unterhaltspflichtigkeit nicht auf diejenigen zu begrenzen hat, welche als die wahren Eltern festgestellt worden sind, oder sich selbst als solche betrachten, sondern wenn das A b k o m m e n auch eine vom Aufenthaltsstaat des Kindes vorgesehene Risikohaftung möglicher Väter oder eine Unterhaltspflicht der Großeltern deckt, so ist damit zu rechnen, daß der Anwendbarkeit solcher Bestimmungen in einem anderen Forumstaat die ordre public-Klausel entgegengesetzt wird, wenn in diesem Forumstaat die Vermutung der Richtigkeit der Anerkennung nicht von den Großeltern hingenommen zu werden braucht. Hingegen werden Heimat- oder Wohnsitzstaat der in Anspruch genommenen Großeltern keine Veranlassung sehen, die Anwendung des Rechtes des Aufenthaltsstaates des Kindes, welches eine Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung durch die Großeltern nicht vorsieht, zu verweigern, wenn auch dieser Forumstaat sein Recht entsprechend gestaltet hat, d. h. wenn auch er eine subsidiäre Unterhaltspflicht der „Großeltern" gegenüber dem offen oder verdeckt adoptierten Kind vorsieht. Ist das nicht der Fall, so wird man die Anwendung des Aufenthaltsrechtes des Kindes auf die Unterhaltspflicht der angeblichen Großeltern z. B . dann verweigern, wenn die Vaterschaftsanerkennung, z. B . angesichts des geringen Altersunterschiedes oder der rassischen Merkmale, sich als evident unrichtig darstellt. Ähnlich wie das im Verhältnis zwischen dem Kind und dem anerkennenden angeblichen Vater maßgebliche Recht als solches nicht ohne weiteres maßgebend ist, u m die rechtliche Tragweite der Vaterschaftsanerkennung im Verhältnis zwischen dem K i n d und Dritten zu regeln, so ist auch die stillschweigende Vaterschaftsanerkennung durch Nichtgebrauch der Möglichkeiten zur Widerlegung der Abstammungsvermutung für das in einer Ehe geborene Kind durch den Ehemann der Mutter keineswegs ohne weiteres auch den Rechtsbeziehungen des Kindes zu Dritten zugrunde zu legen: Wird unter dem Erbstatut der Erblasser nicht von dem Adoptivkind seiner leiblichen A b k ö m m l i n g e beerbt, und können unter dem Erbstatut andere als Intestaterben in Frage kommende Personen die legitime, oder überhaupt die A b s t a m m u n g eines angeblichen Kindes oder Enkels bestreiten, so ändert sich daran nichts deshalb, weil im Personalstatut des A b k ö m m l i n g s des Erblassers die legitime A b s t a m m u n g eines in der Ehe geborenen Kindes nur durch den angeblichen Vater hätte angefochten werden können, und dieser es nicht getan h a t 1 7 1 . 369
§14
Vaterschaftsanerkennungen
Von der Vaterschaftsanerkennung als einem Zugeständnis des Verkehrs mit der festgestellten Mutter zu unterscheiden ist eine Vaterschaftsanerkennung, welche besagen will, daß die weiteren Voraussetzungen für die Vermutung der „ehelichen" Abstammung, wie sie ein bestimmtes Recht aufstellt — nämlich meist Bestehen einer Ehe in der Empfängniszeit und Fehlen von Tatsachen, welche die Abstammung vom Ehemann als unmöglich erscheinen lassen —, als zugestanden gelten sollen, ohne daß der Anerkennende dies im einzelnen darlegt. Die Vermutung für die Richtigkeit einer solchen „Legitimanerkennung" wird von Dritten vor allem dadurch widerlegt, daß die mütterliche Abstammung des Kindes mit anderen Beweismitteln geklärt und zugleich bewiesen wird, daß eine Ehe des Anerkennenden mit dieser Mutter niemals, oder jedenfalls nicht in der kritischen Zeit, bestanden hat 172 . Vollkommen falsch ist es, eine solche Legitimanerkennung, die unter dem Recht, welches sie vorsieht, nur eine von Dritten jederzeit widerlegbare Vermutung der Richtigkeit nach sich zieht, in einem anderen Forumstaat, wo derartiges nicht bekannt ist, in eine „statusverändernde" Legitimation oder Adoption umzudeuten 173 . Jede Vaterschaftsanerkennung gestaltet die „Beweislage", auch wenn ein Wirkungsstatut ihr nur die widerlegbare Vermutung der Richtigkeit beilegt. Die Gestaltung der Beweislage ist um so intensiver, je mehr die Widerlegung der Vermutung durch Vorschriften des positiven Rechts eingeschränkt wird. Es ist aber nicht zu rechtfertigen, daß eine Vaterschaftsanerkennung im Verhältnis zwischen der als Kind anerkannten Person und Dritten durch Umdeutung in einen materiellrechtlichen Gestaltungsakt in noch größerem Umfang unwiderleglich gemacht wird, als es diejenige Rechtsordnung will, welche die Legitimanerkennung zunächst im Verhältnis zwischen dem Anerkennenden und dem Anerkannten vorsieht. Das Wirkungsstatut, welches einer Vaterschaftsanerkennung rechtliche Bedeutung beilegt, kann erfordern, daß die Erklärung im Bewußtsein ihrer möglichen Rolle als rechtliches Beweismittel abgegeben wird; manche Rechte behandeln jedoch auch eine nur beiläufig im gesellschaftlichen Verkehr ausgesprochene Vaterschaftsanerkennung als rechtlich relevant 174 . Im ersten Fall entsteht die weitere Frage, ob es von Bedeutung ist, daß der Erklärende sich bestimmte Wirkungen seiner Aussage vorgestellt hat, bzw. daß er dies zum Ausdruck gebracht hat. Damit hängt die weitere Frage zusammen, welche Vorstellungen bei dem Urheber einer Anerkennung über deren Rechtswirkungen zu vermuten sind. Die Dinge werden dadurch besonders kompliziert, daß manche Rechte überhaupt nur eine „einfache" Vaterschaftsanerkennung als wirksam betrachten 175 . Angesichts dessen, daß eine Vaterschaftsanerkennung in heterogen verknüpften Situationen Wirkungen unter mehreren Rechten auslösen kann, sollte es dem Anerkennenden nicht verwehrt sein, seine Erklärung entweder dahin zu präzisieren, was er überhaupt zugesteht (so daß er damit alle Wirkungen in Kauf nimmt, welche irgendein Recht an das Zugeständnis dieses Sachverhalts anknüpft), oder anzugeben, daß er eine Vaterschaftsanerkennung „im Sinne" eines bestimmten nationalen Rechts abgeben will; damit nimmt er allerdings zugleich sämtliche Wirkungen in Kauf, die gegebenenfalls ein anderes Recht mit der in dem gleichen Sinne gedeuteten Erklärung verbindet 176 . Erfordert dasjenige Recht, welches der vorprozessualen Vaterschaftsanerkennung die Bedeutung beilegt, daß die in die Erklärung hineingelesenen Behauptungen als zutreffend vermutet werden müssen, nicht die Wahrung einer bestimmten Form, so ist es zu verwerfen, wenn ein Forumstaat unter selbständiger Zuweisung der Formfrage, insbesondere an die lex loci actus, eine qualifizierte Form für notwendig hält. Wohl aber kann die Eintragung eines Vermerks über eine Vaterschaftsanerkennung in einem öffentlichen Register des Forumstaates davon abhängig gemacht werden, daß die Erklärung in bestimmter Weise beurkundet worden ist. Erfordert das Wirkungsstatut, oder ein von ihm bezeichnetes Abstammungsstatut, 370
Teilfragen der Vaterschaftsanerkennung
§14
daß die Vaterschaftsanerkennung in bestimmter Form vor sich gehen muß, so ist es im Sinne der Grundstatutsmethode dieses Wirkungs- bzw. Abstammungsstatut, welches gegebenenfalls bestimmen kann, ob die Wahrung äquivalenter Formen, oder gar die Wahrung anderer Formen, in der lex loci actus genügt. Bestimmt das Erbstatut, daß das uneheliche Kind des Erblassers pflichtteilsberechtigt ist, wenn es entweder zu Lebzeiten des Erblassers unter dem für Unterhaltsansprüche usw. maßgeblichen Familienrecht durch Anerkennung oder sonstwie als sein Kind erwiesen worden ist, oder wenn der Erblasser das Kind in einem öffentlich beurkundeten Testament anerkannt hat, so sollte nicht ein dritter Forumstaat sich auf den Standpunkt stellen, daß in jeder erbrechtlich zulässigen Testamentsform auch die Vaterschaftsanerkennung enthalten sein kann. Ist das deutsche Recht als Abstammungsstatut anwendungswillig, so kann eine Vaterschaftsanerkennung auch von einer ausländischen Behörde beurkundet werden, die der ausländische Gesetzgeber hierzu ermächtigt; hingegen reicht eine nicht öffentlich beurkundete Vaterschaftsanerkennung im Ausland nicht aus, selbst wenn sie den Form Vorschriften des Errichtungsortes entsprechen sollte 177 . Enthält das Wirkungs- oder Abstammungsstatut eine besondere Regelung darüber, mit welchem Lebensalter jemand als allein zur Abgabe einer Vaterschaftsanerkennung fähig zu gelten hat, oder enthält es Bestimmungen über die Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters, so sollte auch hier eine gesonderte Anknüpfung der Frage nach der „Fähigkeit" durch das Kollisionsrecht eines anderen Forumstaates unterbleiben. Kann die der Vaterschaftsanerkennung zugebilligte Vermutung der Richtigkeit in dem Staat, dessen anwendungswilliges Recht sie aufgestellt hat, nur dadurch widerlegt werden, daß eine von einem Anfechtungsberechtigten herbeigeführte gerichtliche Entscheidung feststellt, daß der Anerkennende unmöglich der Vater sein kann, und beansprucht der Urheberstaat dieser Sätze ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte für das Verfahren, so ist dies für andere Staaten nicht verbindlich. Sie können ihre Gerichte nicht nur für ein besonderes Anfechtungsverfahren als zuständig erklären, sondern können sie auch inzidenter entscheiden lassen. Die Beweiskraft der Anerkennung der Elterneigenschaft gegenüber einem Kinde wird in einigen Rechten verstärkt, wenn die sich für die Eltern ergebenden Verpflichtungen auch tatsächlich eine gewisse Zeit lang erfüllt werden, und wenn auf diese Weise auch andere Personen von der Richtigkeit der Anerkennung überzeugt worden sind, wie dies beim „Statusbesitz" — Statusbesitz des ehelichen oder des unehelichen Kindes — besonders in den romanischen Rechten vorgesehen ist 1 7 8 . Auch solche Bestimmungen sind dem Statut für die in Frage stehende Rechtswirkung zu entnehmen. Die von einem Kind selbst ausgesprochene Anerkennung der Eltern kann selbstverständlich nicht in dem Sinne ein echtes Beweismittel für die Abstammung sein, wie die Anerkennung seitens des angeblichen Vaters oder der angeblichen Mutter; sie erhält ihre Bedeutung im allgemeinen dadurch, daß der anerkannte Elternteil sie billigt oder ihr nicht widerspricht; das zieht dann dieselben Wirkungen nach sich, wie eine von den Eltern selbst ausgehende Anerkennung 179 . Die „Anerkennung" der von Mutter oder Vater herrührenden Anerkennung durch das Kind selbst oder dessen gesetzlichen Vertreter ist ebenfalls als solche kein zusätzliches Beweismittel für die Abstammung; es handelt sich entweder um eine Aussage darüber, daß dem Erklärenden keine Tatsachen bekannt sind, die gegen die Richtigkeit der elterlicherseits ausgesprochenen Anerkennung sprechen; es kann sich auch um einen Verzicht auf etwaige Einwendungen handeln; die Zustimmung zur Anerkennung kann aber auch in einem Recht ein echtes Gestaltungsrecht sein, so daß die Verweigerung der Anerkennung gleichsam eine „Verstoßung" desjenigen Elternteils darstellt, der seine Elternstellung nur durch Anerkennung beweisen will und kann 180 .
371
Rechts behelfe
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9. Behelfe zum Schutz subjektiver
Rechte
Wird eine Verpflichtung zu einem menschlichen Tun (einschließlich einer Leistung) nicht bei Fälligkeit befolgt, so ist der häufigste Behelf des Gläubigers der, daß auf Grund eines Gerichtsurteils auf Antrag der ursprünglich von der freiwilligen Erfüllung zu erwartende Erfolg nachträglich noch vermittels Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner realisiert w i r d 1 8 1 . In vielen Rechten kann aber der Gläubiger anstelle dieses Behelfes vor allem die Rückgängigmachung oder Auflösung des ganzen Rechtsverhältnisses wählen, auf welchem die nicht erfüllte Verpflichtung beruhte; in manchen Rechten besteht daneben ein Schadensersatzanspruch, in anderen nicht. Ein Wahlrecht des Gläubigers zwischen derartigen Behelfen kann in einigen Rechten ausgeübt werden, bevor er Rechtsschutz vom Gericht begehrt; in anderen Rechten besteht das Wahlrecht erst nach gerichtlicher Feststellung dessen, daß die primäre Verpflichtung bestand und nicht erfüllt worden ist. In einigen Rechten wird dann vorgesehen, daß der Gläubiger bei der Wahl des Behelfes insofern nicht frei ist, als das Gericht die Zustimmung zur Wahl eines bestimmten Behelfs zu geben hat; mangels dieser Zustimmung ist der Gläubiger auf einen anderen Behelf angewiesen. Von diesen „Behelfen" zu unterscheiden sind die Unterschiede in der Intensität des Rechtszwangs bei der Zwangsvollstreckung: Auch eine Verpflichtung zu Geldleistungen ist u. U . nur gerichtlich feststellbar, aber nicht vollstreckbar; der Gesetzgeber vertraut darauf, daß anderweitige Druckmittel wirksam werden, damit der Schuldner seiner festgestellten Verpflichtung nachkommt. Die Regel ist, daß wegen einer Geldschuld in das haftende Vermögen vollstreckt wird. Ist dies erfolglos, so sehen manche Rechte die Möglichkeit einer Freiheitsentziehung auf Antrag des Gläubigers als Zwang zur Beschaffung von Mitteln durch Arbeit, oder gar durch Zwangsarbeit während der Freiheitsentziehung, vor; vielen anderen Rechten ist derartiges unbekannt. Geht die nicht erfüllte Verpflichtung auf die Herausgabe einer dem Gläubiger von Rechts wegen bereits gehörenden Sache, so sehen wohl die meisten Rechte Zwangsvollstreckung durch Wegnahme der Sache beim Schuldner seitens eines Staatsorgans vor. Geht die nicht erfüllte Verpflichtung auf die Verschaffung des Besitzes und des Eigentums an Sachen, so wird keineswegs immer und allein Wegnahme der beim Schuldner vorhandenen Sachen vorgesehen. Es kann z. B . Vollstreckung in das Schuldnervermögen erst wegen des bei der anderweitigen Beschaffung der geschuldeten Sachen gezahlten Preises erfolgen, soweit nicht der Gläubiger ohnehin mangels freiwilliger Lieferung auf die Geltendmachung einer Schadensersatzforderung angewiesen ist. Geht die Verpflichtung auf die Bewirkung eines bestimmten Erfolges mit irgendwelchen Mitteln, oder auf eine höchstpersönliche Handlung des Schuldners, so gibt es Rechte, welche Beugezwang gegen das Vermögen oder die persönliche Freiheit des Schuldners als Zwangsvollstreckungsmaßnahme vorsehen; vielfach aber stehen derartige Zwangsakte im Ermessen des Richters. Ist solcher Beugezwang erfolglos, oder ist er überhaupt ausgeschlossen, so bleibt dem Gläubiger hier im allgemeinen nur die Stellung von Schadensersatzansprüchen, wegen der in das Vermögen des Schuldners vollstreckt w i r d 1 8 2 . Angesichts dessen, daß in den verschiedenen Rechten außerordentlich verschiedene Regelungen der genannten Art bestehen, und daß diese Regelungen bald in den Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs, bald in den Prozeßgesetzen niedergelegt werden, versucht man immer wieder, in heterogen verknüpften Fällen eine Lösung in der Weise zu finden, daß „verfahrensrechtliche" Regelungen der Gläubigerbehelfe der lex fori, „materiellrechtliche" Regelung hingegen der lex causae zu entnehmen wären. Die Versuche, die einzelnen denkbaren Behelfe von vornherein so oder so zu qualifizieren 1 8 3 , sind stets wenig überzeugend. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß Behelfe in Gestalt staatlichen 372
Anwendbares Recht für Behelfe
§14
Zwangs gegen das Vermögen oder die Person des Schuldners, wenn sie im Recht des F o rumstaates ü b e r h a u p t nicht bekannt sind, von den Organen des Forumstaates nicht gewährt werden können, auch wenn sie im Recht eines anderen Staates vorgesehen sind, und dieses andere Recht die lex causae stellt: In einem Staat, der keine Schuldhaft oder keine Beugehaft kennt, kann es nicht zu derartigen Vollstreckungsmaßnehmen kommen, auch wenn derartiges in dem Staat möglich wäre, der die lex causae stellt 1 8 4 . Häufig kommt es nun vor, daß der vom Gläubiger angestrebte Behelf zwar dem Recht des Forumstaates nicht gänzlich unbekannt ist, daß er aber keineswegs für Ansprüche aus allen Rechtsverhältnissen zur Verfügung steht, und daß die lex fori und die lex causae in bezug auf die Frage divergieren, ob der fragliche Behelf gerade für Ansprüche aus dieser oder jener Art von Rechtsverhältnissen verfügbar ist. Der Ausschluß bzw. die Bereitstellung eines Behelfs für Ansprüche aus bestimmten Rechtsverhältnissen können nun — ähnlich wie der Ausschluß bzw. die Bereitstellung bestimmter Beweismittel — auf „materiellrechtlichen" Erwägungen des Gesetzgebers beruhen: Es ist die ihm vorschwebende materiellrechtliche Konzeption der Ehe, die den einen Gesetzgeber veranlaßt, vollstreckbare oder auch nicht vollstreckbare Entscheidungen über streitige Verhaltenspflichten aus der Ehe vorzusehen, während der andere Gesetzgeber es einem Ehegatten, der eine Verletzung derartiger Pflichten behauptet, nur freistellt, auf Scheidung zu klagen. Es ist jedoch keineswegs ausgeschlossen, daß Ermessensentscheidungen des Richters über die Inanspruchnahme eines bestimmten Behelfs auf Erwägungen beruhen sollen, die mit der materiellrechtlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses als solcher überhaupt nichts zu tun haben. Der Richter soll beispielsweise Beugezwang zu höchstpersönlichen Handlungen des Schuldners nur anordnen, wenn dies unter den im konkreten Fall gegebenen Verhältnissen Erfolg verspricht, oder wenn in einer Schadensersatzleistung in Geld eine wirkliche Wiedergutmachung nicht zu erwarten ist. Liegt eine in dieser Weise motivierte Regelung eines „Behelfes" in der lex fori vor, so hat sie den Vorrang vor einer Regelung in der lex causae, wonach etwa der Gläubiger allein entscheidet, daß er nicht sofort Schadensersatz verlangen will, sondern daß der Versuch gemacht werden soll, Naturalerfüllung seitens des Schuldners unter staatlichem Druck zu erreichen. Weitere Komplikationen entstehen, wenn die lex causae selbst die Inanspruchnahme eines bestimmten Behelfs durch den Gläubiger bei angeblicher Nichterfüllung durch den Schuldner davon abhängig macht, daß das Bestehen der Voraussetzungen für den Behelf zuvor durch ein Gericht festgestellt worden ist, und wenn dann, wie dies häufig geschieht, das Gericht selbst die vom Gläubiger gewünschte Unrechtsfolge, insbesondere in Gestalt der Auflösung des ganzen Rechtsverhältnisses, durch ein Gestaltungsurteil verfügen soll. Sind im Forumstaat die verschiedenen Arten der Gestaltungsurteile, die die Gerichte dieses Staates fällen dürfen, jeweils im Zusammenhang mit einzelnen Rechtsverhältnissen aufgezählt, so wird dies häufig dahin verstanden, daß andere Gestaltungsakte unzulässig seien, auch wenn sie in einem berufenen ausländischen Recht vorgesehen sind: In einem Staat, welcher einerseits nichterfüllte Dauerschuldverträge auf Antrag des Gläubigers durch das Gericht auflösen läßt, und in dem es andererseits zwar Ehetrennung, aber keine Ehescheidung gibt, wird wohl stets auch der Ausspruch einer nach dem berufenen ausländischen Recht vorgesehenen Ehescheidung wegen ehelichen Verschuldens verweigert werden; man läßt es darauf ankommen, daß der verletzte Ehegatte sich ein Scheidungsurteil im Staat der lex causae oder einem dritten Staat verschafft. In einem Staat, welcher nur Scheidung der Ehe durch Gestaltungsurteil und einseitige rechtsgeschäftliche Vertragsauflösung wegen Vertragsverletzung seitens der anderen Partei kennt, nicht aber Ehetrennung und gerichtliche Auflösung von Schuldverträgen, werden u. U . die letzteren Behelfe verweigert, auch wenn die berufene lex causae sie vorsieht 1 8 5 . Man könnte daran denken, daß in dem betreffenden Forumstaat dann wenigstens Feststellungsurteile des Inhalts ergehen könnten, 373
§14
Verjährung
daß alle Voraussetzungen für die vom Kläger gewünschte Auflösung des Rechtsverhältnisses gegeben seien, und daß dieses Feststellungsurteil im Staat der lex causae wie ein Gestaltungsurteil behandelt würde; dennoch scheint dieser Weg in der Praxis nicht gern begangen zu werden. Der in seinen Rechten verletzte Gläubiger muß dann eben versuchen, an einem Gerichtsstand im Staat der lex causae das vorgesehene Gestaltungsurteil zu erwirken, und der Staat, dessen Privatrechtsordnung im Zusammenhang mit den Behelfen gerichtliche Gestaltungsurteile vorsieht, sollte dann zumindest für eine Notzuständigkeit seiner Gerichte sorgen. Abzulehnen ist es sodann auf jeden Fall, daß ein Staat für ein Rechtsverhältnis unter einer ausländischen lex causae Behelfe zur Verfügung stellt, die die lex causae ihrerseits nicht kennt: Sieht die lex causae bei Nichterfüllung bestimmter Verpflichtungen nicht vor, daß der Gläubiger staatlichen Zwang begehren kann, um nachträgliche Erfüllung in Natur zu erreichen, sondern gewährt sie ihm von vornherein nur Schadensersatzansprüche, so sollte es nicht in einem anderen Forumstaat zur Verurteilung auf Erbringung der geschuldeten Leistung in Natur und zu Maßnahmen zur Vollstreckung dieses Urteils kommen, nur weil das Recht des Forumstaates vorsieht, daß ein Gericht eingeschaltet werden muß, wenn der Gläubiger unter der lex fori ein Wahlrecht zwischen Erfüllung in Natur und Schadensersatz hat, und wenn eine besondere Zulassung des ersten Behelfs durch das Gericht, das dabei nach seinem Ermessen verfährt, vorgesehen ist 1 8 6 . Ist eine Vereinbarung der Parteien über eine Vertragsstrafe bei Nichterfüllung nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht von vornherein ungültig, so sollte nicht ein anderer Forumstaat aus der Bestimmung seines Rechts, wonach der Richter Vertragsstrafen im Einzelfall (und zwar gegebenenfalls nach Herabsetzung) zusprechen und das zusprechende Urteil für vollstreckbar erklären darf, geschlossen werden, daß dies auch für die nach der ausländischen lex causae gänzlich ungültige vertragliche Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe gilt. 10.
Verjährung
Setzt eine konkrete Pflicht zu einem bestimmten Verhalten voraus, daß — zusätzlich zu dem eigentlichen pflichtauslösenden Tatbestand — ein anderer, insbesondere der Inhaber des subjektiven Rechts, sein auf die Pflichterfüllung gerichtetes Verlangen in bestimmter Form zum Ausdruck bringt, so kann der pflichtbegründende Rechtssatz bestimmen, daß die Verhaltenspflicht wegfällt oder nicht mehr einklagbar ist, wenn das Verlangen nicht innerhalb einer von einem bestimmten Ereignis an laufenden Frist geäußert worden ist. Die Regelung kann dahin gehen, daß das Verlangen in Gestalt einer Klagerhebung vor dem zuständigen Gericht des Urheberstaates der betreffenden Norm, oder vor einem vom Standpunkt dieses Staates international zuständigen ausländischen Gericht zum Ausdruck gebracht werden muß 1 8 7 ; u. U. wird sogar eine irrtümlich vor einem unzuständigen Gericht erhobene Klage als ausreichend betrachtet, damit die Rechtsfolge der Verjährung nicht eintritt. Die spätere „Anwendung" eines solchen Rechtssatzes durch ein Gericht hat zur Folge, daß die Klage aus dem Recht, das durch Unterlassung einer fristgerechten Klage und Fehlen eines die Verjährung unterbrechenden Vorgangs betroffen ist, als unbegründet — genauer: als nicht mehr begründet — abgewiesen wird. Dieses Ergebnis kann dadurch gehemmt werden, daß der Beklagte sich ausdrücklich auf die Verjährung im Prozeß berufen muß; es kann ferner so sein, daß die freiwillige Erbringung der Leistung trotz Verjährung, oder gar trotz Klagabweisung wegen Verjährung, keine Rückgewähr- oder Bereicherungsansprüche auslöst. Der staatliche Gesetzgeber, der seinen eigenen Gerichten in Gestalt der Zuständigkeitsbestimmungen den Auftrag erteilt, streitige Rechtslagen auf Antrag einer Partei zu klären, kann andererseits möglicherweise das Gericht anweisen, von einer solchen Klärung 374
Alternative Anwendbarkeit von Verjährungsbestimmungen
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abzusehen, wenn entweder schon nach dem Vortrag des Klägers, oder nach den von Amts wegen angestellten Ermittlungen die Entscheidung über die Klage die Aufklärung von Tatsachen erfordert, die sich längere Zeit vor der Klagerhebung ereignet haben. Daß eine Regelung der Verjährung als Modalität des gesetzgeberischen Arbeitsauftrages an das Gericht 188 aufgezogen sein kann, wird am deutlichsten, wenn dem Gericht neben dem Ermessen, verspätetes Vorbringen im Prozeß selbst nicht zu beachten, ein Ermessen gegeben wird, die Klagerhebung angesichts der Umstände des Falles als „verspätet" zu betrachten. Das Gericht, das zu einem früheren Zeitpunkt einen Streit leicht hätte klären können, kann in einem späteren Zeitpunkt nicht nur durch den Wegzug der Zeugen in ein anderes Land usw. zum forum non conveniens189 werden, neben dem ein anderes Gericht in einem anderen Land als forum conveniens zuständig bleibt, sondern das Gericht könnte auch die Ausführung seines Arbeitsauftrages, ohne daß genaue gesetzliche Fristen festgelegt werden, verweigern dürfen, wenn der klagenden Partei vorgehalten werden kann, sie habe durch unnötiges Zögern bei der Sicherung von Beweisen angesichts der Lage der Dinge die Rechtsfindung so erschwert, daß sie ihren „Rechtsschutzanspruch verwirkt" habe. Übereinstimmende Konsequenz der beiden Wege zur Regelung der Verjährung ist es, daß eine vom Kläger angestrebte Veränderung des faktischen status quo nicht mehr durch staatliche Maßnahmen erzwungen werden kann, während insbesondere dem status quo der Besitzverhältnisse des Beklagten staatlicher Rechtsschutz zuteil wird, wenn etwa der abgewiesene Kläger versuchen sollte, ihn gewaltsam zu verändern. Ein in Verfahrensgesetzen190 zu findendes Verbot an den Richter eines Landes, sich zwecks Streitentscheidung mit der Aufklärung länger zurückliegender und deshalb schwer aufklärbarer Tatbestände zu befassen, braucht aber den betreffenden Richter nicht zu hindern, trotz Bejahung der Aufklärungsfähigkeit das Erlöschen des Rechtsverhältnisses auf Grund einer in einem ausländischen Recht anzutreffenden Bestimmung der zuerst beschriebenen Art anzunehmen, wenn es sich dabei um die lex causae handelt, und deren Verjährungsfrist kürzer ist. Der Richter ist auch nicht gehindert, das Urteil eines konkurrierend zuständigen ausländischen Gerichts anzuerkennen und gegebenenfalls zu vollstrecken, wenn die Aufklärung des längere Zeit zurückliegenden Sachverhaltes in den ausländischen Prozeßgesetzen noch geboten war, und das ausländische Gericht infolgedessen die Rechtslage festgestellt und der Klage stattgegeben hat. Ist nun lex causae das Recht eines Landes, dessen Gerichte auf Grund einer „verfahrensrechtlich" aufgezogenen Verjährung, die sich von der des Forumstaates nur durch die kürzere Frist unterscheidet, lang zurückliegende Sachverhalte nicht aufklären dürfen, so kann auch das für die Gerichte des Forumstaates nicht ignoriert werden. Jede zeitliche Begrenzung der Rechtsschutzgewährung im Recht des Staates, der die anwendungswillige lex causae stellt, ist für die Gerichte anderer Staaten nicht weniger beachtlich wie eine im Staat der lex causae geltende Bestimmung, auf Grund deren gewisse Rechtsschutzarten („Einklagbarkeit" und andere Behelfe) von vornherein überhaupt nicht zur Verfügung stehen sollen 191 . Ist es im Forumstaat zu beachten, daß im Staat der lex causae aus Spielschulden nicht geklagt werden kann, gleich, ob dies dort aus dem „materiellen" Recht oder aus dem „Verfahrensrecht" begründet wird, so sollte auch bei Klagbarkeit der Spielschuld in beiden Ländern jede Bestimmung im Recht der lex causae zu beachten sein, die für die Einklagung derartiger Ansprüche die Gerichte nur eine besonders kurze Zeit zur Verfügung stellt. In dem eben skizzierten Sinne haben zahlreiche gliedstaatliche Gesetzgeber in den USA bestimmt 192 , daß ihre Gerichte neben solchen eigenen Verjährungsbestimmungen, die ohne Rücksicht darauf, ob inländisches oder ausländisches Recht lex causae ist, grundsätzlich bei allen inländischen Verfahren anwendbar sein wollen, auch entsprechende Bestimmungen anderer Staaten alternativ zur Anwendung zu bringen haben, sofern sie von dem Staat herrühren, „wo der Klaganspruch entstanden" ist 1 9 3 ; das läuft meist darauf 375
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Qualifikation von Verjährungsbestimmungen?
hinaus, daß auch die in Prozeßgesetzen zu findenden Verjährungsbestimmungen des Staates, der die lex causae stellt, neben den Verjährungsbestimmungen des Forumstaates alternativ, also zugunsten der Bejahung der Verjährung, Beachtung finden müssen. Zugleich aber werden auch solche Bestimmungen der lex causae, die den Anspruch als durch Zeitablauf und unterlassene Klagerhebung oder Mahnung als erloschen erklären, alternativ zur Anwendung g e b r a c h t 1 9 4 . D e m Urheberstaat von Verjährungsbestimmungen muß es vom Standpunkt der allgemeinen Postulate des internationalen Privatrechts her freistehen, ob er alle oder einige von diesen Bestimmungen durch seine Gerichte ohne Rücksicht darauf anwenden läßt, o b in der Sache inländisches Recht oder ausländisches Recht als lex causae anzuwenden ist, oder o b er die Anwendung aller oder einzelner Vorschriften seines Rechts über Verjährung auf diejenigen Fälle beschränken will, in denen sein eigenes Recht als lex causae berufen i s t 1 9 5 . Ausdrückliche Anordnungen des Gesetzgebers in dem einen oder anderen Sinne sind für seine eigenen Gerichte natürlich auch dann bindend, wenn der Gesetzgeber bei solcher Bestimmung des Anwendungsbereichs eigener Verjährungsvorschriften nicht konsequent verfährt. Fehlt es an einer ausdrücklichen A n o r d n u n g des Urhebers von Verjährungsvorschriften über deren Anwendungsbereich, so ist die Entscheidung ersatzweise vom eigenen Richter zu vollziehen, der sich dabei allerdings wohl an die herrschende Tradition in seinem L a n d halten wird. E s kann daher dazu k o m m e n , daß eine in zwei Staaten inhaltlich absolut gleich ausgestaltete Verjährungsregelung von dem Gericht in dem einen L a n d auf sämtliche Verfahren angewendet wird, für die diese Gerichte Zuständigkeit haben, während das andere L a n d die gleichlautende Bestimmung seines Rechts nur dann zur Anwendung bringt, wenn in der Sache das eigene Recht als lex causae anwendbar ist. Dabei wird möglicherweise von beiden Gerichten dieses Ergebnis damit „begründet", daß die betreffende Verjährungsregelung ihrem Wesen nach eine „verfahrensrechtliche" bzw. „materiellrechtliche" Angelegenheit sei. Ein Staat, der eigene Verjährungsvorschriften nur dann anwenden läßt, wenn sein eigenes Recht zugleich die in der Sache maßgebliche lex causae stellt, kann dann von seinen eigenen Gerichten sicher diejenigen Verjährungsvorschriften in einer ausländischen lex causae beachten lassen, die nach den Rechtsanwendungsanweisungen des Gesetzgebers der fremden lex causae von „seinem" Richter dann anzuwenden sind, wenn er sein Recht als lex causae anzuwenden hat. Wenn jedoch der fremde Staat, der die lex causae stellt, seine eigenen Verjährungsvorschriften in allen Verfahren vor seinen Gerichten zur Anwendung bringen läßt ohne Rücksicht darauf, o b inländisches oder ausländisches Recht lex causae ist, so kann das kein G r u n d sein, damit alle diese Verjährungsvorschriften in anderen Staaten nicht zu beachten wären. E s ist jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen, alle Verjährungsvorschriften des positiven Rechts ohne Rücksicht darauf, welchen Anwendungsbereich ihr der Urheber zuweist, als Verfahrensrecht bzw. materielles Recht „qualifizieren" zu wollen, und im letzteren Fall eventuell sogar gegen den Willen des fremden Urhebers a n z u w e n d e n 1 9 6 . Unhaltbar ist es auch zu argumentieren, die Vorschrift eines fremden Gesetzgebers, wonach eigene Verjährungsvorschriften in allen Verfahren vor seinen Gerichten anzuwenden sind, könne und müsse zu einer bilateralen und auf die jeweilige lex fori verweisende Z u w e i s u n g s n o r m 1 9 7 erweitert werden, und daraus sei dann eine Rückverweisung auf die Verjährungsbestimmungen des Forumstaates auch in den Fällen zu entnehmen, in denen der Forumstaat seine eigenen Vorschriften von sich aus nur dann angewendet wissen will, wenn er die lex causae stellt. Vielmehr ist es nur das Postulat, den klagenden Inhaber einer Rechtsposition in bezug auf deren Rechtsschutz bei einer Mehrzahl von Gerichtsständen in verschiedenen Staaten nicht besser zu stellen, als seine Situation in dem Staat ist, der die lex causae stellt 1 9 8 , welches auch in bezug auf die zeitliche Dauer des Rechtsschutzes die Heranziehung aller im Staat der lex causae von den dortigen Gerichten 376
Prozeßfähigkeit und Vertretung im Verfahren
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zu beachtenden Vorschriften über Verjährung in einem anderen Staat notwendig macht. Deshalb sollten alle Verjährungsvorschriften, die der Staat der lex causae durch seine Gerichte anwenden lassen würde, im fremden Forumstaat gegebenenfalls alternativ neben solchen Vorschriften des Forumstaates anzuwenden sein, mit denen dieser die zeitliche Dauer des Rechtsschutzes durch seine Gerichte ohne Rücksicht darauf beschränken will, welches Recht in der Sache anwendbar ist. Eine notwendige Ergänzung des Gesagten besteht darin, daß keine Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte dritter Staaten zulässig sein sollte, denen der Staat der lex causae wegen Nichtbeachtung seiner von ihm selbst als anwendbar betrachteten Verjährungsvorschriften die Vollstreckung versagen würde. 11. Prozeßfähigkeit
und Vertretung im Verfahren
Es ist ein in allen Kulturstaaten anerkanntes Postulat, daß im gerichtlichen Verfahren keine Entscheidung ergehen sollte, welche mit Rechtskraft gegenüber einem am Verfahren teilnehmenden Rechtssubjekt und zu seinem Nachteil seine Beteiligung oder Nichtbeteiligung an einem Rechtsverhältnis feststellt, wenn dieses Rechtssubjekt nicht die zur Prozeßführung nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, es sei denn, daß das Rechtssubjekt durch einen geeigneten rechtmäßigen „gesetzlichen" Vertreter im Verfahren vertreten war. Dieser Forderung könnte eine Regelung gerecht werden, welche einerseits Prozeßfähigkeit einheitlich für alle Verfahren vor inländischen Gerichten mit einem bestimmten Lebensalter annimmt, und zugleich den Gefahren, welche die eigene Prozeßführung durch juristisch nichtsachverständige Personen mit sich bringt, vermittels Anwaltszwanges begegnet. Es bleibt dann aber immer noch die Frage, wie derjenige, der mangels des erforderlichen Alters oder bei geistigen Mängeln nicht als prozeßfähig gelten kann, einen Anwalt mit der Prozeßführung betrauen kann; dazu wäre wieder eine Regelung erforderlich, die dem Prozeßunfähigen einen gesetzlichen Vertreter verschafft, der den Anwalt bestellt. Diese Regelung könnte ebenfalls durch Vorschriften des Gerichtsstaates erfolgen. Insbesondere ist es denkbar, daß das in Frage kommende Prozeßgericht oder das damit verbundene Vormundschaftsgericht einem Kläger oder einem Beklagten, der nach dem Recht dieses Staates prozeßunfähig ist, für das einzelne Verfahren einen Pfleger bestellt. Während z. B. das englische und das anglo-amerikanische Recht zu diesem Modell tendieren 199 , orientieren sich andere Rechte offenbar mehr an dem Gedanken, daß angesichts der Möglichkeit der Prozeßbeendigung durch Vergleich die Prozeßfähigkeit mit der auch für einen außergerichtlichen Vergleich erforderlichen oder ausreichenden Geschäftsfähigkeit identisch sein müsse. Soweit für Privatrechtsgeschäfte nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates die „allgemeine" Geschäftsfähigkeit alternativ nach dem fremden Heimatrecht und dem eigenen Recht als dem Recht des inländischen Errichtungsortes des Rechtsgeschäfts beurteilt wird 200 , wird das vielfach auch für die Regelung der Prozeßfähigkeit entsprechend gehandhabt, d. h. die Prozeßfähigkeit alternativ nach dem Heimatrecht und der lex fori des Prozeßgerichts beurteilt 201 . Zugleich wird bei diesem System derjenige, der im Forumstaat die prozeßunfähige Partei bei außerprozessualen Geschäften als gesetzlicher Vertreter vertreten könnte, als ihr Prozeßvertreter im Prozeß zugelassen 2 0 2 . Fehlt ein im Forumstaat anerkannter allgemeiner gesetzlicher Vertreter, so kommt man allerdings auch hier nicht darum herum, daß die Gerichte im Forumstaat möglicherweise einen gesetzlichen Vertreter allein für ein einzelnes anhängiges, oder anhängig zu machendes, Verfahren bestellen müssen 203 . Die Regelungen im Sinne der oben skizzierten extremen Modelle für die Prozeßfähigkeit werden im positiven Recht zum Teil vermischt. Für das Alter, mit dem für alle natürlichen Personen Prozeßfähigkeit anzunehmen ist, wie sie das Verfahrensrecht des Forumstaates allein regeln will, wird u. U. durch eine gesetzestechnische Verweisung das 377
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Anwendbares Recht für Prozeßfähigkeit
Lebensalter herangezogen, mit dem im Privatrecht des Forumstaates die allgemeine Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Wird dem Prozeßunfähigen vom Prozeßgericht der Vertreter bestellt, so wird dabei diejenige Person bevorzugt, die im Forumstaat bei der Errichtung von Rechtsgeschäften als gesetzlicher Vertreter auftreten kann, auch wenn ihre Bestellung auf einem ausländischen Recht beruht 204 . Auf der anderen Seite wird das Bedürfnis, an einem Verfahren im Forumstaat teilnehmen zu können, nicht selten als die entscheidende Verknüpfung dafür angesehen, daß einer Person, die sowohl nach ihrem Heimatrecht, als auch nach dem Recht des Gerichtslandes prozeßunfähig ist, für das einzelne Verfahren ein gesetzlicher Vertreter gemäß dem Recht des Gerichtslandes durch dessen Gerichte bestellt wird, wenn der im Heimatland vorhandene allgemeine gesetzliche Vertreter aus irgendeinem Grunde für das betreffende Verfahren nicht verfügbar ist 2 0 5 . Bei ausländischen juristischen Personen wird man im Gerichtsstaat kaum an Hand des eigenen Gesellschaftsrechts dieses Staates ermitteln wollen, welche Organe der juristischen Person sie im Prozeß zu vertreten haben 2 0 6 . Wohl aber finden sich manchmal spezialrechtliche Vorschriften, auf Grund deren ausländische juristische Personen, die sich im Gerichtsstaat geschäftlich betätigen, dort einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen haben, und wonach dieser Zustellungsbevollmächtigte die juristische Person gegebenenfalls auch im Prozeß vertreten kann; wird der Zustellungsbevollmächtigte von der fremden juristischen Person nicht durch deren Vorstand usw. bestellt, so kann er möglicherweise vom Gericht des Landes, in dem sich die juristische Person geschäftlich betätigen will, ersatzweise bestellt werden. Durch Heranziehung der allgemeinen Postulate des internationalen Privatrechts läßt sich nicht erweisen, daß nur der eine oder der andere der oben skizzierten Wege zur Regelung der Frage der Prozeßfähigkeit und der Vertretung Prozeßunfähiger in dem Land, wo sich das Verfahren abspielt, der richtigere wäre. Es stellt sich aber auch noch die Frage, inwieweit die von einem Forumstaat getroffene Regelung in einem anderen Staat beachtlich werden kann. Das wird aktuell schon bei der Zustellung der Klage außerhalb des Gerichtslandes unter Inanspruchnahme von Rechtshilfe der Behörden des Aufenthaltslandes des Zustellungsadressaten. Sollen diese Behörden von ihrem Gesetzgeber angewiesen werden, die Zustellung an jemand zu bewirken, der für Verfahren im Zustellungsstaat prozeßunfähig — und damit auch unfähig zur Entgegennahme einer Zustellung — wäre, der aber vom Standpunkt des Staates her prozeßfähig ist, aus dem das Zustellungsersuchen kommt? Oder sollten die Zustellungsbehörden in dem ersuchten Staat die Zustellung von sich aus an den vornehmen, der in der Sicht des Zustellungslandes der gesetzliche Vertreter der prozeßunfähigen Person ist? Hier läßt sich kaum ohne die Bildung von Spezialrecht auskommen; solches Spezialrecht könnte dahin gehen, daß die Zustellung einerseits an die Person bewirkt werden darf, die das ersuchende ausländische Gericht als den Zustellungsadressaten bezeichnet; die Zustellungsbehörden in dem ersuchten Staat sollten andererseits den richtigen gesetzlichen Vertreter des von ihrem Standpunkt her prozeßunfähigen Zustellungsadressaten ebenfalls informieren. Sodann hat ein Staat Anlaß, zu der Handhabung ausländischer Regelungen über Prozeßfähigkeit und der Vertretung Prozeßunfähiger durch die Behörden anderer Staaten Stellung zu nehmen, wenn von der obsiegenden Partei Anerkennung oder Vollstreckung der in einem ausländischen Verfahren ergangenen Gerichtsentscheidungen oder gerichtlich bestätigten Vergleiche begehrt wird. Hier kann sich zunächst schon die Frage stellen, wer in einem zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit des Urteils einzuleitenden Verfahren „prozeßfähig" ist; zugleich stellt sich die Frage, wer in einem solchen Verfahren auftreten kann, um geltend zu machen, daß die Anerkennung der ausländischen Entscheidung deshalb unzulässig sei, weil in dem ausländischen Verfahren Personen als prozeßfähig behandelt wurden, die es vom Standpunkt des um Anerkennung ersuchten Staates nicht sind, 378
Prüfung der Prozeßfähigkeit bei der Anerkennung von Urteilen
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oder weil eine solche Person im ausländischen Prozeß durch einen „falschen" Vertreter vertreten war. Der um Anerkennung der ausländischen Entscheidung ersuchte Staat hat offensichtlich ein legitimes Interesse daran, es zu verhindern, daß Personen, die ein Rechtsverhältnis durch Errichtung eines Rechtsgeschäfts im Inland oder Ausland mit Rücksicht auf ihre Geschäftsunfähigkeit nicht hätten begründen können, durch Beteiligung am gerichtlichen Verfahren im Ausland (möglicherweise sogar von Scheinprozessen im Ausland) erreichen können, daß das Rechtsverhältnis vom ausländischen Gericht als bestehend festgestellt, und daß diese Feststellung durch Anerkennung der Entscheidung auch im Inland wirksam wird. Desgleichen hat der um Anerkennung ersuchte Staat ein Interesse daran, daß ein von seinem Standpunkt her geschäfts- und prozeßunfähiger Inländer nicht in einem ausländischen Verfahren durch jemand vertreten wird, den die inländische Rechtsordnung keinesfalls als gesetzlichen Vertreter anerkennen möchte; noch stärker ist das Interesse daran, daß die unter Beteiligung eines nichtanerkannten gesetzlichen Vertreters am Verfahren im Ausland zustande gekommene ausländische Entscheidung gegen den prozeßunfähigen Inländer nicht auch noch im Inland wirksam wird. Erst recht wird man sich gegen die Anerkennung einer ausländischen Gerichtsentscheidung sperren, die zu Lasten einer im Inland prozeßfähigen Person ergangen ist, welche im Gerichtsstaat als prozeßunfähig behandelt wurde und durch einen nur vom Prozeßstaat anerkannten gesetzlichen Vertreter im Verfahren vertreten war. Eine befriedigende Lösung ist kaum dadurch zu erreichen, daß die Anerkennung ausländischer Entscheidungen einschließlich gerichtlicher Vergleiche in sämtlichen Fällen verweigert wird, wo die im Ausland als prozeßfähig behandelte Partei in dem um Anerkennung ersuchten Staat nicht selbst in einem entsprechenden Verfahren hätte auftreten können, oder wo die im Gerichtsstaat als prozeßunfähig betrachtete Partei (sowie eine juristische Person) im Verfahren durch jemand vertreten wurde, der nicht auch im anerkennenden Staat als ihr Prozeßvertreter hätte auftreten können. Der von der im Ausland prozeßfähigen, im anerkennenden Staat hingegen prozeßunfähigen Partei, sowie der vom „falschen" gesetzlichen Vertreter im Ausland erwirkten Gerichtsentscheidung, welche der prozeßunfähigen Partei nur günstig ist, braucht die Anerkennung nicht verweigert zu werden, es sei denn, daß damit in dem anerkennenden Staat im Effekt die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts bejaht wird, das von der betreffenden Partei, auch wenn es ihr günstig ist, nicht gültigerweise hätte errichtet werden können. Hat der gesetzliche Vertreter, der im Inland hätte auftreten müssen, der aber im Ausland nicht auftreten konnte, der Prozeßführung durch die im Gerichtsstaat zum Verfahren zugelassene Person zugestimmt, so wird auch hier die ausländische Entscheidung anerkannt werden können. Dem ist es gleichzusetzen, wenn eine inländische juristische Person im Ausland geschäftlich tätig werden wollte, und das Betätigungsland ihr für die dort zu führenden Prozesse mangels freiwilliger Bestellung eines örtlichen Prozeßbevollmächtigten einen solchen oktroyiert hat. Dasselbe gilt, wenn der in dem anerkennenden Staat rechtmäßig gesetzliche Vertreter sich an dem ausländischen Verfahren nicht beteiligt hat, und dem Prozeßunfähigen dann im Prozeßland ein besonderer Vertreter für das Verfahren bestellt wurde, oder wenn dies in Eilfällen geschah, weil der richtige gesetzliche Vertreter im Ausland nicht erreichbar war. Würde das Land, in dem ein Verfahren eingeleitet wird, für die Geltendmachung des Fehlens der Prozeßfähigkeit Anwaltszwang, oder umgekehrt persönliches Erscheinen der in einem anderen Staat ansässigen beklagten Partei vor Gericht vorsehen, und bei Nichtbefolgung dieser Bestimmungen die Einrede ohne weiteres verwerfen lassen, so wäre das nicht nur ein Grund zur Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung, sondern könnte als ein völkerrechtswidriges Verhalten möglicherweise zu Schadensersatzansprüchen des Heimatstaates des Betroffenen führen.
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Das Verfahren bei der Anwendung von ausländischem Recht
c) Das Verfahren bei der Anwendung von ausländischem Recht und von Spezialrecht in heterogen verknüpften Situationen In nicht wenigen Fällen ist ein nichtgerichtliches Staatsorgan verpflichtet, in solchen Situationen, die auch Auslandsverknüpfungen aufweisen könnten, in einem bestimmten Verfahren „von Amts wegen" einen Staatsakt vorzunehmen, dessen inhaltliche Ausgestaltung dann wieder zu einer Stellungnahme zu dem anwendbaren Recht nötigen kann: Hat der Standesbeamte, dem die Geburt eines Kindes bekannt wird, diesen Vorgang zu registrieren, und hat er unter Angabe des richtigen (d. h. unter Angabe des vom Standpunkt der Rechtsordnung des Dienstherrenstaates des Standesbeamten richtigen) Namens der Beteiligten eine Geburtsurkunde auszustellen, so kann er auch verpflichtet sein, von Amts wegen zu klären, welches Recht für die Fassung des Namens dieser Person maßgebend ist, und er kann verpflichtet sein, von Amts wegen zu klären, ob Auslandsverknüpfungen bestehen, aus denen sich hierfür die Anwendung ausländischen Rechts ergibt 207 . Schon in einem solchen Fall dürfte aber wohl oft die Geltung eines Satzes anzunehmen sein, daß das Staatsorgan davon ausgehen kann, es handle sich um einen nur mit dem Inland verknüpften Fall, wenn ihm nicht das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit von Auslandsverknüpfungen bekannt ist. Anders wäre es, wenn etwa für das exterritoriale Personal einer internationalen Organisation an deren Sitz durch die Organisation selbst ein besonderer Standesbeamter bestellt würde. Die positivrechtliche Regelung kann aber auch dahin gehen, daß das Staatsorgan, selbst wenn es aus eigener Initiative anläßlich eines Ereignisses tätig werden muß, den Sachverhalt unter Anwendung seiner lex fori beurteilen muß, solange nicht von einer dazu legitimierten Person vorgebracht wird, daß es sich um eine heterogen verknüpfte Situation handelt, und daß die betreffende Person verlangt, es solle das vom internationalen Privatrecht bezeichnete Recht angewendet werden. Dann ist es wiederum möglich, daß entweder das Staatsorgan von Amts wegen die maßgeblichen In- und Auslandsverknüpfungen und das gegebenenfalls berufene ausländische Recht ermitteln muß, oder aber daß derjenige, der die Behandlung der Sache als eine heterogen verknüpfte Sache verlangt, seinerseits eine Behauptungs- und Beweislast für das Bestehen von Auslandsverknüpfungen und den Inhalt etwaigen ausländischen Rechts hat, während mangels solcher Angaben das Staatsorgan unterstellen muß, daß die fraglichen Verknüpfungen Inlandsverknüpfungen sind, und daß selbst bei festgestellten Auslandsverknüpfungen das berufene ausländische Recht nicht anders lautet als die lex fori 208 . Eine Vermutung der homogenen Verknüpftheit der einem Staatsorgan vorliegenden Situation hat allerdings nur dort einen Sinn, wo das Staatsorgan in erster Linie für die Behandlung homogen verknüpfter Situationen zuständig ist, und wo deshalb auch von einer „lex fori" des Organs gesprochen werden kann 209 . Andererseits ist eine solche Vermutung nur solange vernünftig, wie die Zahl der dem Organ vorgelegten homogen verknüpften Fälle die Zahl der heterogen verknüpften Fälle weit übersteigt. Eine andere Ausgangslage besteht, wenn ein Staatsorgan, insbesondere ein Gericht, bei dem es zur Anwendung von Privatrechtssätzen auf einen konkreten Sachverhalt kommen kann, ein Verfahren überhaupt nur auf Grund eines Antrags eines Privatrechtssubjekts durchführen darf. Hier kann schon in homogen verknüpften Situationen die Verpflichtung des Staatsorgans davon abhängig sein, daß der Antragsteller nicht nur ein bestimmtes Begehren formuliert, sondern die rechtliche Begründetheit dieses Begehrens durch Angabe von Tatsachen und durch Angabe von Rechtssätzen begründet 210 . Wie früher schon angedeutet, geht sowohl dann, wenn nach dem Verfahrensrecht des Forumstaates die Parteien keine Äußerungen über die nach ihrer Meinung zur Rechtfertigung ihrer Ansprüche und Einwendungen führenden Rechtssätze aufzustellen brauchen, 380
Beeinflussung der Ermittlung des anwendbaren Rechts durch das Parteiverhalten
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als auch dann, wenn sie schon bei Anwendbarkeit inländischen Rechts im streitigen Verfahren sich über die Rechtsgrundlage ihrer Ansprüche äußern müssen, die positivrechtliche Regelung 211 oft dahin, daß, wenn die Anwendbarkeit ausländischen Rechts behauptet wird , diese Behauptung auch durch Angabe der angeblich bestehenden und angeblich entscheidenden Verknüpfungen zum Ausland substantiiert werden muß. Mangels einer solchen Ergänzung des auf ausländisches Recht gestützten Klagvorbringens kann das Gericht entweder doch von der Anwendbarkeit inländischen Rechts ausgehen, oder es kann vielleicht sogar die Schlüssigkeit der Klage verneinen. Sodann kann die Partei, die das ausländische Recht nachzuweisen hat, auch beweispflichtig dafür sein, daß tatsächlich die erforderlichen Verknüpfungen zum Ausland hingehen, wenn dies von der Gegenseite bestritten wird. Bei unbestrittenen Angaben einer Partei über das anwendbare Recht, und nach Aufklärung der zur Anwendung ausländischen Rechts führenden Anknüpfungsmomente stellt sich als nächstes die Frage, wie das Gericht, wenn es die Anwendbarkeit ausländischen Rechts nach dem internationalen Privatrecht des Forumstaates als schlüssig vorgetragen erachtet, sich die Kenntnis vom Inhalt des ausländischen Rechts beschafft. Zu einer Regelung, bei der die Parteien darauf hinweisen müssen, daß nicht inländisches, sondern ausländisches Recht anwendbar sei, würde es schlecht passen, wenn es dann allein Sache des Gerichts wäre, sich von Amts wegen über den Inhalt des nach der Behauptung einer Partei anwendbaren ausländischen Rechts zu informieren; vielmehr wird dann derjenigen Partei, die sich auf ausländisches Recht beruft, um damit ihren Standpunkt zu stützen, auch die Last des Beweises für den Inhalt des ausländischen Rechts auferlegt. Die häufig anzutreffende Vermutung, daß das anzuwendende ausländische Recht denselben Inhalt habe wie das normale Inlandsrecht212, wird für eine Partei, die sich selbst auf ausländisches Recht beruft, meist nicht von Interesse sein 213 . Das positive Recht solcher Länder enthält dann vielfach auch nähere Bestimmungen über die zulässigen Mittel zum Beweis des Inhalts des maßgeblichen ausländischen Rechts durch die beweispflichtige Partei; so wird manchmal 214 nur der Beweis durch Sachverständige zugelassen, hingegen Beweis durch Urkunden in Gestalt der ausländischen Gesetzestexte215, Rechtsprechung oder abstrakten Auskünften ausländischer Behörden ausgeschlossen. Ist im Forumstaat ein Teil der heterogen verknüpften Situationen weder einem ausländischen Recht, noch dem normalen Inlandsrecht des Forumstaates zugewiesen, sondern gilt Spezialrecht des Forumstaates als anwendbar 216 , so ist wohl nicht anzunehmen, daß solches Spezialrecht nur „auf Verlangen" einer Partei zur Anwendung gebracht werden kann; vielmehr hat der Kläger sich beim Bestehen von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Sachverhalte neben dem Inlandsrecht des Forumstaates zumindest darüber zu äußern, ob Verknüpfungen bestehen, welche die Anwendbarkeit des Spezialrechts begründen könnten; aber auch wenn das Gericht anderswie von dem Bestehen solcher Verknüpfungen Kenntnis erhält, hat es spezialrechtliche Bestimmungen des eigenen Gesetzgebers zur Anwendung zu bringen, auch wenn keine Partei sich darauf bezogen hat 217 . Dort, wo, wie vor allem im deutschen Recht 218 , die Ermittlung der zur Sachentscheidung geeigneten Bestimmungen des inländischen Rechts und der maßgeblichen Verknüpfung von Amts wegen durch das Gericht zu erfolgen hat, und wo die Parteien sich nicht über die anwendbaren Bestimmungen äußern müssen, und wo auch die Anwendung der internationalprivatrechtlichen Vorschriften Amtsaufgabe des Richters ist, gehören zur Behauptungslast insbesondere des Klägers notwendig auch Äußerungen über die Inlandsund Auslandsverknüpfungen, die für die Ermittlung des anwendbaren Rechts bedeutsam sein können. Fehlen derartige Angaben, so kann das Gericht den Kläger veranlassen, sein Klagvorbringen in dieser Hinsicht zu ergänzen; sind auch die ergänzenden Angaben unzureichend, so ist ein Klagvorbringen, aus dem nicht zu ersehen ist, inwieweit es sich um 381
§ 14
Ermittlung des anwendbaren Rechts und Rechts wähl
einen heterogen verknüpften oder um einen h o m o g e n verknüpften Fall handelt, nicht schlüssig. Allerdings dürfte auch in den Ländern, in denen sich keine Vorschrift findet, daß mangels eines ausdrücklichen Vorbringens einer Partei inländisches Recht angewendet werden muß, von einer Vermutung ausgegangen werden können, daß Angaben der K l a g e über Tatbestände, die als A n k n ü p f u n g s m o m e n t e in Frage k o m m e n , sich im Zweifel auf inländische Tatbestände beziehen. Werden die vom Kläger ausdrücklich behaupteten und für die Bestimmung des anwendbaren Rechts wichtigen Inlands- bzw. Auslandsverknüpfungen von dem Beklagten bestritten, so hat der Kläger sicher die B e w e i s l a s t 2 1 9 ; aber auch wenn die Behauptungen nicht bestritten werden, kann das Gericht den Kläger zum Beweis auffordern. Soweit das Gericht den Sachverhalt als solchen schon von A m t s wegen zu erforschen hat (wie manchmal in der freiwilligen Gerichtsbarkeit oder im Eheprozeß), erstreckt sich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts auch auf den Stand der internationalprivatrechtlich bedeutsamen A n k n ü p f u n g s m o m e n t e 2 2 0 und den Inhalt des anwendbaren ausländischen Rechts. Eine Regelung, wonach die übereinstimmende Stellungnahme der Parteien zu der Frage des anwendbaren Rechts vom Gericht hingenommen werden muß, läuft auf dasselbe praktische Ergebnis hinaus, wie die Berücksichtigung einer noch im Prozeß erfolgenden ausdrücklichen Wahl des auf das streitige Rechtsverhältnis anwendbaren Rechts durch die Parteien. Eine Regelung, wonach, wenn keine Partei die Anwendung ausländischen Rechts behauptet, inländisches Recht anzuwenden ist, läuft auf dasselbe hinaus, wie wenn eine stillschweigende Wahl des inländischen Rechts im Prozeß aus dem Stillschweigen der Parteien gefolgert würde und für das Gericht verbindlich w ä r e 2 2 1 . H a t der Richter das anwendbare Recht und die dafür maßgeblichen A n k n ü p f u n g s m o m e n t e von A m t s wegen zu ermitteln, so würde dies, streng genommen, bedeuten, daß er auch aufzuklären hätte, o b vor dem Prozeß eine nach seinem Kollisionsrecht beachtliche Rechtswahlvereinbarung durch die Parteien getroffen worden ist. In den meisten Ländern wird aber wohl verneint, daß der Richter auch dies von A m t s wegen aufzuklären habe. D a s läuft dann darauf hinaus, daß jede vor dem Prozeß durch Vereinbarung erfolgte Rechtswahl durch übereinstimmende N i c h t b e r u f u n g der Parteien auf die Rechtswahl zugunsten des „gesetzlichen" Statuts für das betreffende Rechtsverhältnis wieder rückgängig gemacht werden kann. Steht die ausdrückliche (kollisionsrechtliche oder materiellrechtliche) Wahl ausländischen Rechts anstelle des sonst als gesetzliches Geschäftsstatut anwendbaren inländischen Rechts vor dem Prozeß fest, so kann vor allem dem Kläger der Nachweis des Inhalts der seinen Anspruch stützenden Sätze des ausländischen Rechts bei Gefahr der Klagabweisung mangels N a c h weises zugemutet werden. E s muß bezweifelt werden, ob in Ländern, welche die Ubereinstimmung der Prozeßparteien über die Anwendbarkeit eines a u s l ä n d i s c h e n Rechts als bindend für den Richter betrachten, für diesen jede Prüfung der Frage entfällt, o b nicht anwendungswillige Bestimmungen des eigenen Rechts vorhanden sind, die von den Parteien vor dem Prozeß nicht dadurch hätten ausgeschaltet werden können, daß das Rechtsverhältnis einem bestimmten ausländischen Recht unterstellt w u r d e 2 2 2 . E s ist ein weiterer Aspekt einer unparitätischen Behandlung des ausländischen Rechts, wenn der Richter nur zu prüfen hat, o b anwendungswillige zwingende Bestimmungen des eigenen Rechts entgegen der Behauptung der Parteien zur Anwendung zu bringen sind, nicht aber zwingendes ausländisches Recht, das der Forumstaat zur Anwendung berufen hat. Vor allem sollte auch die Beachtung einer in staatliches Recht transformierten Völkerrechtsnorm, welche die Verwendung bestimmter Zuweisungsnormen im staatlichen internationalen Privatrecht der Vertragsstaaten vorschreibt, nicht dadurch umgangen werden, daß übereinstimmende Behauptungen der Parteien über das anwendbare Recht vom Gericht ohne weitere N a c h p r ü f u n g seiner Rechtsfindung zugrunde gelegt werden müssen. 382
Ermittlung des Inhalts von ausländischem Recht
§14
Eine Zwischenentscheidung darüber, welches Recht in der Sache anwendbar ist, ist in manchen Verfahrensrechten zulässig, aber auch dann nicht immer üblich 223 ; eine solche Zwischenentscheidung kann sich wohl nur auf das Recht beziehen, das auf die in der Klage formulierte Hauptfrage anwendbar ist, während das auf Teil- und Vorfragen anwendbare Recht vielfach gar nicht ermittelt werden kann, solange nicht feststeht, welches Recht auf die Hauptfrage anwendbar ist, und welche Teil- und Vorfragen von diesem anwendbaren Recht aufgeworfen werden. Steht das anwendbare Recht nicht alsbald eindeutig fest, oder erfordert die Klärung des Standes des ausländischen Rechts weitere Zeit, so sollte eine spezialrechtliche Regelung angenommen werden, welche einstweilige Anordnungen in dem Umfang ermöglicht, wie sie bei Anwendbarkeit der lex fori möglich wären 224 ; es sollte jedoch möglich sein, daß eine derartige Anordnung rückgängig gemacht wird, sobald feststeht, welches das anwendbare Recht ist, und daß sie unter dem anwendbaren ausländischen Recht keinesfalls zulässig wäre. Ist auf Grund der von Amts wegen überprüften Anknüpfungsmomente das normale Inlandsrecht des Forumstaates, oder eigenes Spezialrecht des Forumstaates anwendbar, so ist die Ermittlung seines Inhaltes fast stets Sache des Gerichts, unbeschadet dessen, daß sich die Parteien auch hier äußern dürfen. Ist hingegen gemäß den Zuweisungsnormen des Forumstaates ausländisches staatliches Recht berufen, so ist dessen Inhalt sicher in denjenigen Verfahren, in denen auch der Sachverhalt durch das Gericht von Amts wegen aufgeklärt wird, von Amts wegen zu ermitteln. In der Wahl der Mittel hierfür ist dann das Gericht meist nicht beschränkter als bei der Aufklärung der Tatsachen; insbesondere kann das Gericht sich hier unmittelbar auf die von ihm beschafften ausländischen Gesetzestexte usw. stützen 225 . Auch wenn das anwendbare ausländische Recht und die zu seiner Anwendung führenden Anknüpfungsmomente durch das Gericht von Amts wegen zu ermitteln sind, kann aber den Parteien eine Verpflichtung zur Unterstützung des Gerichts auferlegt sein 226 . Die Sanktion hierfür besteht praktisch allerdings wohl nur darin, daß eine Partei Vorschüsse zur Beschaffung der Beweismittel über den Inhalt des ausländischen Rechts durch das Gericht zu leisten hat; vorschußpflichtig ist dann im Zweifel der Kläger. Gesetz bzw. gewohnheitsrechtliche Praxis der Gerichte gestehen vielfach zu, daß es bei der vom Gericht angeordneten Ermittlung des positiven ausländischen Rechts zu dem Ergebnis kommen könne, daß sein Inhalt nicht mit Sicherheit ermittelt werden könne, auch wenn eine solche Aussage bei der Handhabung des inländischen Rechts unzulässig wäre. Während es bei einem System, welches von Behauptungs- und Beweislasten der Parteien für die Anwendbarkeit ausländischen Rechts, das Bestehen der Anknüpfungsmomente und den Inhalt des ausländischen Rechts ausgeht, mangels eines Vollbeweises für den Inhalt des ausländischen Rechts naheliegt, Anwendbarkeit des normalen Inlandsrechts des Forumstaates vorzuziehen, ist dies bedenklich, wenn das Gericht das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln hat. Ein vom Gericht herangezogener Sachverständiger hat dann seine Aufgabe erfüllt, wenn er etwa mangels einer höchstrichterlichen Klärung einer umstrittenen Frage im ausländischen Recht sich eine Meinung darüber bildet, wie wahrscheinlich die ausländischen Gerichte entscheiden würden; der Sachverständige kann aber auch vielfach, wenn ihm nicht alle formalen Quellen für das ausländische Recht zugänglich sind, auf Grund historischer oder rechtsvergleichender Daten Aussagen über den vermutlichen Inhalt des ausländischen Rechts machen 227 . Entsprechendes kann dem Gericht selbst nicht verwehrt sein. Es ist unmöglich zu rechtfertigen, daß einer Partei in der richterlichen Entscheidung der Vorwurf der Verletzung von Verhaltensgeboten der lex fori gemacht und sie deswegen mit Unrechtsfolgen belastet wird, nur weil das Gericht selbst nicht imstande ist, den Inhalt des ihm und den Parteien vom Gesetzgeber als maßgeblich bezeichneten ausländischen Rechts zu ermitteln. 383
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Ubereinstimmung der in Frage kommenden Rechte
Wenn das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, welche Anknüpfungsmomente tatsächlich vorhanden sind, so können ihm hierfür wieder Vermutungen vom Recht des Forumstaates an die Hand gegeben werden: Wenn ein konkretes, für die Bestimmung des anwendbaren Rechts entscheidendes Anknüpfungsmoment nicht voll erwiesen werden kann, so kann bestimmt werden, daß das Gericht, das diese Frage von Amts wegen zu klären hat, sich mit der größeren Wahrscheinlichkeit des Bestehens einer Verknüpfung zu einem bestimmten Staat zu begnügen hat, anstatt in einem solchen Fall anzunehmen, daß die Verknüpfung zum Inland, oder gar daß sie zu keinem Staat hingeht: Ist Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person nicht mit voller Sicherheit feststellbar, so ist nicht etwa eine Vermutung am Platz, daß die betreffende Person die Staatsangehörigkeit des Forumstaates besitzt, oder daß der Betreffende staatenlos sei; das Gericht sollte vielmehr etwa davon ausgehen, daß der Betreffende mit größerer Wahrscheinlichkeit die Staatsangehörigkeit desjenigen Staates besitzt, in dem er die längste Zeit gelebt hat. Handelt es sich um eine ausländische Staatsangehörigkeit, so ist allerdings bei der Prüfung der Anwendungswilligkeit des fremden Heimatrechts wieder zu beachten, welche Gesichtspunkte dort maßgebend sind, um die wahrscheinlichste Staatsangehörigkeit einer Person zu bestimmen. Sind mehrere Verknüpfungen wahrscheinlich, und keine allein voll erweisbar, so ist u. U. ein anderer Gedankengang angebracht: Sind alle durch diese Verknüpfungen bezeichneten Rechte anwendungswillig, und stimmen sie sämtlich oder jedenfalls in ihrer Mehrheit überein, so ist dieser Inhalt der Rechtsfindung zugrunde zu legen. Gerade in denjenigen Ländern, welche das anwendbare ausländische Recht sowie die nach den Zuweisungsnormen maßgeblichen Anknüpfungsmomente von Amts wegen durch das Gericht ermitteln lassen, ohne die Anwendbarkeit des inländischen Rechts durch Behauptungs- und Beweislasten oder durch Vermutungen zu begünstigen, wird nicht selten die Frage gestellt, ob das Gericht ohne Prüfung der Erweisbarkeit der verschiedenen Verknüpfungen argumentieren dürfe, alle überhaupt in Frage kommenden Rechte kämen in der Sache zu dem gleichen Ergebnis, und es erübrige sich deshalb zu entscheiden, welches Recht als das von den Rechtsanwendungsnormen des Forumstaates berufene Recht die Entscheidung trage 228 . Hiergegen werden bereits Bedenken erhoben, wenn eines der in Frage kommenden Rechte das eigene Recht des Forumstaates ist, und wenn die Revisionsinstanz auf die Nachprüfung von inländischem Recht beschränkt ist 2 2 9 ; dann hat das Gericht die Pflicht anzugeben, ob das eigene Recht des Forumstaates als das angewendete Recht zu gelten hat oder nicht 230 . Die erwähnte Argumentation ist auch dann nicht verwendbar, wenn das nach den Kollisionsnormen des Forumstaates berufene ausländische Recht nur dann angewendet werden darf, wenn es auch im Ursprungsstaat von den dortigen Gerichten angewendet würde, und wenn noch nicht geklärt ist, ob die Rechte, die mit einem Verhaltensgebot oder einem Gültigkeitshemmnis für ein pflichtbegründendes Geschäft in ihrem Inlandsrecht nicht selbst angewendet werden wollen, eigenes Spezialrecht angewendet wissen wollen 231 . Eine Regelung, bei welcher der Richter in evident heterogen verknüpften Fällen das inländische Recht anzuwenden hat, wenn nicht wenigstens eine Partei die Anwendbarkeit ausländischen Rechts behauptet, und wo derjenige, der sich auf ausländisches Recht beruft, die Beweislast für das Bestehen der erforderlichen Auslandsverknüpfungen und den von der lex fori abweichenden Inhalt des ausländischen Rechts hat, stellt nicht nur eine diskriminierende Behandlung des ausländischen Rechts im Vergleich zur lex fori dar, sondern bedeutet auch eine Schlechterstellung der beklagten Partei im Verhältnis zum Kläger, der in einem Staat klagt, dessen eigenes Recht seinem Standpunkt günstig ist. Eine solche Regelung ist daher unter den allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts zu verwerfen 2313 . Wenn das Recht des Forumstaates Fälle kennt, in denen das Vorliegen anspruchsver384
Paritätische Behandlung von inländischem und ausländischem Recht im Prozeß
§ 14
nichtender Tatsachen nicht nur auf Verlangen des beweispflichtigen Beklagten für das Gericht beachtlich ist, sondern vom Gericht von Amts wegen geprüft werden muß, so kann es nicht als unbillig gelten, daß das Gericht von Amts wegen prüft, ob inländisches oder ausländisches Recht maßgebend ist, und daß die klagende Partei eine Vorschußlast für diejenigen Kosten hat, die dadurch entstehen, daß das Gericht die maßgeblichen Inlandsund Auslandsverknüpfungen von Amts wegen zu ermitteln und den Inhalt des ausländischen Rechts von Amts wegen aufzuklären hat. Eine Zwischenlösung, nach der das Gericht von Amts wegen nur zu prüfen hätte, ob Inlandsverknüpfungen bestehen, welche die Anwendbarkeit von zwingendem inländischem Recht begründen, während Anwendbarkeit und Inhalt von ausländischem Recht durch eine für ihre Behauptung beweispflichtige Partei aufgeklärt werden müßten, ist deshalb nicht mit allgemeinen Prinzipien vereinbar, weil hierin immer noch eine Diskrimination zwischen ausländischem und inländischem Recht, und indirekt zwischen den an heterogen bzw. homogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen, liegt. Selbst wenn die Anordnungen des positiven Rechts über die Ermittlung des vom Gericht anzuwendenden Rechts die lex fori und ausländisches Recht im Prinzip paritätisch behandeln wollen, kommt es zu einer ungleichen Behandlung häufig im Revisions- oder Kassationsverfahren, wenn die Funktion des Revisions- bzw. Kassationsgerichts auf eine Prüfung der „Verletzung" von eigenem Recht des Forumstaates durch den Rechtsfindungsvorgang in der Vorinstanz beschränkt ist 2 3 2 . Das hat zunächst schon zur Folge, daß auch dort, wo der Kläger in der Tatsacheninstanz keine Rechtsausführungen zu machen braucht, bei der Anrufung des Revisions- oder Kassationsgerichts der angeblich verletzte Satz des eigenen Rechts ausdrücklich bezeichnet werden muß. Zu den in dieser Rechtskontrollinstanz zu überprüfenden Verletzungen des inländischen Rechts gehört aber stets auch die Verletzung der Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates 233 , soweit sie zur Folge hatte, daß anstelle eines in der Revisionsinstanz nicht überprüfbaren ausländischen Rechts unzulässigerweise das Recht des Forumstaates zur Anwendung gebracht wurde, oder wenn sie zur Folge hatte, daß anstelle des inländischen Rechts ausländisches Recht angewendet wurde, oder wenn ein falsches ausländisches Recht anstelle des richtigen zur Anwendung gebracht wurde. Soweit bei richtiger Anwendung der Kollisionsnormen des Forumstaates inländisches Recht zur Anwendung hätte kommen müssen, ist dies also stets ein Revisions- bzw. Kassationsgrund; dann aber muß auch die angeblich zu Unrecht erfolgte Ignorierung ausländischer rückverweisender Kollisionsnormen, und die angeblich zu Unrecht erfolgte Bejahung oder Verneinung der Gegenseitigkeit, wenn davon die Anwendbarkeit des inländischen Rechts abhängt, ein Revisionsgrund sein 234 . Eine im positiven Recht verankerte unparitätische Behandlung inländischen und ausländischen Rechts in der Revisionsinstanz ist vom Standpunkt des Postulats der Gleichbehandlung der verschiedenen Rechte und der Parteien beim gerichtlichen Rechtsschutz für heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse nicht weniger verwerflich als die verschiedenen Arten der unparitätischen Behandlung von inländischem und ausländischem Recht in den unteren Instanzen 235 . Keine korrekte Rechtsanwendung liegt auch darin, daß unter Umständen das Revisionsgericht an Hand der Tatsachen, die von der Vorinstanz im Zusammenhang mit der Anwendung ausländischen Rechts festgestellt wurden, zu dem Ergebnis kommt, es liege keine Beschwer des Revisionsklägers vor, weil die festgestellten Tatsachen auch unter dem richtigerweise anwendbaren eigenen Recht keine andere Sachentscheidung rechtfertigen: Welche Tatsachen für die Sachentscheidung wichtig und daher von der Tatsacheninstanz, sei es auf Grund des Parteivorbringens, sei es von Amts wegen, aufgeklärt werden mußten, das kann ja unter dem fälschlicherweise angewendeten Recht und unter dem richtigerweise anzuwendenden Recht verschieden sein. Widersprüchlich ist es, wenn in der Revisionsinstanz die Verletzung inländischen Rechts geprüft wird, obwohl 385
§ 14
Billigkeitsentscheidungen in heterogen verknüpften Streitsachen
dieses Recht nur deshalb zur Anwendung gebracht wurde, weil der Inhalt des maßgeblichen ausländischen Rechts nicht festgestellt werden konnte. d) Billigkeitsentscheidungen in heterogen verknüpften Streitsachen Manche Zivilprozeßrechte weisen den staadichen Richter an, etwa in Bagatellsachen nicht unter strikter Anwendung des positiven Rechts, sondern nach Billigkeit zu entscheiden 2 3 6 ; diese Anweisung gilt auch dann, wenn nach dem internationalen Privatrecht ein ausländisches Recht berufen ist. Dann sollte auch eine solche Vorschrift, die sich im Staat der fremden lex causae findet, im Forumstaat beachtet werden können. Es gibt Rechte, welche den Parteien ermöglichen, im Prozeß übereinstimmend eine Entscheidung nach Billigkeit anstelle der Anwendung des positiven Rechts zu verlangen 2 3 7 . Das läuft darauf hinaus, daß die internationalprivatrechtlichen Zuweisungen dieses Staates durchbrochen werden durch die Beachtlichkeit einer erst im Prozeß erfolgten Vereinbarung über die Wahl der Billigkeit als Statut für ein rechtsgeschäftlich begründetes, oder gar ein gesetzliches Rechtsverhältnis. Es ist nicht anzunehmen, daß die Anweisung an das Gericht, auf einverständliches Verlangen der Parteien hier nach Billigkeit zu entscheiden, das staatliche Gericht ermächtigen soll, von der Anwendung solcher Bestimmungen des zwingenden Rechts des Forumstaates abzusehen, die das Gericht auch dann anzuwenden gehabt hätte, wenn die Parteien vor dem Prozeß ihr Rechtsverhältnis zulässigerweise einem ausländischen Recht unterstellen konnten 238 . Wird dieser Vorbehalt nicht auch auf die Beachtung von zwingenden Bestimmungen des ausländischen Rechts erweitert, die das staatliche Gericht neben dem gewählten Geschäftsstatut hätte beachten müssen, so kann daran wieder die Anerkennung und Vollstreckung der Billigkeitsentscheidung in anderen Ländern scheitern 239 . e) Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in heterogen verknüpften Fällen und die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen und Vollstreckungsakte 1. Allgemeines Die „letzten" Maßnahmen des staatlichen Rechtsschutzes bestehen auch für subjektive Rechte des Privatrechts darin, daß staatliche Vollstreckungsorgane physische Gewalt gegen die persönliche Freiheit natürlicher Personen und den von ihnen innegehabten Besitz an Sachen anwenden. Unbestritten ist es, daß auf Grund der Bestimmungen des Völkerrechts über Gebietshoheit solche Akte physischer Gewaltanwendung auch zur Vollstreckung von Zivilurteilen normalerweise nur auf dem Staatsgebiet des Dienstherrenstaates des Vollstreckungsorgans gegen die dort befindlichen Menschen bzw. Sachen vorgenommen werden dürfen. Für alle Vollstreckungsakte steht ferner fest, daß eine konkrete Anweisung notwendig ist, die dem Vollstreckungsorgan eines Staates nur von einem anderen Organ des eigenen Staates gegeben werden kann; so kann die Vollstreckbarkeitserklärung für Leistungsurteile (einschließlich der Kostenerstattungsentscheidungen gegen den abgewiesenen Kläger), welche den Gerichtsvollzieher zur Wegnahme von Sachen beim Urteilsschuldner ermächtigt (bzw. in Verbindung mit einem Antrag des Urteilsgläubigers anweist), nur von einem Gericht desselben Staates herrühren, der den Gerichtsvollzieher in sein Amt eingesetzt hat. Ausländische Leistungsurteile werden, soweit überhaupt, nicht durch die vom entscheidenden Gericht erteilte Vollstreckungsklausel, sondern erst durch den individuellen Akt einer neuen Vollstreckungsanweisung durch ein Gericht des Vollstreckungsstaates zu einer Legitimation für den dortigen Gerichtsvollzieher 240 . Die Grundregel, daß die Vollstreckungsorgane nur auf Anweisung von gerichtlichen Organen des eigenen Staates zu handeln haben, hindert andererseits nicht, daß eine solche 386
Beachtlichkeit ausländischer Rechtsschutzakte im Forumstaat
§ 14
Anweisung zur näheren Bestimmung ihres Inhalts auf das Urteil aus einem anderen Staat verweist, und daß Urteile der inländischen Gerichte zur Begründung nicht nur auf ausländische Gesetze, sondern auch auf ausländische Staatsakte, und insbesondere ausländische Urteile, Bezug nehmen dürfen. Die Vornahme von Vollstreckungsakten innerhalb des Staatsgebietes des Dienstherrenstaates und die Erteilung der Anweisung zur Vornahme dürfen durch das öffentliche Recht oder das Privatrecht anderer Staaten keinesfalls zum Gegenstand von Geboten, Verboten und Haftungen für die beteiligten Staatsorgane gemacht werden. Hingegen würde das Völkerrecht nicht entgegenstehen, wenn in einem anderen Staat als dem Dienstherrenstaat des Vollstreckungsorgans die von Privatpersonen ausgehende „Anstiftung" zu Vollstreckungsakten als rechtswidrige Handlung nach dem Recht dieses anderen Staates bewertet würde, und daß die Anstifter für den indirekt angerichteten Schaden haftbar gemacht würden 241 . Daß derartiges wiederum unter den allgemeinen Leitprinzipien auf ganz besondere Fälle beschränkt sein sollte, ist eine andere Sache 24la . Die durch Völkerrecht begründete Beschränkung der „letzten" Rechtsschutzakte auf das Gebiet des Dienstherrenstaates des Vollstreckungsorgans hindert keineswegs, daß das menschliche Verhalten, dessen Verwirklichung durch solche Vollstreckungsakte erzwungen werden soll, Verhalten eines Privatrechtssubjekts auf dem Staatsgebiet anderer Staaten sein kann 242 , so daß Urteile eines Gerichts Aussagen darüber enthalten können, wie sich ein Privatrechtssubjekt auf dem Gebiet eines anderen Staates zu verhalten hat, wenn es Beugezwangsakte auf dem Gebiet des Urteilsstaates gegen sein dort befindliches Vermögen oder gar seine Person vermeiden will. Ob und wann Akte eines Gerichts auf Staatsakte fremder Staaten, die nicht Gesetze sind, Bezug nehmen dürfen, kann sich nur aus solchen Anweisungen ergeben, die als Rechtsanwendungsanweisungen im weiteren Sinne von dem dem Gericht vorgesetzten eigenen Gesetzgeber herrühren. Demgemäß bestehen neben den internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnormen im eigentlichen Sinne, welche auf normative Äußerungen des inländischen oder des ausländischen Gesetzgebers hinführen, meist auch solche Rechtsanwendungsanweisungen im weiteren Sinne, die auf ausländische Staatsakte hinführen, in denen das ausländische Organ behauptet, damit eine konkrete Rechtslage zwischen Privatrechtssubjekten 2423 verbindlich zu klären, oder in denen das Organ behauptet, auf Grund des anwendbaren Rechts Veränderungen einer konkreten Rechtslage hervorzubringen oder zu bestätigen. So haben fast alle Staaten Bestimmungen darüber, ob und unter welchen Bedingungen bei ihnen ausländische Gerichtsurteile „anerkannt" werden, und gegebenenfalls auf Grund der anerkannten Urteile Vollstreckungsakte erfolgen. Ferner werden im allgemeinen die Übertragungen von Vermögensrechten, die im Ausland durch ausländische Vollstreckungsorgane zwecks Vollstreckung eines dort anerkannten eigenen oder fremden Urteils vorgenommen worden sind, als wirksam betrachtet, auch wenn das damit vollstreckte Urteil außerhalb des Vollstreckungsstaates nicht hätte anerkannt und vollstreckt werden können, und sogar, wenn es dort mit dem Inhalt, den es hat, nicht hätte gefällt werden können 243 . 2. Die Tragweite der Rechtskraft der Entscheidungen der eigenen Gerichte des Forumstaates hei heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen In welchem Umfang einer gerichtlichen Entscheidung in der Rechtsordnung des Urteilsstaates Rechtskraft zukommen soll, regelt das Recht des Dienstherrenstaates des Gerichts. Diesem Recht ist etwa zu entnehmen, unter welchen Bedingungen eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens, oder eine sonstige Widerlegung der in der „Rechtskraft" enthaltenen Richtigkeitsvermutung für die Entscheidung inner387
§14
Rechtskraft in der Rechtsordnung des Urteilsstaates
halb desselben Staates möglich ist, wenn die entschiedene Frage in einem anderen gerichtlichen Verfahren erneut auftaucht. Insoweit ein Urteil schon eine, meist bedingte, Anweisung an die Vollstreckungsorgane des als Leistungsurteil abgefaßten Urteils enthält, will sie an die Vollstreckungsorgane des Forumstaates gerichtet sein. Eine Aussage, daß das Urteil nur von den eigenen Vollstreckungsorganen des Forumstaates, und nicht von ausländischen Vollstreckungsorganen vollstreckt werden wolle 244 , ist jedoch nicht zu unterstellen; sie wäre ohnehin für das ausländische Vollstreckungsorgan nicht bindend, wenn der ausländische Gesetzgeber dieses anweisen würde, fremde Urteile gegen ihren Willen zu vollstrecken. Wird der Urteilsgläubiger vor Vollstreckung des Urteils im Urteilsstaat dadurch befriedigt, daß schon zuvor aus dem Urteil oder einem gleichlautenden ausländischen Urteil im Ausland vollstreckt worden ist, so ist der Bedingung, daß die Vollstreckungsorgane des Urteilsstaates nicht tätig werden sollen, wenn der Urteilsgläubiger bereits auf andere Weise befriedigt worden ist, sicher Genüge getan 245 . Insoweit ein Urteil das Bestehen einer konkreten Leistungspflicht feststellt, folgt aus der Rechtskraft, daß im Urteilsstaat eine spätere Klage auf Feststellung des Nichtbestehens dieser Leistungspflicht ebenso abgewiesen werden muß, wie eine Klage, die das Bestehen der Leistungspflicht nochmals festgestellt haben will. Dies gilt, solange nicht neue Gesetze des Urteilsstaates ergangen sind, welche unter erkennbarer Absicht der Beseitigung der Rechtskraft der schon vorliegenden Urteile bestimmen, daß der pflichtbegründende Satz des inländischen Rechts, auf dem das Urteil beruht, mit rückwirkender Kraft beseitigt sei, oder daß anstelle des dem Urteil zugrunde liegenden ausländischen Rechtssatzes nunmehr ein anderer Satz des ausländischen oder inländischen Rechts rückwirkend maßgebend sei. Die Rechtskraft des Urteils, welches eine Verhaltenspflicht feststellt, bezieht sich also auf die Aussage im Urteil, daß die konkrete Verhaltenspflicht in der Rechtsordnung5a des Forumstaates unter dem dort zur Zeit des Urteils anzuwendenden Recht bestehe 246 . Diese Aussage kann sich mit der anderen Aussage decken, daß die konkrete Verhaltenspflicht sich durch Anwendung eines einzigen staatlichen Rechts, nämlich des zur Anwendung berufenen inländischen oder ausländischen Rechts, ergebe; es ist aber durchaus möglich, daß die konkrete Verhaltenspflicht „in der Rechtsordnung des Forumstaates" im Urteil nur bejaht werden konnte, wenn sie sich durch die vom Kollisionsrecht des Forumstaates vorgeschriebene kumulative Anwendung mehrerer staatlicher Privatrechte, also etwa des inländischen und eines bestimmten ausländischen Rechts, ergab. Bei kumulativer Anwendbarkeit mehrerer Rechte kann die Rechtsanwendungsanweisung aber auch so gefaßt gewesen sein, daß die konkrete Verhaltenspflicht nur dann bejaht werden darf, wenn sie einerseits bei Anwendung der inländischen Sachnorm durch diese gedeckt war, und wenn ferner feststand, daß die konkrete Verhaltenspflicht auch in einem bestimmten anderen Staat von den dortigen Gerichten als „in der Rechtsordnung" dieses anderen Staates zu Recht bestehend hätte bejaht werden müssen. Die Aussage, daß die im Urteilstenor als „in der Rechtsordnung des Forumstaates" bestehend festgestellte Verhaltenspflicht zugleich auch „in der Rechtsordnung" jenes anderen Staates bestehe, erfolgt aber hier nur als Beantwortung einer Teilfrage in der Urteilsbegründung; sie nimmt daher auch nicht an der Rechtskraft teil 247 . Die meisten Zivilprozeßrechte beschränken die zulässigen Gerichtsakte der Streitentscheidung nicht auf Leistungsurteile bzw. die Abweisung von Leistungsklagen oder negative Feststellungen, daß eine bestimmte Leistungspflicht in der Rechtsordnung des Forumstaates nicht bestehe, sondern ermöglichen auch Entscheidungen, welche feststellen, daß ein konkretes Rechtsverhältnis bestimmter Art zwischen bestimmten Personen gültigerweise besteht, ohne die sich daraus ergebenden konkreten Verhaltenspflichten im einzelnen zu bezeichnen; desgleichen gibt es Feststellungsurteile, wonach bestimmte Rechtsverhält388
Rechtskraft in der Rechtsordnung des Urteilsstaates
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nisse als Ganzes nicht oder nicht mehr bestehen. Auch diese Entscheidungen sind dahin zu verstehen, daß das Rechtsverhältnis „in der Rechtsordnung des Forumstaates" besteht usw. Eine solche Entscheidung entfaltet ihre Rechtskraft insbesondere dann, wenn später eine einzelne Verhaltenspflicht aus dem Rechtsverhältnis in demselben Staat eingeklagt wird; der Richter hat dann das „grundsätzliche" Bestehen des Rechtsverhältnisses nicht mehr zu prüfen. Die Rechtskraft einer Entscheidung, die sich über das grundsätzliche Bestehen eines Rechtsverhältnisses ausspricht, wirkt sodann vielfach auch, soweit das Bestehen, Nichtbestehen oder Nichtmehrbestehen des Rechtsverhältnisses in der Rechtsordnung des Forumstaates von einer eigenen Norm des Forumstaates zum Tatbestand für eine andere Rechtswirkung gemacht worden ist, und es in einem späteren Verfahren zur Anwendung dieser Norm kommt: Die von einem inländischen Gericht als durch Scheidung für die Rechtsordnung des Inlands aufgelöst erklärte Ehe zieht also etwa bei Anwendung des inländischen Erbrechts kein Intestaterbrecht mehr nach sich; die Vorfrage, ob die Ehe des Erblassers noch besteht, hat der Richter im Erbrechtsstreit als rechtskräftig verneint hinzunehmen. Die Rechtskraft des inländischen Scheidungsurteils würde jedoch allein schon dann nicht ausreichen, um das Erbrecht zu verneinen, wenn die anwendungswillige inländische Erbrechtsnorm z. B. bestimmen würde, daß das Intestaterbrecht des überlebenden Ehegatten am inländischen Vermögen eines ausländischen Erblassers nur dann entfällt, wenn die mit Wirkung für die Rechtsordnung des Inland als aufgelöst zu betrachtende Ehe auch in der Rechtsordnung des Heimatstaates des Erblassers als aufgelöst zu gelten hat. Ob das der Fall ist, ist eben durch das inländische Scheidungsurteil nicht beantwortet. Die Entscheidung einer Rechtsfrage nach dem Bestehen eines Rechtsverhältnisses äußert also für den Fall, daß die Frage später als Vorfrage auftaucht, ihre Rechtskraft nur insoweit, als die Frage in ihrer Eigenschaft als Vorfrage nach demselben Recht zu beantworten ist, nach dem sie im Forumstaat in ihrer Eigenschaft als Hauptfrage zu beantworten war. Es kann nun durchaus so sein, daß eine Rechtsfrage als Vorfrage gemäß dem für die Hauptfrage maßgebenden (inländischen oder ausländischen) Recht unter kumulativer oder alternativer Anwendung mehrerer Rechte geprüft werden muß, während sie in ihrer Eigenschaft als Hauptfrage nur nach einem einzigen Recht zu prüfen war 248 . Es kann insbesondere aber auch sein, daß eine Vorfrage nach ausdrücklicher Bestimmung des auf eine Hauptfrage anwendbaren Rechtssatzes nur dann bejaht werden darf, wenn die Vorfrage, als Hauptfrage gestellt, für die Rechtsordnung eines anderen Staates zu bejahen ist. Die Annahme, daß im Forumstaat die dort erfolgte Ehescheidung nicht genügt, um das Ehehindernis aus der Vorehe unter einem für die Frage nach der Fähigkeit zur Eingehung einer neuen Ehe berufenen ausländischen Recht zu beseitigen, wenn das inländische Scheidungsurteil in dem betreffenden fremden Staat nicht anerkannt wird, folgt einerseits aus der — vielleicht irreführend — als „Relativität der Rechtskraft" bezeichneten Tatsache, daß die rechtskraftfähige Feststellung eines Urteils über eine konkrete Rechtslage eben nur eine Feststellung der Rechtslage in der Rechtsordnung und für die Rechtsordnung des Forumstaates sein will, und andererseits aus einer Auslegung des vom Kollisionsrecht des Forumstaates berufenen Satzes im ausländischen Personalstatut über das Ehehindernis der Vorehe: Der Rechtssatz des ausländischen Staates will eben in einer in der Rechtsordnung dieses Staates bestehenden bzw. noch bestehenden Vorehe das Ehehindernis sehen 249 . Der Forumstaat kann dann höchstens die Regeln, auf Grund deren im Ehefähigkeitsstatut Ehen als aufgelöst gelten, mit eigenen Bestimmungen vergleichen, und eine Vorschrift des ausländischen Rechts wegen allzu krasser Abweichung ignorieren. Aus dem stillschweigenden Zusatz zum Tenor eines Urteils über das Bestehen einer Verhaltenspflicht oder das Bestehen eines ganzen Rechtsverhältnisses, daß es sich um die Beurteilung „in der Rechtsordnung des Forumstaates" handelt, ergibt sich die fehlende 389
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Rechtskraft von Entscheidungen über Teilfragen
Rechtskraft des Urteils bei der späteren Prüfung einer Vorfrage, für die es nicht, oder nicht allein, auf die Beurteilung der Dinge in der Rechtsordnung des Urteilsstaates, sondern darauf ankommen soll, wie die Rechtslage in der Rechtsordnung eines anderen Staates beurteilt wird 2 5 0 ' 2 5 1 . Viele Rechte ermöglichen sodann auch rechtskraftfähige Tatsachenfeststellungen, so etwa über die Echtheit einer Urkunde, über den Todeszeitpunkt eines Menschen, über die Abstammung eines Kindes usw., in einem gesonderten Verfahren. Hier wird es wichtig, daß solche Feststellungen oft darauf beruhen, daß das Recht an einen mit bestimmten Beweismitteln als erwiesen geltenden Tatbestand eine nur mit bestimmten anderen Beweismitteln zu widerlegende Vermutung für die schließlich in der Entscheidung als festgestellt erklärte Tatsache angeknüpft hat. Wird die Frage nach dem Bestehen einer Tatsache als Teilfrage in einem Verfahren gestellt, in dem die zur Entscheidung gestellte Hauptfrage etwa die Frage nach dem Bestehen einer Verhaltenspflicht ist, so ist es, wie früher gezeigt 252 , durchaus möglich und sogar erstrebenswert, daß das auf die Hauptfrage anzuwendende Recht auch mit seinen Bestimmungen über Vermutungen und die Widerlegung solcher Vermutungen und mit etwaigen Bestimmungen über die Beschränkung von Beweismitteln hinzuzuziehen ist: Sind dann mehrere Hauptfragen in verschiedenen Prozessen nach verschiedenen Rechten zu beurteilen, so muß möglicherweise die in derselben Weise formulierte Teilfrage in den verschiedenen Verfahren an Hand verschiedener Vermutungsregeln und Bestimmungen über Beweismittel gelöst werden 2 5 3 . Nur das Bedürfnis, im Forumstaat die materielle Harmonie bei der Beurteilung eng zusammenhängender Rechtslagen zu sichern, kann ausnahmsweise dazu führen, daß die Lösung der Teilfrage unter einem der verschiedenen für die Hauptfrage maßgeblichen Rechte auch bei der Lösung der Teilfrage unter einem anderen Hauptfragenstatut zugrunde gelegt werden muß. Das Ergebnis der inzidenter erfolgenden Prüfung einer Frage nach dem Bestehen einer Tatsache wird als solches im allgemeinen nicht rechtskräftig. Wird nun aber eine Frage, die in einem späteren Verfahren als Teilfrage wieder auftauchen könnte, zum Gegenstand eines selbständigen Verfahrens gemacht, welches mit einer rechtskräftigen Feststellung enden soll 254 , so entsteht die Frage, welchem Recht dann die gesetzlichen Vermutungen und Bestimmungen über Beweismittel zu entnehmen sind. Für solche in einem selbständigen Verfahren vor sich gehenden Tatsachenermittlungen ist anzunehmen, daß sie im Zweifel unter Verwendung derjenigen Vermutungen und Beweismittelregelungen vor sich zu gehen haben, die zu berücksichtigen wären, wenn die Frage als Teilfrage bei der Anwendung inländischen Rechts auf eine Hauptfrage aufgeworfen würde: Die Feststellung des Todeszeitpunktes oder der Abstammung eines nichtehelichen Kindes in einem besonderen Verfahren erfolgt durch das deutsche Gericht unter Verwendung der Vermutungen und Beweismittelregelungen des deutschen Rechts. Aber es gibt auch Fälle, in denen Vermutungen und Beweismittelregelungen des ausländischen Rechts zugrunde gelegt werden: Bei der gesonderten Feststellung der Nichtabstammung eines Kindes vom Ehemann der Mutter im Verfahren über die Anfechtung der Ehelichkeit kann angenommen werden, daß hier das ausländische Heimatrecht des Ehemannes zugrunde zu legen ist. Daraus, daß gerichtliche Feststellungen von Tatsachen rechtliche Bedeutung letztlich nur als Beantwortung von Teilfragen für das Bestehen von Verhaltenspflichten unter einem pflichtbegründenden Statut erlangen können, ergibt sich ohne weiteres eine Beschränkung der Rechtskraft derartiger in einem gesonderten Verfahren unter Anwendung der lex fori herbeigeführter Feststellungen: Sie können als rechtskräftige Beantwortung einer in einem späteren Verfahren über eine andere Hauptfrage aufgeworfenen Teilfrage nur dann gelten, wenn, bzw. insoweit, das Hauptfragenstatut vorsieht, daß für die Ermittlung der betreffenden Tatsache mit denselben Vermutungen und Beweismittelregelungen gearbeitet werden 390
Die ausländische Entscheidung als Faktum
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muß, die dem selbständigen Verfahren zugrunde gelegt worden sind. Die Feststellung, daß ein Mann gemäß deutschem Recht nicht als der nahezu hundertprozentig erwiesene Vater gelten kann, hindert daher die Verurteilung dieses Mannes zu Unterhaltungsleistungen, oder die abstrakte Feststellung seiner „väterlichen" Unterhaltspflichtigkeit in einem späteren Verfahren, nicht, wenn nach dem für die Unterhaltspflicht maßgebenden ausländischen Recht die Vermutung der Abstammung nur mit bestimmten Beweismitteln widerlegt werden kann 255 , oder wenn das für die Unterhaltspflicht maßgebende Statut eine gemeinschaftliche Unterhaltspflicht aller derjenigen vorsieht, die als mögliche Väter in Frage kommen, und bei denen die Unmöglichkeit der Abstammung nicht mit den dafür zugelassenen Beweismitteln erwiesen werden kann. 3. Die Bedeutung ausländischer rechtskräftiger Entscheidungen als Faktum unter dem im Forumstaat anwendbaren Recht Soweit eine Entscheidung über Rechtsfragen im Urteilsstaat Wirkungen, insbesondere Rechtskraftwirkungen, entfaltet, kann sie auch ohne Anerkennung oder gar Vollstreckbarkeit der Entscheidung in einem anderen Staat, und zwar als Faktum, unter dem dort anzuwendenden inländischen oder ausländischen Recht relevant werden: Erklären die Gerichte in einem bestimmten Staat sich oder andere Behörden dieses Staates zur Vornahme bestimmter Akte rechtskräftig als unzuständig, so kann dies für das Gericht in einem anderen Staat der endgültige Beweis dafür sein, daß jener Staat keine „Schutzmaßnahmen" treffen, keine „Abhilfe" für einen Mißstand schaffen will, und daß deshalb die Bedingungen für die Ausübung der subsidiären Zuständigkeit der Gerichte dieses anderen Staates, eventuell auch die Anwendbarkeit seines Rechts, gegeben ist 2 5 6 . Wird jemand in einem Land die Vornahme einer konkreten Handlung unter Androhung von Strafen durch eine konkrete rechtskräftige Entscheidung verboten, so kann der Richter in einem anderen Land daraus den Schluß ziehen, daß dem Verurteilten die Vornahme der fraglichen Handlung „unzumutbar" geworden ist, was z. B. von Bedeutung sein kann, wenn der Verurteilte in dem anderen Land als durch einen Vertrag zunächst einmal zur Vornahme der Handlung verpflichtet gilt. Wird in einem Land eine konkrete Rechtslage (Eigentum an einer Sache, Nichtbestehen einer Ehe) rechtskräftig im Verhältnis zwischen den Parteien an dem Verfahren, oder gar gegenüber allen, festgestellt, so kann der Glaube einer Person an die „Richtigkeit" der gerichtlichen Feststellung bei weiteren Rechtsgeschäften (Erwerb der Sache, Eingehung einer neuen Ehe) „guter Glaube" im Sinne der hierfür anwendbaren Rechtssätze sein, und auf diese Weise die rechtskräftige Entscheidung als Faktum von Bedeutung werden. Nicht selten ist ein bestimmtes Ergebnis der rechtlichen Stellungnahme eines bestimmten anderen Staates zu einer heterogen verknüpften Situation Tatbestandselement in einem im Forumstaat anzuwendenden Zivilrechtssatz; dann kann im allgemeinen in der in einer rechtskräftigen Entscheidung niedergelegten Äußerung der Gerichte des fremden Staates die fragliche Stellungnahme dieses Staates erblickt werden, ohne daß die Entscheidung geeignet wäre, im Forumstaat anerkannt und vollstreckt zu werden: Ist ein Staat bereit, aus dem auf seinem Gebiet befindlichen Nachlaß einem Miterben Ersatz für das zu verschaffen, was er an den im Ausland befindlichen Nachlaßteilen auf Grund des dort anwendbaren Rechts entgegen dem Standpunkt des Forumstaates nicht erhält 257 , so gibt sicher eine rechtskräftige Zuweisung von Nachlaß im Ausland an die anderen Miterben durch Gerichtsakt Anlaß zur Durchführung einer solchen Korrektur. Sind durch einen sowohl von der einen, als auch von der anderen Partei verschuldeten Unfall beide Parteien geschädigt, und ist die Haftung der im Forumstaat beklagten Partei für den Schaden des Klägers gemäß dem anzuwendenden Recht davon abhängig, daß der Kläger in seinem Wohnsitzstaat für die von ihm mitverursachte Schädigung des Beklagten nach den gleichen 391
§ 14
Anerkennung der Entscheidungen des Statutsstaates
Grundsätzen haftbar ist, wie er sie zu seinen Gunsten angewendet wissen will 2 5 8 , so muß eine rechtskräftige Entscheidung im Wohnsitzstaat des Klägers für die Vorfrage nach solcher Gegenseitigkeit sicher zugrunde gelegt werden, auch wenn die Entscheidung im Forumstaat aus irgendwelchen Gründen nicht vollstreckbar sein sollte. Stellt die Zuweisungsnorm des Forumstaates F darauf ab, wo jemand erlauhtermz&en seinen Wohnsitz hat 2 5 9 , so hindert eine rechtskräftige Ausweisung aus dem Land A, daß in F angenommen wird, daß der Ausgewiesene seinen Wohnsitz in A hat. 4. Die internationalprivatrechtliche Zuweisung an ausländisches Recht als implizierte Anerkennung rechtskräftiger Anwendungen des ausländischen Rechts durch Gerichte des Statutsstaates Die internationalprivatrechtliche Zuweisung an ein nationales Recht erfaßt nicht nur generelle (abstrakte) gesetzliche Regelungen, sondern auch Individualgesetze. Nicht selten werden konkrete Rechtswirkungen, die andere Staaten auf Grund abstrakter gesetzlicher Anordnungen eintreten lassen, in einem Staat nur durch Individualgesetz begründet: In einem „private act" begründet der Gesetzgeber in manchen Ländern juristische Personen; in Ländern, die keine Ehescheidungsgesetze haben, werden manchmal Ehen durch Individualgesetze aufgelöst; durch Einzelfallgesetze werden gelegentlich formungültige Ehen validiert, usw. Wenn es nun mit die auffälligste Wirkung der Rechtskraft von Gerichtsurteilen ist, daß objektiv unrichtige Anwendungen abstrakter Normen im Urteil rechtswirksam werden, so könnte man argumentieren, daß die Verweisung im internationalen Privatrecht des Forumstaates — etwa auf das Recht des gemeinsamen Heimatstaates als Scheidungsstatut — nicht nur zur Folge hat, daß das Gericht des Forumstaates dieses Scheidungsstatut selbst anzuwenden hat, wenn das Gericht für den Scheidungsprozeß international zuständig ist, sondern daß ohne weiteres rechtskräftige, und zwar richtige und falsche, Ehescheidungen durch die Gerichte des gemeinsamen Heimatstaates im Forumstaat wirksam werden, wenn nur das Gericht des gemeinsamen Heimatstaates versucht hat, gemäß diesem Recht zu entscheiden. Wird auch das unter unrichtiger Gesetzesanwendung des eigenen Rechts des Staates, der die lex causae stellt, gefällte Urteil im Urteilsstaat anerkannt, so kommt das ja der Anwendbarkeit eines Individualgesetzes im Staat des Scheidungsstatuts gleich, welches eine Scheidung verfügt, die nach den allgemeinen Scheidungsgesetzen nicht zu begründen war. Entsprechendes könnte aber auch für gerichtliche Entscheidungen aus dem Statutsstaat gelten, die nicht Gestaltungsakte sind, sondern die konkrete Rechtslage gemäß dem eigenen Recht dieses Staates, wie es im Forumstaat berufen ist, feststellend klären, oder vollstreckbare Leistungsurteile sein wollen. Die rechtskräftige Entscheidung will, wie dargelegt, die richtige Rechtslage für die Rechtsordnung des Gerichtsstaates feststellen und gegebenenfalls dessen Vollstreckungsorgane zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen anweisen. Sie kann und will andererseits dem nicht im Wege stehen, daß auch andere Staaten sie wie eine Entscheidung ihrer eigenen Gerichte behandeln, d. h. sie zu einer auch für die Rechtsordnung des anerkennenden Staates wirksamen Entscheidung machen. Das scheint vor allem dann durchaus sinnvoll zu sein, wenn das entscheidende Gericht die Entscheidung gemäß dem anwendungswilligen eigenen Recht dieses Staates, das zugleich auch in dem anerkennenden Staat als berufen gilt, zu bilden behauptet hat. Das gilt in besonderem Maße, wenn alle für das maßgebliche Recht verwendbaren Verknüpfungen zu einem einzigen Staat hingehen, aber Gerichtsstände auch in anderen Staaten begründet sind. Die Idee, im Forumstaat konkrete rechtskräftige Ergebnisse der gerichtlichen Anwendung des im Forumstaat berufenen ausländischen Rechts, die von Gerichten des Statutsstaates herrühren, als durch die Zuweisungsnorm auf das ausländische Recht mit erfaßt zu 392
Rechtskräftige Entscheidungen aus dem Statutsstaat
§14
betrachten, ist besonders wichtig für die o b e n 2 6 0 e r w ä h n t e n Fälle, in denen im Forumstaat Rechtsfragen, wenn sie als Vorfragen auftauchen, nach einem Recht beurteilt werden m ü s sen, welches nicht angewendet werden könnte, falls über dieselbe Frage als H a u p t f r a g e in diesem Forumstaat zu entscheiden wäre: Sollen bei Anwendung des eigenen Erbrechts des Forumstaates als Kinder des Erblassers sowohl diejenigen erben, denen zu Lebzeiten des Erblassers im Forumstaat gemäß dessen Heimatrecht die familienrechtliche Stellung legitimer Kinder z u k a m , als auch solche, die in dem vom Heimatstaat verschiedenen Wohnsitzstaat des Erblassers gemäß dem dortigen Familienrecht als legitime Kinder behandelt werden mußten und behandelt wurden, so könnte ja die Frage nach der familienrechtlichen Stellung eines Kindes, wenn sie vor einem Gericht im Staat des Erbstatuts als Hauptfrage gestellt würde, keinesfalls unter Anwendung des ausländischen Wohnsitzrechts rechtskräftig entschieden worden sein oder noch nachträglich entschieden werden; dann liegt es offenbar besonders nahe, eine rechtskräftige Entscheidung der Gerichte des Wohnsitzstaates, welche Anwendung des Wohnsitzrechtes sein will, auch im Staat des Erbstatuts zu beachten. Gewisse Rechtsfragen sind praktisch überhaupt nur im Statutsstaat als Gegenstand einer aus einem besonderen Verfahren hervorgehenden selbständigen Entscheidung denkbar. D a z u gehören vor allem Fragen des öffentlichen Rechts, oder die Frage nach dem Besitz der Staatsangehörigkeit eines Staates: Ist im Forumstaat F die Anwendung des Rechtes A davon abhängig, daß eine Person X die Staatsangehörigkeit von A in einem bestimmten Zeitpunkt besitzt, und liegt für diese Frage eine rechtskräftige (positive oder negative) Entscheidung aus dem Staat A vor, so ist dieses Ergebnis bei der H a n d h a b u n g des Kollisionsrechts von F oder von fremdenrechtlichen Bestimmungen dieses Staates durch seine Gerichte zugrunde zu legen. Ist nach dem internationalen Privatrecht des Staates, für den sich die Frage der Anerkennung des ausländischen Urteils stellt, bei der Entscheidung über die zu beantwortende H a u p t f r a g e nicht bloß ein einziges ausländisches Recht heranzuziehen, sondern sind mehrere Rechte alternativ berufen, so kann ein ausländisches Urteil nur dann als Urteil des Statutsstaates gelten, wenn nicht im Forumstaat das andere der alternativ berufenen Rechte angewendet werden müßte. Sieht das internationale Privatrecht des Forumstaates kumulative Anwendung mehrerer Rechte vor, so können höchstens übereinstimmende Entscheidungen der Urheberstaaten als „Entscheidung im Statutsstaat" gelten. Ist im Urteilsstaat und im Forumstaat auf die gestellte H a u p t f r a g e „grundsätzlich" ein und dasselbe Recht anwendbar, ist aber für einzelne Teil- oder Vorfragen infolge selbständiger Zuweisung im Forumstaat dort ein anderes Recht berufen als im Urteilsstaat, so stellt sich die später noch zu behandelnde Frage, o b dem Urteil aus dem Staat, der sein Recht auf die Hauptfrage zur Anwendung gebracht hat, die A n w e n d u n g deshalb zu versagen ist, weil auf eine Teil- oder Vorfrage ein anderes Recht als dasjenige angewendet wurde, das im Forumstaat hierfür berufen gewesen wäre. Eine Respektierung des rechtskräftigen Ergebnisses der Anwendung ausländischen Rechts durch ein Gericht des Statutsstaates, wenn und weil nach dem Kollisionsrecht eines anderen Staates dieses ausländische Recht berufen ist, ist dann nicht durchführbar, wenn im Forumstaat bereits eine auf Anwendung des ausländischen Rechts beruhende rechtskräftige Entscheidung durch die Gerichte des Forumstaates möglich war, und vor der Entscheidung im Statutsstaat erfolgt ist; die Rechtskraft des inländischen Urteils würde sicher der Rechtskraft des späteren Urteils der Gerichte des Statutsstaates vorgehen müssen. Sie würde ihm sogar dann vorgehen, wenn der Statutsstaat eine ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte zur gerichtlichen Anwendung von Bestimmungen seines eigenen Rechts beanspruchen würde, und wenn nach den Gesetzen des Forumstaates dessen Gerichte unter diesen Umständen keine internationale Zuständigkeit ausüben dürften, aber im Einzelfall 393
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Die Anerkennung von Entscheidungen aus anderen Staaten
eine im Forumstaat rechtskräftige Entscheidung unter Verletzung dieses Verbots zustandegekommen ist. Ignoriert der Forumstaat die vom Statutsstaat dessen Gerichten zugebilligte ausschließliche Zuständigkeit, d. h. gibt er seinen eigenen Gerichten auch in diesem Fall internationale Zuständigkeit, so wäre es eine Diskriminierung gegenüber dritten Staaten, wenn die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen auf solche beschränkt wäre, die von Gerichten des Statutsstaates herrühren. Die meisten Staaten bilden daher besondere Regeln über die Anerkennung der Ergebnisse der Anwendung irgendwelcher Rechtssätze im Verfahren vor ausländischen Gerichten, ohne daß es sich dabei um den Statutsstaat handeln muß. Neben anderen Erfordernissen für die Anerkennung muß das entscheidende Gericht vom Standpunkt des Staates, für dessen Rechtsordnung die Anerkennung in Frage steht, internationale Zuständigkeit besessen haben. Der Umstand, daß das Gericht eines Staates dessen eigenes Recht angewendet hat, und daß dasselbe Recht auch im Forumstaat von dessen Gerichten anzuwenden gewesen wäre, kann als eine der Verknüpfungen erklärt werden, welche die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaates im Sinne der Vorschriften des anerkennenden Staates begründen. Darüber hinaus aber kann der Umstand, daß im Statutsstaat die Ergebnisse der Anwendung seines Rechts durch Gerichte dritter Staaten anerkannt werden, seinerseits als eine Rechtfertigung für die Anerkennung dieser Entscheidungen im Forumstaat betrachtet werden 261 . Der Gedanke, den Richter des Statutsstaates in dem Staat, der in seinem internationalen Privatrecht anwendungswilliges ausländisches Recht berufen hat, im Zusammenhang mit der Anerkennung der Ergebnisse der Anwendung des ausländischen Rechts durch ausländische Gerichte als den „natürlichen" oder „nächstberechtigten" Richter zu betrachten, wird im positiven Recht allerdings meist auf bestimmte Arten von Entscheidungen beschränkt, und zwar vorzugsweise auf konstitutive richterliche Feststellungen der Begründung eines Rechtsverhältnisses, oder-konstitutive richterliche Feststellungen der Rechtmäßigkeit der Ausübung von Gestaltungsrechten; es handelt sich also um solche Staatsakte, die vielfach schwer von den Staatsakten zu trennen sind, bei denen das zuständige Organ nach dem maßgeblichen Recht selbst ein Ermessen zur Gestaltung besitzt. Daß ein unter Anwendung des Rechtes A ergangenes Leistungsurteil der Gerichte von A in einem Staat F allein deshalb anerkennungsfähig sein sollte, weil das angewendete Recht A auch sowohl in A als auch in F das berufene Recht ist, dieser Gedanke ist den meisten positiven Rechten zwar fremd, doch kann im Forumstaat das forum non conveniens-Prinzip so gehandhabt werden, daß die Parteien genötigt werden, das Verfahren über eine Leistungsklage vor die konkurrierend zuständigen Gerichte des Statutsstaates zu bringen. Der Gedanke der vorrangigen Zuständigkeit des Statutsstaates zur gerichtlichen Anwendung seines Rechts kann jedoch darin zum Ausdruck kommen, daß die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte des Statutsstaates im Vergleich mit der Anerkennung von Entscheidungen der Gerichte dritter Staaten erleichtert wird. Die Erleichterung kann z. B. darin bestehen, daß die Anerkennung von Entscheidungen des Statutsstaates nicht von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht wird, oder daß die Nachprüfung der Richtigkeit des Rechtsanwendungsvorgangs mehr eingeschränkt wird, als dies bei Entscheidungen der Gerichte dritter Staaten der Fall ist. 5. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Urteilsstaates in der Sicht des anerkennenden Staates als Voraussetzung der Anerkennung der Entscheidung Hauptvoraussetzung für eine Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen auf Grund der besonderen Regeln hierfür ist, daß der Staat, in dem die Anerkennung begehrt wird, dem ausländischen Gericht für die Zwecke der Anerkennung seiner Entscheidungen internationale Zuständigkeit zubilligt. Diese internationale Zuständigkeit fremder Gerichte 394
Internationale Zuständigkeit als Anerkennungs Voraussetzung
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wird oft unter analoger Anwendung der Vorschriften beurteilt, welche der Anerkennungsstaat für die Zuständigkeit der eigenen Gerichte aufgestellt hat 262 . Wird für die eigenen Gerichte des um Anerkennung ersuchten Staates ausschließliche internationale Zuständigkeit in Anspruch genommen, so bedeutet dies, daß die Anerkennung ausländischer Urteile insoweit grundsätzlich abgelehnt wird. Der anerkennende Staat kann auch eine von den Verknüpfungen für die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte abweichende Liste derjenigen Verknüpfungen bilden, die ein ausländisches Gericht für die Zwecke der Anerkennung seiner Entscheidungen als international zuständig erkennen lassen 263 . Es ist insbesondere möglich, daß ein Staat mit der Bejahung der internationalen Zuständigkeit ausländischer Gerichte großzügiger ist als bei der Ausstattung der eigenen Gerichte mit internationaler Zuständigkeit264; es wäre denkbar, daß die Entscheidungen eines jeden ausländischen Gerichts, dem der Dienstherrenstaat in völkerrechtlich zulässiger Weise internationale Zuständigkeit verschaffen konnte, für die Anerkennung in Frage kommen. Ob das fremde Gericht internationale Zuständigkeit im Sinne des Rechtes des um Anerkennung ersuchten Staates besaß, ist im Zweifel in vollem Umfang durch die Gerichte des letzteren Staates nachprüfbar265; möglich ist jedoch, daß das Gericht an die Tatbestandsfeststellungen, auf Grund deren die internationale Zuständigkeit im Urteilsstaat bejaht wurde, gebunden sein soll; dazu wird indes wohl meist Gegenseitigkeit erfordert 266 . Analog der Gesamtverweisung auf fremdes Recht kann der um Anerkennung ersuchte Staat auch eine Bestimmung bilden, wonach zur Anerkennung nicht nur Entscheidungen solcher ausländischen Gerichte in Frage kommen, die von dem anerkennenden Staat unmittelbar als mit internationaler Zuständigkeit versehen betrachtet werden, sondern auch Entscheidungen der Gerichte dritter Staaten, die in einem Staat anerkannt werden, dessen eigene Gerichte vom Standpunkt des um Anerkennung ersuchten Staates her Zuständigkeit haben 267 ; das wird allerdings praktisch wohl meist auf rechtsgestaltende und konstitutive Urteile beschränkt. 6. Die Bedeutung der der ausländischen Entscheidung zugrunde gelegten normen für die Anerkennung
Kollisions-
Die Rechtskraft der im streitigen oder nichtstreitigen Verfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen deckt im Urteilsstaat, vorbehaltlich der Gründe für ein Wiederaufnahmeverfahren, in aller Regel die unrichtige Anwendung des als anwendbar betrachteten Rechts, und zugleich auch die unrichtige Anwendung der internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates. Wird nun eine ausländische Gerichtsentscheidung ohne Rücksicht auf die ihr zugrunde gelegten Kollisionsnormen anerkannt, so bedeutet dies im Effekt, daß der anerkennende Staat neben seinem eigenen System internationalprivatrechtlicher Rechtsanwendungsanweisungen noch eine Gesamtverweisung auf das ausländische internationale Privatrecht aller anderen Staaten hat, deren Gerichten internationale Zuständigkeit zur Klärung der konkreten Rechtslage und Anerkennungsfähigkeit ihrer Entscheidungen zugestanden wird; dieses zweite Kollisionsrecht kommt dann zum Zuge, wenn zuerst in einem solchen anderen Staat geklagt wird, wenn die Rechtshängigkeit des Verfahrens im Ausland der Sachentscheidung des inländischen Gerichts im Wege steht, und später Anerkennung der ausländischen Entscheidung begehrt wird. Besonders deutlich ist das, wenn der Forumstaat die Auflösung einer Ehe durch ausländische Gerichtsentscheidung nicht nur dann annimmt, wenn dieses Ergebnis auch nach dem im Forumstaat berufenen Recht (d. h. dem Recht, welches seine Gerichte anzuwenden gehabt hätten) begründet ist, sondern wenn er Scheidungsurteile ausländischer Gerichte anerkennt, obwohl sie unter Anwendung eines für die Scheidung günstigeren Rechts zustande gekommen sind. Da es wohl nirgendwo eine Klage auf Feststellung dessen gibt, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt für den anderen Ehegatten kein Grund zur 395
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Verschiedenheit der Kollisionsnormen als Anerkennungshindernis
Scheidung der Ehe vorliege, läuft gerade die Eignung ausländischer Urteile in Scheidungssachen zur Anerkennung ohne Rücksicht auf das angewendete Recht im Anerkennungsstaat auf eine alternative Anwendung der zur Eheauflösung führenden Gesetze hinaus, sofern sie nur in einem Staat berufen sind, dem der Anerkennungsstaat internationale Zuständigkeit zur gerichtlichen Entscheidung über diese Frage zuerkennt 2673 . Eine Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen, die auf Grund eines von dem konkurrierend zuständigen inländischen Gericht nicht anwendbaren Rechtssatzes ergangen sind, kann nun in der Tat gerechtfertigt sein, wenn ein Staat zwecks Begünstigung eines bestimmten Ergebnisses die alternative Anwendung ausländischen Rechts neben seinem eigenen Recht vorsehen, aber die Anwendung des ausländischen Rechts den Gerichten des Urheberstaates überlassen möchte. So kann eine Regelung erklärt werden, bei der ein Staat seine eigenen Staatsangehörigen mit Auslandswohnsitz durch seine eigenen Gerichte unter Anwendung seines eigenen Rechts scheiden läßt, und zugleich Scheidungsurteile des Domizillandes, die unter Anwendung des Rechts dieses Staates ergangen sind, anerkennt. In einem solchen Fall sollte der betreffende Staat allerdings nicht gegenüber Ausländern genau umgekehrt verfahren, indem er für deren Scheidung durch seine wegen Wohnsitzes zuständigen Gerichte die kumulative Anwendung des Heimatrechtes und der lex fori vorsieht 268 . Dort, wo die Rechtsfrage so gefaßt ist, daß eine alternative Anwendung mehrerer Rechte auch durch die Gerichte des Forumstaates undurchführbar wäre 269 , hat das seine Folgen auch für die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen: Da für die Frage, „von wem jemand beerbt worden ist", keine alternative Anwendung mehrerer Rechte für die eigenen Gerichte vorgesehen werden kann, würde die Anerkennung der rechtskräftigen Beantwortung dieser Frage durch eines der mehreren Gerichte, denen der Forumstaat hierfür internationale Zuständigkeit zubilligt, zur Folge haben, daß jeweils dasjenige internationale Privatrecht des Staates zum Zuge kommt, in welchem es zuerst zu einer Entscheidung der Frage gekommen ist, oder in dem zuerst ein auf eine solche Entscheidung gerichtetes Verfahren anhängig gemacht wurde. Das ist z. B. in Erbsachen offensichtlich untragbar 2693 . Wo sowohl klagabweisende, als auch der Klage stattgebende ausländische Urteile für die Anerkennung in Frage kommen 269b , spielt bei Leistungsklagen ein anderer Gesichtspunkt eine Rolle: Geht man davon aus, daß die Bereitschaft eines Staates, durch seine eigenen Behörden in Gestalt von Zwangsvollstreckungsakten Unrechtsfolgen zu realisieren, falls die von seinem internationalen Privatrecht berufenen inländischen oder ausländischen Verhaltensgebote nicht befolgt worden sind, eine verhaltenssteuernde psychologische Wirkung hat 270 , so wird diese Wirkung offenbar entkräftet, wenn der Staat seine Bereitschaft zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen nicht mit der Bedingung versieht, daß dabei das ausländische Gericht nicht abweichende Verhaltensnormen zur Beurteilung des vor dem Prozeß vor sich gegangenen Verhaltens der Parteien zugrunde gelegt hat. Auch der Gedanke, daß das von irgendeinem nach Ansicht des Anerkennungsstaates international zuständigen Gericht gefällte rechtskräftige Urteil in einem Streit jedenfalls doch den „Rechtsfrieden" zwischen den Parteien hergestellt habe 271 , und daß das Urteil deshalb ohne Rücksicht darauf, daß ein falsches Recht angewendet wurde, anerkannt werden sollte, spricht hier nicht entscheidend für die Anerkennung des unter Zugrundelegung eines inhaltlich anders gestalteten Rechts gebildeten ausländischen Urteils. Ein Nebeneinander der Berufung mehrerer Rechte mit möglicherweise widersprüchlichen Verhaltensnormen unter endgültiger Bevorzugung des Rechtes des Landes, in dem zuerst geklagt wird, ist durch kein allgemeines Postulat des internationalen Privatrechts abzudecken 272 . Die Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen, die eine widersprüchliche Verhaltensnorm zu der im Forumstaat berufenen Verhaltensnorm zugrunde gelegt haben, sollte dann 396
Anerkennung trotz abweichenden Kollisionsrechts
auch nicht auf den Fall beschränkt sein, daß das fremde Urteil anstelle einer anwendungswilligen Norm aus dem Recht des um Anerkennung ersuchten Staates eine andere Norm zur Anwendung gebracht hat 273 , sondern sollte auch diejenigen Fälle erfassen, in denen das fremde Gericht das Recht eines dritten Staates anstelle des im Forumstaat berufenen Rechts eines vierten Staates angewendet hat. Ging es in dem im Ausland entschiedenen Streit aber nicht um die Frage, wie sich die Parteien hätten verhalten müssen, sondern nur um ihre Leistungspflichten anläßlich eines unverschuldeten Ereignisses, so ist es das Erfordernis der Gleichbehandlung der Parteien, welches dem entgegen steht, daß der mit der Anrufung eines Gerichts besonders eifrige Kläger sich einen Forumstaat aussuchen konnte, dessen Kollisionsrecht zu einem materiellen Recht führt, das die dem Kläger günstigste Regelung enthält, während die Partei, von der Leistung begehrt wird, sich nur selten veranlaßt sieht, einer Klage auf Leistung in der Weise zuvorzukommen, daß sie negative Feststellungsklage in einem anderen Land erhebt, wo das anzuwendende Recht ihr günstiger ist, soweit dort überhaupt eine solche negative Feststellungsklage zugelassen wird. Schon im homogen verknüpften Bereich ist es häufig umstritten, inwieweit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung auch davon abhängen soll, auf Grund welcher Rechtssätze die Entscheidung zustandegekommen ist, bzw. welche Rechtssätze auf den Klaganspruch in dem betreffenden Verfahren nicht angewendet wurden bzw. angewendet werden durften. Auch damit werden der Anerkennung ausländischer Entscheidungen, soweit sie auf Grund anderer als der im Anerkennungsland berufenen Normen zustandegekommen sind, Schranken gesetzt. Das Bedürfnis, die indirekt das Verhalten der Parteien vor dem Prozeß steuernde Wirkung der an die eigenen Gerichte gerichteten Rechtsanwendungsanweisungen des um Anerkennung ersuchten Staates nicht zu entkräften, entfällt, wenn die Parteien in dem für ihre Verhaltensentschlüsse kritischen Zeitpunkt mit diesem Forumstaat nicht zu rechnen brauchten, insbesondere weil damals keine die internationale Zuständigkeit seiner Gerichte begründende Verknüpfung zu ihm bestand. Hätten aber die Gerichte schon damals in den meisten Staaten, die mit internationaler Zuständigkeit ausgestattet waren, dasselbe Recht zur Anwendung bringen müssen, welches die Kollisionsnormen des nachher um Anerkennung eines ausländischen Urteils ersuchten Staates bezeichnen, so läßt sich immer noch vertreten, daß die Anerkennung der Entscheidung des Urteilsstaates abgelehnt wird, wenn ihr ein anderes Recht zugrunde liegt. Hätte in keinem anderen im kritischen Zeitpunkt beteiligten Staat dasselbe Recht angewendet werden müssen, wie es die Kollisionsnormen des Staates bezeichnen, in dem später Anerkennung einer anderswo ergangenen Entscheidung begehrt wird, so wird das Postulat, wonach der „unbeteiligte" Staat sich in Bezug auf das anzuwendende Recht dem von der Mehrheit der „beteiligten" Staaten eingenommenen Standpunkt anschließen sollte 274 , praktisch gerade dadurch verwirklicht werden, daß der unbeteiligte Staat die Entscheidung des Gerichts eines dieser anderen Staaten anerkennt, auch wenn ihnen ein abweichendes Internationalprivatrecht zugrunde liegt. Ist der Prozeß von den beteiligten Parteien einverständlich in einem bestimmten Land anhängig gemacht worden 275 , dessen internationales Privatrecht von dem des Staates abweicht, in dem später Anerkennung der Entscheidung von der obsiegenden Partei begehrt wird, so entfällt das Bedenken, durch Anerkennung des ausländischen Urteils diejenige Partei zu begünstigen, die den Rechtsstreit als erste in demjenigen Staat anhängig gemacht hat, in dem das anzuwendende Recht für sie günstig und für die Gegenseite ungünstig ist. Auch dann wird aber die Anerkennung der ergangenen Entscheidung in einem anderen Land sicher verweigert werden, wenn das anzuerkennende Urteil auf einem materiellen Rechtssatz beruht, der von dem eigenen materiellen Recht des Anerkennungsstaates allzu kraß abweicht. Dem ist der Fall gleichzusetzen, wo das Einverständnis beider 397
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Abweichendes Kollisionsrecht als Anerkennungshindernis
Parteien mit dem ausländischen Gerichtsstand durch die Erwägung bestimmt war, der Anwendung eines auch durch Rechtswahl nicht auszuschaltenden zwingenden Rechtssatzes durch die Gerichte des Landes, in dem später Anerkennung begehrt wird, aus dem Wege zu gehen. Ist mit der Wahl eines ausschließlichen Gerichtsstandes durch die Parteien an einem Rechtsgeschäft nicht die ausdrückliche Unterwerfung eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts unter das Recht des Gerichtslandes verbunden, und k o m m e n selbständig angeknüpfte zwingende Sätze eines anderen Rechts nicht in Betracht, so sollte die Anerkennung des ausländischen Urteils nicht daran scheitern, daß das gewählte Gericht als gesetzliches Geschäftsstatut an H a n d seiner Kollisionsnormen ein anderes Recht ermittelt hat, als es in dem u m Anerkennung ersuchten Staat geschehen wäre. Hier kann eine auch vom Kollisionsrecht des späteren Anerkennungsstaates gebilligte indirekte Wahl des Geschäftsstatuts vorliegen, soweit nicht bestimmte Rechtssätze als nicht abwählbar g e l t e n 2 7 6 . Hatten die Parteien an einem rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnis, insbesondere einem solchen des Vermögensrechts, die Möglichkeit, im Zusammenhang mit dem Rechtsgeschäft einen ausschließlichen Gerichtsstand zu vereinbaren, und haben sie es nicht getan, so könnte ihnen die Absicht unterstellt werden, ihr Rechtsverhältnis so zu „regeln", daß jede Partei dadurch, daß sie als erste ein Verfahren bei einem der konkurrierend zuständigen Gerichte in verschiedenen Ländern anhängig macht, ein Recht ausübt, das Geschäftsstatut bei dieser Gelegenheit einseitig, und zwar über die Rechtsanwendungsanweisungen des angegangenen Gerichts, zu bestimmen. O b w o h l es zu bezweifeln ist, daß dies in der Regel dem hypothetischen Parteiwillen entspricht, steht dieser G e d a n k e offenbar hinter einigen Staatsverträgen, welche die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen unter den Vertragsstaaten bei derartigen Rechtsverhältnissen nicht daran scheitern lassen wollen, daß das im Urteil angewendete Recht ein anderes ist als dasjenige, welches im Anerkennungsstaat hätte angewendet werden m ü s s e n 2 7 7 . Anstatt darauf abzustellen, o b und wann die Realisierung der im internationalen Privatrecht eines Staates berufenen Verhaltensnormen dadurch gefährdet werden, daß dieser Staat sich bereit erklärt, ausländische Entscheidungen anzuerkennen, denen ein anderes Recht zugrunde liegt als das von den Zuweisungsnormen des Anerkennungsstaates bezeichnete Recht, wird in einigen L ä n d e r n 2 7 8 , sowie in manchen vertraglichen Regelung e n 2 7 9 , die Anerkennung ausländischer Urteile nur verweigert, wenn ganz bestimmte im Anerkennungsstaat durch dessen internationales Privatrecht berufene Rechtssätze v o m ausländischen Gericht nicht, und vielleicht auch nicht gleichlautende Sätze eines anderen Rechts, angewendet worden sind. Eine plausible Begründung kann hierfür durchweg nicht gegeben w e r d e n 2 8 0 . Ist zur Anerkennung der ausländischen Entscheidung Gegenseitigkeit erforderlich 2 8 1 , so scheitert die Anerkennung, wenn zwar nicht der Anerkennungsstaat, wohl aber der andere Staat daran Anstoß nimmt, daß dem anzuerkennenden Urteil ein anderes Recht zugrunde liegt als das vom internationalen Privatrecht des Anerkennungsstaates bezeichnete Recht. Ist ein Staat durch völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet, bestimmte international verknüpfte Situationen nach einem bestimmten staatlichen Recht, oder gar nach einem international vereinheitlichten Spezialrecht, „beurteilen zu lassen", so darf er diese Verpflichtung nicht dadurch umgehen, daß er Entscheidungen aus Ländern, die nicht Vertragsstaaten sind, und denen ein anderes Recht zugrunde gelegt worden ist, anerkennt und eventuell vollstreckt. Selbst wenn aber in der Verschiedenheit der Kollisionsrechte des Urteilsstaates und des Anerkennungslandes kein grundsätzliches H e m m n i s gegenüber der Anerkennung gesehen wird, so ist doch in dem um Anerkennung ersuchten Staat die ordre public-Klau398
Anerkennung ausländischer Entscheidungen und ordre public-Klausel
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s e j 2 8 i a Q f t j j j j j u z u verstehen, daß jedenfalls krasse Abweichungen des dem ausländischen Urteil zugrunde liegenden Kollisionsrechts von dem des Anerkennungslandes Anlaß zur Nichtanerkennung des Urteils sein können. Das gilt z. B. dann, wenn das fremde internationale Privatrecht in höherem Maße unparitätisch gestaltet ist als das internationale Privatrecht des Anerkennungslandes, oder wenn das internationale Privatrecht des Urteilsstaates durch alternative oder kumulative Berufung mehrerer Rechte ein bestimmtes materiellrechtliches Ergebnis fördern will, während in dem Anerkennungsland das Gegenteil gilt. Wichtig wird vor allem auch der Fall, daß bei pflichtbegriindenden Rechtsgeschäften die selbständig angeknüpften Bestimmungen anderer Staaten als des Geschäftsstatuts, welche gesetzliche Gültigkeitserfordernisse aufstellen oder bestimmte Klauseln als ungültig erklären, in einigen Staaten zur Anwendung gebracht werden, während dies von einer anderen Gruppe von Staaten verweigert wird. Dann wird diejenige Partei, die an der Gültigkeit des Geschäfts bzw. der Klausel interessiert ist, verständlicherweise auf Leistung in einem Staat klagen, wo die gültigkeitshemmenden Bestimmungen anderer Staaten als des Geschäftsstatuts nicht als anwendbar gelten. Wird dann der Klage stattgegeben, so wird ein um Anerkennung ersuchtes Land diese leicht mit Hilfe seiner negativen ordre public-Klausel verweigern, wenn gerade seine Gerichte jene gültigkeitshemmende Bestimmung anzuwenden gehabt hätten 282 . Wird in dem vom Kläger gewählten Gerichtsstaat seine Klage abgewiesen, aber nicht deshalb abgewiesen, weil im Gerichtsstaat die im Anerkennungsstaat berufene Norm, die die Gültigkeit des Geschäfts hemmt, zur Anwendung gebracht wurde, so besteht kein Grund, um der ausländischen Entscheidung die Anerkennung zu versagen. Wird die erhobene Klage von dem angegangenen Gericht abgewiesen, weil dort ein die Gültigkeit des Geschäfts hemmender Rechtssatz eines Staates zur Anwendung gebracht wurde, der in dem um Anerkennung ersuchten Staat nicht zur Anwendung gelangt wäre, so ist trotzdem die Anerkennung dann nicht zu verweigern, wenn im Anerkennungsstaat die Anwendbarkeit eines die Geschäftsgültigkeit hemmenden Satzes eines anderen Staates zu demselben Ergebnis geführt hätte. Wenn der Klage im Anerkennungsstaat hätte stattgegeben werden müssen, hat der Kläger das Risiko zu tragen, daß er nicht vor dem Gericht dieses Staates geklagt hat, und die Abweisung seiner Klage auf einen gültigkeitshemmenden Rechtssatz eines nur im Urteilsstaat berufenen Rechts gestützt worden ist; dann kann sich die obsiegende Gegenpartei auf das Urteil berufen.
Steht der Anerkennungsstaat nicht auf dem Standpunkt, daß in dem anzuerkennenden ausländischen Urteil unbedingt jeder anwendungswillige Satz aus dem Recht des Anerkennungsstaates zur Anwendung gebracht worden sein muß, so kann die Anerkennung doch dann am ordre public des Anerkennungsstaates scheitern, wenn im Urteilsstaat anstelle eines anwendungswilligen Satzes des Rechtes des Anerkennungsstaates unter Berufung auf den ordre public des Urteilsstaates ein anderer Satz aus dem Recht des Anerkennungsstaates zugrunde gelegt würde. 7. Die negative ordre public-Klausel bei der Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen Mit der Bedingung, daß das anzuerkennende Urteil bzw. dessen Anerkennung nicht gegen den ordre public des Anerkennungsstaates verstoßen darf 283 , wird nicht nur der Fall erfaßt, daß das von dem ausländischen Gericht zugrunde gelegte internationale Privatrecht von diesem allzu kraß abweicht, sofern nicht ohnehin jede Abweichung, die zu einem inhaltlich verschiedenen Recht führt, als Grund zur Nichtanerkennung betrachtet wird; vielmehr sind es auch krasse Abweichungen des im Urteilsstaat im Zusammenhang mit der Urteilsfindung gehandhabten Verfahrens vom Verfahrensrecht des Anerkennungsstaates, welche die Nichtanerkennung eines Urteils mit Hilfe der ordre public-Klausel rechtfertigen können. Dazu gehört es wohl auch 284 , wenn im Anerkennungsstaat ausländisches 399
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Falsche Rechtsanwendung als Anerkennungshindernis
Recht von Amts wegen zu ermitteln ist, und wenn das Gericht des Urteilsstaates zwar das Recht des Anerkennungsstaates als das richtigerweise anzuwendende Recht betrachtet hat, aber bezüglich seines Inhaltes mangels Gegenbeweises durch den Beklagten zugunsten des Klägers von der Vermutung ausging, daß dieses Recht mit dem des Urteilsstaates übereinstimmt 285 . Auch wenn das ausländische Urteil nachweislich durch Prozeßbetrug 2853 herbeigeführt worden ist, kann die Anerkennungsfähigkeit mit der ordre public-Klausel verneint werden, ohne daß dies davon abhängig gemacht wird, daß die unterlegene Partei zunächst im Urteilsstaat ein Wiederaufnahmeverfahren oder ähnliches betreibt. Die Einrede der Nichtanerkennungsfähigkeit kann dann in dem besonderen Verfahren über die Vollstreckbarkeitserklärung des ausländischen Urteils erhoben werden, sofern nicht ein Verfahren zur Feststellung der Nichtanerkennungsfähigkeit des Urteils anhängig gemacht wird. Zu den Rechtsvorschriften, die, wenn sie dem ausländischen Verfahren tatsächlich zugrunde gelegen haben, im Anerkennungsstaat Gegenstand einer Prüfung darauf werden, ob sie von den entsprechenden Bestimmungen des Forumstaates kraß abweichen, gehören insbesondere auch die Sätze, auf Grund deren die Prozeßfähigkeit einer Partei, vor allem des Beklagten, bejaht, oder auf Grund deren eine prozeßunfähige Partei durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten wurde 286 . Hätten die Gerichte des Anerkennungsstaates in Ausübung konkurrierender Zuständigkeit selbst entscheiden können, wenn sie angerufen worden wären, so könnte es auch als Umgehung der von ihnen zu beachtenden negativen ordre public-Klausel wirken, wenn im Urteilsstaat das ausländische Gericht seine ordre public-Klausel gegenüber dem Recht eines dritten Staates weniger streng gehandhabt hat, als dies bei der Verwendung der ordre public-Klausel des Anerkennungsstaates der Fall gewesen wäre. Es dürfte aber bei der Handhabung der ordre public-Klausel gegenüber ausländischen Urteilen ohnehin generell ein Unterschied zu machen sein, je nachdem, ob ein ausländisches Leistungsurteil nach Anerkennung im Anerkennungsstaat vollstreckt werden soll, oder ob es sich um die Anerkennung einer klagabweisenden Entscheidung handelt. Vor allem bei Gestaltungsakten unter ausländischem Recht ist die internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte zur Sachentscheidung im Anerkennungsstaat oft allein schon diejenige Binnenbeziehung, welche ausreicht, um die Vornahme solcher Gestaltungsakte abzulehnen, für die das anwendbare Recht stark vom eigenen Recht des Forumstaates abweicht; hat hingegen ein zuständiges Gericht des Statutsstaates selbst entschieden, so kann bei der Anerkennung dieser Entscheidung die negative ordre public-Klausel „milder" gehandhabt werden; die Binnenbeziehung, die nur in der „Anerkennung" der ausländischen Entscheidung durch das inländische Gericht besteht, ist schwächer als die internationale Zuständigkeit zur Bildung der Sachentscheidung selbst: Lehnt ein Staat die Scheidung von Ausländern unter dem berufenen Heimatrecht der Ausländer ab, weil dieses Recht die Scheidung allzu leicht gewährt, so steht das einer Anerkennung der im Heimatstaat selbst erfolgten Scheidung im allgemeinen nicht im Wege 2 8 7 . Bei dem breiten Spielraum, den das Gericht bei der Handhabung der ordre publicKlausel hat, wirkt sie fast ähnlich, wie wenn das Gericht ein Ermessen zur Gewährung oder Verweigerung der Anerkennung hätte. 8. Die unrichtige Anwendung von materiellem kennungshindernis
Recht im ausländischen
Urteil als Aner-
Manchmal wird es aus der ordre public-Klausel hergeleitet, daß die Anerkennung des ausländischen Urteils verweigert werden müsse, wenn das ausländische Gericht zwar das vom Standpunkt des Kollisionsrechts des Forumstaates richtige Recht anwenden wollte, diesem Recht aber einen — jedenfalls nach Ansicht der über die Anerkennung entscheiden 400
Gegenseitigkeit als Anerkennungsvoraussetzung
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den Gerichte im Anerkennungsstaat — unzutreffenden Inhalt beigelegt hat, insbesondere wenn es sich um das eigene Recht des Anerkennungsstaates handelt, oder wenn die „Subsumtion" der festgestellten Tatsachen unter den Rechtssatz „falsch" war. Obwohl eine volle sachliche Nachprüfung ausländischer Urteile in bezug auf die richtige Rechtsanwendung heute meist abgelehnt wird 2 8 8 , dürfte es, insbesondere wenn das entscheidende ausländische Gericht nicht im Einverständnis aller Parteien tätig geworden ist, vertretbar sein, daß die Anerkennung mit Hilfe der ordre public-Klausel abgelehnt wird, wenn das entscheidende ausländische Gericht den Inhalt des von ihm angewendeten Rechts des Anerkennungsstaates grob mißverstanden hat 2 8 9 . Fehler des ausländischen Gerichts bei der Ermittlung der dem Urteil zugrunde gelegten Tatsachen können ebenfalls über die ordre public-Klausel des Anerkennungslandes zur Nichtanerkennung des Urteils führen, wenn das erkennende Gericht bei der Tatsachenermittlung elementare Verfahrensgrundsätze — elementar in der Sicht des Anerkennungslandes — mißachtet hat 2 9 0 . 9. Gegenseitigkeit
als
Anerkennungsvoraussetzung
In vielen, aber keineswegs in allen Ländern, und überdies nicht für alle Arten von gerichtlichen Entscheidungen, wird die Anerkennung ausländischer Urteile von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht 2 9 1 ; das bedeutet, daß nachgewiesen werden muß, daß der Urteilsstaat eine entsprechende Entscheidung der Gerichte des Anerkennungsstaates, die bei umgekehrt liegenden Verknüpfungen ergangen wäre, seinerseits anerkannt hätte. Das Gegenseitigkeitserfordernis bezieht sich vor allem darauf, ob, bzw. inwieweit, im Urteilsstaat die Anerkennung eines hypothetischen Urteils der Gerichte des Anerkennungsstaates außer von der Vereinbarkeit mit dem ordre public und der Gegenseitigkeit selbst von der internationalen Zuständigkeit im Sinne des anderen Staates, oder einer Überprüfung der zugrunde gelegten Kollisionsnormen, oder gar von einer Prüfung der sachlichen Richtigkeit des Urteils abhängig gemacht wird 2 9 2 . Auch wenn der Urteilsstaat von seiner ordre public-Klausel nachweislich in einem erheblich größeren Umfang Gebrauch macht als der Anerkennungsstaat von seiner entsprechenden Klausel, kann dies als Verweigerung der Gegenseitigkeit gedeutet werden. Vom Standpunkt der allgemeinen rechtspolitischen Prinzipien des internationalen Privatrechts kann gegen eine Regelung, wonach die Anerkennung ausländischer Entscheidungen von der Gegenseitigkeit abhängig sein soll, wenn der um Anerkennung ersuchte Staat selbst einen konkurrierenden Gerichtsstand bereit hält, von dem die Parteien hätten Gebrauch machen können, und wo nach demselben Recht hätte entschieden werden müssen, wie es im Urteilsstaat zugrunde gelegt wurde, eingewendet werden, daß damit der Rechtsschutz in heterogen verknüpften Situationen zu Lasten „unschuldiger" Privatrechtssubjekte erschwert wird, und daß sich eine solche Maßnahme als Retorsion gegenüber dem fremden Gesetzgeber meist als wirkungslos erweist. Hätte das Verfahren, das mit dem ausländischen Urteil beendet wurde, in dem um Anerkennung ersuchten Staat überhaupt nicht eingeleitet werden können, und ist dieser Staat nicht bereit, wegen mangelnder Gegenseitigkeit in bezug auf die Anerkennung von Urteilen eine subsidiäre internationale Zuständigkeit seiner eigenen Gerichte anzunehmen, so ist die Folge, daß auch dann, wenn das ausländische Urteil vom Standpunkt des um Anerkennung ersuchten Staates als vollkommen zutreffend gelten müßte, der darin festgestellten konkreten Rechtslage in dem Staat, der die Anerkennung und Vollstreckung wegen fehlender Gegenseitigkeit verweigert, überhaupt kein Rechtsschutz verschafft wird. Hier wird das Postulat, in homogen und heterogen verknüpften Situationen den Inhabern von subjektiven Rechten gleich starken Rechtsschutz zu verschaffen, evident verletzt. Daher wird das Gegenseitigkeitserfordernis im positiven Recht fast stets fallen gelassen, wenn es sich um Gestaltungsurteile oder konstitutive Feststellungen durch die Gerichte des Statutsstaates handelt, und zwar selbst 401
§14
Inzidente und konstitutive Feststellung der Anerkennungsfähigkeit
dann, wenn eine konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte des Staates bestand, in dem Anerkennung begehrt wird. 10. Inzidente und konstitutive Feststellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen Die in einem Staat anzuerkennende Entscheidung eines Gerichts eines anderen Staates entfaltet mangels ausdrücklicher gegenteiliger Bestimmung Rechtskraftwirkungen nicht in größerem Umfang als im Urteilsstaat selbst. Andererseits kommt einer ausländischen Gerichtsentscheidung keinesfalls im Anerkennungsstaat eine im Recht des Urteilsstaates vorgesehene Wirkung zu, wenn sogar ein eigenes Urteil der Gerichte des Anerkennungsstaates diese Wirkung nicht haben könnte. Das wird z. B. wichtig für die Frage der Bestimmung des Personenkreises, demgegenüber die Entscheidung Rechtskraft entfaltet, und bezüglich der Vorfragenbeantwortung in zukünftigen Verfahren 293 . Während die Frage, welche Rechtskraftwirkungen der Entscheidung eines eigenen Gerichts zukommen, stets inzidenter in einem späteren Verfahren beantwortet wird, ist dies bei ausländischen Entscheidungen zwar auch möglich, doch besteht gerade für ausländische Entscheidungen die Möglichkeit, daß in einem besonderen, mit einer selbständigen rechtskräftigen Entscheidung endenden Verfahren im Anerkennungsstaat festgestellt wird, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, die dieser Staat in seinem Recht für die Anerkennung ausländischer Urteile aufstellt, im konkreten Fall erfüllt sind oder nicht 294 . Ein solches Verfahren kann als Zwischenverfahren aufgezogen werden, falls in einem anderen anhängig gemachten Verfahren die Frage auftaucht, ob eine ausländische Entscheidung nicht bloß als Faktum, sondern in ihrer Eigenschaft als rechtskräftiges Urteil zu beachten ist 295 . Ein besonderes Verfahren zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Urteils kann aber unter Umständen auch vorsorglich eingeleitet werden und als selbständiges Verfahren abrollen. Dabei ist eine Regelung möglich, wonach auch beim Fehlen einer in einem solchen selbständigen Verfahren erfolgten Feststellung der Anerkennungsfähigkeit die Rechtskraft des ausländischen Urteils inzidenter beachtet werden darf, falls es zu einem neuen Verfahren im Anerkennungsstaat kommt. Häufig wird aber der gesonderten Feststellung der Eignung des ausländischen Urteils zur Entfaltung von Rechtskraftwirkungen im Anerkennungsstaat konstitutive Bedeutung beigelegt, d. h. eine Partei kann sich auf das ausländische Urteil erst berufen, nachdem eine förmliche Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Urteils in einem gesonderten Verfahren vorliegt 296 . Damit stellt sich für den Gesetzgeber wieder die Frage, ob ein solches Verfahren eventuell von Amts wegen eingeleitet werden soll, oder auf Antrag einer Behörde, oder von einer der an dem ausländischen Verfahren beteiligten Parteien, oder möglicherweise auch von Dritten 297 . Eine ausdrückliche gerichtliche Klarstellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Gerichtsentscheidungen wird im positiven Recht stets erfordert, damit aus einem ausländischen Leistungsurteil im Anerkennungsstaat in dort belegenes Vermögen des Urteilsschuldners vollstreckt werden kann 298 ' 2 " . Eine konstitutive Feststellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen ist sodann vor allem dort angebracht, wo die Entscheidung Modifikationen der Rechte an einem im Anerkennungsstaat belegenen Vermögensgegenstand herbeiführen 300 , oder wo sie Verfügungsbefugnisse in bezug auf den Gegenstand begründen will, und wo der Lagestaat zwar keine ausschließliche, aber doch eine konkurrierende Zuständigkeit seiner Gerichte hierfür beansprucht. Bei einem Verfahren zur konstitutiven Feststellung der Anerkennungsfähigkeit ausländischer Entscheidungen kann möglicherweise auch ein Ermessen des zuständigen Organs des Anerkennungsstaates zur Gewährung der Anerkennung vorgesehen sein. Das 402
Beachtlichkeit der Rechtshängigkeit im Ausland
§14
ist etwa dort angebracht, wo subjektive Rechte, die im Anerkennungsstaat belegen sind, modifiziert oder als beendet erklärt werden, und wo die Organe des Anerkennungsstaates, wenn sie selbst von ihrer internationalen Zuständigkeit Gebrauch gemacht hätten, ein solches Ermessen hätten ausüben können. Nicht selten gibt es in einem Land für dieselbe Art ausländischer Gerichtsentscheidungen teils eine „automatische" Anerkennung, teils eine konstitutive Feststellung der Anerkennungsfähigkeit; so wenn etwa Scheidungsurteile des gemeinsamen Heimatstaates von Ausländern „automatisch" anerkannt werden, während für Auslandsscheidungen von Ehen, an denen eigene Staatsangehörige des Anerkennungsstaates beteiligt sind, eine konstitutive Anerkennung vorgesehen ist 3 0 1 . Dem liegt letztlich der Gedanke zugrunde, daß, wenn nicht schon alle Entscheidungen des Staates, der das im Anerkennungsstaat berufene Recht als sein eigenes Recht auf die Hauptfrage anwendet, durch die Zuweisungsnorm des Anerkennungslandes mit erfaßt werden, dies doch wenigstens bezüglich der gestaltenden und konstitutiven Gerichtsakte zu bejahen ist (wenn auch unter Vorbehalt des Einsatzes der ordre public-Klausel) 302 . Wird einer konstitutiven Feststellung der Anerkennungsfähigkeit von ausländischen Gestaltungsentscheidungen im Anerkennungsstaat rückwirkende Kraft beigelegt, so läuft dies darauf hinaus, daß die Fähigkeit der ausländischen Entscheidung zur Anerkennung für die beteiligten Parteien schon vorher beachtlich wird, obwohl sie sich in einem gerichtlichen Verfahren noch nicht darauf berufen können. Derartiges ist mißlich, wenn die Befugnis zur Einleitung des Verfahrens zur konstitutiven Anerkennung nur einzelnen der betroffenen Personen zusteht. 11. Die Beachtlichkeit
der Rechtshängigkeit
im Ausland
Die Möglichkeit, daß die zu erwartende Gerichtsentscheidung in einem im Ausland schon anhängig gemachten Verfahren im Inland anerkannt werden könnte, hat durchweg zur Folge, daß dem Antrag auf Durchführung eines Verfahrens in derselben Sache im Inland der Einwand der Rechtshängigkeit entgegengesetzt werden kann 303 . Dieser Einwand wird jedoch hinfällig, wenn in dem im Ausland schon anhängigen Verfahren eine Entscheidung ergeht und festgestellt wird, daß die Anerkennung im Inland abgelehnt werden muß; das kann möglicherweise in einem Zwischenverfahren erfolgen. Dann kann ein bis dahin ausgesetztes zweites Verfahren im Inland weitergeführt werden. Der Einwand entfällt sofort, wenn es sicher ist, daß die ausländische Entscheidung wegen mangelnder Gegenseitigkeit oder Unzuständigkeit des ausländischen Gerichts keinesfalls anerkannt werden kann. 12. Die Anerkennung der materiellrechtlichen Wirkungen ausländischer Vollstrekkungsakte und der sich selbst vollstreckenden Gerichtsentscheidungen ausländischer Gerichte Von der Beachtung der Existenz und Wirksamkeit eines ausländischen Urteils im Ausland als Faktum, und von der Anerkennung der Rechtskraftwirkung ausländischer Gerichtsentscheidungen in dem im Vorangegangenen dargelegten Sinne nicht immer leicht zu trennen ist die „Anerkennung" der materiellrechtlichen Wirkungen von Vollstreckungsakten außerhalb des Staates, dessen Organe sie vorgenommen haben. Dagegen, daß ein Staat Verfahren einführt, in denen festgestellt werden soll, daß ein ausländisches Urteil im Inland nicht anerkennungsfähig ist, bestehen keine Bedenken. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß im Zusammenhang damit inzidenter festgestellt wird, daß das ausländische Gericht unter dem für dieses Gericht verbindlichen ausländischen Recht Fehler gemacht hat. Daraus folgt aber noch nicht, daß materiellrechtliche Wirkungen von Vollstreckungsakten im Ausland auf Grund eines im Inland nicht anerkennungsfähigen Urteils als nicht eingetreten betrachtet werden müßten. So ist zunächst ein403
§ 14
Anerkennung der Wirkungen ausländischer Vollstreckungsakte
mal der durch Zwangsvollstreckung im Ausland zustandegekommene Besitz an Sachen als rechtmäßiger Besitz zu respektieren, wenn die Sache ins Inland kommt: Ist A im Staat X zu einer Geldleistung verurteilt worden, hat der Gerichtsvollzieher in X Sachen im Besitz des A gepfändet, und erwirbt von ihm der C Eigentum und Besitz an einer solchen Sache, die er dann nach dem Staat Y verbringt, so kann in Y weder daraus, daß das vollstreckte Leistungsurteil in Y nicht anerkannt wird und daher dort nicht vollstreckt worden wäre, noch daraus, daß das Urteil vom Standpunkt des Staates Y „falsch" ist, gefolgert werden, daß A von C die Herausgabe der Sache durch Klage verlangen oder gar mit Selbsthilfe durchsetzen könnte 3033 . Nicht anders ist es, wenn die gepfändete Sache gar nicht dem Schuldner A, sondern B gehörte, dieser aber eine Intervention im Vollstreckungsverfahren unterlassen hat, oder dabei rechtskräftig abgewiesen worden ist, und daß auch dieses Urteil in Y aus irgendwelchen Gründen nicht anerkannt werden kann. Ist A als Staatsangehöriger und Bewohner von X durch die Gerichte in X zur Herausgabe eines in X belegenen Grundstücks an B aus einem angeblich gültigen Kaufvertrag verurteilt worden, und ist dem B im Wege der Zwangsvollstreckung der Besitz des Grundstücks verschafft worden, so mag das Urteil in Y nicht anerkannt werden; nichtsdestoweniger ist B in Y aktivlegitimiert, um etwa gegen eine vom Staatsgebiet Y ausgehende Besitzstörung auf Unterlassung, sei es gegen A, sei es gegen Dritte, zu klagen. Ist die Personensorge über ein Kind zunächst im Staat X dem A zugesprochen worden, erwirkt dann B in Y eine gerichtliche Entscheidung, wonach B das alleinige Personensorgerecht hat, und erhält B in Y mit Hilfe staatlicher Vollstreckungsakte die tatsächliche Gewalt über das in Y befindliche Kind, so ist A auch bei einem späteren Aufenthalt des Kindes in X nicht befugt, dem B den „Besitz" des Kindes durch Selbsthilfe zu entziehen, auch wenn weder die Zuweisung der Personensorge durch das Gericht von Y in X, noch umgekehrt der Beschluß des Gerichts von X in Y anerkannt wird. Die Anerkennung der durch Vollstreckungsakte auf dem Gebiet des Urteilsstaates erworbenen Besitzes als eines rechtmäßigen Besitzes ist offenbar auszudehnen auf den Besitz, den der Verurteilte der obsiegenden Partei durch Privatrechtsgeschäft verschafft hat, um die sonst zu erwartende Zwangsvollstreckung im Urteilsstaat zu vermeiden. Hat der Erwerber einer Sache in der Zwangsvollstreckung nicht nur den Besitz der versteigerten Sache, sondern gemäß dem Recht des Lage- und Versteigerungsortes Eigentum an der Sache erworben, so wird auch dieser Eigentumserwerb in einem späteren Lagestaat, wenn der Vollstreckungsvorgang nach dem Recht des Vollstreckungslandes ordnungsgemäß war, anerkannt werden, auch wenn das vollstreckte Urteil in dem späteren Lagestaat der Sache nicht anerkannt wird und ein gleichlautendes Urteil dort nicht hätte ergehen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erwerber der Urteilsgläubiger selbst oder ein Dritter war. Bereits mehrfach wurde betont 304 , daß dann, wenn ein Privatrechtssubjekt Rechtsschutz in heterogen verknüpften Situationen bei einem ausländischen Gericht sucht, und auf Grund des im Ausland anwendbaren Rechts in einem einwandfreien Verfahren eine Entscheidung erwirkt, die in anderen Staaten, und sei dies auch der Heimatoder Wohnsitzstaat einer anderen Person, nicht anerkannt wird, ein Vermögenserwerb durch Vollstreckung des erwirkten Urteils anderswo im allgemeinen nicht als unerlaubte Handlung oder als ungerechtfertigte Bereicherung bewertet werden sollte. Die Eigentümerstellung an einer Sache, die im Urteilsstaat belegen war, wird also zunächst für die Zeit dieser Belegenheit trotz Nichtanerkennung des zugunsten des „Eigentümers" ergangenen Urteils auch in einem späteren anderen Lagestaat als rechtmäßig gelten, wenn seinerzeit im Urteilsstaat die obsiegende Partei bereits Besitzer der Sache war, und nur eine rechtskräftige Feststellung ihres Eigentums, oder eine Zuweisung des Eigentumsrechts an sie erfolgt ist. Wohl aber kann jeder Staat Spezialrecht bilden, welches zur Wiedergutmachung aus dem im Inland befindlichen Vermögen einer Person für solche Schäden führen kann, welche die betreffende Person einer anderen, insbesondere einer inlandsverknüpften 404
Das Risiko der Forderungspfändung
§14
Person, dadurch zugefügt hat, daß sie im Ausland in betrügerischer oder sittenwidriger Weise, oder unter Bruch eines Versprechens, nicht im Ausland zu klagen, Urteile erwirkt hat und diese Urteile zu ihren Gunsten hat vollstrecken lassen 305 ; es spielt dann keine große Rolle, ob die in der ausländischen Zwangsvollstreckung vom obsiegenden Kläger selbst erworbene Sache, die später ins Inland gekommen ist, von dem Geschädigten als sein Eigentum vindiziert, oder als ungerechtfertigte Bereicherung herausverlangt wird. Obwohl auch Monopolrechte in einem anderen Staat als dem, innerhalb dessen die Nichtinhaber des Rechtes das dem Monopolinhaber vorbehaltene Verhalten zu unterlassen haben, gerichtlichen Rechtsschutz genießen können 306 , wird dieser praktisch wertlos, wenn der eigentliche Lagestaat des Monopolrechts selbst keinen Rechtsschutz mehr gewährt. Es hätte also keinen Sinn, von der im Ausland belegenen und dort in der Zwangsvollstreckung veräußerten Sache zu sagen, daß sie mangels Anerkennung des Vollstrekkungsaktes „für die Rechtsordnung" des Inlands noch dem alten Eigentümer gehöre, und daß dieser deshalb befugt sei, etwa von dem Zerstörer der Sache im Inland Schadensersatz zu verlangen, selbst wenn der Zerstörer bereits im Lagestaat Schadensersatz an denjenigen leisten mußte, der nach dem dortigen Recht durch Zwangsvollstreckung Eigentümer geworden war. Ist für Forderungen das in mehreren Staaten belegene Vermögen des Schuldners — das selbst wieder entweder aus Monopolrechten oder sonstigen Rechten besteht — haftbar, so kann oft die Forderung in all diesen Staaten307 eingeklagt und durch Zwangsvollstreckung realisiert werden. Hat der haftende Schuldner Vermögen sowohl im Staat A als auch im Staat B, und könnte in jedem Staat gegen ihn ein vollstreckbares Leistungsurteil erwirkt werden, und wird aus einem Urteil zugunsten eines Drittgläubigers gegen den Gläubiger im Staat A die Forderung dem Drittgläubiger überwiesen, oder von einem vierten in der Zwangsvollstreckung gegen Zahlung eines Kaufpreises erworben, so kann nicht gesagt werden, daß es dem ursprünglichen Gläubiger damit auch unmöglich geworden sei, weiterhin im Staat B die Forderung durch Erwirkung eines Leistungsurteils gegen den Schuldner und Vollstreckung in sein Vermögen im Staat B zu realisieren. Wird im Staat B das Urteil zugunsten des Drittgläubigers nicht anerkannt, so kann auch nicht die zur Verwirklichung des Urteils ergehende Vollstreckungsmaßnahme der Entziehung und anderweiten Zuweisung der Forderung, soweit sie im Staat B einklagbar und durchsetzbar ist, wirksam werden. Erst recht ist das Erfassen der Forderung durch Zwangsvollstreckungsakte der Behörden von A in einem Staat C gegenüber dem Schuldner, der dort Vermögen hat, praktisch unwirksam, solange nicht derjenige, der die Forderung durch Zwangsvollstrekkungsakte erworben zu haben behauptet, auf Grund dieser Behauptung in A oder in B ein Urteil gegen den Schuldner erwirken kann, welches in C anerkannt und dort für vollstreckbar erklärt wird; daß diese Anerkennung erfolgt, kann aber z. B. wegen fehlender Gegenseitigkeit zu verneinen sein. Der als Akt der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsstaat dekretierte Übergang von Forderungen hat also für den Schuldner die Gefahr zur Folge, daß aus seinem Vermögen in dem betreffenden Staat der Drittgläubiger befriedigt werden kann, während der ursprüngliche Gläubiger in anderen Staaten gegen den Schuldner weiter vorgehen kann. Daß ein solches Vorgehen gegen Treu und Glauben verstößt, wird sicher dann nicht gesagt werden können, wenn die anderen Staaten auf dem Standpunkt stehen, daß die Forderung des Drittgläubigers gegen den Gläubiger gar nicht bestanden habe. Eine Lösung 308 kann in jedem Staat, wo der Schuldner Gefahr läuft, trotz Pfändung der Forderung in einem anderen Staat von dem ursprünglichen Gläubiger belangt zu werden, gefunden werden, indem das Schuldstatut Spezialnormen über das Risiko der doppelten Inanspruchnahme des Schuldners bei Pfändung der Forderung in anderen Staaten entwickelt. Diese Spezialnormen 309 können dahin gehen, daß entweder der ursprüngliche Gläubiger oder der 405
§14
Erzwingung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen
Schuldner allein solches Risiko zu tragen haben; sie können auch darauf gerichtet sein, daß das Risiko zwischen dem alten Gläubiger und dem Schuldner geteilt wird. Insbesondere kann das Schuldstatut in spezialrechtlichen Sätzen Vermutungen darüber entwickeln, unter welchen Umständen im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem ursprünglichen Gläubiger der erstere durch Zahlung an einen pfändenden Drittgläubiger des Gläubigers als befreit gilt, wenn die Pfändung in einem anderen Staat als dem, der das Schuldstatut stellt, erfolgt; die spezialrechtlichen Vorschriften können sich auch darüber auslassen, wie sich der Schuldner durch Hinterlegung der geschuldeten Summe gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger befreien kann. Ferner wäre es angebracht, bei Anerkennungsfähigkeit des Leistungsurteils als solchem auch nach der im Urteilsstaat erfolgten Pfändung und Uberweisung der Forderung an einen Dritten die Einziehung als ein Erlöschen der Forderung in anderen Staaten zu bewerten. Bei der Pfändung von Wertpapieren, in denen Forderungen des Inhabers des Wertpapiers gegen Dritte verkörpert sind, im Lagestaat des Wertpapiers kann es Regelungen im Lagestaat der verkörperten Forderung geben, welche es den ursprünglichen Beteiligten ermöglichen, durch rechtzeitige Kraftloserklärung des Wertpapiers zu verhindern, daß derjenige, der das Wertpapier in der Zwangsversteigerung am Lageort erwirbt, in anderen Staaten als Erwerber des verkörperten Rechts auftreten kann. Wird in dem Gerichtsurteil eine konkrete Pflicht zu einem faktischen Verhalten festgestellt, und besteht die Zwangsvollstreckung darin, daß bei Verletzung der Verhaltenspflicht Eingriffe in das Vermögen des Urteilsschuldners im Urteilsstaat als Beugestrafen oder zur Eintreibung von Schadensersatz erfolgen, so kann sich das zu erzwingende Verhalten auch in einem Staat abspielen, der das Urteil nicht anerkennt, ohne daß es damit allein dort zu einem rechtswidrigen Verhalten würde. Häufig besteht nun ein gebotenes Verhalten in der Abgabe rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen, mit denen dann ein weiteres Rechtsverhältnis begründet, oder ein bestehendes Rechtsverhältnis verändert werden soll: Der verurteilte Beklagte hat an einer Vertragserrichtung mitzuwirken, weil er es im Vorvertrag so versprochen hat; oder er hat auf Grund eines vertraglichen Versprechens einen anderen Vertrag gegenüber einem Dritten zu kündigen; oder er hat seine Rechte aus einem bestehenden Rechtsverhältnis dem obsiegenden Kläger zu übertragen. Erfüllt der Urteilsschuldner eine solche Verpflichtung, um den denkbaren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu entgehen, so kann vor allem in dem Staat, der das Wirkungsstatut für die von dem Urteilsschuldner abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen stellt, wenn weder das Urteil noch die ihm zugrunde liegende rechtliche Begründung anerkannt wird, die Frage gestellt werden, ob die Erklärung nicht unter rechtswidrigem Zwang abgegeben worden und daher anfechtbar, oder gar ohne weiteres nichtig ist. Diese Frage ist aber im allgemeinen zu verneinen: Solange ein Staat „in" seiner Rechtsordnung auf dem Wege über seine internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen eine Verhaltenspflicht in einer heterogen verknüpften Situation unter Anwendung eigenen oder fremden Privatrechts bejahen darf, obwohl sie in einem anderen Staat verneint wird, so muß jeder Staat auch insbesondere damit rechnen, daß ein Privatrechtssubjekt eventuell auch auf dem Gebiet dieses Staates Handlungen vornimmt, die zwar von dem am Vornahmeort anzuwendenden Recht weder geboten noch verboten sind, die dem Handelnden aber in der Rechtsordnung eines anderen verknüpften Staates geboten waren. Daß die Handlung unter dem Eindruck der in anderen Staaten zu erwartenden Rechtszwangsakte erfolgt ist, läßt sie nach wohl einhelliger Meinung nicht als durch rechtswidrigen Zwang veranlaßt erscheinen. Das gilt sowohl dann, wenn in dem Staat, der die Verpflichtung aufstellt, noch gar kein Urteil ergangen ist, als auch dann, wenn eine Verurteilung zur Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung erfolgt ist. Daher ist auch die rechtsgeschäftliche Übertragung von Monopolrechten für das Gebiet eines Staates auf 406
Fiktion der Abgabe von Willenserklärungen im Urteil
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Grund einer Verurteilung durch die Gerichte eines anderen Staates selbst dann nicht als unter rechtswidrigem Zwang erfolgt anzusehen, wenn die Verurteilung als solche im Lagestaat des Rechts nicht anerkannt wird 3 1 0 . Eine Ausnahme gilt hier nur, wenn die obsiegende Partei bei der Betreibung des Verfahrens im Urteilsstaat sich nicht bloß auf das dort anwendbare Recht gestützt hat, sondern wenn sie das Urteil durch Prozeßbetrug oder ähnliches erschlichen hat und das Gericht dies wissentlich geduldet hat, oder wenn der in dem Urteil angewendete Rechtssatz gegen den ordre public des Lagestaates, oder gegen völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Lagestaat verstößt. Wird das Urteil, das zur Mitwirkung an der rechtsgeschäftlichen Übertragung eines in einem anderen Land belegenen Monopolrechts verpflichtet, im Lagestaat ausdrücklich anerkannt und für vollstreckbar erklärt, so können natürlich auch die Vollstreckungsorgane des Lagestaates Beugezwangsmaßnahmen gegenüber dem Urteilsschuldner durchführen. Steht der Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung, zu deren Abgabe jemand verpflichtet sein soll, abschließend fest, so findet sich nicht selten im positiven Recht eine Regelung, welche die Vollstreckung durch Beugezwang jedenfalls in diesem Staat überflüssig macht: Es wird bestimmt, daß die Erklärung, die der Verurteilte eigentlich schon vorher als rechtsgeschäftliche Erklärung hätte abgeben müssen, mit der Rechtskraft des Urteils „als abgegeben gilt" 3 1 1 . Ergeht ein solches sich „selbst vollstreckendes" Urteil in dem Staat, der vom Standpunkt eines anderen Staates her das Wirkungsstatut für die Wirkungen der fingierten rechtsgeschäftlichen Erklärung stellt, so sind verschiedene Situationen zu unterscheiden: Ist es der Urteilsstaat, welcher mit seinem Recht das Statut für die Wirkungen der als abgegeben fingierten Willenserklärung stellt, so ist es wieder die oben schon behandelte Idee 3 1 2 , daß die Zuweisung an die lex causae auch die vom Staat der lex causae ausgehenden Staatsakte der „Anwendung" dieser lex causae erfaßt, die hier zu dem Schluß führt, daß ein in dem Staat des anwendungswilligen Wirkungsstatuts ergangenes Urteil, insoweit es eine rechtsgeschäftliche Erklärung als bereits abgegeben bezeichnet, in anderen Staaten keiner besonderen Anerkennung bedarf, um dort bei der Anwendung des Wirkungsstatuts beachtet zu werden. So bereitet es kaum Schwierigkeiten zu sagen, daß derjenige, der auf Grund eines Urteils, das die ausdrückliche Einwilligung des Verurteilten zum Vertragsschluß ersetzt, gemäß dem Recht des Urteilsstaates als dem gesetzlichen Geschäftsstatut zum „Vermieter" geworden ist, aus dem Mietvertrag auch in anderen Staaten auf Zahlung ausstehender Mietbeträge klagen kann, ohne daß in diesem anderen Staat zuvor das Urteil als solches als vollstreckbar erklärt werden müßte 3 1 3 . Anders ist es, wenn in einem Staat A, der seinerseits selbst das Wirkungsstatut für die in einem Urteil des Staates B als abgegeben fingierte rechtsgeschäftliche Willenserklärung stellt, das Urteil anerkannt wird. Wird damit, daß die Entscheidung mit den Ausführungen, die die richtige Rechtslage feststellen wollen, als anerkennungsfähig zu gelten hat, auch die gesetzliche Fiktion der Abgabe der Willenserklärung wirksam? Ganz abgesehen davon, daß sie gemäß dem Wirkungsstatut vielfach zuerst noch einem Dritten zur Kenntnis gebracht werden muß, sollte hier wohl eine der Vollstreckbarkeitserklärung für Leistungsurteile vergleichbare Entscheidung eines Gerichts im Land des Wirkungsstatuts erforderlich sein. Möglicherweise könnte im Land des Wirkungsstatuts dem Urteilsgläubiger auch die Möglichkeit gegeben werden, die persönliche Abgabe der Willenserklärung durch den Verurteilten durch Beugezwang herbeizuführen. Dritte Staaten sollten sich der Haltung des Landes B anschließen. Besonderheiten machen sich bemerkbar, wenn die Wirkung der im Urteil fingierten Willenserklärung in der Übertragung eines subjektiven Rechts von dem bisherigen Inhaber auf einen anderen besteht. Wenn derjenige Staat, der das Bestandsstatut für das subjektive Recht stellt, mit seinen eigenen Bestimmungen auch für den Ubergang des Rechts anwend407
§ 14
Anerkennung der im ausländischen Urteil verfügten Übertragungen von Rechten
bar sein will, so ist es Sache dieses Rechts, unter welchen Voraussetzungen die Fiktion der Verfügungserklärung in dem ausländischen Urteil wirksam wird. Befindet sich etwa die Sache, an der der bisherige Eigentümer auf Grund des Urteils dem Urteilsgläubiger Eigentum zu verschaffen hat, bereits in einem anderen Staat im Besitz des Urteilsgläubigers oder eines Dritten, so bewirkt eine im Urteil fingierte Verfügungserklärung im Lagestaat der Sache in Verbindung mit der Anerkennungsfähigkeit des Urteils wohl noch nicht allein durch Zugang beim Besitzer der Sache den Eigentumsübergang; vielmehr wird auch hier eine förmliche Entscheidung von Gerichten des Lagestaates über die Vollstreckbarkeit gefordert werden müssen. Verweist das internationale Privatrecht des Bestandsstatuts auf ein anderes Recht, verweist beispielsweise das internationale Privatrecht des Lagestaates auf ein anderes Recht bezüglich des Inhaberwechsels durch Erbfolge, so stellt sich die Frage, ob die durch das Gericht im Staat des Erbstatuts verfügte Zuweisung einzelner Nachlaßgegenstände bei der gerichtlichen Nachlaßteilung unter Miterben im Lagestaat deshalb automatisch wirksam wird, weil es sich um den Akt der Gerichte desjenigen Staates handelt, der das Erbstatut stellt; oder ist auch hier eine Vollstreckbarkeitserklärung durch ein Gericht des Lagestaates erforderlich? Unterstellt der Lagestaat die Erbfolge in Grundstücke und bewegliche Sachen unterschiedslos den Vorschriften des Heimatrechts des Erblassers, so wird man doch Bedenken haben, etwa einer Umschreibung im Grundbuch die Teilungs- und Zuweisungsanordnung eines Gerichts des Erbstatutsstaates zugrunde zu legen; vielmehr wird eine förmliche Entscheidung eines Gerichts des Lagestaates über die „Vollstreckbarkeit" dieser Zuweisungsanordnung notwendig sein. Läßt der Lagestaat die Durchführung einer Teilungsanordnung seiner eigenen Gerichte bei Anwendung seines eigenen Erbrechts als „Zwangsvollstreckung" vor sich gehen 3 1 4 , so ist das ein weiterer Grund dafür, eine förmliche Entscheidung über die Vollstreckbarkeit von Zuweisungsanordnungen des ausländischen Nachlaßgerichts zu verlangen. Dritte Staaten sollten sich auch hier wieder der Haltung des Lagestaates anschließen, insbesondere wenn sie das anwendbare Erbstatut ohnehin nur auf Grund einer Weiterverweisung des Lagestaates, oder mit Rücksicht auf die Billigung des Lagestaates, als maßgebend betrachten. Entsprechendes gilt, wenn das Gericht eines Landes, in dem die Ehe unter Anwendung des örtlichen Rechts geschieden wurde, eine „Zuweisung" der einzelnen den Ehegatten gehörigen Sachen an den einen oder anderen, oder gar an die Kinder, vorsieht. Auch dann kann ein anderer Lagestaat von solchen Gegenständen, selbst wenn er die Entscheidung in vollem Umfang als anerkennungsfähig betrachtet 3 1 5 , ihre Durchführung bezüglich der Gegenstände auf seinem Gebiet 3 1 6 von einer förmlichen Vollstreckbarkeitserklärung seiner Gerichte abhängig machen, wenn nicht ein Vollzug des Urteils durch „freiwillige" rechtsgeschäftliche Erklärungen des Verurteilten erfolgt 3 1 7 . Wird jemand nach dem in einem bestimmten Staat anwendbaren Recht zur Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung verurteilt, und wird nicht die Abgabe der Erklärung mit dem Rechtskräftigwerden der Entscheidung fingiert, sondern soll das Urteil so vollzogen werden, daß dem Verurteilten ein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, der für ihn die im Urteil bezeichnete Willenserklärung abgibt, so ist schon der Akt der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters zu diesem Zweck eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme; sie erhält nicht schon durch die Anerkennungsfähigkeit des Urteils Wirkung auch in anderen Staaten, sondern muß dort förmlich, als vollstreckbar erklärt werden, wo die Akte des gesetzlichen Vertreters wirksam werden sollen 3 1 8 . Kann die rechtsgeschäftliche Zession einer Forderung gemäß dem zuständigen Recht ohne Mitwirkung des Schuldners erfolgen, wird der Ubergang im Verhältnis zwischen dem angeblichen Zedenten und dem Zessionar streitig, und ergeht in einem Staat ein Urteil zugunsten des Zessionars, das zugleich für den Drittschuldner, der an dem Verfahren 408
Vergleiche in heterogen verknüpften Situationen
§14
beteiligt wurde, bindend ist, so ist dieses Urteil noch kein Rechtstitel, aus dem gegen den Drittschuldner vollstreckt werden kann. Selbst wenn dies aber nach dem Recht des Prozeßgerichts der Fall ist, ist für die Vollstreckung in einem anderen Staat Anerkennung und Vollstreckbarkeitserklärung notwendig. Es kann nicht anders sein, wenn in der Zwangsvollstreckung gegen den Urteilsschuldner aus einem Leistungsurteil im Urteilsstaat eine unbestrittene Forderung des Urteilsschuldners gegen einen Drittschuldner gepfändet und dem Urteilsgläubiger zur Einziehung überwiesen worden ist: Außerhalb des Urteilsstaates kann der „Erwerber" der Forderung den Uberweisungsakt als solchen nicht geltend machen. Obwohl man daran denken könnte, daß der Uberweisungsakt allein durch einen Staatsakt der Vollstreckungsgerichte des anderen Staates in dessen Gebiet wirksam gemacht würde 3 1 9 , scheint es doch angebrachter zu sein, daß auf Grund des anerkannten Leistungsurteils in dem anderen Staat erneut Pfändung und Überweisung der Forderung gegen den Drittschuldner erfolgt, nämlich insoweit die Forderung in diesem anderen Staat realisierbar ist. f) Streitbeilegung auf andere Weise als durch gerichtliche Entscheidung. Verwirklichung von subjektiven Rechten durch Selbsthilfe 1. Die Rechtswirksamkeit Verfahrens
von Akten der Streitbeilegung
außerhalb
des
gerichtlichen
In einem utopischen Staatsgebilde könnte eine von Amts wegen tätige staatliche Kontrollinstanz beobachten, ob alle privatrechtlichen Rechtsverhältnisse so abgewickelt werden, wie es das Recht vorsieht; jeder Inhaber von subjektiven Rechten könnte zugleich verpflichtet sein, von den Behelfen des staatlichen Rechtsschutzes Gebrauch zu machen. Im positiven Recht kommt es nur ganz selten vor, daß die schuldbefreiende Wirkung einer freiwilligen Leistung davon abhängt, daß zuvor eine gerichtliche Feststellung der Leistungspflicht nach Prüfung der Rechtslage in einem inquisitorischen Verfahren erfolgt 3 2 0 . Von treuhänderischen Wahrnehmern fremder Rechte wird in gewissem Umfang angenommen, daß es zu ihren Pflichten gehört, staatlichen Rechtsschutz zur Durchsetzung von subjektiven Rechten der von ihnen vertretenen Personen in Anspruch zu nehmen. Normalerweise gehört es aber zu dem allgemeinen Freiheitsrecht, ob jemand auch bei evidenter Verletzung seiner privatrechtlichen Positionen von den Möglichkeiten der Beantragung staatlichen Rechtsschutzes Gebrauch machen will oder nicht. Darüber hinaus wird von Vergleichsverträgen und von Rechtsfeststellungsverträgen, die eine zweifelhafte und streitige konkrete Rechtslage betreffen, in mehr oder weniger breitem Umfang angenommen, daß sie das staatliche Gericht hindern, später auf Antrag die Rechtslage festzustellen, wie sie richtigerweise vor dem Vergleich bestanden hat. Welches Recht ist nun auf die Gültigkeitsvoraussetzungen solcher Verträge und ihrer Wirkungen anwendbar? Sieht man darin eine (bedingte) Novation eines Rechtsverhältnisses, dessen Bestehen unter einem bestimmten Recht nicht zweifelhaft ist, so scheint der Vergleich über die ursprünglich streitigen Wirkungen des Rechtsverhältnisses bei dem Statut am besten aufgehoben, welches das Rechtsverhältnis beherrscht; dieses Recht bestimmt also insbesondere, ob ein Vergleich überhaupt möglich, d. h. rechtswirksam ist, und welche besonderen Gültigkeitsvoraussetzungen sonst noch bestehen 321 . Wie aber, wenn der Vergleich sich auf die Frage beziehen soll, ob ein Rechtsverhältnis überhaupt gültig zustandegekommen ist (wobei zwingendes Recht über das Zustandekommen möglicherweise aus mehreren Rechten zu entnehmen ist)? Wie, wenn der Vergleich sich auch auf die Frage bezieht, welches Recht auf das Rechtsverhältnis anwendbar ist? Soweit der Vergleich nur Rechte und Pflichten der Beteiligten für die Zukunft bejaht, liegt es nahe, daß man bei der Suche nach dem anwendbaren Recht einen solchen Vergleich wie einen Vertrag zur Neubegründung dieser Verpflichtungen behandelt. Damit ist aber 409
§14
Das Statut des Vergleichsvertrages
noch nicht gesichert, daß eine von einer Partei vor dem Vergleich vertretene Behauptung über ihre Ansprüche, die sie im Vergleich zurückgenommen hat, nicht vor Gericht neu vorgetragen werden darf, wenn z. B. weder die lex fori, noch die lex causae Verzicht auf bestimmte Arten von Ansprüchen zulassen, oder wenn das eine oder das andere Recht verlangt, daß der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen den Vergleich nicht ohne Genehmigung des Gerichts abschließt, insoweit darin auf Ansprüche verzichtet wird 3 2 2 . Wollte man fordern, daß alle möglicherweise als Statuten für das betroffene Rechtsverhältnis in Frage kommenden Rechte den Vergleich als gültig betrachten, so wäre dies eine Erschwerung von Vergleichen in heterogen verknüpften Situationen, die deshalb besonders unbillig erscheint, weil ja hier für die Parteien eine doppelte Unsicherheit — nämlich sowohl bezüglich des anzuwendenden Rechts, als auch bezüglich der unter einem solchen Recht auftauchenden Fragen — besteht. Es dürfte in solchen Fällen, wo die angebliche Ungewißheit über die Rechtslage von den Vergleichspartnern nicht einverständlich vorgespiegelt wird, um in einem Vergleich Dinge herbeizuführen, die man in einem Vertrag sonst nicht hätte erreichen können, angebracht sein, einerseits unter „Berücksichtigung" des Inhalts der in Frage kommenden Rechte, andererseits auch unter Verwendung von Billigkeitserwägungen sowohl über die Gültigkeit, als auch über die Wirkungen eines in solchen Situationen zustandegekommenen Vergleichs zu entscheiden. Wenn aus dem Schlagwort der „internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit" 3 2 2 3 wirklich eine Folgerung zu ziehen ist, dann sollte es die sein, daß die Parteien bei einer selbst von Fachkundigen bestätigten Ungewißheit über das anzuwendende Recht im Wege des Vergleichs eine kommenden Lösung bilden dürfen, die zwischen den Lösungen liegt, die von den in Frage Rechten vorgesehen ist 3 2 3 . Sie sollten auch bei widersprüchlichen Lösungen zwischen den in den verschiedenen Staaten, die als Forumstaaten in Frage kommen, zweifelsfrei zur Anwendung berufenen Rechten eine vermittelnde Lösung im Wege des Vergleichs bilden dürfen, ohne daß der Vergleich später mit der Begründung in Frage gestellt werden kann, er verstoße gegen zwingendes Recht. Das läßt sich deshalb rechtfertigen, weil auch dann, wenn das auf ein Rechtsverhältnis anwendbare Recht unstreitig ist, bei einer vergleichsweisen Streitbeilegung oft mehr oder weniger offen Verstöße gegen zwingendes Recht hingenommen werden, wenn später ein Gericht sich mit dem Vergleich zu befassen hat. In manchen Rechten ist das Bestehen einer Anzahl unterschiedlich strenger Generalklauseln anzunehmen, auf Grund deren Vergleichen die Rechtswirksamkeit nicht bei allen Verstößen gegen zwingendes Recht versagt wird. Unterschiede werden dabei z. B. gemacht, je nachdem, ob es sich um Streitigkeiten zwischen Kaufleuten oder andere bürgerlichrechtliche Streitigkeiten handelt, oder ob Arbeitsstreitigkeiten außerhalb des gerichtlichen Verfahrens beigelegt worden sind. O b der Akt wegen Umgehung zwingender Vorschriften beanstandet wird oder nicht, wird unter Umständen auch davon abhängig gemacht, ob von vornherein eine Bereitschaft zur Ignorierung von zwingendem Recht offenkundig bestand, oder ob ein zwingender Satz nur aus Versehen nicht beachtet wurde; oft wird es auch nicht beanstandet, wenn die Urheber des Vergleichs bona fide die Frage der Anwendbarkeit von zwingendem Recht geprüft haben und dabei zu Resultaten gekommen sind, die von dem abweichen, was das staatliche Gericht später als richtig betrachtet. In heterogen verknüpften Fällen werden dabei auch Unterschiede gemacht werden müssen, je nachdem, ob ausländisches zwingendes Recht oder zwingendes Recht desjenigen Staates „umgangen" worden ist, dessen staatliches Gericht später über die Wirksamkeit solcher nichtgerichtlicher Streitbeilegungsakte zu entscheiden hat. Soweit für die Handhabung der genannten Generalklauseln der Zweck der umgangenen zwingenden Rechtssätze von Bedeutung ist, spielt ferner gerade in heterogen verknüpften Fällen derselbe Gesichtspunkt eine Rolle, der auch bei der Zulassung einer Rechtswahl für obligatorische Verträge 410
Vergleichsverträge und zwingendes Recht
§14
im Vordergrund steht: O b zwingende Rechtssätze, welche den gerechten Ausgleich typischer Interessen der Parteien sichern wollen, bei einer Streitbeilegung durch Vergleich gewahrt worden sind, wird weniger streng kontrolliert als die Beachtung von solchen zwingenden Rechtssätzen, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse Dritter aufgestellt worden sind; eine sichere Zuweisung aller zwingenden Rechtssätze in die eine oder andere Kategorie ist indes nicht m ö g l i c h 3 2 3 3 . Die Ansicht, daß in heterogen verknüpften Situationen die Wirksamkeit einer friedlichen Streitbeilegung durch Vergleich der Wahrung von zwingendem Recht noch mehr als in homogen verknüpften Fällen vorzuziehen sei, dürfte in dieser allgemeinen Fassung allerdings nicht zutreffen: Steht fest, daß in allen Staaten, deren staatliche Gerichte zur Entscheidung zuständig gewesen wären, auch ein bestimmter zwingender Rechtssatz übereinstimmend angewendet worden wäre, so besteht kein Grund, um gegenüber einer Umgehung dieses Rechtssatzes bei einer außergerichtlichen Streitbeilegung nachsichtiger zu sein, als dies in einer homogen verknüpften Situation geschehen würde. Die übereinstimmende Bereitschaft aller beteiligten Staaten zur Anwendung eines bestimmten zwingenden Rechtssatzes verschafft dem Rechtssatz eine Qualität, die in dem hier behandelten Zusammenhang als Zugehörigkeit zum „internationalen ordre public" gekennzeichnet werden kann. Waren hingegen von den verschiedenen staatlichen Gerichten widersprüchliche Entscheidungen infolge unterschiedlicher Haltung zu der Frage nach dem anwendbaren Recht zu erwarten, so kann es als ein verständliches Anliegen der beteiligten Privatrechtssubjekte gelten, daß sie sich den Unzuträglichkeiten dieser Situation dadurch entziehen, daß sie eine friedliche Klärung ihrer Streitigkeit auf anderen Wegen als der Anrufung staatlicher Gerichte suchen, auch wenn sie dabei unvermeidlicherweise zwingende Rechtssätze, wie sie das eine oder das andere staatliche Gericht anzuwenden gehabt hätte, „umgehen". Ist ein Rechtsstreit vor einem staatlichen Gericht anhängig, so können an einen vom Gericht beurkundeten Prozeßvergleich, der ähnlich wirken soll wie ein rechtskräftiges Urteil, und der insbesondere vollstreckbar sein kann, bezüglich der inhaltlichen Gültigkeit keine Anforderungen gestellt werden, die wesentlich strenger sind als diejenigen, die man an einen außergerichtlichen Vergleich stellen würde, wenn zwischen den Parteien nicht nur die zur Bestimmung des anwendbaren Rechts relevanten Tatsachen, sondern auch die Tragweite der Rechtsanwendungsnormen und der in Frage kommenden Sachnormen umstritten sind.
2. Anerkennung und Vollstreckung von schiedsrichterlichen
Streitbeilegungsakten
Die über die konkrete Rechtslage streitenden Parteien können sich auch verpflichten, den von einem Dritten zu formulierenden Vergleich für sich als bindend zu behandeln. Eine solche Schlichtung durch einen Dritten kann auch für zukünftige Streitigkeiten aus einem Rechtsverhältnis vorgesehen werden; eine solche Vereinbarung ist in demselben Umfang vom staatlichen Gericht anzuerkennen, wie eine Bestimmung des Vertragsinhaltes oder eine Modifikation des Vertragsinhaltes durch einen Dritten unter dem Vertragsstatut zulässig ist. Geht der Streit auch über die Tragweite von zwingendem Recht und zugleich um die Frage, welches Recht gemäß dem internationalen Privatrecht des einen oder anderen als Forumstaat in Frage kommenden Landes anwendbar ist, so wird auch hier der von einem Schlichter oktroyierte Vergleich bei einer späteren gerichtlichen Prüfung auf seine Gültigkeit an Hand derselben Gesichtspunkte zu beurteilen sein, wie sie für einen unmittelbar von den Beteiligten ausgehandelten Vergleich in einer solchen Situation gelten. Endet die quasi-richterliche Streiterledigung, die einem Schiedsgericht anvertraut wurde, welches einerseits unter Ausschluß der sonst zuständigen staatlichen Gerichte, andererseits unter Anwendung von staatlichem Recht judizieren soll, mit einem Schiedsspruch, so sehen die staatlichen Rechte schon für homogen verknüpfte Situationen zumeist 411
§ 14
Das staatliche Kollisionsrecht des Anerkennungslandes von Schiedssprüchen
einerseits die Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs durch staatliche Behörden vor, andererseits aber auch eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs. Diese Kontrolle kann in einem abgesonderten Verfahren erfolgen, sie kann auch im Zusammenhang mit der Vollstreckung vor sich gehen. Manche Rechte beschränken nun diese Kontrolle von Schiedssprüchen durch eine Generalklausel, welche ähnlich formuliert ist, wie die bei der Anerkennung von Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte zum Zuge kommende negative ordre public-Klausel 3 2 4 . Es bedeutet dies stets, daß eine Kontrolle darüber erfolgt, ob der Rechtsstreit überhaupt arbitrabel war, ferner darüber, ob gewisse elementare Grundsätze des Verfahrensrechts von dem Schiedsgericht beachtet worden sind 3 2 5 . Jene Generalklausel für die Rechtskontrolle des Schiedsspruchs führt ferner zu einer Prüfung darüber, ob von den anwendungswilligen zwingenden Vorschriften des in homogen verknüpften Situationen allein in Frage kommenden staatlichen Rechts besonders wichtige Normen vom Schiedsgericht mißachtet worden sind 3 2 6 . Damit wird schon in homogen verknüpften Fällen die Möglichkeit eröffnet, daß ein Schiedspruch trotz der Nichtbeachtung von zwingendem Recht als wirksam anerkannt und durch staatliche Behörden vollstreckt wird, sofern es sich um minderwichtige zwingende Rechtssätze gehandelt hat. Dies geschieht insbesondere dann, wenn das Schiedsgericht in den ihm von den Parteien gegebenen Anweisungen über die Rechtsfindung ein Ermessen oder gar einen Auftrag erhalten hat, anstatt unter strenger Anwendung des staatlichen Rechts die Rechtslage zu klären, nach Billigkeit zu entscheiden 3 2 7 , oder bei Schwierigkeiten der Beantwortung von Tat- oder Rechtsfragen eine auch für einen Vergleich angemessene Lösung im Spruch vorzusehen, sofern es nicht zu einem von den Parteien selbst geschlossenen und vom Schiedsgericht nur beurkundeten Schiedsvergleich kommt. Bezieht sich bei solcher Gestaltung des Schiedsverfahrens in einem Staat der Streit auf eine heterogen verknüpfte Situation, oder kommt hinzu, daß das Schiedsgericht in der Sicht des Staates, w o Anerkennung bzw. Vollstreckung des Schiedsspruches begehrt wird, ein ausländisches oder ein anationales Schiedsgericht war, so stellt sich die weitere Frage, ob, bzw. inwieweit, die Nichtbeachtung des internationalen Privatrechts, wie es das um Anerkennung oder Vollstreckung ersuchte staatliche Gericht selbst hätte anwenden müssen, durch das Schiedsgericht der Anerkennung bzw. Vollstreckung im Wege steht 3 2 8 . Hier ist es nun möglich, daß in einem Staat schon die Wirksamkeit eines Schiedsspruchs durch ein eigenes nationales Schiedsgericht nicht daran scheitern soll, daß gesetzliche Zuweisungsnormen des staatlichen internationalen Privatrechts nicht beachtet wurden. Insbesondere kann darüber hinweggesehen werden, daß das Schiedsgericht ein Recht nicht angewendet hat, welches die Parteien selbst auch durch eine Rechtswahlvereinbarung nicht hätten ausschalten können; es ist, m. a. W., möglich, daß in Verbindung mit einem Schiedsverfahren das staatliche internationale Privatrecht des Landes, wo der Schiedsspruch vollzogen werden soll, im Einzelfall in größerem Umfang durchbrochen werden kann, als dies sonst durch Zulassung der Wahl des anwendbaren Rechts möglich ist 3 2 9 . Als letztes Hindernis für die Anerkennung des Schiedsspruchs bleibt jedoch die krasse inhaltliche Abweichung der vom Schiedsgericht zugrunde gelegten Normen von der lex fori des Staates, dessen Staatsorgane an der Verwirklichung des Spruchs mitwirken sollen 3 2 9 3 . Aber auch dann ist es bei der Anerkennung von Schiedssprüchen in heterogen verknüpften Situationen häufig so, daß nicht alle diejenigen zwingenden Rechtssätze, die in homogen verknüpften Situationen vom Schiedsgericht hätten beachtet werden müssen, dem Schiedsspruch zugrunde gelegt werden müßten, wenn er auf Anerkennung rechnen will. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur 3 3 0 macht sich die Tendenz bemerkbar, die ordre public-Klausel gegenüber Schiedssprüchen in heterogen verknüpften Situationen noch großzügiger zu handhaben, als es sonst üblich ist. Der Rechtsunsicherheit, zu der es auf diese Weise kommt, versucht der Gesetzgeber gelegentlich zu begegnen, indem er aus412
Anerkennung ausländischer Schiedssprüche
§14
drücklich erklärt, daß bestimmte zwingende Normen seines Rechts im Rahmen des ihnen zukommenden Anwendungsbereichs auch durch Schiedsgerichte in diesem Staat respektiert werden müssen, wenn der Spruch von den staatlichen Gerichten anerkannt und vollstreckt werden soll 331 . Geht der Schiedsspruch in einer heterogen verknüpften Sache, für den Anerkennung und Vollstreckung durch die staatlichen Behörden eines bestimmten Landes begehrt wird, von einem Schiedsgericht aus, auf dessen Tätigkeit dieser Staat während des schwebenden Verfahrens nicht einwirken konnte, weil es sich um ein ausländisches Schiedsgericht handelte, oder weil der betreffende Staat es als anationales Schiedsgericht betrachtete, so ist es allerdings nicht recht zu begründen, daß bei der Anerkennung und Vollstreckung eines solchen Spruchs in bezug auf seinen Inhalt und das ihm zugrunde liegende Normenmaterial eine weniger strenge Prüfung erfolgen müßte als dies geschieht, wenn inländische Schiedssprüche anerkannt und vollstreckt werden, oder wenn für Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte Anerkennung und Vollstreckung begehrt wird. Eine Komplikation entsteht hier jedoch zunächst schon bei Sprüchen eines ausländischen nationalen Schiedsgerichts: Sollen sie in anderen Staaten in größerem Umfang Rechtswirksamkeit entfalten können, als es im Sitzstaat des Schiedsgerichts möglich ist? Verneint man das, so muß entweder verlangt werden, daß der Spruch im Sitzstaat durch ein dortiges staatliches Gericht geprüft und als anerkennungsfähig oder vollstreckbar erklärt sein muß, ehe anderswo Anerkennung und Vollstreckung beantragt werden können 3 3 2 ; oder es muß in dem anderen Staat im Zusammenhang mit der Anerkennung und Vollstrekkung untersucht werden, ob der Schiedsspruch schon im Ursprungsstaat durch die dortigen staatlichen Gerichte anerkannt und vollstreckt worden wäre 3 3 3 , was meist außerordentlich schwierig ist. Es bleibt die weitere Frage, ob nicht auch sonstige Beschränkungen der Anerkennung und Vollstreckung, wie sie für die Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte gelten, auch bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche zum Zuge kommen müssen: Sollen ausländische Schiedssprüche etwa nur bei Gegenseitigkeit — nämlich in bezug auf die Behandlung inländischer Schiedssprüche im Ausland — anerkannt und vollstreckt werden, und wenn ja, nach welchen Kriterien ist die Nationalität des Schiedsspruchs zu bestimmen? Soll eine automatische Anerkennung auswärtiger Schiedssprüche stattfinden oder muß — unabhängig von der Vollstreckbarkeitserklärung, wie sie auch für inländische Sprüche gilt — die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Schiedssprüche in einem ähnlichen abgesonderten Verfahren festgestellt werden, wie es oft für die Anerkennung ausländischer staatlicher Gerichtsentscheidungen vorgesehen ist? Oder sollen die Sprüche privater Schiedsgerichte, auch wenn sie aus dem Ausland herrühren, einfach wie inländische Schiedssprüche anerkannt und vollstreckt werden? Soweit eine staatliche Rechtsordnung sich nicht schon freiwillig zu dem letztgenannten System bekennt, wie insbesondere das deutsche Recht 334 , ist es das Ziel mehrerer internationaler Konventionen, daß in jedem Vertragsstaat Schiedssprüche aus anderen Vertrags Staaten in bezug auf Anerkennung und Vollstreckung den Sprüchen eigener Schiedsgerichte gleichgestellt werden 3 3 5 . Auch hier bleibt dann vor allem die Frage, ob die Kontrolle der auswärtigen Schiedssprüche an Hand der ordre public-Klausel des Anerkennungs- bzw. Vollstrekkungslandes 336 so gehandhabt werden soll, wie dies gegenüber Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte geschieht, oder ob hier großzügiger verfahren werden kann 3 3 7 . Andererseits stellt sich aber auch die Frage, ob die zwischen den Vertragsstaaten geltenden sonstigen Verträge, welche die Anwendung bestimmter zwingender Rechtssätze in heterogen verknüpften Fällen zur völkerrechtlichen Pflicht machen, nicht auch der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche neue Schranken setzen 338 . Neben einer verfassungsrechtlich gebotenen Verwendung der nationalen Vorbehaltsklausel kann es auch eine völkerrechtlich 413
§14
Aufrechnung und andere Arten der Selbsthilfe
gebotene Verwendung der ordre public-Klausel insbesondere gegenüber ausländischen Schiedssprüchen geben.
3. Verwirklichung von subjektiven Rechten durch
Selbsthilfe
Ob der Gläubiger die in seinem Besitz befindliche Pfandsache nach Erwirkung eines Urteils gegen den Schuldner, oder gegebenenfalls auch ohne Urteil, wegen Nichtzahlung in seiner Eigenschaft als Pfandgläubiger versteigern oder verkaufen und dem Erwerber wirksam Eigentum verschaffen kann, während er selbst sich aus dem Erlös wegen seiner Forderung befriedigt, bestimmt das Recht des Lageortes der Pfandsache, während für die Berechtigung des Gläubigers zu einem solchen Akt im Innenverhältnis das Geschäftsstatut des Pfandbestellungsvertrages maßgebend ist. Soweit Selbsthilfe eines Inhabers von subjektiven Rechten zur Verwirklichung seines Rechtes gegenüber rechtswidrigem Verhalten anderer sich gegen die Person des Rechtsverletzers oder seinen Besitz an körperlichen Sachen richten soll, muß der Selbsthilfeakt unter dem Recht des Handlungsortes zulässig sein, selbst wenn für das Rechtsverhältnis, aus dem das zu schützende Recht hervorgeht, ein anderes staatliches Recht maßgebend ist; zu denken ist an die Wegnahme von beweglichen Sachen durch den unbezahlten Grundstücksvermieter oder den Abzahlungsverkäufer. Ist die Sache unter Verletzung einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Verpflichtung von ihrem ursprünglichen Lageort in einen anderen Staat verbracht worden, wo der Selbsthilfeakt vor sich geht, so ist an spezialrechtliche Regelungen zu denken, welche die Ausübung des Selbsthilferechts, soweit das Recht des neuen Lageortes es zuläßt, beschränken. Inwieweit ein Selbsthilferecht des Gläubigers zur Inbesitznahme und zum Verkauf von Sachen des Schuldners, die sich noch in seinem Besitz befinden, durch Erteilung unwiderruflicher Vollmachten begründet werden kann 3 3 9 , das zu bestimmen ist ebenfalls Sache des Lagesstaates; eine auf das ganze Vermögen des Schuldners bezogene Vollmacht dieser Art kann sich nicht auf Sachen in einem Staat beziehen, der eine solche Vollmacht nicht anerkennt. Ein „Recht" zur Verweigerung eines geschuldeten Verhaltens oder einer geschuldeten Leistung mit Rücksicht auf die Nichterfüllung eigener Pflichten des Gläubigers wird allein nach dem Schuldstatut für die zurückzuhaltende Leistung zu beurteilen sein, ohne daß die lex fori oder das Statut, auf dem die Pflicht des Gläubigers beruhte, ebenfalls das Zurückbehaltungsrecht billigen müßten. Auch die Befriedigung wegen einer Schuld durch Aufrechnung mit einer Forderung des Schuldners erfolgt nach Maßgabe des Schuldstatuts der Forderung, mit der aufgerechnet wird 3 4 0 . Zur Sicherung der materiellen Harmonie im Forumstaat ist allerdings erforderlich, daß in dem Forumstaat, wo die Aufrechung in einem späteren Verfahren vor einem staatlichen Gericht geltend gemacht wird, beide Forderungen nach einem dort anwendbaren Recht zu Recht bestanden haben. Jeder kann auf eine Verletzung dessen, was er als sein Recht betrachtet, auch mit einem Verhalten reagieren, welches ohnehin erlaubt ist: Er kann neue Verträge mit dem, der in seinen Augen einen früheren Vertrag gebrochen hat, nicht abschließen, er kann bestehende Verträge fristgemäß kündigen usw. Ist der angeblich gebrochene Vertrag aber ein vom Recht mißbilligter Vertrag gewesen, so ist es möglich, daß das staatliche Recht eine derartige Reaktion selbst wieder verbietet, d. h. zur unerlaubten Handlung erklärt. Eine eigenartige Lage entsteht dann, wenn ein Vertrag in der Rechtsordnung des einen Landes A gültig, in der des anderen Landes B nicht nur ungültig ist, sondern auch von dessen Recht mißbilligt wird. Wie früher schon ausgeführt, würde es den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Privatrechts nicht entsprechen, wenn die Realisierung eines subjektiven Vermögensrechts im Staat A durch Klage und Zwangsvollstreckung seitens des Staates B 414
Druckausübung zur Durchsetzung von Rechten als Delikt
§ 14
zum Anlaß genommen würde, Schadensersatzansprüche oder Ansprüche auf Aushändigung einer ungerechtfertigten Bereicherung gegen die obsiegende Partei zu verwirklichen, weil dies ja dem Staat A wieder Anlaß zu umgekehrten Maßnahmen geben könnte. Auch private Reaktionen auf den Bruch des in A gültigen, in B jedoch vom Recht mißbilligten Vertrages 341 wird man daher in B als unerlaubte Handlung nur insoweit betrachten können, als sie im Staat B vorgenommen werden oder sich dort auswirken; das, was im Staat A geschieht und nur dort wirksam wird, sollte der Staat B nicht nach seinem Recht beurteilen wollen. Anders ist es nur, wenn derjenige, der im Staat Inhaber eines subjektiven Rechts ist, sich unter der Rechtsordnung des Staates B ausdrücklich verpflichtet hat, nichts zu tun, um sein Recht im Staat A durchzusetzen.
415
C. Angewandtes internationales Privatrecht I. Die Begründung von Rechtsverhältnissen § 15. Der Anwendungsbereich von Rechtssätzen, welche gesetzliche Verhaltenspflichten und Haftungen für Schäden vorsehen a) Allgemeines Im Privatrecht der „unerlaubten Handlungen" im weiteren Sinne stehen Ansprüche auf Leistung von Ersatz für Schäden praktisch im Vordergrund. Diese Schadensersatzansprüche setzen indes dort, wo eine Haftung nur bei „verschuldeter" Verursachung eintreten soll, die Nichtbefolgung von „gesetzlichen", d. h. nicht durch Rechtsgeschäft begründeten, Verhaltenspflichten voraus. Das Bestehen solcher Verhaltenspflichten berechtigt wiederum in vielen Fällen andere Rechtssubjekte zur Erhebung von Klagen auf Unterlassung des verbotenen Verhaltens vor einem Zivilgericht, möglicherweise auch Klagen auf Vornahme einer gesetzlich gebotenen Handlung, um die Entstehung von Schäden und Schadensersatzansprüchen zu verhüten. Die Nichtbefolgung des einer solchen Klage stattgebenden Urteils kann in der zivilprozessualen Zwangsvollstreckung, unabhängig von etwaigem Schadensersatz, die Verwirklichung von Beugezwangsstrafen nach sich ziehen, ähnlich wie dies auch bei vertraglich vereinbarten Verhaltenspflichten in Frage kommt. Die Nichtbefolgung eines Urteils, das auf Vornahme einer gesetzlich gebotenen Handlung geht, kann unter Umständen auch den obsiegenden Kläger ermächtigen, den Erfolg, der durch das gebotene Verhalten verursacht worden wäre, selbst oder durch Dritte herbeizuführen und die Erstattung der Kosten vom Urteilsschuldner zu verlangen. Einklagbare privatrechtliche Ansprüche auf Unterlassung eines gesetzlich verbotenen Verhaltens anderer können sich nicht nur auf ein Verhalten beziehen, das unvermeidlicherweise mit der Entstehung eines „Schadens" verbunden ist 1 — wobei unter Umständen das Recht einfach jede menschliche Handlung als unzulässig bezeichnet, die einen bestimmten Schaden oder ein bestimmtes schädigendes Ereignis (z. B. Körperverletzung) irgendwie verursacht —, sondern können sich auch auf ein „nur gefährdendes" Verhalten beziehen, d. h. ein Verhalten, bei dem nur eine Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit schädigender Folgen gegeben ist. Den Privatrechtssätzen, welche einklagbare Ansprüche auf Unterlassung „unerlaubter" Handlungen begründen, stehen diejenigen Rechtssätze nahe, die ein Privatrechtssubjekt ermächtigen, ein unzulässiges Verhaltet) eines anderen auch ohne Ermächtigung durch einer! Staatsakt durch solche Gegenmaßnahmen zu verhindern, die ihrerseits ohne diese Rechtfertigung (nämlich als „Notwehr" gegen das verbotene Verhalten des anderen) eine unerlaubte Handlung mit privatrechtlichen Unrechtsfolgen darstellen würden. Für ihren internationalprivatrechtlichen Anwendungsbereich gelten dieselben Erwägungen wie für den Anwendungsbereich der Rechtssätze, welche zu Unterlassungsoder Vornahmeklagen ermächtigen. Soweit die Aktivlegitimation zu Unterlassungsansprüchen gegen ein „unerlaubtes" Handeln eines anderen davon abhängt, daß der Anspruchsinhaber ein konkretes Monopolrecht erworben hat, welches dahin geht, daß die fragliche Handlung nur von dem Inhaber 416
Grundsätzliches zum Deliktsstatut
§15
dieses Rechtes selbst, oder nur mit dessen Einverständnis von anderen vorgenommen werden darf, während sie für alle übrigen als eine „unerlaubte" Handlung gilt — wie dies bei Eigentums- oder Immaterialgüterrechten usw. der Fall ist —, wirft die Ermittlung des hierbei anwendbaren Rechts besondere Fragen auf, die eine gesonderte Prüfung notwendig machen 2 , und daher bei den hier zunächst folgenden Ausführungen ausgeklammert bleiben. Jedenfalls kann man in allen Rechten das Bestehen von „Schutznormen" feststellen, die bestimmte Verhaltenspflichten, welche durchweg nicht auf die Verschaffung von Geld oder anderen Vermögensrechten, sondern auf ein sonstiges Verhalten gerichtet sind, beschreiben, und deren privatrechtliche Relevanz sich darin äußert, daß andere Privatrechtssubjekte, die ein Interesse daran haben, daß eventuell für sie schädigende Folgen des fraglichen Verhaltens vermieden werden, ihren Anspruch auf Unterlassung von Verletzungen solcher Schutznormen im Zivilprozeß einklagen können. Der Kreis derjenigen, die zu solchen präventiven Aktionen legitimiert sind, wird vom positiven Recht näher umschrieben; ob dabei alle Personen aktivlegitimiert werden, die durch den Vollzug einer Schutzgesetzverletzung tatsächlich in eigenen Interessen betroffen wären, oder ob der Kreis der zu Unterlassungsklagen Berechtigten irgendwie auf rechtlich besonders „legitimierte" Interessenten eingeschränkt wird, gerade diese Punkte werden in den einzelnen Privatrechten außerordentlich verschieden geregelt. Viele der mit privatrechtlichen Unterlassungsansprüchen ausgestatteten Schutznormen sind zugleich mit Unrechtsfolgen des öffentlichen Rechts — des Strafrechts oder des Verwaltungsrechts — ausgestattet, deren Angedrohtsein die Geltendmachung des privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs oft wieder praktisch wenig interessant macht. Andererseits unterscheiden sich die zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsakte, die bei Nichtbefolgung eines Unterlassungsanspruchs möglich sind, in ihrer Wirkung manchmal wenig von eventuellen öffentlich-rechtlichen Sanktionen, so z. B. wenn als zivilprozessualer Beugezwang Geld- oder Freiheits „strafen" verhängt werden. b) Grundsätzliches über die Bestimmung des Anwendungsbereiches von Rechtssätzen über den Anspruch auf Unterlassung unerlaubter Handlungen Werden gesetzliche Beschränkungen der Verhaltensfreiheit damit gerechtfertigt, daß das verbotene Verhalten „sozialschädlich" sei, so hätte jeder Urheberstaat eines solchen Verbotes guten Grund, es bei heterogenen Verknüpfungen im vollen Bereich dessen, was völkerrechtlich zulässig ist, also alternativ beim Vorliegen irgendeiner nach Völkerrecht ausreichenden Inlandsverknüpfung, zur Anwendung zu bringen. Die bestehenden Zweifel darüber, wo die völkerrechtlichen Schranken des internationalen Strafrechts und zugleich des internationalen Privatrechts über Delikte liegen, veranlassen jedoch allein wohl alle Staaten, die Inlandsverknüpfungen, die zur Anwendung der eigenen gesetzlichen Verhaltensregelungen führen sollen, selbst genauer zu bezeichnen. Die Vorstellung, daß dann in einem Forumstaat, dessen Gerichte internationale Zuständigkeit haben, jede gesetzliche Verhaltensregelung zur Anwendung gebracht werden müsse, von welcher der gesetzgebende Urheber die Anwendung im heterogen verknüpften Bereich seinem eigenen Gericht vorschreibt 3 , ist nirgendwo positives Recht. Sie würde bedeuten, daß die menschliche Freiheit im heterogen verknüpften Bereich wesentlich mehr Einschränkungen unterliegen würde, als dies in den homogen verknüpften Bereichen der Fall ist, und daß dabei gerade dem Willen derjenigen staatlichen Gesetzgeber, welche ihren freiheitsbeschränkenden Regelungen durch Verwendung mehrerer Anknüpfungsmomente einen besonders weiten Anwendungsbereich verschaffen sollen, überall zur Verwirklichung verholfen würde. Dem Ideal einer paritätischen Zuweisung von Regelungsbefugnissen an die verschiedenen nationalen Rechte würde es entsprechen, daß alle Staaten sich darüber einigen würden, 417
§15
Staatlich garantierte Verhaltensfreiheit
den Anwendungsbereich jedes einzelnen denkbaren freiheitsbeschränkenden Gesetzes durch ein einziges einheitliches Anknüpfungsmoment abzustecken. Wollte man, solange eine derartige Einigung unter den Staaten noch nicht erfolgt ist, daß jeder Staat einseitig Kollisionsnormen über unerlaubte Handlungen bildet, die ein einziges Anknüpfungsmoment verwenden, so hätte das Abstellen auf die Anwendungswilligkeit ausländischer Gesetze möglicherweise die offenbar wenig erwünschte Folge, daß eine im materiellen Recht von zwei Staaten gleichermaßen verbotene Handlung in keinem dieser Staaten einen durch Beugestrafen erzwingbaren Unterlassungsanspruch auslöst, wenn jeder der beiden Staaten sein eigenes Recht nicht angewendet haben will, weil jeder ein anderes Anknüpfungsmoment verwendet als der andere, und dieses Anknüpfungsmoment im konkreten Fall zu dem anderen Staat hingeht. Zugleich könnte das anwendungswillige Recht eines dritten Staates möglicherweise die von den beiden anderen Staaten in ihrem Inlandsrecht übereinstimmend verbotene Handlung in einem mit diesen dritten Staaten verknüpften Bereich als erlaubt oder gar als geboten erklären. Denkbar ist hier, daß ein Staat die Anwendbarkeit der eigenen Verbotsnormen primär von einer bestimmten Inlands Verknüpfung abhängig macht, und daß er, wenn diese Verknüpfung nicht zum Inland, sondern zum Ausland geht, und das ausländische Recht zwar eine gleichlautende Norm hat, aber nicht angewendet wissen will, auf Grund einer anderen Inlandsverknüpfung subsidiär die Anwendung seiner lex fori vorsieht4. Es bleibt die Frage, ob ein Staat sich für die Abgrenzung des Anwendungsbereiches seiner eigenen Bestimmungen über das Verboten- oder Erlaubtsein eines bestimmten Verhaltens wirklich nur von dem Gesichtspunkt leiten lassen kann, ein Anknüpfungsmoment zu verwenden, und zu diesem Zweck dasjenige zu suchen, von dem angenommen werden kann, es sei das international gebräuchlichste Anknüpfungsmoment. Zunächst einmal ist es denkbar, daß ein Staat aus Gründen seiner Außenwirtschaftspolitik in bestimmten heterogen verknüpften Situationen zwar selbst über ein Verhalten legiferieren, aber seine Verhaltensnormen in der Weise gestalten will, daß in solchen heterogen verknüpften Situationen gewisse Handlungen, die im homogen verknüpften Bereich verboten sind, frei sein sollen5. Das bedeutet, daß u. U. für heterogen verknüpfte Situationen Spezialrecht geschaffen werden kann, welches anstelle eines gesetzlichen Verbots einer Handlung, wie es für homogen verknüpfte Fälle gilt, Handlungsfreiheit — exzeptionellerweise vielleicht sogar ein Handlungsgebot — vorsieht. Andererseits wird gerade bei gesetzlichen Geboten zur Unterlassung bestimmter Handlungen die Bereitschaft der Nonnadressaten zur Befolgung des Gebots in homogen verknüpften Situationen oft dadurch gefördert, daß das Gebot auch in einem möglichst breiten Sektor der heterogen verknüpften Situationen gilt; das allein mag dem Gesetzgeber Veranlassung geben, eine entsprechende Erstreckung des Verbots auf heterogen verknüpfte Situationen anzuordnen. Unter Umständen befürchtet auch der Gesetzgeber, daß der mit der abstrakten Norm angestrebte Zweck einer gesetzgeberischen Maßnahme nicht erreicht wird, wenn das Gebot etwa nur für homogen verknüpfte Verhältnisse, und nicht auch für einen sich aus diesem Zweck ergebenden mehr oder weniger breiten Bereich der heterogen verknüpften Beziehungen als anwendbar erklärt wird. Ist, wie oft, das mit zivilrechtlichen Folgen ausgestattete Unterlassungsgebot zugleich mit anderen, insbesondere öffentlich-rechtlichen, Sanktionen ausgestattet, und ist im Zusammenhang damit der Anwendungsbereich der Verhaltensnormen schon irgendwie abgesteckt worden, so kann auch der Gedanke der materiellen Harmonie ins Feld geführt werden, um zu argumentieren, daß derselbe Anwendungsbereich, den das internationale Strafrecht des Staates für eine Verbotsnorm vorsieht, auch gelten müsse, wenn im Zivilprozeß Ansprüche auf Unterlassung der strafbaren Handlung gestellt werden können. Offenbar unter dem Eindruck dieser Gesichtspunkte wird in vielen positiven Rechten für bestimmte einzelne gesetzliche Verhaltensgebote des Inlandsrechts, zu deren Durchset418
Alternative Anwendung mehrerer Deliktsstatute
§15
zung, neben Sanktionen des Strafrechts, Unterlassungsansprüche von Privatrechtssubjekten gewährt werden, angeordnet, daß die Verbotsnorm anwendbar sein solle, wenn das eine oder das andere Anknüpfungsmoment, das mit Rücksicht auf den Inhalt der einzelnen Norm ermittelt wird, zum Inland hingeht6. Ergänzend wird eine subsidiäre alternative Zuweisung an das eigene Recht für alle diejenigen gesetzlichen Verhaltensnormen, welche privatrechtliche Unterlassungsansprüche auslösen, gebildet, für die keine solche besondere Regelung nachweisbar ist; es wird also etwa bestimmt, daß inländische Verbote eines sozialschädlichen Verhaltens mangels abweichender gesonderter Bestimmungen im Zweifel anwendbar sind, wenn entweder der Handlungsort oder der Wirkungsort im Inland liegt. Derartige alternativ mit mehreren Anknüpfungsmomenten zu Lasten der Verhaltensfreiheit arbeitende subsidiäre Zuweisungen an das eigene Recht können dann zu bilateralen Zuweisungsnormen erweitert werden. Das ruft die Gefahr von Komplikationen hervor, wenn eine konkrete Handlung etwa gemäß dem Recht des inländischen Handlungsortes als geboten, und zugleich gemäß dem Recht des ausländischen Wirkungsortes als verboten zu beurteilen wäre. Ist die Handlung im inländischen Recht des Forumstaates weder geboten noch verboten, sondern frei, und ist sie in einem der alternativ berufenen und anwendungswilligen ausländischen Rechte geboten (oder verboten), so wird leicht auf die negative ordre public Klausel zurückgegriffen werden, um der ausländischen freiheitsbeschränkenden Regelung die Anwendung zu versagen. Nicht selten werden spezielle Vorbehaltsklauseln gebildet, wonach nur dann im Forumstaat zur Unterlassung einer unerlaubten Handlung oder Schadensersatz auf Grund ausländischen Rechts verurteilt werden kann, wenn die Handlung im Inlandsrecht des Forumstaates, auch wenn dessen Recht im konkreten Fall mangels einer Verknüpfung nicht berufen ist, durch irgendeine andere Sanktion als rechtlich mißbilligt erscheint 7 ; die spezielle Vorbehaltsklausel kann auch dahin gehen, daß eine Handlung eigener Staatsangehöriger nur insoweit gemäß dem berufenen und anwendungswilligen ausländischen Recht zur Verhängung einer Unrechtsfolge im Forumstaat führt, als sie auch nach dessen Inlandsrecht, falls es berufen gewesen wäre, diese Folge gehabt hätte 8 . c) Gemeinsame Gesichtspunkte für die Bestimmung des Anwendungsbereiches von gesetzlichen Verhaltensnormen im Zusammenhang mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen In zahlreichen Fällen — so bei den meisten Fahrlässigkeitsdelikten — ist es undenkbar, daß der Geschädigte hätte versuchen können, die Verursachung des von einer unerlaubten Handlung herrührenden Schadens durch eine auf Unterlassung der Handlung gerichtete Klage oder Selbsthilfeakte zu verhindern. Selbst wenn, wie später noch darzulegen, im Forumstaat nicht jedes Recht, nach welchem bei der Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch die Frage nach der Unerlaubtheit des kausalen schädigenden Verhaltens beurteilt und bejaht wird, damit auch stets auf die Frage des Schadensersatzanspruchs anwendbar wird, kann aber auch über Schadensersatz wegen „unerlaubter" Handlung niemals entschieden werden, ohne daß zuvor geklärt wird, welche Rechte im Forumstaat für die Frage, ob die Handlung unerlaubt oder erlaubt war, anzuwenden sind. Zusätzlich zu den oben schon gemachten Ausführungen über die Ausgestaltung der einschlägigen Kollisionsnormen als einseitiger oder bilateraler, einfacher, alternativer oder kumulierender, spezieller oder subsidiärer allgemeiner Zuweisungsnormen werden hierbei die folgenden Gesichtspunkte von Bedeutung: 1. Bestimmung des Anwendungsbereichs von gesetzlichen Verhaltensgeboten durch objektive Anknüpfungsmomente Sowohl dann, wenn das Verhaltensgebot eine menschliche Handlung als solche beschreibt und sie gebietet oder verbietet, als auch dann, wenn eine Sachnorm ein Ereignis 41?
§15
Handlungsort, Erfolgsort, Schadensort
beschreibt und bestimmt, daß irgendeine menschliche Handlung, die das Ereignis (den „Erfolg") allein oder zusammen mit anderen Vorgängen verursacht, als verboten zu gelten hat, ist der Umstand, daß die Handlung auf dem Staatsgebiet eines bestimmten Staates vorgenommen wird, sicher eine durchaus sachgerechte und daher auch gebräuchliche Verknüpfung, um die Anwendungswilligkeit des Rechtes des Handlungsortes zu begründen. Der Ort von bloßen Vorbereitungshandlungen für weitere Handlungen zur Verursachung eines Erfolges gilt nicht als Handlungsort, wenn die Verursachung eines Erfolges als solche zum Gegenstand des Verbotes gemacht wird; die Abgrenzung von Tathandlung und Vorbereitungshandlung9 ist Sache der Ausgestaltung des positiven Rechts durch Gesetzgebung oder Rechtsprechung. Ist die Verursachung eines bestimmten Erfolges durch irgendwelche dazu geeigneten Handlungen verboten, so ist auch der Erfolgs- (oder Wirkungs)ort der verbotenen Handlung eine mit gleichem Recht als Anknüpfungsmoment geeignete Verknüpfung. Der Erfolgsort kann aber auch mit einem Satz anwendungswillig sein, welcher eine schadensgeneigte Handlung als solche verbietet. Kann der Handelnde nicht mit Sicherheit wissen, daß die Handlung in einem bestimmten Land den vom Recht mißbilligten Erfolg verursacht, ist aber mit der Möglichkeit der Wirkung an diesem Ort zu rechnen, so ist es zunächst eine Frage der Auslegung der Zuweisung an das Recht des Wirkungsortes, ob ein Satz, welcher vor dem Eintritt der Wirkung bereits eine Unterlassungsklage ermöglicht, oder ob nur der Satz, welcher für den tatsächlich eingetretenen Schaden eine Ersatzpflicht vorsieht, angewendet werden will; vor allem im ersten Fall bleibt die Frage, ob das Völkerrecht eine solche Zuwiisung erlaubt 10 . Während im Strafrecht die Schädigung des Vermögens oder anderer Interessen eines Rechtssubjektes meist nur für die Strafbarkeit eines „erfolgsqualifizierten" Delikts, bei welchem der Erfolg in dem Schadenseintritt zu sehen ist, eine Rolle spielt, liegt es bei der privatrechtlichen Würdigung einer unerlaubten Handlung als eines Anlasses für Schadensersatzansprüche offenbar viel näher, als „Wirkung", deren Verursachung durch irgendwelche Handlungen als verboten gilt, und auf deren Lokalisierung es im internationalen Privatrecht ankommt, nicht bloß die „Rechtsgutverletzung", sondern auch, oder gar in erster Linie, den dadurch verursachten Schaden in Gestalt der Vermögensminderung durch aufgewendete Heilungskosten, Verdienstausfall, Nichtbezug von Unterhaltsleistungen seitens Dritter, die der Verletzte nicht erbringen kann, zu sehen, und den Staat, in dem sich dieser Schaden bemerkbar macht, also den Staat des „Schadensortes", als befugt zu betrachten, die Anwendbarkeit seiner Vorschriften anzuordnen 11 . Der Schadensort ist höchstens dann nicht ein sinnvolles Anknüpfungsmoment für eine Verhaltensnorm, welche die Verursachung des Schadens verbietet, wenn es für den anderswo Handelnden nicht erkennbar war, daß seine Handlung den Schaden gerade in dem Staat anrichten würde, der im Gegensatz zu anderen seine Verursachung verbietet. Im positiven Recht gibt es nirgendwo eine Vorschrift, welche die Unterlassung irgendeiner zur Verhinderung eines vom Recht mißbilligten Ereignisses geeigneten Handlung als verboten bezeichnet. Wenn die Verursachung des Ereignisses durch Unterlassung bestimmter im Gesetz bezeichneter (eventuell auch nur angedeuteter) Handlungen als verboten erklärt wird, so ist neben dem inländischen Wirkungsort des Ereignisses oder des Schadens auch noch eine Verknüpfung der betreffenden Handlung oder des Handelnden zu dem Staat des Wirkungs- oder Schadensortes erforderlich, ehe dieser seine Sachnorm als anwendbar bezeichnet12. Die Anwendbarkeit einer gesetzlichen Verhaltensnorm im materiellen Recht eines Staates kann sinnvoll von diesem aber nicht nur vom inländischen Handlungs-, Erfolgsoder Schadensort, sondern auch von der inländischen Staatsangehörigkeit oder dem inländischen Wohnsitz des Normadressaten im Urheberstaat der Norm abhängig gemacht 420
Völkerrechtliche Beschränkungen des Deliktsstatutes
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werden. Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit oder mehrfachem Wohnsitz besteht hier kein Anlaß, nur auf eine der mehreren Staatsangehörigkeiten abzustellen; eine Staatsangehörigkeit wird ja gerade dadurch „effektiv", daß der Heimatstaat ihr als Anknüpfungsmoment Bedeutung beilegt. Der Wohnsitz dessen, der durch eine unerlaubte Handlung verletzt wird, ist vorwiegend in seiner Eigenschaft als Schadensort geeignet, Anknüpfungsmoment für die Verbotsnorm zu werden. Jedenfalls ist zunächst einmal nicht zu sehen, daß eine der genannten Verknüpfungen „aus der Natur der Sache heraus" geeigneter sei als die andere, um Anknüpfungsmoment für die Verbotsnorm zu werden. 2. Völkerrechtliche Schranken für den Anwendungsbereich der eigenen gesetzlichen Verhaltensgebote eines Staates Daß für die Bestimmung des Anwendungsbereiches der eigenen Verhaltensnormen eines Staates, deren Verletzung Kriminalstrafen auslösen soll, wichtige völkerrechtliche Schranken bestehen, ist unbestritten. Dieselben Schranken gelten wohl auch für diejenigen Privatrechtssätze, die nur Ansprüche auf Unterlassung von unerlaubten Handlungen anderer begründen und damit der Androhung von zivilprozessualen Beugestrafen bei Nichtbefolgung des Unterlassungsurteils verbunden sind. Handelt es sich um Verbote bestimmter menschlicher Handlungen als solcher, so ist allerdings der Staat, auf dessen Gebiet die verbotene Handlung durch eine dort anwesende natürliche Person vorgenommen werden würde, sicher zum Erlaß solcher Verbote gegenüber dieser Person, gleich welchen Inhalt sie haben, und ohne Rücksicht darauf, ob es sich um eigene Staatsangehörige, Ausländer oder Staatenlose handelt, befugt. Daß Personen, die als Staatsorgane eines fremden Staates eine Handlung als einen Staatsakt für diesen fremden Staat völkerrechtlich rechtmäßig vornehmen, deswegen auch durch den Staat des Handlungsortes nicht gemäß dessen Recht bestraft werden dürfen, und daß Staatsorgane, wenn auch mit wichtigen Ausnahmen, auch für rechtswidrige, und sogar für völkerrechtswidrige Staatsakte außerhalb des Dienstherrenstaates nach Völkerrecht Immunität gegenüber der Justiz des Handlungslandes genießen, wird möglicherweise auch im internationalen Privatrecht von Bedeutung, wenn auch wohl kaum im Zusammenhang mit Unterlassungsklagen13. Soweit die Verursachung eines bestimmten Ereignisses durch irgendeine dazu führende menschliche Handlung als solche verboten wird, so ist ebenfalls der Staat des Handlungsortes nach Völkerrecht befugt, die Anwendung seiner Gesetze durch seine Gerichte anzuordnen, auch wenn der Erfolg außerhalb des Staatsgebietes eintritt. Den persönlich auf dem Staatsgebiet eines Staates anwesenden Menschen darf dieser Staat ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit die Unterlassung irgendwelcher Handlungen auf diesem Gebiet während des Aufenthaltes durch Gesetz aufgeben, es sei denn, daß das Verbot sich gegen die Wahrnehmung von völkerrechtlich anerkannten Menschenrechten zu einem bestimmten Verhalten richten würde. Hingegen ist, um jemand während seines Aufenthaltes in einem Land zu einem bestimmten Tun auf diesem Gebiet unter Strafandrohung zu verpflichten, nach Völkerrecht entweder erforderlich, daß durch Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt eine Dauerverknüpfung zu dem Gebotsadressaten besteht, oder daß die Verpflichtung zu einem bestimmten Tun zur Bedingung für die Zulassung von Ausländern auf das Staatsgebiet gemacht wurde, oder daß eine weitere der auferlegten Handlungspflicht adäquate sachliche Verknüpfung zum Inland (z. B. Vermögensbesitz im Inland) gegeben ist 14 . Der Staat, in dem sich der Ort des Ereignisses oder des Zustandes befindet, dessen vorsätzliche oder fahrlässige Verursachung durch menschliche Handlungen als strafbar bezeichnet wird, darf nach Völkerrecht mit den unten noch zu erörternden Einschränkungen seine Strafgesetze als anwendbar erklären, wenn es dem Handelnden bekannt oder 421
§15
Völkerrechtlich zulässige Anknüpfungsmomente
erkennbar war, daß der Erfolg in dem Staat, der die Erfolgsverursachung durch sein Recht verbietet, eintreten würde, und sicher dann, wenn dieser Erfolg an diesem Ort von ihm gewollt war. Das Land des Erfolgsortes darf unter Anwendung seines Strafrechts durch seine Gerichte auch dann Strafen verhängen lassen, wenn die soeben genannte Bedingung nicht verwirklicht ist, aber die Handlung vom Staat des Handlungsortes in den Anwendungsbereich eines gleichlautenden Verbotsgesetzes einbezogen worden war. Auch derjenige Staat, der durch seine Strafgesetze eine bestimmte Handlung als solche verbietet, darf das eigene Strafgesetz dann zur Anwendung bringen, wenn die Handlung zwar außerhalb seines Staatsgebietes begangen wurde und dort nicht strafbar war, wenn aber dem Handelnden erkennbar war, daß sie auf dem Staatsgebiet des strafwilligen Staates Wirkungen hervorrufen könnte, deren Verhinderung letztlich das erkennbare Motiv des Handlungsverbotes ist. Der Staat, in dem sich eine Sache befindet, deren Eigentümer ein im Ausland befindlicher Ausländer mit ausländischem Wohnsitz ist, darf seinerseits an die Belegenheit der Sache und das Eigentum nicht nur Steuerpflichten in adäquatem Umfang anknüpfen, sondern darf z. B. als Wirkungsland von Schäden durch Unterlassungen des Eigentümers unter Strafandrohung anordnen, daß der Eigentümer (solange er nicht das Eigentum aufgibt 1 4 3 ) bestimmte Vorkehrungen zu treffen hat, insbesondere um Dritte vor Gefahren, die von der Sache ausgehen, zu bewahren. Auch der Staat, in dem Personen auf Grund eines Arbeitsverhältnisses für einen im Ausland befindlichen ausländischen Arbeitsgeber mit dessen Einverständnis tätig sind, darf in entsprechender Weise dem Arbeitgeber unter Strafandrohung aufgeben, zur Verhütung gewisser unerwünschter Wirkungen auf dem Staatsgebiet, und zur Verhütung von Schäden anderer in diesem Land, bestimmte Weisungen an die Arbeitnehmer in bezug auf ihre Tätigkeit auf dem betreffenden Staatsgebiet zu richten. Das Wirkungsland einer Unterlassung kann eine mit Strafdrohung oder privatrechtlichen Vornahmeansprüchen ausgestattete gesetzliche Verpflichtung zu einem Tun auf fremdem Staatsgebiet mangels einer Dauerverknüpfung des zu Verpflichtenden mit dem Wirkungsland im allgemeinen nur in der Weise begründen, daß es die Unterwerfung unter eine solche Verpflichtung zu einer Bedingung für den Erwerb von Rechtspositionen im Inland erklärt. Aber auch das ist völkerrechtlich nicht möglich, wenn völkerrechtliche Verträge vorsehen, daß Rechtspositionen im Inland Ausländern bedingungslos gewährt werden müssen. Als Ereignis oder Zustand, dessen Verursachung durch menschliche Handlungen vom Wirkungsland in dieser Weise als verboten erklärt und bestraft werden darf, haben nicht nur physische Vorgänge (Körperverletzung, Sachbeschädigung usw.) als solche zu gelten, sondern auch Folgen auf den Bestand des Vermögens eines Privatrechtssubjekts, die von ihm in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung als „Schäden" empfunden werden. Während der Aufenthaltsort einer natürlichen Person, der ein Nichtvermögensschaden (z. B. körperlicher oder seelischer Schmerz) zugefügt worden ist, als solcher sicher als der Ort gelten kann, wo der Schaden von dem Betroffenen empfunden wird, so daß dieser „Schadensort" ohne Bedenken als Anknüpfungsmoment für die eigene Verbotsnorm des Staates, zu dessen Staatsgebiet der Schadensort gehört, verwendet werden darf, läßt sich bei Vermögensschäden vor allem vom Wohnsitz einer in ihrem Vermögen geschädigten Privatperson nicht bestreiten, daß dort eine „Wirkung" der unerlaubten Handlung lokalisiert ist, so daß auch bei Vermögensschäden der Wohnsitzstaat des Geschädigten nach Völkerrecht als zum Verbot der verursachenden Handlung befugt zu gelten hat. Dies gilt vor allem dann, wenn der Schaden nicht in dem Verlust bereits erworbener und irgendwo „belegener" Vermögenswerte besteht, sondern in dem Ausbleiben einer Vermögensvergrößerung infolge der Nichterlangung von Leistungen Dritter, mit der ohne das vom Recht mißbil422
Schranken für Personalhoheit und Wirkungsstatut
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ligte Ereignis hätte gerechnet werden können. Wenn zahlreiche Länder in ihrem positiven Recht den Begriff des „Wirkungsortes" nicht dahin verstehen, daß er das Wohnsitzland der in ihrem Vermögen geschädigten Privatrechts Subjekte als solches mit erfaßt 15 , so bestehen doch keine völkerrechtlichen Bedenken, daß das Wohnsitzland eines Geschädigten seine Gesetze, mit denen die Verursachung des Schadens durch irgendwelche menschlichen Handlungen verboten wird, als anwendbar bezeichnet, jedenfalls wenn der Verursacher den Eintritt des Schadens in diesem Land vorhersehen konnte 1 5 3 . Hingegen ist die Befugnis eines Staates, schädigende Handlungen allein wegen der inländischen Staatsangehörigkeit des Geschädigten seinen Verbotsgesetzen zu unterwerfen, also insbesondere das sogenannte passive Personalitätsprinzip des internationalen Strafrechts, völkerrechtlich recht zweifelhaft, es sei denn, daß schon ein aus einem anderen Grunde zum Verbot legitimierter Staat seinerseits die schädigende Handlung in den Anwendungsbereich seiner entsprechenden Verbotsgesetze einbezogen hat. Sowohl Staatsangehörigkeit als auch Wohnsitz des Normadressaten in einem Staat legitimieren diesen nach Völkerrecht, seine mit Strafdrohungen ausgestatteten Verhaltensnormen auch dann als anwendbar zu erklären, wenn Handlungs-, Wirkungs- oder Schadensort sich außerhalb des Staatsgebietes befinden. Auch der Staat des Sitzes eines Unternehmens darf die geschäftliche Tätigkeit des Unternehmens im Ausland durch Rechtsnormen zu regeln versuchen. Heimat- und Wohnsitzstaat dürfen aber nicht in Widerspruch zu den vom Staat des Handlungsortes aufgestellten und auf heterogen verknüpfte Situationen als anwendbar erklärten Verhaltensgeboten legiferieren, wenn es sich um Materien handelt, die üblicherweise nur vom Staat des Handlungsortes geregelt werden. Kein Staat darf z. B. über das Verhalten seiner Staatsangehörigen im Verkehr auf Straßen anderer Länder Gebote aufstellen, die im Widerspruch zu den Geboten des örtlichen Rechtes stehen. Auch der Staat des normalen Lageortes einer beweglichen Sache — etwa der Ort, wo ein Fahrzeug „gehalten" wird — kann zwar in bezug auf die Verwendung der Sache durch den Eigentümer oder Besitzer Verhaltensvorschriften für den Fall erlassen, daß die Sache zeitweise sich auf fremdem Staatsgebiet befindet; aber auch hier gilt, daß keine Vorschrift in Widerspruch zu dem Recht des Handlungsortes erlassen werden darf, wenn es sich um Regelungen handelt, die üblicherweise nur vom Staat des Handlungsortes ausgehen 16 ' 1 7 . Aber auch der Staat, in dem der Ort belegen ist, an welchem sich das Ereignis zuträgt, oder in dem sich der Schaden auswirkt, dessen Verursachung durch irgendwelche menschlichen Handlungen als verboten bezeichnet wird, darf nach Völkerrecht nicht solche Handlungen als strafbar erklären, deren Vornahme durch das Strafrecht des Handlungsortes gesetzlich geboten ist, soweit es sich um Materien handelt, bei denen üblicherweise eine Regelung menschlichen Verhaltens in erster Linie als Sache des Landes gilt, wo sich das menschliche Verhalten abspielt, wie z. B. bei der Regelung des Verhaltens im öffentlichen Verkehr. Der Wirkungsstaat darf hier auch nicht das gebieten, was vom Staat des Handlungsortes verboten ist: Der Unterliegerstaat eines Wasserlaufes darf verbieten, daß durch Handlungen innerhalb oder außerhalb dieses Staates Verschmutzungen des Wasserlaufs oder Überschwemmungen auf seinem Gebiet verursacht werden; er darf aber nicht im Widerspruch zu einem ausdrücklichen Gebot des Oberliegerstaates wegen einer dort gebou-m-n Handlung bestrafen 18 . Sodann darf ein Staat nicht allein aus der Erwägung heraus, daß eine bestimmte Handlung oder Unterlassung möglicherweise Wirkungen in Gestalt von Rechtsgüterverletzungen oder in Gestalt von Schäden auf seinem Gebiet verursachen könnte, die Handlung als solche, wenn sie auf fremdem Staatsgebiet vor sich geht und von den Gesetzen des Handlungsortes nicht verboten oder gar geboten ist, in den Anwendungsbereich seiner mit Strafdrohung ausgestatteten Handlungsverbote bzw. -geböte einbeziehen, so z. B. in Gestalt von Sicherheitsvorschriften über industrielle Anlagen. Wird allerdings durch eine 423
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Staatliche Regelung des Verhaltens auf staatlosem Gebiet
Handlung oder Unterlassung, die nicht allein schon als Gefährdungsdelikt durch andere Staaten als den Staat des Handlungsortes verboten werden darf, tatsächlich auf dem Gebiet eines anderen Staates eine mißbilligte Wirkung ausgelöst, und war dies für den Betreffenden voraussehbar und Vermeidung möglich, so kann die Verursachung der Wirkung selbst als ein „fahrlässiges" Handeln unter Anwendung des Rechtes des Wirkungslandes in diesem bestraft werden; daher kann sie auch Anlaß dazu sein, daß nach dem Recht des Wirkungslandes privatrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bestehen. Der Befugnis des Staates des Wirkungs- oder Schadensortes sind indes noch weitere Schranken gesetzt: Selbst wenn eine menschliche Handlung nachweislich Folgen auf dem Staatsgebiet eines Landes hat, die dort als unerwünscht betrachtet werden, und deren Verursachung daher der dortige Gesetzgeber verbieten möchte, so legitimiert der inländische Wirkungsort allein nicht zur Erstreckung solcher Verursachungsverbote auf Handlungen, die auf ausländischem Staatsgebiet durch Personen erfolgen, die zu dem Wirkungsland keinerlei persönliche Verknüpfungen haben, wenn es sich um Handlungen handelt, die nach allgemeiner Rechtsüberzeugung in erster Linie durch den Staat des Handlungsortes verboten sein müssen, ehe auch ein anderer Staat deswegen bestrafen kann: Ein Staat kann für die Herstellung von Margarine im Inland (etwa im Interesse der Inländischen Butter- oder Rapserzeuger) die Verwendung bestimmter Rohstoffe vorschreiben oder verbieten, wobei die einschlägigen Strafgesetze unter Umständen auch privatrechtlich als „Schutzgesetze" für Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche relevant werden können. Der betreffende Staat kann aber nicht, nur weil die Verwendung bestimmter Stoffe bei der Margarineproduktion in einem anderen Lande sich nachteilig auf seinem Staatsgebiet (insbesondere für die dort befindlichen Exporteure) auswirkt, seine Vorschriften auf die Produktion von Margarine im Ausland durch Ausländer erstrecken, solange sie im Ausland nach dem dortigen Recht frei ist. Die Befugnis des Wirkungslandes, die Verursachung einer Wirkung im Inland durch Handlungen im Ausland zu verbieten, wird also zwar nicht generell damit hinfällig, daß die Handlung im Recht des Handlungsortes nicht verboten ist, wohl aber beim Bestehen einer allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsüberzeugung, daß Maßnahmen zur Unterdrückung gewisser Handlungen durch andere Staaten, insbesondere den Staat des Wirkungsortes, erst dann zulässig werden, wenn der Staat des Handlungsortes selbst die Handlung verboten hat. 3. Völkerrecht über „Delikte" auf staatlosem Gebiet Soweit eine Handlung auf staatlosem Gebiet von einem Schiff oder Flugzeug aus begangen wird, und sie sich auf dem Staatsgebiet eines Staates, der nicht der Flaggenstaat oder Registrierungsstaat des Fahrzeuges ist, auswirkt, hat der Flaggen- bzw. Registrierungsstaat des Fahrzeuges eine entsprechende Stellung, wie sie der Staat des Handlungsortes gemäß dem oben Gesagten einnimmt: Dieser Staat darf selbst jede innerhalb des Fahrzeuges von irgendjemand begangene Handlung unter Strafandrohung verbieten. Die „Freiheit" des Verhaltens auf staatlosem Gebiet, die nicht ausschließt, daß der Heimatstaat Personalhoheit über physische Personen, und daß der Flaggen- bzw. Registrierungsstaat eines Fahrzeugs Gebietshoheit über Vorgänge auf dem Fahrzeug ausüben darf, hindert nicht, daß der Staat, in welchem der Wirkungsort einer auf staatlosem Gebiet (einschließlich eines dort befindlichen Fahrzeuges) begangenen Handlung liegt, von den ihm in der Eigenschaft als Wirkungsland zustehenden Regelungsbefugnissen Gebrauch macht. Das Wirkungsland hat aber bei der Erstreckung des Anwendungsbereiches der eigenen Strafgesetze in gewissem Umfang hier auf den Vorrang des Rechtes des Flaggenstaates des Fahrzeugs, also des Staates des Handlungsortes, zu achten. Der Küstenstaat kann also nicht allein deshalb, weil mit einem Vorgang auf hoher See 1 9 die Möglichkeit einer Verschmutzung seiner Küsten verbunden ist, auf Schiffen fremder Flagge unter Sfra/androhung die 424
Keine Anwendung des nicht anwendungswilligen ausländischen Deliktsstatuts
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Vornahme von Handlungen auf hoher See gebieten, welche solche Gefährdungen verhindern sollen. Wohl aber kann er z. B. das Anlaufen seiner Häfen durch solche Schiffe verbieten, die nicht gewissen von ihm aufgestellten Sicherheitsvorschriften genügen, und er darf bei einer tatsächlich eingetretenen Verschmutzung der Küste eines Landes durch Vorgänge auf hoher See eigene Strafgesetze anwenden, wenn die verursachende Handlung auch durch das Recht des Flaggenstaates verboten war, oder wenn der Handelnde damit rechnen mußte, daß die von dem Wirkungsland mißbilligte Wirkung dort eintrat. Der Flaggen- oder Heimatstaat eines Fahrzeuges im staatlosen Raum darf seinerseits eigene Verbote menschlicher Handlungen, bzw. der Verursachung bestimmter Wirkungen durch menschliche Handlungen vom fremden Staatsgebiet im engeren Sinne oder von einem fremden Fahrzeug aus, unter Bezugnahme darauf, daß „sein" Fahrzeug Wirkungsort ist 2 0 , nur in demselben Umfang als anwendbar erklären, wie der Küstenstaat eigene Verhaltensnormen unter Strafandrohung in seiner Eigenschaft als Wirkungsland als anwendbar erklären darf. Diese völkerrechtlichen Grenzen des Anwendungsbereiches von Strafnormen gelten jedenfalls auch für Privatrechtssätze, mit denen an die Verletzung des Verhaltensgebotes einklagbare und mit Beugestrafen erzwingbare Unterlassungsansprüche angeknüpft werden. 4. Keine Anwendung ausländischer gesetzlicher Verhaltensgebote gegen den Willen des Urheberstaates Bei einer Anwendung ausländischer Vorschriften, welche privatrechtliche Unrechtsfolgen anläßlich einer „unerlaubten" Handlung begründen, ist es im Sinne der allgemeinen Leitprinzipien für das internationale Privatrecht offenbar unbedingt erforderlich, daß die Anwendung im Forumstaat von der „Anwendungswilligkeit" abhängig gemacht wird, d. h. daß die ausländische Verhaltensnorm im Forumstaat höchstens in dem Umfang zum Zuge kommt, in dem sie auch durch die Gerichte des Ursprungslandes selbst erzwingend angewendet werden würde. Es ist nicht zu rechtfertigen, daß eine beklagte Partei an ihrem inländischen Wohnsitz unter Anwendung eines ausländischen Verbotsgesetzes zur Unterlassung einer Handlung verurteilt wird, wenn die zuständigen Gerichte in dem fremden Urheberstaat des Verbotsgesetzes dieses auf die betreffende heterogen verknüpfte Situation trotz des Bestehens von Inlandsverknüpfungen gar nicht anwenden würden. Dem Gedanken, bei Anwendungsunwilligkeit des berufenen ausländischen Rechts durch Deutung der Verweisung auf das ausländische Recht als einer Gesamtverweisung im Forumstaat dahin zu gelangen, daß Verhaltensgebote der zunächst anwendungsunwilligen lex fori kraft Rückverweisung, oder daß das Recht eines dritten Staates kraft Weiterverweisung im Forumstaat angewendet würde, hat man wenig Aufmerksamkeit gewidmet 21 , weil bei der verbreiteten Verwendung alternativer Zuweisungen für Deliktsnormen ein im Forumstaat berufenes Recht meist auch selbst anwendungswillig ist. Nicht zuletzt besteht aber doch wohl eine begründete Scheu, ein gesetzliches Verhaltensgebot des eigenen Rechts der unerlaubten Handlungen, das eben auf eine heterogen verknüpfte Situation selbst nicht angewendet werden will, nur wegen der „Rückverweisung" durch das internationale Privatrecht eines Staates, dessen eigene Verhaltensnormen ebenfalls nicht anwendungswillig sind, zur Anwendung zu bringen 2 2 . 5. Bildung des Anwendungsbereiches für eigene Verhaltensgebote mit privatrechtlichen Unrechtsfolgen durch Verweisung auf den für inhaltsgleiche Verhaltensgebote mit öffentlich-rechtlichen Unrechtsfolgen bereits vorgesehenen Anwendungsbereich Soweit im Strafrecht oder im Verwaltungsrecht eines Staates Verhaltensgebote zu finden sind, die zugleich als „Schutzgesetze" im Zivilprozeß angewendet werden könnten, wenn eine aktivlegitimierte Privatperson auf Unterlassung oder Schadensersatz klagt, kann 425
§ 15
Anwendungsbereich eigener Schutzgesetze und Deliktsstatut
der unvermeidlicherweise schon für die Verfahren zur Verhängung öffentlich-rechtlicher Sanktionen abzusteckende, und meist in gesetzlichen Bestimmungen präzise abgesteckte Anwendungsbereich eigener Verhaltensnormen eines Staates auch für das internationale Privatrecht übernommen werden 23 . Gerade bei solchen Verhaltensnormen spielen allerdings Klagen auf Unterlassung verbotener Handlungen praktisch eine Rolle vorwiegend nur in den Fällen, in denen auch die Strafverfolgung ausschließlich oder vorwiegend auf Veranlassung des Verletzten hin betrieben wird (so bei der Bestrafung von unlauterem Wettbewerb, Ehebruch usw.), während sich bei Klagen auf Schadensersatz, wie später noch zu zeigen, die Frage stellt, ob die Anwendung eigenen Rechts des Forumstaates nicht zugunsten der Anwendung von ausländischem Recht zurückzutreten hat, wenn sowohl ein Schutzgesetz des Forumstaates, als auch ein Schutzgesetz des ausländischen Handlungsoder Wirkungsortes verletzt worden ist, und deshalb auch die Anwendung ausländischen Schadensersatzrechts in Frage kommt. Wenn ein Staat es der materiellen Harmonie im Forumstaat zuliebe für angebracht hält zu bestimmen, daß der Anwendungsbereich seiner privatrechtlichen Bestimmungen über Ansprüche auf Unterlassung unerlaubter Handlungen und Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen — vorbehaltlich einer Anpassung der letzteren an gleichzeitig berufene Normen eines ausländischen Rechts — auf alle Fälle diejenigen Situationen erfassen muß, in denen dieser Staat ein Verhalten im In- oder Ausland nach Maßgabe seines eigenen Strafrechts bestrafen will, so kann auch eine derartige Regelung zu einer bilateralen Regelung erweitert werden. Es ist nun aber nicht unmöglich, daß ein Forumstaat schon sein eigenes Strafrecht in der Weise gestaltet, daß er, etwa unter Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Täters, durch seine Gerichte die von seinem Strafrecht vorgesehenen Strafen verhängen läßt, wenn das Verhalten des Täters im Ausland gar nicht von den Verhaltensgeboten des Forumstaates erfaßt wurde, aber nach dem Recht des Tatortes — etwa durch dessen Straßenverkehrsrecht — unter Strafe verboten ist 24 . In entsprechender Weise kann ein Staat auch von seinen Privatrechtssätzen, welche Ansprüche auf Unterlassung einer durch ein Schutzgesetz verbotenen Handlung oder Schadensersatzansprüche bei Verletzung von Schutzgesetzen vorsehen, bestimmen, daß unter den Schutzgesetzen nicht nur strafrechtliche Vorschriften des eigenen Rechtes im Rahmen ihrer Anwendungswilligkeit, sondern auch Vorschriften des ausländischen Rechts zu verstehen sind, die ein fremder Staat mit einem entsprechenden Anwendungsbereich, wie ihn der Gesetzgeber des Forumstaates für sein Strafrecht in Anspruch nimmt, erlassen hat: Der gemeinsame Heimat- oder Wohnsitzstaat von Kaufleuten, von denen der eine unlauteren Wettbewerb im Ausland angeblich dadurch begeht, daß er seine Waren dort unter Verletzung der anwendungswilligen öffentlichrechtlichen Vorschriften des fremden Marktlandes mit irreführenden Angaben versieht, kann die privatrechtliche Vorschrift seines Wettbewerbsrechts, welche eine Unterlassungsklage unter Wettbewerbern ermöglicht, wenn der eine sich durch Verletzung von Vorschriften über Warenbezeichnung einen Vorsprung auf dem Markt verschaffen will, als anwendbar betrachten, obwohl es sich nicht um die Warenbezeichnungsvorschriften des Forumstaates, sondern die des fremden Vertriebslandes handelt 25 ; Unterlassungsansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs gemäß dem Recht des gemeinsamen Heimatstaates sind sogar denkbar, wenn ausländische Schutzgesetze über den Wettbewerb verletzt worden sind, die im Recht des Forumstaates keine Parallele haben. Der gemeinsame Heimatstaat erklärt häufig auch seine Vorschriften über Schadensersatz wegen fahrlässiger Körperverletzung für anwendbar, wenn die Fahrlässigkeit nur darin zu sehen ist, daß die Verkehrsvorschriften des ausländischen Unfallortes nicht beachtet worden sind. Auch derartige Anweisungen über die Anwendung der Bestimmungen des eigenen Rechts betreffend privatrechtliche Unrechtsfolgen bei Verletzung von Schutzvorschriften 426
Die Anwendungsbereiche rein privatrechtlicher Deliktsnormen
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im Recht anderer Länder können zu bilateralen Rechtsanwendungsanweisungen erweitert werden. D e r deutsche Richter kann auf diese Weise angewiesen werden, etwa auf einen Schadensersatzanspruch zwischen Österreichern wegen fahrlässiger Körperverletzung bei einem Autounfall in Italien auf die Frage nach dem Schadensersatz österreichisches Recht, auf die Frage nach der Fahrlässigkeit die Bestimmungen des italienischen Straßenverkehrsrechts anzuwenden, wenn das österreichische Recht Fahrlässigkeit in der Nichtbeachtung der Verkehrsvorschriften des Aufenthaltsortes sieht. Andererseits kann es vorkommen, daß die inländischen oder ausländischen mit Strafdrohungen ausgestatteten Verhaltensnormen, welche für die Zwecke des Privatrechts der Bewertung eines Verhaltens zugrunde gelegt werden sollen, in Widerspruch stehen mit der anwendungswilligen Strafnorm eines dritten oder vierten Staates, die unter den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates nicht als beachtlich gilt: Im Forumstaat F kann auf Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb von Personen, die in F ihren Wohnsitz haben, eine Strafbestimmung des öffentlichen Wirtschaftsrechts des Vertriebslandes A in der vorhin beschriebenen Weise relevant werden; es kann dann aber möglicherweise eine Vorschrift im Außenwirtschaftsrecht des Heimatstaates einer der Parteien (B) genau das Gegenteil von dem anordnen, was die betreffende Person unter dem Recht von A zu tun hat. Dann muß auch im Forumstaat F geprüft werden, ob die Anwendungswilligkeit des im Forumstaat nicht als beachtlich erklärten Strafrechts von B für den Normadressaten einen Notstand begründet, welcher die Nichtbefolgung der im Forumstaat als relevant erklärten Verhaltensnorm von A rechtfertigt und damit wieder Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz ausschließt. Hierbei ist aber möglicherweise wieder an Hand von Spezialnormen zu prüfen, ob derjenige, der in einen solchen „Befehlsnotstand" geraten ist, sich diesem nicht hätte entziehen können und entziehen müssen.
6. Der Anwendungsbereich von gesetzlichen Verhaltensnormen, die nicht Schutzgesetze mit einem bereits anderweit fixierten Anwendungsbereich sind Die meisten Privatrechte kennen gesetzliche Verhaltensnormen, deren Verletzung keinerlei öffentlich-rechtliche Unrechtsfolgen, sondern nur Schadensersatzansprüche und eventuell Unterlassungs- oder Vornahmeansprüche von Privatrechtssubjekten auslöst. Hierzu gehören zahlreiche Ansprüche auf Unterlassung bzw. Schadensersatz bei „sittenwidrigen" Handlungen, oder aus nicht strafbarer „fahrlässiger" Vermögensschädigung zwischen Personen, unter denen nicht zugleich ein durch Rechtsgeschäft begründetes Rechtsverhältnis besteht. Hier kann zur Bestimmung des Anwendungsbereiches, der den eigenen Verhaltensnormen des Forumstaates in heterogen verknüpften Situationen gegeben werden soll, nicht auf den schon anderweit abgesteckten Anwendungsbereich dieser N o r m verwiesen werden. Gerade bei solchen Verhaltensnormen besteht auch meist keine Veranlassung, für die Bestimmung des Anwendungsbereiches die Frage zu stellen, o b nicht die Verwendung eines bestimmten Anknüpfungsmoments (oder gar die alternative Anwendung mehrerer Anknüpfungsmomente) notwendig sei, damit der gesetzgeberische Zweck der Anordnung nicht verfehlt wird, oder damit nicht die Bereitschaft der Normadressaten, die Verhaltensnorm in homogen verknüpften Situationen zu beachten, ausgehöhlt wird. Letztlich ist es Tradition, o b ein Staat, der in seinem Inlandsrecht eine Bestimmung hat, wonach bei einer bevorstehenden „sittenwidrigen" Handlung der davon Betroffene Unterlassungsklage erheben und bei Durchführung der Handlung Schadensersatz verlangen kann, seinen Gerichten die Anwendung dieser N o r m aufgibt, wenn der Handlungsort, oder wenn der Wirkungsort im Inland belegen ist, oder wenn die Handlung von Staatsangehörigen im In- oder Ausland begangen wird, oder ob alle diese Anknüpfungsmomente alternativ verwendet werden müssen. Die Frage, wie die positivrechtliche Fixierung des Anwendungsbereiches solcher Ver427
§15
Spezialrechtliche Sätze über unerlaubte Handlungen
haltensnormen erfolgt, ist jedoch praktisch deshalb nicht allzu wichtig, weil derartige Verhaltensgebote meist doch nur im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen aktuell werden, und weil, wie später noch darzulegen 253 , sowohl bei gesetzlichen Ansprüchen auf Ersatz eines durch eine unerlaubte Handlung, als auch bei gesetzlichen Ansprüchen auf Ersatz eines schuldlos verursachten Schadens, das auf die Haftung für den Schaden anwendbare Recht allein von dem Staat gestellt werden sollte, zu dem im Einzelfall die gewichtigste Kombination aller bestehenden Verknüpfungen hingeht. Dann bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß auf diese Weise auch die Anwendung der nur durch Schadensersatzpflichten sanktionierten Verhaltensnorm eines Staates letztlich davon abhängig gemacht wird, daß die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall zu ihm hingeht 26 . 7. Spezialnormen
über das Verhalten in heterogen verknüpften
Situationen
Es ist denkbar, daß ein Staat gewisse eigene gesetzliche Verhaltensgebote überhaupt nur als Spezialrecht in bestimmten heterogen verknüpften Situationen angewendet wissen will, während rein inlandsverknüpfte Situationen von solchen Verhaltensgeboten frei bleiben sollen; unter Umständen erläßt ein Staat sogar Vorschriften, mit denen speziell die Befolgung bestimmter anwendungswilliger gesetzlicher Verhaltensvorschriften anderer Länder im heterogen verknüpften Bereich verboten wird. Sind derartige Bestimmungen mit Strafdrohungen ausgestattet, so erhalten sie im Zusammenhang damit schon einen im Gesetz fixierten Anwendungsbereich. Sie können zugleich für die Zwecke des Privatrechts jedenfalls in dem Staat, der sie erlassen hat, als Schutzgesetze gelten; ihre Verletzung kann dann Schadensersatzansprüche unter einer geeigneten Klausel dieses Rechts, und die Gefahr ihrer Verletzung kann Ansprüche auf Unterlassung der Verletzung auslösen: Ein Staat kann z. B. eine Vorschrift haben, welche es den in diesem Staat ansässigen Unternehmungen verbietet, den Behörden fremder Staaten Auskünfte über ihre Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmungen zu geben, während die Erteilung entsprechender Auskünfte an inländische Behörden vielleicht sogar gesetzlich geboten sein kann; dann ist es denkbar, daß ein Unternehmen in dem Staat, der ein solches Verbot der Auskunfterteilung an ausländische Behörden erläßt, vorsorglich gegen ein anderes auf Unterlassung klagen kann 27 . Auch ein für mehrere Staaten uniformes Spezialrecht in Gestalt gesetzlicher Gebote des Verhaltens in heterogen verknüpften Situationen, die dann auch zu privatrechtlichen Ansprüchen Anlaß geben können, ist denkbar: Das Recht der EWG kann für gewisse mit mehreren Ländern des gemeinsamen Markts verknüpfte Situationen uniforme Regeln über unzulässige Wettbewerbsbeschränkungsakte geben wollen 28 ; international uniforme Verhaltensregeln lassen sich auch für das Verhalten von Angehörigen verschiedener Staaten auf staatlosem Gebiet denken, also z. B. als Regeln über das Verhalten von Schiffen verschiedener Flagge beim Verkehr auf dem Meer 29 . Dann kann der Forumstaat eventuell durch Vertrag verpflichtet sein, Verstöße gegen diese vertraglich uniformierten Verhaltensnormen, auch wenn keine Verknüpfungen zu ihm selbst vorliegen, die er verwendet hätte, um eigenes Recht als anwendbar zu erklären, mit den in seinem Strafrecht oder Privatrecht für entsprechende Normen in homogen verknüpften Fällen vorgesehenen Unrechtsfolgen zu versehen 30 . Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen im nationalen Recht eines Staates kann aber auch darin bestehen, daß beim Vorhandensein bestimmter Inlands- und bestimmter Auslandsverknüpfungen ein im Inlandsrecht für homogen verknüpfte Situationen verbotenes Verhalten ausdrücklich als erlaubt erklärt wird. So kann ein wettbewerbsbehinderndes Verhalten in einem Staat, wenn alle Kontakte zum Inland hingehen, verboten sein; das Verbot kann auf einen bestimmten Sektor heterogen verknüpfter Situationen 428
Generelles und spezielles Deliktsrecht
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ausgedehnt werden, es kann aber auch umgekehrt vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht werden, daß das fragliche Verhalten gerade auf einem bestimmten anderen heterogen verknüpften Sektor nicht behindert sein soll. Ein Staat kann also, weil er Kartelle, die sich auf dem Inlandsmarkt auswirken, verbieten will, sein Verbot auf die Importkartelle ausdehnen, während er von reinen Exportkartellen inländischer Wettbewerber ausdrücklich bestimmt, daß sie nicht behindert werden sollen. Hat ein Staat abstrakte bilaterale Zuweisungsnormen gebildet, die den Anwendungsbereich der Bestimmungen des eigenen und des fremden Inlandsrechts über die Frage nach der Zulässigkeit einer Handlung abstecken, so geht Spezialrecht des Forumstaates, welches ein bestimmtes Verhalten in Abweichung von der freiheitsbehindernden Verhaltensnorm des eigenen Inlandsrechts für einen durch eine Inlandsverknüpfung und durch eine Auslandsverknüpfung abgesteckten Bereich als „frei" erklärt, selbstverständlich dem normalen Inlandsrecht innerhalb des diesem durch abstrakte Zuweisungsnormen verschafften Anwendungsbereiches vor. Die spezialrechtliche Norm geht aber auch einer ausländischen Sachnorm innerhalb des dieser durch eine bilaterale Zuweisungsnorm zugewiesenen Anwendungsbereiches vor 31 . Dann, wenn ein Land die Anwendbarkeit einer freiheitsbeschränkenden Verhaltensregelung seines Inlandsrechts zunächst einmal auf Grund der inländischen Staatsangehörigkeit des Verpflichteten vorsieht, kann in Gestalt einer Generalklausel angeordnet werden, daß nach richterlichem Ermessen bei besonders starken Auslandsverknüpfungen, etwa durch ausländischen Handlungs- und Wirkungsort, oder durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz anderer Beteiligter, und Verhaltensfreiheit gemäß diesen Rechten, von der Anwendung der Verhaltensregelung, und damit auch von der Anwendung der Sätze über privatrechtliche Unrechtsfolgen abgesehen werden kann 32 . 8. Durchbrechung der allgemeinen durch spezielleres Recht
Verhaltensnormen
des anwendbaren
Deliktsrechts
Mit dem Vorrang von spezialrechtlichen Regelungen für einen durch eine Inlandsund eine Auslandsverknüpfung abgesteckten besonderen Sektor des heterogen verknüpften Bereichs vor dem sonst auf Grund bilateraler Zuweisungsnormen berufenen eigenen oder fremden Inlandsrecht nicht zu verwechseln ist es, daß alle Verhaltensnormen schon im Inlandsrecht der unerlaubten Handlungen eines Staates ausdrücklich oder stillschweigend mit dem Vorbehalt versehen sind, daß sie vor einer abweichenden Regelung durch speziellere Gesetze des Inlandsrechts zurücktreten wollen. Durch speziellere Gesetze können z. B. „Gewaltverhältnisse" begründet werden, in denen zu bestimmten Zwecken menschliche Handlungen als zulässig gelten, die in abstrakten Regeln des Deliktsrechts zunächst einmal als „unerlaubte" Handlungen bezeichnet werden; selbst Eingriffe in die Freiheit oder körperliche Unversehrtheit anderer können sowohl durch öffentliches Recht als auch durch Rechtssätze über speziellere privatrechtliche Rechtsverhältnisse gerechtfertigt (oder gar geboten) sein. Dann stellt sich die Frage, welches Recht die Spezialregelung stellt, die der Regelung des als anwendbar ermittelten allgemeinen Deliktsstatuts vorgeht. Es geht dann vor allem darum, ob das im Forumstaat anwendbare Spezialstatut mit Hilfe derjenigen Zuweisungsnorm zu ermitteln ist, welche in dem Staat, der das Deliktsstatut als das allgemeine Gesetz stellt, dafür gilt, oder ob der jeweilige und oft „zufällige" Forumstaat bei Anwendung eines ausländischen Deliktsstatuts das maßgebliche speziellere Gesetz mit Hilfe seiner eigenen Zuweisungen zu bestimmen hat. Das Problem ist vor allem im Zusammenhang mit solchen Vorschriften erörtert worden, welche im Verhältnis zwischen Ehegatten, oder im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, Pflichten und Ansprüche des allgemeinen Deliktsrechts ganz beseitigen oder während der Dauer des betreffenden beson429
Gegenseitigkeit im internationalen Deliktsrecht
§15
deren Rechtsverhältnisses ihre Geltendmachung suspendieren. Hierfür kann auf frühere Ausführungen verwiesen werden 3 3 . 9. Materiellrechtliche Handlungen
Gegenseitigkeit
für privatrechtliche
Ansprüche aus
unerlaubten
Wenn eine Privatrechtsnorm einem Privatrechtssubjekt gesetzliche Verpflichtungen zu einem bestimmten Verhalten auferlegt, deren Erfüllung ein anderes Privatrechtssubjekt nach Erwirkung eines Urteils durch Beugestrafen durchsetzen können soll, und wonach es bei der Nichtbefolgung Schadensersatzansprüche erhält, so geschieht dies meist unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß unter sonst gleichen Verhältnissen auch der Kläger durch dieselbe oder durch eine gleichlautende Verhaltensnorm mit gleicher Rechtsschutzausstattung gegenüber dem Beklagten gebunden ist bzw. gebunden wäre. Daraus kann vor allem gefolgert werden, daß dann, wenn die Anwendung eines Verhaltensgebots von einer persönlichen Verknüpfung des Normadressaten zum Urheberstaat der Norm (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) abhängig ist, auch für die klagende Partei entweder dieselbe Verknüpfung, oder aber eine entsprechende Verknüpfung zu einem Staat mit einer inhaltsgleichen Verhaltensnorm bestehen muß. Das wird wichtig, wenn bei Handlungen auf staatlosem Gebiet nur auf die Staatsangehörigkeit (oder den Wohnsitz) des Adressaten eines Verhaltensgebotes abgestellt werden kann; dann sollte nicht der Staatsangehörige von A zu Schadensersatzleistungen wegen unerlaubter Handlung gegenüber einem Staatsangehörigen von B unter Anwendung des Rechtes A verurteilt werden, wenn der Staatsangehörige von B wegen einer gleichen Handlung zum Schaden des Staatsangehörigen von A gemäß dem anwendbaren Recht B keine Schadensersatzpflichten hätte 3 4 . Stellt der Forumstaat auf eine sachliche Verknüpfung, z. B. auf Wirkungs- oder Handlungsort, ab, so scheint die Gegenseitigkeit gewährleistet zu sein, auch wenn die persönlichen Verknüpfungen der Beteiligten zu verschiedenen Ländern hingehen; auch das Mitverschulden des Klägers an einem Unfall wird ja nach demselben Recht des Handlungs- oder Wirkungsortes beurteilt, dem der Hauptverursacher des Unfalls unterliegt. O b das genügt, wird jedoch fraglich, wenn der Forumstaat seine Gerichte trotz der Anwendbarkeit seines Rechts gegenüber dem Kläger und dem Beklagten nur beim Bestehen einer persönlichen Verknüpfung mit der beklagten Partei für zuständig erklärt (oder gar erklären darf), oder wenn praktisch nur bei einem Urteil im Wohnsitzstaat des Beklagten die Möglichkeit einer Vollstreckung besteht. Es läßt sich hier vertreten, die materiellrechtliche Gegenseitigkeit zugunsten des Klägers, wenn der Beklagte Wohnsitz im Forumstaat hat, erst dann als gewährleistet anzusehen, wenn bei Wohnsitz des Klägers außerhalb des Forumstaates anzunehmen wäre, daß dieser Wohnsitzstaat für den Fall, daß der Kläger die gleiche unerlaubte Handlung gegenüber dem Beklagten unter gleichen Umständen und an demselben Ort begangen hätte, die Handlung unter Anwendung einer inhaltsgleichen Norm als unerlaubt betrachten, oder jedenfalls die Vollstreckung eines Urteils des Staates des Handlungsortes, dem dessen Recht zugrunde liegt, nicht verweigern würde 3 5 . Kann die Gegenseitigkeit bei der Handhabung des Verbotsgesetzes vom Forumstaat selbst praktisch nur gegenüber einem beschränkten Personenkreis durchgesetzt werden, so spricht dies sodann auch dagegen, daß im Forumstaat die Verbotsnormen mehrerer Staaten alternativ zur Anwendung berufen werden, wenn sich eine bestimmte konkrete Handlungsweise ihrer Natur nach nicht nur gegenüber einem einzelnen anderen Privatrechtssubjekt, sondern gegenüber einer Mehrheit anderer Personen auswirken kann, und wenn der Forumstaat seine eigene Verbotsnorm nur im Verhältnis zwischen einem Teil dieses umfassenden Personenkreises durchsetzen könnte. Aus diesem Grunde wird ein Forumstaat ein eigenes Verbot von Wettbewerbshandlungen, die jeden anderen Wettbewerber benachteiligen, dann, wenn Wirkungsort der fraglichen Handlung nur ein ausländischer Markt ist, zu 430
Retorsion im internationalen Deliktsrecht
§15
Lasten eines eigenen Staatsangehörigen durch seine Gerichte zwar anwenden lassen, wenn der Kläger ebenfalls Inländer oder Angehöriger eines anderen Landes ist, das ihn durch eine gleichlautende Verhaltensnonn mit Rücksicht auf die Inländereigenschaft verpflichtet, und wenn ferner im konkreten Fall nur solche Personen als Wettbewerber auf dem ausländischen Markt in Frage kommen, die auf die eine oder die andere Weise ebenfalls derselben Verbotsnorm unterworfen sind. Wenn jedoch im Marktland, also dem Wirkungsland der Wettbewerbshandlungen, am Wettbewerb um den Absatz der Waren, um die es sich handelt, Personen teilnehmen, auf die der Forumstaat sein Recht nicht anwenden kann, weil keine ausreichende Verknüpfung zu ihnen besteht, und die auch von keinem anderen Land zur Beachtung einer gleichlautenden Norm angehalten werden, so würde ja der Forumstaat durch Anwendung seines eigenen Verbots auf seine eigenen Staatsangehörigen diese zugleich im Wettbewerb mit diesen ausländischen Konkurrenten im Ausland behindern. Daher wird der Forumstaat, wenn er schon alternativ auf Wirkungsort und Staatsangehörigkeit abstellen will, die Anwendung seines Rechts, das die Verhaltensfreiheit stärker einschränkt als das Recht des fremden Marktlandes, auf Wettbewerbshandlungen eigener Staatsangehöriger an die Bedingung knüpfen, daß an dem Wettbewerb auf dem ausländischen Markt tatsächlich nur solche Kaufleute beteiligt sind, die dieser oder einer gleichlautenden Norm von ihrem Heimatstaat unterworfen sind, d. h. er wird sein Verbotsgesetz auch im Verhältnis zwischen eigenen Staatsangehörigen nicht mehr zur Anwendung bringen, wenn am Wettbewerb auf dem ausländischen Markt auch solche ausländischen Kaufleute teilnehmen, auf deren Verhalten weder das Marktland noch der Heimatstaat eine entsprechende Vorschrift durch ihre Gerichte anwenden lassen 36 . Selbstverständlich ist es denkbar, daß ein Staat ohnehin sein eigenes Wettbewerbsrecht nur auf diejenigen Wettbewerbshandlungen anwenden lassen will, die sich auf den inländischen Markt auswirken, und daß er, soweit dies nicht der Fall ist, in heterogen verknüpften Zusammenhängen gar keine Anwendbarkeit für sein normales Inlandsrecht beansprucht, sondern etwa für den Wettbewerb inländischer Kaufleute unter sich auf ausländischen Märkten ein Spezialrecht entwickelt, das liberaler sein mag als das normale Inlandsrecht. 10. Retorsion bei der Anwendung
von Verhaltensgeboten
zugunsten von
Ausländern
Um einen anderen Aspekt des Gegenseitigkeitsgedankens handelt es sich, wenn die Anwendung ausländischer Verbotsnormen als solche von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden soll. Geht man davon aus, daß der Forumstaat im Zivilprozeß Nonnen eines ausländischen Deliktsrechts durch seine Zivilgerichte anwenden läßt, um denjenigen, denen diese Normen in ihrer Eigenschaft als Schutznormen privatrechtliche Ansprüche verschaffen, in heterogen verknüpften Situationen dieselben Chancen zu deren Verwirklichung zu geben, wie sie in homogen verknüpften Situationen bestehen, so leistet doch der Forumstaat auf diese Weise dem Ursprungsstaat der anwendungswilligen ausländischen Verbotsnormen Rechtshilfe auch insoweit, als diese Verbotsnormen zugleich einem öffentlichen Interesse des Urheberlandes dienen. Die Anwendung ausländischer gesetzlicher Verhaltensgebote auf Unterlassungsklagen im Zivilprozeß des Forumstaates kann zunächst einmal nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der betreffende ausländische Rechtssatz erwiese sich, weil er im Ursprungsland öffentlich-rechtliche Unrechtsfolgen nach sich zieht, als ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts und sei deshalb im Forumstaat unanwendbar: Wenn das Ursprungsland selbst an die Verletzung seines Rechtssatzes neben öffentlich-rechtlichen Unrechtsfolgen auch privatrechtliche Konsequenzen anknüpft, so besteht damit eben in dem Ursprungsland neben der öffentlich-rechtlichen Verhaltensnorm eine parallele Norm des Pra^irechts 3 7 . Wohl aber kann die Frage gestellt werden, ob die erzwingende Anwendung ausländischer Verhaltensnormen, die im Ursprungsstaat zugleich öffentlich-rechtliche Normen sind, wenn sie durch bilaterale Kollisionsnormen 431
§15
Retorsion im internationalen Deliktsrecht
des Forumstaates berufen werden, nicht nur von der Anwendungswilligkeit des ausländischen Rechtssatzes, sondern auch von der Gegenseitigkeit in bezug auf die Rechtshilfe bei der Erzwingung von entsprechenden Sätzen der lex fori durch das Ausland abhängig gemacht werden sollte. Eine Retorsion durch Verweigerung der Anwendung des ausländischen Rechts würde sich also auf den Fall beziehen, daß in dem Ursprungsstaat der im Forumstaat berufenen ausländischen Verhaltensnorm entsprechende Normen des Forumstaates aus irgendwelchen Gründen im Zivilprozeß nicht angewendet werden. Diese Retorsion dürfte jedoch nur zu Lasten der Staatsangehörigen des Staates geschehen, um dessen Verhaltensnorm es sich handelt, d. h. einem inländischen Kläger dürfte die Berufung auf die ausländische Verhaltensnorm nicht abgeschnitten werden. Auch die Anwendung eines im Forumstaat durch eine bilaterale Kollisionsnorm berufenen inländischen Verhaltensgebots könnte verweigert werden, weil das Kollisionsrecht des Heimatstaates des Klägers die direkte oder indirekte Erzwingung von gesetzlichen Verhaltensnormen anderer Staaten in geringerem Umfang ermöglicht als das Kollisionsrecht des Forumstaates: Ist der Forumstaat F bereit, eine Verbotsnorm des Rechtes A durch seine Gerichte anwenden zu lassen, wenn entweder der Handlungs- oder der Wirkungsort sich in A befindet — also auch dann, wenn nur die eine Verknüpfung zu A, die andere zu F hingeht, und nach dem Inlandsrecht von F die Handlung „frei" ist —, während A das Recht von F nur bei Handlungsort in F, und infolgedessen auf eine nach dem Recht von A nicht verbotene Handlung die Verbotsnorm von F dann nicht anwenden läßt, wenn der Wirkungsort sich in F, der Handlungsort hingegen in A befindet, so könnte F auch dies zum Anlaß nehmen, um die von einem Staatsangehörigen des Staates A erhobene und auf eine Verbotsnorm des Rechtes F als dem Recht des Wirkungsortes gestützte Klage abzuweisen, wenn der Handlungsort sich in A befindet, und die Handlung nach dem Recht von A frei ist, insbesondere wenn der Handelnde in F staatsangehörig und wohnhaft ist. Wendet der Staat A ausländische Verhaltensgebote grundsätzlich nur in Kumulation mit seinem eigenen Recht an, während der Staat F dies nicht tut, so könnte F bei einer vor seinen Gerichten erhobenen und auf das Recht A gestützten Klage eines Staatsangehörigen von A das berufene Recht A im Wege der Retorsion mit dem Recht F kumulieren. Würde der Staat A allerdings Entscheidungen des Staates F, die allein auf dem dort angewendeten Recht beruhen, ohne weiteres vollstrecken, so bestünde zur Retorsion keine rechte Veranlassung. Im positiven Recht kommen Retorsionen der eben skizzierten Art selten vor 3 8 . Zu rechtfertigen ist am ehesten eine Retorsion gegenüber solchen ausländischen Kollisionsnormen, welche bei der Anwendung von Verhaltensverboten anderer Länder Unterschiede machen, je nachdem, ob die Anwendung zugunsten oder zu Lasten eines Angehörigen des Forumstaates erfolgt. So wäre es zu rechtfertigen, wenn andere Staaten als Deutschland angesichts des Art. 12 E G B G B die von ihrem Kollisionsrecht berufene deutsche Verbotsnorm nur in Kumulation mit dem eigenen Recht anwenden würden, wenn dort ein Deutscher gegen einen Angehörigen des Forumstaates (oder auch gegen den Angehörigen eines dritten Staates) klagt. Desgleichen ist Retorsion durch Abweisung der auf das Recht des Forumstaates gestützten Klage von Ausländern zu begründen, wenn der Heimatstaat des Klägers Angehörige des Forumstaates von der Berufung auf das durch eine örtliche Verknüpfung als grundsätzlich anwendbar erklärte Recht dieses Staates ausschließt 39 . Der Gedanke der Gegenseitigkeit in einem weiteren Sinne kann bei gesetzlichen Verhaltensgeboten mit privatrechtlichen Konsequenzen schließlich auch eine Rolle spielen, um in solchen Fällen, wo bei der Anwendung der eigenen Normen des Forumstaates vermutlich Ausländer öfter als Begünstigte denn als Belastete auftreten, die Anwendung dieser Normen zugunsten ausländischer Parteien davon abhängig zu machen, daß in deren Heimatstaat überhaupt eine entsprechende Regelung besteht und ohne Diskrimination auch 432
Alternative Anwendung mehrerer Deliktsstatuten
§ 15
zugunsten der Angehörigen des Forumstaates gehandhabt wird. Nimmt man an, daß Machenschaften, die vom Standpunkt des Inlandsrechts des Forumstaates unlauteren Wettbewerb darstellen, häufiger angewendet werden, um ausländische Wettbewerber vom inländischen Markt fernzuhalten, als von diesen zum Schaden inländischer Wettbewerber, so daß der gesetzliche Schutz vor allem den ausländischen Wettbewerbern zugute kommt, so erklärt es sich, daß unter Umständen bestimmt wird, auf Verhaltensnormen über den unlauteren Wettbewerb, die der Forumstaat auf alle Handlungen im Inland anwenden möchte, könnten sich Ausländer dann nicht berufen, wenn ihr Heimatstaat keine ähnliche Gesetzgebung hat 4 0 . 11. Alternative Heranziehung Schadensersatzansprüchen
mehrerer Rechte für die Frage nach Unterlassungs-
oder
Der Rechtsüberzeugung in den meisten Ländern dürfte es entsprechen, daß eine Gestaltung des internationalen Privatrechts gerechtfertigt ist, welche für heterogen verknüpfte Situationen eine größere Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, daß ein bestimmtes Verhalten durch gesetzliche Gebote oder Verbote mit irgendwelchen Unrechtsfolgen unfrei wird, als sie bei homogen verknüpften Situationen im Schnitt besteht, und daß dies jedenfalls dem Umgekehrten vorgezogen werden muß 4 1 : Ist eine bestimmte Handlung im Inlandsrecht von 10 Ländern geboten, in 2 Ländern verboten und in 12 Ländern frei, so wird man es leichter in Kauf nehmen, daß von 60 möglichen heterogen verknüpften Situationen 40 durch ein Verbot und 5 durch ein Gebot erfaßt werden, als daß in 40 Fällen Verhaltensfreiheit, und nur in 15 Fällen Anwendbarkeit eines Gebots- oder Verbotsgesetzes angenommen würde. Zugleich gilt es sicher überall als rechtspolitisch unerwünscht, daß ein im Inlandsrecht aller beteiligten Staaten in gleicher Weise unfrei gemachtes Verhalten, für welches keiner der beteiligten staatlichen Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt hat, daß es in gewissen heterogen verknüpften Situationen frei sein soll, infolge ungeschickter Gestaltung des internationalen Privatrechts bei Verknüpfungen zu mehreren Ländern von keiner dieser nationalen Regelungen erfaßt wird, so daß es sowohl in den beteiligten Staaten als auch in dritten Staaten als erlaubt gelten müßte. Insoweit es sich um die Bestrafung der Nichtbefolgung einer freiheitsbeschränkenden Norm handelt, erfordert der Vorbehalt des Gesetzes, daß nicht nur der Inhalt der strafbaren Tat durch Gesetz präzise bestimmt wird, sondern daß auch die Verknüpfung, welche für den Anwendungsbereich eines solchen Gesetzes maßgebend ist, klar festgelegt wird 4 2 . Daß Entsprechendes für die Anwendbarkeit von Rechtssätzen über abschreckende privatrechtliche Unrechtsfolgen unerlaubter Handlungen, also insbesondere für Unterlassungsansprüche mit der Androhung von Beugestrafen, gelten muß, ist im Prinzip zu bejahen, aber doch dahin einzuschränken, daß die Anwendbarkeit der Privatrechtsnorm, welche die Schadensersatzansprüche regelt, nicht mit derselben Gewißheit voraussehbar sein muß wie die Anwendbarkeit eines Strafgesetzes. Wer erkennen kann, daß eine bestimmte Handlung ihrer Art nach im Recht einzelner Staaten verboten, im Recht anderer Staaten erlaubt ist, dem muß Gewißheit darüber verschafft werden, bei welchen Verknüpfungen zu einem Staat der ersten Gruppe er mit Bestrafung zu rechnen hat; er braucht aber nicht mit gleicher voller Gewißheit übersehen zu können, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe Schadensersatzansprüche gegen ihn erhoben werden könnten. Selbst wenn jeder Staat nur seine eigenen privatrechtlichen Vorschriften über Ansprüche auf Unterlassung unerlaubter Handlungen, bzw. Schadensersatz bei begangener unerlaubter Handlung, durch seine eigenen Gerichte anwenden lassen wollte, wäre es praktisch nicht durchführbar, daß der Anwendungsbereich für jedes einzelne Verhaltensgebot gesondert — etwa hier durch den Handlungsort, dort durch den Wirkungsort, dort durch die Staatsangehörigkeit usw. — abgesteckt würde. Es ist gesetzestechnisch unver433
§15
Subsidiäre alternative Zuweisungsnormen
meidlich, eine generelle subsidiäre Zuweisungsnorm für die zivilrech thchcn l olgen der Verletzung irgendwelcher gesetzlicher Verhaltensnormen des eigenen Rechts zu bilden, soweit keine spezifische Regelung für die einzelne Norm vorliegt. Erst recht ist eine solche subsidiäre Regelung erforderlich, wenn der Staat bereit ist, seinen Gerichten internationale Zuständigkeit zur Anwendung von anwendungswilligem ausländischen Recht über die privatrechtlichen Folgen von Verstößen gegen gesetzliche Verhaltensgebote zu verschaffen. Wird einer solchen abstrakten subsidiären Zuweisungsnorm zur Erfassung gesetzlicher Verhaltensgebote ein einziges Anknüpfungsmoment zugrunde gelegt, und wird zugleich die Anwendbarkeit eines damit berufenen ausländischen Rechts davon abhängig gemacht, daß es im konkreten Fall selbst angewendet werden will, und erweist sich dabei im konkreten Fall das Verhalten als von den inhaltlich gleichlautenden Geboten weder des einen noch des anderen Staates erfaßt, weil sie nämlich verschiedene Anknüpfungsmomente — etwa Handlungsort bzw. Erfolgsort — zugrunde legen, so sollte die Zuweisung an das eigene Recht ergänzt werden durch eine alternative Zuweisung: Diese muß besagen, daß, wenn das berufene ausländische Recht ein gleiches Verhaltensgebot in seinem Inlandsrecht besitzt, aber diese Norm nicht anwendungswillig ist, und wenn weder der eigene Staat, noch der fremde Staat das heterogen verknüpfte Verhalten gerade bei dieser Konstellation der Verknüpfungen durch einen Spezialrechtssatz als unbehindert von gesetzlichen Regelungen erklären, jede andere zum Inland vorhandene und völkerrechtlich ausreichende weitere Verknüpfung genügt, um das Verhaltensgebot des inländischen Rechts mit seinen pra^{rechtlichen Konsequenzen anzuwenden 43 . Angesichts der Kompliziertheit dieser zur Verhütung einer Gesetzeslücke dienenden Regelung gestalten die Urheber der nationalen Rechtsanwendungsanweisungen ihre bilateralen Kollisionsnormen häufig von vornherein so, daß inländisches und ausländisches Recht durch alternative Zuweisungen mit Hilfe mehrerer Anknüpfungsmomente als anwendbar erklärt werden 44 . Es wird also etwa jeder die Verhaltensfreiheit beschränkende Rechtssatz des inländischen und ausländischen Rechts, insoweit er privatrechtliche Folgen auslöst, als anwendbar erklärt, wenn entweder Handlungsort, oder Erfolgsort, oder Schadensort in dem Urheberstaat einer solchen Norm zu finden sind, und die ausländische Norm selbst angewendet werden will. Mit einer solchen Regelung kommt es keineswegs dazu, daß in demselben Forumstaat inländisches und ausländisches Recht restlos in gleichem Umfange zur Anwendung gelangen: Zunächst ist der berufene ausländische Rechtssatz nur anwendbar, wenn er selbst angewendet werden will. Ist das Verhalten im Inlandsrecht des Forumstaates frei, so wird das Verbotensein in einem alternativ berufenen ausländischen Recht leicht als krasse Abweichung empfunden, und der ausländische Rechtssatz deshalb nicht angewendet. Ist unter dem berufenen Satz des inländischen Rechts eine Handlung geboten, unter dem alternativ berufenen Satz des ausländischen Rechts verboten, so kommt selbstverständlich nur das Gebot des Inlandsrechts des Forumstaates zur Anwendung, sofern man nicht die Befolgung des inländischen Gebots mit Rücksicht auf Strafbestimmungen des ausländischen Rechts als unzumutbar betrachtet 45 . Schließlich hat ein etwaiger Spezialrechtssatz des Forumstaates, der das im Inlandsrecht der verknüpften Staaten geregelte Verhalten für einen bestimmten heterogen verknüpften Bereich ausdrücklich als unbehindert erklärt, unter allen Umständen den Vorrang vor dem in der alternativen Zuweisungsnorm berufenen ausländischen Rechtssatz, der die Verhaltensfreiheit beschränkt. Unter Vorbehalt des oben Ausgeführten besteht jedoch auch bei alternativer Berufung von Verhaltensregelungen aus verschiedenen Ländern für die Normadressaten Gewißheit, ob eine Handlung im Forumstaat als frei, oder als geboten, oder als verboten betrachtet wird. Es ist auch ohne weiteres möglich, daß eine bestimmte Handlung als durch mehrere berufene und anwendungswillige Rechte in gleicher Weise als verboten zu verstehen ist, so 434
Ein Recht für die Fragen des Schadensersatzes
§15
daß ein Unterlassungsurteil auf Grund mehrerer Rechte ergehen kann. Hingegen besteht gerade in dem letzten Fall die Gefahr von Störungen der materiellen Harmonie, wenn auch auf die Schadensersatzpflichten die freiheitsbeschränkenden Rechte alternativ zur Anwendung gebracht werden. Selbst wenn man hier für jede einzelne Frage nach der Aktivlegitimation eines Betroffenen, nach dem Umfang des zu ersetzenden Schadens und den Gründen für einen Ausschluß oder eine Minderung von Ersatzansprüchen das jeweils „strengere" Recht anwenden wollte, so wäre das Gesamtergebnis vielfach unbefriedigend. 12. Wege zur Bevorzugung
eines einzigen Rechts als
Schadensersatzstatut
Es ist also offenbar erstrebenswert, auf jeden Schadensersatzanspruch als solchen nur ein einziges Recht als anwendbar zu bezeichnen 4 5 3 .. Zu diesem Zwecke könnte das internationale Privatrecht eines Forumstaates eine Rangfolge unter den Anknüpfungsmomenten bilden: Es könnte auf den Schadensersatzanspruch etwa vorrangig das Recht des Wirkungsortes angewendet werden müssen, wenn es selbst mit seinen Schadensersatzbestimmungen anwendbar sein will; nur wenn das Recht des Wirkungsortes das Verhalten frei läßt, kämen die Schadensersatzbestimmungen des Handlungsortes zum Zuge usw. Eine brauchbare Lösung kann aber auch darin bestehen, daß von den alternativ berufenen Rechten, die überhaupt die Schadensverursachung als rechtswidrig betrachten, auf einen Schadensersatzanspruch dasjenige angewendet wird, zu welchem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles in Gestalt weiterer Verknüpfungen hingeht 46 . Dem Wirkungsort wird so beispielsweise der Handlungsort vorgezogen werden, wenn zu diesem Land zugleich persönliche Verknüpfungen der beiden Parteien hingehen 47 . Subsidiär, d. h. für den Fall, daß sich keine Kombination der Verknüpfungen zu einem einzigen Staat als die gewichtigste erweisen läßt, könnte dann im Forumstaat immer noch eine Rangordnung der Anknüpfungsmomente unter den alternativ berufenen Rechten gebildet werden, um auf den Schadensersatz nur ein einziges Recht zur Anwendung bringen zu können, falls man nicht das dem Geschädigten günstigere Recht anwenden will. 13. Bestimmung
des Deliktsstatuts
durch Parteiwillen
und hypothetischen
Parteiwillen
Um bei alternativer Berufung mehrerer prima facie anwendungswilliger Statuten für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zu einem einzigen anwendbaren Recht zu kommen, führt auch der folgende Gedankengang: O b ein vom Gesetz mit Strafe bedrohtes Verhalten gegenüber einem anderen dadurch zu einem erlaubten Verhalten wird, daß der davon Betroffene zuvor seine Einwilligung gibt, oder ob eine Handlung überhaupt nur dann strafbar ist, wenn sie gegen den erkennbaren Willen eines anderen vorgenommen wurde, das ist auch dann, wenn im Zivilprozeß die Strafvorschrift in ihrer Eigenschaft als Schutzgesetz zur Anwendung gebracht wird, allein demjenigen Strafgesetz zu entnehmen, auf welches diejenigen Sachnormen abstellen, die auf die privatrechtlichen Folgen angewendet werden. Selbst wenn aber eine Einwilligung strafrechtlich unmöglich ist, kann dasjenige Recht, welches Ansprüche auf Schadensersatz gewähren will, vorsehen, daß auf diesen Anspruch vor oder nach dem Entstehen des Schadens ganz oder teilweise verzichtet werden kann. Das gleiche gilt erst recht für Ansprüche aus unerlaubten, aber nicht mit Strafe bedrohten Handlungen. Umgekehrt ist kein Staat gehindert, durch seine Gerichte sein eigenes Recht über Schadensersatzansprüche aus Delikt anwenden zu lassen, wenn und weil die Parteien eine dahin gehende Vereinbarung getroffen haben 4 8 . Dann aber kann auch jeder Staat, der einerseits mangels Vereinbarung sein Recht auf solche Ansprüche anwenden lassen will, und der andererseits vorsorgliche oder nachträgliche Verzichte auf Schadensersatzansprüche aus Delikt zuläßt, ebenfalls durch seine Gerichte nur ein von den Parteien gewähltes anderes Recht zur Anwendung bringen lassen 49 . Es ist auch möglich, 435
§15
Schadensersatzstatut bei Delikten auf staatlosem Gebiet
daß ein Staat Sätze bildet, welche Vermutungen über das Bestehen einer derartigen Vereinbarung aussprechen; so kann ein Recht, welches das Wirkungsstatut für ein durch Rechtsgeschäft (Vertrag) gebildetes Rechtsverhältnis sein will, einen Satz bilden, wonach die Parteien für privatrechtliche Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Vertrages unter den Parteien begangen werden — insbesondere wenn sie zugleich eine Vertragsverletzung darstellen würden —, die einschlägigen Bestimmungen über Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Vertragsstatut vermutlich gewählt haben, wenn sie nichts Gegenteiliges gesagt haben 5 0 . Geht die ausdrückliche Vereinbarung eines auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwendenden Rechts nicht ohnehin zu demselben Staat, zu dem die gewichtigste Kombination der objektiven Verknüpfungen des Falles hingeht, so kann allerdings dieser letztere Staat die Wahl eines anderen Rechts als „Deliktsstatut" ausschließen oder nur unter Bedingungen zulassen; dritte Staaten können sich dann dem anschließen 5 1 . 14. Sonstige Fälle Nicht immer ist es möglich, auf einem der bisher beschriebenen Wege zu einem einzigen Recht als dem Statut für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung zu gelangen, wenn davon ausgegangen wird, daß auf die Frage nach der Erlaubtheit des Verhaltens mehrere Rechte alternativ angewendet werden müssen. Insbesondere sind es Schäden durch Schiffszusammenstöße auf hoher See, wo die in Frage kommenden Rechte meist absolut gleichgewichtige Verknüpfungen aufweisen. Da als haftende Rechtssubjekte hier praktisch nicht diejenigen Personen belangt werden, denen der Vorwurf einer persönlichen Verletzung von Verhaltensnormen gemacht werden kann, sondern meist verschuldensfreie Haftung des Arbeitgebers oder des Schiffseigentümers in Frage steht, ist hierauf erst in anderem Zusammenhang einzugehen 5 2 . Bei sonstigen Verhaltensweisen, bei denen Handlungs- und Wirkungsort sich auf staatlosem Gebiet befinden, ist davon auszugehen, daß der Heimatstaat diejenigen seiner Verhaltensnormen und diejenigen Sätze seines Rechts über privatrechtliche Folgen eines Verstoßes gegen solche Verhaltensnormen, die er auch bei Handlungs- und Wirkungsort auf fremdem Staatsgebiet angewendet wissen will, für seine eigenen Staatsangehörigen als verbindlich betrachtet. Das ist jedoch nur in Verbindung mit einer Generalklausel richtig, wonach Verhaltensnormen, wie sie für menschliches Verhalten auf einem Staatsgebiet gelten, bei Vorgängen auf staatlosem Gebiet unanwendbar sind, wenn sie auf die besonderen örtlichen Verhältnisse eines solchen Gebiets nicht passen. In engeren Lebensbereichen auf staatlosem Gebiet, die als Stützpunkte für technische oder wissenschaftliche Arbeiten durch die Staatsangehörigkeit einer Mehrheit der dort beschäftigten Personen und die Finanzierung aus einem bestimmten Staat einen nationalen Charakter erhalten haben, können die Verhaltensnormen dieses Staates auch für die in einem solchen Lebensbereich befindlichen Staatsangehörigen anderer Staaten verbindlich gemacht werden; damit wird auch das Schadensersatzrecht des betreffenden Staates anwendbar. In anderen Fällen von menschlichen Kontakten auf staatlosem Gebiet haben die mit privatrechtlichen Unrechtsfolgen ausgestatteten Verhaltensnormen des Heimatstaates gegenüber Angehörigen anderer Staaten wohl nur unter der Voraussetzung als anwendbar zu gelten, daß ein gleichartiges (aktuelles oder hypothetisches) Verhalten des Ausländers von seinem Recht in derselben Weise mit Schadensersatzpflichten belastet wird wie von dem Heimatstaat desjenigen, der auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll 5 3 .
436
Verschuldensfreie Haftung
§15
d) Der Anwendungsbereich von Rechtssätzen über verschuldensfreie Haftung für Schäden 1. Zuweisung vermittels der gewichtigsten und Wahl des anwendbaren Rechts
Kombination
der
Inlandsverknüpfungen
Das positive Recht kennt heute in erheblichem Umfang gesetzliche Schadenshaftungen des einer natürlichen oder juristischen Person gehörenden Vermögens, sowie Haftungen von abgesonderten Vermögensmassen, die nicht damit begründet sind, daß die mit ihrem eigenen Vermögen haftende natürliche Person — wenn es sich überhaupt um ein solches Vermögen handelt — schuldhaft eine an sie gerichtete Verhaltensnorm verletzt und damit den Schaden verursacht hat. In manchen Rechten gibt es Billigkeitshaftung dessen, der durch eine Handlung einen Schaden verursacht hat, und der, insoweit zum Vorwurf der Verletzung eines Handlungsgebots eine schuldhafte psychische Einstellung erforderlich ist, nicht als zu schuldhaftem Handeln fähig gelten müßte 5 4 . Manche Rechte sehen eine Haftung der Eltern für Schäden durch Handlungen ihrer minderjährigen Kinder vor, auch wenn weder ein schuldhaftes Handeln des Kindes noch eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern besteht. Ist in die Kausalkette für die Entstehung eines Schadens neben irgendwelchen menschlichen Handlungen die Existenz einer Sache — insbesondere einer „gefährlichen" Sache — eingebaut, so macht das Recht vielfach den Hersteller, Verkäufer, Eigentümer oder Halter der Sache für den Schaden haftbar, auch wenn ihm nicht der Vorwurf einer schuldhaften Verletzung einer Sorgfaltspflicht bei der Verwendung der Sache oder ihrer Weitergabe gemacht werden kann. Auf einer Kombination der Rechtsgedanken, die der Haftung der Eltern für die durch sie gezeugten Kinder und den Gedanken zugrunde liegen, mit denen die Haftung des Eigentümers oder Halters einer Sache begründet wird, beruht die in vielen Rechten anzutreffende Haftung des Arbeitgebers für Schäden durch unerlaubte Handlungen des Dienstnehmers im Zusammenhang mit der Arbeitstätigkeit, die Haftung des Vermögens juristischer Personen für unerlaubte Handlungen ihrer Organe in Wahrnehmung ihrer Organstellung, und die Haftung von Treuhandvermögen für unerlaubte Handlungen des Treuhänders bei der Ausübung seiner Funktion. Die Schadenshaftung von Vermögensmassen, welche „Unschuldigen" gehören, wird meist auf solche schädigenden Handlungen anderer beschränkt, die diese im Dienst für den Vermögensinhaber begehen; die Haftung desjenigen, der einen Verkehr anderer auf seinem Grundstück duldet, für Unfälle aus der Beschaffenheit des Grundstücks wird manchmal ausgeschlossen gegenüber solchen Personen, die das Grundstück gegen den Willen des Eigentümers oder Besitzers betreten haben. Oft kommt es zu einem Ausschluß der Haftung des Eigentümers für Sachen, wenn eine schuldhafte Handlung anderer ebenfalls kausal war, und das Zusammenwirken dieser Handlung und der Sache für den Eigentümer nicht voraussehbar oder verhinderbar war. Die Haftung aus Kausalität allein beruht häufig auf einer unwiderlegten Vermutung, daß ein schuldhaftes Verhalten des Haftenden vorgelegen habe. Zur Auferlegung von Haftungen der geschilderten Art ist nach Völkerrecht befugt sicher das Lagerecht der haftenden Vermögensgegenstände, und der Heimat- oder Wohnsitzstaat der mit ihrem Vermögen haftbar zu machenden Personen. Befugt ist aber mit gleich intensivem Recht auch der Gesetzgeber des Landes, wo der Schaden eingetreten ist, und der Gesetzgeber des Landes, wo sich ein Ereignis abgespielt hat, welches dem Schaden vorausgeht („Unfall", Verwendung, Verkauf oder Herstellung einer Ware, die beim letzten Verbraucher einen körperlichen Schaden verursacht hat). Der Umstand, daß für bestimmte Materien das menschliche Verhalten nur von dem Staat, wo es sich abspielt, durch Gebote oder Verbote geregelt und bei schuldhaftem Verstoß mit Unrechtsfolgen bedroht werden kann, so daß andere Staaten Unrechtsfolgen ihres Rechts nur unter der Voraussetzung 437
§ 15
Die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment
verwirklichen dürfen, daß der Staat des Handlungsortes eine freiheitsbeschränkende Regelung vorgesehen hat, oder daß die Verhaltensregelung durch andere Staaten jedenfalls nicht in Widerspruch zu den Verhaltensregelungen des Handlungsortes steht 5 5 , schließt nicht aus, daß ein anderer Staat als der Handlungsort dem Verursacher des Schadens eine vom Verschulden nicht abhängige Haftung auferlegt: Der Heimatstaat der nicht deliktsfähigen natürlichen Person darf ihr eine Billigkeitshaftung für den durch „Verletzung" der Verkehrsvorschriften eines anderen Landes entstandenen Schaden auferlegen, auch wenn das Recht des Unfallortes eine solche Haftung nicht kennt; der Staat, in dem ein Kraftfahrzeug seinen normalen Standort hat, darf dem Eigentümer oder Halter eine verschuldensfreie Haftung für Unfallschäden auferlegen, auch wenn sich der Unfall anderswo abspielt, und das Recht des Unfallortes eine entsprechende Haftung nicht kennt 5 6 . Das Land des Wirkungsortes oder des Schadensortes, zu dem keine weiteren Verknüpfungen des haftbar zu machenden Verursachers hingehen, ist völkerrechtlich jedenfalls dann zur Auferlegung einer Haftung ohne Verschuldensvorwurf befugt, wenn der Haftende mit der Möglichkeit rechnen konnte, daß seine kausale Handlung, oder daß Eigenschaften der von ihm besessenen oder weitergegebenen Sache in einem fremden Land eine schädigende Wirkung auslösen könnten 5 6 3 , es sei denn, daß die kausale Handlung eine solche ist, deren Behinderung nach Völkerrecht nur durch den Staat des Handlungsortes erfolgen darf. Die Details einer Schadenshaftung, welche keine Haftung einer natürlichen Person wegen der schuldhaften Verletzung einer an sie gerichteten Verhaltensvorschrift ist, können nun außerordentlich verschieden ausgestaltet sein: Eine Haftung des Arbeitgebers für schädigende Handlungen des Arbeiters gegenüber Dritten bei der Verrichtung der Arbeit kann in einem Land nur für schuldhafte Schädigungen seines Arbeiters gelten, in einem anderen Land auch für unverschuldetes Handeln. Die Risikohaftung des Eigentümers oder Halters von Sachen für Unfälle, an denen die Sache beteiligt ist, ist häufig zahlenmäßig begrenzt, aber in dem einen Land so, in dem anderen Land anders. Mitwirkende Verursachung durch den Geschädigten führt in dem einen Land zum vollen Wegfall einer Risikohaftung anderer, in anderen Ländern zu einer Minderung der Haftung. Außerordentlich verschieden geregelt sind das Nebeneinander und der Ausgleich von Risikohaftungen und Verschuldenshaftungen mehrerer. Es würde daher zu einem unharmonischen Gesamtbild der Lösungen für die verschiedenen Einzelfragen einer verschuldensfreien Haftung führen, wenn man von mehreren auf Grund alternativer Zuweisungen in bilateralen 57 Kollisionsnormen berufenen 58 und im Prinzip selbst anwendungswilligen Rechten für jede einzelne Frage dasjenige Recht anwenden wollte, welches dem Geschädigten am günstigsten ist. Noch mehr als bei der Haftung einer natürlichen Person für Schäden durch eigenes schuldhaftes Verhalten ist es bei verschuldensfreien Haftungen angebracht, daß sowohl unbeteiligte Forumstaaten, als auch solche Staaten, die mit Rücksicht auf eine zu ihnen bestehende Verknüpfung zur Auferlegung einer schuldfreien Haftung legitimiert sind, ihre Rechtsanwendungsanweisungen so zu gestalten, daß sowohl auf die Frage, ob eine solche Haftung überhaupt zu bejahen ist, als auch auf die Frage nach ihrem Umfang, nur ein einziges Recht zur Anwendung kommt. Das kann gerade hier wieder nur das Recht sein, zu dem die gewichtigste Kombination sämtlicher im Einzelfall bestehenden Verknüpfungen hingeht 59 . Eine Verknüpfung, die entgegen dem erkennbaren Willen des Haftbarzumachenden, insbesondere durch den Geschädigten selbst, geschaffen worden ist, ist nicht mit zu berücksichtigen; das wird vor allem bei der Produzentenhaftung wichtig. Es ist denkbar, daß Schemata gebildet werden, aus denen sich ergibt, welches Land bei einer bestimmten Konstellation der in Frage kommenden Verknüpfungen als dasjenige zu gelten hat, zu dem vermutlich die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hin438
Gleiche Gewichtigkeit der Verknüpfungen
§15
geht 60 . Solche Schemata sollten allerdings nicht von jedem Forumstaat einseitig, sondern möglichst in Verträgen mit anderen gebildet werden. Auch für eine verschuldensfreie Haftung kommt sodann die Bestimmung des anwendbaren Rechts durch eine Wahl der Parteien, bzw. Vermutungen über eine solche Wahl, in Frage. Hierfür sind die früheren Ausführungen über Rechtswahl bei Schadensersatzansprüchen aus verschuldeter Verhaltensnormverletzung 61 in jeder Hinsicht analog anwendbar. Ist ein Staat bereit, eigene oder ausländische Vorschriften über gesetzliche Schadenshaftung, die nicht mit der schuldhaften Verletzung von gesetzlichen Verhaltenspflichten der mit ihrem Vermögen haftenden natürlichen Personen begründet wird, anwenden zu lassen, so kann auch hier der Gegenseitigkeitsgedanke noch eine Rolle spielen: Ein Staat kann jedenfalls eigene Bestimmungen, die eine solche Haftung vorsehen, auch bei inländischem Schwerpunkt der Verknüpfungen zugunsten von Ausländern nur unter der Bedingung zur Anwendung bringen, daß der Heimatstaat gleiche oder ähnliche Regelungen hat und bei Schwerpunkt der Verknüpfungen in diesem Heimatstaat selbst zugunsten von Staatsangehörigen des Forumstaates zur Anwendung bringen läßt 62 . Die ideale Regelung, daß das Recht für einzelne Arten der verschuldensfreien Haftung in mehreren Staaten vereinheitlicht wird, und damit ohne weiteres auch auf diejenigen Situationen anwendbar ist, die zu diesen Staaten Verknüpfungen aufweisen, ist verwirklicht für die Haftung der Schiffseigentümer aus ölverschmutzungsschäden und die Pflichtversicherung für diese Haftung 63 . Eine nicht ganz restlose Vereinheitlichung des Rechts der Vertragsstaaten ist für die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie erfolgt 64 ' 6 5 . 2. Anwendbares Recht bei gleicher Gewichtigkeit der Verknüpfungen Ist es nicht möglich, eines der anwendungsbereiten Rechte, die durch eine bilaterale und mit mehreren Anknüpfungsmomenten arbeitende Zuweisungsnorm erfaßt werden, als durch sonstige Verknüpfungen des Einzelfalles so verstärkt anzusehen, daß dieses Recht allein auf die Details der verschuldensfreien Schadenshaftung angewendet werden könnte, so lassen sich eventuell zwei oder mehr Rechte als gleich intensiv verknüpft erkennen. Für den praktisch wichtigsten Fall, wo sich oft kein einzelnes Recht als das durch die gewichtigste Kombination von Verknüpfungen ausgezeichnete Recht erweist 66 , nämlich die Haftung des Schiffseigentümers gegenüber dem anderen Schiffseigentümer für die vom Personal verschuldete Kollision von Schiffen verschiedener Flagge außerhalb der Eigenund Küstengewässer eines Staates, bleibt zwecks Wahrung der materiellen Gegenseitigkeit nur die kumulative Anwendung der Flaggenrechte, es sei denn, daß die Kollisionsrechte der Wohnsitzstaaten derjenigen, deren Haftung zur Debatte steht, übereinstimmend eine alternative Anwendung der beiden Flaggenrechte vorsehen: Sind bei einer Kollision auf beiden Seiten Schäden entstanden, und liegt auf beiden Seiten schuldhaftes Verhalten des Personals vor, und werden die beiderseitigen Ansprüche vor einem Forum geltend gemacht, wo auch die Erfüllung des Urteils gegen jede Partei gesichert ist, so kann dieses Forum die Haftung beider Seiten nach dem für den Haftenden ungünstigeren Recht beurteilen, wenn der Forumstaat und die Flaggenstaaten eine entsprechende Regelung haben. Liegt aber nur auf einer Seite Verschulden und daher eine Schadensersatzpflicht vor, könnte eine hypothetische Haftung der Gegenseite auf Grund des strengeren Rechts nicht im Forumstaat realisiert werden, und würde auf die hypothetische Haftung der Gegenseite in deren Wohnsitzstaat dasjenige Recht angewendet, das dem Haftenden günstiger ist, so kann auch in dem betreffenden Fall nur nach diesem Recht entschieden werden: Ist die Haftung des Eigentümers des „schuldigen" Schiffes nach dessen Flaggenrecht A auf 20 pro Tonne beschränkt, während das Flaggenrecht B des schuldlosen Schiffes eine Beschrän439
§15
Verschuldensfreie Haftung von besonderen Fonds
kung der Haftung mit 10 pro Tonne vorsieht, so ist die strengere Haftung für den Eigentümer des schuldigen Schiffes mit der Flagge A dann nicht angebracht, wenn feststeht, daß im Wohnsitzstaat des Eigentümers des unschuldigen Schiffes für den angedrohten Fall nicht das strengere Recht, sondern das Recht mit der milderen Haftung zur Anwendung gebracht würde' 67 . 3. Anwendbares Recht bei der verschuldensfreien Haftung von besonderen Fonds Das positive Recht sieht gelegentlich eine Verschuldenshaftung vor und bildet Vermutungen nicht nur in dem Sinne, daß der Schaden bei kausaler Beteiligung einer Sache als von deren Eigentümer durch schuldhafte Verletzung von Vorschriften über den Umgang mit der Sache verursacht gilt, sondern auch in dem Sinne, daß eine Gesamthaftung mehrerer Personen an Hand irgendwelcher Kriterien anzunehmen ist, falls nicht der wahre einzige Verursacher festgestellt werden kann. Aber auch eine schuldfreie Schadenshaftung kann, mangels Klärung der Umstände, die zur Haftung einer einzelnen Person führen würden, als Gesamthaftung mehrerer aufgezogen werden 68 . Eine derartige Bestimmung kann ohne Schwierigkeiten demjenigen Recht entnommen werden, welches durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles als Haftungsstatut ermittelt worden ist. Das ist jedoch nicht mehr möglich, wenn aus Beiträgen gewisser möglicher zukünftiger Verursacher von bestimmten Schäden vorsorglich ein Sondervermögen gebildet wird, aus welchem Ersatz für die Schäden gestellt wird, für die zwar eine einzelne Person aus Risiko oder Verschulden haftet, diese jedoch nicht ermittelt werden kann. Das ist im positiven Recht vorgesehen für Personenschäden, die durch Kraftfahrzeuge verursacht worden sind, deren Fahrer sich der Feststellung entzogen haben, ferner für Verschmutzungsschäden durch ö l , das aus unbekannt gebliebenen Tankern auf See ausgelaufen ist. Hier kann die Anwendbarkeit der Sachnorm, welche dem Geschädigten einen Anspruch gegen den Fonds verschafft, der etwa von einer Gesamtheit von Haftpflichtversicherern oder von einer Gesamtheit von Tankschiffeigentümern bzw. ölimporteuren durch Beiträge gespeist wird, nicht davon abhängig gemacht werden, daß die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu dem Staat hingeht, wo ein solcher Fonds, wenn es ein auf Grund nationaler Gesetze gebildeter Fonds in einem bestimmten Staat ist, seinen Sitz hat. Vielmehr bleibt als praktikables Anknüpfungsmoment nur, daß sich der schadenstiftende Unfall oder der Schaden in dem Sitzstaat des Fonds ereignet hat. Ist der Geschädigte aber nicht durch Staatsangehörigkeit (oder Wohnsitz) mit diesem Land verknüpft, so ist es üblich und mit allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts vereinbar, daß ein Schadensersatzanspruch nur dann gewährt wird, wenn der Heimatstaat (Wohnsitzstaat) des Geschädigten eine gleichartige Regelung in seinem Recht hat, und Schadensersatzansprüche auch zugunsten der mit dem Forumstaat verknüpften Personen — wenn auch hier wieder durch Gegenseitigkeit bedingt — gewährt 69 . Die Verpflichtung, Beiträge zu dem Fonds zu leisten, wird meist sämtlichen im Sitzstaat des Fonds zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Haftpflichtversicherungsunternehmen auferlegt, welche diese Last wieder auf die Prämie ihrer Versicherten abwälzen. Daß ein nationaler Fonds außerhalb des Sitzstaates verklagt wird, und daß ein ausländisches Gericht die Bestimmungen über die Haftung des Fonds zur Anwendung bringen müßte, kommt praktisch wohl nicht in Frage; keinesfalls kann einem gemäß dem nationalen Recht eines Staates errichteten Fonds der geschilderten Art eine zusätzliche Haftung durch das Recht eines anderen Staates auferlegt werden. Der Fonds für Verschmutzungsschäden durch ö l aus Tankschiffen ist ein gemeinschaftlicher Fonds der Vertragsstaaten zum Ersatz solcher Schäden, die nicht schon aus der Haftung der Schiffseigentümer abgedeckt worden sind. Der Fonds wird durch Beiträge der 440
Staats haftung
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ölimporteure der Vertragsländer gespeist 70 . Er muß gegebenenfalls vor den Gerichten des Vertragsstaates verklagt werden, wo sich der Ort der Schädigung befindet, oder wo Maßnahmen getroffen worden sind, um die Schädigung abzuwenden. 4.
Staatshaftung
Ist durch das im Forumstaat berufene Recht ein bestimmtes Verhalten verboten, erfolgt dieses Verhalten aber in Ausübung „hoheitlicher" Funktionen als Tätigkeit eines Staatsorgans, das für einen anderen Staat auftritt — was weder ein Dauerdienstverhältnis noch ein Dienstverhältnis als Beamter voraussetzt, und was sowohl ein Handeln auf Befehl als auch ein Handeln im Auftrag, aber gemäß eigenem Ermessen des Handelnden sein kann —, so ist der Betreffende für dieses Verhalten nach Völkerrecht nicht nur der Strafgewalt des Forumstaates entzogen, sondern auch einer erzwingenden Anwendung seines Privatrechts (oder eines anderen Privatrechts) auf Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche. Nur soweit nach Völkerrecht ausnahmsweise eine Bestrafung derjenigen, die für einen fremden Staat hoheitlich handeln, zulässig ist (nämlich bei schweren Völkerrechtsverletzungen und bei verbotenem Eintritt eigener Staatsangehöriger in fremden Dienst), steht auch einer Anwendung der Verbotsnorm im Zusammenhang mit dem im Forumstaat gegenüber dem Normadressaten anzuwendenden Privatrecht kein Hemmnis entgegen. Gegenüber einem fremden Staat (oder einer öffentlichen Körperschaft eines fremden Staates) kann auch dann, wenn die Organe unter Verletzung des für ihre Amtstätigkeit maßgeblichen Rechts des Dienstherrenstaates Handlungen begehen, die das im Forumstaat anwendbare Privatrecht bei Privatpersonen als unerlaubte Handlungen betrachten würde, weder über zivilprozessuale Unterlassungsklagen noch über Klagen auf Leistung von Schadensersatz judiziert werden, sofern „hoheitliches" Handeln vorliegt; hieran scheitert sowohl die Anwendung des Amtshaftungsrechts des Forumstaates als auch die Anwendung von Amtshaftungsrecht des Dienstherrenstaates 71 . Fremde Staatsorgane und fremde Staaten können im Zivilprozeß belangt werden, wenn sie nicht hoheitlich tätig werden, sondern z. B. als kaufmännische Unternehmen auftreten; es gilt dies auch, wenn der fremde Staat dabei Organe verwendet, denen er gemäß seinem öffentlichen Recht Beamtenqualität zuschreibt. Die Grenze zwischen hoheitlicher und nichthoheitlicher Tätigkeit ist nicht immer leicht zu ziehen: Eine Beteiligung am Straßenverkehr in einem zivilen Fahrzeug dürfte z. B., im Gegensatz zu dem Befahren der Straße durch Militärfahrzeuge in Ausführung eines dienstlichen Auftrages, als nichthoheitlich zu gelten haben, auch wenn die Fahrt (in völkerrechtlich zulässiger oder unerlaubter Weise) auf ausländischem Staatsgebiet erfolgt, um einem Staatsorgan die Ausübung einer hoheitlichen Aufgabe zu ermöglichen 7 2 . Weder der Dienstherrenstaat noch der Staat des Handlungsortes dürfen die Grenze zwischen hoheitlichem und nichthoheitlichem Handeln nach freiem Ermessen ziehen; erklärt der Dienstherrenstaat selbst ein Handeln als nichthoheitlich, so kann er allerdings keine Einwendungen dagegen erheben, daß andere Staaten darüber im Zivilprozeß judizieren 7 3 . Der Anwendungsbereich des eigenen Staatshaftungsrechts und des eigenen Rechts über eine persönliche Haftung der Staatsorgane für Schäden aus pflichtwidriger Amtsausübung wird vom Dienstherrenstaat wohl meist nicht durch den Handlungsort, sondern ausschließlich durch die Zugehörigkeit des Organs zum Staatsapparat des Forumstaates bestimmt 74 . Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Organ durch den Dienstherrenstaat generell oder im Einzelfall angewiesen wird, bei der Wahrnehmung eines bestimmten Auftrages Weisungen internationaler Organe oder fremder Staatsorgane zu befolgen. Handeln die eigenen Staatsorgane des Forumstaates auf Weisung einer fremden Besatzungsmacht, so kann diese den Gerichten des besetzten Landes wiederum die Anwendung des örtlichen Amtshaftungsrechts verbieten, wenn damit indirekt über die Rechtmäßigkeit der 441
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Staatshaftung
Weisungen der Besatzungsmacht judiziert würde. Dieses besatzungsrechtliche Verbot wird in der Rechtsordnung des besetzten Staates sicher nach dem Ende der Besetzung unbeachtlich, soweit es nicht durch vertragliche Abmachungen weiter in Kraft gehalten wird. Es gibt vertragliche Regelungen, wonach bei gewissen Amtspflichtverletzungen der auf fremdem Staatsgebiet stationierten Organe eines Staates die Haftung sich nach dem Recht des örtlichen Staates richtet, und wonach dieser Staat selbst gegenüber dem Geschädigten die Abwicklung eines Schadensersatzanspruches — vorbehaltlich einer Erstattung seitens des Dienstherrenstaates auf der Ebene des Völkerrechts — übernimmt75. Kennt ein Staat eine als öffentlich- oder privatrechtlich qualifizierte Amtshaftung der eigenen Staatsperson und anderer inländischer Körperschaften für rechtswidrige Akte seiner Organe im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben, so wird nicht selten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch Ausländer von der „Gegenseitigkeit" abhängig gemacht, d. h. davon, daß der Heimatstaat des Geschädigten eine entsprechende Gesetzgebung hat und sie ohne Diskriminierung auch zugunsten von Angehörigen des anderen Staates anwenden läßt 76 . Verpflichtet der Staat seine Organe dazu, durch geeignetes hoheitliches Handeln die Entstehung von Schäden bei Privatrechtssubjekten zu verhindern, so bezieht sich dies nur auf solche Schäden, welche die Staatsorgane unter Beachtung der völkerrechtlichen Schranken für ihr hoheitliches Handeln verhindern können, also im allgemeinen nur auf Schäden, die durch solche Naturereignisse oder solche menschlichen Handlungen (auf dem Staatsgebiet) hervorgerufen werden, welche durch ein Organhandeln auf dem Staatsgebiet des Dienstherrenstaates hätten verhindert werden können. Insoweit die Wahrnehmung von Schutzpflichten zugunsten der Staatsangehörigen gegenüber fremden Staaten eine nicht von Ermessenserwägungen abhängige Amtspflicht darstellt, erfaßt die Staatshaftung auch die Unterlassung von möglichen und geeigneten Schutzmaßnahmen auf fremdem Staatsgebiet. Schon das allgemeine Völkerrecht verpflichtet die Staaten, durch geeignete Gesetze, wie sie sich normalerweise auch in den Rechten der meisten zivilisierten Länder finden lassen, dafür zu sorgen, daß von dem Gebiet des betreffenden Staates aus keine Schäden auf fremdem Staatsgebiet verursacht werden. Es mag sein, daß diese völkerrechtliche Verpflichtung heute schon so weit geht, daß eine Risikohaftung für das Halten besonders gefährlicher Sachen geschaffen werden muß, die auch zur Anwendung gelangt, wenn der Schaden auf fremdem Staatsgebiet eintritt 77 . Diese Gesetzgebung braucht jedoch nicht so weit zu gehen, daß eine Mithaftung des Staates selbst vorgesehen wird. Unterläßt der Gesetzgeber die Schaffung von Gesetzen, auf Grund deren der private Schädiger im Tatortland zu Schadensersatzleistungen gezwungen werden kann, so kann die völkerrechtliche Ersatzpflicht des Staates möglicherweise im staatlichen Recht des Schuldnerstaates als in innerstaatliches Recht transformiert gelten78 und Grundlage für Haftungsansprüche gegen den Staat vor seinen eigenen Gerichten nach Maßgabe seines eigenen Staatshaftungsrechts sein. Auf alle Fälle kann jedoch der Heimatstaat des Geschädigten Schadensersatz von dem Staat mit der unzureichenden Gesetzgebung auf den vom Völkerrecht dafür vorgesehenen Wegen verlangen. Eine verschuldensfreie völkerrechtliche Haftung des Staates, von dessen Gebiet aus oder auf dessen Veranlassung Raumkörper entsandt worden sind, für Schäden auf der Erde (beim Abstürzen) sieht die Konvention vom 29. 3. 1972 vor. Es handelt sich dabei um eine völkerrechtliche Schadensersatzpflicht, deren Bestehen und Umfang im Streitfall ohne das Erfordernis der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges durch internationale Organe festgestellt werden soll. Nach Art. XI der Konvention hindert dies nicht, daß der Schadensersatzanspruch durch den Staat, der selbst geschädigt worden ist, oder dem der Geschädigte angehört, vor den Gerichten des haftenden Staates geltend gemacht wird; 442
Spezialrecht über verschuldensfreie Schadenshaftung
§15
Rechtsgrundlage hierfür kann die Transformation des Abkommens in das staatliche Recht des haftenden Staates, möglicherweise auch sein sonstiges Staatshaftungsrecht sein. Aber auch dann bleibt die Staatshaftung eine Haftung aus hoheitlicher Tätigkeit bzw. Untätigkeit; sie kann infolgedessen nicht in anderen Staaten Gegenstand eines auf Feststellung oder Leistung gerichteten Zivilprozesses sein. 5. Spezialrecht über verschuldensfreie Situationen
Schadenshaftung
in heterogen
verknüpften
Mehrere Staaten können sich durch Vertrag verpflichten, bestimmte Regeln über verschuldensfreie Haftung für Schäden in ihrem Inlandsrecht einzuführen und in Geltung zu halten 79 ; dann sind sie mangels ausdrücklicher gegenteiliger Bestimmungen auch verpflichtet, diese Regeln gegebenenfalls auch in solchen Situationen anzuwenden, die ausschließlich mit anderen Vertragsstaaten oder mit mehreren Vertragsstaaten verknüpft sind. Hierher gehören vor allem die Abkommen vom 29. 7. 1960 und vom 3 1 . 1 . 1963 über Haftung der Inhaber von Kernanlagen für Schäden Dritter durch nukleare Ereignisse 80 . Eine vom Verschulden unabhängige Haftung der Eigentümer von Tankschiffen für Verschmutzungsschäden in den Vertragsstaaten in Verbindung mit einer Versicherungspflicht der Schiffe der Vertragsstaaten sieht ein Abkommen vom 29. 11. 1969 vor 8 1 . Das Abkommen vom 23. 11. 1910 betreffend Vereinheitlichung gewisser Regeln über Schiffskollisionen regelt nur die Haftung „des Schiffes", dessen Führung die Kollision schuldhaft verursacht hat, überläßt aber die quantitative Beschränkung der Haftung des Schiffseigentümers den vom Forumstaat berufenen nationalen Vorschriften. Das Abkommen gilt bei Kollisionen von Schiffen der Vertragsstaaten; sind alle „interessierten Personen" Staatsangehörige des Forumstaates, so soll jedoch dessen nationales Recht anwendbar sein. e) Gemeinsame Einzelfragen für Verschuldenshaftung und verschuldensfreie Haftung 1. Die Handhabung der negativen ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht Wenn die negative ordre public-Klausel eine als besonders kraß empfundene inhaltliche Abweichung der einzelnen, zur Anwendung im Forumstaat berufenen ausländischen Sachnorm vom eigenen Recht des Forumstaates zur Ausgangsbasis nimmt, um die Berufung rückgängig zu machen, so kann die Abweichung bei Rechtssätzen, die einen Anspruch auf Unterlassung einer unerlaubten oder auf Vornahme einer gesetzlich gebotenen Handlung verschaffen, nur entweder darin bestehen, daß die im ausländischen Recht gebotene Handlung im eigenen Recht des Forumstaates verboten ist (bzw. umgekehrt), oder darin, daß die in dem einen Recht geregelte Handlung in dem anderen Recht frei ist. Daß es viel zu weit gehen würde, eine krasse Abweichung in allen Fällen anzunehmen, wo ein Verhalten im eigenen Recht frei, in dem anderen hingegen unfrei ist, wurde früher bereits angedeutet 82 ; damit die negative ordre public-Klausel eingreift, muß hinzukommen, daß eine Beschränkung der Freiheit eines Verhaltens im eigenen Recht des Forumstaates, etwa auf Grund eines verfassungsrechtlichen „Freiheitsgrundrechts" mißbilligt und daher im Recht des Forumstaates „undenkbar" ist 83 . Hat die ausländische freiheitsbeschränkende Verhaltensregelung als untragbar zu gelten, so kann aus ihrer Nichtanwendbarkeit nichts anderes folgen, als daß eine darauf gestützte Unterlassungs- oder Schadensersatzklage abzuweisen ist. Sieht bei alternativer Berufung von inländischem und ausländischem Recht auf Grund mehrerer Anknüpfungsmomente das berufene inländische Recht eine bestimmte Verhaltensregelung, das ausländische Recht eine gegenteilige Regelung vor, so hat sich der Richter 443
§15
Ordre public-Klausel im Deliktsrecht
des Forumstaates an die inländische Regelung zu halten und die ausländische höchstens als Verursachung eines Notstandes zu beachten. Kommt aber die Anwendung von inländischem Recht nicht in Frage, so ist eine dem Inlandsrecht des Forumstaates absolut widersprechende ausländische Regelung nicht etwa stets wegen der ordre public-Klausel unanwendbar: Angaben eines Verkäufers über die Unterschiede seiner Ware von den Waren der Konkurrenz können in dem einen Land als unzulässige vergleichende Werbung gelten, während sie in dem anderen Land zum Schutz der Verbraucher geboten sein können; in keinem der beiden Länder sollte die Anwendung des anderen Rechts, wenn das eigene für die heterogen verknüpfte Situation nicht gelten will, von vornherein wegen krasser inhaltlicher Abweichung abgelehnt werden. Wird aber die Anwendung eines allein berufenen ausländischen Rechts in den Fällen der beschriebenen Art abgelehnt, so folgt daraus immer noch nicht, daß die gegenteilige Norm der lex fori zur Anwendung gelangt; die betreffende Handlung kann dann in bestimmten heterogen verknüpften Situationen im Forumstaat als frei behandelt werden. Kennt das auf einen heterogen verknüpften Fall nicht anwendungswillige eigene Recht des Forumstaates ein gesetzliches Verhaltensgebot, während das berufene ausländische Recht Verhaltensfreiheit vorsieht, so ist auch darin sicher nicht stets krasse Abweichung des ausländischen Rechts zu sehen. Dasselbe gilt, wenn das Recht des Forumstaates eine Schadenshaftung vorsieht, die keine schuldhafte Verletzung einer Verhaltensnorm voraussetzt, während das berufene ausländische Recht eine solche Haftung nicht kennt. Ehe unter Berufung auf die besonders große rechtspolitische Bedeutung der eigenen Regelung im Forumstaat hier krasse Abweichung des ausländischen Rechts angenommen und die Anwendung des ausländischen Rechts als untragbar erklärt wird, muß aber eine Binnenbeziehung zum Forumstaat da sein. Geht es nun um die Frage, ob der Kläger einen Unterlassungsanspruch hat, und hat der Forumstaat die zu ihm bestehende Verknüpfung nicht für ausreichend gehalten, um die Anwendbarkeit seiner freiheitsbeschränkenden Norm, auf die sich der Unterlassungsanspruch stützen könnte, vorzusehen, so läuft die Annahme, daß doch eine der vorhandenen Verknüpfungen zum Forumstaat als Binnenbeziehung ausreicht, um anstelle der ausländischen Norm, die die Handlung für frei erklärt, die freiheitsbeschränkende Norm des Forumstaates anzuwenden, darauf hinaus, daß der Forumstaat der eigenen Vorbotsnorm seines Rechts neben dem primären, durch eine bestimmte Inlandsverknüpfung abgesteckten Anwendungsbereich einen bedingten sekundären Anwendungsbereich mit Hilfe einer unbestimmten Anzahl weiterer Inlandsverknüpfungen verschafft, wobei dieser zusätzliche Anwendungsbereich für das Inlandsrecht dadurch bedingt ist, daß das mit Hilfe der Hauptverknüpfung berufene und anwendungswillige ausländische Recht keine inhaltsgleiche Freiheitsbeschränkung vorsieht. Wenn nun die Auswahl der als Binnenbeziehung in diesem Zusammenhang ausreichenden Inlandsverknüpfungen zur Ermessenssache des Richters gemacht wird, so steht dies im Widerspruch zu dem früher bereits besprochenen Postulat, daß dem Adressaten von Verhaltensnormen, deren Verletzung Kriminal- oder Beugestrafen nach sich zieht, nicht nur Gewißheit über den Inhalt der Verhaltensnorm, sondern auch über ihren Anwendungsbereich verschafft werden muß. Daher sollte eine Unterlassungsklage unter Anwendung der lex fori, nachdem das berufene ausländische Recht, welches Verhaltensfreiheit vorsieht, mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel abgelehnt worden ist, auf ganz extreme Fälle beschränkt werden. Eine Handhabung der negativen ordre public-Klausel ist in breiterem Umfang möglich, wenn das eigene auf den heterogen verisnüpften Fall gar nicht anwendungswillige Recht des Forumstaates Schadensersatzansprüche vorsieht, das berufene und anwendungswillige ausländische Recht hingegen nicht. Auch hier ist es nicht so, daß stets die Anwendung des ausländischen Rechts zu unterbleiben hätte. Aber auch wenn das der Fall ist, folgt 444
Teil- und Vorfragen
§15
daraus nicht, daß die Schadensersatzregelung der lex fori, wenn nur eine einzelne Binnenbeziehung zum Forumstaat hingeht, in vollem U m f a n g zur Anwendung zu gelangen hat, wenn gerade das gewichtigste Bündel der übrigen Verknüpfungen zu einem Staat hingeht, der das kausale Verhalten als frei betrachtet und in seinem Inlandsrecht auch keine verschuldensfreie Schadenshaftung vorsieht. Wenn wirklich das Fehlen einer Schadensersatzverpflichtung in dem maßgeblichen Recht hier im Forumstaat als untragbar empfunden wird, während man quantitative Unterschiede in der H ö h e der Schadensersatzverpflichtung hingenommen hätte, so kann die L ö s u n g auch darin bestehen, daß zwar Schadensersatz zugesprochen wird, aber nicht in demselben U m f a n g wie dies nach der lex fori der Fall wäre. Erst recht ist eine derartige H a n d h a b u n g der negativen ordre public-Klausel angebracht, wenn krasse Abweichung darin gesehen wird, daß dasjenige Recht, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, eine verschuldensfreie Schadenshaftung, wie sie die lex fori kennt, nicht vorsieht. Besonders schwierig wird die H a n d h a b u n g der negativen ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht, welches neben einer Regelung seines Inlandsrechts für h o m o gen verknüpfte Situationen abweichende Regelungen in spezialrechtlichen Sätzen für bestimmte Sektoren der heterogen verknüpften Situationen hat. Wie anderswo bereits a u s g e f ü h r t 8 3 3 , erfaßt die Zuweisung auf ausländisches Recht mit Hilfe eines A n k n ü p f u n g s moments X auch die Spezialrechtssätze, die das Recht A , zu dem das A n k n ü p f u n g s m o m e n t X hingeht, etwa für den Fall angewendet wissen will, daß außer den Inlandsverknüpfungen X und Y noch eine Auslandsverknüpfung Z besteht. In solchen Fällen ist im Forumstaat nicht nur zu prüfen, o b das von der Zuweisungsnorm erfaßte ausländische Spezialrecht inhaltlich kraß v o m Inlandsrecht des Forumstaates abweicht, sondern auch, o b die Art der Bestimmung des Anwendungsbereiches für die spezialrechtliche Regelung des Auslands kraß von dem abweicht, wie der Forumstaat eigenes Spezialrecht angewendet haben will: Ein Forumstaat, der Exportkartelle vom eigenen Inlandsrecht freistellt, wird eine entsprechende Regelung eines ausländischen Rechts nicht als anstößig betrachten; anders m a g es sein, wenn der Forumstaat für Exportkartelle besonders intensive Verbote vorsieht. 2. Teil- und
Vorfragen
Bei Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen oder unverschuldeter H a f t u n g für Schäden können Teil- und Vorfragen auftauchen, die nicht notwendig nach den Bestimmungen des Delikts- b z w . Haftungsstatuts zu beurteilen sind. D i e Frage nach der Deliktsfähigkeit stellt sich praktisch nur bei Schadensersatzansprüchen, soweit sie nicht bei verschuldensfreier H a f t u n g des Verursachers ganz entfällt. E s kann daher dem durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelten Statut für Verschuldenshaftung überlassen bleiben, von welchem Lebensalter ab und bei welcher Geistesverfassung des Verursachers mit Rücksicht auf die Deliktsfähigkeit ein Verschulden anzunehmen ist, während für Deliktsunfähige ohnehin nur eine Billigkeitshaftung in Frage k o m m t . Entsprechende Erwägungen gelten für die Frage, nach welchem Recht die „Fähigkeit" zur Einwilligung in eine mangels Einwilligung des Betroffenen unerlaubte H a n d l u n g zu beurteilen i s t 8 4 . Anders ist es bei rechtsgeschäftlichen Akten zur Wahl des auf Schadensersatzansprüche anwendbaren Rechts. Hierfür genügen Deliktsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit unter dem Haftungsstatut nicht, sondern die Geschäftsfähigkeit für derartige Rechtswahlgeschäfte ist gesondert zu ermitteln 8 5 . Wohl aber sollte hierbei der Standpunkt des Haftungsstatuts insofern respektiert werden, als eine Fähigkeit zur „ A b w a h l " der gesetzlichen Regeln entgegen dem Standpunkt dieses Rechts keinesfalls bejaht werden darf. Eine selbständige Zuweisung der Frage nach der Geschäftsfähigkeit in den genannten Z u s a m menhängen durch das internationale Privatrecht des Forumstaates ist der materiellen H a r 445
§15
Vorfragen
monie zuliebe nur dann am Platz, wenn die Wahl eines Statuts für gesetzliche Ansprüche auf Ersatz von Schäden, die im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Vertrages entstehen, kombiniert ist mit der Wahl eines Vertragsstatuts, und wenn hierbei der Forumstaat die Frage nach der Geschäftsfähigkeit selbständig, also unabhängig vom Geschäftsstatut für den Vertrag, z u w e i s t 8 6 . O b die Einwilligung zu einer Handlung eines anderen, deren Fehlen den Handelnden ersatzpflichtig macht, wenn dadurch auch ohne zusätzliches Verschulden ein Schaden entsteht (wie beim chirurgischen Eingriff), nur höchstpersönlich oder auch durch einen gesetzlichen Vertreter abgegeben werden kann, bestimmt allein das Deliktsstatut. N a c h welchem Recht es zu beurteilen ist, wer der richtige gesetzliche Vertreter ist, sollte im Forumstaat dann dem Kollisionsrecht des Staates überlassen werden, der das Deliktsstatut stellt; überdies dürfte ein Irrtum über das anwendbare Recht betreffend die Bestimmung des gesetzlichen Vertreters hier meist entschuldbar sein 8 7 . Daß das auch bei Begründung von Rechtspflichten durch Rechtsgeschäft zu mißbilligende 8 8 , aber im positiven Recht weit verbreitete Verfahren, die Frage nach der Form von Willenserklärungen im Forumstaat unabhängig von der Haltung des Hauptfragenstatuts zuzuweisen, bei Willenserklärungen innerhalb des Delikts- und Haftungsrechts abzulehnen ist, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden. Es wäre absurd, wenn der zufällige Forumstaat für die Einwilligung in eine sonst unerlaubte Handlung ein anderes Recht als Formstatut bezeichnen würde als der Staat, der das Deliktsstatut stellt. Vorfragen nach einem anderen Recht-Pflicht-Verhältnis können im Recht der gesetzlichen Schadenshaftung auftauchen, wenn etwa das auf den Schadensersatzanspruch anzuwendende Recht als legitimiert zur Geltendmachung eigener Schäden nur Rechtssubjekte ansieht, denen solche Leistungen des durch die unerlaubte Handlung primär Verletzten entgehen, auf die sie einen Rechtsanspruch aus einem gültigen Rechtsverhältnis hatten. Bei Tötung oder Verursachung der Erwerbsunfähigkeit einer natürlichen Person, und damit der Verursachung ihrer Unfähigkeit zu Leistungen aus dem laufend Erworbenen, haben Ansprüche wegen eigener Schäden meist nicht etwa alle diejenigen, die vermutlich sonst Leistungen von dem Opfer der unerlaubten Handlung für ihren Unterhalt bekommen haben würden, sondern nur solche, die einen .Rechtsanspruch auf Unterhalt aus einem kraft Gesetzes entstandenen Rechtsverhältnis h a t t e n 8 9 . O b ihnen Personen gleichzustellen sind, die Unterhalt auf Grund eines gesetzlichen Schadensersatzanspruchs, oder auf Grund eines durch Vertrag begründeten und mit Unterhaltspflichten ausgestatteten Rechtsverhältnisses von dem unmittelbar Verletzten beanspruchen konnten, oder ob zu Schadensersatzansprüchen wegen entgangenen Unterhalts auch die Partner aus einer de facto-Ehe oder einem de facto-Adoptionsverhältnis berechtigt sind, das regelt das eine Recht so, das andere so. Das gleiche gilt für die Frage, ob das Recht auf Arbeitsleistungen einer durch Delikt arbeitsunfähig gewordenen Person dem Inhaber dieses Rechts einen Anlaß gibt, von dem Verursacher der Arbeitsunfähigkeit Schadensersatz zu verlangen. Umgekehrt k o m m t es vor, daß ein Rechtsverhältnis oder ein anderes soziales Verhältnis zwischen dem Geschädigten und demjenigen, der als Schadensersatzpflichtiger in Frage kommt, den Schadensersatzanspruch ausschließt, so etwa wenn bei leicht fahrlässigen Schadenszufügungen zwischen Ehegatten, Angehörigen desselben Haushaltes, Arbeitskollegen usw. ein Schadensersatzanspruch entfällt. D a ß es das Haftungsstatut ist, welches hier zunächst selbst bestimmt, wer aus einem solchen Grunde eigenen Schaden ersetzt verlangen kann und wer nicht, scheint wohl sicher. Stellt das Haftun^sstatut nur auf tatsächliche Beziehungen ab, so entsteht das Problem des auf eine „Vorfrage" anwendbaren Rechts überhaupt nicht: Haben nach dem berufenen und anwendungswilligen Haftungsstatut alle diejenigen, die tatsächlich von einem Getöteten zu Lebzeiten in seinem Haushalt unterhalten wurden, einen eigenen
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Ehe als Vorfrage im Deliktsrecht
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Schadensersatzanspruch wegen des weggefallenen Unterhaltsbezuges, so kann die Anwendung dieser Bestimmung in einem anderen Forumstaat höchstens vermittels der negativen ordre public-Klausel verweigert werden. Stellt das Haftungsstatut auf ein „präjudizielles" Rechtsverhältnis zwischen Beteiligten ab, so ist zunächst zu prüfen, ob das gesetzgeberische Motiv für die Zubilligung oder Verweigerung des Schadensersatzanspruchs an eine Partei des präjudiziellen Rechtsverhältnisses nicht in dem Bestehen oder Nichtbestehen anderer rechtlicher Nachwirkungen dieses Rechtsverhältnisses zu sehen ist; es kann sein, daß diese Nachwirkungen mit Sicherheit nur erwartet werden können, wenn das Haftungsstatut auch hierfür maßgeblich ist, während bei Maßgeblichkeit eines anderen Rechts diese Voraussetzung nicht gegeben ist 9 0 . Sodann ist zu prüfen, ob das präjudizielle Rechtsverhältnis vom Standpunkt des Haftungsstatuts her, d. h. unter dem nach seinem Kollisionsrecht maßgeblichen Recht, besteht. Selbst wenn das zu bejahen ist, kann aber das Haftungsstatut, vor allem von einem präjudiziellen Dauerrechtsverhältnis, verlangen, daß es effektiv geworden ist. Andererseits kann das Haftungsstatut auch ein nur in einem anderen Staat von Rechts wegen bestehendes, aber im Ausland effektiv gewordenes Dauerrechtsverhältnis als präjudizielles Rechtsverhältnis für Schadensersatzansprüche anerkennen. Alles dies kann möglicherweise schon aus dem Schadensbegriff des Haftungsstatuts gefolgert werden 9 1 ; es kann sich aber auch um die Bildung von Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen handeln 9 2 . Schadensersatzansprüche der Partner an einem hinkenden präjudiziellen Rechtsverhältnis, die vom Haftungsstatut bejaht werden, sollten im Forumstaat nicht allein mit der Begründung abgewiesen werden, daß dort das präjudizielle Rechtsverhältnis überhaupt nicht bestehe; und zwar auch, wenn dies auf Grund des anwendungswilligen eigenen Rechts des Forumstaates so ist: Ist von einem deutschen Gericht auf Schadensersatzansprüche aus einer in einem fremden Staat durch einen Nichtdeutschen begangenen Körperverletzung ausländisches Recht anzuwenden, gewährt das ausländische Haftungsstatut Ansprüche wegen des Wegfalls der Unterhaltsleistungen, die ein vom Standpunkt des Haftungsstatuts rechtmäßiger Ehegatte oder ein Partner einer de facto-Ehe von dem Verletzten aus einem solchen im Ausland effektiv bestehenden Verhältnis erwarten konnte, und würde der vom Haftungsstatut bejahte Schadensersatzanspruch des de facto-Ehegatten nicht am deutschen ordre public scheitern, so kann es nicht begründet werden, daß der Anspruch des Partners aus einer Rechtsehe deshalb scheitern sollte, weil sie zwar im Staat des Haftungsstatuts, nicht aber in Deutschland als gültige Ehe (oder vorläufig gültige Scheinehe) besteht. Ist ein in England in einer dort vollgültigen Rechtsehe lebender Engländer Opfer einer fahrlässigen Tötung geworden, und ist von einem deutschen Gericht auf Schadensersatzansprüche gegen einen Täter mit deutschem Wohnsitz und deutschem Vermögen, aber ausländischer Staatsangehörigkeit englisches Recht anzuwenden, so sollte die Frage nach dem für das englische Haftungsstatut präjudiziellen Rechtsverhältnis einer Ehe nicht anders beurteilt werden als in England; der Schadensersatzanspruch der Ehefrau sollte also z. B. nicht etwa deshalb verneint werden, weil sie den Getöteten seinerzeit als deutsche Staatsangehörige in Deutschland in einer nach deutscher Auffassung formungültigen Eheschließungszeremonie geheiratet hatte. Ist der Verletzer deutscher Staatsangehöriger und deshalb deutsches Recht kumulativ anwendbar 9 2 3 , so sollte auch dann für die Beurteilung der Vorfrage nach der Ehe die vom Standpunkt des englischen Wirkungsstatuts rechtsgültige Ehe einer auch vom deutschen Standpunkt her gültigen Ehe gleichgestellt werden, wenn das Dauerrechtsverhältnis außerhalb Deutschlands bestanden hat. Ist es so, daß die hinkende Ehe in Deutschland, d. h. vom Standpunkt der deutschen Rechtsordnung her, gültig als Rechtsverhältnis besteht und zugleich effektiv ist, aber nicht in dem fremden Staat, der das Statut für die gesetzliche Haftung stellt, und der seinerseits die unter deutschem Recht bestehende und effektive Ehe 447
§15
Die Bestimmung der Haftungssubjekte
nicht als präjudizielles Rechtsverhältnis anerkennen will, so kann gerade in dieser Haltung des Haftungsstatuts eine krasse Abweichung vom deutschen Recht gesehen werden, mit der Folge, daß in Deutschland dem Schadensersatzanspruch stattgegeben werden muß. Hingegen reicht der Umstand, daß eine hinkende Ehe in Deutschland nur theoretisch als Rechtsverhältnis besteht, also so, daß Unterhaltsansprüche praktisch in Deutschland nicht durchsetzbar wären, nicht aus, um bei Anwendbarkeit eines ausländischen Haftungsstatuts entgegen dem Standpunkt dieses Statuts die Ehe als präjudizielles Rechtsverhältnis zugrunde zu legen 9 3 . Wieder anders liegen die Dinge, wenn die Behinderung der Abwicklung eines Rechtsverhältnisses seitens Dritter selbst den Tatbestand einer unerlaubten Handlung dieser Dritten darstellt; so sind Verleitung zum Vertragsbruch, oder zum Ehebruch, oder zur Beendigung der ehelichen Gemeinschaft in einer Reihe von Rechten „unerlaubte Handlungen", die Unterlassungsansprüche und Schadensersatzansprüche auslösen. Wenn hier ein gültiges Vertragsverhältnis, bzw. eine gültige Ehe, im Forumstaat nicht besteht, so können seine Gerichte der materiellen Harmonie zuliebe derartige Ansprüche nicht billigen, auch wenn die gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen zu dem anwendungswilligen Deliktsstatut eines anderen Staates hingeht, welches das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses bejaht. Hingegen ist es in diesen Fällen nicht erforderlich, daß auch das Wirkungsstatut für das gestörte Rechtsverhältnis selbst eine entsprechende Bestimmung über die Legitimation zu Schadensersatzansprüchen gegen Dritte hat 9 4 . Es ist grundsätzlich Sache des Statuts für eine verschuldensfreie Haftung, selbst den Kreis derjenigen Personen oder Vermögensmassen abzustecken, denen eine gesetzliche Haftung für einen Schaden auferlegt wird. Dabei kann selbst eine weit hergeholte Kausalität zugrunde gelegt werden 9 5 ' 9 6 ; zugrunde gelegt werden kann aber auch der Umstand, daß der haftbar Gemachte normalerweise aus der Tätigkeit des eigentlichen Schadensverursachers Vorteile zieht 9 7 . Der Grund, den das Haftungsstatut für eine solche Haftbarmachung einer Person oder eines Vermögens verwendet, wird selbstverständlich in jedem Forumstaat darauf nachgeprüft werden, ob er von dem eigenen Recht des Forumstaates kraß abweicht. Wird bei der Bezeichnung eines haftenden Vermögens, welches nicht das eigene persönliche Vermögen des primären Haftungssubjekts ist, seitens des Haftungsstatuts auf ein Rechtsverhältnis Bezug genommen, so kann sich wieder die Frage stellen, ob das Bestehen oder die Rechtsnatur eines solchen präjudiziellen Rechtsverhältnisses stets nur vom Standpunkt des Staates her zu sehen ist, der das Haftungsstatut stellt. Das kann zweifelhaft werden, wenn der Forumstaat hierzu einen anderen Standpunkt einnimmt; grundsätzlich ist jedoch daran festzuhalten, daß das Haftungsstatut maßgebend ist: Macht es z. B. einen Unterschied, ob der unmittelbare Schadensstifter als „Organ" oder als „Angestellter" einer juristischen Person gilt, wenn es um die Haftung dieser juristischen Person geht, so besteht kein Grund, im dritten Forumstaat die Dinge nicht genauso zu beurteilen, wie dies geschehen würde, wenn ein Gericht im Staat des Haftungsstatuts entscheiden müßte. Hingegen kann von dem Gericht im Forumstaat nicht erwartet werden, daß es eine vom Standpunkt des Staates des Haftungsstatuts her rechtmäßig bestehende juristische Person zur Schadensersatzleistung verurteilt, wenn vom Standpunkt des Forumstaates her die Existenz dieser juristischen Person zu verneinen ist. Haftet in einem Recht der mit Personensorgegewalt ausgestattete Elternteil für Schäden durch rechtswidrige Handlungen der minderjährigen, insbesondere der selbst nicht deliktsfähigen Kinder, oder haftet der Ehemann für Delikte der Ehefrau gegenüber Dritten, so ist zunächst zu untersuchen, ob dies nicht nach dem Haftungsstatut voraussetzt, daß die Personensorge bzw. die Ehewirkungen in einem anderen hierfür in Frage kommenden Recht in ähnlicher Weise ausgestaltet sind, wie dies im Familienrecht des Haftungsstatuts 448
Haftpflichtversicherung
§15
der Fall ist, nämlich so, daß dem Haftbarzumachenden eine effektive Beeinflussung der Betätigung des Schadensverursachers ermöglicht wird. Dann ist zu prüfen, ob ein solches präjudizielles Rechtsverhältnis in den Staaten, die sein Bestehen unter dem von ihnen berufenen Recht bejahen, effektiv geworden ist, wenn das Bestehen des Rechtsverhältnisses in anderen Staaten verneint wird: Übte derjenige, der nach dem im Staat A, nicht aber nach dem im Staat B berufenen Recht zur Ausübung von Personensorgegewalt berechtigt und verpflichtet ist, diese Gewalt im Staat A — möglicherweise auch, nämlich bis zur Bestreitung seines Rechtes durch andere, auf dem Gebiet des Staates B — effektiv aus, so ist seine Haftung sowohl unter dem Haftungsstatut A, als auch unter dem Haftungsstatut B zu bejahen. Anders ist es, wenn das Objekt der Sorgegewalt sich der Kontrolle durch den Inhaber des Sorgerechts entzogen hat und sich in einem Staat befindet, der als Haftungsstatut in Frage kommt, aber die nach dem Recht von A oder B Personensorgeberechtigte Person in dieser Rechtsstellung nicht anerkennt. Sieht das Haftungsstatut vor, daß der Eigentümer einer Sache für einen unter Einschaltung der Sache, wenn auch durch Betätigung eines anderen, verursachten Schaden mit seinem ganzen Vermögen haftet, so kann sich die Vorfrage stellen, wer der Eigentümer der Sache ist, und auf welchen Zeitpunkt es dabei ankommt. Die Antwort ist aus der Motivation für die Haftbarmachung des Eigentümers, wie sie dem Haftungsstatut zugrunde liegt, zu finden. So kann es etwa darauf ankommen, ob derjenige, um dessen Haftung als Eigentümer es geht, vom Standpunkt des Lagestaates der Sache in dem Zeitpunkt, in dem der Betreffende die Sache zunächst besessen und dann anderen überlassen hat, der rechtmäßige Eigentümer war. Zu denjenigen, welche ohne Verschulden an der Entstehung des Schadens vom Gesetz direkt haftbar gemacht werden können, gehört auch der Haftpflichtversicherer einer gesetzlich haftenden Person. Ein Gesetz eines Landes, das die direkte Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers vorsieht, kann Anwendung beanspruchen wollen, wenn die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des schädigenden Vorganges, des Geschädigten und des Versicherers zu diesem Staat hingeht 98 . Die direkte Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers durch den Geschädigten kann aber auch begründet sein in ihrer Eigenschaft als Wirkung zugunsten Dritter aus dem Versicherungsvertrag; auch das Vertragsstatut kann eine anwendungswillige zwingende oder ergänzende Bestimmung haben, wonach der Geschädigte sich direkt an den Versicherer wenden k a n n " . Ist das Statut für den Versicherungsvertrag nicht identisch mit dem Haftungsstatut, so können im Forumstaat die Bestimmungen der beiden Länder möglicherweise nebeneinander zur Anwendung gebracht werden; soweit sie nicht harmonisieren, hat eine Anpassung stattzufinden. Der Haftpflichtversicherer kann im Forumstaat von einem Geschädigten keinesfalls in größerem Umfang in Anspruch genommen werden als von dem Versicherten selbst 1 0 0 ; ob der Umfang der Versicherung von dem Umfang der Haftung des Versicherten in einem einzigen bestimmten Staat nach Maßgabe des dort anwendbaren Rechts abhängt, oder ob die Versicherung die Haftung unter den Rechten mehrerer Staaten deckt, oder ob sie nur für die Haftung unter einem bestimmten Recht gelten will, ergibt sich wiederum aus dem Versicherungsvertrag selbst oder den ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen 101 . Die Verpflichtung eines Rechtssubjekts, sich für etwaige gesetzliche Schadenshaftungen versichern zu lassen, kann ihm vom Heimat- oder Wohnsitzstaat oder von dem Staat auferlegt werden, wo das Rechtssubjekt sich in einer für andere gefährdenden Weise betätigt, oder von wo eine solche Betätigung ihren Ausgang nimmt. Hingegen ist der Staat, in welchem schadenstiftende Folgen dieser Tätigkeit eintreten könnten, deshalb allein nach Völkerrecht noch nicht befugt, den potentiellen Schadensverursacher unter Androhung von Sanktionen zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung anzuhalten 102 (soweit ein 449
§15
Deliktsrechtliche Haftung juristischer Personen
solcher Staat überhaupt gegenüber dem betreffenden Rechtssubjekt zur Ausübung von Rechtszwang im Einzelfall in der Lage ist). Obliegt einer juristischen Person die Haftung für schädigende Akte ihrer Organe oder Angestellten, und wird die juristische Person ihrerseits von einer natürlichen Person als dem alleinigen Gesellschafter, oder von einer anderen juristischen Person „beherrscht", so ist, wenn die Haftung auf einem Verstoß des Organs gegen gesetzliche Verhaltensnormen beruht, die Tätigkeit der beherrschenden Person (bei der juristischen Person: ihrer Organe) oft als Anstiftung faßbar und führt aus diesem Grunde zu einer Haftung der beherrschenden Person. Gewisse Schwierigkeiten bereitet es, bei reiner Gefährdungshaftung neben der primär haftenden juristischen Person auch die beherrschende Person mit heranzuziehen; oft werden ja Gesellschaften in der erkennbaren Absicht begründet, daß für Ansprüche anderer aus einer „gefährlichen" Betätigung der Gesellschaft eben nur das dieser zur Verfügung gestellte Kapital haften soll. Wenn ein Land eine besondere gesetzliche Bestimmung über die Mithaftung der Muttergesellschaft bei gesetzlicher Haftung der Tochtergesellschaft hat, oder wenn es in seinem Haftungsrecht die Organe der beherrschten Gesellschaft, oder diese selbst, mit dem Begriff des Angestellten oder gar dem Begriff des Organs erfaßt, so ist die Anwendung dieser Bestimmung nicht etwa nur dann zulässig, wenn der Urheberstaat der Norm zugleich der Sitzstaat der beherrschenden Person ist; auch ein anderes Recht kann als Haftungsstatut die beherrschende Person als schadensersatzpflichtig erklären 1 0 3 . Unverkennbar sind die bei der Gestaltung des Rechts über die Mithaftung der Muttergesellschaft wirksamen Interessen in den verschiedenen Ländern nicht gleich; dort, wo zahlreiche Muttergesellschaften von inländischen oder ausländischen Tochtergesellschaften, hingegen nur wenige Tochtergesellschaften ausländischer Muttergesellschaften Sitz und Betrieb haben, wird man bestrebt sein, die Haftung der Muttergesellschaft auszuschalten; anders ist es in einem Land, in dem sich vorwiegend nur Betriebsstätten von inländischen Gesellschaften oder Tochtergesellschaften auswärtiger Muttergesellschaften befinden. Selbst wenn alle Staaten eine Bestimmung haben, daß über die Heranziehung einer Muttergesellschaft zu gesetzlichen Haftungen der Tochtergesellschaft das Recht des Landes entscheiden soll, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfung des Einzelfalles hingeht, besteht die Gefahr, daß diese Verknüpfung auf Grund der verschiedenen „governmental interests" manipuliert wird. Eventuell wird auch in einem Staat, der in seinem Recht Muttergesellschaften von einer Haftung verschont, von der ordre publicKlausel Gebrauch gemacht werden, wenn die gewichtigsten Verknüpfungen zu einem anderen Land hingehen, das eine solche Haftung vorsieht. Ein Forumstaat kann in seiner Eigenschaft als Lagestaat von Vermögensrechten bestimmen, daß ein solches Recht keinesfalls für die Folgen unerlaubter Handlungen auch solcher Personen haftbar sein soll, welche das Vermögensrecht nutzen dürfen; die Anwendbarkeit einer solchen Vorschrift wird allerdings wohl erst beim Versuch der Zwangsvollstreckung in einem solchen Land aktuell 1 0 4 . Eine Bestimmung, wonach das Vermögen einer juristischen Person für gewisse unerlaubte Handlungen der Organe der jutistischen Person nicht haften soll — so etwa, wenn nach den Gesetzen in einigen vom englischen Recht ausgehenden Ländern das Vermögen einer Gewerkschaft für die „eigentlich" rechtswidrige Anstiftung zum Vertragsbruch in Gestalt eines Streiks nicht haftbar sein soll —, ist als Durchbrechung einer generellen Norm zu verstehen, welche die Haftung bejaht. Indem ihr ordre public-Charakter zugeschrieben wird, kann erreicht werden, daß sie auch dann maßgebend ist, wenn ein anderes Recht durch die intensivste Kombination der Verknüpfungen eigentlich als Haftungsstatut in Frage kommt 1 0 5 . Das Haftungsstatut kann insbesondere den Umfang einer Schadensersatzpflicht desjenigen, der nicht aus eigenem Verschulden haftet, beschränken, unbeschadet einer umfassenden quantitativen Beschränkung der Haftung bestimmter Personen, insbesondere der 450
Die Vorfrage nach der Sittenwidrigkeit
§15
Schiffseigentümer; diese letztere Beschränkungshaftung wird entweder in ihrem Personalstatut, oder in dem Recht desjenigen Landes zu suchen sein, in welchem geklagt bzw. vollstreckt werden soll. Dadurch, daß die Konvention vom 10. 10. 1957 über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen ohne die nach Art. 7 (2) zulässigen Einschränkungen zu Landesrecht gemacht wird, wird das vereinheitlichte Recht dieser Konvention allein anwendbar. Wird im Gesetz eine Schadensersatzpflicht, eventuell auch ein Unterlassungsanspruch, an die Beeinträchtigung eines anderen Rechtssubjekts durch „sittenwidrige" Handlungen einer Person angeknüpft 106 , so hält man vielfach das eigene Recht des Forumstaates, insbesondere insoweit dieses die Sittenwidrigkeit bejaht, als besonders empfindlich gegenüber der Anerkennung von ausländischem Recht, dem andere Vorstellungen über die Sittenwidrigkeit zugrunde liegen. Es läuft dies darauf hinaus, daß der betreffende Staat seine eigene Bestimmung über Ansprüche aus „sittenwidrigem" Verhalten anderer beim Vorhandensein nur einer einzigen Binnenbeziehung zur Anwendung bringen läßt, selbst wenn die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem anderen Staat hingeht. Es ist aber auch denkbar, daß von dem durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelten Haftungsstatut selbst die Sittenwidrigkeit nicht immer gleich beurteilt wird, indem nämlich auf die Zugehörigkeit des angeblich sittenwidrig Handelnden zu einem Personenkreis abgestellt wird, von dem angenommen werden kann, daß die Mehrheit seiner Angehörigen die als sittenwidrig betrachteten Handlungen im allgemeinen nicht vornehmen und zugleich die Sittennorm für alle diejenigen als verbindlich betrachten, die diesem Personenkreis zuzugehören behaupten 1 0 6 3 . Dann kann auch innerhalb ein und desselben Staates die Frage nach der Sittenwidrigkeit für verschiedene Menschengruppen unterschiedlich beurteilt werden; zugleich können sich für „gemischte" Beziehungen wieder besondere Beurteilungsmaßstäbe bilden. Ist jemand Adressat konträrer Anforderungen in Sittennormen an sein Verhalten auf Grund mehrfacher Zugehörigkeit zu Menschengruppen (Milieus) mit unterschiedlichen Vorstellungen über Sittenwidrigkeit, so erfordert die Billigkeit hier offenbar Kompromißlösungen. 3. Das
Zeitmoment
Daß es für einen Unterlassungsanspruch nur darauf ankommt, ob im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung die maßgebliche Verknüpfung zu einem Staat hingeht, der durch sein in diesem Zeitpunkt geltendes Recht die Handlung verbietet, unterliegt keinem Zweifel. Wenn es für den Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung einer Verhaltenspflicht auf die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles zu einem derjenigen Staaten ankommt, welche das Verhalten unter ihre Verbotsnorm bringen, so bleibt es für die Frage, ob die kausale Handlung eine rechtlich verbotene Handlung war, dabei, daß die hierfür anwendbaren Rechte über die im Zeitpunkt der Handlung verwirklichten Verknüpfungen ermittelt werden müssen, und daß es sich um ein in diesem Zeitpunkt geltendes anwendungswilliges Verbotsgesetz handeln muß. Bei den zusätzlichen Verknüpfungen, die eines der nebeneinander berufenen „Deliktsstatuten" als das zur Regelung von Einzelfragen allein anwendbare Haftungsstatut erscheinen lassen, kann es sich hingegen auch um Verknüpfungen handeln, die später entstehen als die kausale Handlung: Sind im Zeitpunkt der Handlung, die den Schaden hervorruft, alle Beteiligten Staatsangehörige des Staates, der die Auslandstat als strafbar erklärt hat, und dort domiziliert, und kommt es alsbald zum Prozeß über den Schadensersatz, so wird das Schadensersatzrecht dieses Landes als das Recht des am stärksten verknüpften Landes angewendet werden, während das Recht des Handlungsortes, auch wenn die Handlung dort ebenfalls als verboten gilt, für die Zwecke des Schadensersatzanspruchs als zu schwach verknüpft gelten wird. Nehmen aber die Beteiligten vor der Abwicklung des Schadensersatzanspruchs 451
§15
Die zeitliche Fixierung der Verknüpfungen
Staatsangehörigkeit und Wohnsitz im Staat des Handlungsortes, so ist es durchaus vertretbar, daß nunmehr dessen Schadensersatzrecht als das Recht des am intensivsten verknüpften Landes angewendet wird. Erst recht können bei verschuldensfreier H a f t u n g für Schäden als wandelbare Verknüpfungen in Gestalt von Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz der Beteiligten, oder des Ortes, w o der Schaden sich bemerkbar macht, sowohl die zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung bestehenden, als auch die zur Zeit des schädigenden Ereignisses bestehenden Verknüpfungen in die Waagschale geworfen werden, um die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu ermitteln 1 0 7 . N u r solche neuen Verknüpfungen, die zu einem Staat mit der Absicht begründet werden, daß es zu einem Wechsel des Haftungsstatuts k o m m t , sind zu ignorieren. Mit welcher Gewichtigkeit ältere und frühere Verknüpfungen bewertet werden müssen, hängt von der Art der H a f t u n g a b : Bei der H a f t u n g aus Autounfällen sind dem gemeinsamen normalen Standort der beteiligten Fahrzeuge und dem gemeinsamen Wohnsitz der Beteiligten zur Zeit des Unfalls mehr Gewicht beizulegen als der gemeinsamen Staatsangehörigkeit nach dem Unfall. Für die Gewichtigkeit einer Verknüpfung zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt kann es auch von Bedeutung sein, o b das Bestehen b z w . Entstehen dieser Verknüpfung für den Haftenden erkennbar bzw. voraussehbar war, wenn es sich, wie bei der Produzentenhaftung, um H a f t u n g aus der Herstellung eines gefährlichen Gegenstandes handelt; für die Produzentenhaftung spielt es eine Rolle, ob der Produzent selbst Maßnahmen getroffen hat, damit die Ware in bestimmten Ländern konsumiert wird, oder o b er im Gegenteil den K o n s u m in bestimmten Ländern nicht gewünscht hat, und sie dennoch dorthin gekommen sind und dort der Schaden entstanden ist. Liegt im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses oder zu Beginn der Verwirklichung des Schadens eine überwiegende Zahl von Verknüpfungen zu einem bestimmten Staat vor, so wird die Maßgeblichkeit dieses Rechts nicht dadurch hinfällig, daß zu einem späteren Zeitpunkt die Verknüpfungen nicht mehr zu diesem oder einem anderen Staat hingehen, sondern sich auf eine Mehrzahl von Staaten zersplittern; das Rechtsverhältnis der Schadensersatzpflicht läuft dann unter dem ursprünglichen Haftungsstatut aus. A n anderer Stelle wurde bereits ausgeführt, daß im Forumstaat zwar grundsätzlich das berufene ausländische Recht, wenn es sich zwischen dem für die Verwirklichung des A n k n ü p f u n g s m o m e n t s maßgeblichen Zeitpunkt und dem Zeitpunkt der Entscheidung geändert hat, nach Maßgabe der letzten intertemporalen Kollisionsnormen des Urheberstaates zur Anwendung zu bringen ist, daß aber vor allem Rückwirkungsansprüche eines ausländischen Rechts im Forumstaat daraufhin zu überprüfen sind, o b sie von den intertemporalen Kollisionsnormen des Forumstaates kraß abweichen. Wenn nun schon die Frage, ob insbesondere eine verschuldensfreie H a f t u n g entstanden ist, dem durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelten Recht zugewiesen wird, und dabei auch Verknüpfungen einbezogen werden, welche nach der Verwirklichung des schadenstiftenden Ereignisses liegen, so muß auch wohl im Prinzip in Kauf genommen werden, daß ein maßgeblich gebliebenes Haftungsstatut u. U . erst durch neuerlassene Gesetze rückwirkend die H a f t u n g begründet. Während eine Bestrafung einer nach dem Stand der Gesetze zur Zeit der Tat straffreien Handlung sicher in anderen Forumstaaten meist mißbilligt werden wird, wird vor allem eine rückwirkende Begründung einer nicht von dem Vorwurf schuldhafter kausaler Verursachung des schädigenden Ereignisses abhängigen Verpflichtung zur Schadensersatzleistung in einem anderen Forumstaat nicht gleich der negativen ordre public-Klausel zum O p f e r fallen, selbst wenn es eine entsprechende Bestimmung in seinem Recht nicht gibt. Wenn das durch die intensivste Kombination der Verknüpfungen zur Zeit der Entscheidung bestimmte Haftungsstatut eine von ihm mit rückwirkender K r a f t eingeführte H a f t u n g auf solche Fälle beschränkt, in denen das kausale 452
Postdeliktische Verknüpfungen
§15
Verhalten schon vorher als „sittenwidrig" oder „leichtfertig" betrachtet wurde, auch wenn es nicht mit Unrechtsfolgen ausgestattet war, so liegt hier keine Rückwirkung vor, die ohne weiteres durch die negative ordre public-Klausel des Forumstaates verworfen würde. Läßt sich der Gesetzgeber eines anderen Forumstaates von der Erwägung leiten, daß Trägern einer Risikohaftung für Schäden durch die von ihnen gehaltenen Sachen und Angestellten schon beim Erwerb der Sache und der Einstellung der Angestellten die Haftung erkennbar sein müsse, damit sie rechtzeitig eine Haftpflichtversicherung abschließen können, so mögen seine Gerichte rückwirkend begründete Risikohaftungen des ausländischen Rechts für bedenklich halten; anders ist es sicher bei rückwirkender Einführung einer Billigkeitshaftung Deliktsunfähiger. Wenn dasjenige Recht, das zur Zeit der Entstehung eines Schadens das am intensivsten verknüpfte Recht ist, und nach seinem Stand zu diesem Zeitpunkt eine Schadensersatzpflicht vorsieht, diese Verpflichtung später rückwirkend beseitigt, so wird ein anderer Forumstaat kaum je zur Rückzahlung von bereits geleistetem Schadensersatz verurteilen. Der Wegfall des noch nicht befriedigten Schadensersatzanspruchs unter dem Haftungsstatut wird allerdings wohl dann im Forumstaat respektiert werden, wenn alle Beteiligten Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in dem Staat haben, der das Haftungsstatut stellt. Die Bedenken gegen rückwirkende Bestimmungen eines ausländischen Haftungsstatuts werden auch dann schwächer sein, wenn das ausländische Recht sich mit der Rechtsänderung dem Zustand des Rechts in anderen mit der Sache verknüpften Staaten, auch wenn deren Recht nicht berufen ist, angleicht. Gilt als Haftungsstatut für Schadensersatzansprüche kraft Gesetzes dasjenige Recht als anwendbar, zu welchem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles hingeht, so ist diese Art der Zuweisung auch verwendbar, wenn das Geltungsgebiet des staatlichen Rechts, nach dem eine solche Haftung zunächst zu beurteilen ist, vor Erledigung des Schadensersatzanspruches auf mehrere Staatsgebiete verschiedener Staaten aufgeteilt wird, und einer der Nachfolgestaaten das Recht der gesetzlichen Haftung ändert und dieser Änderung rückwirkende Kraft beilegt. Selbst wenn das nicht der Fall ist, wird die Ermittlung des Nachfolgestaates, der das Haftungsstatut mit seinem eigenen Recht weiterführt, wichtig für die Frage der Umstellung der Währung der Schadensersatzforderung auf die Währung eines Nachfolgestaates. Haftet für einen kraft Gesetzes entstandenen Schadensersatzanspruch eine juristische Person mit ihrem Vermögen, und erfolgt im Zusammenhang mit der Aufteilung des Geltungsgebietes des ursprünglichen Haftungsstatuts auch eine Aufteilung des Vermögens der ursprünglich einheitlichen juristischen Person auf mehrere juristische Personen 1 0 8 , so kann einerseits eine Gesamthaftung dieser Nachfolger anzunehmen sein, andererseits kann unter Umständen dasselbe Recht, welches Personalstatut für eine solche Nachfolgegesellschaft ist, zugleich das Haftungsstatut fortführen. Ergibt sich, daß keiner der Nachfolgestaaten die unter dem Recht des ungeteilten Staates begründete Schadensersatzforderung seinem Recht unterstellen will, weil keiner dieser Staaten annimmt, daß nunmehr die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu ihm hingeht, so mag insbesondere ein unbeteiligter Forumstaat die Abwicklung des Schadensersatzanspruchs unter dem alten Recht des ungeteilten Staates auslaufen, und etwa für die Frage der Umstellung der Währung Billigkeitsgesichtspunkte entscheiden lassen. Ändert der Forumstaat seine Zuweisungsnormen für die Fragen der Schadenshaftung, und stellt sich die Frage, ob die neuen Zuweisungsnormen auf Vorgänge anwendbar sind, die sich vor dem Inkrafttreten dieser Zuweisungsnormen ereignet haben, so muß daraus, daß ein Forumstaat in reinen Inlandssituationen weder neuerlassene Verhaltensgebote noch neuerlassene haftungsbegründende Normen auf frühere Vorgänge anwenden lassen will, nicht gefolgert werden, daß seine neu erlassenen Zuweisungsnormen nicht mit Rückwirkung versehen werden könnten. Es dürfte dies insbesondere dann anzunehmen sein, wenn 453
§15
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
der Forumstaat damit sich nur dem internationalen Privatrecht der anderen Staaten angleicht. So bestehen vor allem keine Bedenken dagegen, daß dann, wenn ein Land sein internationales Privatrecht über verschuldensfreie Schadenshaftungen etwa von der starren Zuweisung auf den Wirkungsort auf eine Zuweisungsnorm umstellt, die als Anknüpfungsmoment das gewichtigste Bündel der Verknüpfungen des einzelnen Falles verwendet, diese Zuweisung auch auf frühere Vorgänge angewendet wird. A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik 1 0 8 3 Hinter der einzigen gesetzlichen Vorschrift im E G B G B über unerlaubte Handlungen, dem Art. 12 E G B G B , hat die Rechtsprechung lange Zeit eine ungeschriebene bilaterale alternative Zuweisung (alternativ zugunsten des Geschädigten) an die Rechte des Handlungsortes und des Erfolgsortes (weniger des Schadensörtes) 1 0 9 gesehen, ohne dabei einen Unterschied zwischen Unterlassungsansprüchen und Schadensersatzansprüchen zu machen 1 1 0 . Die Vereinbarkeit von Art. 12 E G B G B , welche das ausländische Deliktsstatut bei deutscher Staatsangehörigkeit des Beklagten mit dem deutschen Recht kumuliert anwenden lassen will, mit dem Verbot der Diskrimination an Hand der Staatsangehörigkeit innerhalb der E W G ist bezweifelt worden. Die Rechtsprechung wendet die Vorschrift weiter an; würde Unvereinbarkeit mit dem EWG-Vertrag angenommen, so wäre Art. 12 damit noch nicht unanwendbar geworden, da ja mehrere Wege offen stehen, um die Diskrimination zu beseitigen, und diese Wahl vom Gesetzgeber getroffen werden muß. Besondere Wege ist die Rechtsprechung beim unlauteren Wettbewerb gegangen, wo auch die Staatsangehörigkeit mit als maßgebliche Verknüpfung herangezogen wurde 1 1 1 . Die Verordnung vom 7. 12. 1942 bestimmte dann generell, daß im Verhältnis zwischen deutschen Staatsangehörigen deutsches Recht auch bei ausländischem Handlungs- oder Erfolgsort unter Ausschluß des ausländischen Rechts für die außervertragliche Schadenshaftung maßgebend sein solle; die Fortgeltung der Verordnung wurde vom B G H bejaht 1 1 2 . Die Rechtsprechung billigt auch die analoge Anwendung der Verordnung auf Ausländer, schränkt aber jedenfalls für sie die Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts zugunsten des Tatortrechts ein, wenn für beide Beteiligte gewöhnlicher Aufenthalt am Tatort besteht 1 1 3 . Bei Haftung ohne Verschulden, insbesondere in den Fällen der Gefährdungshaftung, tendiert die herrschende Meinung dahin, die Rechte des Gefährdungsortes und des Unfallortes wiederum zugunsten des Geschädigten alternativ anzuwenden; nur bei der Haftung eines Fonds für unaufgeklärte Kraftfahrzeugunfälle will der Gesetzgeber allein auf den inländischen Unfallort abstellen 1 1 4 . Die Haager Konvention vom 4. 5. 1971 über das bei Straßenverkehrsunfällen und die Konvention vom 2. 10. 1973 über das auf die Produzentenhaftung anwendbare Recht sind für die Bundesrepublik bisher noch nicht übernommen worden. Das mag dazu beigetragen haben, daß die Rechtsprechung sich noch nicht veranlaßt gesehen hat, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob nicht die grundlegenden Rechtsanwendungsanweisungen über das Statut einer gesetzlichen Haftung neu gefaßt werden sollten. Auch die umwälzende Entwicklung in der ausländischen Rechtsprechung, wo für die Fragen der gesetzlichen Schadenshaftung anstelle des Deliktsortes die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles Anknüpfungsmoment geworden ist 1 1 5 , wird in der westdeutschen Rechtsprechung ignoriert. Es kann jedoch nicht gesagt werden, daß der Stand der gesetzlichen Bestimmungen einer Neuorientierung der Rechtsprechung im Wege steht 1 1 6 . Ausgangspunkt der Rechtsprechung beim unlauteren Wettbewerb ist, daß im Verhältnis zu ausländischen Wettbewerbern der deutsche Kaufmann auf dem ausländischen Markt (als dem Handlungsort von Wettbewerbsakten) nur an die Verhaltensnormen und Haftungsnormen des ausländischen Rechts gebunden ist. Vorbereitende 454
Gesetzliche Unterhaltspflichten
§16
Maßnahmen für den Wettbewerb im Ausland, die in Deutschland getroffen werden, machen Deutschland noch nicht zum Land des Handlungsortes und rechtfertigen daher nicht die Heranziehung deutschen Rechts. Eine Anwendung aller Verhaltensnormen des deutschen Wettbewerbsrechts im Verhältnis zwischen deutschen Wettbewerbern auf einem Auslandsmarkt unter sich, wie sie anfänglich das Reichsgericht annehmen wollte, wird heute abgelehnt. Die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts zwischen Deutschen bei Wettbewerb im Ausland wird für möglich gehalten, wenn an dem Wettbewerb im Ausland nur Inländer beteiligt sind. Hier soll deutsches Recht gelten, wenn eine unlautere Wettbewerbshandlung speziell gegen einen bestimmten deutschen Wettbewerber gerichtet ist 1 1 7 . Auch insoweit die Anwendung deutschen Rechts auf den Wettbewerb von Deutschen im Ausland in Frage kommt, wird aber die Möglichkeit einer Anpassung der deutschen Verhaltensnormen an die auf dem Auslandsmarkt herrschenden „Gebräuche" und „Rechtsauffassungen" für möglich gehalten; überdies sei es denkbar, daß eine einzelne im deutschen Recht entwickelte Vorschrift ihrem Zweck nach nur für Wettbewerbshandlungen auf dem deutschen Markt Anwendung beansprucht 1 1 8 . Im Kartellrecht sehen §§ 6 und 7 des GWB Befreiungen von Exportkartellen von den Vorschriften des deutschen Rechts vor. Die Vorschrift des § 28 U W G , wonach Wettbewerber ohne Hauptniederlassung im Inland Ansprüche aus dem deutschen Gesetz vor einem deutschen Gericht nur geltend machen können, wenn deutsche Gewerbetreibende im Staat der Hauptniederlassung des ausländischen Klägers einen entsprechenden Rechtsschutz genießen, ist für die Angehörigen der Vertragsstaaten verschiedener internationaler Abkommen durch deren Vorschriften überlagert. Bindungen der Bundesrepublik aus völkerrechtlichen Verträgen bestehen über die Haftung für Schäden aus Ölverschmutzungen der Küsten, Schäden durch Unfälle in Atomkraftwerken und von atomkraftgetriebenen Schiffen, sowie für Schäden bei Unfällen der Raumschiffahrt 1 1 9 .
§ 16. Gesetzliche Unterhaltspflichten a) Die Rechtsgründe für gesetzliche Unterhaltspflichten Als gesetzliche Unterhaltspflichten werden hier diejenigen verstanden, die kraft objektiven Rechts Zustandekommen, ohne daß dazu ein Rechtsgeschäft zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen erforderlich ist, welches auf Begründung von Unterhaltspflichten allein, oder auf Begründung eines komplexen Rechtsverhältnisses gerichtet ist, zu dem das zwingende Recht auch Unterhaltspflichten rechnet. Unter den „gesetzlichen" Unterhaltspflichten werden daher im folgenden nicht erfaßt Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder Partnern eines eheartigen Rechtsverhältnisses, sowie Unterhaltspflichten zwischen Adoptiveltern und den angenommenen Kindern 1 , während Unterhaltspflichten zwischen Verwandten und Verschwägerten, auch wenn sie eine durch eine Ehe vermittelte „legitime" Abstammung voraussetzen, „gesetzliche" Unterhaltspflichten darstellen. Daß der Ausdruck „Unterhaltspflicht" nicht nur eine Pflicht zur Bereitstellung der Mittel für persönliche Lebensbedürfnisse eines anderen umfaßt, sondern daß dazu auch Ausbildungs- und Ausstattungskosten gehören können, ist selbstverständlich. Bevor die Frage nach der Gestaltung des Anwendungsbereichs von Rechtssätzen, welche gesetzliche Unterhaltspflichten vorsehen oder Unterhaltsansprüche verweigern, im Lichte der allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts gestellt werden kann, ist es unumgänglich, die verschiedenen möglichen Rechtsgrundlagen einer solchen Unterhaltspflicht zu prüfen. 455
§16
Unterhaltspflichten für Abkömmlinge
1. Unterhaltspflichten
als gesetzliche
Schadenshaftung
Besteht der Schaden, für den jemand kraft Gesetzes haftet, darin, daß die bis dahin bestehende oder zu erwartende Fähigkeit eines anderen, sich die Mittel zum Leben selbst durch eine Erwerbstätigkeit zu verschaffen, zerstört wird, so kann die Schadensersatzleistung in laufenden Unterhaltsleistungen, oder der einmaligen Zahlung des Kapitalwertes solcher laufenden Unterhaltsleistungen, bestehen. Diese Art von Schadensersatz ist sogar zugunsten einer natürlichen Person denkbar, die noch vor ihrer Geburt durch ein haftungsbegründendes Verhalten anderer ganz oder teilweise erwerbsunfähig gemacht wurde. Noch deutlicher wird die Möglichkeit, daß Unterhalt in Gestalt laufender Zahlungen zum Zwecke der Behebung eines verursachten Schadens zu leisten ist, wenn der „Schaden" darin zu sehen ist, daß der Geschädigte schon unterhaltsbedürftig war, aber Unterhaltsleistungen von einem Dritten zu erwarten hatte, der seinerseits durch ein der Haftung des Verursachers zugrunde liegendes Ereignis unfähig gemacht wurde, die von ihm geschuldeten Unterhaltsleistungen zu erbringen. 2. Unterhaltspflichten
für
Abkömmlinge
Die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber Abkömmlingen kann als gesetzliche Haftung aus Kausalität für die im Kindesalter, eventuell auch noch später, bestehende Unfähigkeit des Abkömmlings zur Bestreitung seiner Lebensbedürfnisse aus eigener Kraft verstanden werden. Auch schuldhaft rechtswidrige Verursachung solcher unterhaltsbedürftigen Existenz ist — insbesondere bei Strafbarkeit des Zeugungsaktes — denkbar; während die Haftung des Täters aus den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen hier jedoch wohl meist durch die speziellen familienrechtlichen Regelungen des Unterhaltsrechts verdrängt wird 2 , ist eine Haftung anderer Tatbeteiligter für den Unterhalt auf Grund der allgemeinen Sätze deliktischer Haftung nicht ausgeschlossen. Haftung aus Verletzung eines Schutzgesetzes tritt unter Umständen ein, wenn die Zeugung eines Kindes mit einer schuldhaft rechtswidrigen Handlung gegenüber demjenigen verbunden ist, der seinerseits für den Unterhalt des Kindes aufzukommen hat 3 . Die dem Kind gegenüber bestehende Unterhaltspflicht vor allem von Vater und Mutter ist in vielen Rechten verschieden gestaltet, je nachdem, ob das Kind auf Grund anderer Tatsachen als der biologischen Abstammung selbst im Verhältnis zu den Eltern generell eine Rechtsstellung hat, in der es der Gruppe der meistbegünstigten Kinder aus einem „legitimen" Kindschaftsverhältnis zugehört, oder ob das Kind der Gruppe der nichtlegitimen Kinder zugewiesen wird. Legitimitätsgrund ist überall die Zeugung des Kindes in einer Ehe, doch kennen die meisten Rechte zahlreiche andere Gründe dafür, daß ein Kind ab Geburt oder durch einen späteren Vorgang in die Kategorie der meistbegünstigten Kinder eingeordnet wird. Unterhaltspflichten gegenüber nicht meistbegünstigten Kindern erfordern ihrerseits nicht selten außer der, meist durch Vermutungen zu erweisenden, Abstammung als solcher weitere Tatbestandselemente, wie etwa ein Eheversprechen des Vaters gegenüber der Mutter des Kindes. Nur wenige Rechte beschränken die Unterhaltspflicht des Vaters auf solche Kinder, für welche die zusätzlichen Erfordernisse der „Legitimität" gegeben sind. Während manche Rechte eine Unterhaltspflicht, insbesondere des Vaters, nur an eine nichtwiderlegte Wahrscheinlichkeit (bzw. die größte Wahrscheinlichkeit) der Abstammung von einer bestimmten Person anknüpfen, gehen andere weiter und sehen Unterhaltspflichten als eine Art Risikohaftung aller derjenigen vor, die in der Empfängniszeit mit der Mutter verkehrt haben, und deshalb als „mögliche" Väter gelten müssen, soweit nicht für den einen oder anderen die absolute Unmöglichkeit der biologischen Abstammung erwiesen werden kann 3 a . 456
Sonstige gesetzliche Unterhaltspflichten
§16
Entsprechende Unterscheidungen werden für gesetzliche Unterhaltspflichten gegenüber der Mutter in der Zeit ihrer Erwerbsunfähigkeit durch Schwangerschaft gemacht. 3. Sonstige gesetzliche
Unterhaltspflichten
Während eine Unterhaltspflicht anderer Aszendenten als des Vaters und der Mutter theoretisch noch als auf Kausalität begründet verstanden werden könnte, ist diesbezüglich einer Unterhaltspflicht sonstiger Verwandter oder Verschwägerter nicht möglich. Auch hier stellt das positive Recht häufig die Frage, ob die Verwandtschaftsbeziehungen, auf die die Unterhaltspflicht gestützt wird, auf „legitime" oder „nichtlegitime" Abstammungen zurückgehen. Von Bedeutung für die Ermittlung des anzuwendenden Rechts wird es hier, daß solche Unterhaltspflichten durchweg gegenseitige Pflichten sind, wenn es sich dabei auch meist nur um eine hypothetische Gegenseitigkeit für den Fall der Unterhaltsbedürftigkeit des in Anspruch Genommenen handelt 4 . Daß auch die Unterhaltspflicht von erwachsenen Deszendenten gegenüber Aszendenten anders als die Unterhaltspflicht von Aszendenten gegenüber Deszendenten nicht aus Kausalität zu rechtfertigen ist, ist für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ebenfalls nicht ohne Bedeutung. Einen ganz anderen Rechtsgrund als Blutsverwandtschaft und Schwägerschaft hat die in manchen Rechten anzutreffende Unterhaltspflicht einer Person für solche unterhaltsbedürftigen Personen, die sie schon bis zu einem bestimmten Ereignis im Familienhaushalt freiwillig versorgt hat. Hier vermischt sich die Begründung eines Rechts auf Unterhalt als „Ersitzung" mit der Begründung dieses Rechts durch Schaffung eines de facto-Adoptionsverhältnisses5. Verwandt damit ist die Unterhaltspflicht eines Nichtvaters, der durch Ausübung eines Anfechtungsrechts seine auf eine gesetzliche Vermutung gestützte Unterhaltspflicht gegenüber dem von seiner Ehefrau geborenen Kind als seinem legitimen Kind hätte beseitigen können, dies aber nicht getan oder ausdrücklich auf das Anfechtungsrecht verzichtet hat, während zugleich andere Personen sich auf das erweisbare Nichtbestehen der Vaterschaft berufen können. Zu denken ist schließlich auch an eine Unterhaltspflicht des Ehemannes, der einer Fremdzeugung eines Kindes seiner Ehefrau zugestimmt hat 6 . Verpflichtungen von Staat, Staatsteilen oder Gemeinden, für die Lebensbedürfnisse Erwerbsunfähiger zu sorgen, betreffen zumeist den Einsatz öffentlicher Mittel auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, so daß die hierfür einschlägigen Gesetze nur von den Organen des Urheberstaates angewendet werden. Eine Gewährung von Unterhaltsmitteln im Rahmen einer solchen öffentlich-rechtlichen Fürsorge erfolgt oft an alle im Staatsgebiet anwesenden bedürftigen Personen; bedürftige Ausländer können jedoch meist abgeschoben werden, während bedürftige eigene Staatsangehörige möglicherweise aus dem Ausland übernommen werden müssen. b) Die Ermittlung der sachgerechten AnknUpfung und die sonstige Ausgestaltung der Kollisionsnormen fUr gesetzliche Unterhaltspflichten Ob Unterhalt auf Grund der allgemeinen Vorschriften des Deliktsrechts als Ersatz für den Schaden zu leisten ist, der durch eine als schuldhaft rechtswidrig bewertete Verursachung der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt oder des Wegfalls von Unterhaltsleistungen eines Dritten entsteht, dafür kommen das Recht des deliktischen Handlungsortes oder Erfolgsortes, das durch persönliche Dauerverknüpfungen des Täters bestimmte Recht, und nicht zuletzt das Recht des Schadensortes in Frage. Schadensort ist der Ort, wo der Unterhaltsbedürftige bis dahin aus eigener Kraft oder aus Leistungen eines anderen seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Sollen diese Rechte in bezug auf das Quantum des Unterhalts nicht alternativ angewendet werden, sondern soll von allen den Rechten, die die Haftung für den Unterhalt im Prinzip bejahen, letztlich doch allein dasjenige maßgebend sein, zu welchem die gewichtigste Verknüpfung, bzw. die gewichtigste Kombination von 457
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Das sachgerechte Anknüpfungsmoment bei Unterhaltspflichten
Verknüpfungen, hingeht 7 , so dürfte gerade bei dieser Art von Schaden und Schadensersatz der Schadensort im Verhältnis zu den anderen Verknüpfungen als besonders gewichtig empfunden werden: Die Verknüpfung mit dem Land, in welchem die Menschen leben, die auf den Unterhalt aus dem Arbeitseinkommen eines Unfallopfers angewiesen waren, ist, verglichen mit dem Handlungs- und Erfolgsort des Tötungsdelikts, entschieden stärker. Während etwa Sätze über eine Billigkeitshaftung des Deliktsunfähigen zum Ersatz eines von ihm angerichteten Sachschadens unter Beachtung aller sachlichen und persönlichen Verknüpfungen dem Recht entnommen werden können, zu dem die gewichtigste Kombination aller dieser Verknüpfungen hingeht, ist die Ungewißheit über das maßgebliche Recht, wie sie bei einer Verwendung des Anknüpfungsmoments der gewichtigsten Kombination aller gegebenen Verknüpfungen häufig besteht, bei der Frage nach der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kind 8 wohl zu vermeiden. Dann erscheint doch wieder derjenige Staat, wo sich die Unterhaltsbedürftigkeit des Kindes bemerkbar macht, also das Land des gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsbedürftigen Kindes, unter allen Umständen als zur Anwendung seiner Bestimmungen über Unterhaltspflichten legitimiert. Ist die Haftung der Eltern für den Unterhalt des von ihnen gezeugten Kindes Haftung für die nicht mit einem Schuldvorwurf versehene Verursachung dessen, daß das Kind in den Zustand der Unterhaltsbedürftigkeit hineingeboren wird, so empfindet man offenbar Zeugungsort und Geburtsort — die ja dem Handlungsort und dem Wirkungsort bei der rechtswidrigen kausalen Handlung entsprechen würden — meist als so wenig gewichtige Verknüpfungen, daß sie neben dem Ort, wo sich das Unterhaltsbedürfnis bemerkbar macht, für die Bestimmung des Unterhaltsstatuts keine Rolle spielen9. Persönliche Verknüpfungen einzelner Beteiligter zu anderen Ländern als dem Land des gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsbedürftigen Kindes werden durchweg nicht als soviel gewichtiger angesehen als die Verknüpfung mit dem Aufenthaltsland, daß dessen Recht deshalb ganz ausscheiden müßte. Gegen die Anwendbarkeit des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsbedürftigen Kindes könnte eingewendet werden 93 , daß ein solcher Aufenthalt möglicherweise von dem Unterhaltsbedürftigen selbst, oder noch häufiger von dem Inhaber der Sorgegewalt über ihn, begründet werden könnte, um ein Recht anwendbar zu machen, das der Unterhaltspflicht besonders günstig ist. Es wird dies vor allem wichtig, wenn die Unterhaltspflicht von dem Nachweis der Abstammung abhängt, und dieser Nachweis in dem einen Land leichter zu erbringen ist als in dem anderen. Es kann aber schlecht argumentiert werden, daß derjenige, der nach dem Recht des Zeugungsortes oder des Wohnsitzes der Mutter vor der Geburt einer Unterhaltspflicht entgehen könnte, ein „Recht" habe, daß der Aufenthalt des unterhaltsbedürftigen Kindes nicht anderswo begründet werde. Hängt der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes davon ab, wo es von der Person untergebracht wird, die die Personensorge ausübt, so wird man dabei allerdings wohl in gewissem Umfang den gewöhnlichen Aufenthalt zu ignorieren haben, der durch jemand begründet wurde, der in unberechtigter Ausübung der Sorgegewalt den Aufenthalt des Kindes bestimmt hat 1 0 . Nach Völkerrecht darf sodann auch der Heimatstaat eines unterhaltsbedürftigen Kindes, weil diesem Staat ja subsidiär die öffentlich-rechtliche Fürsorge obliegt, und sich deshalb bei ihm das Bedürfnis nach vorrangiger Unterhaltsleistung durch Privatrechtssubjekte bemerkbar macht, die Anwendbarkeit seines Rechts für die Unterhaltspflicht der Eltern vorsehen. Insbesondere darf der Staat, der seine Staatsangehörigkeit einem Kind wegen Abstammung von einem eigenen Staatsangehörigen verschafft, diesem Elternteil auch Unterhaltspflichten gemäß seinem Recht auferlegen 11 ; aber auch die Verpflichtung des anderen Elternteils durch den Heimatstaat des Kindes gemäß dessen Recht 1 2 ist völkerrechtlich unbedenklich. Für die Unterhaltspflicht der Aszendenten haben also sowohl die Anwendung des 458
Alternative Anwendung mehrerer Unterhaltsstatuten?
§16
Rechtes des gewöhnlichen Aufenthaltslandes des Kindes, als auch die des Rechtes desjenigen Heimatstaates, dessen Staatsangehörigkeit das Kind wegen A b s t a m m u n g von einem Ekernteil erwirbt, als gleichermaßen sachgerechte L ö s u n g zu gelten. D a ß die Unterhaltspflicht verheirateter Eltern gegenüber ihren gemeinsamen Kindern außer auf Kausalität auch auf die Ehe gestützt, nämlich als eine Ehewirkung zugunsten des Kindes gedeutet werden könnte, wird von wenig Rechten zum Anlaß genommen, um die Regeln über die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber dem Kind dem Ehewirkungsstatut zu entnehmen, obwohl es sich vielleicht der materiellen H a r m o n i e wegen empfehlen könnte, daß die Unterhaltspflicht verheirateter Eltern, insbesondere gegenüber ihrem gemeinsamen „legitim e n " Kind, jedenfalls dann nach diesem Recht beurteilt wird, solange beide Eltern zusammenleben 1 3 . D e r Verwendung bilateraler alternativer14 Zuweisungsnormen zugunsten des Unterhaltsbedürftigen steht die E r w ä g u n g entgegen, daß Kinder in bezug auf ihjen Unterhalt in heterogen verknüpften Situationen nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden sollten, als es in homogen verknüpften Situationen der Fall i s t 1 5 . D a s ist offenbar der G r u n d dafür, daß das positive Recht K o m p r o m i s s e bildet, wie sie insbesondere in dem H a a g e r A b k o m m e n vom 24. 10. 1956 über Unterhaltsansprüche von Kindern zu finden sind. Danach soll zwar einerseits alternativ zugunsten der Unterhaltspflichtigkeit nicht nur das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, sondern auch noch ein anderes Recht geprüft werden; welches andere Recht dies ist, ist jedoch im Vertrag nicht geregelt, sondern bleibt jedem einzelnen Vertragsstaat zur Regelung durch sein nationales Kollisionsrecht überlassen; es entfällt die Anwendung des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthalts zugunsten dieses anderen Rechtes überdies nur dann, wenn danach überhaupt kein Unterhaltsanspruch gegeben ist. Anstelle dieser Grundsatzregelung darf ein Vertragsstaat von der Anwendung des Rechtes eines anderen Vertragsstaates in seiner Eigenschaft als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ohne Rücksicht auf das Ergebnis der A n w e n d u n g des einen oder des anderen Rechts absehen, wenn das Kind und der Beklagte die Staatsangehörigkeit des Forumstaates besitzen, und überdies der Beklagte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und dieses dreifach inlandsverknüpfte Recht als anwendbar erklärt wird16. Während als völkerrechtlich zulässige A n k n ü p f u n g s m o m e n t e für Rechtssätze, die eine Unterhaltspflicht anderer Personen als der Aszendenten vorsehen, traditionsgemäß Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz eines solchen Unterhalts Pflichtigen in Frage k o m m e n , könnte der Heimatstaat eines zu Verpflichtenden, der selbst eine solche Unterhaltspflicht in seinem Recht verneint, vielleicht sogar Bedenken erheben, wenn hier der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsbedürftigen etwa solchen Seitenverwandten, die selbst keinerlei persönliche Dauerverknüpfung zu diesem Aufenthaltsstaat des Bedürftigen haben, Unterhaltspflichten auferlegen, ja vielleicht sogar bei Vernachlässigung dieser Unterhaltspflichten Strafen verhängen w o l l t e 1 7 . Für solche Rechtssätze, mit denen anderen Personen als den Aszendenten eine Unterhaltspflicht auferlegt werden soll, spielt sodann, wie schon angedeutet, vor allem die E r w ä gung eine Rolle, daß diese Unterhaltspflichten Gegenseitigkeit in dem Sinne voraussetzen, daß von dem, der Unterhalt verlangt, feststehen muß, daß ihm im umgekehrten Fall nach dem dann maßgeblichen Recht eine entsprechende Unterhaltspflicht obliegen würde. D a b e i sollte eine hypothetische Unterhaltspflichtigkeit dessen, der auf Unterhalt klagt, sowohl in dem Staat gewährleistet sein, in dem er die Klage erhoben hat, als auch in dem Staat, in dem vermutlich wegen seiner hypothetischen Unterhaltspflicht geklagt werden müßte. Wird also jemand an seinem Wohnsitz auf Unterhaltsleistung an einen Seitenverwandten verklagt, so sollte er, auch wenn sein eigenes Heimatrecht eine solche Unterhaltspflicht zwischen Seitenverwandten vorsieht, doch nur dann zu einer Leistung verurteilt 459
§16
Gegenseitigkeit von Unterhaltspflichten
werden, wenn feststeht, daß sowohl in diesem Forumstaat als auch im Wohnsitzstaat der klagenden Partei auf die hypothetische Verpflichtung des Klägers zu Unterhaltsleistungen an den Beklagten bei dessen Unterhaltsbedürftigkeit ein Recht anzuwenden wäre, welches einen Unterhaltsanspruch bejaht. Auch die Unterhaltspflicht erwachsener Abkömmlinge gegenüber Aszendenten ist, wenn darauf schon das Personalstatut des Beklagten, oder das Recht des Aufenthaltslandes des Klägers, angewendet werden soll, in entsprechender Weise davon abhängig zu machen, daß eine hypothetische Unterhaltspflicht der Aszendenten gegenüber unterhaltsbedürftigen erwachsenen Abkömmlingen gewährleistet ist 1 8 . Die Notwendigkeit, in diesen Fällen mehrere Rechte zu kumulieren, mindert zweifellos die Chancen dafür, daß der erhobenen Klage stattgegeben werden kann. Als Ausgleich läßt sich denken, daß, wenn auch unter der Voraussetzung der hypothetischen Gegenseitigkeit, Heimatrecht und Wohnsitzrecht des Beklagten alternativ berufen werden 1 9 . Die materielle Harmonie erfordert sodann auch, daß nicht gemäß dem Personalstatut von Großeltern und Enkeln deren Unterhaltspflicht bejaht wird, während die Unterhaltspflicht zwischen Eltern und erwachsenen Kindern zu verneinen wäre 2 0 . A m schwierigsten ist die Ermittlung eines sachgerechten Anknüpfungsmomentes, wenn Unterhaltspflichten Nichtaszendenten gegenüber nichterwerbsfähigen Minderjährigen auferlegt werden, nachdem jene zuvor schon im Rahmen einer Familie ohne Rechtsverpflichtung für den Unterhalt der Kinder gesorgt haben. Hier sollte wohl das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der Unterhaltsbedürftigen kumuliert werden mit dem Recht des Ortes, an dem die als „Ersitzungsgrund" geltende freiwillige Versorgung vor sich ging. Hat der Ehemann der Mutter deren Kinder aus früherer Ehe oder deren uneheliche Kinder bei intakter Ehe freiwillig versorgt, so darf ein Staat, in welchem die Ehefrau die Scheidung erwirkt, beim Fehlen weiterer Verknüpfungen nicht ohne weiteres eine Bestimmung seines Rechts zur Anwendung bringen, wonach diesem Mann nunmehr eine Rechtspflicht zum Unterhalt jener Kinder auferlegt werden kann. Ebenso wie bei Schadensersatzverpflichtungen aus Gesetz ist es zwar im Prinzip zu vermeiden, daß ein ausländisches Recht, das die in seinem Inlandsrecht vorgesehene Unterhaltspflicht in einer bestimmten heterogen verknüpften Situation nicht anwenden lassen will, gegen den Willen des Gesetzgebers in einem anderen Forumstaat zur Anwendung gebracht wird. Untragbar wäre es jedoch, wenn jeder von den Staaten, zu denen Verknüpfungen bestehen, die Anwendbarkeit des eigenen Rechts verneinen und zugleich die Anwendungsunwilligkeit der anderen Rechte respektieren würde, obwohl nach dem Stand aller Rechte in homogen verknüpften Fällen eine Unterhaltspflicht anzunehmen wäre 2 1 . In welchem Umfang einer Vollstreckung wegen eines durch Urteil zugebilligten Unterhaltsanspruchs die Unpfändbarkeit von Schuldnervermögen (einschließlich zukünftiger Forderungen an Dritte) entgegengehalten werden kann, ist zweifellos Sache des Staates, in dem die Vollstreckung vor sich gehen müßte. Hingegen ist die Frage, inwieweit das gegenwärtige und zukünftige Vermögen des Pflichtigen, sowie das des Unterhaltsbedürftigen, für die Bemessung der H ö h e des geschuldeten Unterhalts zu berücksichtigen ist, Sache des Unterhaltsstatuts; bei alternativer Anwendung mehrerer Rechte kommt das dem Unterhaltsbedürftigen günstigere Recht zum Zuge 2 2 . Ist dieselbe Person für den Unterhalt mehrerer anderer Personen leistungspflichtig, und spielt es für die Bemessung der H ö h e des einzelnen Unterhaltsanspruchs eine Rolle, welche anderen Unterhaltsleistungen dem Schuldner obliegen, und gehen dabei die verschiedenen Rechte auseinander, so bleibt wohl nur eine billige Anpassung der von ihnen vorgesehenen Lösungen aneinander; allerdings wird nicht selten damit zu rechnen sein, daß man hier die Lösung des ausländischen Rechts als kraß von der lex fori abweichend von vornherein ausschaltet. Trotz Annahme der Gleichwertigkeit von Unterhaltsansprüchen verschiedener Unterhaltsgläubiger kann es dabei jedoch zu verschieden hohen Unterhaltsleistungen kommen, wenn etwa die Lebens460
Teil- und Vorfragen im Unterhaltsrecht
§16
haltungskosten in den verschiedenen Aufenthaltsländern der verschiedenen Unterhaltsbedürftigen verschieden sind. Nur durch Anweisung zur Billigkeitsentscheidung kann der Richter auch dem Einwand des Unterhaltspflichtigen Rechnung tragen, daß der Unterhaltsberechtigte (bzw. der Inhaber des Sorgerechts für ihn) durch eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in ein anderes Land die Belastung des Pflichtigen mit Unterhaltsleistungen mildern könnte. c) Vom Unterhaltsstatut aufgeworfene Teil- und Vorfragen Es ist Sache des berufenen und anwendungswilligen Unterhaltsstatuts, ob es die auf Kausalität gestützte Unterhaltspflicht für unterhaltsbedürftige Menschen im Kindesalter als Risikohaftung aller derjenigen ausgestalten will, die mit der Mutter verkehrt haben, und daher prima facie als mögliche Väter in Frage kommen, oder ob es den vollen Beweis der biologischen Abstammung unter Verwendung aller Mittel zum positiven Beweis und zum Gegenbeweis erfordern will, oder ob es durch Vermutungen und die Regelung ihrer Widerlegung Wahrscheinlichkeiten der biologischen Abstammung als Grund für eine Unterhaltspflicht genügen lassen will; es ist Sache dieses Unterhaltsstatuts, wen es zur Widerlegung gesetzlicher Vermutungen über die biologische Abstammung zulassen, oder wessen Zustimmung es z. B. neben dem vermutungsbegründenden Tatbestand der Vaterschaftsanerkennung erfordern will. Alle diese Fragen kann das anwendungswillige Unterhaltsstatut selbst abschließend regeln wollen 23 . Es ist aber auch Sache des Unterhaltsstatuts, ob es bezüglich des Bestehens, des Umfangs und der Dauer der Unterhaltspflicht Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Kindern, je nach den Umständen ihrer Geburt oder Zeugung, oder je nach der Art des geführten Beweises für die Vaterschaft 24 , machen oder ob es alle Kinder gleich behandeln will. Soweit das Unterhaltsstatut selbst Vermutungen darüber aufstellt, daß jemand allein als der unterhaltspflichtige Vater zu gelten habe, ist es dann auch Sache des Unterhaltsstatuts, Bestimmungen über die relative Stärke etwaiger widersprechender Vermutungen untereinander aufzustellen, oder Bestimmungen darüber zu treffen, ob die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gegen einen angeblichen Vater überhaupt davon abhängig ist, daß zunächst gewisse andere zugunsten der Unterhaltspflicht einer anderen Person sprechende Vermutungen widerlegt worden sind 2 5 . Dem Unterhaltsstatut sind dann auch die besonderen Regeln über den Beweis der die Unterhaltspflicht begründenden Abstammung bzw. die Regeln über den Beweis von vermutungsbegründenden Tatbeständen zü entnehmen 26 . Als vermutungsbegründender Vorgang findet sich in den meisten Rechten neben dem Anerkenntnis der Mutterschaft bzw. Vaterschaft der Tatbestand des Bestehens einer Ehe zwischen der bereits erwiesenen Mutter und dem angeblichen Vater 27 . Die Vermutung für die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter ist derzeit zumeist auch in denjenigen Rechten anzutreffen, die in bezug auf den Unterhalt und andere kindschaftsrechtliche Wirkungen keine unterschiedliche Behandlung „ehelicher" und „nichtehelicher" Kinder vorsehen 28 ; es ist also das Unterhaltsstatut selbst, welches hier die Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe aufwirft und damit zu der Frage führt, wie das hierfür maßgebliche Recht zu bestimmen ist. Wenn nun die Vermutung der Abstammung vom rechtmäßigen Ehemann der Mutter bei erwiesener Auflösung des gemeinsamen Haushaltes in vielen Rechten nicht mehr wirkt, und wenn andererseits oft 2 9 ein notorisches Konkubinat ähnliche Vermutungen für die Vaterschaft auslöst wie eine vollgültige Rechtsehe oder eine Scheinehe, so wird es verständlich, daß die vom Unterhaltsstatut gestellte Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe nicht einfach stets gemäß dem Recht beantwortet werden sollte, welches im Staat des Unterhaltsstatuts anzuwenden wäre, wenn es sich um einen Rechtsstreit um die Unterhaltspflicht zwischen den angeblichen Ehegatten selbst handeln würde. Vielmehr ist es durchaus sinnvoll, daß das Unterhaltssta461
§16
Die „Legitimität" des Kindes
tut, wenn es selbst auf die Vorfrage der Ehe für die von ihm erforderte Abstammung abstellt, auch eine nur in einer ausländischen Rechtsordnung „bestehende", aber effektive Ehe in diesem Zusammenhang zugrunde legt, soweit der praktische Effekt dieser Bestimmung nicht schon dadurch erreicht wird, daß im Unterhaltsstatut auch ein erwiesenes Konkubinat die Vermutung für die Vaterschaft auslöst. Kann also das Unterhaltsstatut bezüglich der von ihm selbst aufgeworfenen Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe eine alternative Zuweisung vornehmen, so liegt ein weiterer Schritt nahe: Das Unterhaltsstatut kann auch bezüglich des Beweises der väterlichen Abstammung des Kindes einer verheirateten Frau eine Delegierung an ein anderes Recht vornehmen, indem es etwa dem Ehewirkungsstatut 30 für die fragliche Ehe die genauere Regelung der Vermutung für die väterliche Abstammung 3 1 , sowie die Regelung ihrer Widerlegung überläßt. Obwohl die neueste Entwicklung des materiellen Rechts dahin geht, jede unterschiedliche Behandlung der Kinder insbesondere in bezug auf ihren Unterhaltsanspruch gegenüber den Eltern zu vermeiden, unterscheiden traditionellerweise zahlreiche Rechte immer noch zwischen dem Normalfall der — meist aus einer Ehe hervorgegangenen — schon von Geburt an meistbegünstigten Kinder und solchen Kindern, denen diese meistbegünstigte Behandlung jedenfalls zunächst einmal versagt wird. Macht so das Unterhaltsstatut selbst in bezug auf die Bemessung des Unterhalts Unterschiede zwischen meistbegünstigten („legitimen") und „nichtlegitimen" Kindern, so stellt sich die Frage, ob das Unterhaltsstatut nicht vor allem anstelle seiner eigenen Bestimmungen betreffend den Übergang anfänglich nichtlegitimer Kinder in die Kategorie der legitimen Kinder Vorschriften über die „Legitimation" einem anderen, für diese Zwecke besser geeigneten Recht überlassen sollte. Als ein solches besser geeignetes besonderes Legitimationsstatut kommt, soweit es sich um die Legitimation durch nachfolgende Ehe handelt, wiederum das Ehewirkungsstatut in Frage; bei einer Legitimation durch einseitiges Privatrechtsgeschäft oder durch Staatsakt steht traditionellerweise das Personalstatut des „legitimierenden" Vaters (u. U . auch das der Mutter allein) im Vordergrund. Geht es darum, ob ein Kind bereits bei Geburt für die Zwecke des Unterhalts ein „legitimes" Kind ist, so taucht immer wieder die Vorstellung auf, es sei nach einem, mit dem Wirkungsstatut für die Unterhaltspflicht nicht notwendig identischen, besonderen „Statut" für die die Meistbegünstigungsbehandlung auslösende „legitime Abstammung" zu suchen. Dieser Gedanke wird gefördert dadurch, daß die meisten Rechte dieselben Kinder, die sie bezüglich des Unterhalts als meistbegünstigte oder nicht meistbegünstigte Kinder getrennt halten, auch in bezug auf andere kindschaftsrechtliche Wirkungen unterschiedlich behandeln wollen. Das Streben nach einem gesonderten Statut für die Frage nach der zur Meistbegünstigung prädestinierenden „legitimen Abstammung" erfährt eine weitere F ö r derung dadurch, daß in manchen Rechten die differenzierte Behandlung von meistbegünstigten und nicht meistbegünstigten Kindern nicht bloß von dem Bestehen einer Ehe zwischen den Eltern abhängt, sondern daß ihr möglicherweise auch andere Kriterien zugrunde gelegt werden 3 2 . Es ist jedenfalls denkbar, daß ein Unterhaltsstatut den Unterhaltsanspruch aller im Kindesalter stehenden Personen auf Grund einer Inlandsverknüpfung A durch sein inländisches Recht regeln will, daß es dabei zwischen von Anfang an meistbegünstigten, „legitim geborenen", sowie später legitimierten Kindern einerseits, und nicht meistbegünstigten Kindern andererseits unterscheiden will, und daß es mit seinen eigenen Bestimmungen über legitime Abstammung bzw. nachträgliche Legitimation nur unter der Voraussetzung angewendet werden will, daß eine weitere Inlandsverknüpfung B — vielleicht auch wahlweise eine Inlandsverknüpfung B oder C 3 3 — gegeben ist. Entfällt die Anwendung eigener Vorschriften des Unterhaltsstatuts über die legitime Abstammung bzw. die nachträgliche 462
Das „Legitimationsstatut"
§16
Legitimation, so wird sich das Unterhaltsstatut bereit erklären, die für „meistbegünstigte" Kinder bestimmte Unterhaltsregelung seines Inlandsrechts auch solchen Kindern zu verschaffen, die, wenn das Anknüpfungsmoment B — bzw. B oder C — zu einem ausländischen Recht hingeht, in diesem fremden Staat deshalb als meistbegünstigte Kinder behandelt würden, weil diejenigen Voraussetzungen erfüllt sind, die das ausländische Recht dafür aufstellt. Die Folge ist die, daß das Unterhaltsstatut mit seinen eigenen Bestimmungen über den Nachweis einer nicht zur Meistbegünstigung führenden Abstammung dann noch Anwendung beansprucht, wenn das zur Regelung der „legitimen" Abstammung berufene ausländische Recht einerseits eine Unterscheidung zwischen meistbegünstigten und nicht meistbegünstigten Kindern hat 3 4 , und wenn andererseits das Kind, um dessen Unterhalt es geht, in diesem ausländischen Recht nicht zu den meistbegünstigten Kindern gerechnet wird 3 5 ' 3 6 . Erfolgt gemäß dem auf den Unterhaltsanspruch aller im Inland ansässigen Kinder anwendungswilligen Unterhaltsstatut eine Delegation der Teilfrage nach der zur Meistbegünstigung führenden „legitimen Abstammung" an ein anderes Recht, so ist es wiederum Sache dieses gesonderten Statuts für die legitime Abstammung, wie bezüglich der unter diesem Recht aufgeworfenen Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe zu verfahren ist. Das Statut der legitimen Abstammung kann hier eine einfache Zuweisung mit Hilfe seiner normalen Kollisionsnormen vornehmen; es kann auch eine alternative Zuweisung aussprechen. Die Anwendung verschiedener Rechte bzw. Rechtsanwendungsanweisungen auf den Unterhaltsanspruch, auf die Teilfrage nach der legitimen Abstammung und die Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe 3 6 a kann nun in dem Staat, der selbst das Unterhaltsstatut stellen will, zu Störungen der materiellen Harmonie führen. Das ist dann der Fall, wenn in dem Staat, der das Unterhaltsstatut stellt, das vollgültige Bestehen einer Ehe zu bejahen ist, und wenn die Rechtsordnung, der die Frage der legitimen Abstammung anvertraut worden ist, gemäß dem von ihr ermittelten Recht das Bestehen dieser Ehe verneint und deshalb auch die legitime Abstammung leugnet. In einem solchen Fall wird der Staat, der selber das Unterhaltsstatut stellen will, irgendeinen Weg suchen, um jedenfalls den Kindern, die aus der in diesem Staat gültigen Ehe hervorgegangen sind, auch den Unterhaltsanspruch meistbegünstigter Kinder zu sichern 37 . Zu einer Störung der materiellen Harmonie im Staat des Unterhaltsstatuts kann es auch kommen, wenn ein ausländisches Recht die zur Meistbegünstigung führende legitime Abstammung durch ein Beweismittel erweisen läßt, welches das Unterhaltsstatut zum Beweis der illegitimen Vaterschaft als nicht ausreichend betrachten würde. Das wäre z. B. der Fall, wenn das Statut der legitimen Abstammung das einfache Vaterschaftsanerkenntnis allein als unwiderleglichen Beweis für die legitime Vaterschaft genügen lassen würde, während das Unterhaltsstatut, das zugleich Statut der illegitimen Abstammung sein will, ein Anerkenntnis der illegitimen Vaterschaft nur mit Zustimmung eines dem Anerkannten bestellten Pflegers dem durch Zeugen oder Sachverständige vor Gericht zu führenden Beweis der biologischen Abstammung gleichstellen will 3 8 . Vom Standpunkt der Grundstatutsmethode her hat ein Forumstaat, der als Unterhaltsstatut ein ausländisches Recht zur Anwendung bringen läßt, seine Gerichte anzuweisen, sich dem anzuschließen, was das Unterhaltsstatut bezüglich der von ihm selbst aufgeworfenen Teil- und Vorfragen direkt oder indirekt anordnet: Erhalten nach dem Unterhaltsstatut sämtliche Kinder ohne Rücksicht auf die Art ihrer Abstammung und des Nachweises der Abstammung denselben Unterhaltsanspruch, und will das Unterhaltsstatut sämtliche Fragen des Beweises der Abstammung selber regeln, so ist dies auch im Forumstaat zu beachten; beispielsweise ist dann auch die Vermutung der Abstammung vom Ehemann der Mutter und ihre Widerlegung so zu handhaben, wie dies durch ein Gericht im Staat des Unterhaltsstatuts geschehen würde. Unterscheidet das Unterhaltsstatut zwi463
§16
Selbständige Anknüpfung der Fragen nach Abstammung und Legitimität?
sehen ehelichen und unehelichen, bzw. zwischen meistbegünstigten „legitimen" und nicht meistbegünstigten „illegitimen" Kindern, und bezieht es sich dabei auf die Ergebnisse der Anwendung eines gesondert zu ermittelnden Statuts für die zur Meistbegünstigung prädestinierende legitime A b s t a m m u n g , b z w . eine nachträgliche Legitimation, s o hat der Richter im Forumstaat im Sinne der Grundstatutsmethode dieselben Rechtsanwendungsvorgänge durchzuführen. Im Sinne der M o s a i k m e t h o d e beansprucht jedoch das Kollisionsrecht des jeweiligen Forumstaates häufig, daß das Statut für Teil- und Vorfragen bei Anwendung eines ausländischen Statuts für kindschaftsrechtliche Wirkungen, insbesondere bei Anwendung ausländischen Unterhaltsrechts, vermittels der eigenen Zuweisungsnormen des Forumstaates ermittelt wird. D e m liegt vielleicht 3 9 die Erkenntnis zugrunde, daß bei A n w e n d u n g der Grundstatutsmethode Störungen der materiellen H a r m o n i e im Forumstaat auftreten können: Gilt im Forumstaat eine Rechtsehe als gültig bestehend, die in der Sicht des Unterhaltsstatuts nicht vorhanden ist, so wirkt es störend, wenn dem in dieser E h e gezeugten K i n d im Forumstaat ein Unterhaltsanspruch nur als einem nicht meistbegünstigten K i n d unter Anwendung des fremden Unterhaltsstatuts z u k o m m e n s o l l 4 0 . Zu einem anderen Fall der Störung der materiellen H a r m o n i e kann es k o m m e n , wenn im Forumstaat auf das Sorgerecht bezüglich eines Kindes ein Recht A , auf den Unterhaltsanspruch hingegen ein Recht B anzuwenden ist, und wenn das Sorgerecht eines angeblichen Vaters in der Sicht des Rechts A wegen ehelicher A b s t a m m u n g des Kindes zu bejahen ist, hingegen der Unterhaltsanspruch in der Sicht des Rechts B wegen nichtehelicher A b s t a m m u n g zu verneinen wäre. Diese Störungen der materiellen H a r m o n i e im Forumstaat können in der Tat dadurch vermieden werden, daß der Forumstaat das Statut für die zur Meistbegünstigung führende legitime A b s t a m m u n g nicht unter Verwendung der Zuweisungsnormen des Wirkungsstatuts (Unterhaltsstatut, Sorgerechtsstatut) ermittelt, sondern indem der F o r u m staat hier seinen eigenen Standpunkt durchsetzt. So stehen zahlreiche positive Kollisionsrechte auf dem Standpunkt, daß der jeweilige Forumstaat ohne Rücksicht darauf, welchem Recht eine kindschaftsrechtliche Wirkung untersteht, und welchem Recht das Wirkungsstatut eine von ihm selbst aufgeworfene Teilfrage nach der legitimen oder illegitimen A b s t a m m u n g überlassen will, die Wege zur Ermittlung des „ A b s t a m m u n g s s t a t u t s " selber abschließend festzulegen habe. Manche Kollisionsrechte beschränken dies auf das Statut der „legitimen" A b s t a m m u n g , andere wollen auch, wenn Unterhaltsansprüche für ein nicht legitimes Kind in Frage stehen, die illegitime A b s t a m m u n g nicht aus der Sicht des Unterhaltsstatuts p r ü f e n 4 1 , sondern wollen dafür eine besondere Zuweisungsnorm bilden42. Alle Versuche im positiven Recht, die Regeln über die Klarstellung eines A b s t a m mungsverhältnisses (einschließlich der diesem Zweck dienenden Vermutungen) unabhängig v o m Wirkungsstatut einem besonderen Abstammungsstatut zu entnehmen 4 2 ", und dies sogar ohne Rücksicht darauf zu tun, o b es sich um ein zur meistbegünstigten Behandlung führendes Abstammungsverhältnis handelt oder nicht, erweisen sich jedoch letztlich als unbefriedigend. Wenn man dabei auf die wegen der geringen Vorhersehbarkeit des Ergebnisses im Familienrecht wenig geeignete L ö s u n g verfällt, als Abstammungsstatut dasjenige Recht zu wählen, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des einzelnen Falles hingeht, so wird die Verknüpfung zu dem jeweiligen O r t des gewöhnlichen Aufenthalts bei Anwendung dieses Rechts auf den Unterhaltsanspruch doch wohl stets als so stark empfunden werden, daß diese Verknüpfung auf alle Fälle mit berücksichtigt werden m u ß ; die Folge ist, daß dann das Abstammungsstatut selbst wandelbar wird, auch wenn es bei den übrigen berücksichtigten Verknüpfungen (Staatsangehörigkeit und Wohnsitz der Eltern) nur auf die zur Zeit der Geburt vorhandenen Verknüpfungen ankommen sollte 4 3 . Ist die A b s t a m m u n g von verschiedenen Männern fraglich, so können die durch die Ver464
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Unterhaltsentscheidungen
§ 16
knüpfungen über das Personalstatut eines jeden derartigen Mannes ermittelten mehreren Abstammungsstatuten überdies wieder zu konträren Resultaten führen: Das Kind kann dann möglicherweise auf Grund des einen und des anderen Rechts verschiedene Männer zum „einzigen" Vater haben, oder es kann so sein, daß keines der verschiedenen Abstammungsstatuten den Mann, über dessen Vaterschaft es entscheiden will, als den wahrscheinlicheren Vater betrachtet. Es dürfte deshalb vorzuziehen sein, in den Kollisionsnormen einerseits das Statut für Unterhaltspflichten auf Grund einer voll erwiesenen, wahrscheinlichen oder möglichen Abstammung ohne Unterscheidung zwischen den „Arten" der Abstammung zu bestimmen, und andererseits, soweit nicht das Statut für den Unterhaltsanspruch des Kindes auf die Teilfrage der Abstammung anwendbar sein will, ein besonderes Abstammungsstatut unter Zugrundelegung derjenigen Zuweisungen heranzuziehen, die der Staat des Unterhaltsstatuts dafür aussucht, und bei etwaigen Störungen der materiellen Harmonie im Einzelfall Korrekturen anzubringen 44 . d) Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in heterogen verknüpften Unterhaltssachen Schwierige Fragen tauchen im Zusammenhang damit auf, daß, wenn im Forumstaat über einen Unterhaltsanspruch entschieden werden soll, bereits ausländische Entscheidungen vorliegen, oder daß die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen auf Leistung von Unterhalt verlangt wird. Es ist nicht nur möglich, daß über denselben fälligen Anspruch auf Leistung von Unterhalt für einen bestimmten Zeitraum bereits im Ausland ein Verfahren schwebt oder mit einer Sachentscheidung beendet worden ist, sondern es kann ja auch sein, daß im Ausland eine „grundsätzliche" Entscheidung über das Bestehen einer Unterhaltspflicht bis zu einem bestimmten Lebensalter gefällt worden ist, oder daß rechtskräftige Entscheidungen über das Bestehen einer Voraussetzung der Unterhaltspflicht ergangen sind. Sollen dann ausländische Entscheidungen anerkennungsfähig sein, die unter Anwendung eines Rechts erfolgt sind, das im Forumstaat nicht hätte angewendet werden dürfen 45 ? Sollen umgekehrt Entscheidungen aus dem Land der ausländischen lex causae möglicherweise vorrangig anerkennungsfähig sein? Geht, wie unter dem Haager Abkommen, eine staatsvertragliche Regelung dahin, daß normalerweise das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsbedürftigen Kindes anwendbar ist, so ist es schwer zu begründen, daß die Entscheidungen der Gerichte dieses Staates, die unter Anwendung seines eigenen Rechts erfolgen, von der Anerkennung grundsätzlich ausgeschlossen sein sollten 46 . Erlaubt ein Staatsvertrag, von der Anwendung des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthaltes des unterhaltsbedürftigen Kindes abzusehen, wenn intensivere Verknüpfungen zum Forumstaat, insbesondere in Gestalt der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien, bestehen 47 , und hat das am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes entscheidende Gericht nicht dieses gemeinsame Heimatrecht, sondern das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zur Anwendung gebracht, so würde es auf eine Aushöhlung jener staatsvertraglichen kollisionsrechtlichen Regelung hinauslaufen, wenn im Heimatstaat der Parteien die unter Anwendung des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthalts getroffene negative Entscheidung rechtskräftig werden und eine neue Entscheidung verhindern würde. Hat unter einem Vertrag jeder Vertragsstaat das Recht, ein von ihm selbst gewähltes Unterhaltsstatut anzuwenden, wenn feststeht, daß bei Anwendung des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes eine Unterhaltspflicht zu verneinen ist, so ist eine Entscheidung im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, die unter Anwendung dieses Rechtes der Unterhaltsklage stattgibt, wohl ein bindender Beweis dafür, daß die Voraussetzungen für die Anwendung eines anderen Rechtes im Forumstaat nicht gegeben 465
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Anerkennung ausländischer Entscheidungen über Abstammung und Legitimität
sind; die Klage, mit der Unterhalt in größerem Umfang begehrt wird, als er im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts zugesprochen wurde, ist also von vornherein unbegründet. Ist die Unterhaltsklage von dem zuerst angegangenen Gericht unter Anwendung des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes als in der Sache unbegründet abgewiesen worden, so würde mit der bedingungslosen Anerkennung dieser Entscheidung in einem anderen Staat, welcher zur Anwendung eines dem Unterhaltsbegehren günstigeren Rechts bereit ist, der Irrtum derjenigen Partei, die das erste Verfahren eingeleitet hat, in bezug auf das anwendbare Recht mit dem Verlust ihrer Chance bestraft, einen neuen Prozeß in dem anderen Forumstaat anhängig zu machen, dessen Gericht sein günstigeres Recht hätte anwenden müssen, wenn dort zuerst geklagt worden wäre. Daß dieses Ergebnis von den Urhebern der vertraglichen Regelung gewollt ist, kann nicht angenommen werden. Stellt aber das mit einer zweiten Klage befaßte Gericht fest, daß das nach seinem internationalen Privatrecht anzuwendende Recht für die Unterhaltsklage genauso lautet wie das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, das von dem zuerst angegangenen Gericht angewendet wurde, so läuft es auf eine erneute Prüfung in der Sache hinaus, wenn die Anerkennung des ausländischen Urteils abgelehnt und geprüft wird, ob der Anspruch unter dem im Forumstaat berufenen Recht begründet werden kann. Noch schwieriger ist die Frage der Behandlung ausländischer Gerichtsentscheidungen, welche über die Vaterschaft oder die legitime Elternschaft eine positive oder negative Aussage unter Anwendung der Beweisvorschriften eines bestimmten in diesem Staat berufenen Rechts machen 48 . In einem Staat, welcher im eigenen Inlandsrecht die väterliche Unterhaltspflicht als Risikohaftung ausgestaltet hat, also keinen vollen Beweis der Vaterschaft erfordert, kann eine von einem ausländischen Gericht unter Zugrundelegung einer grundsätzlich anders gearteten Gestaltung der Beweisfrage erzielte positive Feststellung der Vaterschaft ohne weiteres zugleich als eine Klärung der Teilfrage nach der möglichen Vaterschaft angesehen und anerkannt werden; bestehen unter dem im Forumstaat anzuwendenden Recht Unterhaltsansprüche, auch wenn die Vaterschaft nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen, sondern nur möglich ist, so kann eine anerkennungsfähige Aussage über diese Frage hingegen nicht darin gesehen werden, daß ein ausländisches Urteil auf Grund des von ihm zugrunde gelegten Rechts festgestellt hat, daß die Vaterschaft auf jeden Fall nicht mit der hier erforderten vollen Gewißheit erwiesen sei. Umgekehrt wird man in einem Staat, der in seinem Recht die bloße Möglichkeit der Vaterschaft als solche nicht als Grund für eine Unterhaltspflicht betrachtet, sondern vollen Beweis der Vaterschaft erfordert, zwar die rechtskräftige Feststellung der Unmöglichkeit der Vaterschaft eines prima facie als möglicher Vater in Frage kommenden Mannes, wie sie ein ausländisches Gericht getroffen hat, anerkennen können, nicht aber eine seinen Anforderungen ungenügende Feststellung der Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft, wie sie in einem anderen Land getroffen worden ist, das diese Wahrscheinlichkeit ausreichen läßt. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über eine auf Grund von Vermutungen anzunehmende Vaterschaft entfällt insbesondere, wenn die vermutungsbegründenden Tatsachen wiederum mit Mitteln bewiesen worden sind, die unter dem Recht des um Anerkennung ersuchten Landes zu diesem Zweck nicht ausreichen. Der Gedanke, in Unterhaltssachen die Anerkennung ausländischer Entscheidungen 49 , die nicht unter Anwendung desselben Rechts gebildet worden sind, welches vom Gericht im Anerkennungsstaat anzuwenden gewesen wäre, zu einer Ermessenssache unter Berücksichtigung der oben erwähnten Gesichtspunkte zu machen, ist zwar nirgendwo in einer gesetzlichen Bestimmung ausgedrückt worden; er steht aber vielleicht hinter der häufig in der Rechtsprechung zu beobachtenden Verwendung der negativen ordre public-Klausel im Zusammenhang mit der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen 50 . 466
Wechsel des Unterhaltsstatuts
§16
e) Wechsel des Unterhaltsstatuts Bei der Erörterung der Zuweisung der Frage nach der gesetzlichen Haftung für Schäden wurde ausgeführt, daß es zwecks Ermittlung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen nicht bloß auf die zur Zeit des eigentlich schadensverursachenden Vorgangs oder die vor diesem Zeitpunkt liegenden Verknüpfungen ankommt, spndern daß, solange der Schaden nicht behoben ist, der Ort, an dem sich später der verursachte Schaden bemerkbar macht, jedenfalls mit zu berücksichtigen ist. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der traditionellen Sicht dieser Gedanke fremd war. Entsprechend dieser Tradition finden sich daher auch in bezug auf das auf Unterhaltsansprüche anwendbare Recht Regelungen, wonach es allein auf eine vor der Geburt des Kindes oder zur Zeit der Geburt des Kindes bestehende Verknüpfung ankommt, und das auf diese Weise ermittelte Recht für die ganze Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit im Kindesalter maßgebend sein soll 5 1 . Die absolut konträre Lösung besteht darin, daß es für die Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt während eines bestimmten Zeitraums der Unterhaltsbedürftigkeit auf den jeweiligen Stand eines starren, aber wandelbaren, oder eines elastischen Anknüpfungsmoments ankommt. Das jeweilige Unterhaltsstatut, ob es nun durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsbedürftigen oder das Personalstatut des Unterhaltspflichtigen ermittelt wird, wäre dann mit seinen sämtlichen Bestimmungen auch bezüglich der Voraussetzungen der gesetzlichen Unterhaltspflicht anwendbar. Nicht nur das Recht des ersten gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, sondern auch das Recht seines späteren gewöhnlichen Aufenthaltsortes wird infolgedessen auch auf die Frage der Abstammung und des Beweises der Abstammung anwendbar, soweit das Unterhaltsstatut für diese Teilfragen selbst angewendet werden will 5 2 . Uberläßt das Unterhaltsstatut die Regelung einzelner Teil- und Vorfragen entsprechend dem früher Ausgeführten einem anderen Recht zur Lösung, so können die einschlägigen Zuweisungsnormen des späteren Unterhaltsstatuts von denen des früheren Unterhaltsstatuts abweichen. Das Recht des späteren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes kann also darauf bestehen, daß eine von ihm vorgesehene Unterhaltspflicht während der Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Staat angenommen wird, sobald die Voraussetzungen dafür, also insbesondere der Beweis der Abstammung, nach den Vorschriften dieses Rechtes zu bejahen sind, auch wenn sie sich zu früheren Zeiten auf dem Staatsgebiet eines anderen Landes ereignet haben. Ein als Recht des späteren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes berufenes Unterhaltsstatut kann dann z. B . auch etwa die Unterhaltspflichtigkeit mehrerer möglicher Väter bejahen, nachdem das Recht des vorausgegangenen gewöhnlichen Aufenthalts nur denjenigen unterhaltspflichtig gemacht hatte, der allein als der Vater des Kindes nachweisbar war. Soweit im Sinne der Mosaikmethode durch Kollisionsnormen des jeweiligen Forumstaates, unabhängig von der Haltung des Unterhaltsstatuts, ein besonderes Statut für die legitime, oder gar auch für die illegitime, Abstammung ermittelt wird 5 3 , ist dieses Abstammungsstatut allerdings meist „unwandelbar" 5 4 ; unwandelbar ist es natürlich nur in der Rechtsordnung dieses Forumstaates. Wenn das Legitimationsstatut unabhängig vom Unterhaltsstatut ermittelt wird, ist dieses Legitimationsstatut insofern wandelbar, indem es mit Hilfe des jeweiligen Personalstatuts des Vaters zur Zeit des Legitimationsaktes bestimmt wird 5 5 . Zwischen diesen extremen Gestaltungsmöglichkeiten sind sowohl unter der Grundstatutsmethode als auch unter der Mosaikmethode Kompromisse möglich und üblich. So kann insbesondere der Staat, der nicht das anfängliche, sondern das erst für einen späteren Zeitraum maßgebliche Unterhaltsstatut stellt, neben den nach seinen Vorschriften begründeten Unterhaltsansprüchen Rechtsschutz auch alternativ für Unterhaltsansprüche gewähren wollen, wie sie nur unter dem früheren Unterhaltsstatut bestanden haben, und wie sie 467
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Anerkennung von Unterhaltspflichten und Elternschaft
ohne den Wechsel des Statuts bis zu dem von dem früheren Unterhaltsstatut vorgesehenen Zeitpunkt weiter bestanden hätten. Mit den allgemeinen Rechtsgedanken der Ersitzung bzw. der Rechtskraft läßt es sich dann rechtfertigen, daß der Staat des späteren Unterhaltsstatuts die alternative fortdauernde Anwendung der Bestimmungen des bisherigen Unterhaltsstatuts auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der nach dem früheren Unterhaltsstatut geschuldete Unterhalt tatsächlich auch geleistet worden ist, sei es freiwillig, sei es auf Grund eines Urteils, sei es auf Grund einer zur, Vermeidung der Verurteilung abgegebenen Anerkennung 5 6 . Andererseits erscheint es verständlich, daß das spätere Unterhaltsstatut auch den von seinen eigenen Vorschriften vorgesehenen Unterhaltsanspruch deshalb als hinfällig geworden betrachtet, weil derjenige, der unter dem früheren Unterhaltsstatut zur Geltendmachung eines gleichen oder ähnlichen Unterhaltsanspruchs befugt war, dessen fristgerechte Geltendmachung unterlassen hat, obwohl der Unterhalt auch nicht freiwillig geleistet wurde 5 7 . Zumindest kann die Zeit, die unter der Herrschaft des früheren Unterhaltsstatuts verstrichen ist, auf die noch nicht abgelaufene Verjährungsfrist für die Vaterschaftsfeststellung unter dem neuen Unterhaltsstatut angerechnet werden. Es dürfte jedoch unmöglich sein, die Art und Weise der Berücksichtigung der Bestimmungen eines früheren Unterhaltsstatuts und des Verhaltens der Parteien unter einem anwendungswilligen früheren Unterhaltsstatut in starren Regeln zu formulieren. Wäre z. B. ein kostspieliges Verfahren notwendig gewesen, um die Vaterschaft eines zur Leistung von Unterhalt unfähigen Erzeugers unter dem früheren Unterhaltsstatut feststellen zu lassen, und ist der Betreffende erst während der Zeit, für die das neue Unterhaltsstatut maßgebend ist, zahlungsfähig geworden, so mag es zwar nicht angebracht sein, den Unterhaltsanspruch alternativ auf das frühere Unterhaltsstatut zu stützen, wenn dieses für den Unterhaltsbedürftigen günstiger ist als das neue Unterhaltsstatut; andererseits wäre es in diesem Fall nicht gerechtfertigt, den Anspruch unter dem neuen Recht als durch Untätigkeit unter dem früheren Unterhaltsstatut verwirkt zu betrachten. Als Ergebnis bleibt, daß bei einem Wechsel des für die Bestimmung des Unterhaltsstatuts maßgeblichen Anknüpfungsmoments das neue Unterhaltsstatut stets im Prinzip anwendbar sein sollte, daß aber bei der Handhabung dieses Rechts die unter der Herrschaft des früheren Unterhaltsstatuts erfolgten Handlungen und Unterlassungen der Beteiligten in billiger Weise zu berücksichtigen sind 5 8 ; nach billigem Ermessen hat auch u. U. eine alternative Fortanwendung der Vorschriften des früheren Unterhaltsstatuts, aus denen sich eine Unterhaltspflicht ergab, zu erfolgen. f) Anerkennung von Unterhaltspflichten und Elternschaft Daß besondere Vorschriften über die vor einem etwaigen Prozeß bereits abgegebenen Anerkennungen einer Unterhaltspflicht, oder der Verwirklichung des die Unterhaltspflicht auslösenden Tatbestandes, im allgemeinen der lex causae, und nicht dem Verfahrensrecht des jeweiligen Forumstaates zu entnehmen sind, wurde in anderem Zusammenhang bereits ausgeführt 5 9 : Als lex causae kommt, entsprechend dem oben Dargelegten, in erster Linie das Unterhaltsstatut 6 0 , möglicherweise auch ein davon verschiedenes „Abstammungsstatut" in Frage, sei es, weil das Unterhaltsstatut die Teilfrage der Abstammung einem anderen Recht delegiert, sei es, weil der Forumstaat eine selbständige Zuweisung vornimmt. Ein ziemlich unerforschtes Gebiet stellt die internationalprivatrechtliche Behandlung der Verträge dar, mit denen einerseits Unterhaltspflichten bejaht 6 1 , andererseits das Bestehen gesetzlicher Unterhaltspflichten (oder ihrer Voraussetzungen) offen gelassen, oder solche gesetzlichen Unterhaltspflichten in ihrem Umfang beschränkt werden. Neben dem Recht des Staates, in dem solche Verträge als gerichtlich bestätigte Vergleiche in einem Streit über die gesetzliche Unterhaltspflicht Zustandekommen, und neben dem Statut für 468
Anerkennung von Unterhallspflichten und Elternschaft
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die gesetzliche Unterhaltspflicht kommt als maßgebliches Recht für solche Verträge über Unterhalt auch noch das Recht desjenigen Staates in Frage, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen eines derartigen Vertrages hingeht. Anlaß zu solchen Verträgen über Unterhalt ist meist der Wunsch, einen Rechtsstreit über eine umstrittene gesetzliche Unterhaltspflicht zu beenden, oder der Klagerhebung zuvorzukommen; Unterhaltsversprechen werden in Rechtsgeschäften nicht selten jedoch auch in Schenkungsabsicht oder als Belohnung früherer Leistungen (des Unterhaltsempfängers oder eines anderen gesetzlich Unterhaltspflichtigen) abgegeben, und nicht selten sind die verschiedenen Motive zugleich anzutreffen. Unterhaltsverträge zur Streitbeendigung werden möglicherweise nur in der Absicht geschlossen, die gerichtliche Erörterung in einem bestimmten Staat zu Ende zu bringen oder zu vermeiden, während das Aufrollen der Frage nach der gesetzlichen Unterhaltspflicht in anderen Staaten zwar zunächst nicht aktuell sein mag, aber auch von den Parteien nicht ausgeschlossen wird. Es dürfte davon auszugehen sein, daß es Sache eines jeden anwendungswilligen Statuts betreffend gesetzliche Unterhaltspflichten ist, Regeln darüber zu entwickeln, ob eine Klage zur Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen durch Verträge der genannten Art gehemmt werden kann 6 2 . Wird im Staat des Unterhaltsstatuts diese hemmende Wirkung, also die Gültigkeit des Vertrages, anerkannt, so hat ein anderer Forumstaat keine Veranlassung, in einem Verfahren durch seine Gerichte zu prüfen, ob durch den Vertrag wirklich gesetzliche Unterhaltspflichten im Sinne des Unterhaltsstatuts eingeschränkt oder vergrößert worden sind; infolgedessen ist der vor einem Gericht des Staates, dessen Recht gesetzliches Unterhaltsstatut ist, zustandegekommene gerichtliche Vergleich im allgemeinen ebenso anzuerkennen wie eine von den Gerichten des Statutsstaates getroffene Entscheidung. Verträge und Vergleiche über Unterhaltspflichten, die in einem Land zustandegekommen sind, dessen Recht nicht als gesetzliches Unterhaltsstatut in Frage kommt, sollten durch die Brille desjenigen Staates gesehen werden, von dessen Recht feststeht, daß es als gesetzliches Unterhaltsstatut berufen ist. Ist jedoch gerade streitig, welches Recht das richtige Unterhaltsstatut ist, so erfordert die internationalprivatrechtliche Gerechtigkeit, daß ein bona fide zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit geschlossener Vergleich in möglichst vielen Staaten als gültig behandelt wird 6 3 . Anlaß zur Nichtbeachtung eines Vertrages oder Vergleiches über Unterhaltspflichten auch entgegen dem Standpunkt eines Staates, dessen Recht als Unterhaltsstatut berufen ist, kann in erster Linie der Umstand sein, daß das Zustandekommen des Vertrages in der Sicht des Forumstaates zu Bedenken Anlaß gibt. Das kann der Fall sein, wenn derjenige, der sich zu einer Unterhaltsleistung verpflichtet hat, von Dritten, möglicherweise auch von staatlichen Behörden, in unangebrachter Weise unter Druck gesetzt worden ist 6 4 ; Anlaß, mit Hilfe der ordre public-Klausel die Gültigkeit von Verträgen über Unterhaltspflichten entgegen dem Standpunkt des Unterhaltsstatuts zu verneinen, kann auch der Umstand sein, daß der Vertrag namens der einen oder anderen Partei durch einen ihr bestellten gesetzlichen Vertreter geschlossen worden ist, und daß der gesetzliche Vertreter sich bei dem Abschluß des Vertrages von anderen Motiven als allein der Wahrung der Interessen der von ihm vertretenen Partei hat leiten lassen. g) Die Aktiv- und Passivlegitimation bei der Geltendmachung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen Daß ein Unterhaltsanspruch, der einem volljährigen und nicht in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Rechtssubjekt zusteht, normalerweise von ihm selbst gegenüber dem angeblich Unterhaltspflichtigen in dem Staat eingeklagt werden kann, der seine Gerichte zur Entscheidung über die Unterhaltspflicht als zuständig erklärt hat, versteht sich von selbst. Hat ein Dritter den Unterhalt an die unterhaltsbedürftige Person bereits geleistet, 469
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Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen
insbesondere weil auch ihr eine Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsbedürftigen oblag, so gilt zumeist der Anspruch auf Leistung der zum Zwecke des Unterhalts geschuldeten Summe in Höhe des tatsächlichen geleisteten Unterhalts als auf diese Person übergegangen, wenn die von ihr in Anspruch genommene Partei vorrangig unterhaltspflichtig ist. Wer das mangels Geschäftsfähigkeit auch nicht prozeßfähige unterhaltsbedürftige Kind bei der Einklagung von Unterhaltsansprüchen zu vertreten hat, kann, wie früher ausgeführt 65 , von einem Forumstaat zum Gegenstand einer Regelung durch sein eigenes Recht gemacht werden, indem dem unterhaltsbedürftigen Kind zwecks Klagerhebung ein gesetzlicher Vertreter beigeordnet wird, soweit die Legitimation zur Klagerhebung nicht bei derjenigen Person liegt, die das Vermögen des Kindes, zu dem ja auch unbeglichene Unterhaltsforderungen gehören, zu verwalten hat. Vorschriften, wonach die Unterhaltsmittel für eine nichtgeschäftsfähige Person, die sich nicht in der Sorgegewalt des Unterhaltsschuldners befindet, an denjenigen geleistet werden müssen, der die Personensorge ausübt, oder an einen bestimmten anderen Empfänger, der die Mittel dem Inhaber der Sorgegewalt weiterzuleiten hat, sowie Vorschriften, wonach vor allem der Inhaber der Sorgegewalt Unterhaltsansprüche eines Kindes selbst im eigenen Namen einklagen kann, können im Forumstaat entweder dem Unterhaltsstatut, oder dem eigenen Recht des Forumstaates zu entnehmen sein, ohne daß das eine oder andere als die durch allgemeine Postulate gerechtfertigte Lösung erwiesen werden könnte 66 . Die ordre public-Klausel des Forumstaates wird unter Umständen eingesetzt werden müssen, wenn eine ausländische Behörde als Amtsvormund oder -pfleger des Kindes Zahlung an sich in der Währung des Forumstaates begehrt, und nicht den vollen Gegenwert, der beim Umtausch in die Währung des Aufenthaltslandes des Kindes erzielt wird, an denjenigen aushändigt, der das Kind tatsächlich versorgt. Angesichts dessen, daß in manchen Rechten die Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht nur inzidenter in dem Verfahren über den Unterhaltsanspruch nachgeprüft werden, während andere Rechte gesonderte Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft oder zur Anfechtung von Vermutungen über die Vaterschaft haben, sind unterschiedliche Regelungen der Klagbefugnis für die verschiedenen Verfahrensarten möglich, die sich dann auch auf die Entscheidung über den Unterhaltsanspruch auswirken können. Zu einer Störung der materiellen Harmonie kann es kommen, wenn das Unterhaltsstatut vorsieht, daß der Unterhalt von dem Pflichtigen einer Person auszuhändigen ist, die vom Standpunkt des Forumstaates her gar nicht zur Ausübung von Personensorge für das Kind als berechtigt erscheint, insbesondere wenn es sich um eine Person handelt, die vom Standpunkt des Forumstaates her die Personensorge unberechtigterweise anstelle des Unterhaltspflichtigen selbst ausübt. Wenn der Unterhaltspflichtige verurteilt werden müßte, Unterhalt an den Inhaber der Sorgegewalt zu leisten, der dem Unterhaltspflichtigen das Kind in das Ausland entführt hat, und wenn es auf diese Weise dem Entführer erleichtert würde, das Kind zu behalten, so kann das in einem Forumstaat sicher nicht hingenommen werden. Ist das Kind aus dem Forumstaat entführt worden, und ist auf den Unterhaltsanspruch das ausländische Recht des vom Entführer begründeten gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes anzuwenden, so mag zwar dieser Staat dem Entführer durch seine Gerichte auch die Personensorgegewalt zugesprochen haben; wenn jedoch der Staat des ursprünglichen Aufenthaltslandes dabei beharrt, daß das Kind dem zurückgegeben werden muß, dem es entführt worden ist, so kann die Verwirklichung dieses Anspruchs vielfach gerade dadurch herbeigeführt werden, daß der Unterhaltspflichtige die Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Entführer verweigern darf. Wenn derjenige, der im Ausland zwar in Übereinstimmung mit dem dort anzuwendenden Recht, aber vom Standpunkt des Forumstaates aus zu Unrecht, dem Unterhaltspflichtigen die Herausgabe des Kindes verweigert, nicht auf Leistung von Unterhalt für das 470
Ordre public-Klausel im Unterhaltsrecht
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Kind klagen kann, so kann er auch nicht einen eigenen Anspruch auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Unterhaltsmittel mit E r f o l g einklagen. E s darf auch nicht ein Urteil der Gerichte des Aufenthaltsstaates des Kindes auf Erstattung der von dem dortigen Inhaber der Sorgegewalt aufgewendeten Mittel ohne Rücksicht darauf anerkannt und vollstreckt werden, daß dem angeblich Erstattungspflichtigen vom Standpunkt des Forumstaates her die Sorgegewalt zusteht. Daher kann auch eine öffentliche Behörde im L a n d des gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsbedürftigen Kindes, die den Unterhalt in Gestalt von Fürsorgeleistungen erbracht hat, keine Erstattung von dem Unterhaltspflichtigen verlangen, wenn dieser mit Rücksicht auf die ihm vorenthaltene Sorgegewalt nicht zur Leistung von Unterhalt hätte verurteilt werden k ö n n e n 6 7 . Wird Unterhalt von mehreren Personen aus verschiedenen Rechtsgründen unter Anwendbarkeit verschiedener Rechte geschuldet, ohne daß divergierende Auffassungen über das Personensorgerecht bestehen, so bereitet die Erstattung im Verhältnis zwischen den Unterhaltspflichtigen keine Schwierigkeiten, wenn die verschiedenen Staaten übereinstimmende Regeln über den „ R a n g " der Unterhaltspflichtigkeit im Innenverhältnis zwischen den Unterhaltspflichtigen haben. Stimmen die verschiedenen Rechte nicht überein, so bleibt bezüglich der Erstattungsansprüche wohl nur eine Entscheidung nach Billigkeit. Die Frage, welche Person Unterhalt für ein Kind in E m p f a n g nehmen oder einklagen und gegebenenfalls auch die Klage auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erheben kann, ist möglicherweise, wenn das Unterhaltsstatut wechselt, in dem späteren Unterhaltsstaat anders geregelt als in dem früheren. Hier können Billigkeitsgründe dafür sprechen, daß ein bloßer Wechsel der zur Eintreibung von Zahlungen des Unterhaltspflichtigen befugten Person jedenfalls nicht zur Folge hat, daß die Voraussetzungen für die Unterhaltspflicht erneut in vollem U m f a n g geprüft werden müssen. h) Die H a n d h a b u n g der o r d r e public-Klausel g e g e n ü b e r a u s l ä n d i s c h e m R e c h t Uber gesetzliche U n t e r h a l t s p f l i c h t e n Gerade bei den Sachnormen über das Bestehen oder Nichtbestehen von Unterhaltspflichten und bei den Vorschriften über den Beweis der die Unterhaltspflicht auslösenden Tatbestände zeigt sich, daß der Verweigerung der Anwendung ausländischen Rechts mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel nichts anderes zugrunde liegt als eine - letztlich willkürliche — Bewertung der inhaltlichen Unterschiede zwischen dem berufenen ausländischen Recht und der lex fori als „krasser" Unterschiedlichkeiten. D a ß die Anwendung ausländischer Sachnormen über das Bestehen oder Nichtbestehen einer gesetzlichen U n t e r haltspflicht im einzelnen Fall die politische O r d n u n g des Forumstaates gefährden könnte, wird niemals ernstlich gesagt werden k ö n n e n 6 8 . D e r vor allem von Moralvorstellungen gewisser Religionen beeinflußte Gedanke, daß das nicht aus einer Ehe hervorgegangene K i n d auch bezüglich des Unterhalts keine, oder geringere Rechte gegenüber dem Vater habe als das eheliche Kind, ist in einigen Ländern lange Zeit als so selbstverständlich hingenommen worden, daß alle günstigeren Regelungen für das Kind als anstößig erschienen. Derzeit gibt es nur wenige positive Rechte, welche an der puritanischen Vorstellung, daß das nicht in der Ehe gezeugte Kind zu den Eltern überhaupt nicht in Rechtsbeziehungen steht, konsequent festhalten; vielmehr findet sich in der modernen Gesetzgebung sogar schon die konträre Regelung, welche durch Zusammenleben in Verbindung mit der Geburt eines Kindes im Verhältnis zwischen den Eltern das Rechtsverhältnis der Ehe entstehen l ä ß t 6 8 a . Immer mehr Staaten gehen dazu über, grundsätzlich allen Kindern gleiche Rechte und insbesondere auch gleiche Unterhaltsansprüche gegenüber den wahren Eltern zu verschaffen; das wird zum Teil durch eine Risikohaftung der mehreren möglichen Väter für den Fall ergänzt, daß der wahre Vater unter ihnen nicht ermittelt werden kann. In einem Staat, der eine solche Regelung als eigenes Recht hat, wird 471
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Ordre public-Klausel im Unterhaltsrecht
wahrscheinlich dann eine differenzierte Behandlung ehelicher und unehelicher Kinder im ausländischen Recht, und insbesondere eine Erschwerung des Nachweises der Abstammung „nichtehelicher" Kinder, als eine untragbare Abweichung von der lex fori aufgefaßt. Starke Gegensätze bestehen noch zwischen denjenigen Rechten, welche unter allen Umständen die wahren Abstammungsverhältnisse auf Verlangen eines der Beteiligten aufdecken wollen, und denjenigen Rechten, welche die Aufklärung der wahren Abstammungsverhältnisse ausschließen wollen, wenn ein mehr oder weniger großer Personenkreis an dem durch Vermutungen „erwiesenen" Zustand festhalten will. Die in der bisherigen Rechtsprechung vieler Länder als unerträglich erklärten Abweichungen ausländischen Rechts von der lex fori beziehen sich kurioserweise meist auf Unterschiede zwischen den Kompromißlösungen, welche in den verschiedenen Privatrechten zwischen den denkbaren extremen Gestaltungsmöglichkeiten gebildet worden sind. In denjenigen Ländern, die ursprünglich vor allem dem nicht freiwillig anerkannten nichtehelichen Kind Rechte gegen den Vater nicht oder nur ausnahmsweise gewährten, galt anfänglich jede weitergehende Bejahung von Unterhaltsansprüchen unter Aufdeckung der Vaterschaft oder der möglichen Vaterschaft 69 als eine untragbare krasse Abweichung, bis schließlich umgekehrt das Fehlen derjenigen privatrechtlichen Institutionen zugunsten Unterhaltsbedürftiger, die der lex fori bekannt sind, als untragbare Abweichung des ausländischen Rechts erklärt wurde 7 0 . Der Einsatz der ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht betreffend Unterhaltsansprüche von Kindern und Abstammungsnachweis ist zeitweise für die Bedeutung gesetzlicher bilateraler Zuweisungsnormen außerordentlich abträglich gewesen; noch bei den Versuchen zur Vereinheitlichung der Rechtsanwendungsanweisungen erklärt sich die Fassung der Verträge z. T. daraus, daß die alten Vorstellungen über Untragbarkeit ausländischen Rechts noch als fortwirkend unterstellt wurden. Die vielfach unbewußte Beeinflussung der Handhabung der ordre public-Klausel in Unterhalts- und Abstammungssachen durch die egalitäre Erwägung, daß im Forumstaat Kinder in heterogen verknüpften Situationen nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt sein sollten, als es die große Menge der an homogen verknüpften Situationen beteiligten inländischen Kinder ist, hat ebenfalls die grundsätzliche Zielvorstellung des internationalen Privatrechts, durch paritätische Zuweisungen an die verschiedenen Rechte zu gewährleisten, daß den an heterogen verknüpften Situationen Beteiligten im Schnitt eine Behandlung verschafft wird, wie sie die an homogen verknüpften Situationen beteiligten Rechtssubjekte ihrerseits im Schnitt genießen, weitgehend in den Hintergrund gedrängt und zur unparitätischen Bevorzugung der lex fori in Unterhaltssachen geführt. Eine Wende ist wohl im Zusammenhang mit der wachsenden Übereinstimmung darüber zu erwarten, daß es ein universales Menschenrecht eines jeden im Kindesalter stehenden Menschen gibt, vom Staat bei der Aufklärung der Abstammungsverhältnisse und der Eintreibung von Unterhalt gegenüber den wahren Eltern unterstützt zu werden. Hinzu kommt, daß man weitgehend auch den Gedanken akzeptiert, daß der Fürsorgepflicht des Staates, also letztlich der kollektiven Fürsorgepflicht der Steuerzahler, für unterhaltsbedürftige Kinder eine Risikohaftung der unmittelbar Beteiligten vorzugehen habe. Einer konsequenten Gesetzesreform stehen auch in den modernen Industrieländern noch von Traditionen und Ideologien getragene Widerstände entgegen. Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik Für die praktisch im Vordergrund stehenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber Personen im Kindesalter 71 bindet das Haager Abkommen vom 24. 10. 1956 auch die Bundesrepublik. Nach diesem Abkommen soll im Prinzip das Recht des jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsbedürftigen Kindes, wenn Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten vorliegt, in sämtlichen Vertragsstaaten angewendet werden. Dieses vertrag472
Das Haager Abkommen
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lieh gebotene Unterhaltsstatut regelt auch die Frage, welche Personen auf Grund eines als erwiesen, oder als wahrscheinlich, oder als möglich angenommenen Abstammungsverhältnisses gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig sind; kein Vertragsstaat ist verpflichtet, das Recht eines anderen Vertragsstaates, wo das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, anzuwenden, soweit es sich um die Unterhaltspflichten von Seitenverwandten handelt 72 . Aus dem Abkommen ergibt sich für die Bundesrepublik die Verpflichtung zur Anwendung des eigenen Rechts in allen Fällen, in denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat, ohne daß eine weitere Verknüpfung zu einem anderen Vertragsstaat erforderlich ist 7 3 . Das Recht eines anderen Vertragsstaates ist in der Bundesrepublik anzuwenden, wenn der gewöhnliche Aufenthalt in dem anderen Vertragsstaat besteht; anstelle dieses Rechts hat jedoch ein Gericht in der Bundesrepublik das eigene Recht anzuwenden, wenn das Kind und der auf Unterhalt in Anspruch Genommene die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, und überdies der in Anspruch Genommene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat 7 4 . Wenn bei Anwendbarkeit des Rechtes des gewöhnlichen Aufenthaltes in einem anderen Vertragsstaat jeder Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zu verneinen ist, so ist ferner das deutsche Recht anzuwenden, wenn sich der geltend gemachte Unterhaltsanspruch auf deutsches oder ausländisches Recht stützen läßt, und dieses Recht durch die vertraglich ungebundenen Normen des E G B G B berufen ist 7 5 . Ist deutsches Recht aus einem der eben erwähnten Gründe des Haager Abkommens selbst Unterhaltsstatut, und erhält das Kind Unterhalt nicht in seiner Eigenschaft als eheliches Kind, so ist die Teilfrage, ob es in seiner Eigenschaft als nichteheliches Kind eines deutschen oder ausländischen Vaters Unterhalt gemäß §§ 1615ff. B G B beanspruchen kann, also die Frage nach der nichtehelichen Abstammung und ihres Beweises, ebenfalls gemäß deutschem Recht zu beurteilen 76 . Die nichteheliche Vaterschaft ist also durch Vaterschaftsanerkennung mit Zustimmung des gemäß deutschem Recht bestellten gesetzlichen Vertreters des Kindes, oder durch gerichtliche Entscheidung auf Klage des Kindes oder des Mannes als festgestellt anzusehen, und das eine oder andere muß gegeben sein, ehe auf Leistung von Unterhalt verurteilt werden kann. O b das positive oder negative Ergebnis des nach deutschem Recht entschiedenen Vaterschaftsprozesses auch zugrunde gelegt werden muß, wenn die Teilfrage der väterlichen Abstammung in einem späteren Zeitpunkt bei der Anwendung ausländischen Unterhaltsrechts zwischen denselben Personen auftaucht, oder wenn die Frage nach der väterlichen Abstammung etwa im Zusammenhang mit einem Streit über das Sorgerecht gestellt wird, ist damit noch nicht gesagt; nach Ansicht des B G H 7 7 soll es unzulässig sein, den Tenor der unter Anwendung deutschen Rechts zustandegekommenen Entscheidung über die nichteheliche Vaterschaft mit dem Zusatz zu versehen, daß sie nur für bestimmte Wirkungen des deutschen Rechts gelte. Ist deutsches Recht alsbald nach der Geburt des Kindes auf seinen Unterhaltsanspruch in seiner Eigenschaft als nichteheliches Kind anwendbar, so richtet sich die Frage, ob das Kind später eventuell durch Legitimation in die Kategorie der ehelichen Kinder aufsteigt, nicht etwa ebenfalls einfach nach deutschem Recht. Vielmehr ist hierfür deutsches Recht nur anwendbar, wenn der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt 78 ; nach neuester Rechtsprechung des B G H 7 9 soll auch bei Wohnsitz der Familie in Deutschland und deutscher Staatsangehörigkeit von Kind und Mutter eine Legitimation durch nachfolgende Eheschließung gemäß deutschem Recht eintreten, wenn der Vater nicht Deutscher ist und sein Heimatrecht die Einrichtung der Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht kennt. Ist in anderen Fällen für die Legitimation das ausländische Heimatrecht des Vaters als das eigentliche Legitimationsstatut berufen, so sind neben den Erfordernissen dieses Rechts 8 0 bei deutscher Staatsangehörigkeit des Kindes diejenigen Vorschriften des deutschen Rechts 473
§16
Das Haager Abkommen
zu beachten, welche eine Einwilligung des Kindes oder eines Dritten erfordern, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht 81 . O b bei Anwendbarkeit deutschen Rechts auf die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem Kind dieses Unterhalt in seiner Eigenschaft als eheliches Kind zu beanspruchen hat, ist dann zu bejahen, wenn die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes in einer in der Sicht der deutschen Rechtsordnung vollgültigen oder scheingültigen Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet war, und nach deutschem Recht die Vermutung der Abstammung vom Ehemann nicht widerlegt ist. Eine vom B G H 8 2 begünstigte Meinung lehnt es ab, bei Anwendbarkeit deutschen Rechts als des ersten Unterhaltsstatuts, sowie bei späterer Anwendung deutschen Rechts auf den Unterhalt infolge nachträglichen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Vater und Kind, das Kind als eheliches Kind zu behandeln, wenn keine vom Standpunkt des deutschen Rechts her gültige oder scheingültige Ehe der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes vorlag 83 , und zwar auch, wenn nach dem Heimatrecht des Vaters entweder wegen Annahme des gültigen Bestehens der Ehe in diesem Staat das Kind als ein aus dieser hervorgegangenes eheliches Kind gilt, oder wenn es aus irgendeinem anderen Grunde im Heimatstaat der als Vater in Frage kommenden Person als meistbegünstigtes Kind, also wie ein aus einer Ehe hervorgegangenes Kind, von Geburt an behandelt wird. Ein Kind kann von diesem Standpunkt her Unterhalt gemäß deutschem Recht in seiner Eigenschaft als ein ehelich geborenes Kind nur erhalten, wenn einerseits eine in der deutschen Rechtsordnung gültige oder scheingültige Ehe der Eltern zur Zeit der Geburt bestand, und wenn andererseits nicht nach dem Heimatrecht des Vaters zur Zeit der Geburt die von diesem Recht herrührende Vermutung der Ehelichkeit entfällt. Die praktische Folge ist, daß beim Fehlen einer in Deutschland gültigen oder scheingültigen Ehe ein Kind, obwohl es im Heimatstaat des Vaters die Stellung eines meistbegünstigten Kindes genießt, Unterhalt in Deutschland nur als nichteheliches Kind erhalten kann 84 , und daß zu diesem Zweck — bei Maßgeblichkeit des deutschen Rechts als Unterhaltsstatut — die nichteheliche Vaterschaft unter Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes ohne Einschränkung 85 förmlich anerkannt oder gerichtlich festgestellt werden muß. Ist nicht deutsches Recht als Unterhaltsstatut berufen, sondern ist das Recht eines anderen Vertragsstaates des Haager Abkommens durch das deutsche Gericht anwendbar, weil sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in diesem anderen Vertragsstaat befindet, so ist sicher, wenn das ausländische Unterhaltsstatut einen Unterschied zwischen ehelichen und unehelichen, bzw. legitimen und illegitimen Kindern macht, das Recht des ausländischen Unterhaltsstatuts auf die Frage der illegitimen Abstammung anzuwenden, sofern das Kind weder vom Standpunkt des Staates, der das Unterhaltsstatut stellt, ein meistbegünstigtes Kind ist, noch bei Anwendbarkeit von deutschem Unterhaltsrecht als „ehelich" geborenes Kind zu behandeln wäre. Mit dem Zweck des Haager Abkommens, möglichst weitgehende Entscheidungsgleichheit in den Vertragsstaaten herzustellen, soweit für sämtliche Vertragsstaaten die Anwendung des Unterhaltsrechts eines Vertragsstaates geboten ist, wäre es unverträglich, wenn die Bundesrepublik als Vertragsstaat Teil- und Vorfragen der meistbegünstigten Abstammung, bzw. einer Ehe, bei Anwendung des Unterhaltsrechts eines anderen Vertragsstaates allein an Hand ihrer vertraglich ungebundenen Kollisionsnormen beantworten wollte. Nur wenn die Anwendung ausländischen Rechts einschließlich seiner internationalprivatrechtlichen Teil- und Vorfragenregelung zu einer Störung der materiellen Harmonie innerhalb der deutschen Rechtsordnung führen würde, ermöglicht die ordre public-Klausel eine Abweichung: Das aus einer in Deutschland formgültigen, aber im Staat des Unterhaltsstatuts wegen Nichtbeachtung einer dort anwendbaren Formvorschrift nicht vorhandenen Ehe hervorgegangene Kind, auf dessen Unterhalt das Recht eines anderen Vertragsstaates anwendbar ist, muß auch in Deutschland Unterhalt in 474
Teil- und Vorfragen unter dem Haager Abkommen
§16
seiner Eigenschaft als eheliches Kind erhalten können, ohne daß es notwendig ist, den im Staat des Unterhaltsstatuts notwendigen Beweis der illegitimen Abstammung mit den Mitteln zu führen, die dieses Unterhaltsstatut dafür vorsieht. Nichts aber nötigt dazu, dem Kind, das im Heimat- und Aufenthaltsstaat als eheliches Kind von Eltern gilt, deren Ehe in Deutschland nicht als bestehend betrachtet wird, den Unterhalt eines ehelichen Kindes unter dem berufenen ausländischen Unterhaltsstatut zu versagen. Ist in Deutschland bei Anwendung ausländischen Unterhaltsrechts unter dem Haager Abkommen eine nicht zur meistbegünstigten Behandlung führende Abstammung oder Abstammungsmöglichkeit mangels freiwilliger Anerkennung gerichtlich festzustellen, so kann dies inzidenter erfolgen; es ist nicht notwendig, ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren hier unter Anwendung ausländischen Rechts gesondert durchzuführen. Besteht jedoch eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Durchführung eines solchen abgesonderten Vaterschaftsfeststellungsverfahrens, so ist aber, auch wenn feststeht, daß auf den Unterhalt ausländisches Recht anzuwenden wäre, ein derartiges Verfahren unter Zugrundelegung deutschen Rechts durchführbar. Das positive Ergebnis dieses Verfahrens, in dem ja die Vaterschaft mit allen Mitteln des Beweises und Gegenbeweises geprüft wird, kann dann auch nach einem Staatsangehörigkeitswechsel des Mannes bei der Beurteilung der vom späteren ausländischen Unterhaltsstatut aufgeworfenen Teilfrage nach der nichtehelichen Abstammung zugrunde gelegt werden 86 . Hat das unter Anwendung deutschen Rechts durchgeführte Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht zur Feststellung der Vaterschaft geführt, so schließt dies nicht aus, daß nachträglich gemäß ausländischem Unterhaltsstatut zur Leistung von Unterhalt verurteilt wird, wenn das ausländische Recht eine bloße Wahrscheinlichkeit der Abstammung oder gar nur die Möglichkeit der Abstammung, ausreichen läßt 8 7 . Ist unter dem Haager Abkommen inländisches oder ausländisches Unterhaltsrecht auf Grund des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einem Vertragsstaat nicht als das erste Unterhaltsstatut für die Zeit der Unterhaltsbedürftigkeit unmittelbar nach der Geburt, sondern für einen späteren Lebenszeitraum des Kindes als ein nachträglich anwendbar gewordenes Unterhaltsstatut berufen, so ist es sicher nicht vertragswidrig, wenn deutsches Recht als Unterhaltsstatut so angewendet wird, als ob es das erste Unterhaltsstatut wäre, d. h. unter Beurteilung insbesondere der illegitimen Abstammung nach deutschem Recht. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes nicht in einem der Vertragsstaaten des Haager Abkommens, so enthält das Abkommen von 1956 keine Bindung der Signatarstaaten in bezug auf das anwendbare Recht. Daher wird in diesem Bereich in der Bundesrepublik das Kollisionsrecht des E G B G B wieder voll anwendbar 88 . Die Unterhaltspflicht der Eltern eines „ehelichen" Kindes wird hier in dem zu einer bilateralen Zuweisungsnorm erweiterten Art. 19 E G B G B dem gemeinsamen Heimatrecht von Vater und Kind unterstellt; bestand zeitweise ein solches gemeinsames Heimatrecht, so bleibt es maßgebend, wenn nur eine der beiden Parteien diese Staatsangehörigkeit verloren hat; in den restlichen Fällen verschiedener Staatsangehörigkeit von Vater und Kind ist das Heimatrecht des Vaters maßgebend. Sofern diese Verweisungen auf ausländisches Recht hingehen, sind sie, wie früher dargelegt, als Gesamtverweisung zu verstehen. Kommt unter dem Haager Abkommen oder unter dem E G B G B deutsches Recht für einen bestimmten Zeitraum als Unterhaltsstatut für ein eheliches Kind in Frage, so ist die Frage, ob eine „eheliche Abstammung" gegeben ist, nach h. M. gesondert anzuknüpfen. Eine solche eheliche Abstammung kann zunächst nach Ansicht des B G H , wie vorhin ausgeführt, nur dann in Frage kommen, wenn das Kind von einer verheirateten Frau geboren ist, und bei deutscher Staatsangehörigkeit des Vaters die Vermutung für die väterliche Abstammung nicht gemäß deutschem Recht widerlegt ist. Gilt nach dem ausländischen Heimatrecht des in Frage kommenden Vaters ein Kind ohne Ehe der Mutter aus 475
§16
Abstämmlings- und Legitimationsstatut unter dem E G B G B
einem anderen Grunde von Geburt an als eheliches Kind der Eltern, so soll dies, wenn man dem B G H folgt, nicht dazu führen, daß das Unterhaltsstatut vermittels Art. 19 E G B G B bestimmt wird. Vielmehr ist dann zu prüfen, ob das Kind Unterhalt gemäß dem für die Unterhaltsansprüche nichtehelicher Kinder maßgebenden Recht erhalten kann. Dieses hier maßgebliche Recht ist nun nach dem E G B G B , soweit es sich um die Unterhaltspflicht der Mutter handelt, das jeweilige Heimatrecht der Mutter 89 , soweit es sich um die Unterhaltspflicht des nichtehelichen Vaters handelt, unveränderbar das Heimatrecht der Mutter zur Zeit der Geburt, wobei dieses Recht jedoch bei deutscher Staatsangehörigkeit des Vaters nur kumuliert mit dem deutschen Recht zu Unterhaltsansprüchen führen kann 9 0 . Unabhängig von der inzidenten Feststellung der nach einem ausländischen Unterhaltsstatut zu beurteilenden Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch soll eine gesonderte Vaterschaftsfeststellung gemäß deutschem Recht zulässig sein, wenn der (angebliche) Vater zur Zeit der Geburt oder später deutscher Staatsangehöriger war oder ist 9 1 . Ob ein gesondertes Verfahren zur Vaterschaftsfeststellung gemäß einem ausländischen Recht, welches ein derartiges Verfahren kennt, durch ein deutsches Gericht durchzuführen wäre, wenn der Vater nie Deutscher war, und deutsches Recht nicht als Unterhaltsanspruch in Frage kommt, dürfte wohl zu bejahen sein. Die Resultate dieses widerspruchsvollen und letztlich sinnlosen Systems können in gewissem Umfang korrigiert werden dadurch, daß, entsprechend der herrschenden Meinung, die Verweisung auf das Heimatrecht der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes als eine Gesamtverweisung verstanden werden muß. Wollen die Bestimmungen des ausländischen Heimatrechts der Mutter zur Zeit der Geburt nicht selbst auf die Unterhaltspflicht des nichtehelichen Vaters angewendet werden, und verweist das Kollisionsrecht des Heimatstaates der Mutter zur Zeit der Geburt in bezug auf die Unterhaltspflicht des Vaters auf ein anderes Recht, so ist dieses vom deutschen Gericht zur Anwendung zu bringen. Das auf diesem Umwege in Deutschland anwendbar gemachte Recht kann dann auch das Heimatrecht des Vaters sein, und es kann sich dabei auch um diejenigen Bestimmungen im Heimatrecht des Vaters handeln, welche trotz des Fehlens einer Ehe zwischen den Eltern dem Kind den Unterhaltsanspruch eines meistbegünstigten Kindes verschaffen. Angesichts dessen, daß viele offenbar die Staatsangehörigkeit der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes gar nicht als sachgerechtes Anknüpfungsmoment für die Bestimmung des für eine etwaige Unterhaltspflicht von Vätern und möglichen Vätern maßgebenden Rechts empfinden, findet sich in der Literatur, und zum Teil auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte, die Meinung, die Unterhaltspflicht des nichtehelichen Vaters sei nicht immer allein vom Standpunkt des Heimatrechts der Mutter zur Zeit der Geburt aus zu prüfen, sondern sie sei alternativ nach dem Heimatrecht des Vaters zu beurteilen, wenn dieses Recht neben der Unterhaltspflicht an die nichteheliche Abstammung solche Rechtswirkungen anknüpft, die das nichteheliche Kind im Verhältnis zu den Eltern den ehelichen Kindern gleich oder annähernd gleichstellen. Im Zusammenhang damit soll dann auch die Frage, wie die nichteheliche Abstammung vom Vater zu erweisen ist, nach dem Heimatrecht des Vaters beurteilt werden. Das Chaos dieser teils im Gesetz, teils in der Rechtsprechung entwickelten Zuweisungsnormen wird noch verstärkt dadurch, daß, wie oben schon ausgeführt 92 , auf den Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes deutsches Recht, und zwar auch wieder bezüglich der Abstammung, anzuwenden ist, wenn einerseits Kind und Vater die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, und der unterhaltspflichtige Vater seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, wenn aber andererseits das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat des Haager Abkommens hat; in diesem Fall kommt es nicht mehr zur Anwendung des Unterhaltsrechts des Heimatstaates der Mutter, wenn diese eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Eine gewisse Bereinigung des gegenwärtigen Standes wäre zu erwarten, wenn die 476
Deliktsrecht und Monopolrechte
§17
Bundesrepublik dem neuen Haager Abkommen vom 2. 10. 1973 über die Unterhaltspflicht beitreten würde. Die in diesem Abkommen gebotenen Zuweisungsnormen müssen nämlich auch dann angewendet werden, wenn das Recht, das damit als anwendbar bezeichnet wird, nicht das Recht eines Vertragsstaates ist. Auf diese Weise wäre die Anwendung der vertraglich ungebundenen Zuweisungsnormen des E G B G B über die Unterhaltspflicht in vollem Umfang ausgeschlossen. Neben dem Haager Abkommen über Unterhaltspflichten gegenüber Kindern ist die Bundesrepublik auch gebunden an das Abkommen vom 15. 4. 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über Unterhaltspflichten gegenüber Personen im Kindesalter. Dieses Abkommen gilt nicht etwa nur für die Signatare des Vertrages vom 24. 10. 1956, sondern ist von der Teilnahme an dieser Konvention unabhängig. Indem es die Anerkennung und Vollstreckung nicht ausdrücklich davon abhängig macht, daß das Recht, welches durch die Gerichte des zur Anerkennung verpflichteten Staates hätte angewendet werden müssen, auch im Urteilsstaat angewendet worden ist, und indem es eine sachliche Nachprüfung der gemäß dem Abkommen anzuerkennenden ausländischen Unterhaltsentscheidungen generell als ausgeschlossen erklärt, muß damit gerechnet werden, daß bei Anwendung der Konvention von 1958 einerseits positive Entscheidungen über Unterhaltspflichten aus anderen Ländern anerkannt werden müssen, obwohl die dortigen Gerichte sie nach der Konvention von 1956 nicht hätten fällen dürfen, und daß umgekehrt klagabweisende Entscheidungen in einem anderen Staat Rechtskraftwirkung erhalten, obwohl nach der Konvention von 1956 bei Anrufung der dortigen Gerichte der Klage hätte stattgegeben werden müssen. Man kann aber zweifeln, ob das Abkommen von 1958 klagabweisende Urteile überhaupt erfassen wollte; manche Textteile des Abkommens sprechen dagegen. Eine Beschränkung der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen über Leistung von Unterhalt für die Zukunft auf diejenigen Fälle, in denen sich die im Zeitpunkt der Urteilsfällung vorhandenen Verknüpfungen nicht ändern, ist in dem Abkommen von 1958 nicht ausgesprochen. Immerhin läßt sich vertreten, daß die Anerkennung und eventuelle Vollstreckung eines Urteils, das auf Grund eines Rechtes ergangen ist, welches der um Anerkennung und Vollsteckung ersuchte Staat gemäß der Konvention von 1956 durch seine eigenen Gerichte nicht hätte anwenden dürfen, gegen den gemeinsamen internationalen ordre public der an dieses Abkommen gebundenen Staaten verstößt.
§ 17. Anwendungsbereich von Gesetzen, welche Monopolrechte begründen a) Abgrenzung der Normen über gesetzliche Verhaltenspflichten von den Normen, welche Monopolrechte zu einem Handeln begründen Zahlreiche Verhaltensnormen, welche gesetzliche Pflichten zu einem Unterlassen schaffen, deren Verletzung die privatrechtlichen Unrechtsfolgen einer „unerlaubten Handlung" nach sich ziehen soll, sind so gefaßt, daß diese Verhaltensnormen auch dann befolgt werden müssen, wenn sich die Nichtbefolgung in erster Linie zum eigenen Schaden des Normverletzers auswirken würde: Macht sich derjenige, der sich selbst vorsätzlich tötet, damit die Erbringung von Unterhaltsleistungen unmöglich, so kann aus der Annahme der Rechtswidrigkeit der Selbsttötung gefolgert werden, daß Schadensersatzansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Nachlaß bestehen, die zu Lasten insbesondere von Testamentserben zu befriedigen sind 1 . Eine der im positiven Recht meist anzutreffenden Ausnahmen von einer gesetzlichen Unterlassungspflicht kann aber auch so gefaßt sein, daß eine ganz bestimmte Person einer anderen eine „grundsätzlich" durch Gesetz verbotene Handlung erlauben kann, etwa Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit, die Privat477
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Deliktsrecht und Monopolrechte
Sphäre usw. Dieses „absolute Recht" besteht jedoch für alle kraft Gesetzes und bedarf keiner Begründung durch Einzelakt im konkreten Fall. In wichtigem Gegensatz hierzu stehen Rechtsnormen, aus welchen folgt, daß allen anderen eine bestimmte Handlung verboten ist, nachdem zugunsten einer einzelnen Person durch Staatsakt, Rechtsgeschäft oder einfache Rechtshandlung ein konkretes Monopol zu diesem Verhalten, welches natürlich ebenfalls ein subjektives absolutes Recht darstellt, begründet worden ist. Wird die durch Gesetz „grundsätzlich" verbotene Handlung, etwa eine „Maßnahme" gegen die durch Naturschutzgesetze geschützten Tiere, einigen Personen unter bestimmten Bedingungen durch einen vom öffentlichen Recht gedeckten Einzelstaatsakt 2 erlaubt, so erhalten sie damit noch kein privatrechtliches Monopolrecht. Erst wenn einer bestimmten Person (eventuell auch mehreren) ein „Jagdrecht" bezüglich bestimmter Tierarten durch ein Individualgesetz oder einen Einzelakt auf Grund einer abstrakten Norm verschafft worden ist, kann von einem gegenüber anderen Privatrechtssubjekten wirksamen Monopolrecht die Rede sein, insbesondere, wenn für die vom Jagdrecht erfaßten Tiere das allgemeine „Aneignungsrecht" bezüglich „herrenloser" Sachen durchbrochen, und zu dem Monopolrecht des Jagens das Monopolrecht zur Aneignung hinzukommt. Der Phantasie des staatlichen Gesetzgebers, konkrete Monopolrechte zu einem Verhalten durch Individualgesetz zu begründen, oder in abstrakten Rechtssätzen die Möglichkeit der Entstehung konkreter Monopolrechte durch Einzelbegründungsakte zu schaffen, sind keine Grenzen gesetzt; er kann einer einzelnen Person das Monopol zum Tragen einer bestimmten Kleidung oder zur Verwendung bestimmter Worte verschaffen usw. Immaterialgüterrechte, Eigentum an Sachen und exklusive Aneignungsrechte sind die wichtigsten Beispiele für die im positiven Recht vorkommenden Monopolrechte. Mit vielen Monopolrechten ist die Befugnis des Inhabers verbunden, anderen die zunächst beim Inhaber monopolisierte Handlung im Einzelfall zu erlauben, oder das Monopolrecht durch Rechtsgeschäft auf andere zu übertragen 3 , es gibt aber auch höchstpersönliche und unübertragbare Monopolrechte. Es ist eine Frage der Gesetzestechnik, ob die „Verletzung" eines solchen Monopolrechts durch Vornahme derjenigen Handlung, die alle anderen außer dem Rechtsinhaber zu unterlassen haben, durch eine gesetzestechnische Verweisung mit den privatrechtlichen Folgen einer „unerlaubten Handlung" ausgestattet wird, d. h. mit denselben Folgen, wie sie für die Verletzung eines Schutzgesetzes vorgesehen sind, oder ob alle oder einzelne Ansprüche aus schuldhafter oder verschuldensfreier „Verletzung" derartiger absoluter Rechte gesondert geregelt werden 4 . b) Die Bestimmung des auf die Begründung von Monopolrechten anwendbaren Rechts 1. Die territoriale Beschränktheit der Monopolrechte Es darf aber keinesfalls davon ausgegangen werden, daß die Rechtsfragen, die mit der Verletzung von Monopolrechten zusammenhängen, den verschiedenen nationalen Privatrechten in derselben Weise zugewiesen werden könnten, wie Rechtsfragen aus der Verletzung von Schutzgesetzen und sonstiger absoluter Rechte. Kann beispielsweise das Recht des Staates A, wo X eine Handlung begeht, welche eine Körperverletzung bei der auf dem Gebiete des Staates B befindlichen Person Y verursacht, alle Details der Frage nach dem Schadensersatzanspruch 5 regeln wollen, so ist es doch unmöglich, bei einer durch eine Handlung vom Gebiet des Staates A aus verursachten Beschädigung einer behauptetermaßen im Eigentum von Y stehenden Sache, die sich auf dem Gebiete des Staates B befindet, die Frage, ob wirklich die Sache im Eigentum von jemand stand, und ob X oder Y Eigentümer war, einfach nach dem Recht des Staates A zu beurteilen 6 . 478
Die territoriale Beschränktheit der Monopolrechte
§17
Für das Verständnis der besonderen internationalprivatrechtlichen Behandlung von Monopolrechten des Privatrechts und die völkerrechtlichen Grundlagen hierfür M I H I a l l e r dings die Immaterialgüterrechte aufschlußreicher, als das Monopolrecht des Eigentums an Sachen. Das durch Einzelakt zu erwerbende subjektive Immaterialgüterrecht bezieht sich meist auf solche menschlichen Handlungen, bei denen nach Völkerrecht der Staat, auf dessen Gebiet die Handlung vor sich geht, vorrangig zur Regelung solcher Handlungen durch Gebote oder Verbote berechtigt ist 7 : Die Nutzung einer Erfindung zur „künstlichen" Herstellung einer Ware, die im Lande A als Naturprodukt gewonnen wird, und an deren Export zahlreiche Bewohner des Landes A interessiert sein mögen, dürfte, soweit sie auf dem Gebiet des Staates A erfolgen soll, nach Völkerrecht sicher vom Staat A sowohl dem Erfinder, als auch allen anderen durch eine gesetzliche Bestimmung verboten werden. Der Staat A darf nach Völkerrecht selbstverständlich auch die Einfuhr des im Ausland hergestellten künstlichen Produkts in sein Gebiet verbieten und verhindern; der Staat A darf aber nicht etwa wegen der nachteiligen Wirkungen auf seine Volkswirtschaft Ausländern, die im Ausland wohnen, die Nutzung der Erfindung auf dem Gebiet anderer Staaten unter Strafe untersagen, jedenfalls solange sie nicht auch durch das dortige Recht verboten ist. Der Staat A darf dann umgekehrt auch die Benutzung einer Erfindung auf seinem Staatsgebiet durch Erteilung eines Patents gemäß seinem Patentrecht allen außer dem Patentinhaber verbieten; er darf aber nicht allein mit der Begründung, er habe als erster ein Patent erteilt, oder der Patentinhaber habe seinen Wohnsitz auf seinem Staatsgebiet, die Verwendung der Erfindung auf fremdem Staatsgebiet durch sein Recht allen außer dem Erfinder verbieten wollen. E r kann den Erfinder gegen die Nutzung seiner Erfindung durch Handlungen anderer auf fremdem Staatsgebiet erst dann wieder selbst schützen, wenn auch der andere Staat ein Patent gemäß seinem Recht erteilt hat 8 . Es wäre völkerrechtlich nicht unzulässig, wenn ein Staat A seinen eigenen Staatsangehörigen (oder seinen Bewohnern) mit Ausnahme der Person, welcher dieser Staat A ein Patent verliehen hat, verbieten würde, die von ihm patentierte Erfindung auch außerhalb des Staatsgebietes von A zu nutzen. Hingegen wäre es schon wieder völkerrechtlich bedenklich, wenn der Staat A unter Bezugnahme auf eine zu ihm bestehende Verknüpfung (Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz) demjenigen, dem in B von dem Inhaber des dort unter dem Patentrecht von B erteilten Monopolrechts die Erlaubnis zur Nutzung der Erfindung auf dem Gebiet von B gegeben worden ist, diese Nutzung, soweit sie auf dem Gebiet von B vor sich geht, verbieten wollte mit der Begründung, daß das Patentrecht für „diese" Erfindung vom Staat A einem anderen erteilt worden sei 8 a . Soll das auf Unterlassung einer bestimmten Handlung durch alle anderen als den Rechtsinhaber gerichtete Monopolrecht alle innerhalb eines bestimmten Raumes vor sich gehenden Akte der Verletzung des Monopolrechts durch irgendwelche Verbotsadressaten erfassen, so ist zum Erlaß der auf die Begründung eines solchen Rechts hingehenden N o r m nach Völkerrecht nur der Inhaber staatlicher Gebietshoheit „für" sein Gebiet befugt 9 . Es besteht dann durchweg auch kein praktisches Interesse daran, daß ein Staat Verbote der Nutzung von Erfindungen auf fremdem Staatsgebiet unter Beschränkung auf seine eigenen Staatsangehörigen oder Bewohner treffen würde. Andererseits darf der Staat, der die auf seinem eigenen Staatsgebiet vor sich gehende Verwendung einer Erfindung dem Inhaber des von ihm erteilten Patentrechts vorbehält, Unterlassungs- und Schadensersatzurteile unter Anwendung seines Rechts nicht nur zu Lasten solcher Personen aussprechen lassen, die bei persönlicher Anwesenheit auf dem Gebiet dieses Staates das Patentrecht verletzen oder verletzt haben, sondern er darf auch die im Ausland befindlichen „Anstifter" solcher Patentverletzungen, die im Ausland den Auftrag zur Patentverletzung im Inland gegeben haben, durch seine Gerichte gemäß seinem Recht zu Schadensersatz verurteilen lassen 1 0 .
479
§17
Mehrheit paralleler Monopolrechte
Für Immaterialgüterrechte ergibt sich also aus der Natur der Sache die Notwendigkeit, die gesetzlichen Anweisungen über die gerichtliche Anwendung der eigenen diesbezüglichen Sachnormen des Forumstaates so abzufassen, daß kein anderer als der Inhaber des Monopolrechts innerhalb eines bestimmten Raumes, der keinesfalls mehr umfaßt als das Staatsgebiet des Staates, gemäß dessen Recht das Immaterialgüterrecht begründet wird 11 , die dem Inhaber des Rechtes vorbehaltene Handlung ohne dessen Einwilligung begehen darf. Der „Wirkungsbereich" eines solchen gemäß einer nationalen Gesetzgebung erworbenen Monopolrechts ist also stets auf das Staatsgebiet des Staates (eventuell eines Teiles dieses Gebietes) beschränkt, gemäß dessen Recht es begründet wurde 12 . Zugleich ergibt sich daraus, daß mehrere Staaten mehrere inhaltlich mehr oder weniger übereinstimmende Monopolrechte, jedes jedoch in seinem Wirkungsbereich beschränkt auf das Staatsgebiet eines einzelnen Staates, begründen können 13 . Diese analogen Immaterialgüterrechte können dann demselben Rechtsinhaber zustehen; sie können aber unter Umständen von Anfang an verschiedenen Rechtssubjekten zustehen, so wenn ein bestimmtes Warenzeichen gleichzeitig in verschiedenen Ländern zur Eintragung von verschiedenen Antragstellern angemeldet worden ist. Allerdings versucht das positive Recht oft durch „Prioritäts"regelungen zu verhindern, daß analoge Immaterialgüterrechte von Anfang an schon verschiedenen Inhabern zustehen: Auch wenn das Werk nicht im Inland erstmalig veröffentlicht worden ist, so erwirbt dort der ausländische Urheber auch das „inländische" Urheberrecht, sofern das Werk in seinem Heimatstaat urheberrechtlich geschützt ist, wenn auch vielleicht unter der weiteren Bedingung, daß der Heimatstaat des Urhebers Staatsangehörigen des Forumstaates Urheberrechtsschutz gemäß seinem Recht gewährt, sobald sie im Forumstaat ein Urheberrecht nach den dortigen Bestimmungen erworben haben. Gewährt ein Staat ein Monopolrecht für das Inland nur unter der Bedingung, daß der Erwerber schon in einem durch eine bestimmte Verknüpfung 14 gekennzeichneten anderen Staat ein analoges Monopolrecht erworben hat, so kann die Abhängigkeit des inländischen Monopolrechts von dem als „Hauptrecht" anerkannten analogen ausländischen Monopolrecht auch z. B. insofern fortwirken, als das sekundäre inländische Monopolrecht erlischt, wenn das Hauptrecht erlischt 15 , oder als das sekundäre inländische Recht nicht ohne den Übergang des Hauptrechts durch Rechtsgeschäft auf andere übertragen werden kann. Soweit derartige besondere Bindungen an ein ausländisches Immaterialgüterrecht nicht vorgesehen sind 16 , führt aber jedes in seinem Wirkungsbereich auf ein bestimmtes Staatsgebiet beschränkte Recht dieser Art ein Eigenleben, d. h. es kann sich insbesondere in bezug auf Details seines Inhalts, seiner zeitlichen Dauer, seiner Ubertragbarkeit und seiner Übertragung von den anderen entsprechenden Rechten „im Ausland", sofern es solche überhaupt gibt, unterscheiden. Wenn aus einem Immaterialgüterrecht nicht nur ein Monopol zu bestimmten Handlungen gefolgert wird, sondern wenn damit Leistungsansprüche gegenüber Dritten, die nicht Verletzer des Monopolrechts sind, verbunden sind — wie z. B. bei dem Folgerecht des Urhebers eines künstlerischen Werkes —, so ist zur Anwendung einer solchen Bestimmung durch die Gerichte des Staates, der sie erlassen hat, wohl nicht nur das Bestehen des Monopolrechts für das Gebiet dieses Staates, sondern auch eine Verknüpfung des Leistungspflichtigen oder des zur Leistung Anlaß gebenden Vorgangs mit diesem Staat erforderlich: Die Zusprechung einer Geldleistung aus dem Folgerecht des bildenden Künstlers erfordert also wohl nicht nur, daß das Urheberrecht „im" Forumstaat besteht, sondern auch, daß sich das Kunstwerk beim Verkauf in diesem Staat befunden hat, oder daß, wenn dies nicht der Fall ist, der Veräußerer dort seinen Wohnsitz hat. Die Anwendung ausländischer Vorschriften des oben erwähnten Inhalts kommt wohl nur in Frage, wenn sich in einem völkerrechtlichen Vertrag alle Vertragsstaaten verpflichten, die von irgendeinem der 480
Schutz „ausländischer" Monopolrechte
§17
Staaten, die für ihr Gebiet ein Immaterialgüterrecht begründet haben, vorgesehene Leistungspflicht bei sich durchsetzen. Im übrigen aber ist die Vornahme einer „für das Inland" monopolisierten Handlung im Inland, bzw. die Verursachung des für das Inland monopolisierten Erfolges im Inland, der Anlaß dafür, daß der Urheberstaat der Gesetze über das Monopolrecht sein Recht auf Unterlassungsansprüche und Schadensersatzansprüche zur Anwendung bringen läßt. 2. Schutz von Monopolrechten des Wirkungsbereiches
durch andere Staaten als den Staat
Die Möglichkeit, daß eine Mehrheit territorial (nämlich in ihrem Wirkungsbereich) beschränkter analoger Immaterialgüterrechte für verschiedene Staatsgebiete begründet wird, schließt nicht aus, daß ein Staat durch seine Gerichte auch das gemäß einem ausländischen Recht erworbene, und nur das Verhalten auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates monopolisierende Immaterialgüterrecht schützt, indem er durch seine Gerichte gegen eine seiner Jurisdiktion durch Wohnsitz oder eine andere Verknüpfung unterworfene Person konkrete Verbote der Unterlassung der Verletzung des ausländischen Immaterialgüterrechts auf ausländischem Staatsgebiet aussprechen läßt, oder indem er aus dem auf seinem Gebiet befindlichen Vermögen des Rechtsverletzers Schadensersatzansprüche des Inhabers des Monopolrechts befriedigt. Ist z. B. für dieselbe Erfindung im Staat A und im Staat B je ein Patentrecht erteilt worden, so kann im Staat A nicht nur wegen einer auf diesem Staatsgebiet erfolgten Verletzung des Patentrechts unter dem Recht von A, sondern auch wegen einer auf dem Staatsgebiet von B erfolgten Verletzung des dortigen Patentrechts geklagt und zu Schadensersatz verurteilt werden 17 . Insofern besteht „in der Rechtsordnung" von A in Gestalt des „zusätzlichen" Schutzes des „fremden" Patentrechts ein paralleles subjektives Recht 1 8 zu dem in der Rechtsordnung von B geschützten Patentrecht, welches wohl zu unterscheiden ist von dem für dieselbe Erfindung eventuell erteilten analogen Patentrecht „für das Staatsgebiet" von A. Kein Staat wird allerdings einem Monopolanspruch zu einem bestimmten Verhalten bzw. zur Verursachung bestimmter Vorgänge auf fremdem Staatsgebiet Rechtsschutz gewähren, insoweit der Staat des Wirkungsbereiches nicht selbst zur Schutzgewährung bereit ist: Ein Staat F wird den auf seinem Gebiet ansässigen Verleger, der ein literarisches Werk auf fremdem Staatsgebiet ohne Einwilligung des Autors herstellen und verbreiten läßt, nicht zu Unterlassung oder Schadensersatz verurteilen lassen, wenn in dem Herstellungs- und Verbreitungsstaat das Urheberrecht bereits durch Zeitablauf erloschen ist. Der Forumstaat kann überdies bestimmen, daß ein „ausländisches" Immaterialgüterrecht nicht in inhaltlich größerem Umfang geschützt werden soll als das analoge „inländische" Recht 1 9 . Beim Sacheigentum als dem Monopolrecht zur Einwirkung auf eine körperliche Sache (einschl. des „Besitzes" der Sache) folgt aus der „Natur der Sache", daß praktisch nur der Staat, in dessen Gebiet eine körperliche Sache belegen ist, primär Veranlassung hat, von Menschen vorgenommene Einwirkungen auf die Sache durch sein Recht allen anderen als dem, den dieser Staat zum Eigentümer erklärt hat, zu verbieten. Der Lagestaat darf aber nach Völkerrecht nicht nur Einwirkungen auf die Sache durch Handlungen auf seinem Gebiet, sondern auch durch solche Handlungen eines Nichteigentümers verbieten, die von einem anderen Staatsgebiet aus vorgenommen werden 20 . Bevor eine Sache vom Staatsgebiet des einen Staates auf das Gebiet des anderen kommt, hat dieser keine Veranlassung, für die im Ausland befindlichen Sachen gemäß seinem Recht analoge Monopolrechte zu begründen, so wie es analoge Immaterialgüterrechte gibt. Genauso wie ein Staat A unabhängig davon, ob er für eine Erfindung ein Patent mit dem Wirkungsbereich seines Staatsgebietes begründet hat oder nicht, den Verletzer des von einem anderen Staat B für dessen 481
§17
Das Erfordernis von Inlandsverknüpfungen
Gebiet begründeten Patentrechts unter Anwendung des Rechtes von B zu Schadensersatz verurteilen lassen kann, kann der Staat A jedoch auch bei Verletzung des gemäß dem Recht B begründeten Eigentums an einer im Staat B belegenen körperlichen Sache Schadensersatzansprüche gegen den Verletzer durch seine Gerichte zusprechen 21 , und damit dem gemäß dem Recht des Lagestaates zustandegekommenen, und dem sicher in erster Linie durch den Lagestaat geschützten Eigentum, durch die Gerichte von A einen „zusätzlichen" Schutz gewähren 22 . Der vom Schutz eines etwaigen eigenen analogen Monopolrechts im Forumstaat zu unterscheidende zusätzliche Rechtsschutz, der dem Inhaber des von einem ausländischen Recht „für" das Gebiet des fremden Staates begründeten Monopolrechts unter Anwendung ausländischen Rechts im Forumstaat gewährt werden kann, entfällt unter Umständen deshalb, weil der Forumstaat aus Gründen seines ordre public die Anwendung derjenigen Bestimmungen des fremden Staates ablehnt, die sich auf den Übergang des Monopolrechts von dem bisherigen Inhaber auf einen neuen Inhaber beziehen. Der Staat A bestreitet dann zwar nicht, daß für das Staatsgebiet von B gemäß dem Recht von B ein Monopolrecht besteht, aber er weigert sich, das Recht von B insoweit zur Anwendung bringen zu lassen, als danach eine Person Y, und nicht X , Inhaber des Monopolrechts ist. Eine solche Weigerung ist auch nicht etwa völkerrechtswidrig. Entsprechendes gilt auch für das Eigentum von Sachen 23 . 3. Inlandsverknüpfungen als Voraussetzung für die Entstehung rechten mit territorial beschränktem Wirkungsbereich
von
Immaterialgüter-
Konkrete Monopolrechte werden entweder durch Staatsakt im Einzelfall begründet, oder sie entstehen gemäß einer abstrakten gesetzlichen Bestimmung durch den Eintritt konkreter Ereignisse, oder durch konkrete rechtsgeschäftsartige Handlungen von Menschen: Eigentum an den durch ein Naturereignis mit einem Grundstück verbundenen Sachen wird „durch" dieses Naturereignis begründet 24 ; Urheberrechte entstehen mit der Schaffung des Kunstwerkes durch den Urheber usw. Zur Entstehung eines konkreten Immaterialgüterrechts mit einem auf das Staatsgebiet eines bestimmten Staates beschränkten Wirkungsbereich kann es dann genügen, daß irgendjemand irgendwo das zum Erwerb des konkreten Rechts durch ihn erforderliche Ereignis usw. verwirklicht hat: Der Gesetzgeber eines Staates könnte, wenn er wollte, jedem Urheber eines literarischen, musikalischen oder künstlerischen Werkes, wo das Werk auch geschaffen worden ist, und ohne daß eine persönliche Verknüpfung des Urhebers zum Inland erforderlich wäre, durch sein Gesetz das Monopolrecht zur Vervielfältigung, Aufführung usw. im Inland zusprechen. Ein Staat kann ein Monopolrecht zur Verwertung einer Erfindung auf seinem Staatsgebiet ohne Rücksicht auf etwaige persönliche Verknüpfungen des Erfinders (oder Verknüpfungen der Erfindung selbst) zum Inland jedem Erfinder dann gewähren, wenn dieser nur das Patent bei der inländischen Behörde beantragt 25 . Ein Staat kann an einem herrenlosen Grundstück auf seinem Staatsgebiet durch einen Verleihungsakt seiner eigenen zuständigen Behörden Eigentumsrechte auch zugunsten solcher Personen begründen, die Ausländer sind, ihren Wohnsitz im Ausland haben und sich bei der Begründung des Rechts im Ausland aufhalten. Spezialrecht über die Begründung eines „für" das Staatsgebiet eines Staates wirksamen Monopolrechts kann darin bestehen, daß einer zur Entstehung des konkreten Monopolrechts notwendigen Anmeldung bei einer Behörde dieses Staates Anmeldungen bei einer internationalen Behörde, oder Anmeldungen in einem anderen Staat, gleichgestellt und damit international wirksame „Prioritäten" anerkannt werden. Es ist sodann auch möglich, daß ein Staat, wie es häufig durch Verträge vorgeschrieben wird, bestimmt, daß mit der Entstehung eines Immaterialgüterrechts in einem bestimmten 482
Gegenseitigkeit beim Schutz ausländischer Monopolrechte
§17
anderen Land, insbesondere wenn es dort etwa durch Eintragung in ein Register öffentlich bekanntgegeben wird, automatisch ein analoges Immaterialgüterrecht für das eigene Staatsgebiet dieses Staates gemäß seinem Recht zur Entstehung kommt, dessen Eintragung in das nationale Register dieses Landes zu erfolgen hat. Die Verschaffung eines Monopolrechts für das eigene Staatsgebiet wird indes oft davon abhängig gemacht, daß jedenfalls bei der erstmaligen Entstehung des Monopolrechts noch eine weitere Inlandsverknüpfung als der Umstand, daß das Monopolrecht für das Staatsgebiet dieses Staates gelten soll, vorhanden ist. Besonders bei Immaterialgüterrechten wird oft gefordert, daß die als Inhaber des Rechtes in Frage kommende Person bei dessen Entstehung bestimmte persönliche Verknüpfungen mit dem Staat, für dessen Gebiet das Recht begründet werden soll, aufweist: Ein Urheberrecht für das Inland wird etwa nur an eigene Staatsangehörige gegeben, und dann ohne Rücksicht darauf, ob das Werk im Inland oder Ausland geschaffen, und ohne Rücksicht darauf, ob es erstmalig im Inland veröffentlicht worden ist. Zugleich wird vorgesehen, daß ein Urheberrecht für das Inland auch zugunsten ausländischer Staatsangehöriger entsteht, aber nur, wenn das Werk erstmalig im Inland veröffentlicht worden ist. Ist es nach dem Recht eines Landes möglich, daß nur natürliche Personen durch Inbesitznahme herrenloser Sachen auf dem Staatsgebiet dieses Landes daran Eigentum erwerben, so kann dieser Eigentumserwerb auf eigene Staatsangehörige beschränkt werden, oder es kann Ausländern solche Aneignung nur mit Einzelgenehmigung einer Behörde erlaubt sein. Hiervon zu unterscheiden ist eine andere Art der (spezialrechtlichen) Einschränkung der Begründung von Monopolrechten beim Bestehen von Auslands Verknüpfungen: Der Staat A läßt ein Immaterialgüterrecht für sein Staatsgebiet gemäß seinem Recht bei ausländischer Staatsangehörigkeit der als Inhaber in Frage kommenden Person nur dann entstehen, wenn spätestens im gleichen Zeitpunkt zugunsten dieser Person ein analoges Immaterialgüterrecht für das Staatsgebiet des Heimatstaates gemäß dem Recht des Heimatstaates entstanden ist: Ein Kaufmann mit Geschäftssitz im Staat B erhält etwa im Staat A nur dann das Monopol zur Verwendung eines bestimmten Warenzeichens auf dem Gebiet des Staates A, wenn er nachweisen kann, daß er für sein Geschäftsunternehmen schon das entsprechende Warenzeichenrecht für das Gebiet von B gemäß dem Recht von B besitzt. Mit der Frage, ob eine und welche Inlandsverknüpfung erforderlich ist, damit ein Monopolrecht für das Inland entsteht, nicht zu verwechseln ist die Frage, welche Handlungen dem Inhaber des Monopolrechts mit der Wirkung vorbehalten sind, daß sie im Wirkungsland nur von ihm selbst, bzw. von anderen nur mit seiner Genehmigung, vorgenommen werden dürfen: Das Warenzeichenrecht kann sich auf die Anbringung des Warenzeichens an dem hergestellten Produkt, es kann sich auch auf das erstmalige Inverkehrbringen des mit dem Warenzeichen gekennzeichneten Gegenstandes beziehen, es kann aber auch so sein, daß jeder Handel mit der durch das Warenzeichen gekennzeichneten Ware im Geltungsgebiet des Monopolrechts nur mit Zustimmung des Warenzeicheninhabers zulässig ist. 4. Das Gegenseitigkeitserfordernis
beim Schutz ausländischer
Monopolrechte
Bei den notwendig territorial beschränkten Monopolrechten liegt es besonders nahe, den zusätzlichen Schutz des von einem ausländischen Recht für das Gebiet des fremden Staates begründeten Monopolrechts im Forumstaat davon abhängig zu machen, daß der das Recht begründende Staat entsprechenden, nämlich den für das Gebiet des Forumstaates gemäß dessen Recht begründeten Monopolrechten seinerseits zusätzlichen Rechtsschutz zu gewähren bereit ist. Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung eines ausländischen Monopolrechts werden dann also den Rechtsinhabern, vor allem den Angehörigen des das Recht begründenden fremden Staates, nur dann zugesprochen, wenn 483
Hinkende Monopolrechte
§17
dieser Staat generell entsprechende Maßnahmen zum zusätzlichen Schutz von Monopolrechten des Forumstaates, die den Staatsangehörigen dieses Staates zustehen, zu treffen bereit ist. Einen anderen Aspekt hat die Gegenseitigkeit beim Schutz von Monopolrechten an Sachen, die im Ausland belegen sind, wo Einwirkungen auf die Sache durch einen anderen als den Inhaber des Monopolrechts vom Inland ausgehen, und wo dann im Inland Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche gestellt werden. Hier kann zunächst ebenfalls gefordert werden, daß auch im Lagestaat der Sache Schadensersatzansprüche wegen verbotener Verletzung des vom Recht des Forumstaates begründeten Eigentums an einer im Forumstaat belegenen Sache durch eine im Lagestaat begangene Handlung Rechtsschutz gewährt würden, indem entweder das Gericht am Wohnsitz des Verletzers als zuständig erklärt, über Schadensersatzansprüche gemäß dem Recht des Lageortes der Sache zu entscheiden, oder indem ein Urteil aus dem Land des Lagestaates anerkannt und vollstreckt würde. Davon zu unterscheiden ist die materiellrechtliche Gegenseitigkeit, wie sie im Sachenrecht vor allem für die nachbarrechtlichen Verpflichtungen besteht: Das Nachbarrecht enthält vielfach Bestimmungen des Inhalts, daß der Eigentümer eines Grundstücks dafür zu sorgen hat, daß von dem Grundstück (bzw. den auf das Grundstück zugelassenen Personen) keine störenden Einwirkungen (Immissionen im weiteren Sinne) auf fremde Grundstücke ausgehen. Handelt es sich nun um grenzüberschreitende Immissionen, so ist in dem Staat, in dem das angeblich „ursächliche" Grundstück belegen ist, die kumulative Anwendung der beiden Sachenrechte erforderlich, um die (hypothetische oder aktuelle) Gegenseitigkeit der Unterlassungspflichten der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu gewährleisten 2 6 . Gegenseitigkeit bei der Gewährung von Monopolrechten als Retorsion kann auch bedeuten, daß Ausländer „für" das Gebiet eines Staates Monopolrechte nicht erwerben können, insoweit ihr Heimatstaat in fremdenrechtlichen Bestimmungen andere als die eigenen Staatsangehörigen am Erwerb solcher Monopolrechte auf seinem Gebiet behindert 2 7 . Das Erfordernis der Gegenseitigkeit kann schließlich dahin verstanden werden, daß Ausländern der Erwerb von Monopolrechten im Inland nicht gestattet wird, wenn der fremde Heimatstaat für sein Gebiet entsprechende Monopolrechte überhaupt nicht hat. 5. Hinkende
Monopolrechte
Von hinkenden Monopolrechten kann in verschiedener Hinsicht gesprochen werden. Damit kann zunächst der nicht seltene Fall gemeint sein, daß zu einem konkreten Immaterialgüterrecht, wie es ein bestimmter Staat für sein Staatsgebiet gemäß seinem Recht vorsieht, nicht in allen anderen Staaten für deren Staatsgebiete analoge Immaterialgüterrechte gemäß deren Recht bestehen. Das kann darauf beruhen, daß ein anderer Staat überhaupt kein Immaterialgüterrecht dieser Art kennt; es kann aber auch darauf beruhen, daß Inhaber des Immaterialgüterrechts im Staat A ein Staatsangehöriger von A ist, und daß der Staat B ihm ein analoges Immaterialgüterrecht deshalb verweigert, weil der Staat A keine Gegenseitigkeit gewährt. Auch eine andere Art des „Hinkens" von Monopolrechten ist die Folge dessen, daß das von einem Staat aufgestellte Gegenseitigkeitserfordernis nicht erfüllt ist. Das „Hinken" besteht hier darin, daß der eine Staat als Forumstaat zwar bereit ist, das anwendungswillige Recht eines anderen Staates auf die Frage zur Anwendung zu bringen, ob für das Staatsgebiet dieses anderen Staates ein Monopolrecht entstanden ist, ob es weiterbesteht, und wem es zusteht, daß aber der Forumstaat sich weigert, diesem subjektiven Recht durch Unterlassungs- oder Schadensersatzurteile (eventuell auch Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen des anderen Staates) zusätzlichen Rechtsschutz zugunsten eines ausländischen Klägers zu verschaffen, solange nicht der Staat, nach dessen Recht das Monopolrecht für 484
Hinkende Monopolrechte
§17
das fremde Staatsgebiet zustande gekommen ist, den nach dem Recht des Forumstaates begründeten Monopolrechten zusätzlichen Rechtsschutz zu verschaffen bereit ist: Ist der Staat A der Auffassung, daß das Recht zur Auswertung einer Erfindung im Staat A auf Grund eines dort erteilten Patents dem X , das entsprechende Patentrecht für das Gebiet des Staates B dem Y zusteht, und ist A bereit, auf Klage des Y wegen einer in B begangenen Patentverletzung durch Z Schadensersatz zu verschaffen, so ist es verständlich, wenn der. Staat A diesen zusätzlichen Rechtsschutz einem Staatsangehörigen von B nur unter der Bedingung gewährt, daß gegen eine Patentverletzung des vom Staat A für das Gebiet des Staates A erteilten Patentrechts einem Staatsangehörigen von A in B ebenfalls Rechtsschutz verschafft wird. Selbst wenn aber in den Staaten A und B konkrete analoge Immaterialgüterrechte jeweils für das betreffende Staatsgebiet bestehen, ist möglicherweise der Inhaber des Monopolrechts für das Staatsgebiet von A gemäß dem Recht von A ein anderer als der Inhaber des analogen Monopolrechts für das Staatsgebiet von B. Wie schon angedeutet, strebt das positive Recht danach, derartiges zu vermeiden, indem etwa die Anmeldung einer Erfindung zum Patent bei einem nationalen Patentamt zur Folge hat, daß die in anderen Staaten durch eine andere Person später bewirkte Anmeldung auch in bezug auf den Erwerb eines Patentrechts für die Gebiete dieser anderen Staaten wirkungslos ist. Unterschiedliche Inhaberschaft in bezug auf Immaterialgüterrechte wird auch dann vermieden, wenn ein Immaterialgüterrecht nur dem Inhaber desjenigen Immaterialgüterrechts zustehen kann, welches, weil es am Wohnsitz des Inhabers begründet worden ist, von anderen Staaten als „Hauptrecht" anerkannt wird. Damit, daß mehrere analoge Immaterialgüterrechte nach der übereinstimmenden Ansicht aller beteiligten Staaten vorhanden sind, aber nach ebenfalls übereinstimmender Ansicht nicht demselben Inhaber zustehen, nicht zu verwechseln ist es, daß ein Monopolrecht vom Standpunkt des Wirkungslandes bestehen und ein bestimmtes Rechtssubjekt als dessen Inhaber gelten kann, und daß andererseits zwar das Bestehen dieses Monopolrechts im Wirkungsland vom Standpunkt eines anderen Staates her — wo ein analoges Monopolrecht bestehen mag oder nicht — zu bejahen ist, jedoch anstelle des vom Wirkungsland anerkannten Inhabers ein anderer als der Inhaber gilt. So wird in einem Forumstaat F, der eine Enteignung 273 eines Monopolrechts für das Staatsgebiet von A durch den Staat A wegen Völkerrechtswidrigkeit nicht „anerkennt", möglicherweise dem bisherigen Rechtsinhaber X weiterhin Schutz „für" sein ausländisches Monopolrecht gewährt werden, wenn ein Bewohner von F „das" Recht in A verletzt hat, nicht aber dem durch Enteignung zum Inhaber des Rechtes gewordenen Y. Daß das analoge Monopolrecht für das eigene Staatsgebiet des Forumstaates F bei X verblieben ist, ist selbstverständlich. Wird eine gemäß ausländischem Recht erfolgte Enteignung eines ausländischen Patents im Forumstaat nicht anerkannt, so kann auch selbstverständlich demjenigen, der das Patentrecht durch Enteignung erworben hat, gegen den alten Inhaber des Patentrechts, weil dieser das ihm enteignete Patentrecht im Ausland weiter benutzt hat, im Forumstaat kein Schadensersatz zugesprochen werden. Hinkende Inhaberschaften an einem Immaterialgüterrecht im Wirkungsland und in einem anderen Forumstaat könnten sich auch z. B. daraus ergeben, daß der Forumstaat auf Rechtsgeschäfte zur Übertragung des Rechtes — etwa bezüglich der Form und der Geschäftsfähigkeit — andere Vorschriften als anwendbar erklärt, als sie im Wirkungsland des Immaterialgüterrechts maßgebend sind 28 . c) Teilfragen 1. Fähigkeit und Unfähigkeit
zur Innehabung
von
Monopolrechten
Monopolrechte können meist durch Rechtsgeschäft oder Erbfolge von einem Inhaber 485
§17
Fähigkeit zur Innehabung von Monopolrechten
auf einen anderen übergehen; eine zwangsweise Übertragung in der Zwangsvollstreckung kann insbesondere dann erfolgen, wenn durch Rechtsgeschäft ein Monopolrecht gesondert oder als Bestandteil des persönlichen Vermögens eines Schuldners für Geldschulden, Schadensersatzansprüche usw. haftbar gemacht worden ist. Die Frage nach der persönlichen Fähigkeit der an solchen Geschäften Beteiligten zur Vornahme des Geschäfts, und die Frage nach der Form dieser Geschäfte wird in anderem Zusammenhang erörtert 2 9 . Hier zu behandeln bleibt die Teilfrage nach der persönlichen Fähigkeit und der Form bei anderen auf Monopolrechte bezüglichen Willensakten, also insbesondere bei solchen, die sich auf das Entstehen und Erlöschen solcher Monopolrechte beziehen; zugleich kann die Frage gestellt werden, wer überhaupt Inhaber von Monopolrechten werden kann. Hier ist es sicher das Recht des Wirkungslandes, welches etwa bestimmen kann, daß nur natürliche Personen als Inhaber bestimmter Arten von Monopolrechten in Frage kommen 3 0 . Das Recht des Wirkungslandes könnte umgekehrt auch bestimmen, daß gewisse Monopolrechte nur von bestimmten Arten juristischer Personen innegehabt werden können. Dementsprechend ist es Sache des Wirkungslandes des Monopolrechts, in Gestalt gesonderter Zuweisungsnormen für die Teilfrage Bestimmungen darüber zu treffen, nach welchem Recht das Entstehen und Bestehen einer juristischen Person, die als Inhaber eines Monopolrechts in Frage kommt, zu beurteilen ist. Daraus kann sich ergeben, daß ein Monopolrecht für einen Staat A einer gemäß dem Recht B zur Entstehung gelangten juristischen Person zusteht, während das analoge Monopolrecht für den Staat C dieser juristischen Person des Rechtes B deshalb nicht zustehen kann, weil das Kollisionsrecht von B den Vorgang der Entstehung der juristischen Person nach einem anderen Recht beurteilen lassen will, und danach entweder eine juristische Person des Rechtes D, oder überhaupt keine juristische Person entstanden ist. In entsprechender Weise kann auch eine bewegliche Sache nach dem Recht des ersten Lagestaates als Eigentum einer in heterogen verknüpften Zusammenhängen entstandenen juristischen Person gelten, die ein späterer Lagestaat der Sache nicht als juristische Person anerkennt. Als weitere Komplikation kann hinzukommen, daß die Organe der juristischen Person, welche vom ersten Lagestaat als Inhaber des Eigentumsrechts zugelassen wird, möglicherweise die Befugnis haben, diejenigen Menschen zu bezeichnen, die entweder „für" die juristische Person, oder auf Grund einer namens der juristischen Person erteilten Erlaubnis Einwirkungen auf die Sache vornehmen dürfen, während es diesen Organen nicht möglich ist, das Eigentumsrecht an der Sache für rechtsgeschäftliche Verpflichtungen der juristischen Person haftbar zu machen; ein späterer Lagestaat mag als Inhaber des Eigentumsrechts nur eine Rechtsperson zulassen, deren Organe auch über das Eigentum verfügen und es für Verpflichtungsgeschäfte der juristischen Person haftbar machen können. Schließlich kommt es vor, daß der eine Staat ein Monopolrecht zugunsten einer juristischen Person begründet, deren Existenz in einem anderen Staat, welcher dem Monopolrecht zusätzlichen Rechtsschutz gewähren will, nicht bestritten wird, daß aber die juristische Person mangels Zulassung in diesem anderen Staat nicht im Rechtsverkehr auftreten kann. Auf diese Weise kann sich die Frage stellen, ob eine juristische Person, die im Wirkungsland als Inhaber eines Monopolrechts gilt, im Ausland auf Unterlassung oder Schadensersatz wegen einer Verletzung dieses Monopolrechts klagen kann, wenn sie schon in dem anderen Staat analoge Monopolrechte nicht innehaben könnte. Ein solches Auftreten der als Inhaber eines Monopolrechts im Wirkungsland anerkannten juristischen Person außerhalb des Wirkungslandes sollte wohl, wenn nicht die ordre public-Klausel des Forumstaates eingreift, zugelassen werden: Kommt eine bewegliche Sache einer nur im bisherigen Lagestaat anerkannten juristischen Person abhanden, und wird sie in einen anderen Staat verbracht, der die Rechtspersönlichkeit dieses Eigentümers nicht anerkennen würde, wenn die juristische Person dort Eigentum originär oder durch Rechtsgeschäft 486
Juristische Personen als Inhaber von Monopolrechten
§17
erwerben wollte, so wäre es doch unbillig, die Sache in dem neuen Lagestaat einfach als herrenlos zu betrachten, ohne dem bisherigen Eigentümer eine Herausgabeklage zu ermöglichen 3 1 . Ist also die Vorfrage nach der Rechtsfähigkeit des Inhabers von Monopolrechten — und damit auch die Frage nach dem Vertretungsorgan einer juristischen Person für die A u s ü b u n g eines Monopolrechts — außerhalb des Wirkungslandes vom Standpunkt des internationalen Privatrechts des Wirkungslandes zu beurteilen, wenn dem Monopolrecht anderswo ein zusätzlicher Rechtsschutz verschafft werden soll, so gilt dies erst recht für die Frage, ob eine natürliche Person, die als Inhaber des Monopolrechts in Frage k o m m t , die zum Erwerb b z w . zur A u f g a b e des Monopolrechts erforderliche Fähigkeit besitzt, sowie für die Frage, wer diese Person bei der Vornahme solcher Akte als gesetzlicher Vertreter vertreten kann: O b ein Geisteskranker sich eine herrenlose bewegliche Sache aneignen kann, ob und wie eine solche Person, die fremde Sachen verarbeitet, Eigentum an den verarbeiteten Sachen für einen Dritten als Auftraggeber begründet, wie das maßgebliche Recht dafür zu ermitteln ist, ob jemand in seiner Eigenschaft als V o r m u n d das Eigentum eines Minderjährigen an einem Grundstück rechtswirksam aufgeben kann, alle diese Fragen sind in einem anderen Forumstaat vom Standpunkt des Staates her zu beurteilen, der das Monopolrecht für sein Staatsgebiet begründet; gegebenenfalls sind also auch die Zuweisungen dieses Wirkungslandes an ein drittes Recht für derartige Teilfragen in einem anderen Forumstaat beachtlich. E s steht dem Wirkungsland eines Monopolrechts frei, o b es Bestimmungen über spezielle Unfähigkeiten eines Rechtssubjekts zur Innehabung bestimmter Arten von Monopolrechten, die sich im Personalstatut des Rechtssubjekts finden, zusätzlich zu den vom Wirkungsstatut aufgestellten Erfordernissen für die Fähigkeit zur Innehabung eines Monopolrechts durch seine Gerichte zur Anwendung bringen lassen will. Geschieht dies, so sollten auch dritte Staaten sich dem Standpunkt des Wirkungslandes des Monopolrechts anschließen: Darf z. B. eine juristische Person nach ihrem Personalstatut nicht Inhaber von Grundstücken sein, so kann ein anderer Staat als Lagestaat des Grundstücks dies ignorieren; er kann aber auch die Bestimmung des Personalstatuts zusätzlich zu seinen eigenen Vorschriften über die Fähigkeit juristischer Personen zur Innehabung von Grundeigentum anwenden lassen. Wird die vom Personalstatut bedingte Unfähigkeit eines Rechtssubjektes zur Inhaberschaft bestimmter Arten von Monopolrechten im Wirkungsstaat ignoriert, so kann das Personalstatut seinerseits durch Erlaß von Spezialnormen seine Regelung an dem Standpunkt des Wirkungslandes des Monopolrechts orientieren; man wird also etwa in dem L a n d des Personalstatuts Maßnahmen vorsehen, um die O r g a n e der juristischen Person zu zwingen, das ausländische Grundstück, das die juristische Person nach den Bestimmungen ihres Heimatstaates nicht „haben darf", zu veräußern. Mit den allgemeinen Leitprinzipien nicht zu vereinbaren ist es jedoch, daß jeder zufällige Forumstaat Fragen nach der Fähigkeit zur Vornahme von Willensakten betreffend die Begründung oder Vernichtung eines Monopolrechts gesondert zuweist, und diese gesonderte Zuweisung, sofern ihr Ergebnis nicht zufällig mit dem Ergebnis übereinstimmt, welches im Wirkungsland des Monopolrechts gemäß dem dort berufenen Recht erzielt wird, im Zusammenhang damit, daß er dem Monopolrecht zusätzlichen Schutz gewährt, oder sonst bei der Beurteilung als Vorfrage zugrunde legt 3 2 . 2. Form von rechtsbegründenden
Akten
O b zur Begründung oder zum Erlöschen eines Monopolrechts ein bewußt vorgenommener Rechtsakt notwendig ist, bestimmt selbstverständlich das Recht des Wirkungslandes. Daher ist dieses Recht im Zweifel auch auf die Frage nach der F o r m solcher Rechtsakte 487
§17
Form von monopolrechtsbegründenden Akten
anwendbar. Wie oben schon angedeutet, kann durch spezialrechtliche Vorschriften Rechtsakten, die im Ausland oder gegenüber einem internationalen O r g a n in bezug auf das analoge Monopolrecht vorgenommen werden, a u c h für das Monopolrecht im Inland Wirkung beigelegt werden; dann ist selbstverständlich die für das ausländische Recht erforderliche F o r m (etwa der Anmeldung bei einem Patentamt) ausreichend, u m für das inländische Monopolrecht zu wirken. D a s Wirkungsstatut des Monopolrechts kann aber auch bezüglich der F o r m generell in mehr oder weniger großem U m f a n g auf die lex loci actus verweisen: D e r Staat, in dem das Grundstück belegen ist, könnte es notfalls genügen lassen, daß die A u f g a b e des Eigentums an dem Grundstück dem G r u n d b u c h a m t im Lagestaat in einer im Ausland hergestellten und von Standpunkt dieses Staates ausreichenden privatrechtlichen U r k u n d e mitgeteilt wird, während eine notariell beglaubigte Erklärung erforderlich ist, wenn die Aufgabeerklärung im Lagestaat selbst ausgesprochen wird. Auch bei der F o r m von Willenserklärungen, die im Zusammenhang mit der Begründung oder der Beendigung eines Monopolrechts erfolgen, ist eine gesonderte Zuweisung durch das internationale Privatrecht eines anderen Forumstaates absolut abwegig, während eine Verweisung auf das Wirkungsstatut nicht als unbedingte Sachnormverweisung verstanden werden darf, sondern als eine Gesamtverweisung auf etwaige Delegierungen der Teilfragenregelung durch das Wirkungsstatut. d) Wechsel der V e r k n ü p f u n g e n H a b e n die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz einer Person eine Bedeutung dafür, daß ihr für das Staatsgebiet eines bestimmten Staates ein Monopolrecht zusteht 3 3 , so bezieht sich dies zumeist auf Staatsangehörigkeit bzw. Wohnsitz zur Zeit der Entstehung des Monopolrechts; späterem Erwerb einer zu diesem Zeitpunkt fehlenden Staatsangehörigkeit k o m m t im allgemeinen keine Rückwirkung zu, während ein späterer Verlust der Staatsangehörigkeit nicht zum Verlust der erworbenen Rechte führt. Probleme des Statutenwechsels entstehen vor allem, wenn Monopolrechte zur Einwirkung auf bewegliche Sachen durch einen Lagestaat begründet worden sind, und die Sache dann in das Geltungsgebiet eines anderen staatlichen Rechts verbracht wird. Dann folgt daraus, daß der neue Lagestaat, der bis dahin bereit war, dem auf G r u n d des früheren Lagerechts bestehenden Monopolrecht gegen Verletzungen zusätzlichen Rechtsschutz (etwa in Gestalt von Schadensersatz) zu verschaffen, allein noch nicht, daß der neue Lagestaat das nach dem bisherigen Lagerecht bestehende Monopolrecht mit dem bisherigen Inhalt „ f ü r " sein Staatsgebiet weiterbestehen lassen will. Sicher ist andererseits bei M o n o polrechten an beweglichen Sachen nicht anzunehmen, daß das bestehende Monopolrecht stets ersatzlos erlischt, und daß neue Monopolrechte höchstens nach Maßgabe des neuen Lagerechts „ f ü r " das Geltungsgebiet des Sachenrechts des neuen Lagestaates originär begründet werden müßten: D i e im Eigentum einer natürlichen Person stehende Sache wird nicht bei der Verbringung auf ein anderes Staatsgebiet herrenlos mit der Folge, daß nicht nur der bisherige Eigentümer, sondern auch ein Fremder durch Aneignung nach dem Recht des neuen Lagestaates ein Eigentumsrecht im Sinne dieses Lagestaates begründen könnte. Auf G r u n d völkergewohnheitsrechtlicher S ä t z e 3 4 stimmen wohl alle positiven Rechte darin überein, daß bestehende dingliche Rechte an beweglichen Sachen beim Wechsel des Lagestaates in das entsprechende, und gegebenenfalls in das ähnlichste dingliche R e c h t 3 5 , wie es unter dem Sachenrecht des neuen Lagestaates möglich ist, automatisch umgewandelt werden. Bei einer nur vorübergehenden Belegenheit tritt allerdings eine solche U m w a n d l u n g nicht ein 3 6 . Ist der für den originären Erwerb eines Monopolrechts an einer beweglichen Sache erforderliche Tatbestand beim Lagewechsel noch nicht ganz vollendet, so kann der neue Lagestaat die bereits unter dem alten Statut verwirklichten Tatsachen auf seinen Erwerbs488
Belegenheitswechsel der Sache
§17
tatbestand „anrechnen". Ferner kann der neue Lagestaat, wenn sich die Sache im Besitz eines Rechtssubjekts befindet, dessen originärer Erwerb von Eigentum an der Sache im bisherigen Lagestaat an dem Fehlen persönlicher Eigenschaften oder der mangelhaften Form des zum Erwerb notwendigen Willensaktes scheiterte, diese Mängel heilen, wenn die Voraussetzungen für einen originären Erwerb auf seinem Gebiet durch den Besitzer gegeben sind: War die Aneignung herrenloser Sachen im bisherigen Lagestaat durch jemand, der nicht Staatsangehöriger dieses Staates war, unmöglich, so kann der Heimatstaat des Aneignungswilligen, der die Sache dorthin mitgenommen hat, ihm Eigentum verschaffen. Es ist eine andere Sache, ob und wie die Illegalität der Besitzergreifung, oder des Erwerbs, oder der Ausfuhr unter dem Recht des früheren Lagestaates im neuen Lagestaat Berücksichtigung finden kann. Es wird dies u. a. von praktischer Bedeutung, wenn der ursprüngliche Lagestaat die Aneignung herrenloser Antiquitäten oder geschützter Tiere von einer Genehmigung abhängig macht. Mangels eines völkerrechtlichen Vertrages, oder ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen (welche dann sicher Gegenseitigkeit erfordern), ist schwer zu sehen, wie ein vor den Gerichten des neuen Lagestaates geltend gemachter Anspruch der Behörden des früheren Lagestaates auf Rückführung privatrechtlich begründet werden könnte 3 7 . War in dem Staat, der später Lagestaat wurde, zwar das Bestehen eines Eigentumsrechts an der Sache in dem früheren Lagestaat anerkannt, wurde aber ein anderer als der in dem früheren Lagestaat Geschützte als der richtige Eigentümer angesehen, so wird mit dem Lagewechsel dieses Rechtssubjekt Inhaber des gemäß dem Sachenrecht des neuen Lagestaates weitergeführten Eigentumsrechts. Bei einem erneuten Lagewechsel stellt sich dann für den nächsten Lagestaat die Frage, ob er nur die Rechtslage, wie sie unter dem Recht seines Vorgängers bestand, beachten und fortführen soll, oder ob er auf die Rechtslage in dem ersten Lagestaat zurückgreifen kann. Eine entsprechende Frage stellt sich, wenn das in dem ersten Lagestaat zulässige besitzlose Pfandrecht im zweiten Lagestaat erloschen, aber im dritten Lagestaat möglich ist. Die Problematik war noch deutlicher in früheren Zeiten, wenn der aus einem Sklavenhalterstaat in einen anderen Staat, der die Sklaverei nicht kannte, entkommene Sklave später in einen dritten Staat, der wiederum ein Sklavenhalterstaat war, gelangte und behauptete, in dem zweiten Staat endgültig frei geworden zu sein. Für die heute noch vorkommenden Fragen dürfte wohl überall eine Regelung anerkannt sein, wonach bei einer auf dem Transport befindlichen Sache der Standpunkt eines bloßen Transitlandes zu ignorieren ist, wenn sich die Frage stellt, ob und wie die in dem Abgangsstaat bestehenden dinglichen Rechte an der Sache in entsprechende Rechte der neuen Lagestaaten überführt werden 3 8 . Eine zusätzliche Besonderheit gilt hier wiederum für solche Sachen, die einerseits als Transportmittel besonders häufig von einem Staat in einen anderen gelangen, und die andererseits in erkennbarer Weise mit einem bestimmten Staat auch während ihrer Abwesenheit verknüpft sind, wie das Schiff mit dem Flaggenstaat, das Flugzeug mit dem Registrierungsstaat, und der Eisenbahnwaggon mit der Eisenbahnverwaltung, welcher er gehört; hier werden die nach dem Recht dieses „Heimat"staates begründeten dinglichen Rechte selbst bei einem längeren Verweilen auf fremdem Staatsgebiet nicht endgültig in Sachenrechte dieses Lagestaates umgewandelt. Allerdings genießt der Inhaber eines Monopolrechts an der im Transit befindlichen Sache gegenüber Einwirkungen Dritter auf die Sache während des Transits in dem Transitland keinen intensiveren Schutz als die dort dauernd belegene Sache. Die beschränkte Anwendbarkeit des Lagerechts des Transitlandes wird besonders wichtig, wenn während des Transportes Verfügungsgeschäfte über Rechte an der Sache vorgenommen werden 3 9 . Wenig Beachtung wird der Möglichkeit geschenkt, daß bei der Abwicklung von obligatorischen Verträgen vereinbart werden kann, daß im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien etwaige Vorfragen nach den Rechtsverhältnissen an einer Sache so zu beurteilen 489
§ 17
Veränderungen des Wirkungsgebietes von Monopolrechten
sind, als o b dafür ein bestimmtes nationales Recht, welches nicht der jeweilige Lagestaat zu sein braucht, maßgebend wäre; das kann z. B. für die Gefahrtragung von Bedeutung werden. Darüber hinaus mag für einen geschlossenen Personenkreis aus Staatsangehörigen oder Bewohnern desselben Staates, die sich zeitweilig im Ausland befinden, ein übereinstimmender Wille anzunehmen sein, daß etwaige sachenrechtliche Fragen (z. B . Verlust und Fund) insbesondere bezüglich der mitgeführten und am Aufenthaltsort benutzten beweglichen Sachen im Verhältnis zwischen diesen Personen gemäß dem Recht des gemeinsamen Heimatstaates zu beurteilen sind, unbeschadet dessen, daß im Verhältnis zu Angehörigen des Aufenthaltslandes dessen Sachenrecht maßgebend i s t 3 9 " . e) V e r ä n d e r u n g e n des W i r k u n g s g e b i e t e s v o n M o n o p o l r e c h t e n Wird das Staatsgebiet, welches Wirkungsgebiet eines Immaterialgüterrechts ist, in zwei Staaten aufgeteilt, so tritt eine Spaltung des anfänglich einheitlichen Monopolrechtes ein, auch wenn jeder Nachfolgestaat das bis dahin gehende objektive Recht unverändert beibehält: Zerfällt ein Staat A , in dem ein Immaterialgüterrecht für das Staatsgebiet bestanden hat, in zwei Nachfolgestaaten A t und A 2 , so werden aus dem ursprünglich einheitlichen Immaterialgüterrecht zwei neue getrennte Immaterialgüterrechte für die Gebiete A1 und A 2 ; jeder dieser beiden Staaten führt das durch Teilung entstandene Immaterialgüterrecht „ f ü r " sein Staatsgebiet gesondert weiter. Wenn das Kollisionsrecht eines Staates das für sein Gebiet wirksame Immaterialgüterrecht in eine Abhängigkeit von einem anderswo bestehenden Immaterialgüterrecht bringt 4 0 — etwa indem ein Markenrecht in einem L a n d nur in Verbindung mit dem Markenrecht im Sitzstaat des Unternehmens veräußert werden kann —, so können die in zwei Nachfolgestaaten getrennt weiterbestehenden Immaterialgüterrechte nachträglich in ein solches Abhängigkeitsverhältnis geraten. Fällt das Geltungsgebiet des nationalen Rechts, auf G r u n d dessen ein Monopolrecht für das Staatsgebiet dieses Staates zustandegekommen ist, in vollem U m f a n g dem Staatsgebiet eines anderen Staates zu, so ist es denkbar, daß die gesetzlichen Bestimmungen des untergegangenen Staates über Monopolrechte als Teilgebietsrecht des vergrößerten Staates weiter in Geltung bleiben, so daß in demselben Staat mehrere „analoge" Patentrechte usw. mit beschränkten Wirkungsgebieten nebeneinander bestehen. D a s ist allerdings praktisch für längere Zeit undurchführbar und führt über kurz oder lang zu einer Vereinheitlichung der gesetzlichen Regelung und zur Verschmelzung der „analogen" subjektiven Rechte zu einem einzigen Monopolrecht für das ganze Staatsgebiet. Gehen Teile des Staatsgebietes von A , welches Wirkungsgebiet von Immaterialgüterrechten gemäß dem Recht des Staates A war, an den Staat B über, so besteht das für das Staatsgebiet von A bereits begründete Recht selbstverständlich für das Restgebiet von A weiter. H a b e n zu den konkreten Immaterialgüterrechten des Rechtes A analoge Immaterialgüterrechte für das Staatsgebiet von B gemäß dem Recht von B bestanden, so k o m m t es meist unter der Gesetzgebung von B zu einer Regelung, wonach Immaterialgüterrechte „ f ü r " das neu erworbene Gebiet mit dem analogen Immaterialgüterrecht „ f ü r " das Stammland zu einem Recht „ f ü r " das ganze Staatsgebiet verschmelzen. H a t in dem neu erworbenen Gebiet ein Immaterialgüterrecht bestanden, ohne daß ein analoges Recht für das Stammland des erwerbenden Staates vorhanden war, so kann u. U . bestimmt werden, daß das in dem neu erworbenen Gebiet bestehende Monopolrecht unter Beschränkung auf dieses Gebiet bestehen, d. h. praktisch „auslaufen" s o l l 4 1 , während neue Immaterialgüterrechte nur nach dem Recht des Kerngebietes, aber dann auch mit Wirkung für das neu erworbene Gebiet, begründet werden können. Bei Monopolrechten an Sachen wird der Nachfolgestaat, welcher die Teile des ursprünglichen Wirkungsgebietes eines schon bestehenden Monopolrechts erwirbt, w o die Sache belegen ist, allein legitimiert, das Monopolrecht für sein eigenes Staatsgebiet unter 490
Monopolrechte außerhalb von Staatsgebiet
§17
seinem eigenen Privatrecht fortzuführen. Es gilt dies auch für solche Sachen, die unter Verletzung des früher geltenden Rechts dem rechtmäßigen Eigentümer entzogen und gegen dessen Willen an einen anderen Ort im Staatsgebiet gebracht worden sind. Führt der Nachfolgestaat, welcher Belegenheitsstaat ist, das Monopolrecht an der Sache unter seinem Recht weiter, so werden die anderen Nachfolgestaaten diesem Monopolrecht im allgemeinen als einem auf ausländischem Recht beruhenden Monopolrecht den üblichen zusätzlichen Rechtsschutz gewähren. Völkerrechtliche Bestimmungen über die Zuweisung von Staatsvermögen an die verschiedenen Nachfolgestaaten dürften an dem zunächst einmal eintretenden Eigentumserwerb durch den Nachfolgestaat, welcher zur Zeit der Staatsteilung Lagestaat geworden ist, und der Anwendbarkeit seines Sachenrechts auf das bestehende Eigentumsrecht nichts ändern 4 2 ; auch völkerrechtliche Bestimmungen, welche etwa Optanten zur Mitnahme beweglicher Sachen ermächtigen, also dem Lagestaat verbieten, die Mitnahme zu verhindern, ändern nichts daran, daß zunächst einmal der Nachfolgestaat, welcher Belegenheitsstaat ist, Eigentum und Besitz an der Sache seinem Recht unterstellen darf. f) Monopolrechte außerhalb von Staatsgebiet Zum Geltungsgebiet der Gesetze, welche Immaterialgüterrechte begründen, können außer dem Landgebiet des Urheberstaates und seinen Territorialgewässern sowie seinem Luftraum auch nationale Fahrzeuge hinzugerechnet werden, solange sie sich in staatlosem Gebiet aufhalten; deutsches Patentrecht gilt also auch auf einem deutschen Schiff auf hoher See. Derartigen Fahrzeugen sind feste Einrichtungen, wie künstliche Inseln im Schelfmeer und „Stationen" auf staatlosem Landgebiet oder im Weltraum gleichzusetzen. Es ist ferner die Ansicht vertretbar, daß nationale Monopolrechte im staatlosen Gebiet jedenfalls im Verhältnis zwischen den eigenen Staatsangehörigen, sowie im Verhältnis zwischen Angehörigen verschiedener Staaten wirksam sein wollen, wenn das konkrete Monopol in den Heimatstaaten aller Parteien übereinstimmend (in Gestalt analoger Monopolrechte) zugunsten desselben Inhabers geschützt ist. Befinden sich nationale Fahrzeuge im Transit auf fremdem Staatsgebiet, so dürfte ein konkretes Monopolrecht im Recht des Lagestaates keine Geltung in bezug auf Vorgänge beanspruchen, die sich innerhalb des Fahrzeugs unter den nur vorübergehend in dem betreffenden Staat anwesenden Personen abspielen 4 3 . Auf das völkerrechtliche Verbot, auf staatlosem Gebiet hoheitliche Akte durch die Organe eines Staates gegenüber solchen Einrichtungen vorzunehmen, die, auch wenn sie nicht Staatseinrichtungen eines anderen Staates sind, doch als einem anderen Staat „zugehörig" erscheinen, geht es zurück, daß Sachenrechte an Schiffen und Luftfahrzeugen, die, unbeschadet der Staatsangehörigkeit des Eigentümers, einem Staat gemäß seinen Vorschriften als „nationale" Fahrzeuge zugehören, beim Aufenthalt des Fahrzeugs auf staatlosem Gebiet nach dem Recht des „Heimatstaates" zu beurteilen sind, und daß solche Sachenrechte unter Anwendung physischer Gewalt nur durch Organe des Heimatstaates gegen Eingriffe geschützt werden dürfen 4 4 . Aber auch bezüglich derjenigen Sachen, die nicht selbst Bestandteil eines Schiffes oder Flugzeuges sind, die sich aber in einem solchen Fahrzeug befinden, gilt während des Aufenthalts des Fahrzeugs in staatlosem Gebiet das Sachenrecht des Flaggenstaates, es sei denn, daß dieser Staat selbst sein Recht auf Grund der besonderen Kollisionsnormen über die res in transitu gar nicht angewendet haben will. Auf Völkerrecht beruht es, daß Eigentum an herrenlosen Sachen auf staatlosem Gebiet, insbesondere auf dem hohen Meer, gemäß dem Flaggenrecht eines Schiffes im Zusammenhang mit einer effektiven Besitzergreifung entstehen kann, auch bevor die Sache (praktisch vor allem gefangene Fische, vom Meeresgrund gehobene Mineralien) sich im Schiff befindet. 491
§17
Monopolrechte außerhalb von Staatsgebiet
Dem mit der Flagge eines bestimmten Staates versehenen Schiff als einem „schwimmenden Bestandteil des Staatsgebietes" für die Zwecke der Anwendung des Sachenrechts des „Heimatstaates" gleichzusetzen sind feste Einrichtungen auf staatlosem Landgebiet, die durch Staatsangehörigkeit jedenfalls des leitenden Personals in eine engere Beziehung zu einem bestimmten Staat gebracht sind, auch wenn es keine besonderen gesetzlichen Regelungen über die Zugehörigkeit solcher Einrichtungen, die dem Flaggenrecht analog wären, gibt. Durch Völkerrecht gesichert ist auch das Recht natürlicher Personen, in Ubereinstimmung mit dem Sachenrecht ihres Heimatstaates Sachen auf staatlosem Landgebiet, die nicht schon Eigentum anderer Personen auf Grund ihres Heimatrechts sind, sich durch Inbesitznahme anzueignen. Selbst der Eigentumserwerb an Grundstücken auf staatlosem Landgebiet durch effektive Okkupation, wenn das Grundstück nicht bereits von anderen Menschen besessen oder benutzt ist, ist kraft alter Ü b u n g und völkerrechtlicher Rechtsüberzeugung möglich 4 5 . Andererseits darf der Heimatstaat selbstverständlich auch Verbote der Inbesitznahme herrenloser Sachen auf staatlosem Gebiet an seine eigenen Staatsangehörigen richten, und darf die in Verletzung solcher Verbote in Besitz genommenen Sachen als dem Staat verfallen erklären. Während der Eigentumserwerb auf staatlosem Gebiet schon nach Völkerrecht Besitzergreifung der Sache voraussetzt, muß Besitzverlust an einem Schiff ohne den Willen des Eigentümers, das Eigentum zu verlieren, vom Flaggenstaat nicht zum Anlaß genommen werden, das Eigentumsrecht als erloschen zu erklären. Daher kann auch an dem gesunkenen Schiff auf hohem Meer und den darin befindlichen Sachen Eigentumsrecht im Sinne des Flaggenrechts fortbestehen, soweit nicht Dereliktion nach dem Recht dieses Staates eintritt 4 5 2 . Anders ist es bezüglich der Eigentumsverhältnisse und des Aneignungsrechtes an Wracks in den Eigen- oder Küstengewässern anderer Staaten als des Flaggenstaates; hier geht eine etwaige abweichende Regelung des Lagestaates v o r 4 6 . In dem Bereich der See, welche jenseits der Eigengewässer und Küstengewässer als Schelfmeer oder als Wirtschaftszone von dem Uferstaat in Anspruch genommen wird, kann dieser sein Sachenrecht in bezug auf die Aneignung herrenloser Sachen und die sachenrechtlichen Verhältnisse an festen Einrichtungen als anwendbar erklären. g) Die A u s ü b u n g und Verteidigung von Monopolrechten Es ist Sache des Wirkungsstatuts, für ein Monopolrecht zu bestimmen, ob es im Belieben des Rechtsinhabers stehen soll, von dem Recht Gebrauch zu machen und es gegen Eingriffe zu verteidigen, oder ob der Inhaber bei Gefahr des Verlustes des Rechts oder einer anderen Unrechtsfolge verpflichtet sein soll, entweder das Recht selbst zu nutzen, oder einem anderen die Benutzung auf Grund eines Rechtsgeschäfts zu ermöglichen. Zwangslizenzen für Patente und Vermietungspflicht für Wohnhäuser beruhen auf dem Recht desselben Staates, der das Patent erteilt, bzw. Eigentum an der auf seinem Gebiet belegenen Sache begründet hat. Ist nicht schon bei Begründung des konkreten Monopolrechts durch Gesetz klargestellt, daß es nur in Verbindung mit einer Ausübungsverpflichtung erworben worden ist, so können allerdings spätere Eingriffe in die anfängliche Freiheit zur Ausübung oder Nichtausübung des Rechts als enteignungsähnliche Beeinträchtigungen völkerrechtlich bedenklich sein, insbesondere wenn der Rechtsinhaber Staatsangehöriger eines anderen Staates als des Wirkungslandes des Monopolrechts ist. Vor allem mit dem Eigentum oder dem Besitz an Sachen können gesetzliche Verpflichtungen gegenüber Dritten verbunden sein 4 7 , für welche das Recht des Belegenheitsstaates sicher maßgebend ist, wenn auf Unterlassung bzw. Vornahme geklagt wird, während zur Bestimmung des Statuts für etwaige Schadensersatzpflichten wegen der Verlet492
Vertretung geschäftsunfähiger Monopolrechtsinhaber
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zung einer solchen Verpflichtung die gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen des Einzelfalles entscheidend sein mag; die Verknüpfung zum Lagestaat ist hier aber sicher eine besonders gewichtige Verknüpfung 4 8 . Während dem Wirkungsland eines Monopolrechts durch das Völkerrecht eine entschädigungslose offene oder verkappte Enteignung des Rechts verboten ist, und der Heimatstaat des ausländischen Rechtsinhabers ihn hiergegen schützen kann, ist der Heimatstaat seinerseits durch Völkerrecht nicht gänzlich gehindert, den Rechtsinhaber in bezug auf die Ausübung seines Rechts im Wirkungsland mit Anweisungen zu versehen. Stehen derartige Anweisungen mit den Anweisungen, die das W i r kungsland gibt, in Widerspruch, so wird zumeist das Wirkungsland eher in der Lage sein, die Befolgung seiner Vorschriften durchzusetzen; ungeachtet dessen ist aber schon der Erlaß widerspruchsvoller Vorschriften durch den Heimatstaat völkerrechtlich nicht unbedenklich. Im Zusammenhang mit der Einführung von Pflichten aus dem Innehaben eines Monopolrechts für das Staatsgebiet kann das Wirkungsland den Rechtsinhaber auch verpflichten, falls er nicht im Lagestaat wohnt, einen Bevollmächtigten zu bestellen, an den Weisungen der Behörden des Lagestaates gerichtet werden, dem eventuelle Klagen zugestellt werden können, und der den Rechtsinhaber dann auch in gerichtlichen Verfahren im Wirkungsland des Rechts vertreten kann. Unter diesen Umständen erscheint es eigentlich als selbstverständlich, daß das W i r kungsland des Monopolrechts, wenn sein Gesetzgeber es will, das eigene Recht auch als anwendbar erklären kann für die Frage, o b der Eigentümer einer Sache, wenn er nach diesem Recht als Minderjähriger oder wegen Geisteskrankheit als „geschäfts"unfähig gilt, die Sache selbst allein in Besitz haben kann, oder ob ein gesetzlicher Vertreter den Besitz „für ihn" auszuüben h a t 4 9 . O b w o h l das Wirkungsstatut eines Monopolrechts, also auch der Lagestaat einer Sache, aus völkerrechtlichen Gründen jemand, der selbst keine persönliche Verknüpfung zu diesem Staat aufweist, nicht gegen seinen Willen zum gesetzlichen Vertreter für den geschäftsunfähigen Inhaber eines Monopolrechts in diesem Staat machen kann, ist jedenfalls eine subsidiäre Zuständigkeit des Wirkungslandes zur Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für die Rechtsausübung an Monopolrechten unentbehrlich, und damit auch die subsidiäre Anwendbarkeit des Rechtes dieses Staates für die Frage, wann jemand als zur Ausübung „seines" Monopolrechts unfähig zu gelten hat. Ist ein anderer Staat bereit, auf Grund persönlicher Verknüpfungen zum Rechtsinhaber sein Recht insbesondere auf die Frage nach der gesetzlichen Vertretung bei Wahrnehmung von Monopolrechten für einen Inhaber, der sie selbst nicht ausüben kann, zur Anwendung zu bringen, so ist es vertretbar, daß das Wirkungsstatut des einzelnen M o n o polrechts auf ein derartiges Recht verweist. D e r Lagestaat des Grundstücks, das in der Sicht dieses Staates Eigentum eines Minderjährigen ist, kann also zwar die außerhalb dieses Staates lebenden Verwandten, wenn das Personalstatut den Betreffenden weder Recht noch Pflicht zur Verwaltung des Kindesvermögens gibt 5 0 , nicht haftbar machen, wenn sie das Grundstück nicht „für" den Minderjährigen in Besitz nehmen und nicht für die Erfüllung der dem Eigentümer obliegenden Verpflichtungen sorgen. Wenn hingegen ein völkerrechtlich zuständiges und anwendungswilliges Personalstatut eine Pflicht zur Verwaltung des Kindesvermögens durch Eltern usw. vorsieht, so kann das Kollisionsrecht des Lagestaates auf ein derartiges Recht verweisen. Es ist indes weder völkerrechtswidrig, noch steht es im Widerspruch mit den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts, wenn der Lagestaat des Monopolrechts als O r t einer möglichen Gefährdung der Interessen eines schutzbedürftigen Rechtsinhabers und als O r t der wirksamsten Möglichkeit zur Beseitigung einer solchen Gefährdung sich vorbehält, prüfen zu lassen, ob der auf Grund ausländischen Rechts bestellte gesetzliche Vertreter bei der Ausübung des Monopolrechts dabei mit der Sorgfalt vorgeht, wie sie von einem nach dem Recht des Wirkungslandes bestellten Vertreter erwartet würde; das Wirkungsland kann infolgedessen gegebenenfalls den nach
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Vertretung geschäftsunfähiger Monopolrechtsinhaber
ausländischem Recht zu seiner Rechtsstellung gekommenen gesetzlichen Vertreter beseitigen und einen anderen gesetzlichen Vertreter für die Ausübung des Monopolrechts bestellen. Das für die gesetzliche Vertretung bei der Ausübung von Rechten G e s a g t e 5 0 a gilt auch für die Vertretung in Prozessen gegen angebliche Verletzungen eines Monopolrechts. Wird im Wirkungsland des Monopolrechts prozessiert, so ist nur die dort als gesetzlicher Vertreter des Rechtsinhabers anerkannte Person zur Vertretung im Prozeß befugt, sofern nicht ein ad hoc-Prozeßvertreter gestellt wird. Läuft das Verfahren außerhalb des Wirkungslandes, und ist der dortige gesetzliche Vertreter des prozeßunfähigen Rechtsinhabers zwar vom Standpunkt dieses Staates zur Vertretung in bezug auf das ganze Vermögen befugt, ist aber in dem Wirkungsland des Monopolrechts ein anderer der gesetzliche Vertreter, und steht eine Verwaltungshandlung dieses Vertreters für den Rechtsinhaber zur Debatte, so sollte er als Prozeßvertreter jedenfalls in Passivprozessen zugelassen, und in Aktivprozessen nur dann ausgeschlossen werden, wenn erwiesen werden kann, daß er nicht das wahre Interesse des Rechtsinhabers wahrnimmt. Umgekehrt kann der Lagestaat des Monopolrechts dem im Heimat- oder Wohnsitzstaat des geschäftsunfähigen Rechtsinhabers zur Vermögensverwaltung bestellten Vertreter die Anerkennung verweigern, wenn dieser an Weisungen von Behörden des Heimat- oder Wohnsitzstaates gebunden ist, und diese Weisungen nicht der Wahrung der Interessen des geschäftsunfähigen Rechtsinhabers dienen, sondern politischen Zwecken des Staates, der den gesetzlichen Vertreter gestellt hat. Würde der Lagestaat dem Heimatstaat des vollgeschäftsfähigen Rechtsinhabers keine Rechtshilfe leisten, um die Befolgung von Anweisungen dieses Staates an den Rechtsinhaber in bezug auf das Monopolrecht 5 0 1 1 durchzusetzen, so wäre es widerspruchsvoll, wenn der Lagestaat des Monopolrechts die Verwirklichung von Anweisungen eines fremden Staates an den gesetzlichen Vertreter des geschäftsunfähigen Rechtsinhabers widerspruchslos hinnehmen würde, falls sie dem wahren Interesse des Rechtsinhabers, so wie es der Lagestaat sieht, widersprechen. Der Lagestaat wird also den im Heimatstaat bestellten gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen gegebenenfalls durch einen von den Behörden des Lagestaates bestellten und kontrollierten gesetzlichen Vertreter ersetzen. Hat der Lagestaat einer beweglichen Sache im Interesse des minderjährigen Eigentümers dem, der als gesetzlicher Vertreter im Lagestaat anerkannt ist, verboten, die Sache aus diesem Staat zu entfernen, so ist die gegenteilige Weisung der Vormundschaftsbehörde im Heimat- oder Wohnsitzstaat des gesetzlichen Vertreters, selbst wenn er zugleich der Heimatstaat des Eigentümers ist, wahrscheinlich schon völkerrechtlich bedenklich. Jedenfalls braucht der Lagestaat eine solche Anweisung nicht als Entschuldigung für eine Verletzung seiner eigenen Vorschriften anzuerkennen. Bejaht man nicht nur die völkerrechtliche Befugnis, sondern auch die Sachgerechtheit der Zuständigkeit des Wirkungslandes, den zur Ausübung eines Monopolrechts persönlich unfähigen Rechtsinhaber vor Mißbräuchen durch einen auf Grund ausländischen Rechts bestellten gesetzlichen Vertreter zu schützen 5 0 0 , so kann auch das Recht dieses Staates nicht geleugnet werden, Maßnahmen zur Sicherung einer von dem Einfluß anderer Staaten freien Ausübung der für das Inland begründeten Monopolrechte durch die Organe ausländischer juristischer Personen zu treffen, die dem mutmaßlichen wahren Interesse des eigentlichen Rechtsinhabers entsprechen 5 1 . Ist ein anderer Staat Inhaber von Monopolrechten für das Inland, so können keine Bedenken dagegen erhoben werden, daß die Vertretungsorgane des fremden Staates bei der Ausübung des Monopolrechts entsprechend den Weisungen des zuständigen Regierungsorgans des fremden Staates verfahren; anders als bei Monopolrechten von Privatpersonen hat der Lagestaat hier keinen Anlaß zu prüfen, was dem wahren Interesse des Rechtsinhabers dient. 494
Fremde Staaten als Monopolrechtsinhaber
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Andererseits dürfte ein Satz des Völkergewohnheitsrechts anzunehmen sein, wonach die zur i>ö/&errechtlichen Vertretung eines Staates als dessen „Regierung" befugten Personen ohne weiteres auch als zur Wahrnehmung von Vermögensrechten des betreffenden Staates auf ausländischem Staatsgebiet und zur Bestellung von Untervertretern befugt gelten. Welche Regierung aber in einem bestimmten Zeitpunkt für völkerrechtliche Zwecke als die richtige Regierung eines anderen Staates zu betrachten ist, entscheidet in den meisten Ländern die Regierung des Forumstaates mit bindender W i r k u n g für die Gerichte. Demgemäß ist die Entscheidung der Regierung des Forumstaates zugrunde zu legen, wenn darüber zu entscheiden ist, welche natürlichen Personen rechtmäßig die einem fremden Staat gehörenden Monopolrechte im Staatsgebiet wahrnehmen; das gilt insbesondere, w e n n es sich um Eigentum an Sachen handelt, welche hoheitlichen Zwecken dienen, w i e Gesandtschaftsgebäude, militärisches Material, Bankguthaben für die Bestreitung der Bedürfnisse der Gesandtschaft usw. Ist es zweifelhaft, welche von mehreren sich untereinander befehdenden Regierungen in einem fremden Staat sich als die allein effektive erweisen w i r d , so ist es der Regierung des Lagestaates wohl nicht verwehrt, nach ihrem Ermessen M a ß n a h m e n zu treffen, u m die Vernichtung oder Verschleppung des fremden Staatseigentums durch die Vertreter einer solchen Regierung zu inhibieren 5 2 . Die Einordnung dieser Befugnis im Staatsrecht des Lagestaates mag unter Umständen Schwierigkeiten bereiten. Versucht eine der Regierungen des Eigentümerstaates, Besitz an dem auf fremdes Staatsgebiet gelangten Staatseigentum durch Zivilklage gegen private Besitzer zu erlangen, so dürfte es nicht völkerrechtswidrig sein, wenn in dem Lagestaat Vorkehrungen getroffen werden, damit zunächst einmal dessen Regierung sich in den Besitz der Sache setzt und damit Adressat des völkerrechtlichen Herausgabeanspruchs w i r d . h) Die Zuständigkeit zur gerichtlichen Anwendung von Bestimmungen über territorial beschränkte Monopolrechte Streitigkeiten über die Anwendbarkeit des Rechtes des Wirkungslandes von Monopolrechten und anderer Staaten entstehen vor allem, wenn ein Wechsel des Rechtsinhabers behauptet w i r d ; hierauf w i r d in anderem Zusammenhang noch z u r ü c k z u k o m m e n sein 5 3 . Geht es nur um die Frage nach dem Bestehen eines Monopolrechts — die allerdings von der Frage nach dem ersten Inhaber kaum zu trennen ist —, so ist immer wieder der Gedanke anzutreffen, daß jedenfalls hierfür eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Staates der lex causae, und eine automatische Anerkennung ihrer Entscheidungen in anderen Staaten anzunehmen, ja vielleicht sogar durch Völkerrecht geboten sei. Derartiges w i r d vor allem in bezug auf Monopolrechte an Grundstücken behauptet. In der Tat scheint es ein sinnloses Unternehmen zu sein, wenn ein Gericht, und sei es auch das des gemeinsamen H e i m a t - und Wohnsitzstaates der Parteien, darüber entscheiden sollte, welche Partei durch O k k u p a t i o n Eigentümer eines Grundstücks im Ausland geworden ist, und daß die bereits getroffene Entscheidung des Lagestaates darüber, etwa mangels Gegenseitigkeit, nicht anerkennungsfähig werden könnte. Ist im Staat A entschieden w o r den, daß für das Gebiet des Staates A kein Patentrecht zu Gunsten von X entstanden ist, der im Staat B einen anderen auf Unterlassung von Verletzungen seines angeblichen Patentrechts verklagt, so kann auch fehlende Anerkennungsfähigkeit des in A ergangenen Urteils im Staat B kein Grund sein, um die Frage nach dem Bestehen des Patentrechts durch ein Gericht des Staates B erneut zu prüfen und anders zu entscheiden. Daraus, daß manche völkerrechtlichen Verträge 5 4 ausdrücklich die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Wirkungslandes gewisser Monopolrechte, und auch das vielleicht n u r mit Einschränkungen, vorsehen, kann wohl geschlossen werden, daß mangels eines solchen Vertrages eine durch allgemeines Völkerrecht gesicherte ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Wirkungslandes nicht besteht. Eine Völkerrechtsverletzung 495
§ 17
Zuständigkeit zur Entscheidung über Monopolrechte im Ausland
kann also auch nicht darin gesehen werden, daß die Gerichte des Wohnsitzstaates der Parteien in deren Streit über das Eigentum an einer im Ausland belegenen beweglichen Sache entscheiden 55 . Das schließt aber nicht aus, daß Akte anderer Staaten, welche eine bereits getroffene Entscheidung der Gerichte des Wirkungslandes des Monopolrechts um ihre Wirkung bringen sollen 56 , völkerrechtlich nicht unbedenklich sind. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Entscheidung über den Stand eines Monopolrechts im Ausland schließt ferner nicht aus, daß hier ein besonderer Anlaß besteht, mit Hilfe des forum non conveniens-Prinzips 57 den Gerichten anderer Staaten als des Wirkungslandes Zurückhaltung aufzuerlegen. In anderem Zusammenhang wird die Frage behandelt werden, ob die nicht grundsätzlich zu leugnende Befugnis der staatlichen Gerichte, ausländisches Recht auf seine Völkerrechtswidrigkeit zu prüfen und ihm gegebenenfalls die Anwendung zu verweigern, auch dazu benutzt werden kann, um Veränderungen der Inhaberschaft an ausländischen Monopolrechten durch den Lagestaat als völkerrechtswidrig zu ignorieren. Es gibt keinen Völkerrechtssatz, der die Staaten verpflichten würde, die Rechtslage in bezug auf ausländische Monopolrechte unbedingt so zu beurteilen, wie dies im Wirkungsland geschieht, und sich deshalb bei völkerrechtswidrigen Enteignungen auf die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zu beschränken. Allgemeineren Charakter hat die Frage, ob der Bestand und die Inhaberschaft von Monopolrechten für das Gebiet eines Staates eventuell auch durch völkerrechtlichen Vertrag, oder ein auf Grund des völkerrechtlichen Vertrages tätiges internationales Organ mit verbindlicher Wirkung für das Wirkungsland und andere Staaten geklärt werden kann: Erkennt der Heimatstaat X einer Person A in einem völkerrechtlichen Vertrag an, daß diese Person nicht Eigentümer eines im Staat Y belegenen Grundstücks ist, oder stellt ein völkerrechtliches Gericht dies in einem Streit zwischen dem Heimatstaat und dem Lagestaat fest, so wird mit der Transformation des Vertrages in innerstaatliches Recht die Rechtslage jedenfalls für den von der völkerrechtlichen Instanz bezeichneten Zeitpunkt mit verbindlicher Wirkung für die nationalen Gerichte geklärt. i) Der Name natürlicher Personen 1. Monopolrecht
am
Personennamen
Die Frage, inwieweit in bezug auf den eigenen Namen ein Monopolrecht einer natürlichen Person besteht, ist im positiven Recht außerordentlich verschieden geregelt. Im Recht moderner Staaten ist es nicht üblich, daß das Aussprechen bestimmter Worte, oder die Regelung der Bedeutung bestimmter Worte zu einem Immaterialgüterrecht bei einem bestimmten Inhaber monopolisiert werden kann 58 . Wohl aber findet sich in einer Reihe von Staaten ein „Recht" des Namensträgers, sich selbst mit diesem Namen zu bezeichnen, sowie die Verwendung dieses Namens zur Bezeichnung dieser Person von anderen zu verlangen59, und zugleich die Verwendung des eigenen Namens als Bezeichnung eines anderen, dem nicht derselbe Name zukommt, zu verhindern. Dadurch, daß ein solches Recht auf einen bestimmten konkreten Namen zunächst einmal auf irgendeine Weise vom Namensträger erworben werden muß, unterscheidet sich das Namensrecht von einem durch deliktsrechtliche Schutzgesetze geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, welches darauf geht, daß andere unwahre Äußerungen über persönliche Dinge, wozu auch der Besitz eines bestimmten Namens gehören kann, zu unterlassen haben 60 . Ein Staat kann ein Monopolrecht am eigenen Namen, ähnlich wie ein Urheberrecht am literarischen Werk, durch sein eigenes Recht nur für sein Staatsgebiet begründen. In einem Staat kann infolgedessen einerseits ein Monopolrecht am Namen als analoges Recht zu dem schon für andere Staatsgebiete gemäß dem dortigen Recht bestehenden Monopol496
Das Recht am Namen
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recht bestehen; andererseits kann ein Forumstaat auch einem gemäß ausländischem Recht für ein fremdes Staatsgebiet bestehenden Monopolrecht am Namen zusätzlichen Schutz durch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche verschaffen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Fassung des Namens, an dem der Träger für mehrere Staatsgebiete ein Monopolrecht hat, in den verschiedenen Ländern nicht dieselbe ist. Das gilt vor allem vom Firmennamen des Kaufmanns, ist aber bezüglich des bürgerlichen Namens nicht ausgeschlossen 61 . Insoweit eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Führung des richtigen Namens besteht, mag zwar ein Heimatstaat den Anspruch erheben, daß seine Staatsangehörigen sich bezüglich der Namensführung im Ausland gemäß den Vorschriften des Heimatstaates verhalten, doch kann der Heimatstaat nicht umhin, anders lautenden Vorschriften des Namensführungslandes den Vorrang einzuräumen; höchstens gegenüber den auf fremdem Staatsgebiet stationierten Behörden des Heimatstaates kann dieser dann die Führung des Namens in der im Heimatstaat gebotenen Fassung verlangen 62 . Was das privatrechtliche Monopolrecht am Namen von den meisten anderen Immaterialgüterrechten unterscheidet, ist, daß häufig mehrere Personen rechtmäßig zur Führung des gleichen Namens berechtigt, eventuell sogar verpflichtet, sind, und daß einem „Mitträger" des eigenen Namens der Gebrauch dieses Namens nur unter ganz besonderen Umständen untersagt werden kann 6 3 . Abweichend von der Regelung für die meisten anderen Immaterialgüterrechte ist es sodann so, daß, wenn ein Staat überhaupt Namensträgern ein Monopolrecht auf den Namen für sein Staatsgebiet zubilligen will, jedes in diesem Staat anerkannte Privatrechtssubjekt ohne weiteres als Inhaber eines solchen Monopolrechts in Frage kommt, ohne daß eine weitere Inlandsverknüpfung oder Gegenseitigkeit erfordert wird: Auch der im Ausland wohnende Ausländer kann, selbst wenn sein Heimatrecht überhaupt kein Monopolrecht am Namen kennt, verlangen, daß im Inland, wo ein Recht am eigenen Namen besteht, niemand den Namen dieses Ausländers führt, sofern er nicht rechtmäßig auch Name dieser anderen Person ist 64 . Dem steht eine weitere Abweichung der Behandlung des Monopolrechts auf den Namen im internationalen Privatrecht von der Behandlung anderer Immaterialgüterrechte gegenüber: Meist wird im Zivilprozeß im Forumstaat nur auf Unterlassung der unberechtigten Namensführung innerhalb des Gebietes des Forumstaates geklagt werden; hat der Namensträger ein analoges Monopolrecht auf den Gebrauch desselben Namens in einem anderen Staat, so mag hier möglicherweise auch auf Unterlassung der unberechtigten Namensführung im Ausland geklagt werden. Hingegen dürfte es wohl abgelehnt werden, daß der Beklagte im Forumstaat verurteilt wird, im Ausland die Führung eines Namens zu unterlassen, der zwar im Ausland, aber nicht im Inland der privatrechtlich geschützte Name des Klägers ist. Sicher aber sollte im Forumstaat jemand nicht verurteilt werden, im Ausland die Führung eines Namens zu unterlassen, dessen Verwendung in dem betreffenden ausländischen Staat ihm nach dem dort anwendbaren Recht unter Androhung von Sanktionen geboten ist. Die Frage nach dem „rechtmäßigen" Namen taucht praktisch allerdings weniger im Zusammenhang mit dem privatrechtlichen Anspruch des Namensträgers auf Unterlassung der rechtswidrigen Führung seines Namens durch andere auf, sondern sie wird häufiger als Teilfrage gestellt bei der Anwendung von Strafbestimmungen, welche die Verwendung ihres falschen Namens unter Strafe stellen, oder bei der Anwendung von Verwaltungsvorschriften über die Bezeichnung von Personen in öffentlichen Registern und anderen öffentlichen Urkunden. 2. Die Fassung des rechtmäßigen Namens Auch wenn davon auszugehen ist, daß ein Monopolrecht auf den Namen stets ein territorial beschränktes Recht auf Unterlassung unberechtigter Namensführung durch andere ist, folgt daraus nicht, daß jeder Staat, der ein solches Monopolrecht auf den Namen. 497
§17
Die Fassung des rechtmäßigen Namens
in seinem objektiven Recht vorsieht, auch die Fassung des rechtmäßigen Namens stets durch seine eigenen Vorschriften bestimmen will. Dies hätte zur Folge, daß der dem Monopolrecht zugrunde liegende Name sehr oft in dem einen Staat so und in einem anderen Staat anders lauten würde. Um derartiges zu verhindern, besteht Übereinstimmung darüber, daß die Staaten sich bemühen sollten, die Frage nach der Fassung des richtigen Namens einer Person möglichst übereinstimmend einem einzigen nationalen Recht zuzuweisen. Das gilt sowohl für den Ersterwerb des Namens einer natürlichen Person mit oder nach ihrer Geburt, als auch für spätere Namensänderungen. Als Namensbildungsstatut bietet sich geradezu selbstverständlich das Personalstatut des Namensträgers an. Wenn nun bilaterale Kollisionsnormen des Inhalts gebildet werden, daß das Recht, welches üblicherweise das Personalstatut stellt, auch für den Namen maßgebend sei, so kann internationale Entscheidungsgleichheit nicht erreicht werden, solange Staatsangehörigkeit und Wohnsitz als gleichermaßen sachgerechte Anknüpfungsmomente angesehen werden. Man muß sich daher fragen, ob nicht im Zusammenhang mit der Namensbildung die Vorstellung der Gleichwertigkeit dieser beiden Anknüpfungsmomente unangebracht ist. Vieles spricht dafür, hier den Standpunkt des Heimatrechts dem des Wohnsitzlandes vorzuziehen: Nur wenige Länder haben Gerichtsverfahren, in denen nur der richtige Name eines Menschen und sein Wohnsitz im Inland mit Rechtskraft gegenüber allen festgestellt werden kann. Wohl aber kennen fast alle Staaten ein Verfahren zur rechtskräftigen Feststellung, daß jemand ihre Staatsangehörigkeit besitzt; unvermeidlicherweise muß in einer solchen Entscheidung die betreffende Person mit ihrem Namen bezeichnet, und dieser zu diesem Zweck von Amts wegen ermittelt werden; in aller Regel stellt auch der Heimatstaat natürlicher Personen ihnen die Identitätspapiere aus 65 . Eine offizielle Äußerung über den richtigen Namen einer Person ist also mit Sicherheit stets vom Heimatstaat zu erhalten, während es in denjenigen Staaten, die ihr Recht als Wohnsitzrecht auf die Bestimmung des Namens anwenden wollen, u. U. gar nicht möglich sein wird, eine offizielle Klärung des richtigen Namens einer Person herbeizuführen. Hinzu kommt, daß selbst diejenigen Länder, welche die Bildung des Namens nach dem Wohnsitzrecht zu beurteilen geneigt sind, oft auch eine Namensänderung durch Staatsakt des Heimatstaates anerkennen. Im Fall der mehrfachen Staatsangehörigkeit 66 wäre es nicht abwegig anzunehmen, daß der Mehrstaater sowohl den einen als auch den anderen Namen, wie ihn seine Heimatstaaten vorsehen, führen darf, ähnlich wie ja auch in manchen Rechten die verheiratete Frau sowohl ihren Mädchennamen als auch den Namen ihres Mannes führen darf. Wenn aber derjenige Staat, der die Führung des „richtigen" Namens auf seinem Staatsgebiet zu einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung macht, nur die Führung eines einzigen Namens dulden will, so wäre eine Wahl des einen oder anderen Heimatrechts des Namensrechtsstatuts durch den Namensträger wohl einem Zwang zur Verwendung des Namens, den das Recht des effektiveren Heimatstaates vorsieht, vorzuziehen 67 . Will der Heimatstaat nicht, daß die Fassung des Namens seiner im Ausland wohnenden Bürger nach seinem Recht bestimmt wird, und will der Wohnsitzstaat, daß seine Vorschriften angewendet werden 68 , so sollte die Namensfassung des Wohnsitzlandes überall maßgebend sein. Will weder der Heimatstaat noch der Wohnsitzstaat, daß sein Recht angewendet wird, oder will jeder von ihnen die Anwendung seiner eigenen Bestimmungen, so könnte man sich auf die Einführung einer (letzten Endes spezialrechtlichen) Regelung einigen, wonach der Namensträger das eine oder das andere Namensstatut wählen und damit selbst indirekt seinen „richtigen" Namen bestimmen darf. Behindert wird die Durchführung des Gedankens, daß zwar jeder Staat bestimmen kann, ob ein Namensträger ein Recht haben soll, die unrechtmäßige Verwendung seines Namens durch andere auf dem Gebiet dieses Staates zu behindern, daß aber die Fassung 498
Bestimmung des Namens durch das Heimatrecht
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des richtigen Namens von Menschen möglichst durch das Heimatrecht geregelt werden sollte 6 9 , dadurch, daß einige Staaten überhaupt kein im Zivilprozeß geltend zu machendes Monopolrecht auf den Namen als subjektives Privatrecht kennen. Meist haben aber diese Staaten Sätze im öffentlichen Recht, welche etwa die Verwendung eines „falschen" Namens gegenüber Behörden verbieten; dann müssen sie auch Vorschriften bilden, wie der richtige Name eines Menschen lautet, und dieser vom Heimatstaat vorgeschriebene Name kann dann auch von einem anderen Staat zugrunde gelegt werden, wenn er dem Namensträger für sein Staatsgebiet ein Monopolrecht verschaffen will. Legt der Heimatstaat dem Namen überhaupt keine rechtliche Bedeutung bei, so ist es vertretbar, daß ein Staat, der dem Namensträger für sein Staatsgebiet ein Monopolrecht verschaffen will, den nach der Sitte des Heimatlandes gebildeten Namen als den „richtigen" Namen behandelt 70 . Ein Staat, in dem sich die Frage nach dem richtigen Namen des Ausländers als Rechtsfrage in einem Verfahren stellt - sei es, weil er auf dem Staatsgebiet dieses Staates andere an der Führung dieses Namens hindern will, sei es, weil ihm das Recht zur Führung eines bestimmten Namens streitig gemacht wird —, kann nun in gewissen Regelungen durch das Heimatrecht unter Umständen so krasse Abweichungen sehen, daß die Gerichte im Forumstaat Hemmungen haben müssen, das ausländische Recht über die Bildung des rechtmäßigen Namens anzuwenden. Bedenken können im Forumstaat dagegen bestehen, daß das Heimatrecht eines Ausländers ihm die gleichzeitige Führung mehrerer Namen ermöglicht, während nach der lex fori jeder Mensch überhaupt nur einen Namen haben kann. Unter dem Gesichtspunkt des ordre public könnte es auch anstößig erscheinen, daß ein Ausländer nach seinem Heimatrecht jederzeit ohne Staatsakt seinen Namen nach Belieben ändern, und dabei auch einen bereits von anderen Personen geführten Namen annehmen kann. Die Weigerung, derartige Regelungen 71 im Heimatrecht des Namensträgers im Forumstaat zur Anwendung zu bringen, führt nicht notwendig zur Anwendung der Namensbildungsregeln des Forumstaates; vielmehr könnte etwa verlangt werden, daß der Ausländer, der nach einem Heimatrecht mehrere Namen gleichzeitig führen kann, sich für das Staatsgebiet des Forumstaates auf einen einzigen dieser Namen festlegen muß. In welchem Maße ein Verfassungssatz über die Gleichbehandlung der Geschlechter schon im eigenen Privatrecht dieses Staates Bedeutung bei der Namensbildung — insbesondere bei Kindern — hat, ist in vielen Staaten ungeklärt. Ebenso offen ist es, inwieweit sich aus einem solchen Satz eine Verpflichtung zur Handhabung der ordre public-Klausel gegenüber ausländischem Recht herleiten läßt 7 1 a . Das mit seinen Bestimmungen über die Bildung des Namens anwendungswillige Heimatrecht einer Person kann Detailfragen an ein anderes Recht delegieren: Während das Heimatrecht etwa selbst bestimmt, daß der Familienname des neugeborenen Kindes derselbe Name ist, den der Vater trägt, auch wenn er einem anderen Staat angehört als das Kind, und auch wenn im Vaterrecht andere Sätze über die Bildung des Namens eines neugeborenen Kindes bestehen 72 , so kann der Heimatstaat des Kindes doch zugleich das Recht zur Bestimmung des Vornamens entweder den Eltern als solchen gemeinsam geben, oder etwa demjenigen Elternteil, welcher Inhaber des Sorgerechts ist; dann wäre wieder an Hand der Kollisionsnormen des Heimatstaates des Kindes zu ermitteln, nach welchem Recht sich die Innehabung des Sorgerechts richtet. Falsch wäre es, wenn der Forumstaat einen Satz des von ihm nach seinen Kollisionsnormen ermittelten Statuts für die gesetzlichen Verpflichtungen der Eltern gegenüber dem Kind, das etwa den Vater verpflichtet, dem Kind einen Vornamen zu geben, zur Anwendung bringen würde, obwohl das Heimatrecht des Kindes eine einhellige Entscheidung beider Eltern, und mangels Einigung die Entscheidung einer bestimmten Behörde des Heimatstaates vorsieht. Sagt das Heimatrecht der heiratenden Frau, daß sie denselben Familiennamen erwirbt, den der Mann schon hat, so wird dabei sicher die Gültigkeit, oder jedenfalls die vorläufige 499
§17
Spezialrecht des Wohnsitzstaates
Gültigkeit, der geschlossenen Ehe vom Standpunkt des Heimatstaates der Frau aus gesehen vorausgesetzt. Ist diese Gültigkeit zu verneinen, so wäre es unsinnig, wenn ein anderer Staat, der die Gültigkeit der Ehe bejaht, auch den Namenswechsel bejahen würde, obwohl vielleicht dasjenige Recht, auf dessen Anwendbarkeit die Gültigkeit der Ehe zurückzuführen ist, einen solchen Namenswechsel gar nicht vorsieht 7 3 . ' 3. Spezialrechtliche
Namensbildungsvorschriften
des
Wohnsitzstaates
Ein vom Gesetzgeber nicht ohne weiteres zu ignorierendes Interesse daran, daß jemand den Namen verwenden kann, der nicht den Namensbildungsregeln des Heimatstaates, aber denen des Wohnsitzstaates entspricht, besteht dann, wenn das Bestehen des rechtmäßigen privatrechtlichen Dauerrechtsverhältnisses zwischen mehreren Personen üblicherweise der Öffentlichkeit offengelegt wird, und damit im Wohnsitzstaat die Regelung verbunden ist, daß die an dem Rechtsverhältnis beteiligten Personen den gleichen Personennamen tragen. Hier ist ein Kompromiß zwischen den Gesichtspunkten, die für die Anwendung des Heimatrechts auf die Namensbildung und für die Anwendung des Wohnsitzrechts sprechen, ins Auge zu fassen. D e r Kompromiß besteht darin, daß der Wohnsitzstaat seine normale Zuweisung an das Heimatrecht durch Anwendbarerklärung eines Spezialrechtssatzes durchbricht, der dahin geht, daß ausländische Namensträger das Recht erhalten, durch einseitige Willenserklärung den Namen, den sie nach dem Wohnsitzrecht mit den anderen Partnern des Rechtsverhältnisses gemeinsam haben würden, anstelle des gemäß dem Heimatrecht gebildeten Namens zu wählen, um diesen Namen jedenfalls im Wohnsitzstaat zu führen. Das wird vor allem wichtig, wenn das Wohnsitzrecht Vorschriften enthält, welche im Zusammenhang mit der Entstehung eines Privatrechtsverhältnisses eine Änderung des Namens einer an diesem Rechtsverhältnis beteiligten Person unter Anpassung an den Namen des anderen vorsehen; der wichtigste praktische Fall ist der, daß die Ehefrau den Familiennamen des Ehemannes erwirbt, oder sich für einen zusammengesetzten Familiennamen entscheiden kann. Hier findet sich in Literatur und Rechtsprechung allerdings häufig die Meinung, daß das Wirkungsstatut für das Rechtsverhältnis, welches die Namensänderung auslöst, ohne weiteres auch für die Namensänderung maßgebend sei, obwohl es sich dabei sicher nur um eine „Nachwirkung" des Rechtsverhältnisses handelt 7 4 . Zum Teil geht man so weit, daß Bestimmungen im Heimatrecht des Namensträgers, welche mit Rücksicht auf ein präjudizielles Rechtsverhältnis eine Namensänderung vorsehen, als unanwendbar erklärt werden, wenn das Wirkungsstatut des präjudiziellen Rechtsverhältnisses seinerseits damit keine Namensänderung verbindet. Zugleich findet sich nicht selten der Gedanke, daß niemand unter Berufung auf sein eigenes Heimatrecht einen neuen Namen von dem Namen einer anderen Person „ableiten", d. h. den gleichen Namen wie die andere Person tragen dürfe, wenn nicht der erste Träger des Namens mit der Person, um deren Namensänderung es geht, durch ein vom Standpunkt seines Heimatstaates her gültiges Rechtsverhältnis verbunden sei, zu dessen „Wirkungen" es gehört, daß er die Ableitung des Namens dieser Person von seinem Namen dulden müsse, eventuell aber auch verlangen könne. Daß alles dies abwegig ist, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das „Recht" einer Person, anderen die unberechtigte Führung des eigenen Namens zu verwehren, und die öffentlich-rechtliche Pflicht, selbst den richtigen Namen zu führen, stets auf die Namensführung im Gebiet eines bestimmten Staates beschränkt und letztlich von der Gesetzgebung des Namensführungslandes geregelt wird. Während alle diese Namensführungsländer der Einheitlichkeit der Namensfassung zuliebe die Frage nach dem richtigen Namen im Prinzip so beantworten sollten, wie es im Heimatstaat des Namensträgers geschieht, ist für bestimmte Situationen, in denen die Gleichheit des Familiennamens im 500
Spezialrecht des Wohnsitzstaates
§17
Wohnsitzstaat ein gesellschaftlich bedeutsames Symptom für das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen zwei Menschen ist, ein Spezialrechtssatz des Wohnsitzlandes angebracht, der es ermöglicht, für die Namensführung in diesem Land anstelle der Namensbildungsregel des Heimatstaates die Namensbildungsregel des Wohnsitzlandes zu wählen, wenn diese zwischen den Parteien an einem Rechtsverhältnis Namensgleichheit schafft 75 . Vom Standpunkt der allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts läßt sich schwer etwas dagegen sagen, daß der Wohnsitzstaat der verheirateten Frau bestimmt, sie solle das Recht haben, anstelle ihres im Sinne des Heimatrechts durch Eheschließung nicht veränderten Namens den Familiennamen ihres Mannes durch ausdrückliche Erklärung anzunehmen und innerhalb des Staatsgebietes des Wohnsitzstaates als ihren alleinigen (und gegen Usurpation geschützten) Namen zu verwenden, wenn nach dem Inlandsrecht des Wohnsitzstaates der Familienname des Mannes kraft Gesetzes auch von der Frau zu tragen ist. Das Interesse der verheirateten Frau mit fremder Staatsangehörigkeit, in der Öffentlichkeit des Wohnsitzlandes durch Führung des Mannesnamens als dessen rechtmäßige Ehefrau zu erscheinen, kann vom Wohnsitzstaat als schutzwürdiges Interesse angesehen werden, welches die Bildung eine solchen Spezialrechtssatzes über ein Namenswahlrecht der Ausländerin rechtfertigt 76 . In entsprechender Weise könnte der Wohnsitzstaat auch einen Spezialrechtssatz bilden, der dem Kind fremder Staatsangehörigkeit, entgegen seinem Heimatrecht, die Möglichkeit verschafft, für die Anwendbarkeit derjenigen Vorschriften des Wohnsitzrechtes zu optieren, welche zu einer ohne staatliche Genehmigung erfolgenden Anpassung seines Familiennamens an den Namen des Vaters oder des Ehemannes der Mutter führt 77 . Hat der Wohnsitzstaat eine solche Bestimmung für die Namensführung auf seinem Gebiet getroffen, so kann auch der Heimatstaat des Namensträgers „nachziehen", und seine bilateralen Zuweisungsnormen über das auf die Fassung des richtigen Namens anwendbare Recht dahin modifizieren, daß, wenn das fremde Wohnsitzland einen Spezialrechtssatz der eben geschilderten Art hat, der richtige Name auch vom Standpunkt des Heimatstaates her der gemäß dem Spezialrechtssatz des Wohnsitzstaates gewählte Name sein soll. Dann, und nur dann, hat die verheiratete Frau auch im Heimatstaat ein Monopolrecht auf den mit dem Namen des Ehemannes gleichen Familiennamen, und ist verpflichtet, im Heimatstaat diesen Namen zu führen. Ein solches Nachziehen des Heimatstaates ist allerdings wohl nur dann zu erwarten, wenn er selbst in seiner Eigenschaft als Wohnsitzstaat entsprechende spezialrechtliche Vorschriften einseitig gebildet hat. Ein Staat, nach dessen Recht die Ehegatten unterschiedliche Namen behalten, wird kein Recht verheirateter, diesem Staat angehöriger Frauen billigen, sich in Übereinstimmung mit dem ausländischen Wohnsitzrecht den Namen des Mannes zuzulegen, und diesen dann auch im Heimatstaat zu führen. Der Wohnsitzstaat, welcher einem Ehepaar ausländischer Staatsangehörigkeit ermöglicht, nach Abgabe einer entsprechenden Erklärung in diesem Staat einen gemeinschaftlichen Familiennamen zu führen, wie ihn das Inlandsrecht dieses Landes vorsieht, sollte andererseits nicht den Anspruch erheben, deshalb nunmehr auch auf die Namensführung der Ehefrau im Ausland einzuwirken und Abweichendes von dem vorzuschreiben, was ein fremdes Namensführungsland vorsieht 78 . Endet das Rechtsverhältnis, dem zuliebe der Name einer Person in Abweichung vom Heimatrecht dem Namen einer anderen Person zum Gebrauch im Wohnsitzstaat angeglichen worden ist, so sollte das Heimatrecht wieder in vollem Umfang für die Namensfassung maßgebend sein. Ändert sich die Staatsangehörigkeit, so ist das neue Heimatrecht sicher für solche Fragen der Namensfassung maßgebend, die mit neuen Ereignissen zusammenhängen. Im übrigen aber ist es üblich, daß der neue Heimatstaat den im bisherigen Heimatstaat geführten Namen „übernimmt", ähnlich wie der neue Lagestaat einer Sache das bestehende 501
§17
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
Eigentum an der Sache „weiterführt". Eine Bildung von Spezialrecht ist angebracht, wenn der Namensträger die Staatsangehörigkeit wechselt, und die Art der Namensgestaltung im neuen Heimatstaat von der Art der Namensgestaltung im bisherigen Heimatrecht wesentlich abweicht. Erfolgt der Staatsangehörigkeitswechsel durch Naturalisation, so wird diese ohnehin nicht selten mit einer Namensänderung durch Staatsakt des neuen Heimatstaates verbunden sein 7 9 ; u. U. wird die Naturalisation davon abhängig gemacht, daß der zu Naturalisierende einen Namen annimmt, wie er in dem neuen Heimatstaat üblich ist. Es könnte auch Spezialrecht gebildet werden, wonach mit dem Staatsangehörigkeitswechsel der neue Bürger sich einen neuen Namen wählen darf, der möglichst alle noch brauchbaren Teile des früheren Namens enthält. Es liegt ferner nahe, im neuen Heimatstaat ein Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendbarmachung solcher namensrechtlichen Bestimmungen des neuen Heimatstaates vorzusehen, welche Namensgleichheit für die Parteien an einem bestimmten Rechtsverhältnis schaffen wollen 8 0 . Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik In bezug auf Immaterialgüterrechte besteht heute in Deutschland keine Meinungsverschiedenheit mehr über die „Territorialität" derartiger Rechte, deren Wirkungsbereich allerdings meist auf Grund völkerrechtlicher Verträge vom Ursprungsstaat auf das Gebiet anderer Staaten erweitert wird, indem dort parallele Rechte entstehen. Einhellig wird bei völligem Schweigen des EGBGB angenommen, daß alle „dinglichen" Rechte an Sachen nach dem Recht des Belegenheitsstaates zu beurteilen seien; es gilt dies sowohl für Monopolrechte zum Besitz und zur Benutzung der Sache, als auch für dingliche Rechte in Gestalt der vorrangigen Haftung eines solchen Monopolrechts für Schulden des Rechtsinhabers oder Dritter. Ziemlich verständnislos sind andererseits Literatur und Rechtsprechung zumeist gegenüber der im Vorangegangenen entwickelten Ansicht, daß die Frage nach der Fähigkeit zur Innehabung und zur persönlichen Ausübung von Monopolrechten, sowie die Frage nach der gesetzlichen Vertretung von ausübungsunfähigen Rechtsinhabern aus der Sicht desjenigen Rechts zu beurteilen sind, welches das Monopolrecht für das Staatsgebiet des betreffenden Staates begründet hat oder begründen will. Kaum Aufmerksamkeit gewidmet hat man auch der Befugnis des Wirkungslandes des Monopolrechts, Beeinflussungen der Rechtsausübung durch gesetzliche Vertreter des Rechtsinhabers von Seiten fremder Staaten entgegenzuwirken, wenn eine solche Beeinflussung nicht dem persönlichen Interesse des Rechtsinhabers entspricht, sondern politischen Interessen eines anderen Staates dienen soll. Die durch das positive deutsche Recht geförderte Vorstellung, daß eine Verletzung von Monopolrechten in gleicher Weise wie die Verletzung von Schutzgesetzen eine „unerlaubte Handlung" darstellt, hat der Rechtsprechung nicht überwundene Schwierigkeiten gemacht, wenn sie Bestimmungen über Schadensersatz aus unerlaubter Handlung anläßlich einer Verletzung eines Monopolrechts dem Recht des Handlungsortes oder dem gemeinsamen Heimatrecht zu entnehmen versucht, oder wenn sie auch hier Art. 12 EGBGB zur Anwendung bringen wollte 8 0 3 . Während es der Rechtsprechung vielfach nicht bewußt ist, daß eine rechtliche Verpflichtung aus dem deutschen Recht zur Führung des richtigen Namens, und zur Unterlassung der unberechtigten Führung eines Namens, sich nur auf die Namensführung durch den Namensträger in Deutschland und die benennende Tätigkeit deutscher Behörden, bezieht, ist es trotz des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage unbestritten, daß das Heimatrecht des Namensträgers normalerweise für die richtige Fassung seines Namens maßgebend ist; diese Verweisung auf das Heimatrecht dürfte als Gesamtverweisung zu verstehen sein 8 1 . Dementsprechend ist in einem von der Bundesrepublik ratifizierten Kollektivvertrag vom 4. 9. 1958 ausdrücklich klargestellt worden, daß Namensänderungen durch 502
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
§17
Staatsakt dem Heimatstaat vorbehalten sein sollen und in den anderen Vertragsstaaten anzuerkennen s i n d 8 2 . Bezüglich einer Namensänderung als N a c h w i r k u n g des Entstehens eines Privatrechtsverhältnisses hat sich der B G H 1971 8 3 unter A u f g a b e früherer Rechtsprechung zu dem Standpunkt bekannt, daß auch für diese Frage grundsätzlich das Heimatrecht des Namensträgers maßgebend ist. D a s Heimatrecht bestimmt, o b und wie etwa die Eheschließung kraft Gesetzes den N a m e n eines der Ehegatten verändert, oder ihm ein Recht zur Wahl eines bestimmten N a m e n s verschafft. Zugleich aber wird vom B G H von einem Satz, welcher eine Angleichung der Familiennamen von Ehegatten vorsieht, angenommen, daß er nicht nur z u m Namensrecht, sondern zugleich zu der Kategorie der Rechtssätze über Ehewirkungen gehöre, und daß ein im Ehewirkungsstatut anzutreffender Satz dieser Art ebenfalls berufen s e i 8 4 . Ein Konflikt zwischen dem Heimatrecht des Namensträgers und dem nach Ansicht des B G H in dieser Hinsicht durch den ehelichen Wohnsitz bestimmten Ehewirkungsstatut in bezug auf die Fassung des N a m e n s der verheirateten Frau will der B G H damit lösen, daß er hier der Frau — unbeschadet eines Rechts zur Wahl eines N a m e n s unter dem Heimatrecht — die Befugnis geben will, anstelle des nach dem Heimatrecht gebildeten N a m e n s den N a m e n zu wählen, den das Recht des gemeinsamen ehelichen Wohnsitzes als gemeinsamen N a m e n der Ehegatten vorsieht 8 5 . E s bleibt abzuwarten, o b diese Rechtsprechung dahin erweitert wird, daß bei deutscher Staatsangehörigkeit oder deutschem Wohnsitz eines Namensträgers der in Deutschland zu führende N a m e zwar grundsätzlich vom Heimatrecht geregelt wird, auch wenn es sich um die Namensveränderung anläßlich der Entstehung eines anderen familienrechtlichen Rechtsverhältnisses als der Ehe handelt, daß aber der Namensträger das Recht haben soll, die Anwendbarkeit derjenigen Bestimmungen des Wohnsitzrechts zu wählen, welche es ihm ermöglichen, denselben N a m e n zu führen, wie ihn bereits eine andere an dem Rechtsverhältnis beteiligte Person trägt oder erhält 8 6 . Keine endgültige Stellungnahme liegt in der Rechtsprechung bezüglich der Frage vor, o b für den Ersterwerb eines N a m e n s durch Gestaltungsakt (etwa der Eltern bezüglich des Vornamens des Kindes) das deutsche Heimatrecht des Namensträgers auf die einschlägigen Bestimmungen eines anderen Rechts (Statut der Beziehungen zwischen Kind und Eltern) verweist 8 7 . Schließlich fehlt es an einer Klärung durch oberstgerichtliche Rechtsprechung, o b bei doppelter Staatsangehörigkeit die effektivere Staatsangehörigkeit oder, wenn eine Staatsangehörigkeit die deutsche ist, die deutsche Staatsangehörigkeit ausschlaggebend sein s o l l 8 8 , oder o b der Namensträger eventuell zwischen beiden Heimatrechten wählen, oder gar nach Belieben beide durch die Heimatstaaten gebilligten N a m e n verwenden kann. H i n z u kommt, daß es ungeklärt ist, inwieweit im deutschen materiellen Recht das im Grundgesetz niedergelegte G e b o t der Gleichbehandlung der Geschlechter insbesondere bei der Bildung abgeleiteter N a m e n eine Rolle spielt; demgemäß ist es auch ungeklärt, inwieweit Abweichungen ausländischen Rechts von der namensrechtlichen Gleichbehandlung zu einem verfassungsrechtlich gebotenen Einsatz der ordre public-Klausel Anlaß geben. Daß dann, wenn v o m deutschen Standpunkt her eine Ehe besteht, und Deutschland Wohnsitzland ist, während die Ehe v o m Standpunkt des Heimatstaates beider Ehegatten her gesehen überhaupt nicht besteht, die deutschen Vorschriften über den N a m e n verheirateter Personen für die N a m e n s f ü h r u n g in Deutschland anwendbar sind, wird wohl mit der ordre public-Klausel „begründet" werden, desgleichen die Anwendung deutschen Rechts auf den N a m e n der aus dieser Ehe hervorgegangenen K i n d e r 8 9 .
503
Personensorgegewak
§18 § 18. P e r s o n e n s o r g e g e w a k a) Begriffliches
Die Gestaltung der Rechtsanwendungsanweisungen über die auf die Personensorge anzuwendenden Sachnormen wird wegen der komplexen Natur der Personensorge als Pflicht und subjektives Recht zugleich unvermeidlicherweise Gegenstand von Kompromissen, die nur selten als wirklich befriedigend empfunden werden. Als sorgebedürftig im Sinne der Bestimmungen über Personensorgepflicht und Personensorgerecht gelten wohl überall natürliche Personen im Kindesalter oder im Zustand der Geisteskrankheit. Eine privatrechtliche Verpflichtung zur Wahrnehmung der Personensorge über solche Kinder obliegt kraft Gesetzes parallel zur Unterhaltspflicht aus „Kausalität" durchweg den Eltern, sowie häufig anderen Aszendenten; seltener ist eine Personensorgepflicht von Seitenverwandten. Die Verpflichtung eines durch Staatsakt bestellten Vormundes, Pflegers usw. zur Ausübung von Personensorge geht meist zurück auf eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Übernahme dieser Funktion, die gegenüber dem Sorgeobjekt eine Verpflichtung aus Privatrecht darstellt, während die Ausübung von Personensorge durch die in öffentlichen Anstalten tätigen Angestellten rechtlich zumeist eine auf Dienstvertrag gegründete Verpflichtung zugunsten Dritter darstellt. Als privatrechtliche Unrechtsfolge für die Verletzung von Pflichten zur (richtigen) Ausübung von Personensorge durch Verwandte und Vormünder sind Schadensersatzpflichten denkbar; bei Verwandten und „freiwilligen" Pflegeeltern sind sie jedoch nicht so wichtig, wie die Unrechtsfolge der Entziehung des Sorgerechts durch Staatsakt im Einzelfall. Mit der Personensorge untrennbar verknüpft sind gewisse Befugnisse gegenüber dem menschlichen Sorgeobjekt selbst. Sie stellen sich juristisch einerseits als eine Befreiung von gewissen allgemeinen Verhaltensnormen gegenüber dem Sorgeobjekt dar, die insbesondere Eingriffe in die Freiheit, eventuell auch die körperliche Unversehrtheit des Sorgeobjekts in Durchbrechung der Vorschriften des allgemeinen Deliktsrechts als erlaubt erscheinen läßt 1 . Zum anderen bedeutet Sorgegewalt das eigene Recht des Sorgegewaltsinhabers, Einwirkungen anderer auf das Sorgeobjekt, soweit sie nicht ausdrücklich von dem Inhaber erlaubt werden, oder kraft Gesetzes, oder auf Grund eines Staatsaktes zulässig sind 2 , zu verbieten 3 und abzuwehren; damit erhält die Personensorgegewak den Charakter eines Monopolrechts. Unter diesem Aspekt wird es verständlich, daß auch der rechtlich nicht begründete, aber effektiv ausgeübte „Besitz" von Sorgegewalt Rechtsschutz gegenüber Störern genießen kann. Es ist denkbar, daß Personensorge durch mehrere Personen gemeinsam einverständlich ausgeübt wird; dann aber ist ein rechtlicher Mechanismus erforderlich, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Die meisten Rechte sehen vor, daß Personensorge nur durch eine einzige, und zwar meist eine natürliche Person, ausgeübt wird. Das positive Recht bildet infolgedessen häufig Rangfolgeordnungen der zur Personensorge berufenen Personen. Diese Regelungen werden nicht nur aktuell, wenn erstmalig das Bedürfnis nach Personensorge entsteht, sondern auch dann, wenn ein vorrangiger Sorgeberechtigter wegfällt oder ihm die Sorgegewalt entzogen wird. Von der Personensorgegewak zu unterscheiden ist die gesetzliche Vertretung einer sorgebedürftigen und zugleich nicht geschäftsfähigen Person bei der Ausübung der ihr zustehenden Vermögensrechte und der Verteidigung gegenüber vermögensrechtlichen Ansprüchen anderer, und die gesetzliche Vertretung bei der Abgabe von Willenserklärungen in vermögensrechtlichen und nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten 33 . In manchen Rechten sind, insbesondere bezüglich minderjähriger Kinder, Personensorgegewak, gesetzliche Vertretung bei der Ausübung von Rechten und sonstige gesetz504
Gesichtspunkte für die Bestimmung des anwendbaren Rechts
§ 18
liehe Vertretung normalerweise als „elterliche" bzw. „väterliche" Gewalt bei einem Inhaber zusammengefaßt und mit Unterhaltspflichten gekoppelt. In vielen Rechten wird jedoch unterschieden zwischen der „Sorge" für die eigentlichen elementaren Lebensbedürfnisse des Sorgeobjekts, der „Sorge" für Bildung und Kontakte des Sorgeobjekts mit anderen, der „Sorge" für vorhandenes Vermögen und schließlich der gesetzlichen Vertretung bei solchen Geschäften, die nicht zur „Vermögensverwaltung" gehören; die eine oder andere Aufgabe wird dann möglicherweise verschiedenen Personen zugewiesen 4 . b) Gesichtspunkte f ü r die Bestimmung des anwendbaren Rechts Wird in der Personensorge für Kinder eine auf Kausalität gegründete Verpflichtung der Eltern (evtl. auch anderer Aszendenten) gesehen, welche die Verpflichtung zur Bereitstellung der Mittel zum Unterhalt ergänzt, so kann neben dem Staat, der das Personalstatut der Eltern stellt, vor allem der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des sorgebedürftigen Kindes als zur Auferlegung einer solchen Verpflichtung durch sein Recht aus den gleichen Gründen legitimiert gelten wie zur Auferlegung von Unterhaltspflichten 5 . Kommen Aszendenten für die Ausübung der Personensorgepflicht nicht in Frage — etwa weil keine Aszendenten mehr leben, oder weil den lebenden Aszendenten wegen Pflichtverletzung das Personensorgerecht entzogen worden ist —, so hat in erster Linie der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Sorgebedürftigen Anlaß, eigene Sachnormen über gesetzliche Personensorgepflichten (etwa von Seitenverwandten) zur Anwendung bringen zu lassen; das darf er sicher, wenn auch der Sorgepflichtige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hat. N u r wenn das Personalstatut einer als sorgepflichtig in Frage kommenden Person, die ihren gewöhnlichen' Aufenthalt im Ausland hat, ebenfalls ihre Sorgepflicht vorsieht, hat es jedoch Sinn, daß das Land des gewöhnlichen Aufenthalts des Sorgeobjekts dieser Person die Übernahme der Personensorge auferlegen will 6 . Als letzter Ausweg bleibt dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Bestellung eines Vormunds oder von Pflegeeltern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls in diesem Staat haben und nicht notwendig Staatsangehörige des Aufenthaltsstaates zu sein brauchen. Da der Heimatstaat einer natürlichen Person die völkerrechtliche Verpflichtung hat, sie zu „übernehmen", wenn ihr Unterhalt und die Sorge für sie in einem anderen Staat der Öffentlichkeit zur Last fallen müßte, so ist schließlich auch der Heimatstaat legitimiert, durch eigene Bestimmungen eigene Staatsangehörige oder Bewohner zur Ausübung von Personensorge über Staatsangehörige im Ausland zu verpflichten. Sieht man in der Personensorge das „ M o n o p o l r e c h t zu Einwirkungen auf ein menschliches Sorgeobjekt, so ist zunächst einmal der Staat des jeweiligen tatsächlichen Aufenthalts dieses Sorgeobjekts berechtigt, Bestimmungen über den Inhalt solcher „Gewalt" zu treffen. Da ein Gewaltverhältnis von Menschen über Menschen weitgehend in Durchbrechungen der strafrechtlichen Sätze über den Schutz der — oft noch verfassungsrechtlich besonders gesicherten — individuellen Freiheit vor Eingriffen anderer besteht, wird der Staat des Handlungsortes sich kaum bereit finden, die Ausgestaltung solcher Durchbrechungen auch im Verhältnis zwischen Ausländern, die sich auf dem Staatsgebiet aufhalten, in vollem Umfang ausländischem Privatrecht zu überlassen und erst bei krassen Abweichungen einzuschreiten. Wenn ein Staat Anwendbarkeit seiner Bestimmungen über Tierquälerei auch für Tiere beansprucht, die im Eigentum durehréisender Ausländer stehen, so können Vorgänge im Inland bei der Ausübung von Sorgegewalt, die zwar vom Standpunkt ausländischer Rechte und ausländischer Sitten zulässig sein mögen, aber im Verhältnis zwischen Inländern schon strafbar sein würden, nicht geduldet werden. Wenn im übrigen bei einer nur zeitweise im Inland ausgeübten Sorgegewalt im Verhältnis zwischen Ausländern das Recht des inländischen Aufenthaltsortes nicht in vollem Umfang anwendbar gemacht wird, so kommt es im Aufenthaltsstaat zu einem Spezialrecht, das 505
§18
Sorgerech tsentziehung
inhaltlich zwischen dem steht, was für ein Sorgegewaltverhältnis zwischen Inländern im Inland und für ein Sorgegewaltverhältnis zwischen Ausländern in ihrem Heimatstaat rechtens wäre 7 . Am schwierigsten ist die Frage, welches Anknüpfungsmoment sachgerecht ist, um die Regelung darüber zu finden, welcher von mehreren Prätendenten bei der Zuweisung der Sorgegewalt vorzuziehen ist. Das hängt nun u. a. auch wieder von der inhaltlichen Ausgestaltung der in Frage kommenden Sachnormen ab. Obwohl im positiven Recht bisher nirgendwo verwirklicht, könnte die Regelung im materiellen Recht dahin gehen, daß von allen denjenigen, die als Eltern, sonstige Verwandte oder zur Übernahme der Sorgegewalt willige Dritte sich um das Sorgerecht im Einzelfall bewerben, der Vorzug dem zu geben wäre, der zu einem bestimmten Zeitpunkt als derjenige erscheint, bei dem die Zuweisung der Sorgegewalt dem Kindeswohl am förderlichsten wäre. Würde ein Staat eine solche Regelung haben, so würde er sie wohl gegenüber allen auf dem Staatsgebiet befindlichen Kindern zur Anwendung bringen lassen. Die meisten Rechte sind bisher nicht geneigt, diese Lösung jedenfalls dann zu akzeptieren, wenn sich unter den Sorgerechtsprätendenten die Eltern befinden, und eine Zuweisung der Sorgegewalt an beide Eltern oder an einen Elternteil das Kindeswohl nicht gefährdet, selbst wenn das Kind bei einem anderen Interessenten besser aufgehoben wäre. Daß die Rangfolge der Sorgeberechtigten bei verheirateten Eltern nach dem Ehewirkungsstatut beurteilt werden sollte 8 , während es bei geschiedenen Eltern auf das Scheidungsstatut, und bei unverheirateten Eltern mangels Ubereinstimmung ihrer Personalstatuten auf das Personalstatut des Kindes, oder der Mutter allein, ankommen sollte, ist deshalb nicht empfehlenswert, weil ja dann auch die Gründe für eine Entziehung des Sorgerechts gegenüber den Eltern, und die Zuweisung des Sorgerechts an andere Verwandte in den beiden ersten Fällen von dem Ehewirkungs- bzw. Scheidungsstatut abhängen würden. Wohl überall finden sich Regelungen, wonach die Sorgegewalt dem bisherigen rechtmäßigen Inhaber, und zwar auch den Eltern, entzogen werden kann und soll, wenn mit dem Fortbestehen seiner Sorgegewalt das Kindeswohl gefährdet ist. Dann kommt es gleichzeitig zu endgültigen oder vorläufigen Zuweisungen der Sorgegewalt an andere Personen; auch hierfür ist eine Regelung des Vorrangs unter den Prätendenten erforderlich. Wird eine Gefährdung des Kindeswohls erwartet, wenn mehrere Prätendenten gemeinsam als Sorgeberechtigte erklärt würden, oder entfallen die Eltern als Sorgerechtsinhaber, so haben viele Rechte keine Rangfolge innerhalb des Kreises derjenigen, die für die Ausübung des Sorgerechts in Frage kommen; es kommt vielmehr ausschließlich darauf an, was dem Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalles förderlicher ist. Andere Rechte haben jedoch auch in solchen Fällen immer noch eine abstrakte Regelung über die vorrangige Berechtigung gewisser Personen zur Ausübung der Sorgegewalt, welche nur durchbrochen wird, wenn dem vorrangig Sorgeberechtigten die Sorgegewalt wegen Gefährdung des Kindeswohls wieder entzogen wird. Nicht selten finden sich jedoch Mischungen zwischen beiden Systemen. Als Inlandsverknüpfung, die einem Staat Anlaß geben kann, die eine oder andere Vorschrift seines Rechts über Sorgegewalt als anwendbar zu erklären, kommt sicher schon der einfache Aufenthalt des Sorgeobjekts in Frage. Dieser Staat wird insbesondere sowohl eine nur de facto bestehende, als auch eine bis dahin rechtmäßige Sorgegewalt durch seine Behörden gemäß seinem Recht beenden lassen, wenn eine Gefährdung, vielleicht auch nur wenn eine schwere oder aktuelle Gefährdung des Kindeswohls bei dem bisherigen Inhaber der Sorgegewalt angenommen wird. In diesem Fall sollte sich jedoch der Staat des einfachen Aufenthalts auf eine vorläufige neue Zuweisung der Sorgegewalt beschränken; in Verbindung damit könnte auch eine spezialrechtliche Anordnung getroffen werden, welche diesem provisorischen Inhaber der Sorgegewalt verbietet, das Sorgeobjekt insbe506
Sorgerechtszuweisung
§18
sondere in ein Land zu verbringen, wo gerade derjenige wieder zum Inhaber der Sorgegewalt würde, in dessen Händen der Aufenthaltsstaat die Gefährdung des Kindeswohls gesehen hat. Hat das Kind in einem Staat nicht nur seinen einfachen Aufenthalt, sondern hat es dort bisher seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt, und wird in diesem Staat die Frage nach dem richtigen Inhaber der Sorgegewalt streitig, so scheint dieser Staat zu mehr legitimiert, als zur Entziehung bestehender Sorgegewalt wegen Gefährdung des Kindeswohls und zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen im Zusammenhang mit einer solchen Entziehung einer vollen Anwendung des Rechts des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts. Für die besonders wichtige Frage, wem die Sorgegewalt alsbald nach der Geburt des Kindes zustehen — und zwar kraft Gesetzes zustehen — soll, ist aber eine Zuweisung an das Recht des Landes, wo das Kind nach der Geburt seinen gewöhnlichen Aufenthalt erhält, schon deshalb wenig geeignet, weil dieses Anknüpfungsmoment durch denjenigen realisiert wird, dem es tatsächlich gelingt, sich den Besitz der Sorgegewalt zu verschaffen und in dem von ihm dazu ausgesuchten Land diese auszuüben. Der Rechtssatz, dem zu entnehmen ist, wem alsbald nach der Geburt des Kindes die Sorgegewalt rechtmäßig zustehen soll, muß also vermittels eines anderen Anknüpfungsmomentes als des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in der Zeit nach der Geburt ermittelt werden. Unter den anderen in Frage kommenden Verknüpfungen, nämlich Staatsangehörigkeit bzw. Wohnsitz von Vater und Mutter sowie der Staatsangehörigkeit des Kindes, erscheint die letztere deshalb als das zu bevorzugende Kriterium, weil damit eine Entscheidung zugunsten einer Verknüpfung von Vater oder Mutter bei der Gestaltung der Kollisionsnormen vermieden wird. Schwierigkeiten entstehen jedoch, wenn das Kind sowohl über den Vater, als auch über die Mutter eine Staatsangehörigkeit, und möglicherweise zugleich auch noch als dritte Staatsangehörigkeit die des Geburtslandes, erwirbt. Die Verstärkung einer der Staatsangehörigkeiten des Kindes als Anknüpfungsmoment durch den zur Zeit der Geburt bestehenden Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt eines Elternteils, oder beider Eltern, in einem der Heimatstaaten des Kindes ist hier ein brauchbares Kriterium, um bei mehrfacher Staatsangehörigkeit des Kindes zumeist zu einem Recht als dem ersten Sorgegewaltstatut zu kommen. Daß es beim legitimen Kind mit mehrfacher Staatsangehörigkeit allein auf die Staatsangehörigkeit ankommen sollte, die zugleich die des Vaters ist, während beim nichtlegitimen Kind die mit der Mutter gemeinsame Staatsangehörigkeit den Ausschlag geben würde, scheitert heute wohl vielfach aus verfassungsrechtlichen Gründen. Andererseits macht das für die Regelung des „ersten" Sorgerechts in Frage kommende Privatrecht die Bestimmung des Inhabers der Sorgegewalt häufig davon abhängig, ob das Kind ein legitimes Kind ist oder nicht. Zugleich hängt der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vaters oder der Nichterwerb der Staatsangehörigkeit der Mutter oft davon ab, ob das Kind vom Standpunkt der einschlägigen Staatsangehörigkeitsgesetze her als legitimes Kind anzusehen ist oder nicht. Hierbei ist nicht darum herumzukommen, daß der als Heimatstaat in Frage kommende Staat für die Zwecke seines Staatsangehörigkeitsrechts die Kriterien für eine legitime Abstammung entweder durch Spezialrecht selbst regelt, oder jedenfalls Zuweisungsnormen zur Ermittlung desjenigen Rechts bereitstellt, nach dem die legitime Abstammung für die Zwecke seines Staatsangehörigkeitsrechts zu bestimmen ist. Hat das Kind schon bei Geburt die Staatsangehörigkeit mehrerer Staaten, und ist jede dieser Verknüpfungen in gleicher Weise durch andere Verknüpfungen verstärkt, so kann die Bevorzugung des eigenen Rechts durch einen der Heimatstaaten schwerlich mit der Begründung abgelehnt werden, daß das andere Recht das dem Kindeswohl förderlichere sei. Wohl aber liegt es nahe, die Personensorgeregelung desjenigen anwendungswilligen Heimatrechts vorzuziehen, wo das Kind als meistbegünstigtes (legitimes) Kind behandelt wird, 507
§18
Wechsel des Sorgerechtsstatuts
wenn es unter dem anderen Recht als nichtlegitimes Kind gelten müßte, vorausgesetzt, daß der sorgeberechtigte legitime Elternteil dem Kind auch Unterhalt als einem meistbegünstigten Kind zu leisten hat. Allerdings kann in einem Staat, welcher dem Kind wegen illegitimer Abstammung von der Mutter, oder wegen Geburt auf inländischem Staatsgebiet, seine Staatsangehörigkeit verleihen will, der gleichzeitige Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vaters in einem anderen Staat wegen der dort zu bejahenden legitimen Abstammung, und ein Vorrang dieser Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment dann auf Bedenken stoßen, wenn der Heimatstaat des angeblichen Vaters im Zusammenhang mit der Frage nach dem-Erwerb der Staatsangehörigkeit des Vaters durch das Kind wegen legitimer Abstammung diese allein deswegen bejahen will, weil eine Anerkennung seitens des Vaters vorliegt, und wenn nach diesem Recht nur unzureichende Möglichkeiten bestehen, um das Anerkenntnis im Interesse des Kindes zu bestreiten und als unrichtig zu widerlegen 9 . Das Heimatrecht des Kindes zur Zeit der Geburt als erstes Statut zur gesetzlichen Bestimmung des Sorgerechtsinhabers wird bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit durch das neue Heimatrecht verdrängt; das vermittels der Staatsangehörigkeit ermittelte Sorgerechtsstatut ist nicht unwandelbar. Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit des Kindes zur Zeit der Geburt kann der Verlust der einen Staatsangehörigkeit oder die Veränderung der verstärkenden Verknüpfung den Wechsel des Statuts herbeiführen. Ob das Kind bei einem durch Naturalisation oder Option herbeigeführten Wechsel der Staatsangehörigkeit durch diejenige Person vertreten wird, die bis dahin unter dem bisherigen Heimatrecht Inhaber der Sorgegewalt war, spielt dabei keine Rolle. Wird die nach dem jeweiligen Heimatrecht des Sorgeobjekts rechtmäßige Sorgegewalt dem Inhaber gemäß diesem Recht durch Staatsakt einer Behörde, die vom Standpunkt dieses Heimatstaates her zuständig war, entzogen, und wird nach dem Heimatrecht kraft Gesetzes eine andere Person nunmehr der rechtmäßige Inhaber der Sorgegewalt, so entstehen keine Schwierigkeiten, auch wenn die Stellung des neuen Inhabers der Sorgegewalt durch eine konstitutive gerichtliche Feststellung bestätigt werden muß. Befindet sich das sorgebedürftige Kind nicht in dem Heimatstaat, nach dessen Recht über das Sorgerecht zu entscheiden ist, so ist eine Zuständigkeit der Behörden des Heimatstaates zur Prüfung der Frage, ob ein Grund zur Entziehung der Sorgegewalt entstanden ist, oft wenig zweckmäßig; vielmehr wird hierfür das Vormundschaftsgericht im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zumeist geeigneter sein. Dasselbe gilt auch für die Prüfung der Frage, welcher von mehreren Sorgerechtswilligen — wenn der Nachfolger nicht kraft Gesetzes feststeht — für das Kind der geeignetere ist. Diese Erwägung rechtfertigt es wiederum, daß auch der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts seine Behörden für eine notwendige Neuregelung des Sorgerechts als zuständig erklärt und ihnen die Anwendung seines Rechts aufgibt. Es sollte dies jedoch nur vorbehaltlich eines Eingreifens gesetzlicher Regelungen des Heimatstaates bzw. der Behörden des Heimatstaates geschehen, und der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts sollte endgültige Maßnahmen durch seine eigenen Behörden erst treffen, wenn feststeht, daß die Behörden des Heimatstaates von ihrer Zuständigkeit keinen Gebrauch machen wollen. Die beim Fehlen einer anderweitigen Regelung durch den Heimatstaat vom Staat des gewöhnlichen Aufenthalts vermittels Einzelaktes begründete Sorgegewalt sollte dann auch in dritten Staaten als rechtmäßige Sorgegewalt anerkannt werden, und insbesondere auch in dem Staat, in dem nach Beendigung des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird. Die bestehende Sorgegewalt gilt dann so lange weiter, bis sich unter dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts ein Grund zur Entziehung der Sorgegewalt oder zur Neuregelung bemerkbar macht. W i r d die Sorgegewalt über ein Kind tatsächlich längere Zeit gegen den Willen oder im
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Wohlerworbene Sorgerechte?
§18
Einverständnis mit dem Sorgerechtsinhaber durch einen anderen ausgeübt, so kann unter den Umständen des konkreten Falles eine Gefährdung des Kindeswohls darin gesehen werden, daß dieses Sorgeverhältnis beendet und das Kind dem rechtmäßigen Inhaber der Sorgegewalt überlassen würde. Die Anordnung, daß das Kind aus diesem Grunde nicht an den rechtmäßigen Inhaber der Sorgegewalt zurückzugeben ist, kommt dann einer endgültigen oder vorläufigen Entziehung des Sorgerechts gleich. Die Zuständigkeit für diese Entscheidung kann dem jeweiligen Aufenthaltsstaat des Kindes nicht bestritten werden, wenn er bei irgendeiner Gefährdung des Kindeswohls Maßnahmen auf Grund seines Rechts treffen darf. Da auch eine Zuweisung des Sorgerechts an einen von mehreren prima facie gleichberechtigten Bewerbern (also insbesondere Vater oder Mutter) an Hand dessen, was für das Kindeswohl im konkreten Fall förderlich ist, stets nur eine Zuweisung unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Verhältnisse, und unter Vorbehalt einer späteren anderweitigen Zuweisung bei Änderung dieser Verhältnisse ist, ist selbst der nach Kindesentführung zum gewöhnlichen Aufenthaltsland des Kindes gewordene Staat legitimiert, die im Staat des bisherigen Aufenthalts oder im Heimatstaat des Kindes getroffene Entscheidung mit Rücksicht auf veränderte Verhältnisse abzuändern. Mit Änderungen der Sorgegewalt wegen einer Gefährdung des Kindeswohls durch den Staat, in dem sich das Kind zur Zeit der Entscheidung aufhält, nicht zu verwechseln ist die Durchsetzung der Rechte des vom Standpunkt der Rechtsordnung des Aufenthaltslandes rechtmäßigen Inhabers der Sorgegewalt gegenüber dem, der die Sorgegewalt bis dahin in dem bisherigen Aufenthaltsstaat, und zwar rechtmäßig vom Standpunkt der Rechtsordnung dieses Staates, ausgeübt hat. Hierzu sind folgende Erwägungen am Platze: Bei vermögensrechtlichen Monopolrechten wird es von anderen Staaten als dem Wirkungsland zur Zeit des Erwerbes eines solchen Rechts weitgehend respektiert, in welcher Weise dieses Wirkungsland andere Rechte in ihrer Eigenschaft als Personalstatut von natürlichen Personen heranzieht, um damit Teilfragen zu beantworten. Das äußert sich vor allem bei Monopolrechten an Sachen, indem der spätere Lagestaat das im bisherigen Lagestaat unter Verwendung der dort herangezogenen Heimatrechte von Beteiligten bestehende Eigentum als „wohlerworbenes" Recht zugunsten des bisherigen Inhabers weiterführt: Ob das von den Eltern zur Aneignung herrenloser Sachen angehaltene Kind Eigentum für sich selbst, oder für beide Eltern, oder für Vater oder Mutter allein begründet hat, wird im späteren Lagestaat der Sache so beurteilt, wie es in der Sicht des früheren Lagestaates beurteilt wurde; der neue Lagestaat kann die Fragen nach dem erstmaligen Eigentumserwerb in dem früheren Lagestaat nicht so beurteilen, wie er es getan hätte, wenn die Sache zur Zeit des Erwerbes schon in diesem neuen Lagestaat belegen gewesen wäre. Da auch die Sorgegewalt über einen sorgebedürftigen Menschen, wie oben ausgeführt, ein Monopolrecht ist, wäre es nicht unlogisch, grundsätzlich jedes im bisherigen Aufenthaltsland des Sorgeobjekts „wohlerworbene Sorgerecht" bei einem Wechsel des Aufenthalts in dem neuen Aufenthaltsland in ähnlicher Weise weiterzuführen, wie der neue Lagestaat das Eigentum an der Sache weiterführt; selbstverständlich wäre eine Entziehung und neue anderweitige Zuweisung des Sorgerechts bei Gefährdung des Kindeswohls dabei nicht ausgeschlossen. Das positive Recht wohl aller Länder geht diesen Weg jedoch nicht. Man ermöglicht vielmehr jedem neuen Aufenthaltsstaat, die Frage nach dem richtigen Inhaber des Sorgerechts, und insbesondere auch die Frage nach dem ersten rechtmäßigen Inhaber des Sorgerechts, neu aufzurollen, und nach dem vom neuen Aufenthaltsstaat für anwendbar betrachteten Recht zu beurteilen: Steht der spätere Aufenthaltsstaat des von einer unverheirateten Frau geborenen Kindes auf dem Standpunkt, daß das Heimatrecht des Kindes zur Zeit der Geburt maßgebend dafür ist, ob kraft Gesetzes die Mutter allein, oder gemeinsam mit dem nichtehelichen Vater, oder ob gar allein dieser das Personensorgerecht erhält, so wird der spätere Aufenthaltsstaat die so ermittelte Sorgerechtsregelung auf Verlangen verwirklichen, ohne 509
§18
Spezialrecht betreffend Sorgegewalt
daß dem entgegengehalten werden kann, es liege doch bereits ein wohlerworbenes Sorgerecht desjenigen vor, der vom Standpunkt des ersten Aufenthaltsstaates des Kindes her, also etwa gemäß dem dort berufenen Domizilrecht der Mutter, zur Wahrnehmung des Sorgerechts berufen war. Damit, daß jeder Aufenthaltsstaat des Kindes die Frage nach dem rechtmäßigen Inhaber des Sorgerechts neu aufwerfen und in seiner Sicht beantworten kann, ohne „wohlerworbene" Sorgerechte des früheren Aufenthaltslandes berücksichtigen zu müssen, darf nicht verwechselt werden, daß der neue Aufenthaltsstaat den praktisch bestehenden und auf Grund des bisherigen Rechts rechtmäßigen „Besitz" der Sorgegewalt gegen eigenmächtige Eingriffe Dritter, und zwar auch gegen Eigenmacht dessen, der vom Standpunkt des neuen Aufenthaltsstaates her der rechtmäßige Inhaber des Sorgerechts ist, zu schützen pflegt. c) Spezialrecht betreffend Sorgegewalt Spezialrechtliche Vorschriften über die Sorgegewalt in heterogen verknüpften Fällen liegen nahe in Gestalt von Sachnormen, welche den Inhaber der Sorgegewalt in der Bestimmung des Aufenthalts des Sorgeobjekts Beschränkungen auferlegen. Vor allem dort, wo das Gericht zwecks Wahrung des Kindeswohls die bestehende Sorgegewalt entziehen und auf Grund von Vorrangsregeln einem von mehreren anderen Prätendenten zuweisen muß, kann vielfach angeordnet werden, daß das Sorgeobjekt von dem neuen Inhaber der Sorgegewalt nicht aus dem Staatsgebiet entfernt werden darf, sei es, um die Ausübung des Besuchsrechts anderer Verwandter nicht unmöglich zu machen, sei es, um zu verhindern, daß ein anderer Aufenthaltsstaat des Kindes die getroffene Regelung abändert 10 ' a l . Allerdings ist es auch schon wieder fraglich geworden, ob solche spezialrechtlichen Vorschriften verfassungsrechtlich haltbar sind. Aus der mit dem Sorgerecht stets verbundenen Verpflichtung, für das Wohl des Sorgeobjekts im Rahmen eines breiten, d. h. vom Staat unkontrollierten, Ermessens zu sorgen, kann vielfach schon gefolgert werden, daß insbesondere Kinder nicht an Orten untergebracht werden dürfen, wo sie gesundheitlich oder sonstwie gefährdet sind, sofern eine bessere Unterbringung an einem anderen Ort möglich — und insbesondere seitens des Sorgeberechtigten oder des zum Unterhalt Verpflichteten finanzierbar — ist. Das deckt dann häufig auch die Unzulässigkeit der Verbringung des Kindes in einen bestimmten anderen Staat. d) Völkerrechtliche Gesichtspunkte Während ein zusätzlicher Schutz des Eigentums an Sachen durch andere Staaten als den Lagestaat vor allem darin bestehen kann, daß ihre Gerichte Schadensersatzansprüche zubilligen oder Schadensersatzurteile des Lagestaates vollstrecken lassen, spielt Entsprechendes bei Eingriffen in die Sorgegewalt praktisch kaum eine Rolle. Zur Entscheidung über Unterlassungs- und Herausgabeansprüche, und erst recht zur Vollstreckung solcher Entscheidungen, kommt vorwiegend nur der Staat in Frage, wo sich das Sorgeobjekt tatsächlich befindet. Wenn es trotz aller Bemühungen um eine einheitliche Beurteilung der Frage nach dem Sorgerecht dazu kommt, daß vom Standpunkt des einen Staates eine andere Person als diejenige, die im Aufenthaltsstaat die Sorgegewalt tatsächlich in Ubereinstimmung mit dem Standpunkt dieses Staates ausübt, das bessere Recht auf Ausübung der Sorgegewalt hat, so ist immer damit zu rechnen, daß diese Person sich unter Verletzung des Rechtes des Aufenthaltsstaates aus eigener Initiative des Sorgeobjekts bemächtigt, möglicherweise sogar, daß sie von dem Staat, der ihr Sorgerecht und Sorgepflicht zuschreibt, dazu angehalten wird. Hier kann die Frage entstehen, ob nicht die Verletzung des öffentlichen Rechts des Aufenthaltsstaates durch Entführung eines Kindes allein schon Anlaß für völker'recht510
Völkerrechtliche Gesichtspunkte
§18
liehe Ansprüche auf Rückführung des entführten Kindes ist. Ein völkerrechtlicher Anspruch des Heimatstaates einer Person darauf, daß Personensorge über diese Person nur nach Maßgabe des Rechtes ausgeübt wird, das der Heimatstaat des Sorgeobjekts für anwendbar hält, besteht aber mangels eines Staatsvertrages sicher nicht 1 2 . Kein Staat ist auch verpflichtet, allein auf Verlangen des Heimatstaates ihm einen sorgebedürftigen Angehörigen auszuliefern. Eine Entführung durch Personen, denen nach dem Privatrecht keines verknüpften Staates ein Sorgerecht zusteht, ist jedoch, insoweit sie vom Heimatstaat des Entführers veranlaßt oder gefördert wird, ein Völkerrechtsdelikt, das einen völkerrechtlichen Anspruch auf Rücklieferung zur Folge hat. D a s Verbot staatlicher Förderung von Kindesentführungen gilt auch, wenn der Heimatstaat eigenen Staatsangehörigen, die sich mit ihren Kindern im Ausland befinden, die elterliche Gewalt entzogen und einen Vormund bestellt hat; sind die Eltern im Aufenthaltsland im tatsächlichen Besitz der Gewalt über das Kind geblieben, und ist ihnen die Sorgegewalt nicht auch vom Aufenthaltsstaat entzogen worden, so darf der Heimatstaat nicht etwa den von ihm bestellten Vormund mit der Entführung beauftragen. Der Heimatstaat des Sorgeobjekts darf auch einem Staatsangehörigen des Aufenthaltslandes nicht unter Strafandrohung verbieten, Sorgegewalt in Ubereinstimmung mit dem Recht des Aufenthaltslandes auszuüben und demjenigen vorzuenthalten, der vom Standpunkt des Heimatstaates dazu allein berechtigt wäre. Völkerrechtlich bedenklich ist es erst recht, wenn der Heimatstaat des Sorgeobjekts den vom Standpunkt des Aufenthaltsstaates rechtmäßigen Inhaber der Sorgegewalt auffordert, das Sorgeobjekt unter Begehung einer vom Standpunkt des Aufenthaltsstaates her strafbaren Handlung nach dem Heimatstaat zu verbringen. Keine Bedenken bestehen dagegen, daß der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts eines Sorgeobjekts eine Verletzung der von ihm auferlegten Pflicht zur Ausübung von Sorgegewalt (einschl. spezialrechtlicher Verbote der Verbringung des Sorgeobjekts ins Ausland) als strafbare Handlung bewertet, auch wenn der Inhaber der Sorgegewalt damit den Anordnungen eines anderen Staates Folge geleistet hat. Dann ist erst recht wieder ein Befehl des Heimatstaates des Sorgeobjekts zur Verletzung dieser Vorschriften des Aufenthaltslandes völkerrechtlich bedenklich, wenn der Befehlsempfänger nicht selbst durch Staatsangehörigkeit mit dem Heimatstaat des Sorgeobjekts verknüpft ist. Eine völkerrechtliche Verpflichtung, eine von einer Privatperson aus eigener Initiative und ohne Unterstützung durch den Heimat- oder Wohnsitzstaat dieser Privatperson aus dem Ausland entführte sorgebedürftige Person dorthin zurückzubefördern, ist nicht anzunehmen, wenn die Gerichte in dem Staat, in den die Person gebracht worden ist, bona fide der Überzeugung sind, daß das Kindeswohl durch eine solche Rückführung gefährdet wäre. Es läßt sich auch bei staatsvertraglichen Regelungen über Sorgegewalt nicht vermeiden, daß derjenige Staat, in dem sich eine sorgebedürftige Person tatsächlich befindet, seinen Gerichten ermöglicht, notfalls mit Hilfe der ordre public-Klausel von der konkreten Rechtslage unter dem Recht anderer Staaten feststellen zu lassen, daß bei ihrer Durchführung das Kindeswohl gefährdet wäre und eine Entziehung der Sorgegewalt am Platze ist. Würde gegen den Willen der ausländischen Eltern eines Kindes mit derselben Staatsangehörigkeit die Personensorge, ohne daß eine Gefährdung des Kindeswohls bei den Eltern zu befürchten ist, im Aufenthaltsstaat den Eltern entzogen oder vorenthalten, und würde das Kind — insbesondere zwecks zukünftiger Adoption — anderen Personen allein mit der Begründung anvertraut, daß deren Personensorge für das Kindeswohl zuträglicher sei, so wäre dies völkerrechtlich zu beanstanden 1 3 . Werden sorgebedürftige Personen gegen den Willen des Heimatstaates, und gegen den Willen derjenigen, die bis dahin, insbesondere im gemeinsamen Heimatstaat, Sorgegewalt ausgeübt haben, durch Organe eines anderen Staates, oder in deren Auftrag, in diesen anderen Staat verbracht, so ist dieser Staat nach Völkerrecht zur Rückführung verpflichtet. Er 511
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öffentlich-rechtliche Sorgegewalt
darf nur vorläufige Maßnahmen bezüglich der Sorgegewalt treffen. Handelt es sich um de facto elternlose Kinder, deren Wohl am bisherigen Aufenthaltsort schwer gefährdet wäre, so ist der Staat, der die Kinder auf sein Staatsgebiet verbringt, wohl nach allgemeinem Völkerrecht schon verpflichtet, die freie Entscheidung des erwachsenen Kindes, in das Heimatland zurückzukehren, zu respektieren, selbst wenn das Kind zuvor auf Antrag eines ihm bestellten gesetzlichen Vertreters die Staatsangehörigkeit des anderen Landes erworben hat. Auch die Feststellung, ob ein Erwachsener wegen Geisteskrankheit u. ä. unter Beschränkung seiner Freiheit unter Personensorgegewalt gestellt werden muß, ist nicht etwa nach Völkerrecht allein dem Heimatstaat vorbehalten; eine sachlich unbegründete Entmündigung eines Ausländers, die dem im Aufenthaltsstaat bestellten Vormund auch die Vermögensverwaltung verschaffen soll, braucht aber vom Heimatstaat nicht hingenommen zu werden. Die Ermächtigung einer Person, die vom Standpunkt eines bestimmten Staates her unterhaltspflichtig und sorgeberechtigt ist, Unterhaltsleistungen zu verweigern, wenn damit zu rechnen ist, daß das Geleistete in die Hand einer Person gelangt, die zwar vom Standpunkt des Unterhaltslandes des Sorgeobjekts, nicht aber vom Standpunkt des Staates, der die Unterhaltspflicht begründet, sorgeberechtigt ist 1 3 a , ist nicht völkerrechtswidrig; sie ist es auch nicht deshalb, weil auf diese Weise die Chancen der Verwirklichung von Personensorgerechten von der größeren Fähigkeit der Prätendenten auf das Sorgerecht zur Bestreitung der Unterhaltslast abhängig gemacht wird. Zu einer vertraglichen Regelung, daß Inhabern der Sorgegewalt, deren Absetzung die Gerichte des Heimatstaates des Sorgeobjekts ausdrücklich verweigert haben, nicht doch später in einem anderen Aufenthaltsland des Sorgeobjekts unter Berufung auf den ordre public und die Gefährdung des Kindeswohls das Sorgerecht entzogen werden darf, werden sich die Staaten so lange nicht verstehen, wie es kein internationales Gericht gibt, welches darüber entscheidet, wann das Menschenrecht eines Sorgebedürftigen auf Beseitigung einer ihm schädlichen Sorgegewalt einer bestimmten Person verletzt ist. Werden nicht nur die Kollisionsnormen über die Sorgegewalt, sondern auch die Vorschriften über Unterhaltspflichten und Vollstreckung ausländischer Urteile über Unterhalt durch Staatsvertrag vereinheitlicht, so wird auch hier nicht die Möglichkeit beseitigt werden können, daß die Realisierung eines Unterhaltsanspruchs in einem anderen Staat als dem Urteilsstaat an der ordre public-Klausel dieses anderen Staates scheitert, wenn der Unterhaltspflichtige das um Vollstreckung angegangene Gericht davon überzeugt, daß die Unterhaltsleistungen im Ausland in die Hand einer Person gelangen, welche im Ausland die Sorgegewalt über den Unterhaltsbedürftigen ausübt, und daß gerade damit das Wohl des Sorgeobjekts gefährdet ist. e) öffentlich-rechtliche Sorgegewalt Der Staat des einfachen Aufenthalts einer sorgebedürftigen Person ist nicht durch Völkerrecht gehindert, bestehende privatrechtliche Sorgegewalt, auch wenn keine Gefährdung des Kindeswohls bei dem Inhaber dieser Sorgegewalt zu befürchten ist, zu entziehen, wenn z. B. die sorgebedürftige Person infolge Neigung zu strafbaren Handlungen u. ä. Dritte gefährdet; kein Staat ist völkerrechtlich verpflichtet, Jugendliche zur Strafvollstrekkung oder Zwangserziehung auf Verlangen an den Heimatstaat auszuliefern. Es kann höchstens die Frage aufgeworfen werden, ob ein Staat, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag die Achtung der Sorgerechtsregelung des Heimatstaates vorschreibt, die betreffende Person dem Sorgeberechtigten zur Verbringung in den Heimatstaat zu überlassen hat. Das wird indes von der herrschenden Meinung verneint, und ein Recht, insbesondere des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates, angenommen, eine sorgebedürftige Person einer öffentlich-recht512
öffentlich-rechtliche Sorgegewalt
§ 18
liehen Sorgegewalt bei sich zu unterstellen 1 4 ' 1 5 . Kaum anders ist es, wenn einerseits ein völkerrechtlicher Vertrag dem Aufenthaltsstaat die Anerkennung der vom Heimatstaat geregelten Sorgegewalt gebietet, und andererseits der Aufenthaltsstaat Möglichkeiten vorsieht, wonach der Inhaber privatrechtlicher Sorgegewalt auf diese verzichten kann, und zwar derart, daß damit eine öffentlich-rechtliche Sorgegewalt von Behörden des Aufenthaltsstaates einsetzt 1 6 . Hier ist zu erwägen, daß es nach allgemeinem Völkerrecht keine Völkerrechtsverletzung darstellt, wenn ein Staat einem Minderjährigen auf Antrag derjenigen Person, der nach dem eigenen Heimatrecht des Kindes die Sorgegewalt zusteht, seine Staatsangehörigkeit verschafft; dem steht nicht entgegen, daß der bisherige Heimatstaat möglicherweise niemand ausdrücklich Vertretungsmacht erteilt, um die Naturalisation eines Kindes im Ausland durchzuführen. Können also insbesondere die Eltern ihr Kind gleichsam an einen anderen Staat „verkaufen", so muß der bisherige Heimatstaat des Kindes daran selbstverständlich nicht einen Verlust seiner eigenen Staatsangehörigkeit anschließen. Unter diesen Umständen können jedoch zunächst auch keine völkerrechtlichen Bedenken dagegen erhoben werden, daß ein Staat bei einfachem Aufenthalt eines ausländischen Kindes im Inland dieses im Einverständnis mit den Eltern, die auf ihre privatrechtlichen elterlichen Rechte verzichten, einem öffentlich-rechtlichen Sorgegewaltverhältnis unterstellt. D a s hindert den Heimatstaat des Kindes nicht, das Kind weiterhin als mögliches Objekt privatrechtlicher Sorgegewalt unter dem Recht des Heimatstaates zu betrachten, selbst wenn diese erst verwirklicht werden kann, nachdem das Kind wieder in seinen Heimatstaat gekommen ist. Der Heimatstaat ist weder genötigt, die öffentlich-rechtliche Sorgegewalt des Aufenthaltslandes, noch die Sorgegewalt von Adoptiveltern anzuerkennen, denen der Aufenthaltsstaat unter Beendigung des öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses eine privatrechtliche Sorgegewalt anvertraut hat. Soweit die Ausübung öffentlich-rechtlicher Sorgegewalt Ausübung hoheitlicher Funktionen ist, ist sie nur auf dem Staatsgebiet des Staates zulässig, der diese öffentlichrechtliche Sorgegewalt eingerichtet hat. Die Rückführung eines Sorgeobjekts, welches sich der öffentlich-rechtlichen Sorgegewalt entzogen hat und in einen anderen Staat gekommen ist, kann von diesem im allgemeinen nicht gegen den Willen derjenigen vollzogen werden, die von seinem Standpunkt aus die rechtmäßigen Inhaber privatrechtlicher Sorgegewalt sind 1 7 . Ist ein Kind im Aufenthaltsstaat nach dessen Recht der öffentlich-rechdichen Sorgegewalt einer Behörde anvertraut worden, wie z. B. bei der Zwangserziehung, so wird für andere Staaten eine „hoheitliche" Ausgestaltung dieses Gewaltverhältnisses nicht dadurch verdeckt, daß der zuständigen Behörde vom Recht des Dienstherrenstaates ausdrücklich auch die Befugnisse verschafft worden sind, wie sie normalerweise Eltern oder Vormündern kraft Privatrcclits /ust^lun. Die Eignung eines aus solcher Sorgegewalt enführten oder entlaufenen Kindes, nach dem im neuen Aufenthaltsstaat berufenen Recht einem privatrechtlichen Sorgeverhältnis unterstellt zu werden, ist, vor allem im Heimatstaat und im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts, stärker als die privatrechtliche Übermalung des vom öffentlichen Recht des bisherigen Aufenthaltsstaates begründeten Sorgegewaltsverhältnisses einer Behörde in diesem Staat, welche in öffentlich-rechtlichen Anstalten verwirklicht wurde. Läßt die Behörde ihre Befugnisse durch Privatpersonen in deren Eigenschaft als „Pflegeeltern" usw. oder durch private Wohlfahrtseinrichtungen ausüben, so ist die von diesen Personen bzw. Institutionen innegehabte Sorgegewalt vom Standpunkt anderer Staaten derjenigen eines direkt vom Gericht bestellten „privaten" Vormundes gleichzusetzen. Die Grenzziehung zwischen hoheitlicher und privater Sorgegewalt kann hier jedoch häufig zweifelhaft werden 1 8 . Ist es der Heimatstaat des Kindes selbst, welcher für das bereits in diesem Staat befindliche Kind die Ausübung von Sorgegewalt durch Privatpersonen dadurch gegen513
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Anerkennung ausländischer Entscheidungen betreffend Personensorge
standslos gemacht hat, daß das Kind der Sorgegewalt einer Behörde anvertraut worden ist, so besteht für andere Staaten meist gar kein Anlaß zu prüfen, ob es sich um öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Sorgegewalt handelt 1 9 . Andere Staaten können hier jedoch unter allen Umständen mit Hilfe der ordre public-Klausel die Rückführung des Kindes, das sich der Gewalt von Behörden seines Heimatstaates entzogen hat, oder diesen entführt worden ist, in den Heimatstaat verweigern, wenn sie von der Wiederherstellung der behördlichen Sorgegewalt im Heimatstaat eine schwere Gefährdung des Kindeswohls erwarten, und private Bewerber für die Ausübung der Sorgegewalt in dem Staat vorhanden sind, in den das Kind gebracht worden ist. f) Anerkennung ausländischer Entscheidungen betreffend Personensorge Entscheidungen über die Sorgegewalt sind selten reine Feststellungen des Inhalts, daß etwa nach dem maßgeblichen Gesetz allein die nichteheliche Mutter, und nicht der Vater, kraft Gesetzes sorgeberechtigt ist; meist handelt es sich um Ermessensentscheidungen über die Frage, ob unter mehreren als personensorgeberechtigt in Frage kommenden Personen das Kindeswohl bei dem einen oder dem anderen Prätendenten besser gewahrt ist, oder um Entscheidungen über die Frage, ob das Kindeswohl bei dem bisherigen Inhaber des Sorgerechts gefährdet, und die Personensorge ihm deshalb zu entziehen ist. Alle derartigen Entscheidungen werden meist nicht rechtskräftig in dem Sinn, daß sie nicht bei einer Änderung der Verhältnisse abgeändert werden könnten. Schon aus diesem Grunde spielt die Frage, unter welchen Bedingungen ausländische Entscheidungen über Sorgerecht anerkannt (und gegebenenfalls vollstreckt) werden sollten 2 0 a , eine geringere Rolle als bei anderen Leistungsurteilen. Auch demjenigen, der das Kind, das durch eine ausländische Gerichtsentscheidung über das Sorgerecht einem anderen zugewiesen worden ist, entführt hat, muß rechtliches Gehör gewährt werden, wenn er behauptet, das Kindeswohl sei durch das Verhalten jener anderen Partei schwer gefährdet; es müßte ihm auch rechtliches Gehör gewährt werden, wenn er behauptet, die Gefährdung des Kindeswohls bei einer anderen Partei habe schon zur Zeit der ausländischen Entscheidung bestanden, aber das ausländische Gericht habe sein Ermessen zur Aufklärung der Verhältnisse und zur Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte in einer Weise mißbraucht, daß die Anerkennung seiner Entscheidung am ordre public des Staates scheitern müsse, in den der Entführer das Kind verbracht hat, und in dem es zu einem Verfahren kommt. Die häufig anzutreffende Argumentation, daß derjenige, der das Kind unter Mißachtung einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung, und damit „rechtswidrig", entführt hat, eine ganz besonders schwere Beweislast habe, um Behauptungen des eben skizzierten Inhalts durchzusetzen, läuft darauf hinaus, daß bei Entführung des Kindes die ausländische Entscheidung stärker gegen die Handhabung der ordre public-Klausel geschützt ist als sonst; das aber ist wiederum bedenklich, wenn gerade die Anwendung der ordre public-Klausel in Sorgerechtsverfahren in erster Linie das Wohl des Kindes, wenn auch gesehen nach den Maßstäben des Richters im Aufenthaltsstaat, zu wahren hat. Ist die ausländische Entscheidung, insbesondere im Heimatstaat des Kindes selbst 2 0 , ohne einen Ermessensspielraum des Richters in Anwendung der dortigen Gesetzgebung getroffen worden, so spielt meist die ordre public-Klausel eine größere Rolle als sonst. So taucht in vielen Ländern die Frage auf, ob eine krasse Abweichung von der lex fori darin zu sehen ist, daß ein ausländisches Recht Vater und Mutter nicht, wie es die lex fori tut, in bezug auf die Sorgegewalt als gleichberechtigt betrachtet und das, was dem Kindeswohl mehr dient, im Einzelfall ermitteln läßt, sondern daß etwa je nach Alter und Geschlecht des Kindes von vornherein nur die Mutter oder der Vater kraft Gesetzes Inhaber der Sorgegewalt ist, wenn diese nicht gemeinsam ausgeübt werden k a n n 2 0 b . Dieselbe Frage stellt sich natürlich auch, wenn das Gericht im Forumstaat von den Rechtsanwendungsanweisungen 514
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
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des Forumstaates verpflichtet wird, derartige ausländische Vorschriften über die Sorgegewalt unmittelbar anzuwenden. Hier muß wohl geprüft werden, ob das ausländische Recht in der von ihm getroffenen Regelung letztlich doch das Kindeswohl im Auge und nur eine schematische Regelung anstelle des richterlichen Ermessens getroffen hat; selbst wenn dies aber bejaht wird, ist zu prüfen, ob nicht die vom ausländischen Gesetz getroffene Regelung doch davon ausgeht, daß im gesellschaftlichen Leben des betreffenden Staates der Frau eine mindere Rolle zukommt, so daß nur deshalb die Unterbringung des Kindes beim Vater das Kindeswohl mehr fördert. Wenn die Bevorzugung des an der Scheidung unschuldigen Gatten bei der Zuweisung der Personensorge über die Kinder nicht kraß von der lex fori abweichen soll, die ausschließlich auf das Kindeswohl im Einzelfall abstellt, so höchstens dann, wenn die Bevorzugung des an der Scheidung unschuldigen Ehegatten in einer widerlegbaren Vermutung dafür besteht, daß dieser Elternteil das Wohl des Kindes besser fördern wird als der andere. A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik Ebenso wie bei der Unterhaltspflicht stehen in der Bundesrepublik die vertragliche Regelung der Personensorge in dem Haager Abkommen über den Schutz Minderjähriger und das vertraglich ungebundene Recht des E G B G B vollkommen unangeglichen nebeneinander. Das Abkommen vom 5. 10. 1961 bezieht sich auf die Anwendung und die Anerkennung abstrakter gesetzlicher Regelungen und auf den Erlaß einzelner Staatsakte zum Schutz Minderjähriger; es erfaßt darunter in erster Linie Maßnahmen zum Schutz der Person, und damit wiederum vor allem die Regelung des Sorgerechts und der Sorgepflicht 2 1 . Das Abkommen ist anwendbar, sofern nur der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Vertragsstaaten hat 2 2 ; jeder der Vertragsstaaten kann die zusätzliche Bedingung stellen, daß der Minderjährige 2 3 Staatsängehöriger eines Vertragsstaates ist; die Bundesrepublik hat hiervon nicht Gebrauch gemacht. Die Regelung des Abkommens geht davon aus, daß eine unmittelbar auf Gesetz beruhende Zuweisung der Personensorge in Gestalt eines kraft Gesetzes bestehenden „Gewaltverhältnisses", sofern sich ein dahingehender Satz im Heimatrecht des Minderjährigen — und das kann möglicherweise auch ein Nichtvertragsstaat sein 2 4 — findet, in allen Vertragsstaaten respektiert werden muß 2 5 . Desgleichen darf und muß ein Vertragsstaat, der selbst der Heimatstaat des Minderjährigen ist, durch seine eigenen Behörden alle diejenigen Bestimmungen seines eigenen Rechts anwenden lassen, welche die Personensorge im Einzelfall von einer Ermessensentscheidung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde abhängig machen. Obwohl der Vertrag betont, daß die Durchsetzung einer solchen Maßnahme Sache des Heimatstaates bleibt 2 6 — was offenbar besagen soll, daß ihre Vollstreckung von anderen Vertragsstaaten nicht gefordert werden kann — 2 7 , haben die anderen Vertragsstaaten aber jedenfalls eventuelle gegenteilige Maßnahmen ihrer Behörden, wie sie insbesondere unter Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt vorher getroffen werden konnten, als durch die Maßnahmen des Heimatstaates „ersetzt" zu betrachten 28 . Auch derjenige Vertragsstaat, in dem der gewöhnliche Aufenthalt eines Minderjährigen neu begründet wird, hat die schon vom Heimatstaat getroffenen Maßnahmen als weiterhin in Kraft stehend zu betrachten, darf also nichts Gegenteiliges anordnen lassen 2 9 . Im Einverständnis der Behörden des Heimatstaates und des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts kann den letzteren der Vollzug der vom Heimatstaat getroffenen Maßnahmen, und wohl auch seiner gesetzlichen Regelungen, anvertraut werden 3 0 . Das Abkommen enthält keine Bestimmung, daß bei mehrfacher Staatsangehörigkeit des Minderjährigen etwa nur der Staat mit der effektiveren Staatsangehörigkeit allein zu Maßnahmen berechtigt sei, und daß allein seine gesetzlichen Regelungen in anderen Vertragsstaaten zu respektieren seien; jeder Vertragsstaat kann also frei bestimmen, welchem 515
§18
Haager Konvention vom 5. 10. 1961
Heimatstaat und dessen Recht er den V o r z u g geben will, und jeder von mehreren Heimatstaaten kann auf alle Fälle auf seinem eigenen Recht bestehen 3 1 . Soweit eine gesetzliche Regelung der Personensorge im Recht des Heimatstaates nicht vorhanden ist, und solange der Heimatstaat nicht selbst Einzelmaßnahmen getroffen hat, haben die Behörden des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts 3 2 das Recht und die vertragliche Pflicht, als Maßnahmen zum Schutz des Minderjährigen auch Sorgerechtsregelungen zu treffen, und zwar unter Anwendung ihres eigenen materiellen R e c h t s 3 3 . E s ist ihnen also z. B . verboten, eine vom Heimatrecht vorgesehene Ermessensentscheidung zu treffen, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts hier eine starre gesetzliche Regelung vorsieht. D a r ü b e r hinaus darf der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auch entgegen den zugunsten des Heimatrechts und zugunsten der vorrangigen Zuständigkeit der Behörden des Heimatstaates lautenden Vertragsbestimmungen Schutzmaßnahmen, und damit auch Sorgerechtsmaßnahmen, treffen, wenn der Minderjährige „in seiner Person von einer ernsten Gefahr bedroht" ist; diese Maßnahmen des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts auf G r u n d dieser Vorschrift brauchen jedoch nicht in anderen Vertragsstaaten, und am allerwenigsten im Heimatstaat, anerkannt zu w e r d e n 3 4 . Aber auch der Staat des einfachen Aufenthalts ist berechtigt, in Notfällen vorläufige Maßnahmen unter Zugrundelegung seines eigenen Rechts zu treffen; sie treten automatisch außer Kraft, sobald im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts oder im Heimatstaat Maßnahmen getroffen worden s i n d 3 5 . D i e Generalklausel, wonach die Bestimmungen der Konvention unbeachtet bleiben können, wenn ihre Anwendung in einem Vertragsstaat offensichtlich mit „ d e m " ordre public unvereinbar w ä r e 3 5 , ermöglicht nicht nur die Nichtanwendung des Rechtes des Heimatstaates, sondern auch eine eventuelle Inanspruchnahme einer im Vertrag ausgeschlossenen internationalen Zuständigkeit zu Schutzmaßnahmen. D i e Konvention erlaubt ausdrücklich dem Staat, in dem ein Eheauflösungsverfahren schwebt, auf G r u n d eines Vorbehaltes Maßnahmen zugunsten der Kinder dieses Ehepaares, also wiederum vor allem Sorgerechtsmaßnahmen, zu treffen, auch wenn die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Staat haben und ihm nicht angehören; die von dem Staat des Scheidungs- usw. -prozesses getroffenen Sorgerechtsmaßnahmen brauchen aber in anderen Staaten nicht anerkannt zu w e r d e n 3 7 ; keinesfalls darf ihnen ein Vertragsstaat den Vorrang geben, soweit er verpflichtet ist, den Maßnahmen des Heimatstaates des Minderjährigen den Vorrang einzuräumen. Sowohl das Heimatrecht als auch das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts sind unter der Konvention heranzuziehen, wenn die Frage gestellt wird, o b derjenige, dem die Personensorge zugesprochen worden ist, sie auch höchstpersönlich ausüben muß, und o b es Anlaß zu einer Änderung der Personensorge als Schutzmaßnahme ist, wenn ein zur Personensorge Berechtigter und Verpflichteter etwa das Kind in fremde Pflege gibt. Auch die Regelung der Kontakte mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil gehört zu den „Schutzmaßnahmen", für die die Regelung des Haager A b k o m m e n s gelten will. Hierzu rechnen schließlich auch die Beschränkungen, die dem Sorgeberechtigten in bezug auf die Bestimm u n g des Aufenthaltsortes des Kindes auferlegt werden. Wirft das von einem Vertragsstaat anzuwendende eigene oder fremde Recht (das letztere vor allem, insoweit das fremde Heimatrecht eines Kindes zu beachten ist) die Frage auf, o b das Kind ehelich oder unehelich ist, so enthält die Konvention keine eigenen Rechtsanwendungsanweisungen für die L ö s u n g dieser Teilfrage; erst recht fehlt es an einer konventionellen Regelung des auf die Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe anwendbaren Rechts, o b w o h l die Eigenschaft eines Kindes als ehelich oder unehelich bei der Regelung der Personensorge praktisch meist noch wichtiger ist als bei der Regelung der Unterhaltspflicht. E s dürfte anzunehmen sein, daß das auf die H a u p t f r a g e nach dem Sorgerecht anzuwendende Recht auch die Rechtsanwendungsanweisungen für die von ihm selbst 516
Das vertraglich ungebundene Kollisionsrecht
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aufgeworfenen Teilfragen, und damit auch die Teilfrage nach der Ehelichkeit, frei bilden kann; es dürfte aber auch anzunehmen sein, daß die Regelung durch ein auf das Sorgerecht anzuwendendes Recht bezüglich der Teilfrage auch in einem anderen Vertragsstaat beachtet werden muß. Erst recht sind dieselben Teilfragen nach der Ehelichkeit und dem Bestehen einer Ehe, soweit sie für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch das Kind, und damit für die Frage, welcher Staat Heimatstaat des Kindes ist, von Bedeutung werden, aus der Sicht des Staates zu lösen, um dessen Staatsangehörigkeit es sich handelt. Sofern im Forumstaat eine Ehe als bestehend gilt, und aus Gründen der materiellen Harmonie die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder im Forumstaat keinesfalls als unehelich behandelt werden dürfen, kann dies vermittels der ordre public-Klausel auch dann durchgesetzt werden, wenn das ausländische Sorgerechtsstatut zu dem Ergebnis gelangt, daß das Kind nichtehelich ist 3 7 a . Wesentlich für das Funktionieren der Haager Konvention von 1961 sind die Pflichten der Behörden der Vertragsstaaten zu gegenseitiger Information über die von ihnen getroffenen Maßnahmen, und gegebenenfalls zur Konsultation 3 8 . Insbesondere hat ein Vertragsstaat, der zum Erlaß von Maßnahmen an sich zuständig ist, dann, wenn bereits eine Entscheidung eines anderen Vertragsstaates vorliegt, einen Meinungsaustausch mit den Behörden dieses anderen Staates einzuleiten, um Änderungen der schon getroffenen Regelung tunlichst zu vermeiden; das gilt natürlich nur, wenn ein solcher Meinungsaustausch nicht, wie z. B. in Eilfällen, unmöglich ist. Soweit ein Minderjähriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Bundesrepublik oder einem anderen Vertragsstaat des Haager Abkommens hat, sind die „nationalen" Rechtsanwendungsanweisungen und Zuständigkeitsvorschriften allein maßgebend. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Entscheidung in Sorgerechtsfragen besteht dann einerseits stets, wenn es sich um ein Kind deutscher Staatsangehörigkeit handelt; internationale Zuständigkeit hat aber andererseits auch das deutsche Gericht am einfachen Aufenthaltsort des Kindes, und schließlich ist auch zuständig das Gericht am deutschen Wohnort der auf Herausgabe des Kindes an den Sorgeberechtigten verklagten Person. Keine dieser Zuständigkeiten ist jedoch eine ausschließliche, mit der Folge, daß eine Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nicht in Frage käme, wenn das ausländische Gericht bei analoger Anwendung der deutschen Zuständigkeitsregelungen aus irgendeinem Grunde zuständig wäre. Für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen gelten die allgemeinen Regeln, wobei jedoch Sorgerechtsregelungen stets wegen veränderter Umstände wieder umgestoßen werden können. Bezüglich des anwendbaren Rechts unterscheidet das vertraglich ungebundene deutsche internationale Privatrecht die Regelung der Sorgegewalt über eheliche von der Regelung der Sorgegewalt über uneheliche Kinder. Im Sinne der Rechtsprechung des B G H 3 9 ist dabei — allerdings meines Erachtens zu Unrecht — zunächst eine selbständige Ermittlung der Statuten für die eheliche Abstammung, und eine eventuelle spätere Legitimation nach Maßgabe der deutschen Kollisionsnormen 4 0 durchzuführen, auch wenn schon feststeht, daß deutsches Recht als Sorgerechtsstatut nicht in Frage kommt. Erweist sich so das Kind für das deutsche Gericht im Sorgerechtsstreit auf Grund der deutschen Kollisionsnormen und des danach berufenen Abstammungs- bzw. L£gitimationsstatuts als ein seit Geburt eheliches oder später legitimiertes Kind, so werden alle Fragen der Sorgegewalt zu Lebzeiten beider Eltern allein nach dem Heimatrecht des Vaters 4 0 a beurteilt, nach dem Tod des Vaters gemäß dem Heimatrecht der Mutter 4 1 . In dieser Bevorzugung des Vaterrechts will der BGH keine Verletzung des Grundgesetzes sehen 4 2 . Die Verweisung auf das Vaterrecht bzw. das Mutterrecht ist, wie an anderer Stelle ausgeführt 4 3 , als eine von der Anwendungswilligkeit dieses Rechts bedingte Verweisung zu betrachten; ist das Heimatrecht nicht anwendungswillig, so soll Gesamtverweisung angenommen werden. 517
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Staatlicher Rechtsschutz für Rechtsgeschäfte
Hat das deutsche Gericht das Kind, um dessen Sorge es geht, als ein nichtehelich geborenes und nicht später legitimiertes Kind zu betrachten, und beansprucht das Heimatrecht des Vaters (soweit ein solcher feststeht) nicht, mit einem Satz Anwendung zu finden, der dem Vater Sorgegewalt verschaffen würde, so ist es ganz unzweifelhaft, daß allein das jeweilige Heimatrecht der Mutter auf die Frage nach Sorgerecht und Sorgepflicht der Mutter Anwendung zu finden hat 4 4 ; diese Verweisung auf das Heimatrecht der Mutter ist wiederum als Gesamtverweisung zu verstehen. Legt das anwendungswillige ausländische Heimatrecht desjenigen, der in der Sicht des deutschen Rechts nur als nichtehelicher Vater gelten kann, diesem alle oder fast alle Pflichten und Rechte auf, wie sie der Vater eines aus einer Ehe hervorgegangenen Kindes hat, behandelt das Vaterrecht also das Kind vor allem in bezug auf Unterhalt und Personensorge im Verhältnis zu Vater und Mutter so, wie es dies im Normalfall für die meistbegünstigten Kinder tut, so wollen manche nicht mehr an der alleinigen Anwendbarkeit des Heimatrechts der Mutter bezüglich des Sorgerechts festhalten, sondern wollen, möglicherweise auch entgegen diesem Heimatrecht der Mutter, das Vaterrecht zum Zuge kommen lassen. Folgt man dem, so gelangt man meist zu demselben Ergebnis, welches man erreichen kann, wenn man das anwendungswillige Heimatrecht des Vaters von vornherein auch darüber entscheiden läßt, ob das Kind aus irgendeinem Grund (der vom Heimatstaat bzw. dem von ihm bezeichneten Abstammungsstatut genannt wird) als von diesem Mann abstammend gilt und ihm und der Mutter gegenüber die Stellung eines meistbegünstigten Kindes hat 4 5 ; das ist beispielsweise der Fall bei dem Kind unverheirateter neuseeländischer oder südaustralischer Eltern, dessen Abstammung geklärt ist, nicht aber etwa bei dem nichtehelichen Kind eines deutschen Vaters und einer Schweizer Mutter. Haben Mutter und Kind, wenn auch vielleicht neben der ausländischen Staatsangehörigkeit des Vaters, die deutsche Staatsangehörigkeit, so ist allerdings jeder Regelung der Sorgegewalt im Vaterrecht, welche ohne Rücksicht darauf, was dem Kindeswohl förderlicher ist, Vater und Mutter bezüglich des Sorgerechts ungleich behandelt, mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel die Anwendung zu versagen 46 . Das vertraglich ungebundene deutsche internationale Privatrecht ist — im Gegensatz zur Haager Konvention, die auf das Heimatrecht des Kindes verweist — nicht imstande, unmittelbar etwas über den Anwendungsbereich solcher ausländischen Rechtsvorschriften auszusagen, welche beim Fehlen von Vater und Mutter andere Verwandte kraft Gesetzes als sorgeberechtigt oder sorgeverpflichtet erklären. Vielmehr wird, wenn keine Möglichkeit zur Ausübung „elterlicher" Gewalt besteht, nach dem anwendbaren „Vormundschafts"recht gefragt, welches im allgemeinen keinen Vormund kraft Gesetzes kennt 47 . Das Vormundschaftsstatut wird allerdings im deutschen internationalen Privatrecht auch bei Minderjährigen im wesentlichen in derselben Weise bestimmt wie das Schutzmaßnahmenstatut nach der Haager Konvention, nämlich in erster Linie über die Staatsangehörigkeit des Sorgebedürftigen, vorbehaltlich einer Anwendung des deutschen Wohnsitzrechts, falls im Heimatstaat keine vormundschaftsrechtlichen Maßnahmen getroffen worden sind 48 .
§ 19. Begründung von privatrechtlichen Pflichten durch Rechtsgeschäft a) Grundsätzliches Das Rechtspflichten begründende Rechtsgeschäft, insbesondere das Rechtsgeschäft, welches privatrechtliche Pflichten begründen will, besteht, wie das Gesetz, in menschlichen Äußerungen, die dahin gehen, daß ein bestimmtes Verhalten — in aller Regel von solchen, die Geschäftserrichter sind oder von ihnen vertreten werden — „gesollt" sei. Das Rechtsgeschäft unterscheidet sich vom Gesetz dadurch, daß die Urheber der Sollsätze in der rechtsgeschäftlichen Äußerung diese zwar nicht bloß zum Schein, oder als Entwurf, 518
örtlich beschränkter Rechtsschutz
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oder als Lehrbeispiel aussprechen, daß sie aber die durch das Rechtsgeschäft zu verpflichtenden Personen nicht allein aus eigener Autorität verpflichten wollen. Vielmehr wird jedenfalls dem Privatrechtsgeschäft der weitere Inhalt beigelegt, daß zur Sicherung der Befolgung dessen, was im Rechtsgeschäft von Privaten als gesollt bezeichnet wird, staatlicher Rechtsschutz in Gestalt von Unrechtsfolgen gegen Rechtsgüter des staatlichen Rechts für den Fall der Nichtbefolgung gewünscht werde. Darin unterscheidet sich der „rechts"geschäftlich intendierte Sollsatz von einem sprachlich sonst durchaus gleichartigen Sollsatz, in welchem die Urheber zum Ausdruck bringen, daß zwar etwas gesollt, aber staatlicher Rechtsschutz nicht erbeten, ja vielleicht sogar unerwünscht sei. Das letztere erfolgt vielfach durch die ausdrückliche Erklärung, „der Rechtsweg" solle „ausgeschlossen" sein; allerdings bedeutet diese Formel, wenn die rechtsgeschäftliche Pflicht auf Übertragung von Vermögensrechten geht, oft nur, daß nicht auf Befolgung, aber auch nicht auf Rückgabe des freiwillig Geleisteten geklagt werden solle, und letzteres eben auch dann, wenn nach staatlichem Recht im allgemeinen eine rechtlich nicht geschuldete Leistung auf Verlangen zurückgegeben werden muß. Die gesetzliche Regelung des Privatrechts kann dann auch wieder Vermutungen darüber enthalten, wann ein von den Privatrechtssubjekten formulierter Sollsatz als mit einem vorsorglichen abstrakten Rechtsschutzbegehren verbunden gelten soll und wann nicht, wann also ein „Rechts"geschäft vorliegt, und wann nur der Versuch der Begründung einer bloß „moralischen" oder „gesellschaftlichen" Verpflichtung 1 . Damit allein, daß der von Menschen, die nicht als staatliche Gesetzgeber handeln wollen und können, formulierte Sollsatz mit einem vorsorglichen abstrakten Rechtsschutzbegehren an den Staat für den Fall der Nichtbefolgung des rechtsgeschäftlich Gesollten verbunden wird, wird der Rechtsschutz im Ernstfall noch nicht ausgelöst. Außer Anträgen usw. bedarf es vor allem einer von den später angerufenen staatlichen Behörden anzuwendenden staatlichen Rechtsnorm, welche das Rechtsgeschäft als „gültig", und zugleich den im Rechtsgeschäft ausgedrückten Sollsatz als „gesetzeskräftig" erklärt; nur damit werden die Gerichte und Vollstreckungsbehörden angewiesen, Aussprüche und Vollstreckungshandlungen vorzunehmen, die auch am Platze wären, wenn der Inhalt des Rechtsgeschäftes vom Gesetzgeber im Gesetz ausgesprochen worden wäre 2 . Eine solche Verbindlicherklärung des im Privatrechtsgeschäft formulierten Sollsatzes für die staatliche Rechtsordnung erfolgt stets nur unter bestimmten Voraussetzungen, zu denen etwa das Fehlen von Zwang bei der Abgabe der rechtsgeschäftlichen Erklärung, ein Minimum an inhaltlicher Bestimmtheit des Rechtsgeschäftes usw. gehören. O b es ein inländischer oder ausländischer Rechtssatz über die Gleichstellung der im Rechtsgeschäft niedergelegten Rechtspflicht mit einer gesetzlichen Rechtspflicht ist, den das Gericht zugrundezulegen hat, das muß ihm durch eine Rechtsanwendungsanweisung seines Gesetzgebers angegeben werden 3 . b) Lokalisierungen des Rechtsgeschäfts durch die Geschäftserrichter Mit dem oben Gesagten wird die Tür zu der besonderen internationalprivatrechtlichen Problematik der rechtspflichtbegründenden Rechtsgeschäfte geöffnet. Zum besseren Verständnis ist zunächst auf die verschiedenen Möglichkeiten einzugehen, wie die Geschäftserrichter zu der Tatsache Stellung nehmen können, daß es auf der Welt mehrere staatliche Rechtsordnungen als Normerzwingungssysteme mit unterschiedlichen Privatrechten und Stellungnahmen zu den Privatrechtsgeschäften gibt. Wenn diejenigen, welche Sollsätze in ihrem Geschäft formulieren, den Rechtsweg für alle Fragen aus dem Geschäft und seiner Abwicklung ausschließen wollen, so können sie den Rechtsweg in jedem Staat ausschließen wollen. Die Geschäftserrichter können aber auch die Absicht haben, daß das durch ein Rechtsgeschäft begründete Rechtsverhältnis nur in bestimmten staatlichen Rechtsordnungen Rechtswirksamkeit haben soll, in anderen 519
§19
Die Wahl des Geschäftsstatuts
hingegen nicht. Derartiges wird man insbesondere dann anstreben, wenn in einigen Staaten das geplante Geschäft nicht nur als ungültig anzusehen, sondern schon die Abrede oder deren Durchführung strafbar wäre, während andere Staaten das Geschäft als gültiges Rechtsgeschäft zu betrachten bereit sein würden. Auf der anderen Seite ist es auch möglich, daß die Geschäftserrichter das Geschäft unbedingt überall als gültig betrachtet und mit Rechtsschutz versehen wissen wollen, und daß sie, wenn sich das nicht erreichen läßt, ihr Geschäft nirgendwo als gültiges Rechtsgeschäft gewürdigt haben wollen. Denkbar ist indes auch, und das ist in aller Regel zu vermuten, daß die Errichter das Rechtsgeschäft, wenn es auch möglicherweise nicht in allen Staaten als gültig behandelt werden wird, doch als ein in möglichst vielen Staaten wirksames Rechtsgeschäft errichten wollen 4 . Verbindlichkeit pflichtbegründender Rechtsgeschäfte „in" einem bestimmten Staat bedeutet praktisch weitgehend nichts anderes'als Haftbarkeit der jeweils in dem betreffenden Staat gelegenen Teile des Vermögens, welches entweder für die primär auf Grund des Geschäfts geschuldete Leistung, oder jedenfalls doch für Geldleistungspflichten bei Nichterfüllung (Schadensersatz, Beugestrafen, Prozeßkosten) haften soll. Gewollte Unwirksamkeit des Geschäfts in einem bestimmten Staat bedeutet gewollte Immunität des in dem betreffenden Staat belegenen Vermögens der Parteien in bezug auf die Haftung aus dem Vertrag5. Von den Absichten und eventuellen ausdrücklichen Erklärungen der Geschäftserrichter über die beschränkte örtliche Rechtswirksamkeit des pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts zu unterscheiden sind ihre Erklärungen darüber, wo das gesollte Verhalten vor sich gehen soll; Rechtsschutz für eine im Rechtsgeschäft begründete Verhaltenspflicht ist keineswegs nur in dem Staat möglich und erwünscht, wo der „Erfüllungsort" gelegen ist. Die Vorstellung der Geschäftserrichter darüber, welche Staaten Rechtsschutz gewähren sollen, hat auch nichts damit zu tun, was sie gegebenenfalls über den Gerichtsstand, an dem aus dem Rechtsgeschäft geklagt werden kann, oder über die Ausschließlichkeit eines solchen Gerichtsstandes bestimmen; eine Gerichtsstandsvereinbarung ist meist im Sinne ihrer Urheber dahin zu verstehen, daß ein an dem gewählten Gerichtsstand erwirktes Urteil, falls notwendig, auch in jedem anderen als Rechtsschutzstaat erwünschten Staat vollstreckt werden „soll". Wissen die Geschäftserrichter allerdings, daß Urteile des als ausschließlicher Gerichtsstand gewählten Gerichts in anderen Staaten nicht anerkannt und vollstreckt werden, so liegt letztlich ein verdeckter Ausschluß der Rechtswirksamkeit des Geschäfts für diese anderen Staaten vor 6 . Andererseits ist es durchaus denkbar, daß die Geschäftserrichter selbst ausdrücklich erklären, es sei ihr Wille, daß eine Partei, die an dem vorgesehenen Gerichtsstand obgesiegt hat, in einem bestimmten anderen Staat keine Befriedigung aus diesem Urteil durch Zwangsvollstreckung anstreben dürfe. Von den Wünschen der Geschäftserrichter in bezug auf den Kreis der in Aussicht genommenen „Rechtsschutzstaaten" zu unterscheiden sind schließlich auch ihre Wünsche bezüglich des auf das Rechtsgeschäft (bzw. des auf das durch das Rechtsgeschäft begründete Rechtsverhältnis) anwendbaren materiellen Privatrechts. Gewiß mögen viele Geschäftserrichter der Meinung sein, das anwendbare Recht werde gegebenenfalls im Streitfall vom Gericht allein nach Maßgabe der Rechtsanwendungsanweisungen seines Gesetzgebers ermittelt; aber selbst dann können sich Geschäftserrichter doch noch etwa veranlaßt sehen, ausdrücklich im Rechtsgeschäft zu erklären, sie wollten die von ihnen verwendeten Worte nach den gesetzlichen Auslegungsregeln eines bestimmten positiven Rechts (oder vielleicht auch nach einem Entwurf für solche Auslegungsregeln) verstanden wissen. Wenn die Begründer eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses wissen, daß die eventuell zur Anwendung gelangende staatliche Privatrechtsordnung mangels anderweitiger ausdrücklicher Bestimmungen im Rechtsgeschäft den Parteien in ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen Nebenpflichten auferlegt, so können die Geschäftserrichter die Anwendbarkeit solchen dispositiven ergänzenden Rechts dadurch auszuschalten versu520
Staatliche Billigung der örtlichen Beschränkung
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chen, daß sie auf allgemeine Geschäftsbedingungen verweisen; an Stelle der Verweisung auf allgemeine Geschäftsbedingungen kann dann auch eine Verweisung auf irgendein anderes positives nationales Recht treten. Wenn die Geschäftserrichter damit rechnen, es werde vom Gericht im Streitfall auf Grund der für das Gericht verbindlichen Rechtsanwendungsanweisungen darauf abgestellt werden, ob sie, die Geschäftserrichter, ein bestimmtes Recht zum Geschäftsstatut gewählt hätten, so hat es selbstverständlich auch seinen guten Sinn, wenn die Geschäftserrichter derartiges tun. Auf Einzelheiten einer solchen Wahl des Geschäftsstatuts, einschließlich seiner zwingenden Bestimmungen, wird später noch zurückzukommen sein 7 . Eine solche Wahl des Geschäftsstatuts bezeichnet man derzeit gern als eine „kollisionsrechtliche" Verweisung, im Gegensatz zu einer „materiellrechtlichen" Verweisung, an deren Stelle auch eine Verweisung auf allgemeine Geschäftsbedingungen, oder auf einen bloßen Gesetzesentwurf usw. stehen könnte. Eine kollisionsrechtliche Verweisung, wie sie von den Geschäftserrichtern „im" Rechtsgeschäft ausgesprochen werden kann, kann auch Gegenstand eines gesonderten Geschäfts sein; sie kann früher oder später als die Geschäftserrichtung selbst zustande kommen. Neben dem Ausdruck eines „Willens" der Geschäftserrichter, es solle dieses oder jenes Recht als Geschäftsstatut, oder als Auslegungsstatut, oder sonstwie maßgebend sein, finden sich nicht selten Äußerungen der Geschäftserrichter dahin, sie seien der Meinung, daß ein bestimmtes Recht ohnehin auf ihr Rechtsgeschäft angewendet werden müsse. Sie nehmen dann dieses Geschäftsstatut „in Kauf", indem sie „trotzdem" das Rechtsgeschäft errichten. Es kann nicht nur unter einem solchen als anwendbar geglaubten Recht kontrahiert werden8, sondern das begründete Rechtsverhältnis kann auch von den Parteien abgewickelt werden in der Vorstellung, daß der Abwicklungsvorgang gemäß einem bestimmten Recht zu erfolgen habe, auch wenn es sich nicht um ein ausdrücklich gewähltes Recht handelt. c) Die Stellungnahme eines Forumstaates zu der im Rechtsgeschäft ausgedrückten Beschränkung seiner örtlichen Wirksamkeit Ebenso wie der Inhalt des pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts durch eine gesetzliche Bestimmung „gesetzeskräftig" gemacht werden muß, ehe staatliche Organe dem Rechtsgeschäft Rechtsschutz gewähren, so muß das Begehren nach Rechtsschutz in einem bestimmten Staat gerade von diesem Staat gebilligt werden. Damit entsteht die Frage, wie sich ein solcher Staat dazu verhält, daß die Geschäftserrichter etwa das Geschäft nur in wenigen Staaten rechtlich wirksam wissen wollen. Auch wenn die Geschäftserrichter überall, bzw. möglichst überall, für ihr Rechtsgeschäft Rechtsschutz anstreben, bleibt es letztlich Sache des einzelnen Forumstaates, ob er solchen Rechtsschutz gewähren will. Traditionellerweise wird dies dahin ausgedrückt, daß jeder Forumstaat in seinen verfahrensrechtlichen Vorschriften bestimmt, welche Ansprüche aus Rechtsgeschäften überhaupt „eingeklagt" werden können, wann seine Gerichte dafür international zuständig sein sollen, und für welche von einem inländischen oder ausländischen Gericht als berechtigt anerkannten Ansprüche aus Rechtsgeschäft Vollstreckungsmaßnahmen zulässig sind. Haben die Geschäftserrichter gewollt, daß nur in einem bestimmten Staat aus dem Rechtsgeschäft geklagt werden solle, daß aber ein ergangenes Urteil überall vollstreckbar sein solle, so ist auch damit noch nicht gesagt, daß die Gerichte in einem Staat, wo Vollstreckung beantragt wird, tatsächlich auch in diesem Sinne tätig werden: Ein Staat kann die Vollstreckung ausländischer Urteile generell, oder er kann sie jedenfalls dann ablehnen lassen, wenn ein bei ihm vorhandener Gerichtsstand von den Parteien nicht benutzt wurde usw. 521
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Das gesetzliche Geschäftsstatut
Wird den Geschäftserrichtern die Absicht unterstellt, daß das Geschäft nicht unbedingt überall, wohl aber in möglichst vielen Staaten rechtswirksam sein solle, und wird dies vom Forumstaat als ausreichend gehalten, damit er dem Geschäft Rechtsschutz verschafft, so braucht der Forumstaat dies nicht davon abhängig zu machen, daß auch andere Staaten das Geschäft unter dem von ihnen berufenen Recht für gültig halten. Allerdings ist es denkbar, daß ein Staat ausdrücklich bestimmt, daß von seinen Gerichten ein bestimmtes Rechtsgeschäft erst dann als gültig behandelt werden darf, wenn es sowohl nach dem unter dem Kollisionsrecht dieses Staates berufenen Recht, als auch nach dem Recht gültig ist, welches ein bestimmter anderer intensiv mit der Sache verknüpfter als Rechtschutzstaat in Frage kommender Staat durch seine Kollisionsnorm als berufen bezeichnet 9 . Ist es für die Geschäftserrichter eine wesentliche Bedingung, daß das Geschäft in mehreren von ihnen bestimmten Staaten als rechtswirksam behandelt wird, so ist diesem Wunsch auch damit Rechnung getragen, daß die betreffenden Staaten zwar verschiedene Rechte auf die Gültigkeit des Geschäfts anwenden lassen, aber zu dem gleichen Ergebnis gelangen. Ist dann das Geschäft zunächst einmal vom Standpunkt eines einzelnen dieser Staaten her gültig zustande gekommen, vom Standpunkt eines anderen hingegen noch nicht, so kann in dem ersten Staat eine Nebenverpflichtung der Parteien angenommen werden, alles Geeignete zu tun, damit das Geschäft auch in dem anderen Staat als gültig zustande gekommen gilt 10 . Hält ein staatliches Recht die Abmachung in einem Vorvertrag der Parteien für gültig, der endgültige Vertrag solle so errichtet werden, daß er vom Standpunkt mehrerer Staaten her gültig ist, so verhält es sich ähnlich. Haben die Geschäftserrichter gewollt, daß das zu begründende Rechtsverhältnis nur in einem bestimmten Staat Rechtswirkungen auslösen soll, in anderen Staaten hingegen nicht, so hindert das den Staat, in dem eine Partei gemäß der Vereinbarung klagt, nicht, Rechtsschutz mit der Begründung zu versagen, er wolle Rechtsschutz bei bestimmten Arten von Rechtsgeschäften grundsätzlich nur gewähren, wenn die Geschäftserrichter universellen Rechtsschutz angestrebt haben 11 . Genauso wie ein Staat, dessen gesetzlich zuständige Gerichte nach der Vereinbarung der Parteien über einen anderweitigen ausschließlichen Gerichtsstand nicht angerufen werden sollen, seine Gerichte trotzdem anweisen kann, auf einseitig erhobene Klage hin tätig zu werden, und genauso wie die Vereinbarung des Ausschlusses des Rechtsweges von einem Gericht für ungültig gehalten werden kann, so ist auch kein Staat durch die Klausel eines Rechtsgeschäfts, dieses Rechtsgeschäft solle nur in bestimmten anderen Staaten Rechtswirkungen auslösen, nicht aber in diesem, schon genötigt, seine Gerrichte anzuweisen, sich als unzuständig zu erklären. Es bleibt also Sache jedes mit Klagen oder Vollstreckungsanträgen befaßten Forumstaates, ob und inwieweit er den Wünschen der Errichter des Rechtsgeschäfts über dessen auf wenige Staaten beschränkte Rechtswirksamkeit Rechnung tragen will oder nicht 12 . d) Die Stellungnahme des Forumstaates zur Wahl eines anwendbaren Rechts durch die Geschäftserrichter Haben die Geschäftserrichter keine ausdrückliche Äußerung dahin abgegeben, daß sie das Rechtsgeschäft nur in einem bestimmten Staat als gültig behandelt wissen wollen, in anderen Staaten hingegen nicht, oder haben sie es deutlich gemacht, daß sie ihr Rechtsgeschäft in möglichst vielen Staaten als gültig behandelt wissen möchten, und ist ein Staat bereit, seine Gerichte in einem Streit aus dem Rechtsgeschäft bzw. über die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts entscheiden zu lassen, so muß er seine Gerichte mit Rechtsanwendungsanweisungen versehen, aus denen sich ergibt, welches Recht sie in der Sache anwenden sollen. Haben nun die Errichter des Rechtsgeschäfts ihrerseits keine Äußerungen irgendwelcher Art über das anzuwendende Recht gemacht, aber ist es ihr stillschweigend ausgedrückter Wille, daß dem Rechtsgeschäft staatlicher Rechtsschutz unter Zugrundelegung 522
Die Wahl des Geschäftsstatuts
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von staatlichem Recht zuteil wird, so ist das vom Forum zugrunde zu legende staatliche Recht, wenn sich der Forumstaat in seinem internationalen Privatrecht der Zuweisungsmethode bedienen will, unter Verwendung einer objektiven Verknüpfung zu einem Staat zu bezeichnen. Das Geschäftsstatut für ein pflichtenbegründendes Rechtsgeschäft mag also danach etwa dem Recht des Geschäftserrichtungsortes zu entnehmen sein; besonders verbreitet ist jedoch das elastische Anknüpfungsmoment der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles als Weg zur Ermittlung des Geschäftsstatuts. Jeder Forumstaat muß unter allen Umständen subsidiär maßgebende Zuweisungsnormen bilden, um dasjenige Recht zu bestimmen, an Hand dessen die Klagbehauptung geprüft werden kann, der Beklagte sei auf Grund eines Rechtsgeschäfts zu einer bestimmten Leistung verpflichtet; es muß, mit anderen Worten, jedenfalls subsidiär ein „gesetzliches Geschäftsstatut" in einer Zuweisungsnorm bestimmt werden. Ungenaue Vorstellungen der Geschäftserrichter über den Kreis der erwünschten Schutzstaaten oder über das Geschäftsstatut sind wohl in allen positiven Rechten kein Anlaß, um ein Geschäft unter dem gesetzlichen Geschäftsstatut als ungültig zu betrachten; desgleichen nicht das fehlende Bewußtsein davon, daß sich für das Rechtsgeschäft die Frage nach dem Kreis der Rechtsschutzstaaten und nach dem Geschäftsstatut überhaupt stellen kann. Mangels Gegenbeweises wird hier offenbar überall vermutet, daß die Geschäftserrichter Wirksamkeit ihres Geschäfts in möglichst vielen Staaten und zugleich Beurteilung des Geschäfts möglichst nach einem Geschäftsstatut gewünscht, aber auch die Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung unter den verschiedenen Rechtsanwendungsanweisungen der verschiedenen Schutzstaaten in Kauf genommen haben. Weder der Täter einer unerlaubten Handlung, noch die aus einer gesetzlichen Verpflichtung eines anderen Privatrechtssubjektes zu begünstigende Person können das auf eine gesetzliche Verpflichtung anwendbare Recht einseitig bestimmen. An anderer Stelle wurde jedoch ausgeführt, daß, jedenfalls im Zusammenhang mit einem sonstigen Vertrag, von den Parteien vereinbart werden kann, daß die einschlägigen Regeln des Vertragsstatuts auch auf gesetzliche Ansprüche auf Ersatz für Schäden anwendbar sein sollen, die im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung entstehen 13 . Werden nun Rechtspflichten durch ein Rechtsgeschäft begründet, dem Verbindlichkeit im staatlichen Recht durch eine gesetzliche Bestimmung verschafft werden muß, so ist es sicher nicht undenkbar, daß der Inhalt einer bestimmten staatlichen Privatrechtsordnung, welcher dieses Gesetz zu entnehmen wäre, von den Urhebern des Rechtsgeschäfts als die ihnen erwünschte Regelung des geplanten Rechtsverhältnisses bezeichnet werden könnte, und daß in den gewünschten „Rechtsschutzstaaten" das „Geschäftsstatut" wieder entsprechend diesem Wunsch der Geschäftserrichter angewendet wird. Eine solche Wahl des Geschäftsstatuts durch die Errichter des Rechtsgeschäfts darf zunächst sicher einmal von dem Staat des gewählten Rechts in seinen Rechtsanwendungsanweisungen als Anknüpfungsmoment verwendet werden. Wenn nach Völkerrecht jeder Staat die ohne Zwang abgegebene Erklärung einer natürlichen Person, sie wolle die Staatsangehörigkeit dieses Staates erwerben, zum Anlaß nehmen darf, um gemäß seinen Gesetzen dem Betreffenden seine Staatsangehörigkeit zu verschaffen, und wenn dies zur Folge hat, daß der neue Heimatstaat alle Pflichten, die er seinen Staatsangehörigen kraft seiner Personalhoheit auferlegen darf, auch dieser Person auferlegt, so darf ein Staat sein Recht auch als anwendbar erklären, wenn und weil sich die Errichter eines Rechtsgeschäfts als Parteien an dem dadurch begründeten Rechtsverhältnis nur bezüglich ihrer Pflichten aus diesem Rechtsgeschäft den einschlägigen Bestimmungen dieses Staates unterwerfen wollen. Als Gültigkeitsvoraussetzungen für das Unterwerfungsgeschäft können von dem betreffenden Staat dieselben Bestimmungen seines Rechts als anwendbar erklärt werden, die auch für das Zustandekommen des geplanten materiellrechtlichen Rechtsgeschäfts gelten; es ist 523
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Billigung der A b w a h l des gesetzlichen Geschäftsstatuts
aber auch möglich, daß ein Staat Spezialrecht für das Zustandekommen von Geschäften betreffend die Unterwerfung unter sein Recht bildet. Ein Staat kann solche Unterwerfungsgeschäfte möglicherweise nur in Verbindung mit dem einzelnen materielllrechtlichen Geschäft zulassen; denkbar ist aber auch, daß Verträge zugelassen werden, in denen die Parteien nur bestimmen, daß etwa alle ihre zukünftigen Verträge über eine bestimmte Angelegenheit einem bestimmten Recht unterstehen sollen. Andere Staaten als derjenige, der sein eigenes materielles Privatrecht deshalb auf ein Rechtsgeschäft als anwendbar erklärt, weil die Parteien sich ihm ausdrücklich unterworfen haben, können nun ihrerseits ebenfalls ihre Gerichte zur Anwendung dieses Rechts anstelle des sonst maßgeblichen und über eine objektive Verknüpfung ermittelten gesetzlichen Geschäftsstatuts anweisen. Allerdings findet sich immer noch gelegentlich die Vorstellung, jeder Forumstaat könne und solle die Gültigkeit der Unterstellung eines Rechtsgeschäfts unter ein ausländisches Recht nach Maßstäben beurteilen, die allein dem Recht des Forumstaates zu entnehmen seien; das ist schon deshalb abzulehnen, weil es auf diese Weise allzu oft nicht zu internationaler Entscheidungsgleichheit kommen würde. Eher hat es etwas für sich, wenn jeder Forumstaat bei sich die von dem Staat des gewählten Geschäftsstatutes gebilligte Unterwerfung nur dann als verbindlich erklärt, wenn dies auch der dritte Staat, welcher das subsidiäre gesetzliche Geschäftsstatut stellen würde, zu tun bereit ist. Die beste Lösung dürfte indes die sein, daß das anwendungswillige gewählte Geschäftsstatut im Forumstaat nur dann nicht anerkannt wird, wenn der Staat, der das gesetzliche Geschäftsstatut stellen würde, die Abwahl seines Rechts aus denselben Gründen ablehnt, die auch den Forumstaat zur Ablehnung der Rechtswahl veranlaßt hätte, falls er das gesetzliche Geschäftsstatut gestellt haben würde 1 4 . Als Gültigkeitsvoraussetzungen für das Unterwerfungsgeschäft kommen nicht nur Form, Geschäftsfähigkeit, mangelfreier Wille usw. in Frage, sondern auch das Vorhandensein eines vernünftigen Motivs für die Rechtswahl. Ein vernünftiges Motiv für die ausdrückliche Rechtswahl kann insbesondere darin gesehen werden, daß irgendeine, wenn auch nicht gerade die stärkste, objektive Verknüpfung zu dem Staat des gewählten Rechts hingeht. Man könnte auch fordern, zu dem Staat des gewählten Rechts müßte eine objektive Verknüpfung bestehen, die es plausibel macht, daß die Parteien darin die gewichtigste Verknüpfung sehen 1 5 . Vielfach wird es aber auch als ausreichendes Motiv der Rechtswahl anerkannt, daß die Parteien in dem gewählten Recht die eingehendste, oder die ihnen am leichtesten verständliche Regelung der Materie erblicken 1 6 . Aus dem vorher Gesagten ergibt sich, daß hierüber die Auffassungen des Staates mit dem gewählten Recht des Staates, der das mangels Rechtswahl maßgebliche gesetzliche Geschäftsstatut stellt, und des Forumstaates auseinandergehen können; dann hat, wie gesagt, eine Kumulierung der Bedingungen des Staates, dessen Recht gewählt werden soll, mit den Bedingungen des Forumstaates oder des Staates, der das subsidiäre gesetzliche Geschäftsstatut stellt, ihren guten Sinn. Die Selbstverständlichkeit, daß weder der Staat mit dem gewählten Recht, noch ein anderer Forumstaat jede von den Parteien gewünschte Rechtswahl billigen müssen, kann die Geschäftserrichter, die eine Rechtswahl vorgenommen haben, auch wieder dazu veranlassen, diese Rechtswahlklausel durch weitere Bestimmungen zu ergänzen. Sie können also etwa sagen, daß das Geschäft überhaupt nicht als zustandegekommen gelten soll, wenn ihre Rechtswahl nicht wenigstens von den und den Staaten gebilligt wird; sie könnten auch sagen, daß sie mangels Anerkennung ihrer Rechtswahl keinesfalls das Geschäft unter einem bestimmten Recht als gesetzlichem Geschäftsstatut Zustandekommen lassen wollen. e) Zuweisung an das von den Geschäftserrichtern als anwendbar geglaubte Recht Ein Staat kann die Anwendbarkeit seines eigenen Rechts nicht nur dann bejahen, wenn 524
Der Glaube an das anwendbare Recht. Hypothetische Rechtswahl
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die Geschäftserrichter die Rechtswahl in einer besonderen Klausel dieses Geschäfts zum Ausdruck bringen. Es wäre denkbar, daß eine Meldung der Rechtswahl an die Behörden des betreffenden Staates ausreichend oder erforderlich w ä r e 1 7 ; es könnte dann als genügend angesehen werden, wenn jeder der Geschäftserrichter eine solche Meldung unabhängig von dem anderen abgegeben hat. Dem kommt es im Ergebnis gleich, wenn ein Forumstaat seine Gerichte anweist, sein eigenes Recht auf ein Rechtsgeschäft dann und deshalb anzuwenden, weil sich beide Parteien im Prozeß auf dieses Recht berufen. Es ist daher auch möglich, daß übereinstimmende Äußerungen der Parteien vor dem Prozeß, und insbesondere Äußerungen zur Zeit der Geschäftserrichtung, die nicht notwendig in dem Geschäft enthalten sein müssen, zum Ausdruck bringen, die Betreffenden glaubten, daß ein bestimmtes nationales Recht auch unabhängig vom Parteiwillen das Geschäftsstatut sei. Dann kann insbesondere den übereinstimmenden Äußerungen der Geschäftserrichter über ihren Glauben bezüglich des anwendbaren Rechts und ihrer Bereitschaft, unter diesen Umständen das Rechtsgeschäft zu errichten, dieselbe Bedeutung beigemessen werden wie einer rechtsgeschäftlichen Unterstellung des Geschäfts unter ein bestimmtes Recht als Geschäftsstatut 1 8 . Eine Berufung auf Irrtum ist dann natürlich ausgeschlossen. f) Zuweisung an das bei hypothetischer Rechtswahl gewählte Recht In einigen positiven Kollisionsrechten werden in Äußerungen der Geschäftserrichter über ihre Vorstellung von dem bereits kraft Gesetzes anwendbaren Recht Äußerungen eines „stillschweigend erklärten" Willens gesehen, diesem Recht zur Anwendung zu verhelfen. Richtigerweise sollte man hier von einer unterstellten Eventualabsicht sprechen: Die Geschäftserrichter hätten das Recht, dessen Anwendbarkeit sie äls schon feststehend halten, auch ausdrücklich als anwendbar erklärt, wenn dies nötig gewesen wäre 1 9 . Es wäre denkbar, daß ein potentieller Schutzstaat in seinem internationalen Privatrecht eine ausdrückliche Rechtswahl, oder eine deutliche Äußerung über das als anwendbar geglaubte Recht, zu den Mindestanforderungen an den Inhalt des pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts rechnen würde. Das geschieht jedoch im positiven Recht kaum irgendw o 2 0 ; anstatt dessen wird vielfach bestimmt, das Gericht habe dasjenige Recht anzuwenden, welches die Parteien vermutlich ausdrücklich als Geschäftsstatut gewählt hätten, wenn eine solche ausdrückliche Wahl notwendig gewesen wäre, um das Rechtsverhältnis überhaupt auf die Beine zu stellen. Diese „hypothetische Rechtswahl" wird jedoch fast nirgendwo 2 1 dahin verstanden, daß den Parteien die Kenntnis des Inhaltes aller wählbaren Rechte unterstellt und untersucht wird, auf welches Recht sie sich vermutlich angesichts ihrer Interessenkonstellation geeinigt hätten. Ist eine der Parteien bei den Verhandlungen einwandfrei die Stärkere, so würde ja vermutlich dasjenige Recht gewählt werden, welches „im Schnitt" das für die stärkere Partei günstigere ist; ist ein bestimmtes wirtschaftliches Ziel gemeinsames Interesse der Geschäftserrichter, so würde es sich um dasjenige Recht handeln, welches dieses Ziel am meisten fördert. In vielen Fällen ist jedoch eine Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens aus der konkreten Interessenlage heraus aussichtslos. Man könnte auch auf dem eben beschriebenen Wege kaum zu dem Ergebnis kommen, daß die Geschäftserrichter ein anderes Recht als eines derjenigen, zu denen Verknüpfungen bestehen, gewählt hätten, obwohl dies bei ausdrücklicher Rechtswahl durchaus vorkommen kann. Als Ziel der Ermittlung des „hypothetischen Parteiwillens" wird daher heute durchweg nichts anderes verstanden als die Ermittlung desjenigen Rechts, zu dem die gewichtigste Kombination der bei der Errichtung des Rechtsgeschäftes bestehenden Verknüpfungen des Einzelfalles hingeht. Man kommt also zu demselben Ergebnis, welches auch erzielt wird, wenn das gesetzliche Geschäftsstatut durch die gewichtigste Kombination der 525
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Gesonderte Zuweisung von Teilfragen
objektiven Verknüpfungen bestimmt werden soll. Die so verstandene hypothetische Rechtswahl ist also „blind" in bezug auf die Frage, welches Recht die Interessen der einen oder der anderen Partei mehr fördert 22 . Daß diese Art der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens u. U. mit der „vernünftigerweise" zu vermutenden Absicht der Parteien in Widerspruch geraten kann, wird deutlich, wenn der über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelte hypothetische Parteiwille ausgerechnet auf ein Recht gelangt, unter dem sich das Geschäft als ungültig erweist. Die Erwägung, ob das Geschäft unter dem einen Recht gültig, unter dem anderen Recht ungültig sein würde, spielt also bei dieser Ermittlung des Geschäftsstatuts eine Rolle nur, wenn sich mehrere Rechte als gleich intensiv verknüpft erweisen, und die Geschäftserrichter ein gemeinsames Interesse daran haben, daß eine im Interesse Dritter vom Gesetz des einen Staates aufgestellte Gültigkeitsvoraussetzung nicht zum Zuge kommt 2 3 ; dann kann mit dem Argument gearbeitet werden, der hypothetische Parteiwille gehe auf die Anwendung des anderen Rechts 2 4 . g) Gesonderte Bestimmung der Rechte für einzelne Teilfragen 1.
Allgemeines
Die letzte wirklich bedeutsame Frage in jedem Rechtsstreit aus einem pflichtbegründenden Rechtsgeschäft geht stets dahin, ob ein bestimmtes Verhalten auf Grund des Rechtsverhältnisses geboten ist, bzw. ob ein bestimmtes Vermögen für eine aus dem Geschäft geschuldete Leistung oder für Schadensersatz wegen Nichterfüllung haftet. Die Zuweisungsnorm zur Lösung dieser Frage könnte infolgedessen dahin gefaßt werden, daß das „Geschäftsstatut" für sämtliche derartige Wirkungen des Rechtsgeschäfts, und zugleich für alle Fragen nach ihren Voraussetzungen maßgebend sein soll. Es ist aber auch möglich, die internationalprivatrechtliche Regelung dahin abzufassen, daß, vorrangig vor der Regelung des Geschäftsstatuts, bezüglich einer einzelnen Wirkung, und noch mehr bezüglich einer einzelnen Voraussetzung, ein anderes Recht als das Geschäftsstatut maßgebend sein soll. Immer wieder finden sich im positiven Recht Zuweisungsnormen dahin, daß „die Form" des Rechtsgeschäftes nicht durch das Geschäftsstatut, sondern durch das Recht des Errichtungsortes geregelt werden, d. h. daß diejenigen Gültigkeitsvoraussetzungen für das Rechtsgeschäft, die in Formvorschriften des Rechtes des Errichtungsortes enthalten sind, gegeben sein müssen, und nicht diejenigen, die die Formvorschriften des Geschäftsstatuts vorsehen, ehe im Forumstaat einer Klage aus dem Rechtsgeschäft stattgegeben werden kann. Immer wieder werden vom positiven Recht die Gerichte eines Forumstaates angewiesen, ohne Rücksicht auf das „grundsätzlich" maßgebliche Geschäftsstatut das Geschäft oder eine einzelne Klausel dann als ungültig zu behandeln, wenn eine in einer einzelnen Norm des Forumstaates, der ihr Anwendungsbereich gesondert zugewiesen wird, bezeichnete einzelne Gültigkeitsvoraussetzung nicht verwirklicht ist. Immer wieder finden sich Regelungen, wonach das durch Rechtswahl ermittelte Geschäftsstatut mit bestimmten Arten von Rechtssätzen nicht, und anstatt dessen ein durch objektive Verknüpfungen ermitteltes anderes Recht maßgebend sein soll. 2. Gesonderte
Zuweisung von Teilfragen
durch den Staat des
Geschäftsstatuts
Lautet die Kollisionsnorm des Forumstaates F, daß, unbeschadet einzelner solcher selbständigen Zuweisungen, „im Zweifel" sämtliche Rechtsfragen in bezug auf das Rechtsgeschäft dem durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen (oder durch das im Gesetz bezeichnete „stärkste" Anknüpfungsmoment) ermittelten Recht zur Beantwortung zugewiesen werden, und gehen diese Verknüpfungen zu dem Staat A hin, so kann auch dessen internationales Privatrecht dahin lauten, daß sämtliche Rechtsfragen über das Rechtsgeschäft dem Recht dieses Staates A zugewiesen seien. Der Staat A kann aber möglicherweise seinerseits einen Vorbehalt dahin machen, daß etwa Formvorschriften nicht 526
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Einseitige Sonderanknüpfung einzelner Rechtssätze
seinem Recht als dem Geschäftsstatut, sondern dem Recht des Errichtungsortes als dem besonderen „Formstatut" zu entnehmen seien. Im Sinne der Grundstatutsmethode 2 5 ist dann die „globale" Verweisung des internationalen Privatrechts von F auf das Recht A als Geschäftsstatut dahin zu verstehen, daß auch in F die Nichtanwendungswilligkeit des Rechtes A in bezug auf die Form zu beachten und die Verweisung auf das Recht des Errichtungsortes mitzumachen ist. Mit welchen derartigen Delegationen von Teilfragen durch das im Prinzip als Geschäftsstatut anwendungswillige Recht an ein anderes Recht muß nun gerechnet werden, und aus welchen Anlässen sollten derartige Delegationen gemacht werden? Hinter der Delegation von Teilfragen durch den Staat, der das Geschäftsstatut als Grundstatut in Gestalt eigener Rechtssätze stellen will, steht nicht selten der Gedanke, daß zwar die gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen für das Rechtsgeschäft als Ganzes die richtige Anknüpfung darstelle, daß aber bezüglich einzelner Fragen oder Regelungen eine andere Verknüpfung sachgerechter sei: O b eine durch Vertrag begründete Verpflichtung deshalb ungültig ist, weil die Handlung, welche als Erfüllungshandlung notwendig wäre, strafbar ist, diese Frage z. B . sollte wohl nicht unbedingt allein von dem durch die gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen ermittelten Geschäftsstatut geregelt werden, sondern eher von demjenigen Recht, welches die Strafbarkeit der Erfüllungshandlung vorsieht; dieses Recht könnte dann etwa z. B . bestimmen, daß die vertragliche Verpflichtung zu einer Handlung, deren Vornahme nach freiem Ermessen der Strafverfolgungsbehörde nur eine Ordnungsstrafe nach sich zieht, privatrechtlich voll gültig sei. O f t sind es materiellrechtliche Gesichtspunkte, nämlich die Förderung oder Hemmung des Zustandekommens von Rechtsverhältnissen durch Rechtsgeschäft, welche den Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut stellt, veranlassen, bezüglich einer einzelnen Gültigkeitsvoraussetzung alternativ oder kumulativ ein anderes Recht heranzuziehen: Das gültige Zustandekommen von Rechtsgeschäften soll z. B . gefördert werden, wenn neben den Formvorschriften des Geschäftsstatuts alternativ, d. h. zugunsten der Geschäftsgültigkeit, die Formvorschriften des Errichtungsortes oder der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Geschäftserrichter als anwendbar bezeichnet werden. Ein Staat, der sein Recht, wenn es als gesetzliches Geschäftsstatut berufen ist, nicht durch Wahl eines anderen Rechts zum Geschäftsstatut ganz ausschalten lassen will, kann es doch für einzelne Fragen, insbesondere die Auslegung der Worte des Rechtsgeschäfts, den Parteien überlassen, ein anderes Recht ausdrücklich oder stillschweigend zu wählen, oder für die durch dispositive Bestimmungen seines Rechts geregelten Teilfragen diese Rechtssätze ganz oder zum Teil durch materiellrechtliche Verweisungen auf ein anderes Recht zu ersetzen. 3. Gesonderte Bestimmung des Anwendungsbereichs internationalen Privatrecht des Forumstaates
einzelner
Sätze
der lex fori
im
In der herkömmlichen Betrachtungsweise der Dinge mehr beachtet als die Zuweisung von Teilfragen durch das als Grundstatut anwendungswillige Geschäftsstatut wird es, wenn ein Forumstaat selber in seinem internationalen Privatrecht aus der Zuweisung an das Geschäftsstatut von vornherein bestimmte Fragen herausnimmt und hierfür die anwendbaren Bestimmungen dem eigenen Recht entnimmt. Dies geschieht vielfach in einseitigen Zuweisungsnormen, und zwar oft in der Fassung, daß von einer bestimmten einzelnen Regelung des Forumstaates erklärt wird, sie solle als Regelung „verfahrensrechtlichen" Charakters von vornherein einer eventuellen widersprechenden Regelung des Geschäftsstatuts vorgehen. So stellen sich manche Staaten auf den Standpunkt, ihre Regelung der Frage, was bei Nichterfüllung der primären rechtsgeschäftlichen Verpflichtung zu geschehen habe — also ob auf Antrag eine Verurteilung zur 527
§19
Einseitige Sonderanknüpfung einzelner Rechtssätze
Nachholung der Leistung, oder ob nur eine Verurteilung zu Schadensersatz wegen Nichterfüllung möglich ist —, sei als eine „Verfahrens"rechtliche Regelung von „Rechtsbehelfen" dem Recht dieses Forumstaates zu entnehmen, ganz gleich, was in dem Staat geschieht, der das (ausländische) Geschäftsstatut als sein eigenes Recht anwendet26. Mit dem Vorbehalt verfahrensrechtlicher Regelungen für die lex fori und der damit notwendig verbundenen Ausschaltung abweichender Regelungen des Geschäftsstatuts hängt etwas anderes zusammen: Wem die auf dem Gebiet eines Forumstaates belegenen Vermögensrechte gehören, entscheidet der betreffende Staat im allgemeinen allein nach seinen eigenen Vorstellungen; ob daher in solche Vermögensgegenstände als Teile des persönlichen Vermögens des Schuldners aus einem durch das Recht begründeten Rechtsverhältnis vollstreckt werden darf, regelt der Lage- und Vollstreckungsstaat selbst. In einem Forumstaat kann dann aber auch kein Urteil für oder gegen eine Person ergehen bzw. vollstreckt werden, die in dem betreffenden Staat deshalb keine Vermögensrechte haben kann, weil sie dort nicht als vermögensfähige Rechtsperson anerkannt wird; daß der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, über den Besitz der Rechtspersönlichkeit anders denkt, wird dann einfach ignoriert. Eine Anweisung zur Anwendung von materiellrechtlichen Vorschriften der lex fori, vorrangig vor einem ausländischen Geschäftsstatut, findet sich sodann vor allem bezüglich einzelner Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts oder bezüglich einzelner durch Rechtsgeschäft nicht abdingbarer Wirkungen. Hierher gehören zunächst einmal spezialrechtliche, also nur für heterogen verknüpfte Rechtsverhältnisse in Frage kommende Bestimmungen, denen außenprivatrechtspolitische, insbesondere außenwirtschaftspolitische Motive zugrunde liegen. Hier steckt der Urheberstaat der Norm durch Angabe einer Inlandsverknüpfung und einer Auslandsverknüpfung den Anwendungsbereich des Spezialrechtssatzes ab, der z. B. für die derart heterogen verknüpften Geschäfte eine Genehmigung einer Behörde dieses Staates erfordert, ehe das Geschäft in diesem Staat als gültig angesehen und daraus mit Erfolg geklagt werden kann. Ist das Geschäft auf Grund des selbständig angeknüpften Spezialrechtssatzes in diesem Staat ungültig, so erübrigt sich für seine Gerichte die Prüfung, ob es nicht auch vom Standpunkt des ausländischen Geschäftsstatuts her aus einem anderen Grunde als ungültig anzusehen wäre. Wichtig, wenn auch oft nicht genügend beachtet wird es, daß ein Forumstaat auch umgekehrt in einem Rechtssatz, der nur für bestimmte inlands- und auslandsverknüpfte Situationen gelten soll, vorschreiben kann, daß gewisse normative Inhalte, wenn sie von den Geschäftserrichtern in das Rechtsgeschäft aufgenommen worden sind, als gültig betrachtet werden müssen, auch wenn sie nach dem ausländischen Geschäftsstatut als ungültig anzusehen wären, ja u. U. sogar, wenn sie bei Anwendbarkeit des Inlandsrechtes des Forumstaates als ungültig zu betrachten sind. Eine derartige „Liberalisierung" der Behandlung international verknüpfter Geschäfte ist meist ebenfalls als eine Maßnahme der Außenprivatrechtspolitik des betreffenden Staates zu erklären, so z. B. wenn die Aufnahme einer Goldklausel in bestimmten inlands- und auslandsverknüpften Verträgen ohne Rücksicht auf die Behandlung der Goldklausel im Geschäftsstatut und im normalen Inlandsrecht des betreffenden Staates gültig sein soll 27 . Macht ein Staat in seinem zunächst einmal für homogen verknüpfte Rechtsverhältnisse bestimmten Recht die Gültigkeit des Geschäfts von einer staatlichen Genehmigung abhängig, so wird die Anwendbarkeit dieser Bestimmung in heterogen verknüpften Situationen meist kaum davon abhängig sein wollen, daß dieser Staat das Geschäftsstatut auf Grund der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen, oder gar auf Grund einer Rechtswahl stellt. Ist eine gesetzliche Bestimmung über den Anwendungsbereich einer Vorschrift über Genehmigungsbedürftigkeit nicht getroffen worden, so hat ein Gericht im Urheberstaat der Bestimmung aus deren Zweck heraus zu ermitteln, in welchen inlandsverknüpften Fällen die Bestimmung, und zwar eben ohne Rücksicht auf das ausländische Geschäftssta528
Bilaterale Zuweisungsnormen für Teilfragen
§19
tut, anzuwenden ist. Dabei ist insbesondere auch zu prüfen, ob die Realisierung des gesetzgeberischen Zwecks der Anordnung nicht gefährdet ist, wenn die Anordnung nicht auch in ganz bestimmten Gruppen inlands- und auslandsverknüpfter Situationen als anwendbar erklärt wird27®. Sodann gibt es im Inlandsrecht eines Forumstaates häufig noch andere Rechtssätze über Voraussetzungen für die Gültigkeit von Rechtsgeschäften und ihren gesetzlich gebotenen, also nicht abdingbaren Inhalt, bei denen der Richter des Forumstaates nicht ignorieren kann, daß die Erreichung des gesetzgeberischen Zweckes der Vorschrift gefährdet wäre, wenn diese nicht auch in gewissen heterogen verknüpften Fällen zur Anwendung gelangen würde. Hier ermöglicht mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen 28 die in anderem Zusammenhang schon erwähnte positive ordre public-Klausel es dem Richter des Urheberstaates einer solchen Norm, ihre Anwendung auch im heterogen verknüpften Bereich durchzusetzen, obwohl Geschäftsstatut ein anderes Recht ist 2 9 . Das wird deutlich an folgendem Beispiel: Das Recht A enthält im normalen Inlandsrecht eine Vorschrift, welche die Vornahme einer bestimmten Handlung gesetzlich verbietet und an ihre Verletzung Sanktionen in Gestalt von Schadensersatzpflichten oder Strafen anknüpft. Die abschreckende Wirkung dieser Sanktionsdrohungen würde offenbar geschwächt, wenn in der betreffenden Rechtsordnung eine vertragliche Verpflichtung zur Vornahme jener Handlung als gültig angesehen und deshalb die versprochene Gegenleistung einklagbar wäre. 4. Gesonderte
Zuweisung von Teilfrageregelungen
in bilateralen
Zuweisungsnormen
Eine gewisse Abneigung gegenüber einseitigen Zuweisungen und die fehlende Einsicht in die Möglichkeiten, auf ein Rechtsgeschäft mehrere Rechte nebeneinander zur Anwendung zu bringen, hat dazu geführt, daß viele Kollisionsrechte traditionellerweise so aufgebaut werden, daß zwar grundsätzlich alle Fragen aus einem durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnis in bilateralen Kollisionsnormen einem Geschäftsstatut zugewiesen werden, jedoch mit der Ausnahme, daß die Regelung gewisser Fragen vom Forumstaat wiederum in bilateralen Zuweisungsnormen anderen Rechten anvertraut wird. So wartet beispielsweise das internationale Privatrecht vieler Staaten nicht ab, ob die Rechtsanwendungsanweisungen des Geschäftsstatuts Formvorschriften aus dem Recht des Errichtungsortes heranziehen, und wie sie sie heranziehen; es beschränkt sich auch nicht darauf, den eigenen Formvorschriften einen bestimmten Anwendungsbereich zuzuweisen, sondern der Gesetzgeber des Forumstaates bestimmt selbst in bilateralen Zuweisungsnormen, daß auf die Frage nach der „Formgültigkeit" etwa die Formvorschriften des Errichtungsortes oder der gemeinsamen Staatsangehörigkeit des Geschäftserrichters, und nicht die des Geschäftsstatuts, anwendbar sein sollen. Die Begründung für eine solche Sonderanknüpfung ist oft dieselbe, mit der der Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut stellt, die Heranziehung von Formvorschriften aus anderen Rechten anordnet, nämlich, daß das zur „globalen" Ermittlung des Geschäftsstatuts verwendete Anknüpfungsmoment zur Ermittlung der Formvorschriften nicht das sachgerechteste sei. Dazu läßt sich aber immer noch sagen, daß die Entscheidung darüber, welches Recht für diie Form eines bestimmten Geschäfts sachgerechter ist als das Geschäftsstatut, bei dem Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut stellt, wohl besser aufgehoben ist als bei dem Gesetzgeber des zufälligen Forumstaates; beschränkt das Geschäftsstatut die Heranziehung der Formvorschriften des Errichtungsortes auf die Fälle, in denen die Beachtung der Formvorschriften des Geschäftsstatuts im Gebiet eines anderen Landes undurchführbar ist, so ist kein plausibler Grund dafür zu sehen, daß irgendein zufälliger Forumstaat in einer bilateralen Kollisionsnorm bestimmen sollte, bezüglich der Formvorschriften seien allein und immer die Formvorschriften des Errichtungsortes maßgebend. 529
« 19
Einseitig angeknüpfte Teilfrageregelungen im dritten Forumstaat
Erst recht ist die selbständige Zuweisung von Fragen nach der Formgültigkeit durch das Kollisionsrecht des jeweiligen Forumstaates, und unabhängig von der Haltung des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, zu verwerfen, wenn das Geschäftsstatut mit seiner Regelung materiellrechtliche Zwecke verfolgt, und der Forumstaat die Erreichung dieses Zwecks mit seiner Zuweisungsnonn durchkreuzt: Will der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, das Zustandekommen bestimmter Rechtsverhältnisse dadurch fördern, daß er die alternative Anwendung seiner eigenen Form Vorschriften, derjenigen des Errichtungsortes und derjenigen des gemeinsamen Heimatstaates anordnet, so ist es nicht zu begründen, weshalb ein mit der Sache nur schwach verknüpfter Forumstaat von sich aus etwa bestimmen will, daß für die Form ausschließlich die Bestimmungen des Errichtungsortes maßgebend seien. Eine legitime Begründung für die gesonderte Zuweisung einzelner Teilfragen im Zusammenhang mit einem pflichtbegründenden Rechtsgeschäft durch das internationale Privatrecht des jeweiligen Forumstaates kann darin bestehen, daß eine bestimmte Teilfrage zwecks Wahrung der materiellen Harmonie im Forumstaat stets gleichmäßig beantwortet werden muß. Dieser Gedanke steckt insbesondere hinter einer gesonderten Zuweisung der Frage nach der allgemeinen Geschäftsfähigkeit in einer bilateralen Zuweisungsnorm des Forumstaates. O b das Argumentieren mit der materiellen Harmonie hier unbedingt überzeugend ist, wird allerdings später 30 noch genauer zu prüfen sein. Wie schon angedeutet, enthalten zahlreiche positive Rechte Anwendungsanweisungen, welche weitere Teilfragen, wie z. B. die Frage nach der speziellen Geschäftsfähigkeit, in bilateralen Zuweisungsnormen selbständig zuweisen, und dabei keine Rücksicht darauf nehmen, wie sich das Geschäftsstatut hierzu verhält. Die Entmachtung des Geschäftsstatuts durch selbständige Anknüpfung von Teilfragen im Kollisionsrecht des jeweiligen Forumstaates geht oft so weit, daß der dem Geschäftsstatut bleibende Herrschaftsbereich minimal ist. Häufig findet sich dann auch eine Regelung, wonach die verschiedenen Wirkungen des durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses mehreren Wirkungsstatuten zugewiesen werden, und daß diese Wirkungsstatuten keinen Einfluß darauf haben, unter welcchen Voraussetzungen überhaupt das Rechtsverhältnis zustande kommt; vielmehr sind es wieder andere Rechte, die über die verschiedenen Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts entscheiden sollen. Das kann so weit gehen, daß bei Verwendung dessen, was hier als Mosaikmethode31 bezeichnet wird, ein Geschäftsstatut auch in der Rolle als Reststatut überhaupt nicht mehr auftaucht 32 . 5. Anerkennung der einseitigen Anwendungsansprüche anderer nigen des berufenen Geschäftsstatuts in dritten Staaten
Rechtssätze
als
derje-
Anstatt daß der Forumstaat die Aufstellung bestimmter Arten von Gültigkeitsvoraussetzungen eines pflichtbegründenden Geschäfts dem Geschäftsstatut von vornherein entzieht und durch selbständige bilaterale Zuweisungsnormen einem anderen Recht — sei es unter der Bedingung der Anwendungswilligkeit, oder gar ohne diese Bedingung 33 — zuweist, und anstatt daß der Forumstaat die Grundstatutsmethode konsequent durchführt, kommt auch noch ein dritter Weg in Frage: Man wendet im Forumstaat Sätze eines staatlichen Rechts, das nicht mit dem Geschäftsstatut identisch sein muß, an, wenn sie die Gültigkeit des Geschäfts oder einzelner Klauseln hemmen, und der Urheberstaat sie mit Rücksicht auf eine Inlandsverknüpfung unabhängig vom Geschäftsstatut angewendet wissen will. Derartiges geschieht allerdings vernünftigerweise nur unter der Voraussetzung, daß der Urheberstaat jener Normen in bezug auf gleiche oder ähnliche anwendungswillige Vorschriften des Forumstaats Gegenseitigkeit übt, oder daß die Anwendung der fraglichen Bestimmungen letztlich auch ein öffentliches Interesse des Forumstaates fördert, oder daß auch der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, bereit ist, jene selbständig angeknüpften 530
Einseitig angeknüpfte Teilfrageregelungen im dritten Forumstaat
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Bestimmungen eines anderen Landes durch seine Gerichte zur Anwendung bringen zu lassen 34 . Erfordert ein anderer Staat als derjenige, der das Geschäftsstatut stellt, in einer Spezialnorm oder in einer anwendungswilligen Norm seines Inlandsrechts etwa eine Genehmigung des Geschäfts durch seine Behörden, sofern eine bestimmte Inlandsverknüpfung vorliegt, und erklärt er das Geschäft mangels Genehmigung für ungültig, so ist es unter den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts vertretbar, wenn auch der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, oder wenn dritte Forumstaaten diesen einseitig angeknüpften Satz auch durch ihre Gerichte beachten lassen, falls der Urheberstaat des Rechtssatzes in bezug auf entsprechende Sätze dieser Staaten bei einer entsprechenden Verknüpfung zu diesen Staaten Gegenseitigkeit gewährleistet35. Ist das der Fall, so wird also auch in diesen anderen Staaten das Geschäft mangels Genehmigung durch jenen Staat als ungültig betrachtet werden. Erfordern z. B. die Staaten A und B auf dem Wege über ihre positive ordre publicKlausel, oder auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, bei Errichtung eines bestimmten Geschäfts im Lande A bzw. B die Wahrung einer qualifizierten Form, wie sie das Recht A bzw. B vorsieht, auch wenn das Geschäftsstatut C eine andere Form genügen läßt, und auch wenn die Staaten A, B und C im allgemeinen bereit sind, die Formvorschriften des Geschäftsstatuts anwenden zu lassen, so kann hier der Staat B jedenfalls bei Gegenseitigkeit seitens des Staates A die Vorschrift des Staates A über die qualifizierte Form durch seine Gerichte zur Anwendung bringen, selbst wenn der Staat C, der das Geschäftsstatut stellt, dies nicht tun sollte 36 . Wird eine Ware von einem Staat A auf einem Schiff des Staates B nach einem Land C und anschließend nach einem Staat ohne Meeresküste und ohne eigene Handelsflotte (F) befördert, ist Geschäftsstatut für den zwischen dem Reeder und dem Importeur in F als Befrachter geschlossenen Seetransportvertrag das Recht B, welches keine Beschränkung der Freizeichnungsklausel des Reeders kennt, will aber das Recht C mit eigenen Bestimmungen die Gültigkeit solcher Klauseln hemmen, während das Land F weder ein Seetransportrecht noch ein Verbot von Freizeichnungsklauseln hat, so kann die Anwendung der anwendungswilligen Bestimmungen des Landes C über die Ungültigkeit der Klauseln durch die Gerichte von F damit begründet werden, daß diese Vorschrift, die sich gegen ein kartellartiges Verhalten der Reeder aller Länder wenden will, für das Land F vorteilhafter ist als die Anwendung des Rechtes von B. Das wird noch deutlicher, wenn der Staat F einer internationalen Konvention beigetreten ist, welche alle Vertragsstaaten verpflichtet, bei bestimmten Inlandsverknüpfungen die Freizeichnungsklauseln als ungültig zu behandeln: Obwohl der Staat F gar keine Gelegenheit hat, die Konvention unmittelbar zu befolgen, wenn der Staat B nicht Vertragsstaat der Konvention ist, so handeln die Gerichte von F doch „im Geiste" der Konvention, wenn sie die anwendungswilligen Bestimmungen des Rechtes C ihrerseits zur Anwendung bringen 37 . Daß eine im Urheberstaat einseitig angeknüpfte Bestimmung, welche die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts, oder die Gültigkeit einer einzelnen Klausel im Rechtsgeschäft behindert, in anderen Staaten auch ohne Gegenseitigkeitserfordernis dann zur Anwendung zu bringen ist, wenn der Urheberstaat zugleich derjenige ist, der das Geschäftsstatut stellt, ist heute bereits weitgehend anerkannt. Aber auch wenn der Staat des Geschäftsstatuts zwar nicht von sich aus Vorschriften dritter Staaten beruft, aber anwendungswillige einzelne Bestimmungen aus den genannten Erwägungen beachtet, sollten dritte Forumstaaten nicht anders handeln.
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§19
Spezialrecht für pflichtbegründende Rechtsgeschäfte
h) Besondere Probleme der Anwendbarkeit von Spezialrecht f ü r pflichtbegründende Rechtsgeschäfte Spezialrecht für gewisse heterogen verknüpfte pflichtbegründende Rechtsgeschäfte besteht häufig in Gestalt gesetzlicher Gültigkeitsvoraussetzungen für das Geschäft: Es ist etwa eine behördliche Genehmigung erforderlich, wenn eine Inlandsverknüpfung X und eine Auslandsverknüpfung Y vorliegt, oder es ist eine qualifizierte Form zu wahren, oder es sind bestimmte Klauseln unzulässig, die im Inlandsrecht für homogen verknüpfte Geschäfte zulässig sind. Es ist aber auch möglich, daß ein Land sämtliche zwingenden und nichtzwingenden Regelungen seines Inlandsrechtes für eine bestimmte Vertragsart durch eine spezialrechtliche Regelung ersetzt, die dann anwendbar ist, wenn bestimmte Inlandsund bestimmte Auslandsverknüpfungen vorliegen; so haben verschiedene Staaten bereits spezialrechtliche Regelungen für „internationale" Kaufgeschäfte, Transporte usw. Allerdings ist eine solche Verdrängung des normalen Inlandsrechts durch Spezialrecht oft insofern unvollständig, als die spezialrechtliche Regelung etwa die Frage der Geschäftsfähigkeit nicht mit umfaßt, so daß hier die Anwendung des normalen Inlandsrechtes wieder in Frage kommt 3 7 ". Auch für solche umfassenden spezialrechtlichen Regelungen international verknüpfter Rechtsgeschäfte muß der Urheberstaat den Anwendungsbereich ausdrücklich abstecken; er muß z. B. bestimmen, ob ein Spezialgesetz für internationale Käufe dann anwendbar sein soll, wenn eine Partei im Inland, die andere im Ausland wohnt, oder ob die Spezialregelung für die Fälle bestimmt ist, wo die verkaufte Sache in einem Staat belegen ist und in den anderen Staat geliefert werden soll, oder ob gar mehrere Inlandsverknüpfungen, vielleicht auch mehrere Auslandsverknüpfungen zugleich, vorliegen müssen, damit das Spezialgesetz zum Zuge kommt. Eine solche umfassende spezialrechtliche Regelung für eine bestimmte Vertragsart kann auch in allen heterogen verknüpften Fällen anwendbar sein wollen, in denen auf Grund der normalen Kollisionsnormen das Recht dieses Staates als gesetzliches Geschäftsstatut oder als gewähltes Geschäftsstatut berufen ist 3 8 . Insoweit das Spezialrecht dispositives Recht sein will, d. h. durch ausdrückliche Aufnahme abweichender normativer Inhalte durch die Geschäftserrichter in das Rechtsgeschäft ausgeschaltet werden kann, stellt sich, genau wie bei dispositiven Bestimmungen des normalen Inlandsrechts, die Frage, ob eine solche Ausschaltung auch dadurch erfolgen kann, daß im Rechtsgeschäft eine Verweisung auf allgemeine Geschäftsbedingungen u. ä. ausgesprochen wird, ohne daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen im Geschäftsinhalt wiederholt werden. Wird das zugestanden, so bedarf es aber auch einer Regelung, ob die Geschäftserrichter das normale Inlandsrecht des betreffenden Staates durch eine bloße Verweisung zur Verdrängung der dispositiven Bestimmungen des Spezialrechts heranziehen dürfen 3 9 ; es ist denkbar, daß hierfür z. B. eine besondere Form gefordert wird 4 0 . Bedeutet Wahl des Geschäftsstatuts, daß die Geschäftserrichter die Anwendbarkeit des gewählten Rechtes jedenfalls durch die Gerichte des Urheberstaates des gewählten Rechtes dadurch herbeiführen können, daß sie eine entsprechende Klausel in das Geschäft aufnehmen, und daß die von diesem Staat aufgestellten Voraussetzungen für die Unterwerfung des Geschäfts unter sein Recht erfüllt sind, so muß der Staat, der solche vollständigen Regelungen einer bestimmten Vertragsart, nämlich die eine in seinem Inlandsrecht, die andere in seinem Spezialrecht, erlassen hat, eine Bestimmung darüber treffen, ob mit der Wahl „seines" Rechts, falls die Parteien nichts Genaueres gesagt haben, das normale Inlandsrecht oder das Spezialrecht als gewählt gilt 4 1 . Ein Staat, zu dem keine objektive Verknüpfung besteht, die ihn legitimieren könnte, sein eigenes normales Inlandsrecht auf das Geschäft als anwendbar zu erklären, kann seine spezialrechtliche Regelung den Parteien gegen ihren Willen nicht oktroyieren. Wenn meh532
A n w e n d u n g s b e r e i c h v o n vereinheitlichtem Spezialrecht
§19
rere Staaten in einem offenen Kollektivvertrag einheitliches Spezialrecht für heterogen verknüpfte Verträge bilden, so können auch sie von den Parteien an einem Vertrag, den keiner der Signatarstaaten mangels einer Verknüpfung zu sich seinem gewöhnlichen Inlandsrecht hätte unterstellen dürfen, nicht verlangen, daß sie ausdrücklich ein anderes Recht wählen, um die Anwendbarkeit des durch den völkerrechtlichen Vertrag vorgesehenen uniformen Spezialrechts zu verhindern 42 . Wenn es völkerrechtlich zulässig ist, daß der betreffende Staat bestimmt, in einem Prozeß vor seinen Gerichten müsse die Anwendbarkeit ausländischen Rechts von der Partei, die sich darauf beruft, ausdrücklich vorgetragen werden, und der Inhalt des ausländischen Rechts müsse, wenn er vom inländischen Recht abweicht, durch die betreffende Partei nachgewiesen werden, so wäre aber eine Lösung denkbar, wonach bei heterogenen Verknüpfungen des Geschäfts mangels eines anderen Parteivorbringens das vom Forumstaat eingeführte Spezialrecht zur Anwendung zu bringen sei. Völkerrechtlich zulässig dürfte es auch sein, daß Staaten, die eine umfassende spezialrechtliche Regelung für eine bestimmte Vertragsart gebildet haben, in einer einseitigen Zuweisungsnorm den größten völkerrechtlich zulässigen Anwendungsbereich für dieses Spezialrecht in Anspruch nehmen. Das liegt wiederum besonders nahe, wenn es sich um ein in einem völkerrechtlichen Vertrag niedergelegtes einheitliches Spezialrecht handelt; dann könnte vor allem im Verhältnis zwischen den Signatarstaaten dieses Vertrages angenommen werden, daß, wenn nur irgendeine völkerrechtlich ausreichende objektive Verknüpfung zu einem der Vertragsstaaten hingeht, alle Vertragsstaaten jenes vereinheitlichte Spezialrecht zur Anwendung zu bringen haben. In einem solchen Fall sind aber die Vertragsstaaten nicht als untereinander verpflichtet anzusehen, das vereinheitlichte Spezialrecht auch auf einen Fall anzuwenden, der ausschließlich mit Nichtvertragsstaaten verknüpft ist, oder bei dem die zu einem Vertragsstaat bestehende Verknüpfung so schwach ist, daß dieser Staat daraufhin auch nicht die Anwendbarkeit seines Inlandsrechts hätte anordnen dürfen 4 3 . Desgleichen kann bei Bildung einer umfassenden Spezialregelung für international verknüpfte Verträge bestimmter Art die Befugnis der Geschäftserrichter, das Spezialrecht durch Wahl eines anderen Rechts auszuschalten, in größerem Umfang eingeschränkt werden, als dies sonst für die Wahl des Geschäftsstatuts für heterogen verknüpfte Geschäfte möglich ist; so könnte beispielsweise bestimmt werden, daß vertraglich vereinheitlichtes Spezialrecht nur bei ganz bestimmten besonders starken Verknüpfungen zu einem Staat durch die Wahl des Inlandsrechts dieses Staates ausgeschaltet werden kann. Soweit allerdings vereinheitlichtes Spezialrecht dispositives ergänzendes Recht darstellt, und seine Ausschaltung auch in Gestalt von Verweisungen auf allgemeine Geschäftsbedingungen u. ä. zugelassen wird, wird man nicht entsprechende Verweisungen auf das Inlandsrecht eines Vertragsstaates oder das Recht eines Nichtvertragsstaates erschweren wollen. Besteht das in einem Staat eingeführte Spezialrecht nur in einer Bestimmung über eine einzelne in seinem Inlandsrecht unbekannte Gültigkeitsvoraussetzung für ein Rechtsgeschäft, oder in der Auferlegung einer unabdingbaren Nebenpflicht, oder besteht das Spezialrecht nur in der Beseitigung einer bestimmten einzelnen Gültigkeitshemmung, so kann der völkerrechtliche Vertrag, der den Erlaß einheitlicher Bestimmungen dieser Art vorsieht, ebenfalls Folgen für die Bestimmung des Anwendungsbereiches einer solchen Vorschrift haben. Hier wird man nicht so weit gehen, daß jede völkerrechtlich ausreichende Verknüpfung zu einem Vertragsstaat, auf Grund deren er sein Inlandsrecht hätte anwendbar machen können, ausreicht, um die vereinheitlichte zwingende Bestimmung als geboten zu betrachten, sondern man wird nur deren Anwendungsbereich durch alternativ einzusetzende Anknüpfungsmomente unparitätisch breit gegenüber den Nichtvertragsstaaten abstecken. So wird ein völkerrechtlicher Vertrag, der die Einführung eines Verbotes einer 533
Anwendbarkeit von ausländischem Spezialrecht
bestimmten Freizeichnungsklausel für internationale Seetransporte zum Ziele hat, für die Vertragsstaaten die Einführung dieser Bestimmung etwa nur insoweit obligatorisch machen wollen, als sich der Abgangs- oder der Bestimmungshafen in einem Vertragsstaat befindet 44 . Nicht vereinheitlichtes Spezialrecht in Gestalt einzelner Gültigkeitsbedingungen u. ä. ist meist durch Motive der nationalen Außenprivatrechtspolitik des Urheberstaates der Bestimmung zu erklären; er will gewisse Interessen der mit ihm durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz verbundenen Menschen, die der Gesetzgeber zugleich als „StaatsinteresSe" qualifiziert, fördern, und zwar notfalls auch auf Kosten entgegenstehender Interessen anderer Staaten und ihrer Staatsangehörigen. Diese Zielsetzung ist z. B. evident bei einem Satz, der den Vertrag, welcher nur unter Verletzung eines Importverbotes für bestimmte Waren zu erfüllen wäre, für ungültig erklärt; indem solche Verträge im Importland unerzwingbar werden, soll der Anreiz zu ihrem Abschluß trotz eines anders lautenden Staatsinteresses des Heimatstaates der Exporteure genommen werden. Auch devisenrechtliche Bestimmungen, welche zur Begründung bestimmter Verpflichtungen eine Genehmigung erfordern, und zwar eine Genehmigung durch Behörden des Urheberstaates, dienen in erster Linie dem „Schutz der Währung" des Urheberstaates, d. h. letztlich dem Interesse derjenigen, die an einem bestimmten Kurs dieser Währung interessiert sind; das sind in aller Regel diejenigen, die der Volkswirtschaft dieses Staates zugehören. Evident ist der „egoistische" („nationalpolitische") Zweck von fremdenrechtlichen Bestimmungen, welche die Gültigkeit bestimmter pflichtbegründender Geschäfte zwischen Inländern und Ausländern gänzlich verhindern oder von einer Genehmigung abhängig machen wollen. Auch spezialrechtliche Gesetze, welche ausdrücklich etwaige im Inlandsrecht oder im Auslandsrecht geltende Sätze über die Ungültigkeit bestimmter wettbewerbsbeschränkender Abmachungen als für Exporte aus dem Inland nicht maßgeblich erklären, und damit die subsidiären Regeln über die Vertragsfreiheit wieder zum Zuge kommen lassen, dienen offensichtlich allein den Interessen der Exporteure des Urheberstaates, d. h. sie wollen diese auf ausländischen Märkten auf Kosten der ausländischen Abnehmer begünstigen. Gelegentlich sind spezialrechtliche Sätze nur gegen einen einzelnen anderen Staat gerichtet, und nicht gegen andere dritte Staaten; sie stellen sich damit noch deutlicher als Kampfmaßnahmen in internationalen Wirtschaftskriegssituationen oder gar im Kriegszustand im engeren Sinne dar, wie z. B. Verbote des Handels mit dem Feind, die in ihrem privatrechtlichen Teil die Geschäfte, deren Abschluß ohne Genehmigung mit Strafe bedroht ist, auch als ungültig erklären, ihnen also den Rechtsschutz entziehen. Es ist sicher, daß pflichtbegründende Rechtsgeschäfte, die nach den Bestimmungen des Geschäftsstatuts gültig sind, nicht in einem dritten Staat, oder gar in dem Staat, der das Geschäftsstatut stellt, einfach deshalb als ungültig betrachtet werden, weil ein Urheberstaat einer solchen Kampfbestimmung das Geschäft unter seine Vorschrift bringen will. Die Nichtbeachtung einer solchen spezialrechtlichen Bestimmung kann notfalls ohne weiteres mit der negativen ordre public-Klausel erklärt werden: Von keinem staatlichen Gesetzgeber kann angenommen werden, daß er ein gegen die Interessen seines Staates gerichtetes Gesetz erlassen würde; infolgedessen ist auch ein ausländisches Gesetz, das sich diese Interessenverletzung zum Ziel macht, von vornherein unanwendbar. Besteht die ausländische spezialrechtliche Kampfmaßnahme darin, daß ein Rechtsgeschäft mangels Genehmigung durch den Urheberstaat als ungültig erklärt wird, so bedeutet die Ignorierung dieser Vorschrift im Forumstaat, daß dort das ungenehmigte Geschäft als gültig betrachtet wird. Schwierigkeiten bereitet die Frage, wie sich die anderen Staaten verhalten sollen, wenn der Staat A ausdrücklich bestimmt, daß eine gültigkeitshemmende Vorschrift, die seinem Inlandsrecht bekannt ist, und die er auf alle homogen verknüpften Geschäfte anwenden läßt, in bestimmten auslandsverknüpften Situationen keine Anwendung finden soll, und 534
Anwendbarkeit von ausländischem Spezialrecht
§19
wenn dies als eine außenprivatrechtspolitische Maßnahme zugunsten der eigenen Volkswirtschaft und auf Kosten fremder Volkswirtschaften gedacht ist, wie z. B. die Befreiung der Exportkartelle von einem Kartellverbot 45 . Handelt es sich bei dem betreffenden Staat um einen anderen als den, der das Geschäftsstatut stellt, so haben dritte Staaten im allgemeinen keine Veranlassung, die gültigkeitshemmende Bestimmung im Inlandsrecht jenes Staates gegen dessen Willen zur Anwendung zu bringen. Ist der Urheberstaat einer Bestimmung, wonach eine gültigkeitshemmende Vorschrift seines Inlandsrechts in bestimmten heterogen verknüpften Situationen nicht zur Anwendung gebracht werden soll, derselbe Staat, der auch das Geschäftsstatut stellt, so kann hier ein benachteiligter Forumstaat mit seiner negativen ordre public-Klausel die Anwendung des normalen Inlandsrechts des Geschäftsstatuts begründen; man wird also das Kartellverbot des Geschäftsstatuts des Exportlandes gegen dessen Willen im Importland anwenden, und die „Befreiung" der Exportkartelle durch den Gesetzgeber des Geschäftsstatuts als eine den Importstaat benachteiligende Bestimmung ignorieren. Häufig wird natürlich der Forumstaat in solchen Fällen ohnehin selber eigene gültigkeitshemmende Vorschriften zur Anwendung bringen wollen: Wenn das Importland Importkartelle verbietet, so stellt sich die Frage, ob die Befreiung der Exportkartelle durch das Recht des Exportlandes von dessen Kartellverbot im Importland beachtlich ist, überhaupt nicht mehr. Außenprivatrechtspolitische Kampfmaßnahmen in Gestalt spezialrechtlicher Vorschriften können möglicherweise nebeneinander von mehreren Staaten gegenüber einem dritten Staat ergriffen werden. Dann kann die Bestimmung des einen auch in dem anderen zur Anwendung gebracht werden, falls sie sich nicht ohnehin überschneiden: Verbündete Staaten, die sich mit einem dritten Staat im Krieg befinden, werden ihre Bestimmungen über das Verbot des Handels mit dem Feind, einschließlich der Bestimmungen über die Ungültigkeit nicht genehmigter Geschäfte, auch gegenseitig untereinander anwenden. Nicht alle nicht uniformierten spezialrechtlichen Bestimmungen sind solche, bei denen das nationale Interesse einer Volkswirtschaft nur unter Schädigung einer anderen Volkswirtschaft gefördert werden kann oder soll. Das Bestreben eines Staates, das Zustandekommen bestimmter Privatrechtsverhältnisse in heterogen verknüpften Situationen zu hemmen, muß nicht immer im Widerspruch zu den außenprivatrechtspolitischen Interessen anderer Staaten stehen; vielmehr können auch andere Staaten daran interessiert sein, daß das Entstehen gewisser heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse gehemmt wird. Ferner ist es denkbar, daß sich gerade im internationalen Handelsverkehr zwischen den Privatrechtssubjekten Mißstände bilden, an deren Beseitigung mehrere Staaten ein übereinstimmendes Interesse haben, wo aber doch jeder dieser Staaten mangels eines völkerrechtlichen Vertrages zunächst einmal einseitige Maßnahmen in Gestalt von Spezialrecht erläßt. So könnte die Vorstellung, daß national gemischte Ehen unbeständiger seien als andere, von den Gesetzgebern mehrerer Staaten geteilt werden, und könnte in jedem dieser Staaten zu „Verboten" von Ehen eigener Staatsangehöriger mit Ausländern führen. Mehrere Staaten können übereinstimmend der Meinung sein, daß die Bekämpfung der Rauschmittelsucht in erster Linie durch Hemmungen des grenzüberschreitenden Handels mit Rauschgiften erreicht werden kann. Wenn auch devisenrechtliche Vorschriften zunächst im Sinne ihrer Urheber nur den Schutz der eigenen Währung und der eigenen Volkswirtschaft des betreffenden Staates zum Ziel haben, kann sich doch im Laufe der Zeit eine übereinstimmende Uberzeugung bilden, daß gewisse derartige Maßnahmen letztlich doch für einen gesunden Stand der internationalen Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen nützlich oder gar notwendig sind. Es kann dann zu einem übereinstimmenden Interesse aller, oder fast aller, Staaten kommen, daß gewisse einseitig erlassene spezialrechtliche Bestimmungen eines Staates auch in den anderen Staaten angewendet werden sollten. Das mag in einem völkerrechtlichen Vertrag seinen Ausdruck finden. Es ist aber auch ohne Vertrag an eine 535
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Das gesetzliche Geschäftsstatut
Generalklausel im Kollisionsrecht des Forumstaates zu denken, die den Richter ermächtigt, anwendungswillige spezialrechtliche Vorschriften auch anderer Staaten als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt, zur Anwendung zu bringen, wenn es sich um Vorschriften handelt, die der Bekämpfung von überall als Mißstand empfundenen Erscheinungen des internationalen Geschäftsverkehrs dienen, und deren Bekämpfung daher letztlich als auch im Interesse des Forumstaates liegend angesehen werden muß 4 6 . i) Bestimmung des gesetzlichen Geschäftsstatuts an H a n d der gewichtigsten K o m bination der Verknüpfungen Soll das gesetzliche Geschäftsstatut — mangels Rechtswahl oder entgegen einer Rechtswahl — durch die gewichtigste Kombination der im Einzelfall vorhandenen Verknüpfungen bestimmt werden 4 7 , so gehören dazu auch Staatsangehörigkeit und Wohnsitz der Parteien, aber auch ihr vermutlicher gewöhnlicher Aufenthalt während der für die Abwicklung des Geschäfts vorgesehenen Zeit 4 8 ; zu den beachtlichen Verknüpfungen gehören selbstverständlich die Erfüllungsorte der beiderseitigen Leistungen, sowie der Orte der Errichtung des Rechtsgeschäfts und der Verhandlungen über das Rechtsgeschäft. Die Verknüpfung des obligatorischen Geschäfts mit dem Land des Erfüllungsortes wird dadurch verstärkt, daß ein zur Erfüllung notwendiges weiteres Rechtsgeschäft in Gestalt der Übertragung von Monopolrechten vom nationalen Recht des Erfüllungsortes beherrscht wird. Besteht die Erfüllung der durch das Rechtsgeschäft begründeten Verpflichtungen in rein tatsächlichen Vorgängen, so kann der Umstand, daß die Erfüllung in der Öffentlichkeit eines bestimmten Landes vor sich geht, die Verknüpfung mit diesem Land als gewichtiger erscheinen lassen als sonst. In die Waagschale zu werfen ist aber auch, unter welchem Recht frühere Geschäfte zwischen den Parteien gestanden haben, sowie der Umstand, daß ein einzelnes Geschäft für einen der Errichter nur eins von vielen gleichartigen Geschäften ist, die im Verhältnis zu anderen Parteien sicher unter einem bestimmten Recht stehen. Die Vereinbarung eines einzigen Gerichtsstandes für Streitigkeiten aus einem Vertrag ist ebenfalls eine der zu berücksichtigenden Verknüpfungen, obwohl es keineswegs so ist, daß es sich dabei stets um eine ungewöhnlich gewichtige Verknüpfung handelt; als Verknüpfung wird der gewählte Gerichtsstand sicher dann nicht besonders gewichtig sein, wenn die Vertragsparteien die Wahl zwischen zwei Gerichten in verschiedenen Ländern haben sollen. Auch der Sitz eines Schiedsgerichts ist ebenfalls zwar eine beachtliche, aber keineswegs besonders gewichtige Verknüpfung 4 9 . Nach Ansicht einiger Autoren 5 0 ist die ausdrückliche Wahl eines bestimmten Rechts zum Geschäftsstatut nicht allein schon das entscheidende Kriterium, sondern soll nur neben den sonst bestehenden objektiven Verknüpfungen beachtet werden; das entspricht aber sicher nicht der heutigen Konzeption der meisten positiven Kollisionsrechte über die Bedeutung der Rechtswahl im internationalen Privatrecht. Wohl aber dürfte der Umstand, daß die Geschäftserrichter von einem bestimmten Staat ausdrücklich wollen, daß dort kein Rechtsschutz für ihr Geschäft erfolgen soll, eine zu diesem Staat bestehende objektive Verknüpfung zwar nicht ganz ausschalten, aber doch gegenüber den anderen Verknüpfungen erheblich abschwächen, wenn es darum geht festzustellen, zu welchem Staat die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht. Eine Verknüpfung, deren Entstehung entgegen einem gesetzlichen Verbot veranlaßt wurde, wird jedenfalls in dem Staat, der das Verbot erlassen hat, bei der Ermittlung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen nicht berücksichtigt werden, wie ja auch ein Staat, wenn er Rechtswahl nur zu einem verknüpften Staat zuläßt, die Wahl des Rechts eines Staates, zu dem die Verknüpfung verbotenerweise hergestellt wurde, nicht anerkennen wird. Andere Staaten können selbstverständlich anders argumentieren, insbesondere, wenn das Verbot der Verursachung einer Auslandsverknüpfung gegen ihren ordre public verstößt. So ist es ohne Schwierigkei536
Die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen
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ten zu begründen, daß das Geschäft, welches in einem die Auswanderung der Geschäftserrichter verbietenden Lande gerade für den Fall als Rechtsgeschäft gewollt ist, daß die Auswanderung gelingt, in dem Errichtungsland, das von den Parteien als Rechtsschutzland sicher nicht gewollt war, unter Anwendung inländischen Rechts als ungültig betrachtet werden; andere Länder hingegen werden nach gelungener Auswanderung das Geschäft auch dann als gültig betrachten, wenn der Erfüllungsort für die nach Auswanderung zu erbringende Leistung zur Zeit der Geschäftserrichtung noch offen blieb, weil die Geschäftserrichter nicht wußten, in welches Land sie sich begeben würden 5 1 . Angesichts der Ungewißheit, wie das schließlich angerufene Gericht die Gewichtigkeit der Verknüpfungen bewertet, und zu welchem Ergebnis es bei der Suche nach der gewichtigsten Kombination der Verknüpfung gelangt, sind die staatlichen Gesetzgeber immer wieder versucht, von einer schnell und ohne Schwierigkeiten zu ermittelnden objektiven Verknüpfung zu bestimmen, daß sie mangels einer einwandfrei übergewichtigen Kombination der Verknüpfungen zu einem anderen Land (bzw. des hierauf gerichteten hypothetischen Parteiwillens) das subsidiäre Anknüpfungsmoment für pflichtbegründende Rechtsgeschäfte darstellen sollen 5 2 . Insbesondere bei gegenseitigen Verträgen will man dann vielfach auf den Erfüllungsort oder auf den Wohnsitz des Schuldners der für die Vertragsart charakteristischen Leistung abstellen 53 . Das bedeutet praktisch, daß der Erfüllungsort der von einer Partei geschuldeten Geldleistung oder ihr Wohnsitz nicht maßgebend ist, wenn die vertraglich geschuldete Leistung der anderen Partei in etwas anderem als einer Geldleistung besteht. Gerechtfertigt werden könnte diese Lösung nur damit, daß sie eine weitgehend gebräuchliche Art der subsidiären Zuweisung 5 4 darstellt. Wenn die Anhänger der Konzeption der hypothetischen Rechtswahl der Meinung sind, es könne Fälle geben, wo das Ergebnis der hypothetischen Rechtswahl nicht zu ermitteln sei, so entspricht dies der Aussage, daß unter Umständen ein Rechtsverhältnis in absolut gleichgewichtiger Weise mit mehreren Rechten verknüpft sein kann. Dann sind dieselben Verknüpfungen, bzw. Kombinationen von Verknüpfungen, von denen das Gesetz vermuten läßt, daß sie für sich allein das gewichtigste Anknüpfungsmoment darstellen, einer subsidiären Zuweisungsnorm zugrunde zu legen 5 5 . Steht fest, daß derjenige Staat, zu dem die in der Sicht des Forums anzunehmende gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, sein Recht weder aus diesem, noch aus einem anderen Grund durch seine eigenen Gerichte als Geschäftsstatut für das pflichtbegründende Geschäft anwenden lassen würde 5 6 , so ist aus den früher dargelegten Gründen 5 7 eine Rück- oder Weiterverweisung auf ein selbst nicht primär anwendungswilliges Recht abzulehnen. Vielmehr greifen dann gerade die gesetzlichen Vermutungen im internationalen Privatrecht des Forumstaates ein, die sich darüber aussprechen, welche Verknüpfung für sich allein als gewichtigste Verknüpfung zu gelten hat, oder es greifen die Bestimmungen des Forumstaates ein, die bei gleicher Gewichtigkeit aller Verknüpfungskombinationen eine subsidiäre Zuweisung vornehmen 5 8 . Ist auch das dritte Recht, auf das verwiesen wird, selbst nicht anwendungswillig, so ist die Anwendung der eigenen Sachnormen des durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelten gesetzlichen Geschäftsstatuts gegen den Willen dieses Rechts unvermeidlich, wenn dem Geschäft unter allen Umständen überhaupt ein nationales Geschäftsstatut verschafft werden soll, und wenn festgestellt werden kann, daß die Mehrzahl der als Schutzstaaten für das Rechtsverhältnis in Frage kommenden Länder ebenso denkt. Im übrigen aber läßt sich durchaus argumentieren, daß ja die meisten Verknüpfungen „manipulierbar" sind, und daß, wenn die Errichter eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts die Verknüpfungen so ungeschickt gesteuert haben, daß kein staadiches Recht auf Grund der zu ihm hingehenden Verknüpfungen Geschäftsstatut sein will, und wenn die Geschäftserrichter sich auch nicht ein anwendungswilliges Geschäftsstatut ausdrücklich gewählt haben, sie auch die Folgen 537
§19
Billigkeit als gesetzliches Geschäftsstatut
tragen müssen, nämlich daß das Geschäft mangels irgendeines anwendungswilligen staatlichen Rechts nirgendwo Rechtswirksamkeit entfalten kann. Bestehen bei einem durch Rechtsgeschäft zu begründenden Schuldverhältnis Verknüpfungen nur zu zwei Staaten, so wird sicher eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Vertragsabwicklung geschaffen, wenn mangels ausdrücklicher Rechtswahl die vermittels einer starren objektiven Verknüpfung operierenden Zuweisungsnormen nicht sofort angewendet werden können, sondern zu prüfen ist, zu welchem der beiden Rechte so viele zusätzliche Verknüpfungen hingehen, daß die Gesamtheit dieser Verknüpfungen als die gewichtigste Kombination zu gelten hat und sich daraus das anwendbare Recht ergibt. Dafür, daß diese Rechtsunsicherheit in Kauf genommen werden sollte, spricht die Erwägung, daß es für die Parteien eine noch größere Belastung darstellt, wenn beide in Frage kommenden Rechte von ihrem Urrheber vermittels unterschiedlicher starrer Zuweisungen als anwendbar erklärt werden, oder es zum Spiegelkabinett kommt. Anders wäre es nur, wenn über die subsidiär maßgebliche starre Verknüpfung international heute bereits bei den wichtigsten Ländern Ubereinstimmung bestehen würde; gerade das ist aber nicht der Fall 5 9 . k) Billigkeit als gesetzliches Geschäftsstatut? Man könnte an eine staatsvertragliche Regelung des auf pflichtbegründende Rechtsgeschäfte anwendbaren Rechts denken, welches die Kombination von Verknüpfungen, die als übergewichtige Kombination gelten sollen, im einzelnen genauer beschreibt, und welche nur für alle diejenigen heterogen verknüpften Fälle, in denen eine derartige übergewichtige Kombination nicht nachweisbar ist, eine materiellrechtliche Spezialregelung der Materie vorsieht; es würde sich also vor allem um eine uniforme spezialrechtliche Regelung gerade nur der besonders bunt verknüpften Rechtsgeschäfte handeln. Aber auch ohne eine solche vertragliche Regelung mag sich der Richter in einem Forumstaat unter Umständen angewiesen glauben, gerade auf jene besonders bunt verknüpften Rechtsgeschäfte, bei denen nicht ein einzelnes Recht durch eine übergewichtige Kombination der Verknüpfungen ausgewiesen ist, nach einer anderen Lösung als der Unterstellung des Geschäfts unter das Inlandsrecht eines einzelnen Staates zu suchen. Dabei ist zunächst einmal an eine kumulative Anwendung aller verknüpften Rechte zu denken; da sie aber zumeist nicht ohne Störungen der materiellen Harmonie durchführbar ist, bleibt vor allem die Annahme einer Rechtsanwendungsanweisung, in solchen Fällen, bei denen die Verknüpfungen zu einem Staat nicht das Übergewicht über die zu zahlreichen anderen Staaten bestehenden Verknüpfungen haben, nach Billigkeit zu entscheiden. Diese Lösung liegt um so näher, als verschiedene Staaten schon in ihrem Inlandsrecht vorsehen, daß die Parteien bei Streitigkeiten über pflichtbegründende Rechtsgeschäfte eine richterliche Entscheidung nach Billigkeit vereinbaren können 6 0 . Billigkeitsentscheidung bezüglich eines besonders bunt verknüpften Rechtsgeschäfts kann auch für Fragen nach Gültigkeitserfordernissen des Rechtsgeschäfts erfolgen. Der Gefahr, daß solche Billigkeitsentscheidungen letztlich doch wieder von den Betroffenen als Willkür empfunden werden, glaubt man manchmal dadurch begegnen zu können, daß anstelle einer absolut freien Billigkeitsentscheidung die entscheidende Instanz angewiesen wird zu berücksichtigen, ob in den mit der Sache verknüpften Rechten sich gewisse übereinstimmende Rechtsgedanken finden. So erklärt sich der Vorschlag, daß anstatt nach dem positiven nationalen Recht eines Landes nach den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen" entschieden werden soll, die sich in den zur Zeit der Entscheidung geltenden Rechten der beteiligten Staaten finden. Unbestreitbar ist, daß von einer Entscheidung über die Gültigkeit und die Wirkungen pflichtbegründender Rechtsgeschäfte nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen usw. niemals gesagt werden kann, daß sie durch die Parteien mit größe538
Wahl des G e s c h ä f t s s t a t u t s
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rer Sicherheit vorausberechenbar ist als das Ergebnis der Suche nach dem durch die (relativ) gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ausgezeichnete staatliche Recht 6 1 . 1) Einzelfragen bei der Wahl des Geschäftsstatuts oder eines Teilfragenstatuts Das als Statut für die Rechtsfragen aus einem pflichtbegründenden Rechtsgeschäft von den Parteien gewählte Recht kann gelbst nähere Bestimmungen darüber treffen, in welcher Fassung die Wahl zulässig bzw. unzulässig sein soll. Es kann also z. B. gefordert werden, daß das gewählte staatliche Recht entweder namentlich bezeichne: wird („deutsches" Recht), oder daß es bei indirekter Bezeichnung 62 schon zur Zeit der Geschäftserrichtung feststellbar ist, also nicht von unübersehbaren zukünftigen Ereignissen abhängt 63 . Es könnte als unzulässig erklärt werden, daß das anwendbare Recht in der Weise gewählt wird, daß es erst zu einem späteren Zeitpunkt von einer Partei mit rückwirkender Kraft als Geschäftsstatut festgesetzt wird 6 4 . Soll eine rückwirkende Bestimmung des Geschäftsstatuts durch Dritte, insbesondere durch ein Schiedsgericht, erfolgen, so wird möglicherweise gefordert werden, daß auf diese Weise nicht ausdrücklich vereinbarte wesentliche Vertragsinhalte nachträglich als ungültig erklärt werden. Abgesehen davon, daß in vielen Fällen, in denen von „schlüssiger" Rechtswahl gesprochen wird, wohl eher das Inkaufnehmen der Anwendbarkeit eines Rechts vorliegt, von dem die Parteien glauben, daß es ohne ihren Willen das maßgebliche Geschäftsstatut sei, ist es sicher Sache des gewählten Rechts zu bestimmen, ob es nur auf Grund ausdrücklicher Rechtswahl anwendbar sein will, und ob bestimmte Äußerungen der Parteien überhaupt zur Ermittlung ihres stillschweigenden Rechtswahlwillens verwendet werden dürfen 65 . Liegt keine ausdrückliche Rechtswahl vor, so besteht die Gefahr, daß bei divergierenden Auslegungen der Äußerungen der Parteien mehrere Staaten ihr Recht als stillschweigend gewählt betrachten. Noch gefährlicher sind divergierende Bestimmungen in mehreren verknüpften Staaten, wonach mit einem bestimmten Hinweis des Rechtsgeschäfts auf ein Land die Vermutung einer Wahl des betreffenden Rechts verbunden wird derart, daß die Vermutung durch ausdrückliche Bezeichnung eines anderen Rechts als gewähltes Geschäftsstatut widerlegt werden kann. Dies spricht vielleicht dafür, daß es vorzuziehen ist, beim Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl die Suche nach einem stillschweigend, aber schlüssig gewählten Recht zu überspringen, und das durch die gewichtigste Kombination der .Verknüpfungen ausgewiesene Recht als Geschäftsstatut zum Zuge kommen zu lassen. Es kommt vor, daß die Rechtswahlklausel von den Parteien so formuliert ist, daß sie allein noch nicht zu einem Privatrechtssystem hinführt, das sich auf Grund der Rechtswahl als anwendungswillig erklären kann; so z. B. wenn die Parteien das Recht eines Mehrrechtsstaates wählen und es offen lassen, welches Teilrecht gemeint ist 6 6 ; dann kann dasjenige Teilrecht stillschweigend gemeint sein, zu dem schon objektive Verknüpfungen bestehen; es kann aber auch sein, daß hier die Rechtswahl wegen Unbestimmtheit ungültig ist. Eine nur negative Rechtswahl, welche von den verknüpften Rechten eines ausscheidet und unterstellt, daß das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen mit einem der anderen Staaten zu ermittelnde Recht Geschäftsstatut werden soll, ist nicht ausgeschlossen und sollte wohl nicht als ungültig erklärt werden. Besonders schwierige Fragen betreffen die Zulässigkeit von Rechtswahlklauseln, welche es sich zum Ziel machen, Sätze eines bestimmten Inhalts nicht als gewählt, und damit als unanwendbar erscheinen zu lassen. Wenn die Rechtswahl, wie dies heute weitgehend angenommen wird, vor allem die zwingenden Bestimmungen des gesetzlichen Geschäftsstatuts unanwendbar machen kann, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß hierfür die zwingenden Bestimmungen des gewählten Geschäftsstatuts zum Zuge kommen 6 7 , so wird man eine Rechtswahl in der Weise, daß das Recht des Staates X Geschäftsstatut werden soll, jedoch mit Ausnahme gewisser von den Geschäftserrichtern genannter 539
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Einzelfragen
Bestimmungen, als ungültig betrachten müssen, wenn es sich dabei um zwingende Vorschriften handelt. Aus demselben Grunde wird eine Rechtswahlklausel, welche das gewählte Recht nach dem Stand eines bestimmten Tages, also unter Ausschaltung aller später erlassenen und auf den bestehenden Vertrag anwendungswilligen Bestimmungen, ebenfalls als unzulässig betrachtet werden müssen, es sei denn, daß die Ausschaltung zukünftigen Rechts sich nur auf solche Bestimmungen beziehen will, deren rückwirkende Anwendbarkeit ihrerseits mit dem ordre public des Forumstaates unvereinbar ist 6 8 . Vor allem dürften auch Rechtswahlklauseln zu verwerfen sein, die im Sinne der Mosaikmethode abgefaßt sind, und bei denen vielleicht überhaupt kein einzelnes Recht mehr die Rolle des Restgeschäftsstatuts spielen soll 6 9 ; soweit sich die Wahl mehrerer Rechte für verschiedene Punkte nur auf die dispositiven Bestimmungen bezieht, und ein Recht als Geschäftsstatut mit allen zwingenden Vorschriften Geschäftsstatut sein soll, könnte derartiges eher zulässig sein. Von den spezifischen Gültigkeitsvoraussetzungen des Rechtswahlgeschäfts zu unterscheiden ist es, welches Recht auf die Teilfrage der Fähigkeit zur Beteiligung am Rechtswahlgeschäft, auf die Teilfrage der Form, und auf die Frage der Konsensbildung anzuwenden ist. Hierfür dürfte es angebracht sein, daß das zu wählende Recht mit eigenen Vorschriften maßgebend ist, da es sich letztlich um die nähere Ausgestaltung des subjektiven Anknüpfungsmoments handelt, welches der Urheberstaat des in Frage stehenden Rechtes in seiner eigenen Rechtsanwendungsanweisung verwendet 70 . Es bedeutet dies jedoch nicht, daß unbedingt nur das normale Inlandsrecht des zu wählenden Geschäftsstatuts für die genannten Teilfragen gilt. Vielmehr kann der Gesetzgeber, der das zu wählende Geschäftsstatut stellt, für diese Fragen des Rechtswahlgeschäfts Spezialrecht, vielleicht sogar einzelne spezielle Sonderzuweisungen, bilden. Dieser Gesetzgeber könnte z. B. bestimmen, daß eine Rechtswahlklausel nicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein darf; er könnte bestimmen, daß sie keinesfalls durch Schweigen auf einen diesbezüglichen Vorschlag als akzeptiert gelte; er könnte bestimmen, daß zur Teilnahme an dem Rechtswahlgeschäft Geschäftsfähigkeit unter dem gewählten Recht gegeben sein muß, auch wenn für das materiellrechtliche Geschäft Geschäftsfähigkeit gemäß der lex loci actus ausreicht. Der Staat des zu wählenden Rechts könnte bezüglich der Form des Rechtswahlgeschäfts Formlosigkeit vorsehen — was zumeist der Fall ist —, er könnte auch vorschreiben, daß dieselbe Form gewahrt sein muß, die für das materiellrechtliche Geschäft erforderlich ist. Dafür, daß das Rechtswahlgeschäft formlos Zustandekommen kann, spricht vor allem der Umstand, daß ja für die Äußerungen des Glaubens der Geschäftserrichter, ein bestimmtes Recht sei kraft Gesetzes anwendbar, vernünftigerweise keine qualifizierte Form erfordert werden kann. Für die Fähigkeit zur Teilnahme am Rechtswahlgeschäft sollte wohl dasjenige Recht maßgebend sein, das in dem Staat des gewählten Rechts für die Geschäftsfähigkeit bezüglich des materiellrechtlichen Geschäfts maßgebend ist. Bei einer Regelung des Konsenses hingegen sind wohl spezialrechtliche Regelungen nicht abzulehnen. Im Sinne der Grundstatutsmethode hat ein anderer Forumstaat das Rechtswahlgeschäft keinesfalls als gültig zustande gekommen zu betrachten, wenn dies vom Staat des gewählten Rechts verneint wird. Es wäre möglich, daß der Staat, der mangels Rechtswahl das gesetzliche Geschäftsstatut zu stellen hätte, mit jeder vom Standpunkt des gewählten Rechts her gültigen Rechtswahl sein Recht automatisch als abgewählt betrachten würde; keineswegs unplausibel ist aber auch die gegenteilige Lösung, wonach zur Gültigkeit der positiven Wahl auch Gültigkeit der Abwahl nach Maßgabe der vom gesetzlichen Geschäftsstatut aufgestellten Regeln hinzukommen müßte, und zwar derselben Regeln, die im Staat des gesetzlichen Geschäftsstatuts gelten, wenn die Parteien dieses Recht wählen wollen. Hier ist wohl ein Kompromiß in dem Sinne angebracht, daß die vom Standpunkt des gewählten Rechts her gültige Wahl automatisch Abwahl des gesetzlichen Geschäftssta540
Einzelfragen
§19
tuts bedeutet, soweit nicht dieser Staat auf der Beachtung einer einzelnen Vorschrift seiner Rechtswahlbestimmungen besteht. Dies kommt wiederum in erster Linie in Frage bezüglich der Geschäftsfähigkeit: Ein Staat, unter dessen Recht als gesetzlichem Geschäftsstatut ein gültiger Vertrag für eine vom Standpunkt dieses Staates geschäftsunfähige Person nicht einmal durch einen gesetzlichen Vertreter geschlossen werden könnte, wird es keinesfalls hinnehmen, daß die betreffende Person unter dem Recht eines anderen Staates, wo sie für das Rechtswahlgeschäft als geschäftsfähig gilt, den Vertrag zustandebringen kann. Das gesetzliche Geschäftsstatut wird möglicherweise auch einzelne seiner Bestimmungen über den Konsens hinsichtlich der Wahl eines fremden Rechts als unbedingt maßgeblich erklären, so z. B. eine Bestimmung, wonach das Schweigen auf einen Vorschlag nicht als Zustimmung gilt. Sind die Voraussetzungen, die das gewählte Recht für die Gültigkeit des Rechtswahlgeschäfts aufstellt, gewahrt, nicht aber die, welche das gesetzliche Geschäftsstatut für die Abwählbarkeit seines Rechts gewahrt wissen will, so sollte ein dritter Staat, wie früher schon angedeutet, sich dann dem Standpunkt des gesetzlichen Geschäftsstatuts anschließen, wenn auch er für eine Abwählbarkeit seines eigenen Rechts die gleichen Bedingungen hat 7 1 . Komplikationen bereitet es, wenn Teilfragen des materiellrechtlichen Geschäfts vom Geschäftsstatut gar nicht für sich beansprucht werden: Weist das internationale Privatrecht des zum Geschäftsstatut gewählten Rechts einzelne Teilfragen des gültigen Zustandekommens des materiellrechtlichen Geschäfts von vornherein zwingend einem anderen Recht zu, so ändert sich daran durch die Rechtswahl nichts. Steht das gewählte Geschäftsstatut auf dem Standpunkt, daß für die Form des materiellrechtlichen Vertrages allein die Formbestimmungen der lex loci actus maßgebend seien, und nicht die des Geschäftsstatuts, so werden diese Bestimmungen auch wegen Rechtswahl nicht anwendbar. Ist es das Kollisionsrecht des Forumstaates, welches die Frage nach der Form selbständig der lex loci actus, und nicht einmal alternativ dem Geschäftsstatut zuweist, so ist ebenfalls die von den Parteien getroffene Wahl in bezug auf die Formbestimmungen unmaßgeblich. Weist das Kollisionsrecht des Forumstaates die Formfrage alternativ der lex loci actus und dem gesetzlichen Geschäftsstatut zu, so wird man, wenn das gesetzliche Geschäftsstatut durch ein gewähltes Geschäftsstatut ersetzt ist, alternative Anwendung der lex loci actus und des gewählten Geschäftsstatuts annehmen. In diesem Fall ist aber auch an eine andere Möglichkeit zu denken: Der Forumstaat kann sich auf den Standpunkt stellen, daß die alternative Berufung der lex loci actus nur dadurch gerechtfertigt sei, daß das Ergebnis der Ermittlung des gesetzlichen Geschäftsstatuts an Hand der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen für die Parteien oft nicht leicht zu erkennen ist; schaffen sie nun selbst durch Wahl eines Geschäftsstatuts Klarheit darüber, welches Recht Geschäftsstatut wird, so kann ihnen auch die Beachtung der Formvorschriften dieses Rechts allein zugemutet werden. Wird dann allerdings die Zuweisung der Form an das Geschäftsstatut als Gesamtverweisung verstanden, so müßte eine vom Staat des gewählten Geschäftsstatuts aufrechterhaltene alternative Zuweisung an die lex loci actus doch beachtet werden 7 2 . Stehen sowohl das Kollisionsrecht des Geschäftsstatutsstaates, als auch das Kollisionsrecht des Forumstaates auf dem Boden der Grundstatutsmethode, so entscheidet der Staat des gewählten Geschäftsstatuts, ob angesichts dieser Wahl überhaupt noch eine gesonderte Zuweisung der Form stattfinden soll 7 3 . Erfolgt im Forumstaat eine gesonderte Zuweisung der Frage nach der allgemeinen Geschäftsfähigkeit, so bleibt diese Sonderzuweisung auf alle Fälle von der Wahl des Geschäftsstatuts unberührt. Aus früheren Ausführungen ergibt sich, daß auch die vom Staat des gesetzlichen Geschäftsstatuts gebilligte Wahl eines anwendungswilligen anderen Rechts zum Geschäftsstatut 7 4 nichts daran ändert, daß andere Staaten mit einzelnen sonderangeknüpf541
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Gefälligkeitsstatut
ten Bestimmungen ihres zwingenden Rechts, sei es Spezialrecht, sei es normales Inlandsrecht, Anwendung erstreben, und daß dritte Forumstaaten sich dem anschließen. Wenn der Staat des gesetzlichen Geschäftsstatuts eine zwingende Bestimmung seines Rechts auch entgegen einem anderen Geschäftsstatut zur Anwendung bringen würde, so erfaßt die Abwahl des gesetzlichen Geschäftsstatuts diese zwingende Bestimmung sicher nicht. Was von jeher umstritten war, ist die Frage, ob und in welchem Umfang das gesetzliche Geschäftsstatut trotz Anerkennung der Abwahl weiterhin noch mit einzelnen Bestimmungen seines zwingenden Rechts anwendungswillig bleiben sollte, und welche Bedeutung dritte Staaten dem beizulegen haben. Während man früher sämtliche zwingenden Bestimmungen des gesetzlichen Geschäftsstatuts als nicht abwählbar betrachtete 75 , war man später geneigt, diesen Standpunkt aufzugeben angesichts dessen, daß die Parteien ja alle zwingenden Bestimmungen des gewählten Rechts in Kauf nehmen müßten. Dieses Argument ist wieder zweifelhaft geworden, weil als Sachnormen des gewählten Geschäftsstatuts ja nicht nur die Bestimmungen seines normalen Inlandsrechts in Frage kommen, sondern die Möglichkeit besteht, daß ein Staat gerade für den Fall, daß sein Recht nur wegen Rechtswahl Geschäftsstatut wird, dafür ein von zwingenden Bestimmungen besonders freies Spezialrecht zur Verfügung stellt. Ein staatliches Interesse daran, ein solches spezialrechtliches Gefälligkeitsstatut zur Wahl bereitzustellen, kann z. B. darauf beruhen, daß im Zusammenhang damit häufig auch ein Schiedsgericht in diesem Staat vereinbart werden wird. Überdies kann ein Staat auch sein Inlandsrecht mit Absicht von zwingenden Bestimmungen freihalten, um es den Parteien zur Wahl als Gefälligkeitsstatut zu offerieren 76 . Angesichts dessen finden sich neuestens wieder Ansätze dazu, die Abwahl gewisser zwingender Bestimmungen des gesetzlichen Geschäftsstatuts auszuschließen; und zwar handelt es sich dabei vor allem um solche Vorschriften, die die eine — vermutlich bei den Verhandlungen „schwächere" — Partei an bestimmten Vertragsarten vor der anderen bevorzugen, so etwa den Verbraucher von Sachen des Eigenbedarfs bei Abzahlungsgeschäften, den Arbeitnehmer bei Dienstverträgen usw. Hier besteht das gesetzliche Geschäftsstatut darauf, mit derartigen zwingenden Sätzen anwendbar zu bleiben, sofern nicht das gewählte Recht für den Verbraucher bzw. Arbeitnehmer noch günstiger ist 77 . Einer solchen alternativen bilateralen Zuweisungsnorm im Kollisionsrecht des Staates, der das gesetzliche Geschäftsstatut stellt, ist aber wohl der Weg eines einseitigen Anspruchs auf Anwendung einzelner zwingender Sätze vorzuziehen, wobei derartiges sonderangeknüpftes zwingendes Recht in einem anderen Forumstaat bei Gegenseitigkeit, oder angesichts der Förderung eines eigenen öffentlichen Interesses, ebenfalls angewendet werden wird 78 . Die Wahl eines nationalen Rechts zum Geschäftsstatut erzeugt in der Rechtsanwendungsordnung des Staates mit dem gewählten Recht keine Veränderung, wenn der Staat des gewählten Rechts ohnehin schon diese oder jene Bestimmung seines zwingenden Rechts mit Rücksicht auf das Bestehen einer objektiven Inlandsverknüpfung als anwendbar betrachtet. Wohl aber ist die Tatsache, daß die Parteien diese zwingenden Bestimmungen mitgewählt haben, in einem anderen Forumstaat beachtlich, der ohne die Wahl diese zwingenden Vorschriften bei sich nicht zur Anwendung gebracht hätte. Nicht einfach zu beantworten ist die Frage, ob der Staat des gewählten Geschäftsstatuts allein wegen der Rechtswahl solche Bestimmungen seines zwingenden Rechts, deren Anwendungsbereich er unter Anwendung objektiver Inlandsverknüpfungen abgesteckt hat, als ausdrücklich hinzuwählbar und hinzugewählt betrachten soll: Erfordert ein Land A für bestimmte Verträge beim Vorliegen einer Inlandsverknüpfung X eine Genehmigung seiner Behörden, erklärt es den ungenehmigten Vertrag als ungültig, und erklären die Parteien bei der Wahl des Rechtes A zum Geschäftsstatut, daß allen Vorschriften des Staates A für das gültige Zustandekommen des Geschäfts Genüge getan werden müsse, so können sie den Vertrag nicht genehmigungsbedürftig machen, wenn der Staat A beim 542
Billigkeit usw. als gewähltes Geschäftsstatut
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Fehlen der Inlandsverknüpfung X keiner Behörde Zuständigkeit zur Entscheidung über eine Genehmigung gegeben hat. Bestimmt das gewählte Geschäftsstatut A in einem Spezialrechtssatz, daß eine bestimmte Vertragsklausel beim Vorliegen der Inlandsverknüpfung X und der Auslandsverknüpfung Y weder durch das Verbot des inländischen, noch durch etwaige Verbote eines ausländischen Rechts berührt werden solle, und liegen diese Verknüpfungen im konkreten Fall vor, so sind die Parteien sicher nicht verpflichtet, die fragliche Klausel in ihren Vertrag aufzunehmen; tun sie es aber, und erklären sie andererseits ausdrücklich, daß alle zwingenden Bestimmungen des gewählten Rechts für ihren Vertrag maßgebend sein sollen, so ist es eine Frage der Vertragsauslegung, wie der Widerspruch aufzulösen ist. Ist z. B. die Freizeichnungsklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, und lautet ein von den Parteien selbst formulierter Zusatz dahin, daß eine Partei sich nicht auf solche Inhalte der allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen kann, die „im Recht von X " unzulässig sind, so ist die Auslegung vertretbar, daß damit das im Inlandsrecht von X enthaltene Verbot der Klausel gemeint ist, obwohl der Gesetzgeber von X es von sich aus auf den betreffenden Vertrag gar nicht angewendet haben wollte. Durch eine materiellrechtliche Verweisung kann auch zwingendes Recht, wie es in einem völkerrechtlichen Vertrag vorgesehen ist, von den Parteien zum Inhalt ihres Vertrages gemacht werden, obwohl der völkerrechtliche Vertrag dies gar nicht erfordert 7 9 ' 8 0 . Häufiger als derartige Klauseln sind derzeit wohl solche Abmachungen, in denen nicht ein bestimmtes nationales Recht zum Geschäftsstatut gewählt wird, sondern von den Parteien bestimmt wird, daß Streitigkeiten aus dem Vertrag nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, oder nach Billigkeit, entschieden werden sollten. Erfolgt damit unter Abwahl sämtlicher nationalen Rechte einschließlich des gesetzlichen Geschäftsstatuts eine Wahl der allgemeinen Rechtsgrundsätze zum Geschäftsstatut? Oder wird damit auf Grund einer Ermächtigung im gesetzlichen Geschäftsstatut nur das ergänzende Recht dieses Privatrechtssystems ausgeschaltet? Es ist sicher nicht unmöglich, daß ein staatliches Recht eine derartige Abmachung zulassen könnte, sei es generell, sei es nur für heterogen verknüpfte Geschäfte, sei es nur für eine bestimmte Gruppe von heterogen verknüpften Geschäften, insbesondere wenn es sich um besonders bunt verknüpfte Fälle handelt; auch wenn internationale Organisationen Partei an privatrechtlichen Verträgen werden, liegt es nahe, daß sie das positive Recht aller Staaten jedenfalls nicht zum Geschäftsstatut machen möchten. Für viele Rechte muß jedoch bezweifelt werden, ob die Freiheit zur Gestaltung privatrechtlicher Rechtsbeziehungen durch Vertrag so weit geht, daß unter Ausschaltung insbesondere der gesetzlichen Bestimmungen der Vertragsinhalt durch solche Verweisungen bewußt unbestimmt gemacht, und die staatlichen Gerichte mit der Anwendung derartiger vager „rules of decision" belastet werden 8 1 . Derartiges mag von einem Staat geduldet werden, wenn die Parteien anstelle der staatlichen Gerichte eine schiedsrichterliche Entscheidung ihrer Streitigkeiten vorsehen und auf staatlichen Rechtsschutz zur Vollstreckung des Schiedsspruches keinen Wert legen 8 2 . Ist das gültige Zustandekommen eines heterogen verknüpften Vertrages nach den Inlandsrechten aller verknüpften Staaten zu bejahen, so könnte sich übereinstimmend eine Regel bilden, wonach die Vereinbarung allgemeiner Rechtsgrundsätze u. ä. anstelle eines positiven nationalen Rechts für die Vertragswirkungen dann zulässig sein soll, wenn besondere Gründe vorliegen, um die Wahl eines nationalen Rechts als unzumutbar zu betrachten. Aber auch in einem solchen Fall wird im allgemeinen Rechtsschutz durch die beteiligten Staaten praktisch gar nicht in Frage kommen (z. B. bei Verträgen zwischen internationalen Organisationen über privatrechtliche Materien). Die eigentliche Problematik der Verdrängung des gesetzlichen Geschäftsstatuts durch ein gewähltes Geschäftsstatut besteht darin, ob es unter den allgemeinen Postulaten gerechtfertigt ist, bei heterogener Verknüpftheit von Rechtsgeschäften den Parteien mit der 543
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Rechtswahl und zwingendes Recht
Möglichkeit der Wahl des Geschäftsstatuts größere Möglichkeiten zum Ausweichen vor zwingendem Recht zu geben, die den Parteien an homogen verknüpften Geschäften vorenthalten werden. Es dürfte sich nicht überzeugend erweisen lassen, daß bei allen, oder auch nur einem Teil der heterogen verknüpften Geschäfte größere Chancen zum Ausweichen vor zwingendem Recht durch die „Natur der Sache" geboten seien. Wenn die Privatrechtssubjekte in heterogen verknüpften Situationen mit einer stärkeren Beeinträchtigung ihrer Verhaltensfreiheit durch anwendungswillige gesetzliche Verhaltensnormen mehrerer Staaten rechnen müssen 8 3 , so kann diese Ungleichbehandlung nicht damit kompensiert werden, daß die Rechtssubjekte in heterogen verknüpften Situationen größere Chancen erhalten, rechtsgeschäftlich begründete Verhaltenspflichten zwingendem staatlichen Recht zu entziehen. Die Möglichkeit einer Wahl des Geschäftsstatuts hat ihren guten Sinn, wenn das gesetzliche Geschäftsstatut durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles zu ermitteln ist, und es zweifelhaft ist, zu welchem Staat diese Verknüpfungen hingehen. Gehen hingegen fast alle Verknüpfungen zu einem einzigen Staat, und besteht eine weitere Verknüpfung zu einem anderen Staat nur etwa darin, daß das Geschäft zufällig im Ausland errichtet worden ist, so besteht keine Veranlassung, den Parteien deshalb die bei absolut homogener Verknüpfung verweigerte 8 4 Möglichkeit zu geben, ein anderes Recht zum Geschäftsstatut zu wählen als dasjenige, welches durch die große Zahl der Verknüpfungen als gesetzliches Geschäftsstatut evident ausgewiesen ist 8 5 . Eine Bevorzugung der an heterogen verknüpften Geschäften, die nicht evident überwiegend mit einem einzigen Staat verknüpft sind, beteiligten Rechtssubjekte liegt dann immer noch darin, daß sie bei der Wahl des Geschäftsstatuts sich unter den verknüpften Rechten dasjenige aussuchen können, dessen zwingende Bestimmungen sie als am wenigsten störend empfinden 8 6 . Wie mehrfach ausgeführt, können zugleich noch einzelne andere Staaten mit einzelnen zwingenden Bestimmungen entgegen dem Geschäftsstatut angewendet werden wollen, und dritte Staaten können ihnen dabei Hilfe leisten. Hierin kann in der Tat ein Ausgleich für den Vorteil gesehen werden, den die Parteien an heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen genießen, indem sie in bezug auf das Ausweichen von zwingendem Recht größere Chancen haben, als die Parteien an homogen verknüpften Geschäften. Zwingendes Recht wird von den staatlichen Gesetzgebern im allgemeinen dann gebildet, wenn nach ihren Erfahrungen mit homogen verknüpften Geschäften die eine Vertragspartei (also etwa der Arbeitgeber) sich in den Verhandlungen über das Zustandekommen des Vertrages und dessen Bedingungen als der Stärkere erweist, oder wenn eine der Parteien sich typischerweise bei der Vertragsabwicklung als die weniger Vertragstreue und pflichtbewußte Partei zeigt. Um welche „Mißstände" es sich handelt, ist in den einzelnen Ländern häufig verschieden. Die Möglichkeit der Rechtswahl bei heterogen verknüpften Verträgen bringt offensichtlich die Gefahr mit sich, daß die bei den Verhandlungen stärkere Partei auf die Wahl eines Rechts hinwirkt, welches die gegen sie gerichteten zwingenden Bestimmungen eines anderen verknüpften Rechts nicht hat. Wird Rechtswahl im Sinne der Mosaikmethode für einzelne Teilfragen erlaubt, so hat die stärkere Partei noch weitere Möglichkeiten, um die Rechtswahl auf das ihr günstige Recht zu lenken. Hiergegen kann Abhilfe durch Vereinheitlichung des zwingenden Rechts für heterogen verknüpfte Verträge oder dadurch erreicht werden, daß das gesetzliche Geschäftsstatut eine Abwahl seiner Vorschriften nur zugunsten gleichlautender oder strengerer Vorschriften des gewählten Rechts zuläßt. Ist es so, daß die stärkeren Vertragspartner vorwiegend in bestimmten Ländern wohnen, so werden diese Staaten wenig Interesse an einer derartigen Regelung haben. Bei einer solchen Kollision divergierender außenprivatrechtspolitischer Staatsinteressen 87 bietet die Gestaltung der Zuweisungsnormen keine Lösung; die Staaten 544
Änderungen des Geschäftsstatuts
§19
m ü ß t e n sich v i e l m e h r in einem V e r t r a g auf K o m p r o m i s s e ü b e r vereinheitlichtes z w i n g e n d e s R e c h t f ü r h e t e r o g e n v e r k n ü p f t e G e s c h ä f t e einigen.
m) Das Zeitmoment bei der Bestimmung des für pflichtbegründende Rechtsgeschäfte maßgeblichen Rechts D a s g e s e t z l i c h e o d e r g e w ä h l t e G e s c h ä f t s s t a t u t ist i m allgemeinen bis z u r v o l l s t ä n d i g e n A b w i c k l u n g des R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s 8 8 a n w e n d b a r , u n d z w a r nach M a ß g a b e der letzten i n t e r t e m p o r a l e n R e c h t s a n w e n d u n g s a n w e i s u n g e n , die d e r U r h e b e r des G e s c h ä f t s s t a t u t s erlassen h a t ; er k a n n auf d a s bereits b e s t e h e n d e R e c h t s v e r h ä l t n i s e n t w e d e r „ a l t e " , d. h. z u r Z e i t der G e s c h ä f t s e r r i c h t u n g bereits g e l t e n d e , o d e r s p ä t e r erlassene R e c h t s s ä t z e als a n w e n d b a r erklären, v o n d e n e n sich die letzteren z u m e i s t auf die W i r k u n g e n , u n d n u r selten auf d a s gültige B e s t e h e n d e s R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s b e z i e h e n . M i t n a c h t r ä g l i c h erlassen e n B e s t i m m u n g e n d e s G e s c h ä f t s s t a t u t s k a n n ein n o c h e r f ü l l b a r e r V e r t r a g , der a n f ä n g l i c h auf eine v e r b o t e n e L e i s t u n g gerichtet u n d d a h e r u n g ü l t i g w a r , gültig g e m a c h t w e r d e n ; K ü n d i g u n g s f r i s t e n k ö n n e n d u r c h z w i n g e n d e s R e c h t verlängert w e r d e n u s w . M ö g l i c h e r w e i s e w i r d f ü r das bereits b e s t e h e n d e R e c h t s v e r h ä l t n i s anstelle des n e u e n R e c h t s ein S p e zialrecht e i n g e f ü h r t . D i e s e f ü r das gesetzliche G e s c h ä f t s s t a t u t h o m o g e n u n d h e t e r o g e n v e r k n ü p f t e r V e r t r ä g e u n b e z w e i f e l t e A n w e n d b a r k e i t der letzten i n t e r t e m p o r a l e n R e c h t s a n w e n d u n g s a n w e i s u n g e n k a n n a u c h b e i m g e w ä h l t e n G e s c h ä f t s s t a t u t nicht g e g e n d e s s e n Willen in der W e i s e m o d i f i z i e r t w e r d e n , daß die R e c h t s w a h l a u s d r ü c k l i c h auf d a s v o n d e n Parteien g e w ü n s c h t e R e c h t nach d e m S t a n d der G e s c h ä f t s e r r i c h t u n g b e s c h r ä n k t w i r d 8 9 . E s ist das P o s t u l a t d e r G l e i c h b e h a n d l u n g der an h o m o g e n u n d der an h e t e r o g e n v e r k n ü p f t e n R e c h t s v e r h ä l t n i s s e n beteiligten R e c h t s s u b j e k t e , w e l c h e s d e m e n t g e g e n s t e h t , daß das g e w ä h l t e G e s c h ä f t s s t a t u t , i m G e g e n s a t z z u m gesetzlichen G e s c h ä f t s s t a t u t , ein versteinertes G e s c h ä f t s s t a t u t ist. S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k ö n n e n die G e s c h ä f t s e r r i c h t e r v e r e i n b a r e n , daß bei einer Ä n d e r u n g der materiellrechtlichen B e s t i m m u n g e n d e s g e w ä h l t e n G e s c h ä f t s s t a t u t s ein a u ß e r o r d e n t l i c h e s K ü n d i g u n g s r e c h t b e s t e h e n soll u . ä. E s h ä n g t a b e r v o n d e m G e s e t z g e b e r d e s G e s c h ä f t s s t a tuts a b , o b er eine derartige A b m a c h u n g d u r c h z w i n g e n d e s R e c h t v e r h i n d e r n w i l l ; andererseits k a n n er a u c h eine V e r m u t u n g aufstellen, daß eine s o l c h e c l a u s u l a r e b u s sie s t a n t i b u s v e r e i n b a r t w o r d e n ist, o d e r er k a n n die A u f r e c h t e r h a l t u n g der b i s h e r i g e n R e g e l u n g v o n d e m V e r l a n g e n einer Partei a b h ä n g i g m a c h e n . A u f der a n d e r e n Seite k a n n j e d e r F o r u m s t a a t , der nicht d a s G e s c h ä f t s s t a t u t stellt, Eingriffe d e s G e s e t z g e b e r s d e s G e s c h ä f t s s t a t u t s in b e s t e h e n d e r e c h t s g e s c h ä f t l i c h b e g r ü n dete R e c h t s v e r h ä l t n i s s e d u r c h A n w e n d b a r e r k l ä r u n g v o n n e u e m R e c h t 9 0 als k r a s s e A b w e i c h u n g e n v o m i n t e r t e m p o r a l e n R e c h t d e s F o r u m s t a a t e s b e t r a c h t e n ; w i r d bei V o r l i e g e n einer a u s r e i c h e n d e n B i n n e n b e z i e h u n g die A n w e n d u n g der neuen B e s t i m m u n g e n des G e s c h ä f t s statuts v e r w e i g e r t , s o ist die L ü c k e nicht e t w a d u r c h die lex f o r i , s o n d e r n d u r c h W e i t e r a n w e n d u n g der alten B e s t i m m u n g e n des G e s c h ä f t s s t a t u t s a u s z u f ü l l e n . W a s f ü r d a s g e w ä h l t e G e s c h ä f t s s t a t u t gilt, gilt a u c h f ü r ein gesetzliches G e s c h ä f t s s t a tut, w e l c h e s ü b e r ein u n v e r ä n d e r l i c h e s A n k n ü p f u n g s m o m e n t , d a s die Parteien selbst z u m E n t s t e h e n g e b r a c h t h a b e n , a n w e n d b a r g e w o r d e n ist, w i e i n s b e s o n d e r e d a s R e c h t d e s Geschäftserrichtungsortes91. V o n der V e r ä n d e r u n g d e s Inhalts d e s weiterhin m a ß g e b l i c h e n G e s c h ä f t s s t a t u t s d u r c h n e u e G e s e t z e d e s s e l b e n Staates z u u n t e r s c h e i d e n ist ein W e c h s e l des G e s c h ä f t s s t a t u t s selbst. D i e s e s T h e m a ist in W i s s e n s c h a f t u n d R e c h t s p r e c h u n g d e s h a l b w e n i g erörtert w o r d e n , weil es f ü r diejenigen R e c h t s v e r h ä l t n i s s e , w o es a m w i c h t i g s t e n w i r d , n ä m l i c h E h e u n d Güterstand, meist durch spezifische Regelungen des positiven Rechts verdeckt wird. Ein W e c h s e l des G e s c h ä f t s s t a t u t s ist, u n b e s c h a d e t d e s v o r h i n ü b e r die U n z u l ä s s i g k e i t der W a h l eines versteinerten G e s c h ä f t s s t a t u t s A u s g e f ü h r t e n , z u n ä c h s t einmal m ö g l i c h , i n d e m 545
§19
Wechsel des Geschäftsstatuts
anstelle des anfänglich gesetzlichen Geschäftsstatuts nachträglich ein anderes Recht zum Geschäftsstatut gewählt wird. Aber auch ein bei der Geschäftserrichtung gewähltes Geschäftsstatut kann später durch ein neu gewähltes Geschäftsstatut ausgewechselt werden. Eine Ausnahme gilt hier jedoch, wenn der Urheber des ersten Geschäftsstatuts auch eine Beendigung des Rechtsverhältnisses, die die Parteien für den Fall der Gesetzesänderung vorsorglich vereinbart haben, nicht zulassen will. Es ist ferner denkbar, daß die Parteien eines der verknüpften Rechte zum Geschäftsstatut wählen unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung, daß die zur Zeit der Geschäftserrichtung vorhandene Dauerverknüpfung zu diesem Staat weiterbesteht, oder daß eine Nachschubverknüpfung an ihre Stelle tritt, und daß sie für den Fall, daß diese Bedingung nicht mehr erfüllt ist, die Anwendbarkeit eines anderen Geschäftsstatuts vorsehen oder in Kauf nehmen. Auch das gewählte Geschäftsstatut selbst kann bestimmen, daß es auf Grund der Wahl nur so lange anwendbar sein will, wie die zur Zeit der Geschäftserrichtung vorhandene objektive Verknüpfung oder eine Nachschubverknüpfung vorhanden ist 9 2 . Auch das gesetzliche Geschäftsstatut kann durch einen Wandel des Anknüpfungsmoments ausgewechselt werden. Das ist anzunehmen, wenn das gesetzliche Geschäftsstatut durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen bestimmt wird, und die zur Zeit der Geschäftserrichtung vorhandenen wichtigsten Verknüpfungen, wie insbesondere Staatsangehörigkeit und Wohnsitz der Parteien, sich verändern. Insbesondere kann auch ein zunächst nur mit einem Staat homogen, oder fast homogen, verknüpftes Rechtsverhältnis später ausschließlich mit einem anderen Staat verknüpft sein; dann wechselt auch das Geschäftsstatut. Ein Unterhaltsvertrag zwischen geschiedenen Ehegatten, der zunächst nach dem Recht des Staates beurteilt wird, zu dem alle Verknüpfungen hingehen, erhält ein neues Geschäftsstatut, wenn diese Verknüpfungen enden und entsprechende Verknüpfungen nunmehr zu einem anderen Staat bestehen; der Wechsel des Geschäftsstatuts kann hier z. B. wichtig werden, wenn die beiden Rechte unterschiedliche Regelungen darüber haben, welchen Einfluß die Entstehung neuer gesetzlicher Unterhaltspflichten gegenüber dritten Personen auf den Umfang der vertraglichen Unterhaltspflicht hat 9 3 . Wenn das gesetzliche Geschäftsstatut ausdrücklich in der Weise ermittelt werden soll, daß es auf eine wandelbare Verknüpfung, jedoch so, wie sie zur Zeit der Geschäftserrichtung besteht, ankommt (z. B. Staatsangehörigkeit des Mannes zur Zeit der Eheschließung), kann sowohl die Anwendungswilligkeit von neuen Rechtssätzen dieses Statuts, als auch deren Berufung durch einen anderen Forumstaat davon abhängig gemacht werden, daß wenigstens sonstige Verknüpfungen zu dem betreffenden Staat (Nachschubverknüpfungen) vorhanden sind, wenn die ursprünglich maßgebende Verknüpfung wegfällt 94 . Wenn in der großen Zahl der Fälle ein einziges Recht Geschäftsstatut ist und bleibt, und wenn dieses Geschäftsstatut sowohl die Frage nach dem gültigen Zustandekommen des Rechtsverhältnisses, als auch die Frage nach seinen Wirkungen beantwortet, so ist es nicht von vornherein abwegig, daß bei einem Wechsel des Geschäftsstatuts das neue Geschäftsstatut rückwirkend auf die Frage des gültigen Zustandekommens des Rechtsgeschäfts anwendbar sein will. Hier ist man allerdings vielfach geneigt, im Sinne der Mosaikmethode zu einer Lösung zu kommen, bei der das neue Geschäftsstatut sich nur auf die noch ausstehenden Wirkungen des Rechtsverhältnisses erstrecken soll. Zwischen den denkbaren extremen Lösungen sind Kompromisse möglich und üblich. Sie zu bilden ist Sache des neuen Geschäftsstatuts, dessen Lösungen in einem anderen Forumstaat höchstens auf krasse Abweichungen von den dort geltenden Lösungen in ähnlichen Fällen zu prüfen sind. Das neue Statut kann dabei insbesondere bei rechtsgeschäftlich begründeten Dauerrechtsverhältnissen dem Umstand eine Bedeutung beimessen, daß das Dauerrechtsverhält546
Änderungen eines Teilfragenstatuts
§19
nis durch bewußte Erfüllung seitens der Beteiligten effektiv geworden ist: Wären die Voraussetzungen für das gültige Zustandekommen des Rechtsverhältnisses unter dem neuen Recht vorhanden gewesen, war dies aber unter dem alten Geschäftsstatut nicht der Fall, so kann die Tatsache, daß die Parteien das Rechtsverhältnis bis dahin realisiert haben, für das neue Statut der entscheidende Grund sein, um das Rechtsverhältnis als ein rechtswirksames Dauerrechtsverhältnis zu behandeln. Zu denken ist etwa daran, daß Ehehindernisse, wie sie unter dem alten Geschäftsstatut der Ehe bestanden haben, unter dem neuen Geschäftsstatut nicht gelten, oder daß eine unter dem alten Statut nicht ausreichende, unter dem neuen Statut hingegen ausreichende Form der Geschäftsbegründung vorgelegen hat 9 5 . Liegen die Dinge umgekehrt, nämlich daß das Rechtsgeschäft unter dem ersten Geschäftsstatut gültig zustandegekommen war, während dies nach dem neuen Statut zu verneinen ist, und besteht das neue Statut auf Anwendung, so kann, wenn das Dauerrechtsverhältnis bis dahin effektiv war, durch Umdeutung geholfen werden: Verlegen die Parteien an einem Adoptionsverhältnis, das unter dem bisher maßgeblichen Recht gültig war, alle persönlichen Verknüpfungen in einen Staat, der die Adoption nicht kennt, so können Wirkungen, und sogar gewisse Nachwirkungen, des Adoptionsverhältnisses fortgeführt werden, indem die Adoption in einen Vertrag über gegenseitige Unterhaltspflicht und einen Erbvertrag umgedeutet wird. Bei Ehehindernissen eines nachträglich zum Zuge kommenden Ehestatuts, die nach dem früheren Statut nicht bestanden haben, wird nur in seltenen Fällen das neue Statut zur Ungültigkeit der effektiv bestehenden Ehe führen wollen. Es gilt dies auch für polygame Ehen, wenn die Beteiligten später durch Staatsangehörigkeit und Wohnsitz mit einem Lande verbunden sind, das allein monogame Ehen zuläßt. Hier kann aber durch besondere Zuweisungsnormen die Auflösung derartiger Ehen erleichtert werden 96 . Daß die Parteien die dispositiven Bestimmungen des neuen Geschäftsstatuts über die Wirkungen des Rechtsverhältnisses sowohl durch ein neues Rechtsgeschäft, als auch durch die von ihnen aufgestellten alten Geschäftsbedingungen ausschalten können, ist selbstverständlich. Das neue Statut kann aber auch bestimmen, daß mangels solcher Anordnungen der Parteien die bisherige Regelung des Rechtsverhältnisses durch das nichtzwingende alte Statut weiter bestehen bleibt, und daß zwingendes Recht des alten Geschäftsstatuts kraft des Parteiwillens weiter gilt, soweit nicht neues zwingendes Recht entgegensteht. Das neue Geschäftsstatut läßt dann das durch Rechtsgeschäft begründete Rechtsverhältnis möglicherweise auf Grund spezialrechtlicher Bestimmungen mehr oder weniger weitgehend „unter dem alten Recht auslaufen" 97 . Auch ein unabhängig vom Geschäftsstatut berufenes Statut für Teilfragen ist nach dem von den letzten intertemporalen Kollisionsnormen des Urheberstaates angegebenen Stand seines materiellen Rechts zur Anwendung zu bringen. Handelt es sich dabei um Sätze über das gültige Zustandekommen des Rechtsverhältnisses, so kann das betreffende Recht sowohl eine rückwirkende Validierung, als auch eine Zerstörung der Geschäftsgültigkeit vorsehen. Auch diese Bestimmungen sind auf krasse Abweichungen von den Vorstellungen des Forumstaates zu prüfen. Unbedenklich ist sicher eine rückwirkende Validierung anfänglich formungültiger Ehen durch das vermittels Sonderanknüpfung ermittelte Formstatut, wenn die Ungültigkeit der Geschäftserrichtung für die Parteien im Zeitpunkt der Geschäftserrichtung nicht erkennbar war und ihnen bis zu dem Erlaß des Validierungsgesetzes unbekannt geblieben ist, oder wenn sie trotz Kenntnis des Mangels die Ehe effektiv geführt haben. Einseitig sonderangeknüpfte zwingende Rechtssätze sind ebenfalls nach Maßgabe der intertemporalen Vorschriften des Urhebers anwendbar: Hebt der Staat A, wo die Ehe von Staatsangehörigen des Landes B in der religiösen Form ihres Heimatrechts geschlossen worden ist, seine Bestimmung, daß im Staat A die dort geschlossenen Ehen nur vor dem 547
§19
Zerfall des Geltungsbereiches eines Geschäftsstatuts
Standesbeamten gültig Zustandekommen können, mit rückwirkender K r a f t auf, und erkennt er die in der F o r m des gemeinsamen Heimatrechts geschlossene und effektiv geführte Ehe rückwirkend als formgültig an, so kann sich dem auch ein dritter Forumstaat C anschließen, welcher entsprechend einseitige Ansprüche auf Beachtung seiner F o r m v o r schriften für die auf seinem Staatsgebiet geschlossenen Ehen hat, und welcher die aufgehobenen Bestimmungen des Staates A mit Vorrang vor dem Geschäftsstatut wegen gewährter Gegenseitigkeit zur Anwendung bringen wollte. Zwingende Gesetze, für die der Urheberstaat beim Bestehen einer Inlandsverknüpf u n g ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut einseitige Anwendung beansprucht, ergehen oft erst nach Errichtung des Rechtsgeschäfts, indem z. B . die bis dahin bestehenden K ü n d i gungsmöglichkeiten unter dem Geschäftsstatut beseitigt werden, oder indem der vereinbarte Preis erhöht wird u s w . 9 8 D i e Tatsache, daß hier einerseits ein Eingriff des Rechtes anderer Staaten in den vom Geschäftsstatut in Anspruch genommenen Anwendungsbereich vorliegt, und daß zugleich ein Eingriff in die von den Parteien bei der Geschäftserrichtung in Kauf genommene Regelung des durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses e r f o l g t 9 8 3 , verringert verständlicherweise die Chancen, daß derartige Gesetze auch außerhalb des Urheberstaates zur Anwendung gebracht werden. Ändert sich der Geltungsbereich des Rechtes desjenigen Staates, dessen Recht Geschäftsstatut geworden ist, so stellt sich die Frage, welcher von den Staaten, die Teile des ursprünglichen Geltungsbereichs erworben haben, nunmehr mit seinem staatlichen Recht das Nachfolgegeschäftsstatut für das noch nicht abgewickelte Rechtsgeschäft stellt. D a s sollte konsequenterweise derjenige Nachfolgestaat sein, zu dem nach der Teilung die wichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, also nicht etwa notwendig derjenige Nachfolgestaat, auf dessen Gebiet das Geschäft ursprünglich errichtet wurde, oder derjenige Nachfolgestaat, der im Sinne des Völkerrechts als mit dem Urheberstaat des anfänglichen Geschäftsstatuts identisch gilt 9 9 . D a s Nachfolgestatut kann auch Gegenstand einer ausdrücklichen Wahl durch die Parteien werden. Bei annähernd gleich starken Verknüpfungen zu mehreren Nachfolgestaaten ist es dann auch vertretbar, demjenigen Nachfolgestaat mit seinem Recht den V o r z u g zu geben, welcher die Regelung des Rechtsverhältnisses durch Gesetz gegenüber der Regelung durch das Recht des ungeteilten Staates, im Gegensatz zu den anderen Nachfolgestaaten, nicht oder am wenigsten verändert 1 0 0 . D i e s gilt besonders dann, wenn schon das ursprüngliche Geschäftsstatut durch Rechts wähl anwendbar geworden war; dann ist zu vermuten, daß die Parteien das Recht desjenigen Nachfolgestaates als Nachfolgegeschäftsstatut haben wollen, der das gewählte Recht aufrecht erhält. Vielfach werden die Nachfolgestaaten auf dem Geltungsgebiet des anfänglichen Geschäftsstatuts bereits bestehende Rechtsverhältnisse, soweit sie auf Rechtsgeschäft beruhen, nach dem alten Recht ab- und auslaufen lassen. Dann kann es für die meisten Zwecke praktisch offen bleiben, welcher Nachfolgestaat das Nachfolgegeschäftsstatut zu stellen hat und stellen w i l l 1 0 1 . Wichtig wird allerdings oft, welches derjenige Nachfolgestaat ist, der die Währung für eine im Rechtsgeschäft begründete Geldschuld, wenn sie in der Währung des ungeteilten ursprünglichen Geschäftsstatutsstaates ausgedrückt war, stellt. D a s k a n n der Nachfolgestaat sein, der mit seinem Recht das Nachfolgegeschäftsstatut stellt; es ist aber auch möglich, daß die einzelnen Nachfolgestaaten durch selbständig angeknüpfte zwingende Rechtssätze bestimmen wollen, welche Geldschulden in der Währung des ungeteilten Staates in diesem Nachfolgestaat als auf Geldschulden in seiner Währung umgestellt gelten, d. h. auf G r u n d welcher Inlandsbeziehungen diese Umstellung zu erfolgen h a t 1 0 2 . Unbeschadet dessen, daß das — auch auf G r u n d einer Rechtswahl der Geschäftserrichter — berufene und anwendungswillige Recht, falls es im L a u f e der Zeit v o m Gesetzgeber geändert wurde, mit seinen alten oder neuen Sätzen nach Maßgabe seiner letzten 548
Das Verhandlungsstatut
§20
intertemporalrechtlichen Vorschriften anzuwenden ist, und daß auf diese Weise neues Recht möglicherweise auf Rechtsverhältnisse aus früher errichteten Rechtsgeschäften anwendbar werden kann, ist es möglich, daß die Geschäftserrichter für den Fall eines „Eingriffs" von neuem Recht in das von ihnen begründete Rechtsverhältnis in der Weise Vorsorge treffen, daß sie bestimmen, in einem solchen Fall solle das Rechtsverhältnis ein vorzeitiges Ende haben oder gar rückwirkend als aufgelöst gelten. Die Geschäftserrichter können eine entsprechende clausula rebus sie stantibus für den Fall bilden, daß das Geltungsgebiet des anfänglichen Geschäftsstatuts auf die Gebiete mehrerer Staaten aufgeteilt wird, sei es mit, sei es ohne Änderung des bisherigen Rechts in diesen Nachfolgestaaten; sie können schließlich eine clausula rebus sie stantibus auch für den Fall bilden, daß mit dem Geltungsgebiet des Geschäftsstatuts das Währungsgebiet des gleichen Staates später in die Währungsgebiete verschiedener Staaten zerfällt, und daß die ursprünglich vorgesehene Geldleistungsverpflichtung aus dem Geschäft auf eine neue Währung umgestellt werden müßte. Auch die Gültigkeit einer solchen ausdrücklich im Rechtsgeschäft niedergelegten Klausel hängt natürlich von der Anerkennung oder Nichtanerkennung durch den staatlichen Gesetzgeber ab, der beim Fehlen der Klausel im Rechtsgeschäft über das Schicksal des durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses nach seinen eigenen Vorschriften entscheiden kann und will. Der Gesetzgeber kann aber solche Klauseln selbst dem Rechtsgeschäft oktroyieren, und die Rechtsprechung kann dem Gesetzgeber eine solche Absicht unterstellen. Dies ist zunächst Sache des anfänglichen Geschäftsstatuts; ob dessen Regelung später noch aufrecht erhalten wird, das kann möglicherweise das neue Geschäftsstatut selber bestimmen. Im Ergebnis wird sich derartiges oft nicht anders auswirken, als wenn der Richter des Forumstaates zur Zeit der Entscheidung von seinem Gesetzgeber ermächtigt wird, für die vorgenannten unerwarteten Situationen Billigkeitslösungen zu entwickeln 1 0 3 .
§ 20. Fortsetzung a) Der Anwendungsbereich von Vorschriften über die zur Geschäftserrichtung gehörigen Willenserklärungen Die gesetzlichen Bestimmungen einer staatlichen Privatrechtsordnung, welche dem Geschäft, das von den Errichtern als pflichtbegründendes .Rechtsgeschäft gewollt ist, Rechtsverbindlichkeit („Gültigkeit") verschaffen, und auf die früher mehrfach Bezug genommen wurde 1 , stellen sich in ihrem eigentlichen Kern als die Bestimmungen dar, welche besagen, in welcher Konstellation menschliche Äußerungen normativen Inhalts vorliegen müssen, damit ein Rechtsgeschäft als errichtet gilt. Hierher gehören insbesondere Bestimmungen, welche besagen, daß ein „Vertrag" dadurch zustandekommt, daß die Annahmeerklärung des Angebotsadressaten dem Anbietenden zugeht (oder aber vom Annehmenden abgesandt worden ist); hierher gehören Bestimmungen, welche besagen, daß eine einseitige Verpflichtungserklärung bindend wird, wenn sie dem Begünstigten zur Kenntnis gebracht wird; oder Bestimmungen, welche sich über die Zeitdauer und die Widerruflichkeit der Bindung an ein Vertragsangebot aussprechen 2 . Es wäre denkbar, daß die an einer Geschäftserrichtung interessierten Personen zunächst ausdrücklich eine (von dem gewählten Recht zu akzeptierende) Wahl desjenigen Rechts treffen würden, welches mit seinen Bestimmungen über das Zustandekommen oder NichtZustandekommen eines geplanten Geschäfts maßgebend sein soll 3 . Wie und wann dieses Rechtswahlgeschäft zustandekommt, müßte das gewählte Recht, eventuell wieder durch Spezialbestimmungen 4 , regeln. Derartiges ist aber wohl außerordentlich selten. Häufiger ist es so, daß das Recht, „unter dem verhandelt wird", in übereinstimmenden 549
§20
Die Geschäftserrichtung
Äußerungen der Verhandelnden als ein kraft Gesetzes anwendbar geglaubtes Recht erkennbar wird. Denkbar ist sodann, daß das Angebot für das materiellrechtliche Geschäft selbst das zukünftige Geschäftsstatut bezeichnet, und daß durch das widerspruchslose Weiterverhandeln dieses Recht zunächst einmal wenigstens zum Verhandlungsstatut wird. Haltbar ist auch die Ansicht, daß, wenn aus den im Angebot bezeichneten Verknüpfungen und den persönlichen Verknüpfungen der Verhandelnden endgültig zu erkennen ist, wohin die gewichtigste Kombination dieser Verknüpfungen geht, dieses Recht zum Geschäftserrichtungsstatut, und bei gültiger Errichtung zum Geschäftsstatut wird 5 . Dennoch dürfen in einzelnen Zusammenhängen zugleich andere Rechte anwendungswillig 6 , und auch in einem anderen Forumstaat zu berücksichtigen sein 7 . Das Geschäftsstatut, das generell über die Gültigkeitsvoraussetzungen entscheidet, kann möglicherweise selbst anstelle einer einzelnen eigenen Bestimmung über das Zustandekommen des Geschäftes die Regelung eines anderen Rechts setzen. So könnte vielleicht, wenn die Errichter eines Vertrages diesen in persönlicher Anwesenheit in einer unterschriebenen Urkunde errichten wollen, die Bindung dessen, der zuerst unterzeichnet, an seine Unterschrift bis zur Unterschrift der anderen Partei — und insbesondere die Dauer der einseitigen Bindung des ersten Unterzeichners — eher dem Recht des Errichtungsortes als dem Geschäftsstatut zu entnehmen sein. Hat sich der Anbietende vorbehalten, daß der Vertrag erst mit seiner „Bestätigung" des „Auftrags" der anderen Partei zustande kommen soll, so ist eine gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Bestimmung, wonach gewisse Klauseln in dem Bestätigungsschreiben durch Stillschweigen als genehmigt gelten, nach einer verbreiteten Ansicht nicht unbedingt dem normalen Inlandsrecht des Geschäftsstatuts zu entnehmen. Vielmehr kann das Geschäftsstatut, eventuell aber auch derjenige Staat, in den das Bestätigungsschreiben geschickt wurde, einen Spezialrechtssatz des Inhaltes bilden, daß hier entschuldbare Unkenntnis über das Bestehen jener Regel betreffend Bindung durch Schweigen die Anwendbarkeit dieser Regel hindert, falls der Empfänger des Bestätigungsschreibens dieses an seinem ständigen Aufenthaltsort außerhalb des Geltungsgebietes des Geschäftsstatuts erhält, und das Recht des ständigen Aufenthaltsortes keine entsprechende Bestimmung hat 8 . Das Geschäftsstatut muß im Zusammenhang mit der Regelung, welche Äußerungen der Geschäftserrichter, und in welcher Konstellation und Frist diese Äußerungen vorliegen müssen, damit das Geschäft als errichtet gilt, auch bestimmen, welche Personen neben denjenigen, die aus dem Rechtsgeschäft Rechte und Pflichten erwerben, an der Geschäftserrichtung teilnehmen müssen, sowie worin ihre „Teilnahme" zu bestehen hat (Zustimmung, Bestätigung der Kenntnisnahme, Zeugenschaft, „Einsegnung" usw.). Nicht hierher gehören allerdings Bestimmungen über die Teilnahme von Staatsorganen an einem Privatrechtsgeschäft in Gestalt der Erteilung der zur Gültigkeit erforderlichen Genehmigung; der Anwendungsbereich dieser Bestimmungen wird vielmehr gesondert geregelt. Einer gesonderten internationalprivatrechtlichen Behandlung unterliegen auch die Bestimmungen über die Teilnahme von Personen als gesetzliche Vertreter einer Vertragspartei. Das Geschäftsstatut kann eine eigene Bestimmung über die Teilnahme anderer als der unmittelbar Beteiligten an dem Rechtsgeschäft jedoch möglicherweise als „Formvorschrift" qualifizieren und von der Anwendung dieser Bestimmung zugunsten abweichender Bestimmungen eines anderen Rechts, nämlich des Formstatuts, abgehen; desgleichen kann ein Forumstaat eine solche Bestimmung im eigenen Recht oder im Recht dritter Staaten von sich aus als Formvorschrift qualifizieren, und ihr unabhängig von der Haltung des Geschäftsstatuts einen Anwendungsbereich zuweisen. Soweit die Mosaikmethode ganz auf ein Geschäftsstatut verzichten und eine gesonderte Zuweisung der Frage nach der „Bindung" an Willenserklärungen oder Schweigen 550
Das Formstatut im Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts
§ 20
verneinen will, bereitet sowohl eine Kumulation der bisher behandelten Bestimmungen über die Geschäftserrichtung Schwierigkeiten, als auch eine Lösung, welche z. B. für jeden Kontrahenten an einem Vertrag den Eintritt seiner Bindung an seine eigene Erklärung (oder Schweigen) nur von seinem Heimatrecht abhängig machen will; die Beurteilung dieser Frage nach dem Recht des Errichtungsortes hat den anderen Nachteil, daß z. B . bei Distanzverträgen die A n t w o r t auf die Frage, w o sich denn nun der Errichtungsort befindet, gerade davon abhängen kann, welcher Vorgang als letztes Glied des gestreckten Geschäftserrichtungsvorganges nach dem maßgeblichen Recht die Bindung aller Geschäftserrichter herbeiführt. b) D e r A n w e n d u n g s b e r e i c h v o n F o r m v o r s c h r i f t e n Mit den Bestimmungen darüber, in w e l c h e r K o n s t e l l a t i o n m e n s c h l i c h e Äußerungen vorhanden sein müssen, damit ein pflichtbegründendes Rechtsgeschäft als errichtet gilt, hängen diejenigen Bestimmungen eng zusammen, die sich über die „ F o r m " solcher Ä u ßerungen, eventuell auch über die sie begleitenden zusätzlichen „Formalitäten", auslassen, und zwar in dem Sinne auslassen, daß die Nichtbeachtung einer solchen Formvorschrift die (Form-)Ungültigkeit des Rechtsgeschäfts nach sich zieht 9 . D e r Zweck von Formvorschriften kann außerordentlich verschieden sein, wobei eine einzelne Formvorschrift häufig wieder mehreren Zwecken dienen kann. Mit einer Regelung, wonach eine der Geschäftserrichtung dienende Äußerung auf irgendeine verständliche Weise abgegeben werden kann, also mit der sogenannten Formfreiheit, will der Gesetzgeber die Errichtung von Rechtsgeschäften fördern; mit dem Erfordernis einer qualifizierten F o r m , wie z. B . einer kostspieligen öffentlichen Beurkundung, soll hingegen das Zustandekommen bestimmter Geschäfte oft gehemmt werden. Andererseits kann mit gewissen qualifizierten F o r m e n gesichert werden sollen, daß das Rechtsgeschäft nicht ohne Beratung der Errichter über Fragen seiner materiellrechtlichen Gültigkeit zustande k o m m t ; mit der notariellen Errichtungsform kann aber auch nur gesichert werden sollen, daß das zu beurkundende Geschäft wirklich /orra gültig zustandekommt. Eine qualifizierte F o r m für bestimmte durch ihren Inhalt gekennzeichnete Rechtsgeschäfte soll häufig die Errichter auf die gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bedeutsamkeit ihres Rechtsgeschäfts bzw. der darin begründeten Pflichten hinweisen, und soll zum Nachdenken vor der Geschäftserrichtung auffordern. Schriftform oder die Notwendigkeit der Beiziehung von Zeugen sollen den in zukünftigen Prozessen zu führenden Beweis für die Errichtung des Geschäfts sichern. Die Notwendigkeit einer öffentlichen Registrierung des Geschäfts soll eine Kontrolle durch staatliche Behörden, oder Kenntnisnahme anderer Privatrechtssubjekte von den begründeten Rechtsverhältnissen ermöglichen. Die von Staats wegen gebotene Mitwirkung eines Geistlichen bei der Eheschließung soll den Eheschließenden deutlich machen, daß nach Ansicht dieses staatlichen Rechts die Ehe auch eine religiöse Bedeutung habe, oder soll der Kirche eine Einmischung oder Kontrolle ermöglichen usw.
1. Bestimmung des Formstatuts durch das Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts E s sollte eigentlich keinem Zweifel unterliegen, daß der Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut für ein heterogen verknüpftes pflichtbegründendes Rechtsgeschäft stellt, stets auch selbst zum Erlaß von Formvorschriften, welchem der oben genannten Zwecke sie auch dienen, legitimiert i s t 1 0 . E r selbst kann daher die Formvorschriften für heterogen verknüpfte Geschäfte allein seinem Inlandsrecht entnehmen wollen; er könnte auch zu diesem Zwecke Spezialrecht bilden, z. B. in Gestalt qualifizierter Formerfordernisse für gewisse Schuldverträge, an denen Inländer und Ausländer beteiligt sind; Spezialrecht des Geschäftsstatuts ist auch möglich für die F o r m der Errichtung des Geschäfts in einem anderen Staat als dem, der das Geschäftsstatut stellt.
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§20
Das Formstatut im Kollisionsrecht des Geschäftsstatus
Allein dem Geschäftsstatut sind solche Vorschriften zu entnehmen, welche je nach der F o r m , in der das Rechtsgeschäft zustandegekommen ist, diese oder jene Wirkungen eintreten lassen, also z. B . verschiedene Kündigungsfristen für dieselbe Geschäftsart, je nach dem o b der Vertrag mündlich oder schriftlich errichtet worden ist. Anlaß für den Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut stellt, anstelle seiner eigenen V o r schriften die Formvorschriften eines anderen Landes heranzuziehen 1 0 3 , können verschiedene G r ü n d e sein. E s kann so sein, daß gewisse qualifizierte Formen, wie sie das Geschäftsstatut vorsieht, bei Errichtung des Geschäfts im Ausland nicht gewahrt werden können. Derartiges ist, wenn das Geschäftsstatut mündliche, oder privatschriftliche, oder privat bezeugte Geschäftserrichtung vorsieht, wohl nur dann denkbar, wenn der Staat des außerhalb des Geltungsgebietes des Geschäftsstatuts liegenden Errichtungsortes die Errichtung in diesen F o r m e n unter Strafandrohung verbietet. Schreibt das Geschäftsstatut Mitwirkung eines Staatsorgans vor, so ist die Geschäftserrichtung im Ausland in der Form des Geschäftsstatuts unmöglich, wenn entweder das Geschäftsstatut nur die Mitwirkung eigener Staatsorgane genügen läßt, und solche im Ausland nicht vorhanden sind oder nicht tätig werden dürfen, oder wenn das Geschäftsstatut zwar Errichtung im Ausland unter Mitwirkung äquivalenter ausländischer O r g a n e in einem äquivalenten Verfahren zuläßt, aber das Recht des Errichtungslandes keine äquivalenten Organe oder kein äquivalentes Verfahren hat, oder den Einsatz seiner Staatsorgane für Geschäfte unter ausländischem Geschäftsstatut nicht gestattet. D e r U m s t a n d , daß die qualifizierte Errichtungsform des Geschäftsstatuts 1 1 am Errichtungsort nicht gewahrt werden kann, nötigt aber noch nicht unbedingt dazu, daß generell das Recht des Errichtungsortes für die F o r m als maßgeblich erklärt wird: Vielfach kann den Geschäftserrichtern durchaus zugemutet werden, das Geschäft auf dem Staatsgebiet des Landes, welches das Geschäftsstatut stellt, zu errichten, oder vor den Konsuln dieses Staates 1 2 im Ausland. E s ist ferner möglich, daß der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts gerade für den Fall der Unmöglichkeit der Beachtung seiner regulären F o r m e n im Ausland in spezialrechtlichen Vorschriften andere F o r m e n zuläßt, die im Ausland benutzt werden k ö n n e n 1 3 . D e r U m s t a n d , daß das Recht des Errichtungsortes bestimmte Arten von Geschäften überhaupt nicht kennt, und daher auch keine qualifizierte F o r m für diese Geschäfte vorsieht, während das Geschäftsstatut eine bestimmte qualifizierte F o r m erfordert, ist kein G r u n d , u m die formlose Errichtung des Geschäfts außerhalb des Geschäftsstatutsstaates in dem letzteren als ausreichend zu behandeln, insbesondere wenn das Recht des Errichtungsortes eine der qualifizierten F o r m des Geschäftsstatuts äquivalente qualifizierte F o r m für irgendwelche Rechtsgeschäfte kennt14. Anlaß für den Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut stellt, Formvorschriften anderer Rechte heranzuziehen, kann es sein, daß die Geschäftserrichter sich darüber, welches Recht Geschäftsstatut ist, vielfach nicht im klaren sind, während sie meist leicht erkennen können, was Errichtungsort i s t 1 5 , so daß sie mit der Befolgung der Formvorschriften des Errichtungsortes jedenfalls die Gefahr der Errichtung eines /ormungültigen Geschäfts vermeiden können. A u s diesem G r u n d e ist aber eine Bestimmung durch den Gesetzgeber des Geschäftsstatuts, wonach die F o r m des Errichtungslandes genügen soll, jedenfalls dann nicht notwendig, wenn die Geschäftserrichter ein bestimmtes Recht ausdrücklich zum Geschäftsstatut gewählt h a b e n 1 6 , oder wenn sie sonstwie darüber sicher sind, welches Recht Geschäftsstatut ist. Ist im Inlandsrecht des Geschäftsstatuts in einer h o m o g e n verknüpften Situation die Berufung einer Partei auf die unzweifelhaft objektiv vorliegende Formungültigkeit unzulässig, wenn diese Partei einerseits von der Ungültigkeit Kenntnis hatte, andererseits die unkundige andere Partei zur Errichtung des Geschäfts ohne Wahrung der erforderlichen F o r m überredet hat, so ist es in heterogen verknüpften Situationen noch mehr angebracht, 552
Das Formstatut im Kollisionsrecht des Geschäftsstatus
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in einem solchen Fall die Formungültigkeit sogar unter dem allein anwendungswilligen Geschäftsstatut zu ignorieren, wenn gleichzeitig wenigstens die Form des Errichtungsortes, oder etwa die des gemeinsamen Heimatrechts, gewahrt ist 1 7 . Meist aber ist die einfache oder die alternative Verweisung auf die Formvorschriften eines anderen Rechts als die eigenen Bestimmungen des Geschäftsstatuts im internationalen Privatrecht des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, einfach eine Konzession an eine jahrhundertealte Tradition, welche lange Zeit sogar nur die Formvorschriften des Errichtungsortes, und nicht die des Geschäftsstatuts gelten lassen wollte. Die weit verbreitete Ansicht, daß so für die Gerichte des Geschäftsstatutslandes die Errichtung des Geschäfts auch in den einfacheren Formen des Errichtungslandes genügen soll, obwohl die Errichtung in der vom Geschäftsstatut vorgeschriebenen qualifizierten Form auch am ausländischen Errichtungsort möglich gewesen wäre, ist trotzdem de lege ferenda jedenfalls dann zu verwerfen, wenn die Geschäftserrichter darüber, welches Recht Geschäftsstatut ist, nicht im Zweifel waren. Vor allem wenn nicht für das ganze Geschäft, sondern nur für bestimmte Klauseln im Geschäftsstatut eine qualifizierte Form erforderlich ist, ist hier nicht einzusehen, weshalb diese Form bei Errichtung des Geschäfts im Ausland durch alternative Anwendbarkeit der lex loci actus entbehrlich werden sollte. Ebenso falsch wäre es, wenn der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, die Verwendung seiner eigenen auch im Ausland realisierbaren einfachen Form nicht als ausreichend betrachten wollte, nur weil das Errichtungsland eine andere qualifizierte Form erfordert. Der richtige Gedanke, daß von dem Erfordernis einer qualifizierten Form durch das Geschäftsstatut nicht abgegangen werden sollte, wenn die Errichtung des Geschäfts in dieser Form auch im Ausland möglich und den Geschäftserrichtern klar ist, welches Recht Geschäftsstatut ist, würde bedeuten, daß die standesamtliche Eheschließung, wie sie für eigene Staatsangehörige im Inland notwendig ist, auch bei Heirat im Ausland, nämlich als Eheschließung vor den Konsuln des Heimatstaates oder vor dem Standesbeamten des fremden Staates zu erfolgen hat, während die im Ausland fakultativ zugelassene religiöse, oder gar formfreie, Eheschließung nicht genügen würde. Während dies selten gefordert wird 1 8 , verlangen Staaten mit religiöser Eheschließungsform vielfach die Wahrung dieser Form auch bei Eheschließung im Ausland. Oft wird dasselbe Ergebnis damit erreicht, daß eine Bestimmung über den Vorgang der Eheschließung, wie sie das Geschäftsstatut kennt, als Nichtformbestimmung erklärt und ihre Beachtung auch bei Eheschließung im Ausland erfordert wird; das tun vor allem manche Länder bezüglich der einsegnenden Mitwirkung eines Geistlichen an der Eheschließung. Alles das läßt sich besser begründen, wenn die vom Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts vorgesehene alternative Anwendung der Formvorschriften des Geschäftsstatuts und des Errichtungslandes (oder eventuell auch eines anderen Rechts) als ein „dosierbarer" Verzicht des Geschäftsstatuts auf die Anwendung von eigenen Bestimmungen über Gültigkeitserfordernisse in bezug auf die Geschäftserrichtung, und als eine ebenfalls „dosierte" Heranziehung von Vorschriften des Errichtungslandes über Gültigkeitsvoraussetzungen verstanden wird 1 9 . Ein besonders interessanter Grenzfall liegt vor, wenn alle Verknüpfungen mit Ausnahme des Ortes der Geschäftserrichtung zu einem Staat hingehen, wenn also damit die Anwendbarkeit des Rechtes dieses Staates als gesetzliches Geschäftsstatut unzweifelhaft ist, und wenn feststeht, daß das Geschäft nur deshalb in einem anderen Staat errichtet wurde, um die qualifizierte Form des Geschäftsstatuts nicht benutzen zu müssen. Während eine in einigen Ländern noch verbreitete Meinung hier die Geschäftserrichtung außerhalb des Staatsgebietes des Landes des Geschäftsstatuts (oder eines Landes mit gleichem Recht) als „fraudulös" betrachtet und deshalb die Anwendung der lex loci actus verneinen will, argumentiert man anderswo, den Geschäftserrichtern stehe ja die Begründung jeder Aus553
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Selbständige Anknüpfung eigener Formvorschriften
landsverknüpfung und damit die Verursachung der Heterogenität der Verknüpfungen frei, und wenn bei solchen heterogenen Verknüpfungen durch Wahl auch das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen sonst maßgebliche gesetzliche Geschäftsstatut unanwendbar gemacht werden könne, so dürfe die auf die Formbestimmungen beschränkte Anwendbarmachung einer anderen lex loci actus erst recht nicht beanstandet werden. Der ersten Meinung dürfte jedenfalls dann der Vorzug zu geben sein, wenn die Parteien veranlaßt haben, daß nur der letzte Akt der Geschäftserrichtung (weil gerade dieser für den Errichtungsort des ganzen Geschäfts maßgebend sein soll) im Ausland erfolgt, während alle anderen Vorgänge im Land des Geschäftsstatuts sich ereignet haben, und das Geschäft ohne Schwierigkeiten von den Parteien im Lande des Geschäftsstatuts nach dessen Formvorschriften hätte errichtet werden können 20 . Will das Kollisionsrecht des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, anstelle der eigenen Formbestimmungen in mehr oder weniger großem Umfang die Formbestimmungen des Errichtungslandes heranziehen, so hängt die Frage, was bei Vertragsschluß zwischen Parteien, die ihre Erklärungen in verschiedenen Ländern abgeben, als „Errichtungsort" zu gelten hat, mit davon ab, weshalb und wie (nämlich vermittels einfacher oder alternativer Zuweisung) das Recht des Errichtungsortes herangezogen wird: Ist Zweck der alternativen Entnahme der Formbestimmungen aus Geschäftsstatut oder lex loci actus die Förderung des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts, so ist Errichtungsland derjenige Staat, nach dessen Recht ein auf seinem Gebiet erfolgender Vorgang zuerst die Bindung beider Parteien an den Vertrag als eingetreten gelten läßt. Problematisch wird die Frage, wo sich der Errichtungsort des Geschäfts befindet, und welchem anderen Recht als dem Geschäftsstatut auf diese Weise eine Bedeutung zukommen soll, auch dann, wenn es um die Anwendung von Rechtssätzen geht, welche ein pflichtbegründendes Dauerrechtsverhältnis dadurch Zustandekommen lassen, daß ohne den Austausch von Willenserklärungen" einverständlich mit der Erfüllung der beiderseitigen Pflichten aus dem Dauerrechtsverhältnis begonnen, und dies eine gewisse Zeit fortgesetzt wird 20a , wobei es daneben eine andere Art der Begründung des Dauerrechtsverhältnisses durch den Austausch von Willenserklärungen in qualifizierter Form geben mag. Hier ist das Land, wo die faktische Erfüllung des Dauerrechtsverhältnisses vor sich geht, Errichtungsland: Ist der erste gemeinsame Wohnsitz der Ehegatten der Ort, wo die common law-Ehe geführt wird, und wird zugleich das Geschäftsstatut für die Ehe vom ersten Wohnsitz gestellt, so sind Geschäftsstatut und lex loci actus für diesen besonderen Fall gar nicht verschieden. Auf die eigene Anwendungswilligkeit der Formvorschriften eines anderen Landes als des Geschäftsstatuts sollte es, wenn sie vom Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts berufen werden, nur insoweit ankommen, als ein ausdrückliches Verbot etwa des Errichtungslandes, dessen Formen für ein Geschäft unter fremdem Geschäftsstatut zu benutzen, die Heranziehung der lex loci actus ausschließt. 2. Selbständige Anknüpfung von Formvorschriften Geschäftsstatuts
durch andere Staaten als den des
Zu einer „selbständigen", d. h. ohne Berücksichtigung des Geschäftsstatuts und seiner Kollisionsnormen erfolgenden Berufung eigener Formvorschriften können andere Staaten als der des Geschäftsstatuts aus verschiedenen Gründen Veranlassung sehen. So kann zunächst ein solcher anderer Staat, wenn er die Wirksamkeit des heterogen verknüpften Geschäfts auf seinem Gebiet in einer Spezialvorschrift von einer Genehmigung durch seine Behörden abhängig macht, in Verbindung damit auch eine bestimmte Form des Geschäfts, insbesondere Schriftlichkeit, verlangen, so etwa bei Arbeitsverträgen von Ausländern. Sodann kann ein Staat, welcher will, daß seine Behörden über bestimmte Rechtsgeschäfte 554
Selbständige Anknüpfung eigener Formvorschriften
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seiner Staatsangehörigen (oder Bewohner) Kenntnis erhalten, die Anwendung einer eigenen Vorschrift anordnen, welche zur Gültigkeit des Geschäfts eine registrierende Mitwirkung einer Behörde dieses Staates obligatorisch m a c h t 2 1 ; der genannte Zweck kann allerdings auch damit schon erreicht werden, daß aus dem Geschäft in dem betreffenden L a n d erst dann ein Anspruch geltend gemacht, insbesondere geklagt werden kann, wenn das Geschäft in diesem Land registriert ist, wobei ein anderswo errichtetes Geschäft auch jederzeit nachträglich registriert werden k a n n 2 2 . A m häufigsten findet sich vielleicht die Erwägung des Gesetzgebers eines Geschäftserrichtungslandes, mit der Zulassung einer Geschäftserrichtung im Inland in jeder von einem ausländischen Geschäftsstatut vorgesehenen F o r m könne die Respektierung der von dem Gesetzgeber des Errichtungslandes für h o m o g e n verknüpfte Situationen erlassenen qualifizierten Formvorschriften gefährdet werden. So kann es sich erklären, daß in einem Lande, welches nur die standesamtliche Eheschließung im Inlandsrecht kennt, und w o der Gesetzgeber daran interessiert ist zu verhindern, daß in homogen verknüpften Fällen in Verkennung der Bestimmungen über die obligatorische standesamtliche Eheschließung formungültige Ehen geschlossen werden, selbst Ausländer, die keinerlei sonstige Inlandsverknüpfungen haben, eine in diesem L a n d e als gültig zu behandelnde E h e nicht in anderer F o r m als der O r t s f o r m der standesamtlichen Eheschließung zustandebringen k ö n n e n 2 3 . Derartiges wird meist in gesetzlichen Vorschriften des Eheschließungslandes ausgesproc h e n 2 4 , ließe sich aber evtl. auch durch die Gerichte ohne Gesetz mit der positiven ordre public-Klausel begründen. D e lege ferenda sollte dann allerdings in dem Errichtungsland die standesamtliche Inlandseheschließung der Ausländer nicht als allein ausreichend betrachtet werden, wenn ihr Heimatrecht diese F o r m seinerseits nicht als ausreichend betrachtet; d. h. es sollte gegebenenfalls eine weitere Eheschließung gefordert werden, die das gemeinsame H e i m a t recht als formgültig ansieht. Derartiges wird meist deshalb nicht angeordnet, weil der Gesetzgeber in einem L a n d mit obligatorischer Zivilehe Bedenken hat, auch auf diese Weise doch wieder selbst einen Anreiz zu Eheschließungsvorgängen auf seinem Staatsgebiet zu geben, die dem Ortsrecht nicht entsprechen; ein anderer G r u n d ist der, daß auf diese Weise erst die jeweils letzte Eheschließung als der entscheidende Eheschließungsvorgang gelten müßte. Daß bei der Verwirklichung des Anspruchs des Errichtungslandes (eventuell auch des Heimatstaates der Geschäftserrichter, wenn dessen Recht nicht mit dem Geschäftsstatut identisch ist) auf Anwendung seiner eigenen F o r m Vorschriften, ohne Rücksicht darauf, daß die Vorschriften des anwendungswilligen Geschäftsstatuts gewahrt sind, Zurückhaltung am Platz ist, zeigt sich darin, daß gesetzliche Vorschriften in dem genannten Sinne nicht selten wieder durch Ausnahmen — z. B . zugunsten der Anerkennung einer Eheschließung von Ausländern vor ihrem Konsul — durchbrochen werden. Die einseitige Inanspruchnahme der Anwendung einer eigenen Formvorschrift durch andere Staaten als den, der das Geschäftsstatut stellt, kann im Staat des Geschäftsstatuts ignoriert werden, indem dieser weiterhin die Beachtung aller seiner Formvorschriften auch bei Geschäftserrichtung im Ausland, und n u r diese Vorschriften, fordert. Wenn aber der Staat des Geschäftsstatuts, oder wenn ein dritter Forumstaat selbst für eine einzelne bestimmte Formvorschrift seines Rechts Anwendung in Fällen beansprucht, in denen dieser Staat nicht das Geschäftsstatut stellt, so sollten diese Staaten jedenfalls dann, wenn Gegenseitigkeit gewährleistet ist, ihre Gerichte anweisen, zusätzlich zu den Formerfordernissen des Geschäftsstatuts jene einseitig anwendungswilligen Formvorschriften eines anderen Landes zur Anwendung zu bringen. Hält der Staat des Geschäftsstatuts Gegenseitigkeit für gewährleistet, und sind seine Gerichte angewiesen, auch die einseitig anwendungswilligen Formvorschriften des Errichtungsortes zu beachten (obwohl das 555
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Selbständige Zuweisung der Formfrage in bilateralen Kollisionsnormen
Geschäftsstatut normalerweise überhaupt nur seine eigenen Formvorschriften angewendet wissen will), so sollte ein dritter Forumstaat sich dem anschließen, ohne nach der Gegenseitigkeit im Verhältnis zwischen ihm und dem Errichtungsland zu fragen. Würde also das Land, dessen Recht Geschäftsstatut für eine Ehe ist, bei Eheschließung im Ausland die Mitwirkung des eigenen Konsuls (als des Standesbeamten im Sinne des Geschäftsstatuts) erfordern, während das Errichtungsland Eheschließung vor seinem örtlichen Standesbeamten erfordert, so könnten zunächst diese beiden Staaten die Ehe erst dann als gültig zustandegekommen behandeln, wenn beiden Rechten Genüge getan ist; liegt eine solche Regelung vor, so sollte sich ein dritter Forumstaat ihr ohne weiteres anschließen. Ähnlich könnte die Bestimmung des Geschäftsstatuts über die Notwendigkeit einer religiösen Eheschließung, die einerseits bei Eheschließung unter diesem Geschäftsstatut im Ausland, andererseits auch bei jeder Eheschließung im Inland Beachtung verlangt, kumuliert werden mit der selbständig anwendungswilligen Bestimmung des Eheschließungslandes, welche standesamtliche Eheschließung erfordert. Das positive Kollisionsrecht vieler Länder lehnt auch hier die Kumulierung mehrerer Formstatute aus verschiedenen Gründen ab. Man sieht in der Notwendigkeit einer doppelten Geschäftserrichtung eine diskriminierende Schlechterstellung derjenigen, die an einer heterogen verknüpften Situation dieser Art beteiligt sind, im Vergleich zu denen, die nur an einer homogen verknüpften Situation beteiligt sind. In Ländern, die obligatorische Zivilehe bzw. obligatorische religiöse Eheschließung haben, ist man, wie oben schon angedeutet, vielfach geneigt, der Anwendung des „anderen" Rechts mit der ordre public-Klausel entgegenzutreten. Schließlich wird nicht selten zwar die notarielle Beurkundung von vermögensrechtlichen Geschäften durch fremde Konsuln im Inland als Geschäftserrichtung gemäß den Formvorschriften des Geschäftsstatuts, nämlich des Entsendestaates des Konsuls, im Empfangsstaat, sowie in dritten Staaten, anerkannt; Entsprechendes wird jedoch bei einer Tätigkeit des Konsuls als Standesbeamter unter dem Geschäftsstatut der Ehe häufig deshalb verweigert, weil bei der Ehe die Verwendung der Mosaikmethode vollkommen die Vorstellung verdrängt hat, daß es auch für die Ehe ein „Geschäftsstatut" geben kann 243 . Wie früher schon angedeutet, ist im positiven Recht die Verwendung selbständiger Zuweisungsnormen für die Frage nach der Formgültigkeit von irgendwelchen, oder von bestimmten Arten pflichtbegründender Geschäfte in Gestalt bilateraler (einfacher oder alternativer) Zuweisungsnormen ohne Rücksicht auf die Haltung des Geschäftsstatuts weit verbreitet 25 . Daneben wird für einzelne Geschäfte nicht selten wieder die alleinige Maßgeblichkeit eigener Formbestimmungen durch andere Staaten als den des Geschäftsstatuts einseitig beansprucht, ohne daß entsprechenden Ansprüchen anderer Staaten, sei es mit, sei es ohne Gegenseitigkeit, Beachtung geschenkt wird. So wurde etwa im früheren deutschen internationalen Privatrecht die vom gemeinsamen Heimatstaat der Eheschließenden gebotene religiöse Eheschließung bei Errichtung des Eheschließungsgeschäfts in Deutschland überhaupt nicht anerkannt, während die religiöse Eheschließung derselben Personen in einem dritten Staat, der mit entsprechenden Bestimmungen wie Deutschland nur die standesamtliche Eheschließung zuließ, unter Heranziehung des gemeinsamen Heimatrechts als gültig betrachtet, und zugleich auch eine standesamtliche Eheschließung in dem dritten Staat entgegen dem Standpunkt des Heimatstaates anerkannt wurde 26 . Die selbständige alternative Berufung des Geschäftsstatuts und des Rechtes des Errichtungsortes für die Frage nach der Formgültigkeit im Forumstaat, ohne Rücksicht auf die Anwendungswilligkeit der berufenen Rechte, ohne Rücksicht auf etwaige Weiterverweisungen des Geschäftsstatuts auf ein drittes oder viertes Recht, und ohne Rücksicht auf die Einschränkungen der Maßgeblichkeit der lex loci actus im Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts — was vom Standpunkt der Grundstatutsmethode her grundsätzlich zu 556
Der Beweis der Geschäftserrichtung
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verwerfen ist 27 —, wird allerdings in der neueren Rechtsprechung zum Teil wieder eingeschränkt dadurch, daß man im Forumstaat die Abwahl der lex loci actus durch die Geschäftserrichter als zulässig betrachtet und eine solche Abwahl vermutet, wenn das Geschäftsstatut durch ausdrückliche Wahl bestimmt wird 28 . Wenn dabei allerdings wieder nicht beachtet wird, ob das gewählte Geschäftsstatut ebenso verfährt, so ist auch dieses Ergebnis nicht mit allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts zu vereinbaren. 3. Der Beweis der Geschäftserrichtung Die früheren Ausführungen 29 über den Beweis der Errichtung von Rechtsgeschäften, einschließlich der Wahrung der Form, haben ihre Hauptbedeutung für pflichtbegründende Geschäfte. Es gilt also hier der Grundsatz, daß im Forumstaat der Beweis nur mit Mitteln geführt werden kann, die im Verfahrensrecht des Forumstaates nicht generell als Beweismittel ausgeschlossen sind; der Beweis der Errichtung eines Rechtsgeschäfts darf sodann im Forumstaat keinesfalls mit solchen Mitteln geführt werden, mit denen er im Staat des Geschäftsstatuts nicht geführt werden könnte, was wichtig wird, wenn für eine bestimmte Vertragsart bestimmte Beweismittel im Staat des Geschäftsstatuts nicht verwendet werden dürfen 30 . Könnte im Forumstaat, wenn dieser bezüglich der Form im Sinne der Mosaikmethode eine gesonderte Zuweisung vorsieht, das Geschäft formgültig gemäß einem nationalen Recht errichtet werden, welches vom Standpunkt des Geschäftsstatuts her nicht als Formstatut berufen ist, so erübrigt es sich zu prüfen, ob ein bestimmtes Beweismittel im Staat des Geschäftsstatuts möglicherweise unzulässig wäre; hier ist dann nur Unverwendbarkeit des Beweismittels im Staat des Formstatuts zu beachten. Ob mit der öffentlichen Registrierung der Geschäftserrichtung, oder mit dem auf der Urkunde angebrachten Vermerk eines öffentlichen Beurkundungsorgans, eine Rechtsvermutung verbunden sein soll, daß die Willenserklärungen tatsächlich in der richtigen Konstellation abgegeben worden sind, daß die angeblichen Geschäftserrichter mit den in der Urkunde genannten Personen identisch waren, und daß die in der Sicht des Beurkundungsorgans richtige Form gewahrt wurde — das bestimmt zunächst einmal das Recht des Staates, der das Registrierungs- oder Beurkundungsorgan bestellt hat 31 . Ist aber Geschäftsstatut ein anderes Recht, so ist auch noch zu prüfen, ob das Geschäftsstatut seinerseits einer Registrierung bzw. Beurkundung durch eigene Behörden derartige Vermutungen beilegen will, und wenn ja, ob es die ausländische Behörde einer eigenen Behörde als äquivalent betrachtet. Ob der effektive Vollzug eines rechtsgeschäftlich begründeten Dauerrechtsverhältnisses (Ehe, Arbeitsverhältnis, Gesellschaft) durch ständige Erfüllung der beiderseitigen Pflichten als formgültige stillschweigende Geschäftserrichtung anzusehen ist, oder als Heilung des Formmangels eines vorausgegangenen Geschäfts, ist, wie an anderer Stelle ausgeführt 32 , nach dem im Forumstaat berufenen Formstatut zu beurteilen. Erfordert dieses Formstatut zum Nachweis des effektiven Vollzuges des Dauerrechtsverhältnisses wiederum bestimmte Beweismittel — etwa eine Mindestanzahl von Zeugen, die den Vollzug beobachtet haben —, so ist diese Beschränkung des Beweises auch in einem dritten Forumstaat zu beachten. Ob der effektive Vollzug eines Dauerrechtsverhältnisses nur eine widerlegliche Vermutung dafür begründet, daß das Rechtsgeschäft in einer zulässigen Form errichtet worden ist, und wie diese Vermutung zu widerlegen ist, das ist — da mit einer solchen Vermutung das Bestehen des Rechtsverhältnisses begünstigt werden soll, also eine materiellrechtliche Regelung getroffen wird — nach dem Geschäftsstatut zu beurteilen. Hat sich jedoch der Vollzug des Dauerrechtsverhältnisses ausschließlich in einem Staat abgespielt, der mit eige557
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Vereinbarte Form
nen Bestimmungen über eine qualifizierte F o r m des zu begründenden Rechtsgeschäfts auch bei ausländischem Geschäftsstatut Anwendung beansprucht, so m u ß die Vermutung auch nach dem R e c h t dieses Staates begründet sein: Ist für zwei Staatsangehörige des Staates A mit dem effektiven Bestehen einer im Staat A geführten E h e im R e c h t von A die Vermutung verbunden, daß eine formgültige Eheschließung vorausgegangen ist, so mag dies im Staat A nur dadurch widerlegt werden k ö n n e n , daß frühere Äußerungen eines der „Ehegatten" vorliegen, wonach keine Eheschließung, oder wonach nirgendwo eine f o r m gültige Eheschließung erfolgt ist. G e h t das Zusammenleben der Staatsangehörigen von A aber im Staat B vor sich, der in seinem R e c h t daraus keine Vermutung herleitet, daß eine gültige Eheschließung stattgefunden habe, und läßt der Staat B eine Eheschließung im Inland überhaupt nur als standesamtliche Eheschließung und den Beweis darüber n u r durch die standesamtliche Eintragung zu, so wäre der Z w e c k dieser Vorschrift vereitelt,wenn der Beweis des Bestehens der E h e auf die im R e c h t A bekannte Vermutung gestützt werden k ö n n t e 3 3 . Möglicherweise ist jedoch ein Unterschied zu machen, o b das Bestehen der E h e bewiesen werden soll, um in einem Streit zwischen den angeblichen Ehegatten Unterhalts- oder Scheidungsansprüche zu rechtfertigen, oder o b das Bestehen der E h e bewiesen werden m u ß , um in einem Erbstreit die Legitimität der aus der Verbindung hervorgegangenen Kinder zu begründen. 4. Vereinbarte
Form
D i e Bestimmungen des Geschäftsstatuts über die Möglichkeit, gültig zustandegekommene Rechtsgeschäfte durch neue Geschäfte derselben Parteien ändern zu k ö n n e n (oder das Fehlen einer solchen Möglichkeit), sind durchweg zwingendes R e c h t . M a n c h e R e c h t e lassen indes vertragliche Abmachungen zu, durch welche die Änderung bestehender V e r träge durch neue Verträge erschwert wird, sofern die Vertragsparteien weiterhin nur überhaupt zur Änderung der Rechtslage befugt bleiben. D e r W e r t solcher A b m a c h u n g e n über eine Erschwerung der Änderung der durch Vertrag geschaffenen Rechtslage ist aber gering, wenn die A b m a c h u n g ihrerseits wieder durch eine neue A b m a c h u n g aufgehoben werden kann. Praktischen Sinn hat am ehesten noch eine gesetzliche Regelung, w o n a c h das E r f o r dernis der Schriftlichkeit für Änderungen eines bestehenden Vertrages selbst schriftlich vereinbart werden m u ß , und nur durch einen neuen schriftlichen Vertrag wieder aufgehoben werden kann. Eine solche Regelung ist allein dem Geschäftsstatut zu entnehmen und ist, wenn sie sich dort findet, nicht durch Berufung auf die alternative Anwendbarkeit der lex loci actus auszuschalten. D i e Vereinbarung, daß irgendwelche künftigen Verträge zwischen den Teilnehmern an der Vereinbarung nur in schriftlicher F o r m gültig sein sollen, wenn sie nach dem G e s e t z auch anderswie geschlossen werden könnten, ist wohl nach den meisten R e c h t e n ungültig. W e n n sich in einem R e c h t ein Satz findet, der derartiges zuläßt, so ist das betreffende R e c h t nur in seiner Eigenschaft als Geschäftsstatut oder als „ V e r h a n d l u n g s s t a t u t " 3 3 3 zur Gestellung des Satzes befugt. Andererseits können die Parteien w o h l überall, wenn sie auch eine einseitige r ü c k w i r kende Auflösung des neu geschlossenen Vertrages innerhalb einer vorgesehenen B e d e n k zeit vereinbaren k ö n n e n , auch mündlich vereinbaren, daß der mündlich geschlossene V e r trag erst durch schriftliche Wiederholung endgültig bindend werden soll, und daß die Mitwirkung an dem schriftlichen Geschäft jeder Partei frei steht. Es ist aber auch möglich, daß der mündliche Vertrag sofort „gesetzeskräftig" sein soll, und daß nur eine N e b e n v e r pflichtung besteht, den Vertragsinhalt auf Verlangen einer Partei in einer bestimmten Frist schriftlich niederzulegen; für die ausdrückliche Vereinbarung einer solchen N e b e n v e r pflichtung k ö n n t e das Gesetz allerdings auch schon wieder eine qualifizierte F o r m erfordern. O b bei zweideutigen Abmachungen das erstere oder das letztere gewollt ist, dafür 558
Willensmängel
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kann es nun wieder gesetzliche Vermutungen geben. Das Gesetz kann indes sogar für bestimmte Verträge eine unabdingbare gesetzliche Nebenverpflichtung zur Niederlegung des Vertragsinhaltes in qualifizierter Form vorsehen, die, wenn sie nicht schon mit der Geschäftserrichtung vollzogen wird, nachträglich zu vollziehen ist. Alle derartigen Regelungen sind jedenfalls allein dem Geschäftsstatut zu entnehmen, auch wenn vorgesehen ist, daß Formbestimmungen alternativ aus dem Geschäftsstatut oder der lex loci actus zu entnehmen sind: Für einen Kaufvertrag betreffend spanische Grundstücke, für den das spanische Recht Geschäftsstatut ist, kann im spanischen internationalen Privatrecht die Nebenverpflichtung der Parteien aus einem mündlich geschlossenen und bindenden Vertrag, später noch die öffentliche Beurkundung des Vertrages durchzuführen, nicht mit dem Hinweis darauf beseitigt werden, daß der Kaufvertrag außerhalb Spaniens geschlossen sei, und das Recht des Errichtungsortes keine solche Verpflichtung zu nachträglicher öffentlicher Beurkundung vorsehe. c) Der Anwendungsbereich von Vorschriften über den Einfluß des psychischen Zustandes der Geschäftserrichter auf die Geschäftsgültigkeit Um welche Vorschriften es sich hier handelt, wird aus einem Hinweis auf die extremen Möglichkeiten der Gestaltung des Privatrechts deutlich: Ein Recht kann die volle Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts, welches für die Geschäftserrichter Verhaltens- oder Leistungspflichten begründet, davon abhängig machen, daß von den Errichtern nicht nur nach außen eine dahingehende Willenserklärung abgegeben wurde, sondern daß bei ihnen auch die in gesunder Geistesverfassung und einem Minimum von Wissen über entscheidungsrelevante Tatsachen und Rechtsnormen gebildete innere Absicht besteht, das gebotene Verhalten während der Geltungsdauer des begründeten Rechtsverhältnisses zu verwirklichen; auch der innere Vorbehalt, etwa bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses, oder gar nach Belieben, anders zu handeln als versprochen, vernichtet dann die Rechtserheblichkeit der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung, selbstverständlich immer vorausgesetzt, daß ein solcher innerer Vorbehalt bewiesen werden kann. Auf diesem Standpunkt steht bekanntlich das kanonische Eherecht der katholischen Kirche bezüglich des Ehewillens, soweit es sich um die Hauptwirkungen der Ehe handelt. Das andere Extrem einer möglichen Regelung besteht darin, daß derjenige, der persönlich eine Erklärung für ein pflichtbegründendes Geschäft abgibt, an diese Erklärung auch dann gebunden ist, wenn er sie in einem psychischen Zustand abgegeben hat, wo eine freie und überlegte Willensbildung vor der Abgabe der Erklärung erweisbar nicht vorlag, wenn aber der „Erklärungsgegner" dies nicht erkennen konnte: Der Anschein des Vorhandenseins freier vernünftiger geistiger Verfassung einer natürlichen Person in dem Zeitpunkt, zu dem sie eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt, schafft nach Auffassung mancher Rechte für sie gleichsam ein Risiko, gegenüber der auf Schein vertrauenden Partei durch die zu einem Rechtsgeschäft objektiv ausreichenden Willenerklärungen rechtlich gebunden zu werden, ähnlich wie ja auch allein mit der physischen Fähigkeit zur Verursachung eines Schadens anderer trotz Fehlens der zum Vorsatz oder zur Fahrlässigkeit erforderlichen Geistesverfassung in manchen Rechten das Risiko einer Billigkeitshaftung verbunden sein kann. Die meisten Privatrechte gehen irgendwelche Mittelwege zwischen diesen beiden extremen Möglichkeiten. Die im Zustand eines dauernden oder vorübergehenden (hier z. B. durch Rauschmittel verursachten) Fehlens des normalen Bewußtseins über ihre Bedeutung abgegebenen Erklärungen sind etwa auch gegenüber demjenigen, der dies nicht erkennen konnte, rechtlich wirkungslos oder anfechtbar; der geheime Vorbehalt, Hauptverpflichtungen aus einem Vertrag nicht zu erfüllen, ist hingegen für die Gültigkeit des Versprechens unbeachtlich; von den Beeinträchtigungen der freien und überlegten Abgabe 559
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Willensmängel
von Willenserklärungen durch Zwang, Unkenntnis in bezug auf entscheidungsrelevante Dinge, fremdverursachte oder sonstige Irrtümer sind in den meisten Rechten manche unbeachtlich, andere erfordern die Anfechtung innerhalb bestimmter Frist, andere machen die Erklärung auch ohne Anfechtung gänzlich nichtig; unter Umständen sind derartige Willensmängel bei der Errichtung eines Rechtsgeschäfts durch spätere Erklärungen oder späteres Verhalten heilbar. Ist für ein pflichtbegründendes Geschäft ein nationales Recht auf Grund objektiver Verknüpfungen das anwendungswillige gesetzliche Geschäftsstatut, so ist schon der enge Zusammenhang der eben genannten Bestimmungen mit denjenigen, die sich darüber auslassen, welche Erklärungen und in welcher Konstellation sie die Geschäftserrichtung darstellen, Grund genug, damit auch diese Bestimmungen für alle Geschäftserrichter dem Geschäftsstatut entnommen werden. Dabei mag eine Vergleichung der Bestimmungen eines ausländischen Geschäftsstatuts mit der lex fori allerdings nicht selten Unterschiede erkennen lassen, die im Forumstaat als ungewöhnlich kraß empfunden werden, und die den Richter im Forumstaat zur Nichtanwendung solcher Bestimmungen im ausländischen Geschäftsstatut veranlassen, sobald eine ausreichende Binnenbeziehung zum Forumstaat gegeben ist; ausreichende Binnenbeziehung ist gerade hier häufig Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz der Person, die die mangelhafte Erklärung abgegeben hat, im Forumstaat. Ein weiterer wichtiger Grund, der für die Anwendbarkeit des als Geschäftsstatut in Frage kommenden Rechts, wenn auch eventuell korrigiert durch die ordre public-Klausel des Forumstaates, spricht, ist der, daß beim zweiseitigen Geschäft beide Parteien gerade in bezug auf die Relevanz von Irrtum, Bewußtseinsstörungen usw. bei. der Geschäftserrichtung gleichbehandelt werden müssen. Aus diesem Grunde ist es zu vermeiden, die genannten Fragen numach dem Personalstatut des Erklärenden zu beurteilen 34 . Gewisse Komplikationen bereitet die Frage, inwieweit ein für das pflichtbegründende Rechtsgeschäft von den Errichtern gewähltes Geschäftsstatut auch mit seinen Bestimmungen über Willensmängel maßgebend werden kann. Geht das Rechtswahlgeschäft der Errichtung des materiellrechtlichen Geschäfts voraus, oder ist es damit verbunden, so wird das Recht, um dessen Anwendbarkeit wegen Rechtswahl es geht, wohl stets seine Bestimmungen über die Folgen von Volltrunkenheit, Zwang usw., wie sie für materiellrechtliche Geschäfte gelten, auch auf das Rechtswahlgeschäft zur Anwendung bringen. Dabei muß auch eine Lösung für die Frage gefunden werden, ob fremdverursachter oder sonstiger Irrtum über den Inhalt des gewählten Rechts die Gültigkeit der Rechtswahl beeinflußt. Zugleich hängt bei einer Rechtswahl, wie früher dargelegt 3 5 , die Anerkennung der vom Standpunkt des gewählten Rechts her vollkommenen Rechtswahl in anderen Staaten davon ab, ob die implizierte Abwahl des gesetzlichen Geschäftsstatuts vom Standpunkt des Staates, der das gesetzliche Geschäftsstatut stellt, oder vom Standpunkt des dritten Forumstaates her in Ordnung ist; dann kommt es natürlich auch auf die Vorschriften dieser Rechte über Willensmängel an 3 6 . Soll die Anwendbarkeit eines materiellen Rechts als Geschäftsstatut unter Ausschaltung des gesetzlichen Geschäftsstatuts darauf gestützt sein, daß die Geschäftserrichter ihren Glauben an die Maßgeblichkeit dieses Rechts übereinstimmend zum Ausdruck gebracht haben, ohne ein Rechtswahlgeschäft im eigentlichen Sinne zu errichten, so wird, wie früher schon angedeutet 3 7 , ihr Irrtum über das, was gesetzliches Geschäftsstatut ist, im allgemeinen unbeachtlich sein. Hingegen könnte eine bewußte Täuschung der einen Partei durch die andere ihr „Glaubensbekenntnis" betr. das anwendbare Recht möglicherweise als fragwürdig erscheinen lassen; mangels übereinstimmenden Glaubens an das anwendbare Recht müßte dann der Richter des Forumstaates an Hand seiner Zuweisungsnorm das gesetzliche Geschäftsstatut ermitteln. Zur Bildung von Spezialrecht über die hier behandelten Gegenstände haben weder das 560
Geschäftsunfähigkeiten
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Geschäftsstatut noch andere verknüpfte Staaten einen plausiblen Grund. Bildet ein einzelner Staat für bestimmte Arten heterogen verknüpfter Geschäfte Spezialrecht (also z. B. Kaufrecht für „internationale" Käufe), so wird er meist die hier behandelten Regelungen seines Inlandsrechts entweder im Spezialrecht wiederholen, oder jedenfalls nicht durch abweichendes Spezialrecht ersetzen. Enthält ein in einem Staatsvertrag niedergelegtes uniformes Spezialrecht seinerseits keine Bestimmungen über Willensmängel u. ä., so muß, wenn diese Frage aufgeworfen wird, immer noch danach gefragt werden, welches nationale Recht als Geschäftsstatut diese Bestimmungen liefert. d) Anwendungsbereich von Rechtssätzen, welche persönliche Dauereigenschaften der Geschäftserrichter zur Gültigkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts machen In allen Privatrechten finden sich nun, entweder für sämtliche oder für bestimmte Geschäftsarten, die verschiedensten Vorschriften des Inhalts, daß insbesondere diejenigen Geschäftserrichter, für welche das Geschäft Pflichten begründen soll, gewisse persönliche Eigenschaften haben müssen, oder gewisse Eigenschaften nicht haben dürfen, damit das Geschäft als gültig behandelt werden kann. Es muß sich also beispielsweise bei den Errichtern bestimmter Geschäfte um Kaufleute handeln, oder einer der Errichter muß zur Ausübung des Berufs, in dessen Rahmen er ein Geschäft errichten will, behördlich zugelassen sein; oder es wird verlangt, daß einer der Geschäftserrichter nicht eine ausländische Staatsangehörigkeit hat. Vor allem finden sich überall Bestimmungen, wonach die Geschäftserrichter ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben müssen, nicht dauernd geisteskrank sein, nicht entmündigt sein dürfen usw. Nicht selten ist für eine bestimmte Geschäftsart eine bestimmte Konstellation von persönlichen Eigenschaften der Teilnehmer am Rechtsgeschäft erforderlich; die meisten Ehehindernisse beruhen auf derartigen Bestimmungen. Angesichts dessen, daß die meisten Privatrechte mangels gegenteiliger Bestimmungen jeden Inhalt pflichtbegründender Verträge zulassen, ist es für sie gesetzestechnisch unvermeidlich zu bestimmen, welche Eigenschaften die Teilnahme an irgendwelchen Verträgen (bzw. die Teilnahme an irgendwelchen Verträgen, soweit sie Pflichten für den Teilnehmenden begründen) ausschließen; hier spricht man von dem Fehlen der „allgemeinen" Geschäftsfähigkeit 38 . Daneben gibt es dann besondere Bestimmungen, die für bestimmte Geschäftsarten zusätzliche Eigenschaften derjenigen erfordern, bei denen die „allgemeine Geschäftsfähigkeit" gegeben ist, oder die solche, die nicht die allgemeine Geschäftsfähigkeit besitzen, falls sie im Besitz bestimmter Eigenschaften sind, bei einzelnen Geschäftsarten (oder in einer bestimmten Rolle) zulassen; schließlich gibt es Gesetze, die für bestimmte Vertragsarten überhaupt eine abschließende Sonderregelung vorsehen. Ihrem Zweck nach zerfallen die hier behandelten Bestimmungen in zwei Gruppen. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Schematisierungen solcher Regelungen, welche eine bestimmte Geistesverfassung der Geschäftserrichter bei der Geschäftserrichtung zum Gültigkeitserfordernis machen: Der Nichtvolljährige soll generell so behandelt werden wie derjenige Volljährige, der Willenserklärungen „unbewußt" oder unter Drogeneinwirkung abgibt. Daher kann auch der Satz über die Geschäftsunfähigkeit desjenigen, der zwar volljährig, aber dauernd geisteskrank ist, unter Umständen nur in einer Vermutung bestehen, die durch den Beweis widerlegt werden kann, daß er bei der Geschäftserrichtung in einem lichten Moment gehandelt hat. Umgekehrt kann ein Recht den Schutz des Vertrauens des Geschäftspartners auf den Anschein der normalen Geistesverfassung des anderen erweitern auf den Schein des Nichtbestehens einer in Wirklichkeit vorhandenen Geisteskrankheit, eventuell auch auf den Schein der Volljährigkeit. Das Fehlen einer zur vollen Geschäftsfähigkeit erforderlichen persönlichen Eigenschaft, bzw. das Bestehen einer die volle Geschäftsfähigkeit hindernden Eigenschaft, kann entweder jederzeit geltend gemacht 561
§20
Allgemeine Geschäftsfähigkeit
werden und die endgültige Nichtigkeit der abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung zur Folge haben, oder es kann bestimmt sein, daß dies nur bei fristgemäßer Anfechtung bzw. Unterlassung der Bestätigung des Geschäfts (z. B. nach Erreichung der vollen Geschäftsfähigkeit) der Fall ist 3 9 . Mängel der Geschäftsfähigkeit im Zeitpunkt der Geschäftserrichtung können durch spätere Erklärungen und Ereignisse heilbar sein; andererseits kann eine gesonderte gerichtliche Feststellung der durch Geschäftsunfähigkeit verursachten Ungültigkeit des Geschäfts (Nichtigerklärung der Ehe) notwendig werden. Auch über den Besitz der zur Teilnahme am Abschluß bestimmter einzelner Arten von Verträgen erforderlichen Einsicht bildet das Recht nicht selten Schematisierungen, indem solche Verträge nur von Personen mit einer bestimmten Berufsausbildung oder -erfahrung gültig geschlossen werden können (so etwa Börsentermingeschäfte), oder — was im intergentilen Recht mancher Kolonien vorkommt — solchen Personen unzugänglich sind, die einer außerhalb der Zivilisation lebenden Menschengruppe angehören. Eine zweite Gruppe von Bestimmungen über die Notwendigkeit bestimmter persönlicher Eigenschaften eines der Geschäftserrichter oder aller für die Gültigkeit des Geschäfts hat nichts mit der vermuteten Einsichtsfähigkeit (bzw. ihres Fehlens) zu tun, sondern dient dazu, das Zustandekommen bestimmter Geschäfte überhaupt zu hemmen. Hierzu gehören insbesondere die Bestimmungen, welche die nach Ermessen zu versagende Zulassung zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes zur Voraussetzung für die Gültigkeit der im Rahmen der Berufsausübung geschlossenen Verträge machen; hierzu gehören die Bestimmungen, welche Ausländern die Teilnahme an bestimmten Geschäften mit Inländern oder über Gegenstände im Inland unmöglich machen wollen; hierzu gehört eine Vorschrift, welche die volle Gültigkeit einer Ehe nicht nur von dem Mindestalter der Beteiligten und der Verschiedenheit des Geschlechts, sondern auch von einer bestimmten Altersdifferenz abhängig machen wollen; aber selbst ein einfaches Alterserfordernis für die Ehe kann nach der Absicht des Gesetzgebers darauf beruhen, daß man die Zahl der Ehen, und damit die Bevölkerungsvermehrung, hemmen will. Unter Umständen kann ein Rechtssatz sowohl zu der ersten, als auch zu der zweiten Gruppe zu rechnen sein: Eine Unfähigkeit der Nichtkaufleute zu Differenzgeschäften soll nicht nur Personen, bei denen das Fehlen vertiefter Einsicht in wirtschaftliche Vorgänge vermutet wird, vor der unüberlegten Bindung aus solchen Verträgen schützen, sondern soll überhaupt im Interesse der Volkswirtschaft die Zahl solcher Geschäfte niedrig halten. 1. Der Anwendungsbereich
von Bestimmungen
über die allgemeine
Geschäftsfähigkeit
Ist es das Geschäftsstatut, welches den Sollaussagen der am Rechtsgeschäft Beteiligten „Gesetzeskraft" verleiht, und dies davon abhängig macht, daß die Geschäftserrichter ihre Erklärungen in einem Geisteszustand freier und vernünftiger Einsicht im Sinne dieses Geschäftsstatuts abgegeben haben, so scheint offenbar zunächst einmal das Geschäftsstatut für pflichtbegründende Geschäfte auch zur Gestellung der Rechtssätze der ersten Gruppe berufen. Entscheidet das Geschäftsstatut über die rechtspolitische Frage, ob der „Schutz" des Volljährigen, der unter selbstverursachtem Drogeneinfluß eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben hat, wichtiger ist als der „Schutz" des Vertrauens des Vertragspartners auf den Anschein normaler Geistesverfassung bei dem andern, so scheint das Geschäftsstatut auch berufen, um Bestimmungen zu treffen, ob die „Geschäftsunfähigkeit" eines Geisteskranken ausnahmslos zur Ungültigkeit seines Geschäfts führt, oder ob der Beweis zulässig ist, daß der Geisteskranke in einem lichten Moment gehandelt hat, und ob das Vertrauen des Vertragspartners in den Anschein voller geistiger Gesundheit dessen, der nicht in einer Anstalt untergebracht ist, geschützt werden soll. Ähnlich wie bei den Formbestimmungen kann dann auch bei den Schematisierungen der Bestimmungen über die zur Geschäftserrichtung notwendige Einsicht in Gestalt von 562
Allgemeine Geschäftsfähigkeit
§20
„Geschäftsfähigkeits"vorschriften die Frage gestellt werden, ob der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts nicht unter Umständen andere Rechte mit ihren Bestimmungen heranziehen sollte. Würde z. B. der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts die Förderung der Annahme der Gültigkeit von Rechtsgeschäften als rechtspolitisches Ziel in den Vordergrund stellen, so könnte dieser Gesetzgeber bestimmen, daß alternativ neben seinen eigenen Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit auch die Bestimmungen des Personalstatuts über die Geschäftsfähigkeit heranzuziehen seien; das Geschäft wäre also gültig, wenn die Errichter entweder nach den Bestimmungen des Geschäftsstatuts, oder nach den Bestimmungen ihres Personalstatuts volljährig sind. Als Personalstatut käme dabei eher das Recht des Wohnsitzes als das Recht der Staatsangehörigkeit in Frage, weil ja die Menschen, die ihren Wohnsitz nicht im Heimatstaat haben, die meisten ihrer Geschäfte unter dem Geschäftsstatut des Wohnsitzlandes zu schließen pflegen. Dieser Gedankengang paßt jedoch nicht für diejenigen Fälle, wo das Geschäftsstatut wegen der Kompliziertheit der Regelung in diesem Recht (etwa für bestimmte Verträge) qualifizierte Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit der Geschäftserrichter (z. B. Kaufmannseigenschaft) stellt. Der obige Gedankengang paßt auch nicht, wenn es sich um Geschäfte handelt, die nicht in beliebiger Zahl immer wieder von derselben Person errichtet werden, wie z. B. die Ehe. Während für die Form überall zeitweise überhaupt nur die lex loci actus als das maßgebliche Formstatut betrachtet und für die Anwendbarkeit des Geschäftsstatuts kaum Verständnis bestanden hat, hat sich bezüglich der Geschäftsfähigkeit das Personalstatut keineswegs eine entsprechende Stellung verschaffen können 40 . Die Anwendung des Geschäftsstatuts ist jedoch unzweifelhaft bei Entmündigten nicht in der Weise durchführbar, daß der Geschäftserrichter gerade durch die Behörden des Landes, welches das Geschäftsstatut stellt, nach Maßgabe der Vorschriften dieses Rechts über die Voraussetzungen einer Entmündigung entmündigt worden sein müßte. Ein Staat, der das Geschäftsstatut stellt, überläßt die Regelung der Entmündigung in aller Regel dem Heimat- oder dem Wohnsitzstaat; möglicherweise werden Entmündigungen dieser Länder alternativ im Lande des Geschäftsstatuts anerkannt 41 . Die Anwendung des Geschäftsstatuts auf die allgemeine Geschäftsfähigkeit kann sodann auch nicht dahin führen, daß bei Geschäftsfähigkeit unter einem gewählten Recht derjenige, der unter dem gesetzlichen Geschäftsstatut geschäftsunfähig wäre, als zur Abwahl dieses Rechts fähig gelten müßte. Dann aber erscheint es auch bedenklich, daß Personen, denen im Heimat- und Wohnsitzstaat die zur Errichtung homogen verknüpfter Geschäfte erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt, ein Geschäft gültig errichten können, wenn durch Auslandsverknüpfungen ein ausländisches Recht Geschäftsstatut wird41®. Ist es der Zweck des Rechtssatzes, welcher einer Person Geschäftsfähigkeit in homogen verknüpften Situationen vorenthält, sie vor den Gefahren einer Bindung durch Geschäfte, zu denen ihr die notwendige Einsicht fehlt, zu bewahren, so wäre dieser Gesetzeszweck gefährdet, wenn die betreffende Person solche Bindungen dadurch herstellen könnte, daß sie an der Begründung von solchen Verknüpfungen mitwirkt, die das Geschäft zu einem heterogen verknüpften Geschäft machen und zur Anwendbarkeit eines ausländischen Geschäftsstatuts führen. Entsprechend dem früher Ausgeführten 42 wäre es naheliegend, daß alle Staaten, die so in einseitiger Weise eigene Staatsangehörige oder Angehörige der eigenen Wohnbevölkerung den Bestimmungen unterstellen, auf Grund deren sie in ihrem recht verstandenen eigenen Interesse als geschäftsunfähig gelten, und ihre trotzdem abgeschlossenen Geschäfte ungültig werden, jedenfalls bei Gegenseitigkeit auch entsprechende anwendungswillige ausländische Bestimmungen anwenden lassen würden. Der Staat, der die Geschäfte seiner geschäftsunfähigen eigenen Staatsangehörigen trotz aller Auslandsverknüpfungen nicht als gültig betrachtet, könnte also ohne weiteres die entsprechende Bestimmung eines anderen 563
§20
Allgemeine Geschäftsfähigkeit
Heimatstaates anwenden, wenn dieser Gegenseitigkeit gewährt. Ein Staat, der seine minderjährigen Staatsangehörigen bei auslandsverknüpften Geschäften „schützt", könnte vielleicht sogar entsprechende anwendungswillige Bestimmungen eines ausländischen Wohnsitzstaates von Ausländern zur Anwendung bringen, wenn diese die Geschäftsunfähigkeit der Staatsangehörigen des ersten Staates respektiert. Wollten dann sowohl der Heimatstaat als auch der Wohnsitzstaat ihre Schutzbestimmungen zugunsten von Minderjährigen zur Anwendung gebracht haben, so könnten sie beide in jedem dieser Staaten berufen und angewendet werden. Diesen denkbaren Weg gehen die meisten positiven Rechte allerdings nicht. Sie bilden vielmehr bilaterale Zuweisungsnormen, indem ein einziges Anknüpfungsmoment (Staatsangehörigkeit 43 oder Wohnsitz) verwendet wird, und lassen möglicherweise auf dem Wege der Gesamtverweisung Bestimmungen eines dritten Staates anwenden, der sein Recht gar nicht angewendet haben will, ohne jedoch in dem Fall, daß weder Heimatstaat noch Wohnsitzstaat ihr Recht angewendet haben wollen, auf die Bestimmungen des Geschäftsstatuts über die Geschäftsfähigkeit zurückzugehen. Manche Staaten haben nun schon in ihrem Inlandsrecht Regelungen, wonach auch ein Geschäftsunfähiger an ein mit seiner persönlichen Zustimmung errichtetes zweiseitiges Geschäft gebunden ist, wenn der Anschein seiner vollen Geschäftsfähigkeit gegeben — vielleicht sogar vorsätzlich vorgetäuscht 433 — ist, und wenn die andere Partei bei der Geschäftserrichtung ohne Verletzung von Sorgfaltspflichten darauf vertraut. Auch von dieser Bestimmung glauben manche, daß sie ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut unbedingt auch in gewissen heterogen verknüpften Situationen angewendet werden müsse, wenn nicht ihr Zweck für den homogen verknüpften Bereich gefährdet werden sollte. Sie sollte dann also bei Geschäftserrichtung im Inland zugunsten des auf den Anschein der — objektiv nicht vorhandenen — Geschäftsfähigkeit (bzw. der dafür erforderlichen Eigenschaften) eines Inländers vertrauenden Geschäftspartners gelten, aber auch bei Geschäftserrichtung im Inland zugunsten des Inländers, der deshalb auf die Geschäftsfähigkeit eines Ausländers vertraut, weil er ihn für einen Inländer hält 44 . Der eben angedeutete Gedanke ist in einigen nationalen Kollisionsrechten wieder dahin verzerrt worden, daß die Anwendung des Inlandsrechts betreffend die Geschäftsfähigkeit der an einer Geschäftserrichtung im Inland beteiligten Person gar nicht auf die Sätze über den Schutz des Vertrauens in den Schein der Geschäftsfähigkeit beschränkt wird, sondern daß neben einem einseitigen Satz über die unbedingte Beachtung der nach Inlandsrecht fehlenden Geschäftsfähigkeit eines Inländers, oder vorrangig vor einem bilateralen Satz über die Beachtung der nach dem anwendbaren Personalstatut gegebenen Geschäftsfähigkeit von Inländern oder Ausländern, eine einseitige Zuweisungsnorm die Anwendung der lex loci actus auf die Geschäftsfähigkeit von Ausländern bei Geschäftsabschluß im Inland vorschreibt, wenn damit die Geschäftsgültigkeit bejaht werden kann 45 . In der Lehre besteht ziemliche Ubereinstimmung, daß diese unparitätische und gegenüber Ausländern diskriminierende Regelung de lege ferenda zu verwerfen ist. Wollte man zwecks paritätischer Behandlung von inländischem und ausländischem Recht bzw. von Inländern und Ausländern auch diese einseitige Zuweisungsnorm zu einer bilateralen Kollisionsnorm erweitern und gleichzeitig an der bilateralen Zuweisung der Geschäftsfähigkeit an das Personalstatut festhalten, so käme man zu einer Lösung, wonach die Geschäftsfähigkeit alternativ nach dem anwendungswilligen Personalstatut oder dem Recht des Ortes der Geschäftserrichtung zu beurteilen sei, je nach dem, was der Gültigkeit des Geschäfts günstiger ist. Zu einer solchen Lösung werden sich aber viele Staaten deshalb nicht verstehen, weil auf diese Weise derjenige Inländer, der nach inländischem Recht geschäftsunfähig ist, nur überredet zu werden braucht, das Geschäft im Ausland zu errichten, damit der Schutz durch das Heimatrecht hinfällig wird. 564
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Entmündigung
Das Ergebnis der Gestaltung der positiven Rechte in den meisten Ländern ist infolgedessen, daß es zu widersprüchlicher Beurteilung der Gültigkeit des Rechtsgeschäftes kommt, wenn eine von ihrem Personalstatut als geschäftsunfähig betrachtete Person an einer Geschäftserrichtung in einem Land beteiligt ist, nach dessen Recht sie als geschäftsfähig gilt. Ein drittes Land kann sich dann entweder dem Standpunkt des Personalstatuts oder dem Standpunkt des Errichtungslandes anschließen, es sei denn, daß das dritte Land die Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit aus dem Geschäftsstatut entnehmen will. Der Staat, der mit seinem Recht darüber bestimmen will, ob die Gültigkeit eines pflichtbegründenden Geschäfts daran scheitert, daß einer der Geschäftserrichter diejenigen Eigenschaften nicht hat, aus welchen die zur Geschäftserrichtung notwendige Geistesverfassung gefolgert werden kann, bzw. daß er eine Eigenschaft aufweist, aus der das Fehlen der Einsicht in die Geschäftserrichtung zu schließen ist, kann möglicherweise die Beachtlichkeit des Fehlens der allgemeinen Geschäftsfähigkeit entweder erst dann, oder auch dann, annehmen wollen, wenn ein Staatsakt der „Entmündigung" ergangen ist; dabei kann dem zuständigen Organ auch wieder ein gewisses Ermessen verschafft werden. Beansprucht dann etwa der Heimatstaat einer Person die Anwendbarkeit seines Rechts über ihre Entmündigung, so ist es eine andere Sache, ob er dazu nur eigene Organe, oder auch Organe eines anderen Staates (etwa des Wohnsitzlandes) für zuständig hält, wobei unterstellt wird, daß diese anderen Organe in der Sache das Heimatrecht zur Anwendung bringen. Der Heimatstaat könnte aber auch alternativ die Entmündigung durch seine Organe (oder eventuell auch die des Wohnsitzstaates) nach Maßgabe des Heimatrechts, und zugleich eine Entmündigung durch die Organe des Wohnsitzstaates nach Maßgabe des Wohnsitzrechts über die Voraussetzungen einer Entmündigung anerkennen; in bezug auf das letzte könnte möglicherweise Gegenseitigkeit Voraussetzung sein. Dann kann sich ein dritter Staat seinerseits so verhalten wie der Heimatstaat. Will ein Staat Entmündigung zwar nur gemäß seinem Recht, aber unter konkurrierender Zuständigkeit eigener Behörden und der eines anderen Staates zulassen, so kann er auch eine entsprechende konkurrierende Zuständigkeit für die Aufhebung der Entmündigung vorsehen. Der Vorgang der Volljährigkeitserklärung ist der Entmündigung insofern nicht zu vergleichen, als bei der Volljährigkeitserklärung wohl stets ein mehr oder weniger breites Ermessen des entscheidenden Organs besteht; hier wird daher der Staat, der sein eigenes Recht über die Volljährigkeitserklärung als anwendbar betrachtet, meist auch die ausschließliche Zuständigkeit seiner Behörden für den Staatsakt in Anspruch nehmen. Beansprucht weder der Heimat-, noch der Wohnsitzstaat einer natürlichen Person durch Sonderanknüpfung der Frage nach der Geschäftsfähigkeit die Anwendung seines Rechts, auf Grund dessen die Geschäftsfähigkeit und die Gültigkeit der errichteten Geschäfte zu verneinen wäre, so ist die Gültigkeit des Geschäfts immer noch zu verneinen, wenn die allgemeine Geschäftsfähigkeit unter dem Geschäftsstatut nicht gegeben ist. Ungültigkeit des Geschäfts auf Grund des Geschäftsstatuts ist auch anzunehmen, wenn das Geschäftsstatut mit Rücksicht auf die Eigenart des Geschäfts und die Art seiner Regelung unter diesem Recht zur persönlichen Teilnahme an der Errichtung eine besondere Einsicht in die Tragweite des Geschäfts erfordert, und diese in schematischer Weise von einer gewissen Ausbildung, eventuell auch von einem bestimmten höheren Lebensalter, abhängig macht, selbst wenn das Heimat- oder Wohnsitzrecht entsprechende Anforderungen nicht stellt, sondern die allgemeine Geschäftsfähigkeit genügen läßt. 2. Andere persönliche Eigenschaften tigkeit von pflichtbegründenden
als Volljährigkeit Geschäften
usw. als Voraussetzung
der Gül-
Bestimmungen über Gültigkeitsvoraussetzungen eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts in Gestalt von persönlichen Eigenschaften der Geschäftserrichter, deren Zweck es 565
§20
Spezielle Geschäftsunfähigkeiten
nicht ist, daß Bindungen aus derartigen Geschäften nur bei sachgerechter Einsicht der daran beteiligten Personen entstehen, sondern deren Zweck es ist, entweder die Zahl bestimmter Geschäfte in einem Land niedrig zu halten, oder aus Gründen der Wirtschaftspolitik oder der Außenprivatrechtspolitik bestimmte Personengruppen am Erwerb von Rechten oder Pflichten aus bestimmten Geschäften zu hindern, werden bei Beachtung dieser Zwecke kaum jemals deshalb angewendet werden wollen, weil dasselbe Recht als das Recht der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen, oder als ausdrücklich gewähltes Recht das Geschäftsstatut stellt. Bei den hier behandelten Bestimmungen handelt es sich vielfach um Spezialrecht. Es sind fremdenrechtliche Bestimmungen, bei denen die Auslandsverknüpfung in der ausländischen Staatsangehörigkeit eines der Geschäftserrichter (oder in dem Fehlen der inländischen Staatsangehörigkeit) besteht, und wo die erforderliche Inlandsverknüpfung je nach dem Zweck der Vorschrift entweder in der inländischen Staatsangehörigkeit der anderen Partei, oder in dem inländischen Erfüllungsort, eventuell auch in dem inländischen Errichtungsort des Geschäfts besteht. In einer solchen fremdenrechtlichen Bestimmung wird etwa Ausländern die Eheschließung mit Inländern, oder nur ausländischen Männern die Eheschließung mit inländischen Frauen, oder ausländischen Männern die Eheschließung mit inländischen Frauen unter einem bestimmten Alter „verboten", d. h. die trotzdem geschlossene Ehe im Heimatstaat des inländischen Partners nicht als vollgültig behandelt. Oder es wird der Kaufvertrag über den Erwerb eines inländischen Grundstücks durch einen Ausländer, oder der Werkvertrag über die Errichtung eines Werkes im Inland durch einen Ausländer, für ungültig erklärt 46 . Wird im Inlandsrecht eines Staates für die Teilnahme an bestimmten Verträgen in einer bestimmten Rolle die Ausbildung zu einem Beruf erfordert, und als Sanktion dem von einer danach „geschäftsunfähigen" Person eingegangenen Vertrag die volle Gültigkeit verweigert 47 , so soll damit nicht immer diese Person vor den Risiken des Vertrages geschützt werden; der Gesetzgeber möchte es vielmehr gar nicht darauf ankommen lassen, daß die andere Partei wegen mangelhafter Erfüllung des Vertrages durch die zur ordentlichen Erfüllung unfähigen Partei Schadensersatzansprüche erhebt usw., und will den als „geschäftsunfähig" Erklärten abschrecken, sich an derartigen Verträgen in der von ihm nicht ausübbaren Rolle zu beteiligen, indem er die Vertragsgültigkeit vor allem in der Weise hemmt, daß die unzulässigerweise beteiligte Partei keinesfalls ihrerseits Ansprüche aus dem Vertrag stellen kann. An der Erstreckung einer solchen zunächst für homogen verknüpfte Situationen getroffenen Regelung auf heterogen verknüpfte Situationen ist der Urheberstaat vor allem dann interessiert, wenn die Erfüllung der Vertragspflichten der als ungeeignet geltenden Partei im Inland vor sich zu gehen hätte, oder wenn diese Partei sich im Inland um den Abschluß derartiger Geschäfte bewirbt. In dem einseitig vom Urheberstaat des Rechtssatzes bestimmten Anwendungsbereich werden die die Gültigkeit des Geschäfts begründenden Rechtssätze auch dann angewendet, wenn ein anderes Recht das gesetzliche oder das gewählte Geschäftsstatut ist. Ob andere Forumstaaten den vom Urheberstaat einseitig sonderangeknüpften Rechtssatz ebenfalls zur Anwendung bringen lassen, dafür gelten die früheren Ausführungen. Besonders schwierige Fragen entstehen, wenn ein Staat die Ausübung einer bestimmten geschäftlichen Tätigkeit, für welche die Beteiligung an bestimmten Verträgen charakteristisch ist, nicht (oder nicht nur) von dem objektiven Vorhandensein einer persönlichen Eigenschaft, sondern von einer nach freiem Ermessen zu verweigernden behördlichen Genehmigung (Zulassung zu der Geschäftstätigkeit) abhängig macht 48 , und wenn dieser Staat Verträge, an denen eine nicht zugelassene Person beteiligt ist, deshalb nicht als vollgültig behandeln will. Der Anwendungsbereich des Rechtssatzes über die Genehmigungspflichtigkeit wird dann vom Urheberstaat sicher nicht davon abhängig gemacht 566
Spezielle Geschäftsunfähigkeiten
§20
werden, daß sein Recht Geschäftsstatut für die von der betreffenden Person abzuschließenden Verträge sein würde. Es wird aber auch nicht darauf ankommen sollen, daß die Vertragsabschlüsse im Inland vor sich gehen sollen; vielmehr wird zumeist darauf abgestellt, daß derjenige, der die genehmigungsbedürftige Tätigkeit ausüben will, seinen ständigen Geschäftssitz im Inland hat. Verträge, die an diesem Geschäftssitz, oder unter Angabe dieses Geschäftssitzes, abgeschlossen werden, ohne daß die Genehmigung zur Berufsausübung vorliegt, werden dann als ungültig behandelt 49 . Oder es wird etwa bestimmt, daß ein Makler zur Geschäftsausübung vom Lagestaat zugelassen sein muß, insoweit er seine Maklertätigkeit bezüglich des Verkaufs inländischer Grundstücke ausübt 5 0 . Bei einer Vermittlung beim Abschluß von Arbeitsverträgen kann möglicherweise sowohl der Staat des Ortes, wo die Beschäftigung vor sich gehen soll, als auch der Staat des Wohnsitzes der anzuwerbenden Arbeitskräfte, also auch der Staat, wo der Vermittler seinen ständigen Geschäftssitz hat, die Ausübung dieser Vermittlungstätigkeit genehmigungspflichtig, und die Gültigkeit der über die Vermittlung abgeschlossenen Verträge von dem Bestehen einer Genehmigung abhängig machen 5 1 . Allerdings ist der zu erfassende Wirkungsbereich der in einem Staat genehmigungspflichtigen Tätigkeit in heterogen verknüpften Fällen mangels einer ausdrücklichen Angabe im Gesetz oft nicht leicht zu bestimmen. Würde bei Rechtsberatung in heterogen verknüpften Sachen bezüglich der Genehmigungspflichtigkeit und der Gültigkeit der Verträge darauf abgestellt, wo sich das letztlich zur Entscheidung der Sache, in der eine Partei beraten wird, zuständige Gericht befindet, und würde es darauf ankommen, ob der Berater auch zur Vertretung vor Gerichten dieses Landes als Anwalt zugelassen ist 5 2 , so könnte eine Beratung in Sachen, in denen die Gerichte mehrerer Staaten konkurrierend zuständig sind, entweder nur durch solche Anwälte erfolgen, die in allen diesen Ländern zugelassen sind, oder jedenfalls nur durch eine Gemeinschaft von Anwälten, von denen der eine in diesem, der andere in jenem Staat zugelassen ist. Dies wäre aber ebenso unzweckmäßig, wie wenn bestimmt würde, daß eine Zulassung zur Rechtsberatung nur für die Beratung in homogen verknüpften Sachen erforderlich sei. Dasjenige Land, welches eine Genehmigung zur Ausübung einer mit dem Abschluß von Verträgen verbundenen gewerblichen Tätigkeit erfordert, kann jedenfalls selbst auch bei ausländischem Geschäftsstatut Regelungen über die Gültigkeit solcher Verträge treffen, die von Personen abgeschlossen worden sind, deren Tätigkeit genehmigungspflichtig gemacht worden ist; darüber hinaus kann auch eine Verleitung zum Vertragsschluß durch eine nicht zu der fraglichen Tätigkeit zugelassene Partei als eine zu Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung bewertet werden. Dafür, ob dritte Staaten die nicht vom Staat des Geschäftsstatuts getroffenen Hemmungen der Gültigkeit der Verträge einer zu einer geschäftlichen Betätigung nicht zugelassenen Partei beachten sollten, ist es sicher nicht entscheidend, daß der Staat, der diese „Geschäftsunfähigkeit" vorsieht, zufällig der Heimatstaat der betreffenden Person ist; der Heimatstaat wird als solcher im allgemeinen keine exterritorial wirksamen Berufsverbote mit negativen Nachwirkungen auf die Gültigkeit von Verträgen erlassen und kann jedenfalls nicht mit ihrer Anwendung durch andere Staaten rechnen. Dient die Bestimmung über die Genehmigung einer inlandsverknüpften beruflichen Tätigkeit dazu, die jeweils andere Vertragspartei vor dem Kontrahieren mit fachlich zur Erfüllung ihrer Pflichten ungeeigneten Personen zu „schützen", so werden auch dritte Forumstaaten die damit verbundenen Bestimmungen über die Ungültigkeit von Verträgen bei sich zur Anwendung bringen lassen, ohne Rücksicht darauf, ob dies auch der Staat tut, der das Geschäftsstatut stellt. Dies gilt für solche ausländischen Gesetze, die die Genehmigung zur Berufsausübung von einer Prüfung der Fachkenntnisse abhängig machen, aber jedem, der diese Kenntnisse nachweist, auch einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung verschaffen. Dient 567
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Geschäftserrichtung durch gesetzliche Vertreter
hingegen das Gesetz, welches bei bestimmten Inlandsverknüpfungen die Genehmigung zur Berufsausübung erfordert, nur dazu, daß nach dem Ermessen des zuständigen Staatsorgans wenige Personen Privilegien zum Abschluß gewisser Arten von Verträgen erhalten, so dürften andere Staaten im allgemeinen derartige Privilegien zu Vertragsabschlüssen — im Gegensatz zu den Monopolrechten auf den Besitz von Sachen und zur Verwertung von Immaterialgütern — in ihrer Rechtsordnung ignorieren, wenn bei ihnen die Frage nach der Gültigkeit von Verträgen auftaucht, die eine nicht privilegierte Person in heterogen verknüpften Situationen abgeschlossen hat 5 3 . Anders mag es auch hier sein, wenn Gegenseitigkeit besteht: In einem Staat, welcher selbst Geschäfte mit dem Ausland grundsätzlich nur wenigen dafür ausdrücklich zugelassenen Unternehmungen erlaubt, wird man auch die Verträge einer Person im Ausland, die entgegen einem entsprechenden ausländischen Außenhandelsmonopol zu kontrahieren versucht hat, jedenfalls bei erwarteter Gegenseitigkeit als ungültig betrachten53®. Ist ein Geschäft in jeder Hinsicht nur mit einem einzigen Staat verknüpft, welcher ein Monopol zum Abschluß derartiger Verträge geschaffen hat, und ist das Geschäft von einer nicht zugelassenen Person abgeschlossen worden, so sollte in einem anderen Forumstaat, in welchem etwa im Gerichtsstand des Vermögens geklagt wird, die gültigkeitshindernde Vorschrift des anderen Staates nicht ohne weiteres mit der negativen ordre public-Klausel ausgeschaltet werden. e) Bestimmungen über die Errichtung pflichtbegründender geschäftsunfähige Personen durch gesetzliche Vertreter
Geschäfte
für
Bestimmt ein Privatrecht, daß der Besitz bzw. das Fehlen bestimmter persönlicher Eigenschaften bei einem Geschäftserrichter zur Folge hat, daß das Geschäft nicht gültig ist, so kann es dabei sein Bewenden haben. So kann etwa, wenn Minderjährigen oder Geisteskranken die Fähigkeit zur Teilnahme an der Geschäftserrichtung fehlt, eine Beteiligung solcher Personen an einem nur durch Rechtsgeschäft zu schaffenden Rechtsverhältnis dieser Art unmöglich sein. Das ist in der Tat in sämtlichen Privatrechten jedenfalls für einige Arten pflichtbegründender Geschäfte selbstverständlich: Wo die Alterserfordernisse für die Ehe fehlen, oder einer der Ehewilligen geisteskrank ist, kann die Ehe selbst mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht durch einen gesetzlichen Vertreter geschlossen werden. In manchen Rechten kann aber generell während der Dauer der Geschäftsunfähigkeit 5 4 keine rechtliche Verpflichtung zu einem Verhalten oder einer Leistung, und keine Haftung des Vermögens des Geschäftsunfähigen durch Rechtsgeschäft begründet werden. Durchbrechungen dieser Grundregel kommen vor, wenn ein Nichtvolljähriger oder ein Entmündigter im Einzelfall die notwendige Einsicht für die Errichtung des Geschäfts nach der Uberzeugung des Gerichts hat, und dieses seine Genehmigung erteilt 55 . Andere Rechte verstehen die allgemeine Geschäftsfähigkeit jedoch nicht in dem Sinne, daß sie generell eine vor Erreichung des Volljährigkeitsalters nicht behebbare Unmöglichkeit der Beteiligung des Geschäftsunfähigen an rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen zur Folge hätte, soweit sie für den Geschäftsunfähigen Verpflichtungen und Haftungen nach sich ziehen. Vielmehr kann hier ein „gesetzlicher Vertreter" die Bindung des Geschäftsunfähigen durch Rechtsgeschäft bewirken, und zwar möglicherweise auch dann, wenn der Geschäftsunfähige zum Ausdruck bringt, daß er die Bindung nicht wünscht 5 6 . Die Vertretungsmacht eines solchen gesetzlichen Vertreters ist häufig immer noch insofern beschränkt, als er für gewisse Geschäfte die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts benötigt, und vor allem insofern, als ihm die Vertretungsmacht bei Mißbrauch entzogen werden kann. Gewisse Geschäfte können auch dann nur von einem Geschäftsfähigen selbst oder mit seiner Einwilligung errichtet werden, insbes. solche des Familienrechts. 568
Die Bestellung von gesetzlichen Vertretern
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Auch die Frage, ob eine Behebung der Unfähigkeit zur Teilnahme an einem durch Geschäft zu begründenden Rechtsverhältnis durch Einschaltung eines „gesetzlichen Vertreters" möglich ist, muß in heterogen verknüpften Fällen einem nationalen Recht zur Beantwortung zugewiesen werden. Ist Geschäftsstatut ein anderes Recht als dasjenige, welches im Forumstaat die Bestimmung stellt, auf Grund deren jemand zur eigenen Geschäftserrichtung als unfähig anzusehen ist, so sollte sowohl das Geschäftsstatut, als auch das die Geschäftsunfähigkeit verursachende Statut eine Geschäftserrichtung durch einen gesetzlichen Vertreter, oder unter Mitwirkung eines gesetzlichen Vertreters, ganz ausschließen können 5 7 . Ist eine Behebung der negativen Folgen der Geschäftsunfähigkeit durch Einschaltung eines gesetzlichen Vertreters weder durch das eine, noch durch das andere Recht ausgeschlossen, so kommen wieder die verschiedensten Rechte für die Regelung der Frage in Betracht, welche Akte und welche Personen notwendig sind, um eine Beteiligung des Geschäftsunfähigen an dem Rechtsverhältnis herbeizuführen, wie er sie hätte erstellen können, wenn er selbst tätig geworden und voll geschäftsfähig gewesen wäre. In erster Linie ist dasjenige Recht, auf Grund dessen die Geschäftsunfähigkeit anzunehmen ist, berufen, um hier eine Antwort zu geben; wie vorhin dargelegt, wird es sich dabei in den meisten Fällen um das auch von sich aus anwendungswillige Heimat- oder Wohnsitzrecht der geschäftsunfähigen Person handeln. Solche Privatrechte, welche in den Eltern keine „natürlichen Vormünder" des Kindes sehen, die als gesetzliche Vertreter des Kindes nur das Wohl des Kindes im Auge haben müssen, und welche infolgedessen den Eltern häufig auch ein Nutznießungsrecht am Kindesvermögen verschaffen, betrachten allerdings die Stellung der Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes als ein eigenes subjektives Recht der Eltern gegenüber dem Kind. Diese Rechte tendieren infolgedessen im internationalen Privatrecht dahin, auf die gesetzliche Vertreterstellung der Eltern, die zur Bindung des Kindes aus Rechtsgeschäft führen kann, dasselbe Recht als anwendbar zu betrachten, welches für die spezifischen Recht-Pflicht-Beziehungen zwischen Eltern und Kindern gilt 5 8 . In der traditionellen Sicht der Dinge wird, insbesondere auch unter dem Haager Minderjährigenschutzabkommen, die Frage gestellt, ob die gesetzliche Vertretung des Kindes bei einem pflichtbegründenden Rechtsgeschäft durch die Eltern Teil eines gesetzlichen Gewaltverhältnisses ist 5 9 , welches indes oft wieder nach dem Heimatrecht des Minderjährigen beurteilt wird. Das dürfte zu bejahen sein, gleich ob die Vertretungsmacht nur im Interesse des Kindes gebraucht werden darf oder nicht. Besteht ein Gewaltverhältnis kraft Gesetzes nicht, so fragt es sich, ob die Begründung einer gesetzlichen Vertretungsmacht durch Staatsakt als eine „Maßnahme" zum „Schutz" der Person oder des Vermögens des Kindes verstanden werden kann. Das ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Vertretungsmacht nur im Interesse des Kindes ausgeübt werden soll, auch wenn ein dem anderen Geschäftspartner nicht erkennbarer Mißbrauch nicht zur Ungültigkeit des Geschäfts führt. Es bleibt indes bedenklich, daß ein im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts bestellter Vormund bei pflichtbegründenden Geschäften eine umfangreichere Vertretungsmacht haben kann, als sie ein im Heimatstaat des Kindes bestellter Vormund haben würde. Bestellt der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, oder bestellt gar der Staat, wo Vermögen des Kindes belegen ist, bei einer erheblichen Gefahr für die Kindesinteressen einen Vormund oder Pfleger mit der Befugnis, rechtsgeschäftliche Verpflichtungen für das Kind zu begründen, obwohl Eltern oder Vormünder gemäß dem Recht des Heimatstaates vorhanden, aber für eilige Geschäfte nicht verfügbar sind, so ist die Vertretungsmacht des außerhalb des Heimatstaates bestellten Vormundes oder Pflegers nach dem Haager Abkommen territorial beschränkt, d. h. sie „braucht" in anderen Staaten nicht anerkannt zu werden 6 0 . Die Folge ist, daß aus den von dem gesetzlichen Vertreter für das Kind 569
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Gesetzliche Vertreter für Geschäftsfähige
abgeschlossenen Verträgen nur das Vermögen des Kindes in dem betreffenden Staat haftbar gemacht wird. Die wichtigste Kontrolle über die Aktivität gesetzlicher Vertreter von Geschäftsunfähigen, welche diese durch obligatorische Verträge mit Dritten binden können, besteht darin, daß der gesetzliche Vertreter zu allen oder gewissen derartigen Geschäften die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts oder eines anderen Kontrollorgans braucht, wobei dieses Organ zu prüfen hat, ob das Geschäft für das Wohl des Geschäftsunfähigen dienlich oder gar notwendig ist. Eine Verweigerung der Genehmigung dient dann sicher dem Schutze des Geschäftsunfähigen; wird sie erteilt, weil das Geschäft z. B. für die Erhaltung des Vermögens des Geschäftsunfähigen notwendig ist, so kann auch hier von einer Schutzmaßnahme gesprochen werden. Trotzdem dürfte das Haager Minderjährigenschutzabkommen diese Genehmigung nicht unter seinem Begriff der Schutzmaßnahmen bringen wollen 61 . Eine überhaupt nicht in bezug auf die Wahrung der Interessen der vertretenen geschäftsunfähigen Person kontrollierte gesetzliche Vertretungsmacht einer anderen Person, und seien es auch die Eltern, wird in einem Staat, dessen eigenes Recht Entsprechendes nicht kennt, wohl meist als eine unerträgliche krasse Abweichung empfunden werden. Auch damit kommt es dann möglicherweise zur Beschränkung der Rechtswirksamkeit eines von den Eltern namens des Kindes bewußt zu seinem Schaden und nur im Interesse der Eltern eingegangenen Geschäfts auf einen Staat oder wenige Staaten 62 . Die früher erwähnten Bestimmungen des positiven Rechts, welche eine alternative Anwendung des Personalstatuts und des Rechtes des Geschäftserrichtungsortes auf die allgemeine Geschäftsfähigkeit vorsehen, sind kaum analog auf die Frage nach der Vertretungsbefugnis eines gesetzlichen Vertreters zur Bindung des Geschäftsunfähigen durch obligatorische Verträge anwendbar. f) Bestimmungen über die Haftbarmachung von Vermögen einer geschäftsfähigen natürlichen Person durch gesetzliche Vertreter vermittels Rechtsgeschäfts Im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens eines Geschäftsfähigen durch einen Abwesenheitspfleger am bisherigen Wohnsitz des Abwesenden, oder am Lageort seines Vermögens, gilt der Abwesenheitspfleger in manchen Rechten als ermächtigt, den Abwesenden durch obligatorische Verträge, die in seinem Namen geschlossen werden, zu binden, wenn der Vertrag notwendig wird, um das Vermögen zu erhalten. Daß der Vertretene dann später in dem Staat, der den Abwesenheitspfleger bestellt hat, mit seinem jeweiligen persönlichen Vermögen haftet, ist sicher. Hingegen ist es schwer denkbar, daß jeder von mehreren Abwesenheitspflegern an verschiedenen Lageorten für den von ihm aufgenommenen Kredit das gesamte irgendwo belegene Vermögen des Abwesenden haftbar machen könnte. Daß dem nicht so ist, ist unzweifelhaft, wenn das Recht, das den Abwesenheitspfleger bestellt, selbst dessen Verfügungsbehigräs auf das in diesem Staat belegene Vermögen beschränkt. Solche Geschäfte werden dann in den meisten Fällen allein im Belegenheitsstaat des Vermögens errichtet, abgewickelt und gegebenenfalls eingeklagt; fast stets ist dann auch das Recht dieses Staates das Geschäftsstatut. Beansprucht ein Staat, gemäß seinem Recht einer geschäftsfähigen Person einen gesetzlichen Vertreter zu bestellen, der auch die Befugnis haben soll, Vermögen dieser Person außerhalb dieses Staates für die von dem Vertreter abgeschlossenen Geschäfte haftbar zu machen, wird also etwa beansprucht, daß der gemäß dem Recht am Wohnsitz des Gemeinschuldners eröffnete Konkurs auch das in anderen Staaten belegene Vermögen erfaßt, und daß der Konkursverwalter etwa zur Erhaltung des Wertes der Konkursmasse Kredite aufnehmen kann, aus denen die Konkursmasse haften soll, so wird eine solche Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Haftbarmachung eines fremden Vermögens außerhalb 570
Gewillkürte Vertretung
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des Staates, der die Befugnis gemäß seinem Recht erteilt hat, in anderen Staaten nur anerkannt werden, wenn die anderen Staaten auch eine Befugnis solcher gesetzlicher Vertreter zur Verfügung über das außerhalb des Bestellungsstaates belegene Vermögen anerkennen 6 3 . Das gleiche gilt von einem Zwangsverwalter für das Geschäft und das Geschäftsvermögen einer natürlichen Person, der bestellt wird, weil der Geschäftsinhaber in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, oder ihm der Zwangsverwalter aus politischen Gründen oktroyiert wird. Uber die einer juristischen Person durch Staatsakt oktroyierten Organe wird an anderer Stelle zu handeln sein 64 . Der Heimatstaat ist nach Völkerrecht befugt, auf sein Recht zum Schutz des Vermögens seiner Staatsangehörigen im Ausland gegen völkerrechtswidrige Behandlung durch den Lagestaat im Einzelfall zu verzichten. Aus dem Schutzrecht und der Verzichtsmöglichkeit kann aber nicht gefolgert werden, daß die Regierung des Heimatstaates seine Bürger gegen deren Willen bei der Verfügung über ihr Auslandsvermögen vertreten kann, wenn diese Vertretungsmacht nicht auch im Recht des Lagestaates eine Grundlage erhält 65 . Dann aber kann der Heimatstaat auch nicht seine geschäftsfähigen Staatsangehörigen gegen ihren Willen und ohne Grundlage im Recht anderer Staaten bei der Errichtung solcher pflichtbegründenden Geschäfte vertreten, aus denen Vermögen der Staatsangehörigen im Ausland haftbar werden soll. Der Heimatstaat kann auch weder eine Behörde, noch eine Privatperson zum gesetzlichen Vertreter geschäftsfähiger Bürger bestellen mit der Befugnis, speziell das Auslandsvermögen dieser Bürger aus Geschäften des Vertreters haftbar zu machen 66 . Rührt die Fähigkeit der natürlichen Person, ihr in einem bestimmten Staat belegenes Vermögen für rechtsgeschäftlich begründete Schulden haftbar zu machen, und rührt die Fähigkeit anderer Personen, geschäftsunfähige Vermögensinhaber bei der Errichtung solcher Geschäfte zu vertreten, letztlich von der Rechtsordnung des Lagestaates her, und besitzen weder der Heimatstaat noch der Wohnsitzstaat ein völkerrechtliches Recht zur alleinigen Bestellung gesetzlicher Vertreter für ihre Angehörigen, so wird auch deutlich, daß der Lagestaat von Vermögen nicht etwa völkerrechtlich verpflichtet ist, jede Entmündigung einer natürlichen Person durch den Heimatstaat und die Haftbarmachung des persönlichen Vermögens des Mündels durch Verträge durch den vom Heimatstaat bestellten gesetzlichen Vertreter anzuerkennen. Während eine offene Entmündigung volljähriger und geistig gesunder Personen aus politischen Gründen durch den Heimatstaat selten vorkommt, hat die Bestellung gesetzlicher Vertreter für politisch mißliebige Volljährige durch ihren Heimatstaat im allgemeinen extraterritoriale Wirkung auch nicht bezüglich der Bindung des Gesamtvermögens durch obligatorische Verträge 67 . g) Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die gewillkürte Vertretung bei der Errichtung pflichtbegründender Rechtsgeschäfte Wenn für die Vollmacht häufig gesagt wird, daß ihre Gültigkeit, ihre Wirkungen und ihre Auslegung nach dem Recht des „Wirkungslandes" zu beurteilen seien 68 , so ist das zunächst zweideutig insofern, als unter Wirkungsland entweder das Land verstanden werden kann, wo tatsächlich von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird 6 9 , oder aber das Land, wo von der Vollmacht entsprechend dem in der Vollmacht ausgedrückten Willen des Vollmachtgebers Gebrauch gemacht werden soll 70 (oder darf). Als Wirkungsland ist aber jedenfalls nicht das Land des zufälligen Geschäftserrichtungsortes anzusehen, insbesondere wenn es dabei wieder nur auf den letzten für das Zustandekommen erforderlichen Akt ankommen soll. Aber auch der Ort, wo dem Verhandlungspartner das Bestehen der Vollmacht kundgegeben worden ist, oder wo der Verhandlungspartner sich bereit erklärt hat, mit dem Bevollmächtigten zu verhandeln, ist kaum als sachgerechtes Anknüpfungsmoment zu verstehen. 571
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Vollmachtsstatut
Wirkungsland der Vollmacht, auf Grund deren ein obligatorischer Vertrag namens des Vollmachtgebers geschlossen wird, ist jedenfalls in erster Linie das Land, welches das Geschäftsstatut für den Vertrag stellt. Ist es das Geschäftsstatut, welches bestimmt, in welcher Kombination Willenserklärungen vorliegen müssen, und bestimmt das Geschäftsstatut, ob z. B. das Geschäft nur bei höchstpersönlicher Beteiligung der als Geschäftserrichter geltenden Parteien „unter Anwesenden" Zustandekommen kann, so bestimmt es auch im Prinzip darüber, ob und wie eine Einschaltung von Boten und Vertretern zu erfolgen hat 7 1 . Anstelle des endgültigen Geschäftsstatuts tritt das Verhandlungsstatut, wenn zunächst ein solches gesondertes Verhandlungsstatut anzunehmen ist. Der Staat, der das Geschäftsstatut bzw. das Verhandlungsstatut stellt, kann aber Fragen, die mit der Bestellung eines Vertreters für die Geschäftserrichtung zusammenhängen, einem anderen Recht delegieren. So kann zunächst für die Auslegung der Vollmacht ein anderes Recht maßgebend werden, wenn der Vollmachtgeber ein solches anderes Recht als Auslegungsstatut bezeichnet, und die andere Partei im Zusammenhang mit der Kenntnis von der Vollmacht auch von dieser Anordnung Kenntnis erhält. Sagt die Vollmacht ausdrücklich selbst, daß sie nur unter einem bestimmten Recht den Vollmachtgeber durch die Akte des Bevollmächtigten zur Partei an einem obligatorischen Geschäft machen will, so kann ein anderes Recht der Vollmacht keine Wirkungen entgegen dieser Anordnung beilegen 7 2 . Ferner könnten sowohl das Geschäftsstatut als auch das Wohnsitzrecht des Vollmachtgebers mit Spezialvorschriften anwendbar sein wollen, wonach der Vollmachtgeber durch die im Geschäftsstatut enthaltenen Bestimmungen über Wirkungen und Auslegung der Vollmacht dann nicht gebunden ist, wenn diese Vorschriften von den einschlägigen Vorschriften im Wohnsitzrecht des Vollmachtgebers wesentlich abweichen, und wenn er sie nicht kannte, und auch nicht mit ihrer Anwendung rechnen konnte 7 3 . Verlangt das Geschäftsstatut nicht, daß Willenserklärungen, die einer anderen Partei gegenüber zum Ausdruck gebracht werden, von dem, als dessen Erklärungen sie gelten, persönlich abgegeben werden, sondern läßt es die Einschaltung anderer zu, ohne jedoch die nähere Regelung einem anderen Recht zu delegieren, so ist dem Geschäftsstatut die Regelung von Einzelfragen zu entnehmen wie z. B. der Frage, ob der Vertreter eine volljährige Person sein muß, ob erkennbare Überschreitungen der inneren Schranken der Vollmacht dem Zustandekommen des Geschäfts entgegenstehen u. ä. Das obligatorische Verhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten, aus dem sich unter anderem ergibt, ob eine Verpflichtung zum Gebrauch der Vollmacht besteht usw., hat ein eigenes Geschäftsstatut und gegebenenfalls ein eigenes Formstatut. Die Anscheinsvollmacht wirft ähnliche Probleme auf wie das Schweigen auf ein Angeb o t 7 4 . Auch hier bestimmt zwar das Geschäftsstatut (bzw. das von ihm verschiedene Verhandlungsstatut), ob eine Anscheinsvollmacht anzunehmen ist; selbst wenn das bejaht wird, dürfte man aber wohl häufig das Bestehen eines Spezialrechtssatzes im Geschäftsstatut, oder in dem insoweit anwendungswilligen Recht des Wohnsitzlandes, anzunehmen haben, welcher dem Vertretenen ermöglicht einzuwenden, daß eine solche Anscheinsvollmacht in seinem Wohnsitzrecht nicht bekannt sei, daß die abweichende Regelung im Geschäftsstatut ihm nicht vertraut war, und er auch nicht mit ihrer Anwendbarkeit rechnen konnte. Selbständige Bestimmung ihres Anwendungsbereichs vermittels Sonderanknüpfung beanspruchen zumeist die Bestimmungen, welche sich auf den Umfang der stillschweigend durch Betrauung mit gewissen Funktionen erteilten allgemeinen Vollmachten an Angestellte eines kaufmännischen oder Transportunternehmens beziehen. Hier kann der Urheber eines solchen Rechtssatzes bestimmen, daß sich der Geschäftspartner auf die Vertretungsmacht berufen kann, wenn der Handlungsbevollmächtigte seinen ständigen Arbeitsort im Geltungsgebiet jenes Rechtssatzes hat, also z. B. dort in einer Zweigniederlassung 572
Gesetzliche Vollmachten
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oder einem offenen Laden beschäftigt ist 7 5 . Für die Anwendung der einseitig anwendungswilligen Vorschriften eines anderen Staates dürfte hier meist Gegenseitigkeit gegeben sein. Von der „Macht", das gesamte persönliche Vermögen eines anderen geschäftsfähigen Rechtssubjekts durch Rechtsgeschäft als gewillkürter oder gesetzlicher Vertreter haftbar zu machen, ist zu unterscheiden die Befugnis, die eigene Haftung aus einer rechtsgeschäftlich begründeten Verbindlichkeit zu erweitern durch eine Haftbarmachung fremden Vermögens. Hierher gehört auch die Befugnis eines Rechtssubjekts, Vermögen, von dem es nur Mitinhaber ist, neben dem eigenen Vermögen durch Geschäfte, die es allein abschließt, mithaftbar zu machen. Derartige Einrichtungen befinden sich vor allem im ehelichen Güterrecht und sind später noch gesondert zu behandeln 753 . Bei der nichtrechtsfähigen Gesellschaft ist vielfach jeder allein geschäftsführungsbefugte Gesellschafter in der Lage, das gemeinsame Geschäftsvermögen durch Verträge namens der Gesellschaft haftbar zu machen, und darüber hinaus eine subsidiäre Mithaftung des persönlichen Vermögens der anderen Gesellschafter für Gesellschaftsschulden zu begründen. Der Umfang dieser Vertretungsmacht ist nach dem Recht am Geschäftssitz der Gesellschaft zu beurteilen. Die kraft Gesetzes vermutete Vollmacht von Angehörigen der Kleinfamilie, im Rahmen der Tätigkeit für den Haushalt und der Lebensbedürfnisse vor allem beide Ehegatten durch Verträge mit Dritten zu verpflichten, sollte nach dem Recht am gewöhnlichen Sitz der Familie, jedoch alternativ (zu Gunsten des Bestehens der Vertretungsmacht) nach dem Recht des Ortes zu beurteilen sein, wo das handelnde Familienmitglied unter Offenlegung dieser Eigenschaft persönlich mit Dritten kontrahiert. Die Anwendung des Geschäftsstatuts auf die Vollmacht zum Handeln für geschäftsfähige andere Personen kommt damit im wesentlichen nur bei den ausdrücklich für bestimmte einzelne Geschäfte erteilten besonderen Vollmachten in Frage. Ob die im guten Glauben mit dem vollmachtlosen angeblichen Vertreter verhandelnde Partei diesen selbst auf Vertragserfüllung oder auf Ersatz des Vertrauensschadens in Anspruch nehmen kann, richtet sich nach dem Verhandlungsstatut, wenn ein solches gewählt wurde; mangels eines solchen Verhandlungsstatus ist maßgebend das Recht, zu dem die gewichtigsten Verknüpfungen im Verhältnis zwischen dem vollmachtlosen Vertreter und der anderen Partei bestehen; dieses Recht ist nicht notwendig identisch mit dem Statut des ausgehandelten Vertrages, der für den angeblich Vertretenen nicht bindend wird 7 5 a . h) Hemmungen der gültigen Errichtung pflichtbegründender Rechtsgeschäfte mit Rücksicht auf andere bereits bestehende Rechtsverhältnisse Verbote, an der Begründung bestimmter neuer pflichtbegründender Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft mitzuwirken, sind u. U. Hauptinhalt von Verträgen, so wenn etwa ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sich gegen eine Geldleistung verpflichtet, nicht bei einem Konkurrenten des ursprünglichen Arbeitgebers zu arbeiten. Gleichlautende Verbote sind häufig besonders vereinbarte Nebenpflichten aus einem Vertragsverhältnis. Jedem obligatorischen Vertrag impliziert ist die Verpflichtung der Parteien, nicht durch neue Rechtsgeschäfte mit Dritten rechtliche Bindungen zu begründen, deren Erfüllung oder Erzwingung mit Staatshilfe die Verwirklichung des alten Rechtsverhältnisses stören könnte: Der Verkäufer, der die Sache noch nicht übereignet und übergeben hat, darf selbst nicht anderweitig verkaufen, denn der neue Käufer könnte ja, selbst wenn ihm die Sache nicht übereignet wird, sie sich möglicherweise im Prozeß schneller verschaffen als der alte Käufer. Das Verbot der Mitwirkung an dem neuen pflichtbegründenden Geschäft kann in diesen Fällen im allgemeinen durch die Zustimmung desjenigen, der auf der Erfüllung des Verbotes bestehen könnte, außer Kraft gesetzt werden. Es kann auch ausdrücklich durch Gesetz von vornherein bestimmt werden, daß z. B. ungeachtet des Güterstandes (evtl. auch nur bei einer bestimmten Art von Güterstän573
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Rechtsgeschäftliche Verbote der Geschäftserrichtung
den) ein Ehegatte zur Eingehung von Bürgschaftsverpflichtungen der Zustimmung des anderen bedarf, auch wenn er aus der Bürgschaft nur mit seinem persönlichen Sondervermögen (also nicht mit etwaigem Gesamtgut) haften würde. Vielfach ist die Unzulässigkeit des Versuchs, sich durch neue Verträge zu binden, eine Verpflichtung des zwingenden Rechts für diejenigen, die bereits an einem bestimmten rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnis beteiligt sind: Die Ehegatten an einer Einehe dürfen eine gültige weitere Ehe auch dann nicht abschließen, wenn sich der Ehegatte aus der bestehenden Ehe damit einverstanden erklärt; dem Arbeitgeber ist die Gewährung von Kredit für den Verkauf von Gegenständen des täglichen Bedarfs an den Arbeitnehmer vielfach ebenso „verboten", wie dem Arbeitnehmer die Beteiligung an einem solchen Geschäft. Auf der anderen Seite kann das Nichtbestehen einer Beteiligung einer Partei an einem durch Rechtsgeschäft begründeten anderweitigen Rechtsverhältnis von dem Gesetzgeber, der das Geschäftsstatut für ein neues Rechtsverhältnis stellt, zur Voraussetzung der vollen Gültigkeit des neuen Geschäfts gemacht werden, wie z. B. das Nichtbestehen einer Vorehe bei der Eingehung einer neuen Ehe. Desgleichen kann das Statut für das neue Rechtsverhältnis seinerseits dessen gültiges Zustandekommen davon abhängig machen, daß jemand zustimmt, der zwar aus dem neuen Rechtsverhältnis weder Rechte noch Pflichten erhält, der aber mit den Parteien an dem neuen Rechtsverhältnis durch ein anderes Geschäft oder ein gesetzliches Rechtsverhältnis verbunden ist. So kann vorgesehen werden, daß auch bei Volljährigkeit der Eheschließenden die Zustimmung der Eltern zur vollen Gültigkeit der Ehe notwendig ist 7 6 ; es kann bestimmt werden, daß bei einer Adoption durch jemand, der bereits natürliche oder angenommene Kinder hat, diese ihre Zustimmung geben müssen. Insoweit ein in einem rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnis enthaltenes Verbot, an der Begründung eines bestimmten neuen Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft mitzuwirken, nur einen einklagbaren Unterlassungsanspruch, oder als Sanktion seiner Verletzung nur Schadensersatzpflichten oder das Recht zur einseitigen Auflösung des „alten" Rechtsverhältnisses vorsieht, ist es nicht zweifelhaft, daß der diesbezügliche Rechtssatz dem Geschäftsstatut für das alte Rechtsverhältnis, und nur diesem, zu entnehmen ist. Insoweit das Geschäftsstatut für das neue Rechtsverhältnis die volle Gültigkeit des Begründungsgeschäfts allein von dem Nichtbestehen des präjudiziellen Rechtsverhältnisses oder der Zustimmung einer Partei an diesem Rechtsverhältnis abhängig macht und dabei nicht erfordert, daß das Statut für dieses präjudizielle Rechtsverhältnis seinerseits ein Verbot der Mitwirkung an einem Versuch zur Begründung des neuen Rechtsverhältnisses enthält, ist es umgekehrt ebenfalls sicher, daß der Rechtssatz, aus dem sich Gültigkeitsmängel des neuen Rechtsgeschäfts und Regelungen ihrer Folgen im einzelnen ergeben, in dem Geschäftsstatut für das neue Rechtsverhältnis gesucht werden muß. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß das Statut für das neue obligatorische Rechtsgeschäft von sich aus ein in dem bereits bestehenden Rechtsverhältnis verankertes Verbot der Mitwirkung an der Errichtung des neuen Rechtsgeschäfts selbst wieder zu einem selbständigen Grund für die Ungültigkeit des neuen Geschäfts macht. So kann das neue Rechtsgeschäft im Verhältnis zwischen den daran Beteiligten auf Grund einer Generalklausel in dem Geschäftsstatut für das neue Rechtsgeschäft ungültig sein, wenn nämlich beide Parteien in Kenntnis des für die eine Partei aus dem alten Rechtsverhältnis geltenden Verbots handeln, und diese Handlungsweise als sittenwidrig gilt 7 6 3 . Die so begründete Ungültigkeit des neuen Geschäfts durch sein eigenes Geschäftsstatut ist durchweg auch nicht davon abhängig, daß in dem Staat, der das Statut für das präjudizielle Rechtsverhältnis stellt, eine entsprechende Bestimmung vorhanden ist, oder eine vorhandene Bestimmung die gleiche Auslegung erfährt. Sehen sowohl dasjenige Recht, welches das Geschäftsstatut für das alte Rechtsverhältnis stellt, als auch das Geschäftsstatut für das neue pflichtbegründende Rechtsge574
Rechtsgeschäftliche Verbote der Geschäftserrichtung
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schäft übereinstimmend vor, daß mit Rücksicht auf das Bestehen des früheren Rechtsverhältnisses, oder wegen des Fehlens der Zustimmung eines der an dem früheren Rechtsverhältnis Beteiligten, das neue Geschäft nicht gültig werden kann, so entstehen kaum Schwierigkeiten. Wenn dasjenige Recht, welches die Wirkungen einer bereits bestehenden Ehe regelt, eine verbotene zweite Ehe eines Ehegatten für absolut nichtig betrachtet, während das Statut für die zweite Ehe eine Nichtigerklärung durch Gerichtsentscheidung fordert, so wird die letzte Lösung wohl in einem dritten Staat als maßgeblich betrachtet werden. Wirklich problematisch wird es, wenn das Statut für das neue Rechtsgeschäft dessen volle Gültigkeit bejahen will, während das Statut für das alte Geschäft an sein Verbot der Beteiligung an der Errichtung des neuen Geschäfts die Sanktion der Ungültigkeit dieses neuen Geschäfts anknüpfen möchte. Literatur und Rechtsprechung haben dabei ihre Aufmerksamkeit dem besonderen Fall zugewendet, daß das Statut für das alte Geschäft generell die Gültigkeit der von einem daran Beteiligten allein mit Dritten geschlossenen vermögensrechtlichen Geschäfte verneint, wenn nicht die Zustimmung oder Genehmigung der anderen Partei aus dem alten Rechtsverhältnis dazukommt. Ist das Ehewirkungsstatut, welches derartiges zu Lasten der Ehefrau vorsieht, zugleich dasjenige Recht, welches im Forumstaat durch Sonderanknüpfung für die Frage nach der allgemeinen Geschäftsfähigkeit berufen ist, und wird die Vorschrift über die Geschäftsunfähigkeit der Ehefrau als eine ihrem „Schutz" dienende und aus dem vermuteten Fehlen der Geschäftsgewandtheit verheirateter Frauen zu erklärende Regelung der Geschäftsfähigkeit qualifiziert 77 , so ist die Vorschrift im Forumstaat anwendbar 78 , auch wenn das Geschäftsstatut einen solchen Satz selbst gar nicht kennt und die Anwendbarkeit jener Regel des Ehewirkungsstatuts auch in ihrer Eigenschaft als Regelung der allgemeinen Geschäftsfähigkeit nicht gelten lassen will. Mit dieser Argumentation läßt es sich aber nicht begründen, daß, wenn demjenigen, der an einem rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnis beteiligt ist, durch das Wirkungsstatut für dieses Rechtsverhältnis die Beteiligung an einem gleichartigen neuen Rechtsgeschäft verboten wird, damit auch das verbotswidrig errichtete neue Geschäft ungültig werden soll: Der Anspruch des Heimatrechts der Ehefrau, als kumulativ berufenes Ehewirkungsstatut dem Mann, dessen eigenes Heimatrecht ihm die gültige Eingehung weiterer Ehen ermöglicht, die Eingehung einer solchen weiteren Ehe nicht nur zu verbieten und als Ehewidrigkeit zu bewerten, sondern die Ungültigkeit der neuen Ehe zu bewirken, kann unmöglich damit begründet werden, daß die Bindung an die erste Ehe für die Dauer dieser Ehe die „Eheunfähigkeit" außer in der bestehenden Ehe zur Folge habe. Die Notwendigkeit der Zustimmung des anderen Ehegatten zur Eingehung von Bürgschaftsverpflichtungen durch eine verheiratete Person kann nicht damit begründet werden, daß jeder der Ehegatten durch die Ehe beschränkt geschäftsfähig in bezug auf Bürgschaftsverpflichtungen gemacht werde, aber dennoch zur Erteilung der Zustimmung für die von dem anderen Ehegatten übernommene Bürgschaft fähig sei. Verständlicherweise ist man häufig geneigt, Zuflucht bei der negativen ordre public Klausel des Forumstaates zu suchen: Die Regelung in dem Statut für das neue Rechtsgeschäft, welche ein Gültigkeitshemmnis nicht annimmt, wird als krasse Abweichung von der lex fori betrachtet und ausgeschaltet. Erforderlich ist hierzu allerdings eine Binnenbeziehung; eine ausreichende Binnenbeziehung liegt aber wohl z. B. nicht vor, wenn die Frau aus der ersten Ehe die Staatsangehörigkeit des Forumstaates besitzt, und der ausländische Ehemann, dessen Personalstatut ihm die Eingehung weiterer Ehen ermöglicht, in seinem Heimatstaat eine dort ansässige Angehörige dieses Staates heiratet; das ist allein kein Grund, um diese Ehe in dem Wirkungsland der ersten Ehe als zwischen den an der zweiten Ehe unmittelbar Beteiligten nichtig zu erklären, oder Unterhaltsansprüche abzuweisen. Daß der die Gültigkeit des neuen Rechtsgeschäfts hindernde Satz im Recht des Staates, 575
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Rechtsgeschäftliche Verbote der Geschäftserrichtung
der das Statut für das frühere Rechtsverhältnis und das Verbot der Mitwirkung an der Errichtung des neuen Geschäfts ausspricht, angewendet werden muß, obwohl das neue Geschäftsstatut einen entsprechenden Satz nicht hat, läßt sich nur damit begründen, daß die Ungültigkeit des neuen Geschäfts eine für die Verwirklichung des alten Rechtsverhältnisses unentbehrliche Ergänzung darstellt79. Damit kann zunächst einmal die Anwendung des Satzes über die Ungültigkeit des neuen Geschäfts in dem Staat begründet werden, der das Geschäftsstatut für das alte Geschäft stellt, wenn auch die andere Partei an dem neuen Rechtsgeschäft das an ihren Partner gerichtete Verbot der Beteiligung an dem neuen Geschäft kennt und sie mit dem Staat, der dieses Verbot ausspricht, irgendwie enger verknüpft ist. Auf diese Weise kann ihr die Beteiligung an einer versuchten Gesetzesumgehung selbst zum Vorwurf gemacht werden, wenn für das neue Geschäft ausdrücklich ein Geschäftsstatut gewählt worden ist, welches die Gültigkeit selbst nicht an dem Verbot in dem alten Geschäftsstatut scheitern läßt. So wird das vom Geschäftsstatut des Arbeitsvertrages herrührende Verbot der Lieferung von Waren gegen Kredit80 im Verhältnis zwischen den Parteien am Arbeitsvertrag nicht dadurch umgangen werden können, daß der Arbeitgeber die Waren von einem Lager in einem fremden Staat aus, und unter Vereinbarung des Rechtes dieses Staates als Geschäftsstatut verkauft, und in dem Lagestaat eine entsprechende gesetzliche Bestimmung nicht bekannt ist. Auch wenn der Forumstaat F Mehrehen, die unter homogen verknüpften Verhältnissen gemäß dem Recht des Landes A zustandegekommen sind, bei späteren Verknüpfungen mit dem Staat F als gültig behandeln würde, so wird er doch bei Inlandswohnsitz eines eigenen Staatsangehörigen und erster Ehe dieser Person mit einem Staatsangehörigen von F keine Unterhaltsansprüche aus einer im Inland konsularisch geschlossenen Zweitehe durchsetzen, wenn den Beteiligten an der zweiten Ehe bekannt war, daß das Wirkungsstatut F der ersten Ehe ein „Verbot" der Zweitehe enthielt81. Schwieriger ist es, das Verlangen des Urhebers des Statuts für das alte Rechtsverhältnis zu beachten, der mit eigenen Bestimmungen auf die Gültigkeit des verbotenerweise errichteten Rechtsgeschäfts einwirken will, wenn der Streit in einem dritten Forumstaat anhängig gemacht wird, und das Geschäftsstatut für das neue Rechtsverhältnis nicht bereit ist, dieses mit Rücksicht auf das alte Rechtsverhältnis als in seiner Gültigkeit gehemmt anzusehen. Hier liegt es wohl nahe, daß jeder Staat, der in seiner Eigenschaft als Statutsstaat für das alte Rechtsverhältnis auf der Anwendung solcher eigenen Bestimmungen bestehen würde, den entsprechenden Standpunkt des alten Geschäftsstatuts dem Standpunkt des neuen Geschäftsstatuts vorzieht. Schließlich aber ist auch an eine Gegenseitigkeitsbeziehung zwischen den Rechtsordnungen zu denken, von denen die eine das Geschäftsstatut für das alte, die andere das Geschäftsstatut für das neue Rechtsverhältnis stellt: Jeder der beiden Staaten kann z. B. bestimmen, daß — Gegenseitigkeit vorausgesetzt — Sätze im Ehewirkungsstatut oder im Güterrechtsstatut, welche das an einen Ehegatten gerichtete Verbot, gewisse Geschäfte, auch wenn sie nur ihn verpflichten und sein persönliches Sondervermögen haftbar machen, allein ohne Zustimmung des anderen Ehegatten abzuschließen, mit der Sanktion der Ungültigkeit des Geschäfts versehen wollen, auch dann Anwendung zu finden haben, wenn der andere Staat das Geschäftsstatut stellt und keine gleichartige Regelung, vielleicht aber andere Verbote mit der Sanktion der Ungültigkeit des verbotenen Geschäfts, kennt 82 . Selbst wenn ein Staat grundsätzlich bereit ist, die Verpflichtungsgeschäfte eines Ehegatten mangels Zustimmung des anderen entweder gemäß dem ausländischen Statut für die persönlichen Ehewirkungen, oder gemäß dem ausländischen Güterrechtsstatut, ohne Rücksicht auf das im Forumstaat maßgebliche Geschäftsstatut als ungültig zu behandeln, weil er unterstellt, daß die anderen Staaten ebenso verfahren, kann der betreffende Staat dennoch erfordern, daß der andere Geschäftspartner das Bestehen der Ehe und den Inhalt 576
Ausnahmen von der persönlichen Haftung
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der Bestimmungen des ausländischen Eherechts kennt bzw. kennen muß; er kann Vorkehrungen treffen, damit die Anwendbarkeit ausländischen Rechts in öffentlichen Registern des Wohnsitzlandes der Eheleute erkennbar wird 83 . i) Bestimmungen über die Befreiung von Vermögensteilen aus persönlicher Haftung und über die Vertretung bei der rechtsgeschäftlichen Haftbarmachung einzelner Vermögensmassen Durch das vermögensrechtliche Pflichten begründende Rechtsgeschäft, für welches Rechtsschutz in möglichst vielen Staaten erstrebt wird, soll durchweg das eigene („persönliche") Vermögen eines Rechtssubjekts, welches das Geschäft unter dem Geschäftsstatut zu Leistungen bzw. zu Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet, in allen diesen Staaten haftbar gemacht werden. Das wird es, insoweit im Belegenheitsstaat von Vermögensgegenständen das Geschäft nach Maßgabe des Geschäftsstatuts — und gegebenenfalls nach Maßgabe anderer gesondert berufener Rechte — für gültig gehalten wird. Welche von den Geschäftserrichtern (bzw. welche der von den Geschäftserrichtern vertretenen Rechtssubjekte) aus dem Rechtsgeschäft für den im Geschäft als gesollt bezeichneten Erfolg mit ihrem Vermögen haften, und welche von den Geschäftserrichtern, bzw. welche dritten Personen Anspruch auf Verwirklichung der Haftung aus dem Geschäft erhalten sollen, das bestimmt das Geschäft selbst, bzw. das ergänzende Recht des Geschäftsstatuts. Welche Vermögensgegenstände aber im Belegenheitsstaat dem mit seinem persönlichen Vermögen haftenden Rechtssubjekt gehören, und welche Vermögensgegenstände bei der Zwangsvollstreckung von dieser persönlichen Haftung erfaßt werden können, das bestimmt wieder der Belegenheitsstaat. Er bestimmt infolgedessen auch, welche der bei ihm belegenen Gegenstände bei einer Zwangsvollstreckung überhaupt nicht, bzw. mit Rücksicht auf die besonderen Umstände der Beziehung zum Schuldner, nicht erfaßt werden können; derartige Bestimmungen sind in aller Regel in den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zu finden. Der Lagestaat von Vermögensgegenständen kann aber auch von einem einzelnen Gegenstand durch sein Recht anordnen, daß einerseits jemand, der Schuldner aus Rechtsgeschäften sein kann, diesen Gegenstand besitzen und nutzen, eventuell sogar veräußern darf, daß dieser Gegenstand aber nicht zu dem Vermögen gehören soll, in das zwecks Verwirklichung der „persönlichen" Haftung des Vermögensinhabers vollstreckt werden darf; derartige Vorschriften finden sich teils als Bestimmungen über Heimstätten und Fideikommißgüter, teils als Bestimmungen über die Unpfändbarkeit „höchstpersönlichen" Eigentums. Dabei wird die Befreiung von der persönlichen Haftung durch das Recht des jeweiligen Lageortes der Sache verschafft, abgesehen vielleicht von dem Fall, daß eine zu einem Fideikommißvermögen gehörige bewegliche Sache rechtswidrig aus dem Lagestaat, wo sie Fideikommißguteigenschaft hat, enfernt wird. Durch Rechtsgeschäft kann für einzelne andere Gegenstände, wenn das Lagerecht derartige Vereinbarungen zuläßt, vereinbart werden, daß sie wegen eines Anspruchs aus einem Rechtsgeschäft der gleichen Parteien nicht zum Objekt der Zwangsvollstreckung gemacht werden sollen. Ob eine von den Parteien verabredete vorrangige Befriedigung für die Ansprüche aus einem Rechtsgeschäft einen bestimmten Vermögensgegenstand erfassen soll, ob also ein Pfandrecht für die rechtsgeschäftliche Schuld an einer Sache begründet werden soll und kann, das regelt allein der jeweilige Lagestaat der Sache, wobei bei einem Lagewechsel der Sache für die Uberleitung des im bisherigen Lagestaat begründeten Pfandrechts dasselbe gilt, wie für die Überleitung dinglicher Rechte zum Besitz und zur Nutzung einer Sache in das Sachenrecht des neuen Lagestaates84. Das Lagerecht der Sache entscheidet auch darüber, ob und wie an ihr Rechte zur Befriedigung der Schulden anderer Personen als des Eigentümers der Sache begründet werden können. Manche Rechte kennen die Möglichkeit, daß für bestimmte Geldforderungen keine 577
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Haftungsfreie Vermögensmassen
„persönliche" Haftung des ganzen Vermögens eines vermögensfähigen Privatrechtssubjekts, sondern eine reine Sachhaftung an einer bestimmten eigentumsfähigen Sache begründet werden kann; meist ist das allerdings nur in bezug auf Grundstücke möglich 8 5 . Eine solche reine Sachhaftung ist so eng mit dem Lageort der haftenden Sache verknüpft, daß die Anwendung eines anderen Rechts nicht in Frage kommt. Viele Rechte kennen die Möglichkeit, Vermögensgegenstände so in abgesonderte Vermögensgesamtheiten einzubringen, daß die Substanz des Rechts nicht mehr für persönliche Schulden irgendeines Rechtssubjekts haftbar gemacht werden kann, obwohl damit nicht die Begründung einer juristischen Person verbunden ist, und obwohl der Gegenstand von bestimmten Rechtssubjekten genutzt wird, wie wenn sie allein Rechtsinhaber wären. Ein solches Quasi-Stiftungsvermögen auf ewig oder auf Zeit findet sich sowohl bei den Wakfs des Islamrechts, als auch bei den Trust-Vermögen des englischen und des anglo-amerikanischen Rechts, und in gewissem Umfang auch bei der Vorerbschaft. Die Regelung kann dahin gehen, daß zwar die Erträge der dem Quasi-Stiftungsvermögen zugewendeten Sachen bestimmten Rechtssubjekten zu persönlichem Eigentum zufließen sollen, daß aber das Recht zur Verwaltung einschließlich des Besitzes der Sache, und damit das Recht zur Beeinflussung der Produktion von Erträgen, bei dem Inhaber dieses Rechts keinen wegen seiner persönlichen Schulden pfändbaren Gegenstand darstellt 86 . Es ist eine Sache der „juristischen Konstruktion", ob die Rechtsstellung des Verwalters als „sein" unveräußerliches Eigentum an der Sache hingestellt wird, oder ob überhaupt nur ohne Angabe eines Eigentümers geregelt wird, wer „Verwalter" des Quasi-Stiftungsvermögen ist; obwohl die Macht, die in der Verwalterstellung liegt, auch einen Vermögenswert hat, kann sie jedenfalls nicht durch Rechtsgeschäft Gegenstand einer Haftung werden. Der Haftbarmachung durch Rechtsgeschäft wird damit auch der Wert entzogen, der normalerweise darin steckt, daß derjenige, dem die Erträge einer Sache zukommen, zugleich das Recht zum Besitz und zur Verwaltung hat und alle diese Rechte auf einen anderen übertragen kann. Allerdings wird zum Teil auch wieder, so z. B. beim Trust des anglo-amerikanischen Rechts, die Möglichkeit geschaffen, daß das Trustgut als solches ausnahmsweise allein, oder neben einer persönlichen Haftung des Verwalters, durch Rechtsgeschäft haftbar gemacht werden kann, so z. B., wenn ein zur Erhaltung des Trustvermögens notwendiger Kredit aufgenommen wird. Diese Konzeption einer nicht oder nur beschränkt durch Rechtsgeschäfte für persönliche Schulden eines Privatrechtssubjekts haftbar zu machenden Vermögensmasse ist in bezug auf Grundstücke auch in heterogen verknüpften Situationen ohne Schwierigkeiten nach Maßgabe des Lagerechts des Grundstücks durchführbar. Sollen bewegliche Sachen einem solchen Sondervermögen zugehören, so stellt sich schon die Frage, ob die „Haftungsunfähigkeit" der Sache, die gemäß dem Recht des Lagestaates durch Zuweisung an das Sondervermögen geschaffen worden ist, auch bei einem Lagewechsel fortbesteht; das ist zu bejahen, wenn der neue Lagestaat gleiche, oder wenigstens ähnliche Institutionen kennt. Oft unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet hingegen der Versuch, Rechten mit mehrfacher Belegenheit in Ländern 8 7 , von denen einige die hier erwähnten Einrichtungen kennen, andere hingegen nicht, eine Stellung zu verschaffen, bei der die hier behandelten Befreiungen von Haftung aus Rechtsgeschäft 88 wirksam werden können. Die Schaffung von komplizierten Rechtspositionen der eben genannten Art wird vermieden, bzw. soll gerade vermieden werden, wenn Vermögensrechte zum eigenen Vermögen einer juristischen Person erklärt werden, und einerseits diese juristische Person sich durch ihre Organe an pflichtbegründenden Geschäften beteiligen und ihr Vermögen aus solchen Geschäften haftbar machen kann, und wenn andererseits eine Liquidation der juristischen Person möglich ist, bei welcher ihr Vermögen auf andere Privatrechtssubjekte aufgeteilt wird, so daß schon vor der Liquidation diese anderen Privatrechtssubjekte eine 578
Haftung des Vermögens juristischer Personen
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Anwartschaft auf Teile des Liquidationserlöses haben, ein Recht, mit dem vielfach auch ein Recht auf den Bezug von Nutzungen des Vermögens der juristischen Person verbunden ist. Die Anwartschaften auf Liquidationserlös und Aushändigung von Nutzungen stellen dann ihrerseits persönliches und voll haftbar zu machendes Vermögen der betreffenden Rechtssubjekte dar 8 9 . O b im „Durchgriff" für rechtsgeschäftlich begründete Schulden der juristischen Person das Vermögen desjenigen Rechtssubjekts herangezogen werden kann, welches die Organe'der juristischen Person, und damit indirekt auch das Vermögen der juristischen Person, praktisch so beherrscht, als ob es sein eigenes Vermögen wäre, das kann sowohl vom Personalstatut der juristischen Person, als auch vom Lageort des Vermögens der herrschenden Person angeordnet werden, nicht aber von dem Statut, welches das einzelne Geschäft der juristischen Person als Geschäftsstatut regelt 90 . Ist nun eine gemäß dem Recht des einen Staates bestehende juristische Person fähig, Vermögensrechte auf dem Gebiet eines anderen Staates innezuhaben, so erstreckt sich die Haftung des Vermögens der juristischen Person aus den für sie abgeschlossenen Rechtsgeschäften auch auf dieses Vermögen außerhalb des Staates, der das Personalstatut der juristischen Person stellt. Kann die juristische Person aber in einem anderen Staat überhaupt keine Vermögensrechte erwerben, weil sie dort nicht als juristische Person anerkannt wird, so kann dieser andere Staat auch nicht zu den potentiellen Schutzstaaten der durch Rechtsgeschäfte der juristischen Person geschaffenen Rechtsverhältnisse gehören; dieses Geschäft ist in der Rechtsordnung des Staates, der die juristische Person nicht anerkennt, unwirksam. Das ist wiederum für die Beurteilung des Rechtsgeschäfts in anderen Staaten nicht ohne Bedeutung: Kann das Geschäftsstatut nur aus dem Kreise derjenigen Staaten gewählt werden, zu denen eine nicht ungewichtige Verknüpfung besteht, so kann für ein Rechtsgeschäft, an dem eine im Staat A nicht anerkannte juristische Person des Rechtes B beteiligt ist, das Recht A nicht zum Geschäftsstatut gewählt werden. An welchen durch Rechtsgeschäft zu begründenden Rechtsverhältnissen eine juristische Person überhaupt Partei sein kann, dafür kommt sowohl das Geschäftsstatut, als auch das Personalstatut der juristischen Person in Frage; möglicherweise will auch ein anderes Recht, etwa das des Erfüllungsortes, eigene selbständig angeknüpfte Sätze dieser Art anwenden wollen. Daß nur das eine oder das andere „richtig" ist, läßt sich aus den allgemeinen Postulaten nicht erweisen 91 . Die Folge ist wieder, daß bei juristischen Personen noch öfter als bei natürlichen Personen ein durch Rechtsgeschäft begründetes Rechtsverhältnis in einigen Ländern keine Rechtswirkungen auslöst, so daß auch das dort belegene Vermögen der juristischen Person aus dem Geschäft nicht haftbar gemacht werden kann. k) Der Anwendungsbereich von Rechtssätzen über die inhaltliche Gültigkeit von pflichtbegründenden Rechtsgeschäften In allen Privatrechtsordnungen gilt heute die sogenannte Vertragsfreiheit zwar als Ausgangsregel, wird aber durch zahlreiche zwingende Rechtssätze durchbrochen, welche dahin gehen, daß bei Aufnahme bestimmter Inhalte in den von den Geschäftserrichtern formulierten Inhalt des pflichtbegründenden Geschäfts, oder bei Nichtaufnahme bestimmter Inhalte in das Geschäft, das ganze Geschäft, bzw. eine einzelne Klausel daraus, als ungültig zu betrachten ist. Gerade derartige Bestimmungen können sowohl dem Geschäftsstatut, als auch einem anderen mit einzelnen eigenen Bestimmungen dieser Art anwendungswilligen Recht zu entnehmen sein. Während aber das Geschäftsstatut entsprechend dem früher Gesagten meist gewählt, und damit zwingendes Recht des gesetzlichen Geschäftsstatuts über den Inhalt des Geschäfts ausgeschaltet werden kann, können die anwendungswilligen Sätze eines unabhängig vom Geschäftsstatut maßgeblichen Rechts in aller Regel nicht abgewählt werden. Daher ist die Frage, welche Sätze über die inhaltliche 579
§20
Inhaltliche Gültigkeitserfordernisse
Gültigkeit von Rechtsgeschäften nur dem Geschäftsstatut zu entnehmen, und welche derartigen Sätze selbständig anzuknüpfen sind, von größter Wichtigkeit. Hierbei dürften heute gewisse „erste" Orientierungsrichtlinien weitgehend anerkannt sein: Dem Geschäftsstatut zu entnehmen sind alle diejenigen zwingenden Sätze über den Geschäftsinhalt, mit denen der Gesetzgeber trotz Anerkennung der Vertragsfreiheit ein Minimum an Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen den Parteien an dem durch das Geschäft begründeten Rechtsverhältnis sichern will, wobei eben „Gerechtigkeit" im Sinne der Vorstellungen des betreffenden Gesetzgebers zu verstehen ist. Dem Geschäftsstatut zu entnehmen sind daher insbesondere alle Bestimmungen, welche, sei es durch eine Generalklausel, sei es in konkreter Fassung, grobe Unausgeglichenheiten der vereinbarten Leistungen beim gegenseitigen Vertrag als Ungültigkeitsgrund hinstellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Regelungen einer schon bei Geschäftserrichtung vorhandenen Unausgewogenheit der beiderseitigen Leistungen, und Regelungen, die sich auf den Fall beziehen, daß die Unausgewogenheit erst durch spätere vor der endgültigen Vertragsabwicklung eintretende Ereignisse hergestellt wird. Dem Geschäftsstatut zu entnehmen sind auch Bestimmungen, welche von bestimmten Leistungen aussagen, daß sie weder unentgeltlich, noch für eine Gegenleistung Gegenstand eines Vertrages werden können, weil bei ihnen aus Austausch von Leistung und angemessener Gegenleistung gänzlich undenkbar ist. Nicht dem Geschäftsstatut zu entnehmen sind hingegen die Vorschriften, welche ein Geschäft bestimmten Inhalts wegen seiner nachteiligen Wirkung für einen bestimmten Staat als „staatsschädlich" qualifizieren und ihm deshalb die Gültigkeit absprechen wollen. Derartige Vorschriften werden fast stets durch einseitige Sonderanknüpfung seitens des Urheberstaates berufen; ein durch Wahl der Parteien, oder durch die gewichtigste Kombination der (vielfach ja von den Parteien selbst geschaffenen) Verknüpfungen im Einzelfall ermitteltes Recht ist zur Gestellung derartiger Sätze nicht als sachgerecht verknüpft zu betrachten. Wie sich diese eben genannten Gesichtspunkte nebeneinander auswirken, zeigt sich, wenn die Frage gestellt wird, ob ein gegenseitiger Vertrag deshalb ungültig ist, weil die Handlung, zu der die eine Partei verpflichtet werden soll, nach dem Recht eines der verknüpften Staaten verboten und strafbar ist, weil sie gegen sein Staatsinteresse verstößt, während sie nach dem Recht der anderen beteiligten Staaten nicht als verboten und strafbar gilt: Besteht das Verbot schon zur Zeit der Geschäftserrichtung, und lassen die Geschäftserrichter erkennen, daß sie in Kenntnis des Verbotes eine geschäftliche Verpflichtung zu dem fraglichen Verhalten begründen wollen, so kann dies sowohl Gegenstand einer Bewertung durch das Geschäftsstatut, als auch Gegenstand einer Bewertung durch andere Rechte sein. Wenn das Geschäftsstatut 913 ausdrücklich die rechtsgeschäftliche Begründung einer privatrechtlichen Verpflichtung „zur Vornahme einer strafbaren Handlung" als unwirksam erklärt, so kann dies nicht dahin ausgelegt werden, daß damit jede Strafdrohung durch irgendeinen anderen Staat global erfaßt werde. Das Geschäftsstatut kann sich aber darüber eine Meinung bilden, wann die trotz des Verbotes noch anzunehmende „Freiheit" zur Vornahme einer Handlung, deren Vornahme Reaktionen Dritter, einschließlich des verbietenden Staates, zur Folge haben könnte, Gegenstand eines „Handels" mit anderen sein kann, und wann hier eine Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung anzunehmen ist, wenn unter diesem Privatrecht eine grobe Nichtausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung der Rechtsverbindlichkeit des Vertrages entgegensteht: Das Risiko einer Freiheitsstrafe erfordert dann sicher ebenso wie das Risiko einer Gesundheitsschädigung bei der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, daß eine höhere Gegenleistung vorgesehen wird, als wenn ein derartiges Risiko nicht besteht 9 2 . O b Ausgewogenheit von versprochener Leistung und Gegenleistung in solchen Fällen zu verneinen ist, und welche 580
Verpflichtungen zu strafbaren Handlungen
§20
Folgen das für die Erzwingbarkeit des Vertrages hat, bestimmt also das Geschäftsstatut, und damit auch das durch Wahl zum Geschäftsstatut gewordene Recht. Ist im Rahmen des Geschäftsstatuts die Ausgewogenheit der irgendwo im Ausland als strafbar erklärten Leistung und der Gegenleistung zu bejahen, so macht dies aber eine Prüfung nicht überflüssig, ob der Vertrag nicht von dem Staat als ungültig erklärt wird, der seine Strafnorm angewendet wissen will, und wann und ob dies auch wieder im Forumstaat zu berücksichtigen ist. Dieser komplizierte Gedankengang läßt sich verdeutlichen an dem Beispiel eines Vertrages, durch den sich jemand verpflichtet, gegen eine Geldleistung einem anderen bei der durch die Gesetzgebung seines Wohnsitzlandes verbotenen Auswanderung behilflich zu sein (sog. Fluchthilfeverträge); ein anderes Beispiel ist der Vertrag, durch den sich eine Partei verpflichtet, bestimmte Waren unter Verletzung eines Exportverbots des Lagestaates der Waren zu liefern. In beiden Fällen ist zunächst die Angemessenheit der Gegenleistung für die Eingehung des Risikos der Bestrafung nach den Maßstäben des Geschäftsstatuts zu messen. Meist, aber keineswegs immer 93 , wird das staatliche Recht, das selbst die Vornahme der als Erfüllung vorgesehenen Handlung verbietet und unter Strafe stellt, auch die Ungültigkeit jedes Vertrages dekretieren wollen, mit dem sich jemand zu der strafbaren Leistung verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, was das Geschäftsstatut dazu denkt. Der Anwendungsbereich einer solchen die Gültigkeit hemmenden Norm deckt sich mit dem vom Urheberstaat festgesetzten Anwendungsbereich seiner Strafnorm. Wird das Geschäft auf jeden Fall in dem strafwilligen Staat von einer Ungültigkeitsbestimmung des strafwilligen Staates erfaßt, so stellt sich sowohl in dem Staat, der das Geschäftsstatut stellt, als auch für dritte Forumstaaten die Frage, ob auch sie der Ungültigkeitsanordnung94 des strafwilligen Staates95 Beachtung schenken wollen. Hier ist nun offenbar zu unterscheiden: Verstößt der Staat, der das mit Strafdrohung versehene Verbot erlassen hat, mit diesem Erlaß und den Maßnahmen zu seiner Durchführung gegen Völkerrecht (z. B. Menschenrechte), so werden andere Staaten, die zur Geltendmachung des Völkerrechtssatzes aktivlegitimiert sind, auch die Bestimmung des völkerrechtswidrig handelnden Staates über die Ungültigkeit des Vertrages keinesfalls anwenden 96 . Das gleiche gilt, insoweit der Urheber der Strafnorm deren Anwendungsbereich völkerrechtswidrig zu weit absteckt. War der Urheber der Strafnorm gegenüber dem Forumstaat völkerrechtlich zum Erlaß der Norm verpflichtet, so wird der Forumstaat, ob er nun noch das Geschäftsstatut stellt oder nicht, auch die Ungültigmachung des Vertrages durch die anwendungswillige Privatrechtsnorm des strafwilligen Staates beachten 97 . Ein Forumstaat wird die von dem Urheberstaat der Strafnorm verfügte Ungültigkeit des auf die Vornahme der strafbaren Handlung gerichteten Vertrages auch dann mit dem strafwilligen Staat bejahen, wenn das fremde Verbot indirekt auch ein eigenes staatliches Interesse des Forumstaates, oder gar gemeinsame Interessen aller Staaten oder einer Staatengruppe, fördert. O b dies der Fall ist, ist nach Raum und Zeit durchaus verschieden zu beantworten: Sklavenhalterstaaten, von denen jeder die Mithilfe bei dem Entweichen von Sklaven unter Strafe stellte, und den auf eine solche Befreiung gerichteten Vertrag für ungültig erklärte, haben wohl auch die privatrechtliche Bestimmung eines anderen solchen Staates über die Ungültigkeit solcher Verträge zur Anwendung bringen lassen, weil sie ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Institution als solcher hatten; andere Staaten hingegen haben mit der Annahme der Gültigkeit des Vertrages indirekt einen Beitrag zur Unterdrückung der Sklaverei leisten wollen. Staaten, welche die Verbreitung von Rauschgiften auch außerhalb ihres Gebietes als mögliche Gefährdung ihrer eigenen Bürger mißbilligen und sie daher im Rahmen des völkerrechtlich Erlaubten unter Strafe stellen 98 , und den auf die strafbare Verbreitung gerichteten Vertrag für ungültig erklären, werden auch ohne Verpflichtung in einem völkerrechtlichen Vertrag sich jedenfalls insofern untereinander 581
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Verpflichtungen zu strafbaren H a n d l u n g e n
Rechtshilfe leisten, als sie auch die nur von einem anderen strafwilligen Staat verfügte Ungültigkeit eines Vertrages ebenfalls anerkennen, weil auf diese Weise letztlich auch ein eigenes Staatsinteresse gefördert wird. Die Gerichte können hier als durch eine Generalklausel ermächtigt gelten, entsprechend zu verfahren, selbst wenn der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, nicht entsprechend verfährt". Wird der zu einer nach dem Recht eines anderen Staates strafbaren Handlung verpflichtende Vertrag abweichend vom Standpunkt des strafwilligen Staates im Forumstaat als gültig betrachtet, so folgt daraus jedoch nicht, daß dort auch eine Verurteilung zur Vornahme der betreffenden Handlung ergehen würde; wohl aber kann die Gegenleistung für die versprochene und erbrachte Handlung eingeklagt, und es können Vorausleistungen bei Unterlassung der Handlung zurückgefordert werden. Sieht ein Staat weder einen Grund, die Haltung eines strafwilligen anderen Staates, der die vertragliche Verpflichtung zur Vornahme der von ihm mit Strafe bedrohten Handlung als ungültig erklärt, zu mißbilligen, noch einen Grund, sie zu fördern — wie z. B., wenn ausländische Rechtssätze einem fiskalischen Interesse des fremden Staates dienen —, so mag der betreffende Staat als Forumstaat bei Gegenseitigkeit zur Anwendung des Satzes über die Ungültigkeit des zur strafbaren Handlung verpflichtenden Rechtsgeschäfts bereit sein; Gegenseitigkeit wird zu vermuten sein, wenn beide Staaten sich auch bei der Handhabung ihres Strafrechts Rechtshilfe leisten 100 . Selbst wenn nun eine bereits bei Geschäftserrichtung geltende Strafdrohung gegenüber dem als Erfüllung vorgesehenen Verhalten nicht vorliegt, und infolgedessen das Geschäft zunächst sicher gültig ist, kann eine später, aber vor der Vertragserfüllung eintretende Strafbarkeit, wie sie von irgendeinem anwendungswilligen Strafrecht vorgesehen ist, als nachträgliche Unmöglichkeit bzw. ihr gleichzustellende Unzumutbarkeit der Erfüllung unter dem Geschäftsstatut beachtlich werden. Erforderlich ist allerdings, daß wirklich eine konkrete Gefahr der Bestrafung der erfüllenden Vertragspartei besteht. Das Geschäftsstatut bestimmt dann auch darüber, ob die nachträgliche Unzumutbarkeit vom Schuldner „zu vertreten" ist, d. h. ob sie für ihn eine Schadensersatzpflicht nach sich zieht. Das ist z. B. dann zu bejahen, wenn die Strafbarkeit der Erfüllungshandlung erst nach Eintritt des Schuldnerverzugs vom Gesetzgeber verfügt worden ist, oder wenn der Schuldner selbst den Gesetzgeber zum Erlaß des Verbotes der Erfüllungshandlung mit Strafandrohung „angestiftet" hat. Der Staat, der eine Handlung unter Androhung von Strafen seines Rechts verbietet, wird, wie oben ausgeführt 101 , zumeist auch seine, die volle Gültigkeit des zur Vornahme der Handlung verpflichtenden Vertrages hemmenden, Rechtssätze durch seine eigenen Zivilgerichte zur Anwendung bringen lassen. Kann eine Handlung möglicherweise im Ausland, jedenfalls aber nicht im Forumstaat gemäß dessen Strafrecht bestraft werden, verstößt sie jedoch gegen ein gesetzliches Verhaltensverbot, das in diesem Staat durch die Zivilgerichte angewendet wird, indem sie Unterlassungen oder Schadensersatzansprüchen nach Maßgabe des Kollisionsrechts über Ansprüche aus unerlaubter Handlung 102 stattgeben, so wäre die interne Harmonie in der Rechtsordnung dieses Forumstaates gefährdet, wenn ein zur Begehung solcher unerlaubten Handlungen verpflichtender Vertrag als vollgültig betrachtet würde. Auch ein Vertrag, der zur Begehung einer Handlung verpflichten will, welche sich als Verletzung eines im Forumstaat geschützten Monopolrechts darstellt, kann in diesem Staat nicht als gültig behandelt werden, selbst wenn der Vertrag im Lande des Geschäftsstatuts deshalb als gültig behandelt werden kann, weil dort dem Monopolrecht aus irgendeinem Grunde kein Schutz gewährt wird. Es bleiben die Fälle, in denen kein Recht die als Erfüllung eines obligatorischen Vertrages vorgesehene Handlung als strafbar erklärt, in denen kein Recht sie als privatrechtlich unerlaubte Handlung betrachtet, in denen aber das eine oder andere staatliche 582
Sonderanknüpfung von inhaltlichen Gültigkeitserfordernissen
§ 20
Recht in der Abwicklung des Vertrages mit Rücksicht auf seinen Inhalt einen sozialschädlichen Vorgang sieht und deshalb die volle Rechtsverbindlichkeit verweigern will. Hierunter fällt etwa die Behinderung der Gültigkeit von Verträgen zwischen Produzenten, welche eine Erhöhung der Preise für lebensnotwendige Waren zur Folge haben, auch wenn diese nicht durch Kartellgesetze mit Strafbestimmungen erfaßt werden; hierunter fällt die Hemmung der Rechtsgültigkeit von Spielverträgen; hierunter fällt vor allem die Hemmung der Rechtsgültigkeit von Verträgen über die Vornahme unsittlicher oder gegen die guten Sitten verstoßender Handlungen bzw. Unterlassungen. Als sozialschädlich kann der Gesetzgeber auch die grobe Verletzung jenes Minimums an Gerechtigkeit im Innenverhältnis bewerten, wenn die Durchführung eines solchen Vertrages zur Verarmung einer Partei führt und damit wieder einen sozialen Mißstand hervorruft. Die Vorstellungen der Gesetzgeber darüber, was sozialschädlich (oder unsittlich oder sittenwidrig) ist, sind allerdings in den verschiedenen Ländern durchaus nicht gleich, ohne daß jedoch jede Abweichung stets wieder als untragbare krasse Abweichung empfunden wird. Ist eine Gültigkeitshemmung der zuletzt beschriebenen Art im gewählten oder im gesetzlichen Geschäftsstatut zu finden, so sind die betreffenden Gesetze — vorbehaltlich der negativen ordre public-Klausel in einem anderen Forumstaat — überall anwendbar, wo das betreffende Recht als Geschäftsstatut berufen ist. Gerade hier ist aber damit zu rechnen, daß die Parteien ein Recht zum Geschäftsstatut wählen, welches keine derartigen Gültigkeitshemmungen aufweist. Zur Anordnung der Anwendung eigener gültigkeitshemmender Bestimmungen hat dann ein Staat, der nicht das Geschäftsstatut stellt, Anlaß zunächst einmal dann, wenn die sozialschädlichen Wirkungen, die er annimmt, sich auf seinem Gebiet, insbesondere seinen Bewohnern, bemerkbar machen würden 1 0 3 . Ob man hier eine Sonderanknüpfung der eigenen, die Vertragsgültigkeit hemmenden Rechtssätze annimmt 104 , oder ob man das Fehlen solcher Sätze im Geschäftsstatut als untragbare Abweichung erklärt und die Lücke durch die lex fori ausfüllt, läuft weitgehend auf dasselbe hinaus. Dem für beide Parteien gefährlichen Spielvertrag durch die eigenen Gerichte die volle Rechtsverbindlichkeit gemäß dem eigenen Recht abzusprechen, hat ein Staat sicher dann ein Interesse, wenn auch nur eine der Parteien dort ihren Wohnsitz hat 1 0 5 . Dem für den Verbraucher oder für den Arbeitnehmer in der von der anderen Partei gewünschten Fassung allzu ungünstigen und deshalb wiederum sozialschädlichen Vertrag durch die eigenen Gerichte die Gültigkeit zu versagen, hat in erster Linie der Staat ein Interesse, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz bzw. der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt, oder seinen durch das Arbeitsverhältnis bedingten einfachen Aufenthalt hat 1 0 S a . Nicht selten ist die Meinung anzutreffen, ein Staat habe keinesfalls ein Interesse daran, einen heterogen verknüpften Vertrag, den er als sozialschädlich betrachtet und daher in seinem Inlandsrecht die Gültigkeit versagt, als ungültig zu behandeln, wenn mangels Wohnsitzes der gefährdeten Parteien im Inland die sozialschädlichen Wirkungen gar nicht im Inland zu erwarten sind, und wenn weder das fremde Wirkungsland, noch das davon verschiedene Geschäftsstatut die Gültigkeit verneinen wollen 1 0 6 . Hierbei wird übersehen, daß eine Inlandswirkung, die der Gesetzgeber vermeiden möchte, auch darin bestehen kann, daß durch effektive Rechtsschutzgewährung an auslandsverknüpfte Verträge die Bereitschaft der im Forumstaat ansässigen Menschen gefördert werden kann, auch in homogen verknüpften Situationen die vom Gesetzgeber zwar nicht mit Strafen bedrohten, aber doch sicher unerwünschten Verträge trotz Kenntnis ihrer Ungültigkeit abzuschließen und abzuwickeln, ohne sich auf die Ungültigkeit zu berufen 107 . Nicht zuletzt aber kann die Frage gestellt werden, ob nicht der Freiheit der Privatrechtssubjekte, Rechtsschutz für ihre Verträge in einzelnen Staaten ganz auszuschließen 1 0 8 , und der Zurückhaltung, die sich die Staaten in bezug auf die Rückgängigmachung 583
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Genehmigungsbedürftigkeit von Geschäften
der im Ausland freiwillig abgewickelten Verträge auferlegen müssen 1 0 9 , ein „Recht" der einzelnen Staaten gegenübersteht, die Rechtsschutzgewährung an eine Partei bei rechtsgeschäftlich begründeten Verpflichtungen zu versagen, wenn der Vertragsinhalt im Forumstaat unerwünscht ist, ohne daß man so weit geht, den vom Standpunkt anderer Staaten rechtsverbindlichen Vertrag unter Anwendung von gültigkeitshemmenden Vorschriften der lex fori als gänzlich ungültig zu behandeln 1 1 0 . Motive seiner Außenprivatrechtspolitik können einen Staat jedoch auch veranlassen, unter Angabe einer Inlands- und einer Auslandsverknüpfung in einer spezialrechtlichen Vorschrift anzuordnen, daß seine Gerichte bestimmte Geschäftsinhalte unter allen Umständen als gültig behandeln müssen, auch wenn sie in anwendungswilligen Nonnen anderer Staaten, vor allem denen des Geschäftsstatuts, mit Rücksicht auf anderweitige „Verbote" als ungültig erklärt werden 1 1 1 , und selbst wenn sie möglicherweise im normalen Inlandsrecht dieses Staates bei homogen verknüpften Geschäften ungültig sein sollen. So rechtfertigt sich die in der Rechtsprechung verschiedener Staaten anzutreffende Ansicht, daß ein Goldklausel„verbot" des eigenen oder eines ausländischen Rechts nicht für „internationale Zahlungen" gelten soll. Es kann dann eine Situation eintreten, in der ein dritter Forumstaat zu wählen hat zwischen der vom Staat des Geschäftsstatuts, eventuell auch einem anderen Staat, verfügten Ungültigkeit und der — etwa vom Wohnsitzland des Schuldners — zwecks Anlockung fremden Kapitals einseitig verfügten Gültigkeit der Goldklausel. Dann werden wieder Gegenseitigkeit, oder der indirekte Nutzen der einen oder anderen Regelung im Forumstaat, die Kriterien für seine Lösung abgeben. 1) Rechtssätze über die Genehmigungsbedürftigkeit von pflichtbegründenden Geschäften Jeder Staat, der nach Völkerrecht legitimiert ist, eine Handlung unter Strafe zu verbieten, und der deshalb auch berechtigt ist, „bei sich" das auf die Vornahme der Handlung gerichtete obligatorische Privatrechtsgeschäft auch bei Maßgeblichkeit eines anderen Geschäftsstatuts als nicht vollgültig zu behandeln, kann von der Strafdrohung im Einzelfall absehen, indem er eine seiner Behörden ermächtigt, die Vornahme der Handlung zu genehmigen. Mit der Genehmigung entfallen selbstverständlich auch die Hemmungen der Geschäftsgültigkeit; die Genehmigung der sonst strafbaren Erfüllungshandlung wird daher vielfach als eine Genehmigung des auf diese Handlung gerichteten Geschäfts aufgezogen 1 1 2 . Ist die Erfüllung des nicht genehmigten Geschäfts mit Strafe bedroht und zugleich die Gültigkeit des Geschäfts behindert 1 1 3 , so gilt für die Anwendung dieses gültigkeitsbehindernden Satzes in anderen Staaten dasselbe, was für die Gültigkeitshemmnisse im Recht des strafwilligen Staates gilt, der keine Genehmigung der Handlung ermöglicht 1 1 4 . Zugleich dürften aber hier im Geschäftsstatut spezialrechtliche Sätze anzunehmen sein: Unabhängig davon, ob der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, den ungenehmigten Vertrag als ungültig betrachten würde, kann es eine Nebenverpflichtung aus dem Geschäft sein, sich um die Genehmigung in dem anderen Staat zu bemühen 1 1 5 . Steht fest, daß ein Antrag auf Genehmigung aussichtslos ist, so kann eine Verpflichtung der darüber besser unterrichteten Partei bestehen, die andere zu informieren 1 1 6 . Ist in einem Recht die Vornahme der als Erfüllungshandlung vorgesehenen Handlung erlaubt, aber wird die Begründung einer Verpflichtung hierzu durch Rechtsgeschäft genehmigungspflichtig gemacht, und der Vertragsschluß, der in der Absicht erfolgt, die Genehmigung nicht einzuholen, als solcher als strafbar und dann der Vertrag als ungültig erklärt, so wird der Vertrag überall als ungültig zu behandeln sein, wenn die fragliche Bestimmung vom Staat des Geschäftsstatuts herrührt. Ist das nicht der Fall, so gilt für die Beachtung des die vertragliche Gültigkeit hemmenden Rechtssatzes in anderen Staaten dasselbe, wie wenn 584
Spezialrecht über Genehmigungsbedürftigkeit
§20
Vertragsungültigkeit wegen Strafbarkeit der nicht genehmigten Erfüllungshandlung in einem anderen Staat als dem Forumstaat vorgesehen i s t 1 1 7 . Es bleibt die Frage nach dem Anwendungsbereich von Bestimmungen, welche, ohne die als Vertragserfüllung vorgesehene Handlung als solche, oder den Vertragsschluß unter Strafe zu verbieten, die gültige Begründung der Verpflichtung durch Rechtsgeschäft von einer staatlichen Genehmigung abhängig machen wollen. Der Frage wird oft deshalb keine eingehendere Beachtung geschenkt, weil es, wenn das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zum Geschäftsstatut berufene Recht die behördliche Genehmigung erfordert, meist offen bleiben kann, ob es sie deshalb erfordert, weil es Geschäftsstatut ist, oder deshalb, weil eine bestimmte Inlandsverknüpfung besteht, auf die es für die Genehmigungsbedürftigkeit ankommt. Bei spezialrechtlichen Bestimmungen, welche beim Fehlen der Genehmigung die Gültigkeit des Vertrages behindern wollen, ohne die freiwillige Erbringung der vereinbarten Leistung mit Strafe zu bedrohen 1 1 8 , ist es unzweifelhaft, daß es im Urheberstaat auf eine zumeist im Gesetz angegebene, einzelne Inlandsverknüpfung und eine bestimmte Auslandsverknüpfung, und nicht darauf ankommt, ob das betreffende Recht auch das Geschäftsstatut stellt. So etwa, wenn der Heimatstaat von Personen, der die Gültigkeit ihrer Ehe nach dem Recht des Domizils beurteilen will, für eine Ehe eines eigenen Staatsangehörigen mit Ausländern eine Genehmigung erfordert und die ohne Genehmigung geschlossene Ehe nicht als gültig behandeln will. Andere Staaten werden eine solche spezialrechtliche Bestimmung des Heimatstaates höchstens bei Gegenseitigkeit beachten 1 1 9 . Möglicherweise ist es derselbe Staat, der das Verfügungsgeschäft über ein Recht von einer Genehmigung abhängig machen will, der auch schon den Vertrag über die Verpflichtung zu der Verfügung beim Vorliegen einer bestimmten Inlands- und einer bestimmten Auslandsverknüpfung als genehmigungsbedürftig erklärt, wie etwa den Kaufvertrag über ein inländisches Grundstück bei ausländischer Staatsangehörigkeit des Erwerbers, wobei Geschäftsstatut für den Kaufvertrag das Recht eines anderen Landes sein kann. Hier ist nicht zu sehen, daß der obligatorische Vertrag in einem anderen Forumstaat zunächst mehr hervorbringen könnte als die Verpflichtung der Beteiligten, sich um die Genehmigung des Lagestaates zu bemühen. Wird die Genehmigung nicht erteilt, so ist der Vertrag als auf eine unmögliche Leistung gerichtet anzusehen, was allerdings nicht unbedingt eine Haftung des Versprechenden auf Schadensersatz ausschließt. Ist die staatliche Bestimmung, welche mangels Genehmigung durch eine Behörde des Urheberstaates der Bestimmung die Rechtswirksamkeit des obligatorischen Geschäfts behindern will, im normalen Inlandsrecht des Urheberstaates zu finden, so ist nicht anzunehmen, daß die Anwendbarkeit bei heterogen verknüpften Geschäften davon abhängig sein soll, daß das Recht dieses Staates von den Parteien zum Geschäftsstatut gewählt w u r d e 1 2 0 , oder daß Unanwendbarkeit schon damit gegeben sein soll, daß das Recht dieses Staates als Geschäftsstatut abgewählt worden ist. Aber auch wenn das gesetzliche Geschäftsstatut durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen bestimmt wird, ist es unzweckmäßig, daß die Genehmigungsbehörde diese oft schwierig zu beantwortende Frage im Zusammenhang mit der Prüfung ihrer Zuständigkeit beantworten müßte, während das Prozeßgericht bei einem genehmigten Vertrag später annehmen könnte, daß die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem ganz anderen Staat hingeht. Rechtssätze über Genehmigungsbedürftigkeit von Verträgen müssen vernünftigerweise ihre Anwendbarkeit von einer leicht festzustellenden objektiven Verknüpfung abhängig machen, wie etwa dem Wohnsitz einer Partei, oder dem inländischen Erfüllungsort, oder dem Umstand, daß der Gegenstand der Leistung sonstwie mit dem Inland verknüpft i s t 1 2 1 . Die Genehmigungsbedürftigkeit von Grundstücksverkäufen wird also von der inländischen Belegenheit des Grundstücks, die Genehmigung von Preisabsprachen davon abhän585
§20
Genehmigungsbedürftigkeit
gig gemacht werden, daß alle Parteien ihren Sjtz im Inland haben, oder daß sich die Absprache auf die Preise bezieht, die inländischen Abnehmern in Rechnung gestellt werden sollen; eine Genehmigungsbedürftigkeit für Ehen zwischen Adoptivgeschwistern wird von der Staatsangehörigkeit des einen oder des anderen der Beteiligten abhängig gemacht, wenn der Heimatstaat Anwendung seines Rechts auf Ehehindernisse vorsieht. Dabei ist es aber sehr wohl möglich, daß der Staat, der das Erfordernis der Genehmigung des Geschäfts durch seine Behörden aufstellt, damit nur erreichen will, daß seine eigenen Gerichte dem ungenehmigten Rechtsgeschäft Rechtsschutz versagen, während die freiwillige Erfüllung durchaus als erlaubt zu gelten hat, und der Versuch einer Partei, ihre Ansprüche aus dem ungenehmigten Geschäft mit Hilfe ausländischer Gerichte zu verwirklichen, in keiner Weise mißbilligt wird. Dem Recht der Privatrechtssubjekte, den Rechtsschutz ihres Vertrages auf bestimmte Staaten zu beschränken, steht auch hier das Recht eines jeden Staates gegenüber, die Realisierung der Haftung des in diesem Staat belegenen Vermögens für Ansprüche aus einem pflichtbegründenden Rechtsgeschäft von seiner Genehmigung abhängig zu machen, wobei in extremen Fällen Inlandsbelegenheit des haftenden Vermögens allein als das maßgebliche Anknüpfungsmoment gelten k a n n 1 2 2 . Ist der Staat, der das pflichtbegründende Geschäft als genehmigungsbedürftig erklärt und die Rechtsverbindlichkeit des ungenehmigten Geschäfts hemmen will, mit dem Staat identisch, der in der Sicht eines anderen Forumstaates das Geschäftsstatut stellt, so wird dem fraglichen Rechtssatz im Forumstaat nicht schon die Anwendung mit dem Argument verweigert werden können, daß ein Satz über die Genehmigungsbedürftigkeit von Verträgen öffentliches Recht sei, insbesondere wenn für Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung das „Staatsinteresse" des Urheberstaates der N o r m maßgebend sein soll. N u r wenn der Forumstaat in der Beschränkung der Vertragsfreiheit durch Genehmigungsbedürftigkeit eine krasse Abweichung von der lex fori sieht, und eine Binnenbeziehung gegeben ist, kann auch der ungenehmigte Vertrag entgegen dem Geschäftsstatut als gültig behandelt werden 1 2 3 . Ist der Staat, der das pflichtbegründende Geschäft als genehmigungsbedürftig erklärt und die Verbindlichkeit des nicht genehmigten Geschäfts hemmen will, nicht der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, so wird weder der Staat des Geschäftsstatuts, noch ein dritter Forumstaat den fraglichen Rechtssatz durch seine Gerichte beachten lassen, wenn der zuerst genannte Staat überhaupt nur den Rechtsschutz durch seine eigenen Gerichte verweigert; ob das der Fall ist, zeigt sich vor allem darin, ob dieser Staat ausländische Urteile, welche trotz fehlender Genehmigung zu einer vertraglich geschuldeten Leistung verurteilen, ohne weiteres bei sich vollstrecken läßt. Erwartet hingegen der Staat, der die Genehmigung erfordert, daß die Gültigkeit des Vertrages auch in anderen Staaten verneint wird, so werden diese anderen Staaten dies beachten, entweder wenn Gegenseitigkeit besteht, oder wenn die Gerichte des Forumstaates sich davon überzeugt haben, daß mit der Anwendung des betreffenden Gesetzes indirekt auch ein wichtiges öffentliches Interesse des Forumstaates gefördert w i r d 1 2 4 . Von der nach den politischen Gesichtspunkten des Urheberstaates der N o r m zu erteilenden oder zu verweigernden Genehmigung zu unterscheiden ist eine Genehmigung, welcher eine vorsorgliche Prüfung des Geschäfts auf seine Vereinbarkeit mit einer bestimmten Generalklausel des materiellen Privatrechts vorausgeht: Darf ein Geschäft vom Nichtvollgeschäftsfähigen oder seinem gesetzlichen Vertreter nur geschlossen werden, wenn es dem Wohl dieser geschäftsunfähigen Partei dient, so ist im allgemeinen gerade diese, und nur diese Frage Gegenstand der Prüfung, welche der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht (oder einer Verwaltungsbehörde) vorausgeht. Hier ist es dasselbe Recht, das zur Versagung der vollen Geschäftsfähigkeit und zur Einrichtung der gesetzlichen Vertretung geführt hat, dem der Satz über die Genehmigungspflichtigkeit und die 586
Die Auslegung von Rechtsgeschäften
§20
Folgen des Fehlens der Genehmigung zu entnehmen ist 1 2 5 . Eine Kontrolle des Gerichts in einem späteren Rechtsstreit darüber, ob die Genehmigung entgegen dem Wohl des Geschäftsunfähigen erteilt, und der von der anderen Partei in Kenntnis dieses Umstandes geschlossene Vertrag mangelhaft ist, ist nicht ausgeschlossen. Selten ist ein gerichtliches Genehmigungsverfahren für vermögensrechtliche Verträge von Volljährigen, welches vorwiegend der Prüfung dient, ob die Beteiligten die erforderliche Einsicht in die Tragweite des Geschäfts gehabt haben, ob sie unter fremdem Einfluß gestanden haben, und ob die gegenseitigen Leistungen ausgewogen sind. Derartige Genehmigungen sind manchmal im Heimatrecht vorgesehen, oder die betreffende Norm ist dem Güterrechtsstatut zu entnehmen. Während es unzweifelhaft ist, daß die Genehmigung eines Geschäfts, die im Sinne des dafür maßgeblichen Rechtssatzes unter Beachtung der politischen Interessen des Urheberstaates des Rechtssatzes zu erteilen oder zu verweigern ist, nur durch Behörden dieses Staates erfolgen kann, ist es denkbar, daß die konkurrierende Zuständigkeit der Behörden eines anderen Staates in denjenigen Fällen anerkannt wird, in denen der Genehmigung nur eine Prüfung der privaten Interessen privater Rechtssubjekte vorausgeht 126 . m) Anwendbares Recht für die Auslegung von Rechtsgeschäften Mit den Bestimmungen des Geschäftsstatuts über die für die Geschäftserrichtung notwendigen Äußerungen der Geschäftserrichter sind zumeist Vorschriften verbunden, die sich über das Minimum des Inhalts der von den Geschäftserrichtern herrührenden Erklärungen auslassen; so z. B., wenn der Kaufpreis entweder nach Währung und Höhe feststehen, oder wenigstens ein „Verfahren" zur Feststellung des „üblichen" Preises vorgesehen sein muß. Ungeachtet der Maßgeblichkeit des Geschäftsstatuts für diese Frage ist möglicherweise damit zu rechnen, daß in einem anderen Staat, nämlich dem Errichtungsland des Geschäfts, eine öffentliche Beurkundung durch die dortigen Behörden verweigert wird, wenn nicht auch hier das Minimum von Angaben gemacht wird, wie es das Recht des Errichtungslandes fordert. Dem Geschäftsstatut zu entnehmen sind im Zweifel auch die Bestimmungen über die Auslegung der von den Geschäftserrichtern gemachten Äußerungen. Diese Auslegungsbestimmungen sind entweder Vermutungen über einen bestimmten Sinn der von den Geschäftserrichtern verwendeten sprachlichen Ausdrücke, wenn diese mehrdeutig sein können, oder auch Vermutungen des Inhalts, daß mit einer bestimmten Klausel eine in der Klausel selbst gar nicht zum Ausdruck gebrachte weitere Rechtswirkung, mit einer anderen Klausel hingegen eine andere weitere Rechtswirkung als gewollt gelten soll. Das Geschäftsstatut bestimmt sodann, mit welchen Mitteln eine solche Auslegungsvermutung widerlegt werden kann; also vor allem, ob dies nur durch ausdrücklich zur Zeit der Geschäftserrichtung im Geschäftsinhalt niedergelegte Äußerungen aller Geschäftserrichter geschehen kann; oder ob die Vermutung mit bestimmten Methoden der teleologischen Auslegung aus dem Kontext des Geschäfts widerlegt werden kann, und wenn ja, was zu dem verwendbaren Kontext gehört; das Geschäftsstatut bestimmt, ob die Widerlegung seiner Auslegungsvermutung dadurch möglich sein soll, daß Äußerungen der Geschäftserrichter außerhalb der Geschäftserrichtung beigebracht werden, aus denen sich erkennen läßt, daß die Geschäftserrichter mit dem von ihnen verwendeten sprachlichen Ausdruck einen anderen Sinn verbunden haben als die gesetzliche Auslegungsvermutung. Kann die Widerlegung der Auslegungsvermutung nur an Hand ausdrücklicher Erklärungen bei der Geschäftserrichtung erfolgen, so ist möglicherweise für diese Erklärungen wieder eine bestimmte qualifizierte Form erforderlich; dieses Formerfordernis des Geschäftsstatuts kann dann nicht durch alternative Anwendung eines anderen Formstatuts verdrängt werden 127 . Es ist Sache des Geschäftsstatuts zu bestimmen, ob die auf Widerlegung der Ausle587
§20
Wahl des Auslegungsstatuts
gungsvermutung gerichtete Äußerung auch durch eine Verweisung auf andere Auslegungsregeln erfolgen kann. Derartige andere Auslegungsregeln können sich z. B. in allgemeinen Geschäftsbedingungen, aber auch in fremden Rechten finden. Vor allem kann dann das Geschäftsstatut sich auch darüber auslassen, ob der übereinstimmende, wenn auch objektiv irrige Glaube der Geschäftserrichter, die für die Auslegung ihrer Erklärungen maßgeblichen Auslegungsvermutungen hätten den Inhalt, über den die Geschäftserrichter aus einem ihnen besonders vertrauten Recht Bescheid wissen, zur Widerlegung der Vermutung des Geschäftsstatuts ausreicht; wird das bejaht, so können auch wieder Bestimmungen getroffen werden, wie das Vorhandensein dieses Glaubens erwiesen werden muß; so beispielsweise ob Äußerungen, die die Geschäftserrichter nach der Geschäftserrichtung unter sich oder gegenüber Dritten gemacht haben, herangezogen werden dürfen um nachzuweisen, welches Recht ihnen besonders vertraut war, und daß sie glaubten, die Auslegungsregeln dieses Rechts seien überall gültig. Wird derartiges durch das Geschäftsstatut zugelassen, so kann das Geschäftsstatut wohl auch nicht umhin, eine ausdrückliche Wahl eines bestimmten nationalen Rechts als Auslegungsstatut, und nur als Auslegungsstatut 128 , durch die Geschäftserrichter zuzulassen. Sind sich die Geschäftserrichter dessen bewußt, daß die Auslegungsregeln in den verschiedenen Rechten divergieren, so können sie ja selbst auf die Idee kommen, zur Beseitigung der Unsicherheit auf ein bestimmtes Recht als das von ihnen gewollte Auslegungsstatut hinzuweisen. Wirkt an einem Rechtsgeschäft ein Staatsorgan als Beurkundungsorgan nicht bloß zur Bezeugung der Identität der Geschäftserrichter, sondern auch bei Formulierung des Geschäftsinhalts mit, so kann wohl mangels anderweitiger Angabe im Geschäft angenommen werden, daß für das so errichtete Geschäft die Auslegungsvermutungen im Recht des Dienstherrenstaates des beurkundenden Organs maßgebend sind. Auch der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, aber die Beurkundung im Ausland genügen läßt, wird dann die Auslegungsregeln des Dienstherrenstaates seinen eigenen Auslegungsregeln vorziehen. Es kann auch sein, daß ein Forumstaat F das eigene Recht als Geschäftsstatut gelten lassen will und die Errichtung des Geschäfts in den Formen eines anderen Landes zuläßt, während das Recht des Errichtungslandes E selber das Geschäftsstatut stellen will; dann kann es durchaus so sein, daß die Gültigkeitsvoraussetzungen vom Standpunkt beider anwendungswilligen Geschäftsstatuten erfüllt sind. Sind auch die Auslegungsregeln beider Rechte dieselben, so entstehen keine Schwierigkeiten; stimmen sie nicht überein, so scheint es hier angebracht, daß man im Forumstaat F annimmt, daß die Geschäftserrichter die Auslegungsregeln des Errichtungslandes vorgezogen haben. n) Die Ersetzung dispositiver Bestimmungen des Geschäftsstatuts über Wirkungen des durch das Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses Ist das vom Geschäftsstatut erforderte inhaltliche Minimum der Erklärungen der Geschäftserrichter über die Wirkungen des Geschäfts vorhanden, so werden weitere Wirkungen des begründeten Rechtsverhältnisses teils durch zwingendes, teils durch dispositives Recht des Geschäftsstatuts geregelt; es gilt dies vor allem von den Nebenpflichten der Parteien, ihren Rechten und Pflichten bei Unmöglichkeit der Erfüllung der im Geschäft vorgesehenen Pflichten, sowie bei Nichterfüllung oder Schlechterfüllung. Anstelle solchen ergänzenden dispositiven Rechts können, was ja das Wesen von dispositivem Recht darstellt, die Geschäftserrichter selbst anderweitige normative Inhalte zum Bestandteil des Geschäfts machen. Was nun die Form solcher Abänderungen des dispositiven Rechts durch ausdrückliche Bestimmungen im Rechtsgeschäft angeht, so bestehen drei Möglichkeiten: Das Geschäftsstatut kann dafür dieselben Bestimmungen beachtet wissen wollen, wie sie für die Fixierung des Mindestinhalts des Rechtsgeschäfts verbindlich sind; es kann also 588
Ausschaltung von dispositiven Gesetzen
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z. B. alternativ auf das Recht des Geschäftserrichtungsortes verwiesen werden. Das Geschäftsstatut kann auch eine qualifizierte Form nur für den gesetzlichen Mindestinhalt des Rechtsgeschäfts erfordern, und für die Modifikationen der ergänzenden dispositiven Bestimmungen eine einfachere Form zulassen. Das Geschäftsstatut kann schließlich gerade für bestimmte Modifikationen des dispositiven Rechts durch die Geschäftserrichter eine qualifizierte Form vorschreiben, auch wenn diese für den notwendigen Inhalt des Geschäfts nicht geboten ist; sowohl Freizeichnungsklauseln von Haftungen für Schlechterfüllung oder Nichterfüllung, als auch das Versprechen von Vertragsstrafen bei Nichterfüllung können etwa Schriftform erfordern, auch wenn das Hauptgeschäft mündlich geschlossen werden kann. Gerade hier ist es, wie früher ausgeführt 129 , de lege ferenda zu mißbilligen, daß eine alternative Heranziehung der Formvorschriften anderer Rechte mit einfacheren Formen möglich sein soll, wenn die Formen des Geschäftsstatuts auch im Ausland gewahrt werden können. Das ist um so wichtiger, als die Frage nach der Form der Ausschaltung des dispositiven Rechts praktisch nicht zu trennen ist von der Frage, ob dispositive Bestimmungen auch anders als durch ausdrückliche Aufnahme anderweitiger normativer Inhalte in das Rechtsgeschäft ausgeschaltet werden können. Anstatt das, was anstelle der dispositiven Bestimmungen des Geschäftsstatuts gelten soll, selbst im Geschäft zu formulieren, können die Geschäftserrichter etwa auf allgemeine Geschäftsbedingungen verweisen, in denen das dispositive Recht abgeändert wird. Sodann ist auch daran zu denken, daß dispositives Recht durch materiellrechtliche Verweisungen auf nicht mehr geltendes inländisches Recht, oder auf die gesetzlichen Regelungen ausländischen Rechts, ersetzt werden könnte 1 3 0 . O b solche Verweisungen zulässig sind, oder ob sie z. B. nur dann zulässig sind, wenn die Verweisung schriftlich ausgesprochen wird, oder wenn die Rechtsquellen, auf die verwiesen wird, allen Geschäftserrichtern bei der Geschäftserrichtung in Schriftform vorliegen, alles das hat allein das Geschäftsstatut zu regeln. Selbst für eine Verweisung auf Handelsbräuche an einem bestimmten Ort könnte ja das Geschäftsstatut Schriftform, oder vielleicht sogar einen Hinweis auf die Erkenntnisquellen für diese Handelsbräuche erfordern. Gesetzliche Bestimmungen eines Staates, wonach bestimmte, das ergänzende Recht modifizierende Rechtsinhalte zwar durch Individualabrede vereinbart werden dürfen, nicht aber durch Verweisung auf allgemeine Geschäftsbedingungen usw., können jedoch nicht bloß vom Geschäftsstatut herrühren, sondern können vom Urheberstaat auch bei ausländischem Geschäftsstatut vom Bestehen bestimmter objektiver Inlandsverknüpfungen abhängig gemacht werden 131 . Für die Anwendung einer solchen nicht im Geschäftsstatut enthaltenen Bestimmung durch andere Staaten gelten die früher entwickelten Grundsätze 132 . Findet sich eine Bestimmung über die Wahl eines bestimmten Rechts zum Geschäftsstatut in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf die das Rechtsgeschäft verweist, so ist mangels einer spezialrechtlichen Regelung der Rechtswahl erforderlich, daß die allgemeinen Geschäftsbedingungen auch gemäß den Bestimmungen verbindlich geworden sind, die das abzuwählende gesetzliche Geschäftsstatut für die Einfügung allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Rechtsgeschäft aufstellt. Dem Geschäftsstatut sind auch Bestimmungen darüber zu entnehmen, ob und wie die Geschäftserrichter das dispositive ergänzende Recht dadurch ausschalten können, daß sie zur Ergänzung des von ihnen fixierten Geschäftsinhaltes allein auf die „allgemeinen Rechtsgrundsätze" oder auf „Billigkeit" verweisen, so daß diese Inhalte anstelle des dispositiven Gesetzesrechts des Geschäftsstatuts treten 1 3 3 . Das Geschäftsstatut kann derartiges als zulässig erklären oder auch nicht. Das gleiche gilt für die Frage, ob Streitigkeiten über die vom ergänzenden dispositiven Recht geregelten Dinge einer Schiedsinstanz anvertraut werden sollen, die nicht an das Gesetz gebunden ist. Die Anerkennung der Entscheidung des Geschäftsstatuts über diese Frage kann allerdings in einem anderen Forumstaat auf 589
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Oktroyierte Verträge
Schwierigkeiten stoßen; es kann sein, daß es gegen den ordre public des Forumstaates verstößt, wenn private Geschäftserrichter anstelle der durch dispositive gesetzliche Bestimmungen geschaffenen Rechtssicherheit Unsicherheit dadurch schaffen, daß sie auf „allgemeine Rechtsgrundsätze" verweisen. Wird die vom Geschäftsstatut zugelassene Ersetzung seines dispositiven Rechts durch die von den Geschäftserrichtern gewünschten allgemeinen Rechtsgrundsätze im Forumstaat nicht mitgemacht, so sollte allerdings im Forumstaat nicht dessen lex fori, sondern das dispositive Gesetzesrecht des Geschäftsstatuts zur Anwendung gebracht werden. Die „Vertragsfreiheit" unter dem Geschäftsstatut ist unter Umständen in der Weise beschränkt, daß die Parteien sich nur für das eine oder das andere von mehreren Modellen der Regelung eines im Prinzip demselben Zweck dienenden Rechtsverhältnisses entscheiden können. So kann ein Staat nicht nur in seinem interregionalen Recht bei heterogener Verknüpftheit die Wahl des einen oder anderen Gruppenrechts zum Ehegeschäftsstatut ermöglichen, sondern er kann generell denjenigen, die eine Ehe schließen wollen, die Wahl zwischen verschiedenen Ehearten ermöglichen; desgleichen kann die parteiautonome Regelung des Güterstandes auf wenige Modelle beschränkt sein. In international verknüpften Situationen kann dann die Wahl eines ausländischen Modells durch Verweisung eingeschränkt werden 1 3 4 . Eigenartige Komplikationen entstehen, wenn die Wahl eines der verschiedenen Modelle nicht durch eine ausdrückliche Erklärung, sondern durch Benutzung der für das Modell spezifischen Geschäftserrichtungsform erfolgt — also die Wahl eines bestimmten religiösen Eherechts durch Eheschließung vor einem Geistlichen der betreffenden Religionsgemeinschaft, die Wahl des staatlichen Eherechts durch Eheschließung vor dem Standesbeamten —, und wenn diese Formen im Ausland nicht zur Verfügung stehen, oder wenn ihre Benutzung unter der lex loci actus nicht als Wahl eines von verschiedenen Ehemodellen gilt. In Ländern, welche eine monogame Ehe ihres „modernen" Rechts durch Eheschließung vor dem Standesbeamten, eine polygame Ehe des hergebrachten Stammesrechts durch Vornahme der Zeremonie des Stammesrechts Zustandekommen lassen 1 3 5 , stellt sich dann die Frage, ob eine Eheschließung vor dem Standesbeamten eines europäischen Landes nur für eine Ehe ihres „modernen" Rechts benutzt werden kann. Es stellt sich aber auch die Frage, ob das von der lex loci actus gestellte Formstatut nicht seinerseits in einer sonderangeknüpften Bestimmung seines Rechts die Benutzung seiner Eheschließungsform nur dann als formgültige Eheschließung deklarieren will, wenn sich der Geschäftswille der Parteien auf eine Ehe des Inlandsrechts oder ein ihr ähnliches Modell eines ausländischen Rechts bezieht 1 3 6 . Auch hier zeigt sich, daß eine vom Geschäftsstatut gänzlich isolierte Zuweisungsnorm für die Formbestimmungen bedenklich ist. o) Oktroyierte Verträge und durch Staatsakt begründete Privatrechtsverhältnisse Das moderne Recht mancher Staaten kennt Fälle, in denen jemand durch Gesetz verpflichtet wird, oder auf Grund Gesetzes durch Staatsakt verpflichtet werden kann, an der Errichtung eines privatrechtlichen Geschäfts zusammen mit anderen, die sich freiwillig für dieses Geschäft interessieren, teilzunehmen: Dem Eigentümer eines Wohnhauses kann in einigen Ländern auf Grund Gesetzes die Mitwirkung an einem Vertrag mit einem „Zwangsmieter" auferlegt werden; derjenige, welcher bestimmte Waren im allgemeinen jedermann gegen Barzahlung zu verkaufen pflegt, kann durch Gesetz verpflichtet sein, die diskriminierende Verweigerung von gleichartigen Vertragsabschlüssen gegenüber bestimmten vertragswilligen Interessenten aufzugeben. Der Anwendungsbereich der eigenen Norm, welche den Kontrahierungszwang vorsieht, wird vom Urheberstaat durchweg einseitig an Hand objektiver Kriterien abgesteckt werden 1 3 6 3 . Es wird selten vorkommen, daß versucht wird, im Zivilprozeßverfahren vor den 590
Oktroyierte Verträge
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Gerichten eines anderen Staates als des Urhebers derartiger Vorschriften ein Privatrechtssubjekt zur Mitwirkung am Vertragsschluß verurteilen zu lassen, wobei das Urteil durch Beugezwang vollstreckt werden könnte. Wenn wirklich ausnahmsweise außerhalb des Urheberstaates einer solchen Vorschrift geklagt würde, so müßte häufig ihre Anwendung wegen krasser Abweichung vom Recht des Forumstaates verweigert werden, wenn dieser entsprechende Bestimmungen in seinem Recht nicht kennt. Sind in beiden in Frage kommenden Staaten derartige Gesetzesvorschriften vorhanden, so dürfte gerade hier wieder ein Fall vorliegen, wo die Anwendung des ausländischen Rechts davon abhängig gemacht werden sollte, daß der Staat, dessen Recht angewendet werden soll, auch die entsprechenden Vorschriften des Forumstaates bei sich zur Anwendung bringen läßt. Ist der Vertrag in dem Staat, der eine Verpflichtung zur Beteiligung am Vertragsschluß vorsieht, unter dem Eindruck der gesetzlichen Verpflichtung und der bei Nichtbefolgung zu erwartenden Unrechtsfolgen zustandegekommen, und wird aus dem geschlossenen Vertrag in einem anderen Staat geklagt, so ist zu unterscheiden: Ist es die zum Vertragsschluß genötigte Partei, welche unter Berufung auf den von ihr als zustandegekommen unterstellten Vertrag Gegenleistungen der anderen Partei einklagt, so wird dem Kläger Rechtsschutz aus dem Vertrag gewährt werden. Ist es aber so, daß versucht wird, denjenigen, der gegen seinen eigentlichen Willen in einem Staat zum Abschluß eines Vertrages genötigt worden ist, in einem anderen Staat auf Vertragserfüllung zu verklagen, so sind die früher entwickelten Gedanken über die Heranziehung des zwingenden Rechts anderer Staaten als des Geschäftsstatuts hier entsprechend verwendbar: Erweist sich die gesetzliche Verpflichtung eines Unternehmers, Vertragsabschlüsse nicht aus Gründen der Rassendiskriminierung zu verweigern, letztlich auch als dem öffentlichen Interesse des Forumstaates dienend, so wird der Forumstaat den am Geschäftssitz des Unternehmers unter staatlichem Zwang zustandegekommenen Vertrag — für den das Recht des zum Abschluß nötigenden Staates wohl auch stets das Geschäftsstatut sein wird — als gültig betrachten, und beiden Vertragsparteien gegeneinander Rechtsschutz gewähren. Es bleibt jedoch die Frage, welche Inlandsverknüpfungen nach Völkerrecht vorhanden sein müssen, damit überhaupt ein Staat Pflichten zur Beteiligung am Abschluß von privatrechtlichen Verträgen begründen kann. Es dürfte beispielsweise nicht mehr zulässig sein, daß ein Staat seine eigenen Staatsangehörigen oder Bewohner allein unter Anknüpfung an diese Eigenschaft verpflichten und im Einzelfall dazu anhalten will, freien Wohnraum auf fremdem Staatsgebiet zu vermieten, oder die Vermietung an einen Bewerber nicht aus diskriminierenden Motiven zu verweigern 1 3 7 . Selbst wenn man der Ansicht ist, daß die Personalhoheit ausreicht, um eigene Staatsangehörige zum Abschluß von im Ausland zu erfüllenden Verträgen mit anderen Staatsangehörigen desselben Staates zu verpflichten, dürfte der Staat des Erfüllungsortes wohl keinen Rechtszwang zur Vertragserfüllung gegenüber demjenigen ausüben, der erweislich gegen seinen Willen nur unter dem Druck des Heimatstaates einen solchen Vertrag abgeschlossen hat, wenn das Land des Erfüllungsortes absolute Freiheit zur Wahl der anderen Vertragspartei (und zur Unterlassung von Vertragsschlüssen) hat 1 3 8 . Wird durch Staatsakt beiden Parteien ein Als-ob-Vertragsverhältnis oktroyiert, wie dies häufig in einer staatlich gelenkten Wirtschaft vorkommt, so wird der Gesetzgeber meist gar nicht erwarten, daß dem Rechtsverhältnis in anderen Staaten Rechtsschutz durch deren Zivilgerichte gewährt wird. Soweit andere Staaten tatsächlich ihre Gerichte für zuständig erklären, sollten sie sich auch hier wohl darauf beschränken, Gegenleistungen für bereits erbrachte Leistungen einzutreiben, soweit dies sozialer Gerechtigkeit entspricht 1 3 9 . Gehört es zur Abwicklung eines Rechtsverhältnisses, daß mangels Einigung der Parteien das Gericht durch Gestaltungsurteil einzelne vertragsartige Bestimmungen zwischen den Parteien (etwa ein Mietverhältnis) neu begründet,, so bezieht sich die Verweisung auf das 591
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, G e s e t z l i c h e " Rechtsverhältnisse
Statut für das Grundverhältnis auch auf solche Abwicklungsverhältnisse; derartiges findet sich bei der Beendigung von E h e n 1 4 0 , eventuell auch von Gesellschaftsverhältnissen. Nicht selten sieht das staatliche Recht vor, daß obligatorische Rechtsverhältnisse des Privatrechts zwischen Privatrechtssubjekten als „gesetzliche" Rechtsverhältnisse im Einzelfall in Verbindung mit einem behördlichen Gestaltungsakt entstehen. Zu denken ist insbesondere an das Rechtsverhältnis zwischen dem Inhaber eines Vermögens und der in seiner Eigenschaft als Vormund oder Zwangsverwalter mit der Vermögensverwaltung durch Staatsakt beauftragten Person. Hier kann in heterogen verknüpften Fällen eine Art Rechtswahl stattfinden: Neben der vom internationalen Privatrecht des Staates mit dem gewählten Recht in abstrakten Sätzen akzeptierten Unterwerfung eines pflichtbegründenden Rechtsgeschäfts unter ein nationales Recht als „Geschäftsstatut" besteht auch die Möglichkeit, daß jemand sich gegenüber den Behörden eines bestimmten Staates bereiterklärt, die Verpflichtungen zu übernehmen, die sich aus einem noch durch Staatsakt zu begründenden gesetzlichen Rechtsverhältnis zwischen dieser Person und einer anderen Privatperson ergeben werden. So kann auch ein außerhalb eines Staates befindlicher Ausländer die Vormundschaft über ein in dem Staat befindliches Kind übernehmen wollen, obwohl dieser Staat ihn dazu nicht verpflichten könnte; wird er dann von dem betreffenden Staat zum Vormund bestellt, so ist das Recht dieses Staates nicht nur dort, sondern auch in einem anderen Forumstaat auf seine Pflichten und Haftungen gegenüber dem Mündel anwendbar. Die Haftung aus dem durch Staatsakt begründeten Rechtsverhältnis des Vormundes gegenüber dem Mündel usw. ist, wenn das freiwillige Einverständnis des Vormundes zur Übernahme des Amtes vorlag, in einem anderen Forumstaat so zu behandeln, wie wenn zwischen den unmittelbar Beteiligten ein Vertrag unter ausdrücklicher Wahl des anwendbaren Rechts und Billigung dieser Wahl durch den Staat des gewählten Rechts zustandegekommen wäre. Anders ist es, wenn jemand die ihm durch Staatsakt übertragene Aufgabe der Verwaltung fremden Vermögens (oder auch der Sorge für die Person eines anderen) nach dem Recht des bestellenden Staates als Ausübung von Hoheitsgewalt auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen ihm und dem Staat wahrnehmen soll; die Haftung wegen pflichtwidriger Ausübung hoheitlicher Gewalt zum Schaden der betroffenen Privatpersonen kann außerhalb des Dienstherrenstaates nicht zum Gegenstand eines Verfahrens wegen Amtspflichtverletzung gemacht werden 1 4 1 . Eine nach dem Recht des Bestellungsstaates zu beurteilende privatrechtliche Haftung dessen, der sich von einem Staat zum Vormund oder Vermögensverwalter hat ernennen lassen, aus dem gesetzlichen Rechtsverhältnis gegenüber dem Mündel, bzw. dem eigentlichen Inhaber des verwalteten Vermögens, ist in einem anderen Forumstaat auch dann zu verwirklichen, wenn beispielsweise der Vormund in dem anderen Forumstaat keine vormundschaftlichen Aufgaben auszuüben hat, oder wenn gar ein anderer vom Standpunkt des Forumstaates her als der richtige Vormund gilt: Wer die Vormundstellung in Ubereinstimmung mit dem Recht des bestellenden Staates, aber entgegen dem Recht eines anderen Staates, übernommen hat, kann in diesem anderen Staat der von ihm übernommenen Haftung gegenüber dem Mündel nicht entgehen. O b die Details der Haftung aus der Vormundstellung in dem Staat, der den Vormund bestellt hat, unter Heranziehung der Vorschriften über die Haftung aus einem vertraglich begründeten Rechtsverhältnis beurteilt werden, oder ob besondere Regeln dafür bestehen, oder ob auf die Haftung die Bestimmungen über die deliktische Haftung analog angewendet werden, ändert nichts daran, daß das Recht des ernennenden Staates anzuwenden ist. Von nicht unerheblicher Bedeutung ist die Frage, welche Verknüpfungen erforderlich sind, damit ein Staat ein solches Rechtsverhältnis, wie das des Vormundes zum Mündel, gegen den Willen des Betreffenden begründen kann, wobei es keinen Unterschied macht, 592
Haftung gesetzlicher Vertreter
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ob eine ausdrückliche Zustimmungserklärung des Betreffenden durch Beugezwangsmaßnahmen herbeigeführt wird, oder ob seine Zustimmung als abgegeben fingiert wird. Während Staatsangehörigkeit und Wohnsitz (auch gewöhnlicher Aufenthalt) des zu Verpflichtenden als Inlandsverknüpfung sicher ausreichen, ist es z. B. höchst zweifelhaft, ob ein Staat außer den Eltern ausländische und im Ausland lebende Verwandte eines Kindes zur Übernahme der Vormundschaft (oder der Sorgegewalt und der Verwaltung des Kindesvermögens) verpflichten darf, auch wenn der betreffende Staat in der Lage wäre, Beugezwang etwa gegen das im Inland befindliche Vermögen einer solchen Person auszuüben. Ubernehmen ausländische Verwandte freiwillig die ihnen nach dem Personalstatut des Kindes kraft Gesetzes obliegende Stellung als Gewaltinhaber, so kann der Urheberstaat dieser Bestimmungen auch seine Haftungsvorschriften zur Anwendung bringen. Selbstverständlich ist es denkbar, daß entfernte Verwandte die ihnen nach dem Heimatrecht des Kindes obliegenden Verpflichtungen gar nicht auf Grund einer Unterwerfung unter dieses Recht wahrnehmen wollen, sondern daß sie sich nur als freiwillige Pflegeeltern betrachten, so etwa, wenn die deutsche mütterliche Großmutter für ein Kind sorgt, für das sie vom Standpunkt des Heimatstaates des Kindes und seines Vaters her Personensorgegewalt des Islamrechts ausüben „müßte". Während sich die Zivilrechtsdogmatik mit der komplexen Rechtsnatur der elterlichen Gewalt, wie sie in vielen Privatrechten vorgesehen ist, abfindet, ist für das internationale Privatrecht die Unterscheidung zwischen dem Monopolrecht der Sorgegewalt, den Verwaltungs- und Vertretungsbefugnissen in bezug auf das Vermögen, und schließlich der Verpflichtung zur Wahrung der Interessen des Kindes bei der Ausübung dieser Befugnisse, die wiederum eine Haftung für Verletzungen zur Folge hat, unvermeidlich. Angesichts dessen, daß den Eltern eine Pflicht zur richtigen Ausübung der ihnen zustehenden Sorgegewalt obliegt, scheint es unproblematisch, daß ihre Haftung zu Schadensersatz aus mangelhafter Ausübung demselben Recht untersteht, das ihnen die Sorgegewalt usw. verschafft hat. Zu beachten ist jedoch, daß die im Recht des Handlungsortes bestehenden Sätze über unerlaubte Handlungen meist jedem, der tatsächlich Sorgegewalt, sei es im guten Glauben an sein Recht, sei es bösgläubig, ausübt, dieselben Pflichten und Haftungen auferlegen, wie sie im Inlandsrecht des betreffenden Staates für den rechtmäßigen Inhaber der Sorgegewalt gelten. Es ist dann schwer zu rechtfertigen, daß an Ausländer, die im Inland Sorgegewalt über ausländische Kinder auf Grund ausländischen Rechts ausüben, geringere Anforderungen gestellt und schwächere Sanktionen angewendet werden 1 4 2 . Bei der Zuweisung der Verpflichtung gesetzlicher Vertreter zur Wahrung der Interessen des Vertretenen bei der Eingehung von obligatorischen Geschäften für den Vertretenen ist davon auszugehen, daß bei der gewillkürten Stellvertretung auf das Innenverhältnis zwischen dem Stellvertreter und dem Vertretenen ein anderes Recht maßgebend sein kann, als für die Wirkungen der Vollmacht gegenüber Dritten. Sieht aber das Wirkungsstatut der gesetzlichen Geschäftsvollmacht von Angestellten eines Kaufmanns usw. einerseits eine breite Vertretungsmacht, andererseits eine intensive Haftung des Angestellten für fehlerhafte Ausübung dieser Vertretungsmacht vor, so kann dies nicht unbeachtet bleiben, wenn ein anderes Recht Geschäftsstatut für das Anstellungsverhältnis ist. Ähnliche Erwägungen sind bei dem gesetzlichen Vertreter von Geschäftsunfähigen am Platze 1 4 3 . Anhang: Geltendes Recht in der Bundesrepublik für rechtsgeschäftlich begründete Schuldverhältnisse des Vermögensrechts Da das EGBGB eine gesetzliche Regelung nur bezüglich der Teilfragen der Form 1 4 4 und der Geschäftsfähigkeit 1 4 5 enthält, war die Rechtsprechung nach 1900 zunächst frei, sonstige Zuweisungsnormen für das auf Schuldverhältnisse anwendbare Recht zu entwikkeln. Nach anfänglichen Versuchen, bei gegenseitigen Verträgen, die ja praktisch im Vor593
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Geltendes Recht in der Bundesrepublik
dergrund stehen, von vornherein nur nach dem „Schuldstatut" für die Verpflichtungen der einzelnen Partei zu fragen, steht heute fest, daß mit der Zuweisungsnorm in erster Linie ein Recht zu ermitteln ist, das im Zweifel für alle Fragen aus dem ganzen Rechtsgeschäft anwendbar ist. Abweichende gesetzliche Regelungen gelten nur für die pflichtbegründenden Geschäfte des Familien- und Erbrechts. Für die Begründung vermögensrechtlicher Verpflichtungen durch Rechtsgeschäft, insbesondere Vertrag, in heterogen verknüpften Fällen wird von der Rechtsprechung 1 4 5 " die ausdrückliche Wahl des Geschäftsstatuts einschließlich seiner zwingenden Vorschriften im Prinzip anerkannt. Es wird dabei unterstellt, daß es mangels dieses subjektiven Anknüpfungsmoments ein gesetzliches Geschäftsstatut gibt 1 4 6 , das vermittels objektiver Verknüpfungen zu bestimmen ist. Daß die bewußte Schaffung von Auslandsverknüpfungen bei einem sonst homogen verknüpften Geschäft, um die Möglichkeit der Rechtswahl zu erhalten, als fraudulös zu betrachten ist, ist der deutschen Rechtsprechung fremd. Desgleichen ist ihr der Gedanke fremd, daß bei „fast homogener" Verknüpftheit eine Rechtswahl entfallen sollte. Daß die Rechtswahl auf solche Rechte beschränkt ist, mit denen das Geschäft Verknüpfungen aufweist, wird von der Rechtsprechung ebenfalls nicht gefordert; die Generalklausel des Gesetzes über allgemeine Geschäftsbedingungen, wonach eine ausdrückliche Rechtswahl beim Fehlen eines „anerkennenswerten Interesses" nicht maßgeblich ist 1 4 7 , dürfte auch dann gelten, wenn die Rechtswahlklausel nicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist. Die Wahl des Geschäftsstatuts, die im Zusammenhang mit der Errichtung des materiellen Geschäfts erfolgt, hat unter allen Umständen den Gültigkeitserfordernissen bezüglich Willensfreiheit und Geschäftsfähigkeit zu genügen, die das deutsche Recht stellt, wenn es das deutsche Recht ist, das zum Geschäftsstatut gewählt wird. Wird ein ausländisches Geschäftsstatut gewählt, so ist für die Gültigkeit des Rechtswahlgeschäfts, vorbehaltlich der ordre public-Klausel, nach wohl herrschender Meinung das ausländische Recht maßgebend; für die Geschäftsfähigkeit bei der Rechts wähl gilt allerdings dasselbe wie für die Geschäftsfähigkeit bezüglich des materiellrechtlichen Geschäfts. Aus der Rechtsprechung geht mit ziemlicher Sicherheit hervor, daß die für das materiellrechtliche Geschäft erforderliche Form jedenfalls dann nicht notwendig ist, wenn deutsches Recht zum Geschäftsstatut gewählt wird 1 4 8 . Inwieweit bei einer Wahl eines ausländischen Geschäftsstatuts anstelle des deutschen gesetzlichen Geschäftsstatuts, oder anstelle eines zum gesetzlichen Geschäftsstatut berufenen ausländischen Rechts, die Gültigkeit der Rechtswahl auch nach den Bestimmungen des abgewählten gesetzlichen Geschäftsstatuts zu beurteilen ist, ist nie ausdrücklich geklärt worden. Bezüglich der Geschäftsfähigkeit und der Form dürfte dieselbe Sonderanknüpfung durchgeführt werden, wie sie bei der Wahl deutschen Rechts gilt. Eine Unterscheidung zwischen einer „stillschweigend", d. h. nicht ausdrücklich formulierten RechtswaW 1 4 9 und dem übereinstimmenden Glauben an die Geltung eines bestimmten Rechts in seiner Eigenschaft als gesetzliches Geschäftsstatut ist der deutschen Rechtsprechung fremd; sie ist ohnehin geneigt, bei Symptomen für den übereinstimmenden Glauben an die Maßgeblichkeit eines bestimmten Rechts einen Willen zur Wahl dieses Rechts anzunehmen. Die übereinstimmende Berufung der Parteien im Prozeß auf ein bestimmtes Recht — insbesondere auf die deutsche lex fori — scheint als eine solche nachträgliche Rechtswahl verstanden zu werden und wird als zulässig betrachtet 1 5 0 . Mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Rechtswahl im Zusammenhang mit der Geschäftserrichtung, und mangels nachträglicher Rechtswahl im Prozeß, stellt die Rechtsprechung übereinstimmend die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen, d. h. die Frage nach dem Ergebnis einer hypothetischen Rechtswahl durch die Parteien bei der Geschäftserrichtung 151 . Diese hypothetische Rechtswahl wird jedoch nicht anders verstanden, als die Frage nach der Ermittlung der gewichtigsten Kombination der objektiven 594
Form und Geschäftsfähigkeit
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Verknüpfungen im Einzelfall. Das bedeutet, daß nicht etwa geprüft wird, welches Recht die Parteien angesichts ihrer relativen Verhandlungsstärke und ihrer Interessen an dem Inhalt des einen oder des anderen wählbaren Rechts bei einer ausdrücklichen Rechtswahl vermutlich vereinbart hätten. Daher nimmt die Rechtsprechung unter Umständen auch die hypothetische Wahl eines Rechts an, unter dem sich der geplante Vertrag als ungültig erweist, und wendet das betreffende Recht dann auf Bereicherungsansprüche u. ä. a n 1 5 2 . Der B G H hält es für möglich, daß die Frage nach der hypothetischen Rechtswahl zu keiner Antwort führt, obwohl die Fälle, in denen dies angenommen wird, sehr selten sind. Dann soll auf die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückzugehen sein, welche einen für alle Parteien gemeinsamen Erfüllungsort als Anknüpfungsmoment für das ganze Geschäftsstatut betrachtete, und welche die für die Parteien eines gegenseitigen Vertrags maßgebenden unterschiedlichen Erfüllungsorte heranziehen wollte, um für die Verpflichtungen einer jeden Partei das Schuldstatut zu bestimmen 1 5 3 . Ausdrücklich abgelehnt wird vom BGH, daß der Wohnsitz des Schuldners der charakteristischen Leistung das anwendbare Recht für das ganze Geschäft bestimmt 1 5 4 . Während die Zuweisung auf Grund ausdrücklichen oder hypothetischen Parteiwillens als eine unbedingte Sachnormverweisung verstanden w i r d 1 5 5 , wird die subsidiäre Verweisung auf den Erfüllungsort als Gesamtverweisung aufgefaßt 1 5 6 . Nicht entschieden ist, ob bei Wahl eines ausschließlichen Gerichtsstandes in einem Land, ohne gleichzeitige ausdrückliche Wahl des Geschäftsstatuts, die hypothetische Wahl des Rechts des Gerichtsstandes als eine Gesamtverweisung verstanden werden kann. Die gesetzlichen Zuweisungsnormen über Form und Geschäftsfähigkeit im EGBGB sind so gefaßt, daß sie sich sowohl auf Schuldverträge als auch auf alle anderen Rechtsgeschäfte beziehen, soweit nicht für bestimmte Geschäftsarten speziellere Vorschriften gelten. Die Kollisionsnormen des EGBGB bezüglich Form und Geschäftsfähigkeit werden auf jeden Fall bei Schuldverträgen von der herrschenden Meinung in Deutschland im Sinne der Mosaikmethode verstanden, d. h. die Sonderzuweisung für diese Teilfragen wird nicht beschränkt auf diejenigen Fälle, in denen deutsches Recht Geschäftsstatut ist. Bezüglich der Formgültigkeit 1 5 7 sollen die Bestimmungen des Geschäftsstatuts und des Geschäftserrichtungsortes 1 5 8 alternativ, d. h. zugunsten der Gültigkeit des Geschäfts, maßgebend sein 1 5 9 . O b beide Verweisungen, oder ob Zumindestens die Verweisung auf das Geschäftsstatut als Gesamtverweisung oder als unbedingte Sachnormverweisung zu verstehen sind, ist auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt geblieben. Wohl aber hat der B G H in einer Wahl (einschließlich einer stillschweigenden) des deutschen Rechts als Geschäftsstatut eine Abwahl der in Deutschland alternativ berufenen lex loci actus sehen wollen 1 6 0 . Offen bleibt, ob dies auch bei einer Wahl eines ausländischen Rechts zum Geschäftsstatut gilt. Daß die Ausschaltung der lex loci actus bezüglich der Form auch bei hypothetischer Rechtswahl gilt, ist nicht anzunehmen. Bezüglich der allgemeinen Geschäftsfähigkeit ergibt sich aus dem EGBGB, daß sie sicher nicht nach dem Geschäftsstatut zu beurteilen ist, soweit nicht das Heimatrecht der betreffenden Person selbst auf das Geschäftsstatut verweist. Grundsätzlich maßgebend bezüglich der allgemeinen Geschäftsfähigkeit ist das Heimatrecht; die Verweisung auf das Heimatrecht wird als Gesamtverweisung gedeutet, d. h. eine Rück- und Weiterverweisung ist zu beachten 1 6 1 . Die einseitige Kollisionsnorm in Art. 7 (3) S. 1 EGBGB führt aber dazu, daß bei Geschäftserrichtung auf deutschem Staatsgebiet 1 6 2 bezüglich der Geschäftsfähigkeit von Ausländern eine alternative Anwendung deutschen Rechts — also zugunsten der Bejahung der Geschäftsfähigkeit — stattzufinden hat, ohne daß dies davon abhängt, welche Staatsangehörigkeit die andere Partei hat, und ob sie über die Staatsangehörigkeit der Partei, deren Geschäftsfähigkeit fraglich ist, unterrichtet war. Eine Erweiterung dieser gesetzlichen Regelung auf die Geschäftserrichtung durch Deutsche im Ausland, oder auf 595
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Vertragsschluß durch gesetzliche Vertreter
die Geschäftserrichtung durch Ausländer in einem anderen Land als ihrem Heimatstaat oder Deutschland, wird abgelehnt. Als spezialrechtliche Vorschrift des deutschen Rechts ist Art. 7 (2) E G B G B zu verstehen, wonach eine nach ausländischem Recht mit einem bestimmten Alter oder durch Volljährigkeitserklärung erworbene volle allgemeine Geschäftsfähigkeit beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit weiterbesteht, auch wenn die Alterserfordernisse des deutschen Rechts nicht erfüllt sind 1 6 3 . Als Spezialrechtssatz des deutschen Rechts ist Art. 7 (2) nicht auf den Fall des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit auszudehnen, wenn nicht der neue Heimatstaat selbst eine entsprechende Bestimmung hat 1 6 4 . Soweit die allgemeine Geschäftsfähigkeit eines Volljährigen nicht ohnehin kraft des maßgeblichen Gesetzes wegen Geisteskrankheit u. ä. hinfällig wird, führt sicher eine Entmündigung durch den mit seinem Recht anwendungswilligen Heimatstaat, oder durch einen vom Heimatstaat anerkannten Staatsakt eines anderen Staates, dazu, daß die betreffende Person in Deutschland als gemäß ihrem Heimatrecht geschäftsunfähig zu betrachten ist. Der nach seinem Heimatrecht Entmündigte kann auch nicht mehr, wenn er in Deutschland Geschäfte errichtet, als nach den „deutschen Gesetzen" geschäftsfähig gelten, weil er nicht auch in Deutschland entmündigt worden ist 1 6 5 . Unbeschadet dessen kann ein Ausländer auch bei deutschem Wohnsitz, und, mangels eines Wohnsitzes, bei einfachem Aufenthalt in Deutschland, gemäß deutschem Recht durch deutsche Gerichte entmündigt werden 1 6 6 und gilt dann für ein deutsches Gericht sowohl bei einer Geschäftserrichtung im Inland, als auch bei einer Geschäftserrichtung im Ausland als geschäftsunfähig, genauso wie ein nach deutschem Recht kraft Gesetzes nicht geschäftsfähiger Deutscher. In Erweiterung der Bestimmung des Art. 8 E G B G B wird auch eine Entmündigung eines Deutschen am ausländischen Wohnsitz unter ausländischem Recht wie eine Entmündigung in Deutschland behandelt, wenn das ausländische Recht im wesentlichen mit dem deutschen Recht, insbesondere bezüglich der Entmündigungsgründe, übereinstimmt 167 . Weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung ist klar zum Ausdruck gekommen, daß dasselbe Recht, auf Grund dessen jemand als nicht geschäftsfähig gilt, jedenfalls den Ausgangspunkt dafür darstellt, wie die Frage zu beantworten ist, ob der Betreffende an bestimmten durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnissen überhaupt nicht teilnehmen kann, oder ob die Wirksamkeit seiner eigenen Willenserklärungen aufschiebend bis zur Volljährigkeit von einer Bestätigung oder Verwerfung bedingt ist, oder ob die betreffende Person mit Zustimmung oder Genehmigung des Gerichts oder eines privaten „gesetzlichen Vertreters" an der Geschäftserrichtung teilnehmen kann, oder ob gar ein gesetzlicher Vertreter allein für sie an einem schuldbegründenden Geschäft teilnehmen kann. Eine verbreitete Meinung geht in Deutschland dahin, daß dessen „Fähigkeit" zur Bindung eines nicht voll Geschäftsfähigen durch pflichtbegründende Rechtsgeschäfte aus einem vermittels einer besonderen Zuweisungsnorm zu bestimmenden Recht hervorgehen kann, auch wenn dasjenige Recht, auf Grund dessen die Geschäftsunfähigkeit anzunehmen ist, die Vertretungsbefugnis jener Person gar nicht anerkennt. Eine selbständige Zuweisung der Vertretungsmacht für minderjährige Kinder wird vielfach darin gesehen, daß zu dem „Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind" auch eine solche gesetzliche Vertretung gehört, und daß das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind gemäß Art. 19 E G B G B nicht durch das Heimatrecht des Kindes, sondern im Prinzip durch das Heimatrecht des ehelichen Vaters (und nach dessen Tod durch das Heimatrecht der ehelichen Mutter) beherrscht werde 1 6 8 . Beim unehelichen Kind tritt anstelle des Vaters die Mutter; die Zuweisungsnorm des Art. 20 E G B G B ist dabei zu einer bilateralen Kollisionsnorm erweitert worden, wird aber bei Verweisung auf ausländisches Recht als Gesamtverweisung verstanden. O b eine entgegen dem auf diese Weise ermittelten Recht vom Heimatstaat des unehelichen Vaters beanspruchte Anwendbarkeit seines Rechts 596
Vertragsschluß durch gesetzliche Vertreter
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bezüglich der Vertretungsgewalt des Vaters vor einem deutschen Gericht Beachtung finden kann, wenn das Heimatrecht des unehelichen Vaters die Rechtsstellung des unehelichen Kindes der des ehelichen Kindes mehr oder weniger annähert, muß als offen betrachtet werden. Für die in diesen Zusammenhängen wichtige Frage, ob das Kind als ehelich bzw. legitimiert, oder als nichtehelich zu gelten hat, und für die weitere Frage, ob die „Ehelichkeit" von dem Bestehen einer gültigen oder scheingültigen Ehe der Eltern abhängt, und schließlich für die Frage, welches Recht auf diese Teil- und Vorfragen heranzuziehen i s t 1 6 9 , herrschen in der Rechtsprechung immer noch beträchtliche Unklarheiten. Es kann sicher nicht gesagt werden, daß die deutsche Rechtsprechung sich dahin entschieden hätte, alle diese Dinge im Sinne der Grundstatutsmethode jedenfalls grundsätzlich vom Standpunkt derjenigen Rechtsordnung aus zu sehen, von welcher die Unfähigkeit des Kindes zu rechtswirksamen eigenem rechtsgeschäftlichen Handeln als begründet gilt. Durch selbständige Zuweisung werden auch diejenigen Rechtssätze ermittelt, auf Grund deren eine kraft Gesetzes bestehende Vertretungsbefugnis der Eltern für geschäftsunfähige Kinder beseitigt, und an deren Stelle die Vertretungsbefugnis eines anderen gesetzlichen Vertreters gesetzt werden kann. Soweit in solchen Maßnahmen eine „Schutzmaßnahme" im Sinne des Haager Abkommens zu sehen ist, gilt für die Zuständigkeit der deutschen Behörden und das von ihnen anzuwendende Recht dasselbe, wie bei der Entziehung des Personensorgerechts 1 7 0 . Mit der Regelung des Haager Abkommens ist die Anwendbarkeit des Heimatrechts des geschäftsunfähigen Kindes in diesen Fällen nur gesichert, wenn die Behörden des Heimatstaates selbst tätig werden. Ist das nicht der Fall, so entsteht die in der Rechtsprechung nie ausdrücklich geklärte Frage, ob Deutschland als Staat des gewöhnlichen Aufenthalts durch Einsetzung eines Vormundes auch die Bestimmungen des deutschen Rechts betreffend die Fähigkeit des Vormundes, als gesetzlicher Vertreter das Kind durch Schuldverträge, die in seinem Namen eingegangen werden, zu binden, anwendbar machen kann; das ist zweifelhaft, wenn das Heimatrecht des Kindes (wie z. B. das englische Recht) eine „Auffüllung" seiner Geschäftsunfähigkeit zur Eingehung von Schuldverträgen durch gesetzliche Vertreter gar nicht vorsieht. Dieselben Fragen stellen sich, wenn außerhalb des Haager Abkommens nach deutschem Recht in Deutschland eine allgemeine Vormundschaft oder Abwesenheitspflegschaft für einen geschäftsunfähigen Ausländer eingerichtet wird. Die Möglichkeit hierfür besteht, wenn der Ausländer bei inländischem Wohnsitz gemäß deutschem Recht entmündigt worden ist, oder wenn ein nicht geschäftsfähiger Ausländer in Deutschland der Fürsorge bedarf und in seinem Heimatstaat keine Maßnahmen zu diesem Zweck getroffen werden 1 7 1 . Kann nach dem Heimatrecht des Geschäftsunfähigen ein im Heimatstaat anerkannter gesetzlicher Vertreter den Geschäftsunfähigen durch Rechtsgeschäft binden, und ist nicht eine andere Person als Vormund in Deutschland bestellt worden, so wird die Haftbarmachung des deutschen Vermögens des Geschäftsunfähigen aus dem Rechtsgeschäft anerkannt 1 7 1 3 . Daß im deutschen internationalen Privatrecht bei Schuldverträgen nur für die Fragen der Geschäftsfähigkeit und der Form Vorschriften aus anderen Rechten als dem des Geschäftsstatuts heranzuziehen sind, kann nicht grundsätzlich bejaht werden. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat die Rechtsprechung für einzelne zwingende Sätze des deutschen Rechts Anwendbarkeit ohne Rücksicht darauf bejaht, daß ein ausländisches Recht kraft Rechtswahl oder kraft Gesetzes Geschäftsstatut ist. Es gilt dies zunächst für solche spezialrechtlichen Bestimmungen der deutschen Gesetzgebung, welche die Einholung einer Genehmigung zum Abschluß bestimmter heterogen verknüpfter Verträge vorschreiben, und an das Fehlen der Genehmigung die Ungültigkeit oder Unklagbarkeit des Geschäfts anknüpfen. Aber auch für einzelne andere zwingende Sätze des Inlandsrechts ist aus dem 597
§20
Verpflichtung zu strafbaren Handlungen
Zweck der einzelnen Bestimmung wiederholt gefolgert worden, daß auch bei ausländischem Geschäftsstatut, sofern nur bestimmte Inlandsverknüpfungen gegeben sind, entweder die Ungültigkeit des ganzen Vertrages oder die Ersetzung einzelner unzulässiger Geschäftsinhalte durch das zwingende deutsche Gesetzesrecht anzunehmen i s t 1 7 2 . Sichere Vorstellungen darüber, bei welchen zwingenden Sätzen des deutschen allgemeinen Schuldrechts das ausländische Geschäftsstatut nicht maßgebend ist, und auf Grund welcher Inlandsverknüpfungen eine Anwendung der zwingenden deutschen Vorschriften zu erfolgen hat, hat die Rechtsprechung noch nicht entwickelt 1 7 3 . N o c h weniger besteht Klarheit darüber, wann einzelne Sätze des ausländischen zwingenden Rechts vorrangig vor dem deutschen oder ausländischen Geschäftsstatut anwendbar sind. Daß durch ausländische Maßnahmen die Erfüllung vertraglich übernommener Verpflichtungen im Sinne des deutschen oder ausländischen Geschäftsstatuts objektiv unmöglich gemacht werden kann, oder daß die Wirkung solcher Bestimmungen einer Unmöglichmachung gleichzustellen ist, ist unbezweifelt 1 7 4 . In solchen Fällen hat die Rechtsprechung zum Teil eine Anpassung des Vertragsinhalts in dem Sinne vorgenommen, daß anstelle des Erfüllungsortes, wo die Leistung unmöglich ist, ein anderer Erfüllungsort tritt 1 7 5 . Für den besonderen Fall, daß die zur Erfüllung einer vereinbarten Leistungsverpflichtung erforderliche Handlung schon zur Zeit der Vertragserrichtung, insbesondere am Erfüllungsort, unter Strafe verboten ist, operiert die Rechtsprechung in einer nicht zu billigenden Weise mit § 134 und § 138 B G B : Aus § 134 B G B soll die Ungültigkeit des Vertrages ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut hergeleitet werden, wenn die Erfüllungshandlung von einem anwendungswilligen Verbot des deutschen Rechts erfaßt wird, immer vorausgesetzt, daß die einzelne deutsche Vorschrift auch die in § 134 B G B generell vorgesehene Ungültigkeit der Verpflichtung zu der verbotenen Handlung aufrechterhalten will. Ausländische Verbote der Erfüllungshandlung, auch wenn sie nicht vom Geschäftsstatut ausgehen 1 7 6 , sollen in Deutschland auf dem Wege über § 138 B G B zur Annahme der Vertragsungültigkeit führen können. Als sittenwidrig betrachtet die Rechtsprechung vor allem die Begründung einer Verpflichtung zur Verletzung solcher Vorschriften eines ausländischen Rechts, deren Befolgung letztlich auch einem deutschen staatlichen Interesse dienen w ü r d e 1 7 7 . Was deutsches staatliches Interesse ist, wird dabei nach den Auffassungen des jeweiligen Regimes beurteilt; diese Auslegung des § 138 B G B dürfte allerdings eine Verkennung des Begriffs der Sittenwidrigkeit sein 1 7 8 . Unbeachtet geblieben ist in der Rechtsprechung die Frage, ob nicht auch untersucht werden muß, ob das ausländische Recht, welches die Erfüllungshandlung verbietet, selbst die Übernahme einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung dazu als ungültig behandelt wissen will 1 7 9 . Staatsvertragliche Verpflichtungen der Bundesrepublik bestehen in bezug auf die Anwendung ausländischer Devisengesetze; sie beziehen sich auch auf die Art der Wirkungen, die eine Verletzung ausländischen Devisenrechts zur Folge hat 1 8 0 . Davon, daß der Inhalt von Art. 7 des E W G E n t w u r f s 1 8 1 als eine Kodifikation dessen anzusehen sei, was in Deutschland bereits anerkanntes ungeschriebenes Recht ist, kann nicht die Rede sein. Während der B G H anerkannt hat, daß die Parteien die Rechtswirksamkeit ihres Vertrages für ein bestimmtes Land ausschließen können, indem sie die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates vereinbaren, dessen Urteile in jenem Land nicht anerkannt werden 1 8 2 , ist ein erster Anfang zur Anerkennung des Rechtes eines Staates aus Gründen rechtspolitischer Zweckmäßigkeit, Rechtsschutz im Inland für gewisse Verträge des ausländischen Rechts auszuschließen, ohne die abweichende Haltung anderer Staaten zu mißbilligen, darin zu sehen, daß bei Verträgen, die gegen ausländisches Devisenrecht verstoßen, unter dem Bretton Woods-Abkommen nur eine verfahrensrechtlich qualifizierte zeitweise Uneinklagbarkeit angenommen wird. 598
Arten der Ehe
§21
Vereinheitlichtes materielles Spezialrecht für heterogen verknüpfte Schuldverträge gilt in der Bundesrepublik in Gestalt der einheitlichen Gesetze über den internationalen Kauf beweglicher Sachen und über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen vom 17. 1. 1973, der Verträge über internationalen Eisenbahnfracht- und -Personenverkehr vom 7. 2. 1970, und des Vertrages vom 19. 5. 1956 über Beförderungsverträge im zwischenstaatlichen Straß engüterverkehr.
§ 21. Das internationale Privatrecht der Eheschließung und der persönlichen Ehewirkungen a) Die verschiedenen Arten der Rechtsehe Obwohl zahlreiche Zivilgesetzbücher die Ehe als ein durch Vertragsschluß zu begründendes Rechtsverhältnis neben den anderen vertraglichen Rechtsverhältnissen aufführen, erfährt sie doch durchweg eine von den Schuldverhältnissen des Vermögensrechts so abweichende Regelung, daß auch das internationale Privatrecht für die Ehe ganz anders gestaltet ist als das internationale Privatrecht für sonstige Verträge. Während in den meisten Rechtsordnungen schon die Notwendigkeit einer qualifizierten Form der Eheschließung die Rechtsehe von den Verbindungen unterscheidet, bei denen eine Einigung über ein zeitlich nicht von vornherein beschränktes Zusammenleben sich gerade auf die Nichtbenutzung der Rechtsinstitution bezieht 1 , ist in denjenigen Ländern die Grenze schwer zu ziehen, wo auch die Rechtsehe allein durch einverständlichen Vollzug Zustandekommen kann 2 , oder wo der längere Zeit hindurch erfolgte Vollzug einer evidenten Nichtrechtsehe Anlaß sein kann, daß sie auf Antrag beider Partner, oder gar nur eines Partners, durch Staatsakt rückwirkend in eine Rechtsehe verwandelt werden kann 3 . In manchen Rechten werden der vollzogenen Nichtrechtsehe zwar keine Rechtswirkungen im Verhältnis zwischen den Partnern, wohl aber wichtige Nachwirkungen, z. B. für die Rechtsstellung der Kinder im Verhältnis zu den Eltern, für das Intestaterbrecht, oder für die Legitimation zu Schadensersatzansprüchen bei Verursachung der Erwerbsunfähigkeit eines Partners zugesprochen; hinzu kommt u. U. eine Gleichstellung solcher Verbindungen mit Rechtsehen für einzelne Zwecke des öffentlichen Rechts, z. B. Sozialversicherung. In anderen Rechten hingegen ist aus dem sogenannten Konkubinat vielfach eine zweite Art der Rechtsehe neben der eigentlichen Rechtsehe geworden 4 ; die „freie" Ehe unterscheidet sich von der „eigentlichen" Rechtsehe durch die Formlosigkeit der Begründung und die Zulässigkeit einer jederzeitigen einseitigen Auflösung, zieht aber während ihres Bestehens einklagbare Unterhaltspflichten, und bei grundloser Auflösung einklagbare Schadensersatzansprüche nach sich. Solche freien Ehen, wie sie einige lateinamerikanische Länder in ihrer Gesetzgebung kennen 5 , können als Rechtseinrichtung dann auch im internationalen Privatrecht anderer Länder nicht einfach ignoriert werden. Mehrere Arten von Rechtsehen gibt es auch, wenn ein Staat neben einer scheidbaren standesamtlich geschlossenen Ehe eine unscheidbare kirchlich geschlossene Ehe kennt 6 , die während ihres Bestehens die gleichen Rechtswirkungen mit Unterhaltsansprüchen usw., die vor staatlichen Gerichten eingeklagt werden können, auslöst wie die Ehe des „staatlichen Rechts". Ähnliches ist der Fall, wenn ein Staat in seinem Recht einerseits eine gesetzliche Regelung für religiös neutrale Ehen kennt, und andererseits den von den Angehörigen verschiedener religiöser oder sonstiger Gruppen gemäß ihrem Gruppenrecht geschlossenen Ehen Wirkungen im staatlichen Recht beilegt 7 . Viele Staaten kennen allerdings nur eine einzige Art der Rechtsehe in ihrem Inlandsrecht, und gerade die internationalprivatrechtliche Behandlung der „Ehe" in diesen Ländern ist vielfach so auf den Typ der in der lex fori vorgesehenen Rechtsehe ausgerichtet, 599
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Das „Geschäftsstatut" für die Ehe und die Mosaikmethode
daß diese Kollisionsnormen der Rechtslage in denjenigen Ländern nicht gerecht werden können, die mehrere Arten von Rechtsehen zulassen 8 . Ein weiterer wichtiger Unterschied im materiellen Recht ist der, daß einige Staaten ihre Bestimmungen über die Ehewirkungen in gewissem Umfang als dispositives Recht betrachten und abweichende Abmachungen, z. B. über Unterhalt, Zusammenleben, ja sogar über Eheauflösung als rechtsverbindlich ansehen, während in anderen Rechten solchen Abmachungen die Anerkennung versagt wird. b) Das „Geschäftsstatut" für die Ehe und die Mosaikmethode Die erwähnten Unterschiede in der Gestaltung des materiellen Rechts haben gewisse Reflexe im internationalen Privatrecht: Wo das Eherecht durchgängig zwingendes Recht ist, und überdies keine Wahl zwischen mehreren Ehearten in homogen verknüpften Situationen vorgesehen ist, lehnt man es ab, bei heterogenen Verknüpfungen das anwendbare Eherecht durch Rechtswahl bestimmen zu lassen, auch wenn dies bei anderen Verträgen zugelassen wird 9 . Da die Zuweisung an das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen gekennzeichnete Recht vielfach als Ermittlung des Ergebnisses einer hypothetischen Rechtswahl verstanden wird, findet sich auch dieser Weg zur Bestimmung eines „Geschäftsstatuts" für die Ehe wohl nirgendwo als geltendes Recht. Dem entspricht es, daß nur höchst selten einem eventuellen Wunsch der Eheschließenden, daß ihre Ehe Wirkungen nur in einigen Ländern, oder jedenfalls nicht in bestimmten anderen Ländern, hervorrufen solle, Rechnung getragen wird 1 0 . Soweit überhaupt die Konzeption eines nationalen Rechts als des Geschäftsstatuts für die Ehe eine Rolle spielt, bereitet die Bestimmung eines Anknüpfungsmomentes hier erhebliche Schwierigkeiten. Der naheliegende Gedanke, den „ehelichen" Wohnsitz (sei es den ersten, sei es den jeweiligen Wohnsitz) beider Ehegatten als Anknüpfungsmoment zu verwenden, ist zwar dem Recht einiger Staaten nicht fremd 1 1 , wird aber vor allem in den Ländern, die für die Fragen des Personalstatuts nicht auf den Wohnsitz, sondern auf die Staatsangehörigkeit abstellen, abgelehnt. Überdies entsteht, wenn der erste eheliche Wohnsitz das Geschäftsstatut der Ehe sein soll, die Schwierigkeit, wie sich der Standesbeamte, wenn er das auf Ehehindernisse anwendbare Recht festzustellen hat, Gewißheit darüber verschaffen soll, ob die Angaben der Eheschließenden über den von ihnen in Aussicht genommenen ehelichen Wohnsitz in einem bestimmten Land zutreffen 12 . Haben die Ehegatten bereits vor der Ehe eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, oder würden sie mit der Eheschließung gemeinsam die Staatsangehörigkeit eines Landes erwerben, von dessen Standpunkt aus die Ehe gültig ist, so wäre auch dieses Recht als das „Geschäftsstatut" der Ehe nicht ungeeignet. Bei verschiedener Staatsangehörigkeit könnte die inhaltliche Ubereinstimmung der Heimatrechte ausreichen. Sind die Heimatrechte jedoch inhaltlich verschieden, so bestehen vor allem der Gleichbehandlung der Ehegatten wegen Bedenken, insbesondere die Gültigkeit der Ehe dann allein nach dem Heimatrecht eines der Ehepartner (etwa des Mannes) zu beantworten; dieses Recht wäre also auch als „Geschäftsstatut" der Ehe ungeeignet. So erklärt sich die immer wieder anzutreffende Forderung, daß für jede vom „Geschäftsstatut" der Ehe zu beantwortende Frage eine bejahende Antwort sowohl im Heimatrecht des einen, als auch im Heimatrecht des anderen Ehepartners erforderlich sein soll. Eine solche kumulative Anwendung mehrerer Rechte, bzw. des von mehreren Staaten 1 3 in ihren Rechtsanwendungsanweisungen berufenen Rechts, auf die Gültigkeitsvoraussetzungen bei der Ehe bedeutet eine diskriminierende Erschwerung des Zustandekommens heterogen verknüpfter Ehen im Vergleich zur Bildung gültiger homogen verknüpfter Ehen. Eine kumulative Anwendung mehrerer Rechte auf die Pflichten zwischen den Ehegatten aus der Ehe führt auch leicht zu einem unharmonischen Gesamtbild der Ehewirkungen. 600
Das „Geschäftsstatut" für die Ehe und die Mosaikmethode
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Der Gedanke, nach einem Recht als dem Geschäftsstatut für die Ehe zu suchen, stößt schließlich offenbar auch deshalb auf Bedenken, weil damit, wenn ein wandelbares Anknüpfungsmoment verwendet wird, die Frage nach dem gültigen Zustandekommen der Ehe bei einem Wechsel des Geschäftsstatuts im Sinne der Grundstatutsmethode erneut, nämlich vom Standpunkt des jeweils letzten Geschäftsstatuts her, geprüft werden muß. Man könnte dann daran denken, das gültige Zustandekommen und die erstmaligen Wirkungen der Ehe nach einem bestimmten Recht als dem Geschäftsstatut zu beurteilen, aber bei einem Wechsel der Verknüpfungen zu einem späteren Zeitpunkt Einzelheiten der Ehewirkungen möglicherweise nach einem anderen Recht zu beurteilen, selbst wenn der Staat, der dieses Recht stellt, seinerseits das Bestehen der Ehe verneinen sollte. So kommt es schließlich in vielen staatlichen Kollisionsrechten dazu, daß die Zuweisungsnormen, mit denen die auf die Ehe anwendbaren Rechtsvorschriften gefunden werden, im Sinne der Mosaikmethode gestaltet werden. Man unterscheidet dann gerne zwischen Rechtsanwendungsanweisungen betreffend die Wirkungen der Ehe — wobei wieder oft die güterrechtlichen Wirkungen von den sonstigen („persönlichen") Ehewirkungen unterschieden werden —, den Sätzen über die Formgültigkeit der Ehe, und Sätzen über die in persönlichen Eigenschaften der Eheschließenden bestehenden Voraussetzungen der materiellen Gültigkeit der Eheschließung; hinzu kommen dann Versuche, auch die sonstigen Bestimmungen über das Zustandekommen der Ehe als Rechtsverhältnis gesondert diesem oder jenem Recht zu entnehmen. Vor allem wird dann auch die Frage nach der Auflösung der Ehe durch andere Vorgänge als den Tod eines Ehegatten, gesondert und abweichend von der Frage nach den Wirkungen der bestehenden Ehe, angeknüpft. Bei Verwendung der Mosaikmethode finden sich als gebräuchliche Anknüpfungsmomente neben dem Errichtungsort der Ehe meist die für das Personalstatut entscheidenden Verknüpfungen der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes, evtl. auch des gewöhnlichen Aufenthalts. Bei Annahme eines „Geschäftsstatuts" für die Ehe entsprechend der Grundstatutsmethode wäre es einem grundsätzlich selbst anwendungswilligen Geschäftsstatut für die Ehe zu überlassen, andere Rechte zur Beantwortung einzelner Teilfragen heranzuziehen und zu bestimmen, ob sie nur mit ihrem, oder eventuell auch gegen ihren Willen, zur Anwendung gebracht werden sollen. Wird das Kollisionsrecht für die Ehe im Sinne der Mosaikmethode ausgestaltet, so sind die Chancen, mangels vertraglicher Vereinheitlichung aller Zuweisungsnormen bei Anwendungsunwilligkeit eines im Forumstaat für eine bestimmte Frage berufenen Rechts, insbesondere durch Deutung der Zuweisung auf ausländisches Recht als Gesamtverweisung, dahin zu gelangen, daß in allen verknüpften Staaten das gleiche Recht in Übereinstimmung mit dem Anwendungswillen seines Urhebers zur Anwendung gelangt, außerordentlich gering. Während in Mehrrechtsstaaten mit unterschiedlichen religiösen oder sonstigen Gruppenrechten manchmal ein Spezialrecht für gemischte Ehen gebildet wird, soweit nicht ohnehin Wahlmöglichkeit zwischen einem uniformen staatlichen Eherecht und dem Eherecht verschiedener Gruppen besteht, gibt es derzeit keinerlei Ansatz für die Bildung eines international uniformen Spezialrechts für heterogen verknüpfte Ehen. Nationales Spezialrecht findet sich fast nur in Gestalt von zusätzlichen Ehehindernissen für national gemischte Ehen. c) Das auf Ehehindernisse in Gestalt persönlicher Eigenschaften der Eheschließenden anwendbare Recht Wollte dasjenige Land, in dem sich der Eheschließungsort oder der erste gemeinsame eheliche Wohnsitz befindet, seinem eigenen Recht die Bestimmungen über die in der 601
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Ehehindernisse
Person der Eheschließenden liegenden Hindernisse entnehmen, so wäre die Anwendung dieses Rechts auf Ehehindernisse in Gestalt von Eigenschaften der Person des einen oder anderen Ehegatten selbstverständlich. Auch wenn ein Heimatstaat derartige Bestimmungen allein seinem Recht entnehmen will, so können sicher ebenfalls sämtliche Bestimmungen des so berufenen Rechts über die erwähnten Ehehindernisse so ausgelegt werden, daß jedem der Eheschließungswilligen, wenn er die Eigenschaft selber hat, die Ehe unmöglich gemacht werden soll, aber auch wenn er die Ehe mit einer anderen Person, die eine ehehindernde Eigenschaft hat, schließen will; haben die Ehewilligen verschiedene Staatsangehörigkeit, so ändert das nichts daran, daß ein Heimatstaat, der mit Rücksicht auf die inländische Staatsangehörigkeit des einen der Eheschließenden sein Recht zur Anwendung bringen lassen will, alle seine Ehehindernisse zum Zuge kommen läßt, auch wenn es sich um persönliche Eigenschaften des anderen Ehepartners handelt. Werden die Rechte der beiden Heimatstaaten im Forumstaat zur Anwendung berufen, so führt das wieder zur Kumulation sämtlicher Ehehindernisse in beiden Rechten. Zu berücksichtigen sind dabei nicht nur Ehehindemisse des normalen Inlandsrechts, sondern auch Ehehindernisse spezialrechtlichen Charakters, welche z. B. die verschiedene Staatsangehörigkeit der Ehewilligen als Ehehindernis bezeichnen. Das soeben Ausgeführte gilt sowohl für Bestimmungen über Ehehindernisse, die nicht zu beseitigen sind, als auch für Bestimmungen über dispensable Ehehindernisse 14 . Offenbar ist es die Erwägung, daß mit der Kumulation von zwei Rechten das Zustandekommen „gemischter" Ehen vielfach sehr erschwert sein würde, welche den Gedanken aufkommen läßt, jeder der beiden Staaten, der sein Heimatrecht auf Ehehindernisse anwenden lassen will, obwohl nur einer der Eheschließenden sein Staatsangehöriger ist, könne einzelne Bestimmungen seines Rechts, welche eine persönliche Eigenschaft zum Ehehindernis erklären, bei gemischten Ehen nur dann als anwendbar erklären, wenn die Eigenschaft bei demjenigen vorliegt, der eigener Staatsangehöriger des Urheberlandes der Bestimmung ist. Falsch ist es zu glauben, daß aus dem „Wesen" eines Ehehindernisses zu entnehmen sei, ob es internationalprivatrechtlich als „einseitiges" oder „zweiseitiges" Ehehindernis zu handhaben ist 1 5 . Vielmehr sind alle im Inlandsrecht des Heimatstaates anzutreffenden Ehehindernisse im allgemeinen als zweiseitige Ehehindernisse zu verstehen, sofern nicht das positive Recht bestimmt, daß eine im Inlandsrecht vorgesehene ehehindernde Eigenschaft, wenn sie in der Person des ausländischen Partners anzutreffen ist, nicht als Ehehindernis wirken soll. Es handelt sich dann um einen spezialrechtlichen Rechtssatz. Soweit für einen Ausländer sein Heimatrecht bezüglich eines Ehehindernisses anzuwenden ist, ist also zu prüfen, ob das positive Recht des Heimatstaates selbst ein Ehehindernis als zweiseitiges oder einseitiges Ehehindernis gelten lassen will. Eine besondere Komplikation entsteht, wenn beide Heimat- bzw. Wohnsitzrechte von jedem der Eheschließungswilligen voraussetzen, daß er nicht durch eine andere noch nicht aufgelöste Ehe, oder eine Ehe, deren anfängliche Ungültigkeit nur nach gesonderter gerichtlicher Feststellung beachtlich ist, gebunden ist. Dieses Erfordernis wird vom anwendungswilligen Personalstatut einer Partei wohl stets bezüglich heider Parteien gestellt werden. Die Folge ist, daß die „Vorfrage" nach dem auf das gültige oder scheingültige Bestehen bzw. Fortbestehen einer Vorehe anwendbare Recht auch in einem anderen Forumstaat — insbesondere, wenn dort die Ehe geschlossen werden soll — zunächst einmal unter allen Umständen vom Standpunkt der beiden Personalstatuten, und damit unter Heranziehung des internationalen Privatrechts jedes dieser Staaten, zu prüfen ist. Nur wenn die Vorfrage vom Standpunkt beider Personalstatuten her verneint werden muß, kann die neue Ehe im Forumstaat gültig werden. Es ist also z. B. vom Standpunkt des Heimatrechts der Partei A u. a. zu prüfen, ob dort die in einem Staat B erfolgte Scheidung 602
Ehehindernisse
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der Vorehe des anderen Partners, der die Staatsangehörigkeit C hat, als gültig anerkannt wird, usw. Daneben aber erfordert die Sicherung der materiellen Harmonie in dem dritten Staat, in dem der Standesbeamte an der Eheschließung mitwirken soll, daß auch vom Standpunkt des dort anwendbaren Rechts keine bestehende Vorehe mehr anzunehmen ist. Dieser Staat kann sich schlecht in eine Lage bringen lassen, daß seine Gerichte Ansprüchen gegen einen Partner einer ersten und einer zweiten monogamen Ehe sowohl „aus" der ersten als auch „aus" der zweiten Ehe stattgeben müßten. Daher ist es nicht zu begründen, daß die Scheidung der Vorehe durch die Gerichte des Eheschließungslandes, oder aber, daß die vom Standpunkt dieses Staates zutreffende Annahme, es sei gar keine Vorehe rechtsgültig zustandegekommen, auch bei Verwendung der Mosaikmethode ausreichen sollte, um das gültige Entstehen der zweiten Ehe in der Rechtsordnung des Eheschließungslandes, entgegen dem Standpunkt des einen oder des anderen Heimatstaates, zu bejahen 1 6 . Daran ändert sich auch nichts, wenn einer der beiden Heimatstaaten selbst das Eheschließungsland ist 1 7 . Daß der Standpunkt der beiden Heimatstaaten vorrangig ist, zeigt sich, wenn beide Heimatstaaten den Mangel der von ihrem Standpunkt aus anfänglich bigamen Ehe heilen lassen, falls vor gerichtlicher Geltendmachung des Mangels der (de facto vollzogenen) zweiten Ehe das Ehehindernis der Vorehe dadurch wegfällt, daß der Ehegatte der Vorehe verstirbt, oder daß die Vorehe schließlich doch in einer Weise geschieden wird, die sowohl in den Heimatstaaten der Partner der späteren Ehe, als auch in einem davon verschiedenen dritten Forumstaat anerkannt wird 1 7 3 . Dann sollte nicht dieser Forumstaat aus dem Umstand, daß die zweite Ehe, weil zur Zeit ihres Abschlusses die Vorehe vom Standpunkt des Forumstaates her noch bestand, und daß das Ehehindernis der Bigamie im Recht des Forumstaates nicht durch späteren Wegfall des auslösenden Grundes geheilt werden kann, folgern, daß die zweite Ehe nicht geheilt sei und als ungültig erklärt werden könne. Kommt es zu einer Prüfung von Ehehindernissen, welche die volle Gültigkeit der Ehe hindern, nach vollzogener Eheschließung — also im späteren Nichtigkeitsverfahren, oder wenn die Frage nach dem Bestehen der Ehe im Scheidungsprozeß oder als Vorfrage für die Legitimität von Kindern zu klären ist —, so kann der Forumstaat vernünftigerweise keine strengeren, d. h. die Gültigkeit behindernden, Regeln zugrunde legen, als sie der Standesbeamte dieses Staates bei der Mitwirkung an der Eheschließung hätte zugrunde legen müssen. Wohl aber ist das Umgekehrte nicht von vornherein abzulehnen; der Standesbeamte könnte angewiesen werden, die Mitwirkung an einer Eheschließung zu verweigern, welcher zwar nicht vom Standpunkt des im Eheschließungsland berufenen und anwendungswilligen Heimatrechts der Ehewilligen, wohl aber vom Standpunkt des ebenfalls anwendungswilligen Wohnsitzrechts ein Ehehindernis entgegensteht 18 . Eine Grenze findet diese Kumulation allerdings, wenn Staatsangehörige oder Bewohner des Staates beteiligt sind, in dem die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen werden soll: Ihnen kann die formgerechte Eheschließung nur verweigert werden, wenn trennende Ehehindernisse aus einem Recht vorliegen, das auch im Nichtigkeitsprozeß zur Anwendung käme. Daß Ehehindernisse in dem vom internationalen Privatrecht des Forumstaates berufenen ausländischen Recht nur dann beachtet werden sollten, wenn dieses Recht selbst angewendet werden will, entspricht den früher dargestellten allgemeinen Postulaten. Ist das berufene Recht nicht anwendungswillig, so führt es praktisch oft zu demselben Ergebnis, wenn die Verweisung auf das Recht des berufenen Landes als eine Gesamtverweisung gedeutet wird, bzw. wenn der Forumstaat eine subsidiäre Zuweisung vorsieht: Will das berufene Heimatrecht nicht angewendet werden, so verweist der Heimatstaat zumeist auf das Wohnsitzrecht, und auch eine subsidiäre Zuweisung des Forumstaates wird im allgemeinen den Wohnsitz zugrunde legen 1 9 . Immerhin ist es möglich, daß der Wohnsitzbegriff in der subsidiären Zuweisungsnorm des Forumstaates ein anderer ist als der vom interna603
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Die Form der Eheschließung
tionalen Privatrecht des Heimatstaates verwendete Wohnsitzbegriff. Sicher ist jedoch, daß, wenn überhaupt kein anwendungswilliges Recht da ist, nicht etwa angenommen werden kann, daß überhaupt keine Ehehindernisse bestünden 2 0 . Ist ein der lex fori bekanntes Ehehindernis in dem berufenen und anwendungswilligen Recht nicht vorhanden, und sieht man darin eine krasse Abweichung vom eigenen Recht, so bedarf es auf alle Fälle einer nicht unbedeutenden Binnenbeziehung, damit ein Gericht des Forumstaates aussprechen kann, daß die Ehe jedenfalls für die Rechtsordnung dieses Landes als ungültig oder vernichtet anzusehen sei; vorzuziehen ist es vielleicht, daß in einem solchen Fall nur die Uneinklagbarkeit von Ansprüchen aus der Ehe im Forumstaat angenommen, hingegen die Gültigkeit der Ehe als Vorfrage bejaht wird 2 1 . In dem umgekehrten Fall, daß das Bestehen eines Ehehindernisses im berufenen Recht als krasse Abweichung von der lex fori gilt, kann eine gerichtliche Feststellung der Ungültigkeit der Ehe im Statutsstaat wiederum nur bei einer starken Binnenbeziehung zum Forumstaat ignoriert werden; wird die Ehe im Statutsstaat auch ohne konstitutives Gerichtsurteil als nichtbestehend angesehen, so kann auch dies nur in seltenen Fällen in einem anderen Forumstaat unbeachtet bleiben 2 2 . Geht es darum, ob der inländische Standesbeamte die Ehe trotz des mit der ordre public-Klausel beanstandeten Ehehindernisses in dem maßgeblichen ausländischen Recht schließen darf, so darf nicht außer acht bleiben, daß bei der Ehe — anders als bei obligatorischen Verträgen des Vermögensrechts — der ausdrücklich geäußerte Wille der Parteien, daß die Ehe überhaupt nur in bestimmten Ländern staatlichen Rechtsschutz erhalten, in anderen hingegen als nichtbestehend gelten solle, meist als ein Mangel des richtigen Ehewillens betrachtet werden muß, und daß der Standesbeamte bei Kenntnis dieses Mangels seine Mitwirkung an der Eheschließung zu versagen hat. Dem müßte eigentlich gleichgestellt werden, wenn es evident ist, daß die beabsichtigte Ehe gerade in dem Land, dessen Recht für Fragen des gültigen Zustandekommens berufen ist, nicht als gültig betrachtet würde. Die Mitwirkung des Standesbeamten an einer Eheschließung unter Ignorierung eines ordre public-widrigen Ehehindernisses im maßgeblichen ausländischen Recht sollte daher nicht nur vom Bestehen einer Binnenbeziehung abhängig sein, sondern sollte nur erfolgen, wenn zu erwarten ist, daß die Ehegatten ihren ehelichen Wohnsitz im Staat des Eheschließungsortes oder einem anderen Land haben werden, wo die Ehe als gültig behandelt würde. d) Der Anwendungsbereich von Vorschriften über die Form der Eheschließung Arbeitet ein internationales Eherecht mit der Grundstatutsmethode, d. h. wird im Forumstaat ein staatliches Recht als das Geschäftsstatut der Ehe angesehen, und ordnet dieses Recht die alternative Heranziehung des Rechtes des Eheschließungsortes für die Frage nach der Formgültigkeit an, so kann die Ehe außerhalb des Gebietes des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, in den Formen des Geschäftsstatuts geschlossen werden, soweit nach den Formvorschriften des Geschäftsstatuts 2 3 die Ehe ohne Mitwirkung staatlicher Organe geschlossen werden kann, oder soweit die unter Mitwirkung eines staatlichen Organs des Eheschließungslandes erfolgte Heirat unter Beachtung der Formen des Geschäftsstatuts erfolgt 2 4 , oder soweit der Staat des Geschäftsstatuts in Gestalt von Konsuln Standesbeamte auf fremdem Gebiet unterhält. Der hinter einer alternativen Beurteilung der Formgültigkeit nach dem Recht des Geschäftsstatuts und einem anderen Recht stehende Gedanke, daß damit das formgültige Zustandekommen von Ehen gefördert werden soll, rechtfertigt dann auch die Auslegung, daß die Benutzung der Formen des Inlandsrechts des Eheschließungslandes ausreicht, wenn der Staat des Eheschließungslandes die Verwendung seiner Form durch Ausländer nicht als wirksam anerkennt, aber auch nicht verhindert; derselbe Gedanke rechtfertigt andererseits die Auslegung der alternativen Zuweisung dahin, daß die Verweisung auf die lex loci actus auch eine Eheschließung in dem 604
Die Form der Eheschließung
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andern Land deckt, die zwar nicht gemäß dessen Inlandsrecht, sondern gemäß den Formbestimmungen eines dritten Staates erfolgt ist, die aber von dem Staat, in dem sie erfolgt ist, als wirksam angesehen wird. Die Rolle des Geschäftsstatuts als des Rechts, das jedenfalls primär auch das Formstatut ist, und welches selbst die Formbestimmungen anderer Rechte heranziehen kann, aber nicht muß, könnte dem gemeinschaftlichen Personalstatut der Eheschließenden bzw. den beiden Personalstatuten, sofern sie inhaltlich übereinstimmen, gemeinsam zugewiesen werden. Läßt dann jedes Heimatrecht die konsularische Eheschließung in dritten Staaten vor seinem Konsul zu, so müßte die Ehe allerdings vor den Konsuln beider Heimatstaaten geschlossen werden, um vom Standpunkt eines dritten Staates her als gültig angesehen werden zu können. Für die Grundstatutsmethode sind auch etwaige vom Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts verfügte Einschränkungen der Heranziehung der Formbestimmungen der lex loci actus ohne weiteres anderswo beachtlich; so also, wenn vom Standpunkt des Geschäftsstatuts die Eheschließungswilligen im Ausland vor den Konsuln des gemeinsamen Heimatstaates heiraten müssen und nicht die Ortsform benutzen dürfen; oder wenn sie, falls das Land des Eheschließungsortes eine standesamtliche Eheschließung und formlose Eheschließungen kennt, nur vor dem Standesbeamten heiraten können 2 5 . Vor allem ist im Sinne der Grundstatutsmethode die dosierte Heranziehung der Formbestimmungen der lex loci actus durch das Geschäftsstatut auf dem Wege über die Qualifikation einzelner Bestimmungen des Geschäftsstatuts als „Nichtformbestimmungen" auch in anderen Forumstaaten beachtlich 26 . Auch diese Rolle des Geschäftsstatuts unter der Grundstatutsmethode könnte dem gemeinsamen Heimatrecht, bzw. den inhaltlich übereinstimmenden Heimatrechten, der beiden Eheschließenden zugewiesen werden. Wie früher schon angedeutet, besteht eine Anzahl von Staaten darauf, daß bei einer Eheschließung auf ihrem Staatsgebiet ihre Formvorschriften unter allen Umständen beachtet werden müssen, auch wenn das Geschäftsstatut bzw. das gemeinsame Heimatrecht eine einfachere Form genügen lassen, oder eine andere qualifizierte Form fordern, als sie das Eheschließungsland beachtet haben will. Dieser Anspruch der lex loci actus 27 wird häufig insofern eingeschränkt, als entweder auf Grund von Verträgen oder auf Grund einseitiger gesetzlicher Anordnungen des Staates, wo die Eheschließung stattfindet, Eheschließungen vor ausländischen Konsuln im Verfahren des Entsendestaates (evtl. auch im Verfahren des Empfangsstaates) unter bestimmten Bedingungen anerkannt werden; zu diesen Bedingungen gehört es meist, daß an der konsularischen Eheschließung kein Staatsangehöriger des Empfangsstaates beteiligt ist, selbstverständlich ferner, daß der Konsul vom Entsendestaat zum Standesbeamten bestellt worden ist; unter Umständen wird auch gefordert, daß die konsularische Eheschließung nicht nur vom Entsendestaat des Konsuls, sondern auch von den Heimatstaaten beider Eheschließenden ihrerseits als vollgültig anerkannt wird. In einigen Ländern wird ausnahmsweise eine religiöse Eheschließung von Ausländern im Inland in ähnlicher Weise wie eine konsularische Eheschließung anerkannt, und somit auch dabei das Monopol für die standesamtliche Eheschließungsform der lex loci actus durchbrochen. Anstelle des Exequatur für den Konsul wird dann evtl. die Meldung der zur Trauung von Staatsangehörigen eines anderen Staates durch diesen Staat ermächtigten Geistlichen bei der dafür zuständigen Behörde des Eheschließungslandes verlangt und zur Gültigkeitsvoraussetzung für die Eheschließung gemacht 28 . Der selbständige Anwendungsanspruch der lex loci actus für ihre Formbestimmungen betreffend Eheschließung wird von dem Staat, der selbst das Geschäftsstatut für die Ehe stellen will, dann nicht anerkannt werden, wenn seine Verweisung auf das Recht des Errichtungsortes, insbesondere wegen einer „Dosierung", die vom Eheschließungsland gebotene Form gerade nicht deckt. Denselben Standpunkt wie ein als Geschäftsstatut 605
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Die Form der Eheschließung
anwendungswilliges Recht kann aber auch der gemeinsame Heimatstaat der Eheschließenden unter der Mosaikmethode einnehmen. Verneint der Staat des Eheschließungslandes die Formgültigkeit einer geschlossenen Ehe unter Anwendung eigener Formbestimmungen entgegen dem Standpunkt des „Geschäftsstatuts" bzw. des gemeinsamen Heimatlandes, so sollte dies allerdings nur so lange gelten, wie zugleich weitere Verknüpfungen zu dem Eheschließungsland, insbesondere in Gestalt des Wohnsitzes oder des ständigen Aufenthalts der angeblichen Eheleute, fortbestehen. D a s L a n d , in dem die Ehe geschlossen wurde, und welches sie wegen Nichtachtung seiner Formvorschriften als ungültig betrachtet, sollte an dem anfänglich eingenommenen Standpunkt dann nicht mehr festhalten, wenn die Ehegatten, die gemäß dem Geschäftsstatut (dem gemeinsamen Heimatrecht) formgültig geheiratet haben, den anfänglichen Aufenthalt im Eheschließungsland später aufgeben, und wenn sie ihre E h e tatsächlich im gemeinsamen Heimatstaat oder einem anderen Staat führen, der die Eheschließung als formgültig betrachtet 2 9 . U m g e k e h r t sollte der Staat des Eheschließungslandes seinen anfänglichen Standpunkt, daß eine nach seinem Recht formgültige Ehe von Rechts wegen besteht, nicht mehr aufrecht erhalten, wenn die Ehegatten der vom Standp u n k t des Geschäftsstatuts oder des gemeinsamen Heimatstaates formungültigen Ehe weder im Eheschließungsland, noch im L a n d des Geschäftsstatuts, b z w . im gemeinsamen Heimatstaat, als Eheleute zusammen leben, und insbesondere dann nicht, wenn sie dort neue Ehen eingegangen sind, auch wenn dem eine förmliche Nichtigerklärung oder Scheidung der ersten Ehe nicht vorausgegangen i s t 3 0 . Auch bei Zugrundelegung der Grundstatutsmethode würden dritte Forumstaaten den selbständigen Anwendbarkeitsanspruch der lex loci actus für ihre Formbestimmungen, wenn er vom Geschäftsstatut nicht geteilt wird, nur bei Gegenseitigkeit anerkennen k ö n nen, d. h. wenn der dritte Forumstaat selbst auch für eigene Formbestimmungen unbedingte Anwendung in Anspruch nimmt, falls die Ehe auf seinem Staatsgebiet geschlossen w i r d 3 1 . Diejenigen Länder, die die Mosaikmethode verwenden, regeln die Dinge indes meist so, daß auch der dritte Forumstaat „selbständig" darüber bestimmt, inwieweit die Formbestimmungen dem gemeinsamen Heimatrecht, oder dem übereinstimmenden H e i matrecht der beiden Heimat„staaten", oder der lex loci actus zu entnehmen sind, ohne daß die Anwendung des im dritten Forumstaat berufenen Rechts von der H a l t u n g der Rechtsanwendungsnormen derjenigen Staaten abhängig gemacht wird, deren Formbestimmungen berufen werden. Aber auch die Auslegung der Verweisungsnormen dritter Forumstaaten unter der Mosaikmethode als unbedingte Sachnormverweisungen kann wieder Schwierigkeiten machen. So kann fraglich werden, o b die Verweisung auf „ d i e " Formvorschriften des gemeinsamen Heimatstaates sich bloß auf das normale Inlandsrecht des Heimatstaates, oder auch auf spezialrechtliche Regelungen des Heimatstaates für Heiraten im Ausland bezieht. Fraglich kann auch werden, ob konsularische Eheschließungen nur insoweit im dritten Forumstaat als formgültig betrachtet werden müssen, als es sich dabei u m die Wahrung der F o r m des Inlandsrechts des gemeinsamen Heimatstaates handelt, oder o b die Anerkennung einer konsularischen Eheschließung durch den Empfangsstaat trotz N i c h t anerkennung durch einen Heimatstaat genügt, indem der dritte Forumstaat in der von dem Empfangsstaat anerkannten konsularischen Eheschließung eine „nach dem Recht des Eheschließungsortes formgültige" Eheschließung sieht 3 2 . D a die Mosaikmethode mit den allgemeinen Leitprinzipien des internationalen Privatrechts nicht vereinbar ist, ist es jedenfalls unmöglich, aus diesen Leitprinzipien L ö s u n g e n für die soeben gestellten Fragen zu entwickeln 3 3 . D e r besonders auffällige Konflikt zwischen der H a l t u n g des gemeinsamen H e i m a t ioder Wohnsitz-)staates, welcher von den Eheschließenden die Wahrung der religiösen 606
Die Ehewillenserklärungen
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Eheschließungsform auch bei Eheschließung im Ausland erfordert, und der Haltung des Eheschließungslandes, welches die Wahrung der nur als standesamtlicher Eheschließung vorgesehenen Form des Inlandsrechts fordert, ist kaum dadurch lösbar, daß in den beiden Staaten die Ehe erst bei Einhaltung beider Formen als formgültig zustandegekommen gilt 34 Aus einer verfassungsrechtlichen Bestimmung über die Eheschließungsfreiheit kann gefolgert werden, daß der Gesetzgeber, wenn er im Inlandsrecht schon nur die standesamtliche Ehe vorsieht, einen zuständigen Standesbeamten für alle diejenigen Fälle bereitzustellen hat, wo auch nur einer der Eheschließenden in diesem Staat Staatsangehöriger oder wohnhaft ist. Dann wird man es in diesem Staat auch wieder als krasse Abweichung von seinem Recht ansehen, wenn ein anderes Land einer bestimmten Gruppe seiner Staatsangehörigen die Eheschließung vor dem Standesbeamten durch Gesetze oder Verwaltungspraxis unmöglich macht, zugleich aber in seinem Inlandsrecht die standesamtliche Eheschließung als einzige zulässige Form hinstellt. Dann kann im Forumstaat auch ohne eine gesetzliche Bestimmung über die nachträgliche Validierung illegaler Ehen die nachweisliche Einigung über eine Eheschließung in dem fremden Staat als Wahrung der Form anerkannt werden 3 5 . Umgekehrt ist aus einem Grundrecht der Eheschließungsfreiheit auch für heterogen verknüpfte Situationen die Folgerung zu ziehen, daß der Staat vor allem auch für seine im Ausland befindlichen Staatsangehörigen entweder die Eheschließung in den Formen des Heimatrechtes als konsularische Eheschließung ermöglichen, oder ihnen die Benutzung der im Eheschließungsland verfügbaren Formen erlauben muß3Sa. Mit dem Grundrecht ist es aber vereinbar, bei mehreren Eheschließungsformen in einem ausländischen Staat von den eigenen Staatsangehörigen die Benutzung derjenigen Form zu verlangen, welche der heimischen Form am ähnlichsten ist; bei gemeinsamem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehewilligen im Inland könnte auch die Vornahme der Eheschließung im Inland verlangt werden 3 6 . e) Das auf die Ehewillenserklärungen anwendbare Recht Große, oft jedoch gerade in der Literatur übergangene Schwierigkeiten bereitet die Frage, welches Recht die Bestimmungen zu liefern hat, aus denen sich ergibt, welche Anforderungen an den Geisteszustand derjenigen gestellt werden, die Erklärungen über die Eingehung einer Ehe abgeben. Wenn hier nicht im Sinne der Grundstatutsmethode von vornherein ein Recht als das Geschäftsstatut für die Ehe zur Regelung dieser Fragen berufen ist, so kann die Mosaikmethode um die kumulative Anwendung der beiden Personalstatuten nicht herum kommen, um die Gleichbehandlung beider Ehepartner, und damit die materielle Harmonie, zu gewährleisten: Wann die Abgabe der Konsenserklärung wegen Irrtums usw. angefochten werden kann, das sollte keinesfalls für den einen Eheschließenden anders geregelt sein als für den anderen. Auch die Frage, ob das erwiesene Fehlen der inneren Bereitschaft, die Hauptpflichten aus der Ehe zu erfüllen, die trotzdem abgegebene Ehewillenserklärung als absolut wirkungslos erscheinen läßt, sollte, wenn sich eine derartige Bestimmung in dem einen Heimatrecht findet 3 7 , auch für den anderen Ehegatten gestellt werden können. Bezüglich dieser Punkte wird es allerdings nicht selten im Forumstaat, insbesondere wenn es sich um einen der beiden Heimat- oder Wohnsitzstaaten handelt, zur Verwendung der ordre public-Klausel kommen: Ein Staat, nach dessen eigenem Recht sogar die geheimgehaltene gemeinsame Absicht der Eheschließenden, keine eheliche Gemeinschaft aufzunehmen, und die Eheschließung nur zu benutzen, um einem der Ehepartner die Möglichkeit der Einreise in ein Land, oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit in einem Land, zu verschaffen, kein Ehenichtigkeitsgrund ist 3 8 , wird weder dem Ehepartner mit der ausländischen Staatsangehörigkeit, noch dem Ehepartner mit der eige607
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Persönliche Ehewirkungen
nen Staatsangehörigkeit ermöglichen zu behaupten, er habe allein nicht die Absicht gehabt, die Ehe als unauflösliche Ehe zu führen, und dies schließe nach einem der berufenen Personalstaaten die Annahme eines gültigen Ehewillens aus. O b die Eheschließungserklärung eines Partners gegenüber dem anderen persönlich in dessen Gegenwart abgegeben werden muß, oder ob sie durch einen Vertreter mit mehr oder weniger eingeschränkter Vollmacht in bezug auf das Wo, das Wann oder gar das Mit-Wem ausgesprochen werden kann, oder auch, ob eine „Handschuhehe" nur bei erwiesener Unmöglichkeit der Eheschließung in persönlicher Anwesenheit der Ehepartner zulässig sein soll, darüber kann sicher unter der Grundstatutsmethode nur das Geschäftsstatut, unter der Mosaikmethode jedes der beiden Heimatrechte die Anwendbarkeit seiner Vorschriften als zwingendes Recht fordern. Wollen die Eheschließenden bei der Eheschließung in einem bestimmten Staat die Formen der lex loci actus benutzen, und schreibt dieses Recht persönliche Abgabe der Konsenserklärung in Gegenwart beider Parteien vor, so scheitert das Zustandekommen einer Eheschließung durch Vertreter natürlich an der lex loci actus. Zu dem gegebenenfalls in den kumulativ anwendbaren Heimatrechten zu suchenden Geschäftsstatut der Ehe gehört auch eine Regelung darüber, auf welche Rechtswirkungen der Ehe sich die Ehewillenserklärung zu beziehen hat. Vielfach genügt jedoch eine Erklärung, die — außer der Angabe der Person des anderen Ehegatten — nicht mehr besagt, als daß eine „Ehe" mit dieser Person gewollt sei. Darin wird man eine Verweisung auf die Wirkungen des alsbald nach der Eheschließung zum Zuge kommenden Ehewirkungsstatuts sehen können; gegebenenfalls muß eine Anfechtung zugelassen werden, wenn darüber ein Irrtum bestand. Zu Schwierigkeiten führt es jedoch, wenn der Staat, der eine Eheschließung vor seinem Standesbeamten oder einem zugelassenen Geistlichen im Inland vor sich gehen läßt und das Formstatut stellen will, eine Bestimmung hat, daß die Konsenserklärung einerseits nur in einer globalen Bezugnahme auf eine „Ehe" abgegeben werden könne, und daß andererseits sich diese Erklärung unwiderleglich auf bestimmte Ehewirkungen, wie sie im Inlandsrecht des Forumstaates gegeben sind, bezieht, insbesondere auf die Unzulässigkeit weiterer Ehen, vielleicht sogar auf die Unzulässigkeit einer Scheidung. N o c h bedenklicher ist eine gesonderte Anweisung, wonach die Bezugnahme auf eine „Ehe" in der im Ausland abgegebenen Ehewillenserklärung nur als eine Bezugnahme auf eine Ehe mit den Wirkungen des Inlandsrechts des Eheschließungslandes zu verstehen sei 3 9 . f) Bestimmungen über persönliche Ehewirkungen Ist das Recht des ersten ehelichen Wohnsitzlandes zur Regelung der Gültigkeitsbedingungen berufen, so ist es kaum vorstellbar, daß dieses Recht nicht zugleich in seiner Eigenschaft als Geschäftsstatut der Ehe auch diejenigen Wirkungen in Gestalt von Rechten und Pflichten zwischen den Ehegatten 4 0 regeln sollte, welche es selbst als der Ehe eigentümlich betrachtet. Können die Ehewilligen unter diesem Recht dann noch zwischen mehreren Ehearten mit unterschiedlichen Wirkungen wählen, so wäre es plausibel, wenn vom Standpunkt des Staates, der dieses Geschäftsstatut der Ehe stellt, und vom Standpunkt anderer Forumstaaten her die gewählte Regelung der Ehewirkungen für die ganze Dauer der Ehe weitergelten würde, auch wenn der eheliche Wohnsitz in ein anderes Land verlegt werden sollte, es sei denn, daß der neue Wohnsitzstaat es den Ehegatten ermöglicht, einverständlich die Ehewirkungen des neuen Wohnsitzlandes zu wählen. Diese Lösung wird jedoch kaum irgendwo im positiven Recht verwirklicht. Die Behauptung, daß die Führung einer Ehe gar nicht Vollzug eines Vertrages, sondern daß die Ehe ein gesetzlicher „Status" sei, und die in den nationalen Rechten verbreitete Regelung, daß Ehewirkungen nicht Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen werden können 4 1 , sowie die Verwendung der Mosaikmethode haben dazu geführt, daß die Frage nach dem 608
Persönliche Ehewirkungen
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Statut für die eigentlichen Pflichten aus der Ehe meist als Frage nach dem jeweiligen Wirkungsstatut verstanden wird, das auf Grund einer veränderlichen Verknüpfung ermittelt wird. Es wird damit den Ehegatten ermöglicht, durch Aufgabe der anfänglich für das Wirkungsstatut maßgeblichen Verknüpfung und Schaffung anderer Verknüpfungen neue Ehewirkungen anstelle der bisherigen eintreten zu lassen, auch wenn es ihnen versagt war, bei der Eheschließung dasselbe Recht, das jetzt Ehewirkungsstatut wird, und zu dem ursprünglich schon Verknüpfungen bestanden, selbst zum Ehewirkungsstatut zu wählen 42 ; durch Veränderung der maßgeblichen Verknüpfung können die Ehegatten — möglicherweise auch nur einer von ihnen — das Ehewirkungsstatut verändern, auch wenn es für das gültige Zustandekommen der Ehe unter dem dafür maßgeblichen Recht erforderlich war, daß der kundgegebene, oder gar zugleich der innere Eheschließungswille sich auf bestimmte Ehewirkungen richtete, die in dem späteren Ehewirkungsstatut nicht vorgesehen sind43. Über diese Widersprüchlichkeit wird deshalb hinweggesehen, weil das positive Recht es zumeist auch ignoriert, daß eine bestimmte Regelung der Auflösung der Ehe und der Folgen einer Eheauflösung im Ehebegründungsstatut zum Inhalt des Ehewillens gehörte44. Hinzu kommt, daß in vielen Rechten eine Verletzung der im Ehewirkungsstatut vorgesehenen Pflichten aus der Ehe zum Teil gar nicht Gegenstand einer Klage auf Unterlassung usw. werden kann, sondern nur in Verbindung mit einem Scheidungsbegehren geltend gemacht und inzidenter geklärt werden kann. Während bei Verwendung der Mosaikmethode eine Kumulation der beiden vorehelichen Personalstatuten der Eheschließungswilligen für die Bestimmung der Voraussetzungen einer gültigen Ehe rechtstechnisch durchführbar ist, aber schon zu einer diskriminierenden Erschwerung der Bildung von heterogen verknüpften Ehen führt, besteht bei einer Kumulation mehrerer Rechte für die Ehewirkungen die Gefahr, daß die Gesamtheit der tatsächlich von beiden Rechten bejahten Pflichten aus der Ehe nicht mehr als eine in sich harmonische Regelung empfunden werden kann. Auch bei Verwendung der Mosaikmethode ist man daher oft bestrebt, die Zuweisungsnorm so zu bilden, daß jedenfalls die Ehewirkungen, und zwar auch die persönlichen Ehewirkungen, nach einem einzigen Recht beurteilt werden. Einer gewissen Beliebtheit erfreut sich dabei neuerdings der Gedanke, der Forumstaat solle in seinem internationalen Privatrecht eine Staffel der Anknüpfungsmomente in Gestalt gemeinsamer persönlicher Verknüpfungen der Ehegatten aufstellen derart, daß bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit dieses Recht die Ehewirkungen regelt, beim Fehlen einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit das gemeinsame Wohnsitzrecht usw. Zum Teil wird behauptet, daß diese Methode durch die verfassungsgesetzlich gebotene Gleichbehandlung der Geschlechter notwendig sei. Ältere Rechtsanwendungsanweisungen wollen die Wirkungen der Ehe vielfach allein dem Heimatrecht oder dem Wohnsitzrecht des Mannes zuweisen. Darin liegt eine Diskriminierung gegenüber der Frau insofern, als der Mann dann durch Wechsel des Anknüpfungsmoments allein darauf einwirken kann, welches Recht mit einem ihm günstigeren Inhalt für die Ehewirkungen maßgebend wird; diesem Nachteil könnte abgeholfen werden, wenn der Wechsel des durch die persönliche Verknüpfung des Mannes dargestellten Anknüpfungsmomentes nur bei Einverständnis der Frau bedeutsam werden könnte. Läßt ein Staat — praktisch vor allem der Staat des Eheschließungsortes — durch Sonderanknüpfung einer einzelnen Teilfrage „bei sich" eine gültige Ehe Zustandekommen, die aber im Heimatstaat der Ehegatten als nichtbestehend gilt, und ist das Heimatrecht als Wirkungsstatut berufen, so wirkt es unbefriedigend, wenn dieses Recht als Wirkungsstatut auf die vom Standpunkt dieses Staates ja nicht bestehende Ehe, also gegen seinen Willen, angewendet wird. Andererseits wird die Verwirrung noch größer, wenn der Staat des Eheschließungslandes seine eigenen Bestimmungen über die Ehewirkungen auf eine solche Ehe zur Anwendung bringen würde. Eine Kumulation beider Rechte, wie sie manchmal 609
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Die Geltendmachung von Gültigkeitsmängeln
vorgeschlagen wird, könnte zu unharmonischen Resultaten führen. Das eine oder andere muß als unvermeidliche Folge der Mosaikmethode hingenommen werden. Während Staatsangehörigkeit und Wohnsitz als Anknüpfungsmoment für die Bestimmung des auf die gültige Begründung einer Ehe anwendbaren Rechts üblicherweise als Staatsangehörigkeit bzw. Wohnsitz im Zeitpunkt der Eheschließung verstanden werden, ist das durch Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten gebildete Anknüpfungsmoment, wenn es um die Wirkungen der Ehe geht, meist so zu verstehen, daß damit die jeweilige Staatsangehörigkeit usw. gemeint ist; damit wird das Wirkungsstatut der Ehe zu einem wandelbaren Statut. Beurteilen nun die Staaten, welche das erste bzw. das spätere Wirkungsstatut stellen, und beurteilen dritte und vierte Forumstaaten die Frage nach dem Zustandekommen einer gültigen Ehe (sowie evtl. die Frage nach einer späteren Auflösung einer solchen Ehe) nicht in der gleichen Weise, so kann es dazu kommen, daß eine Ehe, die im Staat des ersten Wirkungsstatuts und in einem dritten Forumstaat als gültig und fortbestehend angesehen wurde, im Staat des späteren Wirkungsstatuts oder in einem vierten Forumstaat als nie gültig zustandegekommen (oder später aufgelöst) gilt, so daß jedenfalls in dem Staat, der das spätere Wirkungsstatut stellt, keine Wirkungen unter dessen eigenem Recht bejaht werden können; dann müßte der dritte Forumstaat, in welchem beim Statutenwechsel das Bestehen einer gültigen Ehe angenommen wird, das neue Wirkungsstatut gegen den Willen seines Urhebers anwenden. Umgekehrt besteht die Möglichkeit, daß eine in dem bisher mit seinem Recht als Wirkungsstatut berufenen Staat als nicht bestehend betrachtete Ehe nach dem Kollisionsrecht des späteren Wirkungsstatuts und eines dritten Forumstaates als bestehend angesehen wird, während ein vierter Forumstaat sich dem Standpunkt des früheren Wirkungsstatutsstaates anschließen könnte. Hier kann und sollte dem Standpunkt des Staates, der als das spätere Wirkungsstatut berufen ist, jedenfalls dann in einem dritten Forumstaat Beachtung geschenkt werden, wenn das Recht des neuen Wirkungsstatuts vom Standpunkt des Forumstaates her gesehen auch mit seinen Bestimmungen über die Beendigung der Ehe im ersten Fall, und über die Neuschließung der Ehe im zweiten Fall berufen wäre 45 . Zugleich aber ist es wünschenswert, daß der Staat des späteren Wirkungsstatuts seinerseits eine nach dem von seinem Standpunkt dafür maßgeblichen Recht anfänglich ungültige Ehe dann doch als gültig betrachtet, wenn die Ehe vom Standpunkt des internationalen Privatrechts des vorausgegangenen Wirkungsstatuts gültig war und tatsächlich während der Herrschaft des früheren Wirkungsstatuts von den Beteiligten im guten Glauben an die Gültigkeit als Ehe geführt worden ist. Es läuft dies auf die Annahme einer spezialrechtlichen Sachnorm heraus, welche die faktische Führung einer hinkenden Ehe unter dem anwendungswilligen, und dann meist auch anderswo berufenen Wirkungsstatut eines Landes, wo die Ehe als von Anfang an gültig gilt, zu einem Mittel zur Heilung ihrer Ungültigkeit auch in dritten Staaten werden läßt, die sich anfänglich auf den Standpunkt desjenigen Staates gestellt haben, auf Grund dessen Rechts die Ehe als ungültig betrachtet wurde 46 . g) Der Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Geltendmachung von Gültigkeitsmängeln Die Grundregeln über die Beweislast für das gültige Bestehen oder das Nichtbestehen einer Ehe sind in den meisten Rechten nicht sehr verschieden. Ist eine nach dem maßgeblichen Recht formgültige Eheerrichtung erwiesen, so ist zumeist das Fehlen einer materiellen Ehevoraussetzung von dem zu beweisen, der sich darauf stützen will. Dafür, daß eine /ormgültige Eheschließung zustandegekommen ist, stellt manchmal die Registrierung in einem öffentlichen Register eine Vermutung dar; unter Umständen aber wird eine formgültige Eheschließung auch vermutet, wenn die angeblichen Eheleute tatsächlich öffentlich als 610
Die Geltendmachung von Gültigkeitsmängeln
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Partner einer Rechtsehe zusammengelebt haben 47 . Ziemlich ungeklärt ist die Frage, welchen Rechten ein Vermutungssatz des Inhalts entnommen werden kann, daß eine nachweislich geschlossene Ehe bis zum Tode eines Ehegatten weiter bestanden hat, oder daß die Auflösung einer solchen Ehe zu vermuten ist, wenn für einen Partner der spätere Abschluß einer zweiten Ehe nachgewiesen werden kann. Die zuletzt genannte Vermutung, die sich im amerikanischen Recht findet, ist offenbar davon abhängig, daß der zweimal Verheiratete nach seinem Personalstatut nicht die Möglichkeit zur Eingehung einer gültigen Zweitehe hatte 4 8 . Von diesen allgemeinen Vermutungen über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zu einem bestimmten Zeitpunkt zu unterscheiden ist die Frage, ob der Beweis dafür, daß ein gültigkeitshindernder Mangel vorlag, jederzeit und von jeder Partei, und gegebenenfalls auch „inzidenter", geführt werden kann, sobald „aus" dem Rechtsverhältnis der Ehe Ansprüche eingeklagt oder Nachwirkungen der Ehe geltend gemacht werden, oder ob das Bestehen des Mangels und seine Folgen nur in einem gesonderten Verfahren (Nichtigkeitsprozeß-, Anfechtungsverfahren usw.) durch konstitutive Gerichtsentscheidung festgestellt werden können, sobald ein Minimum von Tatsachen erwiesen ist, welche es wahrscheinlich machen, daß auf jeden Fall der Versuch der rechtsgeschäftlichen Begründung einer Ehe gemacht worden ist, insbesondere wenn eine nach einem anwendungswilligen Recht formgültige Ehe in einer qualifizierten Form vorliegt. Es ist Sache des berufenen Rechts, welches eine Gültigkeitsvoraussetzung aufstellt, zu bestimmen, ob der nicht durch andere Vorgänge geheilte Gültigkeitsmangel das jederzeit und von jedem geltend zu machende, und gegebenenfalls auch mangels einer allgemein verbindlichen Feststellung inzidenter festzustellende, Nichtbestehen der Ehe zur Folge hat, oder ob — die andere extreme Möglichkeit — die mangelhafte Ehe bis zur gerichtlichen Feststellung des Mangels auf Grund eines Antrags eines dazu befugten Rechtssubjekts, und daher auch beim Fehlen eines solchen Antrags, zwischen den Beteiligten sämtliche Wirkungen einer mangelfreien Ehe auslöst 49 , oder ob im Zusammenhang mit der konstitutiven Feststellung des Mangels auch die bisherigen Rechtswirkungen der Ehe ganz oder teilweise rückgängig gemacht werden. Es ist Sache des Statuts für etwaige Nachwirkungen der Ehe zu bestimmen, ob es der mangelfreien Ehe als Auslösungstatbestand für eine Nachwirkung gleichzustellen ist, daß einer der Ehepartner oder beide in gutem Glauben an die Gültigkeit der Ehe an der Eheschließung teilgenommen haben 50 , und ob ein Ehegültigkeitsmangel deshalb nicht mehr geltend gemacht werden kann, weil die zur Einleitung eines Verfahrens berechtigte Partei von diesem Recht eine gewisse Zeit keinen Gebrauch gemacht hat. Andererseits kann jeder Forumstaat in einem Satz seines Verfahrensrechts bestimmen, daß eine inzidente Verneinung des gültigen Bestehens einer den Erfordernissen einer Scheinehe genügenden Ehe durch seine Gerichte unzulässig ist, auch wenn dasjenige Recht, welches zur Aufstellung der Gültigkeitserfordernisse befugt ist, an das Fehlen eines solchen Erfordernisses die Folge anknüpft, daß die Ehe nicht bestehe, und dieses Nichtbestehen jederzeit und von jedem geltend gemacht werden kann. Dann muß in einem solchen Forumstaat eben in einem gesonderten Verfahren festgestellt werden, daß eine mangelhafte Ehe vorliegt 503 . Das wird ein Forumstaat z. B. dann verlangen, wenn die Ehe im Inland in der Form seines eigenen Rechts formgültig geschlossen worden ist, und bei dieser Eheschließungsform ein Staatsorgan schon bei der Eheschließung eine Untersuchung nach etwaigen Ehehindernissen anzustellen hatte 51 . Wenn derjenige Staat, der eigene Bestimmungen über die Ehegültigkeit angewendet wissen will, seinen Gerichten die ausschließliche Zuständigkeit zur Anwendung dieser Bestimmungen vorbehalten will, so ist dies für andere Staaten selbstverständlich nicht bindend; sie können aber freiwillig unter solchen Umständen ihre Gerichte für unzuständig erklären 52 . 611
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Heilung von Gültigkeitsmängeln
Kennt ein Staat in seinem Recht nur solche Gültigkeitsmängel, welche das jederzeit von jedem geltend zu machende Nichtbestehen der Ehe zur Folge haben sollen, und kennt er zugleich ein nur von den unmittelbar Beteiligten einzuleitendes besonderes Verfahren, in welchem das Nichtbestehen der Ehe, oder das Bestehen für einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum, mit allgemein verbindlicher Wirkung festgestellt werden kann, so wird man vielleicht annehmen müssen, daß die Gerichte dieses Staates keine Zuständigkeit zur Durchführung solcher Verfahren haben sollen, in denen es schließlich zu einem Ehenichtigkeitsurteil oder einer Eheaufhebungsentscheidung kommt, wie sie dasjenige Recht vorsieht, das beim Fehlen einer Ehegültigkeitsvoraussetzung einen der oben angedeuteten Mittelwege geht; dann kann ein solches Verfahren eben nur im Statutsstaat durchgeführt werden. Ergeht im Statutsstaat eine Entscheidung über gültiges Bestehen oder Nichtbestehen, Nichtigkeit oder Aufhebung einer mangelhaften Ehe, so kann in einem anderen Forumstaat sich entweder jede Partei jederzeit auf diese Entscheidung berufen, so daß in einem neuen Verfahren nur die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung inzidenter nachgeprüft werden muß; manche Staaten sehen jedoch abgesonderte Verfahren vor, in denen darüber entschieden wird, ob Entscheidungen aus anderen Ländern über das Bestehen oder die Nichtigkeit einer Ehe usw. anerkennungsfähig sind, selbst wenn es sich dabei um den Staat handelt, der das Recht stellt, auf dem die Ehenichtigkeit bzw. -gültigkeit beruht 5 3 . Abgesehen davon, daß gewisse Mängel des Eheschließungsvorganges durch Verjährung des Rechts zur Erhebung von Nichtigkeitsklagen geheilt werden können, kann das die anfängliche Mangelhaftigkeit begründende Recht möglicherweise auch für solche Mängel, die inzidenter geltend gemacht werden könnten, eine spätere Heilung vorsehen. Ehemängel können geheilt werden, indem Ansprüche „ a u s " der Ehe vor Gericht erhoben werden, ohne daß Kläger oder Beklagter auf den Ehemangel hinweisen; Ehemängel können auch geheilt werden durch den Eintritt neuer Ereignisse oder Zustände, die rückwirkend die Eheschließung als gültig erscheinen lassen. Manche gültigkeitshindernden Formmängel können rückwirkend durch Nachholung von Formalitäten geheilt werden 5 4 ; Mängel der Freiheit des Ehewillens, oder ungenügendes Alter als Ehemangel, können dadurch geheilt werden, daß der anfechtungsberechtigte Partner freiwillig nach Wegfall der Unfreiheit seines Willens oder nach Erreichung des Ehealters am ehelichen Leben teilnimmt; der Mangel der Gültigkeit einer zweiten Ehe in Gestalt einer bei der Eheschließung noch bestehenden Vorehe kann durch spätere Auflösung der Vorehe und Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft seitens der Partner der zweiten Ehe geheilt werden. Dispensable Mängel können möglicherweise auch durch spätere rückwirkende Dispenserteilung auf nachträglichen Antrag, unter Umständen sogar „von Amts wegen", geheilt werden. Andererseits kann eine Heilung von Ehegültigkeitsmängeln unter Umständen trotz des faktischen Bestehens der Ehe scheitern, wenn der Mangel zuvor in einem gerichtlichen Verfahren vorgetragen worden ist. Alle derartigen Bestimmungen über die Heilung von Gültigkeitsmängeln sollten sicher stets dem Recht entnommen werden, das den Mangel zur Zeit der Eheschließung geschaffen hat; inwieweit ein nach der Eheschließung erlassenes neues Gesetz über Heilung von Ehemängeln auch auf ältere Eheschließungen anwendbar ist, wurde an anderer Stelle bereits erörtert 5 5 . Zur Gestellung von Bestimmungen über die heilende Kraft von Zeitabläufen, Ereignissen und Zuständen ist aber auch dasjenige Recht heranzuziehen, welches bei einer Neubegründung der Ehe im Zeitpunkt der behaupteten Heilung zur Schaffung des beseitigten Mangels, und damit auch zum Erlaß von Bestimmungen über seine Heilung, zuständig wäre.
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Mehrere Ehearten und Kollisionsrecht
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h) Internationalprivatrechtliche Bedeutung des Bestehens mehrerer Ehearten in einem staatlichen Recht Kennt das Privatrecht des einen Staates nur eine Art der Ehe mit bestimmten Wirkungen, während das Recht eines anderen Staates mehrere Ehearten mit verschiedenen Wirkungen (eventuell auch Gültigkeitsvoraussetzungen) hat, und ist das Recht des ersten Staates als Geschäftsstatut (oder im Sinne der Mosaikmethode als Statut der „persönlichen" Ehewirkungen) berufen, so kann schon für die Benutzung der Formen des anderen staatlichen Rechts, wenn eine Ehe auf dem Gebiet des anderen Staates geschlossen werden soll, die Frage gestellt werden, ob nicht dann die Ehe in dem zweiten Staat in den Formen zu schließen ist, die er für diejenige Eheart vorsieht, deren Wirkungen den Ehewirkungen des Geschäftsstatuts bzw. Wirkungsstatuts gleich oder am ähnlichsten sind 5 6 . Wird das bejaht, so kommt dies meist auf dasselbe heraus, wie wenn die alternative Verweisung des Geschäftsstatuts auf die lex loci actus bezüglich der Form so gedeutet wird, daß andere Formen des Errichtungslandes nicht benutzt werden dürfen, sofern die Eheschließung dort in den Formen möglich ist, die den Formen des Geschäftsstatuts äquivalent sind. Es ist aber auch daran zu denken, daß das Heimatrecht einer Person ihr ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut für eine geplante Ehe (bzw. deren Wirkungsstatut) verbieten könnte, eine Ehe einzugehen, deren Wirkungen von den im Heimatrecht vorgesehenen Wirkungen allzu stark abweichen, vor allem, wenn das fremde Recht Möglichkeiten kennt, um eine Ehe auch mit solchen Wirkungen Zustandekommen zu lassen, wie sie das Heimatrecht allgemein zuläßt. So ist nicht nur der deutsche Mann vom Standpunkt des deutschen Rechts her gehindert, eine Ehe in der für polygame oder jederzeit scheidbare freie Ehen vorgesehenen Form in einem fremden Land einzugehen, wo ihm die Eingehung einer monogamen Ehe mit ähnlichen Wirkungen, wie sie das deutsche Recht hat, vor einem Standesbeamten möglich wäre, sondern es muß wohl ferner angenommen werden, daß auch die deutsche Frau mit einem Ausländer, sofern es dessen Heimatrecht ermöglicht, eine Ehe nur in einer Eheart eingehen kann, deren Wirkungen denen des deutschen Rechts entsprechen 57 . Schließt der Heimatstaat die Anerkennung der Gültigkeit einer Auslandsehe wegen der damit im ausländischen Recht verbundenen und bei Wahl einer anderen Eheart vermeidbaren Wirkungen aus, so hindert dies natürlich den anderen Staat nicht, etwa unter Benutzung der Wohnsitzverknüpfung, in seiner Rechtsordnung das Bestehen einer Ehe mit den Wirkungen seines Rechts zu bejahen. Dann kann sich im Heimatstaat wieder die Frage stellen, ob dort die nichtanerkannte „Ehe" mit den abweichenden Wirkungen nicht doch gewisse Nachwirkungen auslöst. Es gilt dies insbesondere von der Legitimität der aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, dem Ehegattenerbrecht und der Rangfolge der Berufungen zur Ausübung von Personengewalt: Auch wenn die deutsche Frau mit einem Bolivianer eine in Deutschland wirksame Ehe nur als förmlich geschlossene Ehe, nicht als freie Ehe des bolivianischen Rechts eingehen kann, sind doch die Kinder aus der freien Ehe des bolivianischen Rechts auch in Deutschland gemäß bolivianischem Recht als legitime Kinder beider Elternteile mit entsprechenden Konsequenzen für das Personsorgerecht zu behandeln. Es ließe sich sogar an eine spezialrechtliche Bestimmung denken, welche die Eingehung einer neuen Ehe unter deutschem Recht erst dann erlaubt, wenn eine unter einem ausländischen Recht bestehende, aber in Deutschland unter den Beteiligten nicht wirksame „Ehe" einer dem deutschen Recht nicht entsprechenden Eheart gemäß dem ausländischen Recht aufgelöst ist. Am schwierigsten gestaltet sich die Frage nach dem Wechsel des Wirkungsstatuts, wenn das eine Recht nur eine einzige Eheart, das andere mehrere Ehearten vorsieht. Die Dinge sind auch hier einfach, wenn die Ehe in dem Staat mit mehreren Ehearten zuerst 613
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Verlöbnis
bestanden hat und dort von vornherein auf solche Wirkungen abgestellt war, wie sie das spätere Wirkungsstatut als die allein möglichen Wirkungen der dort zugelassenen Eheart kennt. Wie aber ist es, wenn der Wechsel des Wirkungsstatuts sich so vollzieht, daß trotz anderer Möglichkeiten eine Ehe unter dem ersten Wirkungsstatut mit solchen Wirkungen zustandegekommen ist, die das spätere Wirkungsstatut nicht kennt? Die Frage wird z.B. aktuell, wenn für die tatsächlich bestehenden mehreren Ehen desselben Mannes, die das bisherige Wirkungsstatut zuläßt, durch Staatsangehörigkeitswechsel ein Recht zum Wirkungsstatut wird, das nur die Einehe kennt; es kann auch die Frage auftauchen, was aus einer anstelle einer „förmlichen" Ehe im bisherigen Heimatstaat zulässigen „freien" Ehe wird, wenn ein anderes Recht Wirkungsstatut wird, das eine solche freie Ehe mit Rechtswirkungen unter den Ehegatten nicht kennt. Dem späteren Wirkungsstatut kann wohl in solchen Fällen die Absicht unterstellt werden, einerseits möglichst bald für eine bestehende Ehe wirksam zu werden, andererseits wohlerworbene Rechte nicht anzutasten. Dem dürfte es entsprechen, wenn das neue Wirkungsstatut die polygamen Ehen unter Fortbestand der leichteren Scheidungsmöglichkeiten „auslaufen läßt", und die zuletzt noch bestehende Verbindung in eine monogame Ehe mit den vollen Wirkungen des neuen Wirkungsstatuts überführt 58 . Für die freie Ehe des bisherigen Wirkungsstatuts könnte angenommen werden, daß die Unterlassung eines Abschlusses einer förmlichen Eheschließung in dem neuen Wirkungsstatut die freie Ehe zu Ende bringt; die Verweigerung der Mitwirkung an einer förmlichen Eheschließung in dem Staat des neuen Wirkungsstatuts könnte hingegen die Folgen einer grundlosen Auflösung der freien Ehe, wie sie das bisherige Wirkungsstatut hat, nach sich ziehen. i) Das Verlöbnis Das Verlöbnis kann als rechtlich bindender Vorvertrag für die Ehe gewollt und vom staatlichen Recht mit Rechtsschutz versehen werden. Das Verlöbnis kann aber auch von den Parteien als eine außerhalb des Rechts stehende (moralische) Bindung gewollt sein; das wird vom Recht im allgemeinen wiederum respektiert werden, auch wenn das zuständige Recht ein Verlöbnis als rechtlich bindenden Vertrag kennt. Es ist aber auch möglich, daß das Verlöbnis, ungeachtet der Absichten der Parteien, vom Staat als rechtlich vollkommen unverbindlich betrachtet, oder daß ihm nur ein beschränkter Rechtsschutz verschafft wird; das letztere kann wiederum in verschiedener Weise geschehen. Das berühmt gewordene „Qualifikationsproblem" beim Verlöbnisbruch beruht auf der falschen Fragestellung, ob der Verlöbnisbruch als solcher, bevor man überhaupt weiß, welche Stellung die einzelnen in Frage kommenden staatlichen Rechte zu der Rechtswirksamkeit des Verlöbnisses nehmen, Gegenstand einer Qualifikation — nämlich als Nichterfüllung einer vertraglichen Verpflichtung bzw. als Delikt — sein könne. Richtigerweise sind es aber die auf das Verlöbnis bezüglichen Sätze des positiven Rechts, die selbst zu qualifizieren, und entweder in die Kategorie der Rechtssätze über außervertragliche gesetzliche Haftungen, oder in die Kategorie der Rechtssätze über rechtsgeschäftlich begründete Pflichten einzuordnen sind, und denen je nachdem dieser oder jener Anwendungsbereich zugewiesen wird. Sieht ein positives Recht vor, daß auf Erfüllung aus dem Verlöbnis geklagt und mangels freiwilliger Befolgung des Urteils Schadensersatz wegen Verlöbnisbruches zu leisten sei, so liegt eine analoge Anwendung der Kollisionsnormen nahe, die sich auf das gültige Zustandekommen der Ehe selbst beziehen; erfolgt bei der Beurteilung der Ehegültigkeit kumulative Anwendung der Heimatrechte beider Verlobten (durchbrochen von der alternativen Anwendung der Formvorschriften dieses Ersatzgeschäftsstatuts und der lex loci actus), so ist Entsprechendes auch bei dem Verlöbnis möglich, wenn die beiden Heimatrechte in dem Verlöbnis einen rechtswirksamen Vertrag sehen. Ein anderes Recht kann vorsehen, daß aus dem Verlöbnis nicht geklagt werden kann, und daß Nichteinhaltung auch des außerhalb des 614
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
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Rechts gestellten Verlöbnisversprechens nur unter besonderen zusätzlichen Umständen als sittenwidriges Verhalten im Sinne der deliktsrechtlichen Vorschrift über Schadensersatz aus sittenwidrigem Verhalten gilt; diese Bestimmung ist anzuwenden, wenn die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu dem Urheberstaat hingeht. D i e ältere Vorstellung, daß eine solche deliktsrechtliche H a f t u n g wegen Verlöbnisbruches dem Recht des „ T a t o r t e s " zu entnehmen sei — was schwierige Fragen danach aufwirft, worin der Tatort besteht —, ist heute überholt; die Staatsangehörigkeit der Beteiligten und der Schadensort in Gestalt des Wohnsitzes des unschuldigen Teils sind heute gewichtigere Verknüpfungen als der geplante Eheschließungsort oder der O r t , w o die einseitige A u f l ö s u n g des Verlöbnisses ausgesprochen wird. Ein deliktsrechtlicher Anspruch wegen Verlöbnisbruches, wie er im Recht des durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen bestimmten L a n des vorgesehen ist, kann mit einem Anspruch aus Vertrag gemäß dem Recht konkurrieren, welches als Vertragsstatut in Frage k o m m t ; oft wird es sich allerdings um dasselbe Recht handeln. Daß in einem Staat, der den Verlöbnisbruch deliktsrechtlich regelt, in einer vertragsrechtlichen Regelung eines ausländischen Rechts eine krasse Abweichung gesehen werden müßte, b z w . umgekehrt, ist nicht wahrscheinlich. Wohl aber m a g ein Forumstaat, zu dem eine Binnenbeziehung besteht, in dem Fehlen jeglicher Reaktion der als Vertragsstatut oder als Deliktsstatut berufenen Rechte auf den Verlöbnisbruch eine zum Einsatz seiner ordre public-Klausel führende krasse Abweichung sehen. A n h a n g : Geltendes R e c h t in der B u n d e s r e p u b l i k D e r gesetzlichen Regelung des internationalen Eherechts in Deutschland ist der Gedanke fremd geblieben, daß man ein Recht, etwa das Recht des ersten ehelichen D o m i zils, als das Geschäftsstatut der Ehe ansehen könne. Vielmehr werden im Sinne der Mosaikmethode die Voraussetzungen für das Zustandekommen einer gültigen Ehe und die Wirkungen der Ehe bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts von vornherein getrennt. Bezüglich der Gültigkeitsvoraussetzungen wäre es möglich gewesen, auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit unmittelbar nach der Ehe abzustellen, wenn die Ehegatten entweder schon bei der Eheschließung dieselbe Staatsangehörigkeit haben, oder einer von ihnen mit der Eheschließung kraft Gesetzes, oder auf G r u n d eines vor der Eheschließung gestellten Antrags, die Staatsangehörigkeit des anderen sofort erwirbt; das wird aber von der R e c h t s p r e c h u n g 5 8 3 verneint 5 9 . Vielmehr wird Art. 13 E G B G B dahin ausgelegt, daß bei Eheschließung durch einen deutschen Staatsangehörigen in seiner Person und in der Person des anderen Verlobten alle 6 0 materiellen Ehegültigkeitsvoraussetzungen des deutschen Rechts gegeben sein müssen, während zugleich für den Verlobten, der vor der Ehe Ausländer ist, die Bedingungen in bezug auf seine Person und die des anderen Verlobten vorliegen müssen, welche sein Heimatrecht erfüllt wissen m ö c h t e 6 1 . Will das Heimatrecht nicht mit eigenen Sachnormen angewendet werden, so muß eine deutsche Behörde die Rück- oder Weiterverweisung des fremden Heimatstaates beachten, auch wenn es auf diese Weise schließlich zur Anwendung eines Rechtes k o m m e n sollte, das selbst gar nicht angewendet werden will. Mit dem System der kumulativen Anwendung der beiden Heimatrechte unter Gesamtverweisung auf ein ausländisches Recht wird offensichtlich angestrebt, daß jedenfalls vor einem deutschen Standesbeamten keine Ehe geschlossen werden soll, die nicht in den beiden Staaten, deren Staatsangehörigkeit die Verlobten vor der Ehe besessen haben, als gültig anzusehen wäre. A n diesem Ziel wird jedoch bei der Regelung der Formgültigkeit nicht mehr festgehalten 6 2 . Bezüglich der F o r m erfolgt eine von der H a l t u n g des ausländischen Heimatstaates unabhängige gesonderte Zuweisung: Ausgangsregel ist, daß die Formvorschriften des Eheschließungslandes 6 3 einerseits, und die des für die materielle Ehegültigkeit maßgebenden Rechts andererseits alternativ heranzuziehen sind, ohne daß 615
§21
Eheform
danach zu fragen ist, ob auch die fremden Heimatstaaten der Eheschließenden eine entsprechende Regelung haben. Anwendung der Formvorschriften des Heimatrechts bei Eheschließung außerhalb des Heimatstaates ist nur möglich, wenn die Rechte der Heimatstaaten bzw. der Staaten, auf die das internationale Privatrecht der Heimatstaaten verweist, inhaltlich übereinstimmen, und wenn die so vorgesehene Form auch im Ausland gewahrt werden kann64. Konsuln der Bundesrepublik sind nur in bestimmten dazu bezeichneten Ländern zur Mitwirkung als Standesbeamte bei der Eheschließung von deutschen Staatsangehörigen ermächtigt 65 ; diese konsularische Eheschließung ist in Deutschland formgültig, auch wenn das betreffende Land selbst sie nicht als ausreichend ansehen sollte. Aber auch wenn die übereinstimmenden Formvorschriften nichtdeutscher Heimatrechte gewahrt werden könnten, wollen die deutschen Formvorschriften bei einer im Inland erfolgten Eheschließung 66 allein maßgeblich sein, vgl. Art. 13 (3) E G B G B . Es bedeutet dies vor allem, daß Angehörige solcher Staaten, welche eine religiöse oder eine private Eheschließung vorsehen, bei Eheschließung in Deutschland gemäß den Formen ihres Heimatrechts nicht zu einer in der deutschen Rechtsordnung gültigen Ehe kommen können. Art. 13 (3) E G B G B wird seinerseits wieder durchbrochen durch die Bestimmung des Art. 15 a des Ehegesetzes von 1946, wonach eine Ehe in Deutschland, wenn keiner der Verlobten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, „vor" einer Person geschlossen werden kann, die von der Regierung des Landes, der Heimatstaat eines der Verlobten ist, zur Eheschließung ermächtigt worden ist; die Ehe muß dann wohl auch in der Form geschlossen werden, die von dem ermächtigenden Staat vorgesehen ist. Die lange Zeit umstrittene Frage, ob eine Einzelermächtigung des in Deutschland tätigen Assistenzorgans durch den fremden Staat notwendig ist (bzw. eine gesetzliche Verweisung auf das Konsulargesetz, welches allen Konsuln dieses Landes Trauungsbefugnisse verschafft), oder ob auch eine gesetzliche Verweisung auf die Organisationsvorschriften einer bestimmten Religionsgemeinschaft genügt, hat sich dadurch erledigt, daß der B G H — und zwar wohl entgegen dem Gesetz — im letzten Fall zur Gültigkeit der Eheschließung nach § 15 a des Ehegesetzes fordert, daß das religiöse Assistenzorgan dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik von der Regierung des fremden Staates gemeldet worden ist 67 . Haben andere Staaten eine entsprechende Vorschrift wie Art. 13 (3) E G B G B , so wird eine solche Vorschrift in Deutschland nicht angewendet68, wenn die Eheschließung in dem betreffenden Staat in Übereinstimmung mit den anwendungswilligen Formvorschriften des gemeinsamen Heimatstaates, oder inhaltlich übereinstimmenden Bedingungen der Heimatstaaten der Verlobten vor sich geht. Das Erfordernis der Anwendungswilligkeit ist dabei wichtig, weil es ja so sein kann, daß der Heimatstaat eine religiöse Eheschließung seiner Staatsangehörigen in anderen Staaten nur dann als gültig anerkennt, wenn die religiöse Eheschließung auch vom staatlichen Recht des Eheschließungslandes als Eheschließungsform anerkannt wird. Mit der Anwendbarkeit der deutschen Formvorschriften entfällt sicher die Anwendbarkeit von solchen Bestimmungen des Heimatrechts der Eheschließenden, die dieser Heimatstaat als eigene Formvorschriften auch bei Eheschließungen außerhalb seines Staatsgebietes angewendet haben will, d. h. wenn er auf die Anwendung seiner eigenen Vorschriften nicht zugunsten der Formvorschriften der (deutschen) lex loci actus verzichten will. Nach der herrschenden Meinung entfällt aber als Folge der Verwendung der Mosaikmethode auch die Anwendung solcher Vorschriften im Heimatrecht, die der Heimatstaat infolge einer an dem Inhalt seines materiellen Rechts orientierten Dosierung seiner Verweisung auf die Formvorschriften des lex loci actus weiter angewendet haben will. Man nimmt auch nicht an, daß eine zwischen den Ehegatten vor deutschen Gerichten einklagbare Ver616
Ehegültigkeitshemmnisse
§21
pflichtung besteht, daran mitzuwirken, daß nach der deutschen standesamtlichen Eheschließung diejenigen weiteren Akte erfolgen, die das Heimatrecht zur Bildung einer gültigen Ehe erfordert, wenn das deutsche Recht die einschlägigen Vorschriften des Heimatrechts als „Formvorschriften" qualifiziert. Die Anwendbarkeit von ausländischem Recht auf die materiellen Ehevoraussetzungen wird bei einer gemäß den deutschen Formbestimmungen in Deutschland erfolgenden Eheschließung dadurch beträchtlich eingeschränkt, daß eine Abweichung von der „Freiheit zur Wahl" des anderen Ehegatten, soweit sie im deutschen Verfassungsrecht als Grundrecht gewährleistet ist, leicht zur Verwendung der ordre public-Klausel führt. Auf verfassungsrechtliche Gründe geht es auch zurück, daß das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit in einem berufenen und anwendungswilligen ausländischen Recht eine Eheschließung in Deutschland und die Gültigkeit der so geschlossenen Ehe nicht hindert, wenn eine Binnenbeziehung zum Inland, insbesondere in Gestalt der deutschen Staatsangehörigkeit eines Beteiligten, oder des gemeinsamen deutschen Wohnsitzes der Verlobten, besteht 69 . Desgleichen ist es bedenklich, wenn der ausländische Heimatstaat eines Verlobten die bei vollkommen homogen verknüpften Verhältnissen eingegangene und geschiedene Ehe eines deutschen Verlobten je nach der Religionszugehörigkeit des deutschen Verlobten als aufgelöst oder nicht aufgelöst betrachtet, um die Beantwortung dieser Frage zugrunde zu legen, wenn sich unter seinem Recht die Frage nach dem noch bestehenden Eheband aus der Vorehe eines Verlobten stellt; wenn so z. B. das spanische Recht auf diese Weise für die Ehe eines deutschen Staatsangehörigen mit einem Spanier, indem es für den christlich getauften deutschen Partner Unauflöslichkeit seiner den Anforderungen an eine christliche Ehe im Sinne der katholischen Kirche genügenden Vorehe annimmt, deutsche Staatsangehörige unter der Bewertung ihrer Vorehe vom Standpunkt einer bestimmten Religion her unterschiedlich behandelt, so liegt hierin der Verstoß gegen den deutschen ordre public, der dazu führt, daß der deutsche Standesbeamte die Eheschließung nicht unter Berufung auf diesen Stand des spanischen Rechts verweigern darf. Die sogenannte Spanierentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 70 hätte auf dieses Argument gestützt werden können und sollen. An der deutschen ordre public-Klausel scheitert auch das spezialrechtliche Ehehindernis der Verschiedenheit der Staatsangehörigkeit, wenn ein ausländisches Heimatrecht eine solche Bestimmung aufstellt. Mit dem deutschen ordre public beim Vorliegen einer Binnenbeziehung unvereinbar ist auch eine zeitlich beschränkte Eheunfähigkeit für solche, deren Vorehe geschieden worden ist 7 1 . Da die Zulässigkeit einer neuen Ehe bei noch bestehender Vorehe zweifellos ebenfalls gegen den deutschen ordre public verstößt, muß Nichtbestehen bzw. Auflösung 7 2 der Vorehe auf jeden Fall auch vom Standpunkt des deutschen internationalen Privatrechts her zu bejahen sein, wenn die neue Ehe in Deutschland vor dem deutschen Standesbeamten geschlossen wird. Der B G H will neuestens darin, daß ein ausländisches Recht überhaupt keine Scheidung der Ehe kennt, eine krasse Abweichung vom deutschen Recht sehen, die insofern zur Benutzung der ordre public-Klausel Veranlassung gibt, als die Unfähigkeit eines Ausländers, unter seinem Heimatrecht zu Lebzeiten des Ehegatten einer Vorehe trotz einer anderswo erfolgten Scheidung eine gültige andere Ehe schließen zu können, in Deutschland nicht zu beachten ist 7 3 . Dies gilt auch dann, wenn an der ersten Ehe ein Staatsangehöriger eines anderen Staates beteiligt war, dessen Recht die Scheidung kennt, und wenn eine Scheidung dieser Vorehe in Deutschland anerkannt wird 7 4 ' 7 S . Das noch im Verhältnis zu wenigen Staaten in Kraft stehende Haager Abkommen von 1902 gilt nur, wenn Staatsangehörige der Vertragsstaaten an der Ehe beteiligt sind, und weicht nicht erheblich von der nationalen Regelung des deutschen Rechts ab 7 6 . Die Prüfung von Ehehindernissen auf Grund eines wegen der ausländischen Staatsangehörigkeit eines Verlobten vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen und 617
§21
Internationale Zuständigkeit in Ehesachen
anwendungswilligen ausländischen Rechts ist Amtspflicht des deutschen Standesbeamten, ebenso wie die Prüfung der „Vorfrage", ob das ausländische Heimatrecht überhaupt mit seinen eigenen Sachnormen angewendet werden will, oder ob es weiterverweist. Der deutsche Standesbeamte soll aber überdies 77 an der Eheschließung erst mitwirken, wenn ihm ein Ehefähigkeitszeugnis einer „inneren Behörde" des ausländischen Heimatstaates vorgelegt wird, in dem bestätigt wird, daß vom Standpunkt dieses anderen Staates her 7 8 der beabsichtigten Eheschließung mit dem anderen Verlobten kein Hindernis entgegenstehe. Von der Beibringung eines solchen Ehefähigkeitszeugnisses kann Befreiung erteilt werden, wenn das fremde Heimatrecht die Ausstellung derartiger Zeugnisse überhaupt nicht vorsieht 7 9 , oder wenn die Ausstellung des Zeugnisses unter Berufung auf ein Ehehindernis verweigert wurde, das seinerseits in Deutschland wegen der deutschen ordre public-Klausel zu ignorieren ist 8 0 . Soweit der Wegfall des Ehehindernisses einer Vorehe nachzuweisen ist, ist ferner eine förmliche Entscheidung über die Feststellung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Scheidung für die Standesbeamten in demselben Umfang notwendig, wie sie für ein deutsches Gericht notwendig wird. Für die nach deutschem Recht vorgesehenen gesonderten Verfahren zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe und zur Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe ist die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts unter allen Umständen gegeben, wenn eine Partei zur Zeit der Entscheidung die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, oder wenn die klagende Frau zur Zeit der (angeblichen) Eheschließung deutsche Staatsangehörige war, vgl. § 606b ZPO in Verb, mit § 606 (3). Haben beide Parteien die Staatsangehörigkeit eines fremden Staates, so ist ein solches Verfahren vor einem deutschen Gericht nur zulässig, wenn zu erwarten ist, daß die Entscheidung im Heimatstaat des Mannes anerkannt wird, vgl. § 606b Ziff. 1 ZPO. Wird die Frage nach dem Bestehen einer vollgültigen oder gegebenenfalls durch Gerichtsurteil vernichtbaren Ehe, z. B. im Unterhaltsprozeß oder im Streit um das Sorgerecht über ein Kind, als Vorfrage gestellt, so kann ein deutsches Gericht, soweit es zur Entscheidung über die Hauptfrage zuständig ist, auch über die Vorfrage ohne weitere Anforderungen an seine internationale Zuständigkeit entscheiden; hier kann es möglicherweise unter Anwendung eines anderen Rechts entscheiden als demjenigen, das in einem Verfahren über das Bestehen der Ehe bzw. die Nichtigkeit anzuwenden wäre, nämlich dem Recht, welches das auf die Hauptfrage anwendbare ausländische Recht in seinen Kollisionsnormen für die Vorfrage bezeichnet. Auch wenn ein deutsches Gericht internationale Zuständigkeit besessen hätte, aber von keiner Partei angerufen wurde, werden Entscheidungen ausländischer Gerichte über das Nichtbestehen einer Ehe oder über die Aufhebung oder Nichtigerklärung anerkannt, wenn der (in dem ausländischen Verfahren) Beklagte eine fremde Staatsangehörigkeit (nicht notwendig die des Urteilsstaates) besessen hat, wenn außerdem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, oder die Ehegatten ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland gehabt haben, oder wenn der Beklagte selbst die Anerkennung der Entscheidung beantragt, vgl. § 606a ZPO. Zugleich ist erforderlich, daß das entscheidende ausländische Gericht unter analoger Anwendung der Vorschriften des deutschen Rechts international zuständig war, vgl. § 328 (1) Ziff. 1 ZPO. Aber auch dann wird jedoch das Urteil nicht anerkannt, wenn „zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Art. 13 E G B G B abgewichen worden" ist. „Zum Nachteil" abgewichen bedeutet, daß in der Sache entgegen den Anträgen der deutschen Partei entschieden wurde; „abgewichen" bedeutet, daß ein anderes Recht (es sei denn ein inhaltlich gleiches Recht) angewendet wurde, als das in Art. 13 E G B G B vorgesehene Recht. Ist in dem ausländischen Verfahren das nach dem Text des Art. 13 E G B G B berufene Recht angewendet worden, während einzelne Bestimmungen dieses Rechts auf Grund der ordre public-Klausel durch ein deutsches Gericht nicht angewendet worden wären, so wird meist, wenn auch nicht immer, die 618
Persönliche Ehewirkungen
§21
Anerkennung des ausländischen Urteils auf G r u n d des § 3 2 8 (1) Ziff. 4 zu verweigern sein. Ist im Urteilsstaat entsprechend den Anträgen der deutschen Partei unter A n w e n d u n g eines anderen R e c h t s als des nach Art. 13 E G B G B maßgeblichen R e c h t s entschieden w o r d e n , so kann auch dann n o c h die Anerkennung unter Berufung auf § 3 2 8 (1) Ziff. 4 verweigert w e r d e n ; keineswegs ist aber in jedem Fall, in dem der deutsche Standesbeamte ein Ehehindernis des ausländischen Rechts auf G r u n d der ordre public-Klausel zu ignorieren gehabt hätte, auch das auf W u n s c h der deutschen Partei von einem ausländischen G e r i c h t unter Anwendung ausländischen R e c h t s gefällte Urteil nicht anzuerkennen, wenn darin aus einem solchen Ehehindernis die entsprechenden K o n s e q u e n z e n für die Gültigkeit der E h e gezogen worden sind. F ü r die „persönlichen" Ehewirkungen läßt Art. 14 E G B G B auf alle Fälle erkennen, daß das Statut dieser persönlichen Ehewirkungen nicht unwandelbar sein soll. Sodann ergibt sich aus der Bestimmung, daß die persönlichen Ehewirkungen bei gemeinsamer deutscher Staatsangehörigkeit nach deutschem R e c h t beurteilt werden, sowie nach der bisherigen gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit, wenn einer der Ehegatten diese verliert. D a s kann zu einer bilateralen Zuweisungsnorm erweitert werden. H a b e n die Ehegatten nicht ihre Staatsangehörigkeit g e m e i n s a m 8 1 besessen, so dürfte heute die Anwendung des Heimatrechts des Mannes jedenfalls dann nicht m e h r in Frage k o m m e n , wenn auch nur ein deutscher Staatsangehöriger an der E h e beteiligt ist; das wird w o h l zutreffend aus dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes gefolgert. D i e von einigen O b e r l a n desgerichten praktizierte Kumulation der beiden Heimatrechte, die im Ergebnis auf die Maßgeblichkeit des „schwächeren" Rechts hinausläuft, kann zu Störungen der materiellen H a r m o n i e führen. Vorzuziehen ist deshalb w o h l grundsätzlich das gemeinsame W o h n s i t z recht bzw. das R e c h t des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, wenn ein solcher bei Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit b e s t e h t 8 2 . In dem w o h l seltenen Fall, daß bei verschiedener Staatsangehörigkeit auch kein gemeinsamer W o h n s i t z und kein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt zu ermitteln ist, sollte eher die gewichtigste K o m b i n a t i o n der Verknüpfungen maßgebend sein, wobei L ä n d e r mit inhaltsgleichem R e c h t wie ein einziges Land behandelt werden k ö n n t e n . Ist das für die persönlichen Ehewirkungen berufene ausländische R e c h t selbst anwendungswillig, so gelten die von ihm vorgesehenen Wirkungen für die deutsche R e c h t s o r d nung als eingetreten, auch wenn in dem Staat des Ehewirkungsstatuts die E h e gar nicht als gültig zustandegekommen gilt, weil das dortige internationale Privatrecht hier vom deutschen internationalen Privatrecht abweicht; dies wird als Folge der M o s a i k m e t h o d e in Kauf g e n o m m e n 8 3 . Hingegen wird R ü c k - und Weiterverweisung des über eine gemeinsame V e r knüpfung berufenen Ehewirkungsstatuts auf deutsches R e c h t bzw. das R e c h t eines dritten Staates in Deutschland „mitgemacht", wenn der Staat, der mit seinem R e c h t berufen ist, seine eigenen Sachnormen nicht angewendet wissen will. Bezüglich des Verlöbnisses will der Bundesgerichtshof die materiellen Voraussetzungen der Gültigkeit eines als Rechtsgeschäft gewollten Verlöbnisses analog A r t . 13 E G B G B (unter Gesamtverweisung) nach den Bestimmungen der Heimatrechte der Verlobten beurteilen; die F o r m soll hier alternativ nach der lex loci actus und dem Heimatrecht beurteilt werden. D i e Wirkungen des Verlöbnisbruchs sollen, und zwar ohne daß die verschiedenen Heimatrechte der Verlobten kumuliert würden, nach dem Heimatrecht dessen beurteilt werden, gegen den Ansprüche gestellt w e r d e n 8 4 . D i e Ansicht, daß die deutsche Staatsangehörigkeit der Frau eine Binnenbeziehung ist, die zur Anwendung des deutschen R e c h t s in bezug auf ihren Kranzgeldanspruch führt, wenn die entsprechende Vorschrift dem H e i matrecht des Mannes unbekannt i s t 8 5 , ist inzwischen wieder aufgegeben 8 6 .
619
§22
Wechsel- und Scheckrecht
§ 22. S o n d e r r e g e l u n g e n f ü r einzelne andere R e c h t s g e s c h ä f t e a) Wechsel- und Scheckrecht Eine gesonderte Regelung erfährt im positiven Kollisionsrecht der meisten Länder die Begründung von Wechsel- und scheckrechtlichen Verpflichtungen. Für fast alle Staaten, welche Parteien an dem Genfer Abkommen über Vereinheitlichung des materiellen Wechselrechts sind, gilt auch das Genfer Abkommen vom 30. 6. 1930 über die Vereinheitlichung von kollisionsrechtlichen Bestimmungen in bezug auf das Wechselrecht; sie sind maßgebend zwischen den Vertragsstaaten, soweit das materielle Wechselrecht nicht vereinheitlicht ist (wie z . B . bezüglich der Wechselfähigkeit), und für die Fragen der Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Rechts der Vertragsstaaten von dem Recht eines Nichtvertragsstaates. In diesen positivrechtlichen Regelungen sind ausdrückliche und hypothetische Rechtswahl des Geschäftsstatuts implizite ausgeschaltet. Für die zeitlich erste und wichtigste Verpflichtung aus einem Wechsel, nämlich die Verpflichtung des Akzeptanten bzw. die Verpflichtung des Ausstellers eines Eigenwechsels, ist in dem genannten Genfer Abkommen, und damit auch im Kollisionsrecht der Bundesrepublik 1 , vorgesehen, daß sich die Wirkungen dieser Erklärungen nach dem Recht des Zahlungsortes richten sollen; der Zahlungsort wird in aller Regel von dem Aussteller auf dem Wechsel selbst bezeichnet. Die Wirkungen aller anderen Wechselerklärungen richten sich nach dem Recht des Landes, wo sie unterschrieben worden sind 2 . Bezüglich Form und Geschäftsfähigkeit von Wechselerklärungen sind gesonderte Zuweisungen vorgesehen. Auch das genannte Genfer Abkommen über internationales Wechselrecht sichert dabei nicht, daß alle Vertragsstaaten stets dasselbe Recht anwenden müssen; so gilt die alternative Anwendung des Heimatrechts (bzw. des vom Heimatrecht bezeichneten anderen Rechts) und des Rechts des Ortes, wo eine Wechselerklärung unterschrieben worden ist, in bezug auf die Geschäftsfähigkeit nicht, wenn das Gericht im Heimatstaat des Schuldners entscheidet; dieser Forumstaat kann auf der alleinigen Anwendung seiner Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit bestehen3. Umgekehrt kann der Heimatstaat seine Formvorschriften alternativ auf eine Wechselerklärung im Verhältnis zwischen seinen eigenen Staatsangehörigen anwenden lassen, wenn auf diese Weise die Formgültigkeit zu bejahen ist; im übrigen gilt grundsätzlich nach dem Abkommen für die Form von Wechselerklärungen das Recht des Unterzeichnungsortes, und nicht etwa das Recht des Zahlungsortes in seiner Eigenschaft als Wirkungsstatut. Für den Scheck gilt ein Genfer Abkommen vom 19. 3. 19314, dessen Bestimmungen großenteils denen der Abkommen vom 7. 6. 1930 für den Wechsel entsprechen. Die Wirkungen einer Scheckerklärung bestimmen sich nach dem Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärung unterschrieben wird, doch sind eine ganze Anzahl bestimmter Fragen dem Recht des Zahlungsortes zugewiesen. b) Arbeitsvertrag Besonderheiten der internationalprivatrechtlichen Behandlung im positiven Recht weist auch der Arbeitsvertrag auf. Sowohl für den Werkvertrag, als auch für den auf einzelne Dienstleistungen gerichteten Vertrag eines Selbständigen (der oft vom Werkvertrag schwer zu unterscheiden ist) 5 , als auch für den Dauerarbeitsvertrag desjenigen, der ausschließlich oder vorwiegend für einen bestimmten Arbeitgeber tätig wird, kann das gesetzliche Geschäftsstatut sicher durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles bestimmt werden 6 . Das Bedürfnis, bei der Bestimmung des gesetzlichen Geschäftsstatuts von einer Vermutung, die mit einer einfachen objektiven Verknüpfung arbeitet, ausgehen zu können, ist beim Arbeitsvertrag offenbar besonders stark. Hier zeigt sich nun, daß ein Abstellen auf den Wohnsitz desjenigen, der die nicht in Geld bestehende 620
Arbeitsvertrag
§22
Leistung zu erbringen hat, gerade beim Arbeitsvertrag nicht üblich geworden ist 7 ; man wird den Arbeitsvertrag desjenigen, der jeden Tag, oder einmal in der Woche, von seinem Familienwohnsitz über die Staatsgrenze geht, um für den in einem anderen Lande ansässigen Arbeitgeber dort Arbeiten zu verrichten, auch nicht „im Zweifel" nach dem Wohnsitzrecht des Arbeitnehmers beurteilen. Aber auch der Arbeitsort kann als subsidiäres einfaches Anknüpfungsmoment nur gelten, wenn es sich um einen festen Arbeitsort in einem Staatsgebiet (eventuell auch auf einem Schiff) handelt. Für den Monteur oder Ingenieur, dessen Arbeitsauftrag dahin geht, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses an verschiedenen Orten in verschiedenen Staaten kurze oder kürzeste Zeit Arbeiten für den Arbeitgeber zu verrichten, kann das vermutete Geschäftsstatut weder über den Familienwohnsitz des Arbeitnehmers, noch über den jeweiligen Arbeitsverrichtungsort zu bestimmen sein. Als sachgerechtes Anknüpfungsmoment kommt hier wohl die Niederlassung des Arbeitsgebers in Frage, von welcher der Arbeitnehmer seine Weisungen erhält 8 . Während bei Verträgen zwischen Selbständigen als Geschäftsstatut nach einer verbreiteten Auffassung nicht nur eines der verknüpften Rechte gewählt werden kann, sondern eventuell auch ein „neutrales", von den Personalstatuten der Beteiligten verschiedenes Recht, dürfte als wählbares Statut für den Arbeitsvertrag nur ein Recht in Frage kommen, zu dem verhältnismäßig starke Verknüpfungen schon bestehen 9 . Da das gewählte Recht auch die beim Arbeitsvertrag besonders zahlreichen zwingenden Bestimmungen zu liefern hat, wäre es bei dieser Vertragsart besonders unangebracht, daß für einzelne Teilfragen — etwa das Kündigungsrecht oder die Haftung für Unfälle — ein gesondertes Statut gewählt werden dürfte 10 . Die alternative Anwendung der Formbestimmungen der lex loci actus auf die Vertragserrichtung kraft Sonderanknüpfung im Kollisionsrecht des jeweiligen Forumstaates ist beim Arbeitsvertrag mit Recht als untragbar kritisiert worden 1 1 . Sowohl das gewählte Geschäftsstatut, als auch das gesetzliche Geschäftsstatut müssen sich vorbehalten können, daß vor allem für gewisse Klauseln im Arbeitsvertrag die von ihnen vorgeschriebene qualifizierte Form auch bei Geschäftserrichtung im Ausland gewahrt w i r d l l a ; dies sollte dann im Sinne der Grundstatutsmethode auch in einem anderen Forumstaat beachtet werden. Eine einseitige Sonderanknüpfung erfolgt beim Arbeitsvertrag zunächst einmal für die nicht selten anzutreffenden spezialrechtlichen Vorschriften, welche entweder eine Genehmigung für die Person des auslandsverknüpften Arbeitnehmers, sich zu Arbeiten im Inland zu erbieten, oder eine Genehmigung für den inländischen Arbeitgeber zur Einstellung auslandsverknüpfter Arbeitnehmer erfordern, oder die gar den einzelnen heterogen verknüpften Arbeitsvertrag genehmigungspflichtig machen und beim Fehlen einer solchen Genehmigung die volle Gültigkeit des Arbeitsvertrages behindern 12 . Eine Sonderanknüpfung von zwingenden Rechtssätzen des Inlandsrechts, welche das gültige Zustandekommen des Arbeitsvertrages hemmen können, erfolgt, wenn die geschuldete Dienstleistung in einer nach einem staatlichen Recht strafbaren Handlung besteht; über die Anwendung einer solchen Vorschrift in anderen Staaten gelten die früher behandelten allgemeinen Grundsätze 13 . Obwohl zwingende Vorschriften über Mindestlöhne, Höchstarbeitszeit usw. zumeist das Minimum an Gerechtigkeit im Innenverhältnis im Auge haben und daher auch vom gewählten Geschäftsstatut gestellt werden können, ist an der Anwendung von eigenen Vorschriften dieser Art häufig jedoch auch ein anderer Staat interessiert, der dann jedenfalls seinen Gerichten die Beachtung dieser Vorschriften im Arbeitsgerichtsverfahren aufgeben wird; so wenn das Land, wo die Arbeit verrichtet wird, zur Verhütung von Unfällen des Arbeitnehmers oder Dritter Höchstarbeitszeiten festsetzt, oder die Arbeit mit ungeeigneten Werkzeugen verbietet usw. Auch diese Vorschriften werden in einem dritten Forumstaat, der mit seinen Gerichten für eine Streitigkeit zuständig ist, gegebenenfalls auch in 621
§22
Arbeitsvertrag
Widerspruch zum Geschäftsstatut berücksichtigt werden, wenn der Forumstaat, z. B. als Heimat- oder Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers, in der Anwendung jener Vorschriften eine indirekte Förderung eigener staatlicher Interessen sieht. Zur Sonderanknüpfung einzelner eigener zwingender Sätze entgegen dem gesetzlichen oder gewählten Geschäftsstatut für den einzelnen Arbeitsvertrag kann sich ein Staat unter Umständen auch veranlaßt sehen, um eine unterschiedliche Behandlung der auf seinem Staatsgebiet in demselben Betrieb tätigen Arbeitnehmer zu verhindern 1 3 3 : Er wird dann z. B . darauf bestehen, daß Arbeiten nicht durch vorübergehend tätige ausländische Arbeiter zu Löhnen ausgeführt werden, die unter den Mindestlöhnen für inländische Arbeiter liegen; das kann nicht nur in öffentlich-rechtlichen Verfahren gegen den Arbeitgeber, sondern auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei Lohnstreitigkeiten beachtlich werden. Sonderanknüpfung auf Grund der inländischen Belegenheit des „Betriebs" ohne Rücksicht auf das vereinbarte Vertragsstatut wird als notwendig angesehen werden auch für alle Bestimmungen über die „Betriebsverfassung", die sich auf das Einzelarbeitsverhältnis auswirken, wie z. B. die Befragung des Betriebsrates bei einer Kündigung 1 4 . Kündigungsschutzbestimmungen zugunsten des Arbeitnehmers werden ohne Rücksicht auf das gewählte Vertragsstatut Anwendung beanspruchen, soweit es sich um Arbeitnehmer mit inländischem Wohnsitz in einem inländischen Betrieb handelt. Manche Staaten gehen jedoch noch weiter und erklären alle zwingenden Bestimmungen des gesetzlichen Geschäftsstatuts, die sich zugunsten des Arbeitnehmers auswirken, auch bei Wahl eines anderen Rechts als alternativ anwendbar 1 5 . Werden arbeitnehmerfreundliche Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen vereinheitlicht, und ist ihre Anwendung durch die Vertragsstaaten völkerrechtlich geboten 1 6 , so ist dies im Zweifel so zu verstehen, daß jeder Vertragsstaat bei heterogen verknüpften Arbeitsverhältnissen ihnen den größtmöglichen Anwendungsbereich zu verschaffen hat. Wird eine Wahl des Geschäftsstatuts für den Arbeitsvertrag zugelassen, und stehen nicht alternativ anwendungswillige Bestimmungen des gesetzlichen Geschäftsstatuts oder eines dritten Staates zugunsten des Arbeitnehmers im Wege, so würde aus den allgemeinen Regeln über heterogen verknüpfte Verträge folgen 1 7 , daß der Staat des gewählten Geschäftsstatuts es den Parteien ermöglichen kann, von zwingenden Bestimmungen seines Inlandsrechts abzuweichen, von denen bei homogener Verknüpftheit nicht abgewichen werden kann. Ein Staat könnte also gerade für die Fälle, in denen sein Recht durch Rechtswahl zum Geschäftsstatut wird, den Arbeitsvertrag gegenüber bestimmten zwingenden Vorschriften als „immun" erklären 1 8 . Die Anwendung solchen Spezialrechts 1 9 wird, wenn die Rechtswahl auf Grund der schwächeren Verhandlungsposition des Arbeitnehmers zustandegekommen ist, in anderen Staaten mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel verhindert werden. Während die gesetzliche Haftung eines Rechtssubjekts für Körperverletzungen durch Vertrag vorweg modifiziert werden kann, wenn die Schädigung im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Vertragsverhältnisses erfolgt, wird es bei Arbeitsverträgen nur selten zugelassen, daß die gesetzliche Unfallhaftung des Arbeitgebers, die im allgemeinen von dessen Sitz oder vom Unfallort abhängt 1 9 3 , unter einem ausländischen Geschäftsstatut durch Vertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Gesetzliche Bestimmungen, welche den Inhalt von Kollektivverträgen (Tarifverträgen) zum Inhalt des Einzelarbeitsvertrags machen, führen zunächst in dem Urheberstaat zu eigenartigen Fragen nach der Abgrenzung der Anwendungsbereiche der verschiedenen vorhandenen Kollektivverträge, und damit zu Problemen, die denen des intergentilen Rechts nicht unähnlich sind. Gerichte eines anderen Forumstaates werden die gesetzlich angeordnete Einfügung des Inhalts von Kollektivverträgen in den Individualarbeitsvertrag beachten, wenn der Einzelarbeitsvertrag selbst auf den Kollektivvertrag verweist, oder das 622
Rechtsgeschäfte über Rechtsverhältnisse unter fremdem Recht
§ 22
Geschäftsstatut eine Bestimmung der erwähnten Art enthält 20 . Bestimmungen über die Verbindlichkeit von Kollektivverträgen, die nicht vom Staat des Geschäftsstatuts herrühren, werden vielleicht auch bei Gegenseitigkeit zwischen den Staaten, die solche Vorschriften haben, zur Anwendung gebracht. c) Rechtsgeschäfte über Rechtsverhältnisse unter fremdem Recht Wenig Beachtung haben die eigenartigen Fragen gefunden, welche sich stellen, wenn durch Rechtsgeschäft eine Verpflichtung begründet werden soll, ein weiteres Rechtsgeschäft unter einem anderen Recht zu errichten als dem, welches Geschäftsstatut für das verpflichtende Geschäft ist. Dabei kann es sich vor allem um einen Vorvertrag für einen anderen endgültigen obligatorischen Vertrag, oder um die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Verfügungsgeschäft, oder um die Gründung einer juristischen Person handeln. Hier kann die Frage gestellt werden, ob eine Verpflichtung zur Beteiligung an einem auslandsrechtlichen Geschäft begründet werden kann, welches in dem Staat, der das Geschäftsstatut für das verpflichtende Geschäft stellt, keine Rechtswirkungen hervorbringen soll oder hervorbringen kann. Die Frage kann nicht grundsätzlich verneint werden. Wenn in einem Vertrag des staatlichen Rechts eine Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung begründet werden kann, die nur innerhalb der Normenordnung einer religiösen Gemeinschaft von Bedeutung ist (wobei es sich nicht um einen Akt der Religionsausübung handeln darf) 2 1 , so kann auch durch Rechtsgeschäft eine Verpflichtung unter dem Recht des Staates A begründet werden, durch ein weiteres Rechtsgeschäft Rechtswirkungen zu schaffen, die nur in der Rechtsordnung des Staates B anerkannt werden. Anders ist es natürlich, wenn die Erfüllung der Verpflichtung aus dem geplanten Rechtsverhältnis in dem Statutsstaat des kausalen Rechtsverhältnisses verboten wäre. Andererseits ist zu beachten, daß das Recht B, unter dem die Parteien weitere Rechtswirkungen hervorbringen wollen und sich dazu zu einem Geschäft unter dem Recht A verpflichten, den Eintritt dieser Rechtswirkungen davon abhängig machen kann, daß das Vorgeschäft alle oder einzelne derjenigen Voraussetzungen erfüllt, die im Recht B für das Vorgeschäft maßgebend wären. Ist das nicht der Fall, so ist das allein kein Grund, um das gemäß dem Recht A errichtete Vorgeschäft unter diesem Recht A als auf einen unmöglichen Erfolg gerichtet anzusehen. Wohl aber ist hier eine spezialrechtliche Nebenverpflichtung aus dem Vorgeschäft anzunehmen, die dahin geht, daß die Parteien durch weitere Abmachungen das Vorgeschäft in der Weise ergänzen, daß es ausreicht, um die geplante Rechtsverwirklichung unter dem Recht B eintreten zu lassen 2 2 . Verträge betreffend Bürgschaft, Garantie oder Kreditversicherung brauchen sich keineswegs auf Schulden zu beziehen, für die das Geschäftsstatut durch dasselbe staatliche Recht gestellt wird. Andererseits gehört die Verknüpfung mit dem Recht eines Staates, das für die gesicherte Schuld maßgeblich ist, mit zu denjenigen Verknüpfungen, die berücksichtigt werden müssen, wenn die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Bürgschaftsvertrages usw. festgestellt werden muß. Eine Bürgschaft mit ihrem eigenen Geschäftsstatut kann sich im übrigen auch auf eine Hauptschuld beziehen, für die in deim Staat, der das Bürgschaftsstatut stellt, und wo aus der Bürgschaft geklagt werden kann, der Rechtsschutz ausgeschlossen ist, z. B. weil für die Hauptschuld ein ausschließlicher Gerichtsstand im Lande B vereinbart wurde und feststeht, daß Urteile aus dem Land B im Land A nicht anerkannt und vollstreckt werden. Durch einen dem Geschäftsstatut A unterstehenden Vertrag können Verpflichtungen, die in einem im Staat A, etwa mangels Gegenseitigkeit, nicht anerkennungsfähigen Urteil eines Gerichts von B festgestellt worden sind, als vertragliche Verpflichtung für die Rechtsordnung A neu begründet werden. Auch gesetzliche Leistungspflichten, die nur gemäß dem im Staat B anwendbaren, nicht aber nach dem im Staat A anwendbaren Recht beste623
§ 23
Verpflichtung zur Testamentserrichtung unter fremdem Erbrecht
hen, können als vertragliche Verpflichtungen unter dem Recht von A neu begründet werden. Desgleichen können etwaige Verbote der Erfüllungshandlung, die das Recht B aufgestellt hat, die aber im Staat A die Gültigkeit des Schuldvertrages nicht beeinträchtigen und auch nicht als Ursache der Unmöglichkeit der Erfüllung gelten, von den Parteien selbst in ihrem Vertrag zum Entschuldigungsgrund für eine Nichterfüllung erklärt werden. Im Rahmen des dispositiven Rechts des Geschäftsstatuts kann eine materiellrechtliche Verweisung seitens der Parteien die Nichterfüllung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung auch mit den privatrechtlichen Sanktionen versehen, die dasselbe Recht oder ein ausländisches Recht für unerlaubte Handlungen vorsieht, und zwar sowohl im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien als auch zugunsten Dritter 2 3 . Stellt sich eine Nicht- oder Schlechterfüllung des Schuldvertrages zugleich als Verletzung einer gesetzlichen Verhaltenspflicht, also als unerlaubte Handlung, unter einem im Forumstaat nicht berufenen Recht dar, und haben die Parteien vereinbart, daß die Unrechtsfolgen unerlaubter Handlungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des Vertrages nur als Vertragsverletzungen relevant werden, so ist dies selbstverständlich im Forumstaat zu beachten. O b es auch in dem Staat zu beachten ist, der das Deliktsstatut stellen will, ist seine Sache 2 4 . Ist die Beachtung gesetzlicher Verhaltensnormen und Haftungsvorschriften in dem anwendungswilligen Recht nicht abdingbar und auch nicht durch die Haftung aus Rechtsgeschäft ablösbar, so gilt dies im Urheberstaat der gesetzlichen Haftung auch, wenn im Staat des Geschäftsstatuts Gegenteiliges gilt. Aber auch der Staat des Geschäftsstatuts sollte seine gegenteilige Regelung nur dahin verstehen, daß seine Gerichte, entsprechend der Vereinbarung der Parteien, der vertraglichen Haftung den Vorrang zu geben haben, und sollten nicht so weit gehen, daß sie in der Klage einer Partei im Staat des Deliktsstatuts und der Erwirkung eines Urteils auf Grund des Deliktsstatuts eine positive Vertragsverletzung sehen. Schwierige Fragen entstehen, wenn in einem Privatrecht eine rechtswirksame Verpflichtung begründet werden kann, ein weiteres Rechtsgeschäft zu errichten, während gerade dasjenige Privatrecht, unter dem das geplante Rechtsgeschäft zu errichten ist, das obligatorische Geschäft „verbietet" und dem verbotswidrig errichteten Geschäft jegliche Wirkung versagt. Besonders deutlich wird dies, wenn in dem Recht, welches als gesetzliches Geschäftsstatut einer vertraglichen Verpflichtung in Frage kommt, ein vertragliches Versprechen zur Veranlassung einer bestimmten Erbfolge durch Hinterlassung eines entsprechenden Testaments bei Nichterfüllung eine Schadensersatzpflicht nach sich zieht, für die der Nachlaß haftet, während in dem Staat, der das Erbstatut stellt, der Vertrag absolut nichtig ist. Hier ist eine Billigkeitslösung angebracht, wenn das zur Zeit des Vertrages zu erwartende Erbstatut den Vertrag als zulässig betrachtete; wird später ein anderes Recht Erbstatut, welches die Belastung des Nachlasses mit einer Schadensersatzpflicht verneint, so ist doch ein Anspruch auf Rückgewähr dessen, was dem Versprechenden zu Lebzeiten als Gegenleistung verschafft worden war, als Nachlaßschuld zu berücksichtigen 2 5 .
§ 23. Ungerechtfertigte Bereicherung und Verwandtes Wohl alle Privatrechte kennen gewisse Institutionen, unter denen Rechtspflichten, insbesondere Geldleistungspflichten, entstehen, ohne daß diese als Pflichten aus gesetzlichen Verhaltensnormen oder aus Rechtsgeschäft zu verstehen sind. Das Fehlen einer einzelnen derartigen Einrichtung wird angesichts der großen Verschiedenheit der Regelungen des positiven Rechts gerade für diese Fragen nicht leicht als krasse Abweichung empfunden werden können. Für alle diese Institutionen drängt sich eine Zuweisungsnorm geradezu auf, wenn das internationale Privatrecht das subsidiäre Statut der gesetzlichen Haftung für schuldlose Schadensverursachung einerseits, und das gesetzliche Geschäftsstatut für pflichtbegründende Geschäfte andererseits vermittels der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall bestimmen will 1 . Dann sind auch etwa Leistungspflichten aus 624
Ungerechtfertigte Bereicherung und Verwandtes
§23
Geschäftsführung ohne Auftrag 2 , oder aus großer Haverei des Seerechts nach dem Recht zu beurteilen, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht. In den Fällen, in denen in gewissen Privatrechtsordnungen von faktischen Vertragsverhältnissen gesprochen wird, um die Anwendung der Bestimmungen über Vertragswirkungen zu rechtfertigen, und in denen andere Rechte mit Bereicherungsansprüchen operieren, ist das Anknüpfungsmoment der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen evident. Ansprüche auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, die im Zusammenhang mit der planmäßigen Abwicklung oder der nichtprogrammäßigen Abwicklung eines durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses gegeben sein könnten, sind nach dem gesetzlichen Geschäftsstatut zu beurteilen, wenn keine gültige Rechtswahl getroffen ist. Liegt gültige Wahl eines Geschäftsstatuts vor, unter dem sich aber das Geschäft als ungültig erweist, so ist dieses gewählte Recht auf die Ansprüche auf Rückgewähr von Vorgeleistetem usw. anwendbar 3 . In anderem Zusammenhang wurde ausgeführt, daß es zu einem untragbaren Hin und Her der Durchsetzung und der Rückgängigmachung der Durchsetzung von Ansprüchen in verschiedenen Staaten führen würde, wenn jeder Staat die Verwirklichung des auf Grund abweichender Rechtsanwendungsanweisungen in einem anderen Staat geltenden Rechtszustandes zum Anlaß nehmen würde, um die damit in der Sicht des Forumstaates ungerechtfertigte Bereicherung einer Partei rückgängig zu machen 4 . Wohl aber kann dem Versuch, aus dem im Ausland erwirkten Urteil im Inland zu vollstrecken, die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung entgegengehalten werden. Darin findet auch eine Regelung im Recht des Forumstaates ihre Grenze, wonach ausländischen Urteilen die Anerkennung nicht wegen der Verwendung abweichender Kollisionsnormen die Anerkennung versagt werden kann. In seinen einzelnen Aspekten ist allerdings dieses Problem noch einer detaillierten Prüfung bedürftig. In einen Dschungel schwierigster Probleme führt die Fragestellung ob, wenn man schon nach dem Anwendungsbereich aller denkbaren pflichtbegründenden Rechtssätze fragt, nicht auch für die Sätze betreffend die materielle Rechtskraft von Urteilen, welche das Bestehen einer Verpflichtung oder eines Komplexes von Pflichten feststellen, einen Anwendungsbereich zu ermitteln hätte 5 . Hierzu ist zunächst zu sagen, daß dieselbe Frage dann auch für solche Sachentscheidungen der Gerichte festgestellt werden müßte, die einen Anspruch oder das Bestehen eines Rechtsverhältnisses rechtskräftig verneinen. Auszugehen ist davon, daß das positive Recht der meisten Länder eine automatische Anerkennung auch solcher gerichtlicher Akte eines anderen Staates, der das im Forumstaat berufene Recht stellt, wenn das Gericht des Statutsstaates unter diesem Recht Feststellungen über die Rechtslage getroffen hat, ablehnt 6 . Andererseits wirkt ein inländisches Urteil auf Grund der Rechtsordnung des Urteilsstaates nur innerhalb der Rechtsordnung dieses Staates, und auch hier nur, insoweit die entscheidende Rechtsfrage in späteren Verfahren nach demselben Recht zu beurteilen ist, welches der rechtskräftigen Entscheidung zugrunde gelegt wurde 7 . Es bestehen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, auch die objektiv falsche Anwendung eines anderen Rechts als der lex fori durch ein Gericht mit der Rechtskraft als geheilt anzusehen, und dies auch bei ausländischen Urteilen anzunehmen, die im Inland anerkannt werden. Eine Anerkennung der Rechtskraft von Urteilen des zuerst angegangenen ausländischen Gerichts, das ein anderes, und jedenfalls nicht ein inhaltsgleiches Recht zugrunde gelegt hat wie das, welches vom Gericht des Anerkennungslandes hätte angewendet werden müssen, führt aber dazu, daß es der Partei, die als erste in einem bestimmten Land Klage erhebt, und erheben kann, ermöglicht wird, die Rechtsanwendungsanweisungen des Gesetzgebers in dem Staat, wo das erwirkte Urteil später Anerkennung finden soll, durch die Rechtsanwendungsanweisungen zu verdrängen, die der ausländische Gesetzgeber seinen Gerichten gegeben hat. Das ist aber, wie an anderer Stelle bereits dargelegt 8 , untragbar. 625
§24
Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse
II. B e e n d i g u n g von Rechtsverhältnissen und Ü b e r t r a g u n g v o n Rechten § 24. D a s auf die B e e n d i g u n g von Rechtsverhältnissen anwendbare Recht a) Allgemeines Daß bei einem durch Gesetz begründeten Recht-Pflicht-Verhältnis dasselbe Recht Zustandekommen und Abwicklung, bzw. „Wirkungen" des Rechtsverhältnisses regelt, wird allgemein als selbstverständlich betrachtet. Das Geschäftsstatut des durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses regelt bei Verwendung der Grundstatutsmethode — vorbehaltlich von Sonderanknüpfungen — ebenfalls das gültige Zustandekommen des Rechtsgeschäfts und die Rechtswirkungen des Rechtsverhältnisses, während im Sinne der Mosaikmethode vielfach die einzelnen Wirkungen nach anderen Rechten zu beurteilen sein sollen als das Zustandekommen des Rechtsverhältnisses. Einem als Wirkungsstatut berufenen Recht ist aber dann jedenfalls zu entnehmen, wie sich der Gesetzgeber die planmäßige Abwicklung des Rechtsverhältnisses vorstellt, und was bei Störungen der planmäßigen Abwicklung rechtens sein soll. Dabei sind in einem anderen Forumstaat als dem, der das Geschäftsstatut stellt, auch Generalklauseln über die Wirkungen im Sinne des Wirkungsstatuts zu verstehen: Was aus Treu und Glauben für die Abwicklung eines Vertrages mit deutschem Geschäftsstatut alles zu folgern ist, ist auch durch ein außerdeutsches Gericht nach deutschen Vorstellungen zu beurteilen, und umgekehrt darf ein deutsches Gericht die Tragweite von Treu und Glauben bei einem Vertrag unter französischem Geschäftsstatut nicht im Sinne des deutschen Rechts verstehen. Nach dem Wirkungsstatut ist es zu beurteilen, welche Folgen es hat, wenn eine Partei wegen einer nach der Geschäftserrichtung eintretenden Geschäftsunfähigkeit die ihr obliegenden Leistungen in Gestalt von rechtsgeschäftlichen Erklärungen nicht erbringt; dabei dürfte auch in denjenigen Kollisionsrechten, welche die Geschäftsfähigkeit bei dem Begründungsgeschäft selbständig zuweisen, der Standpunkt des Staates des Geschäftsstatuts zu der Frage, ob nachträglich Geschäftsunfähigkeit eingetreten ist, vorzuziehen sein. Bei Willenserklärungen, die im Verlaufe der Abwicklung des Rechtsverhältnisses abzugeben sind, dürften allerdings viele Rechte jedenfalls für ihr eigenes Recht eine Sonderanknüpfung vornehmen. Für die Form von Willenserklärungen im Verlaufe der Abwicklung eines Rechtsverhältnisses nimmt eine verbreitete Meinung die Maßgeblichkeit derselben Sonderzuweisungen für die Form an, wie sie für das begründende Rechtsgeschäft gelten. Gerade hier dürfte aber, wenn das Geschäftsstatut durch Rechtswahl, oder durch den übereinstimmenden Glauben der Parteien, feststeht, anstelle der Verwendung einer vom Geschäftsstatut vorgesehenen und auch im Ausland realisierbaren qualifizierten Form die Verwendung einer einfacheren Form der lex loci actus nicht als zulässig zu gelten haben1. Nach dem Wirkungsstatut des durch Gesetz oder Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses richtet sich im Zweifel auch seine Beendigung durch andere Vorgänge als die endgültige Abwicklung aller Pflichten. Hierfür bestehen jedoch gewisse Unterschiede zwischen den durch Gesetz und den durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnissen. b) Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse auf andere Weise als durch Rechtsgeschäft Dasjenige nationale Recht, welches das Gesetz stellt, auf Grund dessen Rechte und Pflichten zwischen Privatrechtssubjekten entstehen, also das Begründungsstztut für gesetzliche Unterlassungs-, Unterhalts- und Schadensersatzpflichten oder für Monopolrechte, ist im Zweifel zugleich das Bestandsstatux., nach dem auch die Frage nach dem Ende, und damit nach dem Noch-Bestehen des fertigen konkreten Rechtsverhältnisses zu einem 626
Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse
§24
bestimmten Zeitpunkt, zu beantworten ist. Das Bestandsstatut gibt also etwa einem Patentrecht von vornherein eine beschränkte zeitliche Geltung, es regelt die Dauer der Unterhaltspflicht etwa bis zu einem bestimmten Lebensalter, und es bestimmt, ob und wann ein Monopolrecht durch Nichtausübung oder ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Rechts durch Nichtgeltendmachung innerhalb bestimmter Zeiträume beendet wird 2 . Das Bestandsstatut eines durch Gesetz geschaffenen Rechtsverhältnisses kann die Beantwortung von Teilfragen seiner Beendigung an ein anderes Recht delegieren: Hat das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person eine Unterhaltspflicht anderer begründet, so ist es seine Sache zu bestimmen, ob die Unterhaltspflicht gegenüber einem Jugendlichen mit der „Volljährigkeit", oder mit einem bestimmten Alter ohne Rücksicht auf das Volljährigkeitsalter, oder erst mit dem Ende der Ausbildung zu einem Beruf endet. Wird das erstere angenommen, so kann das Aufenthaltsstatut unter Volljährigkeit dann einfach dasjenige Lebensalter verstehen, bei dem jemand im Inlandsrecht dieses Landes die Fähigkeit erlangt, an der Errichtung pflichtbegründender Geschäfte allein teilzunehmen. Das Unterhaltsstatut kann aber auch das über eine selbständige Anknüpfung ermittelte Recht meinen, welches vom Standpunkt des internationalen Privatrechts dieses Staates her gesehen für die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit maßgebend ist; das kann also etwa das Heimatrecht sein 23 . Bei gesetzlichen Dauerrechtsverhältnissen hat ein Wechsel des Bestandsstatuts auch einen Wechsel der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen über das Ende des Rechtsverhältnisses zur Folge. Es ist also nicht etwa das für die Unterhaltspflicht der Eltern unmittelbar nach der Geburt des Kindes maßgebliche Recht, welches abschließend darüber entscheiden würde, ob dem Kind bei eigener Erwerbsfähigkeit Unterhalt bis zum Ende der Ausbildung, oder bis zu einem bestimmten Lebensalter, oder sonstwie geleistet werden muß, sondern das jeweils für die Unterhaltspflicht maßgebende Recht — also besonders häufig das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes — bestimmt, wann während der Dauer seiner Herrschaft eine Unterhaltspflicht besteht und gegebenenfalls beendet wird. Auch bei einer durch Kapitalzahlung abgegoltenen Unterhaltspflicht kann durch das Anwendbarwerden seines neuen Unterhaltsstatuts eine Unterhaltspflicht für nicht erfaßte Zeiten neu entstehen; das jeweilige Unterhaltsstatut kann auch bei Entwertung der geleisteten Kapitalabfindung den Wiederbeginn neuer laufender Unterhaltsleistungen anordnen. Sind nach dem Haftungsstatut laufende Zahlungen als Schadensersatz aus Delikt oder Quasidelikt zu leisten, so mag das die Haftung begründende Recht durch ein später erlassenes Gesetz eine anfänglich nicht vorgesehene vorzeitige Beendigung dieser Zahlungen vorsehen; die Anwendung dieser Bestimmung wird in anderen Forumstaaten dann — ähnlich wie bei nachträglicher rückwirkender gesetzlicher Beseitigung der Haftung durch das Haftungsstatut — unter Umständen als ein enteignungsgleicher Vorgang auf krasse Abweichung von den einschlägigen Bestimmungen des Forumstaates geprüft und eventuell abgelehnt werden. Daß ein anderer Forumstaat seine Verjährungsbestimmungen mit ihren kürzeren Verjährungsfristen als Verfahrensrecht zur Anwendung bringen kann, ohne damit gegen allgemeine Postulate zu verstoßen, wurde früher bereits dargelegt3. Daß ein anderer Staat unter Bezugnahme auf eine andere Verknüpfung als diejenige, die für die Bestimmung des Haftungsstatuts maßgebend ist, ausschließlich die Anwendung einer eigenen Vorschrift über eine vorzeitige Beendigung einer deliktischen Haftung anstrebt, wird selten sein. Inwieweit dritte Staaten sich einer solchen Regelung anschließen sollten, ist wohl nicht anders zu beurteilen, als wenn ein anderer Staat als der, der das Geschäftsstatut für eine rechtsgeschäftlich begründete Verpflichtung stellt, den Anspruch erhebt, eine eigene Bestimmung über eine vorzeitige Beendigung der Verpflichtung gegebenenfalls auch entgegen dem Geschäftsstatut zur Anwendung zu bringen3®. Besteht ein kraft der gesetzlichen Bestimmung des Deliktsstatuts zu ersetzender Scha627
§ 24
Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft
den darin, daß mit der Erwerbsfälligkeit eines Unterhaltspflichtigen auch seine Fähigkeit zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten dieser Art zerstört wird, und ist der Schadensersatz in Gestalt einer Geldrente an den Unterhaltsberechtigten zu leisten, so ist das Deliktsstatut, wie an anderer Stelle dargelegt 4 , vernünftigerweise dahin auszulegen, daß für die Schadensberechnung dasjenige anwendungswillige Unterhaltsstatut zugunde gelegt wird, nach Maßgabe dessen der Unterhaltsbedürftige vermutlich tatsächlich seinen Unterhalt vom Opfer des Delikts bezogen hätte. Dann ist die Beendigung der Rentenzahlungspflicht unter dem Deliktsstatut der Beendigung der Unterhaltspflicht unter dem Unterhaltsstatut anzupassen; damit ist der Begriff der Volljährigkeit wieder im Sinne des Unterhaltsstatuts und etwaiger Weiterverweisungen auf andere Rechte zu verstehen. Bestimmt wäre es falsch, wenn ein dritter Forumstaat die für die Frage nach der Beendigung von gesetzlichen Rechtspflichten auftauchenden Teil- und Vorfragen selbständig zuweisen wollte. Eine besondere Regelung erfährt die Beendigung des im allgemeinen zunächst kraft Gesetzes den Eltern zustehenden Sorgerechts durch Gesetz oder Staatsakt. Da es sich um ein Monopolrecht gegenüber Dritten und dem Sorgeobjekt selbst handelt, ist es der Aufenthaltsstaat des Sorgeobjekts, der die „Macht" hat, das auf seinem Staatsgebiet durch ihn geschützte Rechtsverhältnis, auch wenn er darauf ausländisches Recht anwenden läßt, durch neue Gesetze oder durch Staatsakt auch gegen den Willen der Beteiligten endgültig zu beenden, oder anstelle des bisherigen Inhabers von Sorgegewalt einen anderen zu setzen. Der Aufenthaltsstaat des Sorgeobjekts verweist aber üblicherweise auch bezüglich der Beendigung von Sorgegewalt und der daraufhin zutreffenden weiteren Maßnahmen in breitem Umfang auf das Recht solcher Staaten, zu denen eine intensivere Dauerverknüpfung des Sorgeobjekts besteht. Daraus ergibt sich insbesondere das an anderer Stelle schon beschriebene System vorläufiger, bzw. auflösend bedingter „Maßnahmen" im Staat des einfachen Aufenthalts und im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts, sowie die Anerkennung der vom Heimatstaat getroffenen Maßnahmen durch die Staaten des einfachen und des gewöhnlichen Aufenthalts, wie es im Haager Minderjährigenschutzabkommen geregelt ist 5 . Als „Maßnahme" kommt auch die Beendigung eines Sorgegewaltverhältnisses durch Aufhebung einer bestehenden Entmündigung u. ä. in Frage. c) Beendigung gesetzlicher Rechtsverhältnisse durch Rechtsgeschäft Das Bestandsstatut für gesetzliche Rechtsverhältnisse kann zunächst einmal durch neue, nach der Begründung eines konkreten Rechtsverhältnisses erlassene Gesetze neue Möglichkeiten der Beendigung vorsehen, oder umgekehrt das gesetzliche Rechtsverhältnis entgegen dem bis dahin in Aussicht Genommenen als noch nicht beendet erklären. Inwieweit darin Maßnahmen zu sehen sind, die als Enteignung geltender Rechtspositionen behandelt werden müssen und deshalb in einem anderen Forumstaat möglicherweise als krasse Abweichungen von seinem Recht betrachtet werden, bedarf hier keiner weiteren Behandlung. Das gleiche gilt für die durch neu erlassene Gesetze des Bestandsstatuts geschaffenen Möglichkeiten einer vorzeitigen Beendigung eines gesetzlichen Rechtsverhältnisses durch Staatsakt. In den meisten Rechten werden vielfach auch jeweils Möglichkeiten zur Beendigung von gesetzlichen Rechtsverhältnissen durch Rechtsgeschäft (im weiteren Sinn) vorgesehen, wenn auch mit Ausnahmen: Ein Fideikommißeigentum kann nicht durch Dereliktion der Sachen, an denen es besteht, eine gesetzliche Unterhaltspflicht kann oft nicht durch einseitigen Verzicht oder Verzichtsvertrag beendet werden 6 . Soweit das Bestandsstatut Beendigung eines gesetzlichen Rechtsverhältnisses oder eines Monopolrechts durch Rechtsgeschäft ermöglicht, sind die Teilfragen nach der Geschäftsfähigkeit und der Form — genauso wie bei den zur erstmaligen Begründung eines Monopolrechts notwendigen geschäftlichen Akten — auch in einem dritten Forumstaat so 628
Beendigung von Rechtsverhältnissen unter Neubegründung
§24
zu beantworten, wie sie das Bestandsstatut beantwortet haben will, also entweder nach dem materiellen Recht des Bestandsstatuts selbst, oder nach den Vorschriften eines anderen Rechts, auf welches Zuweisungsnormen im Recht des Bestandsstatuts verweisen. So kann vor allen Dingen das Bestandsstatut die F o r m für einen Vertrag, mit dem ein gesetzliches Rechtsverhältnis beendet wird, durch alternative Verweisung auf das Bestandsstatut oder das Recht des Errichtungslandes regeln. N o c h mehr als bei pflichtbegründenden Geschäften gilt allerdings hier, daß kein vernünftiger Grund für ein Bestandsstatut besteht, die einfacheren Formen der lex loci actus zur Beendigung zuzulassen, wenn auch in dem fremden Errichtungsland des Geschäfts die Formen des Bestandsstatuts gewahrt werden können. Die Regel des Bestandsstatuts, daß eine Beendigung des Rechtsverhältnisses durch Vertrag allgemeine Geschäftsfähigkeit voraussetzt, kann bedeuten, daß damit die allgemeine Geschäftsfähigkeit im Sinne des Bestandsstatuts gemeint ist: Mit welchem Alter und in welchen Formen der Eigentümer eines Grundstücks das Grundstück durch Aufgabeerklärung herrenlos machen kann, das kann das Recht des Lagestatuts in jeder Hinsicht selbst regeln wollen. Auf Grund allgemeiner Prinzipien des allgemeinen Privatrechts besteht hier kein Bedürfnis zur Heranziehung anderer Rechte, und noch weniger zur selbständigen Zuweisung dieser Fragen an andere Rechte durch das internationale Privatrecht des jeweiligen dritten Forumstaates 7 . d) Beendigung von gesetzlichen Rechtsverhältnissen unter B e g r ü n d u n g anderer Rechtsverhältnisse In späteren Ausführungen wird auf die Frage nach dem anwendbaren Recht für solche Vorgänge (Staatsakte und Rechtsgeschäfte) einzugehen sein, mit denen ein Wechsel des Inhabers eines Rechtes aus einem kraft Gesetzes begründeten Rechtsverhältnis erfolgt. Davon zu unterscheiden ist die Beendigung einer Stellung als Berechtigter aus einem gesetzlichen Rechtsverhältnis, wobei nicht ein anderer in dieselbe Rechtsstellung automatisch einrückt. Es kann so sein, daß die Personensorgegewalt, wie sie zunächst dem Vater zusteht, beim Tode oder durch gerichtlich festgestellte Verwirkung der väterlichen Rechte kraft Gesetzes automatisch auf die Mutter oder auf eine Behörde übergeht. Es ist aber auch möglich, daß zunächst einmal in solchen Fällen niemand anders die Personensorgegewalt automatisch innehat, sondern daß erst ein Vormund usw. bestellt werden muß. Die Personensorgegewalt der natürlichen Eltern, bzw. die Sorgegewalt des an die Stelle der Eltern getretenen Vormundes endet in vielen Rechten dadurch, daß durch Adoption eine Personensorgegewalt der Adoptiveltern neu begründet wird; damit ist aber nicht gesagt, daß dasjenige Recht, das mit seinen Bestimmungen das Adoptionsverhältnis begründen will, auch ohne weiteres den Satz liefert, der das bis dahin bestehende Sorgeverhältnis der Eltern erlöschen läßt 8 . Manche Rechte, insbesondere solche von Gliedstaaten der U S A und kanadischer Provinzen, sehen vor, daß die Eltern eines Kindes während dessen Minderjährigkeit ihre „Elternrechte", oder gar ihre „Elternstellung" — praktisch vor allem das Recht zur Ausübung der Personensorgegewalt — durch eine Erklärung gegenüber einer Behörde — und wohl meist nur mit deren Zustimmung oder Genehmigung des Gerichts — aufgeben können. Es dient dies zumeist der Vorbereitung einer Inkognitoadoption 9 . Es entsteht dann kraft Gesetzes eine provisorische Sorgegewalt einer Behörde, die so lange dauert, bis eine Adoption des Kindes stattfindet. Wann und wie es in heterogen verknüpften Situationen zu diesem Ergebnis kommen kann, ist nicht ganz einfach: Sicher besteht die Möglichkeit, daß das Recht des Staates, in dem sich das Kind befindet, diesen einfachen Aufenthalt genügen läßt, um eine eigene Regelung der genannten Art in vollem Umfang zur Anwendung zu bringen; völkerrechtliche Bedenken wären hiergegen nicht geltend zu machen, wenn die Eltern ihre Erklärung über die Aufgabe der Elternstellung ohne Zwang abgeben. Auf der 629
§ 24
Beendigung von rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen
anderen Seite sind sowohl der Heimatstaat der Eltern, als auch der Heimatstaat des Kindes, und sicher auch der Wohnsitzstaat und der Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, absolut nicht verpflichtet, sich diesem Standpunkt des Aufenthaltsstaats anzuschließen. Sie können aus dem Verhalten der Eltern die Konsequenz ziehen, daß sie ihnen die elterliche Gewalt aberkennen und ihrerseits eine Vormundschaft zwecks Ausübung der Personensorgegewalt einrichten, oder die elterliche Gewalt kraft Gesetzes etwa auf die Großeltern übergehen lassen usw. Dieser neue Inhaber der Sorgegewalt kann dann seine Rechte auch tatsächlich ausüben, sobald das Kind in das Staatsgebiet des ihn bestellenden Staates oder eines dritten Staates kommt, der sich dem Standpunkt des Heimatstaates bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates des Kindes anschließt. Zur Vermeidung derartiger Konflikte ist es selbstverständlich wünschenswert, daß ein Staat, der in seinem Recht eine Bestimmung der genannten Art über die Aufgabe der Elternrechte kennt, die Abgabe einer solchen Erklärung vor seinen Behörden davon abhängig macht, daß eine intensivere Inlandsverknüpfung als der einfache Aufenthalt des Kindes besteht 10 . e) Die Beendigung von rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen 1. Allgemeines Nicht anders als bei den durch Gesetz begründeten Rechtsverhältnissen gehört eine Bestimmung der Dauer des Rechtsverhältnisses im weitesten Sinn im Prinzip zu den vom Geschäftsstatut des durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses zu regelnden Dingen. Demgemäß wird das Geschäftsstatut vor allem mit seinen Bestimmungen über die Höchstdauer etwa von Dienst- oder Auftragsverhältnissen, über Kündigungsbefugnisse und über die Verjährung von Ansprüchen aus Vertrag anwendbar sein wollen, und dritte Staaten werden sich dem anschließen. Das Geschäftsstatut kann dann auch neu erlassene Vorschriften über die Beendigung des Rechtsverhältnisses auf das noch nicht abgewickelte Rechtsverhältnis als anwendbar erklären. Neben einer in dem Geschäftsstatut anfänglich nicht vorgesehenen, also insofern „vorzeitigen" Beendigung eines Rechtsverhältnisses durch neue Gesetze des Geschäftsstatuts ist aber auch eine einseitige Beendigung des Rechtsschutzes in einem anderen Staat auf Grund seiner Gesetze nicht ausgeschlossen. Es kann dies dadurch geschehen, daß ein „Schutzstaat" auf eine nach einem ausländischen Geschäftsstatut gültig begründete Leistungsverpflichtung seine eigenen Verjährungsvorschriften in ihrer Eigenschaft als Verfahrensrecht anwenden läßt 11 . Dabei kann dieser Schutzstaat kürzere Verjährungsfristen anstelle der bis dahin maßgebenden längeren Verjährungsfristen auch für „alte" Ansprüche einführen. Daß in einem Staat, in dem ein Immaterialgüterrecht gemäß dem Recht dieses Staates „für das Inland" besteht, das subjektive Recht vorzeitig, d. h. zu einem früheren Zeitpunkt als dem im Zeitpunkt der Rechtsentstehung vorgesehenen, enden kann, während das entsprechende Monopolrecht für das Gebiet eines anderen Staates unter dessen Recht weiterbesteht, ist zweifelsfrei. Wenn aber ein Staat ein Immaterialgüterrecht seines eigenen Rechts vorzeitig beendet, so kann damit auch eine Anordnung verbunden sein, daß er auch dem entsprechenden ausländischen Monopolrecht bei sich einen länger dauernden Schutz (in Gestalt von Schadensersatzzusprechung bei Verletzung des ausländischen Rechts im Ausland) versagt. Daß ein Staat, der das Eigentum an Sachen auf fremdem Staatsgebiet durch Unterlassungsurteile und Schadensersatzurteile gegen einen Störer zu schützen bereit ist, diese Schutzgewährung mit der Begründung beendet, er betrachte „bei sich" das Eigentum an der im Ausland belegenen Sache als erloschen (ohne daß es auf einen anderen übergegangen ist), ist höchst unwahrscheinlich. Wohl aber kann ein Staat, der einer unter einem ausländischen Geschäftsstatut bestehenden und danach noch nicht verjährten Forderung wegen prozeßrechtlicher Verjährung unter seinem Recht keinen Rechtsschutz mehr gewähren könnte, etwa eine eigene Vorschrift über einen „gesetzlichen Erlaß" bestimmter 630
Aufwertung und Rückerstattung bei beendetem Rechtsverhältnis
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Schulden auch auf Forderungen unter einem ausländischen Geschäftsstatut als anwendbar erklären, wenn z. B. der Schuldner seinen Wohnsitz in diesem Staat hat. Das hätte, im Gegensatz zur Anwendung eigener Verjährungsvorschriften, zur Folge, daß auf Verlangen des kraft Gesetzes befreiten Schuldners die irrtümlich in diesem Staat erfolgte Zahlung zurückgewährt werden müßte. O b der betreffende Staat so weit gehen würde, auch die im Ausland freiwillig geleistete Zahlung der erloschenen Schuld rückgängig zu machen, ist zu bezweifeln, wenn man unterstellt, daß der Gläubiger durch Klage im Ausland die nach Ansicht des ausländischen Rechts nicht erloschene Forderung dort hätte beitreiben können. Wenn nun dritte Forumstaaten den einseitigen Anspruch eines anderen Staates als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt, das gültige Entstehen der Forderung durch Rechtsgeschäft unter Anwendung einer eigenen zwingenden Vorschrift zu verhindern, aus den früher dargelegten Gründen 1 1 3 der abweichenden Haltung des Geschäftsstatutsstaates vorziehen können, so ist Entsprechendes nicht ausgeschlossen, wenn ein anderer Staat als der des Geschäftsstatuts unter Anwendung einer eigenen Vorschrift ein rechtsgeschäftlich begründetes Rechtsverhältnis als nicht mehr gültig bestehend bezeichnet. Da das im Geschäftsstatut nicht vorgesehene Erlöschen einer Forderung einer gesetzlichen Übertragung der Forderung vom Gläubiger auf den Schuldner gleichkommt, sind dieselben Gesichtspunkte, die für die internationalprivatrechtliche Behandlung eines vom Gesetz verfügten Wechsels des Inhabers einer Forderung maßgebend sind, auch bestimmend dafür, ob eine rechtsgeschäftlich begründete Forderung auf Grund einer Bestimmung eines anderen Staates als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt, in dritten Staaten als vorzeitig beendet betrachtet werden kann 1 2 . Die Zugehörigkeit des selbstverständlichen Satzes, daß das rechtsgeschäftlich begründete Verhältnis mit der ordnungsgemäßen Erfüllung aller damit verbundenen Pflichten 13 beendet ist, zum Geschäftsstatut ist insofern von Bedeutung, als der Gesetzgeber des Geschäftsstatuts durch später erlassene Gesetze möglicherweise auch ein bereits voll ordnungsgemäß abgewickeltes Rechtsverhältnis in Bezug auf einzelne Punkte neu aufleben lassen kann. Dabei ist etwa zu denken an Nachzahlungen auf Grund rückwirkender Aufwertung von bereits beglichenen Geldschulden, oder an die Rückgängigmachung von Geschäften, die auf Grund einer zur Zeit der Geschäftserrichtung bestehenden Zwangslage zustandegekommen sind, und die bis dahin nicht angefochten werden konnten. Das Geschäftsstatut kann natürlich über seine Treu und Glauben-Klausel bereits bei Fälligkeit einer Geldzahlung zu dem Ergebnis gelangen, daß durch Leistung entwerteten Geldes die Schuld nicht getilgt ist; desgleichen könnte das Geschäftsstatut nach Wegfall der Zwangslage die Rückabwicklung von Geschäften unter Heranziehung seiner normalen Anfechtungsvorschriften durchführen. Wenn aber erst nach Außerkraftsetzung einer entwertenden Währung und Einführung einer neuen Währung gesetzliche Bestimmungen über die Aufwertung ergehen, oder wenn die Rückgängigmachung der unter Kollektiv zwang zustandegekommenen Geschäfte erst neu in Gesetzen geregelt wird, dann legen sich diese Gesetze wohl meist einen Anwendungsbereich zu, der nicht darauf abstellt, ob das betreffende Recht auch das Geschäftsstatut gestellt hat. Vielmehr kann der Anwendungsbereich von Aufwertungs- und Rückerstattungsgesetzen vom Gesetzgeber unter Verwendung starrer Verknüpfungen so abgesteckt werden, daß Aufwertungs- bzw. Rückerstattungsansprüche nur für solche Fälle zugelassen werden, wo die Durchsetzung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im Urheberstaat allein mit Sicherheit zu erwarten ist. Ein Aufwertungsgesetz erfaßt dann etwa einerseits nur Schulden in der entwerteten inländischen Währung, andererseits nur solche, wo das bereicherte Vermögen des früheren Schuldners im Inland faßbar ist, wie z. B. wenn das Grundstück, auf dem die zurückgezahlte Hypothek lastet, im Inland belegen ist, oder wenn der Schuldner einer persönlichen 631
§24
Selbständige Zuweisung von Beendigungsvorschriften
zurückgezahlten Schuld noch seinen Wohnsitz im Inland h a t 1 4 . Ein Rückerstattungsgesetz mag sich, und zwar dann ohne Rücksicht darauf, welches Recht Geschäftsstatut war, nur auf solche unter Kollektivzwang zustandegekommenen Transaktionen beziehen wollen, bei denen das O b j e k t der „Entziehung" seinerzeit im Inland belegen war, oder später ins Inland gekommen i s t 1 5 . Die Anwendung solcher selbständig angeknüpfter Gesetze, die sich auf ein bereits abgewickeltes Geschäft beziehen, in anderen Staaten als dem Urheberstaat wird selbst dann, wenn es sich bei dem Urheberstaat um denselben Staat handelt, der auch das Geschäftsstatut gestellt hat, möglicherweise auf andere Hemmungen s t o ß e n 1 6 . Die Beendigung eines durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses durch einseitige Kündigung ist vielfach schon in dem von den Geschäftserrichtern herrührenden eigentlichen Geschäftsinhalt oder im dispositiven ergänzenden Recht des Geschäftsstatuts vorgesehen. Nicht selten aber werden Kündigungsklauseln, bzw. Klauseln, welche eine vom Gesetz vorgesehene Kündigungsmöglichkeit erschweren, durch zwingende Vorschriften als ungültig erklärt. Dabei kann es sich um neue Gesetze des Urhebers des Geschäftsstatuts handeln, der sie auf früher zustandegekommene Geschäfte anwenden lassen will. Solche zwingenden Regelungen der Kündigung kann aber nicht nur das Geschäftsstatut bilden, um damit zur inneren Gerechtigkeit des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten beizutragen, sondern es können die Rückwirkungen des Gebrauchs von vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten, oder es kann die Rückwirkung vereinbarter Unkündbarkeit auf Dritte oder auf die „Volkswirtschaft" eines Landes sein, welche den Gesetzgeber dieses Landes veranlaßt, beim Vorliegen bestimmter von ihm bezeichneter Inlandsverknüpfungen seine neuen zwingenden Regelungen über Kündigung rechtsgeschäftlich begründeter Rechtsverhältnisse auch bei ausländischem Geschäftsstatut als anwendbar zu erklären. Zu denken ist an die Erschwerung der Kündigung von Mietverhältnissen, Arbeitsverhältnissen, Darlehen usw. durch Gesetze des Lagestaates der vermieteten Sache, bzw. Gesetze des Arbeitsortes, bzw. Gesetze des Wohnsitzlandes des Schuldners, die dann auch für den Fall gelten wollen, daß Schuldstatut, insbesondere auf Grund Rechtswahl, ein anderes Recht ist. Für die Anwendbarkeit solcher selbständig angeknüpften zwingenden Bestimmungen eines anderen Gesetzgebers als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt, in anderen Staaten als dem Urheberstaat gilt früher Gesagtes 1 7 entsprechend. Eine selbständige Anknüpfung von .Formvorschriften eines anderen Landes als des Geschäftsstatuts für einseitige Kündigungen auf Grund des Geschäftsstatuts ist ebenso unangebracht, wie wenn ein anderes Recht als das Geschäftsstatut beanspruchen wollte, die Form von einseitigen Gestaltungsakten u. ä. bei der Abwicklung des Rechtsgeschäfts zu regeln 1 8 . Soweit Rechtsgeschäfte, insbesondere Verträge, mit einem bestimmten Inhalt errichtet werden können, folgt aus dem Prinzip der privatrechtlichen Parteiautonomie, daß jedes durch Rechtsgeschäft begründete Rechtsverhältnis im Zweifel auch von den Errichtern durch neues Geschäft wieder beseitigt werden kann; die Vertragsparteien können also den Vertrag vor seiner Abwicklung nicht nur ändern, sondern können auch seine vorzeitige Beendigung, ja sogar seine rückwirkende Beseitigung vereinbaren. Dieser Satz über die Abänderbarkeit von Rechtsgeschäften ist zumeist zwingendes Recht; die Vertragsparteien können also zwar für zukünftige Vertragsabänderungen oder Vertragsaufhebungen eine nach dem Gesetz nicht erforderliche Schriftform vorsehen, aber sie können nicht die Möglichkeit von Änderungs- und Aufhebungsverträgen rechtswirksam ausschließen. Es sind nur wenige Geschäfte, bei denen das Gesetz die Aufhebung eines durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses durch ein entsprechendes neues Geschäft ausschließt. Bei der durch Vertrag zustandegekommenen Adoption lassen manche Rechte 632
Ehescheidung
§24
die einverständliche Aufhebung zu, andere nicht; vor allem lehnen viele Rechte die Eheauflösung durch späteres Konsensgeschäft ab. 2. Die Ehescheidung
im internationalen
Privatrecht
Bei der Ehe gibt es bekanntlich Rechte, welche eine Scheidung als Beendigung des Dauerrechtsverhältnisses zu Lebzeiten der Ehegatten ausschließen, andere, welche eine einverständliche Scheidung, andere, welche eine einseitige „willkürliche" Scheidung ermöglichen, solche, die Scheidung auf einseitiges Verlangen hin beim Vorliegen einer Verletzung von Pflichten aus der Ehe, und schließlich solche, die die Scheidung auf beiderseitiges oder einseitiges Verlangen auch beim Vorliegen eines Grundes vorsehen, der nicht in einer Pflichtverletzung aus der Ehe besteht. Einige Privatrechte machen die Auflösbarkeit durch einseitigen Akt sogar zum möglichen Gegenstand einer vertraglichen Regelung 1 9 ; andere stellen den Eheschließenden von vornherein die Begründung der einen oder anderen Eheart mit unterschiedlichen Regelungen der Scheidung zur Wahl. Beim Fehlen einer solchen Wahlmöglichkeit gehört in einigen Rechten eine ausdrückliche Äußerung über die Unauflöslichkeit zum notwendigen Geschäftsinhalt, in anderen gehört sogar das Fehlen des inneren Willens zur Unauflösbarkeit zu den die Gültigkeit der Ehe hemmenden Tatsachen 2 0 . In vielen Rechten wird hingegen der Geschäftswille zur Ehe unwiderleglich als ein Wille zu einer Ehe mit den jeweils vom Gesetz vorgesehenen Regelungen der Auflösbarkeit verstanden. Das letztere findet eine Stütze in der Lehre, daß die Ehe kein auf dem Willen zur geschäftlichen Begründung eines Rechtsverhältnisses mit bestimmten Wirkungen beruhendes Rechtsverhältnis sei, sondern ein Status, der von dem jeweilig maßgeblichen Recht überhaupt erst mit einem Inhalt versehen wird. In dem Konsens zur „Ehe" wird das Einverständnis mit der Begründung eines Rechtsstatus gesehen, der erst durch das jeweils maßgebliche Recht auch bezüglich eines so wichtigen Punktes wie der Eheauflösung seinen Inhalt erhält. Soweit Scheidung in einem Privatrecht zugelassen wird, kennen einige Rechte die Scheidung durch rechtsgeschäftliche Akte der Beteiligten allein, andere erfordern einen gerichtlichen Gestaltungsakt; im letzteren Fall ist es wiederum möglich, daß das Gericht ein Ermessen erhält, ob es die Scheidung aussprechen will oder nicht, während in anderen Rechten ein solches Ermessen oft in der generalklauselhaften Formulierung der Scheidungsgründe versteckt wird. Auf solch unterschiedlicher Basis kann ein internationales Privatrecht, welches für alle Arten der Scheidungsregelungen den Anwendungsbereich zu bestimmen versucht, unmöglich zu befriedigenden Ergebnissen kommen. Die ordre public-Klausel spielt daher im internationalen Scheidungsrecht eine besonders große Rolle. Einer Regelung, wonach bestimmte Vorstellungen oder Äußerungen über Scheidbarkeit oder Nichtscheidbarkeit schon zur Ehebegründung gehören, würde es entsprechen, daß das Geschäftsstatut für die Ehe, wenn überhaupt mit einem solchen operiert wird, oder jedenfalls das erste Wirkungsstatut für die Ehe auch für die Frage der Scheidung maßgebend ist und bleibt. Scheidung als Unrechtsfolge für die Verletzung von Pflichten aus der Ehe kann ohnehin nicht ohne Störung der materiellen Harmonie nach einem anderen Recht als dem Wirkungsstatut der Ehe beurteilt werden. Im intergentilen Recht von Mehrrechtsstaaten, welche Gruppenrechte mit unterschiedlichem Scheidungsrecht, oder Gruppenrechte mit und ohne Ehescheidung nebeneinander bestehen lassen, ist Identität des Ehescheidungsstatuts mit dem Statut der persönlichen Ehewirkungen selbstverständlich. Eine entsprechende Regelung für das internationale Privatrecht ist dann naheliegend. Hiergegen steht, daß Scheidung oder Nichtscheidung vielfach weniger als eine Frage nach der gerechten Gestaltung der Beziehungen zwischen den Ehegatten unter Berücksich633
§24
Ehescheidung
tigung der Vorstellungen, die diese sich zur Zeit der Eheschließung über eine eventuelle Ehescheidung gemacht haben, gesehen wird, sondern daß die Scheidung vorzugsweise unter Beachtung ihrer Folgen für Dritte und die Gesellschaft geregelt wird. Daraus wird in vielen Ländern die Lösung des Scheidungsstatuts vom Ehewirkungsstatut gefolgert, und zwar oft in Verbindung mit einer einseitigen Absteckung des Anwendungsbereichs des eigenen Ehescheidungsrechts; häufig kommt es dann dazu, daß jeder Ehegatte in einem vom letzten ehelichen Wohnsitzland verschiedenen Staat seines neuen Wohnsitzes gemäß dem dortigen Recht gerichtliche Scheidung verlangen kann. Diejenigen Länder, welche statt des Wohnsitzes die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment für das Personalstatut verwenden, knüpfen die Anwendung des eigenen Scheidungsrechts an die inländische Staatsangehörigkeit an, und erweitern dies meist zu einer bilateralen Zuweisungsnorm. Bei einer nichteffektiven ausländischen Staatsangehörigkeit und inländischem Wohnsitz wird das inländische Wohnsitzrecht angewendet 203 . Dabei wird es durchweg abgelehnt, analog der Regelung der Eheschließung unter der Mosaikmethode — Kumulation der beiden Personalstatuten für die Gültigkeitsvoraussetzungen — das auf dem Wege über eine persönliche Verknüpfung eines der Ehegatten ermittelte Recht mit dem Ehescheidungsrecht, welches über das Personalstatut des anderen Ehegatten zu ermitteln wäre, zu kumulieren. Anstelle der Anwendung ausländischer Scheidungsgesetze bei gerichtlicher Ehescheidung wird dann oft nur noch die Frage nach der Anerkennung ausländischer (und nach ausländischem Recht ergangener) Scheidungsurteile gestellt. Dabei wird dann nicht selten die Notwendigkeit einer Stellungnahme zu solchen ausländischen Scheidungsgesetzen übersehen, welche eine Privatscheidung vorsehen. Kann Scheidung unter dem im Forumstaat berufenen Recht aus anderen Gründen erfolgen als wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus der Ehe — also z. B. bei Geisteskrankwerden des anderen Ehegatten, und insbesondere bei unverschuldet eingetretener Ehezerrüttung —, so wird es nicht als Störung der materiellen Harmonie empfunden, wenn das vom Scheidungsstatut verschiedene letzte Ehewirkungsstatut eine Scheidung aus diesen Gründen nicht kennt. Wohl aber ist es widerspruchsvoll, wenn ein Verhalten des beklagten Ehegatten, welches nach dem zum Ehewirkungsstatut berufenen Recht erlaubt oder sogar geboten war, unter dem anzuwendenden Scheidungsstatut als ein zum Scheidungsverlangen berechtigendes ehewidriges Verhalten beurteilt wird, und aus der Zurechnung einer Schuld an der Scheidung in einem solchen Fall andere nachteilige Folgen (z. B. bezüglich der Unterhaltspflicht) gezogen werden 21 . Andererseits erklärt sich die manchmal anzutreffende Anordnung, das Scheidungsstatut solle dem Personalstatut des Mannes entnommen werden, durchweg daraus, daß die Maßgeblichkeit des Personalstatuts des Mannes als Ehewirkungsstatut unterstellt wird 2 1 a . Eine weitere Komplikation entsteht dadurch, daß in denjenigen Staaten, die ihre Gerichte für zuständig erklären, gegebenenfalls auch unter Anwendung ausländischen Rechts zu scheiden, die hierfür bestimmten Rechtsanwendungsanweisungen auch dazu benutzt werden könnten, um die Anerkennung einer Eheauflösung, die in dem berufenen ausländischen Scheidungsstatutsstaat wirksam ist, zu begründen 21b , und daß daneben noch besondere Bestimmungen über die Anerkennung ausländischer Ehescheidungs«rtei7e verwendet werden, welche die Anerkennung in erster Linie von dem Bestehen einer internationalen Zuständigkeit im Sinne des Forumstaates, nicht jedoch unbedingt davon abhängig machen, daß das international zuständige ausländische Gericht dasselbe materielle Recht angewendet hat, welches ein Gericht des anerkennenden Staates seinerseits anzuwenden gehabt hätte. Für ein Land mit einem Recht, welches die Scheidung von Ehen, die als unheilbar zerrüttet betrachtet werden, und deren Aufrechterhaltung gegen den Willen eines Partners man als sozialschädlich bewertet, ohne größere Schwierigkeiten ermöglicht, kommt es 634
Anerkennung von Auslandsscheidungen
§24
verhältnismäßig leicht dahin, daß auch die Anerkennung von ausländischen Ehescheidungen aus dem einen oder anderen fremden Land, die auf Grund irgendeines ausländischen Rechts erfolgt sind, vorgesehen wird. Dabei wird unter Umständen die internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts auch dann bejaht, wenn ein inländisches Gericht auf Grund einer entsprechenden Verknüpfung gar nicht zuständig gewesen wäre. Alles das läuft im Ergebnis auf eine alternative Anwendbarkeit der anwendungswilligen Scheidungsgesetze mehrerer Länder zugunsten der Scheidung hinaus 22 . Während das Zustandekommen heterogen verknüpfter Ehen durch kumulative Anwendung mehrerer Rechte auf die Ehevoraussetzungen erschwert wird, wird also die Auflösung heterogen verknüpfter Ehen durch alternative Anwendung mehrerer Rechte, soweit sie die Scheidung rechtfertigen, erleichtert; das ist kaum damit zu rechtfertigen, daß heterogen verknüpfte Ehen leichter zum Scheitern neigen würden als homogen verknüpfte 23 . In denjenigen Ländern, welche bei der Zulassung der Ehescheidung im Inlandsrecht zurückhaltend sind, entsteht hingegen gerade mit Rücksicht auf die „liberale" Haltung der anderen Länder ein Interesse daran, die internationale Zuständigkeit der ausländischen Gerichte eng zu halten und Vorkehrungen zu treffen, damit die Ehescheidungen aus „Scheidungsparadiesen" nicht anerkannt werden müssen 24 . Analog der Vorstellung, im Errichtungsland einer Ehe könne und solle man, notfalls unter Berufung auf die positive ordre public-Klausel, auf der Beachtung der eigenen Forravorschriften für die Eheschließung, ungeachtet der Haltung des Geschäftsstatuts, bestehen, bildet sich dann gerade in solchen Ländern, die bei der Scheidung zurückhaltend sind, auch noch die Vorstellung, wenn der Akt, der nach dem berufenen ausländischen Recht die Scheidung der Ehe bewirken soll, im Inland vor sich geht, so müsse dieser Staat dabei auf der Einhaltung seiner Verfahrensvorschriften bestehen; das bedeutet praktisch, daß diejenigen Staaten, die nur gerichtliche Scheidung kennen, auf der Einschaltung ihrer Gerichte bestehen, auch wenn für die Scheidung zweifellos nur ausländisches Recht in Frage kommt, aber die Ehescheidung im Inland erfolgen soll; die Anerkennung von Privatscheidungen unter ausländischem Recht im Inland wird damit ausgeschlossen. Eine zusätzliche Komplikation entsteht dadurch, daß eine „Anerkennung" ausländischer Scheidungen zum Teil so vor sich geht, daß im Forumstaat jeder sich jederzeit auf eine Scheidung, die gemäß dem im Forumstaat berufenen Recht erfolgt ist, berufen kann, und daß er sich damit auch jederzeit auf ein anerkennungsfähiges ausländisches Scheidungsurteil als einem Gestaltungsakt berufen kann, zum Teil aber auch so, daß zuvor eine förmliche Feststellung der Anerkennungsfähigkeit der Scheidungs«rtei7e ausländischer Gerichte in einem gesonderten Verfahren notwendig ist. In vielen Ländern ist das positive internationale Privatrecht über die Scheidung und die Anerkennung ausländischer Scheidungsakte ein mehr oder weniger zufälliger Kompromiß historisch gewachsener Regelungen; die Anwendungsbereiche der verschiedenen Gesetze werden dabei häufig unparitätisch abgesteckt, und es kommt auf diese Weise häufig durch Scheidung zu hinkenden Ehen, d. h. Ehen, die in einem Staat als aufgelöst, in einem anderen als fortbestehend gelten. Der so entstandenen Verwirrung kann in gewissem Umfang dadurch abgeholfen werden, daß die Staaten sich in ihren kollisionsrechtlichen Regelungen einerseits bemühen, hinkenden Scheidungen, und vor allem auch dem Abschluß hinkender bigamer Zweitehen, vorzubeugen, zugleich aber auch gewisse anfänglich rechtmäßige Verweigerungen der Anerkennung von Scheidungen unter ausländischem Recht später aufzugeben, wenn der ursprüngliche Zustand doch nicht realisiert werden kann, oder wenn es widerspruchsvoll wäre, einer Partei die Berufung auf die Unwirksamkeit einer Auslandsscheidung zu gestatten, die sie selbst durch Klage herbeigeführt hat. Diejenigen Rechte, die bei der Gewährung der Scheidung zurückhaltend sind und sich davon bei der Gestaltung der Zuweisungsnormen beeinflussen lassen, neigen dazu, bei 635
§24
Hinkende Scheidungen
Ehen, die durch Scheidung in einem Staat und Nichtanerkennung dieser Scheidung in anderen Staaten zu hinkenden Ehen geworden sind, auch die Wiederverheiratung eines der geschiedenen Ehegatten mit D r i t t e n 2 5 , bzw. die Anerkennung der Gültigkeit einer in einem anderen Staat geschlossenen derartigen Ehe zu erschweren, falls sie nicht sogar Gesetze haben, welche bei gültiger Auflösung einer Ehe durch Scheidung den geschiedenen Ehegatten die Eingehung anderer Ehen durch besondere Ehehindernisse erschweren 2 6 . In denjenigen Ländern, welche gemäß eigenem Scheidungsrecht Ehen scheiden lassen, die im Staat des Ehewirkungsstatuts nicht hätten geschieden werden können, und den Ländern, welche eine Scheidung heterogen verknüpfter Ehen durch indirekte alternative Anwendung mehrerer Rechte erleichtern, besteht die umgekehrte Neigung, das gültige Zustandekommen neuer Ehen der Geschiedenen, wenn die erste Ehe zu einer hinkenden Ehe geworden ist, dadurch zu erleichtern, daß die Vorfrage der Beendigung der Vorehe durch Scheidungsurteil nicht von dem neuen Ehestatut gestellt wird, sondern selbständig angeknüpft und nur vom Standpunkt des Staates her beurteilt wird, in dem die neue E h e geschlossen wird; das geschieht insbesondere dann, wenn die Vorehe in demselben Staat geschieden worden i s t 2 7 . Manche Staaten haben keine Bedenken, das Nebeneinanderbestehen der hinkend gewordenen Vorehe und einer nur durch Nichtigkeitsurteil zu beseitigenden Nachehe eines der Geschiedenen zu bejahen, vor allem wenn die Frage nach dem Bestehen der Ehen sich als Vorfrage für die Legitimität von Kindern, oder das Intestaterbrecht von Ehegatten, stellt. Der Vermeidung dieser Situation sollen in anderen Staaten Regelungen dienen, welche die anfänglich verneinte Anerkennung der Scheidung der ersten Ehe nachträglich doch noch eintreten lassen, wenn einer der Geschiedenen eine in einem anderen Staat gültige Nachehe geschlossen h a t 2 8 . Sodann finden sich Regelungen, welche es ohne R ü c k sicht auf die bereits erfolgte Neuverheiratung eines der Geschiedenen fördern wollen, daß eine durch Scheidung hinkend gewordene Ehe nachträglich auch noch in den Staaten aufgelöst wird, in denen sie bisher noch bestand; dem dient es, daß die Herbeiführung einer Ehescheidung im Ausland durch einen Ehegatten selbst wieder ein eigener Grund für das Scheidungsverlangen des anderen Ehegatten in seinem Heimatstaat wird, der die Auslandsscheidung aus irgendeinem Grunde nicht anerkannt h a t 2 9 . Ferner ließe sich an die M ö g lichkeit denken, daß der Staat, in dem geschieden wird, dem klagenden und obsiegenden Ehegatten eine letzte Nebenverpflichtung aus der aufgelösten Ehe auferlegt, nämlich die Verpflichtung, auch im Heimatstaat des anderen Ehegatten ein Ehescheidungsverfahren einzuleiten, wenn dieses Erfolg verspricht, und wenn der im Forumstaat geschiedene Ehegatte die Kosten für dieses Verfahren bereitstellt 3 0 . Sodann sollte an der Nichtanerkennung einer inländischen Privatscheidung, die nach dem Heimatrecht der Beteiligten gültig ist, nicht mehr festgehalten werden, wenn für die Beteiligten alle Inlandsverknüpfungen weggefallen sind, und aus der Privatscheidung im Heimatstaat alle Konsequenzen gezogen worden sind: Begeben sich die im Inland privat geschiedenen Ausländer wieder in ihren Heimatstaat, und gehen sie dort neue Ehen ein, so wäre es unsinnig, wenn der Staat, der die auf seinem Gebiet erfolgte Privatscheidung zunächst nicht anerkannt hat, noch die nunmehr von der Frau geborenen Kinder als legitime Kinder aus der früheren Ehe ansehen würde. Aber auch Ansprüche unter den Partnern der aufgelösten Ehe sollten, sofern dafür überhaupt noch ein Gerichtsstand anzunehmen ist, nunmehr abgewiesen werden. Schließlich aber kann derjenige Staat, der einen Gerichtsstand für die Ehescheidung bereitstellte, von dem nicht Gebrauch gemacht wurde, dann, wenn eine im Inland nichtanerkennungsfähige Auslandsscheidung herbeigeführt wurde, und die im Ausland klagende Partei später im Inland Ansprüche aus der Ehe unter Berufung auf den Fortbestand der Ehe (Unterhalt, Ehegattenerbrecht) geltend machen will, die Klage deshalb abweisen lassen,
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Ehetrennung
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weil der Kläger das Recht zur Geltendmachung des Fortbestehens der Ehe durch sein eigenes Verhalten im Ausland verwirkt hat.
3.
Ehetrennung
Beim gegenseitigen vermögensrechtlichen Vertrag mit ständig sich wiederholenden Leistungspflichten ist es nicht zweifelhaft, daß das Wirkungsstatut darüber bestimmt, ob eine Partei ihre Leistungen zurückhalten darf, wenn die andere ihre Leistungen nicht erbracht hat, ohne daß mit dieser Zurückhaltung das Vertragsverhältnis beendet würde. Die Berechtigung zur Zurückhaltung eigener Leistungen kann dann eventuell durch ein Feststellungsurteil klargestellt werden. In entsprechender Weise ist bei der Ehe eine Feststellung von Pflichtverletzungen aus der Ehe, die dem anderen Teil das Recht zur Verweigerung der ehelichen Gemeinschaft geben, während bestehender Ehe unter Zugrundelegung des Ehewirkungsstatuts denkbar; das Ehewirkungsstatut kann auch umgekehrt eine solche Feststellung ausschließen und denjenigen, der ein Recht zur Verweigerung der ehelichen Gemeinschaft behauptet, das Risiko eingehen lassen, daß der andere Teil Ehescheidung verlangt, und daß im Scheidungsprozeß über die Berechtigung zur Verweigerung der ehelichen Gemeinschaft als Vorfrage entschieden wird. Ist in einem Recht die Ehe nicht durch Scheidung auflösbar, so wird vielfach eine Feststellung des Rechts auf Getrenntleben oder eine Gestaltungsentscheidung, die auf Antrag einer Partei die Trennung „anordnet", vorgesehen. Zur Anwendung dieser Bestimmung müßte es im Urheberstaat oder in einem anderen Forumstaat kommen, wenn das betreffende Recht zum Wirkungsstatut der Ehe berufen ist. Ist nun im Forumstaat ein ausländisches Recht als Wirkungsstatut berufen, welches eine derartige Regelung nicht hat, sondern jedem Ehegatten nur die Möglichkeit gibt, einen von ihm behaupteten Grund zur Verweigerung der ehelichen Gemeinschaft in Verbindung mit eigener Ehescheidungsklage oder der des anderen Teiles gerichtlich klären zu lassen, so kann darin leicht eine untragbare Abweichung des ausländischen Rechts von der lex fori gesehen werden; man wird dann unter Verwendung der ordre public-Klausel und unter Zugrundelegung des inländischen Ehewirkungsstatuts die Berechtigung zum Getrenntleben feststellen lassen. Anders ist es, wenn der Forumstaat bereit ist, eine unter ausländischem Wirkungsstatut stehende Ehe nach seinem eigenen Scheidungsrecht scheiden zu lassen, und wenn dieses Scheidungsrecht beim Vorliegen eines Scheidungsgrundes zunächst eine vom Gericht angeordnete Trennung vorsieht, der nach gewisser Zeit auf Antrag die endgültige Scheidung folgt. Dann wird auf diese Trennung das Recht des Forumstaates angewendet werden, wenn er schon ohne Rücksicht auf das Wirkungsstatut Anwendung seines Scheidungsrechts vorsieht. Wenn in dem betreffenden Recht nicht beide Teile die Umwandlung der Trennung in eine Scheidung verlangen können, sondern nur derjenige, auf dessen Antrag zunächst die Trennung erfolgt ist, so ändert sich an der internationalprivatrechtlichen Regelung nichts. Ist ein Forumstaat bereit, als Scheidungsstatut ein ausländisches Recht zur Anwendung zu bringen, ohne daß es sich dabei um das letzte Wirkungsstatut der Ehe handeln muß, so kommt es leicht dazu, daß nicht nur eine Trennung gemäß einem ausländischen Recht erfolgt, welches sie als Vorstufe der Scheidung, oder beim Fehlen der Scheidung vorsieht, sondern auch eine in dem zum Scheidungsstatut berufenen Recht vorgesehene Trennung, die, mangels Scheidungsmöglichkeit in diesem Recht, eigentlich Sache des Ehewirkungsstatuts ist 3 1 . Außer der eigentlichen Wirkung der Ehescheidung, nämlich der Beendigung der bei bestehender Ehe anzunehmenden Pflichten zwischen den Ehegatten, sehen die meisten Rechte Nachwirkungen und Nebenwirkungen der Ehescheidung vor. Nachwirkungen sind insbesondere die Neuregelung der verschiedenen Aspekte der elterlichen Gewalt über 637
§24
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
die gemeinsamen Kinder, oder Vermutungen über den Wegfall von bestimmten Zuwendungen an den anderen Ehegatten in einem während der Ehe errichteten Testament. Auf diese Nachwirkungen der Ehescheidung ist im Prinzip dasjenige Recht anwendbar, das ohnehin auf das anläßlich der Ehescheidung zu modifizierende Rechtsverhältnis anwendbar ist (Sorgegewaltsstatut, Erbstatut usw.). Das gleiche gilt für entsprechende Nachwirkungen der Ehetrennung. Als Nebenwirkungen der Ehescheidung zu verstehen sind vor allem (meist einseitige) Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten, sowie Verschiebungen zwischen den Vermögen der geschiedenen Ehegatten kraft eines Scheidungsgüterrechts, die oft wieder mit der Regelung der Unterhaltspflicht in Zusammenhang gebracht werden. Während vielfach die Meinung vertreten wird, auf diese Nebenwirkungen der Scheidung oder Trennung sei das Recht anwendbar, auf Grund dessen die Hauptwirkung erfolgt, zeigt sich oft, daß dies nicht zu akzeptablen Ergebnissen führt; vielmehr müßten hierbei die persönlichen und vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe, wie sie unter dem zuletzt während bestehender Ehe dafür geltenden Recht anzunehmen waren, berücksichtigt werden 3 2 . A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik Nach dem unbestrittenermaßen besonders reformbedürftigen Stand des positiven Rechts in Westdeutschland ist stets eine internationale Zuständigkeit deutscher 3 3 Gerichte zur gerichtlichen Scheidung 3 4 und Anwendbarkeit deutschen Rechts 3 5 gegeben, wenn auch nur einer der Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt 3 6 und Klage erhebt; bei mehrfacher Staatsangehörigkeit eines Ehegatten genügt der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit, auch wenn zu dem anderen Heimatstaat weitere zusätzliche Verknüpfungen bestehen 3 7 . Die deutsche Zuständigkeit zur Ehescheidung von Deutschen nach deutschem Recht ist jedoch keine ausschließliche; vielmehr wird jede Zuständigkeit ausländischer Gerichte, die bei analoger Anwendung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei der Ehescheidung von Ausländern gerechtfertigt war, in Scheidungssachen respektiert. Auch wenn dem ausländischen Scheidungsurteil ausländisches Scheidungsrecht zugrunde gelegt wurde, ist Anerkennung des ausländischen Urteils möglich, wenn sich die Nichtanwendung des nach Art. 17 E G B G B berufenen deutschen Rechts nicht „zum Nachteil" einer deutschen Partei ausgewirkt hat 3 8 . Auswirkung des ausländischen Urteils zum Nachteil einer deutschen Partei liegt nicht vor, wenn das ausländische Gericht einer nach deutschem Recht unbegründeten Scheidungsklage eines deutschen Ehegatten gegen seinen ausländischen Partner stattgegeben hat; von Benachteiligung einer deutschen Partei kann auch in dem seltenen Fall nicht die Rede sein, wo die deutsche Partei Abweisung der Scheidungsklage beantragt, und das Gericht die Klage auf Grund ausländischen Rechts abgewiesen hat, obwohl sie nach deutschem Recht begründet gewesen wäre. Manche Oberlandesgerichte lehnen es ab, Scheidung einer Ehe im Ausland anzuerkennen, wenn eine deutsche Partei beteiligt war, und die Ehescheidung weder durch ein staatliches Gericht, noch durch ein staatlich anerkanntes kirchliches Gericht ausgesprochen wurde; sie verweigern die Anerkennung in einem solchen Fall auch dann, wenn der deutschen Partei kein Nachteil entstanden ist. Dieses Ergebnis läßt sich manchmal auch auf die ordre public-Klausel stützen, so etwa, wenn die einseitige Privatscheidung seitens des deutschen Mannes gegenüber der ausländischen Frau in einem fremden Staat als unwirksam betrachtet wird. Daß ein Deutscher im Ausland stets nur durch Gerichtsurteil geschieden werden könnte, hat jedoch der B G H bisher nicht ausgesprochen. In der Rechtsprechung finden sich Ansätze dazu, eine anfänglich zu verweigernde Anerkennung einer ausländischen Scheidung auch bei „Benachteiligung" einer deutschen Partei nachträglich zu bejahen, wenn die Scheidung im Heimatstaat einer ausländischen Partei voll 638
Scheidungsstatut für Inlandsscheidungen wirksam ist, insbesondere insbesondere Partei mit der
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wenn diese Partei keinerlei Verknüpfungen zu Deutschland mehr hat, aber, wenn sie im Ausland aus der Scheidung weitere Konsequenzen, in Gestalt der Eingehung einer neuen Ehe, gezogen hat, und die deutsche Anerkennung des Scheidungsurteils einverstanden i s t 3 9 .
Die Scheidung von Ausländern 4 0 und Staatenlosen durch ein deutsches Gericht gemäß deutschem oder ausländischem Recht ist in außerordentlich komplizierter Weise geregelt. Erforderlich ist zunächst für die internationale Zuständigkeit nach § 606 b Z P O , daß mindestens ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Westdeutschland hat, ferner aber, daß entweder der andere Ehegatte staatenlos ist, oder daß mit der Anerkennung der deutschen Entscheidung im ausländischen Heimatstaat des Mannes gerechnet werden kann. Diese Anerkennung ist im allgemeinen nicht zu erwarten, wenn der ausländische Heimatstaat des Mannes ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte in Anspruch nimmt, oder wenn seinem Recht eine Scheidung überhaupt unbekannt ist. Ist das deutsche Gericht in Scheidungssachen von Nichtdeutschen zuständig, so hat es nach § 17 E G B G B das deutsche Recht und das anwendungswillige ausländische Heimatrecht des Mannes kumulativ anzuwenden. Will das Heimatrecht des Mannes nicht selbst angewendet werden, so ist jede Rückverweisung im internationalen Privatrecht des Heimatstaates auf deutsches Recht, sowie eine Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Landes mitzumachen. Eine verbreitete Meinung will Rückverweisung auf deutsches Recht auch darin sehen, daß das deutsche Urteil im Heimatstaat des Mannes auch dann mit Anerkennung rechnen kann, wenn das deutsche Gericht nicht dasjenige Recht angewendet hat, das von den konkurrierend zuständigen Gerichten des Heimatstaates hätte angewendet werden müssen 4 1 . Damit wird ein Ergebnis vorausgenommen, welches korrekterweise nur dann zu erzielen wäre, wenn Art. 17 E G B G B dahin geändert würde, daß einer Scheidung durch ein deutsches Gericht stets deutsches Recht zugrunde zu legen ist, aber die internationale Zuständigkeit davon abhängig ist, daß die Anerkennung des deutschen Urteils im Heimatstaat des Mannes erwartet werden kann. Darin, daß die Scheidungsklage der ausländischen oder staatenlosen Frau auch ihrerseits nach dem Heimatrecht des ausländischen Mannes begründet werden muß, will man neuerdings eine Verfassungswidrigkeit sehen, die dadurch behoben werden müsse, daß bei internationaler Zuständigkeit eines deutschen Gerichts stets das Heimatrecht des Klägers auf die Scheidungsklage anzuwenden s e i 4 2 . Darin kann jedoch eine neue Ungleichbehandlung der Ehegatten liegen; solange im übrigen ausländisches Scheidungsrecht auf alle Fälle mit dem deutschen Recht kumuliert werden muß, wäre eine alternative Anwendung von zwei ausländischen Rechten ihrerseits absurd. Gerichtliche Scheidungen von Ausländern im Ausland sind in Deutschland anzuerkennen, wenn sie im Heimatstaat des Mannes erfolgt sind oder dort anerkannt werden; es sollte hier nicht nötig sein, daß das Gericht auch bei analoger Anwendung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte internationale Zuständigkeit besaß, doch wird dies zum Teil von der Rechtsprechung gefordert 4 3 . Eine in Deutschland durch ein nichtstaatliches „Gericht" oder durch Privatrechtsgeschäft ausgesprochene Ehescheidung 4 4 auch von solchen Ausländern, deren Heimatrecht diese Art der Eheauflösung kennt, soll nach herrschender Meinung in Westdeutschland in Analogie zu Art. 13 (3) E G B G B nicht gültig sein. Es stellt sich aber die vom B G H bisher nicht geklärte Frage, ob dieser Standpunkt dann noch zu halten ist, wenn die geschiedenen Ehepartner alle Verbindungen zu Deutschland gelöst und in ihrem Heimatstaat alle Konsequenzen aus der in Deutschland vor sich gegangenen Privatscheidung gezogen haben, insbesondere wenn sie neue Ehen eingegangen sind. D e r Ausländerscheidung gleichbehandelt wird die Scheidungsklage des ausländischen Mannes gegen die deutsche Frau; es ist also Voraussetzung für die Zuständigkeit, daß das deutsche Urteil im Heimatstaat des Mannes anerkannt wird, und es ist neben der Begrün-
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Anerkennung von Auslandsscheidungen
detheit unter deutschem Recht Begründetheit der Scheidungsklage nach dem ausländischen Heimatrecht des Mannes erforderlich, soweit nicht eine Rückverweisung auf deutsches Recht anzunehmen ist. Hier wäre am ehesten Anlaß, unter Berufung auf den Gleichheitssatz auf die Scheidungsklage des ausländischen Mannes in demselben Umfang deutsches Recht anzuwenden wie bei der Scheidungsklage der deutschen Frau 4 5 . Nach dem heutigen Stand des deutschen materiellen Scheidungsrechts hat die Bestimmung des Art. 17 (2) nur noch für die nach ausländischem Recht auf Eheverfehlungen zu stützende Scheidungsklage eines ausländischen Mannes oder einer nichtdeutschen Frau gegen einen Ausländer (oder Staatenlosen mit ausländischem gewöhnlichen Aufenthalt) Bedeutung 4 6 . Die Vorschrift, wonach eine Tatsache, die sich ereignete, während der Mann einem anderen Staat angehörte als zur Zeit der Klage in Deutschland, nur dann Scheidungsgrund sein kann, wenn sie nach den Gesetzen dieses früheren Heimatstaates Scheidungsoder Trennungsgrund war, erklärt sich aus der Konzeption der Ehescheidung als einer Unrechtsfolge für Verletzungen der durch das Ehewirkungsstatut begründeten Pflichten aus der Ehe. Sie hat keine Bedeutung, wenn das Heimatrecht des Mannes die im Zeitpunkt der Klage bestehende Zerrüttung der Ehe als den Scheidungsgrund betrachtet; es kann dann nicht gefordert werden, daß auch das frühere Heimatrecht die Scheidung auf die damals schon bestehende Zerüttung stützt, und zwar auch dann nicht, wenn der für die Scheidung erforderliche Zeitraum des Bestehens der zerrütteten Ehe in die Zeit des Besitzes der früheren Staatsangehörigkeit des Mannes hineinreicht. Die Anerkennungsfähigkeit eines im Ausland ergangenen Urteils in Scheidungssachen nach § 328 Z P O wirkt sich teils automatisch aus, vorwiegend jedoch nur nach förmlicher gesonderter Feststellung der Anerkennungsfähigkeit durch die Landesjustizverwaltung gemäß Art. 7 des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 21. 8. 1961. Keiner solchen förmlichen Feststellung der Anerkennungsfähigkeit bedürfen gerichtliche Scheidungen durch Gerichte des gemeinsamen Heimatstaates von Ausländern 4 7 . Keiner förmlichen Feststellung bedarf es bei einem die Scheidungsklage abweisenden ausländischen Urteil, wenn ihre Rechtskraftwirkung für eine neue in Deutschland erhobene Scheidungsklage aus denselben Gründen von Bedeutung wird. Keine förmliche Feststellung ist auch bei einer nichtgerichtlichen Scheidung von Ausländern im gemeinsamen Heimatstaat notwendig. Nichtgerichtliche Scheidungen von Ehen im Ausland, an denen ein deutscher Staatsangehöriger beteiligt war, sind sicher keinesfalls unter leichteren Bedingungen in Deutschland anerkennungsfähig als gerichtliche Scheidungen. Obwohl in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eine Unterstellung solcher Scheidungen unter das Feststellungsverfahren des Familienrechtsänderungsgesetzes abgelehnt wird, gewährleistet doch dieses Verfahren gerade bei nichtgerichtlichen Auslandsscheidungen die für die deutsche Rechtsordnung gewünschte Rechtssicherheit 4 8 . Der Antrag auf förmliche Feststellung der Anerkennungsfähigkeit einer Auslandsscheidung kann nicht nur von jedem der geschiedenen Ehegatten, sondern von jedem gestellt werden, der ein berechtigtes Interesse hat, also z. B. von einem Erbprätendenten, wenn einer der geschiedenen Ehegatten vor Durchführung des Feststellungsverfahrens in Deutschland verstorben ist. Eine förmliche Feststellung ist dann nicht nötig, wenn es allein die Herbeiführung einer ausländischen Scheidung als solche ist, die unter dem im Inland anwendbaren Recht einen rechtserheblichen Tatbestand darstellt. O b die Ehe, deren Scheidung begehrt wird, als vollgültige Ehe oder vernichtbare Scheinehe besteht, ist, was in der Literatur manchmal verkannt wird, keine „Vorfrage" (nämlich Vorfrage nach dem Bestehen eines anderen Rechtsverhältnisses). Für die Grundstatutsmethode wäre das Scheidungsstatut, soweit der Staat, dessen Recht Bestands- und Wirkungsstatut für die Ehe ist, es nicht selbst stellen will, nach den Zuweisungsnormen dieses Staates zu ermitteln. Für die im positiven Recht, und insbesondere im deutschen 640
Verfügungen über Monopolrechte
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internationalen Privatrecht verwendete Mosaikmethode ist jedoch jede, und andererseits nur die im Forumstaat nach dessen Kollisionsrecht als entstanden zu betrachtende Ehe Objekt eines möglichen Scheidungsverfahrens, in welchem jedoch bezüglich der Scheidungsgründe durchaus ein anderes Recht angewendet werden kann. Ist die vom Standpunkt der deutschen Rechtsordnung vollgültig bestehende Ehe nach dem als Ehescheidungsstatut berufenen ausländischen Recht nicht scheidbar, aber nichtig, so kann sie doch durch ein deutsches Gericht aufgelöst werden. Ist die Ehe in der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts nicht vollgültig entstanden, so entfällt ihre Scheidung gemäß deutschem oder ausländischem Recht, wenn das deutsche Gericht das Nichtbestehen der Ehe inzidenter feststellen kann (was von Amts wegen zu geschehen hat), oder wenn ein Hilfsantrag auf Nichtigerklärung oder Feststellung des Nichtbestehens gestellt wird. Ist die Ehe in der Sicht des fremden Staates, dessen Recht in Deutschland als Scheidungsstatut berufen ist, entweder überhaupt nicht existent, oder eine vernichtbare Scheinehe, während in der Sicht der deutschen Rechtsordnung eine vollgültige Ehe besteht, so will die Rechtsprechung auf die Anwendung des ausländischen Scheidungsrechts ganz verzichten und nur nach deutschem Recht scheiden 49 . § 25. I n h a b e r w e c h s e l bei M o n o p o l r e c h t e n a) Verfügungsgeschäfte Ob ein Monopolrecht, nachdem es für ein Rechtssubjekt als den „Inhaber" des Rechts begründet worden ist, unverändert bis zum Ende seiner Dauer bei diesem Inhaber verbleibt, ob der Rechtsinhaber als solcher durch öffentliches Recht oder gegenüber einem Privatrechtssubjekt verpflichtet ist, während der Dauer seiner Inhaberschaft das Monopolrecht gegen Beeinträchtigungen durch Dritte zu verteidigen1, oder ob umgekehrt der Inhaber des Rechts Handlungen anderer genehmigen kann, die ohne eine vorausgegangene Genehmigung eine Rechtsverletzung darstellen würden, oder ob er anderen die zeitweise Ausübung seines Rechts gestatten kann 2 , und schließlich ob er das ganze Recht auch endgültig auf andere übertragen kann, diese Fragen sind unbestrittenermaßen nach dem Recht zu beurteilen, welches für Begründung und Bestand des Monopolrechts maßgebend ist. Konsequenterweise sind diesem Statut im Zweifel sämtliche Bestimmungen zu entnehmen, die sich auf Verfügungsgeschäfte im weiteren Sinn, d. h. unter Einschluß der Genehmigung der Rechtsausübung durch andere, beziehen. Das schließt jedoch nicht aus, daß die Rechtsordnung, die das Statut für Verfügungsgeschäfte stellt, bezüglich einzelner Teilfragen andere Rechte heranzieht. Geschieht dies, so ist, noch mehr als bei pflichtbegründenden Geschäften, im Sinne der Grundstatutsmethode eine solche Verweisung des Bestandsstatuts auf andere Rechte für die Gerichte eines anderen Forumstaates beachtlich, und seine selbständige Zuweisung solcher Teilfragen durch das Kollisionsrecht eines dritten Forumstaates abzulehnen. So ist es Sache des Rechts, welches als Bestandsstatut des Monopolrechts auch Grundstatut für ein Verfügungsgeschäft ist, zu bestimmen, ob das Geschäft in den Formen eines anderen Errichtungslandes errichtet werden kann oder gar errichtet werden muß. Falsch wäre es, wenn ein dritter Forumstaat durch eigene Zuweisungsnormen die Formbestimmungen als anwendbar erklären würde, die vom Standpunkt des Staates, der das Verfügungsgeschäft letztlich mit seinem Recht beherrscht, nicht anwendbar sind 3 . Zur alternativen Heranziehung anderer Formbestimmungen als der eigenen hat der Staat, dessen Recht das Grundstatut für das Verfügungsgeschäft stellt, im allgemeinen noch weniger Veranlassung als ein Grundstatut für ein pflichtbegründendes Geschäft 4 . Wo die Benutzung der Formen des Grundstatuts in einem fremden Geschäftserrichtungsland nicht 641
§25
Form und Geschäftsfähigkeit
möglich ist, ist eher an die Bildung von Spezialrecht zu denken. Unter Umständen kann einem Geschäftserrichter die Wahrung der von dem Statut für das Verfügungsgeschäft vorgeschriebenen qualifizierten F o r m in seinem Wohnsitzstaat nicht zuzumuten sein, wenn z. B. die Errichtung des Geschäfts unter öffentlicher Beurkundung den verfügenden Rechtsinhaber der Gefahr aussetzt, daß der Wohnsitzstaat ihn zwingt, von der Verfügung abzusehen, oder das Recht an den Wohnsitzstaat selbst abzutreten; es kann auch die Gefahr bestehen, daß der Verfügende anläßlich des Verfügungsversuchs wegen Nichtanmeldung des Rechts bei den Behörden des Wohnsitzstaates bestraft wird. In diesen Fällen ist durch Bildung von Spezialrecht zu helfen 5 . E s ist Sache des Statuts für das Verfügungsgeschäft zu bestimmen, o b der Verfügende oder der Erwerbende höchstpersönlich an der Geschäftserrichtung teilnehmen müssen, oder o b sie sich vertreten lassen können, sowie im letzten Fall, welches Recht für die F o r m der Vollmacht maßgebend sein soll. E s ist aber auch Sache des Bestandsstatuts, für ein Monopolrecht zu bestimmen, o b derjenige, der das zu übertragende Recht auf G r u n d einer Genehmigung des Rechtsinhabers, oder ohne eine solche, ausübt und sich gegenüber Dritten als Rechtsinhaber ausgibt, einem gutgläubigen Erwerber das Monopolrecht durch Verfügungsgeschäft verschaffen kann. E s ist Sache des Verfügungsgeschäftsstatuts, direkt oder durch Verweisung zu bestimmen, o b ein Verfügungsverbot für den Inhaber mit der Wirkung begründet werden kann, daß das verbotswidrig abgeschlossene Geschäft ungültig ist 6 . E s ist dann auch Sache des Statuts für das Verfügungsgeschäft über das Monopolrecht, o b dieses Statut selbst abschließend regeln will, was zur Geschäftsfähigkeit des Verfügenden oder des Erwerbenden erforderlich ist, und o b es eine „gesetzliche" Vertretung eines nichtgeschäftsfähigen Rechtsinhabers bei der Verfügung gemäß eigenem Recht geregelt haben will 7 , oder o b diese Frage an ein anderes Recht delegiert werden soll 7 ®. Erfordert das Geschäftsstatut für das Verfügungsgeschäft, daß allgemeine Geschäftsfähigkeit unter dem Personalstatut gegeben ist, so bleibt es zunächst Sache des Geschäftsstatuts, o b es Verfügungen für den Nichtgeschäftsfähigen durch einen gesetzlichen Vertreter überhaupt zulassen will, und wenn ja, ob als gesetzlicher Vertreter derjenige auftreten kann, der im H e i mat- oder Wohnsitzstaat des Rechtsinhabers als gesetzlicher Vertreter gilt, oder o b der gesetzliche Vertreter durch den Lagestaat des Monopolrechts bestellt wird. Betraut der Staat, mit dem sowohl der Geschäftsunfähige, als auch der Sorgerechtsinhaber durch eine persönliche Dauerverknüpfung verbunden sind, gemäß seinem Recht eine Person mit der „ S o r g e " für das Vermögen des Geschäftsunfähigen, so kann dieser Staat damit die Verpflichtung verbinden, im Interesse des Geschäftsunfähigen auch gegebenenfalls Verfügungen über einzelne Vermögensgegenstände im Ausland vorzunehmen, wenn der Lagestaat ihn daran nicht behindert. Umgekehrt kann der Lagestaat einen von einem als Personalstatut berufenen ausländischen Recht mit einem örtlich unbeschränkten A u f g a benbereich ausgestatteten gesetzlichen Vertreter als zu Verfügungsgeschäften namens des Inhabers befugt anerkennen. Komplikationen bereitet es, wenn vom Standpunkt des Heimat- oder Wohnsitzstaates, dem sich der Lagestaat anschließen will, der bereits vorhandene gesetzliche Vertreter gar nicht Vertretungsmacht zu Verfügungen über ausländische Monopolrechte haben soll 8 . D a s allein hindert den Lagestaat des Monopolrechts nicht unbedingt, demjenigen, der im Heimat- oder Wohnsitzstaat des geschäftsunfähigen Rechtsinhabers als dessen gesetzlicher Vertreter gilt, trotzdem Verfügungsbefugnis für das Monopolrecht zu verschaffen. D a s kann z. B . geschehen, indem der gesetzliche Vertreter zusätzlich im Lagestaat durch einen neuen Staatsakt dort zum Pfleger unter Beschränkung auf das Verfügungsgeschäft bestellt w i r d 8 a . U m dem Pfleger die mit seinem A m t verbundene Pflicht zur Wahrung der Interessen des Vertretenen aufzuerlegen, deren Verletzung ja wieder Schadensersatzpflich642
Gesetzliche Vertretung bei Verfügungen
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ten auslösen kann, ist aber bei jemand, der im Ausland bereits gesetzlicher Vertreter ist, und der keine persönlichen Verknüpfungen zu dem Lagestaat des Rechtes hat, dessen Einverständnis notwendig. Nicht ratsam ist es deshalb, demjenigen, der im Heimat- oder Wohnsitzstaat eines Geschäftsunfähigen bereits gesetzlicher Vertreter mit Verfügungsmacht über das in diesem Staat belegene Vermögen ist, als in einem anderen Lagestaat kraft Gesetzes mit der Rolle des Verfügungsbefugten ausgestattet zu betrachten, wenn der Heimat- bzw. Wohnsitzstaat ihn von sich aus weder ermächtigt hat, Verfügungen über ausländisches Vermögen des Vertretenen in Ausübung seiner Vermögenssorge vorzunehmen, noch verpflichtet hat, eine Erweiterung seiner Befugnisse durch den Lagestaat widerspruchslos hinzunehmen 9 . Eine Bereitschaft des Lagestaates, die Befugnis eines schon im Ausland tätigen gesetzlichen Vertreters 1 0 zu Verfügungen über Monopolrechte im Lagestaat anzuerkennen, wird zu bezweifeln sein, wenn zu befürchten ist, daß der gesetzliche Vertreter im Ausland und die ihn kontrollierenden Behörden nicht die Unabhängigkeit genießen, um allein unter Wahrnehmung der Interessen des Vertretenen zu handeln, oder daß sie sich dabei von Weisungen politischer Stellen beeinflussen lassen 1 0 3 . Es ist deshalb vertretbar, daß der Lagestaat eines Monopolrechts, von dessen Haltung letztlich das wirksame Zustandekommen einer Verfügung abhängt, mangels anderweitiger staatsvertraglicher Regelung jedenfalls seine eigenen Bestimmungen über die Notwendigkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung auch dann als anwendbar betrachtet, wenn es sich bei dem Vertreter des Minderjährigen um jemand handelt, der bereits auf Grund ausländischen Rechts gesetzlicher Vertreter ist 1 1 . Erkennt der Lagestaat der Sache etwa den im Heimatstaat des nicht geschäftsfähigen Eigentümers bestellten Vormund als befugt an, um über die Sache zu verfügen 1 2 , so ist im Sinne der Grundstatutsmethode die Verfügung auch z. B. für die Rechtsordnung des Wohnsitzstaates des Geschäftsunfähigen als gültig zu betrachten, selbst wenn dieser die Vertretungsbefugnis bei Verfügungsgeschäften eigentlich nur dem von ihm bestellten Vormund gewähren möchte. Ein bei Verwendung der Mosaikmethode nicht selten erhobener Anspruch des Heimat- oder Wohnsitzstaates einer natürlichen Person, auch entgegen dem Standpunkt des Lagestaates eines Monopolrechts seine Vorschriften über Geschäftsfähigkeit und gesetzliche Vertretung eines Geschäftsunfähigen bei einem Verfügungsgeschäft über ein ausländisches Monopolrecht (insbesondere bezüglich des Veräußerers) zur Anwendung zu bringen, ist jedenfalls bei Grundstücken und Immaterialgüterrechten keinesfalls realisierbar 1 3 . Wenn der Lagestaat des Monopolrechts eine Bestimmung hat, wonach derjenige, welcher in vertretbarem guten Glauben an das Bestehen der Geschäftsfähigkeit des Rechtsinhabers oder der Vertretungsmacht eines gesetzlichen Vertreters ein Erwerbsgeschäft tätigt, rechtswirksamer Inhaber des veräußerten Monopolrechts wird, so müßte der Heimatstaat des unter dem Heimatrecht geschäftsunfähigen Eigentümers auch die Anwendung dieser Bestimmung verweigern; das wird aber kaum erfolgen, wenn der Heimatstaat des Eigentümers bereit ist, sogar den gemäß dem Recht des Lagestaates wirksamen gutgläubigen Erwerb der gestohlenen Sachen anzuerkennen. Der Standpunkt des Heimatstaates des Eigentümers einer im Ausland belegenen beweglichen Sache, die Veräußerung, die vom Standpunkt des Lagestaates gültig ist, wegen mangelnder Geschäftsfähigkeit des Veräußernden als unwirksam zu betrachten, wäre voll durchsetzbar erst, wenn die Sache, ohne zuvor Gegenstand eines gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten geworden zu sein, in das Staatsgebiet des Heimatstaates des früheren Eigentümers gelangt. Aber auch dann sollte ein Herausgabeanspruch des früheren Eigentümers auf die Fälle beschränkt sein, wo der Erwerber eine Person war, die ihren Wohnsitz in demselben Staat gehabt hat wie der geschäftsunfähige Eigentümer. 643
§25
V e r f ü g u n g e n durch Z w a n g s v e r w a l t e r u. ä.
Entsprechendes gilt, wenn die Übertragung des Monopolrechts im Lagestaat durch einen dort als legitimiert betrachteten gesetzlichen Vertreter erfolgt ist, aber der Heimatstaat des geschäftsunfähigen Rechtsinhabers diesen gesetzlichen Vertreter nicht anerkennt. Der Heimatstaat des geschäftsunfähigen Eigentümers kann höchstens die Verwirklichung des vom Lagestaat eingenommenen Standpunkts dadurch zu verhindern suchen, daß er es als unerlaubtes und zu Schadensersatzpflichten führendes Verhalten behandelt, wenn eigene Staatsangehörige ein im Ausland belegenes Monopolrecht eines vom Standpunkt des Heimatstaates nicht geschäftsfähigen Staatsangehörigen gemäß dem Recht des Lagestaates von dem dort anerkannten gesetzlichen Vertreter erwerben, ohne daß derjenige zugestimmt hat, der vom Standpunkt des Heimatstaates des Veräußerers gesetzlicher Vertreter ist. Hingegen wäre es schon völkerrechtlich bedenklich, wenn der Heimatstaat des Eigentümers einem Angehörigen des Lagestaates, den dieser zum Vormund des nicht geschäftsfähigen Eigentümers bestellt hat, die Ausübung der vom Lagestaat erteilten Verfügungsbefugnis als rechtswidrigen Akt anrechnen und ihn mit Sanktionen belegen wollte 1 4 . Ist der Inhaber eines Monopolrechts sowohl vom Standpunkt des Heimatstaates als auch vom Standpunkt des Lagestaates her voll geschäftsfähig 1 5 , so wird die Regelung seiner Vertretung bei Verfügungsgeschäften durch einen Bevollmächtigten vom Heimatstaat kaum in Anspruch genommen werden. Es ist denkbar, daß, wenn der Lagestaat dem nicht erreichbaren abwesenden Rechtsinhaber einen Abwesenheitspfleger bestellt, dieser auch das Recht veräußern darf, weil eine solche Veräußerung den vermutlichen Interessen des Rechtsinhabers entspricht. Diese Verfügungsbefugnis des vom Lagestaat bestellten Abwesenheitspflegers wird im allgemeinen auch im Heimatstaat des Vertretenen und in dritten Forumstaaten anerkannt werden 1 6 . Eine, wie oben ausgeführt, nur beschränkt realisierbare Verweigerung der Anerkennung der Gültigkeit des im Lagestaat vorgenommenen Verfügungsgeschäfts in anderen Staaten ist jedoch am Platze, wenn in der Bestellung eines zu Verfügungen befugten Vertreters für einen voll geschäftsfähigen Rechtsinhaber eine verkappte Enteignung des ausländischen Rechtsinhabers liegt. Hiergegen können andere Staaten mit Hilfe ihrer ordre public-Klausel Widerstand machen. Zu derartigen Fällen kommt es etwa, wenn im Lagestaat auf Grund politischer Gesetze die Verwaltung von Vermögensstücken ausländischer Inhaber einem „Verwalter" anvertraut wird, obwohl der Rechtsinhaber durchaus in der Lage wäre, sein Recht selbst wahrzunehmen, oder einen Bevollmächtigten zu bestellen. Verfügungen durch einen oktroyierten Verwalter im Lagestaat werden in anderen Staaten nicht anerkannt werden, wenn der Verwalter nicht unter persönlicher Verantwortlichkeit die Interessen des Rechtsinhabers wahrzunehmen, sondern den Weisungen der ihn bestellenden Behörden zu folgen hatte, und die Werte eigenen Staatsangehörigen zugespielt wurden 1 7 . Soweit juristische Personen an Verfügungsgeschäften über Monopolrechte beteiligt sind, ist der Lagestaat nicht nur befugt, den Erwerb seitens juristischer Personen des ausländischen Rechts durch spezialrechtliche Vorschriften zu beschränken 1 8 , sondern auch z. B. davon abhängig zu machen, daß die ausländische juristische Person dabei durch inländische Bevollmächtigte vertreten wird. Ist eine juristische Person im Lagestaat Rechtsinhaber und Veräußerer, so kann es wieder eine von anderen Ländern mit ihrer ordre public-Klausel zu beanstandende verkappte Enteignung sein, wenn der juristischen Person vom Lagestaat ein verfügungsbefugter Vertreter aufgezwungen wird, der nicht so handelt, wie es ein satzungsgemäßes Organ der juristischen Person zu tun gehabt hätte. Auch Eingriffe in die Bestellung der vertretungsbefugten Organe einer inländischen Tochtergesellschaft im Lagestaat von Monopolrechten können sich als enteignungsähnliche Eingriffe gegenüber der ausländischen Muttergesellschaft darstellen 1 9 . Wird einer volljährigen und nicht etwa geisteskranken natürlichen Person im Heimat644
Vom Heimatstaat erzwungene Verfügungen
§25
oder Wohnsitzstaat aus anderen Gründen als im Zwangsvollstreckungsverfahren ein Zwangsverwalter bestellt, der auch die Befugnis zu Verfügungsgeschäften über ausländische Monopolrechte haben soll 2 0 , so ist ein anderer Staat, in dem diese Person Monopolrechte innehat, sicher nicht etwa völkerrechtlich verpflichtet, diesen Verwalter als zu Verfügungsgeschäften befugt anzuerkennen. Selbst wenn der Lagestaat bereit ist, den einer nicht geschäftsfähigen natürlichen Person im Heimatstaat bestellten gesetzlichen Vertreter als verfügungsbefugt zu betrachten, ist diese Regelung nicht analog anwendbar, wenn einer voll geschäftsfähigen natürlichen Person im Heimatstaat oder Wohnsitzstaat ein Zwangsverwalter bestellt wird 2 1 . Wird einer ausländischen juristischen Person im Heimatstaat, obwohl die von den beteiligten Privatrechtssubjekten gemäß der Satzung bestellten Organe funktionsfähig sind, ein Zwangsverwalter bestellt, oder werden durch Staatsakt der juristischen Person neue Vertretungsorgane gegeben, von denen nicht gesichert ist, daß sie sich wie satzungsgemäß bestellte Organe verhalten werden, so kann derjenige Staat, in welchem der juristischen Person Monopolrechte zustehen, es ablehnen, einen solchen Zwangsverwalter, oder solche eingesetzten Organe, als verfügungsbefugt anzuerkennen. D e r Heimatstaat der juristischen Person kann eine im Lagestaat wirksame Enteignung des im Ausland belegenen Vermögens der juristischen Person, sei es zugunsten des Heimatstaates selbst, sei es zugunsten eines von diesem benannten Dritten, die er sicher nicht direkt anordnen kann, nicht dadurch erreichen, daß er der juristischen Person unter Ausschaltung der satzungsgemäß bestellten Organe einen Zwangsverwalter oder neue Organe durch Staatsakt aufdrängt, und daß diese dann über das ausländische Vermögen der juristischen Person verfügen 2 2 . Soweit „Zwang" zur Vornahme einer Verfügung über ein im Ausland belegenes Monopolrecht durch den Heimat- oder Wohnsitzstaat des Rechtsinhabers ausgeübt wird, indem er durch öffentliches Recht dieses Staates z. B. zur „Ablieferung" von im Ausland befindlichen Wertsachen an die Staatsbank verpflichtet wird, und ihm Strafen in Aussicht gestellt werden, wenn er die Verfügung nicht vornimmt, so kann der Lagestaat dem zunächst einmal dadurch entgegenwirken, daß er seinerseits ein Verbot erläßt, daß die betreffenden Sachen durch den Inhaber aus dem Staatsgebiet entfernt werden. Erfolgt die Verfügung durch Rechtsgeschäft, ohne daß eine Sache von ihrem Lageort entfernt wird, und liegt im Recht des Lagestaates ein anderer Rechtsgrund für die Ungültigkeit der Verfügung nicht vor, so ist es nicht möglich, in allen solchen Fällen anzunehmen, daß die Verfügung unter dem Recht des Lagestaates als unter rechtswidriger Drohung erfolgt, und deshalb anfechtbar oder nichtig sei 2 3 . Praktisch werden es meist andere Personen als der frühere Rechtsinhaber sein, welche die Ungültigkeit des Verfügungsgeschäfts behaupten werden, so etwa der die Wertsachen verwahrende Dritte, der sie nicht auf Grund des vom ausländischen Eigentümer mit der Staatsbank seines Heimatstaates geschlossenen Vertrages dem Erwerber ausliefern w i l l 2 4 ; oder das Grundbuchamt im Lagestaat, das die Auflassung des Grundstücks eines Ausländers an den Fiskus des Heimatstaates beanstandet, wenn der Eigentümer hierzu durch das öffentliche Recht seines Heimatstaates genötigt wurde. Die Bedrohung des Rechtsinhabers mit Bestrafung im Heimatstaat dürfte im Lagestaat als unrechtmäßige Beeinflussung dann nicht behandelt werden, wenn der Lagestaat den Vorgang als auch in seinem öffentlichen Interesse liegend betrachtet, vielleicht auch, wenn er selbst ähnliche Vorschriften hat, und der ausländische Heimatstaat des unter Zwang verfügenden Eigentümers Gegenseitigkeit übt. Auf der anderen Seite ist der Lagestaat nicht völkerrechtlich gehindert, ausdrücklich die Befolgung von Anweisungen fremder Regierungen, auch an ihre eigenen Staatsangehörigen, die sich auf die Übertragung inländischer Monopolrechte beziehen, zu verbieten, oder ihre Befolgung von einer Genehmigung abhängig zu machen; in dem letzteren Fall kann die Ungültigkeit
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§25
Verfügungen über Sachen während des Transports
verbotswidriger Verfügungen im Lagestaat durch dessen Gerichte von Amts wegen festgestellt werden. Die sonstigen Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Geschäfts, mit dem der Inhaber eines Monopolrechts dieses auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen will, werden im Zweifel allein durch das Geschäftsstatut für das Verfügungsgeschäft geregelt, und damit, wie anfangs ausgeführt, durch dasjenige Recht, welches Bestandsstatut für das einzelne Monopolrecht ist 2 5 . Daß sich dieses Recht selbst bezüglich seiner zwingenden Bestimmungen durch Wahl eines anderen Rechts ausschalten läßt, ist nicht unmöglich 2 6 . Wenn der Lagestaat einer Sache durch einen gemäß seinem Recht geschlossenen Kaufvertrag das Eigentum mangels abweichender Bestimmung im Vertrag bereits mit dem Kaufgeschäft auf den Käufer übergehen läßt, so ist es auch nicht unmöglich, daß der Lagestaat, indem er die Wahl eines anderen Geschäftsstatuts für den Kaufvertrag zuläßt, auch die Frage, ob das Eigentum bereits mit dem Kauf übergeht, durch das gewählte oder gesetzliche Geschäftsstatut regeln läßt 2 7 . Verlangt der Lagestaat hingegen ein besonderes dingliches Obertragungsgeschäft oder bestimmte Ersatzgeschäfte, so müßte aus einer ausdrücklichen Kollisionsnorm des Lagestaates hervorgehen, daß dies auf die Fälle beschränkt sein soll, in denen das Geschäftsstatut für den Kaufvertrag nichts anderes vorsieht 28 . Fehlt es jedoch an einer solchen Kollisionsnorm, so wird man im Lagestaat annehmen, daß die im Geschäftsstatut vorgesehene Wirkung des Kaufvertrages in bezug auf den Eigentumsübergang als von den Parteien gewollt zu gelten hat, daß sie aber nur nach Maßgabe des Lagerechts eintreten kann; zu diesem Zweck sind gegebenenfalls die Vereinbarungen der Verträge so umzudeuten, daß die vom Geschäftsstatut des Kaufvertrages ins Auge gefaßte sachenrechtliche Wirkung nach Maßgabe des Lagerechts eintritt 29 . b) Geschäfte zur Verfügung über Rechte an transportierten Sachen Die bisherigen Ausführungen über die Maßgeblichkeit des Bestandsstatuts von Monopolrechten für Verfügungsgeschäfte gelten uneingeschränkt für Immaterialgüterrechte und dingliche Rechte an Grundstücken. Bei Geschäften zur Verfügung über dingliche Rechte an beweglichen Sachen sind in den meisten Ländern besondere Regelungen in bezug auf das anwendbare Recht üblich, wenn eine solche Sache zwecks Abwicklung eines auf Veräußerung gerichteten Geschäfts von dem bisherigen Lageort nach einem anderen Lageort transportiert wird. Hier gilt die Verknüpfung mit den Transitländern als zu schwach bzw. als zeitlich zu schwer feststellbar, um das Sachenrecht des Transitlandes auf die Frage anzuwenden, ob während des Transits ein Übergang des Monopolrechts vom bisherigen Inhaber auf einen anderen stattgefunden hat 3 0 . Wenn nicht schon im Absendestaat mit der Absendung nach den Vorschriften des Absendestaates der Rechtsübergang herbeigeführt wurde, erfolgt er, wenn überhaupt, gemäß dem Recht des Staates, wo diejenige Person, die sich mit der Beförderung bzw. Weiterbeförderung befassen sollte, bei Beendigung des Transports den Besitz aufgegeben bzw. übertragen hat 3 1 . c) Die Verfügung über Rechte an Sachen, für die ein Traditionspapier ausgestellt ist, und über Rechte an Schiffen und Luftfahrzeugen Ein staatliches Recht kann eine Vorschrift haben, wonach unter bestimmten Umständen die zum Übergang des Eigentums (oder zur Begründung eines Pfandrechts) notwendige Ubergabe des Besitzes an einer Sache ersetzt werden kann durch Ubergabe eines die Sache verkörperten Wertpapiers (Lagerschein u. ä.), derart, daß der Erwerber Eigentum am Wertpapier erwirbt. Die Anwendbarkeit solcher Bestimmungen hängt von der Belegenheit der Sache im Urheberstaat des betreffenden Rechtssatzes ab 3 2 ; bezüglich des Ubergangs des Eigentums am Wertpapier ist Anwendbarkeit des Rechts der jeweiligen Belegenheit des Wertpapiers anzunehmen 3 3 . 646
Inhaberwechsel bei Monopolrechten durch Zwangsvollstreckung
§ 25
Bei Seeschiffen ist es üblich, daß der Flaggenstaat den Übergang des Eigentums am Schiff, gleich wo dieses sich befindet, von einer Einigung der Beteiligten und der Umschreibung im Schiffsregister abhängig macht 34 . Damit wird mangels einer anderweitigen staats-, vertraglichen Regelung nicht ausgeschlossen, daß das in fremden Gewässern befindliche Schiff auch gemäß dem anwendungswilligen Sachenrecht dieses Belegenheitsstaates den Eigentümer wechseln kann 3 5 ; verschafft dann der Erwerber des Schiffes diesem auch das Flaggenrecht eines anderen Staates, so kommt eine Anwendung des Rechts des bisherigen Flaggenstaates auf den Eigentumswechsel nicht mehr in Frage. Ähnliche Regeln wie für die Übertragung des Eigentums an Schiffen gelten auch für die Übertragung des Eigentums an Luftfahrzeugen, die im Register eines bestimmten Staates eingetragen sind, aber sich zur Zeit des beabsichtigten Eigentumswechsels nicht im Registrierungsstaat befinden 36 . d) Wechsel des Inhabers von Monopolrechten in der Zwangsvollstreckung Es wird nirgendwo daran gezweifelt, daß ein Wechsel des Inhabers eines Monopolrechts durch Veräußerung seines Rechts im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung aus einem Zivilurteil Sache des anwendungswilligen Rechts des Lagestaates 37 zur Zeit der Vollstreckung ist. Das gilt auch für Schiffe und Luftfahrzeuge, die außerhalb des Flaggenbzw. Registrierungsstaates arrestiert 38 und nach anschließendem Prozeß in diesem Staat im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert werden. Wichtig ist, daß der Wechsel des Inhabers am Monopolrecht durch Zwangsvollstreckung im Lagestaat in anderen Staaten grundsätzlich auch dann anerkannt wird, wenn feststeht, daß das Urteil, wegen dessen vollstreckt wurde, in dem anderen Staat infolge Anwendbarkeit eines anderen Rechts nicht hätte ergehen können. Trotzdem ist der Rechtsübergang, insbesondere des Eigentums an Sachen, im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß dem Recht des Lagestaates in anderen Staaten nicht immer mit allen Konsequenzen als rechtmäßig zu betrachten. Gewiß ist davon auszugehen, daß der Versuch eines Privatrechtssubjekts, sich auf Grund des im Ausland berufenen Rechts ein günstigeres Urteil ausländischer Gerichte zu verschaffen, als es im Inland möglich gewesen wäre, im Prinzip auch vom Standpunkt anderer Staaten als rechtmäßiges Handeln zu bewerten ist, weil sonst ein endloses Hin und Her von Schadensersatzansprüchen und Bereicherungsansprüchen, die in den verschiedenen Ländern geltend gemacht würden, die Folge wäre 3 9 . Auch der Umstand, daß die Vollstreckung zur Befriedigung eines Anspruchs aus einem Rechtsgeschäft erfolgte, welches durch einen außerhalb des Vollstreckungsstaates nicht anerkannten gesetzlichen Vertreter des Urteilsschuldners getätigt worden war, ist kein Grund, um das sachenrechtliche Resultat der Zwangsvollstreckung 40 in anderen Staaten nicht zu respektieren. Ist aber ein inländischer Gerichtsstand als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart, und wird trotzdem von einer Partei vor einem ausländischen Gericht, dessen Recht die vereinbarte ausschließliche Zuständigkeit nicht anerkennt, geklagt, wird der Prozeß vom Kläger auf Grund des im Gerichtsstaat angewendeten Rechts gewonnen, und wird aus dem Urteil im Urteilsstaat vollstreckt, so kann zunächst in dem Staat des ausschließlichen Gerichtsstandes eine Klage auf Schadensersatz wegen Bruches des Versprechens, nicht im Ausland zu klagen, erfolgversprechend sein. Auch wenn ein ausländisches Versäumnisurteil durch unlautere Machenschaften (Vereitelung der Kenntnis des Beklagten von dem Prozeß) herbeigeführt und daraus vollstreckt worden ist, werden andere Staaten nicht nur die Anerkennung des Urteils verweigern, sondern eventuell auch eine Verurteilung zu Schadensersatz durch das Gericht des Wirkungsortes des unlauteren Verhaltens, also dem Wohnsitz des Geschädigten, ermöglichen. Ähnliches gilt für den praktisch nicht seltenen Fall, daß das Vermögen eines Geschäftsunfähigen durch Geschäfte eines treulosen gesetzli647
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Verfügungsmacht des Konkursverwalters
chen Vertreters haftbar gemacht wird, und daß der Partner an diesem Geschäft von der Untreue Kenntnis hat oder gar mit dem gesetzlichen Vertreter konspiriert. Auch in einem «olchen Fall ist nicht anzunehmen, daß der sachenrechtliche Erwerb in der Zwangsvollstreckung seitens eines gutgläubigen dritten Erwerbers in anderen Ländern nicht anerkannt würde. Wenn indes der Erwerb in der Zwangsvollstreckung durch eine der rechtswidrig handelnden Personen selbst erfolgte, so sollte ihr wohl auch das Eigentum an der nach dem Urteil herauszugebenden und gewaltsam weggeholten, oder ersteigerten Sache, wenn sie in den anderen Staat verbracht wird, streitig gemacht werden können. Auch der Erwerb von Sachen in der ausländischen Zwangsvollstreckung in Kenntnis dessen, daß die Zwangsvollstreckung ein Glied in der Kette rechtswidriger Verfolgung des Schuldners durch andere war, kann evtl. auch die Gerichte in anderen Staaten veranlassen, den Eigentumserwerb als ungültig zu betrachten, wenn die Sache in andere Staaten verbracht wird 4 1 . Ist der Gerichtsvollzieher zum „freihändigen" Verkauf der gepfändeten Sache unter Bezugnahme auf die ihm erteilte Befugnis berechtigt, so wird der Verkauf praktisch wohl nie im Ausland stattfinden, weil auch in einem solchen Verkauf durch den Gerichtsvollzieher eine Ausübung hoheitlicher Befugnisse an der gepfändeten Sache zu sehen ist, die auf fremdem Staatsgebiet nicht erfolgen darf. Die vom Vollstreckungsgericht einer Privatperson erteilte Ermächtigung, die gepfändete Sache in Besitz zu nehmen und im Ausland im eigenen Namen zu verkaufen (etwa weil nur so der beste Erlös zu erzielen ist), wird im allgemeinen auch nach dem Recht des Lagestaates zu einem gutgläubigen und deshalb rechtmäßigen Erwerb führen. Das Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens, in dem mit Zustimmung des Schuldners zwecks Befriedigung seiner Gläubiger ein Verwalter für das ganze Schuldnervermögen, oder Teile desselben bestellt wird 4 2 , und dieser Verwalter auch Verfügungen vornehmen darf, kann auch die in einem anderen Staat belegenen Monopolrechte erfassen, wenn dort die Zustimmung des Schuldners als Erteilung einer Vollmacht zu Verfügungsgeschäften gedeutet werden kann, die den Ansprüchen des Lagestaates genügt. Der Umstand, daß der Urteilsschuldner gepfändete Sachen unter Pfandbruch entfernt und im Ausland als sein Eigentum weiterveräußert hat, läßt die Verfügung unter dem Recht des neuen Lagestaates nicht ohne weiteres als ungültig erscheinen, doch kann das Verhalten eines bösgläubigen Erwerbers im Recht des alten und des neuen Lagestaates als deliktisches Verhalten bewertet werden. Erfolgt die Verwertung einer Konkursmasse nach dem Recht des Staates, wo der Konkurs eröffnet wird, durch das Gericht selbst oder eine andere Amtsperson, so kann für die Erfassung von Monopolrechten im Ausland und deren Veräußerung nichts anderes gelten als bei der Einzelvollstreckung: Hoheitlich handelnde Staatsorgane dürfen sich im Ausland nicht Besitz an Sachen des Schuldners verschaffen, und erst recht können sie über die im Ausland belegenen Monopolrechte des Schuldners nicht verfügen. Ist Konkursverwalter nach dem Recht des Staates, wo der Konkurs eröffnet wird, jemand, der keine hoheitlichen Befugnisse gegenüber dem Gemeinschuldner oder gar gegenüber Dritten hat, so ist diese privatrechtliche Ausgestaltung der Stellung des Konkursverwalters allein noch kein Grund um anzunehmen, daß der Satz im Recht des Konkurseröffnungslandes, welcher dem Konkursverwalter ein „Recht" zur Inbesitznahme der Massegegenstände von den zur Herausgabe bereiten Besitzern verschafft, sich auch auf Monopolrechte erstrecken will, die dem Gemeinschuldner im Ausland zustehen; erst recht ist nicht anzunehmen, daß im Lagestaat eine Rechtsanwendungsanweisung besteht, diesen Satz im Konkursrecht des anderen Landes zur Anwendung zu bringen 4 3 . Auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages 4 3 3 oder unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit kann sicher anderes bestimmt werden. Ehe sich jedoch ein Lagestaat von Vermögen des Gemeinschuldners zur Anerkennung der Rechte des ausländischen Kon648
Enteignung von Monopolrechten
§25
kursverwalters versteht, und ehe der Lagestaat ihm insbesondere Befugnis zur Veräußerung solcher Gegenstände oder zu ihrer Entfernung aus dem Lagestaat geben wird, hat der Gesetzgeber zu bedenken, ob nicht auf diese Weise die Haftung des im Inland befindlichen Vermögens für die Schulden des Gemeinschuldners, die nach den in diesem Lagestaat anwendbaren Bestimmungen zu Recht bestehen, beeinträchtigt wird: Ist der Konkursverwalter in dem Land, in dem er bestellt worden ist, gehalten, diejenigen, und nur diejenigen Forderungen aus der Konkursmasse zu befriedigen, welche nach dem in diesem Land berufenen Recht bestehen, und ist er gehalten, die Konkursmasse nicht zur Befriedigung solcher Forderungen zu verwenden, wegen deren selbst ein ausländisches Urteil am Ort des Konkursgerichts nicht anerkannt und vollstreckt werden könnte, so wird ein anderer Lagestaat von Vermögen des Gemeinschuldners nicht bedingungslos dem Konkursverwalter ermöglichen, die inländischen Aktiven an sich zu nehmen, sie zu veräußern und den Erlös in das Land zu bringen, wo die Konkursverwaltung vor sich geht, wenn auf diese Weise diejenigen Gläubiger nichts erhalten würden, die sich sonst durch Zwangsvollstreckung aus dem zunächst im Lagestaat vorhandenen Vermögen des Gemeinschuldners befriedigen könnten 4 4 . Wenn es beim Konkurs wohl selten vorkommt, daß der, meist im Wohnsitzstaat des Schuldners oder an dessen Hauptniederlassung eingesetzte, Konkursverwalter noch einmal in einem selbständigen Konkursverfahren in einem anderen Lagestaat von Schuldnervermögen zum Konkursverwalter bestellt wird 4 5 , so ist die Annahme abwegig, anstatt dessen sei eine automatische Anerkennung des im Heimat- oder Wohnsitzstaat eingesetzten Konkursverwalters durch andere Lagestaaten von Schuldnervermögen selbstverständlich. Die unbefriedigenden Folgen dessen, daß ein Konkurs die dem Gemeinschuldner gehörenden Vermögensgegenstände außerhalb des Konkursverfahrenslandes nicht erfaßt, und daß andererseits nicht jeder Lagestaat von solchem Vermögen seinen Gerichten Zuständigkeit zur Eröffnung eines gesonderten Konkursverfahrens gibt 4 6 , sind ohne eine Änderung der Gesetzeslage unvermeidbar 47 . Eine Ausnahme von der absoluten „Territorialität" des Konkurses 4 8 , und insbesondere der Verfügungsbefugnis des Konkursverwalters, ist auch nicht begründet beim Konkurs juristischer Personen. Hier wird allerdings z. B. von der deutschen Rechtsprechung 49 angenommen, daß, wenn der im Sitzstaat der ausländischen Handelsgesellschaft bestellte Konkursverwalter nach dem Personalstatut der juristischen Person zugleich die Funktion eines Liquidators hat, er die Aktiven der juristischen Person an sich nehmen und sie entweder in das Land des Konkursverfahrens verbringen oder sie im Lagestaat veräußern, und den Erlös ins Ausland verbringen kann. Ein Inlandskonkurs über ausländische juristische Personen ist auch nach deutschem Recht nicht möglich, wenn keine Zweigniederlassung in Deutschland unterhalten wurde 5 0 . e) Wechsel des Inhabers von Monopolrechten durch Staatsakt außerhalb der Zwangsvollstreckung im zivilgerichtlichen Verfahren Die Zuständigkeit des Lagestaates von Sachen oder anderen Monopolrechten, im Wege der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung der in allen Staaten anzutreffenden öffentlich-rechtlichen Forderungen (Steuern usw.) einen Wechsel des Rechtsinhabers herbeizuführen, ist allgemein anerkannt und äußert sich darin, daß dem Erwerber in der Zwangsvollstreckung auch in anderen Staaten und bei einem Lagewechsel von Sachen Rechtsschutz als rechtmäßigem Inhaber gewährt wird; es gilt dies auch, wenn der fremde Staat selbst Eigentümer der in der Zwangsvollstreckung veräußerten Sache geworden ist S O a . Bei der Enteignung von Monopolrechten steht seit langem im Vordergrund die Frage, ob jeder (von den mit der Enteignung befaßten Organen bzw. den sie kontrollierenden Gerichten) als rechtmäßig behauptete Enteignungsakt des Lagestaates in einem anderen 649
§25
Anerkennung ausländischer Enteignungen
Forumstaat ungeprüft als rechtmäßig hingenommen werden muß. Dazu besteht nach der heute ziemlich allgemein anerkannten Auffassung eine völkerrechtliche Verpflichtung sicher nicht; andererseits besteht auch keine völkerrechtliche Verpflichtung, eine solche Prüfung vorzunehmen. Geht das positive Recht eines Staates dahin, daß die Rechtmäßigkeit einer Auslandsenteignung inzidenter geprüft werden kann und muß, so kommt als Maßstab der Prüfung nicht nur das Verwaltungs- und Verfassungsrecht des enteignenden Staates, sondern auch das Völkerrecht in Frage. Es wird weitgehend angenommen, daß in einem anderen Staat eine aus irgendeinem Grund völkerrechtswidrige Enteignung durch den Lagestaät, sei es, daß ihr ein Besitzwechsel an der Sache gefolgt ist (wenn das bestehende Eigentumsrecht dem Inhaber einer Sache entzogen wird), sei es, daß die völkerrechtswidrige Enteignung nur auf dem Papier steht, nicht „anerkannt" zu werden braucht 5 1 . Ein Forumstaat kann auch die zu Lasten von Angehörigen dritter Staaten im Lagestaat völkerrechtswidrig erfolgte Enteignung nicht anerkennen. Auch die Enteignung eigener Staatsangehöriger durch den Lagestaat kann als Verstoß gegen die Menschenrechte völkerrechtswidrig sein 5 2 ; ein anderer Staat kann sie auch allein wegen krasser Abweichung vom eigenen Recht als untragbar finden. Gewisse Enteignungen gelten allerdings nach Völkerrecht auch ohne Entschädigung als zulässig, und es besteht sogar eine Rechtsüberzeugung, daß der Eigentumsübergang dann in anderen Staaten respektiert werden muß. Hierher gehört die Einziehung der „Werkzeuge" für eine Straftat, und die Einziehung des in rechtmäßiger Ausübung des Prisenrechts gekaperten Schiffes bzw. der Ladung. Bundesgenossen des einziehenden Staates und neutrale Staaten respektieren hier den neuen Eigentümer, während natürlich durch Reprise Eigentum von Angehörigen des ursprünglichen Flaggenstaates wiederbegründet werden kann. Enteignungen von Feindvermögen werden in dem Heimatstaat des enteigneten Eigentümers mangels vertraglicher Abmachungen 5 3 sicher nicht, wohl aber bei einem Bundesgenossen des enteignenden Staates anerkannt. Ist im Lagestaat durch Enteignung auf Grund von Gesetzen, die anderen Staaten keinen Grund zu Beanstandungen geben, das Eigentum an Sachen kraft Gesetzes übergegangen, ohne daß jedoch der neue Eigentümer sie bereits in Besitz genommen hat, und gelangt die Sache in der Hand des alten Eigentümers ins Ausland, so wird sie ihm dort im allgemeinen belassen werden, da Rechtshilfe zur Verwirklichung auch völkerrechtsmäßiger fremder Enteignungsgesetze nicht geübt zu werden pflegt. Dasselbe gilt auch, wenn der Heimatstaat das auf See befindliche Schiff seiner Flagge als enteignet erklärt, aber die Befolgung seiner Weisungen durch die Schiffsbesatzung verweigert und das Schiff in einen fremden Hafen gebracht wird. Aus einer Nichtanerkennung völkerrechtswidriger oder ordre public-widriger Enteignungen von Sachen, die im Lagestaat vollzogen worden sind, in anderen Staaten 5 4 folgt allerdings nicht, daß der alte Rechtsinhaber vor einem Gericht außerhalb des Lagestaates von einem durch die Enteignung oder Nacherwerb zum Eigentümer gewordenen Privatrechtssubjekt Herausgabe der Sache im Lagestaat, oder gar Verbringung der Sache in den Forumstaat und Herausgabe im Forumstaat, oder Schadensersatz wegen Nichtbefolgung eines dahinlautenden Urteils, oder Ersatz für entgangene Nutzungen einklagen und in das im Forumstaat belegene Vermögen des Beklagten vollstrecken könnte 5 5 . Wohl aber kann außerhalb des Lagestaates aus der Nichtanerkennung der Enteignung die Folgerung gezogen werden, daß die Anstiftung des Enteignungsvorgangs' durch jemand, der dieselbe Staatsangehörigkeit besitzt wie der Enteignete, und der weiß, daß der Heimatstaat die Enteignung als rechtswidrig betrachtet, in dem gemeinsamen Heimatstaat so beurteilt werden, wie Anstiftung zur Wegnahme einer in diesem Staat belegenen Sache beurteilt würde, nämlich als unerlaubte Handlung 5 6 , die Schadensersatzansprüche auslöst. Vor allem kann aus einer Nichtanerkennung der Enteignung von Sachen im Ausland, 650
Nichtanerkennung von Enteignungen
§26
die auf einer gegen den ordre public anderer Staaten verstoßenden Rechtsgrundlage erfolgt, gefolgert werden, daß bei einem Lagewechsel der Sache das Eigentum des früheren Inhabers im neuen Lagestaat voll wirksam ist, und gegen den Besitzer geltend gemacht werden k a n n 5 7 . Spezialrechtliche Vorschriften können und sollten allerdings dem gutgläubigen N a c h e r w e r b e r Schutz gewähren; es wäre auch denkbar, daß im Verhältnis zwischen dem Enteigneten und einem gutgläubigen Dritterwerber auf G r u n d spezialrechtlicher V o r schriften Billigkeitslösungen gebildet w ü r d e n 5 8 . Ist im Lagestaat nur ein M o n o p o l r e c h t auf originären Eigentumserwerb in völkerrechtlich bedenklicher Weise enteignet worden, so kann der Herausgabeanspruch des Betroffenen, wenn sich ein anderer die Sache entsprechend dem neuen R e c h t des Lagestaates angeeignet hat, und diese ins Ausland verbracht worden ist, nicht auf „ E i g e n t u m " des früheren Aneignungsberechtigten gestützt w e r d e n 5 9 . D a ß Immaterialgüterrechte in dem M o n o p o l zur V o r n a h m e bestimmter Handlungen auf dem G e b i e t eines bestimmten Staates bestehen, wird gerade bei der Enteignung solcher R e c h t e evident. H i e r gelten die obigen Ausführungen über Anwendung b z w . N i c h t a n w e n dung von Enteignungen, die sich auf R e c h t e an Sachen beziehen und durch den Lagestaat vorgenommen werden, entsprechend. Ein Lagewechsel k o m m t bei Immaterialgüterrechten nicht in Frage. W i r d für die Anerkennung der Enteignung eines „lokalen" Immaterialgüterrechts in anderen Staaten gefordert, daß die Enteignung gegen Entschädigung erfolgt, so m u ß der W e n des Immaterialgüterrechts für den betreffenden Staat gesondert von dem W e r t der parallelen W e r t e der Immaterialgüterrechte in anderen Staaten ermittelt werden. Selbst wenn der rechtsgeschäftliche Übergang eines Immaterialgüterrechts für einen Staat davon abhängig gemacht wird, daß das entsprechende R e c h t für den Staat der Hauptniederlassung des Inhabers ebenfalls übertragen wird, so wird doch, wenn das R e c h t in dem letzteren Staat enteignet wird, damit seine selbständige Existenz in dem anderen Staat nicht beeinträchtigt 6 0 . D a ß der H e i m a t - oder Wohnsitzstaat eines Inhabers eines M o n o p o l r e c h t s auf fremdem Staatsgebiet dieses R e c h t nicht ohne Mitwirkung des Lagestaates enteignen kann, d. h. daß weder der Lagestaat, n o c h dritte Staaten ein anwendungswilliges Enteignungsgesetz des Heimatstaates anwenden würden, ist allgemein anerkannt. D u r c h völkerrechtlichen Vertrag kann sich aber der Lagestaat zur Anerkennung der Enteignung von Gegenständen, die auf seinem G e b i e t e belegen sind, durch den Heimatstaat von A u s l ä n d e r n 6 1 , einschließlich ausländischer juristischer Personen, verpflichten 6 2 . D a r ü b e r hinaus k o m m t es zur Anwendung anwendungswilliger Enteignungsgesetze des Heimatstaates im Lagestaat, wenn die Gerichte des Lagestaates sich als durch eine Generalklausel ermächtigt betrachten, anwendungswillige Enteignungsgesetze eines anderen Staates anzuwenden, falls auf diese Weise einerseits eigene Interessen des alten Rechtsinhabers vermutlich gewahrt werden, und andererseits ein eigenes staatspolitisches Interesse des Lagestaates verwirklicht w i r d 6 3 . Es handelt sich hier um eine Parallele dazu, daß die Gerichte des Staates, der das Geschäftsstatut für einen obligatorischen Vertrag stellt, eine einzelne anwendungswillige zwingende Bestimmung eines anderen Staates zur Anwendung bringen, wenn diese auch einem wichtigen Staatsinteresse des Forumstaates entspricht, und dessen Gesetzgeber o h n e Absicht den Erlaß einer geeigneten Bestimmung unterlassen h a t 6 4 .
§ 26. Der Ubergang von Forderungen u. ä. a) Übertragung durch Rechtsgeschäft O b und wie das R e c h t des Gläubigers auf eine Leistung eines anderen, b z w . das R e c h t auf Verwirklichung der Haftung eines anderen mit seinem Vermögen wegen N i c h t e r f ü l lung eines Leistungsanspruchs, von dem bisherigen Rechtsinhaber auf einen anderen durch 651
§26
Forderungsabtretung
Rechtsgeschäft übertragen werden kann, scheint auf den ersten Blick vom Bestandsstatut der Forderung, und nur von ihm, zu regeln zu sein. Bei Verwendung der Mosaikmethode wird allerdings argumentiert werden, auch das „Zessionsstatut" sei von vornherein gesondert, und zwar etwa in der Weise zu bestimmen, daß die gewichtigste Kombination nicht nur derjenigen Verknüpfungen zu ermitteln sei, welche zur Zeit der Begründung der abzutretenden Forderung vorhanden sind, sondern die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen, die zur Zeit der Zession, und zwar eben auch in bezug auf den Zessionar und den Ort des Zessionsgeschäfts, bestehen. Aber auch die im Sinne der Grundstatutsmethode anzunehmende Berufung des Bestandsstatuts, die Regeln über die Abtretung einer Forderung usw. selbst oder durch Verweisung zu stellen, ist beschränkt auf die Regelung der Voraussetzungen und Wirkungen der Zession im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem alten bzw. dem neuen Gläubiger. Das obligatorische Verhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar, z. B. die Haftung für „Mängel" der abgetretenen Forderung, kann durchaus ein anderes Recht zum Geschäftsstatut haben wie das Geschäftsstatut der abgetretenen Forderung; das gilt auch dann, wenn die Verpflichtung des Zedenten, dem Zessionar die Forderung zu verschaffen, schon in demselben Geschäft erfüllt wird, in dem diese Verpflichtung begründet wurde 1 . Auch die Fragen der Geschäftsfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung können infolgedessen für das Verfügungsgeschäft nach einem anderen Recht zu beurteilen sein als dem, nach welchem die entsprechenden Fragen in bezug auf den obligatorischen Vertrag zwischen Zedent und Zessionar zu beurteilen sind; wohl aber hat der obligatorische Vertrag zwischen Zedent und Zessionar, insbesondere wenn der Forderungsübergang erst gesondert zu einem späteren Zeitpunkt bewirkt werden soll, zu beachten, daß eine Erfüllung der Verpflichtung zur Vornahme der Verfügung nur in Ubereinstimmung mit den Regeln des Bestandsstatuts der zu übertragenden Forderung möglich ist. Daher kann auch das Bestandsstatut, indem es z. B. den Ubergang der Forderung gegenüber dem Schuldner nur dann als einwandfrei betrachtet, wenn ein von seinem Standpunkt her gültiges Kausalgeschäft vorliegt, eine ähnliche Bedeutung für die Bestimmung des Geschäftsstatuts zwischen Zedenten und Zessionar erlangen, wie es das Recht des Lageortes der zu übereignenden Sache für die Bestimmung des Geschäftsstatuts des Kaufvertrages hat 2 . Von dem Bestandsstatut der zu übertragenden Forderung wird nicht ohne weiteres angenommen werden können, daß es die Regelung der Form der Erklärungen, die gegenüber dem Schuldner notwendig sind, an ein anderes Recht delegiert habe. Muß also die Benachrichtigung des Schuldners von der Zession auch dann, wenn das die Schuld begründende Geschäft mündlich geschlossen werden konnte, schriftlich erfolgen, so genügt es nicht, daß die Mitteilung in einem anderen Land als dem Land des Bestandsstatuts der Forderung in nichtschriftlicher Form vorgenommen wird 3 . Wenig Aufmerksamkeit widmet man meist den Fragen, die dadurch entstehen können, daß zunächst in allen Staaten Ubereinstimmung über das Bestehen einer Forderung und die Stellung einer bestimmten Person als des Gläubigers besteht, daß aber über die Fähigkeit dieser Person zur rechtsgeschäftlichen Übertragung der Forderung, oder darüber, wer als gesetzlicher Vertreter des Gläubigers zur Zession berechtigt ist, verschiedene Ansichten bestehen. Auch ohne Zession stellt sich schon die Frage, nach welchem Recht es zu beurteilen ist, ob eine Forderung dadurch erlischt, daß der Schuldner in einem Land an den zwar dort, aber nicht anderswo geschäftsfähigen Gläubiger selbst leistet, oder daß er an einen gesetzlichen Vertreter leistet, der nicht überall als solcher anerkannt ist. Ein Staat, der in seiner Eigenschaft als Lagestaat einer Sache, insbesondere auch von Geld, das einer von seinem Standpunkt her nicht geschäftsfähigen Person gehört, dieser einen gesetzlichen Vertreter zum Besitz und zur Verwaltung bestellen, oder einen in einem anderen Staat 652
Forderungsabtretung
§26
bereits bestellten Vertreter als zur Besitznahme und zur Verwaltung befugt bezeichnen könnte, kann, wenn ausreichende Verknüpfungen zum beklagten Schuldner bestehen, jemand, der eine behauptete Forderung, die auf Ubereignung der Sache geht, für den nicht geschäftsfähigen (oder verschollenen) Gläubiger einklagen will, zum guardian ad litem oder zum Pfleger gemäß seinem Recht bestellen; der betreffende Staat kann aber auch einen anderswo bestellten Vertreter, der in dem Bestellungsland zur Einklagung der Forderung legitimiert wäre, als Prozeßvertreter zulassen 3 ®. Kann eine tatsächlich zu Recht bestehende Forderung eines Geschäftsunfähigen in mehreren Lagestaaten eingeklagt werden, so besteht die Möglichkeit, daß der Schuldner in mehreren Staaten von verschiedenen gesetzlichen Vertretern des Gläubigers verklagt und verurteilt wird, die Schuld zu Händen dieses gesetzlichen Vertreters zu erfüllen. Ist auf Klage oder Klagdrohung hin vom Schuldner in einem Land gezahlt worden, und ist das Vermögen des Gläubigers tatsächlich um das vom Schuldner Geleistete bereichert worden, so entstehen kaum noch Schwierigkeiten. Hat der Schuldner in einem Lande geleistet, wo der, welcher die Leistung entgegengenommen hat, das Geleistete zum Bestandteil des Vermögens des geschäftsunfähigen Gläubigers machen konnte, so ist die Schuld damit nicht nur in diesem Staat erfüllt, sondern der Schuldner kann auch in den anderen Staaten, und insbesondere auch in dem, der das Schuldstatut stellt, nicht nochmals von einem anderen gesetzlichen Vertreter des Gläubigers belangt werden. Anders ist es, wenn dem geschäftsfähigen und nicht verschollenen Gläubiger, an den im Land A oder im Land B geleistet werden sollte, im Land A gegen seinen Willen ein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, während im Land B der Gläubiger allein einziehungsbefugt ist. Dann trägt zwar im Prinzip der Gläubiger das Risiko, daß der Schuldner an einem vorgesehenen Zahlungsort gemäß dem dortigen Recht zur Zahlung an die nach dortigem Recht einziehungsbefugte Person gezwungen wird, und damit die Forderung erlischt; man wird aber hier wohl spezialrechtliche Bestimmungen des Schuldstatuts anzunehmen haben, wonach der Gläubiger und der Schuldner geeignete Maßnahmen zu treffen haben, damit es nicht dazu kommt, daß an einen dem Schuldner oktoyierten Vertreter gezahlt werden muß. Sieht das Schuldstatut vor, daß der Schuldner das zu Leistende bei U n gewißheit über die Leistungsmodalitäten mit befreiender Wirkung hinterlegen kann, so wird man ihn einerseits als berechtigt betrachten müssen, dort zu hinterlegen, wo er (der Schuldner) haftendes Vermögen hat, andererseits aber auch als verpflichtet anzusehen haben, jedenfalls nicht dort zu hinterlegen, wo er kein haftendes Vermögen unterhält, und wo das Hinterlegte einem dem Gläubiger aufgezwungenen gesetzlichen Vertreter ausgehändigt würde. Dieselben Erwägungen, wie sie gelten, wenn einer von mehreren Lagestaaten eine Forderung zu enteignen behauptet 3 b , gelten entsprechend, wenn nur die „Fähigkeit" des Gläubigers, das zu Leistende mit befreiender Wirkung für den Schuldner selbst in Empfang zu nehmen, in einem der Lagestaaten zugunsten eines gesetzlichen Vertreters „enteignet" worden ist. Ähnliches gilt nun auch, wenn bezüglich einer Forderung, die in mehreren Staaten eingeklagt werden kann, verschiedene Personen als verfügungsbefugte gesetzliche Vertreter des Gläubigers gelten, wenn einer von ihnen die Forderung an einen Dritten abtritt, und wenn sich die Frage stellt, ob die Forderung durch Leistung an den Zessionar auch in den anderen Lagestaaten als erloschen gilt. O b die Haftung eines einzelnen nicht zum Schuldnervermögen gehörigen Gegenstandes für die Forderung, und ob die vorrangige Haftung eines verpfändeten Bestandteils des Schuldnervermögens mit der Übertragung der Forderung automatisch übergeht, oder o b hierfür besondere Akte notwendig sind, kann nur das Recht des Lagestaates jener Gegenstände bestimmen. Aber auch ein Lagestaat von Vermögen des Schuldners kann in seiner Eigenschaft als Schutzstaat einer rechtsgeschäftlich begründeten Forderung in bezug auf 653
§26
Forderungsabtretung
den Ubergang des Rechts auf Verwirklichung der persönlichen Haftung des in diesem Staat belegenen Schuldnervermögens möglicherweise mit einzelnen zwingenden Vorschriften seines Rechts Anwendung beanspruchen. So kann insbesondere der Wohnsitzstaat des Schuldners als der meist praktisch wichtigste Schutzstaat für eine rechtsgeschäftlich begründete Forderung, trotz ausländischen Schuldstatuts, die Geltendmachung der Haftung des inländischen Schuldvermögens durch den Zessionar, wenn dieser im Gegensatz zum Zedenten seinen Wohnsitz im Ausland hat, von einer devisenrechtlichen Genehmigung der Zession abhängig machen. Erfolgt der Erwerb einer Forderung im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit des Zessionars, und ist ihm als einer ausländischen juristischen Person diese geschäftliche Tätigkeit nicht ohne Genehmigung des Betätigungslandes erlaubt, so darf der Zessionar in diesem Land eventuell weder klagen, noch auf Grund eines ausländischen Urteils in das dort belegene Schuldvermögen vollstrecken. Kommt es zum Abtretungsgeschäft in Erfüllung einer von irgendeinem Staat dem Inhaber der Forderung auferlegten öffentlich-rechtlichen Verpflichtung, so wird es nicht so sehr das auf das Verfügungsgeschäft anwendbare Recht sein, unter dem die Frage gestellt und beantwortet werden müßte, ob Androhung von Unrechtsfolgen durch den Urheber der öffentlich-rechtlichen Norm als rechtswidriger Zwang anzusehen ist (der das Geschäft anfechtbar machen könnte), sondern es kann durchaus der Staat sein, in dem der neue Inhaber der Forderung die Haftung des dort belegenen Schuldvermögens realisieren will, welcher selbst Maßstäbe dafür setzt, ob die vom Heimat- oder Wohnsitzstaat des alten Gläubigers — oder von dem Exportland einer Ware in seinem Devisenrecht — erzwungene Abtretung der Forderung, selbst wenn eine adäquate Entschädigung gezahlt wurde, anzuerkennen ist 4 . Auch wenn die erzwungene Abtretung nicht völkerrechtswidrig ist, kann ihre Anerkennung in dem Staat verweigert werden, in dem sich Schuldnervermögen befindet, welches auf diese Weise direkt oder indirekt in die Hände eines fremden Staates gerät. Daß auch der Heimatstaat nicht ohne gesetzliche Grundlage durch Androhung von Nachteilen einen Gläubiger zur Übertragung einer Forderung mit haftendem Vermögen im Ausland zwingen durfte, folgern möglicherweise andere Staaten aus ihrer ordre publicKlausel, selbst wenn das Statut der Forderung mit dem Ubergang einverstanden ist. Es ist hingegen wieder Sache des Bestandsstatuts der zu übertragenden Forderung, ob es eine Regelung dahin treffen will, daß der Übergang der Forderung durch Übertragung des Eigentums an einem die Forderung verkörpernden Wertpapier, und zwar gemäß dem Recht des jeweiligen Lageortes des Wertpapiers, bewerkstelligt werden kann. Zur Anordnung der Anwendbarkeit seiner Rechtssätze über Wertpapiere zur Verkörperung von Forderungen wird sich ein Staat im allgemeinen nicht deshalb veranlaßt sehen, weil die Parteien sein Recht ausdrücklich als Schuldstatut gewählt haben. Vielmehr muß meist das Wertpapier in dem betreffenden Land ausgestellt werden und, mit der erforderlichen Erklärung des Schuldners versehen, dem Gläubiger schon im Zusammenhang mit der Begründung des Schuldverhältnisses übergeben werden. Auch das sonstige Recht über die im Wertpapier verkörperte Forderung könnte zwingendes Recht des ersten Begebungsstaates sein. Es kann aber auch so sein, daß jedes Rechtssubjekt die Möglichkeit der Ausstellung eines mit einer Forderung verbundenen Wertpapiers, oder der Anbringung einer Willenserklärung auf dem Papier, in einem bestimmten Land benutzen und damit sicher zunächst einmal gemäß dem Recht dieses Landes sein Vermögen haftbar machen darf. Doch auch der spätere Belegenheitsstaat des Traditionspapiers könnte sein Recht auf die Frage anwenden wollen, welche Verpflichtungen und Haftungen im Zusammenhang mit der Weitergabe des Papiers im Verhältnis zwischen den verschiedenen Beteiligten entstehen. Das so mögliche Nebeneinander inhaltlich verschiedener anwendungswilliger Rechte in bezug auf die Rechtsbeziehungen der mit einem solchen Wertpapier zusammenhängenden Personen wirkt sich so verwirrend aus, daß viele Staaten hier den Ausweg in der 654
Übertragung von Forderungen in der Zwangsvollstreckung
§ 26
Vereinheitlichung des materiellen Rechts gesucht und im Zusammenhang damit auch das Kollisionsrecht vereinheitlicht haben 5 . b) Ü b e r t r a g u n g von Forderungen u. ä. in der Zwangsvollstreckung Konzentriert sich in der praktischen Handhabung die „persönliche" Verantwortlichkeit einer Rechtsperson für die Realisierung von rechtlich Gesolltem in der Vollstreckung in ihr zur Haftung für solche persönlichen Schulden bereitstehendes Vermögen (bzw. in das Vermögen mithaftender anderer Personen, oder in einzelne als solche haftbar gemachte Vermögensgegenstände), wobei der Vollstreckung ein Urteil auf die primär geschuldete Geldleistung oder auf Schadensersatzleistung wegen Nichterfüllung primärer Leistungspflichten vorausgeht, so soll mit einer rechtsgeschäftlichen Übertragung der Forderung durchweg auch das Recht, die Haftung der irgendwo belegenen und haftenden Vermögensrechte durch Zwangsvollstreckung auf Grund eines Urteils auszulösen, auf den neuen Inhaber der Forderung übergehen. Daß der einzelne Lagestaat von haftendem Schuldvermögen, insbesondere wenn er Schutzstaat einer rechtsgeschäftlich begründeten Forderung sein soll und sein will, nur ausnahmsweise den automatischen Ubergang des Rechts zur Auslösung der Haftung des inländischen Vermögens durch Übertragung der Forderung hemmt und auf der Anwendung eigener Bestimmungen besteht, wurde eben schon erwähnt. Anders ist es, wenn in der Zwangsvollstreckung in einem Staat A eine Forderung des Urteilsschuldners X gegen den Drittschuldner Y für den Urteilsgläubiger Z gepfändet und dem Z zur Einziehung übertragen wird 6 . Was hier durch Staatsakt „gepfändet" und „überwiesen" werden kann, ist aber nur das Recht, die Haftung des im Vollstreckungsstaat A greifbaren Vermögens des Y — und zwar insbesondere seiner im Staat A belegenen Monopolrechte — für die Forderung des X gegen Y zu realisieren 7 . Eine zwangsweise Verwirklichung dieser Haftung gegenüber dem Y setzt nun wieder ein in A vollstreckbares Urteil gegen Y voraus. Erwirbt der Gläubiger Z zunächst auf Grund eines Urteils gegen seinen Schuldner X in der Zwangsvollstreckung die „Forderung" des X gegen den Y, und verschafft er sich dann in A an dem Gerichtsstand, an dem auch X gegen Y hätte klagen können, im Einziehungsprozeß ein Urteil gegen Y, aus welchem vollstreckt wird, so wird schließlich durch den Zwangsverkauf von Vermögen des Y, das im Staat A belegen ist, und die Aushändigung des Erlöses an den Z, dieser wegen seiner Forderung an X befriedigt. Zugleich gilt die Forderung des X an Y in demselben U m f a n g in A als erloschen. In diesem Sinne ist die Rechtslage in A als einem der Schutzstaaten für die zwischen Z und X sowie zwischen X und Y bestehenden Rechtsverhältnisse geklärt. Damit ist jedoch noch nicht gesichert, daß die Rechtslage zwischen den Beteiligten auch in anderen Staaten ebenso beurteilt wird; das wird kritisch, wenn X seine Forderung gegen Y sowohl in A als auch in B einklagen konnte, und wenn die Forderung des Z gegen X eine „hinkende" Forderung ist. Ist dann in B das Bestehen der Forderung von Z gegen X zu verneinen, und hat Y das Fortbestehen der Forderung des X gegen Y im Staat A bis zur Pfändung durch Z dadurch verschuldet, daß er den X nicht schon früher bei Fälligkeit befriedigt hat, oder hat Y mit der Verbringung eigenen Vermögens von B nach A eine ihm gegenüber dem X obliegende Rechtspflicht verletzt, so ist durch die genannten Vorgänge im Staat A die Haftung des in B belegenen Vermögens des Y für seine Schuld gegenüber dem X nicht beseitigt. D e m Z könnte X nur unter ganz besonderen Umständen einen Vorwurf daraus machen, daß er die für ihn günstigere Beurteilung der Dinge in A zum Vorgehen gegen X , und schließlich zur Vollstreckung in das im Staat A befindliche Vermögen des Y ausgenutzt hat. Denkbar ist aber auch eine ganz andere Situation, wenn nämlich X unter Verletzung irgendeiner Verpflichtung gegenüber Y Eigentum des Y nach A verbracht und auf diese Weise erst ermöglicht hat, daß Z aus der im Staat B nicht bestehenden, im Staat A hingegen 655
§ 26
Übertragung von Forderungen in der Zwangsvollstreckung
bestehenden Forderung in A klagen und schließlich Befriedigung aus dem Vermögen des Y erlangen konnte. E s ist also beim Vorliegen hinkender Forderungen und Zwangsvollstrekkung in eine in mehreren Staaten einklagbare (bzw. durch Anerkennung eines ausländischen Urteils eintreibbare) Forderung gegen einen Dritten die Frage zu stellen, wer von den Beteiligten das Risiko dafür trägt, daß der Schuldner in einem dieser Staaten an den pfändenden Drittgläubiger leisten mußte 8 . Dieselben Erwägungen sind anzustellen, wenn es im Staat A zwar zu einer Pfändung und Uberweisung der Forderung des X gegen Y gekommen ist, wenn aber Y dann freiwillig an Z gezahlt hat, weil er es nicht auf eine Klage des Z gegen ihn im Staat A und eine auf G r u n d des Urteils vor sich gehende Vollstreckung gegen sein in A belegenes Vermögen hat ankommen lassen. E s ist sodann der Fall denkbar, daß die Forderung des X gegen Y sowohl in A als auch in B einklagbar ist, und daß ein Gläubiger Z j wegen seiner Forderung gegen den X im Staat A , ein anderer Gläubiger Z 2 wegen einer anderen Forderung gegen X in B Klage erhebt, und daß dann sowohl der Gläubiger 7. t die Forderung des X gegen den Y vor Fälligkeit im Staat A , als auch der Gläubiger Z 2 die gleiche Forderung im Staat B pfänden läßt. Hier läßt sich kaum ohne Billigkeitserwägungen noch zu einer befriedigenden L ö s u n g kommen, die etwa darin bestehen könnte, daß Y als befreit gilt, wenn er die geschuldete Leistung im Staat A und im Staat B je zur Hälfte hinterlegt 9 . Besteht für eine Klage des X gegen Y kein Gerichtsstand in A , sondern nur in B, ermöglicht aber das Recht von A dem Gläubiger Z, auf G r u n d der Pfändung und Uberweisung der Forderung in A gerichtlich gegen den Y vorzugehen, damit in das Vermögen des Y in A vollstreckt werden k a n n 1 0 , so k o m m t erst recht eine Anerkennung und Vollstrekkung dieses Urteils im Staat B nicht in Frage. Daraus, daß die durch Staatsakt verfügte Uberweisung der Forderung des X gegen Y im Staat A gemäß dessen Vollstreckungsrecht nur eine U b e r w e i s u n g des Rechts zur Geltendmachung der H a f t u n g des im Staat belegenen Vermögens von Y ist, folgt, daß aus dem im Einziehungsprozeß erwirkten Urteil der neue Gläubiger der „überwiesenen F o r d e r u n g " nur im Staat A vollstrecken kann, und daß Anerkennung und Vollstreckung eines solchen Urteils in anderen Staaten verweigert werden m ü s s e n 1 1 . U m dem Gläubiger Z die Möglichkeit zu verschaffen, überall die H a f t u n g von V e r m ö gen des Drittschuldners Y für eine dem Z haftende F o r d u n g des Schuldners X gegen Y zu verwirklichen, bleibt nur die Möglichkeit, X unter Androhung von Beugezwang in einem dafür geeigneten Staat (insbesondere im Wohnsitzland) zu veranlassen, daß er Z die Forderung gegen Y in einem Privatrechtsgeschäft unter Wahrung der für eine solche Zession erforderlichen Akte abtritt. D a der von einem Staat im zivilprozessualen Vollstreckungsverfahren ausgeübte Zwang zur A b g a b e von rechtsgeschäftlichen Erklärungen in anderen Staaten im allgemeinen nicht als rechtswidriger Zwang aufgefaßt wird, erhält der Gläubiger Z auf diese Weise die Möglichkeit, sich aus dem Vermögen des Y in allen Staaten, welche Schutzstaaten für die Forderung des X gegen Y sind, in demselben U m f a n g zu befriedigen, wie das dem Gläubiger X möglich gewesen wäre. D i e in homogen verknüpften Situationen verwendbaren Mittel, um einer rechtsgeschäftlichen Abtretung einer Forderung des Schuldners z u v o r z u k o m m e n , insbesondere die private Vorpfändung, stehen dem Gläubiger Z in solchen Fällen jedoch wohl nicht zur V e r f ü g u n g 1 2 . Im K o n k u r s - und Vergleichsverfahren ist es sicher besonders erwünscht, daß Schuldner und Vertragspartner des Gemeinschuldners, vor allem w^nn gegen sie in mehreren Staaten geklagt werden könnte, nicht mit widersprechenden Ansprüchen von mehreren Konkursverwaltern aus verschiedenen Ländern, oder von einem Konkursverwalter und zugleich vom Gemeinschuldner, oder einem pfändenden Drittgläubiger konfrontiert werden. Mit Sicherheit läßt sich dies nur vermeiden, wenn der K o n k u r s das Vermögen des Gemeinschuldners in allen Lagestaaten erfaßt 1 2 3 , was aber im positiven Recht nicht immer 656
Enteignung von Forderungen
§26
vorgesehen i s t 1 2 b . Wird die befreiende Wirkung einer Hinterlegung in einem Staat, wenn dort der Schuldner leisten durfte, auch in den anderen Staaten anerkannt, so nötigt die Hinterlegung die Beteiligten vielfach zu einer vergleichsweisen Einigung. Im übrigen scheint hier einer der Fälle vorzuliegen, wo eine befriedigende Lösung nur mit Hilfe von Billigkeitserwägungen zu finden ist.
c) Enteignung von Forderungen Auch für eine Enteignung von Forderungen kommt jeder Staat in Frage, auf dessen Gebiet sich Monopolrechte des Schuldners befinden, durch deren Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung der Gläubiger befriedigt werden kann. Während der Zwangsvollstreckung meist eine auch in anderen Ländern zu Recht bestehende Forderung gegen den Gläubiger des Drittschuldners, oder eine nicht gegen den ordre public anderer Staaten verstoßende öffentlich-rechtliche Forderung des Lagestaates zu Grunde liegt, erfolgt gerade eine Enteignung von Forderungen nur selten auf Grund des öffentlichen Wohls gegen Entschädigung, sondern häufig aus politischen Gründen; eine derart begründete Enteignung wird meist andere Forumstaaten veranlassen, von ihrer ordre public-Klausel Gebrauch zu machen. Für die Frage, ob deshalb die von dem Schuldner der enteigneten Forderung in dem Staat, der gegenüber dem Schuldner Vollstreckungsmöglichkeiten in der Hand hat, geleistete Zahlung den Schuldner in anderen Staaten gegenüber dem alten enteigneten Gläubiger befreit, gilt daher dasselbe wie für den oben erörterten Fall, daß die Forderung des Z gegen X zwar in A, aber nicht in B rechtens ist, daß aber für die Forderung des X gegen Y Vollstreckungsmöglichkeiten sowohl in A , als auch in B bestehen: Beruht es auf Verschulden des Y gegenüber X , daß der die Forderung des X gegen Y enteignende Staat überhaupt eine Chance erhält, sich gegebenenfalls durch Anwendung von Zwang aus dem Vermögen des Y in seinem Gebiet zu befriedigen, so trägt Y das Risiko der Enteignung 1 3 , d. h. er hat in einem anderen Land noch einmal an den alten Gläubiger X zu zahlen 1 4 . Beruht es umgekehrt auf Verschulden des Gläubigers X , daß der die Forderung enteignende Staat eine Möglichkeit zur Befriedigung aus dem Vermögen des Y erhielt 1 5 , so trägt X das Risiko der Enteignung, d. h. der Schuldner braucht in anderen Staaten nicht noch einmal zu zahlen. In den Fällen, wo weder den X noch den Y ein Verschulden dafür trifft, daß der Enteignerstaat auf das Vermögen des Schuldners zugreifen konnte, dürfte die Teilung des Risikos im Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger aus Billigkeitsgründen vertreten werden können, d. h. der Schuldner Y, der bereits die volle Schuldsumme an den enteignenden Staat A gezahlt hat, braucht dem alten Gläubiger in anderen Staaten nichts, oder nur einen Teil der Schuld zu zahlen 1 6 . Ist ein die Forderung verkörperndes Traditionspapier ausgestellt worden, so verweist damit das Bestandsstatut der Forderung in erster Linie bezüglich des Ubergangs durch Rechtsgeschäft auf das Recht des Lagestaates des Wertpapiers, von dem erwartet wird, daß er die Übertragung des Eigentums an dem Wertpapier genauso regelt wie die Übertragung des Eigentums an anderen Sachen. Die Verweisung erfaßt auch eine Übertragung des Papiers im Wege der Zwangsvollstreckung im Zivilprozeß oder für die allgemein üblichen öffentlich-rechtlichen Forderungen. Einer Realisierung der Enteignung der Forderung über die Enteignung des Wertpapiers durch den Lagestaat des Papiers kann vielfach durch Kraftloserklärung des Papiers vor Präsentation zur Zahlung vorgebeugt werden. Im übrigen aber kann das Eigentum am Papier, wenn das Papier aus dem enteignenden Staat herausgebracht wird, im neuen Lagestaat, wo es dem Schuldner zur Zahlung präsentiert wird, in demselben Umfang bestritten werden, wie das Eigentum an anderen enteigneten beweglichen Sachen, deren Enteignung der neue Lagestaat nicht anerkennen will 1 7 . Ist die Forderung aus dem Papier im enteignenden Staat selbst einklagbar, obwohl der Schuldner 657
§26
Gesetzlicher Forderungsübergang
seinen Wohnsitz anderswo hat, und befriedigt sich der durch Enteignung zum Gläubiger G e w o r d e n e aus dem in diesem Staat befindlichen Vermögen des Schuldners, so trägt der Gläubiger das Risiko, wie bei der Enteignung einer an mehreren Orten zahlbar gestellten Forderung.
d) Gesetzlicher Forderungsübergang Ein gesetzlicher Forderungsübergang wird vielfach vorgesehen, wenn ein anderer als der eigentliche Schuldner, so z. B . ein Bürge, den Gläubiger befriedigt, oder wenn der Schaden, für den jemand haftet, von einem anderen, ebenfalls für den Schaden haftbaren Rechtssubjekt schon wiedergutgemacht worden ist, oder wenn ein anderer dem Geschädigten, z. B . als Versicherer oder in einer versichererähnlichen Stellung, Zahlung geleistet hat. D i e Frage nach dem anwendbaren Recht ist unproblematisch, wenn sowohl das Schuldstatut, als auch das Recht, das die Beziehungen zwischen dem Gläubiger und dem Dritten regelt, eine solche Surrogation vorsehen 1 8 . D e r gesetzliche Forderungsübergang, wie ihn das Recht für das Verhältnis zwischen dem zahlenden Dritten und dem ursprünglichen Gläubiger vorsieht, kann auch dann bejaht werden, wenn das Privatrecht, welches die vom Schuldner nicht beglichene Forderung beherrscht, vorsieht, daß der zahlende Dritte von dem Gläubiger vor oder nach Zahlung Abtretung der Forderung verlangen k a n n 1 9 . H a b e n die Rechte mehrerer Staaten, welche Verpflichtungen mehrerer Personen zur Erbringung von Leistungen zu demselben Zweck begründen, verschiedene Ansichten darüber, auf welchem von diesen Leistungspflichtigen letztlich die Last verbleiben soll, so sind Billigkeitslösungen unvermeidlich: Sieht das eine Recht bei Uberversicherung durch Mehrfachversicherung vor, daß der Versicherer aus dem älteren Versicherungsvertrag die Last allein zu tragen hat, während ein anderes Recht Aufteilung der Last unter den Versicherern proportional den Versicherungssummen vorsieht, und ein drittes vielleicht die Belastung bei demjenigen Versicherer belassen will, an den sich der Versicherte hält, so entspricht wohl die zweite L ö s u n g auch im Verhältnis zwischen Versicherern unter den anderen Versicherungsrechten zugleich der Billigkeit. Kennt ein beteiligtes Versicherungsstatut überhaupt keine Beschränkung der Ansprüche des Doppeltversicherten, so ist dies für einen anderen Versicherer unter einem anders gestalteten Versicherungsstatut sicher kein G r u n d , um die Erbringung seiner Leistung zu verweigern. Kritisch wird der gesetzliche Ubergang von Forderungen, wenn der ursprüngliche Gläubiger von dem Erwerber der Forderung nicht in gleicher Weise, insbesondere nicht in gleichem U m f a n g befriedigt worden ist, oder befriedigt zu werden erwarten kann, wie dies bei Befriedigung durch den Schuldner selbst vorgesehen w a r 2 0 . Wird dem Gläubiger, der eine Forderung an einen ausländischen Schuldner hat, von seinem Wohnsitzstaat eine Mitschuld der dortigen Staatsbank oktroyiert, die befugt sein soll, Befriedigung in inländischer Währung zu einem künstlichen Kurs anzubieten, und die mit einem solchen Angebot bereits die ursprüngliche Forderung gegen den ausländischen Schuldner erwerben soll, so ist das für den Wohnsitzstaat des Schuldners kein ausreichender G r u n d , um der Klage des „Zessionars" stattzugeben, und eine Klage des alten Gläubigers a b z u w e i s e n 2 0 3 . Bestimmt das Recht, welches eine Sozialversicherungseinrichtung zu Leistungen bei Unfallschäden verpflichtet, daß sich der Geschädigte mit diesen Leistungen zu begnügen habe, während alle seine Ansprüche gegen Dritte (Verursacher, private Haftpflichtversicherer des Verursachers usw.) in voller H ö h e auf die Versicherungsanstalt übergehen, und daß der Geschädigte das, was er evtl. von dem Dritten bereits erhalten hat, an die Sozialversicherungsanstalt auszuliefern h a b e 2 1 , so wird diese Regelung auf Anwendung durch ausländische Gerichte nur bei Gegenseitigkeit 2 2 in bezug auf die Anwendung entsprechender Gesetze des Forumstaates rechnen dürfen. 658
Gesetzlicher Forderungsübergang
§26
Wird anstelle des Ubergangs einer beglichenen Forderung eines Gläubigers aus einem unechten Gesamtschuldverhältnis auf den zahlenden Schuldner 2 3 ein Ausgleichsanspruch zwischen den verschiedenen Schuldnern unter sich vorgesehen, so könnte die Frage gestellt werden, zu welchem Staat die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, damit dieser Staat den Rechtssatz über den Ausgleichsanspruch stellen kann. Ein überzeugendes Ubergewicht der Verknüpfungen zu einem einzigen Staat wird gerade in diesen Fällen oft nicht bestehen; es bleibt auch dann nur eine Billigkeitslösung. Wird die zu liefernde Sache vor der Ablieferung von einem Dritten beschädigt, während sie noch Eigentum des Verkäufers ist, so kann das Geschäftsstatut für den Kaufvertrag einen Anspruch des Käufers auf Abtretung der Schadensersatzforderung des Verkäufers gegen den Schädiger vorsehen; zugleich kann das Tatortrecht als Deliktsstatut dem Käufer als dem schon zum equitable owner der Sache gewordenen Erwerber einen unmittelbaren Anspruch gegen den Schädiger gewähren; auch hier führt nur eine Billigkeitslösung zu brauchbaren Resultaten. Der Grund für ein Recht des Gläubigers zur Geltendmachung von Ansprüchen seines Schuldners gegen einen Drittschuldner kann auch in der Erwägung bestehen, daß ein Drittschuldner sittenwidrig handelt, wenn er seinen Gläubiger, vielleicht mit dessen stillschweigendem Einverständnis, nicht bezahlt, um auf diese Weise dem Gläubiger die zur Befriedigung seiner Drittgläubiger erforderlichen Mittel vorzuenthalten und damit letztlich diese Drittgläubiger zu schädigen. Dann kann ein direktes Vorgehen eines solchen Drittgläubigers gegen den säumigen Schuldner angebracht sein. Die Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch liefert dann ein durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Schuldners, des Drittschuldners, sowie der Tat- und Wirkungsorte des sittenwidrigen Verhaltens zu ermittelndes Deliktsstatut, doch kann der geltend zu machende Schaden hier auf die Höhe der Schuld des Drittschuldners beschränkt sein. Einer Forderungspfändung im Selbsthilfewege kommt es gleich, wenn ein Gläubiger eine Geldforderung seines Schuldners gegenüber einem Dritten geltend machen kann, ohne daß dem Drittschuldner die Absicht der Schädigung des Gläubigers nachgewiesen werden muß. Bestreitet der Dritte, gegen den der Gläubiger im Wege der „action directe" vorgehen will, daß gegen ihn überhaupt eine Forderung besteht, so kann es zu einem Rechtsstreit zwischen dem Gläubiger und dem Dritten kommen, welcher einem Rechtsstreit entspricht, wie er zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner der im Wege der Zwangsvollstreckung für den Gläubiger gepfändeten „angeblichen" Forderung entstehen kann. Aus dieser Parallele folgt m. E., daß die action directe 2 4 dem Recht des Landes entsprechen muß, w o Vermögen des Drittschuldners liegt, in das aus dem erwirkten Urteil vollstreckt werden soll, also unter allen Umständen das Recht des Staates, wo der Gläubiger auf Grund der action directe gegen den Drittschuldner klagt; zugleich aber muß dieser besondere Weg zur Verwirklichung der Haftung der in Forderungen bestehenden Teile des Schuldnervermögens auch in demjenigen Recht vorgesehen sein, welches das Schuldstatut stellt 2 5 . Ob derjenige, der einen Schadensersatzanspruch aus Gesetz oder Vertrag zu haben behauptet, direkt gegen den Haftpflichtversicherer des angeblichen Schuldners klagen kann, ist zu bejahen, wenn der Versicherungsvertrag, bzw. das als Geschäftsstatut für den Versicherungsvertrag anzusehende Recht, eine solche Klagemöglichkeit Dritter — letztlich aus Vertrag zu Gunsten Dritter — vorsieht. Es ist aber auch möglich, daß der Staat, der die Verschuldenshaftung des Verursachers begründet, eine unmittelbare Mithaftung des Haftpflichtversicherers in Höhe der von ihm nach dem Versicherungsvertrag zu leistenden Versicherungssumme vorsieht 2 6 ; es ist ferner möglich, daß das Prozeßrecht des Forumstaates den Versicherer, der für den verklagten Versicherten im Prozeß auftritt, so behandelt, als ob er eine mitverklagte und mithaftende Partei wäre. 659
§27
Bestandsstatut und Erbstatut
§ 27. Das auf die Erbfolge anwendbare Recht a) Allgemeines. Bestandsstatut der vererbten Vermögensrechte und Erbstatut Das Bestandsstatut für Monopolrechte oder für irgendwelche anderen subjektiven Rechte des Privatrechts (auf Leistungen oder ein sonstiges Verhalten des Verpflichteten) kann bestimmen, daß subjektive Rechte, bzw. ganze Rechtsverhältnisse, mit dem Tod des Inhabers, bzw. eines Beteiligten, ihr Ende finden, oder auch, daß sie von denjenigen, die das subjektive Recht durch Rechtsgeschäft begründen, auf das Leben des Inhabers befristet geschaffen werden können. Dann stellt sich die Frage nach dem Erbrecht überhaupt nicht 1 . Im allgemeinen gelten in den meisten Privatrechten vor allem alle subjektiven Vermögensrechte als vererblich 2 . Umgekehrt erlöschen Haftungen des persönlichen Vermögens einer natürlichen Person im allgemeinen nicht mit dem Tod des Vermögensinhabers 3 , und auch alle Verpflichtungen zur Verursachung eines durch menschliches Verhalten erzielbaren Vorgangs, die solcher Haftung zugrunde liegen, erlöschen nur, wenn der Vorgang in einem höchstpersönlichen Verhalten des ursprünglichen Schuldners besteht, so daß die Verpflichtung auch zu Lebzeiten des Verpflichteten (jedenfalls ohne Zustimmung des Gläubigers) nicht durch einen anderen erfüllt werden kann. Das Schicksal von nicht erlöschenden subjektiven Rechten beim Tod ihres Inhabers kann nun in einem nationalen Inlandsrecht ganz verschieden geregelt sein: Es könnte eine Regelung dahin getroffen werden, daß für vererbliche Rechte einer natürlichen Person als Nachfolger nur ein einziger neuer Inhaber in Frage kommt 4 . Es kann aber auch eine Regelung dahin getroffen werden, wonach anstelle des ursprünglichen Einzelinhabers des vererbten Rechts mehrere Rechtssubjekte Mitinhaber werden können; diese Mitinhaberschaft kann dann in Rechtsformen geschehen, die auch für die Inhaberschaft an dem Recht ohne Erbfolge verwendet werden können; es kann aber auch im Bestandsstatut des vererbten Rechts besondere Rechtsformen für die Mitberechtigung kraft Erbrechts geben. Ein Inlandsrecht kann sodann die Beerbung für verschiedene Arten vererblicher Rechte (oder verschiedener Arten von Sachen, an denen vererbliche Rechte bestehen) unterschiedlich gestalten; dabei kann unter Umständen für das einzelne konkrete Recht (oder einen Komplex solcher Rechte) die Art der Vererbung durch Einzelakt sogar auf längere Zeit festgelegt werden (z. B. als Ältesten- oder Jüngstenerbrecht bei der Hoferbfolge). Den Gegensatz dazu bildet die Universalsukzession, bei der sämtliches Vermögen der verstorbenen natürlichen Person nach einheitlichen Regeln auf einen neuen, oder mehrere neue Inhaber übergeht. Wiederum eine andere Art der Regelung der Dinge kann darin bestehen, daß bestimmte Vermögensmassen einer Gemeinschaft als ganzer „gehören" (wobei die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft auf Verwandtschaft beruht), daß bestimmten Organen einer solchen Gemeinschaft die Regelung der Versorgung der jeweiligen Angehörigen obliegt, indem sie entweder Unterhaltsansprüche oder monopolartige Nutzungsrechte an einem Gegenstand des Gemeinschaftsgutes zuweisen (wobei sie nach festen Richtlinien oder nach freiem Ermessen verfahren können); die so geschaffenen individuellen Rechte fallen beim Tode des Inhabers zwecks Neuregelung an die Gemeinschaft zurück; möglicherweise geht dann auch ein Teil des außerhalb des Gemeinschaftsgutes innegehabten persönlichen Vermögens des Verstorbenen an die Gemeinschaft 5 . Es bedarf keiner längeren Erörterung um zu sagen, daß auf jeden Fall eine schon für das einzelne Vermögensrecht konkret fixierte Erbfolgeregelung 6 dem Bestandsstatut zu entnehmen, und daß dieses Bestandsstatut (wie z. B. bei Fideikommissen und Erbhöfen) auch dann maßgebend sein sollte, wenn andere Verknüpfungen, insbesondere auch persönliche Verknüpfungen des Erblassers, zu einem anderen Staat hingehen. Das ist bei Monopolrechten, insbesondere an Grundstücken, meist ohne größere Schwierigkeiten durchführbar, und zwar um so eher, als bei derartigen Regelungen der Gegenstand des Monopol660
Arten der Erbfolgeregelung
§27
rechts oft auch nicht für persönliche Schulden des Erblassers haftbar gemacht werden kann. In anderen Fällen bereitet die Frage nach dem Fortbestehen der Haftung eines Vermögensrechts für persönliche Schulden des Rechtsinhabers bereits in homogen verknüpften Fällen gewisse Schwierigkeiten, wenn über das Schicksal des Vermögensrechts beim Tode des Inhabers schon vorher konkrete Anordnungen getroffen worden sind, die als rechtswirksam anerkannt werden, so z. B. wenn das Gesellschafterrecht eines Gesellschafters an einer offenen Handelsgesellschaft, oder wenn eine unkündbare und hochverzinste Darlehensforderung des Gläubigers beim Tode „erlöschen" soll, und damit die Mitgesellschafter bzw. der Schuldner wirtschaftlich um den Wert des „erloschenen" Rechts bereichert werden. Die Maßgeblichkeit des Bestandsstatuts des einzelnen Vermögensrechts für die Erbfolge liegt auch dann noch nahe, wenn ein Staat in seinem Inlandsrecht für die verschiedenen Arten von subjektiven Rechten an Sachen, die seine Rechtsordnung unterhält, verschiedene Erbfolgeregelungen vorsieht, also z. B. verschiedenes Intestaterbrecht für Eigentums- und Nutzungsrechte an landwirtschaftlichen und an sonstigen Grundstücken, bzw. für Rechte an beweglichen Sachen 7 . Dann finden sich in der betreffenden Rechtsordnung meist auch Regeln über die Art der Heranziehung der verschiedenen vererbten Vermögensteile zu ihrer Haftung für persönliche Schulden des Erblassers (z. B. vorrangige Haftung des Mobiliarnachlasses). Ein entwickeltes Recht kann nicht dabei bleiben, spezifische Erbfolgeregelungen für einzelne Arten von Rechten bzw. Sachen anzuordnen, sondern muß eine subsidiäre Erbfolgeregelung für alle sonstigen Vermögensgegenstände entwickeln. Das durch die Mosaikmethode geprägte internationalprivatrechtliche Denken drängt dann auf eine Lösung des Statuts für den erbrechtlichen Wechsel der Rechtsinhaber vom Bestandsstatut für die einzelnen vererblichen Gegenstände. Auch wenn man für Rechte an Grundstücken es im Ergebnis bei der Anwendung des Bestandsstatuts beläßt, bezeichnet man doch den Lageort des Grundstücks als das Anknüpfungsmoment, und erklärt auch bei unkörperlichen Rechten, oder bei Rechten an beweglichen Sachen, den Lageort zum Anknüpfungsmoment für die subsidiäre erbrechtliche Regelung; mit Rücksicht darauf, daß die wahre Lage von beweglichen Sachen oft wechselt, sieht man dann vielfach im Wohnsitz des Rechtsinhabers den „Lageort" (situs) des zu vererbenden Rechts. Die Komplikationen, welche mit der Geltung unterschiedlicher erbrechtlicher Regelungen für die verschiedenen Arten der im Nachlaß ein und derselben natürlichen Person vorhandenen Rechte und der sie belastenden Haftungen verbunden sind, und die weiteren Folgen dieser Komplikationen für die Investitions- und Kreditverhältnisse innerhalb einer nationalen Volkswirtschaft sind Gründe dafür gewesen, daß die meisten modernen Privatrechtsordnungen nur ein System der Erbfolge für das ganze Vermögen einer Person, also die sogenannte Universalsukzession, vorsehen, und daß diese Privatrechtsordnungen zudem bestrebt sind, eine Umgehung dieses Prinzips der Universalsukzession durch rechtsgeschäftliche Anordnungen über das Schicksal einzelner konkreter Vermögensrechte beim Tode des Inhabers zu verhindern, soweit solche Anordnungen nicht als spezifisch erbrechtliche Regelungen auch in einem System der Universalsukzession zulässig sind. Auch im Verhältnis zwischen solchen Staaten, die in ihrem Inlandsrecht dieses Prinzip der Universalsukzession verwirklichen, kann eine Anwendbarkeit des Erbrechts des jeweiligen Lagestaates auf die in diesem Staat belegenen Vermögensrechte des Erblassers noch nicht allein deshalb schon verworfen werden, weil es dann auf diese Weise nicht zu einer einheitlichen Erbfolge in das ganze Aktivvermögen des Erblassers kommt, wenn die verschiedenen Lagerechte unterschiedliche Regelungen der Universalsukzession haben 8 . Erhebliche Schwierigkeiten entstehen jedoch bei einer Anknüpfung an die Belegenheit des Nachlasses, wenn gewisse Vermögensgegenstände nicht in einem einzigen Staat, sondern 661
§27
Wege zur Bestimmung des Erbstatuts
als in mehreren Staaten belegen gelten müssen, wie vor allem Forderungen, die in mehreren Staaten eingeklagt werden können, und für die das in mehreren Staaten belegene Vermögen des Schuldners haftet 9 . Dies läßt es als wünschenswert erscheinen, daß diejenigen Staaten, von denen jeder Universalsukzession vorsieht, versuchen, sich untereinander auf ein einziges Erbstatut zu einigen. Dieses in den verschiedenen Lagestaaten des Nachlasses übereinstimmend anzuwendende Erbrecht müßte nicht notwendig über eine persönliche Verknüpfung des Erblassers ermittelt werden; es könnte daran gedacht werden, daß das Erbrecht des Staates, in dem die Hauptmasse des Nachlasses liegt, oder welches der Erblasser bestimmt hat, auch in den anderen Lagestaaten vom Nachlaß zur Anwendung gebracht wird. Näherliegend ist es natürlich, daß die Belegenheitsstaaten sich auf ein durch eine persönliche Verknüpfung des Erblassers (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) bestimmtes Recht einigen. Darüber, wie diese Einigung zu erfolgen hätte, gehen jedoch die Meinungen auseinander. Gerade für die Bestimmung des Erbstatuts ließe sich denken, daß mangels einer staatsvertraglichen Regelung jeder Belegenheitsstaat von Nachlaß die von ihm gewählte persönliche Verknüpfung nur als Vorschlag für das zu dem einen Erbstatut führende Anknüpfungsmoment auffassen würde, und daß jeder Staat bereit wäre, seinen eigenen Vorschlag zurücktreten zu lassen, wenn sich im konkreten Fall die Mehrheit der Belegenheitsstaaten von Nachlaß auf ein anderes Anknüpfungsmoment einigt. Dieser Gedanke, es auf eine „Abstimmung" unter den Belegenheitsstaaten ankommen zu lassen, ist allerdings dem positiven Recht ziemlich fremd 1 0 . Andererseits fühlt man vielfach das Sinnlose einer gesetzgeberischen Anordnung, ein in einer bilateralen Zuweisungsnorm bezeichnetes fremdes Erbrecht sei von den Gerichten des Forumstaates auch gegen den Willen des Staates, von dem dieses Erbrecht herrührt, für die Vererbung der im Forumstaat oder in dem Gebiet dieses anderen Staates belegenen Gegenstände anzuwenden. Aus früher Gesagtem 1 1 ergibt sich, daß ohne völkerrechtlichen Vertrag weder mit der Deutung der Verweisung auf ausländisches Recht als einer Gesamtverweisung, noch mit der Verwendung einer Staffel subsidiärer Zuweisungen an ein anwendungswilliges Recht die Ubereinstimmung aller Staaten bezüglich des Erbstatuts gesichert werden kann. D e lege ferenda scheint es in erster Linie anzustreben zu sein, daß die nationalen Kollisionsrechte das Staatsangehörigkeits„prinzip" und das Wohnsitz„prinzip" einander annähern; die Staatsangehörigkeitsanknüpfung kann z. B. dahin abgewandelt werden, daß eine nicht oder wenig effektive Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment ausscheidet, und dafür eine subsidiäre Zuweisung an das Wohnsitzrecht zum Zuge kommt; diejenigen Länder, welche im Prinzip auf den Wohnsitz abstellen wollen, könnten ihrerseits eine Regelung treffen, wonach eine Verlegung des Wohnsitzes vom Heimatstaat in einen anderen Staat mit größerer Zurückhaltung bejaht wird als sonstige Wohnsitzverlegungen. Auch dann läßt sich die Frage nicht vermeiden, nach welchem Recht ein Belegenheitsstaat von Nachlaß die Erbfolge in die bei ihm belegenen Gegenstände beurteilen sollte, wenn keiner von denjenigen Staaten, zu denen eine persönliche Verknüpfung besteht, sein eignes Recht angewendet wissen will; dann scheint eine subsidiäre Anwendungswilligkeit des Erbrechts des Belegenheitsstaates jedenfalls nicht weniger logisch, als die Anwendung eines vermittels einer persönlichen Verknüpfung des Erblassers ermittelten fremden Erbrechts gegen den Willen seines Urhebers. Steht fest, daß sich alle Staaten, in denen Nachlaß belegen ist, über die Anwendung des Domizilrechts einig sind, so sollte unter den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts nicht ein Staat, in dem sich kein Nachlaß befindet, seinen Gerichten aufgeben, das Heimatrecht als Erbstatut anzuwenden u s w . U a . Haben die Staaten, in denen Nachlaß belegen ist, sich nicht über ein bestimmtes Erbstatut einig werden können, so ist folgendes zu erwägen: Bei Monopolrechten ist der Lagestaat unbezweifelt in einer Position, daß er demjenigen, der nach dem in diesem Staat be662
Gesamtverweisung auf das Recht des Lagestaates
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rufenen Recht Erbe geworden ist, als dem neuen Inhaber des Rechts in wirksamster Weise Rechtsschutz verschaffen kann. Es ist daher unter den allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts nicht empfehlenswert, daß ein anderer Forumstaat die praktisch stets nur als Teilfrage relevante Frage der Erbfolge hier nach einem anderen Recht beurteilt als dem im Lagestaat anwendbaren Recht. Es ist abzulehnen, in einem beliebigen Forumstaat auf die Frage, wer Inhaber eines im Ausland belegenen Monopolrechts durch Erbfolge geworden ist, das Erbrecht des Lagestaates anzuwenden, wenn es der Lagestaat selbst nicht angewendet haben will; erst recht aber ist es abzulehnen, auf die Frage der Vererbung eines im Ausland belegenen Monopolrechts ein Recht anzuwenden, das weder durch die Gerichte des Lagestaates angewendet wird, noch im Urheberstaat der berufenen N o r m von dessen Gerichten angewendet werden würde. Komplikationen entstehen, wenn der Gedanke einer Gesamtverweisung auf das internationale Privatrecht des Lagestaates, wie er bei Monopolrechten ohne Schwierigkeiten durchführbar ist, auch bei Forderungen zur Anwendung gebracht werden soll, für die in mehreren Staaten Realisierungsmöglichkeiten bestehen, und die deshalb in mehreren Staaten als belegen gelten müssen. Die damit verbundene Frage, wie eine mehrfache Inanspruchnahme des Schuldners vermieden werden kann, läßt sich aber nicht durch die Gestaltung der Zuweisungsnormen allein lösen, sondern dafür sind materiellrechtliche Erwägungen heranzuziehen 1 2 . Trotz aller für eine Gesamtverweisung an den Lagestaat sprechenden Gesichtspunkte ist der Gedanke weit verbreitet, der Heimat- oder Wohnsitzstaat des Erblassers habe nicht nur eine völkerrechtliche Befugnis, seinen Gerichten die Anwendung des eigenen Erbrechts entgegen der Haltung des Lagestaates aufzugeben, sondern er habe auch ein von allgemeinen rechtspolitischen Postulaten des internationalen Privatrechts gedecktes Interesse daran, seinen Gerichten eine gesonderte Zuweisung der Teilfrage nach einem Erwerb kraft Erbrechts vorzuschreiben. Die Chancen der Realisierung dieses Anspruchs sind jedoch genauso schwach wie die Chancen der Realisierung des Standpunktes des Heimat- oder Wohnsitzstaates, die Teilfrage der Geschäftsfähigkeit bei Verfügungsgeschäften auch entgegen dem Standpunkt des Lagestaates selbständig zuzuweisen 1 3 . Will der Heimat- oder Wohnsitzstaat sein eigenes Erbrecht zur Anwendung bringen, so könnte dieser Standpunkt nur dann durchgesetzt werden, wenn Nachlaßgegenstände nach dem Tode des Erblassers aus dem Lagestaat zur Zeit des Todesfalls in den Heimat- oder Wohnsitzstaat gelangen. Wollte andererseits der Heimat- oder Wohnsitzstaat des Erblassers einen Testamentsvollstrecker, der auch in den Lagestaaten anerkannt wird, anweisen, die Verteilung des noch im Ausland befindlichen Nachlasses nach anderen erbrechtlichen Regeln durchzuführen, als sie der eine oder andere Lagestaat von Nachlaß als maßgebend betrachtet, so würde der Testamentsvollstrecker in unlösbare Pflichtenkonflikte gebracht. Man ist daher heute durchweg bereit, die Anwendung der Vorschriften des Heimatoder Wohnsitzstaates auf die Vererbung ausländischer Nachlaßgegenstände zurückzustellen, soweit diese Vorschriften selbst für bestimmte hierfür prädestinierte Vermögensrechte keine Universalsukzession, sondern Sondererbfolge anordnen: Kein Staat, der ein besonderes Erbrecht für landwirtschaftliche Grundstücke hat, die zu Erbhöfen deklariert worden sind, wird, um Anwendung dieses Sondererbrechts auf solche landwirtschaftlichen Grundstücke zu beanspruchen, die eigene Staatsangehörige im Ausland besitzen, diese zu Erbhöfen erklären. Man ist ferner bereit, die Regeln des Heimat- bzw. Wohnsitzstaates über Universalsukzession nicht anzuwenden, wenn auf Grund des Bestandsstatus für den konkreten Nachlaßgegenstand eine vom Universalsukzessionsrecht dieses Staates abweichende Sondererbfolge vorgesehen ist. Schließlich aber ist das positive Recht vielfach bereit, einen vom Lagestaat erhobenen Anspruch, daß seine Sätze über Universalsukzession anwendbar sein sollen, den anwendungswilligen Vorschriften des Heimat- oder Wohnsitzstaates vorzu663
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Gesamtverweisung auf das Recht des Lagestaates
ziehen, soweit es sich um die Anwendung auf solche Nachlaßgegenstände handelt, bei denen es evident ist, daß der Anspruch des Heimat- oder Wohnsitzstaates vollkommen unrealisierbar ist, weil der Gegenstand niemals durch Wechsel der Belegenheit in den Heimatstaat gelangen kann; das ist vor allem bei Grundstücken der Fall. Diese Gedanken sind jedoch offensichtlich zu einer Erweiterung in doppelter Hinsicht geeignet: Möchten der Heimatstaat und der Wohnsitzstaat ihre Regeln über Universalsukzession auf ausländische Grundstücke angewendet wissen, und will ein dritter Staat als Lagestaat das eigene Recht nicht zur Anwendung gebracht haben, so scheint es nur vernünftig zu sein, wenn Heimat- und Wohnsitzstaat sich auch hier der Lösung des Lagestaates anschließen, d. h. dasjenige Recht anwenden, das im Lagestaat zur Anwendung gebracht wird, gleich, ob es nun das Heimatrecht oder das Wohnsitzrecht ist. Was für Grundstücke gilt, sollte sodann auch für andere Gegenstände angewendet werden, bei denen ein Lagewechsel unmöglich ist, wie bei privatrechtlichen Forderungen, für die überhaupt nur ein in einem bestimmten Staat belegener Gegenstand haftet, und wo keine persönliche Haftung eines „Schuldners" mit seinem irgendwo belegenen Vermögen besteht, wie bei Grundrenten, sowie für Forderungen an öffentlich-rechtliche Körperschaften, die nur am Sitz einer solchen Körperschaft beitreibbar sind. Gesteht man hier das Zurücktreten der eigentlich anwendungswilligen Heimat- oder Wohnsitzrechte mit ihren Regeln über Universalsukzession vor dem im Lagestaat berufenen Erbrecht deshalb zu, weil sich der abweichende Anspruch von Heimat- oder Wohnsitzstaat doch nicht verwirklichen läßt, so bleibt zu erwägen, ob allein die Möglichkeit, daß der beim Tode des Erblassers im Lagestaat befindliche Gegenstand später doch einmal in den Heimat- oder Wohnsitzstaat kommen könnte, ausreicht, damit diese Staaten schon vorher auf der Anwendung ihres Erbrechts durch ihre Gerichte und der Ignorierung des im Lagestaat berufenen Rechts bestehen sollten. Dem steht die folgende Erwägung entgegen: Wird ein in einem Staat belegener Nachlaßgegenstand zwecks Nachlaßliquidation oder Nachlaßteilung versteigert, und der Erlös unter diejenigen verteilt, die vom Standpunkt des in diesem Lagestaat berufenen Erbstatuts Miterben sind, so wird der in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgte Erwerb des Eigentums an einem versteigerten Gegenstand durch einen Dritterwerber in jedem anderen Staat (wenn der Gegenstand dorthin kommt) anerkannt werden, desgleichen aber auch die Gültigkeit des Erwerbs der einzelnen Miterben an den ihnen ausgehändigten Teilen des Versteigerungserlöses. Daran ändert sich nichts, wenn einer der Miterben selbst einen Nachlaßgegenstand in der Versteigerung für sich erwirbt 1 4 . Nicht anders aber kann es sein, wenn das Gericht des Lagestaates, oder ein dort eingesetzter Nachlaßverwalter, die Auflösung der Miteigentumsverhältnisse an den in einem bestimmten Staat befindlichen Nachlaßgegenständen in der Weise durchführen, daß sie je einen Gegenstand als Ganzes den Miterben zum Alleineigentum zuweisen, so daß jeder Miterbe die Q u o t e des Wertes der Gesamtheit dieser Gegenstände erhält, welche das in diesem Lagestaat berufene Erbstatut vorsieht. Dann aber muß auch jemand, der nach dem im Lagestaat eines Nachlaßgegenstandes berufenen Erbstatut als Alleinerbe kraft Gesetzes Eigentümer der einzelnen Gegenstände wurde, gleich ob dies durch ein Gericht des Lagestaates bestätigt wurde 1 5 oder nicht, als deren Eigentümer in anderen Staaten anerkannt werden, wenn die Gegenstände dorthin verbracht werden. H a t er die Gegenstände in Besitz genommen und an andere veräußert, die in ihm den rechtmäßigen Eigentümer gesehen haben, so ist ohnehin gutgläubiger Erwerb durch diese Erwerber anzunehmen; Gutgläubigkeit besteht auch dann, wenn der Erwerber weiß, daß der besitzende Veräußerer nur im Lagestaat dieses Gegenstandes zur Zeit des Erbfalls Erbe geworden ist. Lagestaat ist jedoch nicht das Transitland. Daß eine Realisierbarkeit des Anspruchs des Heimatstaates des Erblassers, mit seinem Erbrecht der danach als Erbe in Frage kommenden Person entgegen dem Standpunkt des 664
Vorbehaltene Regelungen des Lagestaates
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Lagestaates die Inhaberschaft an Vermögensrechten zu verschaffen, die im Ausland bleiben, von dem Gesetzgeber selbst nicht erwartet wird, zeigt sich daran, daß manche Staaten gewissen Miterben Ausgleichsansprüche an dem im Urheberstaat des Erbstatuts belegenen Nachlaß zu Lasten anderer Miterben verschaffen wollen, wenn der fremde Lagestaat die Vererbung anderer Nachlaßteile eben doch nicht gemäß dem Heimatrecht des Erblassers vor sich gehen läßt 1 6 , und die dinglichen Rechte an diesen Nachlaßgegenständen von anderen erworben werden; auch die Tatsache, daß manche an Retorsionen denken, wenn andere Staaten den dort belegenen Nachlaß von Staatsangehörigen des Forumstaates nicht gemäß dessen Recht vererben lassen 17 , zeigt, daß die alleinige Effektivität des im Belegenheitsstaat anwendbaren Erbrechts anerkannt wird. Die größere Effektivität des vom Lagestaat in bezug auf den Vererbungsvorgang eingenommenen Standpunkts zeigt sich auch, wenn er zwar zur Anwendung der dem Personalstatut des Erblassers entnommenen Erbrechtssätze bereit ist, aber einzelnen Bestimmungen des im konkreten Fall berufenen ausländischen Rechts mit Hilfe der ordre public-Klausel die Anwendung versagt; auch dann haben Heimat- und Wohnsitzstaat praktisch keine Möglichkeit, ihren abweichenden Standpunkt durchzusetzen. Auch wenn ein Lagestaat die Erbfolge nach dem Personalstatut des Erblassers beurteilen lassen will, können seine Gerichte der Auffassung sein, daß das ausländische Erbrecht wegen krasser inhaltlicher Abweichungen vom Erbrecht der lex fori untragbar sei. So mag der Belegenheitsstaat von Nachlaß ein doppeltes Erbrecht von Söhnen neben Töchtern, oder ein doppeltes Erbrecht des erstgeborenen Sohnes gemäß dem berufenen ausländischen Erbrecht, jedenfalls dann als untragbar ansehen, wenn es sich bei den Erben um Staatsangehörige oder Bewohner des eigenen Landes handelt; auch Erbunfähigkeit wegen Religionsverschiedenheit vom Erblasser im ausländischen Erbstatut kann Anlaß zur Verwendung der ordre public-Klausel werden. In diesen Fällen wird der Belegenheitsstaat nicht das berufene Erbstatut ganz durch das eigene Recht ersetzen, sondern das berufene ausländische Recht in einer Fassung zur Anwendung bringen, die im Lagestaat noch als tragbar angesehen wird 1 7 3 . Anders ist es, wenn das im Lagestaat berufene ausländische Erbrecht den Nachlaß nicht solchen Personen zukommen läßt, die tatsächlich auf Unterhalt durch andere angewiesen sind, die bisher vom Erblasser unterhalten wurden, und die sich notfalls aus dem im Lagestaat vorhandenen Vermögen des Erblassers Befriedigung hätten verschaffen können, wenn ihre Unterhaltsansprüche nicht gegen den Nachlaß fortbestehen, oder gegen die Erben selbst geltend gemacht werden können. Sieht das eigene Recht eines Belegenheitsstaates von Nachlaß vor, daß in einem solchen Fall die unter dem berufenen eigenen Recht eintretende Erbfolge durch richterliche Anordnung entsprechend den Verhältnissen des Einzelfalls modifiziert werden kann, indem der Nachlaß in einer vom Gericht zu bestimmenden Rechtsform ganz oder teilweise jenen erbrechtlich nicht Bedachten zugewendet wird, so könnte, wenn ausländisches Erbrecht berufen ist, der Belegenheitsstaat seine Gerichte anweisen abzuwarten, ob in dem Staat, der das Erbstatut stellen soll und stellen will, eine Korrektur der Erbfolgeregelung in dem oben angedeuteten Sinne erfolgt. Da aber häufig zu befürchten ist, daß die Gerichte im Staat des Erbstatuts bei einer solchen Korrektur diejenigen bevorzugen, für die sonst der Staat des Erbstatuts Fürsorgeleistungen erbringen müßte, so wird es verständlich, daß der Belegenheitsstaat auch bei Anwendung ausländischen Erbrechts die richterliche Korrektur zugunsten von unterhaltsbedürftigen Angehörigen durch seine Gerichte gemäß seinem Recht mit Wirkung für den inländischen Nachlaß durchführen läßt 1 8 . Der Gedanke, daß der Belegenheitsstaat von Nachlaß eigenes Recht anwenden lassen sollte, um die Versorgung gewisser einerseits versorgungsbedürftiger, andererseits selbst inlandsverknüpfter Personen zu sichern, ist in einigen Ländern dahin verzerrt worden, daß 665
§27
Zusammenfassung
sie jedem ihrer Staatsangehörigen, der nach ihrem Recht Erbansprüche am Nachlaß hat, die Befriedigung dieser Ansprüche aus dem Inlandsvermögen sichern, auch wenn im Prinzip auf die Vererbung dieses Vermögens ausländisches Recht anwendbar ist 1 9 . Eine abgewandelte Verwirklichung erhält der erwähnte Gedanke, wenn unter dem internationalen Privatrecht eines Landes, in dem sich Nachlaß befindet, auf die familienrechtlichen Beziehungen des Erblassers ein Recht anwendbar war, auf Grund dessen im Forumstaat zu Lebzeiten des Erblassers eine bestimmte Person der rechtmäßige Ehegatte, und bestimmte andere Personen die legitimen Kinder waren. Dann ist es möglich, daß das berufene und anwendungswillige fremde Erbrecht für die familienrechtlichen Vorfragen, die es aufwirft, ein anderes Recht als maßgebend betrachtet als der Forumstaat, und daß auf Grund dieses anderen auf die Vorfragen angewendeten Rechts die genannten Personen nicht am Nachlaß beteiligt sind. Dann kann der Belegenheitsstaat von Nachlaß an diesem Ergebnis der Anwendung des ausländischen Erbstatuts unter Beurteilung der familienrechtlichen Vorfragen aus der Sicht des fremden Erbstatuts Anstoß nehmen; er kann dann ebenfalls wieder Vorkehrungen treffen, damit jedenfalls an dem auf seinem Gebiet befindlichen Nachlaß diejenigen, die von seinem Standpunkt aus legale Ehegatten und legitime Kinder sind, als erbberechtigte Ehegatten und Kinder beteiligt werden, wenn nicht schon das ausländische Erbstatut entsprechende Vorkehrungen trifft 2 0 . De lege ferenda ist zur Gestaltung der Regeln über die Ermittlung des anwendbaren Erbrechts zusammenfassend folgendes zu sagen: Bestimmungen über den neuen Inhaber eines nach dem Bestandsstatut vererblichen Rechts, die für individuell bestimmte Gegenstände eine vom allgemeinen Erbrecht abweichende Sondererbfolge vorsehen (bzw. ermöglichen), sind dem Recht des Bestandsstatuts zu entnehmen. Die Vererbung von sonstigen vererblichen Vermögensrechten sollte sodann in einem anderen Staat als dem Lagestaat nach dem materiellen Recht des Lagestaates beurteilt werden, wenn dieser aus irgendeinem Grund hierauf besteht. In einem Lagestaat selbst sollten auch bei grundsätzlicher Bereitschaft, den dort belegenen Nachlaß nach einer möglichst den ganzen Nachlaß des Erblassers umfassenden nationalen erbrechtlichen Regelung übergehen zu lassen, diejenigen Vorschriften des inländischen Lagerechtes angewendet werden, die inlandsverknüpften versorgungsbedürftigen Personen etwas aus dem Nachlaß verschaffen wollen, wenn der Versorgungszweck nicht durch das berufene ausländische Erbstatut erfüllt wird. Der Lagestaat sollte ferner seine nur für einzelne Arten von Vermögensgegenständen bestimmten Erbrechtsregeln anwenden lassen, mit denen ein öffentliches Interesse dieses Staates gefördert werden soll (etwa wenn Unteilbarkeit des einer Person gehörenden landwirtschaftlichen Betriebsvermögens der Erhaltung leistungsfähiger Betriebe dienen soll) 2 1 . Im übrigen sollte jeder Belegenheitsstaat sich bemühen, zusammen mit anderen Staaten zur Unterstellung des ganzen Nachlasses unter die Regeln eines einzigen Erbstatuts zu gelangen, insbesondere wenn alle Belegenheitsstaaten in ihrem Inlandsrecht eine Universalsukzession vorsehen; zu diesem Zweck sollte bei der Bestimmung des Anknüpfungsmomentes (Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz des Erblassers) die gebräuchlichste Verknüpfung gesucht, oder eine Anpassung dieser Anknüpfungsmomente angestrebt werden 22 . Soweit die Versuche der Lagestaaten, Verweisungen auf ausländisches Recht als Gesamtverweisung zu deuten oder sonstwie zu einem anwendungswilligen Recht mit Universalsukzession zu kommen, erfolglos bleiben, muß jeder Heimat- oder Wohnsitzstaat es hinnehmen, daß die außerhalb seines Gebietes belegenen Nachlaßgegenstände nach dem von dem einzelnen anderen Lagestaat bezeichneten Recht auf neue Inhaber übergehen. Kein Staat sollte den Versuch machen, an der Haltung fremder Lagestaaten etwas durch Retorsionsbestimmungen zu ändern, oder einer Gruppe von Erben Ausgleichsansprüche für die „Verluste" zu geben, die ihnen in anderen Lagestaaten von Nachlaß durch Anwendung eines anderen Erbrechts auf den dortigen Nachlaß entstehen 23 . 666
Erbrechtsfeststellungen
§27
Auch eine gerichtliche Feststellung, daß ein Erblasser von den und den Personen beerbt worden sei, sollte sich entweder ausdrücklich nur auf das Inlandsvermögen beziehen oder, wenn dies nicht geschieht, jedenfalls doch so verstanden werden, daß der Forumstaat es nur wünscht, daß das Auslandsvermögen denselben Personen, die die Feststellung nennt, als Erben zugeführt wird; eine Erbrechtsfeststellung sollte keinesfalls dahin verstanden werden, daß die inländischen Gerichte annehmen müßten, die in dem inländischen Urteil oder Erbschein genannten Personen seien tatsächlich auch Inhaber der im Ausland belegenen Bestandteile des Nachlasses geworden. Es ist der Lagestaat des einzelnen Vermögensrechts, wo in erster Linie die Feststellung der Erbeneigenschaft in einem Erbschein Bedeutung für den gutgläubigen Erwerb erhält. Stellt sich der Lagestaat auf den Standpunkt, daß es keinen gutgläubigen Erwerb gibt, so wird er meist auch die Einrichtung des Erbscheins nicht kennen, und ein im Staat des ausländischen Erbstatuts ausgestellter Erbschein wird von vornherein wirkungslos sein. Kennt der Lagestaat den Erbschein, so ist ein dort ausgestellter Erbschein sowohl für die nach inländischem als auch für die nach ausländischem Recht vererbten Gegenstände in diesem Staat unzweifelhaft wirksam. Ein im Urheberstaat des im Lagestaat berufenen ausländischen Erbstatuts ausgestellter Erbschein kann beim Fehlen eines Erbscheins des Lagestaates einem solchen gleichgestellt werden. Erwünscht ist zu diesem Zweck, daß in dem Staat, wo ein ausländischer Erbschein Wirkungen haben könnte, durch einen Staatsakt bestätigt wird, daß der Erbschein von einer Behörde desjenigen Staates herrührt, der das im Wirkungsstatut berufene Erbstatut stellt 24 . Die rechtskräftige Feststellung, daß die im Urteil genannte Person und nicht ein anderer, insbesondere nicht der Beklagte, Erbe des Erblassers geworden ist, sollte, wenn dabei das eigene Erbrecht des Gerichts angewendet worden ist, auch in einem anderen Lagestaat von Nachlaß anerkannt werden, insoweit das Urteil auf denjenigen erbrechtlichen Bestimmungen beruht, die auch im Lagestaat durch dessen Gerichte hätten angewendet werden müssen. Eine Anerkennung solcher Urteile ohne Nachprüfung der zugrunde gelegten Rechtsanwendungsanweisungen sollte jedoch keinesfalls stattfinden. Liegen rechtskräftige Erbrechtsfeststellungen sowohl aus demjenigen Staat vor, der das auch im Forumstaat berufene Erbrecht als eigenes Recht angewendet hat, als auch aus einem anderen Staat, der zu dieser Feststellung vom Standpunkt des Forumstaates international zuständig war, und der dasselbe Erbrecht hat anwenden lassen, so sollte der Feststellung aus dem Statutsstaat der Vorzug zu geben sein, wenn die beiden Entscheidungen divergieren. Im Lagestaat eines Vermögensgegenstandes ist im Zeitpunkt des Erbfalls zunächst einmal das Erbrecht anwendbar, das nach den in diesem Zeitpunkt geltenden Kollisionsnormen berufen ist; daß der Lagestaat sein später geändertes internationales Privatrecht mit rückwirkender Kraft auf „alte" Erbfälle angewendet wissen will, wird äußerst selten sein. Auch das Erbstatut wird meist von dessen Urheber nicht mit rückwirkender Kraft auf Erbfälle vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes geändert werden 25 . Geschieht es dennoch, so ist es Sache des Lagestaates, ob er dieser Rückwirkungsabsicht, weil darin eine Enteignung der angefallenen Erbberechtigung zugunsten der nach dem neuen Recht berufenen Erben zu sehen ist, seine negative ordre public-Klausel entgegensetzen will 2 6 . Geschieht das letztere, so hat sich dem ein dritter Forumstaat anzuschließen, falls dort über die Frage nach dem Eigentum an einem einzelnen Nachlaßgegenstand entschieden werden muß. Soweit Nachlaßgegenstände zur Zeit des Erbfalls im Staatsgebiet eines Staates belegen sind, der ein eigenes Erbrecht anwenden lassen will, und soweit sie zur Zeit der rückwirkenden Änderung des Erbrechts noch dort belegen sind, kommt die rückwirkende Änderung des Erbrechts einer entschädigungslosen Enteignung der Vermögensrechte durch den Lagestaat gleich; befand sich der Gegenstand bereits im Besitz dessen, der Erbe auf Grund 667
§ 27
Spezialrecht für die Beerbung heterogen verknüpfter Nachlässe
des alten Erbrechts war, und wird er von dem alten Erben ins Ausland verbracht, so wird der neue Lagestaat ihn nicht zwingen, den Gegenstand dem Erben kraft des rückwirkungswilligen neuen Erbrechts herauszugeben. Änderungen des Erbrechts vor dem Erbfall 2 6 3 sind keine „Enteignungen" der Beerbungschancen derjenigen, die nach dem alten Erbrecht, und sei es auch auf Grund eines nach dem alten Erbrecht unwiderruflichen Testaments, Erben geworden wären; andere Staaten haben daher keine Veranlassung, hier mit ihrem ordre public zu operieren. b) Spezialrecht für die Beerbung heterogen verknüpfter Nachlässe Spezialrechtliche Vorschriften finden sich zunächst einmal als vom Belegenheitsstaat herrührende fremdenrechtliche Bestimmungen, welche etwa den Erwerb von inländischen Grundstücken durch Ausländer auch im Wege der Erbfolge von einer Genehmigung einer Behörde des Lagestaates abhängig machen, und mangels Genehmigung bestimmen, daß das gesamte Grundstück innerhalb bestimmter Frist irgendwie an einen Inländer verkauft werden muß, wenn es nicht dem Fiskus des Belegenheitsstaates anheimfallen soll; der Erlös aus einem Verkauf mag dann dem ausländischen Erben ausgehändigt werden. Gegenüber solchen fremdenrechtlichen Bestimmungen eines Lagestaates können andere Staaten Retorsionen anordnen, indem den Staatsangehörigen des Staates, der solche fremdenrechtlichen Vorschriften hat, der Erwerb von Grundstücken in diesen anderen Staaten im Wege der Erbfolge ebenfalls in entsprechender Weise erschwert wird 2 7 . Eine bloße Verweigerung der Anerkennung der im Belegenheitsstaat tatsächlich durchgesetzten sachenrechtlichen Rechtslage durch andere Staaten wäre zwecklos. Seltener kommt es vor, daß ein Staat bestimmt, eigene Staatsangehörige könnten nicht, oder jedenfalls unter bestimmten Umständen nicht, von Ausländern beerbt werden, und ein bei Anwendung seines Erbrechts berufener Ausländer sei wie ein vorverstorbener Erbe zu behandeln 2 8 . Auch hier wäre es zwecklos, wenn andere Staaten die Durchführung dieser Bestimmung in bezug auf die im Urheberstaat der Bestimmung belegenen Nachlaßgegenstände als nicht geschehen betrachten wollten. Andererseits würden sich Retorsionen hier nicht nur zu Lasten Unschuldiger, sondern zum unbegründeten Vorteil anderer auswirken, und sind aus diesem Grunde unerwünscht. Wohl aber werden andere Länder, wenn sie das Recht eines solchen Staates mit solchen Bestimmungen als Erbstatut berufen haben, diese fremdenrechtlichen Vorschriften nicht auf das inländische Vermögen zur Anwendung bringen. Kein Staat praktiziert heute noch das früher übliche droit d'aubaine, wonach das im Inland belegene Vermögen ausländischer Erblasser überhaupt nicht im Wege der Erbfolge auf andere Privatpersonen inländischer oder ausländischer Staatsangehörigkeit übergeht, sondern dem Belegenheitsstaat anheim fällt. Wohl aber könnte ein Lagestaat von Nachlaß im Interesse des inländischen Fiskus bestimmen, daß Angehörige eines anderen Staates nicht zum Erwerb kraft Erbrechts zugelassen werden, wenn ihr Heimatstaat die Vererbung des auf seinem Gebiet belegenen Vermögens auf bestimmte nahe Verwandte beschränkt, und bei den ausländischen Erbprätendenten diese Eigenschaft nicht vorliegt. c) Die die Erbfolge auslösenden Tatbestände 1. Tod des Erblassers und Erbberufener In allen Privatrechten herrscht Ubereinstimmung darüber, daß der erwiesene Tod einer natürlichen Person die Erbfolge im Zeitpunkt dieses Todes auslöst 29 . Wird, insbesondere im Zusammenhang mit einem Streit über die Inhaberschaft an konkreten Rechten, evtl. auch in einem Streit über „das Erbrecht", d. h. über die Voraussetzung für die Inhaberschaft an einzelnen Vermögensgegenständen des verstorbenen Erblassers, zweifelhaft, ob und wann der Erblasser verstorben ist, so gilt in zahlreichen Staaten die normale Regel 668
Tod des Erblassers und Erb berufener
§27
über Freibeweis rechtserheblicher Tatsachen nicht. Wird behauptet, der Betreffende sei im Forumstaat gestorben, und werden im Forumstaat öffentliche Register geführt, in denen inländische Todesfälle vermerkt werden, so kann in vielen Ländern Beweis nur durch Vorlage einer inländischen Registereintragung über den Tod geführt werden. Der Gegenbeweis muß durch Vorlage einer berichtigenden Registereintragung geführt werden, und diese Berichtigung muß in dem dafür vorgesehenen besonderen Verfahren beantragt und vorgenommen werden. Ist nicht Beweis vermittels inländischer Registereintragungen möglich und notwendig 30 , so werden häufig ausländische Registereintragungen des Sterbeortes, oder des Heimatstaates oder des letzten Wohnsitzstaates gefordert, und nur bei Unmöglichkeit der Beibringung solcher Nachweise ein anderweitiger Nachweis zugelassen. Es kann dann vorkommen, daß die Registereintragungen in verschiedenen Ländern verschiedene Todeszeitpunkte angeben. Steht fest, daß für einen anderen Belegenheitsstaat eine bestimmte Eintragung allein verbindlich ist, so ist jedenfalls für die Frage nach der Vererbung der in diesem Staat belegenen Gegenstände auch in einem anderen Forumstaat von diesem Zeitpunkt auszugehen. Verschiedene als erwiesen zu betrachtende Todeszeitpunkte in den verschiedenen Belegenheitsstaaten können also möglicherweise trotz Berufung desselben Erbstatuts zu verschiedenen Resultaten führen. Ist zwar der Tod einer Person unzweifelhaft erwiesen, aber der Todeszeitpunkt ungewiß, so erfolgen in vielen Ländern behördliche Festsetzungen des Todeszeitpunktes auf der Grundlage konkreter Wahrscheinlichkeit oder nach Maßgabe gesetzlicher Vermutungen. Die meisten Länder sehen ferner eine bei hoher Wahrscheinlichkeit des Todes im Zusammenhang mit Verschollenheit erfolgende Todeserklärung vor und stellen diese einer Registereintragung über den Tod — von der unterstellt wird, daß ihr stets eigene Kenntnis des Standesbeamten oder verläßliche Zeugenaussagen zugrunde liegen — als Auslösungstatbestand für die Erbfolge gleich. Obwohl der letzte gewöhnliche Aufenthalt eines Menschen wohl die sachgerechteste Zuständigkeit für eine solche Todeserklärung darstellt, wird die Zuständigkeit vielfach anders geregelt; sowohl der Heimatstaat als auch der Staat der Belegenheit von Nachlaßgegenständen betrachten ihre Gerichte als zuständig, um gemäß ihrem Recht eine Todeserklärung auszusprechen. Hier ist aber bei der Beurteilung des Erwerbs durch Erbfolge bezüglich eines außerhalb des Forumstaates belegenen Gegenstandes die von den Gerichten des Belegenheitsstaates herrührende Todeserklärung ebenso vorzuziehen, wie die von den Behörden dieses Staates getroffene Feststellung des Todeszeitpunkts 31 . Für die Frage, ob eine als erbberechtigt in Frage kommende Person zu einem bestimmten erbrechtlich relevanten Zeitpunkt noch gelebt hat, ist hingegen dem Standpunkt des Erbstatutsstaates der Vorzug zu geben. Zwar sollen in den meisten Rechten nur solche Personen erben, welche im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits, bzw. noch am Leben sind, aber hiervon werden Ausnahmen gemacht: Ehegatten beerben sich unter Umständen nur dann, wenn der Uberlebende noch eine gewisse Mindestzeit nach dem Tode des Erstverstorbenen gelebt hat; gezeugte, aber am Todestag noch nicht geborene Kinder des Erblassers (oder eines Abkömmlings des Erblassers) sind, wenn sie lebend geboren werden, nach vielen Rechten rückwirkend erbberechtigt; in manchen Rechten allerdings wieder nur dann, wenn sie eine bestimmte Mindestzeit am Leben bleiben. Derartige Regelungen sind nicht dem Recht des Belegenheitsstaates, sondern dem von ihm berufenen Erbstatut zu entnehmen. Dem Erbstatut ist auch eine Vorschrift zu entnehmen, wonach niemand Erbe wird, der nicht nachweisbar (also nicht bloß auf Grund vermuteter Todeszeitpunkte) den Erblasser überlebt hat; dem Erbstatut zu entnehmen ist eine Vorschrift, wonach jemand, der in gemeinsamer Gefahr mit dem Erblasser umgekommen ist, sei es, daß die Verschiedenheit der Todeszeitpunkte nachweisbar, sei es, daß dies nicht 669
Erbfähigkeit
§27
der Fall ist, nicht als den Erblasser überlebend gilt. Desgleichen sind gesetzliche Uberlebensvermutungen (Jüngere überleben Ältere usw.) aus dem Erbstatut zu entnehmen. Dann ist aber auch das Erbstatut dafür maßgebend, ob eine als Erbe in Frage kommende verschollene Person durch Feststellung eines Zeitpunkts für den vermuteten Tod als aus der Reihe der möglichen Erben ausgeschieden zu gelten hat 3 2 . Es ist Sache des Staates, der das Erbstatut stellt, ob er seine Gerichte zu einer gesonderten Entscheidung über den Tod und den Todeszeitpunkt eines möglichen Erben als zuständig erklären will, oder ob er Entscheidungen aus anderen Staaten anerkennen will, und welches Recht er durch seine Gerichte anwenden lassen will, wenn sie inzidenter darüber entscheiden dürfen und sollen, ob ein Verschollener zu einem bestimmten Zeitpunkt noch als möglicher Erbe zu behandeln ist oder nicht. Daran haben sich auch der Lagestaat, der das betreffende Erbstatut als maßgeblich erklärt hat, und ein dritter Forumstaat zu halten. Wird in einem Lagestaat von Vermögen des Erblassers auf Teile desselben das eigene Erbrecht des Lagestaates, auf andere Teile das Erbrecht des Heimatstaates angewendet, so kann es dazu kommen, daß nicht nur verschiedene Uberlebensvermutungen angewendet werden müssen, sondern auch, daß unterschiedliche Zeitpunkte für den vermuteten Tod eines möglichen Erben angenommen werden. Damit wird jedoch die materielle Harmonie im Lagestaat nicht gestört. Wendet denkbar, daß Zeit ungewiß so wird hier werden. 2.
der Belegenheitsstaat von Nachlaß ein ausländisches Erbrecht an, so ist es dieses Regelungen enthält, wonach der Stand der Erbberechtigten für längere bleiben kann 3 3 ; wenn entsprechende Regelungen der lex fori unbekannt sind, dem ausländischen Recht leicht die ordre public-Klausel entgegengehalten
Erbfähigkeit
Ist die Frage nach der Fähigkeit eines angeblichen Rechtssubjekts, überhaupt Inhaber bestimmter Rechte zu werden, nach dem Bestandsstatut des Rechtes zu beurteilen, so gilt dies auch für die Frage nach der Fähigkeit zum Erwerb kraft Erbfolge. Daraus kann sich beispielsweise ergeben, daß Vermögensgegenstände in einem Staat nicht im Wege der Erbfolge einer in diesem Lagestaat nicht anerkannten ausländischen juristischen Person zufallen können, auch wenn das Recht, welches das Erbstatut stellt, diesen Erwerb zulassen würde. Erkennt das Bestandsstatut für das subjektive Recht die Fähigkeit einer Rechtsperson, Inhaber eines Vermögensrechts zu werden, an, obwohl die betreffende Person in dem Staat, der das Erbstatut stellt, nicht als rechts- und vermögensfähig gilt, so wird sie dennoch im Lagestaat als Erbe anerkannt werden, wenn sie in einem Testament benannt ist 3 4 . Ist, wie meist, allgemeine Fähigkeit einer natürlichen oder juristischen Person zur Innehabung von Vermögensrechten sowohl im Lagestaat eines Nachlaßgegenstandes, als auch im Staat des Erbstatuts zu bejahen, so ist es Sache des Erbstatuts, ob es auf Grund bestimmter persönlicher Eigenschaften (zu denen auch die persönliche Beteiligung an einem Ereignis zu rechnen ist) der betreffenden Person die Fähigkeit, Erbe gerade dieses Erblassers zu werden, aberkennen will. Das Erbstatut kann etwa bestimmen, daß ein unheilbar Geisteskranker nur das für seinen Lebensunterhalt Notwendige, aber nicht mehr, erben kann; das Erbstatut kann bestimmen, daß ein Pflichtteilsberechtigter wegen seiner feindseligen Einstellung zum Erblasser von diesem enterbt werden kann; das Erbstatut kann bestimmen, daß derjenige, der den Tod des Erblassers verursacht hat, entweder kraft Gesetzes als Erbe ausfällt, oder daß seine Erbunwürdigkeit auf Antrag anderer Erbprätendenten ausgesprochen werden kann. Gesetzliche Vorschriften, welche bestimmte Arten von natürlichen oder juristischen Personen vom Erwerb bestimmter Arten von Vermögensrechten nur durch Erbgang ausschließen, ohne ihnen generell die Innehabung solcher Rechte, oder den Erwerb durch 670
Erbberufungsgründe. Allgemeines
§27
Rechtsgeschäft oder Staatsakt unmöglich zu machen, können sowohl vom Lagestaat für das dort belegene V e r m ö g e n , als auch vom Staat des Erbstatuts für alles vom Erbstatut erfaßte V e r m ö g e n als anwendbar erklärt werden. Soweit keine ausdrücklichen Bestimmungen getroffen sind, ist die Absicht des Gesetzgebers durch Auslegung zu ermitteln. E s kann z. B . der Lagestaat verhindern wollen, daß kirchliche Einrichtungen durch Schenkung oder Erbfolge inländisches Grundeigentum erwerben, o b w o h l ihnen der E r w e r b durch R e c h t s geschäft mit eigenen Mitteln zugestanden wird. Es kann dann so sein, daß das durch Testament als E r b e eingesetzte Kloster nur gehalten ist, das ihm zugefallene G r u n d v e r m ö gen innerhalb bestimmter Frist zu veräußern und den Erlös in anderer Weise anzulegen; es kann auch so sein, daß einem solchen „ E r b e n " derartiger Gegenstände eine Genehmigung erteilt werden kann, das E r w o r b e n e in N a t u r zu behalten. Andererseits kann das anwendungswillige E r b s t a t u t insbesondere testamentarische Verfügungen beschränken, und zwar in der Weise, daß etwa beim Vorhandensein naher Verwandter Zuwendungen von Grundvermögen an kirchliche Einrichtungen unzulässig sind. Es ist nicht möglich, die hier behandelten Rechtssätze generell als „erbrechtlich" bzw. „sachenrechtlich" zu qualifizieren und mit dieser Begründung allein aus dem Erbstatut oder allein aus dem Lagerecht zu entnehmen. Wird einer natürlichen Person vom H e i m a t - oder Wohnsitzstaat verboten, unter bestimmten U m s t ä n d e n eine ihr angefallene Erbschaft anzunehmen, oder wird einer juristischen Person vom Heimatstaat verboten, bestimmte Arten von Vermögensrechten auf dem W e g e der Erbfolge zu erwerben, so hindert das den gültigen E r w e r b weder im Lagestaat, noch unter dem Erbstatut, wenn diese Staaten nicht selbst derartige anwendungswillige Bestimmungen haben. H a t weder der Lagestaat n o c h das Erbstatut eine anwendungswillige Vorschrift dieser A r t , so erwirbt die im Lagestaat generell zur Innehabung von Vermögensrechten zugelassene juristische Person, auch wenn der Heimatstaat der juristischen Person, der nicht zugleich das Erbstatut stellt, ihr die A n n a h m e von Erbschaften generell, oder soweit sie bestimmte Vermögensgegenstände umfassen, verbietet. M a ß t sich der Heimatstaat eines E r b e n , der weder zugleich Lagestaat von N a c h l a ß v e r m ö g e n ist, n o c h das Erbstatut stellt, an, die Gültigkeit eines erbrechtlichen E r w e r b s , der von Lagestaat und Erbstatut bejaht wird, mit Rücksicht auf ein von ihm ausgesprochenes V e r b o t (z. B . bei M ö n c h e n ) zu verneinen oder von einer Genehmigung abhängig zu machen, so wird kein anderer Staat diese Bestimmung anwenden. 3. Die Erbberufungsgründe.
Allgemeines
Sind als Erbstatuten zur Regelung des E r w e r b s von Vermögensgegenständen beim T o d e des bisherigen Inhabers mehrere R e c h t e berufen — insbesondere die eigenen R e c h t e der verschiedenen Lagestaaten b z w . die R e c h t e , auf welche die Kollisionsrechte der Lagestaaten verweisen —, so ist es das einzelne Erbstatut, welches die G r ü n d e der Berufung zum E r w e r b kraft Erbfolge aufstellt. D a b e i kann sich ergeben, daß trotz gleicher Benennung des Erbfolgegrundes in den verschiedenen E r b r e c h t e n nicht dasselbe gemeint ist; darüber wird unten noch N ä h e r e s ausgeführt werden. „ G r ü n d e " der Berufung zur Erbfolge sind entweder Gesetz oder erbrechtliches R e c h t s g e s c h ä f t 3 4 3 , eventuell auch Staatsakt. B e i der gesetzlichen E r b f o l g e läßt das G e s e t z wieder entweder reine Tatsachen, oder das Bestehen von präjudiziellen Rechtsverhältnissen die Erbberechtigung auslösen. Zu den reinen Tatsachen, welche erbrechtsbegründend sein sollen, kann z. B . der Tatbestand gehören, daß ein Erbprätendent eine bestimmte Zeit v o r dem T o d e des Erblassers von diesem, wenn auch ohne eine rechtliche Verpflichtung, seinen Unterhalt bezogen hat; als erbrechtsauslösende Tatsache kann es der Gesetzgeber bezeichnen, daß der Erblasser mit einer Person anderen Geschlechts zusammenlebte, genauso wie 671
§27
Abstammung als Erbberufungsgrund
die Tatsache, daß jemand dem Erblasser einmal das L e b e n gerettet hat, ein G r u n d f ü r ein gesetzliches Erbrecht darstellen könnte. D i e häufigste erbrechtsauslösende Tatsache ist die unqualifizierte, d. h. die nicht als „legitim" oder illegitim qualifizierte Blutsverwandtschaft. Wenn nun, wie oft, solche Blutsverwandten auch schon zu Lebzeiten des Erblassers Rechte und Pflichten familienrechtlicher Art, insbesondere gegenüber dem Erblasser, haben konnten, und wenn für diese familienrechtlichen Wirkungen der Blutsverwandtschaft andere Rechte als das Erbstatut maßgebend waren, so stellt sich die praktisch außerordentlich wichtige Frage, o b die erbrechtlich relevante Blutsverwandtschaft von der familienrechtlich relevanten Blutsverwandtschaft v o l l k o m m e n unabhängig sein soll o d e r nicht; damit verbunden ist meist die F r a g e , wie der Beweis für die s o oder s o erbrechtlich relevante Blutsverwandtschaft geführt werden kann und muß. Soweit der F o r u m s t a a t sein eigenes Erbrecht auf den inländischen N a c h l a ß anwenden läßt, bereitet es keinen Zweifel, daß er auch darüber befindet, o b die F r a g e nach der A b s t a m m u n g für das Erbrecht neu a u f g e w o r f e n werden kann und gesondert beantwortet werden muß, nachdem sie in demselben Staat möglicherweise schon früher im Z u s a m m e n hang mit familienrechtlichen Rechtsverhältnissen auftauchte und beantwortet werden m u ß t e 3 5 . E s ist dann durchaus möglich, daß f ü r die z. B . im Intestaterbrecht bedeutsame väterliche A b s t a m m u n g eine größere Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft erforderlich ist, als sie bei der Z u s p r e c h u n g von Unterhaltsansprüchen erfordert w u r d e ; dabei ist denkbar, daß ein auf geringere Wahrscheinlichkeit der A b s t a m m u n g gestützter Unterhaltsanspruch möglicherweise als Nachlaßschuld fortbestehen kann, wenn dem Unterhaltsberechtigten eine Erbberechtigung deshalb nicht z u k o m m t , weil die für E r b z w e c k e erforderliche größere Wahrscheinlichkeit der A b s t a m m u n g nicht erwiesen werden k a n n 3 6 . Soweit im F o r u m s t a a t das Erbrecht des Lagestaates auf die F r a g e nach dem erbrechtlichen Wechsel des Inhabers von Vermögensgegenständen im Ausland angewendet wird, und die Frage nach der erbrechtlich relevanten A b s t a m m u n g nicht schon durch eine Entscheidung im Lagestaat bindend geklärt ist, sind die vorhin genannten F r a g e n im F o r u m staat s o zu lösen, wie sie im Lagestaat durch die dortigen Gerichte gelöst w o r d e n wären. Will ein Lagestaat der einheitlichen D u r c h f ü h r u n g der Universalsukzession zuliebe auf das bei ihm belegene V e r m ö g e n des Erblassers ein ausländisches Erbrecht anwenden lassen, so erfordert wiederum dieser Z w e c k , daß die F r a g e nach der blutmäßigen A b s t a m m u n g so beantwortet wird, wie sie in d e m Staat, der das Erbstatut stellt, beantwortet werden muß. D a s Gericht in einem anderen Staat darf nicht mit der B e g r ü n d u n g , auf die F r a g e nach der Unterhaltspflicht des Erblassers gegenüber einem Erbprätendenten als seinem A b k ö m m ling sei seinerzeit das Recht dieses F o r u m s t a a t e s anwendbar gewesen, und danach habe ein gewisser Wahrscheinlichkeitsgrad der A b s t a m m u n g zur B e j a h u n g der Unterhaltspflicht ausgereicht, diese „ A b s t a m m u n g s f e s t s t e l l u n g " der Frage nach der A b s t a m m u n g unter d e m Erbstatut z u g r u n d e legen, wenn das E r b s t a t u t für die Z w e c k e des Erbrechts strengere A n f o r d e r u n g e n an den N a c h w e i s der A b s t a m m u n g stellt 3 7 . Will der Belegenheitsstaat von N a c h l a ß als derjenige Staat, w o sich zugleich ein Vers o r g u n g s b e d ü r f n i s einer d o r t lebenden und vor dem Erbfall v o m Erblasser versorgten Person bemerkbar macht, seine Vorschriften über eine richterliche Z u w e i s u n g von Erbrechten entgegen dem Erbstatut zur A n w e n d u n g bringen, so kann er, wie früher ausgef ü h r t 3 7 3 , s o g a r einem zu Lebzeiten v o m Erblasser unterhaltenen N i c h t v e r w a n d t e n ein solches Erbrecht z u k o m m e n lassen; wenn das ausländische Erbstatut an den N a c h w e i s der A b s t a m m u n g als E r b g r u n d größere A n f o r d e r u n g e n stellt, als sie das Recht des Belegenheitsstaates f ü r den Unterhaltsanspruch des K i n d e s und den N a c h w e i s der A b s t a m m u n g in diesem Z u s a m m e n h a n g stellte, s o hat das letztere auch bei der richterlichen K o r r e k t u r der E r b f o l g e den V o r z u g . 672
Abstammung als Erbberufungsgrund
§27
Umgekehrt kann, wenn z. B. das ausländische Erbrecht der vom Erblasser vor dem Tode in bestimmter Form als Kind anerkannten Person ein Intestaterbrecht wegen der damit erwiesenen Abstammung verschafft, der Forumstaat die Anerkennung dieses Erbrechts in bezug auf den im Inland befindlichen Nachlaß nicht verweigern mit der Begründung, die Abstammung könne im inländischen Recht nicht allein durch Anerkenntnis des Aszendenten bewiesen werden, sondern bedürfe der Bestätigung der Mutter u. ä. Das Erbstatut kann natürlich auch fordern, daß der Beweis für die erbrechtlich relevante Abstammung, soweit er nicht über die Vermutung der Abstammung vom Ehemann der Mutter geführt werden kann, durch Vorlage einer gerichtlichen Feststellung der Abstammung geführt werden muß, die noch zu Lebzeiten des Erblassers, vielleicht sogar innerhalb bestimmter Zeit nach der Geburt des Kindes, ergangen sein muß; es genügt dann nicht etwa, daß der mit der Mutter nicht verheiratete Vater das Kind außergerichtlich anerkannt, oder daß er es freiwillig so unterhalten hat, wie er es nach förmlicher Vaterschaftsfeststellung hätte tun müssen. War nun aber auf das Verhältnis zwischen Vater und Kind zu Lebzeiten des Erblassers, und insbesondere nach der Geburt, seinerzeit gar nicht dasselbe Recht anwendbar, aus dem die erbrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen sind, so muß eine Anpassung dieser erbrechtlichen Bestimmungen an das für die frühere Zeit maßgebliche „Kindschaftsrecht" erfolgen. Man wird dann anstelle der förmlichen gerichtlichen Feststellung der Abstammung eine unter einem ausländischen Recht der gerichtlichen Feststellung gleichgestellte Anerkennung genügen lassen, oder auch eine stillschweigende Anerkennung durch Erfüllung der väterlichen Pflichten zu Lebzeiten. Erfordert hingegen das Erbstatut bei dem nicht in der Ehe geborenen Kind, daß es, um als „Kind" erben zu können, in einem Testament des Erblassers anerkannt worden ist, so könnte dieses Erfordernis von jedem Erblasser auch dann noch erfüllt werden, wenn das frühere Kindschaftsstatut eine entsprechende Bestimmung nicht hatte; hier ist das Erbstatut allein maßgebend 371 '. Dieses Erfordernis im Erbstatut kann überdies möglicherweise so zu verstehen sein, daß die Anerkennung in einem Testament erfolgt sein muß, welches in der Form des Erbstatuts oder einer gleichwertigen Form der lex loci actus errichtet wurde. Läßt das Erbstatut den Partner einer nicht als Rechtsehe geführten Gemeinschaft von Mann und Frau erben, so kommt es im allgemeinen nicht in Frage, daß der Beweis für das Bestehen dieses Verhältnisses schon zu Lebzeiten des Erblassers geführt werden mußte, oder daß er nur durch eine Äußerung des Erblassers in Testamentsform, oder im Zusammenhang mit einer erbrechtlichen Verfügung geführt werden könnte. Das Erbstatut kann von dem Nachweis der Abstammung auf Grund der an die Ehe geknüpften Vermutung bestimmen, daß diese Vermutung auch nach dem Tode des Mannes gemäß den Vorschriften des für seine Erbfolge maßgebenden Rechts entkräftet werden kann, ohne Rücksicht darauf, ob zu Lebzeiten des Erblassers eine fristgerechte Anfechtung der Ehelichkeit durch ihn selbst notwendig war, um ihn von Unterhaltspflichten usw. zu befreien. Im Erbstatut kann aber auch bestimmt sein, daß die Unmöglichkeit der Abstammung innerhalb bestimmter Frist nach der Geburt des Kindes schon zu Lebzeiten des Erblassers gerichtlich geklärt sein mußte, oder daß jedenfalls die Klage innerhalb dieser Zeit erhoben sein mußte. Dieses Erfordernis gilt auch dann, wenn nach dem Recht derjenigen Staaten, zu denen früher Verknüpfungen bestanden, die eheliche Abstammung des in der Ehe geborenen Kindes jederzeit bestritten werden konnte, und eine Feststellungsklage jederzeit möglich war; doch kann auch hier aus Billigkeitsgründen eine Anpassung der erbrechtlichen Vorschriften an die Rechtslage unter dem früheren Kindschaftsrecht angebracht sein. 4. Erbrechtsauslösende
familienrechtliche
Rechtsverhältnisse
Zahlreiche Erbrechte knüpfen ein gesetzliches Erbrecht nicht an die Blutsverwandt673
§27
Erbrechtsauslösende familienrechtliche Rechtsverhältnisse
schaft als solche, oder an ein Zusammenleben von Mann und Frau, also an reine Tatsachen, an, sondern gewähren es nur dem Lebensgefährten aus einer gültigen Rechtsehe (bzw. aus einer Ehe, zu deren Gunsten eine unwiderlegte Gültigkeitsvermutung besteht); das den Kindern gewährte Erbrecht beschränkt sich dann häufig wieder auf solche Kinder, die im Zusammenhang mit einer Ehe, evtl. auch aus anderen Gründen, zu Lebzeiten des Erblassers ihm gegenüber familienrechtliche Rechte und Pflichten als „legitime" Kinder 3 7 0 gehabt haben 3 8 ; ein Erbrecht anderer Verwandter beschränkt sich auf solche, die über eine „legitime" Abstammung mit einem daran angeknüpften familienrechtlichen Rechtsverhältnis zu anderen Personen zu „legitimen" Verwandten des Erblassers geworden sind 3 9 . Auch hier spricht der Zweck der Kollisionsnorm eines Lagestaates von Nachlaß, daß anstelle des Erbrechts des Lagestaates ein über eine persönliche Verknüpfung des Erblassers ermitteltes Recht das Erbstatut darstellen soll, nämlich die Sicherung der einheitlichen Beurteilung der Erbfolge in allen Staaten, welche Universalsukzession vorsehen, dafür, daß alle diese Vorfragen nach einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis bei der Anwendung ausländischen Erbrechts im Lagestaat so zu beantworten sind, wie es im Urheberstaat des Erbstatuts erfolgen würde, nämlich unter Verwendung der Rechtsanwendungsanweisungen, die der Staat des Erbstatuts bei der Beurteilung der Vorfrage einsetzt. Das bedeutet z. B., daß derjenige, der im Urheberstaat des ausländischen Erbstatuts in seiner Eigenschaft als rechtmäßiger Ehegatte ein Erbrecht erhält, auch in anderen Forumstaaten als erbberechtigt behandelt werden muß, auch wenn der Betreffende im Forumstaat zu Lebzeiten des Erblassers keine Ansprüche aus der Ehe gegen den Erblasser hätte geltend machen können, weil im Forumstaat die Ehe als nichtbestehend galt 4 0 . Es ist evident, daß eine solche Lösung bei hinkenden Ehen im Forumstaat auf Bedenken stoßen kann: Soll der Forumstaat, der selbst Lagestaat von Nachlaß ist, jemand unter Anwendung ausländischen Erbrechts als Ehegatten erben lassen, wenn die Ehe im Forumstaat geschieden wurde, aber die Scheidung im Staat des Erbstatuts nicht anerkannt wurde? Oder soll umgekehrt, wenn die im Lande des Erbstatuts erfolgte bzw. anerkannte Scheidung im Forumstaat nicht wirksam wurde, dieser Ehegatte von dem im Forumstaat befindlichen Nachlaß nichts erhalten, und anstatt dessen der Ehegatte aus der im Land des Erbstatuts geschlossenen und dort voll gültigen zweiten Ehe des Erblassers? Abhilfe erfolgt hier in gewissem Umfang schon oft durch das materielle Recht des Erbstatuts selbst: Ist im Staat des Erbstatuts die im Ausland erfolgte Ehescheidung nicht anerkannt, ist sie aber von dem überlebenden Ehegatten selbst herbeigeführt worden, so kann vielfach auch in diesem Staat dem Erbanspruch des seinerzeit klagenden geschiedenen Ehegatten von anderen Erbprätendenten das Estoppelargument entgegengehalten werden. Hätte die Ehe im Lande des Erbstatuts überhaupt nicht geschieden werden können, so kann die Erhebung der Scheidungsklage im Ausland eine schwere Eheverfehlung darstellen, die dann wiederum trotz Fortbestehens der Ehe zu einer Erbunwürdigkeit des fehlsamen Ehegatten führen kann. Läßt das Erbstatut nicht nur den Lebensgefährten aus einer Rechtsehe, sondern auch den Partner aus einer tatsächlich bestehenden freien Ehe erben, so wird auch das möglicherweise gerade demjenigen zugute kommen, der zwar nicht im Staat des Erbstatuts, wohl aber im Forumstaat als der Gatte einer Rechtsehe gilt. Unter Umständen ermöglicht das Erbstatut sogar für homogen verknüpfte Fälle, daß der Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft neben dem „legalen" Ehegatten erbt 4 1 . Dann aber läßt sich auch an eine im Wege richterlicher Rechtsergänzung geschaffene Regelung denken, wonach beim Fehlen eines vom Standpunkt des Erbstatuts her „legalen" Ehegatten der überlebende Partner einer tatsächlich bestehenden Verbindung erbt, wenn diese Verbindung vom Standpunkt eines anderen Staates, insbesondere vom Standpunkt des gemeinsamen Wohnsitzlandes, den Charakter einer Rechtsehe hatte. Die Regelung kann auch dahin gehen, daß der Partner einer nur im Ausland als Rechtsehe bestehenden, 674
Legitime Abstammung und Erbrecht
§27
aber tatsächlich beim Tode des Erblassers realisierten Verbindung vom Standpunkt des Erbstatuts her neben dem dort legalen Ehepartner erbt; es läßt sich dann sogar denken, daß das Erbrecht des letzteren aus Billigkeitsgründen wieder verweigert werden kann, etwa weil er selbst in einer anderen Verbindung lebt. Schafft das Land, welches das Erbstatut stellt, auf diese Weise selbst Spezialrecht für das Ehegattenerbrecht beim Vorhandensein hinkender Ehen, so wird damit in aller Regel den Bedenken, die in einem anderen Forumstaat gegen die Beurteilung der Vorfrage aus der Sicht des Erbstatuts erhoben werden könnten, in befriedigender Weise Rechnung getragen. Als letzter Behelf bleibt dem Belegenheitsstaat von Nachlaß, der zugleich das Wirkungsland der Versorgungsbedürftigkeit einer Person ist, die vom Standpunkt dieses Staates der legale Ehegatte des Erblassers war, die oben schon erwähnte Möglichkeit der vorrangigen Anwendung eigener Vorschriften, auf Grund deren einem versorgungsbedürftigen näheren Angehörigen aus dem Nachlaß etwas verschafft werden kann, wenn den Betreffenden das eigentliche Erbstatut leer ausgehen läßt 4 2 . Auch ohne eine generelle gesetzliche Ermächtigung zur richterlichen Korrektur der konkreten Erbfolge in homogen verknüpften Fällen sollte das Gericht des Belegenheitsstaates hier ermächtigt werden, dem überlebenden Ehegatten der hinkenden Ehe, die im Belegenheitsstaat als bestehend galt, bei Versorgungsbedürftigkeit aus dem inländischen Nachlaß so viel zukommen zu lassen, wie es unter dem Erbstatut geschehen müßte, wenn auch dort die Ehe als bestehend gelten würde; dabei ist zu berücksichtigen, ob andere versorgungsbedürftige Angehörige des Erblassers, die nach dem Erbstatut zu Erben berufen sind, aus dem in anderen Staaten belegenen Nachlaß eine entsprechend angemessene Versorgung erhalten 43 . Etwas anders liegen die Dinge, wenn das Erbstatut eine Erbberechtigung solchen Personen verschaffen will, in denen es „legitime Abkömmlinge" des Erblassers sieht. Dann stellt sich zunächst die oben schon gestellte Frage, ob das Erbstatut die Voraussetzungen einer solchen „legitimen Abstammung" speziell für die Zwecke des Erbrechts gesondert und abschließend festsetzen will, oder ob es auf einen allgemein definierten Begriff der legitimen Abstammung zurückgreifen will und dabei meist unterstellt, daß dieser Begriff vor allem auch im Familienrecht bei der Schaffung familienrechtlicher Rechtsverhältnisse relevant würde. Das erstere liegt vor allem nahe, wenn ein Erbstatut nur für bestimmte Gegenstände eine Regelung über den Inhaberwechsel beim Tode des Inhabers treffen soll und treffen will: Wer für die Vererbung des Krongutes als „legitimer" ältester Sohn aus „ebenbürtiger" Ehe anzusehen ist, kann das anwendungswillige Recht nach anderen Gesichtspunkten regeln wollen als denen, die bei der Regelung des Erbrechts in anderen Fällen zur Anwendung kommen 4 3 3 . Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, daß das Erbrecht legitimer Kinder zwar sicher den bereits für die Zwecke des Familienrechts in dieser Weise qualifizierten Kindern zukommen soll, daß aber ein gleiches Erbrecht auch solchen Personen zustehen soll, die beim Erblasser in dessen Haushalt lebten, und die er „als" oder „wie" legitime Kinder behandelt hat, insbesondere, wenn er sie gegenüber Dritten als seine legitimen Kinder ausgegeben hat; hier liegt dann eine echte Parallele zum Erbrecht des „faktischen Ehegatten" vor. Auf diese Weise wird es begreiflich, daß das Erbstatut möglicherweise auch bezüglich der im Familienrecht der verschiedenen beteiligten Länder anzutreffenden hinkenden Legitimität von Kindern eine ähnliche spezialrechtliche Regelung treffen kann und treffen sollte, wie sie oben bezüglich des Ehegattenerbrechts aus hinkenden Ehen skizziert wurde. Es kann also etwa in erster Linie den Kindern ein Erbrecht gewährt werden, die nach dem vom Standpunkt der Kollisionsnorm des Erbstatuts her maßgebenden Familienrecht die familienrechtliche Rechtstellung legitimer Kinder hatten, zugleich aber auch denjenigen, die vom Standpunkt eines anderen anwendungswilligen Familienrechts her die familien675
§27
Spezielle Kollisionsnormen für Vorfragen des Erbrechts
rechtliche Rechtsstellung legitimer Kinder besaßen und vom Erblasser entsprechend dieser rechtlichen Beurteilung, vor allem zur Zeit ihrer Minderjährigkeit, behandelt worden sind. Gerade bei Abkömmlingen kann aber eine besondere Zuweisungsnorm im Erbstatut für die Vorfrage möglicherweise von einer Prüfung der Effektivität des präjudiziellen familienrechtlichen Rechtsverhältnisses ganz absehen; es kann dann einfach bestimmt werden, daß als legitime Kinder diejenigen erben, die entweder vom Standpunkt des Heimatrechts, oder vom Standpunkt des Wohnsitzrechts des Erblassers 44 , vielleicht sogar vom Standpunkt irgendeines anderen durch eine nicht ungewichtige Verknüpfung ausgewiesenen und anwendungswilligen Familienrechts her als „legitime" Kinder des Erblassers anzusehen waren 45 . Eine solche Auslegung des materiellen Erbrechts kann auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung als aus dem Geist des Erbrechts gerechtfertigt gelten, wenn das betreffende Erbrecht ohnehin die Tendenz hat, die Zuwendung des Nachlasses an solche Personen, mit denen der Erblasser selbst im Leben freiwillig Familienbeziehungen hergestellt hat, vor dem Anfall des Nachlasses an Aszendenten und Seiten verwandte, oder gar an den Fiskus, zu fördern 46 . Beschreitet das berufene ausländische Erbstatut diesen Weg nicht, so bleibt auch hier immer noch die Möglichkeit, daß ein Belegenheitsstaat von Nachlaß, der zugleich Wirkungsland einer Versorgungsbedürftigkeit von Abkömmlingen ist, eine Beteiligung am Nachlaß jedenfalls solchen Kindern verschafft, die vom Standpunkt des Forumstaates her als legitime Kinder im Sinne des dort anwendbaren Familienrechts gelten müssen, und die tatsächlich auch vom Erblasser unterhalten worden sind. 5. Die Definition der erbrechtsauslösenden
Rechtsverhältnisse
Hält man es für möglich und wünschenswert, daß es besondere Zuweisungsregeln zur Ermittlung des auf einzelne familienrechtliche Vorfragen, die ein Erbstatut selbst aufgeworfen hat, geben kann, und daß es sich dabei evtl. um alternative bilaterale Zuweisungsnormen handeln sollte, so ist damit auch schon die gelegentlich anzutreffende Vorstellung abgelehnt, eine Erbberechtigung solle vom Erbstatut nur an solche präjudiziellen familienrechtlichen Rechtsverhältnisse angeknüpft werden, für die dasselbe Recht, welches das Erbstatut stellt, daß maßgebliche Statut ist 47 . Abzulehnen ist auch die Auffassung, das gegebenenfalls auf präjudizielle familienrechtliche Rechtsverhältnisse anwendbare ausländische Recht müsse ein solches sein, welches inhaltlich in jeder Hinsicht mit der Regelung übereinstimmt, wie sie das Familienrecht des Erbstatuts gibt: Niemand bestreitet daher, daß auch eine nach dem Ehewirkungsstatut scheidbare Ehe ein Ehegattenerbrecht unter dem Erbrecht eines Landes auslösen kann, welches seinerseits nur unscheidbare Ehen kennt; ändert ein Staat sein Eherecht, ohne sein Intestaterbrecht zu ändern, so gilt ja auch das darin vorgesehene Ehegattenerbrecht sowohl für Ehen des alten als auch für Ehen des reformierten Rechts 48 . Andererseits kann es nicht entscheidend sein, daß ein familienrechtliches Rechtsverhältnis des ausländischen Rechts von dem Urheber der einschlägigen Gesetze in derselben Weise bezeichnet wird, wie im Privatrecht des Erbstatuts diejenigen familienrechtlichen Rechtsverhältnisse bezeichnet werden, welche in diesem Recht, wenn es zugleich das Erbstatut stellt, sicher eine Erbberechtigung auslösen 49 . Welche von der Regelung im Familienrecht des Erbstatuts im ausländischen Recht abweichend geregelten „Ehen", und welche der mehreren, in einem ausländischen Recht vorgesehenen „legitimen" Kindschaftsverhältnisse können aber als erbrechtsauslösend betrachtet werden? Kommt es dabei mehr auf die Ähnlichkeit der Wirkungen mit den im Familienrecht des Erbstatuts vorgesehenen Wirkungen an, oder spielt auch die Ähnlichkeit der Voraussetzungen für das präjudizielle Rechtsverhältnis im maßgeblichen ausländischen Recht einerseits und im Familienrecht des Erbstatuts andererseits eine Rolle? Diese Fragen lassen sich nicht generell für alle Erbrechte in gleicher Weise beantworten, sondern hängen 676
Die Definition der erbrechtsauslösenden Rechtsverhältnisse
§ 27
eben von den Zwecken und dem Geist des einzelnen nationalen Erbrechts ab. Im allgemeinen wird einem von einem ausländischen Familienrecht beherrschten präjudiziellen Rechtsverhältnis die erbrechtliche Nachwirkung durch das Erbstatut nicht versagt werden, wenn die familienrechtlichen Wirkungen denen im Familienrecht des Erbstatuts gleich oder fast gleich sind: Das Erbrecht, das „legitimen" Kindern zukommen soll, soll wohl meist denjenigen zukommen, die zum Erblasser aus irgendeinem Grunde in dem familienrechtlichen Rechtsverhältnis des meistbegünstigten Kindes gestanden haben. Aber schon die Gesetzestechnik des Erbstatuts kann Zweifel rechtfertigen, ob auf diese Weise als legitime Kinder auch solche gelten können, die nach dem maßgeblichen Familienrecht nur durch Staatsakt zu legitimen Kindern wurden, wenn das Familienrecht des Erbstatuts eine solche Art der Begründung der Legitimität nicht kennt; besonders zweifelhaft kann es werden, ob die Tatsache, daß ein Adoptionsverhältnis dieselben Wirkungen auslöst wie ein natürliches Kindschaftsverhältnis, genügt, um den unter einem ausländischen Recht adoptierten Kindern des Erblassers das Erbrecht von „Kindern" zu verschaffen, wenn das Erbstatut die Einrichtung der Adoption überhaupt nicht kennt. Regelt das Erbstatut das Intestaterbrecht der legitimen Kinder in der Weise, daß es eine enumerierende Legaldefinition des legitimen Kindes aus seinem Familienrecht rezipiert, und umfaßt diese Definition einerseits die „schon bei Geburt" legitimen Kinder, ferner diejenigen, die es im Zusammenhang mit einer Ehe der Eltern geworden sind, und schließlich auch die später „gemäß anderen Bestimmungen" nachträglich legitimierten Kinder, so ist es leicht, nachträglich hergestellte Legitimität auf Grund irgendwelcher Tatbestände, die ein ausländisches Familienrecht genügen läßt, unter den Begriff der Legitimität im Sinne des Erbstatuts zu bringen. Anders ist es, wenn das Erbgesetz für die gemäß einem bestimmten Paragraphen desselben Zivilgesetzbuchs bei Geburt zu ehelichen Kindern gewordenen Abkömmlinge und für die gemäß einem anderen Paragraphen durch nachfolgende Eheschließung legitimierten Kinder getrennt, wenn auch vielleicht in gleicher Weise, eine Erbberechtigung vorsieht 50 . Letztlich muß aus der historischen Entwicklung des nationalen Erbrechts beantwortet werden, ob es solche Erbberechtigungen, die wirtschaftlich und gesellschaftlich eine Art Novation aktualisierter familienrechtlicher Beziehungen zwischen dem Erblasser und den ihm besonders nahestehenden Personen darstellen, fördern und vor solchen Erbberechtigungen bevorzugen will, die nur auf einem Verwandtschaftsverhältnis beruhen, und bei denen zu Lebzeiten keine familienrechtlichen Rechte und Pflichten, insbesondere Unterhaltsansprüche, bestanden haben 51 . Dabei kann nun auch dem Umstand eine Bedeutung beigemessen werden, ob das für das präjudizielle familienrechtliche Rechtsverhältnis maßgebliche ausländische Recht selbst dieses familienrechtliche Rechtsverhältnis mit erbrechtlichen Nachwirkungen ausstatten würde, wenn es als Erbstatut berufen wäre. Mit anderen Worten, es ist denkbar, daß das Erbstatut an familienrechtliche Rechtsbeziehungen unter einem ausländischen Recht, insbesondere wenn die sie auslösenden Tatbestände vom Familienrecht des Erbstatuts abweichen, erbrechtliche Folgen nur dann anknüpft, wenn das familienrechtliche Rechtsverhältnis von seinem Urheber für erbrechtliche Nachwirkungen „prädestiniert" worden ist. Eine volle Kumulation der Bestimmungen des Erbstatuts mit den erbrechtlichen Vorschriften in demjenigen Recht, welches das auslösende familienrechtliche Rechtsverhältnis stellt, ist allerdings wohl abzulehnen 52 . 6. Gegenseitigkeitsbeziehungen
im
Erbrecht
Wenig beachtet wird, daß im materiellen Erbrecht der meisten Länder Intestaterbberechtigungen im Verhältnis zwischen Ehegatten und zwischen Seitenverwandten oft gegenseitige Erbberechtigungen sind. Damit stellt sich im internationalen Privatrecht die Frage, ob nicht dann, wenn für den hypothetischen Fall des Vorversterbens des Erbprätendenten 677
§27
Unterhaltsrecht und Erbrecht
ein anderes nationales Recht als Erbstatut anwendbar gewesen wäre, zu fordern ist, daß dieses Recht eine entsprechende Intestaterbberechtigung zugunsten des Erblassers vorsieht. Hier wäre es zu vertreten, daß das Pflichtteilsrecht eines Ehegatten, bei dessen Erstversterben „sein" Erbrecht kein Pflichtteilsrecht zugunsten des Erblassers begründet hätte, entzogen werden kann, wenn dieser Ehegatte selbst nachweislich den erstverstorbenen Ehegatten enterbt hat, insbesondere aber, wenn er sich geweigert hat, eine nach beiden Erbrechten mögliche Bindung durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament zu übernehmen, in welchem sich die Ehegatten gegenseitig ein Erbrecht verschafft hätten 53 . Der Gegenseitigkeitsgedanke spielt sodann eine Rolle für die Frage, ob ein Belegenheitsland von Nachlaß, welches auf die Beerbung das ausländische Erbrecht des Heimatstaates des Erblassers anzuwenden bereit ist, den fremden Fiskus als letzten Erben anerkennen soll, und insbesondere dann anerkennen soll, wenn der Kreis der erbberechtigten Verwandten in dem ausländischen Erbrecht enger gezogen ist als im Erbrecht des Belegenheitsstaates. Die Anerkennung des Erbrechts einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft des Heimatstaates gemäß dem Heimatrecht des Erblassers ist im Belegenheitsstaat sicher dann unangebracht, wenn der Heimatstaat seinerseits eine Regelung hat, wonach die auf seinem Gebiet befindlichen Nachlässe ausländischer Erblasser dem Fiskus des Heimatstaates nicht zufallen sollen, sondern dem Belegenheitsstaat 54 . 7. Abhängigkeiten
zwischen
Unterhaltsrecht
und
Erbrecht
Die gesetzliche Regelung des Intestaterbrechts und des Pflichtteilsrechts im Verhältnis zwischen Ehegatten wird in manchen Rechten ausdrücklich oder stillschweigend von dem Güterstand abhängig gemacht; hierauf wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein 55 . Stillschweigende Voraussetzung für die Gewährung oder Nichtgewährung von Intestat- bzw. Pflichtteilsrechten kann aber auch eine bestimmte Art der Regelung von Unterhaltsansprüchen naher Angehöriger, wie sie nach dem Tode einer unterhaltspflichtigen Person zu erwarten ist, sein: Wird der befristete oder lebenslange, eventuell auch auflösend bedingte Unterhaltsanspruch, den jemand gegen den Erblasser zu dessen Lebzeiten besaß, beim Tode des Unterhaltspflichtigen, eventuell (wie eine Rentenschuld) kapitalisiert, zu einer Nachlaßschuld, so kann das für den Gesetzgeber ein Grund sein, für den Betreffenden kein Intestaterbrecht zu begründen. Werden mit dem Tode des Erblassers die bis dahin verhaltenen Unterhaltspflichten von Aszendenten oder Seitenverwandten des Erblassers gegenüber seinen Kindern aktuell, so kann das für den Gesetzgeber ein Grund sein, um den Kindern ein Erbrecht nach den Eltern zu versagen, wenn der Nachlaß der Eltern an solche Verwandte geht, die nunmehr die Kinder zu unterhalten haben; dasselbe gilt u. U. für die Witwe. Der Gedanke ist nicht abwegig, daß dasselbe Recht, welches Unterhaltsansprüche auf Grund Verwandtschaft oder Ehe gegen jemand begründet hat, nicht nur die Frage regelt, ob der Unterhaltsanspruch als Forderung gegen den Nachlaß weiter besteht 56 , sondern auch die Frage regeln sollte, wer anstelle des Erblassers unter Haftung seines eigenen Vermögens unterhaltspflichtig wird, und im Zusammenhang damit, ob und in welcher Höhe die Unterhaltsberechtigten, bzw. die nach dem Tode des ursprünglichen Unterhaltsschuldners nunmehr unterhaltspflichtig Gewordenen, ganz oder teilweise das Vermögen des verstorbenen Unterhaltsschuldners, das ja bisher für die Unterhaltsschuld haftete, als „Erben" i. w. S. erhalten. Bei einer solchen Regelung bliebe für das eigentliche Erbstatut nur noch die Regelung des Erbrechts derjenigen, die selbst gegenüber dem Erblasser keine aktuellen Unterhaltsansprüche hatten und auch nicht Unterhaltspflichten des Erblassers „übernehmen" 57 . Die Durchführbarkeit dieses Gedankens im internationalen Privatrecht wird jedoch zweifelhaft, wenn die Unterhaltspflichten des Erblassers, insbesondere gegenüber Ehegatten und Abkömmlingen, gar nicht nach einem Recht, sondern nach mehreren Rechten zu beurteilen wären. 678
Rechte des Staates am Nachlaß
§27
Daher ist es auch im internationalen Privatrecht kaum durchführbar, allein das Ehegattenerbrecht nach den Bestimmungen in dem Recht zu beurteilen, welches Wirkungsstatut der Ehe des Erblassers war, und nur für den Rest des Nachlasses dessen Personalstatut zugrunde zu legen 5 8 . Die Anpassung der konkreten Erbfolgeregelung, wie sie sich aus dem Erbstatut ergibt, an die Feststellung, daß damit die Inhaber eines vor dem Tode des Erblassers bereits aktuellen Unterhaltsanspruchs gegen den Erblasser nichts, oder nicht genug, aus dem Nachlaß erhalten, kann wohl am ehesten durch eine richterliche Korrektur im Einzelfall erfolgen, wie sie heute insbesondere die Rechte der Commonwealth-Länder vorsehen 5 9 . Eine solche Korrektur sollte in heterogen verknüpften Situationen auch ohne das Vorhandensein allgemeiner Ermächtigungen zur richterlichen Korrektur der Erbfolgeregelung möglich sein. 8. Rechte des Staates am Nachlaß Obwohl es völkerrechtlich unbedenklich wäre, wenn ein Staat seinen Angehörigen verbieten wollte, Vermögensgegenstände im Ausland an andere als die vom Heimatstaat dazu vorgesehenen Personen zu verschenken, ist es zweifelsfrei, daß der Lagestaat derartige Rechtssätze durch seine Gerichte, wenn er selbst entsprechende Sätze hat, nur bei Gegenseitigkeit, und wenn er sie nicht hat, gar nicht anwenden lassen würde. Ebenso sicher würde der Lagestaat es ablehnen, einen Rechtssatz des Heimat- oder Wohnsitzstaates des Rechtsinhabers anzuwenden, wonach der Fiskus dieses Staates diejenigen Gegenstände erwirbt, die der private Inhaber entgegen einem Verbot des Heimatstaates an andere Privatpersonen verschenken wollte. An diese Selbstverständlichkeiten ist zu erinnern, wenn sich die Frage stellt, ob ein Staat, der die von seinem Recht geschützten Vermögensrechte auf seinem Gebiet unter Heranziehung eines ausländischen Erbrechts vererben läßt, dabei auch Rechtssätze anwenden lassen sollte, auf Grund deren der Fiskus des Staates, der das Erbstatut stellt, Erbe wird. Hat der Erblasser selbst in einem nach dem berufenen und anwendungswilligen Erbstatut gültigen Testament den Fiskus eines Staates — sei es den seines eigenen Heimatstaates, sei es den eines anderen Staates — zum Erben eingesetzt, so wird der Lagestaat den eingesetzten Erben nicht erben lassen, wenn sich im Recht des Lagestaates ein Gesetz findet, wonach juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts nicht durch Erbfolge Inhaber von Vermögensrechten auf dem Gebiet dieses Staates werden können. Fehlt ein solches Gesetz, so kann der ausländische Staat zwar auf Grund des Testaments erben, aber muß möglicherweise Grundstücke veräußern, weil er solche nicht innehaben darf 5 9 3 . Ein nicht durch testamentarische Verfügung, sondern durch Gesetz begründeter Zugriff eines Staates auf einen Nachlaß kommt dann in Betracht, wenn kein Intestaterbe ermittelt werden kann; er kommt vor allem dann in Betracht, wenn das Erbstatut den Kreis der Intestaterben und den Kreis der zulässigerweise durch Testament zu bedenkenen Personen einschränkt. Ist das letztere nicht der Fall, so könnte man versucht sein, die subsidiäre Erbenstellung des Staates, der das Erbstatut stellt, damit zu rechtfertigen, daß dies dem vermuteten Willen des Erblassers entspreche. Sind aber in dem vom Heimat- oder Wohnsitzstaat gestellten Erbstatut auch den testamentarischen Verfügungen Schranken gesetzt, die sich zugunsten des Staates als des „letzten" Erben auswirken, so stellt sich für den Lagestaat von Nachlaß, der seinerseits entsprechende Bestimmungen nicht kennt, die Frage, ob darin eine krasse Abweichung vom eigenen Recht zu sehen ist; die gleiche Frage stellt sich bei jeder Beschränkung des Intestaterbrechts. Wird krasse Abweichung angenommen, so kann die Lücke durch das Erbrecht des Lagestaates ausgefüllt werden. Wird nicht mit der ordre public-Klausel operiert, so liegt es nahe, die Anwendung der Gesetze eines ausländischen Erbstatuts, auf Grund deren der Urheberstaat erben würde, im Lagestaat auf alle Fälle von der Gegenseitigkeit abhängig zu machen. Ist nach dem ausländischen Erbsta679
§27
Nachlaßsteuern
tut der fremde Staat als Intestaterbe in solchen Fällen berufen, in denen unter dem Erbrecht des Lagestaates noch Verwandte zum Zuge gekommen wären, so läßt sich aber das berufene ausländische Recht immer noch damit ausschalten, daß die Zuweisung im internationalen Privatrecht des Lagestaates an ein ausländisches Intestaterbrecht so verstanden wird, daß damit nur Sätze über den erbrechtlichen Erwerb durch Privatpersonen auf Grund von Verwandtschaft oder anderen privatrechtlichen Beziehungen erfaßt werden S9b . Der inländische Nachlaß, für den das berufene ausländische Erbrecht keine privaten Erben vorsieht, fällt dann eben nach Befriedigung der Nachlaßgläubiger auf Grund derselben Bestimmungen des Lagestaates, die den nicht auf Grund des eigenen Erbrechts an private Erben gehenden Nachlaß dem Staat verschaffen, dem Lagestaat zu. Dann aber stellen die Sätze des Lagestaates über den Zugriff dieses Staates auf Nachlässe zugleich Grenzen der Vererblichkeit überhaupt dar; insoweit als sie auch testamentarische Zuwendungen auf bestimmte Personenkreise beschränkten, gehen sie einem großzügigeren ausländischen Erbstatut vor. Der Lagestaat kann nicht verhindern, daß der Heimat- oder Wohnsitzstaat des Erblassers eine von den „Erben" geschuldete Nachlaßsteuer nach dem ganzen Nachlaß bemißt, wenn nicht Doppelbesteuerungsverträge anderes vorschreiben. Auch dann wird der Lagestaat dem anderen Staat nicht bei der Beitreibung der Steuer aus dem inländischen Nachlaß behilflich sein. Befriedigt sich der Heimat- oder Wohnsitzstaat aus dem auf seinem Gebiet befindlichen Nachlaß, so haben die dort ansässigen Miterben gegen die anderen einen privatrechtlichen Anspruch darauf, daß diese ihren proportional vom ganzen Nachlaß errechneten Teil an der Steuerlast aus ihren im Heimat- oder Wohnsitzstaat ererbten Aktiven, eventuell sogar aus eigenem dort befindlichen Vermögen, zur Verfügung stellen. Sind am Nachlaß in anderen Staaten andere Personen berechtigt als in dem Heimatstaat des Erblassers, der die Steuer vom ganzen Nachlaß berechnet und sich aus dem auf seinem Gebiet belegenen Nachlaß, also zu Lasten der dort berufenen Erben, befriedigt, so können diese bei Intestaterbfolge keine Beteiligung der anderen Erben in dem anderen Lagestaat verlangen. Liegt jedoch testamentarische Erbfolge vor, und sieht das Testament vor, daß einige der vom Testator bedachten Personen den Nachlaß in dem einen Land, andere den Nachlaß in dem anderen Land erhalten sollen, so entspricht es im allgemeinen wohl dem vermutlichen Willen des Testators, daß eine vom Heimat- oder Wohnsitzstaat erhobene und vom ganzen Nachlaß berechnete Steuer sämtliche Erben proportional belasten sollen, und daß Ausgleichsansprüche unter den Erben bestehen, die auch außerhalb des Heimatbzw. Wohnsitzstaates als zivilrechtliche Ansprüche einklagbar sind. d) Besonderheiten bei der testamentarischen Erbfolge 1.
Allgemeines
Unterstehen Verfügungsgeschäfte grundsätzlich dem Bestandsstatut des Rechts, über das verfügt wird, so könnte man denken, daß jedenfalls für letztwillige Verfügungen eines Erblassers über einzelne Nachlaßgegenstände ebenfalls das Bestandsstatut maßgebend sein müßte. Dennoch wird fast einhellig unter dem Eindruck der in vielen Ländern üblichen Ausgestaltung der Universalsukzession angenommen, daß nicht nur eine testamentarische Ersetzung der Intestaterben durch einen vom Erblasser bestimmten Testamentserben nach demselben Recht beurteilt werden muß wie die Intestaterbfolge, sondern auch testamentarische Verfügungen über einzelne Nachlaßgegenstände werden durchweg dem über das Personalstatut des Erblassers ermittelten „Erbstatut" unterstellt, wenn die Intestaterbfolge, von der diese Gegenstände erfaßt würden, ebenfalls nach diesem Erbstatut beurteilt würde 60 . Vor allem wird dasselbe Recht, welches das Erbstatut für eine Intestaterbfolge stellen würde, auch mit solchen Bestimmungen berufen, welche einer vom Intestaterbrecht abweichenden rechtsgeschäftlichen Zuweisung des Nachlasses Schranken (in Gestalt von 680
Testamentarische Erbfolge
§27
Pflichtteilsanprüchen usw.) setzen, immer vorausgesetzt, daß es sich um Verfügungen handelt, die erst mit dem Tode des Verfügenden wirksam werden sollen 6 1 . Will ein Erblasser in ein und demselben Testament über sein ganzes Vermögen verfügen, so bleibt aber doch, entsprechend dem früher Ausgeführten, genauso wie bei der Intestaterbfolge, die „letzte" Entscheidung über die Rechtswirksamkeit seines Testaments bei dem Lagestaat der einzelnen Gegenstände, und damit bezüglich der Bestimmung dieses Lagestaates über das anwendbare Erbrecht 6 2 . Das Testament, mit dem der Erblasser über sein ganzes Vermögen verfügen wollte, kann auf diese Weise zu einem „hinkenden" Testament werden, welches in dem einen Lagestaat von Nachlaß als wirksam behandelt wird, in dem anderen hingegen nicht, so daß dort der Nachlaß nach Intestaterbrecht übergeht 6 3 . Der Anspruch etwa des Heimatstaates, daß die Inhaberschaft an außerhalb dieses Staates belegenen Vermögensrechten gemäß dem vom Heimatstaat unter Anwendung seines Rechtes als gültig behandelten Testament auf die Testamentserben übergeht, ist praktisch nicht realisierbar, wenn der fremde Lagestaat das Testament nicht als gültig anerkennt und den erbrechtlichen Ubergang nach Intestaterbrecht vor sich gehen läßt. Selbst wenn die in zwei Belegenheitsstaaten von Nachlaß berufenen Erbrechte verschiedener Staaten ein Testament, in dem eine Person A als „Alleinerbe in X " , eine Person B als „Alleinerbe in Y " eingesetzt wird — was in der Praxis gar nicht selten vorkommt —, nicht für ungültig halten, ist es gekünstelt, wenn jeder der Staaten, der ein Erbstatut stellt, annehmen will, daß sein Recht das Erbstatut für den ganzen Nachlaß sei, und daß die eingesetzten Erben Miterben des gesamten Nachlasses zu bestimmten (nach dem Recht des einen bzw. anderen Staates zulässigen) Anteilen, verbunden mit einer testamentarischen Teilungsanordnung, die auf die Belegenheit abstellt, seien. Insoweit nun in einem Staat, in dem Nachlaß belegen ist, die Bestimmungen eines staatlichen Rechts in seiner Eigenschaft als Erbstatut auch mit den Vorschriften über die testamentarische Erbfolge berufen sind, werden hiervon jedoch einzelne Teilfragen möglicherweise wieder herausgenommen und einem anderen Recht zugewiesen. Gesonderte Zuweisungen bei der testamentarischen Erbfolge beziehen sich insbesondere auf die Form und die Auslegung des Testaments, sowie auch auf die Testierfähigkeit. Die Anordnung einer solchen gesonderten Zuweisung kann ausgehen vom Erbstatut, sie kann ausgehen vom Belegenheitsstaat, sie kann möglicherweise auch von jedem zufälligen Forumstaat in Anspruch genommen werden. Das letztere ist im Licht der allgemeinen rechtspolitischen Leitsätze des Kollisionsrechts ebenso zu verwerfen, wie die gesonderte Zuweisung von Teilfragen durch den Forumstaat bei Verfügungsgeschäften unter Lebenden zu verwerfen ist. Desgleichen wäre es falsch, wenn ein Forumstaat den Beweis der Errichtung eines mündlichen Testaments entgegen den Bestimmungen des Erbstatuts mit solchen Beweismitteln zulassen wollte, die vor den Gerichten des Landes des Erbstatuts nicht verwendet werden könnten 6 4 . Trotzdem wird von zahlreichen positiven Kollisionsrechten, und sogar in vertraglich gebotenen Kollisionsnormen 6 5 , vor allem eine selbständige Zuweisung der Frage nach der Form des Testaments, durch bilaterale Zuweisungsnormen des Forumstaates in Anspruch genommen. Auf diese Weise wird unter Umständen Formgültigkeit bejaht, obwohl sie im Land des Erbstatuts oder in dem fremden Belegenheitsstaat von Nachlaß verneint wird, und umgekehrt 6 6 . Eher haltbar ist es, wenn der Belegenheitsstaat von Nachlaß, auch soweit er nicht selbst das Erbstatut stellt, sondern ein ausländisches Erbstatut beruft, für einzelne Formvorschriften seines Rechts über Testamente die kumulative Anwendung neben den Formvorschriften des ausländischen Erbstatuts in Anspruch nimmt; es wäre also denkbar, daß ein Staat bestimmen würde, daß ein inländisches Grundstück auch bei ausländischem Erbstatut nur in einem öffentlich beurkundeten Testament Gegenstand eines Legats, insbesondere eines Vindikationslegats, werden kann 6 7 . 681
§27
Testamentsform
In erster Linie ist es das als „Grundstatut" selbst anwendungswillige Erbstatut, welches für die erwähnten Teilfragen, und insbesondere die Teilfrage der Form, allein oder alternativ (seltener kumulativ) die Anwendung eines anderen Rechts vorsehen kann und, wie gleich zu zeigen, auch vorsehen sollte. Im Sinne der Grundstatutsmethode sind dann derartige Verweisungen eines ausländischen Erbstatuts auch im Belegenheitsstaat von Nachlaß, der dieses ausländische Erbstatut berufen hat, und auch in einem dritten Forumstaat zu beachten. 2. Die Testamentsform
unter dem
Erbstatut
Während bei Rechtsgeschäften, mit denen über ein einzelnes Vermögensrecht unter Lebenden verfügt wird, kein Bedürfnis besteht, neben den Formen des Bestandsstatuts des Geschäfts die Formen anderer Rechte zuzulassen, wenn es leicht erkennbar ist, welches Recht Bestandsstatut ist, und wenn dessen Formen auch im Ausland gewahrt werden können, ist dies bei einem Testament anders. Insbesondere ist eine besondere Art der Bestimmung des Formstatuts angebracht, wenn ein und dasselbe Testament unter mehreren Erbstatuten Wirkungen auslösen soll. Hier hat es seinen guten Sinn, wenn auch das vom Belegenheitsstaat selbst für einen Teil des inländischen Nachlasses gestellte Erbstatut zwar die Wahrung seiner eigenen Form genügen läßt, aber zugleich auch die Errichtung des Testaments in den Formen des Heimatrechts oder des Wohnsitzrechts als ausreichend betrachtet, weil ja das Testament möglicherweise zugleich auch unter dem Heimatrecht oder dem Wohnsitzrecht als Erbstatut wirksam sein soll 68 . Um zu gewährleisten, daß das Testament unter mehreren Erbstatuten formgültig sein kann, ist es insbesondere zweckmäßig, wenn alle Erbstatuten die Formbestimmungen des Errichtungslandes alternativ neben denen des Heimatstaates und des Wohnsitzlandes des Erblassers heranziehen. Die ideale Lösung würde darin bestehen, daß jedes auch nur für einen Teil eines Nachlasses anwendungswillige Erbstatut anordnen würde, daß für die testamentarische Erbfolge unter diesem Erbstatut die Formgültigkeit eines für den ganzen Nachlaß bestimmten Testaments dann zu bejahen ist, wenn die direkt oder indirekt von anderen, für andere Teile des Nachlasses maßgebenden Erbstatuten vorgesehene Form gewahrt ist. Wird uniformes Spezialrecht für die Testamentsform gebildet 69 , so wäre es allerdings vertretbar, von dem Testator zu verlangen, daß er ein Testament, mit dem über den ganzen, aber in mehreren Vertragsstaaten belegenen Nachlaß verfügt werden soll, in der Form dieses Spezialrechts errichtet, wenn es nicht eine andere Errichtungsweise gibt, die zufällig unter den eigenen Formvorschriften sämtlichen anwendungswilligen Erbstatuten genügt. Ist es das Erbstatut, welches die Entscheidung darüber trifft, ob die Formvorschriften anderer Rechte heranzuziehen sind, so kann es doch möglicherweise einen respektablen Grund haben, die alternative Heranziehung anderer Rechte mit ihren Formvorschriften derart zu dosieren 70 , daß eine einzelne Vorschrift des Erbstatuts, von der zweifelhaft sein kann, ob sie als Formvorschrift zu qualifizieren ist, unter allen Umständen anwendbar bleibt. Es gilt dies vor allem von dem „Verbot" des gemeinschaftlichen Testaments: Wenn das maßgebliche Erbstatut volle Freiheit bei der Errichtung und dem Widerruf von Testamenten will, und wenn es in einem gemeinschaftlichen Testament eine Gefährdung dieser Freiheit oder eine Gefahr sittenwidriger Täuschungen des Mittestators sieht und deshalb gemeinschaftliche Testamente nicht zuläßt, so kann das Erbstatut hierauf auch dann bestehen, wenn es die alternative Verwendung der Formvorschriften des Errichtungslandes zuläßt, und das Errichtungsland gemeinschaftliche Testamente kennt 71 . Vorschriften des Erbstatuts, welche bei Errichtung gewisser Testamente in einem anderen Land die sonst geltende alternative Anwendung mehrerer Rechte durchbrechen 72 , rechtfertigen sich möglicherweise aus der Gestaltung des Nachlaßabwicklungsverfahrens im Land des Erbstatuts. Nicht als eine Frage nach der Form ist es zu betrachten, ob der 682
Testamentsform
§27
Inhalt der testamentarischen Anordnungen auch durch Verweisungen auf Äußerungen anderer Personen oder auf andere Dokumente gebildet werden kann 73 . Insoweit das Erbstatut seine eigenen Formvorschriften als maßgebend bezeichnet, sind es diejenigen, die unmittelbar vor dem Tode des Erblassers in Geltung stehen; es ist Sache des Erbstatuts, ob es die Beachtung älterer zur Zeit der Testamentserrichtung geltender Formvorschriften seines Rechts für einen Erblasser, der damals schon diesem Erbstatut unterstand, genügen lassen will; das kann z. B. angebracht sein, wenn der Erblasser nach der Errichtung des Testaments testierunfähig geworden ist, aber das Erbstatut eine zur Zeit der Testierfähigkeit errichtete testamentarische Verfügung in Geltung lassen will. Es ist auch Sache des Erbstatuts, ob es bei Einführung neuer erleichterter Formvorschriften ein nach den früheren Formvorschriften ungültiges Testament, wenn es vom Testator nicht zerstört ist, gültig werden lassen will oder nicht. Die Verweisung des Erbstatuts auf die Formvorschriften anderer Rechte ist hingegen im Zweifel eine Verweisung auf die Bestimmungen eines solchen Rechts nach seinem Stand zur Zeit der Testamentserrichtung. Eine rückwirkende Validierung eines nicht unter dem Erbstatut formgültigen und auch nach der lex loci actus zur Zeit der Testamentserrichtung formungültigen Testaments durch spätere Bestimmungen im Errichtungsland ist im Zweifel nicht anzunehmen. Erst recht beziehen sich Verweisungen des Erbstatuts auf die Formvorschriften des vom Staat des Erbstatuts verschiedenen Heimatstaates oder Wohnsitzstaates des Erblassers wohl allein auf den Heimat- oder Wohnsitzstaat und dessen Recht nach dem Stande zur Zeit der Testamentserrichtung. Es ist jedoch möglich, daß das endgültige Erbstatut alternativ seine eigenen Formvorschriften nach dem Stand zur Zeit des Erbfalles und diejenigen des Rechts als anwendbar erklärt, das (in der Sicht des internationalen Privatrechts des endgültigen Erbstatuts) beim alsbaldigen Tod nach der Testamentserrichtung Erbstatut geworden wäre, eventuell auch, daß das letztere zugleich als Weiterverweisung auf die Formvorschriften zu verstehen wäre, die das internationale Privatrecht des früheren Erbstatuts alternativ heranziehen wollte; allerdings ist eine derartige Regelung nicht zu vermuten74. Es ist davon auszugehen, daß jeder Erblasser sich bis zum Ende seines Lebens darüber orientieren kann, welches Recht in einem Lagestaat von Nachlaß als das Erbstatut maßgebend sein wird 75 , und ob dieses Erbstatut für früher bereits errichtete Testamente die Formgültigkeit nach anderen als seinen eigenen Formbestimmungen beurteilen lassen will. Ist der Erblasser über diese Fragen im Zweifel, so hat er hier die Möglichkeit, frühere Testamente vorsichtshalber zu widerrufen und neue testamentarische Verfügungen zu treffen. Trotzdem gibt es Situationen, in denen ein Rechtsirrtum des Erblassers über diese Fragen berücksichtigt werden sollte: Ist ein Testament nach keinem der Rechte, die über das Kollisionsrecht des zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartende Erbstatut mit ihren Formvorschriften berufen waren, gültig, so kann sich der Testator nachträglich einerseits dieser Formungültigkeit bewußt geworden sein, und kann andererseits im Irrtum darüber sein, daß das endgültige Erbstatut das Testament doch als formgültig betrachtet. Wenn dann dieser Erblasser, weil er seinen Nachlaß nach Intestaterbrecht übergehen lassen wollte, das alte Testament nicht förmlich widerrufen hat, so sollte analog der Möglichkeit zur Anfechtung des Testaments, von welchem der Erblasser irrtümlich annahm, daß die Urkunde vernichtet sei, und das er deshalb nicht ausdrücklich widerrufen hat, eine Anfechtung unter dem endgültigen Erbstatut ermöglicht werden76. Es ist kein vernünftiger Grund zu sehen, weswegen etwa der Staat, auf dessen Gebiet das Testament errichtet wurde, oder der frühere Heimatstaat eines Erblassers, wenn sein Heimatrecht nicht Erbstatut ist, auf der Beachtung seiner Formvorschriften für ein Testament bestehen können sollte, wenn der Staat des Erbstatuts anderer Meinung und nicht 683
§27
Testamentsauslegung
durch völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet ist, die Formgültigkeit mit diesem anderen Recht zu bejahen. 3.
Testamentsauslegung
Da es nicht selten vom Testator unerkannt bleibt, daß sein Testament, in dem er Verfügungen über sein ganzes Vermögen trifft, schließlich doch unter mehreren Erbstatuten wirksam werden muß, so ist es besonders verständlich, wenn die verschiedenen Erbstatuten in bezug auf die Auslegung des Testaments bestrebt sein sollten, solche Zuweisungsnormen zu bilden, die dem Glauben des Testators an die Maßgeblichkeit eines bestimmten Rechts als des Auslegungsstatuts Bedeutung beilegen. Dies ist auch dann gerechtfertigt, wenn es im internationalen Erbrecht abgelehnt wird, dem Erblasser eine Wahl des Erbstatuts und insbesondere der zwingenden Bestimmungen zu ermöglichen 77 . Eine Widerlegung 78 der unvermeidlicherweise von jedem Erbstatut aufgestellten und daher in den verschiedenen Erbstatuten unter Umständen widersprüchlichen gesetzlichen Auslegungsvermutungen79 sollte daher stets darauf gestützt werden können, daß der Erblasser im Testament eine ausdrückliche Erklärung abgegeben hat, er wolle, daß das Testament nach diesem, und nicht nach jenem Recht ausgelegt werde. Ein Erbstatut kann dann aber auch dem im Testament zum Ausdruck kommenden, und möglicherweise auch dem außerhalb des Testaments geäußerten Glauben des Testators an die Maßgeblichkeit eines bestimmten Rechts nach seinem Stand zu einem bestimmten Zeitpunkt als Auslegungsstatut für das ganze Testament dieselbe Bedeutung beilegen, wie einer ausdrücklichen Wahl des Auslegungsstatuts im Testament 80 . Eine weitere wohl allgemein akzeptable Rechtsanwendungsanweisung kann dahin lauten, daß, wenn das Auslegungsstatut nicht durch Wahl oder Glauben des Erblassers fixiert ist, für ein von einer öffentlichen Behörde oder einem Notar entworfenes Testament zu vermuten ist, daß es im Sinne desjenigen Rechts auszulegen ist, auf Grund dessen die Behörde oder der Notar zu dieser Funktion berufen wurde 81 . Hingegen sind gesetzliche Vermutungen des Inhalts, daß der Testator an die Maßgeblichkeit der Auslegungsvorschriften des Errichtungsortes, oder seines Domizils usw. geglaubt habe, sicher nicht geeignet, um zu einheitlichen Auffassungen über das Auslegungsstatut zu kommen. Wohl aber kann angenommen werden, daß dann, wenn alle, oder fast alle, Verknüpfungen zur Zeit der Testamentserrichtung zu einem bestimmten Recht hinführen, die Auslegungsregeln dieses Rechts weiterhin maßgebend sind, auch wenn schließlich zur Zeit des Erbfalles mehrere andere Rechte die Erbstatuten stellen. Läßt allerdings eine unter dem alten Auslegungsstatut erfolgende Deutung einer Klausel diese unter dem endgültigen Erbstatut wegen ihres Inhalts ungültig werden, so kann eine der Gültigkeit günstigere Auslegung unter dem endgültigen Erbstatut angebracht sein. Das endgültige Erbstatut kann überdies, auch wenn es im allgemeinen bestrebt ist, bei der Auslegung dasjenige Recht heranzuziehen, das dem Testator zur Zeit der Testamentserrichtung als Auslegungsstatut vorgeschwebt hat, einzelne Auslegungsregeln für so wichtig halten, daß es sie auch auf alte Testamente anwenden läßt 82 ; das gilt dann auch für Testamente, bei deren Errichtung seinerzeit noch ein anderes Recht als Erbstatut zu erwarten war, und dieses Recht das normale Auslegungsstatut darstellt. Ist kein bestimmtes Recht als das einzige Auslegungsstatut für ein Testament erweisbar, das unter mehreren Erbstatuten wirksam sein soll, so muß dieses Testament mit denjenigen Anordnungen, die sich auf einzelne Nachlaßgegenstände beziehen, nach dem Recht ausgelegt werden, das der Belegenheitsstaat dieser Gegenstände zum Erbstatut bestimmt 83 . Beziehen sich Bestimmungen des Testaments auf den ganzen Nachlaß, so kann es dazu kommen, daß das Testament in bezug auf das in dem einen Staat belegene Immobiliarvermögen nach dem dafür maßgeblichen Recht des Belegenheitsstaates, in bezug auf das in dem gleichen Staat befindliche Mobiliarvermögen aber etwa nach dem 684
Testierfähigkeit und Willensmängel
§27
Recht des Wohnsitzstaates als dem Erbstatut hierfür, und in einem anderen Staat in bezug auf das dortige Vermögen nach dem dort allein als Erbstatut berufenen Heimatrecht ausgelegt werden muß. Dagegen ist deshalb nichts einzuwenden, weil ja der Testator mehrere Testamente mit dem gleichen Wortlaut hätte errichten, und hätte hinzufügen können, daß das eine nur für das Immobiliarvermögen im Land X, das andere für das Mobiliarvermögen in X, und das dritte für das Vermögen in Y gelten solle; wenn dann für die verschiedenen Nachlaßteile verschiedene Erbstatuten maßgebend sind, müssen die Testamente trotz gleichen Wortlauts sicher an Hand dieser verschiedenen Erbstatuten ausgelegt werden. Das ist infolgedessen auch dann nicht unsinnig, wenn die Testamente in einer einzigen Urkunde verschmolzen wurden 8 4 . Bei Auslegung eines Testaments unter mehreren Erbstatuten sind nicht nur unterschiedliche gesetzliche Vermutungen über den Sinn der vom Testator verwendeten Worte, sondern auch unterschiedliche Regelungen über die Wege zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung und zur Aufklärung dessen, was der Testator wirklich gedacht hat 85 , heranzuziehen. Dasselbe Testament kann bei Verwendung unter mehreren Erbstatuten auch in verschiedener Weise, soweit es lückenhaft ist, ergänzt werden. Dabei kann das eine Erbstatut eine analoge Anwendung testamentarischer Anordnungen vorsehen, während das andere Erbstatut die Lücke durch Heranziehung von Intestaterbrecht füllen will. Auch hier ist es empfehlenswert, eine ausdrückliche testamentarische Anordnung, des Testament solle, soweit nicht zwingende Bestimmungen des maßgeblichen Erbstatuts entgegenstehen, nach einem bestimmten nationalen Recht ausgelegt und ergänzt werden, zuzulassen; desgleichen ist dem erwiesenen Glauben des Testators an ein solches ergänzendes Recht Bedeutung beizulegen. 4. Testierfähigkeit und Willensmängel Setzt das vom Wohnsitzstaat oder vom Lagestaat gestellte Erbstatut die Testierfähigkeit ausdrücklich auf ein bestimmtes Lebensalter fest, so ist dies maßgebend, und ein etwaiges Begehren des Heimatstaates auf Anwendbarkeit seiner abweichenden Bestimmung mit den allgemeinen Leitprinzipien nicht zu vereinbaren. Eine Regel des Erbstatuts, daß Testierfähige bis zur Erreichung eines bestimmten höheren Lebensalters nur in öffentlicher Form testieren können 86 , dürfte so zu verstehen sein, daß es sich um eine öffentliche Beurkundung mit vorausgegangener Beratung durch eine des anwendbaren Erbrechts kundige Person handeln muß; ein Notar in einem anderen Land als dem des zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatuts kann dann im allgemeinen nicht als sachkundig gelten. Spricht das Erbstatut einfach von der „Geschäfts"fähigkeit als der Voraussetzung für die Testierfähigkeit, so ist damit die Fähigkeit zu Verfügungsgesch'iiten über die im Land des Erbstatuts belegenen Rechte zu verstehen, und nicht eine hiervon möglicherweise verschiedene Fähigkeit zur Teilnahme an obligatorischen Geschäften 87 . Da nun bei der Testamentserrichtung das endgültige Erbstatut noch nicht feststeht, kann das schließlich maßgebliche Recht für die Vererbung das Fortwirken der Gültigkeit des Testaments vorsehen, auch wenn Testierfähigkeit unter diesem endgültigen Erbstatut zu verneinen wäre. Darüber hinaus ist es zweckmäßig, daß das „neue" Erbstatut die Fähigkeit eines Testators, der unter dem bisherigen Erbstatut mit einem bestimmten Alter testierfähig war und testiert hat, durch eine spezielle Vorschrift weiterhin aufrecht erhält, damit der Testator die Möglichkeit hat, das frühere Testament gegebenenfalls zu widerrufen oder zu ändern, auch ehe er die Testierfähigkeit unter dem neuen Erbstatut erreicht 88 . Für die im allgemeinen erst nach dem Erbfall aktuelle Anfechtung eines Testaments wegen eines Willensmangels bei der Errichtung kommen nur die einschlägigen Bestimmun685
§27
Inhaltliche Gültigkeit des Testaments
gen des endgültigen Erbstatuts in Frage, zumal da dieses Recht auch dafür maßgebend sein muß, ob in dem Nichtwiderruf des unter dem Einfluß eines Willensmangels errichteten Testaments, wenn sich der Erblasser später des Willensmangels bewußt wird, eine Heilung des Mangels zu sehen ist 89 . 5. Inhaltliche
Gültigkeit des
Testaments
Welche Anordnungen über das Schicksal des Nachlasses das Testament, um gültig zu sein, enthalten muß, und welche es nicht enthalten darf, das zu bestimmen ist sicher Sache des Erbstatuts, und zwar des letzten endgültigen Erbstatuts 90 . Obwohl es denkbar wäre, daß dieses endgültige Erbstatut bezüglich der inhaltlichen Gültigkeit eines Testaments, das zu einem Zeitpunkt errichtet wurde, als der Testator noch nicht mit diesem Recht als dem Erbstatut rechnen konnte, auf das „alte" Erbstatut verweisen würde, entspricht eine solche Regelung, anders als bei der Form, sicher nicht den Absichten des Urhebers des endgültigen Erbstatuts: Er kann erwarten, daß der Testator von Zeit zu Zeit nicht nur prüft, ob er ein von ihm errichtetes und als noch gültig geglaubtes Testament aufrechterhalten will, sondern auch, ob der Inhalt des schon errichteten Testaments unter dem jeweils zu erwartenden Erbstatut weiterhin gültig ist, sofern der Testator nicht gerade umgekehrt das früher errichtete Testament als nie gültig gewesen, oder aus irgendeinem Grund später hinfällig geworden, betrachten kann. Auch eine nachträglich eintretende Testierunfähigkeit rechtfertigt nicht, daß die inhaltliche Gültigkeit eines Testaments nicht nach dem letzten Erbstatut, sondern nach dem Erbstatut zur Zeit der Testamentserrichtung beurteilt wird. Erst recht ist es zu verwerfen, daß ein Forumstaat in einer gesonderten bilateralen Zuweisungsnorm zugunsten der Gültigkeit des Testaments generell die alternative Anwendbarkeit der zwingenden Bestimmungen des endgültigen Erbstatuts (wie es ja allein für das Intestaterbrecht gelten würde) und der Bestimmungen des zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatuts anordnet 91 . Es ist eine Verletzung des Postulats der Gleichbehandlung der Rechtssubjekte in homogen und heterogen verknüpften Situationen, wenn diejenigen Erblasser, für die das zu erwartende Erbstatut im Laufe ihres Lebens gewechselt hat, durch früher errichtete Testamente mehr Möglichkeiten zum Ausweichen vor den zwingenden Bestimmungen des endgültigen Erbstatuts erhalten als andere Erblasser. Während es anzustreben, wenn auch nicht stets zu erreichen ist, daß ein Testament, welches unter mehreren Erbstatuten relevant wird, nach einem einzigen Recht ausgelegt wird, und das Auslegungsstatut zu diesem Zweck vom Erblasser gewählt werden kann, ist es nicht zu begründen, daß allein der Umstand, daß ein Nachlaß nach mehreren Intestaterbrechten vererbt würde, und der Erblasser nur ein Testament errichtet hat, ausreichen sollte, damit er befugt wäre, eines der Erbstatuten als dasjenige Recht zu wählen, nach welchem allein die inhaltliche Gültigkeit des Testaments zu beurteilen wäre. Während es bei obligatorischen Verträgen die Ungewißheit des gesetzlichen Anknüpfungsmoments — gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall — ist, welche, und sei es auch nur in Grenzen, eine Rechtswahl durch den Urheber des Rechtsgeschäfts rechtfertigt, liegt dieser Grund für eine Wahl des Testamentsstatuts durch den Testator nicht vor, da die Erbstatuten durch einwandfrei feststellbare Anknüpfungsmomente bestimmt werden. Daher besteht auch kein Grund dafür, daß die berufenen und anwendungswilligen zwingenden Bestimmungen eines Erbstatuts über den Testamentsinhalt dadurch ausgeschaltet werden könnten, daß der Testator erklärt, er wolle seinen ganzen Nachlaß unter Anwendbarkeit desjenigen Intestaterbrechts vererbt wissen, welches mangels testamentarischer Anwendung für einen bestimmten Teil des Nachlasses berufen sein würde, und daß er auf diese Weise indirekt die Erbfolge in einem Sinn regeln kann, den er nach einem anderen anwendungswilligen Erbstatut durch ausdrückliche testamentarische Anordnung nicht 686
Inhaltliche Gültigkeit des T e s t a m e n t s
§27
vorsehen könnte. E i n e Rechtswahl im Erbrecht ist daher auch nicht mit der Beschränkung zulässig zu heißen, daß der Erblasser durch Testament bestimmen könnte, er wolle f ü r seinen ganzen N a c h l a ß nicht A n w e n d b a r k e i t des Heimatrechts, sondern des W o h n s i t z rechts (bzw. umgekehrt) als Erbstatut. Betrachten nämlich alle Lagestaaten v o n N a c h l a ß das selbst anwendungswillige Heimatrecht als das Erbstatut, so m a g dieses Erbstatut die testamentarische Regelung der Vererbung in Gestalt der Verweisung auf die intestaterbrechtlichen Vorschriften eines anderen Rechts zulassen; das gilt jedoch nur, soweit damit kein Ergebnis erzielt wird, das der Erblasser durch eine ausdrückliche testamentarische A n o r d n u n g nicht hätte erzielen können. E s ist dann eine unbegründete Privilegierung der nicht im H e i m a t s t a a t w o h n h a f t e n Erblasser, wenn es nur ihnen ermöglicht wird, zwingende B e s t i m m u n g e n des eigentlich anwendbaren testamentarischen Erbrechts dadurch zu umgehen, daß sie zwischen dem Heimatrecht und dem Wohnsitzrecht als Intestaterbstatut wählen d ü r f t e n 9 2 . Soweit das Testament A n o r d n u n g e n über die Ausgestaltung der Rechte der E r b e n u s w . an den vererbten Nachlaßgegenständen enthält, m ü s s e n sie unter dem Bestandsstatut f ü r diese Rechte d u r c h f ü h r b a r s e i n 9 3 . D e m Erbstatut ist z u entnehmen, o b testamentarische A n o r d n u n g e n , die v o n ihm wegen ihres Inhalts mißbilligt werden, v o n A m t s wegen als u n w i r k s a m zu behandeln sind, oder o b die Ungültigkeit von einem im Fall der U n g ü l tigkeit begünstigten Erbprätendenten ausdrücklich geltend gemacht werden m u ß , und o b dafür ein besonderes Verfahren erforderlich i s t 9 4 . Zu den A n f o r d e r u n g e n an den Inhalt des Testaments kann auch eine B e s t i m m u n g gehören, daß alle oder gewisse A n o r d n u n g e n im Testament abschließend inhaltlich fixiert sein müssen, o d e r o b Verweisungen auf andere D o k u m e n t e , die nicht T e s t a m e n t s f o r m haben, zulässig sind. E s kann sich vor allem die Frage stellen, o b der Testator Z u w e n d u n gen an eine P e r s o n machen kann, die ein Dritter erst noch benennen soll, oder die in d e m Testament einer anderen P e r s o n als Destinatar einer Z u w e n d u n g dieses anderen T e s t a t o r s bezeichnet wird o d e r bezeichnet werden k ö n n t e ; es kann sich auch die F r a g e stellen, o b der Erblasser im T e s t a m e n t Z u w e n d u n g e n an Personen machen kann, die er nicht als solche benennt, und die nach seinem Willen in der Weise ermittelt werden sollen, daß geprüft wird, o b sie Intestaterben sind. Eine solche Z u w e n d u n g an „Intestaterben" im Sinne des Rechts, welches E r b s t a t u t f ü r die testamentarische E r b f o l g e ist, ist im allgemeinen gültig; eine Z u w e n d u n g an Intestaterben im Sinne eines anderen R e c h t s 9 5 ist wohl im Zweifel ähnlich wie eine materiellrechtliche Verweisung auf nicht zwingendes ausländisches Recht im internationalen Privatrecht der Schuldverhältnisse z u behandeln. Ist ein T e s t a m e n t nach d e m Recht, welches alsbald nach der Errichtung Erbstatut g e w o r d e n wäre, in vollem U m f a n g wegen eines inhaltlichen Mangels ungültig, und ist dies d e m Testator nachträglich bewußt geworden, w a r er aber im Irrtum darüber, daß das v o n ihm nicht ausdrücklich widerrufene oder nicht zerstörte Testament unter dem endgültigen Erbstatut als inhaltlich gültig betrachtet werden w ü r d e , so sollte das endgültige Erbstatut s o verstanden werden, daß die Möglichkeit einer A n f e c h t u n g hier nicht ausgeschlossen ist. D e m Erbstatut, mit dem der Testator jeweils rechnen muß, sind die B e s t i m m u n g e n zu entnehmen, welche sich mit dem Widerruf eines Testaments und dem fingierten o d e r vermuteten Widerruf beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses, s o w i e mit einem etwaigen Ausschluß der Widerruflichkeit befassen. Wird die V e r m u t u n g der Widerrufsabsicht an das Ereignis der Entstehung eines anderen Rechtsverhältnisses — praktisch einer neuen E h e oder der G e b u r t v o n K i n d e r n — a n g e k n ü p f t , so bereitet die F r a g e Schwierigkeiten, o b eine derartige N o r m dem letzten endgültigen Erbstatut zu entnehmen ist, o d e r dem Recht, welches zu dem fraglichen Zeitpunkt E r b s t a t u t g e w o r d e n wäre, oder gar demjenigen Recht, welches das präjudizielle Rechtsverhältnis beherrscht. A m besten dürfte die zweite L ö s u n g sein; durch „ r ü c k w i r k e n d e " A n w e n d u n g des endgültigen Erbstatuts, welches den 687
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Verpflichtungen in bezug auf erbrechtlich relevantes Verhalten
unterstellten Widerruf nicht kennt, sollte kein Wiederaufleben eines Testaments erfolgen, welches gemäß dem zu erwartenden Erbstatut zur Zeit des Ereignisses als widerrufen galt 96 ' 9 7 ' 9 8 . 6. Verpflichtungen in bezug auf erbrechtlich relevantes Verhalten Kann der Testator nach dem zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatut das Testament durch eine gegenüber einem anderen abzugebende Erklärung — praktisch vor allem in einem gemeinschaftlichen Testament — zu einem nicht widerruflichen Testament machen 99 , so hat doch das endgültige Erbstatut mit einer Bestimmung über die Widerruflichkeit bzw. die Gültigkeit eines abweichenden Testaments den Vorrang, wenn die neue Testamentserrichtung oder der Widerruf erfolgen, nachdem das letzte Erbstatut erkennbar geworden ist 100 . Es bleibt dann aber die andere Frage, ob auch die (evtl. implizierte) rechtsgeschäftliche Verpflichtung zum Nichtwiderruf eines Testaments — oder die Verpflichtung zur Errichtung eines Testaments mit einem bestimmten Inhalt —, die zur Zeit der Errichtung dieses Rechtsgeschäfts nach dem damals zu erwartenden Erbstatut gültig war 1 0 1 , und deren Nichterfüllung zu einem Schadensersatzanspruch gegen den Nachlaß geführt hätte 102 , von dem endgültigen Erbstatut vernichtet werden kann. Das Problem ist im Zusammenhang mit allen anderen rechtsgeschäftlichen, insbesondere vertraglichen Bindungen in bezug auf die zukünftige Ausübung von Rechten und Fähigkeiten im Bereich des Erbrechts zu sehen; dazu gehören auch Erbvertrag und Erbverzicht, sowie Verträge zwischen potentiellen Erben über zukünftige Erbausschlagungen usw. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, daß solche Verträge in den meisten Rechtsordnungen mangels einer ausdrücklichen Bestimmung über ihre Unzulässigkeit von der Generalklausel über die Vertragsfreiheit gedeckt wären, so würde doch die Bestimmung des Geschäftsstatuts für einen solchen Vertrag von der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen abhängen. Gerade dieses Anknüpfungsmoment ist aber, wie früher gezeigt, nicht unwandelbar. Daß die Verknüpfung mit dem Land des endgültigen Erbstatuts für solche Verträge ein besonders starkes Gewicht hat, ist sicher. Dies ist den Parteien auch zur Zeit der Geschäftserrichtung bekannt; sie müssen also schon zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, daß sich der Schwerpunkt ihres Geschäfts auf diese Weise nachträglich verschieben, und daß mit der Begründung einer Verknüpfung, die zu einem anderen endgültigen Erbstatut führt, der Vertrag hinfällig werden kann. Wenn das Vertrauen eines Testators auf die fortdauernde inhaltliche Gültigkeit seines Testaments unter dem im Zeitpunkt der Errichtung zu erwartenden Erbstatut nicht „geschützt" wird 1 0 2 a , so braucht weder sein Vertrauen, noch das Vertrauen seines Vertragspartners auf die fortdauernde Gültigkeit eines „erbrechtlichen" Vertrages gemäß dem bei der Errichtung des Vertrages erwarteten Erbstatut geschützt zu werden. Ist ein Erbvertrag nach dem endgültigen Erbstatut nicht möglich, war er aber unter dem früher zu erwartenden Erbstatut zulässig, so können natürlich die im Erbvertrag enthaltenen Verfügungen einer Partei über das Schicksal ihres Nachlasses durch Umdeutung in testamentarische Verfügungen mangels Widerrufs auch unter dem endgültigen Erbstatut wirksam bleiben. War unter dem Recht, von dem zunächst anzunehmen war, daß es Erbstatut werden würde, das Versprechen des zukünftigen Erblassers, einem anderen eine Beteiligung an dem Nachlaß zu verschaffen, gültig, und sind mit Rücksicht darauf von dem Versprechensempfänger Gegenleistungen zu Lebzeiten des Erblassers, sei es an ihn, sei es an Dritte, erfolgt, so ist, wenn unter dem endgültigen Erbstatut das abgegebene Versprechen mit oder ohne Schuld des Erblassers nicht realisiert wird, eine billige Entschädigung des Versprechensempfängers, der vorgeleistet hat (bzw. des aus dem Vertrag zu begünstigenden Dritten), aus dem Nachlaß angebracht 103 ; sie sollte ihrer Höhe nach zwi688
Entscheidung über Erbstreitigkeiten
§27
sehen der erbrachten Gegenleistung und dem liegen, was die versprochene Erbberechtigung dem Versprechensempfänger gebracht hätte. Ein Erbverzicht eines möglichen Erben gegenüber dem Erblasser, oder gegenüber anderen Miterben, vor dem Erbfall untersteht als eine als unwiderruflich gewollte Vorwegausschlagung des Erbanfalls dem endgültigen Erbstatut. Behandelt dieses den Verzicht als unzulässig oder als widerruflich, so ist, wenn für einen unter einem früher zu erwartenden Erbstatut ausgesprochenen Erbverzicht zu Lebzeiten des Erblassers eine Gegenleistung erfolgt ist, eine Billigkeitslösung angebracht, wenn der Verzichtende darauf besteht, daß er etwas aus dem Nachlaß erhält. e) Die Entscheidung über Erbstreitigkeiten und die Nachlaßabwicklung Die Frage, ob jemand kraft Erbrechts Inhaber des einer verstorbenen natürlichen Person bei ihrem Tode zustehenden Vermögensrechts geworden ist, stellt sich als Teilfrage unter dem Bestandsstatut, wenn der angebliche Erbe Ansprüche aus dem angeblich erworbenen Recht gegen Dritte stellt, und wenn von dem Beklagten entweder die Vererblichkeit des Rechts oder die Legitimation des Klägers als Erbe bestritten wird. Die Frage, ob jemand kraft des maßgeblichen Erbrechts Vermächtnisnehmer geworden ist, stellt sich als Teilfrage, wenn versucht wird, die Haftung des an die Erben gegangenen Nachlasses für das Geldvermächtnis zu verwirklichen, indem die vermachte Forderung gegen die Erben eingeklagt wird. Die Gerichte des Lagestaates von Nachlaß stellen den natürlichen Gerichtsstand für die inzidenter zu beantwortenden erbrechtlichen Teilfragen dar, wenn sie Gerichtsstand für das vererbte Recht oder die Geltendmachung einer Haftung des Nachlasses sind. Das schließt nicht aus, daß die Fragen, wer Erbe, Legatar, Testamentsvollstrecker usw. geworden ist, zum Gegenstand abgesonderter Verfahren gemacht werden, insbesondere für Streitigkeiten zwischen Prätendenten mit entgegengesetzten Behauptungen. Will der Lagestaat, der ja zugleich das Bestandsstatut für die einzelnen zum Nachlaß gehörigen Vermögensgegenstände stellt, die Vererbung durch sein eigenes Recht regeln, so sind seine Gerichte der „natürliche" Gerichtsstand auch für solche selbständigen Verfahren darüber, wer Erbe ist usw; es ist kaum anzunehmen, daß hier die Gerichte des Lagestaates dem Gericht am Wohnsitz des zuerst von dem anderen Erbprätendenten auf Anerkennung seines Erbrechts verklagten Erbprätendenten den Vortritt lassen müßten; desgleichen ist es unwahrscheinlich, daß die Gerichte des Lagestaates, die ihr eigenes Erbrecht anwenden müßten, die gesonderte Feststellung, ob jemand rechtmäßig Testamentsvollstrecker geworden ist, den Gerichten des Staates überlassen würden, wo das Testament errichtet worden ist. Verweist jedoch das internationale Privatrecht des Lagestaates bezüglich der Erbfolge auf das Recht eines anderen Landes, erklärt es also etwa das Heimatrecht des Erblassers zum Erbstatut, so scheinen die Gerichte des Erbstatutsstaates am ehesten berufen, um in solchen selbständigen Verfahren über die erbrechtlichen Fragen allein ihr eigenes Recht anzuwenden; es liegt also auch nahe, daß die von den Gerichten des Erbstatutsstaates getroffenen Entscheidungen zur Anerkennung im Lagestaat besonders geeignet sind. Diese Anerkennung ist jedoch nur dann für den Lagestaat zumutbar, wenn feststeht, daß die Gerichte in dem Staat, der das vom Lagestaat berufene Erbstatut stellen soll, ihrerseits wirklich ihr eigenes Recht anwenden; ist die Berufung des Heimatrechts des Erblassers durch das internationale Privatrecht des Lagestaates nicht von der Anwendungswilligkeit des heimatlichen Erbrechts bedingt, und betrachtet der Heimatstaat gar nicht sein eigenes Recht als anwendbar, so kommt auch eine Anerkennung der von den Gerichten des Heimatstaates, etwa unter Anwendung des Wohnsitzrechts, getroffenen Erbenfeststellungen für den Lagestaat nicht in Frage. Sodann kann die Zuständigkeit der Gerichte im Urheber689
§27
Nachlaßabwicklungsverfahren
Staat des vom Lagestaat berufenen Erbrechts zu gesonderten erbrechtlichen Entscheidungen vom Lagestaat dann nicht anerkannt werden, wenn nicht gesichert ist, daß in diesem fremden Staat auch die Teilfragen, die der Lagestaat gesondert zuweisen wollte, nach dem im Lagestaat berufenen Recht beurteilt werden: Besteht die Rechtsordnung des Lagestaates darauf, daß das nur gemäß der lex loci actus, nicht aber gemäß dem Heimatrecht des Erblassers formgültige Testament der Erbfolge zugrunde gelegt wird, während die Gerichte des Heimatstaates die Formgültigkeit verneinen müssen 104 , so kommt eine Anerkennung der Entscheidung des Heimatstaates über die Frage, wer Erbe ist, im Lagestaat nicht in Frage. Auch die Anerkennung der Zuständigkeit der Gerichte des Erbstatutsstaates zur Entgegennahme von Erklärungen über die Annahme oder Ausschlagung eines erbrechtlichen Erwerbs, über die Geltendmachung von Pflichtteilsrechten oder den Verzicht auf Pflichtteilsrechte usw. entfällt im Lagestaat, wenn feststeht, daß infolge der abweichenden Beurteilung von Teilfragen eine Legitimation des Erklärenden zur Abgabe der Erklärung in dem Erbstatutsstaat gar nicht anerkannt wird: Der durch ein nach der lex loci actus formgültiges, aber im Heimatstaat (Staat des Erbstatuts) nicht als formgültig anerkanntes Testament berufene Testamentserbe muß seine Ausschlagungserklärung bei den Gerichten des Lagestaates anbringen können, wenn dieser allein das Testament als formgültig betrachtet; haben die Gerichte im Heimatstaat des Erblassers die Erklärung des Testamentserben über seine Ausschlagung „vorsorglich" entgegengenommen, so muß das allerdings auch im Lagestaat genügen 1 0 4 3 . Die Anerkennung erbrechtlicher Entscheidungen der Gerichte des Erbstatutsstaates durch den Lagestaat ist also insbesondere dann angebracht, wenn der Lagestaat im Sinne der Grundstatutsmethode keine der vom Erbstatut aufgeworfenen Teilfragen bzw. familienrechtlichen Vorfragen selbständig anknüpfen will. Aber selbst dann sind die Entscheidungen der Gerichte des Erbstatutsstaates im Lagestaat nicht ohne weiteres verwendbar, wenn sie erbrechtliche Wirkungen feststellen, die erst nach Umdeutung entsprechend dem Sachenrecht des Lagestaates vollziehbar sind 1 0 5 . Sind die Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidungen des Erbstatutsstaates in Erbstreitigkeiten im Lagestaat gegeben, so folgt daraus wieder noch nicht, daß den Gerichten im Erbstatutsstaat ohne weiteres auch die Durchführung eines Nachlaßabwicklungsverfahrens zu überlassen sei, und daß dessen Resultate im Lagestaat bezüglich der dort befindlichen Nachlaßgegenstände automatisch anzuerkennen seien 106 . Auch hier kann der Lagestaat auf der Einhaltung einzelner Vorschriften seines eigenen Rechts bestehen, oder die Anerkennung der Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Erbstatutsstaates grundsätzlich ablehnen. So kann der Lagestaat es etwa ablehnen, daß den Miterben und (erst recht einem Alleinerben) mit Staatsangehörigkeit und Wohnsitz im Lagestaat anstelle einer außergerichtlichen Abwicklung eine durch die Gerichte im Heimatstaat des Erblassers dirigierte Abwicklung vom Staat des Erbstatuts oktroyiert, und daß den im Zusammenhang damit erfolgenden Staatsakten automatisch im Lagestaat Anerkennung zuteil werden soll 1 0 7 ; ein Lagestaat wird es sich nicht nehmen lassen, vorläufige Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses gegen unberechtigte Dritte, oder gegen ungetreue Testamentsvollstrecker, durch seine eigenen Behörden gemäß seinem eigenen Recht zu treffen 108 . Der von vielen als Ideal angestrebte „Gleichlauf" des als Erbstatut berufenen materiellen Rechts mit dem Nachlaßabwicklungsverfahren 109 ' 1 1 0 ist oft überhaupt nicht, oder nur mit Einschränkungen zu realisieren. Ist es nicht gesichert, daß in dem Staat, der mit seinem Recht als Erbstatut berufen ist, alle bei der Anwendung dieses Erbstatuts auftauchenden Fragen nach demselben Recht beurteilt werden, nach dem sie unter dem Kollisionsrecht des Lagestaates beurteilt werden sollten, so muß auch die Nachlaßabwicklung für den inländischen Nachlaß in vollem Umfang durch die Gerichte des Lagestaates durchgeführt werden. Es besteht dann kein Grund für sie, das eigene Nachlaßabwicklungsrecht nicht 690
Nachlaßabwicklungsverfahren
§27
anzuwenden, und einen im Staat des berufenen Erbstatuts bestellten Nachlaßverwalter automatisch anzuerkennen 111 . Auch der Heimat- oder Wohnsitzstaat, der sein eigenes Recht „grundsätzlich" als Erbstatut, also gegebenenfalls auch unter Heranziehung ausländischen Rechts für einzelne Teilfragen, als anwendbar erklärt, kann die Zuständigkeit seiner Gerichte für die Nachlaßabwicklung von vornherein selbst wieder auf den inländischen Nachlaß beschränken 112 . Er kann auch ausländischen Nachlaß einbeziehen, und zwar eben unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Voraussetzung, daß im Sinne des Gleichlaufs das im Staat des Erbstatuts durchgeführte Nachlaßabwicklungsverfahren und seine Ergebnisse bezüglich des im Ausland belegenen Nachlasses vom Lagestaat anerkannt werden. Abzulehnen ist, daß der Staat mit dem anwendungswilligen Erbstatut sein Nachlaßabwicklungsrecht im Widerspruch zu der Haltung des Lagestaates durch seine Gerichte anwenden läßt, daß er also z. B. dem Erben verbieten will, den ausländischen Nachlaß ohne eine „Einantwortung" durch die Gerichte im Erbstatutsstaat in Besitz zu nehmen, wenn feststeht, daß der Lagestaat die Inbesitznahme auch ohne eine Einantwortung, oder jedenfalls nach Erwirkung eines Erbscheins durch die Gerichte des Lagestaates, zuläßt. Führt der Lagestaat ein eigenes Nachlaßabwicklungsverfahren neben dem Staat durch, der sein Verfahren, weil er das Erbstatut stellt, auch auf ausländischen Nachlaß erstrecken möchte, so kann es zur Personalunion eines Abwicklungsorgans unter dem einen und dem anderen Abwicklungsrecht kommen. Es ist also etwa möglich, daß in einem Lagestaat von Nachlaß das neuere Testament des Erblassers, im Heimatstaat hingegen nur das ältere Testament als formgültig angesehen wird, daß dieselbe Person in beiden Testamenten zum Testamentsvollstrecker bestellt worden ist, und daß beide Staaten eine außergerichtliche Nachlaßabwicklung durch einen Testamentsvollstrecker zulassen wollen. Für einen solchen Fall können spezialrechtliche Vorschriften des Lagestaates, der nicht das Erbstatut stellt, angebracht sein, um zu verhindern, daß der Testamentsvollstrecker Nachlaßgegenstände aus dem Lagestaat in den Heimatstaat des Erblassers verbringt und dort gemäß dem alten, und nicht gemäß dem neuen Testament verteilt. Im Spezialrecht kann auch vorgesehen werden, daß ein solcher Testamentsvollstrecker unter zwei Rechten erst nach Befriedigung aller im Lagestaat wohnhaften Gläubiger Nachlaßgegenstände aus dem Land verbringen darf. Ist der Lagestaat bereit, angesichts dessen, daß dieselben erbrechtlichen Vorschriften, die nach seinem internationalen Privatrecht berufen sind, etwa auch im Heimatstaat des Erblassers angewendet werden, den Gleichlauf des Nachlaßabwicklungsverfahrens mit dem materiellen Recht durch Anerkennung der alleinigen Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates zu gewährleisten, so bleibt immer noch die Frage, ob ein den geschäftsfähigen Erbberechtigten im Heimatstaat des Erblassers gemäß dessen Recht aufgezwungener und durch Staatsakt bestellter Nachlaßverwalter ohne weiteres auch in einem anderen Lagestaat von Nachlaß zur Ausübung seiner Funktionen als zugelassen zu betrachten ist 1 1 3 . Handelt es sich um einen im Erbstatutsstaat bestellten Nachlaßkonkursverwalter, so kann von einer Erstreckung seiner Funktionen auf Nachlaß in einem anderen Staat nicht die Rede sein, wenn auch ein fremder Konkursverwalter für das Vermögen eines Lebenden oder einer Stiftung im Lagestaat nicht automatisch anerkannt würde 1 1 4 . Hat eine Behörde des Staates, der das Erbstatut stellt, die gesetzliche Aufgabe, die nicht im rechtmäßig fortdauernden Besitz dritter Personen befindlichen Nachlaßgegenstände in Besitz zu nehmen und zu verwahren 115 , so darf sie schon nach Völkerrecht einen derartigen gesetzlichen Auftrag nicht auf fremdem Staatsgebiet durchführen. Daher ist auch der Konsul des Staates, der zugleich Erbstatutsstaat, Heimatstaat des Erblassers und Heimatstaat des Erben ist, ohne ausdrückliche Ermächtigung in einem Staatsvertrag 116 durchaus nicht befugt, einen solchen Auftrag gemäß dem Recht seines Entsendestaates im Empfangs691
§27
Nachlaßverwaltung
Staat d u r c h z u f ü h r e n 1 1 7 ; die Bedenken sind besonders stark, wenn zwar der Erblasser dem Entsendestaat des Konsuls angehörte, aber unter den Erben sich Staatsangehörige des Lagestaates befinden. D i e einschlägigen Verträge sind zumeist auch nicht dahin zu verstehen, daß der Konsul als ein von beiden Staaten bestellter Abwesenheitspfleger der im Entsendestaat vermuteten Erben eines Erblassers dann noch auftreten könnte, wenn sich die Erben persönlich oder durch einen von ihnen bestellten Vertreter im Lagestaat gemeldet haben, um dortselbst ihre Erbenrechte w a h r z u n e h m e n 1 1 8 . Eine durch das Gericht des Erbstatutsstaates zum Nachlaßverwalter bestellte Person, die nicht als Behörde, sondern als Privatperson handeln s o l l 1 1 9 , und deren A u f g a b e es sein soll, dafür zu sorgen, daß aus dem vom Nachlaßverwalter in Besitz genommenen Nachlaß vorweg die Nachlaßgläubiger befriedigt werden, ehe Nachlaß an Vermächtnisnehmer und Erben ausgehändigt wird, ist, wenn diese Person nicht ohnehin ausdrücklich als K o n k u r s verwalter für einen als überschuldet angenommenen Nachlaß bestellt wird, nicht anders zu behandeln wie der Liquidator einer rechtsfähigen Vermögensmasse, der selbst zu prüfen hat, o b er die Gläubiger aus der Masse voll befriedigen kann, oder ob er die U m w a n d l u n g seiner Position in die eines Konkursverwalters zwecks anteiliger Befriedigung der Gläubiger einzuleiten hat. D e r einzelne Lagestaat von Nachlaß hat dann, wenn er nicht selbst das Erbstatut stellt, ebenso wie beim K o n k u r s , ein Interesse daran, daß diejenigen Gläubiger, die sich im Inland aus dem dort vorhandenen Vermögen bei Lebzeiten des Erblassers hätten befriedigen können (und zwar in der vom Lagestaat verfügten Rangfolge), nicht dadurch benachteiligt werden, daß ein ausländischer Nachlaßverwalter die Nachlaßaktiven einsammelt, in den Staat verbringt, der ihn bestellt hat und dort gemäß dem Recht zur Gläubigerbefriedigung verwendet, welches dieser bestellende Staat als anwendbar erklärt. Ferner hat der Lagestaat ein Interesse daran, daß inländischer Nachlaß nicht vom Nachlaßverwalter auch nach Bezahlung der Schulden aus dem L a n d herausgezogen, und auf diese Weise die Befriedigung der erbrechtlichen Ansprüche solcher Personen erschwert wird, die auf dem Gebiet des Lagestaates ansässig oder gar dort Staatsangehörige s i n d 1 2 0 . Aus diesen Gründen ist eine „blinde" Anerkennung des im Staat des Erbstatuts ohne einen dahingehenden Willen des Erblassers durch Staatsakt bestellten Nachlaßverwalters im Lagestaat nicht angebracht 1 2 1 . Sie muß gegebenenfalls auf der Basis der Gegenseitigkeit 1 2 2 und jedenfalls mit der Maßgabe erfolgen, daß die soeben erwähnten Interessen des Lagestaates gesichert sind. D a s kann im Zusammenhang mit einem Verfahren über die förmliche Anerkennung des dem Nachlaßverwalter v o m bestellenden Staat erteilten Zeugnisses erfolg e n 1 2 3 . Ist der im Erbstatutsstaat durch Staatsakt bestellte Nachlaßverwalter gemäß dem Recht dieses Staates ohnehin nur verpflichtet, die Verwaltung des d o r t befindlichen N a c h lasses durchzuführen, so kann er gegen seinen Willen auch nicht von einem anderen Lagestaat verpflichtet werden, seine Funktionen auf das dortige Vermögen zu erweitern 1 2 4 . Beantragt ein Gläubiger im Lagestaat Nachlaßverwaltung unter dem dortigen Recht, so kann ein Gericht des Lagestaates durchaus G r u n d haben, zur Sicherung der Befriedigung der inländischen Gläubiger eine andere Person zum lokalen Nachlaßverwalter zu bestellen als diejenige, die im Erbstatutsstaat bereits zum Nachlaßverwalter bestellt worden ist; das gilt auch dann, wenn der Erbstatutsstaat seinem Nachlaßverwalter den Auftrag gegeben hat, jedes Angebot eines anderen Lagestaates auf Erweiterung seiner Funktionen anzunehm e n 1 2 5 . D i e Annahme, daß ein im Urheberstaat des Erbstatuts bestellter Nachlaßverwalter auf eigenes Verlangen, oder gar automatisch, die Rolle eines Nachlaßverwalters im Lagestaat gemäß den Verfahrensbestimmungen des Erbstatutsstaates ausüben könne und müsse, ohne daß die Voraussetzungen für eine Nachlaßverwaltung unter dem Recht des Lagestaates (Antrag eines Gläubigers oder Miterben) gegeben sind, ist abzulehnen. E s gilt dies auch dann, wenn die Nachlaß Verwaltung v o m Erbstatut als eine Institution des materiellen Erbrechts aufgezogen wird, indem der Nachlaßverwalter selbst als „ D u r c h 692
Nachlaßschulden
§27
gangserbe" oder „Zwischenerbe", oder als Organ einer juristischen Person aufgefaßt wird, die ihrerseits (als „ruhende Erbschaft" usw.) Durchgangserbe sein soll 1 2 6 . f) Nachlaßschulden und Nachlaßforderungen 1.
Nachlaßschulden
Die Verwirklichung der Haftung der Nachlaßgegenstände für persönliche Schulden des Erblassers, die nicht mit seinem Tode erlöschen, soll nach allen Rechten sicher durch den Erbfall nicht unbillig erschwert werden. Trotzdem kann der Tod des Beklagten in einem anhängigen Prozeß in vielen Ländern zu einer zeitweiligen Aussetzung des Verfahrens führen. Als verfahrensrechtliche Regelung zu betrachten und daher dem Recht des Forumstaates zu entnehmen ist auch eine Regelung über ein Moratorium von Geldforderungen gegen einen Nachlaß, da ja damit die Erhebung von neuen Klagen zeitweise gehemmt werden soll. Klagen eines Nachlaßgläubigers sind zu richten gegen diejenigen Personen, die das im Forumstaat anwendbare Nachlaßabwicklungsrecht als zur rechtsgeschäftlichen Verfügung über die dort belegenen Nachlaßteile befugt erklärt, also entweder den (die) Erben, oder den Testamentsvollstrecker, oder einen vom Gericht eingesetzten Nachlaßverwalter 127 . Ist in einem Staat A ein anderer als im Staat B der verklagbare Erbe, so kann das im Staat A gegen den dortigen Erben ergehende Urteil nicht in B gegen den dort belegenen Nachlaß vollstreckt werden; das gleiche gilt, wenn verschiedene Personen in den verschiedenen Belegenheitsstaaten den Nachlaß verwalten und für Prozesse passivlegitimiert sind. War für das Rechtsverhältnis, aus welchem geklagt und die Haftung des Nachlasses geltend gemacht wird, ein ausschließlicher Gerichtsstand in einem bestimmten Land vereinbart, so werden die Vertreter des Nachlasses in den anderen Staaten ihre Bindung durch ein am ausschließlichen Gerichtsstand herbeigeführtes Urteil in einem Verfahren, in dem der dortige Nachlaßverwalter auftrat, nicht bestreiten können, doch muß eventuell gegen die Erben oder Nachlaßverwalter in den anderen Ländern eine neue Klage auf Anerkennung der Bindung durch das Urteil, das an dem zur Sachentscheidung ausschließlich zuständigen Gerichtsstand ergangen ist, erhoben werden, damit die Haftung des dort belegenen Nachlasses realisiert werden kann 1 2 8 . Ein Belegenheitsstaat von Nachlaß, an dem vor dem Tode des Erblassers gegen ihn nicht geklagt werden konnte, kann sich aber veranlaßt sehen, insbesondere inländischen Gläubigern einen Gerichtsstand neu zu eröffnen, wenn die Vertreter des Nachlasses an dem zu Lebzeiten des Erblassers maßgeblichen ausschließlichen Gerichtsstand in einem anderen Belegenheitsstaat nicht als verfügungsbefugt anerkannt werden. Wird ein Nachlaßgläubiger in einem der Belegenheitsstaaten aus dem Nachlaß nach oder ohne Prozeß befriedigt, so sind damit seine Ansprüche auf Befriedigung auch gegenüber anderen Personen, die in anderen Staaten als Erben gelten und etwas aus dem Nachlaß erhalten haben, weggefallen. Es bleibt aber die Frage, ob die in verschiedenen Belegenheitsstaaten von Nachlaß zu Erben oder Nachlaßverwaltern gewordenen Personen nicht untereinander Ausgleichsansprüche haben mit dem Ziel, das zur Befriedigung von Nachlaßgläubigern Geleistete proportional auf die verschiedenen Nachlaßbelegenheitsstaaten zu verteilen 1 2 9 . Das sollte bejaht werden 1 3 0 . Hingegen ist es nicht gerechtfertigt, einem klagenden Gläubiger nur einen den Nachlaßaktiven im Urteilsstaat entsprechenden Teil seiner Forderung zuzusprechen und ihm anheim zu geben, den Rest in den anderen Belegenheitsstaaten einzuklagen. Hat der Erblasser im Testament Anordnungen getroffen, aus welchen Teilen seines Nachlasses eine Nachlaßschuld zu begleichen ist, so sind Erben und Nachlaßverwalter hieran gebunden, nicht aber der Gläubiger. Beansprucht ein Staat, Erbschaftssteuern mit Rücksicht auf die inländische Staatsangehörigkeit oder den inländischen Wohnsitz auf der Basis des ganzen Nachlasses zu erheben, 693
§27
Nachlaßforderungen
und wird die Steuer aus dem in diesem Staat belegenen Vermögen gezahlt oder beigetrieben, so sollte ebenfalls eine anteilige Heranziehung des Nachlasses in anderen Belegenheitsstaaten nicht verweigert werden, d. h. es müssen entsprechende Ausgleichsansprüche zwischen den Erben zugelassen werden. Die letztlich Erbberechtigten in einem Lagestaat haben auch nicht das Recht, einen für alle Staaten zuständigen Nachlaßverwalter zu hindern, Mittel zur Bezahlung der Erbschaftssteuer an den Heimatstaat des Erblassers aus dem Nachlaß in anderen Staaten zu entnehmen, wenn ein anderes Verhalten für den Nachlaßverwalter Bestrafung oder persönliche Haftung im Heimatstaat des Erblassers zur Folge hätte 131 . Die Beteiligung an der Bezahlung hinkender privatrechtlicher Forderungen obliegt nur den Nachlaßteilen in denjenigen Staaten, für die das Bestehen der Forderung bejaht wird. Die Reservierung der Nachlaßmasse für Nachlaßschulden erfolgt in vielen Ländern automatisch durch Einrichtung einer Nachlaßverwaltung. Soweit die Befugnisse eines solchen Nachlaßverwalters sich auf das in einem Land belegene Vermögen beschränken, haben in anderen Ländern die Nachlaßgläubiger gegebenenfalls die vom Recht dieser Staaten vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen um zu verhindern, daß persönliche Gläubiger der Erben dort aus dem Nachlaß befriedigt werden, ehe die Nachlaßschulden bezahlt sind. Die Regelung der Frage der Mithaftung des eigenen Vermögens der Erben für Nachlaßschulden mangels Vornahme der zur Haftungsbeschränkung notwendigen Akte ist, was vielfach nicht recht erkannt wird, keineswegs in erster Linie Sache des Erbstatuts, sondern Sache eines jeden Staates, wo sich sowohl Nachlaß, als auch eigenes Vermögen der Erben befindet 132 , da ja auch die Gläubiger der Erben aus den von diesem Staat geschützten Rechtsverhältnissen ein Interesse daran haben können, daß ihre Chancen zur Befriedigung nicht dadurch verschlechtert werden, daß der Erbe für die Schulden eines überschuldeten Nachlasses haftbar gemacht wird. Praktisch wird es höchst selten vorkommen, daß ein Nachlaßgläubiger die Mithaftung von Erbenvermögen in einem Staat realisieren will, in dem nicht auch Nachlaß belegen ist; in der Praxis ist es überdies äußerst selten, daß ein Erbe eines überschuldeten Nachlasses seine Haftung nicht selbst beschränkt, sofern dies nicht automatisch erfolgt. 2. Nachlaßforderungen Wenn letztlich, nämlich direkt durch Anwendbarerklärung von eigenem Erbrecht, oder indirekt durch Berufung eines ausländischen Erbstatuts, der neue Inhaber eines Vermögensgegenstandes allein durch den Staat bestimmt wird, dessen Recht für den Bestand des subjektiven Rechts maßgebend ist, so ist dies bei Monopolrechten ohne weiteres durchführbar. Ist ein Eigentumsrecht an Sachen in einem Traditionspapier verkörpert, so kann angenommen werden, daß das Recht des Lageortes der Sache auch denjenigen, der das Papier am Lageort in Durchführung der dort berufenen erbrechtlichen Regelung zu Eigentum erhält, als neuen Eigentümer anerkennen wird. Eine Forderung auf eine Geldleistung, für die nur eine bestimmte Sache haftet, erhält beim Tode des Inhabers einen neuen Inhaber gemäß dem Erbrecht, das am Lageort der haftenden Sache berufen ist. Dasselbe gilt aber auch, wenn an einer dem Schuldner nicht gehörigen Sache ein Pfandrecht für eine Forderung des Erblassers bestellt wurde; auch hier ist als Erbe zur Geltendmachung dieser Pfandhaftung derjenige befugt, der im Lagestaat der haftenden Sache Inhaber etwaiger anderer dort belegener Nachlaßgegenstände wird. Das schließt nicht aus, daß die persönliche Haftung des in einem anderen Staat belegenen Schuldnervermögens durch eine dort als Erbe anerkannte Person durchgesetzt werden kann. Ist ein Recht auf Leistungen des Schuldners in einem Traditionspapier verkörpert, so gilt dasselbe wie das, was vorhin über das in einem Traditionspapier verkörperte Recht an 694
Anpassung des Erbstatuts an Sachenrecht des Belegenheitsstaates
§ 27
Sachen gesagt wurde: Wegen der Forderung kann im Lagestaat des Papiers das dort belegene haftbare Vermögen des Schuldners durch denjenigen in Anspruch genommen werden, der in diesem Staat als Erbe des Papiers und der Forderung gilt, oder als Nachlaßverwalter mit Verfügungsbefugnis. Kann der Nachlaßschuldner nur an einem vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstand verklagt werden, so kann nur der im Sinne des dortigen Rechts legitimierte Erbe oder Nachlaßverwalter die Forderung einklagen und in diesem Staat vollstrecken. Reicht das Schuldnervermögen im Urteilsstaat nicht aus, so mag der Urteilsgläubiger Vollstreckung in einem anderen Belegenheitsstaat von Schuldnervermögen versuchen; er riskiert aber dabei, daß, wenn in diesem anderen Staat ein anderer Erbe oder Nachlaßverwalter ist, von diesem Aushändigung des Vollstreckungserlöses verlangt wird. Konnte der Nachlaßschuldner in mehreren Staaten vom Erblasser verklagt werden, und hat er dort Vermögen, in das vollstreckt werden kann, und gelten in diesen Staaten nicht dieselben Personen als Erben, so besteht die Gefahr, daß der Schuldner von verschiedenen Erben (oder verschiedenen Nachlaßverwaltern) in mehreren Staaten in Anspruch genommen w i r d 1 3 2 3 . Mit der Einrede der Rechtshängigkeit oder mit Streitverkündung kann dann der Schuldner meist wenig ausrichten. Ist jedoch auf Grund des zuerst in einem Staat ergangenen Urteils Vollstreckung in das Schuldnervermögen erfolgt, oder hat der Schuldner zur Abwendung der Zwangsvollstreckung die Urteilsschuld beglichen, so fragt es sich, ob der Erbe (Nach laß Verwalter) in dem anderen Prozeßland, der Bezahlung an sich gefordert hat, sich entgegenhalten lassen muß, daß der Schuldner durch Zahlung in dem anderen Staat befreit sei. Ähnlich wie bei der Pfändung der Forderung 1 3 3 ist hier davon auszugehen, daß die Erben des Gläubigers, der nach seiner Wahl in einem von mehreren Staaten Zahlung verlangen und klagen konnte, oder dem der Schuldner nach seiner Wahl hier oder dort Zahlung leisten konnte, das Risiko der mehrfachen Belegenheit der Forderung und der Verschiedenheit der in den Lagestaaten berufenen Erbrechte tragen, derart daß der Schuldner die Forderung gegenüber allen Erben dadurch zum Erlöschen bringt, indem er an den Erben oder Nachlaßverwalter zahlt, der in einem dieser Staaten als erster Zahlung begehrt und vom Standpunkt dieses Staates her dazu legitimiert ist. Vertretbar ist aber auch, daß der Schuldner befreit wird, wenn er bei Fälligkeit der Forderung in einem Land, in dem er verklagt werden könnte, und das er sich selber aussucht, die Schuldsumme hinterlegt. Es sollte aber auch als befreiend gelten, wenn der Schuldner einen Teil der Schuldsumme hier, und einen anderen Teil dort hinterlegt. Kommen die Erben oder Nachlaßverwalter in den verschiedenen Ländern, wo der Schuldner belangt werden könnte, zu einer Einigung, wer gegen den Schuldner vorgehen soll, so ist diese Einigung allerdings auch für den Schuldner bindend. g) Die Anpassung der Regelungen des Erbstatuts an zwingendes (Sachen-)Recht des Belegenheitsstaates Ein Erblasser kann im Lagestaat Vermögensrechte innehaben, die ihrer Art nach dem Privatrecht, welches das Erbstatut stellt, unbekannt sind, also im eigenen Geltungsgebiet des Erbstatuts nicht hätten begründet werden können. Dennoch kann der Erblasser in einem Testament, welches vom Erbstatut zugelassen wird, über solche Rechte gültig verfügen, und ein vom Erbstatut vorgesehener Erwerb irgendwelcher Vermögensrechte kraft Intestaterbfolge bezieht sich auf derartige Rechte. Umgekehrt kann das Intestaterbrecht des Erbstatuts oder ein unter dem Erbstatut gültiges Testament vorsehen, daß die kraft Erbrechts zu begünstigenden Personen, oder daß ein Nachlaßverwalter an den Nachlaßgegenständen „dingliche" Berechtigungen in solchen Rechtsformen erhalten sollen, die der Lagestaat der Vermögensgegenstände weder in seinem allgemeinen Sachenrecht, noch speziell im Zusammenhang mit der Erbfolge 695
§ 27
Anpassung des Erbstatuts an Sachenrecht des Belegenheitsstaates
kennt. Das gilt etwa für Miteigentumsverhältnisse, wenn deren Auflösung vom maßgeblichen Erbrecht unmöglich gemacht wird, während das Sachenrecht des Lagestaates auf Verlangen eines Beteiligten eine Teilung zwingend vorschreibt. Das Bestandsstatut des vererbten Monopolrechts kann eine zeitliche Aufteilung des Rechts — etwa Eigentum an Grundstücken auf Zeit — ausschließen, während das Erbstatut solche zeitlichen Aufteilungen gerade als er^rechtliche Einrichtungen vorsehen kann. Häufig verschafft das Erbstatut einem Nachlaßverwalter als Zwischenerben 1 3 3 a die Rolle eines zeitweiligen formalen Inhabers der Nachlaßgegenstände mit internen treuhänderischen Bindungen gegenüber den „letztlich" Erbberechtigten, während das Lagerecht eines Nachlaßgegenstandes den Nachlaßverwalter wie einen Verwalter fremden Vermögens nötigt, offen als Wahrnehmer von Rechten anderer aufzutreten. Das Erbstatut kann möglicherweise Anordnungen des Testators zulassen, durch welche zeitweise das Eigentum an Nachlaßgegenständen nicht für persönliche Schulden einer erbenden natürlichen oder juristischen Person haftbar gemacht werden kann, sondern eine ähnliche Stellung hat wie das Vermögen einer Stiftung, während das Bestandsstatut der Rechte im Nachlaß eine solche Regelung nicht zuläßt 1 3 4 . Handelt es sich um testamentarische Anordnungen der eben beschriebenen Art, die unter dem Belegenheitsrecht undurchführbar sind, so enthält meist schon das Erbstatut Vorschriften in dem Sinne, daß eine aus Rechtsgründen undurchführbare Verfügung im Testament in eine rechtlich zulässige Verfügung mit möglichst ähnlicher wirtschaftlicher Wirkung umzudeuten ist; selbst wenn ein Erbstatut bei solcher Umdeutung von Verfügungen, falls sie auf Grund des Erbstatuts als unzulässig erscheinen, zurückhaltend ist, so wird es doch bei einer Umdeutung mit Rücksicht auf Hindernisse im Recht des Lagestaates meist eher bei der Hand sein. Selbstverständlich ist es auch denkbar, eine im Lagestaat von Nachlaß mit Rücksicht auf dessen Sachenrecht undurchführbare testamentarische Anordnung durch das Erbstatut dahin umzudeuten, daß die Beteiligten eine Einigung darüber herbeizuführen haben 1 3 5 , oder daß ein Testamentsvollstrecker veranlassen darf, daß das betreffende Vermögensstück in einen anderen Staat verbracht wird, unter dessen Sachenrecht die testamentarische Anordnung durchgeführt werden kann 1 3 6 . Handelt es sich um Bestimmungen des Intestatrechts, oder um das Ergebnis der Auslegung von testamentarischen Anordnungen nach Maßgabe des Erbstatuts, deren Verwirklichung im Lagestaat auf Grund des dortigen zwingenden Sachenrechts auf Schwierigkeiten stößt, so obliegt es praktisch in erster Linie den Gerichten des Lagestaates, diese erbrechtlichen Vorschriften in solche umzudeuten, welche mit den zwingenden Bestimmungen des Lagestaates vereinbar sind und dem wirtschaftlichen Zweck der Institution des Erbstatuts noch am nächsten kommen. Der executor eines englischen Testaments wird also nicht treuhänderischer „Eigentümer" des in Deutschland belegenen und nach englischem Recht vererbten beweglichen Vermögens, sondern er wird Testamentsvollstrecker im Sinne des deutschen Rechts, dessen Verwaltungs- und Vertretungsbefugnisse zu Verfügungsgeschäften unter Ausschaltung der Erbberechtigten innerhalb des äußersten Rahmens des zwingenden deutschen Rechts so weit gehen, wie es das englische Recht im praktischen Ergebnis will. Ein Trust des englischen Rechts an Gegenständen, die nach der Anordnung des Testators in Deutschland verbleiben müssen, wird in eine Vorerbschaft oder ein Nießbrauchsrecht unter verlängerter Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker umgedeutet werden müssen, um in bezug auf das deutsche Vermögen in der deutschen Rechtsordnung wirksam zu sein. Diese sachenrechtlichen Gestaltungen des deutschen Rechts würden dann auch von einem englischen Gericht hingenommen werden müssen. Das Recht des Lagestaates bestimmt letztlich darüber, welche Geschäfte unter Lebenden die Wirkung haben können, daß ein Vermögensgegenstand gar nicht von einer nach inländischem oder ausländischem Erbstatut geregelten Erbfolge erfaßt wird, weil sein Schicksal beim Tode des Inhabers durch Geschäft unter Lebenden vorweg geregelt ist, 696
Anrechnung von Schenkungen
§27
ohne daß von einer Sondererbfolge 1 3 7 gesprochen werden kann. Dies wird z. B. wichtig bei offenen oder verkappten Schenkungen von Vermögensgegenständen, wenn bei der Schenkung bestimmt wird, daß der Schenker das Verschenkte bis zum Tode besitzen und nutzen, ja vielleicht sogar austauschen darf, oder wo der Übergang des Rechts auf den Beschenkten im Zeitpunkt des Todes (oder eine kurze Frist vor dem Tode) erfolgen s o l l 1 3 8 . Wenn der Belegenheitsstaat für den Fall, daß er zugleich selbst das Erbstatut stellt, bestimmt, daß eine solche Schenkung nur durch Umdeutung in eine letztwillige Verfügung gültig werden kann, so daß sie, wenn die Form für eine solche Verfügung gewahrt ist, als Vermächtinis im Sinne dieses Erbrechts behandelt werden m u ß 1 3 9 , so wird der Gegenstand der Schenkung damit auch für die Unterstellung unter ein ausländisches Erbstatut freigegeben. Auf der anderen Seite kann das berufene und anwendungswillige Erbrecht bestimmen, daß unentgeltliche Erwerbe, die einem der zu Erben Berufenen zu Lebzeiten vom Erblasser verschafft wurden, insbesondere wenn sie ihm erst beim Tode des Erblassers aus einem nicht erbrechtlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden zugute kommen, auf sein Erbteil angerechnet werden müssen; die Anrechnung äußert sich dann in einer Verringerung dessen, was ein Erbe als Quotenerbe erhält, oder in einer Verringerung eines ausgesetzten Vermächtnisses, möglicherweise auch in einem Ausgleichsanspruch anderer Miterben, verbunden mit der Zurückhaltung der Aushändigung des Ererbten bis zur Begleichung des Ausgleichsanspruchs. Auch wenn das zu Lebzeiten vom Erblasser unentgeltlich Zugewendete sich noch im Lagestaat vom eigentlichen Nachlaß befindet, wird sich dieser Staat im allgemeinen nicht veranlaßt sehen, in solchen Bestimmungen des Erbstatuts über die Anrechnung von Vorempfängen eine Vereitelung der Regelung seines Rechts zu sehen, wonach die Schenkung gültig sei, und das Zugewendete nicht in den Nachlaß fallen soll. Der Konflikt zwischen einem Anspruch des Lagestaates, die (unentgeltliche) Verfügung über ein Recht durch den Inhaber zu dessen Lebzeiten endgültig geregelt zu haben, und einem Anspruch des Erbstatuts, Verfügungen des Erblassers, die zu Lebzeiten erfolgten, zu korrigieren, wird aktuell beim Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den nicht zu den Erbberechtigten gehörigen Beschenkten. Hier kann, wenn das Geschenkte einen festen Lageort hat, das Recht des Lagestaates zur Zeit der Schenkung diese für einen späteren Anspruch des Pflichtteilsberechtigten „anfällig machen", wenn der Lagestaat in seinem Erbrecht zur Zeit der Schenkung Pflichtteilsergänzungsansprüche kennt. In anderen Fällen kann das gemeinsame oder übereinstimmende Personalstatut von Schenker und Beschenktem, wenn es seinerseits eine solche Vorschrift kennt, die Schenkung für Pflichtteilsergänzungsansprüche „anfällig machen". Eine so von Anfang an für Pflichtteilsergänzungsansprüche anfällige Schenkung kann dann später tatsächlich Gegenstand von Herausgabeansprüchen unter dem endgültigen Erbstatut werden, wenn der geschenkte Gegenstand oder ein Surrogat sich beim Erbfall in einem Staat befindet, wo das berufene Erbrecht den Pflichtteilsergänzungsanspruch vorsieht. Alle zur Zeit der Vornahme nicht auf die eine oder andere Weise für Pflichtteilsergänzungsansprüche anfällig gemachten Schenkungen bleiben hingegen von derartigen Bestimmungen in dem endgültigen Erbstatut unberührt. Ähnliche Gesichtspunkte wie die oben behandelten müssen gelten, wenn der Lagestaat an bestimmten Gegenständen eine Sondererbfolge vor sich gehen läßt, und das „allgemeine" Erbstatut diese Erwerbe auf die von ihm vorgesehenen Erbberechtigungen anrechnen will. Besondere Regeln gelten für die Berücksichtigung von Erwerben kraft Ehegüterrechts bei der Erbfolge 1 4 0 . A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik 1 4 0 ® Das internationale Erbrecht des Einführungsgesetzes zum B G B geht von der Vorstellung aus, der Heimatstaat sei legitimiert, mit seinem Recht die Erbfolge seiner Staatsange697
§27
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
hörigen auch bezüglich des im Ausland belegenen Vermögens zu „beherrschen", wenn er es so will. Daß dieser Gedanke nicht durchführbar ist, wenn der Lagestaat das einzelne Vermögensrecht im Nachlaß einem anderen als der nach dem Heimatrecht erbberechtigten Person verschafft, wird vom deutschen Gesetzgeber indirekt anerkannt, aber findet insbesondere in Art. 28 EGBGB nur unvollkommen Ausdruck 141 . In der Auslegung, die die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Art. 28 in Erbsachen schließlich gegeben hat 142 , ist eine vor anderen Zuweisungsnormen vorrangige Verweisung des deutschen internationalen Privatrechts auf das Recht des ausländischen Lagestaates anzunehmen, insoweit dieser für seine erbrechtlichen Vorschriften unter Verwendung des Anknüpfungsmomentes der Belegenheit selbst Anwendung beansprucht; dabei spielt es keine Rolle, ob der Lagestaat Anwendung beansprucht für Vorschriften über eine Sondererbfolge in bestimmte Gegenstände, oder ob er seine eigenen Vorschriften über Universalsukzession auf inländisches Vermögen anwenden will. Nach einhelliger Ansicht von Praxis und Wissenschaft soll aus Art. 28 EGBGB jedoch keine Gesamtverweisung auf das Kollisionsrecht des Lagestaates entnommen werden, insoweit als der Lagestaat die Vererbung des dortigen Vermögens etwa nach dem Domizilrecht vor sich gehen läßt. Die Verweisung des Art. 25 auf das ausländische Heimatrecht des Erblassers wird zugunsten des deutschen Rechts als Lagerecht durchbrochen, insoweit als das deutsche Recht bezüglich einzelner in Deutschland belegener Gegenstände Sondererbfolgevorschriften enthält, wie das wiederum vor allem für Erbhöfe angenommen wird 143 . Anwendung des deutschen Erbrechts ist im übrigen bei deutscher Staatsangehörigkeit des Erblassers 144 , gewöhnlichem Aufenthalt von Staatenlosen im Inland, und bei inländischem Wohnsitz von Flüchtlingen im Sinne der Genfer Abkommen vom 28. 7. 1951 und 31. 1. 1967 vorgesehen 145 . Läßt ein fremder Lagestaat, der zugleich Wohnsitzstaat eines deutschen Erblassers war, in den nicht durch Art. 28 erfaßten Fällen ein anderes Erbrecht als das deutsche mit abweichenden Bestimmungen maßgeblich sein, so reagiert der Gesetzgeber des Einführungsgesetzes darauf mit einer Retorsionsvorschrift: Ein in Deutschland wohnhafter Angehöriger eines fremden Staates, in dem deutsche Erblasser nicht in dem Umfang nach deutschem Erbrecht beerbt werden wie es das deutsche Recht will, soll seinerseits nicht nach dem anwendungswilligen Heimatrecht, sondern nach deutschem Recht beerbt werden, insoweit auf Grund dieser Vorschriften ein deutscher Erbprätendent (aus dem in Deutschland belegenen Nachlaß) etwas erhalten kann, was er nicht auch schon nach dem Heimatrecht des Erblassers erhalten würde, vgl. Art. 25 S. 2 EGBGB. Ob durch den Anspruch des deutschen Erbprätendenten auf Anwendung deutschen Rechts Erbberechtigte unter dem ausländischen Erbstatut mit der Staatsangehörigkeit des Erblassers, oder Deutsche, oder Angehörige dritter Staaten benachteiligt werden, spielt keine Rolle 146 . Daß der Lagestaat die Macht hat, die Nachlaßgegenstände demjenigen zu verschaffen, der nach dem von seinen Gerichten anwendbaren Recht erbberechtigt ist, und daß er die nach dem in Deutschland berufenen Erbrecht berufenen Erbprätendenten dabei übergehen kann, unterstellt der Gesetzgeber sodann auch in Art. 26 EGBGB. Es ist bis zum heutigen Tage umstritten, ob in dem Fall des Art. 26 diejenigen, denen vom Standpunkt des deutschen Rechts her die nach Deutschland verbrachten Nachlaßgegenstände eigentlich zukommen, ihren Anspruch in der Weise realisieren können, daß sie Klage gegen diejenigen erheben, denen unter Vermittlung deutscher Behörden Nachlaßgegenstände ausgehändigt worden sind, die zunächst im Ausland belegen waren. Meines Erachtens ist das zu verneinen. Während einerseits also in gewissem Umfang der vom Lagestaat eingenommene Standpunkt bezüglich der Erbfolge im deutschen internationalen Privatrecht vorrangig zum Zuge kommt, aber keine generelle Gesamtverweisung auf das Recht fremder Lagestaa698
Testament
§27
ten anzunehmen ist, wird die Verweisung in Art. 25 EGBGB auf das ausländische Heimatrecht des Erblassers 147 im Zeitpunkt des Todes in vollem Umfang als Gesamtverweisung gedeutet: Jede Rückverweisung auf deutsches Recht 1 4 8 wird als Sachnormrückverweisung gedeutet, ganz gleich, ob das Recht des Heimatstaates auf das deutsche Erbrecht als Recht des Wohnsitzes des Erblassers oder als Recht der Belegenheit verweist, und ganz gleich, ob der Heimatstaat seine Verweisung als unbedingte Sachnormverweisung oder als Gesamtverweisung versteht 149 . Aber auch jede Weiterverweisung im internationalen Privatrecht des Heimatstaates auf das Recht eines dritten Staates muß vom deutschen Richter nach überwiegender Auffassung beachtet werden. Will das Recht des dritten Staates nicht selbst angewendet werden, aber verweist es auf deutsches Recht (z. B. als das Recht des Lagestaates) zurück, so wird diese Rückverweisung akzeptiert, im übrigen aber das Recht des dritten Staates unter Umständen gegen dessen Willen angewendet. Erfolgt eine Rückverweisung auf deutsches Recht nur bezüglich des vom deutschen Lagerecht als unbeweglich qualifizierten Vermögens, so wird eine nur für die Zwecke des deutschen materiellen Rechts bedeutsame Einteilung in „bewegliches" und „unbewegliches" Vermögen nicht für das internationale Privatrecht herangezogen 150 . Vereinzelt ist der Gedanke aufgetaucht, daß dann, wenn der ganze Nachlaß sich außerhalb des Staates des Erbstatuts befindet, und der Verkehr mit Behörden dieses Staates den Erben nicht zugemutet werden kann, zwar die Bestimmungen des Heimatstaates für die Ermittlung der Erbberechtigten heranzuziehen sind, aber nicht z . B . Vorschriften über die Befristung der Erbschaftsannahmeerklärung 151 . Daß das Fehlen von Pflichtteilsansprüchen naher Angehöriger in einem ausländischen Erbrecht bei gewichtigen Binnenbeziehungen (z. B. deutschem Wohnsitz des Erblassers und der Angehörigen) gegen den deutschen ordre public verstößt, falls die Angehörigen nicht Unterhaltsansprüche gegen die anderen Erben des Nachlasses erhalten, ist in der Rechtsprechung bisher nicht zum Ausdruck gekommen, kann aber mit ziemlicher Sicherheit vermutet werden 1 5 2 . Bezüglich der von einem ausländischen Erbstatut — sei es das Lagerecht nach Art. 28 EGBGB, sei es ein anderes über Art. 25, 27 anwendbares Recht — aufgeworfenen Voroder Teilfragen kann sicher nicht gesagt werden, daß sich die Rechtsprechung hier auf die Grundstatutsmethode festgelegt habe. Bezüglich der Testamentsform sieht heute das Haager Abkommen vom 6. 10. 1961 selbständige alternative Zuweisung an die Formvorschriften mehrerer Länder vor, ohne Rücksicht darauf, ob das betreffende Recht das Recht eines Vertragsstaates ist, und ob das Recht eines Nichtvertragsstaates, wenn es Erbstatut ist, die Formstatuten des Vertrages anerkennt. Von den nach dem Abkommen möglichen Vorbehalten hat die Bundesrepublik Deutschland keinen einzigen angemeldet. Schon vor dem Haager Abkommen hat das Reichsgericht alternative Anwendung der Formvorschriften des Erbstatuts und des Testamentserrichtungsortes auf Grund Art. 11 EGBGB angenommen, auch wenn feststand, daß das ausländische Erbstatut die Form des Errichtungsortes nicht anerkannte. Der BGH ist darin fortgefahren 153 , hat aber seine Ansicht, das Recht des Errichtungsortes könne als Formstatut vom Geschäftserrichter ausgeschaltet werden 1 5 4 , nicht auf das Testament erweitert. Die Abgrenzung von Formvorschriften und Nichtformvorschriften auch zwischen ausländischen Rechten unter sich soll bei einer solchen selbständigen Zuweisung der Teilfrage nach der Form gemäß deutschem Recht, also vermittels Qualifikation nach der lex fori, erfolgen 155 . Bezüglich der Testierfähigkeit lassen sich die Bestimmungen des Einführungsgesetzes im Sinne der Grundstatutsmethode verstehen: Nur wenn das deutsche Recht das endgültige Erbstatut ist, ist die zur Zeit der Testamentserrichtung vom damaligen Heimatrecht bejahte Testierfähigkeit weiterhin zu bejahen. Die ungeschickt gefaßte Bestimmung des Art. 24 (3) S. 1 EGBGB, wonach die „Gültigkeit der Errichtung" eines Testaments bei 699
§27
Erbschein
späterem Wechsel der Staatsangehörigkeit nach dem Heimatrecht zur Zeit der Errichtung zu „beurteilen" ist, wird von der Rechtsprechung nicht dahin verstanden, daß testamentarische Anordnungen, die nach dem endgültigen Erbstatut inhaltlich unzulässig sind, aber nach dem zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatut hätten gültig werden können, als gültig zu betrachten sind. Bezüglich der familienrechtlichen Vorfragen des deutschen Intestaterbrechts enthält die Rechtsprechung noch keinerlei Ansätze dazu, daß hier spezielle Zuweisungsnormen, insbesondere alternative Zuweisungen, anzunehmen seien. Bezüglich der in einem ausländischen Intestaterbrecht aufgeworfenen familienrechtlichen Vorfragen wird in der Literatur vielfach noch generell selbständige A n k n ü p f u n g gemäß den Zuweisungsnormen des deutschen internationalen Privatrechts propagiert, ohne daß dies jedoch bewußte feste Rechtsprechung geworden w ä r e 1 5 6 . Bezüglich der Teilfrage nach dem Todeszeitpunkt wird aus § 12 (2) des Verschollenheitsgesetzes gefolgert, daß auch bei A n w e n d u n g ausländischen Erbrechts auf die im Inland belegenen Gegenstände der Todeszeitpunkt nach deutschem Recht zu bestimmen ist, es sei denn, daß eine nach den Vorschriften des Heimatrechts des Verstorbenen gültige Todeszeitpunktfeststellung im Heimatstaat bereits vorliegt 1 5 7 . O b ein Vermögensgegenstand zu dem nach deutschem Recht vererbten Nachlaß gehört, will der B G H nach dem Recht der Belegenheit des Gegenstandes beurteilen; eine A n o r d n u n g der Ausgleichungspflicht unter Miterben durch den Erblasser will er darin sehen, daß der Erblasser die Zuwendung unter einem bestimmten Recht vorgenommen hat, und die Zuwendung unter dem Erbrecht dieses Geschäftsstatuts ausgleichspflichtig wäre158. Soweit durch ein deutsches Gericht deutsches Recht auf eine Erbfolge nach Maßgabe des deutschen internationalen Privatrechts angewendet werden muß, ist die Ausstellung eines dementsprechenden Erbscheins durch ein deutsches Nachlaßgericht möglich. Eine ausdrückliche Beschränkung eines solchen „Eigenrechtserbscheins" auf das in Deutschland belegene Vermögen wird von der herrschenden Meinung als unzulässig betrachtet, wenn der Erblasser Deutscher w a r 1 5 9 . Soweit v o m deutschen Standpunkt her ausländisches Erbrecht für die im Ausland belegenen Nachlaßgegenstände eines deutschen Erblassers maßgebend ist, kann ein deutsches Nachlaßgericht einen Erbschein höchstens ausstellen, wenn der Verlust dieser Gegenstände Anlaß für die Entstehung von Rechten in Deutschland, insbesondere von Lastenausgleichsansprüchen, ist; dasselbe gilt, wenn solche Ansprüche trotz ausländischer Staatsangehörigkeit des Erblassers von deutschen Staatsangehörigen geltend gemacht werden. Im übrigen aber ist bei einer v o m deutschen Standpunkt her anzunehmenden Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts die Ausstellung eines Erbscheins durch ein deutsches Nachlaßgericht nur unter Beschränkung auf den in Deutschland belegenen Nachlaß m ö g l i c h 1 6 0 . D e r so beschränkte „Fremdrechtserbschein" hat diejenigen Personen als Erben zu bezeichnen, die nach dem (im Erbschein anzugebenden) maßgeblichen ausländischen Erbstatut entweder dieselbe Rechtsstellung innehaben wie ein „ E r b e " unter deutschem Erbrecht, oder diejenigen Endbegünstigten, die den Restnachlaß, bzw. das Surrogat des Restnachlasses, erhalten, nachdem Nachlaßschulden und Einzelvermächtnisse befriedigt worden sind. Aber auch solche „Vermächtnis"nehmer und Vorausberechtigte, die gleichrangig mit den „ E r b e n " des Restnachlasses für etwaige noch unbezahlte Nachlaßschulden haften, sollten im deutschen Erbschein genannt werden, vor allem dann, wenn der Nachlaß durch solche Vorausempfänge vollkommen erschöpft wird. In diesem Fall sollten die Restnachlaßerben überhaupt nicht im deutschen Erbschein aufgeführt werden, wenn sie ausdrücklich erklären, keine Erbansprüche zu stellen, weil der ganze Nachlaß dem vorausberechtigten Vermächtnisnehmer z u k o m m e 1 6 1 . 700
Erbschein
§28
Ein von Behörden des Staates, der das ausländische Erbstatut stellt, herrührender Erbschein wird nach fast einhelliger Meinung im deutschen Rechtsverkehr nicht anerkannt, und ist auch kein Rechtstitel für die Ausstellung eines ihm inhaltlich entsprechenden beschränkten deutschen Erbscheins 162 . Ein ausländisches Urteil, welches unter Anwendung des auch in Deutschland berufenen ausländischen Erbstatuts die Berechtigung eines Erbprätendenten verneint, ist, wenn das ausländische Gericht unter analoger Anwendung der deutschen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in streitigen Erbsachen zuständig war, in Deutschland nach Maßgabe des § 328 ZPO anzuerkennen. Deshalb kann auch in einem Verfahren über die Erteilung eines deutschen Erbscheins die Verfahrensaussetzung angeordnet werden, bis ein streitiges Verfahren im Land des Erbstatuts entschieden ist; das wird vor allem praktisch, wenn unter ausländischem Erbstatut die Berechtigung einer Anfechtung eines Testaments u. ä. klargestellt werden soll. Eine allgemein verbindliche und im Gegensatz zum Erbschein rechtskräftige positive Feststellung der Erbfolge unter ausländischem Recht durch das Gericht des Erbstatutsstaates dürfte auch in Deutschland anzuerkennen sein. Entsprechendes wie für den Eigenrechtserbschein und den auf das Inlandsvermögen beschränkten Fremdrechtserbschein gilt für das Testamentsvollstreckerzeugnis. Der Haager Konvention vom 2. 10. 1973 über ein internationales Zeugnis für die zur Nachlaßverwaltung befugte Person ist die Bundesrepublik jedoch nicht beigetreten. Die früher herrschende Tendenz, im Sinne der Gleichlauftheorie schon die Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichts trotz Belegenheit von Nachlaß in Deutschland oder Wohnsitzes des Erblassers in Deutschland, bei Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts auf die Ausstellung beschränkter Erbscheine und beschränkter Testamentsvollstreckerzeugnisse, sowie auf Sicherungsmaßnahmen zu beschränken, wird heute in der Rechtsprechung nicht mehr befolgt, ohne daß sich jedoch klare Linien für die Art des Wechsels erkennen lassen. Wenn z. B. eine Zuständigkeit zur Entgegennahme einer Erklärung über die Annahme der Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung bejaht wird 1 6 3 , so dürfte dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben, daß der Staat des Erbstatuts hier die Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichts wegen des Wohnsitzes des Erblassers anerkannte und seine Gerichte für unzuständig hielt. In anderen Fällen wird die Zuständigkeit der westdeutschen Nachlaßgerichte damit gerechtfertigt, daß sich der wesentliche Teil des Nachlasses in der Bundesrepublik befindet, und die Einschaltung von Behörden des Staates, der das ausländische Erbstatut stellt, für die Beteiligten Nachteile hätte 164 . Die noch nicht einmal im Sinne der Gleichlauftheorie konsequente automatische Erweiterung der Befugnis des im Land des Erbstatuts bestellten Nachlaßverwalters — praktisch vor allem des administrator im Sinne des englischen und anglo-amerikanischen Rechts — ist trotz ihrer Propagierung in der Literatur durch die Rechtsprechung nicht gebilligt worden.
III. Komplexe Rechtsverhältnisse § 28. Vermögensrechtliche Nebenwirkungen der Ehe und der Ehescheidung a) Allgemeines Zumindest in der Theorie ist es denkbar, daß ein Recht die — nur mit der Sanktion der Ehescheidung gesicherten — Pflichten zwischen den Ehegatten auf die Pflicht zur Beteiligung an den allerpersönlichsten Beziehungen beschränken würde 1 , während sich die Ehegatten im übrigen wie irgendwelche anderen natürlichen Personen als Rechtssubjekte gegenüberstehen würden. Die meisten Rechte sehen nun, sofern nicht die Ehegatten 701
§28
Vermögensrechtliche Nebenwirkungen der Ehe
einverständlich anderes vorsehen und vorsehen dürfen, eine Verpflichtung zum gemeinschaftlichen Leben in einem gemeinsamen Haushalt vor. Es ist dann denkbar, daß diese Haushaltsgemeinschaft von Eheleuten im Recht nicht anders behandelt würde wie eine Haushaltsgemeinschaft unter Nichtehegatten; es wäre insbesondere an eine stillschweigend mit der Ehe begründete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu denken. Eine spezifische Ausgestaltung dieses Gesellschaftsverhältnisses zwischen Ehegatten durch das Recht wird jedoch unvermeidlich, wenn in der mit Kindern ausgestatteten Familie eine absolute Rollengleichheit von Mann und Frau bei der Versorgung der Kinder und des Haushalts nicht bestehen kann. Aus diesem Grunde sehen wohl alle Rechte zur Sicherung des Bestehens der Haushaltsgemeinschaft der Familie vor, daß zwischen den Ehegatten Unterhaltspflichten gelten; deren Ausgestaltung im einzelnen 13 hängt dann wieder davon ab, wie das für die persönlichen Ehewirkungen i. e. S. zuständige Recht diese regelt. Die Folge ist, daß diejenigen Rechtssätze, welche Unterhaltspflichten, neben Pflichten zu anderen Beiträgen für den Familienhaushalt, unter den Ehegatten vorsehen, im allgemeinen für die Zwecke des internationalen Privatrechts in die Kategorie der Regelungen der persönlichen Ehewirkungen eingeordnet werden. Manche Rechte begnügen sich damit, die Regelung der persönlichen Ehewirkungen durch Unterhaltspflichten zu ergänzen, und lassen im übrigen die Ehegatten in ihren vermögensrechtlichen Beziehungen nicht anders dastehen, als wenn sie nicht miteinander verheiratet wären. Zahlreiche Rechte bilden jedoch auch für die nicht in Unterhaltspflichten bestehenden vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten spezielles Recht. So werden häufig bestimmte Arten von obligatorischen Verträgen oder bestimmte Verfügungsgeschäfte, die normalerweise jedem erlaubt sind, im Verhältnis zwischen Ehegatten „verboten" 2 , oder einzelne Geschäftsarten werden umgekehrt überhaupt nur zwischen Ehegatten als zulässig erklärt. Für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung oder Bereicherungsansprüche wird nicht selten im Verhältnis zwischen Ehegatten die Klagbarkeit oder die Verjährung während des Bestehens der Ehe gehemmt 3 . Viele Rechte kennen Bestimmungen, wonach entweder beiden Ehegatten, oder nur der Frau, oder nur dem Mann, die Eingehung bestimmter vermögensrechtlicher Verträge mit Dritten grundsätzlich verboten ist oder von der Zustimmung des anderen Ehegatten abhängig gemacht wird; dabei wird die Ungültigkeit unzulässiger Verträge oft auch zu Lasten selbst des gutgläubigen Dritten vorgesehen4. In vielen Rechten wird sodann das zunächst den einzelnen Ehegatten gehörende oder anfallende Vermögen ganz oder teilweise kraft Gesetzes in Miteigentum beider Ehegatten, oder in ein besonderes sonst nicht durch Rechtsgeschäft zu begründendes Gesamtgut überführt, und es werden für die Verwaltung derartiger besonderer ehegüterrechtlicher Vermögensmassen, sowie für die Veräußerung der dazu gehörigen Vermögensstücke, eingehende Vorschriften gebildet. Derartige Vorschriften können so zu erklären sein, daß sie nach Absicht des Gesetzgebers der Ergänzung und Förderung des persönlichen Rechtsverhältnisses zwischen den Ehegatten, so wie es durch das Statut für die persönlichen Ehewirkungen ausgestaltet ist, dienen sollen 5 . Die inhaltliche Ausgestaltung derartiger ehegüterrechtlicher Vorschriften kann infolgedessen eng mit einer bestimmen Regelung der persönlichen Ehewirkungen zusammenhängen. Die Folge ist, daß ehegüterrechtliche Regelungen aus dem einen Recht möglicherweise neben den durch ein anderes Recht geregelten persönlichen Ehewirkungen nicht ohne eine Störung der materiellen Harmonie bestehen könnten: Für eine jederzeit einseitig lösbare Ehe mit voller Gleichberechtigung der Ehegatten paßt es nicht, wenn eine allgemeine Gütergemeinschaft zwingend vorgeschrieben wird, und der Mann allein das Gesamtgut verwalten soll; andererseits sind für polygame Ehen Güterstände, die gemeinschaftliches Vermögen vorsehen, gänzlich unbrauchbar6. Zu bedenken ist sodann, daß die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehe702
Scheidungsgüterrecht
§28
gatten in manchen Rechten Bestandteil einer umfassenderen Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Angehörigen einer Großfamilie sind, wie etwa bei den Großfamilien des afrikanischen Rechts oder der joint family des Hindurechts 6 a . Insbesondere die europäischen Rechte sind andererseits vielfach so gestaltet, daß zwar die persönlichen Ehewirkungen durch zwingendes Recht geregelt sind, daß aber den Ehegatten die Wahl zwischen mehreren inhaltlich verschiedenen besonderen „Güterständen" ermöglicht wird, die sämtlich als mit den persönlichen Ehewirkungen verträglich angesehen werden. Dann liegt der Gedanke nahe, daß die Regelung der persönlichen Ehewirkungen und die Regelung des Güterstandes keineswegs ein und demselben Recht entnommen werden müssen, und daß die Anknüpfungsmomente zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der güterrechtlichen Regelungen durchaus andere sein können, als die Anknüpfungsmomente für die Regelungen der persönlichen Ehewirkungen 7 . Betrachtet eine Privatrechtsordnung sowohl die „Gütertrennung", also den Zustand, der auch zwischen Nichtverheirateten besteht, als auch etwa eine allgemeine Gütergemeinschaft als mit ihrer Regelung der persönlichen Ehewirkungen kompatibel, so wird sie dann auch geneigt sein, die Wahl eines Güterstandes und des dafür anwendbaren Rechts den Parteien zu überlassen; das Gesetz stellt ihnen dann gewisse Modelle zur Verfügung, zwischen denen sie wählen können, und sieht eine vermutlich von den meisten Ehepaaren gewünschte subsidiäre gesetzliche Regelung des Güterstandes vor, wenn kein bestimmtes Modell gewählt worden ist. Endet eine Ehe, für die während ihres Bestehens eine Gütergemeinschaft bestanden hat, so ist eine Regelung der Liquidation einer solchen Gemeinschaft bei Tod und Scheidung unentbehrlich, und Bestimmungen darüber finden sich daher stets in dem Recht, welches den Güterstand begründet hat; kennt das betreffende Recht keine Scheidung, so hat es zumeist Bestimmungen über die Liquidation der Gemeinschaft bei Ehetrennung. Derartige Bestimmungen im Güterstatut hindern aber nicht, daß ein Scheidungsstatut mit eigenen Bestimmungen über eine Neuregelung der Vermögensverhältnisse zwischen den Geschiedenen anwendungswillig wird, insbesondere wenn diese Regelung von der Scheidungsursache abhängig sein soll. Selbst wenn während der Ehe keine Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten bestehen, wie sie nicht auch zwischen Unverheirateten bestehen könnten, so will sich eine Regelung der Ehescheidung oft nicht auf die Regelung der Gründe für die Beendigung der persönlichen Ehewirkungen beschränken, sondern der Gesetzgeber hält es zu einer gerechten Regelung der Scheidungsfolgen für notwendig, Bestimmungen über Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten zu treffen, oder Abfindungen vorzusehen, die der eine Ehegatte dem anderen bei Scheidung aus seinem freien Vermögen zu leisten hat; es kommt dann zur Bildung eines besonderen Scheidungsgiiterrechts. Wenn die Ehegatten selbst mit der Auflösung der Ehe durch Scheidung rechnen müssen, ermöglichen manche Rechte es, daß vorsorgliche Vereinbarungen über die vermögensrechtlichen Folgen der Eheauflösung schon bei der Eheschließung getroffen werden. Die Vielfältigkeit der gesetzgeberischen Motive für solche besonderen Gestaltungen der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten, und die Vielfältigkeit des Inhaltes derartiger Regelungen bringen es mit sich, daß einzelne derartige Normen zweckmäßigerweise dem Statut für die persönlichen Ehewirkungen zu entnehmen sind 7 a , andere dem Scheidungsstatut, und daß für wieder andere Regelungen nach einem besonderen „Ehegüterrechtsstatut" gesucht werden muß. Für dieses besondere Ehegüterrechtsstatut kommen als Anknüpfungsmomente nicht nur dieselben persönlichen Verknüpfungen der Ehegatten in Frage, die auch für die persönlichen Ehewirkungen und bei der Scheidung eine Rolle spielen, sondern vor allem auch die Belegenheit der von den güterrechtlichen Bestimmungen erfaßten Vermögensgegenstände 7b . Gegen einen vollen Gleichlauf der persönlichen Ehewirkungen und des Güterstandes 703
§28
Vertragliche Regelungen des Güterstandes
spricht u. a., daß das Statut für die persönlichen Eewirkungen in vielen Rechten wandelbar ist, und auch von den Parteien nicht unwandelbar gemacht werden kann, während insbesondere eine ausdrückliche vertragliche Regelung der Güterrechtsbeziehungen nach A u f f a s s u n g der meisten Privatrechtsgesetzgeber nicht ohne das Einverständnis der Beteiligten allein bei Veränderung der Verknüpfungen geändert werden sollte. Andererseits kann ein vertraglich gewählter Güterstand bei einer gesetzlichen Änderung des Ehewirkungsstatuts sich als mit dem neuen Ehewirkungsstatut unvereinbar erweisen. Während lange Zeit die besonderen ehegüterrechtlichen Institutionen in den meisten Ländern der dort vorgesehenen Einrichtung der Rechtsehe vorbehalten waren, wird neuerdings in manchen Ländern angenommen, daß auch für „freie" Ehen möglicherweise das Bestehen einer „güterrechtlichen" Regelung anzunehmen sei 8 . D i e unterschiedliche oder ungewisse Haltung der verschiedenen Rechte zu dieser Frage bereitet dann besonders bei einem Statutenwechsel Schwierigkeiten. Unter den soeben geschilderten Umständen dürfte es unmöglich sein, für die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten Kollisionsnormen zu bilden, die ohne Rücksicht auf den Inhalt der Regelungen in den verknüpften Staaten, und ohne Rücksicht auf die jeweilige Gestaltung der persönlichen Ehewirkungen generell den Anwendungsbereich abgrenzen. Man wird sich also darauf beschränken müssen, für gewisse typische Fragen Lösungen unter Beachtung der Tradition zu bilden, und bei atypischen Situationen dem Gericht gegebenenfalls Billigkeitslösungen zu ermöglichen. b) D e r A n w e n d u n g s b e r e i c h der B e s t i m m u n g e n ü b e r vertragliche R e g e l u n g e n des G ü t e r s t a n d e s f ü r die bestehende E h e Sieht eine Privatrechtsordnung zunächst für homogen verknüpfte Situationen nur eine einzige bestimmte Art der Gestaltung der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten bei funktionierender Ehe vor, die auch durch Vertrag der Ehegatten nicht abgeschafft oder abgeändert werden kann, so wird dieses Recht entsprechend dem oben Ausgeführten für diese seine gesetzliche Regelung in heterogen verknüpften Verhältnissen denselben Anwendungsbereich in Anspruch nehmen, den es auch für seine gesetzlichen Bestimmungen über die persönlichen Ehewirkungen in Anspruch nimmt. Bestimmt umgekehrt eine Privatrechtsordnung, daß sich Ehegatten in vermögensrechtlicher Hinsicht genauso wie unverheiratete Rechtssubjekte gegenüberstehen, so wird ein derartiges Recht, auch wenn es selbst das Statut für die persönlichen Ehewirkungen stellen will, auf vertragliche vermögensrechtliche Abmachungen der Ehegatten dasselbe Recht anwenden lassen, welches maßgebend wäre, wenn die A b m a c h u n g zwischen Unverheirateten eingegangen würde: Es ist dann also das von den Parteien gewählte Recht, oder das von ihnen als anwendbar geglaubte Recht, b z w . das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelte Recht 9 , welches auf einzelne obligatorische Verträge zwischen Ehegatten Anwendung findet, wobei sich ein solcher Vertrag auch darauf beziehen kann, daß der eine Ehegatte dem anderen die Verwaltung von Teilen seines Vermögens überläßt, oder daß sie sich über eine gemeinsame Verwaltung ihrer beiderseitigen Vermögen einigen; das Lagerecht für die betroffenen Vermögensgegenstände ist maßgebend, wenn ein Ehegatte zugunsten des anderen Verfügungen trifft, oder auch, wenn sie bisheriges Einzeleigentum in Miteigentum zu Bruchteilen umwandeln. Eine andere Situation ist gegeben, wenn für eine Ehe von Anfang an Verknüpfungen mit solchen Privatrechtsordnungen bestehen, welche spezifische Ehegüterstände vorsehen, wie sie zwischen Nichtverheirateten nicht begründet werden könnten, und welche den Ehegatten vor oder bei der Eheschließung eine durch Vertrag zu treffende Wahl zwischen mehreren solchen Güterstandsmodellen ermöglichen, oder ihnen vielleicht sogar die vertragliche Begründung eines von den gesetzlichen Modellen ganz abweichenden vertragli704
Vertragliche Güterstände
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chen Güterstandes erlauben. Dann ist es offenbar zweckmäßig, daß diese Parteiautonomie für die Zwecke des internationalen Privatrechts erweitert wird, und zwar in der Weise, daß Heimatstaat, Wohnsitzstaat und gegebenenfalls Belegenheitsstaat möglichst übereinstimmend den Ehegatten ermöglichen, der vertraglichen Regelung eins der von dem einen oder anderen Staat vorgesehenen Modelle zugrundezulegen 1 0 . Eine Wahl eines vertraglichen Güterstandsmodells, das nur in einem unbeteiligten Staat anzutreffen ist, dürfte im Gegensatz zu der Rechtswahl bei anderen obligatorischen Verträgen nicht gebilligt werden 1 1 . Überdies wird der Lagestaat der einzelnen Vermögensrechte keine Gestaltungen der dinglichen Rechtsverhältnisse an Sachen durch ehegüterrechtlichen Vertrag zulassen, die mit seinen eigenen Bestimmungen nicht zu vereinbaren wären, selbst wenn sie unter dem gewählten Gütervertragsstatut zulässig sind 1 2 . Schließlich wird jeder der beteiligten Staaten notfalls mit Hilfe seiner negativen ordre public-Klausel die Wahl eines vertraglichen Güterstandsmodells, wie es in dem Recht eines anderen beteiligten Staates vorgesehen ist, nicht zulassen, wenn dieses Modell allzu kraß von den im eigenen Recht zugelassenen Güterstandsmodellen abweicht 1 3 . Tritt an die Stelle eines Staates, der zu Beginn der Ehe Heimat-, oder Wohnsitz-, oder Belegenheitsstaat war, ein anderer Staat, und hätte auch dieser andere Staat, wenn er schon zu Beginn der Ehe zu den beteiligten Staaten gehört hätte, die Wahl eines der Modelle für einen vertraglichen Güterstand im Recht der beteiligten Staaten gebilligt, so wird dieser neue Heimat-, Wohnsitz- oder Belegenheitsstaat die Wirkungen eines ausdrücklich gewählten vertraglichen Güterstandes fortbestehen lassen. Will ein Staat, der später das Statut der persönlichen Ehewirkungen stellt, überhaupt nur einen einzigen „gesetzlichen" Güterstand zulassen, so wird er seine einschlägigen Bestimmungen kaum mit rückwirkender Kraft zur Anwendung bringen wollen, d. h. er wird die Wirkungen des gewählten vertraglichen Güterstandes jedenfalls für die Vergangenheit bestehen lassen 1 4 . Ist bei der Eheschließung ein vertraglicher Güterstand gewählt worden, von dem das Recht, welches ihn als Modell vorsieht, bestimmt, daß er durch einen späteren Vertrag der Ehegatten während der Ehe nicht wieder geändert werden kann, so geht doch der Wille eines später hinzukommenden beteiligten Staates, daß gemäß seinem Recht ein gewählter vertraglicher Güterstand durch einen neu gewählten vertraglichen Güterstand verdrängt werden kann, für seine Gerichte vor. O b ein Staat, zu welchem in einem späteren Zeitpunkt alle Verknüpfungen hingehen, einen bestehenden Vertrag über den Güterstand unter den Vorschriften des dafür maßgebenden Rechts von eigenen Vorschriften vollkommen unberührt lassen sollte, ist nicht anders zu beurteilen, als wenn ein obligatorischer Vertrag, der ein Dauerrechtsverhältnis vorsieht, alle anfänglich vorhandenen Verknüpfungen verliert, und diese zu einem anderen Staat neu begründet werden: D e r Staat, zu dem später alle aktuellen Verknüpfungen hingehen, ist weder durch Völkerrecht, noch durch allgemeine Postulate des allgemeinen Privatrechts gehindert, einzelne Bestimmungen seines zwingenden Rechts auf das fortbestehende Vertragsverhältnis als anwendbar zu erklären. Andererseits ist der Staat, zu dem die anfänglich vorhandenen und maßgeblichen Dauerverknüpfungen nicht mehr bestehen, nicht gehindert, seinen Gerichten weiterhin die Anwendung seines Rechts aufzugeben, solange andere Nachschubverknüpfungen bestehen 1 5 . Ein Staat, zu dem erst später Verknüpfungen entstehen, die ursprünglich zu einem anderen Staat hingingen, kann eine Vermutung des Inhalts bilden, daß die Ehegatten an einem vertraglichen Güterstand bis zu einer ausdrücklichen Änderung durch neuen Vertrag festhalten wollen. Diesem vermuteten Willen kann dann auch dadurch Rechnung getragen werden, daß der vertragliche Güterstand unter dem anfänglich maßgeblichen und schließlich „versteinerten" Güterrechtsstatut ausläuft, so daß nur neue Gesetze des Staates, unter dem der Güterstand zustandegekommen ist, keine Anwendung finden.
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§28
Gesetzlicher Güterstand
Der Vertrag, mit dem ein Güterstandsmodell aus dem Recht eines der beteiligten Staaten als gewählt erklärt wird, muß natürlich allen Gültigkeitsbedingungen dieses Rechts entsprechen; das betreffende Recht kann jedoch bezüglich einzelner Teilfragen, insbesondere der Form des güterrechtlichen Vertrages, die Heranziehung anderer Rechte vorsehen 1 6 . Erklärt einer der beteiligten Staaten, daß die nach seinem Recht gegebene Unfähigkeit eines Ehegatten zum Abschluß eines Ehevertrages auch dann bestehen soll, wenn nach dem gewählten Recht die Fähigkeit zu dem Güterrechtsvertrag zu bejahen ist, so sind dagegen aus den allgemeinen Leitgedanken keine Bedenken geltend zu machen. c) Der Anwendungsbereich der Vorschriften über den mangels Wahl eines vertraglichen Güterstandes maßgeblichen gesetzlichen G ü t e r s t a n d Erlaubt eine Privatrechtsordnung den Ehegatten, ihre vermögensrechtlichen Beziehungen in derselben Weise zu gestalten, wie dies auch nichtverheirateten Personen in den Grenzen der allgemeinen Vertragsfreiheit möglich wäre, ohne die Ehegatten auf die Wahl bestimmter Modelle gütervertraglicher Regelungen festzulegen, so besteht zwischen den Ehegatten absolute Gütertrennung 1 7 , und es herrscht im Verhältnis zwischen jedem der Ehegatten und Dritten die allgemeine Vertrags- und Verfügungsfreiheit. Dasselbe ist der Fall, wenn eine Privatrechtsordnung wenige bestimmte Modelle ehegütervertraglicher Regelungen zuläßt, und wenn sie keine besonderen Bestimmungen darüber trifft, was beim Fehlen einer vertraglichen Wahl eines solchen Modells rechtens ist. Häufig wird aber eine nicht in absoluter Gütertrennung bestehende Regelung (sondern z. B. eine Errungenschaftsgemeinschaft) als der „gesetzliche" Güterstand für den Fall vorgesehen, daß die Ehegatten von der Möglichkeit, ein Modell für eine vertragliche Regelung zu wählen, nicht Gebrauch gemacht haben. Dieser subsidiäre gesetzliche Güterstand gilt dann als mit der Einigung über die Eheschließung mit vereinbart. Sehen die als Heimat-, Wohnsitz- oder Belegenheitsstaat zu Beginn der Ehe beteiligten Länder die Möglichkeit der Wahl eines vertraglichen Güterstandes aus dem Recht eines der beteiligten Staaten vor, so ist es nur konsequent, wenn sie es den Ehegatten auch ermöglichen, durch Vertrag einen solchen gesetzlichen Güterstand des einen oder anderen Rechts ausdrücklich zu wählen 1 8 ; für eine solche vertragliche Wahl eines gesetzlichen Güterstandes muß dann nicht notwendig die besondere Form eingehalten werden, die erforderlich ist, wenn das Modell einer vertraglichen Regelung gewählt wird 18 ®. Ist eine rechtsgeschäftliche Einigung der Ehegatten über ihren gesetzlichen Güterstand nicht erweisbar, so sollte auch der übereinstimmende Glaube an die Geltung eines in den beteiligten Rechten vorgesehenen (und durch ausdrückliche Erklärung wählbaren) gesetzlichen Güterstandes als Weg zur Bestimmung des anwendbaren Rechts über den gesetzlichen Güterstand anerkannt werden 1 9 . Ist auch kein übereinstimmender Glaube, ein bestimmtes nationales Recht sei mit seinem gesetzlichen Güterstand maßgebend, erweisbar, so ist wohl der in Aussicht genommene gemeinsame eheliche Dauerwohnsitz das sachgerechteste Anknüpfungsmoment zur Ermittlung des Rechts, das mit seinen Vorschriften über den gesetzlichen Güterstand maßgebend w i r d 2 0 ; dies gilt auch dann, wenn die persönlichen Ehewirkungen nicht durch diesen Wohnsitz bestimmt werden sollten. In dem seltenen Fall, daß mit der Eheschließung kein Wohnsitz der erwähnten A r t 2 1 begründet wird, bedarf es einer subsidiären Zuweisungsnorm, die einen der beteiligten Staaten als den Staat bestimmt, der die Regeln über den gesetzlichen Güterstand stellt 2 2 , nicht: Es tritt absolute Gütertrennung, also der Zustand wie er zwischen Unverheirateten besteht, als der ohnehin mangels eines anderen vom Gesetz vorgesehenen gesetzlichen Güterstandes gegebene subsidiäre „Güterstand" ein 2 3 . Staaten, welche den Wohnsitz als Anknüpfungsmoment für die persönlichen Ehewirkungen ablehnen und auf die Staatsangehörigkeit abstellen, sind verständlicherweise ge706
Wechsel des gesetzlichen Güterstandes
§28
neigt, die erste gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute als Anknüpfungsmoment für alle Fragen des Ehegüterrechts zu verwenden. Mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit wird dann auf die Staatsangehörigkeit des Mannes abgestellt. Hierbei wird dann eine stillschweigende Wahl des gesetzlichen Güterstandes, oder der Glaube an die Maßgeblichkeit eines bestimmten Rechts als Kriterium der Zuweisung gerne ignoriert. Wird der auf diese Weise ermittelte vertragslose Güterstand nicht später durch einen Vertragsgüterstand ersetzt, so werden auch später hinzukommende neue Heimat-, Wohnsitz- und Belegenheitsstaaten, wenn sie ihrerseits das System der Wahl zwischen vertraglichen Güterständen und einem subsidiären gesetzlichen Güterstand haben, den bei der Eheschließung wirksam werdenden ersten gesetzlichen Güterstand genauso anerkennen, wie sie eine bei der Eheschließung getroffene Wahl eines Modells für einen vertraglichen Güterstand anerkennen. Gehen alle ursprünglich zu verschiedenen Staaten hingehenden Verknüpfungen im Verlaufe der Ehe schließlich nur noch zu einem einzigen Staat hin, und besteht dieser Staat darauf, jedenfalls von dem Zeitpunkt ab, von dem an alle Verknüpfungen zu ihm hingehen, sein Recht über die Vermögensbeziehungen zwischen den Ehegatten zur Anwendung zu bringen, und damit auch seinen gesetzlichen Güterstand an die Stelle des bisherigen treten zu lassen, so wäre es praktisch sinnlos, wenn andere Forumstaaten dem Begehren des Staates, der den anfänglichen gesetzlichen Güterstand gestellt hat, auf Fortgeltung dieses Güterstandes unbedingt folgen würden; das ist sicher nicht durchsetzbar, wenn sich die Vermögen der Ehegatten in dem Staat befinden, der nunmehr allein Heimat- und Wohnsitzstaat geworden ist und auf der Anwendung seines Güterrechts besteht. Aus früher 2 3 " dargestellten allgemeinen Grundsätzen folgt, daß, wenn die Regelung des gesetzlichen Güterstandes mangels Begründung eines vertraglichen Güterstandes durch ein zur Zeit der Eheschließung anwendungswilliges Recht in Anspruch genommen wird, dieses Recht bestimmen kann, daß es anwendbar bleiben will, solange die ursprünglich maßgebliche Verknüpfung oder eine Nachschubverknüpfung zu diesem Staat hingeht, falls nicht die Ehegatten nach Wegfall der ursprünglichen Verknüpfung einen Ehegütervertrag unter einem anderen Recht geschlossen haben. Andererseits ist es mit den allgemeinen Postulaten durchaus vereinbar, daß, wenn eine Verknüpfung zu einem Staat besteht, auf Grund deren er sein eigenes gesetzliches Güterrecht als anwendbar hätte bezeichnen können, falls die Verknüpfung schon zu Beginn der Ehe bestanden hätte, dieser Staat den bisherigen gesetzlichen Güterstand durch den gesetzlichen Güterstand seines Rechts verdrängen darf. Haben der anfänglich verknüpfte und der erst später verknüpfte Staat übereinstimmende bilaterale Zuweisungsnormen in dem einen oder dem anderen Sinn, so sollte sich ein dritter Forumstaat dem anschließen. Uberschneiden sich die zeitlichen Anwendungsansprüche eines anwendungswilligen alten und neuen Statuts, so kann ein dritter Forumstaat diejenige Lösung vorziehen, die er selbst in einem solchen Fall getroffen hätte. Entsteht eine Lücke dadurch, daß der neue Heimat- oder Wohnsitzstaat den gesetzlichen Güterstand unter dem bisher maßgeblichen Recht weiterführen will, obwohl der Urheberstaat dieses Rechts sein Recht gar nicht weiter angewendet haben will, so sind keinesfalls neu erlassene Gesetze des bisherigen Güterrechtsstatuts zur Anwendung zu bringen, sondern der konkrete Güterstand ist nach seinem letzten Stand unter dem ursprünglich maßgeblichen Recht auslaufen zu lassen 2 4 . d) Wirkungen des Güterstandes auf Dritte Es ist möglich, daß eine ehegüterrechtliche Regelung sich auf obligatorische Beziehungen zwischen den Ehegatten beschränken will; auch eine Bildung von „Gesamtgütern" aus anfänglich getrenntem Vermögen der Ehegatten kann nur die Bedeutung haben sollen, daß 707
§28
Wirkungen des Güterstandes auf Dritte
die Ehegatten sich nur im Innenverhältnis untereinander so behandeln müssen, als ob sie Miteigentümer usw. wären, während für Dritte die betreffenden Gegenstände weiterhin als Eigentum des einen oder des anderen Ehegatten gelten. Insbesondere die Zugewinngemeinschaften, wie sie in vielen Rechten heute gebräuchlich sind, sehen im wesentlichen nur obligatorische Ausgleichsansprüche zwischen den während der Ehe getrennt bleibenden Vermögen der Ehegatten vor, meist ausgehend von der Idee, daß ein Vermögens Zuwachs vor allem beim berufstätigen Ehegatten indirekt dadurch zustandekommt, daß der nur im gemeinsamen Haushalt tätige Ehegatte diese Art der Lebensführung durch Verzicht auf eigene Berufstätigkeit ermöglicht 2 5 . Zahlreiche Privatrechte legen den güterrechtlichen Beziehungen, wie sie zwischen den Ehegatten bestehen, auch Rückwirkungen auf Dritte bei: Wird ein eheliches Gesamtgut gebildet, so haben auch Dritte die vom Güterrecht geregelte Vertretungsmacht in bezug auf Verfügungsgeschäfte bei solchen Gegenständen des Gesamtgutes zu respektieren; güterrechtliche Verbote an den einzelnen Ehegatten, über bestimmte Gegenstände seines eigenen Vermögens ohne Zustimmung des anderen Ehegatten zu verfügen, gelten in einem solchen Recht meist als „dinglich wirkende" Veräußerungsbeschränkungen. Wird dann im Lagestaat eines solchen Gegenstandes zwar der gute Glaube an das Eigentum des besitzenden Veräußerers, nicht aber der gute Glaube daran, daß der Veräußerer unverheiratet ist und keinen güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen unterliegt, geschützt, so werden dabei Unterschiede zwischen vertraglichen und gesetzlichen Güterständen gemacht: Die betreffende Privatrechtsordnung läßt dingliche Verfügungsbeschränkungen ihres eigenen Güterrechts gegenüber Dritten, insoweit sie auf besonderen Güterrechtsverträgen beruhen, nur wirksam werden, wenn der Dritte von diesem vertraglichen Güterstand Kenntnis hat, oder wenn er sich die Kenntnis aus einem öffentlichen Güterrechtsregister hätte verschaffen können. In einem Staat, der eine solche Regelung hat 2 6 , wird es unvermeidlich, daß der Gesetzgeber zu der Frage Stellung nimmt, ob dann, wenn für den Güterstand ein ausländisches Recht maßgebend ist, der gute Glaube Dritter an die Maßgeblichkeit des Güterrechts des Lagestaates geschützt werden soll; hat der Dritte von persönlichen Dauerverknüpfungen des in einem bestimmten Güterstand des ausländischen Rechts lebenden Partners Kenntnis, so entsteht die weitere Frage, ob die Eintragung eines vertraglichen Güterstandes im Heimat- oder Wohnsitzstaat für den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis der verheirateten Partei von Bedeutung ist, oder ob es nur auf Eintragungen im Güterrechtsregister des Lagestaates ankommen soll. Es wird sodann auch unvermeidlich, Bestimmungen zu treffen, ob, wenn der Dritte davon Kenntnis hat, daß die Ehegatten Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in einem anderen Staat haben, vermutet werden darf, daß ihr gesetzlicher Güterstand derselbe ist, wie der gesetzliche Güterstand im Lagestaat. Es kann auch insbesondere angeordnet werden, daß ein vom Heimatstaat der Ehegatten gestellter gesetzlicher Güterstand für den guten Glauben Dritter nur dann relevant ist, wenn im Güterregister des Wohnsitzstaates vermerkt worden ist, daß nicht der gesetzliche Güterstand des Wohnsitzlandes, sondern der gesetzliche Güterstand des Heimatstaates gilt 2 7 . Werden durch ein Güterstatut „Gesamtgüter" der Ehegatten gebildet, so kann von einem Dritten, der Bestandteile eines solchen Gesamtgutes erwerben oder durch Vertrag eine Haftung des Gesamtgutes aus dem von ihm mit einem Ehegatten geschlossenen Vertrag begründen will, erwartet werden, daß er sich darüber unterrichtet, auf Grund welchen nationalen Rechts nach Ansicht des Lagestaates ein solches Gesamtgut durch güterrechtliche Vorschriften gebildet worden ist, und wer nach diesem Recht Verfügungsgeschäfte und haftungsbegründende Geschäfte abschließen kann. Verbietet ein anwendungswilliges Güterrecht einem der Ehegatten, selbst sein eigenes „freies" und von ihm allein verwaltetes Vermögen ohne Zustimmung des anderen Ehegat708
Güterrechtliche Beschränkungen der Fähigkeit zu Geschäften
§28
ten durch obligatorische Verträge mit Dritten haftbar zu machen, so wird es oft so sein, daß eine Verletzung dieses Verbots Folgen nicht nur im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten haben will; vielmehr will der Urheber einer solchen Norm, daß das „verbotene" Geschäft, sei es gegenüber einem „bösgläubigen", sei es auch gegenüber einem gutgläubigen Dritten, nicht voll wirksam wird, wenn nicht wenigstens nachträglich der andere Ehegatte zustimmt; mangelnde Gültigkeit kann dann auch von dem kontrahierenden Ehegatten geltend gemacht werden, auf alle Fälle aber kann der andere Ehegatte einer Vollstrekkung in das freie Vermögen des verbotswidrig handelnden anderen Ehegatten widersprechen. Der Anwendungsbereich einer solchen Bestimmung in heterogen verknüpften Situationen ist sicher nicht in der Weise zu bestimmen, daß die Vorschrift nur gilt, wenn das Geschäftsstatut zugleich auch Ehegüterrechtsstatut ist. Es ist ferner nicht anzunehmen, daß die in dem anwendungswilligen Güterrecht 2 8 vorgesehene „Unfähigkeit" eines Ehegatten, sein freies Vermögen ohne Zustimmung des anderen durch obligatorische Geschäfte mit Dritten haftbar zu machen, unter allen Umständen in einem anderen Land beachtet werden muß, welches das Geschäftsstatut stellt. Vielmehr kann der Heimat- oder Wohnsitzstaat der anderen Vertragspartei die Beachtung ehegüterrechtlicher „Unfähigkeiten" der verheirateten Vertragspartei zu Verpflichtungsgeschäften gegenüber Dritten davon abhängig machen, daß er selbst gleiche oder ähnliche Bestimmungen in seinem eigenen Ehegüterrecht hat, und daß der Urheberstaat der anwendungswilligen ausländischen Vorschrift, um die es geht, entsprechende Bestimmungen anderer Rechte in paritätischer Weise zur Anwendung zu bringen bereit ist: Bedarf nach dem Güterrecht des Staates A, welches vom Heimat- und Wohnsitzstaat eines Ehepaares X gestellt wird, eine von einem Ehegatten übernommene Bürgschaft für die Schuld eines Dritten der Zustimmung des anderen Ehegatten, so wird der Heimat- und Wohnsitzstaat B des Gläubigers Y die Ungültigkeit der ohne Zustimmung begründeten Bürgschaft, wenn Geschäftsstatut des Bürgschaftsvertrages das Recht B ist, bejahen, wenn im Güterrecht von B eine entsprechende Bestimmung bekannt ist, und wenn gewährleistet ist, daß im Staat A diese Vorschrift des Rechtes B angewendet wird, falls das Recht B das maßgebliche Güterrecht stellt. Kennt das Recht B überhaupt kein besonderes Ehegüterrecht, sondern stehen dort verheiratete Personen in ihren vermögensrechtlichen Beziehungen untereinander und zu Dritten genauso da wie unverheiratete natürliche Personen, so wird der Staat B nicht bereit sein, einem ausländischen Güterrecht die Kraft beizumessen, einen dem Geschäftsstatut von B unterstehenden Vertrag ungültig zu machen 2 9 . Die einem bestimmten Güterstand eigentümliche Befugnis eines Ehegatten, das von ihm verwaltete Vermögen des anderen Ehegatten durch obligatorische Geschäfte, die im eigenen Namen des Verwaltenden geschlossen werden, zusätzlich zu seinem eigenen Vermögen haftbar zu machen, ist einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vollmacht gleichzuhalten, wenn die Ehegatten diese gesetzliche Vertretungsmacht des einen für den anderen durch Wahl eines anderen Güterstandes hätten vermeiden können 3 0 . e) Güterrecht für die bestehende Ehe und Scheidungsgüterrecht Die Wirkungen zahlreicher güterrechtlicher Regelungen finden mit einem Ende der Ehe automatisch selbst ihr Ende; das Recht eines Ehegatten auf Verwaltung und Nutznießung von Vermögen des anderen Ehegatten hört also z. B., wenn es nicht schon zuvor durch Richterspruch beendet worden ist, mit der Rechtskraft der Scheidung auf. Bestehen zwischen Ehegatten Miteigentumsverhältnisse oder Gesamtgüter, so hat eine Liquidation stattzufinden; die Regeln für eine solche Liquidation sind entweder für jede Art der Beendigung eines solchen konkreten Güterstandes gleich, oder sie sind verschieden, je nachdem, ob die Ehe durch Tod oder Scheidung beendet wird. Es ist andererseits möglich, daß Leistungen auf Grund eines güterrechtlichen Vertrages überhaupt erst bei Scheidung der 709
§28
Scheidungsgüterrecht
Ehe fällig werden sollen 3 1 . Sieht eine auf den Güterstand anwendbare Privatrechtsordnung keine Scheidung vor, so müssen, wenn die Ehe nach einem anderen anwendbaren Recht durch Scheidung aufgelöst wird, auch die von dem Güterstatut vorgesehenen Güterstände beendet werden; hier können die Vorschriften über die Liquidation eines Güterstandes bei Eheauflösung durch Tod oder Trennung jedoch analoge Anwendung finden. Zahlreiche Rechte sehen, wie anfangs schon angedeutet, für den Fall der Scheidung einer Ehe, für welche Gütertrennung der einzig mögliche, oder mangels Ehevertrages der gesetzliche „Güterstand" war, vor, daß unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles — mehr oder weniger langes Bestehen der häuslichen Gemeinschaft, Aufgabe der Berufstätigkeit durch einen der Ehegatten mit Rücksicht auf die Ehe, Verschulden an der Zerrüttung der Ehe — einer der geschiedenen Ehegatten dem anderen laufende Zahlungen zu leisten hat, deren Höhe vom Gericht festzusetzen ist; neben solchen laufenden Unterhaltszahlungen, oder anstelle solcher Zahlungen ist es jedoch in zahlreichen Rechten möglich, daß der eine Ehegatte dem anderen, oder den gemeinsamen Kindern, Teile seines Vermögens bei der Scheidung zu überlassen hat 3 2 . Vermögensüberlassungen beziehen sich häufig auf solche Gegenstände, die während der Ehe gemeinsam benutzt wurden 3 3 , oder die direkt oder indirekt unter Mithilfe eines Ehegatten von dem anderen angeschafft werden konnten. Auch wenn das maßgebliche Güterrecht keine Zugewinngemeinschaft vorsieht, erfolgt bei Scheidung besonders häufig eine Aufteilung der Vermögensgegenstände, die von den Ehegatten gemeinsam aus Mitteln des einen oder anderen angeschafft worden sind, auch wenn sie nur einem von ihnen gehören 3 4 ; das Scheidungsrecht arbeitet hier unter Umständen mit einer retrospektiven Fiktion des Güterstandes der „Zugewinngemeinschaft" ohne feste Q u o t e n . Wenn der Scheidungsrichter derartige Bestimmungen eines besonderen Scheidungsgüterrechts seinem eigenen Recht zu entnehmen h a t 3 4 a , so ist er vielfach nicht an das gebunden, was bei vertraglichen Güterständen für den Fall der Ehebeendigung einverständlich vereinbart worden ist 3 5 . Das Scheidungsgüterrecht des Scheidungsforums beansprucht dann selbstverständlich auch den Vorrang vor einem ausländischen Güterstatut und dessen Bestimmungen über die Liquidation eines konkreten Güterstandes bei Eheauflösung. Wenn es heute weitgehend üblich geworden ist, daß jeder von mehreren Staaten unter Anwendung seines eigenen Rechts heterogen verknüpfte Ehen scheiden läßt 3 6 , selbst wenn sie in dem Land, das anfänglich die Wirkungen der Ehe und die Scheidungsgründe regeln sollte, unscheidbar gewesen wäre, so ist es konsequent, wenn das besondere Scheidungsgüterrecht des Scheidungsforums auch den Vorrang vor Bestimmungen des Rechts in Anspruch nehmen will, welches während bestehender Ehe die güterrechtlichen Beziehungen beherrscht hat, einschließlich der Vorschriften darüber, wie der Güterstand bei Beendigung der Ehe durch Scheidung liquidiert werden soll. Hat aber das Gericht die Regelung nach billigem Ermessen zu treffen, so sollte es indes auch möglich sein zu berücksichtigen, was die Ehegatten seinerzeit bei noch intakter Ehe für den Fall der Scheidung ausdrücklich vereinbart haben, oder was sie unter dem Scheidungsgüterrecht des letzten Ehewirkungsstatuts für die intakte Ehe erwarten konnten 3 7 . Ist in dem früheren Ehewirkungsstatut eine Mitberechtigung eines Ehegatten an den für das gemeinsame Leben benutzten Objekten (Ehewohnung), oder an dem durch die Erwerbstätigkeit des anderen während der Ehe Errungenen eine notwendige Ergänzung dessen, daß das Statut für die persönlichen Ehewirkungen die eigene Erwerbstätigkeit vor allem der Frau während der Ehe zum Gegenstand einer vereinbarten oder gar einseitig verfügten Beschränkung gemacht hat, so sollte das Scheidungsfolgenrecht dies auf alle Fälle respektieren. Die Mängel der Wandelbarkeit des Statuts für die eigentlichen (persönlichen) Wirkungen der Ehe und der Loslösung des Scheidungsstatuts vom Ehewirkungsstatut machen sich gerade beim Scheidungsgüterrecht am stärksten bemerkbar, und müssen hier korrigiert werden. 710
Güterrecht und Erbrecht
§ 28
Auch die konkrete Neuverteilung des Vermögens der Ehegatten durch das Gericht des Scheidungsstaates ist von diesem Staat bezüglich des außerhalb belegenen Vermögens nur durchsetzbar, wenn die Lagestaaten bereit sind, die Entscheidung anzuerkennen und zu vollstrecken 38 . Ein voller oder eingeschränkter Vorrang des Scheidungsgüterrechts des Scheidungsforums wird im allgemeinen auch in jedem anderen Staat anerkannt, der selbst bereit ist, seinem Scheidungsgüterrecht den Vorrang vor dem eigentlichen Güterrecht einzuräumen. Ist bei der Scheidung durch das Scheidungsgericht keine Regelung der Vermögensverhältnisse getroffen worden, so ist es auch möglich, daß eine solche Regelung später durch das Gericht am Wohnsitz der früheren Ehegatten, oder durch ein Gericht im Lagestaat von Vermögen der Ehegatten, nachgeholt wird. f) Güterrechtliche Bestimmungen über die Folgen der Eheauflösung durch Tod und Erbrecht Wird die Ehe durch Tod eines Ehegatten aufgelöst, so finden zahlreiche Einrichtungen des ehelichen Güterrechts automatisch ihr Ende. Das von ihnen betroffene Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten wird dann frei für erbrechtliche Regelungen; so wenn die Verwaltung und Nutznießung eines der Ehegatten am Vermögen des anderen mit dem Tode des einen oder anderen beendet wird. Bei anderen güterrechtlichen Institutionen ist beim Tode eines Ehegatten eine Liquidation erforderlich, wie sie auch bei Beendigung der Ehe durch Scheidung notwendig wäre: Ist Miteigentum der Ehegatten an einem Gesamtgut als güterrechtliche Folge der Ehe entstanden, so müssen die Vermögensrechte, die in das Gesamtgut gefallen sind, entweder in Natur geteilt oder veräußert, und der Erlös aufgeteilt werden zwischen dem überlebenden Ehegatten und denjenigen, die kraft Erbrechts die Erben des verstorbenen Ehegatten werden. Sache des Rechts, welches ein güterrechtliches Gesamtgut gebildet hat, bleibt es zu bestimmen, ob und wieviel von diesem Gesamtgut mit dem Tode zum vererbbaren Nachlaß des Erstverstorbenen wird: Das Güterstatut bestimmt, ob die Ehegatten als zu gleichen Quoten am Gesamtgut beteiligt gelten, oder ob dem Mann 2/3 und der Frau 1/3 gebührt, usw; das Güterstatut kann gerade bezüglich der einem Gesamtgut einverleibten Vermögensrechte auch vorsehen, daß beim Tode eines der Ehegatten der andere in vollem Umfang Alleininhaber wird 39 . Das als Güterrecht anwendungswillige Recht kann sodann vorsehen, daß bei Auflösung der Ehe durch Tod Ausgleichsansprüche zwischen dem Vermögen des überlebenden Ehegatten und dem zu Nachlaß werdenden Vermögen des Erstverstorbenen fällig werden sollen. Das für das Güterrecht maßgebende Statut hat es also zunächst selbst in der Hand, durch solche Anordnungen über das Schicksal von Gesamtgut und das Fälligwerden von Ausgleichsforderungen den Umfang dessen entscheidend zu beeinflussen, was der überlebende Gatte beim Tode des anderen behält oder erhält. Das Güterstatut kann jedoch den Urheber der maßgeblichen Erbrechtsvorschriften nicht hindern, Verschiebungen zwischen den Vermögen der Ehegatten, die auf güterrechtliche Vorschriften zurückgehen, als unentgeltliche Erwerbe zu betrachten, und im Verhältnis zwischen dem überlebenden Ehegatten als einem Miterben und den übrigen Erben, ähnlich wie Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten, zur Grundlage von Anrechnungen zu machen 40 . Darüber hinaus steht es dem Urheber des Erbstatuts frei, eine Intestaterbberechtigung des überlebenden Ehegatten auch von der Bedingung abhängig zu machen, daß dieser nicht, oder nicht ausreichend, aus güterrechtlichen Vorschriften versorgt wird 41 . Das Erbstatut kann auch bestimmen, daß, wenn der überlebende Ehegatte auf Grund des maßgeblichen Güterrechts nicht das erhält, was er bei Maßgeblichkeit des Güterrechts des Erbstatutsstaates erhalten hätte, sein Erbteil um so viel erhöht wird, wie er auf Grund des Güterrechts des Erbstatutslandes bekommen hätte 42 . 711
§28
Güterrecht und Erbrecht
Ein Erbstatut könnte sich sogar auf einen noch ganz anderen Standpunkt stellen: Es könnte davon ausgehen, daß das O b und W i e der Versorgung des überlebenden Gatten aus dem Vermögen des erstverstorbenen Gatten oder aus Gesamtgütern in jeder Hinsicht Sache des Ehewirkungsstatuts ist. Das Erbstatut könnte es also dem Ehewirkungsstatut überlassen, ob die Versorgung des überlebenden Ehegatten dadurch bewirkt wird, daß durch güterrechtliche Einrichtungen der Nachlaß des Erstverstorbenen klein gehalten oder mit Ausgleichsforderungen belastet wird, oder ob und in welchem U m f a n g der überlebende Ehegatte als Erbe am Restnachlaß zu beteiligen ist; desgleichen könnte das Erbstatut allein das Ehewirkungsstatut darüber bestimmen lassen, ob der überlebende Gatte am Nachlaß des Erstverstorbenen Nießbrauchsrechte erhalten soll, obwohl dieser Nachlaß an andere vererbt w i r d 4 3 . Die Verwirrung der Grenzen zwischen güterrechtlichen und erbrechtlichen Regelungen der Versorgung des überlebenden Ehegatten wird in manchen Rechten gefördert dadurch, daß sie es vermeiden wollen, daß bei Auflösung der intakten Ehe durch Tod Zugewinnausgleichsansprüche zu Lasten des überlebenden Ehegatten fällig werden. Manche R e c h t e 4 4 vermeiden dies dadurch, daß für die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten eine pauschalierte Erhöhung des in der betreffenden Rechtsordnung ohnehin vorgesehenen Intestaterbrechts bzw. Pflichtteilsrechts vorgesehen w i r d . Schließlich kann die Entschädigung, die ein Eherecht der in der Ehe an einem eigenen Erwerb durch Berufstätigkeit behinderten Ehefrau z u k o m m e n lassen will, und die spätestens mit dem Tod des Mannes fällig w i r d , ja nicht nur in einer festen Summe bestehen, oder in einem Anteil an der Vergrößerung des gemeinschaftlichen Vermögens, sondern der „Treulohn" w i r d eben in manchen Rechten in Gestalt einer hinter den Nachlaßschulden, aber vor den Erbberechtigungen anderer Personen rangierenden Forderung an den N a c h laß vorgesehen, dessen Höhe aber wiederum als Quote vom Restnachlaß ausgedrückt wird45. Bei jeder beim Tode eines Ehegatten erfolgenden güterrechtlichen oder erbrechtlichen Begünstigung des Uberlebenden macht sich schließlich auch ein gesetzgebungspolitisches Bedürfnis fühlbar zu verhindern, daß das, was der überlebende Ehegatte mit dem Tode erhalten hat, für das Noterbrecht oder Pflichtteilsrecht der gemeinsamen Kinder aus der durch Tod aufgelösten Ehe verloren geht, indem der überlebende Ehegatte diese Werte durch bzw. mit Eingehung einer zweiten Ehe, die ja ihrerseits güterrechtliche und erbrechtliche Folgen nach sich ziehen kann, dem Ehegatten der zweiten Ehe und den Kindern der zweiten Ehe (jedenfalls zum Teil) verschafft. Dasjenige Recht, welches das Güterstatut für die erste Ehe und zugleich das Erbstatut für den erstverstorbenen Gatten der ersten Ehe stellt, stellt dann u. U . den Anspruch, die dem überlebenden Ehegatten z u k o m m e n d e n Werte einem Sonderstatus zu unterstellen, der verhindern soll, daß sie Objekt güterrechtlicher und erbrechtlicher W i r k u n g e n der zweiten Ehe werden, wenn der überlebende Ehegatte aus erster Ehe hier als erster verstirbt. Selbstverständlich ist zugleich denkbar, das dasjenige Recht, welches für die Erbfolge nach dem überlebenden und wiederverheirateten Ehegatten maßgeblich ist, auch schon seinerseits Bestimmungen enthält, welche dafür sorgen, daß das von dem überlebenden und wiederverheirateten Ehegatten aus Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten der ersten Ehe Erworbene in erster Linie an die Kinder aus der ersten Ehe fällt 4 6 . Angesichts dieser verwirrenden Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Ehegüterrechten und Erbrechten für beerbte Ehen dürfte eine einigermaßen gerechte Lösung kaum durch kollisionsrechtliche Regelungen allein zu erreichen sein. Vielmehr sollte, w e n n für eine beerbte Ehe mehrere Rechte in ihrer Eigenschaft als Güterstatut, Erbstatut und Statut für einen vererblichen Unterhaltsanspruch des Ehegatten in Frage kommen, zunächst geprüft werden, wie die Dinge sich gestalten würden, wenn jeweils nur eins dieser 712
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
§28
Rechte allein auf sämtliche Fragen anwendbar wäre. Dann mag sich ergeben, daß die verschiedenen Rechte mit unterschiedlichen Institutionen dennoch zu demselben Ergebnis kommen; dieses Ergebnis kann dann in jedem Forumstaat verwirklicht werden. Divergieren die Ergebnisse bei hypothetischer alleiniger Anwendbarkeit des einen bzw. des anderen Rechts, so sollte der einzelne Lagestaat von Vermögen der Ehegatten eine zwischen den errechneten einseitigen Lösungen vermittelnde Lösung als Billigkeitslösung zugrunde legen 4 6 a . Das ist dann allerdings mit einer zentralisierten Abwicklung der vermögensrechtlichen Folgen eines Todesfalls bei beerbter Ehe praktisch schwer vereinbar. Anhang : Geltendes Recht in der Bundesrepublik Schon in der Wortfassung des Art. 15 E G B G B , wonach das „eheliche Güterrecht" beim Vorliegen einer bestimmten Anknüpfung zu Deutschland (nämlich Staatsangehörigkeit des Mannes z. Z. der Eheschließung) „nach den deutschen Gesetzen beurteilt" werden soll 4 7 , zeigt sich eine gewisse Unsicherheit des Gesetzgebers in bezug auf das, was überhaupt durch Art. 15 E G B G B erfaßt werden soll. Gemeint ist, daß jedenfalls alle Sätze des deutschen Rechts, welche vermögensrechtliche Beziehungen zwischen Ehegatten abweichend vom allgemeinen Vermögensrecht regeln wollen, und welche andererseits nicht als Regelungen der persönlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten qualifiziert werden 4 8 , für die ganze Dauer der Ehe Anwendung finden sollen. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Zuweisungsnorm unter dem Grundgesetz der Bundesrepublik ist angezweifelt worden, weil damit das Gebot der Gleichbehandlung der Geschlechter verletzt werde; da es aber doch nicht bloß einen, sondern mehrere Wege gibt, die unter dem Grundgesetz als paritätische Kollisionsregelungen in Frage kommen, dürfte es Sache des Gesetzgebers sein, welche dieser Lösungen anstelle der gegenwärtigen verfassungswidrigen Lösung zu treten hat. Bis dahin bleibt offenbar die Grundregel des Art. 15 E G B G B als geltendes Recht wirksam, und zwar erweitert zu einer bilateralen Kollisionsnorm, deren Verweisung auf ein anwendungswilliges ausländisches Recht als Gesamtverweisung zu verstehen ist, vgl. Art. 27 E G B G B 4 8 3 . Auch für Art. 15 E G B G B gilt dieselbe Modifikation, wie sie Art. 28 für das Erbrecht vorsieht; infolgedessen ist auch die Auslegung des Art. 28 durch die Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Erbrecht bei der Deutung der Tragweite des Art. 28 für das eheliche Güterrecht analog heranzuziehen: Ehegüterrechtliche Vorschriften des Lagestaates von Vermögen der Ehegatten sind, soweit sie sich als Frage nach dinglichen Rechten an diesen Vermögensgegenständen, oder als Frage nach der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, oder als Frage nach der Befugnis zur Haftbarmachung durch obligatorische Verträge darstellen, anwendbar, sofern der Urheberstaat sie selbst unter Verwendung des Anknüpfungsmoments der Belegenheit angewendet wissen will. Eine Anwendung von güterrechtlichen Vorschriften des Lagestaates von Vermögen der Ehegatten, welche nur obligatorische Ansprüche zwischen den Ehegatten begründen, wie z. B. Ausgleichsansprüche bezüglich des Zugewinns, ist allerdings schwer denkbar. Als besonders wesentlicher Inhalt des Art. 15 E G B G B wird von jeher die „Unwandelbarkeit" des Güterstatuts betrachtet. Streng genommen müßte sie zur Folge haben, daß auch bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit und sämtlicher sonstiger Verknüpfungen der Ehegatten zu Deutschland ein zu Beginn der Ehe vom deutschen Recht beherrschter Güterstand bis zum Ende der Ehe vom deutschen Recht beherrscht bleibt, und zwar so, daß auch neue Bestimmungen des deutschen Rechts, die auf bestehende Ehen Anwendung finden wollen, angewendet werden müßten 4 9 . Die Rechtsprechung hat sich vorwiegend mit der Frage befaßt, ob dann, wenn der Ehemann bei Eingehung der Ehe Ausländer war und später Deutscher geworden ist, neue Gesetze des ehemaligen Heimatstaates, welche den gesetzlichen Güterstand bestehender Ehen betreffen wollen, durch deutsche Gerichte 713
§28
Gehendes Recht in der Bundesrepublik
zur Anwendung gebracht werden müßten. Angesichts der Meinungsverschiedenheiten in Rechtsprechung und Wissenschaft 50 und der unter den Betroffenen bestehenden Ungewißheit wurde durch Bundesgesetz vom 4. 8. 1969 für solche Deutschen, die die in anderen Gesetzen geregelte Eigenschaft von „Vertriebenen" und „Sowjetzonenflüchtlingen" haben, bestimmt, daß, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik nehmen, ihr bisheriger gesetzlicher Güterstand kraft Gesetzes durch den gesetzlichen Güterstand des in der Bundesrepublik geltenden BGB ersetzt wird, sofern nicht einer der Ehegatten dem widerspricht. Eine generelle Stellungnahme zu der Frage, ob beim Wegfall aller als Nachschubverknüpfungen in Frage kommenden Verknüpfungen zu dem Staat, der das erste Güterstatut stellt, der konkrete Güterstand „versteinert", d. h. durch neue Gesetze des Statutsstaates nicht erfaßt wird, hat weder der Gesetzgeber getroffen, noch hat sich die bundesgerichtliche Rechtsprechung in dieser Hinsicht festgelegt 51 . Als nicht entschieden hat aber auch die Frage zu gelten, ob beim Wegfall aller Verknüpfungen zu dem ursprünglichen Güterstatut der gesetzliche Güterstand des späteren gemeinsamen Heimat- und Wohnsitzstaates der Ehegatten, dessen Gesetzgeber diesen Güterstand als maßgebend betrachtet, nicht als stillschweigend vereinbart gelten könnte 52 . Eine gesetzliche Durchbrechung der Regel von der fortdauernden Anwendbarkeit des ersten Heimatrechts des Ehemannes sah bereits Art. 15 EGBGB mit der Bestimmung vor, daß beim späteren Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit oder eines deutschen Wohnsitzes durch die Ehegatten mit ausländischem Güterrechtsstatut ein etwaiges Verbot dieses Rechts, während bestehender Ehe einen Güterrechtsvertrag erstmalig zu errichten oder einen bestehenden zu ändern, nicht anwendbar sein soll 53 . Ist anfängliches Güterstatut das deutsche Recht, so ist die Ausschaltung des deutschen gesetzlichen Güterstandes durch einen vertraglichen Güterstand im Rahmen der vom deutschen Recht dafür vorgesehenen inhaltlichen Grenzen möglich. Jedoch ist eine vertragliche Regelung des Güterstandes in Gestalt einer kollisionsrechtlichen Verweisung des Vertrages auf ausländisches Recht — etwa in dem Sinne, daß die deutschen Ehegatten als ihren vertraglichen Güterstand den jeweils vom Wohnsitzstaat vorgesehenen gesetzlichen Güterstand wählen — ebenso ausgeschlossen, wie eine vertragliche Regelung des Güterstandes in Gestalt einer „materiellrechtlichen Verweisung" auf ein bestimmtes ausländisches Recht, vgl. § 1409 BGB. Nur wenn die Ehegatten mit deutschem Güterstatut zur Zeit des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz im Ausland haben, ist eine vertragliche Regelung in Gestalt einer Verweisung auf das Wohnsitzrecht, aber eben wohl nur einer materiellrechtlichen Verweisung auf das Wohnsitzrecht nach dem Stand des Vertragsschlusses, zulässig. Uber den Anwendungsbereich der deutschen Vorschriften betreffend das Güterrechtsregister bestimmt Art. 16 EGBGB, daß deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz im Inland, die in einem vertraglichen oder gesetzlichen Güterstand eines ausländischen Rechts leben, sich hierauf gegenüber Dritten nach Maßgabe der Bestimmungen des deutschen Rechts über die Bedeutung des Güterrechtsregisters nur dann berufen können, wenn eine Eintragung des vertraglichen oder gesetzlichen Güterstandes im deutschen Güterrechtsregister vorliegt. Ist das erste ausländische Heimatrecht des Ehemannes ohne Rücksicht auf den späteren Wegfall dieser Verknüpfung weiterhin anwendungswillig, so wird dies auch in Deutschland respektiert, soweit nicht das Bundesgesetz vom 4. 8. 1969 eingreift. Das gleiche gilt, wenn das Heimatrecht des Ehemannes zur Zeit der Eheschließung auf das Wohnsitzrecht zur Zeit der Eheschließung verweist, und dieses Recht für die ganze Dauer der Ehe das maßgebliche Güterrecht stellen will. Die Deutung der Verweisung auf das Heimatrecht des Ehemannes zur Zeit der Eheschließung als einer Gesamtverweisung wird aber von der herrschenden Meinung dahin ausgedehnt, daß sie auch eine kollisionsrechtliche Vorschrift im Recht des ersten Heimatstaates des Ehemannes erfaßt, wonach der 714
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
§28
Güterstand durch das Recht des jeweiligen Heimatstaates oder des jeweiligen Wohnsitzstaates bestimmt werden soll. Eine vom ersten Heimatstaat des Ehemannes verfügte Wandelbarkeit des Güterstatuts wird also dann auch im deutschen internationalen Privatrecht wirksam. Wie sich die deutschen Gerichte dabei bei fehlender Anwendungswilligkeit des späteren Heimat- oder Wohnsitzrechts zu verhalten haben, ist allerdings durch höchstrichterliche Rechtsprechung nicht geklärt. Keine volle Klarheit besteht auch bezüglich des Anwendungsbereichs der Vorschriften eines ausländischen Scheidungsgüterrechts und bezüglich des Anwendungsbereichs von Bestimmungen über Zugewinnausgleich bei Eheauflösung und Tod. Der vom deutschen Scheidungsgüterrecht bezüglich des Versorgungsausgleichs beanspruchte Vorrang vor den Vorschriften des deutschen Ehegüterrechts über die Folgen einer Eheauflösung für den Güterstand dürfte auch gegenüber ausländischem Ehegüterrecht wirksam werden, wenn allein nach deutschem Recht geschieden wird 5 4 . § 1371 B G B ist ohne Schwierigkeiten anwendbar, wenn sowohl das Güterstatut, als auch das Erbstatut durch das deutsche Recht gestellt werden. Stellt das deutsche Recht nur das Güterstatut oder nur das Erbstatut, und enthält das maßgebliche ausländische Erbstatut bzw. Güterstatut die gleiche Regelung, wie sie § 1371 B G B vorsieht, so ist diese Regelung ebenfalls anwendbar. Für die anderen Fälle fehlt es an gesetzlichen Hinweisen und höchstrichterlichen Entscheidungen. Das im wesentlichen mit der Regelung des E G B G B übereinstimmende Haager Abkommen vom 17. 7. 1905 über Ehewirkungen einschließlich der ehegüterrechtlichen Wirkungen steht nur noch im Verhältnis zu Italien in der Bundesrepublik in Kraft. D e m komplizierten neuen Haager Abkommen von 1973 über die internationalprivatrechtliche Behandlung des Ehegüterstandes ist die Bundesrepublik nicht beigetreten. Das Abkommen enthält zahlreiche Neuerungen gegenüber dem bisherigen deutschen Recht. Es ermöglicht Rechtswahl durch die Ehegatten unter Beschränkung auf die besonders eng beteiligten Rechte (Heimat- und Wohnsitzstaat, sowie Lagestaat von Grundstücken) und stellt mangels Rechtswahl in erster Linie auf das erste gemeinsame eheliche Domizil ab. Das Abkommen schränkt sodann insbesondere die Unwandelbarkeit des Güterstatuts ein, indem der erste gesetzliche Güterstand, sofern das anwendbare Recht für den Güterstand nicht ausdrücklich von den Parteien gewählt wurde, automatisch durch den gesetzlichen Güterstand in einem späteren gemeinsamen Wohnsitzstaat ersetzt wird, wenn beide Ehegatten dort zugleich Staatsangehörige sind oder werden, oder wenn der neue Wohnsitz 10 Jahre lang bestanden hat. Die Wirkung eines Güterstandes auf Rechtsbeziehungen der Ehegatten zu Dritten soll nach dem im Verhältnis zwischen den Ehegatten unter sich anwendbaren Recht beurteilt werden; es wird jedoch jedem Vertragsstaat freigestellt, Bestimmungen zu erlassen, wonach dies davon abhängig ist, daß Eintragungen im Güterrechtsregister vorliegen, oder daß der Dritte das auf den Güterstand anwendbare Recht kannte oder hätte kennen müssen. Die Regelungen des Abkommens wären ohne Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen solchen Ländern anzuwenden, welche das eheliche Güterrecht in der Art regeln, wie es in den meisten Ländern des europäischen Kontinents üblich ist; das Abkommen bereitet Schwierigkeiten, wenn es auf Güterstände „exotischer" Rechte angewendet werden müßte. Aus diesem Grunde erscheint es besonders unangebracht, daß die Vertragsstaaten die Kollisionsnormen des Abkommens auch dann anzuwenden haben, wenn unter dem Abkommen das Recht eines Nichtvertragsstaates berufen ist. Sogar der Ausschluß der Anwendbarkeit des Abkommens im Verhältnis zwischen zwei Vertragsstaaten unter sich kann nur einverständlich durch eine anderweitige vertragliche Regelung erfolgen; ein Vertragsstaat kann also die Anwendung des Abkommens nicht ablehnen, wenn ein anderer Staat mit einem ungewöhnlichen Güterrecht beitritt. Es ist daher wohl unwahrscheinlich, daß die Bundesrepublik in absehbarer Zeit dem Abkommen ihrerseits beitreten wird. 715
§29
Adoption
§ 29. Adoption und andere künstliche Elternrechte a) Allgemeines Die durch Abstammung begründeten Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihrem Kind können durch das Bestandsstatut für die einzelne Verhaltenspflicht, bzw. das einzelne absolute Recht, nach den von ihm vorgesehenen Bedingungen beendet werden: Das Recht, welches Notunterhaltspflichten zwischen Eltern und volljährigen Kindern vorsieht, kann bestimmen, daß eine solche Unterhaltspflicht in Wegfall kommt, wenn der Unterhaltsberechtigte grobe Rechtsverletzungen gegenüber dem Unterhaltspflichtigen (Tötungsversuch usw.) begangen hat; die Sorgegewalt der Eltern über minderjährige Kinder kann bei Mißbrauch entzogen werden. Sind die Recht-Pflicht-Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, wie dies meist der Fall ist, „höchstpersönliche" Rechte und Pflichten, so enden sie mit dem Tod eines der Beteiligten. Wer dann „Nachfolger" des Inhabers der Sorgegewalt, und wer Nachfolger in bezug auf die Unterhaltspflicht wird, ist, soweit überhaupt von einer Nachfolge die Rede sein kann, sicher nicht nach den allgemeinen Regeln über Haftung des Nachlasses und der Erben für Verbindlichkeiten des Erblassers und nach den allgemeinen Regeln über die Erbfolge in „Rechte" zu beurteilen. In vielen Rechten ist bei obligatorischen Dauerrechtsverhältnissen der Eintritt eines neuen Partners anstelle des anfänglich beteiligten Partners im Einverständnis aller Parteien möglich: Ein neuer Mieter tritt im Einverständnis mit dem Vermieter und dem früheren Mieter in einen bestehenden Mietvertrag ein und übernimmt neben den Rechten und Pflichten des Mieters für die Zukunft auch etwaige rückständige Mietschulden des alten Mieters, der seinerseits aus dem Mietvertrag ausscheidet. In Analogie zu diesem Auswechseln eines einzelnen Partners an einem rechtsgeschäftlich begründeten Dauerrechtsverhältnis findet sich in nicht wenigen Rechten die Vorstellung, daß auch in das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind anstelle der ursprünglichen elterlichen Partner im Einverständnis aller Beteiligten ein „künstlicher" Elternteil eintreten kann. Unabhängig von einem solchen einverständlichen Auswechseln des Rollenträgers Eltern deckt in den meisten Rechten die Rechtsfigur der Adoption auch eine durch Rechtsgeschäft oder Staatsakt erfolgende Neubegründung eines künstlichen Eltern-Kind-Verhältnisses, wenn die natürlichen Eltern verstorben oder durch Staatsakt aus dem Rechtsverhältnis zu den Kindern entfernt worden sind 1 . Im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit ist es in den meisten Rechten sodann möglich, daß natürliche Personen miteinander vereinbaren, sie wollten zwischen sich einzelne Rechte und Pflichten begründen, wie sie einem Eltern-Kind-Verhältnis kraft Gesetzes eigentümlich sind, ohne daß damit etwaige bestehende gesetzliche Rechte und Pflichten aus dem natürlichen Abstammungsverhältnis zwischen den Beteiligten und ihren wahren Eltern beeinträchtigt sein sollen. Schließlich können auch einzelne Aspekte des komplexen Rechtsverhältnisses, wie es zwischen Eltern und Kindern besteht, durch Staatsakt im Verhältnis zwischen einer natürlichen Person und „künstlichen" Eltern hergestellt werden; so wenn Pflegeeltern nicht nur von der Behörde, nachdem den natürlichen Eltern die elterliche Gewalt entzogen worden ist, widerruflich mit der Ausübung der Personensorgegewalt beauftragt werden, sondern — ohne Adoption und ohne Bestellung zum Vormund — „elterliche" Personensorgegewalt über das Kind in der Weise erhalten, daß sie ihnen nur bei Mißbrauch wieder entzogen werden kann 2 . Für die internationalprivatrechtliche Behandlung aller derartiger künstlicher ElternKind-Beziehungen ist es wichtig, ob das künstliche Eltern-Kind-Verhältnis neben einem nicht erlöschenden natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis bestehen soll und ohne Störung der materiellen Harmonie bestehen kann, oder ob die Entstehung des künstlichen Rechtsverhältnisses von vornherein damit gekoppelt sein soll, daß Wirkungen und eventuell auch Nachwirkungen des natürlichen Eltern-Kind-Verhältnisses zum Erlöschen gebracht wer716
Erwachsenenadoption
§29
den, oder daß jedenfalls wenigstens diejenigen Wirkungen des natürlichen Eltem-KindVerhältnisses erlöschen, die neben dem künstlichen Rechtsverhältnis ohne eine Störung der materiellen Harmonie nicht bestehen können: Die Annahme des Bestehens einer Unterhaltspflicht der natürlichen Eltern gegenüber ihrem Kind wird nicht dadurch gestört, daß auch andere Personen gegenüber dem Kind Unterhaltspflichten in der Weise erhalten, als ob sie die Eltern wären; die Erbberechtigung des Kindes nach seinen natürlichen Eltern wird nicht beeinträchtigt, wenn zugunsten des Kindes auch noch eine Erbberechtigung nach Dritten in der Weise begründet wird, als ob der Dritte Elternteil des Kindes wäre. Wohl aber kann eine Personensorgegewalt eines künstlichen Elternteils nicht sinnvoll ausgeübt werden, wenn noch eine Personensorgegewalt der natürlichen Eltern, oder von Pflegeeltern, oder von anderen Adoptiveltern, oder von sonstigen natürlichen Verwandten des Kindes besteht, und diese ältere Personensorgegewalt nicht zugleich mit der Adoption beendet wird 3 . b) Die Erwachsenenadoption. Wirkungen und N a c h w i r k u n g e n Wenn zwischen den natürlichen Eltern und den erwachsenen Kindern kein Personensorgeverhältnis und kein gesetzliches Vertretungsverhältnis mehr besteht, sondern nur noch mit Notunterhaltspflichten zu rechnen ist, so steht sicher dies nicht dem entgegen, daß der Abkömmling in einen Vertrag mit Dritten vereinbart, zwischen ihm und dem Dritten sollten ebenfalls Notunterhaltspflichten „wie zwischen Eltern und Kind" begründet werden. Für einen solchen Vertrag ist maßgebend bei heterogenen Verknüpfungen dasjenige Recht, das die Parteien ausdrücklich als Geschäftsstatut wählen, oder zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht. Die eigentliche Adoption unter Erwachsenen besteht aber nicht in einer solchen auf Unterhaltspflichten beschränkten Regelung, sondern hat in allen Rechten, die überhaupt Adoption kennen, den ausdrücklichen oder unterstellten Inhalt, die Parteien wollten, soweit ihnen das durch das zuständige Recht ermöglicht wird, und sie nicht selbst ausdrücklich Gegenteiliges vereinbart haben, durch Rechtsgeschäft oder einen einverständlich beantragten Staatsakt alle diejenigen Rechtswirkungen herstellen, die eingetreten wären, wenn zwischen ihnen ein natürliches Abstammungsverhältnis 4 bestanden hätte. Von dem so gefaßten Adoptionsgeschäft ist es in den meisten positiven Kollisionsrechten üblich, daß das anwendbare Recht nicht durch Rechtswahl, bzw. über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalls ermittelt wird; insbesondere derjenige Staat, der seine Gerichte zur Bestätigung oder Anordnung der Adoption als zuständig erklärt, bestimmt zumeist, daß auf das Zustandekommen des Adoptionsverhältnisses sein Recht angewendet wird, wenn eine bestimmte Inlandsverknüpfung (Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz des Adoptierenden oder des Adoptierten) vorliegt; der betreffende Staat erklärt dann in aller Regel dieses sein Recht auch als anwendbar, insoweit die Adoption Recht-Pflicht-Beziehungen zu Lebzeiten zwischen dem Adoptierenden und dem Adoptierten hervorruft 4 3 . Welche zusätzlichen Bedingungen für das Zustandekommen eines Adoptionsverhältnisses außer dem Einverständnis der Beteiligten gestellt werden, macht das anwendungswillige Recht üblicherweise davon abhängig, ob es, soweit es dafür zuständig sein sollte, der Adoption auch N a c h w i r k u n g e n verschaffen will, und wie diese Nachwirkungen ausgestaltet sind. Als Nachwirkungen kommen praktisch vor allem in Frage der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Adoptierenden durch den Adoptierten, der Erwerb des Familiennamens des Adoptierenden durch den Adoptierten, und schließlich Intestaterbrecht, N o t erbrecht und Pflichtteilsrecht im Verhältnis zwischen dem Adoptierenden und dem Adoptierten bzw. umgekehrt. Sieht beispielsweise das Staatsangehörigkeitsrecht des anwendungswilligen Adoptionsstatuts einen Erwerb der Staatsangehörigkeit des Adoptierenden 717
§29
Erwachsenenadoption
durch den Adoptierten im Zusammenhang mit der Adoption vor, so wird der Gesetzgeber schon bei der Regelung der Adoption einer Umgehung seiner Bestimmungen über die Naturalisation durch Gefälligkeitsadoptionen dadurch begegnen, daß der zur Adoption erforderliche Staatsakt nach Ermessen der zuständigen Behörde verweigert werden kann, wenn zu vermuten ist, daß die Adoption nur vereinbart wurde, um dem Adoptierten die Staatsangehörigkeit des Adoptierenden zu verschaffen. Ist oder wird der zu Adoptierende Staatsangehöriger in dem Staat, der das Adoptionsstatut stellt, und ist dieses Recht auch auf die Namensform anwendungswillig, so wird der Gesetzgeber, um eine Umgehung seiner Vorschriften über Namensänderung zu verhindern, der Behörde, die die Adoption zu bestätigen hat, möglicherweise ein Ermessen geben, die Adoption zu verweigern, wenn damit dem Adoptierten ein Name verschafft werden soll, den er im Namensänderungsverfahren nicht hätte erhalten können. Vor allem geht der Gesetzgeber des Adoptionsstatuts häufig davon aus, daß sein Recht vermutlich auch das Erbstatut für den Adoptierenden oder den Adoptierten sein wird; der Gesetzgeber verhindert dann eine Beeinträchtigung insbesondere der Noterbrechte natürlicher Verwandter des Adoptierenden bzw. des Adoptierten in der Weise, daß er zwar grundsätzlich ein Adoptionsverhältnis im Erbrecht wie ein natürliches Kindschaftsverhältnis bewertet, aber eine Adoption dann überhaupt nicht Zustandekommen läßt, wenn schon vorhandene natürliche Verwandte ohne ihr Einverständnis durch das Entstehen eines Erbrechts des Adoptierten (bzw. des Adoptierenden) in der Weise beeinträchtigt würden, daß dies sich auch auf ihr Noterbrecht auswirkt 5 . Das Gleiche gilt zugunsten des Ehegatten des Adoptierenden bzw. des Adoptierten. Ist es nun so, daß das anwendungswillige Adoptionsstatut nicht dasselbe Recht ist wie das, welches für die eben genannten Nachwirkungen der Adoption maßgebend ist, so ist es ausschließlich Sache des zuständigen Nachwirkungsstatuts, ob und unter welchen Bedingungen es überhaupt die Adoption, die unter dem anwendungswilligen Adoptionsstatut gültig ist, als Auslösungsgrund für die Nachwirkungen einem natürlichen Abstammungsverhältnis gleichsetzen will: O b der unter dem Adoptionsstatut A Adoptierte mit der Staatsangehörigkeit B durch die Adoption, wenn der Adoptierende nicht ebenfalls Staatsangehöriger von B ist, die Staatsangehörigkeit von B wegen der Adoption durch einen Ausländer oder wegen des durch die Adoption vermittelten Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit verliert, das bestimmt allein das Staatsangehörigkeitsrecht von B. Das Staatsangehörigkeitsgesetz von B kann den Verlust der Staatsangehörigkeit durch den Adoptierten z. B. davon abhängig machen, daß er seinen Wohnsitz außerhalb des Staates B hat; das Staatsangehörigkeitsgesetz von B kann zum Verlust der Staatsangehörigkeit in B durch den Adoptierten auch fordern, daß die Adoption nicht nur den Gültigkeitsbedingungen des Heimatstaates des Adoptierenden, sondern daß sie auch den Gültigkeitsbedingungen des Wohnsitzstaates des Adoptierenden genügt 6 . Behält der Adoptierte seine bisherige Staatsangehörigkeit, und will dieses Heimatrecht für die Fassung seines Familiennamens maßgebend sein, so ist es wiederum Sache dieses Heimatrechts, ob es eine automatische Namensänderung durch Erwachsenenadoption überhaupt zulassen, oder ob es sie von einer Genehmigung seiner Namensänderungsbehörden abhängig machen will 7 . Ist nun nicht dasjenige Recht, welches das Adoptionsstatut stellt, auf die Erbfolge nach dem Adoptierenden anwendbar, sondern etwa das davon verschiedene Lagerecht von Nachlaßgrundstücken, oder ein später erworbenes Heimatrecht des Adoptierenden, so ist es Sache dieses endgültigen Erbstatuts, ob es überhaupt einem Adoptivkindschaftsverhältnis dieselbe erbrechtliche Bedeutung zumessen will wie einem natürlichen Kindschaftsverhältnis, oder ob es etwa adoptierten neben natürlichen Kindern ein gemindertes Erbrecht gewähren will 8 . Das endgültige Erbstatut für die Beerbung des Adoptierenden kann aber, 718
Nachwirkungen der Adoption
§29
wenn es schon grundsätzlich bereit ist, die gemäß seinem Adoptionsrecht adoptierten Personen wie natürliche Kinder erben zu lassen, bei einer Adoption unter ausländischem Recht andere Anforderungen stellen: Das endgültige Erbstatut kann insbesondere fordern, daß der Adoptierte unter dem Erbrecht des Adoptionsstatuts zur Erbfolge berufen gewesen wäre, kann also erfordern, daß die nach einem anderen Recht vorgegangene Adoption für erbrechtliche Folgen prädestiniert war 9 . Das endgültige Erbstatut kann aber auch prüfen, ob das Adoptionsstatut für das Zustandekommen der Adoption gerade diejenigen Hemmungen nicht kannte, welche das Erbstatut in seinen Bestimmungen über Adoption zur Sicherung der Not- bzw. Pflichtteilserbrechte der natürlichen Verwandten und Ehegatten des Adoptierenden hat. Ein Prädestiniertsein des künstlichen Kindschaftsverhältnisses für erbrechtliche Nachwirkungen wird insbesondere dann zu verneinen sein, wenn es unter dem Erbrecht des Adoptionsstatuts deshalb nicht zu einer Beerbung des Adoptierenden durch den Adoptierten gekommen wäre, weil bei der Adoption ausdrücklich vereinbart wurde, daß ein solches Erbrecht nicht begründet werden sollte, und dies im Erbrecht des Adoptionsstatuts als eine Form des Erbverzichts zulässig ist. Ob die Adoptiveltern von dem Adoptierten erben, hängt wieder ausschließlich von dem Erbstatut ab, welches die Erbfolge des Adoptierten beherrscht. Ist es aus irgendeinem Grunde ein anderes Recht als dasjenige, welches Adoptionsstatut war, so ist es durchaus möglich, daß dieses Erbstatut für die Beerbung des Adoptierten eine Adoption als Erbgrund gänzlich ablehnt, oder daß es ein Erbrecht der Adoptive/ierrc bedingt oder unbedingt verneint, oder daß es die unter dem anwendungswilligen Adoptionsstatut zustandegekommene Adoption deshalb nicht als Erbgrund zugunsten der Adoptiveltern anerkennt, weil im Gegensatz zu dem Adoptionsrecht des Erbstatuts die notwendige Zustimmung der natürlichen Eltern oder der natürlichen Geschwister zu der Adoption ihres erwachsenen Kindes (bzw. der Adoption ihres erwachsenen Bruders) nicht erteilt wurde, was wiederum darauf zurückzuführen sein kann, daß nach dem Adoptionsstatut diese Zustimmungen gar nicht erforderlich sind. Lautet das Erbstatut für den Adoptierten dahin, daß mit der Herstellung eines vom Standpunkt des Erbstatutsstaates gültigen künstlichen Kindschaftsverhältnisses das natürliche Abstammungsverhältnis kein Erbgrund für Eltern und Geschwister mehr ist, so kann höchstens die negative ordre public-Klausel dazu führen, daß etwa im Heimat- oder Wohnsitzstaat dieser natürlichen Verwandten des Adoptierten, wo die Adoption nicht anerkannt wird, in bezug auf den dort belegenen Nachlaß eine Erbberechtigung entgegen dem eigentlich berufenen Erbstatut verwirklicht wird 9a . Erwirbt der Adoptierte nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des Heimatstaates des Adoptierenden dessen Staatsangehörigkeit, ohne seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit nach dem dafür maßgeblichen Recht zu verlieren, so wird dieser ursprüngliche Heimatstaat, wenn er die Erbfolge nach der Staatsangehörigkeit beurteilen will, angesichts der doppelten Staatsangehörigkeit des Adoptierten kaum danach fragen, welche seiner Staatsangehörigkeiten die effektivere ist; er wird vielmehr, soweit er überhaupt den Nachlaß erfassen kann, diesen nach seinem Erbrecht vererben lassen. Auch dritte Staaten werden angesichts einer solchen doppelten Staatsangehörigkeit des Adoptierten nicht auf die effektivere Staatsangehörigkeit abstellen, sondern, je nachdem sie selbst die durch Adoption erworbene Staatsangehörigkeit oder die ursprüngliche Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment vorziehen, wenn die Anwendung ihres eigenen Rechts in Frage steht, dem einen oder anderen anwendungswilligen Heimatrecht den Vorzug geben, und danach jedenfalls den auf ihrem Gebiet erfaßbaren Nachlaß verteilen. Angesichts dessen, daß bei der Erwachsenenadoption die Nachwirkungen für die Beteiligten in aller Regel weit wichtiger sind als die im Verhältnis zwischen den Beteiligten zu Lebzeiten zu erfüllenden Unterhaltspflichten, angesichts dessen, daß das Statut für die Nachwirkungen nicht vom Adoptionsstatut gestellt wird, sondern auf Grund anderweiti719
§29
Nachwirkungen der Adoption
ger Zuweisungsnormen oft von einem anderen Staat, und schließlich angesichts dessen, daß das Nachwirkungsstatut selbst bestimmt, ob es eine unter einem anderen Recht zustandegekommene Adoption als „nachwirkungswürdig" betrachten will, spielt es keine erhebliche Rolle, ob ein Staat das eigentliche Adoptionsstatut unter Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, oder den Wohnsitz des Adoptierenden, oder unter Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz des Adoptierten ermittelt, oder ob er es gar den Parteien freistellt, eine Adoption in einem dieser Staaten, der mit eigenem Recht anwendungswillig ist, herbeizuführen. Ein Staat kann also beispielsweise seine eigenen Gerichte ermächtigen, eine Adoption unter Anwendung seines Rechts zu bestätigen, wenn der Adoptierende dort seinen Wohnsitz hat, oder wenn beide Parteien Staatsangehörige dieses Landes sind; sind die Gültigkeitsvoraussetzungen unter dem so anwendungswilligen Recht dieses Staates gegeben, so wird er auch die Bestimmungen seines Rechts über die unmittelbaren Wirkungen der Adoption, nämlich vor allem die Unterhaltspflicht, anwenden lassen. Ein Staat, der in dieser Weise sein eigenes Adoptionsrecht alternativ neben ausländischem Recht zur Anwendung bringen läßt, kann zugleich bestimmen, daß er eine von dem Wohnsitzstaat des Adoptierenden oder vom gemeinsamen ausländischen Heimatstaat als gültig betrachtete Adoption anerkennen, und jedenfalls auf Unterhaltspflichten zwischen den Parteien das anwendungswillige ausländische Recht anwenden läßt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein Forumstaat zusätzlich zu diesen alternativen Zuweisungen auch den Anspruch etwa des Heimatstaates des Adoptierten auf Begründung des Adoptionsverhältnisses gemäß dessen Recht anerkennt. Eine andere Frage ist es, welches Recht ein mit seinem Staatsangehörigkeitsgesetz, oder seinem Namensstatut, oder seinem Erbstatut anwendungswilliger Staat für maßgebend hält, wenn sich hier die Vorfrage nach dem Zustandekommen der Adoption stellt. Der betreffende Staat wird, wenn er überhaupt die Adoption die in Frage stehende Nachwirkung auslösen lassen will, dies sicher bei einer Adoption tun, für die er selbst das Adoptionsstatut stellen wollte, und die gemäß dessen Bestimmungen auch gültig zustandegekommen ist. Bei der Beurteilung der Vorfrage wird sodann das Zustandekommen einer Adoption unter dem Recht eines anderen Staates anerkannt werden, für den entsprechende Verknüpfungen bestanden, wie die, bei denen der Staat, der die Nachwirkung regeln will, sein eigenes Recht als Adoptionsstatut betrachtet hätte. O b eine solche Adoption durch einen im Zusammenhang mit der Vorfrage als zuständig betrachteten Staat mit Rücksicht auf abweichende Gültigkeitsvoraussetzungen im Nachwirkungsstatut als nachwirkungswürdig betrachten wird, ist eine andere Frage. Es wäre aber auch denkbar, daß im Erbstatut neben einer Adoption, die unter dem Recht gültig zustandegekommen ist, das nach dem Kollisionsrecht des Erbstatuts dafür berufen war, ein künstliches Kindschaftsverhältnis als erbrechtsauslösend betrachtet wird, wenn es auf Grund eines anderen selbst anwendungswilligen Rechts begründet worden ist, und zu Lebzeiten der Parteien effektiv bestanden hat 1 0 . Kann also eine gültige Adoption gemäß dem Adoptionsrecht eines Landes X Zustandekommen, wenn der Adoptierende seinen Wohnsitz in X hatte, oder wenn er Staatsangehöriger von X war, so wird das Recht von X , wenn es die Erbfolge nach dem Adoptierenden regelt, und danach Adoptierte erben, in dem einen wie dem anderen Fall die Adoption als Erbgrund anerkennen. Ist das Recht von X Erbstatut geworden, ohne daß das Recht dieses Staates Adoptionsstatut war, so kommt der Adoptierte als Erbe in Frage, wenn die vereinbarte Adoption gemäß dem anwendungswilligen Recht des ausländischen Heimatstaates oder gemäß dem anwendungswilligen Recht des ausländischen Wohnsitzstaates des Adoptierenden gültig war. Ist das zu bejahen, so muß immer noch geprüft werden, ob die Adoption unter dem Recht, unter dem sie zustandegekommen ist, überhaupt zu erbrechtlichen Nachwirkungen prädestiniert war, und wenn ja, ob sie nicht unter Nichtbeachtung 720
Prädestinierung der Adoption zu Nachwirkungen
§29
solcher Adoptionshemmungen zustandegekommen ist, wie sie das Adoptionsrecht des Erbstatutsstaates mit Rücksicht auf sein eigenes Erbrecht hat. Bei der Erwachsenenadoption besteht also durchaus die Möglichkeit, ein Adoptionsverhältnis unter dem anwendungswilligen Personalstatut des Adoptierenden zu begründen, obwohl das Personalstatut der zu adoptierenden Person die Einrichtung der Adoption überhaupt nicht kennt. Bleibt trotz der Adoption das bisherige Personalstatut des Adoptierten bestehen, und ist es allein für bestimmte Nachwirkungen der Adoption (Name des Adoptierten, Erbfolge nach dem Adoptierten) berufen, so treten solche Nachwirkungen der Adoption hier nicht ein, obwohl umgekehrt der Adoptierte den Adoptierenden durchaus gemäß dessen Personalstatut beerben kann. Daß die Unterhaltspflicht des Adoptierten gegenüber dem Adoptierenden nach dem Adoptionsstatut beurteilt wird, wird durch das Unbekanntsein der Adoption im Personalstatut des Adoptierten nicht gehindert: Er hätte sich ja auch trotz des Unbekanntseins der Adoption in seinem Personalstatut in einem Rechtsgeschäft gegenüber irgend jemand, mit dem er nicht verwandt ist, zu Unterhaltsleistungen verpflichten können; daß dabei der Umfang der versprochenen Unterhaltsleistungen nach dem bemessen wurde, was den Unterhaltspflichten zwischen Eltern und Kind in einem bestimmten Recht entspricht, ist offenbar belanglos. Erst recht kann das Adoptionsstatut höchstens eine Prädestinierung des Adoptionsverhältnisses zu anderen Nachwirkungen schaffen, welche nicht von dem Personalstatut des Adoptierenden oder dem des Adoptierten abhängen, sondern vom Personalstatut Dritter, wie etwa Unterhaltspflichten der natürlichen Verwandten des Adoptierenden gegenüber dem Adoptierten, Erbberechtigung des Adoptierten gegenüber diesen Verwandten und umgekehrt, oder Ehehindernisse. Die Regelung der Aufhebung eines Adoptionsverhältnisses entspricht teils der Nichtigerklärung einer Ehe, teils der Ehescheidung; der Anwendungsbereich der Bestimmungen des positiven Rechts über Adoptionsaufhebung dürfte daher analog dem Anwendungsbereich jener eherechtlichen Bestimmungen abzustecken sein. Setzt die Aufhebung des Adoptionsverhältnisses voraus, daß die mit der Adoption erloschenen Rechtsbeziehungen zur natürlichen Familie wieder aufleben, so ist das vom Standpunkt des Aufhebungsstatuts dafür maßgebliche und anwendungswillige Recht zu prüfen. Sollen an die Aufhebung einer Adoption Nachwirkungen angeknüpft werden, so hat eventuell eine Anpassung des Nachwirkungsstatuts an das Aufhebungsstatut zu erfolgen; so etwa, wenn das aus der Adoption hergeleitete Ehehindernis zwischen Adoptivgeschwistern in dem einen Recht mit der Aufhebung der Adoption nicht beseitigt wird, wohl aber in dem anderen Recht. c) Adoption von Personen, die unter Personensorgegewalt stehen oder gemäß dem d a f ü r maßgeblichen Recht gestellt werden könnten Bei der Erwachsenenadoption — genauer: der Adoption von geschäftsfähigen Volljährigen — spielt die Frage, auf Grund welchen Rechts eine bestehende Personensorgegewalt mit der Adoption beendet wird, keine Rolle, weil ja durch Erwachsenenadoption eine Personensorgegewalt des Adoptierenden nicht begründet wird. Wohl kann sich bei Erwachsenenadoption die Frage stellen, wie sich das bisher maßgebende Recht für Unterhaltspflichten und Erbrecht dazu stellt, daß es die gemeinsame Absicht der an der Adoption unmittelbar Beteiligten ist, daß die Adoption einerseits zwischen ihnen Wirkungen und Nachwirkungen hervorruft, wie wenn ein echtes Abstammungsverhältnis vorgelegen hätte, sondern auch, daß mit der Adoption andererseits die entsprechenden Wirkungen und Nachwirkungen im Verhältnis zwischen dem Adoptierten und seiner natürlichen Familie beseitigt werden sollen. Hier ist es nun sicher, daß etwa der Wegfall des Erbrechts des Adoptierten am Nachlaß seiner natürlichen Eltern, oder gar am Nachlaß von Verwandten dieser Eltern, nicht allein dadurch dekretiert werden kann, daß das Adoptionsstatut 721
§29
Adoption von Minderjährigen
entsprechend der Absicht der unmittelbar Beteiligten derartiges vorsieht. Desgleichen kann die Notunterhaltspflicht im Verhältnis zwischen dem Adoptierten und seinen natürlichen Verwandten, wie sie bis zur Adoption etwa durch das anwendungswillige Heimatrecht des Pflichtigen vorgesehen war, nicht allein durch eine dahingehende Bestimmung des Adoptionsstatuts beseitigt werden. Das Adoptionsstatut kann auch unmöglich, wenn es eine spätere Beendigung des Adoptionsverhältnisses vorsieht, bestimmen, daß nunmehr die Unterhaltspflicht zwischen dem Adoptierten und seinen natürlichen Verwandten wieder aufleben soll. Vielmehr ist es das ohne die Adoption maßgebende Statut, welches Erbberechtigungen oder Unterhaltsansprüche im Verhältnis zwischen dem Adoptierten und der natürlichen Familie entweder mit Rücksicht auf die Entstehung entsprechender Beziehungen in der künstlichen Familie enden lassen kann, oder auch nicht 1 1 . Auch hier ist es möglich, daß das maßgebliche Statut die Beendigung dieser Wirkungen davon abhängig macht, daß auch in dem Recht, welches das Adoptionsstatut stellt, eine solche Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Adoptierten und der natürlichen Familie vorgesehen ist. Das für die Erbfolge des Adoptierten nach seinen natürlichen Eltern maßgebliche Erbstatut kann also den Wegfall der Erbberechtigung mit Rücksicht auf die Adoption und die vermutlich damit verbundenen neuen Erbrechte des Adoptierten anordnen unter der Bedingung, daß die Adoption in der Privatrechtsordnung des Adoptionsstatuts für die Rechtsfolge des Wegfalls des Erbrechts in der natürlichen Familie „prädestiniert" ist. Selbstverständlich ist es auch denkbar, daß das Erbstatut für die Beerbung der natürlichen Eltern durch den Adoptierten den Wegfall seines Intestaterbrechts anordnet und damit begründet, daß es die Einwilligung des Adoptierten zur Herstellung des künstlichen Adoptionsverhältnisses einem Erbverzicht gleichstellt, ohne Rücksicht darauf, ob der Adoptierte wirklich in der Adoptivfamilie ein Erbrecht erhält. Jedenfalls erfordert es einerseits die materielle Harmonie nicht, daß mit der Begründung eines künstlichen Kindschaftsverhältnisses die im Verhältnis zwischen dem Adoptierten und der natürlichen Familie bestehenden Unterhalts- und Erbrechte unbedingt in Wegfall kommen; andererseits wurde dargelegt, daß ein solcher Wegfall keinesfalls allein vom Adoptionsstatut entgegen den Bestimmungen des eigentlich maßgeblichen Erbstatuts bzw. Unterhaltsstatuts dekretiert werden kann. Das gilt auch für die Adoption von Minderjährigen 113 . Hingegen wäre es hier offensichtlich unmöglich, daß in einem Forumstaat einerseits ein anwendungswilliges Adoptionsstatut mit der darin enthaltenen Vorschrift zur Anwendung gebracht würde, daß der Adoptierende Personensorgegewalt und gesetzliche Vertretungsmacht über den Adoptierten erhält, während zugleich noch dasjenige Recht zur Anwendung berufen wäre, nach welchem Personensorgegewalt und gesetzliche Vertretung den natürlichen Eltern zustehen, weil der Urheberstaat dieser Bestimmungen sich auf den Standpunkt stellt, daß die Adoption von ihm nicht anerkannt wird 1 2 . O b sie nicht anerkannt wird, weil sie nicht unter dem von ihm als zuständig betrachteten Recht zustandegekommen ist, oder ob sie nicht anerkannt wird, weil dem betreffenden Recht überhaupt eine Adoption und eine Beendigung der Personensorgegewalt natürlicher Eltern durch Adoption unbekannt ist, spielt dabei keine Rolle. Die Problematik wird noch deutlicher, wenn einerseits eine adoptionswillige Person in dem Staat, welcher zur Regelung des Sorgerechts beim NichtZustandekommen einer Adoption berufen ist, eine Adoption gemäß diesem Recht anstrebt, und wenn in einem anderen Staat ein anderer Adoptionswilliger die Adoption des (vielleicht nur zufällig in diesem Staat befindlichen) Kindes gemäß dem Recht dieses Staates begehrt, und die Einwilligung der natürlichen Eltern nach beiden Rechten nicht in Frage kommt (oder die Eltern mit der einen oder anderen Adoption einverstanden wären). Sollte dann der letzte Staat die Adoption gemäß seinem Recht zugunsten der Adoption in dem anderen Staat, wo der zu Adoptierende staatsangehörig und vielleicht sogar wohnhaft ist, unterlassen, oder sollte er 722
Die Beseitigung anderweitiger Sorgegewalt
§29
sie trotz der Gefahr, daß sie in dem ersten Staat nicht anerkannt wird, durchführen, weil er sie für das Wohl des Kindes als die bessere Lösung ansieht, oder sollte er dies nur tun, wenn sowohl in der konkreten Regelung des Sorgerechts gemäß dem Recht des anderen Staates, als auch in der dort angestrebten Adoption eine Gefährdung des Kindeswohls gesehen wird? Die radikalste Lösung im ersten Sinne würde bedeuten, daß zur Adoption in dem Staat, der das Sorgerecht nicht selbst regelt, die Voraussetzungen sowohl unter dem eigentlichen Adoptionsstatut, als auch unter dem Recht vorliegen müssen, welches für die Sorgegewalt maßgebend ist, vorausgesetzt, daß dieser Staat nicht auf die Anwendbarkeit seines Rechts ganz oder teilweise verzichtet 1 3 . Aber auch eventuelle spezialrechtliche Erschwerungen der Adoption durch den Staat, der das Sorgerechtsstatut stellt, müßten beachtet werden. Manche Staaten haben jedoch offenbar Bedenken, eine unter ihrem eigenen Recht durchzuführende Adoption durch eine solche Anordnung der kumulativen Anwendung des Sorgerechtsstatuts möglicherweise auch davon abhängig machen, daß eine Behörde in diesem anderen Staat tätig werden muß, indem sie etwa die Einwilligung der Eltern als nicht erforderlich erklärt, oder daß der andere Staat sich die Genehmigung durch sein Vormundschaftsgericht vorbehält 1 3 2 . Dann aber kann man von der Anordnung der kumulativen Anwendung der beiden Rechte ganz absehen, und die Prüfung der Frage, ob insbesondere der Heimatstaat des Kindes die Adoption anerkennen wird, nur im Zusammenhang mit der Frage vornehmen, ob eine möglicherweise hinkende Adoption mit dem Wohl des Kindes vereinbar ist 1 4 . Läßt ein Staat eigene Behörden bei der Begründung eines Adoptionsverhältnisses mitwirken, wobei ein ausländisches Recht als das eigentliche Adoptionsstatut berufen ist, so sollte dies wohl davon abhängig gemacht werden, ob der Urheberstaat des Hauptadoptionsstatuts eine ausschließliche Zuständigkeit für seine Behörden in Anspruch nimmt. Ist das nicht der Fall, und macht der andere Staat die Anwendung seines Rechts nicht davon abhängig, daß die Adoption im Lande des Sorgerechtsstatuts anerkannt wird, so bleibt dem dritten Staat die Entscheidung nicht erspart, ob er nicht selbst dieses Erfordernis aufstellen sollte, falls die Frage nicht im Zusammenhang mit der Prüfung des Kindeswohls zu klären ist. In Ländern, welche in ihrem eigenen Recht die Adoption als Rechtseinrichtung kennen, und ihre Behörden zur Mitwirkung an einer Adoption unter ausländischem Recht als zuständig betrachten, bleibt, wenn das betreffende Land zugleich das Sorgerechtsstatut stellt, die Frage, welche Anweisungen sie ihren eigenen Behörden geben sollen. Anstatt auf voller kumulativer Anwendung des eigenen Rechts zu bestehen 1 5 , können sie darauf ganz oder teilweise verzichten. In dem letzteren Sinne bestehen manche Staaten bei der Mitwirkung eigener Behörden an der Adoption eigener Staatsangehöriger durch Ausländer unter ausländischem Adoptionsstatut nur darauf, daß diejenigen Privatpersonen und diejenigen Behörden ihre Zustimmung zur Adoption geben, die dazu nach eigenem Recht berufen sind, nicht aber z. B. darauf, daß der vom eigenen Recht vorgesehene Altersunterschied, den das ausländische Adoptionsstatut nicht fordert, besteht 1 6 . Diese Anforderungen müssen dann aber auch an eine ausländische Adoption gestellt werden, ehe sie im Heimatstaat des adoptierten Kindes anerkannt wird. Will ein Staat, wenn eigene Behörden zuständig sind, selbst das Hauptadoptionsstatut stellen, so besteht für ihn keine sinnvolle Veranlassung, bei Anerkennung der konkurrierenden Zuständigkeit von Behörden eines anderen Staates darauf zu verzichten, daß in dem anderen Staat alle Bestimmungen beachtet werden, die auch eine eigene Behörde zu beachten hätte 1 7 . Ein Staat, mit dem der zu Adoptierende wenigstens durch einfachen Aufenthalt ver723
§29
Form und Verfahren
knüpft ist, ist nicht durch Völkerrecht gehindert, ein Adoptionsverhältnis zu begründen, wenn er das Personalstatut des Adoptierenden stellt, auch wenn derjenige Staat, der ohne die Adoption die Sorgegewalt über den Adoptierten geregelt hätte, diesen Anspruch weiter erhebt, weil er die Adoption nicht anerkennt 1 7 3 . Hier hat das Adoptionsstatut diese Haltung des Sorgerechtsstatuts bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob eine solche hinkende Adoption wirklich dem Wohl des Adoptierten entspricht. Das kann nur für den einzelnen Fall entschieden werden; allein der Umstand, daß die Stellung des Adoptierten in der Familie des Adoptierenden die Stellung eines meistbegünstigten Kindes sein würde, ist nicht ein Grund um anzunehmen, daß die Adoption dem Kindeswohl förderlicher ist, als die Sorgegewaltsregelung für das illegitime Kind ohne Adoption. Fehlt jegliche Verknüpfung des Staates, der mit Rücksicht auf eine Verknüpfung des Adoptionswilligen sein Adoptionsrecht als anwendbar betrachtet, mit dem zu adoptierenden Kind, kann also höchstens damit gerechnet werden, daß die bis dahin sorgeberechtigten Personen das Kind dem Adoptierenden überlassen, so ist nicht nur zu prüfen, ob die im Heimatstaat des Kindes nicht anerkannte Adoption dem Wohl des Kindes dient, sondern es taucht auch schon die Frage ihrer völkerrechtlichen Zulässigkeit auf. Ein dritter Forumstaat kann in die Lage kommen, entscheiden zu müssen, ob er die Gültigkeit einer Adoption mit einem berufenen und anwendungswilligen Adoptionsstatut bejahen, oder den Standpunkt des Staates vorzuziehen hat, der seine Regelung der Sorgegewalt ohne Rücksicht auf die Adoption weiter als maßgebend betrachtet. Hier ist es denkbar, daß der dritte Forumstaat die Stellungnahme von einer eigenen Beurteilung des Wohls des Kindes abhängig macht, insbesondere wenn das anwendungswillige Adoptionsstatut nicht hat prüfen lassen, ob die hinkende Adoption dem Kindeswohl dienlich ist. Es kann auch dazu kommen, daß in einem Forumstaat das Unterhaltsrecht des gewöhnlichen Aufenthaltslandes eines Kindes anzuwenden ist, und daß dieses Land wiederum, weil es die Adoption ignoriert, Unterhaltsansprüche nur gegen die Angehörigen der natürlichen Familie vorsieht, während im Forumstaat das Adoptionsverhältnis vorgezogen wird. Dann sind der materiellen Harmonie zuliebe in diesem Forumstaat Unterhaltsansprüche gegen die Angehörigen der natürlichen Familie zu verneinen und gegenüber dem Adoptierenden durchzusetzen. d) Fragen der F o r m und des Verfahrens Das Adoptionsstatut kann bestimmen, daß die Adoption durch Privatrechtsgeschäft, nämlich Vertrag des Adoptierenden mit der zu adoptierenden Person, bzw. deren gesetzlichem Vertreter, erfolgt. Bei einer solchen rechtsgeschäftlichen Begründung der Adoption ist eine selbständige Zuweisung der Formfrage durch andere Forumstaaten als den Staat des Adoptionsstatuts, auch wenn es sich um die Zuweisung an die lex loci actus handelt, unangebracht; das Adoptionsstatut kann darauf bestehen, daß die von ihm vorgeschriebene qualifizierte Form für den Vertrag und die etwaigen notwendigen Zustimmungen anderer als der eigentlichen Vertragsparteien auch bei Vertragsabschluß im Ausland gewahrt werden muß; er kann darauf bestehen, daß nur seine Behörden die erforderliche öffentliche Beurkundung des Adoptionsvertrages vornehmen. Manche Rechte sehen vor, daß ein solcher Adoptionsvertrag durch ein Gericht oder eine andere Behörde auf seine Rechtmäßigkeit geprüft wird; häufig hat dann zugleich die prüfende Instanz bei der Beurteilung der Frage, ob die Adoption dem Kindeswohl dient, ein unnachprüfbares Ermessen. Die bei Feststellung der Rechtmäßigkeit erfolgende Entscheidung, meist als „Bestätigung" des Adoptionsvertrages bezeichnet, ist dann eine konstitutive Feststellung, daß die Gültigkeitserfordernisse für die konkrete Adoption unter dem Adoptionsstatut gegeben sind. Auch für eine solche Feststellung kann das Ädoptionsstatut neben eigenen Behörden ausländische Behörden als zuständig betrachten; diese 724
Die Zustimmung der natürlichen Elten
§29
müssen natürlich zugleich von ihrem Dienstherrenstaat mit einem entsprechenden Auftrag und der Anweisung zur Anwendung des ausländischen Adoptionsstatuts versehen werden. Ein Staat sollte davon absehen, seine Gerichte entgegen dem Willen eines ausländischen Adoptionsstatuts zur Bestätigung von Adoptionsverträgen als zuständig zu erklären. Viele Rechte sehen in dem letzten Staatsakt über eine Adoption einen staatlichen Gestaltungsakt, dem nicht notwendig ein Rechtsgeschäft der Beteiligten vorausgehen muß, wohl aber die A b g a b e von Zustimmungen b z w . Anträgen durch die unmittelbar Beteiligten und die nach dem Adoptionsstatut vorgesehenen anderen Personen und Behörden. O b das anwendungswillige Adoptionsstatut darauf besteht, daß dieser die Adoption begründende Gestaltungsakt nur durch seine eigenen Gerichte geschaffen werden kann, ist wiederum seine Sache. Besteht das Adoptionsstatut nicht auf der ausschließlichen Zuständigkeit seiner Behörden, sondern ist es bereit, den Gestaltungsakt eines anderen Staates als unter seinem Adoptionsstatut ausreichend anzusehen, so ist allerdings oft schwer zu unterscheiden, o b dies gemeint ist oder o b man, ausgehend von der alternativen B e r u f u n g mehrerer Adoptionsstatuten, auch den von einer ausländischen Behörde gemäß ihrer lex fori als Adoptionsstatut gesetzten Staatsakt anerkennen will. Außerordentlich verschieden geregelt ist in den einzelnen Rechten die Zustimmung der natürlichen Eltern zur A d o p t i o n eines Kindes. Während einige die A b g a b e der Zustimmungserklärung im Verfahren zur Bestätigung bzw. Begründung der A d o p t i o n vorsehen, lassen andere eine schon vor dem Verfahren, etwa vor einem N o t a r , abgegebene Zustimm u n g gelten. D a m i t stellt sich u. a. die Frage, o b die vor der Einleitung des Adoptionsverfahrens abgegebene Zustimmung als unter einem bestimmten Recht abgegeben anzusehen ist, was wiederum für die Frage von Bedeutung sein kann, o b und innerhalb welcher Frist die Zustimmung widerrufen werden k a n n 1 8 . In manchen Rechten kann die Zustimmung der Eltern nur zu der A d o p t i o n durch den schon namentlich feststehenden Adoptierenden erteilt werden, in anderen Rechten ist eine „abstrakte" Zustimmung zu jeder Adoption, mit der das Kind oder der besondere gesetzliche Vertreter des Kindes einverstanden sein wird, möglich, insbesondere bei der sogenannten Inkognito-Adoption. In manchen Rechten wird die „Freigabe" des Kindes durch die Eltern zur Adoption dadurch unnötig, daß sie vor dem Adoptionsverfahren auf ihre elterlichen Rechte verzichten, wobei ihre Sorgegewalt zunächst auf eine meist als A d o p tionsvermittlungsstelle tätige Behörde übergeht 1 9 . D i e oben erörterte Frage, o b das normalerweise für die Personensorge über ein Kind anwendungswillige Recht, welchem die A d o p t i o n unbekannt ist, unter Ignorierung der unter einem anderen Adoptionsstatut erfolgten Neuregelung der elterlichen Gewalt für das adoptierte Kind noch mit denjenigen Bestimmungen berufen bleibt, auf G r u n d deren die Personensorge entweder weiterhin bei den natürlichen Eltern liegt, oder auf Großeltern oder einen vom Gericht bestellten Vorm u n d übergeht, stellt sich hier nicht; wohl aber taucht die Frage auf, o b der unter einem anderen Recht erklärte Verzicht der Eltern auf ihre elterlichen Rechte Anlaß dazu gibt, ihnen in dem Staat, der die Sorge für das Kind regeln will, die unverzichtbare elterliche Gewalt zu entziehen und einen a n d e r e n Inhaber der Personensorgegewalt und der gesetzlichen Vertretungsmacht zu bestellen. Bleibt das für die Personensorge normalerweise zuständige und anwendungswillige Recht anwendbar, so ist es aber auch möglich, daß der „Verzicht" auf die elterlichen Rechte unter einem ausländischen Recht in diesem Staat in eine auch unter diesem Recht zulässige abstrakte Zustimmung der Eltern zur Adoption des Kindes, also in eine Freigabe zur Adoption, umgedeutet w i r d 2 0 . Wird ein Gericht in den Vorgang der Begründung eines Adoptionsverhältnisses eingeschaltet, so kann sein Bestätigungs- oder Gestaltungsakt von dem Staat, der das Gericht mit Zuständigkeit versehen hat, mit Rechtskraftwirkungen versehen werden. E s bedeutet dies, daß auch bei unrichtiger Anwendung des zugrunde zu legenden Rechts die Adoption als 725
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Anerkennung ausländischer Adoptionen
gültig behandelt werden muß, wenn das Gericht eine positive Entscheidung gefällt hat. Ebensogut aber kann die getroffene positive Entscheidung, daß die Gültigkeitsvoraussetzungen für die Adoption unter dem anzuwendenden Recht gegeben seien, als jederzeit von einer interessierten Partei anfechtbar gestaltet werden. Es kommen auch Kompromißregelungen vor: Der Staatsakt, der die konkrete Anerkennung als gültig betrachtet, kann für die am Verfahren Beteiligten, die dem Staatsakt zugestimmt haben, unanfechtbar, für Dritte hingegen anfechtbar sein; die Bestreitung der Rechtmäßigkeit des Staatsaktes durch die dazu legitimierten Personen kann jederzeit inzidenter erfolgen, oder nur in einem besonderen Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit der Adoption. Diese verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Adoptionsverfahrens bereiten erhebliche Schwierigkeiten für die Frage nach der „Anerkennung" der Adoption in anderen Staaten. Es ist denkbar, daß jeder Staatsakt, der eine positive Entscheidung über die Adoption sein will, und damit auch die Adoption selbst, in einem anderen Staat vor Gericht überhaupt erst geltend gemacht (oder im Standesregister vermerkt) werden darf, nachdem dort die Anerkennungsfähigkeit des Staatsaktes durch einen neuen Staatsakt (Anerkennungsurteil) festgestellt worden ist. Für Staatsakte in dem Staat, der sein eigenes Recht als Adoptionsstatut auf eigene Staatsangehörige angewendet hat, ist allerdings zumeist eine automatische Anerkennung in anderen Ländern vorgesehen 2 1 . Zu vermeiden ist es, daß ein etwaiger Rechtskraftanspruch, den der Staat erhebt, dessen Behörde die Entscheidung gefällt hat, in anderen Staaten hindern sollte, daß dort geprüft wird, ob in dem Adoptionsverfahren dasjenige Recht zur Anwendung gebracht worden ist, das vom Standpunkt des Staates, in dem die Frage nach der Anerkennung auftaucht, auf die Gültigkeitsvoraussetzungen der Adoption nicht hätte angewendet werden sollen 2 2 . Das ist nicht zu verwechseln damit, daß auch bei einer ausländischen positiven Entscheidung über eine Adoption, die durch eine vom Standpunkt des späteren Forumstaates international zuständige Behörde und unter Anwendung des vom Standpunkt dieses späteren Forumstaates maßgeblichen Rechts zustandegekommen ist, eine Prüfung erfolgt, ob die erfolgte Adoption diejenigen inhaltlichen Voraussetzungen für eine Nachwirkung aufweist, über die in dem späteren Forumstaat zu entscheiden ist (also z. B. ob es sich um eine Adoption handelt, die unter einem anderen Recht, welches Erbstatut ist, als erbrechtsauslösend gilt). Ist durch Staatsakt eine Adoption unter Anwendung eines Rechts erfolgt, das vom Standpunkt eines anderen Staates her nicht das maßgebende Recht ist, liegen aber die Gültigkeitsvoraussetzungen auch nach dem vom Standpunkt dieses anderen Staates her richtigerweise anwendbaren Recht vor, so kann dies die Anerkennung der erfolgten Adoption rechtfertigen. Dann ist aber die Entscheidung über die Adoption, insoweit sie (meist implizite) zum Ausdruck bringt, daß die unmittelbaren Wirkungen der Adoption nach dem Recht zu beurteilen seien, welches das bestätigende Gericht als das Adoptionsstatut betrachtet hat, in dem die Adoption anerkennenden anderen Staat umzudeuten, nämlich dahin, daß die Adoption ihre unmittelbaren Wirkungen nach Maßgabe des Rechtes produziert, das vom Standpunkt des anderen Staates her das richtige Recht ist. e) Völkerrechtliche Schranken für die Adoption von Ausländern Der Staat, der zunächst einmal mit der Geburt eines Menschen auf Grund seines Staatsangehörigkeitsrechts Heimatstaat des Kindes geworden ist, ist zweifellos nach Völkerrecht berechtigt, eine Adoption des Kindes durch Ausländer in einer fremdenrechtlichen Bestimmung zu „verbieten", d. h. auch der gemäß einem durch eine bilaterale Kollisionsnorm berufenen und anwendungswilligen ausländischen Recht erfolgten Adoption bei sich keinerlei Rechtswirkung beizulegen 2 3 . Der Heimatstaat des Kindes kann dann die Personensorgegewalt der ausländischen Adoptiveltern ignorieren und kann — auch wenn er nicht selbst das Sorgerechtsstatut stellt, und der Staat, den der Heimatstaat als hierzu 726
Völkerrechtliche Schranken für die Adoption von Ausländern
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zuständig betrachtet, die für den Adoptierenden begründete Sorgegewalt anerkennt — dem Kind, etwa wenn es in den Heimatstaat zurückkommt 2 4 , einen Vormund bestellen und diesem die Sorgegewalt anvertrauen. Der Heimatstaat eines Kindes darf daher auch, wenn er die Adoption als Rechtseinrichtung in seinem Privatrecht überhaupt nicht kennt, eine Adoption des Kindes gemäß einem anwendungswilligen ausländischen Recht gänzlich ignorieren. Auf der anderen Seite ist es nicht etwa völkerrechtswidrig, wenn ein Staat, allein unter Anknüpfung an die eigene Staatsangehörigkeit des Adoptierenden, oder unter Anknüpfung an den inländischen gewöhnlichen Aufenthalt des zu adoptierenden Kindes, gemäß seinem Recht eine Adoption eines Kindes mit fremder Staatsangehörigkeit trotz solcher „Verbote" im Recht des Heimatstaates durchführt, und daß er nach vollzogener Adoption insbesondere das Sorgerecht der Adoptiveltern über das auf dem Staatsgebiet befindliche Kind gegen Eingriffe anderer schützt. Nach erfolgter Adoption darf dieser Staat, wenn er Heimatstaat des Adoptierenden ist, dem adoptierten Kind seine Staatsangehörigkeit verleihen. Alles dies ist jedenfalls dann völkerrechtlich unbedenklich, wenn die elterlichen Inhaber der Sorgegewalt über das Kind der Adoption freiwillig zustimmen, auch wenn sie vom Standpunkt des Staates her, der ihr Heimatstaat und Heimatstaat des Kindes ist, eine solche Zustimmung gar nicht geben durften. Das Aufenthaltsland eines ausländischen Kindes ist auch nicht durch Völkerrecht gehindert, unter seinem Recht die Adoption ohne Zustimmung der Eltern durchzuführen, wenn diesen Vernachlässigung ihrer Pflichten gegenüber dem Kind vorgeworfen werden kann, eventuell auch, wenn eine schuldlose Unfähigkeit zur Erfüllung der elterlichen Pflichten festgestellt wird. Die Adoption kann nach vielen Rechten in einem solchen Fall auch dann erfolgen, wenn nicht zuvor eine förmliche Entziehung der elterlichen Gewalt ausgesprochen worden ist. Wohl aber dürfte es ein völkerrechtliches Erfordernis bei einer unter solchen Umständen erfolgenden Adoption sein, daß im Adoptionsverfahren den Eltern, die der Adoption widersprechen, rechtliches Gehör gewährt wird, und daß von Amts wegen — gegebenenfalls unter Beachtung der Stellungnahme eines ad hoc-Pflegers des Kindes — geprüft wird, ob die Adoption für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Der Aufenthaltsstaat des ausländischen Kindes ist jedoch nicht verpflichtet, einen nur vom Heimatstaat bestellten gesetzlichen Vertreter des Kindes am Verfahren teilnehmen zu lassen, und der Aufenthaltsstaat ist keineswegs verpflichtet, einfach auf Widerspruch des nur vom Heimatstaat legitimierten gesetzlichen Vertreters des Kindes hin, oder gar auf Widerspruch der Regierung des Heimatstaates hin 2 5 , von der Adoption abzusehen. Es bleibt dem Heimatstaat des Kindes das Recht, die Feststellung der Behörden des Aufenthaltsstaates, daß die Eltern das Kind vernachlässigt hätten, bzw. die Feststellung, daß die Adoption dem Wohl des Kindes dienlicher sei als ihre Unterlassung, als unter Ermessensmißbrauch zustandegekommen zu bemängeln. O b das Aufenthaltsland bei der Frage nach dem Wohl des Kindes eine entscheidende Bedeutung dem Argument beilegen darf, in diesem Land sei das Aufwachsen des Kindes in einer Umwelt mit der besseren politischen Ideologie gesichert, im Heimatstaat hingegen nicht, ist als im positiven Völkerrecht ungeklärt zu betrachten. Ein weiterer Gesichtspunkt dafür, daß der Heimatstaat des Kindes das in dem Aufenthaltsland betriebene Adoptionsverfahren als völkerrechtswidrig betrachten kann, ist der Umstand, daß das Kind unter Verletzung des Völkerrechts oder des allgemeinen Strafrechts in das Land verschleppt (entführt) worden ist, wo die Adoption vor sich geht; dieser Anspruch des Heimatstaates auf Rückführung verschleppter eigener Staatsangehöriger besteht jedoch schon vor der vollzogenen Adoption 2 6 . Der im Haager Minderjährigenschutzabkommen gesicherte Anspruch des Heimatstaates, selbst Schutzmaßnahmen für Minderjährige zu treffen, und die Verpflichtung der anderen Vertragsstaaten, diese Schutzmaßnahmen anzuerkennen und gegenteilige Maßnah727
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De facto-Adoption
men zu unterlassen, findet seine Grenze in dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates, bei ernster Gefahr für das Kind den eigenen Standpunkt durchzusetzen; dann kann der betreffende Staat das Kind auch im Land behalten und dort adoptieren lassen 2 7 . Völkerrechtlich unzulässig wäre eine mit der Vernichtung bestehender privatrechtlicher Sorgegewaltsverhältnisse verbundene Adoption minderjähriger Ausländer — etwa entlaufener oder geflüchteter Jugendlicher — zwecks kollektiver Erziehung, militärischer Ausbildung usw. f) De facto-Adoption und Pflegeelternverhältnisse Ein de facto-Adoptionsverhältnis ist, entsprechend wie die faktische Ehe, nicht ohne weiteres auch ein mit rechtlichen Wirkungen ausgestattetes soziales Verhältnis. Es handelt sich darum, daß jemand, der nicht von Rechts wegen sorgeberechtigt und unterhaltspflichtig ist, die Sorgegewalt über ein Kind tatsächlich ausübt, ihm selbst Unterhalt gewährt, und den Eindruck aufkommen läßt, als ob dies auf Dauer geschehen solle 2 7 3 . Ein de factoAdoptionsverhältnis zwischen Erwachsenen ist außerordentlich selten. Ein de facto-Adoptionsverhältnis kann, insbesondere wenn zugleich das Versprechen der Herbeiführung einer rechtswirksamen Adoption gemacht worden ist, von einem Erbstatut als Grund für die Gewährung eines Intestaterbrechts bewertet werden 2 8 . Desgleichen wird eine de facto-Adoption in einem Erbrecht, wo der Richter Personen etwas aus dem Nachlaß zukommen lassen kann, die auf den Unterhalt durch den Erblasser angewiesen waren, aber in seinem Testament nicht bedacht worden sind, Anlaß für eine solche Korrektur der testamentarischen Erbfolge sein. Die de facto-Adoption begründet im Recht einiger Länder auch eine Unterhaltspflicht 2 9 . Ein anwendungswilliges Scheidungsgüterstatut enthält manchmal Bestimmungen, wonach das vor der Scheidung in der Familie der geschiedenen Ehegatten wie ein eigenes oder adoptiertes Kind behandelte Kind 3 0 von einem der Ehegatten allein nach der Scheidung weiter unterhalten werden muß, wenn der Scheidungsrichter es anordnet. Schließlich kann ein Adoptionsstatut eine Bestimmung haben, wonach derjenige, der ein Kind de facto adoptiert hat, in dem Verfahren auftreten kann, in dem das Kind durch einen anderen adoptiert werden soll. Gewisse Pflichten der de facto-Adoptiveltern gegenüber dem Kind lassen sich zumeist aus der Generalklausel des Deliktsrechts über sittenwidriges Verhalten herleiten; bei Mißhandlung usw. eines de facto adoptierten Kindes kann auf Grund solcher Vorschriften Schadensersatz fällig werden; das maßgebliche Deliktsstatut ist nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln. Ein Pflegeelternverhältnis unterscheidet sich von der de facto-Adoption dadurch, daß Pflegeeltern nicht in jeder Hinsicht die Rolle der Eltern wahrnehmen, und die von ihnen ausgeübte Rolle, insbesondere der Personensorge, nicht notwendig auf Dauer ausüben wollen. Das Pflegeelternverhältnis kann insbesondere darin bestehen, daß die Pflegeeltern die Personensorge im Auftrag der rechtmäßigen Inhaber der Personensorgegewalt ausüben, aber die Mittel zum Unterhalt des Kindes nicht selbst bereitstellen, sondern von dem Unterhaltspflichtigen oder einer Fürsorgebehörde erhalten. Ein solches Auftragsverhältnis zwischen Pflegeeltern und Sorgeberechtigten beruht vielfach auf außerrechtlichen Abmachungen; liegt eine als rechtlich verbindlicher Vertrag gewollte Abmachung vor, so ist das anwendbare Recht nach den allgemeinen Regeln über obligatorische Verträge zu ermitteln. Wichtig wird dabei, daß manche Staaten die Bestätigung als Pflegeeltern und gar den Abschluß des einzelnen Pflegevertrages genehmigungspflichtig machen 3 1 , und daß sie für die Personensorge durch Pflegeeltern besondere zwingende Anordnungen treffen (z. B., daß das Kind nicht aus dem Land verbracht werden darf). Derartige Bestimmungen rühren meist von dem Staat des gewöhnlichen 728
Pflegeeltern
§29
Aufenthalts des Kindes bzw. der Pflegeeltern her; sie begehren auch dann Anwendung, wenn der Pflegevertrag von den Parteien einem anderen Geschäftsstatut unterstellt sein sollte. Als zwingendes Recht will zumeist auch der Satz anwendbar sein, der es den Sorgeberechtigten ermöglicht, auch bei Abschluß eines Pflege Vertrages das Kind den Pflegeeltern jederzeit wieder wegzunehmen. Erst recht gilt dies, wenn eine Behörde, die die „elterlichen Rechte" auszuüben hat, die Personensorge allein durch private Pflegeeltern ausüben läßt. In einigen Rechten 3 2 finden sich neuerdings Regelungen, wonach solche Pflegeeltern, die das Kind von einer Behörde erhalten haben, ein subjektives Recht auf Ausübung ihrer Pflegeaufgaben erhalten, welches — ähnlich wie bei den natürlichen Eltern — nur bei Mißbrauch wieder entzogen werden kann. Hier könnte von einer inhaltlich beschränkten (Teil-)Adoption gesprochen werden; oft handelt es sich dabei um eine freiwillige oder gebotene Vorstufe für eine Volladoption durch die Pflegeeltern. Als anwendbares Recht für diese Art des Pflegeelternverhältnisses kommt im allgemeinen wiederum nur das Recht des Landes in Frage, wo sich das Pflegeverhältnis abspielt, und wo Kind und Pflegeeltern einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Unter den Vertragsstaaten des Haager Minderjährigenschutzabkommens müßte jedoch auch ein solches Pflegeelternverhältnis vor anderweitigen Maßnahmen des Heimatstaates weichen, sofern nicht das Land des gewöhnlichen Aufenthalts sich auf eine ernste Gefahr für das Kind berufen kann, um seine Maßnahmen aufrecht zu erhalten. A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik Die gesetzlichen Bestimmungen über das auf die Adoption anzuwendende Recht sind im E G B G B mit den Zuweisungsnormen für die Legitimation gekoppelt, obwohl es eigentlich nicht recht zu begründen ist, daß die Zuweisungsnormen für diese beiden Institutionen in gleicher Weise gefaßt sein müßten. Das E G B G B macht auch keinen Unterschied zwischen der Adoption eines nichtgeschäftsfähigen „Kindes" und der Adoption von Vollgeschäftsfähigen. Der als einseitige Kollisionsnorm gefaßte Art. 22 (1) E G B G B , der das deutsche Recht auf die Adoption als anwendbar erklärt, wenn der Annehmende Deutscher ist, wird unbestritten als bilaterale Zuweisungsnorm gelesen. Deutsches Recht ist auch bei fehlender deutscher Staatsangehörigkeit des Annehmenden anwendbar, wenn das Heimatrecht des Annehmenden auf deutsches Recht zurückverweist. Eine Rückverweisung wird sicher dann anzunehmen sein, wenn die für die Bestätigung einer Adoption konkurrierend zuständigen Gerichte des Heimatstaates nicht ihr Recht, sondern — etwa wegen des deutschen Wohnsitzes — deutsches Recht anwenden müßten, oder wenn der Heimatstaat beim Fehlen der Zuständigkeit seiner eigenen Gerichte mit Rücksicht auf eine zu Deutschland bestehende Verknüpfung die Anerkennung einer von einem deutschen Gericht vorgenommenen Adoption davon abhängig macht, daß deutsches Recht angewendet wurde. In der Literatur und von den Instanzgerichten wird vielfach aus der Lehre der versteckten Rückverweisung gefolgert, Anwendbarkeit deutschen Rechts kraft Rückverweisung sei auch dann anzunehmen, wenn der Heimatstaat bei einer Bestätigung der Adoption durch seine konkurrierend zuständigen eigenen Gerichte sein eigenes Recht allein zur Anwendung bringen läßt, aber zugleich bereit ist, eine vom deutschen Gericht unter Anwendung deutschen oder ausländischen Rechts durchgeführte Adoption als gültig anzuerkennen 3 3 . In den Fällen, in denen das deutsche Recht für die deutschen Gerichte als das Adoptionsstatut gilt, ist unter allen Umständen auch ein zuständiges deutsches Gericht für das Adoptionsverfahren vorhanden 3 4 . O b damit eine ausschließliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Bestätigung einer nach deutschem Recht vorgenommenen Adoption beansprucht wird, ist zwar zu verneinen; doch wird, wenn ein ausländisches Gericht bei 729
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Geltendes Recht in der Bundesrepublik
einer Adoption für einen Deutschen tätig wird, die Anerkennung in Deutschland davon abhängig gemacht, daß wenigstens inhaltsgleiches Recht zugrundegelegt wurde, wenn nicht deutsches Recht als Adoptionsstatut zur Anwendung gebracht wurde 3 5 . Die Frage, ob eine Adoption eines Ausländers, insbesondere eines Kindes, das noch unter der Sorgegewalt einer durch ausländisches Recht dazu befugten Person steht, durch einen Deutschen gemäß deutschem Recht erfolgen kann, solange nicht gewährleistet ist, daß die bestehende Sorgegewalt im Zusammenhang mit der Adoption von dem Sorgegewaltsstatut beendet wird, ist vom Gesetzgeber nicht gesehen und infolgedessen auch nicht ausdrücklich geregelt worden 3 6 . Wohl aber wird erwogen, ob die für eine Adoption eines Deutschen unter ausländischem Recht beanspruchte kumulative Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des deutschen Rechts nicht analog bei der Adoption eines Ausländers durch einen Deutschen unter deutschem Recht durchzuführen sei. Die Rechtsprechung 3 7 hat dies auch für den Fall abgelehnt, daß das ausländische Heimatrecht des zu Adoptierenden eine entsprechend anwendungswillige Vorschrift hat wie das deutsche Recht in Art. 22 (2) S. 1 E G B G B . Sicher ist der mit der Neuregelung des Adoptionsrechts neu eingefügte Art. 22 (2) S. 2, wonach die Einwilligung eines Deutschen in seine Adoption unter ausländischem Recht vom deutschen Vormundschaftsgericht genehmigt werden muß, als eine materiellrechtliche Spezialnorm des deutschen Rechts nicht zu einer analogen Anwendung geeignet. Es bleibt die Frage, ob die als gesetzlicher Vertreter des ausländischen Kindes auftretende Person nur nach dem Heimatrecht des Kindes ermittelt werden kann, so daß der Heimatstaat des ausländischen Kindes dem gesetzlichen Vertreter die Mitwirkung an einer Adoption in Deutschland verbieten, oder überhaupt die Mitwirkung an einer Adoption als außerhalb der Vertretungsmacht liegend erklären könnte. Das ist zu verneinen, wenn einem ausländischen Minderjährigen in Deutschland bei gewöhnlichem Aufenthalt oder gar bei einem „Fürsorgebedürfnis in Deutschland" ein gesetzlicher Vertreter in Deutschland gemäß deutschem Recht bestellt werden kann 3 8 . Damit wird der Weg dafür frei, daß Ausländer von Deutschen nach deutschem Recht adoptiert werden können, auch wenn der Heimatstaat die Adoption, und insbesondere den Wegfall der von ihm eingerichteten Sorgegewalt, zugunsten der Sorgegewalt des deutschen Adoptierenden nicht anerkennt. U m s o wichtiger wird es zu untersuchen, ob der Umstand, daß die Adoption im Heimatstaat des Adoptierten nicht anerkannt wird, nicht bedeutet, daß angesichts der damit entstehenden rechtlichen Komplikationen die geplante Adoption als mit dem Wohl des Kindes unvereinbar angesehen werden muß 3 9 . Das deutsche internationale Privatrecht ist bereit, eine im Ausland nach dem berufenen ausländischen Heimatrecht des Adoptierenden vor sich gegangene Adoption, jedenfalls wenn auch der ausländische Staat selbst sein Recht angewendet wissen will, automatisch, also ohne Anerkennungsurteil, anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt des berufenen und anwendungswilligen Adoptionsstatuts gültig ist 4 0 ' 4 1 . Will das Heimatrecht des Adoptierenden nicht, oder nicht allein, angewendet werden, so ist dies entsprechend dem Prinzip der Gesamtverweisung auch in Deutschland zu beachten. Ist der Heimatstaat bereit, einen Staatsakt eines anderen Staates anzuerkennen, der eine Adoption gemäß einem Recht bestätigt oder anordnet, welches die Gerichte des Heimatstaates ihrerseits nicht hätten anwenden dürfen, falls sie selber im Adoptionsverfahren mitgewirkt hätten, so müssen insbesondere die Anhänger der versteckten Rückverweisung auch hier die Adoption konsequenterweise anerkennen; feste Rechtsprechung in dieser Hinsicht liegt jedoch nicht vor. Bei einer Adoption unter ausländischem Adoptionsstatut beansprucht jedoch das deutsche Recht selbst, wenn der zu Adoptierende deutscher Staatsangehöriger ist, daß neben den Gültigkeitsanforderungen des ausländischen Adoptionsstatuts bestimmte Gül730
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
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tigkeitsanforderungen des deutschen Rechts vorliegen müssen; kumulative Anwendbarkeit wird beansprucht für diejenigen Bestimmungen des deutschen Rechts, welche die Einwilligung des Kindes (praktisch: die durch den gesetzlichen Vertreter ausgesprochene Einwilligung) und die Einwilligung derjenigen Personen erfordern, welche zu dem zu adoptierenden Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis stehen: Art. 22 (2) E G B G B . Außerdem ist stets bei deutscher Staatsangehörigkeit des Adoptierten 4 2 die Genehmigung des (deutschen) Vormundschaftsgerichts zu seiner Einwilligung notwendig, Art. 22 (2) S. 2. Daß ein entsprechender Anspruch eines dritten Staates, in dem das Kind staatsangehörig ist, bei nichtdeutschem Adoptionsstatut für das deutsche Gericht beachtlich wäre, ist sicher nicht anzunehmen, wenn ein solcher Anspruch sogar bei deutschem Adoptionsstatut ignoriert werden muß. Anders ist es nur, wenn das ausländische Heimatrecht des Adoptierenden selbst bestimmt, daß auch diese oder jene Vorschriften im Heimatrecht des Adoptierten zu beachten seien. Die Zuständigkeit der deutschen Vormundschaftsgerichte, bei der Begründung eines Adoptionsverhältnisses tätig zu werden, bestimmt sich auch für eine Adoption unter ausländischem Recht nach den Zuständigkeitsvorschriften für eine Adoption unter deutschem Recht, d. h. es besteht Zuständigkeit sowohl am deutschen Wohnsitz des Adoptierenden, als auch am deutschen Wohnsitz des zu Adoptierenden 4 3 . Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei Adoption unter ausländischem Adoptionsstatut wird jedoch verneint, wenn das Land, dessen Recht Adoptionsstatut sein soll, die ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte vorsieht, oder jedenfalls die konkurrierende Zuständigkeit des deutschen Gerichts nicht anerkennt 4 4 . Die früher vertretene Ansicht, eine von einem ausländischen Adoptionsstatut gebotene Prüfung, ob die geplante Adoption dem Wohl des Kindes entspricht, stelle für das deutsche Gericht eine Aufgabe dar, zu deren Durchführung es nach deutschem Verfahrensrecht im Zusammenhang mit der Bestätigung von Adoptionen gar keinen Auftrag habe, war falsch, und ist heute angesichts dessen gegenstandslos, daß eine solche Prüfung auch unter deutschem Recht erfordert wird. Die unmittelbaren Wirkungen der Adoption im Verhältnis zwischen den Beteiligten sind, wenn der Adoptierende Deutscher ist, oder infolge Rückverweisung deutsches Recht schon auf die Voraussetzungen der Adoption anwendbar ist, nach deutschem Recht zu beurteilen. Die Nachwirkungen einer Adoption, die zwischen den unmittelbar Beteiligten die Wirkungen des deutschen Rechts hervorbringt, sind nach deutschem Recht zu beurteilen, wenn deutsches Recht Nachwirkungsstatut ist 4 5 . Fremdenrechtliche Beschränkungen der Adoption, also insbesondere „Verbote" der Adoption zwischen Staatsangehörigen verschiedener Länder, sind im Recht der Bundesrepublik nicht bekannt; soweit sie in einem ausländischen Adoptionsstatut auftauchen, dürften sie gegen den westdeutschen ordre public verstoßen; auch wenn dies bejaht wird, bleibt jedoch immer noch zu prüfen, ob eine hinkende Anerkennung dem Kindeswohl dient. Die für gewisse Arten von Pflegeverhältnissen nach § 27ff. J W G erforderliche Erlaubnis ist privatrechtlich insofern von Bedeutung, als ein Verstoß gegen diese Vorschrift die Gültigkeit des Pflegevertrages beeinflussen kann. Anknüpfungsmoment für die Bestimmung über die Erlaubnisbedürftigkeit ist der gewöhnliche Aufenthalt der Pflegepersonen, wobei unterstellt wird, daß dort auch die Verwirklichung des Pflegeelternverhältnisses vor sich geht. Die Bundesrepublik ist nicht Vertragspartner des Haager Abkommens vom 15. 11. 1965 über Zuständigkeit zur Adoption und anwendbares Recht geworden. Die Konvention sieht vor, daß das Heimatrecht des Kindes neben dem Heimatrecht oder dem Wohnsitzrecht des Annehmenden in den Vertragsstaaten angewendet werden muß, insoweit es sich um die Einwilligung anderer als des Annehmenden und seiner Familie handelt. Die Konvention selbst stellt für die von ihr erfaßten Fälle auch einen uniformen materiellrechtlichen 731
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Die juristische Person im internationalen Privatrecht
Satz auf, nämlich daß bei der gerichtlichen Mitwirkung am Zustandekommen einer Adoption geprüft werden muß, ob die Adoption dem Kindeswohl dient; für die Prüfung dieser Frage werden sogar eingehende Verfahrensvorschriften in der Konvention vorgesehen. Materiellrechtlicher Art ist auch die Bestimmung, daß eine rechtlich mangelhafte Entscheidung über eine Adoption erst von einer gemäß der Konvention zuständigen Behörde widerrufen oder für nichtig erklärt werden muß. Die Bestimmungen über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen sind jedoch nicht unzweideutig.
§ 30. Die juristische Person im internationalen Privatrecht a) Allgemeine« Wie an anderer Stelle schon angedeutet 1 , bedeutet in fast allen Rechten heute die Verpflichtung der natürlichen Person aus ihren Rechtsgeschäften nichts anderes als Haftung ihres „persönlichen" Vermögens für die aus dem Rechtsgeschäft von der natürlichen Person geschuldeten Geldleistungen bzw. Schadensersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechtleistung 2 . Was zum persönlichen Vermögen einer natürlichen Person gehört, bestimmt das Lagerecht der ihr zugerechneten Vermögensgegenstände. Dieses Lagerecht kann einzelne Gegenstände in den Bestimmungen über Exemtionen von der Vollstreckung und in Bestimmungen über Fideikommißgüter u. ä. aus dem haftenden persönlichen Vermögen einer natürlichen Person aussondern; andererseits kann das pflicht- und haftungsbegründende Rechtsgeschäft nicht nur die Haftung der Höhe nach beschränken, sondern ebenfalls bestimmte Teile des persönlichen Vermögens von der Haftung ausnehmen, bzw. umgekehrt die Haftung überhaupt auf bestimmte Gegenstände im persönlichen Vermögen des Schuldners beschränken. Wollen Bestimmungen im Personalstatut des Schuldners solche Beschränkungen der Haftung des persönlichen Vermögens zum zwingenden Bestandteil des Rechtsverhältnisses zwischen Gläubiger und Schuldner machen, so bleibt es doch letztlich immer wieder der Lagestaat des einzelnen Vermögensgegenstandes, von dessen Haltung es abhängt, ob jene Haftungsbeschränkung verwirklicht wird oder nicht: Ob der Schiffseigentümer allein auf Grund seines Wohnsitzrechts A seine Haftung aus einem vom Recht B geregelten Vertrag über den Transport mit einem bestimmten Schiff auf das Schiff (oder den Wert des Schiffes) beschränken, und für sein sonstiges persönliches Vermögen Haftungsfreiheit beanspruchen kann, das entscheidet letzten Endes der Staat, in dem sich sonstiges persönliches Vermögen des Schiffseigentümers befindet, wenn der Gläubiger versucht, in solches Vermögen zu vollstrecken 3 . O b durch einen am Domizil des Schuldners eröffneten Konkurs die Haftung derjenigen Gegenstände seines persönlichen Vermögens, die das Konkursstatut nicht zur Masse bringen will (insbesondere weil sie vom Schuldner nach der Konkurseröffnung erworben worden sind), für alte Schulden gehemmt wird, und ob alte oder neue Gläubiger des Gemeinschuldners in das außerhalb des Staates der Konkurseröffnung belegene Vermögen vollstrecken können, hängt allein von der Haltung der Lagestaaten ab 4 . Weder aus Völkerrecht, noch aus allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts läßt sich herleiten, daß der Lagestaat von einzelnen Vermögensgegenständen des Vermögens einer natürlichen Person gehalten sei, diese Gegenstände nicht zur persönlichen Haftung ihres Inhabers aus Rechtsgeschäften heranzuziehen, nur wenn und weil der Heimatstaat oder der Wohnsitzstaat des Schuldners eine Heranziehung gewisser Gegenstände nicht wünscht, und diesen Standpunkt jedenfalls für die auf seinem eigenen Gebiet belegenen entsprechenden Vermögensgegenstände verwirklicht. Wenn der Heimat- oder Wohnsitzstaat einer natürlichen Person, die ein Geschäft betreibt, ihr ermöglicht, ihr Vermögen durch entsprechende Widmungserklärungen in ein Geschäftsvermögen, welches nur für Schulden aus der Geschäftstätigkeit haften, und ein 732
Das Gründungsstatut
§30
Privatvermögen, welches nur für sonstige Schulden der Person haften soll, aufzuteilen, so wird ein anderer Lagestaat von Vermögensgegenständen dieser Person für die Haftung des Schuldners aus einem Rechtsgeschäft mit einem Bewohner des Lagestaates (wenn nicht das Rechtsgeschäft selbst zum Ausdruck bringt, daß die Haftung des Schuldners auf sein von ihm zum Geschäftsvermögen deklariertes Vermögen beschränkt sein soll) dieser Spaltung des persönlichen Vermögens der natürlichen Person durch den Heimat- oder Wohnsitzstaat keine Bedeutung beimessen. Ist es anders, wenn der Heimat- oder Wohnsitzstaat das Geschäftsvermögen des Schuldners zum Vermögen einer besonderen „juristischen Person" deklariert, wobei aber dieses Vermögen weiterhin vom Schuldner verwaltet wird, und seine Erträge, soweit sie nicht dem Geschäftsvermögen zugeführt werden, von dem Schuldner verbraucht oder gar seinem Privatvermögen einverleibt werden können 5 ? Es dürfte nirgendwo bezweifelt werden, daß auch diese Regelung durch das Recht des Heimat- oder Wohnsitzstaates des Schuldners in einem anderen Lagestaat von Vermögensgegenständen, wo sie zunächst einmal als der natürlichen Person gehörend gelten, keineswegs ohne weiteres anerkannt werden wird 6 . Sie wird im Lagestaat auch nicht deshalb automatisch wirksam, weil der Lagestaat seine Gerichte angewiesen hat, die „Rechtsfähigkeit" der natürlichen Person nach dem Recht ihres Heimat- und Wohnsitzstaates zu beurteilen. Die Abspaltung eines Teils des Vermögens einer natürlichen Person zugunsten einer weiterhin von dieser natürlichen Person „beherrschten" juristischen Person, mit alleiniger Haftung des Vermögens der juristischen Person für die namens der juristischen Person eingegangenen Geschäfte, ist erst dann möglich, wenn der Lagestaat auch die Existenz der juristischen Person in seiner Rechtsordnung, sei es auf Grund eigenen Rechts, sei es auf Grund einer Verweisung auf ein anderes Recht, dem Begründungsstatut der juristischen Person, bejaht. Umgekehrt kann der Heimat- oder Wohnsitzstaat einer natürlichen Person dieser zwar verbieten, ihr Auslandsvermögen auf eine solche nur im Lagestaat bestehende juristische Person zu übertragen; sind aber die Gültigkeitserfordernisse der Übertragung unter dem Recht des Lagestaates erfüllt, so kann der Lagestaat nicht gehindert werden, seine Vorschriften durch seine Gerichte durchzusetzen. b) Die Anwendbarkeit des Gründungsstatuts der juristischen Person im Urheberstaat und in anderen Staaten. Die Anerkennung von juristischen Personen eines ausländischen Rechts. Ob eine juristische Person besteht, der im Lagestaat von Vermögensrechten diese durch den bisherigen Inhaber als Vermögen der juristischen Person überlassen werden können, kann der Lagestaat in außerordentlich verschiedener Weise regeln. Ein Staat kann durch Individualgesetz oder durch einen auf Grund eines Gesetzes ergehenden Einzelstaatsakt anderer Behörden als des Gesetzgebers selbst eine juristische Person begründen, die zunächst einmal die Fähigkeit hat, Inhaber von Vermögensrechten in diesem Staat zu werden. Das geschieht zumeist bei juristischen Personen „des öffentlichen Rechts", die zugleich Privatrechtsfähigkeit erhalten, ferner bei privaten Stiftungen, und schließlich in manchen Staaten auch bei der Errichtung von rechtsfälligen privaten Gesellschaften durch individuelle Inkorporationsgesetze oder Inkorporationsverfügungen. Die Inlandsverknüpfung, die in solchen Fällen die Anwendungswilligkeit derartiger Bestimmungen auch völkerrechtlich legitimiert, ist allein der Umstand, daß nach dem Willen des Staatsorgans die zu begründende juristische Person auf jeden Fall Inhaber von Vermögensrechten, die in dem Gründungsstaat belegen sind, werden können soll. Als möglicher Lagestaat von Vermögensgegenständen kann ein Staat aber auch Vorschriften erlassen, wonach durch privates Rechtsgeschäft, insbesondere auch von natürlichen Personen irgendwelcher Staatsangehörigkeit, eine zunächst in diesem Staat in bezug auf die dort belegenen Vermögensgegenstände vermögensfähige juristische Person begrün733
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Das Gründungsstatut
det werden kann, wenn das Rechtsgeschäft den durch Gesetz dieses Staates aufgestellten abstrakten Gültigkeitsbedingungen genügt, und die Geschäftserrichter durch die Bezugnahme auf dieses Gesetz oder sonstwie ausdrücklich zu erkennen geben, daß sie das Gründungsgeschäft unter dem Recht dieses Staates errichten, also das zum Gewähltwerden bereite Gründungsstatut selbst wählen wollen. Der Staat, der das Gründungsgeschäft durch die Errichter seinem Recht unterstellen lassen will, kann dies jedoch zusätzlich davon abhängig machen, daß objektive Inlandsverknüpfungen vorhanden sind, wie z. B. die inländische Staatsangehörigkeit oder der inländische Wohnsitz der Gründer 7 , oder die Inlandsbelegenheit der Vermögensgegenstände, die von den Gründern der juristischen Person zur Verfügung gestellt werden müssen; vor allem aber kann ein Staat die Wahl seines Rechts über die Gründung juristischer Personen durch die Errichter des diesbezüglichen Rechtsgeschäfts davon abhängig machen, daß der „Sitz" der zukünftigen (zentralen) Organe der zu gründenden juristischen Person im Inland sein wird 8 . Umgekehrt kann ein Staat auch in spezialrechtlichen Bestimmungen ein Gefälligkeitsstatut zur Gründung von juristischen Personen bereithalten, bei denen vorausgesetzt wird, daß bestimmte Auslandsbeziehungen bestehen, oder bestimmte Inlandsverknüpfungen nicht bestehen. Ein Staat kann auch speziell eine weitere Inkorporation gewisser unter ausländischem Recht bereits bestehender juristischer Personen vorsehen, um ihnen eine zweite Heimat zu geben, die ihnen verbleibt, wenn sie im ursprünglichen Inkorporationsstaat vernichtet werden sollten 83 . Damit, daß eine „unter" einem anwendungswilligen Gründungsstatut gültig begründete juristische Person fähig ist, Inhaber von im Gründungsstaat belegenen Vermögensrechten zu werden, ist noch nicht gesagt, daß die juristische Person als Inhaber solcher Vermögensrechte auch in anderen Ländern ohne weiteres zusätzlichen Rechtsschutz genießt, und noch weniger, daß sie auch Inhaber von Vermögensrechten, die in anderen Ländern belegen sind, werden kann. Gilt im Staat A als Eigentümer einer dort belegenen Sache eine nach dem Recht des Staates A begründete juristische Person, wird die Sache durch einen in B wohnhaften Staatsangehörigen von B beschädigt, und ist durch die Gerichte von B das Recht von A auf die Frage nach dem Bestehen eines verletzbaren Monopolrechts und auf den Schadensersatzanspruch anwendbar, so entspricht es aber offenbar der Grundstatutsmethode, daß auch die Teilfrage, wer der Inhaber des Monopolrechts ist, in B unter Anwendung des Rechts A gelöst werden muß. Das dürfte auch gelten, wenn die juristische Person den Sitz ihrer Organe in B hat, und der Staat B aus diesem Grunde — worauf sogleich noch zurückzukommen sein wird — nicht bereit ist, die juristische Person zum Inhaber von Vermögensgegenständen mit Lageort in B werden zu lassen, sofern nicht die Voraussetzungen für die Entstehung als juristische Person auch unter dem Recht B gegeben sind 9 : Wenn bewegliche Sachen, die der juristischen Person im Lagestaat A gehören, ihr widerrechtlich entzogen und nach B verbracht werden, sollte wohl die juristische Person vor den Gerichten in B als zur Klage auf Herausgabe der Sachen zwecks Rückführung nach A legitimiert gelten, auch'wenn sie in B nicht andere Sachen zu Eigentum hätten erwerben können 10 . Erst recht kann die Existenz der juristischen Person durch die Gerichte im Staat B nicht ignoriert werden, wenn die juristische Person im Staat A eine ihr dort gehörige bewegliche Sache an einen anderen veräußert hat, und der Erwerber oder ein Dritter die Sache nach B verbringt, und dort die Rechtmäßigkeit des Erwerbes der Stellung des Eigentümers als Vorfrage nachgeprüft wird. Das, was unter Anerkennung der juristischen Person außerhalb des Staates des anwendungswilligen Gründungsstatuts gemeint ist, ist die Schaffung der Fähigkeit der juristischen Person, auch in diesen anderen Staaten durch Rechtsgeschäft, vielleicht auch durch originären Erwerb, Inhaber eines dort belegenen Vermögensrechts zu werden, mit der 734
Die Anerkennung der nach ausländischem Recht begründeten juristischen Personen
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weiteren Folge, daß die juristische Person mit dem so erworbenen Vermögen in anderen Staaten auch aus ihren Rechtsgeschäften haftbar werden kann. Ein Staat, der selbst jede unter Wahl seines Gründungsrechts begründete juristische Person als existent betrachtet, ohne dazu das Vorliegen weiterer objektiver Verknüpfungen zu erfordern, wird im allgemeinen bei Gegenseitigkeit auch bereit sein, eine gemäß einem anderen aus dem entsprechenden Grunde anwendungswilligen Recht entstandene juristische Person auch als zur Innehabung von Vermögensrechten auf seinem Gebiet fähig anzuerkennen 11 . Ein Staat, der für die Entstehung einer juristischen Person unter seinem Recht Sitz der Leitungsorgane der Person auf seinem Gebiet als zusätzliche objektive Verknüpfung erfordert, wird eine unter ausländischem Recht begründete juristische Person nur dann als zur Innehabung von Vermögensrechten auf seinem Gebiet fähig betrachten, wenn die begründete juristische Person auch tatsächlich den Sitz ihrer Organe im Staat des Gründungsstatuts hat 1 2 . Die unter einem anwendungswilligen ausländischen Recht begründete juristische Person ohne Sitz in diesem Staat wird dann in demjenigen Staat, in dem tatsächlich die Organe ihren Sitz genommen haben, nicht als juristische Person anerkannt werden. Willenserklärungen, die namens der nicht anerkannten juristischen Person in diesem Staat von deren Organen abgegeben werden, können ihnen möglicherweise selbst zugerechnet werden, ähnlich wie Willenserklärungen eines vollmachtlosen Vertreters einer natürlichen Person, der für diese Person zu handeln vorgibt. Sind die Organe nicht mit denjenigen Personen identisch, welche das Kapital der juristischen Person gestellt und die Organe eingesetzt haben, so kann möglicherweise die Willenserklärung auch diesen letztgenannten Personen mit Hilfe der Konstruktion einer Anscheinsvollmacht zugerechnet werden. Ist der Staat, in dem die gemäß dem Recht eines anderen Staates begründete juristische Person tatsächlich den Sitz ihrer Organe hat, bereit, die juristische Person als ausländische juristische Person anzuerkennen, so soll nach einer gelegentlich anzutreffenden Meinung aus „Sitztheorie" und Gesamtverweisung die Folgerung gezogen werden, daß in einem dritten Staat, welcher Sitz der Organe einer juristischen Person im Gründungsstaat erfordert, hier die juristische Person mit Rücksicht auf die Haltung des Sitzstaates auch in dem dritten Staat anerkannt werden kann 13 . Der Staat, der zur Begründung einer juristischen Person unter seinem Recht Sitz im Inland erfordert, kann schließlich auch eine bewußt „nach" ausländischem Recht begründete juristische Person, die tatsächlich ihren Sitz im Inland hat, als juristische Person des eigenen Rechts betrachten, wenn zufällig zugleich die zwingenden Bestimmungen seines Rechts für die Existenz der juristischen Person erfüllt sind. Die gegenseitige Anerkennung aller juristischer Personen, oder bestimmter Arten von juristischen Personen 1 3 3 , wird nicht selten in völkerrechtlichen Verträgen geboten 14 , wobei der Vertrag entweder Begründung der juristischen Person nach dem Recht eines Vertragsstaates allein genügen läßt, oder es erfordert, daß die juristische Person Sitz im Gründungsstaat oder einem anderen Vertragsstaat h a t l s . Von der Anerkennung der Fähigkeit der nach einem ausländischen Recht begründeten juristischen Person zur dauernden Innehabung von Vermögensrechten auf dem Gebiet des anerkennenden Staates zu unterscheiden ist das Recht einer solchen juristischen Person, auf dem Gebiet des anerkennenden Staates durch dort befindliche Organe oder ständige Vertreter einen „Geschäftsbetrieb" zu unterhalten 16 . Auch diese Zulassung zum Geschäftsbetrieb im Inland wird heute zumeist unter der Bedingung der Gegenseitigkeit, oder auf Grund völkerrechtlicher Verträge, erteilt 163 . Ist der nach ausländischem Recht begründeten juristischen Person der Geschäftsbetrieb im Inland verboten, so hat das nicht notwendig die Ungültigkeit aller in Ausübung des verbotenen Geschäftsbetriebs zustandegekommenen Verträge und der daraufhin erfolgten rechtsgeschäftlichen Erwerbe von Vermögensgegenständen zur Folge. Insbesondere wenn der inländische Geschäftspartner 735
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Andere Bestimmungen über ausländische juristische Personen
von dem Verbot gar nichts weiß, hat dessen Verletzung durch die ausländische juristische Person möglicherweise nur die Unklagbarkeit ihrer eigenen Ansprüche im Inland zur Folge 1 7 . Die nicht zur Ausübung eines Geschäftsbetriebs in einem Staat zugelassene nach ausländischem Recht begründete juristische Person kann aber auf Grund ihrer Anerkennung als juristische Person in dem anderen Staat z. B. Eigentümer der von ihr in diesem anderen Staat in einem isolierten Vertrag gekauften Sache werden. Von der Notwendigkeit, daß die als im anerkennenden Staat vermögensfähig geltende juristische Person ausländischen Rechts möglicherweise zum ständigen Geschäftsbetrieb einer Genehmigung bedarf, wieder zu unterscheiden sind spezifisch fremdenrechtliche Bestimmungen über die Teilnahme „ausländischer" juristischer Personen an gewissen Arten von Geschäften, wobei als Unrechtsfolge der Übertretung Ungültigkeit des Geschäfts vorgesehen sein kann, oder auch nicht. Wichtig ist, daß die Eigenschaft einer juristischen Person als „Ausländer" für die hier betrachteten fremdenrechtlichen Vorschriften 1 8 nicht notwendig davon abhängt, daß es sich um eine nach ausländischem Recht begründete juristische Person handelt. Für die Zwecke solcher fremdenrechtlichen Bestimmungen kann die „Ausländer"qualität juristischer Personen auch zum Beispiel gegeben sein bei einer nach inländischem Recht erfolgten Begründung, wenn sich der Sitz der Organe der juristischen Person im Ausland befindet; die Ausländerqualität einer juristischen Person kann darin bestehen, daß ihre Organe ausländische Staatsangehörige sind; die Ausländerqualität kann darin zu suchen sein, daß die Mehrheit der Personen, die an dem Vermögenszuwachs der juristischen Person bezugsberechtigt sind, also insbesondere die Aktionäre einer Aktiengesellschaft, ausländische Staatsangehörige oder Personen mit ausländischem Wohnsitz sind u s w 1 9 . Derartige fremdenrechtliche Bestimmungen gegenüber „ausländischen" juristischen Personen sind häufig wieder durch völkerrechtliche Verträge verboten; nicht selten sieht der Staat, der sie erläßt, vor, daß sie nur als Retorsionsvorschriften zur Anwendung kommen, wenn der „Heimatstaat" der fraglichen juristischen Person entsprechende Vorschriften erlassen hat. Die Anerkennung der Fähigkeit der nach ausländischem Recht begründeten juristischen Person, außerhalb des Gründungsstaates Vermögensgegenstände erwerben zu können, befreit die juristische Person sodann keinesfalls von solchen Unfähigkeiten zum Erwerb, die der Lagestaat generell für sämtliche juristischen Personen, also auch unter seinem eigenen Recht begründete juristische Personen, oder für bestimmte Arten juristischer Personen 2 0 , vorsieht. Eigenartige Probleme hängen damit zusammen, daß die Anerkennung der Privatrechtspersönlichkeit eines als Völkerrechtssubjekt bestehenden fremden Staates keinesfalls ganz verneint werden k a n n 2 0 a . Wird anerkannten juristischen Personen des ausländischen Rechts auch der Geschäftsbetrieb im Inland ohne weiteres erlaubt, so müssen auch alle im Heimatstaat mit Privatrechtspersönlichkeit ausgestatteten Körperschaften des öffentlichen Rechts als zu einem Geschäftsbetrieb im Inland zugelassen gelten. Dann kann der zulassende Staat es nicht verhindern, daß die Organe der ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sich in ihrer Geschäftstätigkeit nicht von solchen Interessen motivieren lassen, wie sie üblicherweise bei den natürlichen Personen bestehen, welche juristische Personen beherrschen; es kann auch nicht verhindert werden, daß die Organe öffentlich-rechtlicher Körperschaften eines fremden Staates die Weisungen der zentralen politischen Organe des fremden Staates befolgen. Deshalb wird es wichtig, daß auch für die Geschäftstätigkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher juristischer Personen im Inland keine Immunität gegenüber der Zivilgerichtsbarkeit des Betätigungslandes gilt. Wird ein ständiger Geschäftsbetrieb durch juristische Personen des ausländischen öffentlichen Rechts genehmigungsbedürftig gemacht, so kann damit nicht verhindert werden, daß ein fremder Staat die Anteile an juristischen Personen des eigenen oder des 736
Einwirkung auf die Tätigkeit juristischer Personen im Ausland
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ausländischen Privatrechts, die ohne weiteres zum Geschäftsbetrieb zugelassen sind, erwirbt. Das moderne Recht kennt aber neben juristischen Personen des allgemeinen Handelsrechts, deren Anteile einem Staat zustehen, auch besondere Rechtsformen für staatliche Geschäftsunternehmen 2 0 b , oder die Möglichkeit, daß in Handelsgesellschaften des Privatrechts, deren Anteile sich in privater Hand befinden, Staatsvertreter in den Organen ein wesentliches Mitbestimmungsrecht haben. An anderer Stelle wurde ausgeführt, daß der Staat, der natürliche Personen fremder Staatsangehörigkeit auf seinem Gebiet Vermögensrechte innehaben läßt, zwar nicht verbieten kann, daß der Heimatstaat dem Rechtsinhaber Weisungen in Bezug auf die Verwaltung oder Veräußerung dieser Rechte erteilt, daß er aber im allgemeinen dem fremden Staat bei der Durchsetzung dieser Weisungen keine Hilfe leisten wird. Dasselbe gilt, wenn an einer juristischen Person des ausländischen Rechts natürliche Personen fremder Staatsangehörigkeit beteiligt sind und die Organe stellen. Werden die Organe einer juristischen Person des ausländischen Rechts jedoch mehr oder weniger stark von dem fremden Staat beeinflußt, so ist es schon schwieriger, den privaten Anteilseignern Klagen gegen die Organe der juristischen Person zu ermöglichen, um sie davon abzuhalten, auf Kosten der Interessen der Anteilseigner bei ihrer geschäftlichen Tätigkeit Weisungen des Heimatstaates der juristischen Person zu beachten. Ist die ausländische juristische Person im Inland zum G e schäftsbetrieb zugelassen worden, obwohl bekannt war, daß nach der rechtlichen Ordnung der juristischen Person die Regierung des Gründerstaates ein nicht von einer Kapitalbeteiligung abhängiges Mitbestimmungsrecht in den Organen hat, so läßt sich ein Rechtsgrund für Klagen der Gesellschafter gegen die Organe ohnehin nicht finden. Ist eine juristische Person des eigenen Rechts Tochtergesellschaft einer ausländischen Handelsgesellschaft, und steht die Muttergesellschaft auf irgendeine Weise unter entscheidendem Einfluß der Regierung ihres Heimatstaates, so läßt sich das Weiterwirken dieses Einflusses bei den Organen der Tochtergesellschaft nur verhindern, indem der Heimatstaat der Tochtergesellschaft eigenen Staatsvertretern eine mitbestimmende Position in den Organen der Tochtergesellschaft verschafft. Derartiges wollen aber viele Staaten vermeiden; es bleibt dann nur die Möglichkeit, Erwerbe von Anteilen an eigenen Handelsgesellschaften generell genehmigungspflichtig zu machen. Hat eine juristische Person des ausländischen Privatrechts Vermögen im Inland, und wird die Tätigkeit ihrer Organe zunächst ausschließlich von privaten Anteilsinhabern bestimmt, so kann eine spätere Teilenteignung ihrer Stimmrechtsmacht durch neue Gesetze des Heimatstaates 2 0 c zum Anlaß genommen werden, das inländische Vermögen einer Spaltgesellschaft 2 0 d zu überlassen. Es bleibt die Frage, ob der Gründungsstaat einer juristischen Person seinerseits ihr unter Bezugnahme auf diese ihre Inlandsverknüpfung verbieten kann, außerhalb des Staatsgebietes dieses Staates Vermögen zu erwerben, oder außerhalb einen ständigen Geschäftsbetrieb zu unterhalten; es bleibt ferner die Frage, ob ein Staat einer nach eigenem oder nach ausländischem Recht begründeten juristischen Person, die er mit Rücksicht auf eine andere Inlandsverknüpfung als „nationale" juristische Person ansieht, entsprechende Beschränkungen bezüglich ihrer Auslandstätigkeit auferlegen kann. In beiden Fällen taucht dann die weitere Frage auf, ob eine von dem betreffenden Staat verfügte Ungültigkeit der verbotenerweise im Ausland und unter ausländischem Geschäftsstatut getätigten Geschäfte auch in anderen Staaten zu beachten wären. Es ist das gute Recht eines jeden Staates, in Wahrnehmung seiner Außenprivatrechtspolitik juristischen Personen, die er auf Grund einer ausreichenden Inlandsverknüpfung als „nationale" juristische Personen betrachten darf, eine Betätigung im Ausland zu verbieten, und bei Übertretung des Verbots den zustandegekommenen Geschäften Rechtsschutz durch seine Gerichte zu versagen. Andere
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§ 30
Parallele juristische Personen. Mehrfachgründung
Staaten werden dem betreffenden Staat jedoch nur bei gesicherter Gegenseitigkeit Rechtshilfe leisten, indem auch sie die fraglichen Geschäfte als ungültig behandeln 2 1 ' 2 2 . Die Anerkennung der nach ausländischem Recht begründeten juristischen Person, die, wie gezeigt, die Erweiterung ihrer Fähigkeit zur Innehabung von Vermögensrechten auf die im anerkennenden Staat belegenen Vermögensrechte bedeutet, kann eine automatische Anerkennung sein; d. h. es wird gegebenenfalls inzidenter von den Gerichten geprüft, ob die angeblich unter ausländischem Recht begründete juristische Person wirklich unter diesem Recht besteht, und ob die behauptete Erweiterung ihrer Fähigkeit zur Innehabung von Vermögensrechten auf Gegenstände im Forumstaat unter dessen Recht gegeben ist. Selten ist eine ausdrückliche oder gar konstitutive Einzelfeststellung der Anerkennungsfähigkeit von juristischen Personen des ausländischen Rechts, mit der überdies notwendig eine implizierte Feststellung ihrer Existenz im Gründungsland verbunden ist 2 3 . c) Parallele juristische Personen. Mehrfachgründung von juristischen Personen in mehreren Staaten und Tochtergesellschaften Wenn ein Staat sich weigert, einer im Gründungsstaat rechtsfähigen juristischen Person die zusätzliche Fähigkeit zur Innehabung von Vermögensrechten oder zum Geschäftsbetrieb in diesem anderen Staat zu gewähren, so kommt es vor, daß der betreffende Staat doch den Organen der juristischen Person des ausländischen Rechts und ihren Hintermännern anheim stellt, Schritte zur Begründung einer weiteren juristischen Person unter dem Recht dieses anderen Staates zu unternehmen. Das kann so geschehen, daß dieselben Personen, die die juristische Person zunächst in dem einen Staat begründet haben, eine neue juristische Person in dem anderen Staat gemäß dessen Recht gründen, und daß sie dieser juristischen Person als Vermögen diejenigen Vermögensgegenstände zuweisen, die sie in den zweiten Staat bringen. Es kann dann im Statut der „nachgegründeten" juristischen Person vorgesehen sein, daß, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die Mitglieder und die Organe der Gesellschaften in beiden Ländern stets dieselben sein müssen. Hier kann von parallelen juristischen Personen gesprochen werden, bei denen unter gleichlautendem Gesellschaftsstatut die mehreren Gesellschaften in den verschiedenen Staaten verschiedenes Vermögen haben, und so eine Anerkennung der einen Gesellschaft in dem anderen Staat praktisch unnötig w i r d 2 4 . Zwar selten, aber nicht unmöglich ist es, daß es von vornherein zur Begründung von zwei substantiell gleichen juristischen Personen unter dem Recht verschiedener Staaten kommt, daß aber das ganze in beiden Staaten belegene Vermögen, das der juristischen Person von ihren Gründern zugewendet worden ist, in jedem der beiden Staaten als Vermögen „seiner" juristischen Person gilt. Das Vermögen kann sogar in einem dritten Staat belegen sein, der die juristischen Personen beider Gründungsländer „bei sich" anerkennt. Weit häufiger als diese eigenartigen Erscheinungen 2 5 sind Regelungen, bei denen der unter einem ausländischen Recht begründeten juristischen Person ermöglicht wird, im Inland als Gründer einer neuen juristischen Person aufzutreten, wobei die gründende juristische Person sogleich oder später allein Bezieher des ausgeschütteten Vermögenszuwachses und eines etwaigen Liquidationserlöses der begründeten „Tochter" wird. Mit der Schaffung einer solchen durch die ausländische Muttergesellschaft voll „beherrschten" Tochtergesellschaft in einem Staat kann insbesondere das Verbot des Geschäftsbetriebes im Inland durch die Muttergesellschaft durchaus vereinbar sein, solange die Tochtergesellschaft in ihrem Gründungsland alle Geschäfte im eigenen Namen tätigt, und nicht bloß als Vertreter oder Vermittler für die Muttergesellschaft tätig w i r d 2 6 . Auch eine solche inländische Tochtergesellschaft einer nach ausländischem Recht begründeten Muttergesellschaft wird möglicherweise von fremdenrechtlichen Bestimmungen ihres eigenen Gründungslandes erfaßt, wenn nämlich die Fremdenqualität darin gese738
Juristische Personen bei Staatsteilung
§30
hen w i r d , daß die G e s e l l s c h a f t d u r c h eine a u s l ä n d i s c h e M u t t e r g e s e l l s c h a f t beherrscht w i r d . D i e s e r A u s l ä n d e r b e g r i f f f ü r die juristischen P e r s o n e n gilt d a n n z . B . a u c h f ü r f r e m d e n r e c h t liche B e s t i m m u n g e n , die den E r w e r b v o n Anteilen an einer z u n ä c h s t m i t I n l ä n d e r q u a l i t ä t ausgestatteten G e s e l l s c h a f t d u r c h „ a u s l ä n d i s c h e " G e s e l l s c h a f t e n b e t r e f f e n ; als a u s l ä n d i s c h e G e s e l l s c h a f t k a n n d a n n auch eine bereits v o n A u s l ä n d e r n beherrschte G e s e l l s c h a f t des inländischen R e c h t s gelten. D u r c h Spezialrecht k a n n in einem Staat b e s t i m m t w e r d e n , daß eine g e m ä ß einem a u s l ä n d i s c h e n R e c h t b e s t e h e n d e u n d im I n l a n d als a u s l ä n d i s c h e juristische P e r s o n anerk a n n t e juristische P e r s o n in einem b e s o n d e r e n , g e g e n ü b e r d e m G r ü n d u n g s v e r f a h r e n f ü r eine neue juristische P e r s o n vereinfachten, V e r f a h r e n in eine juristische P e r s o n d e s inländischen R e c h t s u m g e w a n d e l t w e r d e n k a n n . E s k a n n dies d a v o n a b h ä n g i g g e m a c h t w e r d e n , daß z u g l e i c h die juristische P e r s o n d e s a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s v o n d e m f r e m d e n Staat d u r c h e n t s p r e c h e n d e s Spezialrecht als nicht m e h r d i e s e m R e c h t u n t e r s t e h e n d erklärt, u n d daß d o r t die d u r c h U m w a n d l u n g e n t s t a n d e n e juristische P e r s o n unter d e m R e c h t des a n d e r e n Staates als „ a u s l ä n d i s c h e " juristische P e r s o n a n e r k a n n t w i r d . E s ist dies i n s b e s o n dere a n g e b r a c h t , w e n n die O r g a n i s a t i o n s v o r s c h r i f t e n der beiden L ä n d e r gleich o d e r fast gleich sind, u n d w e n n beide Staaten die G e l t u n g ihres R e c h t s nicht n u r v o n der B e g r ü n d u n g der juristischen P e r s o n u n t e r d i e s e m R e c h t e n t s p r e c h e n d d e m Parteiwillen a b h ä n g i g m a c h e n , s o n d e r n es e r f o r d e r n , daß, d a m i t eine juristische P e r s o n des inländischen R e c h t s entsteht, ihre O r g a n e ihren Sitz in d e m b e t r e f f e n d e n Staat h a b e n 2 7 . W i r d das G e l t u n g s g e b i e t einer staatlichen R e c h t s o r d n u n g , die eine j u r i s t i s c h e P e r s o n als s o l c h e ihres eigenen R e c h t s betrachtet, aufgeteilt, s o k ö n n e n die N a c h f o l g e s t a a t e n d u r c h V e r t r a g o d e r ü b e r e i n s t i m m e n d e s einseitiges H a n d e l n einen dieser N a c h f o l g e s t a a t e n allein als denjenigen betrachten, d e s s e n R e c h t das neue B e s t a n d s s t a t u t f ü r die juristische P e r s o n darstellt, w ä h r e n d sie in den a n d e r e n N a c h f o l g e s t a a t e n , a u c h w e n n sie d o r t V e r m ö g e n hat, n u n m e h r als juristische P e r s o n eines a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s gilt u n d a n e r k a n n t w i r d . D i e s e R e g e l u n g liegt nahe, w e n n die z u n ä c h s t in allen N a c h f o l g e s t a a t e n f o r t g e l t e n d e n internationalprivatrechtlichen S ä t z e des ungeteilten Staates Sitz im Staat verlangen, d a m i t die juristische P e r s o n als juristische P e r s o n seines R e c h t s gelten k a n n . D i e N a c h f o l g e s t a a t e n k ö n nen dabei ü b e r e i n s t i m m e n d auf den letzten S i t z der juristischen P e r s o n v o r der Staatsteil u n g abstellen, sie k ö n n e n es a b e r auch d e m z u r S i t z v e r l e g u n g z u s t ä n d i g e n O r g a n ü b e r l a s sen, anläßlich der Staatsteilung den Sitz neu in einem der N a c h f o l g e s t a a t e n z u b e s t i m m e n . E i n e ü b e r e i n s t i m m e n d e R e g e l u n g der N a c h f o l g e s t a a t e n k a n n a b e r auch dahin g e h e n , daß die anfänglich eine juristische P e r s o n in eine M e h r z a h l neuer juristischer P e r s o n e n m i t jeweils d e m R e c h t eines N a c h f o l g e s t a a t e s als B e s t a n d s s t a t u t zerfällt; m e h r e r e „ p a r a l l e l e " juristische P e r s o n e n , die m ö g l i c h e r w e i s e s o g a r dieselben O r g a n e h a b e n k ö n n e n , ü b e r n e h m e n d a n n das jeweils im G e l t u n g s g e b i e t eines der n e u e n B e s t a n d s s t a t u t e belegene V e r m ö gen der f r ü h e r e n einen juristischen P e r s o n . D a s f ü h r t zu s c h w i e r i g e n F r a g e n , w e n n einzelne V e r m ö g e n s g e g e n s t ä n d e , w i e i n s b e s o n d e r e F o r d e r u n g e n , als in m e h r e r e n N a c h f o l g e staaten belegen angesehen w e r d e n m ü s s e n ; hier k ö n n t e d a s , w a s ü b e r die B e f r e i u n g des S c h u l d n e r s bei divergierenden A n s i c h t e n der L a g e s t a a t e n einer F o r d e r u n g ü b e r den E r b e n d e s G l ä u b i g e r s g i l t 2 8 , a n a l o g a n g e w e n d e t w e r d e n . E s bleibt ferner die F r a g e , o b V e r m ö g e n einer juristischen P e r s o n unter d e m R e c h t eines aufgeteilten Staates, w e n n es in dritten Staaten belegen ist, in einem solchen Fall ebenfalls unter die neuen juristischen P e r s o n e n aufgeteilt w e r d e n sollte, u n d w e r d a r ü b e r entscheidet. E r f o l g t keine E i n i g u n g der N a c h f o l g e s t a a t e n in d e m ersten o d e r z w e i t e n Sinn, s o n d e r n will jeder v o n m e h r e r e n N a c h f o l g e s t a a t e n die g a n z e juristische P e r s o n als juristische P e r s o n seines eigenen R e c h t s f o r t f ü h r e n , s o w i r k t sich das in der P r a x i s d o c h nicht allzu verschieden v o n der zweiten M ö g l i c h k e i t a u s : E s entstehen m e h r e r e juristische P e r s o n e n unter je einem a n w e n d u n g s w i l l i g e n R e c h t , u n d jede erfaßt auf j e d e n Fall das auf d e m 739
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Die Innenbeziehungen der juristischen Person
G e b i e t dieses Staates belegene V e r m ö g e n . D a n n sind dritte Staaten ihrerseits frei, o b sie d a s bei ihnen belegene V e r m ö g e n der früheren juristischen P e r s o n unter die streitenden N a c h f o l g e p e r s o n e n aufteilen w o l l e n , o d e r o b sie es einer der neuen juristischen P e r s o n e n m i t R ü c k s i c h t darauf ü b e r l a s s e n w o l l e n , daß dieser N a c h f o l g e s t a a t die engeren V e r k n ü p f u n g e n zu d e m im A u s l a n d befindlichen V e r m ö g e n a u f w e i s t ( s o z . B . , w e n n ein G u t h a b e n im A u s l a n d als G e s c h ä f t s v e r m ö g e n einer Z w e i g n i e d e r l a s s u n g galt). Bei W a r e n z e i c h e n r e c h t e n k a n n der dritte Staat den streitenden N a c h f o l g e p e r s o n e n eine B i l l i g k e i t s l ö s u n g a u f z w i n g e n , w o n a c h sie unter sich verschiedene, a b e r v o n d e m alten W a r e n z e i c h e n abgeleitete W a r e n z e i c h e n v e r w e n d e n m ü s s e n 2 9 . D e r Billigkeit entspricht ferner eine G e s a m t h a f t u n g den m e h r e r e n im Z u s a m m e n h a n g mit einer Staatsteilung neu e n t s t a n d e n e n juristischen P e r s o n e n f ü r alte Schulden der früheren juristischen P e r s o n unter d e m R e c h t des ungeteilten Staates. Bei g e w a l t s a m e n V e r ä n d e r u n g e n des B e s t a n d e s von Staaten scheitert allerdings die V e r w i r k l i c h u n g dieser G e d a n k e n o f t an den damit v e r b u n d e n e n E n t e i g n u n g s v o r g ä n g e n o d e r an o r d r e p u b l i c - E r w ä g u n g e n 3 0 . d) D a s a u f die I n n e n b e z i e h u n g e n d e r j u r i s t i s c h e n P e r s o n a n w e n d b a r e R e c h t D i e juristische P e r s o n bedarf u n b e d i n g t eines O r g a n i s a t i o n s a p p a r a t e s , d e s s e n B i l d u n v e r m e i d l i c h d u r c h dasjenige R e c h t v o r g e z e i c h n e t w i r d , welches G r ü n d u n g s - u n d B e s t a n d s s t a t u t ist. Ist der o r g a n i s a t o r i s c h e A p p a r a t d a 3 1 , s o entstehen vielfältige R e c h t Pflicht- u n d H a f t u n g s b e z i e h u n g e n z w i s c h e n der juristischen P e r s o n einerseits u n d den natürlichen P e r s o n e n , w e l c h e O r g a n e der juristischen P e r s o n w e r d e n , ferner z w i s c h e n der juristischen P e r s o n u n d ihren G r ü n d e r n , s o w i e z w i s c h e n der juristischen P e r s o n u n d später h i n z u g e k o m m e n e n „ S t i f t e r n " (im weiteren Sinn) v o n V e r m ö g e n der juristischen P e r s o n ; b e s o n d e r s w i c h t i g e B e z i e h u n g e n bestehen z w i s c h e n der juristischen P e r s o n u n d s o l c h e n G r ü n d e r n b z w . K a p i t a l g e b e r n , die als „ G e s e l l s c h a f t e r " das R e c h t z u m B e z u g v o n G e w i n n a u s s c h ü t t u n g e n o d e r Anteilen an L i q u i d a t i o n s e r l ö s der juristischen P e r s o n erhalten s o l l e n ; bei m a n c h e n juristischen P e r s o n e n g e h ö r e n aber die b e z u g s b e r e c h t i g t e n P e r s o n e n gar nicht einmal z u m K r e i s der G r ü n d e r o d e r K a p i t a l g e b e r 3 2 . F e r n e r bestehen d u r c h w e g R e c h t s b e z i e h u n g e n u n d H a f t u n g s b e z i e h u n g e n z w i s c h e n den O r g a n p e r s o n e n u n d den e b e n g e n a n n ten I n h a b e r n v o n Anteilen o d e r B e z u g s r e c h t e n . A b e r a u c h R e c h t s b e z i e h u n g e n z w i s c h e n den G r ü n d e r n u n d späteren K a p i t a l g e b e r n k o m m e n v o r . F ü r alle diese „ I n n e n b e z i e h u n g e n " stellt das G r ü n d u n g s - u n d B e s t a n d s s t a t u t der juristischen P e r s o n o f f e n b a r das sachgerechte G e s c h ä f t s s t a t u t d a r , soweit die g e n a n n t e n R e c h t s b e z i e h u n g e n d u r c h V e r t r a g (eventuell a u c h V e r t r a g z u g u n s t e n D r i t t e r ) z u s t a n d e k o m m e n . Selbst bei h e t e r o g e n e n V e r k n ü p f u n g e n in G e s t a l t unterschiedlicher W o h n s i t z e der G r ü n d e r , der K a p i t a l g e b e r u n d der G e s e l l s c h a f t s o r g a n e k o m m t f ü r diese I n n e n b e z i e h u n g e n k a u m je ein anderes R e c h t als das G r ü n d u n g s s t a t u t der juristischen P e r s o n als d a s a m intensivsten v e r k n ü p f t e R e c h t in F r a g e . A m ehesten w ä r e n o c h das R e c h t d e s Sitzes der juristischen P e r s o n als s o l c h e s h e r a n z u z i e h e n 3 2 3 , w e n n dieser Sitz nicht in d e m Staat liegt, der — u n d sei es auch mit B i l l i g u n g des Sitzstaates — das a n w e n d u n g s w i l l i g e G r ü n d u n g s u n d B e s t a n d s s t a t u t stellt. E i n e W a h l eines dritten R e c h t s f ü r eine der g e n a n n t e n I n n e n b e z i e h u n g e n — also z . B . den V e r t r a g ü b e r den Beitritt eines n e u e n G e s e l l s c h a f t e r s u n d seine V e r p f l i c h t u n g z u r G e s t e l l u n g einer E i n l a g e — k o m m t in der P r a x i s n u r selten v o r . Ist das R e c h t , nach d e m die juristische P e r s o n g e g r ü n d e t w o r d e n ist, d a s s e l b e w i e d a s , an d e m sich ihr Sitz b e f i n d e t , so besteht in aller R e g e l unter den Beteiligten der „ G l a u b e " , daß dieses R e c h t auch f ü r ihre B e z i e h u n g e n unter sich das a n w e n d b a r e R e c h t sei. V o r v e r t r ä g e der z u k ü n f t i g e n G r ü n d e r einer juristischen P e r s o n ü b e r ihre V e r p f l i c h t u n g z u r M i t w i r k u n g an d e m G r ü n d u n g s g e s c h ä f t k ö n n e n allerdings ein a n d e r e s G e s c h ä f t s s t a t u t h a b e n als der Gründungsvertrag selbst33. E i n e S o n d e r z u w e i s u n g der F o r m des G r ü n d u n g s g e s c h ä f t s an die lex loci actus w i r d 740
Die Außenbeziehungen der juristischen Person
§30
zumeist vom Gründungsstatut selbst nicht vorgesehen 3 4 ; es ist auch nicht zu sehen, daß im positiven Recht der Urheber der Formbestimmungen des Errichtungsortes des Gründungsgeschäfts Anwendbarkeit dieser Formvorschriften entgegen dem Gründungsstatut in Anspruch nimmt. Vorrangig vor dem Geschäftsstatut anwendungswillig für Verträge zwischen der juristischen Person und solchen neuen Kapitalgebern, welche als Gegenleistung meist ein Gesellschafterrecht oder ein Recht auf Gewinnbezug und Anteil am Liquidationserlös erwerben, sind vielfach zwingende Bestimmungen des Ortes, wo die juristische Person Einrichtungen zur Anwerbung solcher Vertragspartner unterhält. Unabhängig davon, daß derartige zwingende Bestimmungen 3 5 nach Absicht ihres Urhebers Bestandteil des Vertragsverhältnisses zwischen der juristischen Person und dem beitretenden Kapitalgeber werden sollen, kann die Verletzung derartiger Vorschriften 3 6 als Verletzung von Schutzgesetzen des Tatortes auch Anlaß zu deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen geben. Sowohl das Bestandsstatut einer Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, welche ihr Kapital von einer unter anderem Recht lebenden Muttergesellschaft erhalten hat, als auch das Bestandsstatut der Muttergesellschaft enthalten vielfach Vorschriften über das Verhalten der Organe der beherrschenden Gesellschaft in ihren Beziehungen zur Tochtergesellschaft. Deren Anwendungsbereich wird hier meist sowohl durch den Handlungsort, als auch durch den Wirkungsort festgelegt; die Verhaltensnormen als solche sind kumulativ anwendbar. Sind die Schadensersatzvorschriften nicht gleich, so dürfte im allgemeinen die Verknüpfung mit der Tochtergesellschaft die intensivere sein. Abmachungen über die Ausübung des Stimmrechts durch die Mitglieder von Kollektivorganen einer juristischen Person können von den Vertragsparteien einem anderen Recht als dem Bestandsstatut der juristischen Person unterstellt sein; doch beansprucht hier unter Umständen wieder das Bestandsstatut der juristischen Person vorrangige Anwendung von eigenen zwingenden Bestimmungen über die Zulässigkeit solcher Abmachungen. e) Das auf die Außenbeziehungen der juristischen Person anwendbare Recht Das Geschäftsstatut für obligatorische Verträge, an denen die juristische Person Partei sein soll, und das Statut für Verfügungsgeschäfte über Gegenstände im Vermögen der juristischen Person sind nicht anders zu ermitteln, als wenn anstelle der juristischen Person eine natürliche Person beteiligt wäre. Erhebliche Unsicherheit besteht bis in die Gegenwart in bezug auf den Anwendungsbereich solcher Rechtssätze, welche die „Fähigkeit" einer juristischen Person, derartige Geschäfte zu errichten, beschränken wollen. Dabei ist davon auszugehen, daß, anders als bei der natürlichen Person, von einer durch Alter oder gesundheitliche Mängel bedingten Unfähigkeit, persönlich an einer Geschäftserrichtung mitzuwirken (der „Geschäftsunfähigkeit" im eigentlichen Sinne bei der natürlichen Person), bei einer juristischen Person nicht die Rede sein kann, wenn ein anwendungswilliges Recht Vorkehrungen trifft, damit die juristische Person menschliche Vertretungsorgane in der Gestalt volljähriger und geistig gesunder Organe haben, bzw. bei Wegfall der bisherigen Organe neu erhalten kann 3 7 . Andererseits bedarf es keiner besonderen Rechtssätze um klarzustellen, daß eine juristische Person keine höchstpersönlich von einem bestimmten Menschen zu erfüllenden Verpflichtungen durch Rechtsgeschäft übernehmen kann; wohl kann eine juristische Person das Recht und die Pflicht haben, eine natürliche Person zur Vornahme von Leistungen zu bestellen, und kann für Versäumnisse der bestellten Person haften; ferner kann eine juristische Person zu solchen Leistungen, denen der Verpflichtete sich nicht durch seine Bereitschaft zu Schadensersatzzahlungen entziehen kann, verpflichtet werden, sofern der Schuldner die gebotene Tätigkeit durch andere ausüben lassen kann. Eine juristische Person kann durch Vertrag Pflegeelternaufgaben übernehmen, indem die 741
§30
Die Außenbeziehungen der juristischen Person
Ausübung der Sorgegewalt von der juristischen Person entweder ihren Organen oder Dritten überlassen wird. Es bleibt so sicher zunächst Sache des jeweiligen Geschäftsstatuts, ob es eine Bestimmung haben will, wonach z. B. bei bestimmten Vertragsarten überhaupt keine juristischen Personen, oder nur juristische Personen bestimmter Struktur, Vertragspartei werden können. Will sich ein Gesetzgeber eines bei gewissen natürlichen Personen vorhandenen oder vermuteten Interesses annehmen, daß bestimmte Arten juristischer Personen an bestimmten Geschäften nicht teilnehmen sollen 3 8 , wobei die Übertretung des Verbotes zur Ungültigkeit des Geschäfts führen soll, oder will ein Gesetzgeber ein öffentliches Interesse an dem Ausschluß bestimmter juristischer Personen von bestimmten Geschäften schützen, so spielt es keine Rolle, ob der dafür zu erlassende Rechtssatz die juristische Person selbst als „unfähig" erklärt, Partei an bestimmten Geschäften zu werden, oder ob er die Vertretungsmacht der zum rechtsgeschäftlichen Handeln für die juristische Person befugten Organe entsprechend einschränkt oder durch Satzung einschränken läßt („ultra vires"-Lehre) 3 9 . Wird die Haftbarmachung des im Staat des Gründungsstatuts belegenen Vermögens der juristischen Person für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten dieser juristischen Person aktuell, so besteht kein Zweifel, daß dieser Staat auch bei ausländischem Geschäftsstatut des die Verbindlichkeit begründenden Geschäfts darauf bestehen kann und bestehen wird, daß die von ihm dekretierte Unfähigkeit der juristischen Person zum Gebundenwerden durch bestimmte Arten von Geschäften beachtlich wird. Gesetzliche oder statutarische Verbote an die Organe der juristischen Person, von ihrer zunächst allgemein gefaßten Vertretungsmacht Gebrauch zu machen, um bestimmte Bindungen des Vermögens der juristischen Person herbeizuführen, können ebenfalls vom Urheberstaat, der zugleich das Bestandsstatut der juristischen Person stellt, mit der Unrechtsfolge der Ungültigkeit der Geschäfte versehen werden, was aktuell wird, wenn versucht wird, aus dem Geschäft das inländische Vermögen der juristischen Person haftbar zu machen. Hierbei kommt es im allgemeinen nicht auf den guten Glauben der anderen Partei an das Fehlen von Verboten der genannten Art an: Von demjenigen, der mit einer juristischen Person kontrahiert, kann erwartet werden, daß er sich nicht nur über den Umfang des haftenden Vermögens der juristischen Person orientiert, sondern auch, daß er sich im Zusammenhang damit über das Bestandsstatut der juristischen Person, und so auch über darin enthaltene Beschränkungen der Bindungsfähigkeit dieser juristischen Person und der Vertretungsmacht ihrer Organe informiert 4 0 . Wird versucht, Vermögen der juristischen Person in einem Staat, der sie als juristische Person des ausländischen Rechts anerkannt hat, aus einem von einem Organ der juristischen Person getätigten Rechtsgeschäft haftbar zu machen, so kann erwartet werden, daß auch hier der Dritte sich die oben erwähnten Informationen über das Gründungsstatut der juristischen Person beschafft, wenn erkennbar ist, daß es sich um eine juristische Person eines ausländischen Rechts handelt 4 1 . Hat die juristische Person ausländischen Rechts den Sitz ihrer zentralen Organe in dem sie anerkennenden Staat, und ist sie in dem dortigen Handelsregister vermerkt, so sollte allerdings das Register erkennbar machen, daß es sich um eine juristische Person gemäß einem ausländischen Recht handelt. Erfolgt die Anerkennung der juristischen Person in einem anderen Staat, oder erfolgt insbesondere die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb in diesem anderen Staat ausdrücklich unter der Bedingung, daß Beschränkungen der Fähigkeit der juristischen Person zur Haftbarmachung ihres Vermögens in dem anerkennenden Staat nur in dem Umfang anerkannt werden, wie sie für entsprechende juristische Personen unter dem eigenen Recht des anerkennenden Staates gelten, so geht diese Vorschrift für die Gerichte des anerkennenden Landes v o r 4 2 . Vertretungsbefugt in einem Staat, der eine juristische Person ausländischen Rechts anerkennt, sind diejenigen Personen, die auch unter dem Bestandsstatut der juristischen 742
Die Rechte der Gesellschafter
§30
Person deren rechtmäßige Organe sind. D e r Staat, in dem eine juristische Person mit ausländischem Bestandsstatut den Sitz ihrer zentralen Organe oder eine Filiale unterhält, kann jedoch die Publikation der vertretungsberechtigten Organpersonen in seinem Handelsregister vorsehen und den guten Glauben an die Organqualität einer noch nicht als Organ gelöschten Person schützen. D e r Staat, in dem die juristische Person ausländischen Rechts zum Geschäftsbetrieb durch eine Filiale zugelassen ist, kann überdies fordern, daß die Vertretungsorgane für die in der Filiale getätigten Geschäfte bestimmte Eigenschaften haben, also z. B. Staatsangehörige des Filiallandes sind 4 3 . O b neben dem Vermögen der juristischen Person, oder subsidiär bei Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person, aus ihren durch Rechtsgeschäft der Organe begründeten Verbindlichkeiten eine Organperson selbst oder Gesellschafter haften, kann sicher nicht das Geschäftsstatut als solches bestimmen, wenn das Geschäft ausdrücklich namens der juristischen Person geschlossen worden ist. Eine Bestimmung über eine solche Mithaftung von Organpersonen oder Gesellschaftern im Bestandsstatut der juristischen Person sollte wohl denselben Anwendungsbereich erhalten wie ihre Bestimmungen über die „Fähigkeit" der juristischen Person: Wird dem Dritten zugemutet, sich über Beschränkungen dieser Fähigkeit zu informieren, so sollte er sich andererseits auch darauf berufen können, daß die Organe der juristischen Person und ihre Gesellschafter durch ihre Beteiligung an einer juristischen Person, deren Bestandsstatut Bestimmungen über ihre Mithaftung enthält, die Bereitschaft zu solcher Mithaftung übernommen haben. Fehlt eine solche Vorschrift im Bestandsstatut der juristischen Person, so kann eine deliktische oder quasi-deliktische Haftung der an dem Rechtsgeschäft beteiligten Organe der juristischen Person bestehen, für die das Deliktsstatut nach allgemeinen Regeln zu ermitteln ist. Aber auch das Land, in dem eine juristische Person des ausländischen Rechts ihre Geschäftstätigkeit ausübt, kann Sonderanknüpfung für solche Bestimmungen seines eigenen Rechts vorsehen, welche unter besonderen Umständen die Haftung des Vermögens der juristischen Person durch eine Haftung der Gesellschafter bzw. der Organe ergänzen 4 4 . Ein Durchgriff auf den Alleingesellschafter oder Fast-Alleingesellschafter einer Gesellschaft, deren Organe Geschäfte in ihrem Namen geschlossen haben, ist kaum aus den im Staat des Geschäftsstatuts bestehenden Auffassungen über die Zulässigkeit eines solchen Durchgriffs allein zu entnehmen. Wohl aber kann eine Durchgriffshaftung im Bestandsstatut der juristischen Person vorgesehen sein. Eine Durchgriffshaftung kommt auch als deliktische oder außervertragliche Billigkeitshaftung auf Grund eines anderen Rechts in Frage, das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall zu bestimmen ist 4 5 . f) Wechsel des Inhabers von Rechten zum Bezug von Gewinnanteilen und Liquidationserlösen Kann eine natürliche Person ihr Geschäftsvermögen als das einer gesonderten juristischen Person abspalten, so kann bestimmt werden, daß ihr „Recht an der juristischen Person" ihr persönliches Vermögen ist und von ihr auf eine andere natürliche Person übertragen werden kann, und schließlich auch Gegenstand einer Haftung für nichtgeschäftliche Schulden darstellt 4 6 . Das positive Recht kann aber auch das statutarische Recht einer natürlichen Person auf Bezug von Erträgen des Vermögens, der einer juristischen Person gehört, als nach einem Sondererbrecht vererblich und zugleich als unübertragbar und unpfändbar gestalten 4 7 ; erst die in das persönliche Vermögen des Bezugsberechtigten übergegangenen Werte können dann, solange sie nicht verbraucht sind, übertragen und vom Gläubiger gepfändet werden. Während der Staat, nach dessen Recht die juristische Person begründet worden ist, vollkommen frei ist, die eine oder die andere Regelung bei sich zu haben, und in bezug auf 743
§30
Die Rechte der Gesellschafter
das auf seinem Gebiet belegene Vermögen der juristischen Person zu realisieren, bindet sich der Staat, der eine juristische Person ausländischen Rechts als möglichen Inhaber von Vermögensgegenständen auf seinem Gebiet anerkennt, damit auch an die in dem Bestandsstatut der juristischen Person getroffene Regelung. W i l l ein Staat in seinem eigenen Recht nicht die M ö g l i c h k e i t vorsehen, daß eine natürliche Person nicht n u r Teile ihres Vermögens in das Vermögen einer juristischen Person einbringen und damit dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger der natürlichen Person entziehen kann, sondern daß auch das Recht der natürlichen Person „an der juristischen Person" unübertragbar u n d unpfändbar ist, so kann der betreffende Staat dies bei der juristischen Person des ausländischen Rechts nur dadurch verwirklichen, daß er die A n e r k e n n u n g solcher juristischen Personen des ausländischen Rechts verweigert, bei denen natürliche Personen die M ö g l i c h k e i t haben, Teile ihres Vermögens durch Einbringung in eine juristische Person für die H a f t u n g gegenüber den Gläubigern der natürlichen Person v o l l k o m m e n i m m u n zu m a c h e n 4 8 . Vor allem bei Kapitalgesellschaften des Handelsrechts w i r d nun zumeist der gesamte K o m p l e x der Rechte eines Gesellschafters, der einen Beitrag z u m Vermögen der Gesellschaft geleistet hat, gegenüber der juristischen Person und gegenüber den anderen Gesellschaftern, als frei übertragbar und zugleich für persönliche Schulden des Gesellschafters haftend ausgestaltet. Dann ist auch im Verhältnis zwischen Staaten, die solche Kapitalgesellschaften in ihrem eigenen Recht haben, am allerehesten mit einer gegenseitigen A n e r k e n n u n g derartiger juristischer Personen zu rechnen. Auf der anderen Seite kann ein Staat ohne Bedenken auch solche juristischen Personen eines ausländischen Rechts als zur Innehabung von Vermögensgegenständen auf seinem Gebiet fähig anerkennen, bei denen es von vornherein ausgeschlossen ist, daß natürliche Personen sich damit die U n p f ä n d b a r keit von Teilen ihres Vermögens sichern k ö n n t e n ; das ist im allgemeinen nicht der Fall bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder bei Stiftungen, die ihr Vermögen und dessen Erträge nur für solche Z w e c k e v e r w e n d e n dürfen, welche wirtschaftlich nicht dem g l e i c h k o m m e n , w a s eine natürliche Person normalerweise durch N u t z u n g ihres eigenen persönlichen Vermögens erreicht 4 9 . Ist das komplexe Recht des Gesellschafters in der Kapitalgesellschaft gemäß dem Gründungsstatut dieser Gesellschaft übertragbar und pfändbar, so kann die betreffende R e c h t s o r d n u n g noch weiter gehen: Analog dem Inhaberpapier, welches das Eigentum an bestimmten Sachen oder die Gläubigerqualität an einer bestimmten Forderung repräsentiert, kann über das Gesellschafterrecht ein W e r t p a p i e r ausgestellt w e r d e n mit der M a ß gabe, daß mit dem U b e r g a n g des Eigentums an dem Wertpapier durch Rechtsgeschäft unter dem Recht des Lagestaats des Papiers auch das Recht des Gesellschafters gegenüber der juristischen Person, ihren O r g a n e n und den anderen Gesellschaftern auf den Erwerber des Wertpapiers übergeht. Erfolgt der U b e r g a n g des Rechts am Papier durch Erbgang, so ist es der Lagestaat des Wertpapiers, welcher bestimmt, ob sein eigenes Erbrecht oder ein fremdes Erbstatut maßgebend i s t 5 0 . Der Heimatstaat der Gesellschaft kann auch bei V e r k ö r p e r u n g der Gesellschaftsanteile in Wertpapieren die Ü b e r t r a g u n g von einer Genehmigung der dafür zuständig erklärten Behörde abhängig machen. Vor allem kann er die G e n e h m i g u n g zur Veräußerung der Anteile an Ausländer vorsehen. Der Heimatstaat kann auch bestimmen, daß der E r w e r b größerer Beteiligungen nur erfolgen darf, nachdem die Absicht vorher öffentlich bekanntgemacht w u r d e , und alle Anbieter (eventuell anteilig) berücksichtigt w o r d e n sind. Befindet sich der Sitz der Gesellschaft im Heimatstaat, so ist es am ehesten möglich, die Beachtung derartiger Vorschriften zu kontrollieren, w e n n sie auch praktisch vielfach durch Einschaltung von Strohmännern u s w . u m g a n g e n w e r d e n . Wirtschaftspolitisch motivierte gesetzliche B e s t i m m u n g e n des Lagestaates von A k t i e n u r k u n d e n oder des Wohnsitzstaates von A k t i o n ä r e n , die sich auf die Ü b e r t r a g u n g von Anteilen an Gesellschaften eines anderen 744
Auflösung der juristischen Person
§30
Rechts beziehen, sind zwar völkerrechtlich zulässig, doch hat der Heimat- und Sitzstaat der Gesellschaft im allgemeinen keine Veranlassung, seinen Gerichten die erzwingende Anwendung solcher Vorschriften aufzugeben. g) Die A u f l ö s u n g der juristischen Person. R ü c k n a h m e der Anerkennung von juristischen Personen eines ausländischen Rechts Das Recht, welches Gründungs- und Bestandsstatut einer juristischen Person sein will, enthält fast stets auch Bestimmungen darüber, wie die juristische Person enden kann. Es kann bestimmt werden, daß die juristische Person automatisch oder durch einen konstitutiven Staatsakt endet, wenn sie kein Vermögen mehr hat. In einem Land, welches Einmann-Gesellschaften für unzulässig hält, kann bestimmt werden, daß eine Gesellschaft mit gesonderter Rechtspersönlichkeit, an der zunächst mehrere Personen als Gesellschafter beteiligt sind, endet, sobald ein Gesellschafter, insbesondere wenn es sich um eine natürliche Person handelt, alle Anteile erwirbt. Für alle Gesellschaften wird wohl überall Beendigung durch Rechtsgeschäft, nämlich Auflösungsbeschluß der dafür zuständigen Gesellschafterorgane, vorgesehen. Ein Staat, der eine juristische Person ausländischen Rechts bei sich anerkennt, kann seinerseits die Anerkennung zurückziehen. Die Folge ist dann nicht etwa, daß das Vermögen der juristischen Person auf dem Gebiet des anerkennenden Staates herrenlos wird oder dem Lagestaat anheim fällt; vielmehr wird in einem solchen Fall wohl eine gesonderte Liquidation des inländischen Vermögens unter Befriedigung der inländischen Gläubiger erfolgen, und der „nicht mehr anerkannten" juristischen Person des ausländischen Rechts wird der Rest zwecks Verbringung in einen anderen Staat überlassen werden. Dementsprechend kann der anerkennende Staat, insbesondere wenn er einen inländischen Geschäftsbetrieb durch eine Zweigniederlassung gestattet hat, auch ein örtlich beschränktes Konkursverfahren für das auf seinem Gebiet befindliche Vermögen einer juristischen Person ausländischen Rechts durchführen, und nach dessen Beendigung die juristische Person, auch wenn sie im Gründungsland weiterbesteht, als nicht mehr anerkannt behandeln. Eine Beendigung der juristischen Person in dem Staat, der ihr Bestandsstatut stellt, kann in anderen Staaten, wo die juristische Person anerkannt worden ist und Vermögen hat, nicht ohne Folgen bleiben. Keineswegs aber ist anzunehmen, daß der anerkennende Staat stets alle mit dem Ende der juristischen Person zusammenhängenden Vorgänge unter dem Recht des Bestandsstatuts ohne weiteres anzuerkennen hätte. Genauso wie der Lagestaat von Nachlaß einer natürlichen Person zwar auf ausländisches Erbrecht verweisen kann um zu klären, wer letztlich kraft Erbrechts etwas aus dem Nachlaß erhält, während eine Einbeziehung des örtlichen Nachlasses in das Nachlaßabwicklungsverfahren des Erbstatutsstaates möglicherweise nur bedingt oder überhaupt nicht erfolgen kann 5 1 , so ist es auch beim „ T o d " einer juristischen Person durch Beendigung ihrer Rechtspersönlichkeit unter dem Recht des Staates, der ihr Bestandsstatut stellt. So muß auch bei einer im Land des Bestandsstatuts durch Gesetz oder Gesellschaftsstatut schon vorweg geregelten freiwilligen Liquidation der juristischen Person ein anderer Staat, der die juristische Person anerkannt und sie auf seinem Gebiet Vermögensrechte innehaben läßt, nicht etwa ohne weiteres dulden, daß der gemäß fremdem Recht bestellte Liquidator die Vermögenswerte der juristischen Person aus dem Lagestaat abzieht, so daß sich die dort ansässigen Gläubiger Befriedigung in dem am Sitz der juristischen Person abgewickelten Liquidationsverfahren suchen müßten. Das wäre insbesondere bei hinkenden Forderungen an die juristische Person für den Gläubiger nachteilig. Der Lagestaat von Vermögen einer von ihm anerkannten juristischen Person ausländischen Rechts kann insbesondere durch spezialrechtliche Vorschriften eine Sicherung der örtlichen Gläubiger bei der Liquidation der juristischen Person vorsehen 5 2 ' 5 3 . 745
§30
Enteignungen bei juristischen Personen
Ist das schon bei der Liquidation möglich, so mag zwar auch die Eröffnung des Konkursverfahrens über die juristische Person im Staat ihres Bestandsstatuts oder dem davon verschiedenen Sitzstaat zur Folge haben, daß, wenn die juristische Person mit dem Konkurs erlischt, sie auch in den Staaten erlischt, die sie als juristische Person ausländischen Rechts anerkannt haben. Der Konkurs im Heimat- oder Sitzstaat der juristischen Person kann daher in den anderen Staaten zur Folge haben, daß die bisherigen Organe der juristischen Person nicht mehr verfügungs- und vertretungsberechtigt sind; im Gegensatz zur natürlichen Person wird bei der juristischen Person ja das Vermögen restlos vom Konkurs erfaßt, und wenn durch den Konkurs zugleich das Ende der juristischen Person im Staat ihres Bestandsstatuts erfolgt, so kann sie außerhalb dieses Staates sicher nicht mehr durch ihre bisherigen Organe neues konkursfreies Vermögen erwerben und dieses für neue Schulden haftbar machen. Daraus ist aber nicht zu folgern, daß der Konkursverwalter das in anderen Staaten belegene Vermögen der juristischen Person ohne weiteres an sich ziehen und aus dem bisherigen Lagestaat entfernen oder an dritte Personen veräußern kann. N o c h mehr als bei der freiwilligen Liquidation der nicht überschuldeten juristischen Person ist ein Staat, der sie als juristische Person ausländischen Rechts anerkennt und sie Vermögen auf seinem Gebiet innehaben läßt, legitimiert, Maßnahmen zu treffen, damit jedenfalls den örtlichen Gläubigern die Befriedigung aus diesem örtlichen Vermögen — in einem gesonderten Konkursverfahren oder durch Zurückhaltung — gesichert wird 5 4 . Entsprechendes wie bei Liquidation und Konkurs kann gelten, wenn eine juristische Person ausländischen Rechts im Statutsstaat durch Fusion mit einer anderen juristischen Person des gleichen Rechts beendet w i r d 5 4 a . h) Enteignungen bei juristischen Personen O b e n 5 5 wurde bereits ausgeführt, daß Enteignungen von Vermögensrechten, die als nur in einem Staat belegen gelten, nur durch diesen Lagestaat erfolgen können, wenn auch dieser Lagestaat die Möglichkeit hat, einen etwaigen Enteignungsanspruch des Heimatstaates des bisherigen Inhabers bezüglich des Auslandsvermögens „anzuerkennen" und selbst durchzuführen. Es wurde ferner dargelegt, daß eine Enteignung von Vermögensrechten mit mehrfacher Belegenheit, insbesondere von Forderungen, die in mehreren Staaten einklagbar oder in mehreren Staaten gesichert sind, durch einen dieser Lagestaaten nicht ausgeschlossen ist, daß aber dann die Befriedigung des neuen Gläubigers in dem enteignenden Staat das Erlöschen der Forderung des alten Gläubigers, dem gegenüber die Enteignung nicht wirkt, in einem anderen Lagestaat nur nach Maßgabe eines besonderen materiellen Rechts darüber, wer das Enteignungsrisiko trägt, zur Folge hat. Das gilt auch, wenn Vermögensgegenstände einer juristischen Person enteignet werden: Der Staat des Bestandsstatuts oder der Sitzstaat können, wenn sie behaupten, das ganze Vermögen der juristischen Person enteignen zu wollen, doch nur die in diesem Staat belegenen Vermögensgegenstände erfassen. Der Umstand, daß mit der versuchten Enteignung des ganzen Vermögens einer juristischen Person in dem Staat, der das Bestandsstatut stellt, das Erlöschen der juristischen Person verbunden ist, ist kein Grund, um annehmen zu lassen, daß die Enteignung juristischer Personen durch den Staat, der sie begründet hat, sich auf das in anderen Staaten belegene Vermögen erstreckt. Wird die juristische Person durch Enteignung ihres ganzen Vermögens im Staat des Bestandsstatuts beendet, so kann das andererseits nicht zur Folge haben, daß ihr außerhalb befindliches Vermögen herrenlos wird. Der Staat, der die juristische Person bis dahin als juristische Person ausländischen Rechts anerkannt und sie in ihren auf seinem Gebiet belegenen Vermögensrechten geschützt hat, läßt dann bei sich die juristische Person mit diesem Vermögen jedenfalls zunächst als „noch nicht" beendet weiterbestehen 5 6 . Es ist seine Sache, ob er dann diese juristische Person zu einer lokalen Liquidation nötigt, oder ob er ihre Umwandlung in eine 746
Spaltgesellschaften bei Enteignung
§30
juristische Person seines eigenen Rechts ermöglicht 5 7 . Es ist auch seine Sache, ob er das bei ihm befindliche Vermögen der juristischen Person, insbesondere im Zusammenhang mit einer lokalen Liquidation, nur für die Forderungen von Gläubigern eigener Staatsangehörigkeit oder Gläubigem mit Wohnsitz in diesem Staat haften läßt, oder ob er nach Befriedigung dieser Gläubiger als bevorzugter Gläubiger auch andere „alte" Gläubiger der juristischen Person 5 8 zur Befriedigung zuläßt. Sicher aber wird der betreffende Staat alte Forderungen des enteignenden Staates an die bei ihm erloschene juristische Person nicht aus dem nicht im enteignenden Staat belegenen Vermögen befriedigen 5 9 ; dasselbe gilt für alte Forderungen privater Gläubiger an die juristische Person, die derselbe Staat, der „seine" juristische Person enteignet hat, ebenfalls enteignet zu haben behauptet. Enteignet der Staat, der das Statut der juristischen Person stellt, sämtliche „an der juristischen Person" bestehenden Rechte derjenigen, die neben einem Gewinnteilanspruch das Recht haben, den Resterlös bei einer Liquidation der juristischen Person unter sich aufzuteilen, und geschieht dies, ohne daß die juristische Person selbst beendet wird — will also der die Aktionäre enteignende Staat selbst der alleinige Aktionär an der fortbestehenden Aktiengesellschaft werden —, so scheint die Belegenheit der Gesellschafterrechte am Sitz der Gesellschaft dies bei oberflächlicher Betrachtung zunächst zu rechtfertigen. Aber auch hier besteht heute weitgehend 6 0 Übereinstimmung darüber, daß ein anderer Lagestaat von Vermögen der juristischen Person, der sie als juristische Person ausländischen Rechts anerkannt hat, nicht genötigt ist, die indirekte Enteignung der Aktionäre in bezug auf das in diesem Staat belegene Vermögen der juristischen Person zu dulden bzw. zu verwirklichen. Der betreffende Staat kann zu diesem Zweck das auf seinem Gebiet befindliche Vermögen als einer, oft als „Spaltgesellschaft" bezeichneten, juristischen Person zugehörig betrachten, wie sie bestanden hätte, wenn bis dahin schon zwei „parallele" juristische Personen 6 1 bestanden hätten, von denen die eine das Vermögen in dem einen, die andere das Vermögen in dem anderen Staat innehat, während Organe und Aktionäre zunächst für beide Gesellschaften übereinstimmen. In diesem Fall hätte auch der eine Staat nicht verhindern können, daß der andere sämtliche Anteile an der juristischen Person enteignet, die er als juristische Person seines eigenen Rechts betrachtet; die Enteignung hätte aber nichts an dem Bestand der parallelen juristischen Person in dem anderen Staat geändert. Bestand zunächst nur eine juristische Person, und enteignet der Staat ihres Bestandsstatuts sämtliche Anteilsrechte, so ist die auf dem Gebiet anderer Staaten, wo die juristische Person Vermögen hat, von diesen Staaten angenommene Spaltgesellschaft ein Provisorium, dessen weiteres Schicksal in der oben beschriebenen Weise geregelt werden kann 6 2 . Einer Enteignung aller Aktionäre durch den Statutsstaat der Aktiengesellschaft kommt es gleich, wenn dieser Staat allen Aktionären gegen ihren Willen 6 3 einen gesetzlichen Vertreter zur „Wahrung" ihrer Gesellschafterrechte bestellt, dieser gesetzliche Vertreter der Aktionäre ihnen gegenüber aber nicht verantwortlich und haftbar ist, falls er sich nicht von den zu vermutenden Interessen der Aktionäre, sondern von politischen Interessen und Weisungen des Staates leiten läßt, der ihn bestellt hat. Auch auf eine solche verkappte Enteignung durch „Teilentmündigung" sämtlicher Aktionäre kann ein anderer Lagestaat von Gesellschaftsvermögen durch Annahme einer Spaltgesellschaft reagieren. Einer solchen verkappten Enteignung kommt es gleich, wenn die Stimmrechtsmacht der Aktionäre oder der von ihnen gewählten Mitglieder der zentralen Gesellschaftsorgane ihrerseits dadurch teilenteignet wird, daß den statutarischen Organen weitere stimmberechtigte Mitglieder oktroyiert werden, welche andere Interessen als die der Aktionäre vertreten 6 4 . Das gleiche gilt, wenn die von den Aktionären bestellten zentralen Leitungsorgane der Aktiengesellschaft durch Staatsakt abgesetzt werden, und anstelle einer Neuwahl durch weiteren Staatsakt ein neuer Vorstand bestellt wird 6 5 . Wenn der Staat, der das Bestandsstatut der juristischen Person stellt, und wo sich der 747
§30
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
Sitz der zentralen Organe befindet, nicht sämtliche Anteile, sondern nur einen Teil enteignet*' 6 , oder nur einem Teil der Aktionäre für die Ausübung ihrer Rechte einen gesetzlichen Vertreter aufzwingt, so kann auch das insbesondere dem Heimatstaat der enteigneten Aktionäre Veranlassung geben, das auf seinem Staatsgebiet befindliche Vermögen als das einer Spaltgesellschaft zu behandeln, in der die enteigneten Gesellschafter ihre Gesellschafterrechte voll ausüben. Sind die Rechte an einer juristischen Person, also insbesondere die Gesellschafterrechte von Aktionären, in Wertpapieren verkörpert, deren Übertragung die Übertragung des Rechtes an der Gesellschaft nach sich zieht, so kann sicher der Lagestaat des Papiers dieses enteignen und seinerseits weiterveräußern. Hier ist es der Staat des Bestandsstatuts der juristischen Person, der die Möglichkeit hat, das Wertpapier schon vor der Enteignung als kraftlos zu erklären. Duldet er die Enteignung — etwa auf der Basis der Gegenseitigkeit —, so könnte auch das für einen dritten Lagestaat von Vermögen der juristischen Person, der zugleich Heimatstaat der enteigneten Aktionäre ist, Anlaß sein, die anerkannte juristische Person ausländischen Rechts in eine Spaltgesellschaft umzuwandeln. Der Enteignung der Anteile von Gesellschaftern einer Gesellschaft gleichzubehandeln ist die Enteignung von solchen Personen, die Berechtigungen zum Bezug von Erträgen oder Kapital einer sonstigen juristischen Person (Stiftung) haben. Gleichzubehandeln ist auch eine durch Gesetz oktroyierte grundlegende Veränderung der objektiven Zweckbestimmung des Vermögens einer juristischen Person; als solche hat es auch zu gelten, wenn das Vermögen kirchlicher juristischer Personen nicht mehr den bisherigen religiösen Aufgaben, sondern den Zielen einer „anderen" Religion gewidmet w i r d 6 7 ' 6 8 . A n h a n g : Geltendes Recht in der Bundesrepublik Im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat der B G H angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Stellungnahme des Gesetzes für das deutsche internationale Privatrecht der juristischen Person an der „Sitztheorie" festgehalten; d. h. es wird, damit eine juristische Person des deutschen Rechts entstehen kann, gefordert, daß der Sitz ihrer zentralen Organe sich im Inland befinden m u ß 6 9 . Nur bei Vereinen und Stiftungen ist Begründung nach deutschem Recht trotz ausländischen Sitzes durch Einzelstaatsakt möglich, vgl. §§ 23 und 80 B G B . Besteht Sitz der Organe einer angeblichen juristischen Person im Inland, sind die Erfordernisse für ihr Bestehen unter deutschem Recht nicht gegeben, wohl aber nach ausländischem Recht, so wird der juristischen Person trotzdem die Fähigkeit zum Erwerb von Vermögensrechten im Inland verweigert 7 0 . Vorbehalte zu dem gleichen Zweck wurden bei der Annahme der E W G - K o n v e n t i o n von 1968 gemacht 7 1 . Mit der Frage, ob und wie es in der inländischen Rechtsordnung beachtet werden kann, daß ein anderer Staat eine in Deutschland nicht anerkannte juristische Person als Inhaber der bei ihm belegenen Vermögensgegenstände betrachtet, hat sich die Rechtsprechung noch nicht befaßt, weil man mit der Anerkennung juristischer Personen des ausländischen Rechts, sofern sie ihren Verwaltungssitz nicht gerade in Deutschland haben, großzügig ist. Nach dem Recht des ausländischen Sitzstaates rechtsfähige Handelsgesellschaften werden auch ohne völkerrechtlichen Vertrag als rechtsfähig im Inland anerkannt 7 2 ; es gilt dies auch für die vom ausländischen Recht zugelassenen Einmanngesellschaften. Von anderen juristischen Personen dürfte nach Aufhebung des Art. 10 E G B G B eine automatische Anerkennung für Vereine, sowie für Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten; nur für die dem deutschen Recht ihrer Art nach vollkommen unbekannten juristischen Personen des Privatrechts entfällt eine Anerkennung 7 3 . O b Stiftungen des ausländischen Rechts, im Gegensatz zu Stiftungen des deutschen Rechts, ohne Genehmigung auf Grund automatischer Anerkennung Inhaber von Vermögensrechten in Deutschland werden können, wird bejaht 7 4 . 748
Geltendes Recht in der Bundesrepublik
§30
Z u der u l t r a - v i r e s - L e h r e hat die R e c h t s p r e c h u n g der o b e r s t e n G e r i c h t e noch nicht Stellung g e n o m m e n . A n e r k a n n t e a u s l ä n d i s c h e H a n d e l s g e s e l l s c h a f t e n k ö n n e n i n l ä n d i s c h e Z w e i g n i e d e r l a s s u n g e n errichten, f ü r die E i n t r a g u n g e n im H a n d e l s r e g i s t e r wie bei den H a n delsgesellschaften des d e u t s c h e n R e c h t s zu e r f o l g e n h a b e n 7 5 . F ü r die B e z i e h u n g e n z w i s c h e n g e w i s s e n a u s l ä n d i s c h e n G e s e l l s c h a f t e n u n d ihren M i t gliedern sind auf G r u n d a u s d r ü c k l i c h e r gesetzlicher B e s t i m m u n g einzelne V o r s c h r i f t e n d e s d e u t s c h e n R e c h t s bei d e u t s c h e m G e s c h ä f t s b e t r i e b a n w e n d b a r 7 6 . D e s g l e i c h e n gilt das d e u t s c h e z w i n g e n d e R e c h t f ü r die T ä t i g k e i t der z u m G e s c h ä f t s b e t r i e b im Inland z u g e l a s s e nen a u s l ä n d i s c h e n V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t e n , die ü b e r d i e s b e s o n d e r e D e c k u n g s f o n d s i m I n l a n d zu unterhalten h a b e n 7 7 . Ein inländisches K o n k u r s v e r f a h r e n ist f ü r das inländische V e r m ö g e n der inländischen Z w e i g n i e d e r l a s s u n g einer a u s l ä n d i s c h e n G e s e l l s c h a f t m ö g l i c h 7 8 . D e s g l e i c h e n e r f o l g e n b e s t i m m t e „ A b w i c k l u n g e n " f ü r das I n l a n d s v e r m ö g e n a u s l ä n d i s c h e r juristischer P e r s o n e n o h n e R ü c k s i c h t auf die B e e n d i g u n g ihrer R e c h t s p e r s ö n l i c h k e i t im A u s l a n d 7 9 . A u s der Sitztheorie w u r d e bei V e r k l e i n e r u n g d e s G e l t u n g s g e b i e t e s des d e u t s c h e n G e s e l l s c h a f t s r e c h t s z u n ä c h s t g e f o l g e r t , daß der bei der G e b i e t s v e r ä n d e r u n g b e s t e h e n d e Sitz f ü r die U n t e r s t e l l u n g unter das R e c h t des einen o d e r des anderen N a c h f o l g e s t a a t e s ents c h e i d e n d sei; es w u r d e j e d o c h eine S i t z v e r l e g u n g in das d e u t s c h e I n l a n d , b z w . in das G e b i e t der B u n d e s r e p u b l i k z u g e l a s s e n , s o l a n g e das G e s e l l s c h a f t s r e c h t an d e m bisherigen Sitz m i t d e m im I n l a n d geltenden G e s e l l s c h a f t s r e c h t ü b e r e i n s t i m m t 8 0 . W ä h r e n d der a u s l ä n d i s c h e K o n k u r s v e r w a l t e r einer natürlichen P e r s o n im I n l a n d nicht a n e r k a n n t w i r d , w o l l e n d a s R e i c h s g e r i c h t u n d der B G H den K o n k u r s v e r w a l t e r im Sitzstaat der juristischen P e r s o n als das a u c h z u r V e r w a l t u n g ihres V e r m ö g e n s in D e u t s c h l a n d allein b e f u g t e O r g a n a n e r k e n n e n , w e n n nach d e m R e c h t des Sitzstaates der juristischen P e r s o n der K o n k u r s v e r w a l t e r die R o l l e des L i q u i d a t o r s unter Wegfall d e r bisherigen O r g a n e ü b e r n i m m t 8 1 . E s w i r d also unterstellt, daß der außerhalb d e s K o n k u r s e s bestellte L i q u i d a t o r einer a u s l ä n d i s c h e n juristischen P e r s o n als deren O r g a n in D e u t s c h l a n d auch a n e r k a n n t w i r d , w e n n er nach d e m P e r s o n a l s t a t u t der juristischen P e r s o n nicht v o n den G e s e l l s c h a f tern gewählt, s o n d e r n v o m G e r i c h t eingesetzt w i r d . W e n n m i t der E n t e i g n u n g des V e r m ö g e n s einer juristischen P e r s o n ihre B e e n d i g u n g im a u s l ä n d i s c h e n Sitzstaat v e r b u n d e n ist, w i r d a n g e n o m m e n , daß das in der B u n d e s r e p u b l i k b e l e g e n e V e r m ö g e n der juristischen P e r s o n d e s „ d e u t s c h e n " R e c h t s 8 2 s o w o h l als a u c h d a s einer juristischen P e r s o n eines a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s 8 3 z u n ä c h s t weiterhin als der juristischen P e r s o n g e h ö r i g gilt. H a n d e l t es sich u m eine juristische P e r s o n des d e u t s c h e n R e c h t s , s o ist, w e n n deren O r g a n e nicht f u n k t i o n s f ä h i g sind, nach einer eventuellen zeitweisen P f l e g s c h a f t o d e r E i n s e t z u n g eines N o t v o r s t a n d e s die N e u k o n s t i t u i e r u n g der O r g a ne a m n e u g e w ä h l t e n Sitz in der B u n d e s r e p u b l i k n o t w e n d i g 8 4 . B e i juristischen P e r s o n e n d e s a u s l ä n d i s c h e n R e c h t s hat o f f e n b a r L i q u i d a t i o n o d e r U m w a n d l u n g in eine juristische P e r s o n d e s d e u t s c h e n R e c h t s z u e r f o l g e n 8 5 . D a s ist auf den Fall a u s g e d e h n t w o r d e n , daß der Sitzstaat der G e s e l l s c h a f t diese selbst bestehen läßt, a b e r alle, o d e r fast alle, A n t e i l e enteignet86.
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Anmerkungen zum Text (1. Teilband)
A. Grundlagen und Ziele des internationalen Privatrechts § 1. Begriff und Gegenstand des internationalen Privatrechts Also z. B. der Belegenheitsstaat des Grundstücks, in dem ein Gericht darüber entscheiden soll, wer Eigentümer des Grundstücks ist. Vgl. darüber S. 179 ff.
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§ 2. Mögliche Stellungnahmen einer staatlichen Rechtsordnung zu heterogen verknüpften Sachverhalten 1
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Darüber, daß es Gerichte geben kann, die nur über heterogen verknüpfte Sachverhalte zu entscheiden haben, und denen daher kein nationales Inlandsrecht als ihre lex fori zugeordnet ist, sowie darüber, daß ein einzelnes Gericht mehrere nationale Rechte zur lex fori haben kann, vgl. S. 76. Vgl. unten S. 200ff. Vgl. dazu S. 455. Das, was hier als materielles Spezialrecht für heterogen verknüpfte Sachverhalte bezeichnet wird, deckt sich mit dem, was in der französischen Literatur heute zumeist als règles de droit international privé matériel bezeichnet wird. Vgl. S. 87 f. Vgl. S. 268 f. Vgl. S. 100 ff. Vgl. S. 216f. Beispiel : Ausländische Ehegatten werden im Forumstaat unter kumulativer Anwendung ihres Heimatrechts und der lex fori geschieden. Uber Privatrechte, in denen die „Rechtssätze" nur Richtlinien für die auf Versöhnung der streitenden Parteien gerichtete Tätigkeit des Richters sind, vgl. Lee, Legal and moral systems in Asian customary law, 1978. Das gleiche gilt, wenn das eigene Recht des Forumstaats mehrere Privatrechtssysteme zugleich „hat", und es dem Ermessen des Gerichts überläßt, im Einzelfall die Entscheidung vorwiegend unter Berücksichtigung des einen oder des anderen Rechtssystems zu bilden. Ein Sammelsurium von Generalklauseln sieht ein Vorschlag der Law Reform Commission für Papua Neuguinea vor, um neben dem hergebrachten Gewohnheitsrecht, welches das „underlying law" des Landes werden soll, oder an seiner Stelle, englisches oder durch Richterrecht zu bildendes modernisiertes Gewohnheitsrecht zur Anwendung zu bringen, soweit nicht Gesetzesrecht vorliegt. Selbst das geschriebene Recht soll jedoch auf Grund einer Generalklausel zu Gunsten des Gewohnheitsrechts zurücktreten können, wenn das Gericht dies im Einzelfall für angebracht hält. Vgl. z. B. die Ausführungen von Hijmans, wiedergegeben in: Picone und Wengler, Internationales Privatrecht 1974, S. 177 ff. Siehe auch Steindorf, Sachnormen im internationalen Privatrecht, S. 270 ff. 751
§2
Anmerkungen zu S. 5 - 7
Die Fragen nach den auf einen Klageanspruch anwendbaren Rechtssätzen und der Klassifikation der passenden Rechtssätze (vgl. S. 130ff) sind logisch anders strukturiert, als die Fragen nach der Zugehörigkeit eines Vertrages zu einer der gesetzlich geregelten Vertragsarten und der Anwendung von Regelungen für die eine oder andere Vertragsart auf „gemischte" Verträge. Sowohl in der Konzeption der „statuta mixta" der Statutentheorie als auch in den modernen Versuchen, aus den Regelungen aller beteiligten Rechte die zur Lösung des Falles dienende sachliche Regelung „zusammenzubauen", steckt allerdings wohl der Gedanke, daß in beiden Problemlagen Ähnlichkeiten zu sehen seien. 1 2 Entscheidung eines Rechtsstreits nach Billigkeit durch ein Schiedsgericht und Entscheidung des Rechtsstreites durch einen Schiedsrichter, der als compositeur amiable tätig wird, werden in der deutschen Ubersetzung von Art. VII (2) des Europäischen Abkommens über Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. 4. 1961 gleichgestellt. 1 3 In Indien ist angesichts des Nebeneinander zahlreicher Gruppenrechte u. U. nach keinem dieser Rechte, sondern nach justice, equity and good conscience zu entscheiden, vgl. sec. 6 des Punjab Laws Act 1872. Uber die Handhabung der Klausel in der indischen Rechtsprechung vgl. Derrett, Essays in classical and modern Hindu law, Bd. IV, 1978, S. 8 ff. Ahnliche Klauseln finden sich im Recht afrikanischer Staaten bei Lücken der gesetzlichen Zuweisungen an die verschiedenen Stammesrechte oder bei Lücken im Stammesrecht selbst, vgl. etwa Botswana Customary Law (Application and Ascertainment) Act 1969. Vgl. auch Anm. 76 zu S. 295. 1 4 Als justice, equity and good conscience wurde vor allem, als noch englische Richter in Ubersee tätig waren, oft das englische common law zur Anwendung gebracht, auch wenn es nicht als subsidiäres ördiches Recht eingeführt worden war; vgl. über die Rechtsprechung im Sudan Mustafa, The Common Law in the Sudan, 1971. Die neueste Rechtsprechung in Pakistan will justice, equity and good conscience im Sinne der fortgeltenden Gesetze aus der Zeit vor der Unabhängigkeit jetzt im Islamrecht suchen: Mobäshir vs. Bokhari, [1978] Civ. L. Rep. 6,65. Als Lückenfüller soll justice, equity and good conscience im Sinne des oben genannten Botswana-Gesetzes nicht mit dem auf europäischem Recht fußenden „common law" des Landes identifiziert werden. 1 5 Vgl. S. 395 ff. 1 5 a Schafft ein Staat neben seinem normalen Inlandsrecht ein besonderes Recht, dessen Anwendbarkeit davon abhängt, daß alle Beteiligten nicht nur Inländer sind, sondern bestimmte zusätzliche persönliche Eigenschaften haben, so kann dieses besondere Recht für sich allein als „Binnenrecht" aufgezogen werden. Das hat u. a. zur Folge, daß bei Beteiligung von Ausländern keinesfalls dieses besondere Recht zur Anwendung kommt. Vielmehr wird dann entweder das normale Inlandsrecht, oder Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen, oder ausländisches Recht zur Anwendung gebracht. So haben die meisten sowjetischen Länder ein Binnenrecht für die Vertragsbeziehungen zwischen den volkseigenen Unternehmungen des eigenen Staates. Auf die Vertragsbeziehungen eines solchen Unternehmens mit einem volkseigenen Unternehmen eines anderen Sowjetlandes ist dann weder das eine, noch das andere Sonderrecht anwendbar, sondern entweder das allgemeine Zivilrecht des einen oder des anderen Staates, oder das von dem einen oder anderen Staat für internationale Verträge geschaffene Spezialrecht, oder ein durch völkerrechtlichen Vertrag gebildetes uniformes Spezialrecht für Verträge zwischen staadichen Unternehmungen verschiedener Staaten. 1 6 Der australische Family Law Act 1975 bestimmt in sec. 42: "(1) The jurisdiction conferred on a court, or with which a court is invested, by this Act shall be exercised in accordance with this Act. (2) Where it would be in accordance with the common law rules of private international law to apply the laws of any country or place (including a State or Territory), the court shall apply the laws of that country or place." Die unterschiedliche Formulierung (excercise jurisdiction in accordance with the act — apply the laws) erklärt sich daraus, daß das Gericht, wenn es auf Grund einer Inlandsverknüpfung zuständig ist, über alle im Family Law Act vorgesehenen Anträge als Hauptfragen unter Anwendung der Sachnormen dieses Gesetzes entscheiden muß, während eine Anwendung von ausländischem Recht (sowie von Recht der Gliedstaaten) nur für Vorfragen möglich ist. 1 7 Neuhaus, Grundbegriffe, S. 1, will offenbar nur dies als „internationales Privatrecht im engeren, technischen Sinn" gelten lassen und vom „internationalen Privatrecht in einem weiteren, ungenauen Sinn" und vom „internationalen Privatrecht im Wortsinn" unterscheiden. 752
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SS 2 , 3
In meiner Haager Vorlesung habe ich den englischen Ausdruck „allocation method" gebraucht. Vgl. S. 205. Vgl. S. 396. Vgl. S. 202. Nach einem Israel-Gesetz von 1969 kann der Präsident des Obersten Gerichts Klagen, die auf Ehebeendigung gerichtet sind (also auch Feststellung des Nichtbestehens einer Ehe), im Verhältnis zwischen Ausländern in Israel einem Gericht einer Religionsgemeinschaft oder einem staatlichen Gericht überweisen, wenn einer der Ehegatten einer der in Israel mit eigenem Recht und eigener Gerichtsbarkeit ausgestatteten Religionsgemeinschaften angehört. Wird das religiöse Gericht als zuständig erklärt, so darf und wird es sein religiöses Recht anwenden. Für die staatlichen Gerichte ist im Gesetz eine Staffel von Zuweisungen an staatliches Recht vorgesehen. Mangels gemeinschafdicher Verknüpfungen soll es subsidiär auf den Wohnsitz eines der Ehegatten ankommen, wenn dies „nach den Umständen des Falles gerechtfertigt" ist. Ein Spezialrechtssatz ermöglicht, daß in den vom Gesetz erfaßten Fällen eine Scheidung durch das staatliche Gericht stets möglich ist, wenn Einverständnis der Ehegatten zur Scheidung vorliegt. Vgl. S. 221. Vgl. S. 218. Vgl.S. 149 f. Vgl. S. 73 ff. Vgl. S. 185 ff. Vgl. S. 237. Vgl. S. 268. Vgl. S. 264 f. Vgl. Art. 15 E G B G B und darüber unten S. 714. Vgl. Art. 14 des Entwurfs für ein internationales Privatrecht der Benelux-Staaten, sowie S. 274. Vgl. S. 5. Gelegentlich wird in neuerer, völkerrechtlichen Verträgen die Vollstreckung von Strafurteilen des anderen Staates vereinbart, so z. B. neuestens zwischen den USA und Mexico. Das forum non conveniens-Prinzip (vgl. S. 331) ist im Strafverfahren nicht bekannt. Vgl. Donnedieu de Vabres, Droit Penal International, Paris 1928. Nach einem Vertrag vom 29. 4. 1969 kann das Gemeinsame Ministerkomitee der Benelux-Länder von einzelnen gesetzlichen Vorschriften dieser Länder anordnen, daß ihre Verletzung auch in einem anderen als dem Ursprungsland im Verwaltungs- oder Strafverfahren so verfolgt werden kann, wie wenn es sich um inländische Vorschriften handele. Ist auf diese Weise eine Bestrafung wegen der Verletzung eines fremden Strafgesetzes ausgesprochen, so ist nach Vollzug der verhängten Strafe oder der Begnadigung eine erneute Bestrafung unter eigenem Strafrecht durch den Urheberstaat ausgeschlossen. Vgl. S. 63. In Verbindung mit Doppelbesteuerungsverträgen wird in Verträgen über Rechtshilfe in Steuersachen manchmal die Vollstreckung ausländischer rechtskräftiger Steuerbescheide vorgesehen. Vgl. darüber vor allem Neumeyer, Internationales Verwaltungsrecht, Bd. 4,1936. Vgl. S. 426.
§ 3. Völkerrechtliche Bindungen bei der Bildung rechtlicher Stellungnahmen zu heterogen verknüpften Sachverhalten durch die Staaten 1 2
Vgl.S. 61 ff. Vgl. hierzu Akehurst, Brit. Yb. Int. L. 1972/73, S. 145 ff. Die Regelung der Konvention über internationale Kaufverträge, wonach mangels eines Vorbehaltes jeder Vertragsstaat das Spezialrecht des Vertrages auf alle internationalen Kaufverträge anzuwenden hat, auch wenn das Kaufgeschäft mit keinem der Konventionsstaaten irgendwie so verknüpft ist, daß dieser normalerweise sein eigenes Recht als anwendbar hätte erklären dürfen, ist nicht nur
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wiederholt als unzweckmäßig kritisiert worden (vgl. die Literatur bei Nadelmann, 16 Am. J . Comp. L. 37 Note 60), sondern kann wohl auch zu einer Verletzung des Völkerrechts gegenüber Nichtvertragsstaaten führen. Vgl. hierzu Regazzoni v. Sethia, [1958] A. C. 301. Über Vorfragen nach der Rechtmäßigkeit fremder Staatsakte vgl. S. 29 ff. Die Regierung der Vereinigten Staaten hält die auf die Staatsangehörigkeit des Klägers gestützte Inanspruchnahme internationaler Zuständigkeit für Ansprüche aus einem angeblich in einem anderen Staat begangenen Delikt eines Staatsangehörigen des anderen Staates für völkerrechtswidrig, vgl. U. S. Digest of International Law 1975, 339. Als nicht völkerrechtswidrig würde man es wohl auch in den USA ansehen, wenn die internationale Zuständigkeit darauf gestützt wird, daß eine in den Vereinigten Staaten von einem Amerikaner begangene Handlung in dem Staat, wo Klage erhoben wird, schädigende Wirkungen auslöst. In dem ersten Fall soll auch eine Zustellung der Klagschrift durch den Konsul des Staates, vor dessen Gericht Klage erhoben wird, als völkerrechtswidriger Akt gelten. Vgl. Art. 14 c. c. Vgl. S. 327, Anm. 7. Vgl. S. 327, Anm. 6. Vgl. S. 395. Vgl.S. 380 ff. a Besser wäre es allerdings, als Richtlinie zur Bildung einer Billigkeitsentscheidung in erster Linie die übereinstimmenden Inhalte der „näher beteiligten" Rechte heranzuziehen. Verhaltensgebote in der Gesetzgebung der USA richten sich in einzelnen Fällen an die ausländischen Tochtergesellschaften eines amerikanischen Konzems, wenn die Tochtergesellschaft "is controlled in fact by a domestic concern"; so z. B. bezüglich der Verbote der Mitwirkung an Boykottmaßnahmen der arabischen Länder gegenüber Israel, sec. 11 des Export Administration Act in der Fassung von 1977. Uber sonstige Beeinflussung der Tätigkeit ausländischer Gesellschaften durch gesetzliche Maßnahmen gegenüber den inländischen Aktionären vgl. neuestens Pack, 78 Col. L. Rev. 1609ff. Vgl. darüber und zum folgenden Wengler, Int. R. Dipl. 1972, 263 ff. Während es völkerrechdich unzulässig wäre, wenn ein Staat seinen eigenen Staatsangehörigen Vorschriften über das Verhalten im Straßenverkehr auf fremdem Gebiet machen wollte, die in Widerspruch zu den Verkehrsregeln des örtlichen Staates stehen, bestehen keine Bedenken, daß der Staat, in dem ein Fahrzeug seinen normalen Standort hat, dem dort wohnhaften Eigentümer oder Halter Höchstgeschwindigkeiten bei der Benutzung dieses Fahrzeugs auch im Ausland auferlegt. Hat dieser Staat Höchstgeschwindigkeiten vorgesehen, während der Staat, wo die Fahrt stattfindet, eine Mindestgeschwindigkeit vorschreibt, die höher liegt, so kann selbstverständlich der Heimatstaat die Benutzung des Fahrzeugs in dem betreffenden fremden Staat ganz verbieten. Der amerikanische Export Administration Act enthält seit 1977 Bestimmungen, welche insbesondere amerikanischen Staatsangehörigen und Gesellschaften die Mitwirkung an der Durchführung der von fremden Staaten ausgehenden Boykottmaßnahmen gegen befreundete Staaten, und damit auch Akte der Befolgung eines Boykottzwecken dienenden ausländischen Gesetzes am ausländischen Handlungsort, unter Strafe verbieten wollen. Nicht verboten werden darf jedoch u. a. die Befolgung von Import- und Exportverboten des boykottierenden fremden Staates, sowie generell "compliance by a United States person resident in a foreign country . . . with the laws of that country with respect of its activities exclusively therein". Der britische Code of Conduct für britische Gesellschaften mit Interessen in Südafrika will weder diese Gesellschaften noch ihre südafrikanischen Tochtergesellschaften veranlassen, unter Verletzung südafrikanischen Rechts zu handeln, vgl. Cmnd. 7233, S. 3. Die Berichterstattung britischer Gesellschaften an die britische Regierung über das, was die Gesellschaft selbst oder durch ihre Tochtergesellschaften zwecks Befolgung des Code in Südafrika getan hat, ist freiwillig. Eine Erzwingung der Berichterstattung wäre nicht völkerrechtswidrig, ebenso wie es nicht völkerrechtswidrig ist, wenn Südafrika Tätigkeiten zur Vorbereitung solcher Berichte auf seinem Gebiet wieder seinerseits von einer Genehmigung abhängig macht. Dem Heimatstaat und dem Wohnsitzstaat des Eigentümers kann die Befugnis zur Erteilung solcher Anordnungen wohl nicht abgesprochen werden. Ein Grenzfall liegt vor, wenn ein Staat für Schadensersatzpflichten nicht nur eine ausländische
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juristische Person, sondern auch die Mitglieder ihrer Organe persönlich haftbar machen will; vgl. dazu die australische Entscheidung Cox v. Tomat, 46 A. L. J . R. 125 (1972). Auf unrichtigen Vorstellungen über den Stand des positiven Völkerrechts beruhen die Auffassungen von Zitelmann. Aber auch Mancinis Lehre über die völkerrechtliche Gebotenheit des Staatsangehörigkeitsprinzips entspricht nicht dem positiven Völkerrecht. Daß dies bei den Ausführungen von Zitelmann nicht der Fall ist, betont R G Z 95, 164. Vgl. Art. 21 E G B G B . Wenn Vorschriften eines Landes über gewerblichen Rechtsschutz und Immaterialgüterrecht auf solche Gebiete anderer Länder erstreckt wurden, in denen das erste Land Konsulargerichtsbarkeit ausübte (vgl. die V O des Reichskanzlers vom 4. 7. 1914), so wurden diese Rechte in den Konsulargerichtsbezirken doch nur gegenüber den eigenen Staatsangehörigen des betreffenden Staates geschützt. Über die Rechtslage beim Fischfang auf hoher See vgl. S. 491. Ein Erwerb von Grundeigentum auf Spitzbergen durch Okkupation wurde auch für die Zeit vor der Begründung der norwegischen Gebietshoheit als möglich anerkannt. Die Versuche der Vereinigten Staaten, ihr Verbot, strategisch wichtige Waren nach den Ostblockländern zu verbringen, auch für Tochtergesellschaften amerikanischer Gesellschaften verbindlich zu machen, waren daher nicht völkerrechtswidrig. Vgl. S. 417. So kann die Vorlage der Geschäftsbücher eines Unternehmens an Behörden außerhalb des Sitzstaates vom Sitzstaat gerade für den Fall verboten werden, daß der fremde Staat das Unternehmen zur Vorlage verpflichten will. Auf Anweisungen im Recht anderer Staaten an ihre juristischen Personen, Berichte über deren geschäftliche Tätigkeit in Südafrika zu geben, und dabei mitzuteilen, inwieweit Empfehlungen des Heimatstaates befolgt worden sind, will Südafrika in der Weise reagieren, daß es die Befolgung derartiger Anweisungen von einer Genehmigung im Einzelfall abhängig macht. Rechtsprechung internationaler oder nationaler Gerichte über die völkerrechtlichen Schranken der auf die Gebietshoheit oder die Personalhoheit gestützten Gesetzgebungsgewalt ist selten. Rechtsprechung über die Begrenzung der Gesetzgebungsgewalt der Gliedstaaten im Bundesstaat ist für das Völkerrecht nur mit Vorbehalt verwendbar. Bankord v. DeRock, 423 F. Supp. 602, bezeichnet die Anwendung des Iowa Dram Shop Act (Haftung des Verkäufers von alkoholischen Getränken für die vom Erwerber verursachten Autounfälle) auf einen in Minnesota erfolgten Unfall als "extra-territorial application". Das ist zu unterscheiden von den Fällen, in denen eine staatliche Eisenbahnverwaltung Verkehr zwischen Stationen eines fremden Staates betreibt, oder wo sie im Durchgangsverkehr auf einer ausländischen Strecke neben dem durch eine Eisenbahn des örtlichen Staates durchgeführten lokalen Verkehr durchgehende Züge laufen läßt. Hier ist die Anwendung des heimischen Rechts der ortsfremden Eisenbahnverwaltung nur beschränkt zugelassen. Für den von niederländischem Staatsgebiet aus unter deutschem Staatsgebiet betriebenen Kohlenbergbau bestimmt Art. 12 des deutsch-niederländischen Vertrages vom 28. 1.1958, daß Handlungen und Unterlassungen im Bergbaubetrieb unter Tage strafrechdich und zivilrechtlich so behandelt werden, als wenn sie in den Niederlanden geschehen. Analog der meist durch Verträge vereinbarten Anwendung des Rechtes des Heimatstaates eines Eisenbahnunternehmens, welches eine Strecke auf fremdem Gebiet allein im Durchgangsverkehr betreibt, sieht das britisch-norwegische Abkommen über das Frigg-Ölfeld vom 10. 5. 1976 vor, daß die von einer norwegischen Gesellschaft unterhaltene Ölleitung nach Großbritannien auch innerhalb des britischen Schelfmeeres norwegischem Recht untersteht. Schwer durchschaubar der Sinn der zusätzlichen Bestimmung, daß damit die Anwendung der britischen Gesetze durch britische Gerichte nach Maßgabe des Kollisionsrechts von Großbritannien nicht ausgeschaltet sein solle. Die Regelungsbefugnisse des Aufenthaltsstaates gegenüber fremden Fahrzeugen sind ihrerseits unterschiedlich je nach dem, ob sich das Fahrzeug in fremden Eigengewässern, Küstengewässern, Randzonen oder Wirtschaftszonen befindet; vgl. dazu auch S. 245. Auch wenn sich ein Luftfahrzeug unbewegt auf dem Boden in fremdem Staatsgebiet befindet, ist es dem Registrierungsstaat erlaubt, gewisse Normen seines Rechts als anwendbar zu erklären. Vgl. dazu auch S. 492.
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Anmerkungen zu S. 2 3 - 2 8 Vielfach werden in der Praxis auch die nicht ausdrücklich in einem Vertrag oder einer einseitigen Äußerung des Empfangsstaates als zulässig erklärten konsularischen Trauungen vom Empfangsstaat des Konsuls geduldet, ohne daß ihnen jedoch im Empfangsstaat Rechtswirkungen beigelegt werden. Daß der Entsendestaat der entgegen den Wünschen des Empfangsstaates vorgenommenen Trauung Rechtswirkungen beilegt, ist selbst nicht als Völkerrechtsverletzung zu betrachten. Die schwedische Vorschrift, die derartiges vorsieht (vgl. S. 604, Anm. 23), muß völkerrechtskonform ausgelegt werden. Es ist nicht völkerrechtswidrig, wenn der Heimatstaat die Beurteilung der Formgültigkeit von Eheschließungen seiner Staatsangehörigen im Ausland seinem eigenen Recht unterstellt, und wenn er die auf fremdem Staatsgebiet erfolgte private oder kirchliche Eheschließung seiner Staatsangehörigen als gültig behandelt, obwohl sie durch die Rechtsordnung des Eheschließungslandes als unwirksam behandelt werden. Die Abgrenzung einer solchen Regelung durch den Heimatstaat von der Bestellung oder Ermächtigung von Trauungsorganen, welche Trauungen im Ausland gemäß dem Recht des ernennenden Staates mit Wirkung für die Rechtsordnung dieses Staates vornehmen sollen, ist nicht einfach. Vgl. S. 75. Wird nur ein Aneignungsrecht in völkerrechtswidriger Weise dem Berechtigten entzogen, so sind dritte Staaten nicht völkerrechtlich verpflichtet, denjenigen, der nunmehr nach dem Recht des Lagestaates Eigentum erworben hat, nicht als Eigentümer zu behandeln, vgl. S. 651, Anm. 59. Vgl.S. 287 ff. Uber die rückwirkende Anwendung von religiösem Eherecht auf Ehen von Ausländern mit ausländischem Wohnsitz, die nach dem Wohnsitzrecht ungültig waren, in Verbindung mit einem Statutenwechsel vgl. S. 301. Vgl. darüber S. 100 ff. Die Frage wird aktuell, wenn ein solcher Forumstaat das Fehlen einer deliktsrechtlichen Bestimmung in dem berufenen Recht des Deliktsortes als krasse Abweichung von der lex fori betrachtet, vgl. S. 77. So sind die exorbitanten Zuständigkeiten des Klägerwohnsitzes und der Belegenheit von Vermögen des Beklagten durch das europäische Ubereinkommen vom 27. 9. 1968 wesentlich eingeschränkt worden. So läßt der Código Bustamente den Vertragsstaaten für Fragen des Personalstatuts zwischen der Staatsangehörigkeit und dem Wohnsitz als Anknüpfungsmoment die Wahl. Vgl. dazu S. 97, Anm. 99. Die älteren Haager Abkommen über das internationale Privatrecht gehen den ersten Weg, während die neueren vielfach die Vertragsstaaten verpflichten wollen, die in dem Vertrag vorgesehene Zuweisungsnonn als allgemeine Norm ihres internationalen Privatrechts einzuführen. Bei Verträgen zwischen wenigen Staaten über ihr internationales Privatrecht, welche anderen Staaten nicht zum Beitritt offen stehen, ist im allgemeinen eine Verknüpfung zu einem Vertragsstaat erforderlich, damit die vertraglich gebotene Regelung zur Anwendung gelangt, auch wenn die vertraglich gebotenen Kollisionsnormen „abstrakt" abgefaßt sind. Frankreich hatte nach der Verselbständigung der Staaten Indochinas mit einigen Verträge abgeschlossen, in denen nur der Neustaat Bindungen bezüglich seines internationalen Privatrechts auf sich nahm (vgl. unten S. 130, Anm. 2); diese Verträge sind heute hinfällig geworden. Vgl. S. 599. So etwa beim Wechsel- und Scheckrecht gemäß den Genfer Verträgen vom 7. 6. 1930 bzw. 19. 3. 1931. Fehlt die vorgesehene Verknüpfung zu einem Vertragsstaat, so bleibt jeder der Vertragsstaaten frei, wie er den Anwendungsbereich des uniformen Rechts gegenüber dem Recht von Nichtvertragsstaaten abgrenzen will. Vgl. Art. 2 des Haager Abkommens vom 24. 10. 1956 betreffend Unterhaltspflichten gegenüber Kindern. Vgl. dazu die Mantelgesetze der Bundesrepublik vom 18. 7. 1961 und 2. 6. 1972 zu dem Haager Abkommen betreffend Unterhaltspflicht gegenüber Kindern. Vgl. S. 77, zu Anm. 56. Vgl.S. 77, zu Anm. 57. Die meisten Verträge der Haager Konferenzen über internationales Privatrecht enthalten eine
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Bestimmung, wonach von der Anwendung des im Vertrag vorgesehenen Rechts abgesehen werden kann, wenn dessen Anwendung „est manifestement incompatible avec l'ordre public". So bestimmt ein Vertragsentwurf der Haager Konferenz betreffend Eheschließung und Ehegültigkeit einerseits in Art. 14: «Un Etat contractant peut refuser la reconnaissance de la validité d'un mariage si cette reconnaissance est manifestement incompatible avec son ordre public», und andererseits in Art. 11 : «Un Etat contractant ne peut refuser de reconnaître la validité d'un mariage que si, selon le droit de cet Etat, un des époux, au moment de ce mariage: 1. était déjà marié; ou 2. était à un degré de parenté en ligne directe avec l'autre époux ou était son frère ou sa soeur, . . . » Das ist allerdings noch nicht der Fall bei dem Haager Abkommen über Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen vom 5. 10. 1961. Damit, daß nach Art. 3 des Abkommens vom 24. 10.1956 über Unterhaltsansprüche von Kindern anstelle des im Vertrag vorgesehenen Rechts des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes das durch das nationale Kollisionsrecht des Forumstaates berufene Recht angewendet werden muß, wenn das Recht des Aufenthaltsortes dem Kind jeden Unterhaltsanspruch verweigert, ist keine unbedingte Sicherheit dafür geschaffen, daß das Kind zu einem Unterhaltsanspruch gelangt. Vgl. darüber Volken, Konventionskonflikte im internationalen Privatrecht, 1977. Verletzungen der Bestimmungen des Vertrags der EWG-Länder vom 27. 9.1968 (über Zuständigkeit und Anerkennung von Urteilen) durch den Urteilsstaat geben den Gerichten der um Anerkennung ersuchten Staaten nur beschränkt das Recht, deswegen die Anerkennung des Urteils zu verweigern, und zu diesem Zweck die ordre public-Klausel zu verwenden, vgl. Art. 27 und Art. 28 (3). Das schließt Vorstellungen auf völkerrechdicher Ebene nicht aus. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch keine Zuständigkeit, um über die Behauptung einer Verletzung des Vertrages in Gestalt vertragswidriger Bejahung einer Zuständigkeit, oder in Gestalt vertragswidriger Verweigerung der Urteilsanerkennung zu entscheiden. Er kann nur auf Antrag bei widersprechenden Auslegungen des Vertrages durch die obersten Gerichte verschiedener Vertragsstaaten »im eine Interpretation des Vertrages für die Zukunft ersucht werden (Protokoll vom 3. 6. 1971). Hat der staatliche Richter gemäß dem Verfassungsrecht seines Staates ein staatliches Gesetz auf seine Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht zu prüfen, so hat er einer gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisung, die ein nach allgemeinem Völkerrecht unzulässiges Anknüpfungsmoment verwendet, den Gehorsam nur dann zu versagen, wenn seine Entscheidung ein dem Staat zurechenbares Völkerrechtsdelikt darstellen würde. Das ist dann nicht der Fall, wenn eine andere Verknüpfung vorliegt, die der Gesetzgeber in Ubereinstimmung mit dem Völkerrecht als Anknüpfungsmoment hätte verwenden dürfen. Der staatliche Richter darf auch nicht anstelle des völkerrechtlich unzulässigen Anknüpfungsmoments in einer gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisung selbst ein bestimmtes anderes Anknüpfungsmoment als maßgebend bezeichnen, sondern hat die Korrektur des völkerrechtswidrigen Gesetzes dem Gesetzgeber zu überlassen. Ist durch völkerrechtlichen Vertrag abschließend die Verwendung eines bestimmten Anknüpfungsmoments geboten, so wird diese Bestimmung zumeist self-executing sein; die staatliche Verfassung bestimmt dann, ob der Richter ein späteres staatliches Gesetz, welches die völkerrechdich gebotene Zuweisungsnorm wieder außer Kraft setzt, vorzuziehen hat oder nicht. Im Bundesstaat kann die Frage auftauchen, ob die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zum Vollzug völkerrechtlicher Verpflichtungen des Gesamtstaates durch innerstaatliches Recht ausreicht, um die Regelung des internationalen Privatrechts durch die Bundesgesetzgebung vor sich gehen zu lassen, obwohl das materielle Privatrecht den Gliedstaaten vorbehalten ist. Wird in einem völkerrechtlichen Vertrag die Anwendung bestimmter ausländischer Sätze unter Vorrang vor den entsprechenden Sätzen des Forumstaates geboten, so stellt es eine Vertragsumgehung dar, wenn der verpflichtete Staat durch Erlaß und Anwendung von Gesetzen anderer Art verhindert, daß der Zweck der völkerrechdich gebotenen Gesetze erreicht wird. Der Aufenthaltsstaat eines Kindes, der auf Grund des Vertrages die gemäß den Gesetzen des Heimatstaates des Kindes bestehende Sorgegewalt des Vormunds anzuerkennen hat, darf zwar den Vormund anhalten, das Kind während seines Aufenthalts in diesem Lande zur Erfüllung der Schulpflicht zu veranlassen, aber er kann den Vormund nicht unter Berufung auf die Schulpflicht hindern, das Kind in ein anderes Land zu verbringen, und er darf, solange gegen den Vormund nicht der Vorwurf einer Gefährdung des Kindeswohls erhoben wird, das Kind nicht anderen Personen in Pflege geben mit
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Anmerkungen zu S. 2 9 - 3 0 der Begründung, er treffe damit eine gesundheitspolizeiliche Maßnahme. Insoweit ist die Kritik von Lauterpacht sowohl als auch die von Offerhaus an der Mehrheitsentscheidung in der Sache Boll (Recueil CIJ 1958, 86 f., 155) zutreffend. Wie aber, wenn das Aufenthaltsland eines Ausländerkindes unter Berufung auf das Staatsinteresse durch Gesetz eine geschlossene Internatserziehung aller Kinder bestimmter Altersstufen anordnen würde? Dann würde man sich zu fragen haben, ob eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, Ausländerkindern gegen den Willen der Eltern und Vormünder keine Erziehung außerhalb einer Familie aufzuzwingen. Selbst wenn man die völkerrechtliche Verpflichtung bejaht, wäre dann allerdings der Aufenthalts Staat nicht verpflichtet, den weiteren Aufenthalt der betreffenden Ausländer im Lande zu dulden (sofern man nicht noch weiter geht und ein allgemeines Menschenrecht des Kindes auf das Aufwachsen in einer Familie annimmt). Darüber, ob der Aufenthaltsstaat eines Kindes nach geltendem Recht ein erhebliches Ermessen hat, in einer Erziehung des Kindes durch seine Eltern oder Vormünder, die der offiziellen Ideologie nicht entspricht, eine Gefährdung des Kindeswohls zu sehen und deshalb „Schutzmaßnahmen" zu treffen, vgl. S. 511, Anm. 13. Vgl. S. 399. Die Haager Konvention über Schutzmaßnahmen zugunsten Minderjähriger vom 5. 10. 1961 kann jedenfalls so verstanden werden, daß die automatische Anerkennungsfähigkeit der Staatsakte, die durch eine gemäß der Konvention zuständige Behörde getroffen worden sind, in den anderen Vertragsstaaten auch die automatische Beseitigung von eigenen Staatsakten durch vorrangige spätere ausländische Staatsakte zur Folge hat. Vgl. dazu BGH, IZRsp 1 9 6 0 - 61, Nr. 1 b. Das allgemeine Völkerrecht hindert nicht, daß ein Staat durch seine Gerichte einen ausländischen Staatsaktinzidenter daraufhin prüfen läßt, ob er unter Verletzung des Völkerrechts, oder des ausländischen Verfassungsrechts, oder ausländischer Gesetzgebung, oder unter Beeinflussung durch Organe dritter Staaten, oder unter Beeinflussung von Privatpersonen zustande gekommen ist, um aus dem Ergebnis dieser Prüfung Konsequenzen dafür zu ziehen, welche Rechtswirkungen der ausländische Staatsakt, wenn überhaupt, in der Rechtsordnung des Forumstaates nach sich ziehen soll. Die von der Rechtsprechung des US Supreme Court geprägte act of State doctrine besagt nicht, daß ein Staat völkerrechtlich verpflichtet sei, bei der Beurteilung privatrechdicher Rechtslagen, die durch Hoheitsakte fremder Staaten gestaltet worden sind, stets diese Hoheitsakte ungeprüft als rechtmäßig zugrunde zu legen. Genauso wie in anderen Staaten wird es abgelehnt, Verfahren durch amerikanische Gerichte durchzuführen, wenn die Klage dahin geht, daß der fremde Staat, oder Organe des fremden Staates, für rechtswidriges hoheitliches Handeln haftbar gemacht werden sollen. Die Weigerung der Organe eines fremden Staates, die ein enteignetes Handelsunternehmen weiterführen, die irrigerweise an sie geleistete Zahlung aus Geschäften vor der Enteignung zurückzugeben, ist jedoch kein Staatsakt und keine Geltendmachung einer Enteignung, die ein amerikanisches Gericht hindern könnte, über die Berechtigung des privatrechtlichen Anspruchs auf Rückzahlung (Bereicherung) zu entscheiden: Dunhill v. Cuba, 425 US 682. Die act of State doctrine hindert auch nicht, daß dem fremden Hoheitsakt, insoweit er Wirkungen auf amerikanischem Staatsgebiet auslösen will, jegliche Anwendung versagt wird. Im übrigen verschafft sie den Gerichten ein Ermessen, von einer Prüfung der fremden Hoheitsakte auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht oder dem amerikanischen ordre public abzusehen, wenn diese Prüfung der amerikanischen Regierung unerwünscht erscheint. Für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik dürfte sich aus den Bestimmungen des Grundgesetzes über die rechtsprechende Gewalt ergeben, daß ein Gericht weder von der Regierung, noch durch gesetzliche Bestimmungen daran gehindert werden kann, die unter dem anwendbaren Recht bedeutsamen Sachverhalte aufzuklären, wenn es sich dabei um die oben erwähnten Prüfungen in Bezug auf ausländische Staatsakte handelt. Der Gesichtspunkt, daß eine solche Prüfung ausländischer Staatsakte zu politischen Komplikationen führen könnte, ist von den Gerichten nur beschränkt respektierbar; sie haben eine derartige Prüfung zu vermeiden, wenn auf Grund anderer Erwägungen eine bestimmte Entscheidung getroffen werden kann. Ob angesichts dessen, daß die Aufklärung des Zustandekommens fremder Staatsakte und ihrer Rechtmäßigkeit einem staatlichen Gericht häufig große Schwierigkeiten bereitet, stets von einer Vermutung des rechtmäßigen und ordnungsgemäßen Zustandekommens fremder Staatsakte auszugehen ist, kann vielleicht bejaht werden!
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In England hat sich der Court of Appeal auf den Standpunkt gestellt, daß einem englischen Gericht die Prüfung der Frage, ob eine Privatperson in rechtlich oder sittlich bedenklicher Weise im Zusammenwirken mit einer fremden Regierung eine andere Privatperson geschädigt hat, nicht deshalb verschlossen ist, weil es im Zusammenhang mit der Prüfung eines solchen Anspruchs notwendig wird zu untersuchen, wie es zu einem Hoheitsakt einer fremden Regierung gekommen ist; vgl. Buttes Gas & Oil Co. v. Hammer (No. 2), [1975] 2 All E. R. 51. Cass. Rom, Riv. Dir. Int. Priv. Proc. 14 (1978) 98, meint, daß das italienische Gericht über eine Frage des Völkerrechts, die sich im Verhältnis zwischen ausländischen Staaten stellt, auch nicht inzidenter entscheiden dürfe. Solche vertraglichen Bestimmungen finden sich nicht selten im Zusammenhang mit der Zulassung hoheitlicher Tätigkeit der Organe eines Staates auf fremdem Staatsgebiet, vgl. oben S. 21 f. Für die Bundesrepublik wichtig ist, daß in den Abkommen über die Stationierung ausländischer Truppen Bestimmungen getroffen worden sind, wonach gegenüber einer durch Akte der stationierten fremden Truppe geschädigten Privatperson die Bundesrepublik unter Anwendung des deutschen Staatshaftungsrechts für die Schädigung verantwortlich gemacht werden kann. Uber die „Qualifikation" der Haftung privater Prüfstellen vgl. Scharnhoop, Die Haftung für Zulassungskontrollen technischer Erzeugnisse in der Bundesrepublik und in Frankreich, Köln 1975. Vgl. Mann, Brit. Yb. Int. L. 1957,20ff. Vgl. Wengler, Völkerrecht, Bd. 1, S. 361 ff. Vgl. S. 346 f. So z. B. in Ägypten für Verträge über gemeinsame Unternehmungen des Staates und ausländischer Investoren. Vgl. dazu einerseits Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, 1971, und andererseits meine Bemerkungen in: Ann. Inst. D. Int. 57 (1977) I 234. Vgl. S. 548. Der Heimat- und Wohnsitzstaat der Privatperson, die mit einem anderen Staat einen Vertrag geschlossen hat, ist ebenfalls nicht, nur weil es sich um einen Vertrag mit einem Staat handelt, durch Völkerrecht gehindert, der anfänglich durch sein Recht nicht betroffenen Erfüllung der Verpflichtung der privaten Partei zu einem späteren Zeitpunkt — etwa durch Ausfuhrverbote u. ä. — Hemmungen zu bereiten.
§ 4. Rechtsanwendungsanweisungen, Rechtsanwendungsbereiche und andere Grundbegriffe des internationalen Privatrechts 1
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Ob älteres transformiertes Völkerrecht kraft der Verfassung gegenüber späterem staatlichen Gesetzesrecht vorrangig ist, ist in den verschiedenen Staaten unterschiedlich geregelt. Vgl. S. 332. Vgl. z. B. Art. 23 EGBGB. Uber die Zuständigkeitsrückverweisung vgl. auch unten S. 333. RGZ 95, 164, betont die Bindung des Richters an die vom eigenen Gesetzgeber erlassenen Kollisionsnormen als einziger Richdinie für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Vgl. S. 206. Es ist abwegig, von jeder Äußerung eines Instanzgerichts über Fragen des internationalen Privatrechts anzunehmen, daß sie in stärkerem Maße für die Bildung von Richterrecht bedeutsam sei, als es Äußerungen solcher Gerichte über das materielle Recht sind. Aber auch höchstrichterlichen Entscheidungen über internationales Privatrecht ist Präjudizienwert nur beschränkt beizulegen, insbesondere wenn aus der Entscheidung ersichtlich ist, daß der Stellungnahme zu einem internationalprivatrechdichen Problem keine gründliche Prüfung im Kontext der gesamten Problematik des internationalen Privatrechts vorausgegangen ist. Besteht das materielle Privatrecht selbst in einem durch Übung der Normadressaten entwickelten Gewohnheitsrecht, so können auch Übung und Rechtsüberzeugung in Bezug auf den Anwendungsbereich solchen Rechts erwartet werden. Daß der Anwendungsbereich von gesetztem Recht, soweit er nicht durch den Gesetzgeber fixiert ist, durch Übung der Normadressaten gebildet wird, ist umso weniger zu erwarten, als sich Rechtsüberzeugungen der Nonnadressaten kaum dort bilden werden, wo die Materie selbst für die Wissenschaft noch ungeklärt ist.
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Anmerkungen zu S. 3 4 - 3 6 Der staatliche Richter darf nicht etwa annehmen, daß es ihm mangels einer gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisung stets vom Gesetzgeber freigestellt sei, im heterogen verknüpften Bereich im Einzelfall nach diesem oder jenem Inlandsrecht oder nach Billigkeit zu entscheiden. Vgl. S. 61 ff. Vgl. Art. 25 G G . Vgl. S. 343. Vgl. S. 346. Nach Art. 181 des Vertrages über die E W G kann die Zuständigkeit des Gerichtshofes der Gemeinschaft für Verträge der Gemeinschaft mit Privatpersonen vereinbart werden. Der EWG-Vertrag hätte für derartige Verfahren auch Bestimmungen über das anzuwendende Recht treffen können, doch ist die Frage offen gelassen worden. Besteht in den berufenen nationalen Rechten bzw. den vertraglich gebotenen Sachnormen mehrerer Staaten Übereinstimmung darüber, daß aus bestimmten Anlässen Maßnahmen zum Schutz eines Kindes getroffen werden müssen, und daß von mehreren in Frage kommenden Maßnahmen diejenige zu treffen ist, die dem Kindeswohl am förderlichsten ist, so kann die getroffene Ermessensentscheidung eines nationalen Gerichts nur selten vom Gericht eines anderen Staates, oder auch einem internationalen Gericht, als eine völkerrechtswidrige falsche Vertragsanwendung kritisiert werden. Erwünscht, aber wahrscheinlich zu kostspielig, ist es, daß von vornherein anstelle der Gerichte eines Staates ein internationales oder ein gemeinsames Gericht zuständig ist; so bestehen Planungen im Europarat zur Schaffung internationaler Gerichte, die in heterogen verknüpften Fällen Entscheidungen über das Sorgerecht zu treffen hätten. Die Frage ist insbesondere aktuell geworden für die gemischten Schiedsgerichte, die auf Grund der Friedensverträge von 1919 zur Entscheidung über Schuldverhältnisse u. ä aus der Vorkriegszeit eingerichtet wurden. Vgl. dazu Carabiber, Les juridictions internationales de droit privé, 1947. Die Obersten Rückerstattungsgerichte in der Bundesrepublik sind auf Völkerrecht beruhende und insofern „internationale" Gerichte, die als Rechtsmittelinstanz über den nationalen Rückerstattungsgerichten der Bundesrepublik tätig werden; soweit nicht in den Rückerstattungsgesetzen selbst Rechtsanwendungsanweisungen für heterogen verknüpfte Situationen enthalten sind, oder durch Auslegung in sie hinein gelesen werden, wenden auch die Obersten Rückerstattungsgerichte das deutsche internationale Privatrecht an. Noch das 19. Jahrhundert kannte zahlreiche Fälle, in denen zwischen deutschen Bundesstaaten ein oberes Gericht des einen Staates auf Grund von Verträgen als Rechtsmittelgericht zur Kontrolle der Instanzgerichte des anderen Staates zur Verfügung gestellt wurde. Der britische Privy Council ist Rechtsmittelgericht für die wenigen noch bestehenden echten „Kolonien" des Vereinigten Königreichs, sowie für einzelne selbständige Commonwealth-Länder. Ein neues Beispiel für die Ausleihe eines Obergerichts an einen anderen Staat bietet das Abkommen zwischen Australien und Nauru vom 6. 9. 1976. Indem Art. 3 des Abkommens bestimmt, daß „procédural matters" durch rules of court des australischen Gerichts geregelt werden sollten, unterstellt es, daß die internationalprivatrechtlichen Rechtsanwendungsanweisungen die des Rechts von Nauru sind, als selbstverständlich. Als dem württembergischen Obertribunal durch Vertrag vom 9./11. 5. 1825 die Rolle eines Obergerichts für das damals noch selbständige Land Hohenzollern übertragen wurde, wurde im Vertrag bestimmt, daß das Gericht in Sachen aus dem Land Hohenzollern so zu entscheiden hätte, „wie wenn es ein Obergericht von Hohenzollern wäre". Ist der Erlaß internationalprivatrechtlicher Rechtsanwendungsanweisungen im Bundesstaat Sache der gliedstaatlichen Gesetzgebung, so ist auch ein Bundesgericht als Rechtsmittelgericht über den gliedstaatlichen Gerichten an das für das kontrollierte Gericht bindende internationale Privatrecht seinerseits gebunden; so z. B. das Reichsgericht vor 1900 und heute noch der Supreme Court der Vereinigten Staaten. Hat im Bundesstaat ein vom Bundesgesetzgeber eingerichtetes Bundesgericht in erster Instanz konkurrierend, wenn auch auf Verlangen einer Partei vorrangig, Zuständigkeit neben einem gliedstaatlichen Gericht, wie die Fédéral Courts der Vereinigten Staaten in diversity cases, und ist das internationale Privatrecht Sache der Gliedstaaten, so hat auch ein solches Bundesgericht gliedstaadiches internationales Privatrecht anzuwenden, und zwar das internationale Privatrecht des Staates, dessen gliedstaatliches Gericht sonst zuständig wäre. Demgemäß entscheiden die Fédéral Courts der Vereinigten Staaten in der Regel nach dem internationalen Privatrecht des Staates, in dem sie ihren
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Sitz haben; wird aus prozessualen Gründen die Sache an ein anderes Bundesgericht abgegeben, so bleibt das für das abgebende Gericht maßgebende Kollisionsrecht anwendbar. Aus der Praxis vgl. In re Air Crash of Boston, 399 Fed. Supp. 1166. S. ferner S. 351, Anm. 119, u. S. 53, Anm. 6. Ein als Kondominium verwaltetes Gebiet kann ein eigenes lokales internationales Privatrecht haben, wie wenn es ein selbständiger Staat wäre. Diese örtlichen Kollisionsnormen des Kondominialgebiets sind dann sowohl von den lokalen Gerichten anzuwenden, als auch von etwaigen gemeinschaftlichen Gerichten der Kondominialherren oder nationalen Gerichten eines dieser Staaten, die er als für das Kondominialgebiet zuständig erklärt hat; das ist im wesentlichen die Rechtslage für Andorra. Übt jede Kondominialmacht im Gebiet des Kondomiums durch eigene nationale Gerichte Gerichtsbarkeit über eigene Staatsangehörige und ihnen gleichgestellte Ausländer oder Angehörige der einheimischen Bevölkerung aus, so wendet ein solches Gericht das nationale internationale Privatrecht seines Gründerstaates an, soweit nicht lokales Kollisionsrecht für das Kondominialgebiet durch Vertrag der Kondominialherren gebildet worden ist; so die Rechtslage auf den Neuen Hebriden bis zur Unabhängigkeit. Die früher funktionierenden Konsulargerichte entschieden nach den Kollisionsnormen des Entsendestaates; diese waren zum Teil durch Verträge gebunden und konnten auch sonst von den im Heimatstaat maßgeblichen Rechtsanwendungsanweisungen abweichen. Richtet ein Staat neben seinen nationalen Gerichten freiwillig oder auf Grund Vertrages erstinstanzliche Gerichte mit ausländischen Richtern und beschränkter Zuständigkeit für gewisse heterogen verknüpfte Prozesse ein, wie dies insbesondere bei den früheren gemischten Gerichten in Ägypten der Fall war, so kann diesen Gerichten ein besonderes internationales Privatrecht durch gesetzliche Bestimmungen an die Hand gegeben werden, oder es kann sich in der Praxis entwickeln; subsidiär hatten auch die gemischten Gerichte in Ägypten das ägyptische internationale Privatrecht zu beachten. Für nationale oder gemeinschaftliche Konsulargerichte auf staadosem Gebiet könnte durch Vertrag ein besonderes internationales Privatrecht gebildet werden; derartiges war vorgesehen in einem Vertragsentwurf der Spitzbergen-Konferenz vom 26. 1. 1912. Vgl. dazu die Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs über die serbischen und brasilianischen Staatsanleihen, Publ. C.P.J.I. Ser.A. No. 14 und 15. Obwohl die Verpflichtung Kanadas zur Entschädigung amerikanischer Staatsangehöriger für Schäden aus dem Bau des Gut-Dammes letztlich auf einer völkerrechtlichen Abmachung beruhte, erhielt das 1965 eingerichtete Schiedsgericht die Anweisung, abgesehen vom Völkerrecht nach kanadischem und amerikanischem Recht zu entscheiden, insoweit beide übereinstimmten. Würden Divergenzen der beiden Rechte eine Entscheidung dieser Art unmöglich machen, so sollte das Schiedsgericht die von ihm als angemessen betrachteten Rechtsgrundsätze anwenden, um allen Interessen gerecht zu werden (Abkommen vom 25. 3. 1965). Der Streit wurde durch Vergleich beigelegt. Vgl. dazu Jambu-Merlin, La jurisprudence des prises maritimes et le droit international privé, 1947. Auch das Bestehen von Ehen, Kindschaftsverhältnissen usw. kann Vorfrage in völkerrechtlichen Regelungen, z. B. bei Verträgen über Einwanderung, Sozialversicherung, Staatsangehörigkeit sein. Gehört das internationale Privatrecht zur Zuständigkeit der einzelnen Gliedstaaten im Bundesstaat, so kann es in den Gebieten der verschiedenen Gliedstaaten unterschiedlich sein. Für die polnischen Gerichte galten nach 1919 zunächst mehrere ördich verschiedene internationale Privatrechte, die durch Umdeutung der internationalen Privatrechte derjenigen Staaten gebildet waren, aus deren Staatsgebiet das Staatsgebiet Polens zusammengesetzt wurde. Ein einzelnes staatliches Gericht kann möglicherweise in erster Instanz für mehrere Gebiete mit unterschiedlichem örtlichen Kollisionsrecht zuständig sein; dann kommt es darauf an, zu welchem Teilgebiet des Gerichtssprengeis diejenige Verknüpfung hingeht, welche für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts maßgebend ist; die Frage spielte vor 1900 in Deutschland eine gewisse Rolle, als der Sprengel einzelner Landgerichte aus Gebieten mit verschiedenem Privatrecht und möglicherweise auch unterschiedlichem Kollisionsrecht zusammengesetzt war; vgl. auch RGZ 122,196. Vgl. S. 181. Der Anwendungsbereich des Unterhaltsrechts für Kinder wird, soweit es von einem Vertragsstaat des Haager Abkommens von 1956 herrührt, in der Bundesrepublik durch den gewöhnlichen Aufenthalt in einem solchen Vertragsstaat bestimmt; soweit kein gewöhnlicher Aufenthalt in einem 761
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Vertragsstaat des Abkommens besteht, werden die Anwendungsbereiche der verschiedenen Unterhaltsrechte in Deutschland vermittels der Staatsangehörigkeit des ehelichen Vaters, bzw. bei unehelichen Kindern vermittels der Staatsangehörigkeit der Mutter abgesteckt. Eigenartig war die Rechtslage in Marokko in der Zeit des französischen Protektorats: Rechtsstreitigkeiten, an denen Franzosen und Ausländer beteiligt waren, kamen vor die in Marokko eingerichteten französischen Gerichte, die nach französischem internationalen Privatrecht entschieden; die Möglichkeit, daß marokkanische Gerichte marokkanisches internationales Privatrecht zur Anwendung bringen konnten, war minimal. Da die Urteile der französischen Gerichte in Marokko wie Urteile marokkanischer Gerichte vollstreckt wurden, konnte Marokko somit als „Geltungsgebiet" des französischen internationalen Privatrechts betrachtet werden. Vgl. unten S. 52 ff. Vgl. S. 73 unten. Zu denken ist etwa an Monaco, in dessen Staatsgebiet weit mehr Ausländer als Monegassen wohnen. „Geltungsgebiet" von Spezialrecht, das ein Staat für heterogen verknüpfte Sachverhalte geschaffen hat, ist ebenfalls das Land des Urheberstaates. Stimmen die Rechtsnormen von zwei Staaten zufällig inhaltlich überein, so sollte man nicht die Gesamtheit der Staatsgebiete als das Geltungsgebiet der übereinstimmenden Sachnonn bezeichnen. Eher hat dies Sinn, wenn die Übereinstimmung durch völkerrechtlichen Vertrag geboten ist; auch von vertraglich vereinheitlichtem Spezialrecht kann dann gesagt werden, daß die Gesamtheit der Staatsgebiete der Vertragsstaaten Geltungsgebiet sei. Ist ein Staat ein Mehrrechtsstaat, in dem unterschiedliches Recht für verschiedene Teilgebiete gilt, so ist doch für die Zwecke des internationalen Privatrechts der ganze Staat als Geltungs- und Bezugsgebiet von Normen eines solchen Teilrechts zu betrachten. Auch Teilrechte, deren Kernanwendungsbereich im Mehrrechtsstaat durch die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen von Staatsangehörigen bestimmt wird, haben für die Zwecke des internationalen Privatrechts das Staatsgebiet des Staates zum Geltungsgebiet, der ein solches Gruppenrecht als nationales Recht in Geltung hält, auch wenn in der Sicht eines derartigen Gruppenrechts, insbesondere in der Sicht eines religiösen Rechts, von einer nationalen Beschränkung des Geltungsgebiets eines solchen Gruppenrechts nicht die Rede ist. Das Gebiet, welches ein Staat zum Bezugsgebiet für die Bestimmung des Anwendungsbereichs seiner eigenen Vorschriften verwenden kann, wird jedoch nicht immer in vollem Umfang mit seinem Recht ausgefüllt: Küstenmeer und die angrenzende Wirtschaftszone sind je nach dem Inhalt der Rechtssätze Geltungsgebiet von staatlichem Recht des Uferstaates oder „rechtsleerer" Raum, vgl. S. 290, Anm. 35. Stellvertretende Sird/rechtspflege bedeutet nicht, daß die Gerichte und Strafvollzugsbehörden eines Staates angewiesen werden, unter Anwendung von Strafrecht des ausländischen Tatortes zu bestrafen und die im inländischen oder ausländischen Urteil verhängte Strafe zu vollstrecken; gemeint ist hier, daß die Strafbarkeit gemäß den kumulativ angewendeten Rechten des Forumstaates und des im Tatortsstaat anwendungswilligen ausländischen Strafrechts beurteilt wird, und daß mit der so begründeten Bestrafung der Rechtsordnung des Tatortlandes Rechtshilfe geleistet wird. Das ist der richtige Kern der local laws theory von Cook, vgl. Picone-Wengler, S. 59 ff. Tritt ein Staat Teile seines Staatsgebiets an einen anderen Staat ab, so gibt er damit Möglichkeiten zum Schutze der auf diesem Gebiet bestehenden subjektiven Rechte auf. Versäumt er es, seinen eigenen Staatsangehörigen völkerrechtliche Sicherungen für die Respektierung bestehender Rechte durch den Gebietserwerber zu verschaffen, so kann dies eine verfassungswidrige Begünstigung von Enteignungen durch den Erwerberstaat sein. Die Frage stand hinter den Bedenken gegen den Vertrag der Bundesrepublik mit Polen vom 7. 12.1970. Das wird nicht widerlegt dadurch, daß, wie oben S. 23 erwähnt, eine völkerrechtliche Verpflichtung anzunehmen ist, wohlerworbene Sachenrechte bei einem Lagewechsel der Sache im neuen Lagestaat fortzuführen: Solange der Lagewechsel nicht erfolgt ist, dürfen andere Staaten als der Lagestaat ihre Gerichte als unzuständig erklären, um über Schadensersatzansprüche wegen einer Beschädigung der Sache gemäß dem Recht des Lagestaates zu judizieren; sie sind auch nicht völkerrechtlich verpflichtet, Schadensersatzurteile des Lagestaates auf ihrem Gebiet zu vollstrecken. Vgl. unten S. 152. Vgl. zum folgenden Wengler, in: Festschrift zum 41. Deutschen Juristentag, 1955, S. 285 ff.
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Anmerkungen zu S. 4 2 - 4 4 Vgl. unten S. 47. Vgl. S. 9.
37
§4
Vgl. darüber Wengler, Völkerrecht, Bd. 1, S. 44ff.
So gibt es heute noch Rezeptionsklauseln in den vom britischen Reich abgetrennten früheren Kolonien, die das englische Recht nach dem Stande eines bestimmten Tages als das subsidiär maßgebende örtliche Recht des Neustaates bezeichnen. Vgl. S. 307. Vgl. Balladore Pallieri, Ann. Dir. Comp. Stud. Leg. 1943, 331 ff., sowie die Angaben bei Balladore Pallieri, Diritto internazionale privato italiano, 1974, S. 17. Auch eine rezipierende Verweisung auf ausländisches Recht kann eine Verweisung auf das jeweils geltende ausländische Recht (und nicht eine Verweisung auf ausländisches Recht nach dem Stand eines bestimmten Zeitpunktes) sein. So haben zeitweise Neustaaten, die aus englischen Kolonien hervorgegangen sind, das englische Scheidungsrecht in seinem jeweiligen Stand als ihr örtliches Recht übernommen, bis in dem betreffenden Staat eine Neuregelung des Eherechts erfolgte. In einer solchen Rezeption des jeweiligen Rechts eines anderen Staates als Inlandsrecht kann eine verfassungswidrige Delegation gesetzgebender Gewalt gesehen werden, vgl. Gray vs. Gray, [1971] 1 Ghana L. R. 422. Das kann jedoch nicht für den Fall gesagt werden, daß die Beurteilung heterogen verknüpfter Sachverhalte gemäß den Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates nach dem jeweiligen Recht eines anderen, ebenfalls mit der Sache verknüpften Staates erfolgen soll. Interessant ist, daß bei globaler Rezeption von fremdem Recht die Gerichte des rezipierenden Landes vielfach mit einer Generalklausel operieren müssen, wonach eine einzelne Rechtsnorm dann nicht als rezipiert gilt, wenn sie mit den „örtlichen Verhältnissen" des rezipierenden Landes unvereinbar ist. Unter solchen örtlichen Verhältnissen wird vielfach wieder das im Rechtsbewußtsein der Bevölkerung des rezipierenden Landes besonders intensiv verwurzelte Recht verstanden. Dann erhält die local conditions-Klausel ähnliche Funktionen wie die internationalprivatrechtlichen Generalklauseln, welche der Anwendung kraß abweichender Sätze von berufenem ausländischen Recht entgegenstehen, oder zur Ablehnung solcher Sätze des berufenen ausländischen Rechts führen, deren Anwendung neben den Sätzen der lex fori eine Störung der materiellen Harmonie darstellen würde, vgl. S. 73 ff. und S. 71. Auch das internationale Privatrecht eines anderen Landes kann Gegenstand einer rezipierenden Verweisung sein, bei der jedoch die verwendeten Verknüpfungen zu dem fremden Land umgedeutet werden in Verknüpfungen zu dem rezipierenden Land. So ist in der Vatikanstadt durch ein Gesetz vom 7. 6. 1929 mit der Rezeption des italienischen Zivilrechts als des subsidiären Rechts auch das italienische internationale Privatrecht rezipiert worden. Noch ein Vertrag zwischen Frankreich und Laos vom 22. 10. 1953 sah vor, daß in Laos, soweit im Gesetzesrecht von Laos Kollisionsnormen fehlten, das französische internationale Privatrecht angewendet werden sollte. Eine nicht rezipierende Verweisung auf ausländisches internationales Privatrecht stellt hingegen die Gesamtverweisung dar, vgl. S. 205. Die Vieldeutigkeit des Ausdrucks „anwenden" zeigt sich auch bei dem, was als „richterliche Rechtsanwendung" bezeichnet wird: Verfahrensvorschriften, die sich auf Akte des Gerichts selbst beziehen, und Rechtsanwendungsanweisungen werden vom Richter „befolgend angewendet", genau so wie andere Rechtssubjekte die an sie gerichteten Verhaltensnormen befolgend anwenden, wenn sie sich bewußt so verhalten, daß sie die an die Verletzung der Verhaltensnorm gerichteten Unrechtsfolgen vermeiden. Die richterliche Anwendung von Sätzen über das Verhalten der Parteien als rules of decision ist oft Anwendung mit dem Ziel, eine Entscheidung in Gestalt einer konkreten Verhaltensnorm zu bilden, durch deren Befolgung der von der Verhaltensnorm angestrebte Erfolg schließlich doch noch verwirklicht wird: Das vollstreckbare Leistungsurteil regelt ein Verhalten der Vollstreckungsorgane, aus dem sich letztlich die Befriedigung des Gläubigers aus dem haftenden Vermögen des Schuldners ergibt (erzwingende Rechtsanwendung). In anderen Fällen zielt die richterliche Anwendung einer „rule of decision" auf eine Neugestaltung der Rechtslage (so insbesondere beim Gestaltungsurteil). In wenigen Fällen hat im Zivilprozeß die richterliche Entscheidung nur eine Realisierung von Unrechtsfolgen zum Ziel, die generalpräventiv wirken soll. Von keinem dieser Zwecke kann die Rede sein, wenn richterliche Anwendung von Recht sich auf die Vorfrage nach dem Entstehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses bezieht. Richterliche Anwendung von ausländischem Recht kann unter Umständen erfolgen mit dem Ziel,
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Anmerkungen zu S. 4 5 - 4 6
§4
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die Verwirklichung dessen, was das ausländische Recht will, zu verhindern; so wenn Akte der Befolgung von ausländischem Recht verboten werden (vgl. S. 20, Anm. 22), und vom inländischen Richter Schadensersatzansprüche anderer Privatpersonen wegen der Verletzung eines solchen Verbots zugesprochen werden. Richterliche „Anwendung" von ausländischem Recht erfolgt schließlich auch, wenn im Tatbestand eines anzuwendenden Rechtssatzes von Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Befolgung einer konkreten Verpflichtung die Rede ist, und aus dem Umstand, daß ausländische Gerichte ausländisches Recht erzwingend anwenden, im konkreten Fall eine solche Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit gefolgert wird. Eine ähnliche Art der Anwendung von ausländischem Recht erfolgt auch, wenn festgestellt wird, daß im Ausland ein Dauerrechtsverhältnis, wie es das im Ausland anwendbare ausländische Recht vorsieht, effektiv geworden ist, obwohl im Inland eine erzwingende Anwendung der betreffenden Rechtssätze nicht vorgesehen ist, vgl. S. 107. In den zuletzt genannten Fällen erfolgt auch eine indirekte „Anwendung" der an die ausländischen Gerichte gerichteten Rechtsanwendungsanweisungen. Hiervon ist aber wieder zu unterscheiden die Anwendung ausländischer Rechtsanwendungsanweisungen auf Grund einer Verweisung in einer inländischen Rechtsanwendungsanweisung, wie insbesondere bei der Gesamtverweisung, vgl. S. 205. Die Befolgung der Rechtsanwendungsanweisungen des eigenen Gesetzgebers durch den Richter führt wieder dazu, daß er, meist in den Gründen seiner Entscheidung, die vom Gesetzgeber angeordnete „Anwendbarkeit" eines nicht von diesem herrührenden Gesetzes „feststellt". Selbst wenn der Gesetzgeber durch Verfassung oder Vertrag verpflichtet ist, das von einem anderen Gesetzgeber geschaffene Recht zu rezipieren — wie z. B. der Westberliner Gesetzgeber bezüglich der mit der Berlinklausel versehenen Bundesgesetze —, so ist die Befolgung dieser Verpflichtung nicht einer gerichtlichen „Feststellung der Anwendbarkeit" gleich zu setzen; die übliche Fassung der BerlinKlausel in Bundesgesetzen ist irreführend. Gesetze, die die Ungültigkeit von Rechtsgeschäften vorsehen, stecken häufig unter Durchbrechung allgemeiner bilateraler Kollisionsnormen den Anwendungsbereich eines solchen Gesetzes durch eine „Sonderanknüpfung" ab, ohne sich über die Anwendbarkeit der Vorschriften ähnlicher ausländischer Gesetze zu äußern, vgl. S. 528. Versteht man unter „unmittelbar anwendbaren" Sachnormen diejenigen, deren Anwendungsbereich nicht über die abgesonderten, ganze „Kategorien" von Sachnormen erfassende Zuweisungsnormen des internationalen Privatrechts zu ermitteln ist, sondern wo für die einzelne positive Sachnorm der Anwendungsbereich vom Gesetz in Verbindung mit der Verlautbarung der Sachnorm selbst festgelegt worden ist, so besagt dies noch nichts darüber, ob der so abgesteckte Anwendungsbereich der Sachnorm im Urheberstaat nicht doch mit dem übereinstimmt, was sonst auf Grund gesonderter Kollisionsnormen dieses Staates anzunehmen wäre. Die abschließende Absteckung des Anwendungsbereichs im Zusammenhang mit der Verlautbarung der Sachnorm selbst besagt aber auch nichts darüber, ob die betreffende Norm deshalb in einem anderen Forumstaat auf Grund besonderer Rechtsanwendungsanweisungen über die Anwendung der im Urheberstaat gesondert angeknüpften Rechtssätze (vgl. S. 530) als berufen zu gelten hat. Was diejenigen, die mit dem Konzept der unmittelbar anwendbaren Sachnormen operieren, im Auge haben, ist meist die Sonderanknüpfung eines einzelnen Rechtssatzes im Urheberstaat, bei welcher es nicht auf eine bestimmte Inlandsverknüpfung ankommt, sondern wo jede völkerrechtlich ausreichende Inlandsverknüpfung zugrundegelegt werden soll. Das geschieht vor allem, wenn das gesamte Privatrecht in einem einheitlichen Gesetz kodifiziert wird; der Anwendungsbereich dieser kodifizierten eigenen Vorschriften wird dann entweder im allgemeinen Teil eines solchen Zivilgesetzbuches geregelt, oder in „Einführungsbestimmungen", oder — wie beim BGB — in einem gesonderten Einführungsgesetz, oder in einem vollständig selbständigen Rechtsanwendungsgesetz (so in der DDR). Das übersehen diejenigen, welche die Regelung menschlichen Verhaltens im heterogen verknüpften Bereich, soweit sie durch Zuweisung an ausländisches Recht erfolgt, als Regelung durch ein „Verweisungsrecht", eine Regelung im homogen verknüpften Bereich sowie die Regelung im heterogen verknüpften Bereich durch Spezialrecht oder Inlandsrecht des Forumstaates als „Entscheidungsrecht" in einen Gegensatz stellen wollen, vgl. Neuhaus, aaO, S. 22 ff. Vgl. hierzu die Ausführungen von Ago bei Picone-Wengler, S. 47. Uber die lex fori-Theorie von Ehrenzweig vgl. seine eigenen Ausführungen in: Multitudo legum ius unum, Bd. 2, S. 251 ff.
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Anmerkungen zu S. 4 6 - 5 0
§4
Daß kein Staat seinem eigenen Inlandsrecht einen solchen subsidiären Universalanwendungsanspruch zuschreiben will, wird besonders deutlich beim Mehrrechtsstaat. Hier kann sicher nicht angenommen werden, daß für jedes einzelne der verschiedenen eigenen Teilrechte, die ja im Verhältnis unter sich von vornherein auf bestimmte abgegrenzte Anwendungsbereiche zurückgeschnitten werden, bei Auslandsverknüpfungen im Zweifel ein universaler Anwendungsbereich in Anspruch genommen werde. 4 9 Ob in der historischen Entwicklung alle Rechte zunächst einen universalen Anwendungsbereich in Anspruch genommen haben, oder umgekehrt, wie das römische Recht, als „Binnenrecht" begonnen haben, kann hier dahingestellt bleiben. 5 0 Die lois d'application immédiate im Sinne von Francescakis sind nicht dahin zu verstehen, daß sie ohne jedes Erfordernis einer Inlandsverknüpfung angewendet werden wollen. Es handelt sich um Rechtssätze, denen ein bestimmter unparitätisch breiter Anwendungsbereich zugewiesen wird, für dessen Begrenzung auf jeden Fall die gesondert formulierten bilateralen Zuweisungsnormen des Urheberstaat nicht maßgebend sein sollen; vgl. oben Anm. 44 und S. 90, Anm. 93. 5 1 Uber die Notwendigkeit, einer „allgemein" gefaßten, d. h. nicht schon vom Gesetzgeber mit Angaben über eine Inlandsverknüpfung versehenen Sachnorm der lex fori einen irgendwie beschränkten Anwendungsbereich zu verschaffen, vgl. die australische Entscheidung Barcelo v. Electrolytic Zinc Co., (1932) 48 C. L. R. 391. 5 1 a Enthält ein Gesetz nur Bestimmungen über die Folgen von Auslandsverknüpiungen, so beziehen sich diese auf die Bildung von Spezialrecht: Ein philippinisches Dekret vom 10. 12. 1974 über Adoption bestimmt, daß ein Ausländer, dem von seinem Heimatstaat die Fähigkeit zu adoptieren entzogen worden ist, nicht unter philippinischem Recht adoptieren kann; ferner kann die Adoption nicht erfolgen, wenn der Adoptionswillige oder der zu Adoptierende einem Staat angehört, mit dem die Philippinen die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben. Ob internationalprivatrechtlich Adoptionsstatut das Heimat- oder Wohnsitzrecht der einen oder anderen Partei ist, oder ob eine kumulative Anwendung mehrerer Rechte stattzufinden hat, muß aus den wenigen kollisionsrechdichen Grundsätzen des Zivilgesetzbuchs entnommen werden. 5 2 Ist eine Ehe zwischen zwei Personen insofern eine hinkende Ehe, als sie in dem einen Staat nur auf Grund einer standesamtlichen Eheschließung, in dem anderen nur auf Grund einer ebenfalls erfolgten kirchlichen Trauung als zustandegekommen gilt, und daher eventuell zeitweise nur in einem dieser Staaten bestanden hat, so bezieht sich doch die Anerkennung der Auslandsscheidung „der" Ehe auf die in dem anerkennenden Staat bestehende Ehe, vgl. AG Lüneburg, IPRsp 1954 — 55, Nr. 193. Zu dem Mißverständnis dessen, daß auch bei übereinstimmender Bejahung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses und Anwendung gleichlautender Bestimmungen auf seine Wirkungen in jedem Staat, der dem Rechtsverhältnis Schutz gewährt, ein selbständiges subjektives Recht neben den parallelen subjektiven Rechten in anderen Staaten anzunehmen ist, trägt es bei, wenn argumentiert wird, der „übliche Sprachgebrauch" sehe z. B. „in der Ehe unabhängig von dieser oder jener positiven Rechtsordnung ein Rechtsverhältnis"; vgl. Neuhaus, aaO, S. 360. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Partner für ihre Ehe im allgemeinen überall in der Welt staatlichen Rechtsschutz anstreben, so trifft auch das nicht immer zu, vgl. dazu S. 600, Anm. 10. S 2 a ObGH Wien 8. 11. 1972, ZRVgl. 1973, 143, begründet die Zusprechung von Unterhalt aus einer in Österreich vor einem englischen Militärgeistlichen geschlossenen und nur in England, nicht aber in Österreich gültigen Ehe damit, daß die Unterhaltsberechtigte „nur in Erfüllung der nach englischem Recht bestehenden Pflicht zur Herstellung der Lebensgemeinschaft" in die Lage kam, nach zwanzigjährigem faktischen Bestehen der Ehe auf Unterhalt durch den Ehepartner angewiesen zu sein. 5 3 Vgl. S. 401. 5 4 Vgl. S. 519 £. 5 5 Der von Schwind als „fatal" bezeichnete Zusatz in dem früheren § 4 aBGB, wonach die österreichischen Bestimmungen über Geschäftsfähigkeit für Österreicher auch für Geschäftserrichtung im Ausland maßgebend sein sollen, „insoweit" das Geschäft auch im Geltungsbereich des aBGB „rechdiche Folgen hervorrufen" soll, erhält seinen guten Sinn, wenn die Parteien Rechtsschutz für ihr Geschäft jedenfalls nicht in Österreich wünschten. Dann will ihnen der österreichische Gesetzgeber auch nicht das Recht geben, durch ein österreichisches Gericht feststellen zu lassen, daß in 48
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§§ 4 , 5
Anmerkungen zu S. 5 0 - 5 2
Österreich der Vertrag wegen Fehlens der Geschäftsfähigkeit der österreichischen Partei ungültig wäre. 5 6 Vgl. aber S. 274. 5 7 Von den Rückerstattungsgesetzen für die Bundesrepublik und einige andere westeuropäische Länder konnte angenommen werden, daß ihre Urheber auch bei heterogen verknüpften Sachverhalten eine erzwingende Anwendung derartiger Gesetze im Ausland nicht erwarteten, und daß auch eine Vollstreckung von Rückerstattungsentscheidungen nur im Inland in Frage kam. Die Gerichte in den Vereinigten Staaten haben auch das Rückerstattungsgesetz für die amerikanische Zone nicht erzwingend anwenden wollen: Dreyfus v. von Finck, 534 F. 2d 24. BGH, IPRsp 1966 — 67, Nr. 14, nimmt an, daß die französische Rückerstattungsgesetzgebung, soweit sie Zahlungspflichten begründet, nur das in Frankreich belegene Vermögen der Gesellschaft, die seinerzeit Entzieher war, sowie das in Frankreich belegene persönliche Vermögen der Mitglieder der Personalgesellschaft haftbar machen könne und wolle. Bestimmungen über die gesetzliche Haftung des Arbeitgebers und seines Versicherers für Arbeitsunfälle sind wegen des Zusammenhangs ihrer Anwendung mit öffentlichen Fürsorgemaßnahmen nur im Urheberstaat anwendbar, meint Ray v. Aetna Casualty and Surety Co. (Ten. 1974) 517 S. W . 2d 194. 5 7 a Obwohl sich bei hinkenden Rechtsverhältnissen eine gerichdiche Stellungnahme im allgemeinen nur auf die Rechtslage bezieht, wie sie im Forumstaat besteht, kann doch unter Umständen zum Ausdruck kommen, daß die Stellungnahme anderer Staaten eine andere ist. Einer infolge des Eingreifens der negativen ordre public-Klausel des Forumstaates hinkenden bigamen Ehe können zwar Wirkungen im Forumstaat verweigert werden, und es kann auch eine Klage auf Trennung dieser Ehe als gegenstandslos abgewiesen werden, doch soll eine förmliche Nichtigerklärung unterbleiben, weil damit die Ehe in dem Staat, in dem sie geschlossen worden ist und für die dortige Rechtsordnung als durch Staatsakt begründet gilt, gar nicht beseitigt werden kann; so die argentinische Entscheidung eines Berufungsgerichts in San Isidro 1978, El Derecho 79 (1978) 401. 5 8 Vgl. dazu S. 674ff. 5 9 Vgl. S. 657ff. 6 0 Vgl. Art. 3, Ziff. 2, litt, e) des italienischen Scheidungsgesetzes vom 1. 12. 1970. 6 1 Einem „bodenverwurzelten" Rechtsdenken früherer Zeiten war es leichter, subjektive Rechte als nur in einem bestimmten Land geschützt und zugleich mit ihren Wirkungen auf dieses Land beschränkt zu verstehen, unbeschadet dessen, daß das Rechtsverhältnis mit dieser räumlichen Beschränkung auch anderswo als rechtmäßig „anerkannt" wurde. Das wurde selbst für höchstpersönliche Rechtsverhältnisse, wie etwa die Namens- oder Titelführung, angenommen: Der preußische König war anfänglich König nur „in Preußen", d. h. in seinem außerhalb des Reiches belegenen Herrschaftsgebiet; in dieser Beschränkung wurde er auch im Reich „als ein König" anerkannt. 6 2 Die absichdich gewollte oder hingenommene Beschränkung der Rechtsschutzgewährung für ein subjektives Recht auf einige Staaten hat nichts damit zu tun, ob die pflichtbegründende Rechtsnorm auf dem Wege über eine persönliche Verknüpfung (z. B. Staatsangehörigkeit) oder über die räumliche Verknüpfung einer Sache oder eines Ereignisses ermittelt wird. Sie hat aber auch nichts damit zu tun, daß der Raum, innerhalb dessen eine Handlung zum Gegenstand eines Monopolrechts gemacht werden soll, aus völkerrechdichen Gründen beschränkt ist. Es ist zwar beliebt, sämdiche Relevanzen ördicher Verknüpfungen zu einem Staatsgebiet, die nicht in Verknüpfungen einer Person bestehen, zusammenzufassen und von einem „Prinzip der Territorialität" zu sprechen, doch ist dies wissenschaftlich ertraglos.
§ 5. Die Folgen divergierender Stellungnahmen der verschiedenen Staaten zu heterogen verknüpften Sachverhalten 1
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So, wenn durch Vermögenserwerb im Ausland seitens einer Partei an einem Rechtsverhältnis nunmehr für sie dort der Gerichtsstand des Vermögens neu begründet wird. Böhmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, Bd. I, S. 94, spricht von dem materiellen Privatrecht als einer „Verhaltensordnung" für die Menschen, soweit sie nicht als Mitglieder von
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Anmerkungen zu S. 5 3 - 5 6
§5
Staatsorganen tätig sind; zur Verwirklichung dieser Verhaltensordnung trage vor allem die „obrigkeitliche" Tätigkeit der Gerichte bei, die wiederum ihrerseits durch das Verfahrensrecht vom Gesetzgeber geregelt werde. Neben der Festellung von Rechtspflichtverletzungen durch ein staatliches Gericht und eventueller Zwangsvollstreckung eines Leistungsurteils durch Staatsorgane sind auch in heterogen verknüpften Situationen — vor allem bei der Verletzung obligatorischer Verträge — Akte der „Privatjustiz" von privaten (meist „Schieds"-)Gerichten denkbar, denen dann auch „private" Sanktionen, z. B. in Gestalt der Verweigerung weiterer Vertragsabschlüsse mit dem Verurteilten, nachfolgen können. Dem ausgehenden europäischen Mittelalter, welches bezüglich der Unparteilichkeit vieler Richter, und erst recht bezüglich ihrer Befähigung, sich das Vertrauen der Parteien zu rechtsschöpferischer Tätigkeit zu verschaffen, außerordentlich skeptisch war, war gerade an diesem Ziel besonders viel gelegen, auch wenn es sich nicht um die Streitentscheidung in heterogen verknüpften Situationen handelte. Anstatt, wie spätere Kodifikationen es getan haben, als subsidiäre Entscheidungsgrundlage Naturrecht, Billigkeit oder Rechtsempfinden des Richters zuzulassen, bilden manche gesetzlichen Rechtsanwendungsanweisungen jener Zeit komplizierte Staffeln von gesetzten Rechtsquellen, unter denen zum Teil auch die Gesetze benachbarter Gebiete aufgeführt werden, die beim Schweigen der vorrangigen Rechtsquellen herangezogen werden sollen, selbst wenn keinerlei Verknüpfung zu dem betreffenden Staat besteht; vgl. Gorla in: Studi in onore di Chiarelli, 1974, Bd. IV, S. 3471 ff. Vgl.S.5. a Die sogenannte trouble case method der Rechtsanthropologie will als (Gewohnheits-)Recht nur diejenigen Normen betrachten, "which will be recognized as proper to prevail in the pinch", d. h. nachträglich von den Gerichten im Streitfall angewendet werden, Llewellyn and Hoebel, The Cheyenne Way, 1941, S. 23. Die Adatsrechtsforschung für Indonesien hat Untersuchungen angestellt, welche sonstigen Arten „behördlicher Normanwendung" das Verhalten potentieller Normbefolger beeinflussen können. Merkwürdigerweise sind entsprechende rechtssoziologische Untersuchungen und deren wissenschaftliche Aufbereitung für die entwickelten westlichen Rechte äußerst rar. Obwohl das amerikanische Rechtsdenken besonders geneigt ist, im internationalen Privatrecht ausschließlich an den Richter adressierte Anweisungen zur Verwendung von rules of decision zu sehen und es zu ignorieren, daß diese Rechtsanwendungsanweisungen indirekt das Verhalten der Parteien vor dem Prozeß beeinflussen können bzw. sollen, ist doch gerade denjenigen, die das geltende Recht gestalten, das Ziel der „predictability of legal obligations in multi-state transactions" durchaus bewußt. Obwohl es nicht verfassungswidrig sein würde, wenn die, bei unterschiedlicher „citizenship" anstelle der gliedstaadichen Gerichte fakultativ zuständigen, Bundesgerichte besondere bundesrechthche Rechtsanwendungsanweisungen erhielten, erklärt sich die Anweisung, das internationale Privatrecht des Sitzstaates seitens der Bundesgerichte anzuwenden (vgl. S. 351, Anm. 119), in erster Linie aus der Einsicht, daß die Bildung eines besonderen internationalen Privatrechts für die Bundesgerichte die Unsicherheit über das zu befolgende Recht vergrößern würde. Aus dieser Erwägung heraus ist auch der Vorschlag, dem Bundesgericht die Wahl zwischen den Kollisionsrechten derjenigen Staaten zu lassen, deren gliedstaatliche Gerichte bei Einverständnis der Parteien anstelle des Bundesgerichts treten könnten, nicht verwirklicht worden; vgl. dazu Study of the Division of Jurisdiction between State and Federal Courts (American Law Institute), 1969, S. 442 ff. und 461 ff. In fast allen Ländern tragen die gesetzlichen Vorschriften, welche eine „Rechtsberatung" den dafür zugelassenen Angehörigen bestimmter Berufe nicht nur im Zusammenhang mit bereits anhängigen gerichtlichen Verfahren, sondern auch als vorsorgliche Rechtsberatung vorbehalten wollen, den Besonderheiten der Rechtsberatung in international verknüpften Situationen nur ungenügend Rechnung. Ganz abgesehen von der vielfach unzureichenden Ausbildung der Anwälte im internationalen Privatrecht ist es unbefriedigend, daß etwa der deutsche Anwalt den Mandanten nur über die Rechtslage beraten kann, die bei einem eventuellen Prozeß vor einem deutschen Gericht von diesem „festgestellt" würde, und daß er den Mandanten für eine entsprechende Beurteilung der Rechtslage im Ausland auf einen ausländischen Anwalt verweisen muß. Die Konzentrierung und Koordinierung der Information in der Hand eines internationalprivatrechtlich und rechtsvergleichend geschulten Rechtsberaters müßten hier Gegenstand spezialrechtlicher Regelungen werden. Eine abgewogene Sicht des Phänomens, daß die richterliche Entscheidung z. T. voraussehbare
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§§ 5 , 6 , 7
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Ableitung einer konkreten Aussage aus dem abstrakten normativen Inhalt einer „rule of décision", z. T . jedoch ein nur vermutbares oder gar unerwartetes Resultat anderer wertender Argumentation ist, bei Wröblewski, La règle de décision dans l'application judiciaire du droit, in: L a règle de droit, herausgegeben von Perelman, Brüssel 1971, S. 68 ff. ? Vgl. Vgl. 1 1 Vgl. 1 2 Vgl. 10
S. 120. S. 17. darüber S. 457. darüber S. 68.
§ 6. Folgen der Anwendung von Rechtsinhalten aus verschiedenen Rechtssystemen im Rechtserzwingungssystem des Forumstaates 1 2
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Vgl. S. 85 ff. Vgl. Enneccerus, Bürgerliches Recht, 1926 1 1 , Bd. I, 1, S. 84. In den Neustaaten Afrikas wurde die ordre public-Klausel des intergentilen Rechts der Kolonialzeit vielfach aufrechterhalten als eine G e neralklausel, welche den Gerichten die Ablehnung der Anwendung von solchem Stammesrecht ermöglicht, welches allzu kraß von dem übrigen Stammesrecht im Staat abweicht; vgl. S. 295, Anm. 75. Vgl. S. 74 ff.
§ 7. Leitprinzipien zur Gestaltung des internationalen Privatrechts 1
Die „general Standards" des internationalen Privatrechts, welche Gegenstand eines Konventionsentwurfs der Organisation amerikanischer Staaten geworden sind (vgl. O A S D o c . Ser. Q . IV. 16. C . J . I. 35), sind teils rechtspolitische Postulate für das internationale Privatrecht in dem hier zugrundegelegten Sinn, teils Anforderungen an die staatlichen Kollisionsrechte, die als Konkretisierung völkerrechdicher Grundsätze über Grundrechte der Staaten und Behandlung der Ausländer verstanden werden sollen.
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U b e r den Gleichheitssatz als Grundlage für die Methode der paritätischen Zuweisungen vgl. Lorenz, Zur Struktur des Internationalen Privatrechts, 1977, S. 60 ff. Die Ansicht, es gäbe eine besondere „internauonalprivatrechdiche Gerechtigkeit" (vgl. Kegel aaO, S. 54 ff. und Neuhaus aaO, S. 42 ff.), verkennt, daß es sich um die Verwirklichung des Gleichheitsgedankens handelt. Darüber, daß bei der Wahl der Anknüpfungsmomente die „Sachgerechtigkeit" erfordert, daß ungeeignete Verknüpfungen nicht Anknüpfungsmomente werden, sowie darüber, daß mehrere Verknüpfungen häufig gleich geeignet sind, um paritätischen Zuweisungsnormen zugrunde gelegt zu werden, vgl. S. 226. Vgl. S. 5 1 9 f . 5 Vgl. S. 331. Die Vorstellung, daß es Privatrechtssätze gäbe, welche trotz gewisser Verschiedenheiten in allen nationalen Rechten wiederkehren und deshalb für die Gerichte aller Staaten zur Anwendung fähig seien, und daß die nicht hierzu gehörenden „anormalen" Gesetze nur im Urheberland zur Anwendung gelangen können, hat sich in der Vorstellung von den „droits civils" im französischen Recht eine Zeitlang Geltung verschafft, kann aber heute als aufgegeben gelten: Vorwiegend an den das common law abändernden Gesetzen über Schadensersatzpflichten gegenüber den Angehörigen einer rechtswidrig getöteten Person hat sich in den Vereinigten Staaten zeitweise die Vorstellung orientiert, daß ausländisches Recht nur dann anwendungsfähig sei, wenn es der lex fori gleich oder wenigstens ähnlich sei. Die „similarity doctrine" hat sich nur in der Rechtsprechung von Texas bis in die neueste Zeit gehalten, vgl. darüber McCaffrey, Pollution suits between Citizens of the Republic of Mexico and the United States, 1976. Neuerer Sprachgebrauch verwendet den Ausdruck „Kollisionsrecht" nicht nur für internationale, interregionale und intergentile Rechtsanwendungsanweisungen und die des intertemporalen Rechts, sondern auch für Regeln über den Vorrang von speziellem vor allgemeinerem Recht, von Bundesrecht vor gliedstaadichem Recht (vgl. B V e r f G E 36, 363), von transformiertem Völkerrecht
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vor sonstigem innerstaatlichen Recht usw. Daran ist richtig, daß auch solche Sätze den Normadressaten vor kollidierenden Verhaltensgeboten bewahren können und wollen. Trotzdem ist wichtig, daß man sich der spezifischen Eigenart des Kollisionsrechts im engeren Sinne bewußt bleibt: Materielle Rechtssätze erhalten zunächst getrennte Anwendungsbereiche für die homogen verknüpften Situationen, das „Kollisionsrecht" befaßt sich mit der Bildung einer Stellungnahme des Rechts zu heterogen verknüpften Situationen und läßt sich dabei auch von dem Ziel leiten, die Normadressaten möglichst vor Pflichtenkollisionen zu bewahren. Entscheidungsgleichheit besteht nicht darin, daß mehrere Verfahren vor den Gerichten mehrerer beteiligter Länder ablaufen und mit inhaltsgleichen Entscheidungen enden; was gemeint ist, ist, daß die Gerichte aller Länder, wenn sie zur Sachentscheidung kämen, zu demselben Ergebnis kommen müßten. Aus der wohl stets illusorischen Annahme, daß das materielle Recht auf bestimmten Sachgebieten bereits für die überwiegende Mehrheit der Länder tatsächlich einheitlich sei, entsteht manchmal der Gedanke, einer Kodifikation sei im Verhältnis zu anderen Ländern in unparitätischer Weise ein möglichst großer Anwendungsbereich zuzuschreiben. Mangels ausdrücklicher Wahl eines anderen Rechts sollen die Bestimmungen des Uniform Commercial Code, wenn er in einem amerikanischen Gliedstaat Gesetz geworden ist, dort interregional und international anwendbar sein, sofern nur irgendeine angemessene Verknüpfung zu dem betreffenden Staat besteht, vgl. § 1 — 103. Das wird damit begründet, daß der Code das „restatement of the law merchant" einer „business Community" sei, „which transcends State and even national borders." Vgl. weiterS. 118 ff. Werden Einwanderer aus einem bestimmten anderen Land zur Mehrzahl der Bewohner eines Gebiets, so wird nicht nur bei Anwendung des bisherigen ördichen Rechts auf diesen Personenkreis die Auslegung gesetzlicher Vorschriften von den Rechtsvorstellungen im Herkunftsland der Zuwanderer beeinflußt, sondern es wird auch von den Gerichten der Tatsache Rechnung getragen, daß die Eingewanderten sich nicht mit dem örtlichen Recht vertraut gemacht haben. Uber die Verdrängung des anfänglich weiterhin in Kraft stehenden spanischen Rechts in der Panamakanalzone durch das common law und die Rechtfertigung dieses Vorgangs durch den „population factor" vgl. Bray, The common law zone in Panama, San Juan, 1977, S. 108 f. Auch wenn das anwendbare Recht über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem der beteiligten Staaten gesucht wird, so kann bei internationalen Organisationen, die ja gerade über ihren Mitgliedstaaten stehen sollen, nicht unberücksichtigt bleiben, daß dieser Gesichtspunkt gegen die Anwendung des Rechts eines dieser Staaten spricht. Eine Parallele zu dem Gedanken der Nichteignung von nationalem Recht für private Rechtsbeziehungen internationaler Organisationen findet sich darin, daß in den Vereinigten Staaten privatrechdiche Beziehungen des Bundes (des federal government) vielfach nicht nach den Rechten der verschiedenen einzelnen Gliedstaaten, sondern nach einem federal common law beurteilt werden, vgl. darüber Hay, in: Legal thought of the US, 1970, S. 281 ff. Vgl. Art. 215 (2) des Vertrages über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft: „Im Bereich der außervertraglichen Haftung ersetzt die Gemeinschaft den durch ihre Organe in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind". Vgl. S. 296. Vgl. S. 295. So erklärt sich insbesondere die Schaffung des früheren „gemischten Zivilrechts" für Ägypten, welches Spezialrecht für die vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Einheimischen und den in Ägypten ansässigen Ausländern, sowie zwischen diesen Ausländern unter sich, darstellen wollte. So wollte das mittelalterliche „law merchant" in erster Linie uniformes Seehandelsrecht für international verknüpfte Situationen sein. Vgl. S. 442. Zu denken wäre an die Frage nach etwaigen Monopolrechten zur Gewinnung von Mineralien auf dem Meeresboden außerhalb der nationalen Wirtschaftszonen. Hier wird z. B. die Zulassung von Schiedsgerichtsbarkeit in größerem Umfang als für Geschäfte der nationalen Märkte gefordert, desgleichen die „Freiheit" von Goldklauselverboten usw.
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ziehen sei, welche die Verhaltensfreiheit im Interesse der dadurch Geschädigten durch gesetzliche Unterlassungsansprüche und Schadensersatzansprüche einschränkt, eine diskriminierende Ungleichbehandlung, so gilt dies auch, wenn man das Gegenteil zum Postulat macht. In den Fällen, wo Unterlassungsansprüche nicht in Frage kommen, sondern nur Schadensersatzansprüche, ist ein dem Gleichheitsbedürfnis genügender Kompromiß denkbar, wenn im Recht des einen verknüpften Staates ein Schadensersatzanspruch vorgesehen ist, in dem Recht des anderen noch mit der Sache verknüpften Staates hingegen nicht; hier könnte dem Schadensersatzanspruch nur zur Hälfte stattgegeben werden. Diese Lösung ist allerdings schon nicht mehr durchführbar, wenn drei Staaten beteiligt sind, von denen zwei Schadensersatzansprüche in unterschiedlicher Höhe, und der dritte gar keinen Schadensersatz gewähren will. Noch stärker als im Privatrecht macht sich vielleicht das Bedürfnis der Gleichbehandlung der an homogen und an heterogen verknüpften Situationen beteiligten Rechtssubjekte durch paritätische Absteckung der Anwendungsbereiche von Gesetzen im Steuerrecht bemerkbar, wo durch Doppelbesteuerungsabkommen den nationalen Steuergesetzen derartige Grenzen gesteckt werden. Nur selten wird das Recht zur Besteuerung heterogen verknüpfter Tatbestände den Staaten entzogen und durch Spezialrecht einem supranationalen Steuerfiskus zugewiesen, wie z. B. bei Besteuerung der Gehälter der Beamten der EWG. Nicht als „Oase", sondern als „Lücke" wird es zumeist empfunden, wenn bei einer bestimmten Konstellation der Verknüpfungen kein staatliches Recht selbst auf die Frage anwendbar sein will, ob durch Rechtsgeschäft ein Rechtsverhältnis begründet werden kann, und wenn man das Fehlen der Anwendungswilligkeit des im Forumstaat berufenen ausländischen Rechts beachten möchte (vgl. S. 100ff.). Dann dürfte es aber keineswegs immer erforderlich sein, durch subsidiäre Weisungen unbedingt ein staatliches Recht, evtl. auch gegen seinen Willen, als anwendbar zu erklären: Erfordert der eine Staat, daß zur Anwendbarkeit seines Rechts auf eine Adoption beide Beteiligten seine Staatsangehörigkeit haben, während ein anderer Staat vielleicht für die Anwendung seines Rechts gemeinsamen Wohnsitz auf seinem Staatsgebiet erfordert, so können „gemischte" Adoptionen nicht zustande kommen. Daraus ist aber nicht schon die Forderung herzuleiten, daß die Verwendung von solchen Zwillingsanknüpfungen im Gesetz zu vermeiden wäre; vielfach kann den Beteiligten ja zugemutet werden, daß sie selbst ihre persönlichen Verknüpfungen so einrichten, daß ein anwendungswilliges Recht zur Anwendung gelangen kann. Vgl. S. 99. Vgl. S. 103. Vgl. S. 217. 2 7 Vgl. ferner S. 419. Daß die Haftungsbeschränkung des Reeders bei Schiffskollisionen in nationalen Gewässern sich nach dem Gebietsrecht des Unfallortes richten soll, rechtfertigte BGH, IPRsp 1958—59, Nr. 74, u. a. damit, daß auf diese Weise alle Beteiligten, wenn jedem infolge Verschuldens eine Haftung obliegt, nach denselben Grundsätzen haften. Vgl. ferner S. 430. Vgl. S. 661. Erfordert die materielle Harmonie im Forumstaat, daß die Frage, ob jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt (noch) gelebt hat, oder die Frage, ob eine natürliche Person von einer anderen abstammt, wenn sie im Forumstaat bei der Anwendung eigenen oder ausländischen Rechts auftaucht, immer gleich beantwortet wird? In dieser generellen Fassung ist die Frage zu verneinen; es sind immer nur bestimmte Konstellationen, bei denen eine unterschiedliche Lösung der Frage untragbar wäre: Es wäre beispielsweise mißlich, wenn bezüglich der Rechte an verschiedenen in demselben Staat belegenen Sachen durch die Gerichte dieses Staates angenommen werden müßte, daß das Recht in der einen Sache kraft Erbfolge zu diesem Zeitpunkt, das Recht an einer anderen Sache hingegen zu einem anderen Zeitpunkt von dem früheren Inhaber mit seinem Tode auf einen neuen Inhaber übergegangen sei. Wohl aber kann bei Anwendung verschiedener Erbrechte auf den erbrechtlichen Inhaberwechsel an diesen Sachen im Lagestaat eine als Erbe in Frage kommende Person in dem einen Fall als vor dem Erblasser verstorben gelten, in dem anderen hingegen nicht. Erst recht kann ein Forumstaat den von ihm für die Erbfolge in das inländische Vermögen fixierten Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht einem anderen Lagestaat von Nachlaßgegenständen aufdrängen, vgl. S. 668 ff.
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Ist im Forumstaat eine positive Feststellung eines konkreten Abstammungsverhältnisses zwischen zwei Menschen unter Verwendung aller verfügbaren Beweis- und Gegenbeweismittel zustande gekommen, so erfordert die materielle Harmonie, daß diese Feststellung in diesem Staat zugrunde gelegt wird, wenn das eigene Recht Rechtsfolgen an die Abstammung anknüpft. Im Interesse der materiellen Harmonie in diesem Staat kann die Feststellung auch ohne weiteres zugrunde gelegt werden, wenn in dem Urheberstaat eines berufenen ausländischen Rechts keine gegenteilige Feststellung rechtskräftig geworden ist, und das berufene ausländische Recht ebenfalls der Abstammung eine Bedeutung beilegt, aber sich sogar mit dem Beweis einer geringeren Wahrscheinlichkeit begnügt hätte. Wird die Feststellung der Vaterschaft deshalb verweigert, weil der im inländischen Recht geforderte volle Beweis nicht zu erbringen ist, und wird auf Widerklage hin festgestellt, daß der Beklagte keinesfalls der Vater des Kindes sein kann, so ist die materielle Harmonie nicht beeinträchtigt, wenn z. B. für Unterhaltsansprüche ein ausländisches Recht zur Anwendung gebracht wird, welches den Unterhaltsanspruch gar nicht an die erwiesene oder wahrscheinliche Abstammung anknüpft, sondern allein an die Übernahme des Risikos, Vater eines Kindes durch Verkehr mit der Mutter zu werden. Vgl. S. 90. Vgl. S. 175, Anm. 84. Vgl. dazu weiter S. 218. Vgl. dazu weiterS. 188. Uber die Haltung der amerikanischen Rechtssprechung vgl. S. 182, Anm. 103. Paritätische Anwendung in- und ausländischen Rechts fordert R G Z 80, 262, für die Frage der Geschäftsfähigkeit. Im übrigen wurde die Erweiterung der einseitigen Zuweisungen des E G B G B an das deutsche Recht zu zweiseitigen Kollisionsnormen mehr oder weniger pragmatisch begründet, vgl. etwa R G Z 62, 400. Die auf der „eigenartigen Entstehungsgeschichte" beruhende Lückenhaftigkeit des E G B G B nötigte die Rechtsprechung sogar noch zur Untersuchung der Frage, ob ein Ausländer auch bei nichtdeutschem Wohnsitz nach seinem Heimatrecht beerbt werde, nachdem das Gesetz sich nur über die Beerbung von Ausländern mit inländischem Wohnsitz für die Anwendbarkeit des Heimatrechts ausgesprochen hatte, vgl. R G Z 91,139. Vgl. BVerfGE 31, 86. Die Terminologie „äußere Entscheidungsharmonie — innerer Entscheidungseinklang", die das Bundesverfassungsgericht offenbar aus der Literatur übernommen hat, ist irreführend. Vorzuziehen ist es, einmal von „internationaler Entscheidungsgleichheit", und das andere Mal von „interner Harmonie der rechtlichen Beurteilungen" zu sprechen. Vgl. S. 61. Die Verwendung des Ausdrucks „ordre public" in solchen Sätzen eines Inlandsrechts, welche die Rechtswirksamkeit privater Rechtsgeschäfte reduzieren, wenn die causa in einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften besteht, und in der Generalklausel, auf Grund welcher die Anwendung von berufenem ausländischen Recht im Einzelfall ausgeschlossen wird, hat vor allem in der französischen und italienischen Wissenschaft zu der Unterscheidung zwischen „ordre public interne" und „ordre public international" Veranlassung gegeben. Kommt es zur Nichtanwendung eines ausländischen Gesetzes, welches die allgemeine Vertragsfreiheit einschränkt, so spricht die italienische Lehre von „ordine pubblico permissivo", weil man mit dem Begriff des ordre public zunächst einmal die Vorstellung einer zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwendigen Freiheitsbeschränkung verbindet. Andererseits ist damit die Vorstellung gefördert worden, die Ablehnung der Anwendung ausländischer Rechtssätze — und zwar auch derjenigen, welche anderes tun als Rechtsgeschäfte als rechtswirksam zu erklären — müsse irgendwie doch etwas mit der „öffentlichen Ordnung" des Forumstaates zu tun haben, und alle Rechtssätze, in denen sich der Begriff des ordre public findet, müßten auf eine gemeinsame allgemeine Konzeption zurückzuführen sein. So will beispielsweise Palaia, L'ordine pubblico „internazionale", 1974, S. 51, den Begriff des ordre public generell dahin verstehen, daß es sich um die „Minimalbedingungen für die Erhaltung der staatlichen Rechtsordnung" handeln soll. Die ordre public-Klauseln der sozialistischen Länder nehmen ausdrücklich auf die „unveränderlichen Grundprinzipien der gesellschaftlichen und staadichen Ordnung" des Forumstaates Bezug; 771
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Anmerkungen zu S. 74 so zuerst Art. 36 des tschechoslowakischen IPR-Gesetzes vom 4. 12. 1963. Das Spezialrecht für Geschäfte des internationalen Handelns, wie es einige dieser Länder kennen, ist daher so abgefaßt, daß es sich — jedenfalls nach Ansicht des betreffenden Gesetzgebers — für die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen sozialistischen und nichtsozialistischen Ländern trotz der Unterschiede ihrer sozialen und politischen Systeme eignet; so ausdrücklich An. 1 des tschechoslowakischen Gesetzes vom 4. 12. 1963 über die internationalen Handelsbeziehungen. Ungewöhnlich ist die Formulierung der ordre public-Klausel in Severn v. Adidas Sportschuhfabriken, 109 Cal. Rptr. 328 (1973): „Foreign laws will not be given effect when they are contrary to the law, the public policy, or the general interest of the Citizens of the State of the forum." Es kommt vor, daß ein einzelner Satz des nationalen Rechts den Gerichten ermöglicht, im Rahmen eines breiten Ermessens von einer in diesem abstrakten Rechtssatz vorgesehenen Wirkung im Einzelfall anzunehmen, daß sie nicht eintritt, wenn wichtige staatliche Interessen durch den Eintritt der Rechtswirkung gefährdet wären; so etwa wenn das Recht eines jeden Bürgers auf Ausstellung eines Reisepasses entfällt, weil unter den Umständen des Einzelfalles ein wichtiges staatliches Interesse als gefährdet betrachtet wird. Es ist möglich, daß ein Staat seinen Gerichten ermöglicht anzunehmen, daß eine solche Generalklausel als jedem Gesetz dieses Landes stillschweigend eingefügt sei. Das ist jedoch in den meisten Staaten zu verneinen (anders vielleicht in den Sowjetländern). Eine Generalklausel, von dem Inhalt gewisser Rechtsquellen abzugehen, wenn ein besonders wichtiges staatliches Interesse dies erfordert, findet sich unter Umständen in Anordnungen des zentralen Gesetzgebers gegenüber den von delegierten lokalen Gesetzgebern herrührenden Norminhalten. Meist sind es nur die Inhalte der durch Privatpersonen errichteten pflichtbegründenden Rechtsgeschäfte die an Hand einer Generalklausel vom Richter im Einzelfall verworfen werden können, wenn ein wichtiges öffentliches Interesse dafür besteht. Im Anschluß daran hat sich die Auffassung gebildet, es bestehe eine entsprechende Generalklausel, jedenfalls insoweit ausländisches Recht zur Anwendung berufen ist. Wäre es eine politische Ermessensentscheidung, ob die Anwendung ausländischen Rechts im Einzelfall zu einer Schädigung von politischen Interessen des Forumstaates führt, und würde die Anwendung eines gleichlautenden Satzes in der lex fori von einer Entscheidung einer nichtgerichtlichen Behörde im Einzelfall abhängig sein, so wäre es durchaus konsequent zu verlangen, daß die negative ordre public-Klausel des internationalen Privatrechts nicht von den Gerichten, sondern von der Regierung oder einer Verwaltungsbehörde gehandhabt wird. Verständlicherweise haben Staaten mit gesicherter Unabhängigkeit ihrer Gerichte Bedenken anzuordnen, daß die Gerichte bei Anwendung ausländischen Rechts jedesmal der Regierung die Frage vorzulegen hätten, ob insbesondere eine erzwingende Anwendung solchen Rechts zulässig sein soll oder nicht. Bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, welche auf Vornahme oder Unterlassung von bestimmten Handlungen gehen, ist es schon eher denkbar, daß sich hier die Regierung die Genehmigung vorbehält; vgl. den südafrikanischen Protection of Businesses Act 1978. Nach dem australischen Foreign Antitrust Judgments (Restriction of Enforcement) Act 1979 kann der Attorney-General Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, die auf Grund ausländischer Kartellgesetze ergangen sind, verbieten, wenn dies durch ein australisches Staatsinteresse geboten ist. Spezialrecht über Beteiligung inländischer Behörden an der Erhebung von Beweisen für Verfahren vor ausländischen Gerichten enthält der australische Foreign Proceedings (Prohibition of Certain Evidence) Act 1977: Der Attorney-General kann solche Rechtshilfeakte verbieten, wenn entweder das ausländische Gericht Zuständigkeit entgegen dem Völkerrecht oder der comity ausübt, oder wenn das Verbot durch ein „nationales Interesse" Australiens erfordert wird. Daß die ordere public-Klausel generell in dieser Weise zu verstehen sei, kann für das deutsche internationale Privatrecht nicht angenommen werden. Der Richter hat davon auszugehen, daß der deutsche Gesetzgeber, wenn er nicht eine Ermächtigung zur Abweichung vom Gesetz im Einzelfall gibt, selbst geprüft hat, was das öffentliche Interesse erfordert. Hat nun der Richter abstrakte ausländische Rechtssätze anzuwenden, so hat er zu fragen, ob Abweichungen des ausländischen Rechts von dem, was bei Anwendbarkeit des inländischen Rechts gelten würde, darauf beruhen, daß der ausländische Gesetzgeber etwas bestimmt hat, was der eigene Gesetzgeber mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse anders geregelt hat, oder was er, wenn keine positive Regelung besteht, bei Berücksichtigung des öffentlichen Interesses keinesfalls so geregelt hätte wie das, was im ausländi-
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sehen Gesetz steht. Ist dies der Fall, so liegt eine untragbar krasse Abweichung vom eigenen Recht vor, die beim Vorhandensein einer ausreichenden Binnenbeziehung zur Nichtanwendung des ausländischen Rechts führt. Eine untragbare krasse Abweichung des berufenen ausländischen Rechts, die zur Nichtanwendung des ausländischen Rechts führt, kann jedoch durchaus vorhanden sein, ohne daß die Frage nach dem öffentlichen Interesse aufgeworfen wird. Nur in seltenen Fällen kann eine untragbare Abweichung auch darin bestehen, daß das ausländische Gesetz, im Gegensatz zu dem entsprechenden Gesetz der lex fori, keine Möglichkeit vorsieht, seine Geltung im Einzelfall aus Gründen des öffendichen Interesses zu verneinen. Die ordre public-Klausel ermöglicht aber nicht, einem in seiner abstrakten Fassung nicht wegen Abweichung anstößigen Gesetz die Anwendung zu versagen, weil es sich um ein ausländisches Gesetz handelt und aus Gründen des öffentlichen Interesses die Anwendung im Einzelfall unerwünscht ist, wenn diese Erwägung bei einem gleichlautenden inländischen Gesetz nicht angestellt werden dürfte: Können die Eltern unter der lex fori nicht unter Berufung auf ein öffentliches Interesse gehindert werden, ein Kind mit ungewöhnlichen Begabungen mit ins Ausland zu nehmen, wo entweder seine Begabung vermutlich dem neuen Wohnsitzstaat zugutekommen wird, oder wo die Befähigung nicht so entwickelt werden kann wie bisher, so kann erst recht nicht bei Anwendbarkeit ausländischen Sorgerechts die Auswanderung eines Kindes ausländischer Eltern mit diesem Argument gehindert werden. Geht man davon aus, daß ein öffentliches Interesse des Heimatstaates und des Wohnsitzstaates besteht, Entscheidungen betreffend die Sorgegewalt über Kinder am Wohl des Kindes zu orientieren, und daß das alte Haager Vormundschaftsabkommen die Anwendung des Heimatrechts des Kindes unter diesem Vorbehalt des ordre public gebot, so hätte in der Sache Boll das schwedische Gericht prüfen dürfen, ob bei Anwendung des niederländischen Rechts das Kindeswohl in einer Weise gefährdet worden wäre, die nach schwedischem Recht nicht tragbar ist. Der Internationale Gerichtshof (vgl. Recueil CIJ 1958, 55) ist dieser Frage ausgewichen, indem er sich auf den Standpunkt gestellt hat, daß das ganze schwedische Gesetz über die Schutzerziehung keine Vormundschaft im Sinne der Haager Konvention darstelle. Eine von dem Verständnis der Generalklausel betreffend das Wohl des Kindes abweichende Art der Handhabung dieser Klausel im Ausland kann als so stoßend betrachtet werden, daß die Anerkennung der unter dem ausländischen Recht ergangenen Entscheidung mit Hilfe der ordre public-Klausel verweigert wird, vgl. Cass. Paris, Rev. Crit. 1979, 617. Wieder andere Vorstellungen vom Wesen des ordre public liegen den Ausführungen von Lauterpacht und Moreno in der Boll-Entscheidung zugrunde. Sie betrachten ganze Kategorien von Rechtssätzen (Strafrecht, Verwaltungsrecht usw.) „als zum ordre public gehörig" und betrachten es als selbstverständlich, daß im Bereich der Anwendungswilligkeit eines derartigen Gesetzes abweichende in den Kollisionsnormen berufene ausländische Vorschriften des Privatrechts unanwendbar sind. Nur wenn die Anwendung der ausländischen Gesetze in dem völkerrechtlichen Vertrag geboten ist, soll nach Lauterpacht eine besondere Zurückhaltung bei der Anwendung der eigenen ordre public-Vorschriften geboten sein. Moreno, der den Kreis der ordre public-Vorschriften noch weiter zieht als Lauterpacht, legt nur Wert darauf, daß eine Binnenbeziehung zu dem Urheberstaat einer ordre public-Vorschrift vorliegt. Diese Konzeption nähert sich der Vorstellung von sonderangeknüpften Sätzen, denen, um nicht ihren Zwick zu verfehlen, im Urheberstaat ein besonders breiter Anwendungsbereich zugewiesen wird, vgl. S. 90. Widerspruchsvoll ist es, wenn Lauterpacht einerseits betont, daß alle Gesetze über die Behandlung von Kindern usw. sowohl einem öffentlichen Interesse, als auch dem privaten Interesse des Kindes dienen wollen, und wenn er andererseits doch wieder nicht dem schwedischen Gesetz über Zwangserziehung (von dem vorher gesagt wurde, daß das niederländische Recht dieselben Ziele mit den Vorschriften seines Privatrechts anstrebt) den Charakter einer vorrangigen ordre public-Vorschrift zulegen will. Unverjährbarkeit einer Forderung unter dem maßgebenden Schuldstatut gilt nach RGZ 106, 82 als eine untragbare Abweichung von deutschem Recht. Selbst verhältnismäßig geringfügige Reformen des traditionellen Rechts im Forumstaat veranlassen unter Umständen die Gerichte, ein ausländisches Recht, welches bei der Tradition geblieben ist, vermittels der ordre public-Klausel auszuschalten; so hält Trib. Civ. Tunis, Rev. Tun. D. 1977, 91, das marokkanische Scheidungsrecht als ungeeignet, in Tunesien angewendet zu werden. 773
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Anmerkungen zu S. 74 Eine Störung der „öffentlichen Ordnung" könnte darin zu sehen sein, daß die von den Gerichten des Forumstaates zur Befolgung der Sätze der lex fori angehaltenen Rechtssubjekte angesichts einer erzwingenden Anwendung kraß abweichenden ausländischen Rechts durch diese Gerichte das Vertrauen in die Gerechtigkeit der eigenen staatlichen Rechtsordnung verlieren. Es handelt sich hier um dasselbe Motiv, das hinter den Sätzen steht, welche das freie Ermessen, gegen Normverletzungen einzuschreiten, durch eine Pflicht zum Einschreiten verdrängen wollen für den Fall, daß das Ausbleiben der Unrechtsfolge das hervorrufen könnte, was im kanonischen Recht als „scandalum" bezeichnet wird. So wie die ordre public-Klausel tatsächlich in der Praxis gehandhabt wird, erfordert sie aber keineswegs eine solche Gefahr der Störung der öffendichen Ordnung. BGH IPRsp 1966 — 67 Nr. 90 spricht von ausländischen „Rechtseinrichtungen", die „den deutschen Rechtsvorstellungen so fremd sind", daß durch die Anerkennung und Verwirklichung dieser Einrichtungen seitens deutscher Gerichte „als untragbar empfundene Zustände rechtlich sanktioniert würden". ObGH Wien, Ö J Z 1977, 638/257, sieht den Anlaß zur Verweigerung der Anwendung von berufenem ausländischen Recht darin, daß sein Inhalt so von dem inländischen Recht abweicht, daß er mit der inländischen Rechtsordnung „vollkommen unvereinbar" wäre. Die Fassung der negativen ordre public-Klausel im österreichischen IPR-Gesetz 1978 — Nichtanwendung ausländischen Rechts, wenn das Ergebnis mit den „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar" wäre — vermeidet die politische Färbung der Klausel; mit dem Begriff der Grundwertungen soll ausgedrückt werden, daß es sich um krasse Abweichungen von besonders wichtigen Gesetzen des österreichischen Rechts handeln muß. Uber die Entwicklung der (Schein)Definitionen der negativen ordre public-Klausel durch das Reichsgericht und den BGH vgl. Wuppermann, Die deutsche Rechtsprechung zum Vorbehalt des ordre public im internationalen Privatrecht, 1977. Die zuletzt verwendete Formel, wonach „das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts den Grundgedanken der deutschen Regelung und den ihr innewohnenden Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehen muß, daß es im Inland untragbar erscheint", ist nur eine übertriebene Umschreibung dessen, daß dem Richter die ausländische Norm als so kraß abweichend vom Inlandsrecht erscheint, daß er eine eventuelle Übernahme in die deutsche Gesetzgebung als undenkbar empfindet. Aus Untersuchungen, wie sie z. B. Preusche, Juristische Generalklausel und Argumentationspraxis, 1978, für die italienische Rechtsprechung zur ordre public-Klausel angestellt hat, dürfte sich nicht mehr ergeben, als daß die „Begründungen" für die Nichtanwendung ausländischen Rechts kaum noch als „rationale" Argumentationen zu verstehen sind, und daß sie durch unbewußte Bindungen des Richters an Wertvorstellungen bestimmter Gesellschaftsschichten beeinflußt werden. Lehnt ein Staat die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts mit Hilfe der ordre publicKlausel ab, so folgt daraus nicht, daß auch in dem Urheberstaat dieses anderen Rechts die Anwendung des Rechtes des ersten Staates auf dieselbe Rechtsfrage, wenn es in einem anderen Fall von Kollisionsrecht des zweiten Staates berufen ist, dem ordre public dieses Staates zum Opfer fällt: Werden im Erbrecht des Staates A zwischen den Kindern keinerlei Unterschiede gemacht, und betrachtet man etwa eine Ungleichbehandlung von Söhnen und Töchtern, wie sie im Erbrecht von B vorgesehen ist, als eine untragbare Abweichung von der lex fori, so ist keineswegs anzunehmen, daß der Staat B die Anwendung des Erbrechts von A, weil es keine Differenzierungen macht, als untragbar ablehnen würde. Es ist eine andere Frage, ob B auf die Nichtanwendung seines Rechtes in A mit einer Retorsionsmaßnahme reagieren sollte, und ob es angebracht wäre, die Retorsion so zu gestalten, daß die Anwendung des Rechtes von A so lange unterbleibt, bis A auf die Anwendung der negativen ordre public-Klausel gegenüber dem Recht von B verzichtet. Ein solches Retorsionsdenken steht anscheinend hinter BGH, NJW 1978, 1107. Danach soll, wenn Spanien auf Grund von ordre public-Erwägungen die in Deutschland geschiedene Ehe einer Deutschen als Ehehindernis für seinen Spanier betrachtet, nicht nur dieses Ehehindernis des berufenen spanischen Rechts in Deutschland ignoriert werden, sondern auch die angeblich im spanischen Recht gezogene Folgerung, daß das voreheliche Kind durch die hinkende Ehe nicht legitimiert werde, soll in Deutschland nicht gelten. Darüber hinaus scheint der BGH auch die sonstigen Voraussetzungen der Legitimation nicht mehr nach dem spanischen Heimatrecht des Vaters, sondern nach deutschem Recht beurteilen zu wollen.
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Betrachtet zwar der Staat A die Regelung des von ihm berufenen Rechts B als untragbare Abweichung von der lex fori, während umgekehrt der Staat B die entsprechende Regelung des Rechts B nicht mit der negativen ordre public-Klausel beanstandet, und ordnet B auch keine Retorsionsmaßnahme an, so kann es sogar so sein, daß der Staat A als Binnenbeziehung für die Ausschaltung des Rechtes von A eine Verknüpfung zugrunde legt, die, wenn sie in einer positiven Kollisionsnorm enthalten gewesen wäre, den Staat B veranlaßt hätte, nicht sein eigenes Recht, sondern das Recht A anwenden zu lassen: Ist für die Vererbung ausländischer Grundstücke eines deutschen Erblassers auch in Deutschland nicht das deutsche Erbrecht, sondern das Erbrecht des Lagestaates anwendbar, wenn der Lagestaat es wegen der Belegenheit angewendet haben will (vgl. S. 698), so ist die Anwendbarkeit des ausländischen Lagerechtes anstatt des deutschen Heimatrechtes auch dann durch den deutschen Richter anzunehmen, wenn der Lagestaat zwar deutsches Recht in seiner Eigenschaft als Personalstatut berufen hat, aber den in Frage kommenden Erbrechtssatz als untragbar abweichend von seinem eigenen Recht betrachtet, und deshalb das eigene Erbrecht als Ersatzrecht auf den in diesem Staat belegenen Nachlaß anwendet. Allerdings darf ein deutsches Gericht wohl nicht aus eigener Initiative das deutsche Erbrecht am ordre public des fremden Lagestaates messen, sondern erst dann, wenn Rechtsprechung im Lagestaat vorliegt, die dessen ordre public-Klausel in diesem Sinne handhabt. Vgl. dazu auch R G , H R R 1937 Nr. 1321. R G Z 108, 241 sah im (sowjetischen) Devisenrecht noch Maßnahmen, die „nicht durch allen Kulturstaaten gemeinsame rechtliche Anschauungen gerechtfertigt" seien. Vgl. S. 90. Der obenS. 62, Anm. 17 erwähnte Konventionsentwurf bestimmt, daß Verfassungsbestimmungen stets als Ausdruck des ordre public des betreffenden Staates zu gelten haben. Vgl.S. 125 ff. Vgl. S. 27. Rechtsordnungen, deren Inlandsrecht durch Vorstellungen einer bestimmten Religion beherrscht ist, lehnen, soweit sie eigene kirchliche Gerichte judizieren lassen, die Anwendung des Rechts anderer religiöser Rechtsordnungen zumeist ab. Durch kirchliche Gerichte der katholischen Kirche werden die Rechtsverhältnisse der Angehörigen anderer Religionen „gemäß" Naturrecht, z. T. auch gemäß staatlichem Recht, beurteilt, wobei allerdings das staatliche Recht auf andere religiöse Rechte verweisen kann. Davon werden gewisse Ausnahmen gemacht, wenn andere religiöse Rechtsordnungen in ihrer Glaubenssubstanz grundsätzlich mit den Dogmen der katholischen Kirche übereinstimmen. So wird das Eheschließungsrecht der orthodoxen Kirchen im Gegensatz zu dem anderer chrisdicher Kirchen, und erst recht im Gegensatz zu dem Recht nichtchristlicher Religionen, durch die Gerichte der katholischen Kirche nicht ganz ignoriert, so z. B. bezüglich der Eheschließungsform. Auch der Islam behandelt Christen und Juden, und damit auch ihr religiöses Recht, anders als sonstige Nichtmoslems und ihr Recht. Vgl. hierzu Wähler, Interreligiöses Kollisionsrecht im Bereich privatrechtlicher Rechtsbeziehungen, 1978. Vgl. S. 296. Der High Court für England kann nicht einem Satz des schottischen Rechts unter Berufung auf die ordre public-Klausel die Anwendung verweigern. _ , Navarro Vals, Estudios de derecho matrimonial, 1977, S. 79 ff., weist darauf hin, daß die spanische Rechtsprechung es nicht mehr vertreten kann, ausländische Ehescheidungen grundsätzlich nicht anzuerkennen, nachdem die Generaldirektion für Registersachen durch eine Entscheidung vom 18. 9. 1971 einer spanischen Staatsangehörigen die Eheschließung mit einem aus der spanischen Sahara sammenden Mohammedaner trotz der (islamrechdichen) Scheidung seiner Vorehe gestattet hat. Vgl. auch Anm. 26 zu S. 636. Ungewöhnlich ist eine indische Entscheidung, die allein auf das Teilrecht am Gerichtsort abstellt, um zu klären, ob einer ausländischen Entscheidung, die ausländisches Recht zugrunde gelegt hat, die Anerkennung wegen Verstoßes gegen den ordre public zu versagen ist: Ein in Uganda erwirktes Scheidungsurteil soll die in Goa kirchlich geschlossene Ehe nicht beenden können, weil dies mit dem ordre public des in Goa fortgeltenden portugiesischen Rechts unvereinbar sei: Pires v. Pires, A. I. R. 1967 Goa 113. Das Gericht kommt nicht auf den Gedanken, die Frage zu stellen, ob nicht eine Scheidung in einem anderen indischen Staat gemäß den dortigen Gesetzen in Goa hätte anerkannt werden müssen. Die Rechtsprechung des Supreme Court von Zypern respektiert die Bestimmungen der Verfas-
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sung, welche für eine Eheschließung zwischen Angehörigen der verschiedenen christlichen Religionsgemeinschaften in Zypern die vom kirchlichen Recht gebotene kirchliche Trauung, und überdies für zyprische Staatsangehörige die ausschließliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte in Ehesachen vorsehen, wenn sie einer solchen Kirche angehören. Die im Gesetz vorgesehene Eheschließung vor dem Standesbeamten bleibt also nur für Angehörige anderer Religionsgemeinschaften unter sich oder mit Christen. Zugleich aber will das Gericht die Bestimmung des griechischen Rechts, welche für orthodoxe Griechen auch außerhalb von Griechenland die kirchliche Eheschließung zwingend vorschreibt, wegen untragbarer Abweichung vom grundlegenden Gedanken des zypriotischen Rechts nicht zur Anwendung bringen, und z. B. so vor dem englischen Standesbeamten geschlossene Ehen zwischen Zyprioten und Griechen für gültig ansehen: Dokidhou v. Dokidhes, [1970] 1 Cyp. L. R. 124. Ist die Beseitigung eines minderbewerteten Teilrechts im Mehrrechtsstaat schon in Aussicht genommen, aber noch nicht durchgeführt, so kann es vorkommen, daß dieses Teilrecht bei der Vergleichung des berufenen ausländischen Rechts mit den „leges fori" nicht berücksichtigt wird. a Für die französischen Gerichte im Protektorat Marokko wurde angenommen, daß sie, weil sie anstelle der früheren Konsulargerichte der verschiedensten Staaten zuständig geworden waren, dem Heimatrecht von Ausländern die Anwendung nicht wegen krasser Abweichung vom französischen oder marokkanischen Recht versagen durften, vgl. Ménard, Traité de droit international privé marocain, 1935, Bd 1, S. 48. Völkerrechtliche Schranken hat die Erzwingung von Verhaltens- und Leistungsgeboten anstelle der als anstößig betrachteten Freiheit bzw. Befreiung von Pflichten unter dem berufenen ausländischen Recht, wenn alle für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts in Frage kommenden Verknüpfungen zu anderen Staaten, und wenn zum Forumstaat nur solche Verknüpfungen hingehen, die ihm die Ausübung von Gerichtsbarkeit ermöglichen, wie z. B. Vermögensbesitz des Beklagten oder Zustellung der Klage auf dem Staatsgebiet. Bedenklich ist es daher z. B., wenn spanische Gerichte die Ehescheidung von Ausländern in ihrem Heimat- und Wohnsitzstaat unter Berufung auf die ordre public-Klausel nicht anerkennen und daraus die Folge ziehen, daß spanische Gerichte auf Klage eines der geschiedenen Ehegatten hin den anderen zu Unterhaltsleistungen aus bestehender Ehe verurteilen oder wegen Bigamie bestrafen können. Vgl. oben Anm. 43. Die generelle Zulässigkeit der Verwendung der ordre public-Klausel im staatlichen internationalen Privatrecht eines Vertragsstaates gegenüber dem durch eine vertragliche Kollisionsnorm berufenen ausländischen Recht kann ohne weiteres dann vermutet werden, wenn der Vertrag Bestimmungen enthält, welche für einzelne bestimmte Gesetzesinhalte ausdrücklich die Verweigerung ihrer Anwendung unter Bezugnahme auf die ordre public-Klausel verbieten. Einige ältere völkerrechtliche Verträge schließen die Anwendung der nationalen ordre publicKlausel des Vertragsstaates gegenüber dem Recht eines anderen Vertragsstaates aus, insoweit dies nicht ausdrücklich in einer spezialisierten Vorbehaltsklausel des Vertrages zugelassen wird. Solche spezialisierten Vorbehaltsklauseln beziehen sich z. B. auf bestimmte Ehehindernisse usw., vgl. Art. 2 des Haager Eheschließungsabkommens. R G Z 129,98, zieht aus dem Umstand, daß der (deutsche) Forumstaat in einem völkerrechtlichen Vertrag, wenn auch in beschränktem Umfang, sich zur Anerkennung ausländischer Enteignungsmaßnahmen verpflichtet hatte, die Folgerung, daß diese Enteignungsvorschriften grundsätzlich in Deutschland nicht mehr für dessen ordre public-Klausel faßbar seien. Enthält ein Vertrag mit völkerrechtlich gebundenen Rechtsanwendungsanweisungen einen Vorbehalt zugunsten der Verwendung der negativen ordre public-Klausel durch die Vertragsstaaten, so bezieht sich das sowohl auf die Ausschaltung kraß abweichenden ausländischen Rechts, als auch auf den Vorrang einzelner gesondert (vom Geschäftsstatut Usw.) angeknüpfter Sätze des Urheberstaates, wenn die Sonderanknüpfung damit begründet ist, daß sonst der Zweck der betreffenden Norm im heterogen verknüpften Bereich gefährdet wäre (positiver ordre public vgl. S. 90), oder der Anwendbarkeit des betreffenden Rechtssatzes kraft Sonderanknüpfung vom Urheberstaat sonstwie eine vitale Bedeutung beigemessen wird. Die Gefahr der Aushöhlung von vertraglich gebotenen bilateralen Zuweisungsnormen durch die Zulassung des ordre public wird damit besonders deutlich. Insbesondere die neueren Verträge der Haager Konferenz für internationales Privatrecht sprechen
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meist davon, daß von den im Vertrag niedergelegten Zuweisungsnormen durch die Vertragsstaaten nur abgewichen werden kann, wenn die Anwendung einer solchen Norm „est manifestement incompatible avec l'ordre public", oder „est manifestement incompatible avec son ordre public" (nämlich des Vertragsstaates). Die ordre public-Klausel in einem internationalen Vertrag (über die Anerkennung von ausländischen Schiedssprüchen) darf nicht verstanden werden als „a parochial device protective of national political interests" : Parsons etc. v. Société etc. 508 F. 2 d 969. Vgl. dazu die dissenting opinion von Lauterpacht in I. C. J. Reports 1958, 96. Vgl. S. 95. Auf Grund der ordre public-Klausel sind im Forumstaat sicher unanwendbar solche spezialrechtlichen Vorschriften in einem ausländischen Recht, mit denen der fremde Staat das Ergebnis der eigenen Stellungnahme des Forumstaates rückgängig zu machen versucht. Kein Staat wird die Bestimmungen eines anderen Landes anwenden lassen, mit denen dieses die Nichtanwendung des nach seiner Auffassung maßgeblichen Erbrechts durch Ausgleichsansprüche rückgängig machen will, vgl. S. 274. Die Bedenken gegen die Anwendung von ausländischem Eherecht, welches polygame Ehen ermöglicht, haben sich im englischen internationalen Privatrecht abgeschwächt, nachdem zahlreiche Angehörige der Commonwealth-Länder mit solchem Eherecht sich ohne Erwerb eines englischen domicile ständig in England aufhalten. Vgl. S. 524. Hat man im Forumstaat anfänglich einen bestimmten Inhalt im ausländischen Recht nicht als krasse Abweichung von der lex fori betrachtet, und ändert später die Rechtsprechung ihre Haltung, oder führt der Forumstaat bei sich neues Recht ein, das auch vom eigenen früheren Recht kraß abweicht, oder werden spezialisierte gesetzliche Vorbehaltsklauseln neu eingeführt, aufgehoben oder geändert, so wird man Rechtsverhältnisse unter ausländischem Recht, die nach dem alten Stand der Handhabung der ordre public-Klausel im Forumstaat unbeanstandet durch Rechtsgeschäft begründet werden konnten und als Dauerrechtsverhältnis effektiv geworden sind, nicht auf Grund der neuen Handhabung der Klausel als ungültig betrachten; man wird sie unter dem maßgeblichen ausländischen Recht „auslaufen lassen" . Bestand umgekehrt anfänglich kein Grund, um einen gültigkeitshemmenden Satz des ausländischen Rechts durch Verwendung der negativen ordre public-Klausel nicht anzuwenden, wurde trotzdem ein „hinkendes" Rechtsgeschäft errichtet, und ändert sich der Standpunkt des Forumstaates, so wird man dort das Rechtsverhältnis nicht als rückwirkend gültig behandeln, wenn die Beteiligten aus der im Statusstaat und im Forumstaat übereinstimmend anfänglich bejahten Ungültigkeit weitere Konsequenzen gezogen haben, also z. B. angesichts des NichtZustandekommens einer gültigen Ehe andere Ehen eingegangen sind. Haben aber die Parteien an ihrem anfänglich ungültigen Rechtsgeschäft selbst festhalten wollen, und wird das Recht eines anderen Staates nachträglich zum Wirkungsstatut für das Rechtsverhältnis, so kann der neue Standpunkt dieses Staates in bezug auf die Vereinbarkeit der gültigkeitshemmenden Bestimmung des ausländischen Rechts mit dem ordre public das Rechtsverhältnis nunmehr im Land des Wirkungsstatuts als gültig bestehend betrachten lassen. Das gleiche gilt, wenn die anfänglich vorhandene Binnenbeziehung zu einem Forumstaat zu schwach war, um die Nichtanwendung eines ausländischen Rechtssatzes zu hindern, und wenn später gewichtigere Binnenbeziehungen vorhanden sind. In einem Land, welches im eigenen Recht keine Ehescheidung hat, wird man meist jeden ausländischen Rechtssatz, der eine Ehescheidung vorsieht, als anstößig betrachten, ohne einen Unterschied zu machen, aus welchen Gründen die Scheidung vorgesehen ist; vielfach wird ein ausländisches Scheidungsurteil unter Ausländern anerkannt, aber keinesfalls eine Ausländerehe durch ein inländisches Gericht geschieden werden. In einem Land, dessen Inlandsrecht Ehescheidung kennt, werden möglicherweise nur einzelne Scheidungsgründe eines ausländischen Rechts als kraß abweichend betrachtet werden; ist jedoch gleichzeitig eine Tatsache gegeben, die zwar nicht im ausländischen Recht, wohl aber in der lex fori ein Scheidungsgrund ist, so wird die Scheidung nicht verweigert werden. Soweit in einem Land eine Scheidung eines Ausländers, dessen berufenes Heimatrecht keine Scheidung kennt, nicht trotzdem deshalb erfolgt, weil das Heimatrecht des anderen Ehegatten angewendet wird, wird das Fehlen jeder Scheidungsmöglichkeit im ausländischen Heimatrecht meist nicht zum Anlaß genommen, um die Ehe unter Anwendung der lex fori 777
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Anmerkungen zu S. 8 1 - 8 2 zu scheiden; ist jedoch die Ehe auf Grund des Heimatrechts des anderen Ehegatten geschieden worden, so wird hier das Fortbestehen des Ehehindernisses der Vorehe im Heimatrecht des Landes, das überhaupt keine Ehescheidung kennt, ignoriert werden, vgl. B G H IPRsp 1972, Nr. 41. Eine krasse Abweichung darin zu sehen, daß das berufene ausländische Recht Scheidung nur wegen Verschuldens, die lex fori hingegen nur wegen Zerrüttung kennt, wird nicht leicht angenommen werden, wenn auch im Forumstaat lange Zeit die Scheidung Verschulden erforderte, und diese Regelung nicht als verfassungswidrig gilt. Will man in einem Staat mit Ehescheidung das Fehlen jeder Scheidungsmöglichkeit im berufenen ausländischen Recht als krasse Abweichung betrachten und deshalb eine Scheidungsklage nicht ausschließen, so werden viele geneigt sein, das ausländische Recht in vollem Umfang durch die lex fori zu ersetzen; es wäre jedoch durchaus vertretbar, von der Anwendbarkeit des ausländischen Rechts nur beim Vorliegen besonders schwerwiegender Scheidungsgründe abzusehen. Dennoch sieht z. B. L G Tokio, Jap. Ann. Int. L. 22 (1978) 158, allein in dem vom berufenen ausländischen Scheidungsstatut aufgestellten Erfordernis einer mehrjährigen Trennung bei zerrütteter Ehe eine unerträgliche Abweichung vom japanischen Recht. Es wäre nicht abwegig, wenn der Richter, der das in einer abstrakten Zuweisungsnorm berufene ausländische Recht mit Rücksicht auf die krasse Abweichung seines Inhaltes von der lex fori nicht anwenden darf, als Ersatzrecht eigenes zu Spezialrecht abgewandeltes Inlandsrecht anzuwenden hätte. Eine Parallele hierzu kann in § 34 c des Einkommensteuergesetzes der Bundesrepublik gesehen werden, wonach anstelle der Anrechnung ausländischer Einkommensteuern, wenn sie sich als zu schwierig erweist, ein Pauschbetrag festgesetzt werden kann. Anders ist es, wenn der auf Grund des untragbaren ausländischen Gesetzes vom Gericht erbetene Akt ohnehin seinem Verfahrensrecht unbekannt ist. Dann will die Lehre von der sogenannten „wesenseigenen Zuständigkeit", daß der Richter sich für unzuständig erklären muß, vgl. S. 169. Vgl. S. 273, Anm. 75. Wird es als untragbare Abweichung von der lex fori betrachtet, daß im berufenen ausländischen Erbstatut Ehebruchskinder nicht erben, so erhalten sie neben der Ehefrau des Erblassers nicht das Kindeserbteil der lex fori, sondern einen gleichen Anteil, wie ihn die legitimen Kinder unter dem Erbstatut neben der Ehefrau haben, vgl. Sup. Trib. Lissabon (1978) Bol. Min. Just. N r . 278, S. 232. Vgl. R G Z 106, 82. Geht das internationale Privatrecht eines Forumstaates dahin, daß es ein durch Rechtsgeschäft zu begründendes Rechtsverhältnis erst dann für die Rechtsordnung des Forumstaates als zustandegekommen betrachtet, wenn dieses Zustandekommen vom Standpunkt mehrerer Staaten her anzunehmen ist (so insbesondere wenn eine heterogen verknüpfte Ehe den Heiratsvoraussetzungen beider Heimatrechte der Verlobten genügen muß), und wird im Forumstaat ein in einem der maßgeblichen Rechte vorgesehenes Ehehindernis mit Hilfe der ordre public-Klausel ignoriert, so ist es vertretbar, wenn auch von der Anwendung der übrigen Bestimmungen im Rechte dieses Staates, in dem ja das Rechtsverhältnis sicher nicht als gültig bestehend gilt, abgesehen und nur das andere Recht angewendet wird. Auch als Wirkungsstatut ist dann das mit seinen Gültigkeitsbestimmungen ausgeschaltete Recht nicht heranzuziehen. Vgl. unten S. lOOff. Wenn das im Forumstaat berufene ausländische Recht infolge des Eingreifens der negativen ordre public-Klausel jedenfalls nicht mit dem Inhalt zur Anwendung gebracht werden kann, den ihm der Urheber des berufenen und anwendungswilligen Rechts gegeben hat, und der von den Gerichten dieses Staates zugrundegelegt werden muß, so könnten daraus im Forumstaat dieselben weiteren Konsequenzen gezogen werden, die nach dem an anderer Stelle Ausgeführten (vgl. S. 205) angebracht sind, wenn das im Forumstaat berufene Recht selbst nicht anwendungswillig ist: Es könnte an Hand einer Staffel von subsidiären Zuweisungsnormen nach einem anderen selbst anwendungswilligen Recht gesucht werden, dessen Inhalt nicht kraß vom eigenen Recht des Forumstaates abweicht. Insoweit das subsidiäre Anknüpfungsmoment, wie dies oft der Fall ist, zum Forumstaat hingeht, würde damit nicht nur die in vielen Ländern übliche Verwendung der lex fori als Ersatzrecht anstelle des anstößigen ausländischen Rechtsinhalts gerechtfertigt sein, sondern darüber hinaus auch die Anwendung der lex fori auf die zur Entscheidung gestellte Frage in ihrer Gesamtheit (vgl. S. 149). Hat z. B. das Heimatrecht einer Person im Forumstaat die Ehegültigkeitsbedingungen zu liefern, und empfindet man im Forumstaat die Handhabung des im Heimatrecht vorgesehenen Ehehindernisses der Religionsverschiedenheit als untragbar, so käme nicht nur die lex fori
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als Ersatzrecht in Frage, sondern sämtliche Ehegültigkeitsvoraussetzungen sollten dann etwa dem Recht des Wohnsitzstaates, und damit möglicherweise eines dritten Staates, entnommen werden, vorausgesetzt daß das Recht dieses Staates anwendungswillig ist und keine im Forumstaat anstößigen Inhalte aufweist. In solchen Ländern, welche die Testierfreiheit im Inlandsrecht irgendwie einschränken, wird man einerseits nicht selten die Anwendung eines ausländischen Rechts mit voller Testierfreiheit beim Bestehen einer Binnenbeziehung ablehnen, andererseits solchen ausländischen Rechten, welche die Testierfreiheit einschränken, aber in anderer Weise einschränken als die lex fori, nicht grundsätzlich die Anwendung verweigern. Dann aber wäre es nicht zu begründen, wenn es in einem Forumstaat, dessen Inlandsrecht V3 des Nachlasses zur testamentarischen Verfügung an solche, die nicht Intestaterben sind, freigibt, und 2/3 zwingend nach Intestaterbrecht übergehen läßt, als unbedenklich zu betrachten wäre, unter Anwendung eines ausländischen Erbrechts Abkömmlingen und Ehegatten ein Pflichtteilsrecht in Höhe der Hälfte des Intestaterbrechts zu geben, während dann, wenn das berufene ausländische Erbrecht volle Testierfreiheit vorsieht, ein Testament als ungültig betrachtet werden müßte, welches Kinder und Ehegatten mit der Hälfte des Intestaterbteils bedenkt, und unter Anwendung der lex fori 2/3 des Nachlasses an die Intestaterben im Sinne der lex fori mit den von ihr vorgesehenen Quoten verteilt werden müßten. Die durch Nichtanwendung ausländischen Rechts über Art. 30 EGBGB entstandene Lücke ist möglichst mit Bestimmungen des berufenen ausländischen Rechts, und auch subsidiär in erster Linie mit solchen Bestimmungen des deutschen Rechts auszufüllen, die dem ausländischen Recht am nächsten kommen: RGZ 106, 82. Als Ersatzrecht für den durch die ordre public-Klausel ausgeschalteten ausländischen Rechtssatz sieht das portugiesische internationale Privatrecht die „nächstgeeigneten" Sätze des berufenen Rechts, und nur subsidiär die lex fori vor (Art. 22 ZGB). Der argentinische Vorentwurf für ein internationales Privatrecht von 1974 fordert, daß das berufene ausländische Recht nicht mit den „Prinzipien" unvereinbar ist, von denen das argentinische Recht bei seiner eigenen gesetzlichen Regelung ausgeht (Art. 6). Besteht eine solche krasse Abweichung, so soll möglichst eine in dem berufenen ausländischen Recht zu findende subsidiäre Regelung zur Anwendung gebracht werden. Uber die Anerkennung von „Notklerikalehen" der im Heimatstaat verfolgten Angehörigen einer Minderheit vgl. S. 551, Anm. 10. Vgl. BGH, IPRsp 1958-59, Nr. 110. Ist für den Geschäftsbesorgungsvertrag des ausländischen Anwalts, insoweit er in einem deutschen Verfahren tätig wird (und tätig werden darf), ausländisches Recht Geschäftsstat-it, so ist doch die Vereinbarung des Erfolgshonorars über Art. 30 EGBGB als nichtig zu betrachten: BGH, IPRsp. 1968 — 69, Nr. 245. Der BGH weist auf den „Zweck" der deutschen Vorschriften und die Notwendigkeit der Gleichbehandlung aller vor deutschen Gerichten tätigen Anwälte hin. Vgl. S. 89 f. Vgl. S. 237. Die ständige Rechtsprechung eines obersten Gerichts, welche sich über die Untragbarkeit ausländischer Rechtssätze ausspricht und die für die Anwendung der ordre public-Klausel maßgeblichen Binnenbeziehungen bezeichnet, kann in der Praxis so erstarren, daß dies einer vom Gesetzgeber herrührenden spezialisierten Vorbehaltsklausel gleichkommt. Auch gesetzlich formulierte spezialisierte Vorbehaltsklauseln sind u. U. nicht restlos bestimmt, so z. B. wenn in einem Gesetz gesagt wird, daß das Verbot von Haftungsbeschränkungen in Seetransportverträgen, wie es die lex fori kennt, bei einer bestimmten Binnenbeziehung entgegen dem Vertragsstatut zur Anwendung kommt, es sei denn, daß das Vertragsstatut eine gleiche oder eine ähnliche Bestimmung hat. Vgl. Art. 17 (4) EGBGB. So Art. 17 (3) EGBGB in der zwischen 1938 und 1941 geltenden Fassung. BGH, NJW 1977, 1014, will dem Heimatrecht des Spaniers, insoweit es ihn an der Eingehung einer neuen Ehe mit einer Jugoslawin nach Scheidung seiner ersten Ehe durch ein deutsches Gericht hindert, die Anwendung über Art. 30 EGBGB verweigern. Es sei das gänzliche Fehlen einer Scheidung im spanischen Recht, welches angesichts des auch für Ausländer innerhalb der Bundesrepublik geltenden Grundrechts der Eheschließungsfreiheit untragbar sei. Damit läßt der
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Anmerkungen zu S. 8 4 - 89 B G H es offen, ob trotz Scheidung einer Vorehe in Deutschland eine neue Eheschließung in Deutschland z. B. deshalb versagt werden kann, weil der Heimatstaat, der die Scheidung in seinem Recht kennt, dem deutschen Scheidungsurteil aus anderen Gründen die Anerkennung verweigert. Soll der Forumstaat das Unterhaltsstatut nach seinem nationalen Kollisionsrecht ermitteln, falls das primär hierfür gemäß dem Haager Abkommen vom 24. 10. 1956 berufene Recht überhaupt nicht zu einer Unterhaltsverpflichtung führt, so liegt ebenfalls eine Abart einer spezialisierten Vorbehaltsklausel vor. Vgl. Art. 12 E G B G B . Es könnte also z. B. bestimmt werden, daß mangels einer Scheidungsmöglichkeit in dem berufenen ausländischen Recht im Forumstaat zwar nicht aus allen Gründen der lex fori, wohl aber wegen Ehebruchs — oder umgekehrt beim Einverständnis der Parteien — geschieden werden kann; vgl. auch Anm. 22 zu S. 8. Vgl. S. 344. Vgl. oben S. 74, Anm. 42. Daß es in der deutschen Rechtsprechung im Ergebnis doch stets nur auf die Bewertung des Unterschieds zwischen dem Inhalt des ausländischen Rechts und dem des eigenen Rechts als eines besonders krassen Unterschieds einerseits, und auf das Vorhandensein einer Binnenbeziehung andererseits angekommen ist, zeigt sich besonders deutlich in den Ausführungen des B G H , IPRsp 1 9 5 8 - 5 9 , Nr. 110. Vgl.S. 126 ff. Vgl. S. 65. Vgl. S. 271 ff. Vgl. die jetzt beseitigte Vorschrift des § 35 a B G B : „Ein von einem Ausländer in diesem Staate unternommenes Geschäft, wodurch er anderen Rechte gewähret, ohne dieselben gegenseitig zu verpflichten, ist entweder nach diesem Gesetzbuch oder nach dem Gesetze, dem der Fremde als Untertan unterliegt, zu beurteilen; je nachdem das eine oder das andere Gesetz die Gültigkeit des Geschäftes am meisten begünstigt." Vgl. jedoch unten S. 119. Die in der Zielsetzung zu billigende Richtlinie der Resolution des Institut de Droit International von Siena, Annuaire 44 II (1952) 473, welche davon abrät, daß die Staaten Kollisionsnormen bilden, welche sich nicht für eine „Internationalisierung", d. h. für eine Übernahme durch alle anderen Staaten, eignen würden, ist praktisch schwer zu verwirklichen, wenn, wie das Beispiel im Text zeigt, das nationale Interesse eines Staates sich vorwiegend mit den typischen Interessen einer Vertragspartei, das nationale Interesse eines anderen Staates mit den typischen Interessen der anderen Vertragspartei deckt. Der Zusatz „en général" in der erwähnten Richtlinie ist zweideutig. Er kann besagen, daß die Aussage eine Verallgemeinerung dessen darstellt, was im ersten Absatz der Resolution gesagt wurde, nämlich daß kein Staat aus Gründen seiner Bevölkerungspolitik den Anwendungsbereich des eigenen Rechts unpartitätisch groß abstecken sollte. Der Zusatz kann aber und sollte wohl dahin verstanden werden, daß eine außenprivatrechtspolitische Motivierung von Zuweisungsnormen nicht gänzlich ausgeschaltet sein soll. Eine Gefährdung des Zwecks einer einzelnen zwingenden Bestimmung auch im homogen verknüpften Bereich besteht häufig darin, daß die Parteien an einem Rechtsgeschäft mit Absicht Auslandsverknüpfungen begründen, nur um dem Geschäft trotz des Bestehens wesentlicher Inlandsverknüpfungen die selbstverständliche Anwendbarkeit des Inlandsrechts als Geschäftsstatut zu nehmen, und damit auch die Anwendung von zwingenden Vorschriften des Inlandsrechts auszuschalten. Da sich eine solche fraudulöse Begründung einer Auslandsverknüpfung oft schwer nachweisen läßt, besteht die praktisch wichtigste gesetzgeberische Gegenmaßnahme darin, daß der Urheber des einzelnen zwingenden Rechtssatzes dessen Anwendbarkeit im heterogen verknüpften Bereich in einer unparitätischen einseitigen Sonderzuweisungsnorm regelt, und von dem Bestehen einer Inlandsverknüpfung, evtl. auch dem Bestehen der einen oder der anderen Inlandsverknüpfung, abhängig macht. Setzt sich der staatliche Gesetzgeber zum Ziel, bei seinen Staatsangehörigen das Bewußtsein zu fördern, daß die Regelung der Ehe allein Sache des Staates, und nicht Sache eines außerstaatlichen, insbesondere kirchlichen Rechts ist, so wird er von seinen Bürgern nicht nur die Benutzung der von ihm vorgesehenen standesamtlichen Eheschließungsform für alle Eheschließungen auf seinem
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Staatsgebiet fordern (und vielleicht sogar die Vornahme kirchlicher Trauungen ganz, oder1 jedenfalls vor der standesamtlichen Eheschließung, verbieten), sondern er wird es auch nicht bei der sonst üblichen bilateralen Zuweisung der Frage nach der Formgültigkeit an die lex loci actus belassen: Er wird infolgedessen religiöse Eheschließungen seiner Staatsangehörigen in solchen fremden Staaten, wo sie auch standesamtliche Eheschließung hätten wählen können, nicht als formgültig anerkennen; er wird möglicherweise darüber hinaus religiöse Auslandstrauungen seiner Staatsangehörigen in solchen Ländern, in denen es keine standesamtliche Eheschließung gibt, dann nicht anerkennen, wenn die Eheschließung nur deshalb im Ausland erfolgt ist, weil die Parteien nicht an einer standesamtlichen Trauung teilnehmen wollten. Erst recht aber wird der Gesetzgeber die alternative Beurteilung der Form nach dem Geschäftsstatut einschränken, soweit es sich um Eheschließungen auf seinem eigenen Staatsgebiet handelt: Zu diesem Zweck könnten alle nicht standesamtlichen Eheschließungen auf dem Staatsgebiet, auch wenn sie nach dem gemeinsamen Heimatrecht ausländischer Eheschließender genügen, als formungültig erklärt werden, wenn nicht der Gesetzgeber noch weitergeht und für alle Inlandseheschließungen die Beachtung seiner eigenen Formvorschriften erfordert. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, allein aus dem Zweck eines Gesetzes sei dessen Anwendungsbereich bei heterogenen Verknüpfungen abschließend in positiver und negativer Hinsicht zu ermitteln» obwohl sich diese Vorstellung immer wieder in der Rechtsprechung findet (so will Hardtke v. Lovetree Corp., 386 F. Supp. 1085, den Anwendungsbereich eines Wisconsin-Gesetzes über Wertpapierveräußerungen allein aus dem Gesetzeszweck ermitteln). Es gibt zahlreiche Rechtssätze in den staatlichen Inlandsrechten, von denen keinesfalls gesagt werden kann, daß ihre Nichtanwendung im heterogen verknüpften Bereich den Zweck des betreffenden Rechtssatzes im homogen verknüpften Bereich gefährde; noch weniger läßt sich sagen, daß eine Anwendung eines Inlandsrechtssatzes bei bestimmten Inlandsverknüpfungen im heterogen verknüpften Bereich die Befolgung des Rechtssatzes im homogen verknüpften Bereich störe. Das deckt sich weitgehend mit dem, was Francescakis mit seinen „unmittelbar anwendbaren" materiellrechtlichen Sätzen im Auge hat, vgl. Rep. D. Int., Bd 1, S. 483. Das Recht von A könnte ja, im Gegensatz zum Recht von B, die Begründung international gemischter Ehen, etwa mit eingewanderten Frauen, durch Erleichterung der Ehevoraussetzungen fördern wollen. Vgl. oben S. 75. 9 6 Vgl. oben S. 88. Daß eine Anwendung einzelner inländischer oder ausländischer zwingender Rechtssätze, unabhängig vom gewählten oder gesetzlichen Geschäftsstatut, auf Grund einer „Sonderanknüpfung" möglich und zugleich bedingt erstrebenswert ist, wurde erstmalig von mir ZVglRWiss 54 (1941) 168 ff. ausgeführt. In der wichtigen Alnati-Entscheidung betonte 25 Jahre später das niederländische oberste Gericht einerseits, daß nach niederländischem internationalen Privatrecht die Vertragsparteien das Vertragsstatut auch gegen den Willen des Staates, der sonst das gesetzliche Vertragsstatut gestellt hätte, wählen können; andererseits wird die Möglichkeit, daß trotzdem vorrangig vor dem Vertragsstatut einzelne zwingende Bestimmungen eines anderen Staates angewendet werden müßten, nicht auf das Recht beschränkt, welches mangels Rechtswahl das Vertragsstatut stellt, sondern es wird generell gesagt, es könne „voorkomen dat voor een vreemde Staat bij de inachtneming van bepaalde van die Staat afkomstige voorschriften ook buiten zijn territoir zo grote belangen zijn betrokken dat ook de Nederlandse rechter daarmede behoort rekening te houden en daarom a.d. toepassing van die voorschriften voorrang moet geven boven het door pp. bij de desbetreffende overeenkomst gekozen v.e. andere Staat afkomstig recht". HR. 13. 5. 1966, Ned. Jur. 1967, Nr. 3. Der Schweizer Entwurf für ein IPR-Gesetz sieht in Art. 18 vor: „Unter Vorbehalt von Artikel 17 können die Bestimmungen eines anderen als des nach diesem Gesetz anwendbaren ausländischen Rechts angewendet oder berücksichtigt werden, wenn sie im konkreten Fall und im Hinblick auf ihre besondere Zielsetzung ausschließliche Geltung beanspruchen und wenn nach Ernjessen des Richters: a) der Sachverhalt mit diesem Recht in einem genügend engen Zusammenhang steht; b) das Interesse daran, daß dieses Recht angewendet oder berücksichtigt wird, offensichtlich überwiegt; und 781
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Anmerkungen zu S. 9 7 - 9 8 c) das Interesse daran, daß dieses Recht angewendet oder berücksichtigt wird, im Hinblick auf die Umstände des Falles und auf den von diesem Recht verfolgten Zweck als schützenswert anzuerkennen ist." Hinweise auf die fast unübersehbare Literatur zur Sonderanknüpfung vor allem bei Schwander, Lois d'application immédiate, Sonderanknüpfung, IPR-Sachnormen und andere Ausnahmen von der gewöhnlichen Anknüpfung im internationalen Privatrecht, 1975j sowie Toubiana, Le domaine de la loi du contrat en droit international privé, 1972. Bei den Haager Abkommen dürfte, wenn ausdrücklich von „loi interne" eines Vertragsstaates und nicht einfach von der „législation" oder den „lois" eines Vertragsstaates gesprochen wird, das zunächst nur für homogen verknüpfte Rechtsverhältnisse bestimmte Sachrecht des Vertragsstaates gemeint sein; die Anwendung von Spezialrecht anstelle dieses normalen Rechts ist dann unzulässig. Wenn der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes verpflichtet ist, sein eigenes Recht auf die Unterhaltsansprüche des Kindes anzuwenden, hat er sein normales Privatrecht zu verwenden und darf nicht etwa für Kinder ausländischer Staatsangehörigkeit mit gewöhnlichem Aufenthalt auf seinem Staatsgebiet die Unterhaltspflicht anders regeln als bei Kindern mit der eigenen Staatsangehörigkeit. Würde man die Bestimmung in Art. 21 des Vorentwurfs für einen Vertrag der EWG-Länder betreffend das internationale Privatrecht der Schuldverhältnisse, wonach sich eine Verweisung auf das Recht eines Vertragsstaates auf das Recht dieses Staates mit Ausnahme der „Regeln des internationalen Privätrechts" bezieht, so verstehen, daß hierzu auch Spezialrecht für heterogen verknüpfte Situationen gehört, so wäre die Anwendbarkeit von Spezialrecht in anderen Vertragsstaaten ganz ausgeschaltet. Das ist aber im Schuldrecht nicht angebracht. Unter „Regeln des internationalen Privatrechts" sind daher wohl nur Zuweisungen an ausländisches Recht gemeint. Vgl. Art. 7 des EWG-Vertrages: „Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten." Wenn Art. 79 des EWG-Vertrages den Verkehrsunternehmem unterschiedliche „Beförderungsbedingungen" je nach Herkunfts- oder Bestimmungsland eines beförderten Gutes verbietet, so gilt dies sicher auch für Beförderungsbedingungen, die dem Unternehmer vom staatlichen Gesetzgeber oktroyiert werden. Ob zu den Beförderungsbedingungen auch die Bestimmungen über den Beförderungsvertrag gehören, wird man nicht ganz verneinen können. Immerhin würde es überraschen, wenn der Erlaß eines besonderen Beförderungsrechts für internationale Transporte zwischen den EWG-Staaten, für dessen Anwendbarkeit es ja auf den Herkunfts- oder Bestimmungsort ankommt, deshalb gegen Art. 79 verstoßen sollte, weil es vom normalen Inlandsrecht der Vertragsstaaten abweicht. Bei den Hamburger Regeln 1978 über die Haftung des Seefrachtführers ist die Realisierung der im Vertrag vorgesehenen zwingenden spezialrechtlichen Bestimmungen im Rahmen des vom Vertrag gebotenen Anwendungsbereichs in den Vertragsstaaten dadurch gesichert worden, daß für Streitigkeiten aus den vom Vertrag erfaßten Rechtsgeschäften nur die im Vertrag ausdrücklich genannten Gerichtsstände angerufen werden können; die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer Gerichte in den Vertragsstaaten ist ausgeschlossen. Ist ein Schiedsgericht vereinbart, so gilt die Anweisung zur Anwendung der Hamburger Regeln als unabdingbarer Bestandteil des Schiedsvertrages; es wird also erwartet, daß die Gerichte der Vertragsstaaten einen Schiedsspruch nicht anerkennen und vollstrecken, der die anwendungswilligen Bestimmungen des Vertrages aus irgendeinem Grunde nicht zur Anwendung gebracht hat. Der Vorentwurf für eine Konvention über das auf Schuldverhältnisse anwendbare Recht für die EWG-Staaten von 1972 bestimmte in Art. 7: „Weist der Vertrag auch Verbindungen mit einem anderen als dem Staat auf, dessen Recht nach den Artikeln 2, 4, 5, 6, 16, 17, 18 und 19 Absatz 3 anwendbar ist, und enthält das Recht dieses anderen Staates Vorschriften, die den Sachverhalt zwingend in einer Weise regeln, welche die Anwendung jedes anderen Rechts ausschließt, so werden diese Vorschriften insoweit berücksichtigt, als ihre Art und ihr besonderer Zweck diese Ausschließlichkeit rechtfertigen könnten." Das wurde 1977 dahin präzisiert, daß, vorrangig vor den Bestimmungen des Geschäftsstatuts, einzelne zwingende Bestimmungen eines anderen Staates in den Verçragsstaaten zur Anwendung zu bringen sind, wenn eine solche Bestimmung „nach dem Recht" des Urheberstaates auf den Sachverhalt zur Anwendung zu bringen ist. Hinzukommen muß, daß:
Anmerkungen zu S. 98-101
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„1. Der Sachverhalt eine effektive Verbindung mit dem anderen Staat aufweist; 2. Die Anwendung dieser Bestimmungen auf Grund ihrer Natur oder ihres Gegenstandes auf internationale Sachverhalte gerechtfertigt ist; und daß 3. ihre Anwendung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Folgen gerechtfertigt ist, die sich aus ihrer Anwendung oder ihrer Nichtanwendung ergeben würden." Der Entwurf unterstellt, daß ein Forumstaat eigene anwendungswillige zwingende Bestimmungen ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut auch ohne die in Art. 7 genannten Bedingungen anwenden lassen darf. 1 0 3 Art. VIII, Abschnitt 2 (b) des Abkommens über den internationalen Währungsfonds, vgl. dazu auch S. 598, Anm. 180. 1 0 4 BGHZ 59, 82 in Fortführung früherer Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. etwa IPRsp 1931, Nr. 9 mit Angaben über frühere Rechtsprechung. Vgl. weiter S. 598. 1 0 5 Vgl. BGH 12.6.1978, JZ1978, 802. 1 0 6 Vgl. BArbG, NJW 1978,1124. 1 0 6 a Vgl. Anm. 102. 1 0 7 Die „Stimmen" der anderen Staaten dürfen allerdings nicht abgezählt, sondern müssen „gewogen" werden, und zwar entsprechend der Wichtigkeit ihrer Beteiligung an den tatsächlich bestehenden heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen: Staaten, welche die Entstehung heterogen verknüpfter Rechtsverhältnisse zwischen sich und dem Ausland hemmen, dürfen nicht das große Wort bei der Frage sprechen, welches Anknüpfungsmoment allgemein akzeptabel ist. Andern die anderen Staaten eine traditionelle Kollisionsregel, so kann auch der Forumstaat nicht blindlings an der alten Regel festhalten; so haben die meisten amerikanischen Gliedstaaten die alte Anknüpfung an den locus delicti aufgegeben, nachdem die Mehrheit sich für das Kriterium der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen entschieden hat. 1 0 8 Das Restatement des American Law Institute befürwortet, daß der Forumstaat, zu dem keine beachtlichen Verknüpfungen hingehen, so entscheidet, wie es die näher beteiligten Staaten übereinstimmend tun, vgl. Restatement Conflict of Laws, 2d, § 8 (3). Vgl. dazu S. 212. 1 0 9 Vgl. S. 237. 1 1 0 Vgl. S. 331. 1 1 1 Vgl. S. 207. Im Vordergrund steht die Erwägung, daß der Lagestaat von körperlichen Sachen, insbesondere aber von Grundstücken, praktisch allein in der Lage ist, dingliche und obligatorische Ansprüche auf den Besitz der Sache mit Hilfe von Eingriffen seiner Staatsorgane durchzusetzen und dabei in seinen Zuweisungsnormen inländisches oder ausländisches Recht zugrunde zu legen. "*Vgl.S.41. Vgl. S. 45. Für diejenigen, welche glauben, daß der eigene Staat für das eigene Inlandsrecht im Zweifel einen unbegrenzten Anwendungsbereich in Anspruch nehme (vgl. S. 118), ist es schwer, Entsprechendes anderen Staaten abzusprechen und die Anwendung ausländischen Rechts, soweit sie im Forumstaat als Ausnahme zugelassen wird, von dem Nachweis der Anwendungswilligkeit des ausländischen staatlichen Rechts abhängig zu machen. Obwohl die Anwendungsunwilligkeit des im Forumstaat berufenen ausländischen Rechts keineswegs dazu nötigt, daß der Forumstaat Rück- und Weiterverweisung im internationalen Privatrecht des mit seinem eigenen Recht nicht anwendungswilligen Staates mitmacht, wird allerdings in denjenigen Ländern, welche die Verweisung von vertraglich ungebundenem staatlichen internationalen Privatrecht auf ausländisches Recht nicht als Gesamtverweisung verstehen wollen (Italien, Griechenland usw.), der Anwendungsunwilligkeit ausländischen Rechts meist keine Beachtung geschenkt; anders in der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten. 1 1 4 Kein Forumstaat wird, wenn er schon ein Verbot von Mischehen zwischen Angehörigen verschiedener Staaten, wie es das fremde Heimatrecht einer Partei vorsieht, durch seine Gerichte beachten läßt, eine Einschränkung dieses Verbots — z. B. auf die Angehörigen bestimmter Staaten —, wie es der Urheber des Verbotes vorsieht, ignorieren. Kein Forumstaat wird, wenn er schon die Ungültigkeit von Verträgen, die gegen ausländisches Devisenrecht verstoßen, entsprechend dem Standpunkt des Urheberstaates solcher Bestimmungen annimmt, die Ungültigkeit auf solche Verträge erstrecken, auf die sie das ausländische Recht gar nicht erstrecken will; das wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, daß der Forumstaat eigenen devisenrechtlichen Bestimmungen — die in dem betreffenden Fall nicht zum Zuge kommen — einen weiteren Anwendungsbereich zuweist. 1 1 5 Vgl. S. 87 f. 783
§7 116 117
118
119 120 121 122 123 124
127
128 129
784
Anmerkungen zu S. 101-106 Vgl. S. 92. Verhaltensfreiheit, wie sie im homogen verknüpften Bereich beim Fehlen einer positiven Verhaltensregelung als subsidiäre allgemeine Verhaltensfreiheit besteht, kann sich im heterogen verknüpften Bereich aus verschiedenen Gründen ergeben. Sie kann daraus folgen, daß kein verknüpfter Staat eine freiheitsbeschränkende Regelung in seinem Inlandsrecht hat, und daß jeder dieser Staaten dieses Inlandsrecht auch für einen bestimmten Sektor des heterogen verknüpften Bereichs als anwendbar erklärt (wobei sich die beanspruchten Anwendungsbereiche sogar überschneiden können), und daß keiner von diesen Staaten Spezialrecht gebildet hat, welches nur für einen bestimmten Sektor des heterogen verknüpften Bereichs abweichend vom Inlandsrecht freiheitsbeschränkende Verhaltensgebote aufstellt. Verhaltensfreiheit im heterogen verknüpften Bereich kann aber auch darauf beruhen, daß jeder der verknüpften Staaten den von seinem Recht erfaßbaren Teil dieses Bereichs ganz oder teilweise mit Absicht nicht in den Anwendungsbereich des eigenen Verbots, wie es im Inlandsrecht besteht, einbezieht, obwohl ein solcher Staat möglicherweise bereit wäre, ausländische Verhaltensregelungen zur Anwendung bringen zu lassen, wenn das ausländische Recht dies wollte. Verhaltensfreiheit im heterogen verknüpften Bereich vom Standpunkt eines der beteiligten Staaten kann aber auch dadurch zustande kommen, daß der betreffende Staat in einem Spezialrechtssatz die freiheitsbeschränkende Regelung seines Inlandsrechts ausdrücklich für bestimmte inlands- und zugleich auslandsverknüpfte Situationen durch Verhaltensfreiheit verdrängen läßt, und daß er insoweit auch die Anwendung ausländischer Verhaltensgebote durch seine Gerichte ausschließt. Verhaltensfreiheit vom Standpunkt eines verknüpften Staates her kann schließlich darauf beruhen, daß er sein Inlandsrecht, wonach das Verhalten frei ist, auch in einem Teil des heterogen verknüpften Bereichs anwenden läßt und es zugleich als vorrangig erklärt gegenüber der Anwendung ausländischen freiheitsbeschränkenden Rechts, das aus irgendeinem anderen Grunde im Forumstaat zunächst einmal berufen ist. Das Problem wird vor allem aktuell bei „Lücken" des Anwendungsbereiches solcher „deliktsrechtlichen" gesetzlichen Verhaltensgebote, wie sie in allen Kulturstaaten üblich sind, vgl. S. 434. Vgl.S. 207 ff. Über die Begriffe Hauptfrage und Teilfrage vgl. S. 390, Anm. 254. Vgl.S. 211. Vgl. S. 133. Vgl. S. 133. Eine besonders in der deutschen Literatur verbreitete Meinung sieht diese Frage im Zusammenhang damit, ob man im Forumstaat bei Berücksichtigung der Nichtanwendungswilligkeit des berufenen ausländischen Rechts eine Rückverweisung auf die lex fori anzunehmen hat. Man will dabei „rückverweisungsfreundliche" und „rückverweisungsfeindliche" Anknüpfungsmomente unterscheiden, vgl. Neuhaus, aaO, S. 274ff. Vgl.S.554. Ebenso wäre es abzulehnen, daß das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit ein anfänglich Staatenloser später erworben hat, gegen den Willen dieses späteren Heimatstaates rückwirkend auf Rechtsverhältnisse der betreffenden Person zur Zeit ihrer Staatenlosigkeit zur Anwendung gebracht würde. In Barlow v. Orde (P. C. 1870) 13 Moo. Ind. App. 227, wird das Testament eines-0bersten der Ostindischen Kompanie gemäß den „principles of natural justice" ausgelegt, weil die persönlichen Verhältnisse des Erblassers keine Verknüpfung zu irgendeinem der in Indien geltenden Rechte aufweisen. Vgl.S. 81 f. Aus Gesellschaftsrecht kann sich die Verpflichtung eines Gesellschafters ergeben, sich (über einen Ausgleichsanspruch) an dem Schaden zu beteiligen, der einem anderen Gesellschafter im Ausland dadurch entstanden ist, daß er im Ausland auf Grund eines im Staat des Gesellschaftsstatuts nicht anwendbaren Rechts eine der Gesellschaft wegen eines ihr zugerechneten Verhaltens auferlegte Schuld persönlich voll begleichen mußte: BGH, IPRsp 1966-67, Nr. 14. Die Vorfrage nach der ausgleichspflichtigen Aufwendung ist hier Frage nach einem Faktum, und nicht die Rechtsfrage nach ihrer Rechtsmäßigkeit. Setzt eine in Westdeutschland handelnde Person einen anderen in der DDR der Bestrafung unter solchen Gesetzen der DDR aus, die ihrerseits mit dem westdeutschen ordre public unvereinbar
Anmerkungen zu S. 106-108
§7
sind, so kann dies eine positive Vertragsverletzung oder eine unerlaubte Handlung im Sinne des westdeutschen Rechts sein, die zu Schadensersatzansprüchen führt: Vgl. BGH, IZRsp 1962 — 63, Nr. 75; OLG Köln, IZRsp 1964-65, Nr. 37. 130 Einen solchen Weg der „Beachtung" der Haltung anderer Staaten trotz „Anwendbarkeit" der lex fori geht das schweizerische NAG; vgl. Art. 8b und 8c: „Die Voraussetzungen und Wirkungen einer in der Schweiz ausgesprochenen Adoption bestimmen sich nach schweizerischem Recht. Zeigt sich, daß eine Adoption in der Heimat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten nicht anerkannt würde, und daraus dem Kind ein schwerer Nachteil erwächst, so berücksichtigt die Behörde außer den Voraussetzungen des schweizerischen Rechts auch diejenigen des Heimatrechts der adoptierenden Person; erscheint auch auf diesem Wege die Anerkennung nicht als gesichert, so ist das Gesuch abzuweisen." Vgl. ferner S. 723. Schon früher lehnte der englische High Court die Bestätigung einer Adoption ab, weil das Adoptionsverhältnis in anderen Staaten nicht anerkannt worden wäre, vgl. Re B., [1968] Ch. 204: „Hie problem ist n o t . . . of applying foreign law but of considering factually whether . . . the English order will have general recognition, and if not whether the order would still be for the welfare of the infant." 130a In der Rechtsprechung der Vereinigten Staaten ist mehrfach die Frage aufgetaucht, ob die Tatsache, daß ein ausländisches Recht strafrechtliche oder zivilrechtliche Sanktionen gegen einen Bruch des Bankgeheimnisses androht, ein Grund ist, um Aktenvorlage oder Aussagen vor dem amerikanischen Gericht zu verweigern, vgl. US v. First National City Bank, 396 Fed. 2d 897; In re Grand Jury Proceedings, 532 Fed. 2d 404. 131 Daß nach deutschem Recht auch der inlandsverknüpfte Gläubiger, der sich trotz des inländischen Konkurses im Ausland durch Einzelvollstreckung befriedigt hat, weder ungerechtfertigt bereichert ist, noch Schadensersatz aus unerlaubter Handlung schuldet, noch mangels gesetzlicher Bestimmung das von ihm Erlangte dem inländischen Konkursverwalter auszuhändigen hat, betont Schmidt, System des deutschen internationalen Konkursrechts, 1972, S. 139. Cass. Paris, Rev. Crit. 1977, 352, nimmt Unzuständigkeit der französischen Gerichte an für die Klage eines Franzosen mit dem Ziel, die Pfändung des Guthabens eines Klägers bei der Filiale einer französischen Bank in Algerien rückgängig zu machen, auch wenn der Kläger sich in Frankreich auf die besonderen Gesetze über den Vollstreckungsschutz für Umsiedler aus Algerien hätte berufen können. Vgl. ferner S. 274. 132 Eine Ausnahme von dem oben Ausgeführten gilt, wenn in einem unter dem Recht des Staates A gültigen Vertrag eine Verpflichtung eingegangen worden ist, aus einem in diesem Staat A zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis nicht anderswo als im Staat A zu klagen. Hält sich eine der Parteien nicht an diese Verpflichtung, und erklärt sich ein ausländisches Gericht trotz der Verpflichtung als zuständig, kommt es im Ausland zu einem Urteil und zu dessen Vollstreckung, so kann im Staat A auf Schadensersatz geklagt werden. Die Verpflichtung der im Ausland siegreichen Partei, einen in der Vollstreckung aus dem Vermögen der verurteilten Partei erworbenen Gegenstand, den sie nach dem Staat A verbracht hat, herauszugeben, beruht dann nicht darauf, daß der Eigentumserwerb in der Vollstreckung nicht anerkannt würde, sondern darauf, daß die Verpflichtung zur Wiedergutmachung des durch Vertragsbruch entstandenen Schadens eine Verpflichtung zur Naturalrestitution sein kann. 133 Wird ein deutsches Schiff im Ausland zwangsversteigert, so sollen zwar die nach deutschem Recht bestehenden Pfandrechte an dem Schiff als erloschen gelten, aber vorrangige Pfandgläubiger, «¡)ie gemäß dem Recht des Versteigerungsortes übergangen worden sind, sollen in Deutschland BereiJ cherungsansprüche gegen die befriedigten Gläubiger geltend machen können: BGH, IPRsp 1960-61, Nr. 53. 134 Nach niederländischem Recht hat der (niederländische) Gläubiger das durch Einzelvollstreckung im Ausland Erlangte in die Konkursmasse des niederländischen Konkurses zu geben. Uber die Versuche zur Korrektur der Anwendung eines anderen Erbrechtes als des im Forumstaat berufenen durch andere Staaten vgl. S. 274. 135 Vgl. S. 675 f. 136 Vgl. S. 672. 137 Vgl. S. 610, Anm. 45. 138 Vgl. S. 455. 139 Vgl. S. 503. 785
§7
Anmerkungen zu S. 1 0 8 - 1 1 0
Vgl. neuestens Lagarde, Ree. C. Acad. D. Int. 154 (19771) 102 ff. Diese Reaktion könnte von den Gerichten des Forumstaates darauf gestützt werden, daß sie die Ausstattung der berufenen ausländischen Sachnorm mit einem unparitätisch größeren Anwendungsbereich durch den Urheberstaat als eine krasse Abweichung vom eigenen Kollisionsrecht empfinden. Trib. Com. Brüssel, Jur. Com. Beige 1976, 630, verweigert die Anerkennung eines deutschen Konkurses wegen der unparitätischen Ausgestaltung des deutschen internationalen Konkursrechts. Schränkt ein Staat, der ausländisches Recht in einer paritätischen Zuweisungsnorm beruft, den Anwendungsbereich des ausländischen Rechts bei sich durch einen häufigen und intensiven Gebrauch seiner negativen ordre public-Klausel zugunsten der als Ersatzrecht herangezogenen lex fori ein, so können andere Staaten auch hierauf mit einer Retorsion reagieren, indem sie ihrerseits gegenüber dem materiellen Recht des betreffenden Staates ihre ordre public-Klausel häufig und weitgehend einsetzen. Das wird allerdings in erster Linie gegenüber spezialrechtlichen Vorschriften des Geschäftsstatuts (z. B. Devisenrecht), denen außenprivatrechtspolitische Motive zugrunde liegen, geschehen; an derartige Retorsionen denkt O L G Hamburg, IPRsp 1930, N r . 14. Beim normalen Inlandsrecht ist es schwer denkbar, daß, wenn der Staat A eine Regelung im ausländischen Recht als krasse Abweichung von seinem Recht behandelt, während der Staat B die Regelung des Staates A nicht als anstößig empfindet, der Staat B zwecks Retorsion die Anwendung des Rechts von A verweigert, aber die gleichlautende Regelung im Recht von C durch seine Gerichte anwenden läßt, weil der Staat C die Beachtung der von B getroffenen Regelung nicht an seiner ordre public-Klausel scheitern läßt. 1 4 1 Vgl. Art. 25 S. 2 E G B G B . Daß die retorsionsweise Verdrängung des ausländischen Erbrechts durch deutsches Erbrecht nach Art. 25 E G B G B nur zugunsten deutscher Staatsangehöriger gilt, betont R G Z 63, 356. 1 4 2 Nach Art. 25 S. 2 E G B G B kann der deutsche Erbe die Anwendung deutschen Erbrechts sogar dann verlangen, wenn der Heimatstaat des mit deutschem Wohnsitz verstorbenen ausländischen Erblassers bei einem deutschen Erblasser mit Wohnsitz in diesem Staat nicht deutsches Recht anwenden läßt, und als Erbe nach dem Heimatrecht ein Staatsangehöriger eines dritten Staates als Erbe in Frage kommt. 1 4 2 a Einen eigenartigen Mittelweg geht die Konvention vom 10. 10. 1957 über die Beschränkung der Haftung von Seeschiffseigentümern; diese soll für alle Verfahren in einem Vertragsstaat gelten, doch ist es den Vertragsstaaten erlaubt, die Bestimmungen der Konvention nicht anzuwenden, wenn die zu begünstigenden Personen nicht Sitz in einem anderen Vertragsstaat haben, oder wenn das Schiff nicht die Flagge eines Vertragsstaates führt, oder der Haftungsfonds nicht in einem Vertragsstaat errichtet worden ist. 1 4 3 Vgl. oben S. 95 f. 1 4 4 Der Eheschließungsstaat F, welcher die Ehegültigkeitsvoraussetzungen nach dem Wohnsitzrecht beurteilt, aber bei Ehen eigener Staatsangehöriger mit Ausländern eine Genehmigung fordert, könnte eine entsprechende Bestimmung des Heimatstaates A vorrangig vor dem Wohnsitzrecht B zur Anwendung bringen lassen, wenn gewährleistet ist, daß der Staat A jene fremdenrechtliche Vorschrift des Staates F auch bei sich zur Anwendung bringen läßt. Sind in den Staaten A und B im allgemeinen die Formvorschriften des Geschäftsstatuts und der lex loci actus alternativ anwendbar, besteht aber jedes dieser Länder darauf, daß Eheschließungen auf seinem eigenen Staatsgebiet nur in der (standesamtlichen) Form seines Inlandsrechts erfolgen, so könnte die Anwendung dieser Vorschriften in dem anderen Staat unter den Vorbehalt der Gegenseitigkeit gestellt werden. Ein Staat, der keine zwingenden Normen des eigenen Rechts selbständig anknüpft, um das nach den Vorschriften des Geschäftsstatuts einwandfreie Rechtsgeschäft für ungültig zu erklären, könnte sich jedoch auch seinerseits wieder veranlaßt sehen, gegen die Verneinung der Gültigkeit eines Geschäfts, für welches er das Geschäftsstatut stellt, in einem fremden Staat, der einzelne gültigkeitshemmende Bestimmungen des eigenen Rechts vorrangig vor dem Geschäftsstatut anwendet, im Sinne des S. 109, Anm. 140 Gesagten zu Retorsionen zu greifen, vgl. dazu Deprez, Rev. Tun. D. 1975, 64. Deprez spricht von „échange inégal en droit international privé" in bezug auf die Behandlung von Ausländerehen im internationalen Privatrecht der arabischen Länder einerseits und der europäischen Länder andererseits. 139a
140
786
Anmerkungen zu S. 111-112
§7
Ist österreichisches Recht mangels einer Rechtswahl als Recht des Erfüllungsortes für eine Schenkung seitens eines Deutschen in Österreich nach deutschem internationalen Privatrecht zur Anwendung durch ein deutsches Gericht berufen, und ist die Zuweisung an österreichisches Recht als eine Gesamtverweisung zu verstehen, so mußte gemäß § 35 aBGB die Gültigkeit des Schenkungsversprechens alternativ nach deutschem und österreichischem Recht beurteilt werden je nachdem, was der Gültigkeit des Versprechens günstiger ist und somit je nachdem, was für den NichtÖsterreicher belastender ist, vgl. oben S. 88, Anm. 89. Ein deutsches Gericht würde diese diskriminierende Bestimmung wohl nicht anwenden. Das ist der Hauptgrund dafür, daß Retorsionen gegen diskriminierende, insbesondere fremdenrechtliche Maßnahmen im Ausland oft nicht automatisch kraft Gesetzes erfolgen, sondern jeweils ausdrücklich, und zwar meist durch die Regierung, angeordnet werden müssen. Hat ein Staat selbst bestimmte fremdenrechtliche Vorschriften, so kann bestimmt werden, daß sie bei Gegenseitigkeit gegenüber den Staatsangehörigen bestimmter anderer Staaten nicht zum Zuge kommen sollen; hier kann die Feststellung der Gegenseitigkeit den Gerichten überlassen bleiben. Einige amerikanische Gliedstaaten haben zeitweise Spezialrecht mit Gegenseitigkeitsbedingung in der Fassung gebildet, daß ein nach ihrem Erbrecht berufener Erbe mit fremder Staatsangehörigkeit als (zugunsten anderer subsidiär berufener Erben) weggefallen gilt, wenn der Heimatstaat dieses ausländischen Erben nicht gewährleistet, daß Staatsangehörige des Forumstaates das auf Grund Erbrechts in dem anderen Staat Erworbene dort in Empfang nehmen und ausführen können. Diese Vorschriften sind dann als Eingriffe in die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung der Außenpolitik betrachtet worden. Einige Gliedstaaten haben daher die genannten Vorschriften durch solche ersetzt, welche für Erben ausländischer Staatsangehörigkeit eine kürzere Verjährung ihrer Ansprüche vorsehen. Vgl. darüber 3 Pac. L. J. 551 (1972). Fremdenrechtliche Bestimmungen, die bei Gegenseitigkeit unanwendbar werden, verstoßen nicht gegen die Grundrechtsvorschriften in der amerikanischen Bundesverfassung: United Continental Tuna Corp. v. US, 550 F. 2d 569. Retorsion gegen Angehörige des ausländischen Staates, der Unterhaltsansprüche deutscher unehelicher Kinder gegenüber seinen Staatsangehörigen verneint, wollte AG Nürnberg, IPRsp 1952 — 53, Nr. 227, auch ohne gesetzgeberische Anordnung ausüben. Das „Recht" der Ausländer, die Gerichte des Forumstaates anzurufen, wenn diese für den erhobenen Anspruch international und sachlich zuständig sind, wird häufig in völkerrechtlichen Verträgen garantiert, besteht aber in den meisten Staaten auch ohne Vertrag, wenn auch teils unter der Bedingung der Gegenseitigkeit. Eine Erweiterung dieses Rechts auf die von der Staatsangehörigkeit des Klägers abhängige internationale Zuständigkeit (wie sie etwa das französische Recht kennt) erfolgt jedoch auch durch Inländergleichstellungsklauseln eines Vertrages nicht. Eine typisch fremdenrechtliche Erschwerung der Klagerhebung durch Ausländer findet sich in vielen Rechten in der Art, daß die Klage erst dann als zulässig gilt, wenn der ausländische Kläger Sicherheit dafür leistet, daß er die bei Abweisung einer Klage entstehende Verpflichtung zur Kostenerstattung, insbesondere gegenüber einem inländischen Beklagten, erfüllen wird, die sogenannte cautio judicatum solvi. Hier wird zumeist im Gesetz vorgesehen, daß diese Bestimmung bei Gegenseitigkeit im Heimatstaat des ausländischen Klägers nicht zum Zuge kommt, vgl. § 110 (2) Ziff. 1 ZPO. Vgl. im deutschen Recht § 28 UWG und § 10 der VO v. 14. 12. 1965 über den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen. Der kanadische Nuclear Liability Act läßt denjenigen, der in Kanada eine Atomspaltungsanlage betreibt, für Schäden außerhalb Kanadas nur dann haften, wenn das betreffende Land durch die kanadische Regierung zum reaprocating country erklärt worden ist, weil dort die entsprechenden satisfactory arrangements zum Ersatz von Atomschäden bestehen, "including any such injury or damage occasioned in Canada". Über das Atomgesetz der Bundesrepublik vgl. unten S. 439, Anm. 62. Darüber, ob der Schutz des Handelsnamens außerhalb des Anwendungsbereichs des Pariser Verbandsübereinkommens betreffend gewerblichen Rechtsschutz, soweit er auf § 12 BGB gestützt wird, dennoch analog § 28 UWG von der Gegenseitigkeit abhängig gemacht werden sollte, vgl. Näke, Der Schutz des ausländischen Handelsnamens in Deutschland, Diss. München, 1974, S. 154 ff. Uber Gegenseitigkeit beim Schutz von Ursprungsbezeichnungen vgl. BGH, N J W 1969, 2083.
787
§7
Anmerkungen zu S. 1 1 2 - 1 1 6
Die Bestimmungen des neuseeländischen Gesetzes über die rechtliche Behandlung unbestellter Warenzusendungen gelten in erster Linie für Zusendungen an Personen in Neuseeland, gleich, von wo sie kommen. Sie gelten aber auch für von Neuseeland ausgehende Sendungen an Empfänger in einem fremden Staat, wenn der betreffende Staat in einer neuseeländischen Verordnung zu diesem Zweck ausdrücklich namhaft gemacht wird; das geschieht offenbar dann, wenn in dem anderen Staat ähnliche Bestimmungen wie in Neuseeland gelten. Nach demselben Gesetz kann die Bezahlung für gewisse Dienstleistungen davon abhängig sein, daß sie schriftlich vereinbart worden sind und dem Besteller eine Zweitschrift der Urkunde belassen worden ist. Auch das gilt zunächst nur für Dienstleistungen im Inland; entsprechende Gesetze eines anderen Staates werden hier in Neuseeland berücksichtigt, wenn die Dienstleistung im Ausland erfolgt ist und der betreffende Staat in einer neuseeländischen Regierungsverordnung benannt worden ist, was' wiederum praktisch Gegenseitigkeit voraussetzt, vgl. Unsolicited Goods and Services Act 1975, sec. 10. Im Verfahrensrecht hat diese Art von Gegenseitigkeit Bedeutung bezüglich des Armenrechts, d. h. der Befreiung einer Partei von der Verpflichtung zur Leistung von Vorschüssen für Gerichtskosten, oder der zunächst kostenlosen Beiordnung eines Anwaltes. Ist derartiges im Forumstaat vorgesehen, und kennt auch der Heimatstaat der Partei entsprechende Einrichtungen, so werden eventuelle fremdenrechtliche Einschränkungen des Armenrechts gegenüber der ausländischen Partei schon damit beseitigt, daß ihnen durch völkerrechdichen Vertrag das „Recht" gewährleistet wird, in gleicher Weise wie Inländer vor inländischen Gerichten zu prozessieren. Damit allein wären aber in einem Forumstaat Angehörige solcher Staaten, die bei sich überhaupt kein Armenrecht kennen, gegenüber den in diesem Staat klagenden Angehörigen des Forumstaates bessergestellt. Dies zu verhüten, ist hier der Zweck der Gegenseitigkeitsbedingung, vgl. § 114 (2) ZPO. 1 4 8 Vgl. § 121 UrhG. 1 4 9 Vgl. § 328 (1) Ziff. 5 Z P O . 1 5 0 Vgl. S.'395. 150 a Uber Gegenseitigkeit und Retorsion in bezug auf die Zulassung von Ausländem zur Klagerhebung und die Belangung von Ausländern vor inländischen Gerichten vgl. S. 333 und 337. 1 5 1 Die Bestimmung des Art. 31 E G B G B , welche die Regierung zum Erlaß von „Vergeltungsrecht" gegen einen „fremden Staat sowie dessen Staatsangehörige" ermächtigt, steht dieser Handhabung der ordre public-Klausel nicht im Wege. 1 5 2 Vgl. die oben Anm. 147 erwähnte Regelung in Neuseeland. 1 5 3 Ist die Feststellung der Gegenseitigkeit im Recht eines anderen Staates durch ein verfassungskonformes Gesetz der Regierung des Forumstaates vorbehalten, so wird diese ihrer Feststellung meist das im Ausland effektiv geltende Recht zugrunde legen, jedoch unter der weiteren Voraussetzung, daß es von einem von der Regierung völkerrechtlich anerkannten Regirfie des fremden Staates herrührt. Mißlich ist es dann, wenn feststeht, daß das anerkannte fremde Regime in seinen Vorschriften Gegenseitigkeit verweigert, daß aber das Recht, das von einem nichtanerkannten Regime herrührt, das effektiv geltende Recht ist, und daß dieses dem Gegenseitigkeitserfordernis genügt. Ist die Feststellung, ob Gegenseitigkeit besteht, Sache der Gerichte, so sollten sie ohne Rücksicht auf die Verweigerung der Anerkennung eines fremden Regimes durch die Regierungprüfen, ob der fremde Staat, auf dessen Haltung es ankommt, wirklich als Staat im Sinne des Völkerrechts besteht, von welchem Regime das in diesem Staat effektiv geltende Recht herrührt, und ob diese Gesetze die Gegenseitigkeit gewährleisten. Es kann dann u. U. in der effektiven Herrschaft eines nicht anerkannten Regimes über einen Teil eines ursprünglich einheitlichen fremden Staates ein neuer de facto-Staat zu sehen sein; auf dessen Haltung kommt es dann bezüglich der Gegenseitigkeit an. Die Frage wird z. B. aktuell, wenn die Gewährung des Armenrechts von der Gegenseitigkeit im Heimatstaat des Klägers abhängt und der Kläger aus einem ursprünglich einheitlichen, aber später de facto geteilten Staat stammt; dann kommt es darauf an, zu welchem dieser Teilsaaten er sich „bekennt". 1 5 3 a Über widerspruchsvolle "principles and policies" in ein und derselben Rechtsordnung vgl. Dworkin, 35 Univ. Chic. L. Rev. (1967) 14, sowie Munzer, 83 Yale L. J . (1970) 1140 ff. 1 5 4 Vgl. S. 189. Ist ein Nebeneinander von Unterhaltsverpflichtungen mehrerer „möglicher" Väter für ein Kind schon innerhalb ein und desselben Rechts möglich, so ist ein solches Nebeneinander wohl auch tragbar, wenn es sich aus der Anwendung mehrerer Rechte auf die Unterhaltspflicht verschiedener
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Anmerkungen zu S. 117-119
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§7
Beklagter oder aus der Anwendung verschiedener Rechte auf den Nachweis der Abstammung ergibt. Hingegen darf es aus diesem Grund offenbar nicht dazu kommen, daß das Sorgerecht im Forumstaat jedem von mehreren „Vätern" zugesprochen werden müßte; vgl. S. 244, Anm. 64. Die Polemik gegen die „Politisierung" des internationalen Privatrechts (vgl. Rehbinder, JZ 1973, S. 151 ff.) richtet sich sowohl dagegen, daß die staatlichen Gesetzgeber sich bei der Bildung ihrer Stellungnahme zu heterogen verknüpften Privatrechtsverhältnissen von außenprivatrechtspolitischen Gesichtspunkten leiten lassen, als auch dagegen, daß im modernen Verfassungsrecht des Ostens wie des Westens politische Ideologien sich nicht nur im materiellen Privatrecht, sondern auch bei der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der verschiedenen nationalen Privatrechte auswirken. Weder das eine noch das andere ist aber ganz vermeidbar und kann im übrigen keineswegs von vornherein als rechtspolitisch verfehlt Verurteilt werden. Daß mit den Sachnormen des Privatrechts heute auch das internationale Privatrecht auf die Vereinbarkeit mit den Grundrechten geprüft wird, sollte nicht als unzulässige Politisierung abgelehnt werden. Eher hätte es Sinn, den Vorwurf der Politisierung gegen die Auswüchse neuerer amerikanischer Theorien zu richten, welche das Hauptziel des internationalen Privatrechts darin sehen wollen, daß der Forumstaat zwecks Verwirklichung seines angeblichen governmental interest den eigenen Staatsangehörigen (oder Bewohnern) durch Anwendung seines Rechts zum Obsiegen im Prozeß verhilft, vgl. S. 119. Als unnötige Politisierung kann es auch kritisiert werden, wenn die negative ordre public-Klausel so formuliert wird, daß die Anwendung ausländischen Rechts deshalb als anstößig erscheint, weil damit die politische Ordnung des Forumstaates gestört wird, vgl. oben S. 74. Vgl. S. 46. Inwieweit die seinerzeit von Wächter vorgetragene, in neuerer Zeit vor allem von Ehrenzweig propagierte Lehre über den Vorrang bzw. die subsidiäre Anwendbarkeit der lex fori von ihren Autoren selbst mit Einschränkungen versehen worden ist, kann hier unerörtert bleiben. Beachtlich erscheint es, daß auch der amerikanische Supreme Court sich von derartigen Vorstellungen über den Vorrang der lex fori distanziert; vgl. Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 US 506: " . . . To determine that .American Standards of fairness' must nonetheless govern the controversy demeans the Standards of justice elsewhere in the world, and unnecessarily exalts the primacy of the United States law over the laws of other countries." Bremen v. Zapata Off-Shore Co., 407 US 1: Es sei ein "parochial concept that all disputes must be resolved under our laws and in our courts . . . We cannot have trade and commerce in world markets and international waters exclusively on our terms, governed by our laws, and resolved in our courts." Wenn in den Ländern des englischen Rechts eine Vermutung dahin geht, daß ein Gesetz keine extraterritorial application beanspruche, so steht diese Vermutung des positiven Rechts den lex fori-Theorien im Wege. Enthält ein Gesetz vorwiegend Vorschriften über Tätigkeit von Behörden des Urheberstaates, so kann es zweckmäßig sein zu betonen, daß einzelne andere Gesetzesbestimmungen, welche sich nur über das Verhalten von privaten Rechtssubjekten und die Gültigkeit ihrer Rechtsgeschäfte auslassen, bloß „nach Maßgabe" der anderweit zu findenden Zuweisungsnormen des internationalen Privatrechts gelten sollen. So sichert sec. 22 des australischen Marriage Act in der Fassung von 1976 die Anwendung von ausländischem Recht auf Fragen der Ehegültigkeit bei heterogen verknüpften Ehen und die entsprechende Nichtanwendung der in dem Gesetz enthaltenen Sachnormen mit den Worten: „Subject to . . . (es folgen einige gesetzliche Bestimmungen) this part (über void marriages) has effect subject to the common law rules of private international law". Trotzdem wäre es falsch anzunehmen, daß mangels dieses Vorbehalts Sachnormen in einem australischen Gesetz ohne Rücksicht darauf angewendet werden müßten, ob Inlandsverknüpfungen, und welche Auslandsverknüpfungen bestehen. Vgl. S. 214. Vgl. S. 6, Anm. 14. Vgl. S. 102. Die auf Currie zurückgehende Lehre, vor der Anwendung dieses oder jenes nationalen Rechts seien die „governmental interests" der verschiedenen verknüpften Staaten zu prüfen, und es sei dasjenige Recht anzuwenden, dessen Urheber das stärkere governmental interest für sich habe, hat in der neueren amerikanischen Rechtsprechung großen Anhang gefunden. Wir beschränken uns auf den Hinweis auf einige besonders wichtige Entscheidungen: Eine aufschlußreiche Anwendung der Lehre von den governmental interests und dem „false
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Anmerkung zu S. 119 conflict" (d. h. dem Fall, daß einer der beteiligten Staaten angeblich gar kein Interesse an der Anwendung seines eigenen Rechts hat) findet sich in: Ardoyno v. Kyzar, 426 F. Supp. 78. Die Verwirrung, die durch die Fragestellung nach den governmental interests der beteiligten Staaten entstanden ist, tritt andererseits deutlich zutage in den verschiedenen Voten der Richter des New York Court of Appeals in Neumeier v. Kuehner, 335 N.Y.S. 2d 64. Wenn als das wichtigste governmental interest des Forumstaates selbst die „Gerechtigkeit" der Lösung des zu entscheidenden Falles bezeichnet wird (so offenbar Leflar, 54 Cal. L. Rev. 1599), so ist das nur eine Leerformel, hinter der alle denkbaren Gesichtspunkte Platz finden können. Daß es bei dem „Abwägen" der Intensität der Interessen verschiedener Staaten an der Anwendung des eigenen Rechts vorwiegend darauf hinauskommt, daß die persönlich mit dem Forumstaat verknüpfte Partei obsiegt, zeigt die Entscheidung Wuerfel v. Westinghouse Corp., (N.J. 1977) 372 A. 2d 659. Die kalifornische Entscheidung Kasel v. Remington Arms Co., 101 Cal. Rptr. 314, welche auf die Produzentenhaftung die lex fori als Wohnsitzrecht des Verletzten, und nicht das Recht des eigentlichen Unfallortes (Mexiko) anwendet, beruht vorwiegend auf der Erwägung, daß Kalifornien ein Interesse am Obsiegen der in Kalifornien domizilierten Partei gemäß dem ihr günstigeren kalifornischen Recht habe, insbesondere wenn die Gegenpartei praktisch für den Kläger nur in Kalifornien verklagbar ist. Ist „legitimes" Staatsinteresse an der Anwendung des eigenen Rechts das Interesse zur Anwendung dieses Rechts, wenn es den Standpunkt der mit dem betreffenden Staat persönlich verknüpften Partei begünstigt, und tritt diese Partei eine Forderung an einen „Ausländer" ab, so erlischt das Staatsinteresse an der Anwendung einer dem Gläubiger günstigen Bestimmung: Murdock Acceptance Corporation v. S. v. H. Distrib. Co., (La. 1976) 331 So. 2d 870. Als governmental interest des Staates des Unfallortes wird auch das Interesse daran genannt, daß die in diesem Staat entstehenden Kosten der medizinischen Behandlung des Unfallopfers in möglichst großem Umfang auf Auswärtige abgewälzt werden können, vgl. Milkovich s. Saari, 203 N. W- 2d 408. Die Lehre vom stärkeren governmental interest wird in Gordon v. Eastem Airlines, 391 F. Supp. 31, unter Vermischung mit ordre public-Erwägungen so verstanden, daß bei starken Verknüpfungen zu New York das New York-Recht zugunsten der in New York wohnenden Partei angewendet wird, wenn „anachronistische" Gesetze des Unfallortes zu einem ihr ungünstigeren Ergebnis führen würden, nicht aber, wenn das Recht des Unfallortes für den Geschädigten günstiger ist als das New York-Recht. Das eventuelle Interesse von Florida, durch eine den Geschädigten günstige Regelung der Folgen von Unfällen Touristenverkehr nach Florida zu ziehen (!), sei zu ignorieren; als Florida-Interesse komme höchstens das Interesse am Obsiegen der „eigenen" Partei in Frage. In Hurtado v. Superior Court, (Cal. 1974) 522 P. 2d 666, wird unterstellt, daß der Wohnsitzstaat des Geschädigten kein governmental interest habe, die Bestimmungen seines Rechts über eine Beschränkung der Schadensersatzpflicht bei Autounfällen angewendet zu wissen, wenn die Beklagten ihren Wohnsitz in einem anderen Staat haben und dieser bereit ist, sein für den Geschädigten günstigeres Recht anzuwenden. In Dixon Mobile Homes v. Walters, 122 Cal. Rptr. 202, wird die Anwendung des gesamten kalifornischen Rechts einschließlich eines besonderen Gesetzes über Abzahlungsgeschäfte in der Weise begründet, daß die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen eines Abzahlungskaufs, einschl. des Wohnsitzes des Käufers, nach Kalifornien hingehe, und daß die zum Schutz des Käufers getroffenen gesetzlichen Bestimmungen wegen des governmental interest von Kalifornien Anwendung finden müßten. Von dem Wohnsitzstaat des Verkäufers wird gesagt, daß auch seine Gesetzgebung vorwiegend Bestimmungen zum Schutz des Abzahlungskäufers enthalte, und daß infolgedessen dieser Staat kein governmental interest habe, irgendwelche Interessen seiner Partei unter Anwendung seines Rechts zu sichern. Das Kollisionsrecht von New York ist, so stellt ein Bundesgericht fest, durch die Rechtsprechung der Staatsgerichte dahin entwickelt worden, daß auf die Begründung und Begrenzung von Schadensersatzansprüchen, wenn der Geschädigte in New York domiziliert ist, das New Yorker Recht anwendbar ist, wenn es ihm günstiger ist: O'Connor v. Lee-Hy Paving Corp., 579 F. 2d 194 (1978). In der amerikanischen Rechtsprechung wird die Formel, daß der Forumstaat das „größere Interesse" an der Beurteilung einer Rechtsfrage gemäß seinem Recht habe, nicht selten als Scheinargument für die Bevorzugung der lex fori verwendet, obwohl sich durchaus plausible andere
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Gründe für dasselbe Ergebnis hätten finden lassen, vgl. etwa Delbrueck & Co. v. Mfrs. Hanover Trust Co., 464 F. Supp. 989 (1979), und Kristinus v. H. Stern Com. e Ind. S. A., 463 F. Supp. 1263 (1979). Nur selten wird das Interesse des Forumstaates am Obsiegen der eigenen Partei für schwächer anerkannt als das Interesse eines anderen Staates am Obsiegen seiner Partei, vgl. Off-Shore Rental Co. v. Continental Oil Co., 138 Cal. Rptr. 838. Das geschieht wohl nur in solchen Fällen, in denen die Verknüpfungen mit dem fremden Staat so zahlreich und so gewichtig sind, daß demgegenüber die zum Forumstaat bestehende Inlandsverknüpfung — in dem betreffenden Fall die Tatsache, daß der durch einen Unfall des Arbeitnehmers angeblich indirekt geschädigte Arbeitgeber seinen Sitz im Forumstaat hat — minimal erscheint. Entgegen der Vorstellung, daß ein anderer Staat kein governmental interest an der Anwendung seines Rechts habe, wenn keine der Parteien ihm zugehört, wird in einer dissenting opinion in Jagers v. Royal Indemnity Co., 276 So. 2d 309 (314), darauf hingewiesen, daß doch z. B. der Staat des Unfallortes als solcher ein „Interesse" daran habe, sein Recht anzuwenden, um das Interesse der Parteien an der Vorhersehbarkeit und der Einfachheit der Regelung von Unfallfolgen zu befriedigen. Der Herstellungsstaat einer Sache kann, weil sein Renommee als Exportland davon abhängt, ein governmental interest haben, seine Bestimmungen über die Haftung des Produzenten (oder des Ausfertigers eines certificate of airworthiness) zur Anwendung zu bringen, wenn sie strenger sind als die Vorschriften im Wohnsitzstaat des Geschädigten, vgl. in re Paris Air Crash, 399 F. Supp. 732. Einen besonders komplizierten Versuch der Verwirklichung des Gedankens, zwecks Bestimmung des anwendbaren Rechts die von den Urheberstaaten vermutlich gewollten Anwendungsbereiche ihres eigenen Rechts zu klären, und dann unter den anwendungswilligen Rechten das am stärksten interessierte Recht zu ermitteln, bzw. mangels einer Klärung dieser Frage Hilfslösungen auszuarbeiten, stellt die Theorie der „funktionellen Analyse" dar, wie sie durch Mehren und Trautmann, The Law of Multistate Problems, 1965, vorgetragen wurde. Obwohl die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem anderen Land hingeht, entscheidet sich der Chefrichter von Minnesota (gegen die Stimme des anderen Richters) dafür, das Recht des Unfallortes in seiner Eigenschaft als „better law" zur Anwendung zu bringen: Milkovich v. Saari, 203 N . W. 2d 408, wobei das bessere Recht in der lex fori gesehen wird. Ein Bundesgericht in Rhode Island unterstellt, daß das internationale Privatrecht von Rhode Island das anwendbare Recht an Hand der 5 Leflar'schen Richtlinien bestimme, zu denen unter anderem die Abwägung der Interessen der beteiligten Staaten und die Anwendung des „besseren" Rechts gehören; dem eigenen Recht von Rhode Island wird dann Illinois-Recht als das bessere Recht vorgezogen: Gravina v. Brunswick Corp., 338 F. Supp. 1. Hinzuweisen ist insbesondere auf die choice-influencing considerations von Leflar, 41 N . Y . U . L . Rev. 267; 54 Cal. L. Rev. 1584, und § 6 des Restatement Conflict of Laws 2d: 1. A court, subject to constitutional restrictions, will follow a statutory directive of its own state on choice of law. 2. When there is no such directive, the factors relevant to the choice of the applicable rule of law include a) the needs of the interstate and international systems, b) the relevant policies of the forum, c) the relevant policies of other interested states and the relative interests of those states in the determination of the particular issue, d) the protection of justified expectations, e) the basic policies underlying the particular field of law, f) certainty, predictability and uniformity of result, and g) ease in the determination and application of the law to be applied. Die Richtlinien Leflars für die Bestimmung des anwendbaren Rechts werden in der Rechtsprechung z. T. wie gesetzliche Vorschriften gehandhabt, vgl. etwa Lichter v. Fritsch, (Wis. 1977) 252 N . W. 2d 360. Vgl. auch Brown vs. Church of the Holy Name of Jesus, 252 Ad. 2d 176 (R. I. 1969). Bei der Anwendung dieser Richtlinien erfolge die Ermittlung des anwendbaren Rechts überhaupt nicht mehr an Hand von Rechtsanwendungsanweisungen (rules), sondern stelle sich als eine
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Anmerkungen zu S. 121-124 „methodology" der Rechtsfindung dar, meint das Gericht in Milkovich v. Saari, 203 N.W. 2d 408. Damit wird allerdings wohl entweder nur verschleiert, daß das Gericht seine lex fori anwenden will, oder daß es eine Scheinbegründung für die Lösung abgibt, die der Richter im einzelnen Fall für richtig hält, vgl. dazu das dissenting vote des Richters Peterson. Eine Art Programm für die freie Ermittlung des anwendbaren Rechts im Einzelfall entwickelt der Superior Court für New Jersey in Breslin v. Liberty Mutual Insurance Co., (N. J. 1973) 310 A. 2d 527. Vgl. S. 54. Daß die Regelung des Umfangs einer gesetzlichen Schadenshaftung bei der Kalkulation der Zweckmäßigkeit eines Verhaltens praktisch keine Rolle spielt, und daß insoweit Vorausberechenbarkeit der Entscheidung über das anwendbare Recht nicht gefordert werden kann, betont z. B. Milkovich v. Saari, 203 N.W. 2d 408. Das Recht des Schadensortes mag zwar als das Recht der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen für den Ersatz des tatsächlich durch eine Handlung im Ausland schuldhaft zugefügten Schadens maßgebend sein; es ist aber nicht maßgebend, insoweit es „punitive damages" bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadenszufügung zuspricht: Sibley v. KLM-Royal Dutch Airlines etc., (1978) 454 F. Supp. 425. Bei der Ermittlung der gewichtigsten Verknüpfungen zur Bestimmung des Haftungsstatuts ist bei einer nach dem Unfall erfolgten Wohnsitzverlegung auch der neue Wohnsitz zu berücksichtigen, wenn das auf diese Weise ermittelte Haftungsstatut jedenfalls mit der Vorschrift, die die Höhe des Schadensersatzes begrenzt, für die Kalkulation des Verhaltens der Beteiligten (oder für die Kalkulation des Versicherers) ohne Einfluß war: Miller v. Miller, (N. Y.) 237 N. E. 2d 877. Vgl. dazu auch S. 237. Die Frage der Beachtlichkeit eines Irrtums über das maßgebliche Recht hat merkwürdigerweise frühere Zeiten intensiver beschäftigt als die heutige Literatur. So wurde die Bedeutung der ignorantia juris der Frau für das auf Dotalverträge anzuwendende Recht häufig erörtert, vgl. dazu Lorenz, Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. und 16. Jahrhunderts, Köln 1965, S. 45 ff. Im intergentilen Recht taucht gelegentlich der Gedanke auf, daß es für die Angehörigen einer einzelnen Gruppe mit eigenem Gruppenrecht verhältnismäßig leicht und zumutbar sei, sich Kenntnisse von dem Recht der anderen Gruppe zu verschaffen, während für die Angehörigen dieser anderen Gruppe schon von einem Unverständnis für die bestehende Rechtsverschiedenheit und Unfähigkeit zur Beschaffung von Kenntnissen über das andere Recht auszugehen ist. Wird dann vorrangige Anwendung eines der verschiedenen Gruppenrechte mangels ausdrücklicher Rechtswahl angeordnet, so soll die Aufweichung dieser Regelung durch eine Generalklausel, wie sie sich z. B. im Recht von Südafrika und Rhodesien findet — unless the justice of the case otherwise requires, vgl. S. 298 - , vor allem dieser Unkenntnis der Angehörigen der einen Gruppe (nämlich der stammeszugehörigen Farbigen) Rechnung tragen. Daß in mutterrechtlichen Familienrechten Ehevoraussetzungen und Ehewirkungen nach dem Gruppenrecht der Frau beurteilt werden, wird damit „begründet", daß die Fragen der Einwilligung der Eltern der Frau von diesen gemäß ihrem Stammesrecht gesehen werden, vgl. Lampue, Penant 89 (1979) 273. Vgl. S. 525. Vgl. S. 305. Ansätze finden sich gelegendich dazu, daß inländischen Unternehmungen verboten wird, ausländischen Kartellbehörden auf deren Verlangen hin Auskünfte zu erteilen, vgl. S. 20, Anm. 22. Vgl. S. 30. Die Gerichte der Bundesrepublik haben auch gegenüber öffendich-rechtlichen Einrichtungen der DDR keine Gerichtsbarkeit in Amtshaftungssachen: BGH, IZRsp 1960—61, Nr. 1. Vgl. S. 29. Vgl. S. 30, Anm. 56. Vgl. dazu S. 242. In der Rechtsprechung des BGH wurde zeitweise versucht, der Beurteilung von Rechtslagen, bei denen ein anderer Staat mit öffentlich-rechtlichen Regelungen Konsequenzen für Privatrechtsverhältnisse (Enteignungen, Unzulässigkeit von Zahlungen usw.) verbindet, ein besonderes „öffentliches Kollisionsrecht" zur Lösung zugrunde zu legen. Hauptgrundsatz dieses öffentlichen Kollisionsrechts sollte der sein, daß sowohl ausländische öffentlich-rechdiche Regelungen, als auch
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ihre privatrechtlichen Nachwirkungen im Zweifel nicht durch deutsche Gerichte beachtet werden könnten. BGH, IZRsp 1964 — 65, Nr. 68, ist daher der Meinung, daß — außer bei staatsvertraglicher gegenteiliger Regelung — devisenrechdiche Vorschriften fremder Staaten, auch wenn es sich um solche desjenigen Staates handelt, der das Geschäftsstatut stellt, grundsätzlich außerhalb der Grenzen des Urheberstaates nicht zu beachten seien, weil sie zu den Vorschriften des öffentlichen Rechts gehören, die „allein dem Staatswohl und nicht dem Schutz oder den Interessen der privaten Beteiligten dienen"; diese Ablehnung fremden Devisenrechts soll nicht nur gelten, wenn es sich um diskriminierende Maßnahmen gegen Ausländer oder solche Personen handelt, die gegen die Gesetze des betreffenden Staates verstoßen haben. (In seiner Entscheidung vom 11. 11. 1952, IZRsp 1945 — 53, Nr. 350, war der BGH bezüglich des Devisenrechts der DDR noch von der Vorstellung ausgegangen, daß es sich hier um eine Bestimmung eines Teilrechts der Rechtsordnung des einen fortbestehenden deutschen Staates handle, die auch in anderen Teilen Deutschlands angewendet werden müsse, und der die ordre public-Klausel eines anderen Teilrechtsgebietes nicht entgegengehalten werden könne; dieser Standpunkt ist später aufgegeben worden). Gestaltungen privater Rechtsverhältnisse durch ausländisches öffentliches Recht im Ausland, die dort restlos vollzogen seien, müßten jedoch nach Ansicht des BGH auch in Deutschland anerkannt werden, doch sei auch dies unzulässig, wenn die ausländischen öffendich-rechtlichen Bestimmungen wegen ihres Inhalts gegen den ordre public des deutschen Forumstaates verstoßen. Diese Theorie wird der Vielzahl der Fragen, die sich bezüglich der „Anwendung" ausländischen öffendichen Rechts stellen, nicht gerecht, und ist wohl auch vom BGH aufgegeben worden. Manche sind der Auffassung, es gäbe ein besonderes Kollisionsrecht für „Eingriffsnormen". Sie werden dahin definiert, daß es sich um Rechtssätze handelt, die „im öffentlichen Interesse auf private Rechtsverhältnisse einwirken oder sonstwie die persönliche Freiheit beschränken" (vgl. Neuhaus, aaO, S. 37). Eine solche Definition verspricht jedoch schon deshalb keine brauchbaren Resultate, weil ja jede rechdiche Regelung in einer Beschränkung der Verhaltensfreiheit bzw. der Anordnung einer Ausnahme von einer solchen Beschränkung besteht. Die erzwingende Anwendung ausländischer Steuergesetze scheitert nicht daran, daß diese Gesetze zunächst durch Kollisionsnormen des Forumstaates berufen wären und nur in ihrer Eigenschaft als öffendiches Recht von der Anwendung durch die Gerichte ausgeschlossen wären. Für Ansprüche auf Geldleistungen, die mit Sätzen des Privatrechts nicht zu begründen sind, und die daher unvermeidlicherweise schon von dem Kläger auf bestimmte von ihm angegebene Steuergesetze gestützt werden müssen, sind meist in einem anderen Staat mit Rücksicht auf diese Begründung die Zivilgerichte nicht zuständig. Die Verwaltungsgerichte hingegen haben nur enumerierte Zuständigkeiten zur Entscheidung über Einwendungen der Steuerpflichtigen gegen Steuerbescheide der inländischen Behörden; Klagen des Fiskus auf Steuerzahlung gegen den Privaten sind nicht vorgesehen. Es fehlt daher den Verwaltungsgerichten die Zuständigkeit zur Entscheidung über Klagen ausländischer Staaten auf Steuerzahlung. Es ist auch nicht so, daß in einem Land, welches keinen Unterschied zwischen Zivilgerichten und Verwaltungsgerichten macht, jeder auf Grund eines anwendungswilligen in- oder ausländischen Rechtssatzes begründete Anspruch von dem angegangenen Gericht zugesprochen werden müßte, so daß es einer ausdrücklichen Ausnahme für Ansprüche bedürfte, die auf ausländischem öffentlichen Recht begründet sind. Die Arbeit von van Rooij, De positie van publiekrechtlijke regels op het terrein van het internationaal privaatrecht, 1976, enthält wohl die umfangreichsten Hinweise auf Literatur und Rechtsprechung zu der Frage der „Anwendbarkeit" ausländischen öffendichen Rechts. In der Louisiana-Entscheidung Johnson v. St. Paul Mercury Ins. Co., 236 So. 2d 216, wird die Frage aufgeworfen, ob nicht die Bestimmung des maßgeblichen Statuts mit Hilfe eines elastischen Anknüpfungsmoments (gewichtigste Kombination aller Verknüpfungen des Einzelfalles) wegen dessen Unbestimmtheit (vgl. dazu S. 237) gegen die due process-Klausel der amerikanischen Verfassung verstößt. Die verfassungsrechtlichen Schranken der Ausgestaltung des interregionalen Rechts durch den Supreme Court (vgl. S. 293, Anm. 60) sind allerdings nicht ohne weiteres auf das internationale Privatrecht auszudehnen. Vgl. S. 44. Eine rezipierende Verweisung auf das jeweilige Recht eines anderen Landes kann als unzulässige Delegation gesetzgebender Gewalt selbst verfassungswidrig sein, vgl. Gray v. Gray T197111 Ghana L. R. 422. Ist dem unehelichen Kind nach der Verfassung ein Unterhaltsanspruch in derselben Höhe zu 793
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Anmerkungen zu S. 127 verschaffen wie einem ehelichen Kind, so darf der Gesetzgeber, wenn er schon trotz des Bestehens von Auslandsverknüpfungen den Unterhaltsanspruch unehelicher Kinder bei bestimmten Inlandsverknüpfungen durch eigenes Recht regeln will, hier nicht etwa Spezialrecht bilden, welches den Unterhaltsanspruch unter das reduziert, was für homogen verknüpfte Situationen gilt. Vgl. BVerfGE 3 1 , 5 8 , . So betrachtet das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 31, 58, das von ihm als im Grundgesetz gewährleistet unterstellte Grundrecht auf Eheschließung als verletzt, wenn das spanische Recht, welches (angeblich) einem Spanier unter allen Umständen die Eheschließung mit einer Person verbietet, deren erste Ehe nicht durch Tod des Partners aufgelöst wurde, von einer deutschen Behörde angewendet wird, um die Eheschließung mit einem nach deutschem Recht durch ein deutsches Gericht geschiedenen Deutschen zu verweigern: Das Fehlen jeglicher Möglichkeit einer Scheidung im spanischen Recht stellt eine mit dem oben genannten Grundrecht unvereinbare krasse Abweichung vom deutschen Recht dar und macht die Anwendung der negativen ordre public-Klausel zu einer verfassungsrechtlich gebotenen Anwendung. Auch in anderen Ländern ist die durch das internationale Privatrecht vorgesehene Anwendung von ausländischen Gesetzen, die als eigenes Gesetz des Forumstaates sicher verfassungswidrig wären, zum Gegenstand einer Prüfung gemacht worden. Wenn die Mehrheit des Gerichts in der Entscheidung Green Giant Co. v. Tribunal Superior, (1975) 104 D. P. R. 489, findet, daß der Satz der Verfassung von Puerto Rico, der eine besondere Bezahlung für Uberstunden vorsieht, nicht für Wanderarbeiter aus Puerto Rico gilt, die in Deleware oder Maryland bei dortigen Arbeitgebern beschäftigt sind, so wird offensichtlich die Inlandsverknüpfung durch Wohnsitz allein im Verhältnis zu den Auslandsverknüpfungen als zu schwach befunden, um die Verfassungsbestimmung zur Anwendung zu bringen. Die irische Verfassung von 1968 verbietet dem irischen Gesetzgeber nicht nur die Einführung der Ehescheidung in das irische Recht, sondern bestimmt auch, daß nach Auflösung einer Ehe im Ausland die Partner einer „in Irland als fortbestehend geltenden Ehe" dort nicht zu Lebzeiten des anderen Partner gültige Ehen eingehen können, vgl. sec. 41.3.2. und 41.3.3. Dennoch erkennt die Rechtsprechung in Irland die Scheidung irischer Staatsangehöriger im Ausland an, wenn sie dort ihr Domizil gehabt haben, vgl. Gaffney v. Gaffney, [1975] I. R. 133. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann — sei es durch den Verfassungsgesetzgeber selbst, sei es durch Auslegung des in der Verfassung allgemein formulierten Satzes — ein Verbot hergeleitet werden, daß der zentrale Gesetzgeber die Privatrechtsordnung im Staat als Rechtsordnung eines Mehrrechtsstaates gestaltet. Es kann auch z. B. zwar regionale Rechtsverschiedenheit erlaubt, aber die Verwendung gewisser Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment im interregionalen Recht verboten sein, weil der Gesetzgeber nach diesen Kriterien im Staat nicht differenzieren darf. Es könnte also unterschiedliches Bodenrecht in den verschiedenen Teilen des Landes zulässig sein, während es unzulässig wäre, daß die Anwendbarkeit eines solchen Teilrechts von persönlichen Verknüpfungen der Beteiligten abhängig gemacht würde. Verfassungsrechtliche Verbote der Differenzierung nach gewissen Kriterien können im praktischen Effekt die Bildung von unterschiedlichen Teilrechten ganz verhindern: Darf der Gesetzgeber weder nach „Herkunft", noch nach Wohnsitz innerhalb des Staatsgebietes, noch nach Religion oder Klassenzugehörigkeit differenzieren, so ist es kaum denkbar, daß mehrere Eherechte nebeneinander in demselben Staat bestehen könnten. Wird eine Differenzierung des Eherechts nach der Religionszugehörigkeit zugelassen, so können für das eine Teilrecht Ehehindernisse bestehen, die in dem anderen Teilrecht nicht gelten. Dies kann aber wieder Veranlassung dazu sein, daß die Teilnahme an einer Eheschließung, der in einem Teilrecht ein bestimmtes Ehehindernis entgegensteht, nicht allein als strafbar erklärt werden darf, sofern nicht generell jede wissentliche Teilnahme an einer rechtlich mangelhaften Eheschließung strafbar ist; das Problem wird aktuell in Staaten, welche den Mohammedanern, nicht aber den Angehörigen anderer Religionen die Mehrehe gestatten, und den Versuch einer bigamischen Eheschließung bei den Nichtmohammedanern bestrafen wollen. Derartige Konsequenzen, die aus dem Gleichheitssatz für das Kollisionsrecht innerhalb eines Mehrrechtsstaates gezogen werden (vgl. darüber meinen Aufsatz „Rechtsgleichheit und Vielheit der Rechte" in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, 1960, Bd. 1, S. 239ff.), dürfen jedoch keineswegs ohne weiteres auf die Gestaltung des internationalen Privatrechts übertragen werden. Darf für das interne Kollisionsrecht im Bundesstaat nicht nach der Zugehörigkeit zu einem Teilstaat
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differenziert werden, so schließt das die Verwendung der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment im internationalen Privatrecht dieses Staates nicht aus. Für das interregionale Kollisionsrecht sind nicht selten mehrere Kriterien der Differenzierung und damit der Abgrenzung zwischen Teilrechten verfassungsrechtlich gleich unzulässig, während eine entsprechende Regelung im internationalen Privatrecht gar nicht durchführbar ist. Im Mehrrechtsstaat kann auch eine unparitätische Bevorzugung eines Teilrechts als Vorstufe zur Vereinheitlichung des Rechts im Staat verfassungsrechdich zulässig sein, während für das internationale Privatrecht die paritäusche Behandlung aller Rechte eine verfassungsgesetzlich verbindliche Direktive sein kann. Eine Uberprüfung des internationalen Privatrechts an Hand des „allgemeinen" Gleichheitssatzes erweist sich als äußerst schwierig: Werden heterogen verknüpfte Situationen, die ein Staat nach Völkerrecht seinem Recht unterstellen dürfte, zwecks paritätischer Aufteilung in einer bilateralen Zuweisungsnorm an Hand eines bestimmten Anknüpfungsmoments unter die in Frage kommenden Rechte aufgeteilt, so kann nicht aus dem Gleichheitssatz in der Verfassung des Forumstaates gefolgert werden, dies sei unzulässig, weil damit die durch eine andere Verknüpfung dem Inland zugehörigen Sachverhalte ungleich behandelt würden: Wird mit Hilfe des Wohnsitzes zugewiesen, so kann nicht argumentiert werden, darin liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der eigenen Staatsangehörigen, die ja auf diese Weise bei Inlandswohnsitz nach inländischem Recht, bei Auslandswohnsitz jedoch anders beurteilt werden. Wird mit Hilfe einer persönlichen Verknüpfung (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) derjenigen Person zugewiesen, für die das Verpflichtetsein zu einer Leistung beim Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes behauptet wird, so kann nicht argumentiert werden, damit würden doch die durch die gleiche Verknüpfung mit dem Forumstaat verbundenen Kläger ungleich behandelt. Wird krasse Abweichung des berufenen ausländischen Rechts von der lex fori bejaht, und die Nichtanwendung des ausländischen Rechtssatzes auf das Bestehen einer persönlichen Verknüpfung einer Partei als der erforderlichen Binnenbeziehung gestützt, so sollte nicht argumentiert werden, die durch diese Binnenbeziehung mit dem Inland verknüpften Personen würden bei Anwendung des berufenen ausländischen Rechts, falls dieses nicht mit der lex fori übereinstimmt, schlechter behandelt als Ausländer unter dem in anderen Fällen anwendbaren deutschen Recht (so aber BGH, IPRsp 1958 — 59 Nr. 110: Verweigerung des Kranzgeldes gegenüber der deutschen Braut wäre „Schlechterstellung der deutschen Braut gegenüber der mit einem Deutschen verlobten Ausländerin"). Der Teufelskreis verletzter Gleichheiten wird besonders deutlich bei der Bestimmung des Scheidungsstatuts : Das Postulat, die an heterogen und die an homogen verknüpften Situationen beteiligten Rechtssubjekte gleich zu behandeln, erfordert Zuweisung des Scheidungsanspruchs an ein nationales Recht in einer paritätischen bilateralen Kollisionsnorm; die einseitige Manipulierbarkeit des in der persönlichen Zugehörigkeit einer Partei zu einem Staat bestehenden Anknüpfungsmoments verletzt die Gleichbehandlung der Ehegatten untereinander, ebenso wie dies bei einer Regelung der Fall ist, welche jedem der Ehegatten das Recht gibt, nach seinem Recht, aber auch nur nach seinem Recht, auf Scheidung zu klagen; kumulative und alternative Anwendbarkeit der beiden Personalstatuten schafft aber wieder Ungleichheit in der Behandlung heterogen verknüpfter und homogen verknüpfter Ehen. Die verschiedenen Gleichheitsanforderungen würden bei der Gestaltung der Kollisionsnorm für die Scheidung am ehesten zu befriedigen sein, wenn man das Recht des einverständlich gewählten gemeinsamen ehelichen Domizils zum Ehewirkungs- und Scheidungsstatut machen würde. Behandelt nun auch dieses Recht die Ehegatten in Bezug auf den Scheidungsanspruch wieder ungleich, so könnte die durch die Verwendung der negativen ordre public-Klausel unvermeidliche unparitätische Behandlung des ausländischen Rechts als dadurch ausgeglichen gelten, daß es ja einem Land, das die Scheidungswünsche der Ehegatten ungleich behandelt, freisteht, in der Gleichbehandlung, wie sie andere Rechte vorsehen, eine krasse Abweichung zu sehen. Gegenwärtig dürfte sich aber kaum ein Staat darauf verstehen, das Scheidungsstatut in dem Recht des ersten ehelichen Domizils zu sehen. Dann ist der Makel der Ungleichbehandlung in dieser oder jener Hinsicht eben nicht zu beseitigen. Vgl. hierzu auch Trib. Milano, Riv. Dir. Int. 1978, 93. Gleichbehandlung aller Rechtssubjekte „in" einem Staat durch dessen Gesetzgeber würde, wenn man dies zum Extrem ausdehnen würde, bedeuten, daß die lex fori überall da zur Anwendung gebracht werden muß, wo eine Inlandsverknüpfung besteht, welche die Anordnung der Anwendbarkeit der lex fori völkerrechtlich legitimiert, und daß die Anwendung abweichenden ausländi795
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Anmerkung zu S. 127 sehen Rechts in dem verbleibenden Bereich heterogen verknüpfter Fälle entweder mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel ausgeschlossen wird oder damit, daß die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Forumstaates verneint wird. Diese extreme Form der Gleichbehandlung aller im Staat ist andererseits die gröbste Verletzung des Prinzips, daß, um die Menschen in heterogen und homogen verknüpften Situationen gleichmäßig zu behandeln, die heterogen verknüpften Fälle gleichmäßig unter die nationalen Inlandsrechte aufzuteilen sind. Absurd wäre es, noch weiter zu gehen und Gleichbehandlung durch den eigenen Gesetzgeber als verweigert anzusehen, wenn ein Staat den von seinen Gesetzen und seiner Gerichtsbarkeit erfaßten Personen Pflichten auferlegt, die andere Staaten den von dem ersten Staat nicht erfaßbaren Personen nicht auferlegen. Daher verwirft C. App. Nouméa, Penant 1961, Nr. 686, das Argument eines französischen Arbeitgebers, ein ihn belastender zwingender Satz des auf dem Gebiet der Neuen Hebriden für ihn anwendbaren französischen Rechts bedeute eine Ungleichbehandlung, weil für englische Arbeitgeber im Gebiet der Neuen Hebriden ein entsprechender Satz vom englischen Gesetzgeber nicht erlassen worden ist. Hingegen kann eine evidente Schlechter- oder Besserstellung derjenigen Bürger, die an heterogen verknüpften Rechtsverhältnissen beteiligt sind, verglichen mit der rechtlichen Behandlung derjenigen, die an einem homogen verknüpften Rechtsverhältnis beteiligt sind, unter dem allgemeinen Gleichheitssatz bedenklich werden, wenn sie nicht entweder durch ein staatspolitisches Interesse begründet, oder als kompensiert gelten kann. Beim internationalen Steuerrecht braucht sich der nationale Gesetzgeber nicht bloß von dem Gedanken leiten zu lassen, gleichheitswidrige Doppelbesteuerungen durch paritätische Aufteilung der Anwendungsbereiche des inländischen und ausländischen Steuerrechts zu verhindern; zwecks Gleichbehandlung der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen unter sich kann die Beachtung ausländischer Steuerpflichtigkeit sich in einer Anrechnung der ausländischen Steuer auswirken. Zugleich aber darf der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus „volkswirtschaftlichen Gründen" Pauschbeträge, oder gar den Erlaß der eigenen Steuer vorsehen, so z. B. wenn der Quellenstaat zwecks Anziehung ausländischer Investitionen bei sich eine ermäßigte Steuerpflicht eingeführt hat. Wenn dann „im Interesse der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft" der deutsche Investor nicht die ganze Differenz zwischen der deutschen Steuer und der ausländischen Steuer zu zahlen hat, sondern ihm Steuererleichterungen nach § 34 c des Einkommensteuergesetzes gewährt werden dürfen, so ist dies nicht verfassungswidrig: BVerfGE 48, 210. Entsprechend muß es auch zulässig sein, im Interesse der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft, in heterogen verknüpften Situationen durch Bildung von Spezialrecht Befreiungen von wirtschaftsrechtlichen Bestimmungen zu verschaffen, auch wenn damit das Schema einer paritätischen Zuweisung heterogen verknüpfter Geschäfte an die verschiedenen nationalen Inlandsrechte durchbrochen wird. Bedenklicher ist die alternative oder kumulative Anwendung mehrerer Inlandsrechte, weil sie ja unvermeidlicherweise in heterogen verknüpften Fällen ein bestimmtes Ergebnis in Abweichung von beiden beteiligten Inlandsrechten begünstigt. Diese Begünstigung kann jedoch möglicherweise als anderweitig ausgeglichen gelten: Die Förderung der Chance der Formgültigkeit heterogen verknüpfter Geschäfte durch alternative Anwendung mehrerer Rechte kann dadurch als ausgeglichen gelten, daß andere gültigkeitshemmende Vorschriften aus dem Recht mehrerer Staaten nebeneinander zum Zuge kommen; vgl. S. 67. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 31, 79) sieht in der Kumulation der beiden Heimatrechte der Verlobten auf die materiellen Ehegültigkeitsvoraussetzungen zutreffend eine stärkere Beschränkung der Möglichkeit, gültige Ehen zwischen Personen verschiedener Staatsangehörigkeit zu begründen, als sie in homogen verknüpften Verhältnissen besteht. Es handele sich aber um ein sachlich gerechtfertigtes Bestreben des Gesetzgebers, wenn er darum besorgt ist, daß die in Deutschland zu schließende Ehe in den beiden „vielleicht vorher vorübergehend verlassenen Heimatstaaten der Verlobten" anerkannt werde. Abgesehen davon, daß das EGBGB dieses Ziel nur unter Einschränkungen verwirklicht, kann man sich fragen, ob nicht mit noch mehr Recht auch die Anerkennung der Ehe in den zukünftigen Wohnsitzstaaten der Eheschließenden Voraussetzung für die Mitwirkung des deutschen Standesbeamten sein müßte. Und warum sollte das, was für die Ehe gilt, nicht auch für die Adoption, und warum sollte es nicht schließlich für sämtliche anderen durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisse gelten, sofern die Parteien nicht ausdrücklich auf einen universalen Rechtsschutz ihres Rechtsverhältnisses verzichten oder ihn absichdich ausgeschlossen haben? Wenn das Bundesverfassungsgericht dann doch bei einer untragbaren Ein-
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schränkung des Grundrechts zur Eheschließung und zur freien Wahl des Partners in einem berufenen ausländischen Heimatrecht den Abschluß einer hinkenden Ehe vor dem deutschen Standesbeamten zuläßt, so fragt man sich, ob es nicht grundsätzlich richtiger wäre, zum Ehegültigkeitsstatut das Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes zu berufen, oder jedenfalls das deutsche Recht in dieser Eigenschaft anwendbar zu machen. Der Vorteil, den das Recht zur Wahl des Geschäftsstatuts den Parteien verschafft, zwingendem Recht besser ausweichen zu können, als es die an homogen verknüpften Situationen beteiligten Menschen vermögen, kann durch andere Benachteiligungen (alternative Anwendbarkeit einzelner gesondert angeknüpfter zwingender Rechtssätze) als ausgeglichen gelten, vgl. S. 544. Hingegen läuft das Recht eines Erblassers, als Erbstatut das Heimatrecht oder das Domizilrecht zu wählen, auf eine erweiterte Testierfreiheit solcher Erblasser hinaus, bei denen Heimatstaat und Wohnsitz nicht dieselben sind, ohne daß dies als Ausgleich für andere Behinderungen des Testators verstanden werden könnte. Wenn Scheidungen eigener Staatsangehöriger, die im Ausland nach ausländischem Recht erfolgt sind, im Forumstaat anerkannt werden, obwohl eine Scheidung durch inländische Gerichte unter dem von ihnen anwendbaren Heimatrecht nicht hätte erfolgen können, so kann auch darin eine ungerechtfertigte Bevorzugung solcher scheidungswilliger Staatsangehöriger gesehen werden, die in der Lage sind, einen im Heimatstaat anerkannten ausländischen Gerichtsstand, insbesondere einen zeitweisen ausländischen Wohnsitz, zu begründen. Das kann selbstverständlich nicht dadurch als kompensiert gelten, daß Ausländer im Inland nur unter kumulativer Anwendung ihres Heimatrechts und der lex fori geschieden werden können. BVerfGE 37,240 (246 f.). Soweit die Kollisionsnormen des EGBGB auf die Staatsangehörigkeit des Mannes bzw. des Vaters abstellen, sind sie nach Ansicht des BGH nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ungültig und unanwendbar geworden, vgl. BGH, IPRsp 1970, Nr. 59 b. KG, FamRZ 1975, 627, will wegen Verfassungswidrigkeit des Art. 17, Abs. 1 EGBGB auf die Scheidung das jeweilige Heimatrecht des Klägers anwenden. BGH, IPRsp 1954 — 55, Nr. 90, hielt es für notwendig, daß der Gesetzgeber selbst die internationalprivatrechtliche Kollisionsnorm neu formuliert, wenn wirklich der gegenwärtige Art. 17 EGBGB verfassungswidrig sein sollte. BGH, N J W 1979, 1776, hält Art. 18 EGBGB nicht für verfassungswidrig. Die Entscheidung des BGH, IPRsp 1970, Nr. 61b, wonach die ungleiche Gestaltung der Elternrechte gegenüber dem Kind, wie sie z. B. im Islamrecht besteht, unter den Umständen des Einzelfalles nicht gegen den deutschen ordre public verstößt, bedarf nach der späteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offenbar einer Uberprüfung unter dem Gesichtspunkt, ob nicht eine verfassungsrechtlich gebotene Binnenbeziehung übersehen worden ist. Nicht die Ungleichbehandlung von Vater bzw. Mutter im Kindschaftsrecht des Islam, sondern die Automatik der Zuweisung der Personensorge bei Scheidung ist — weil sie dem Wohl des Kindes nicht gerecht werde - für C. App. Paris, J.C.P. 1976, Nr. 18275, der Grund, um mit Hilfe der ordre publicKlausel das Islamrecht nicht anzuwenden. Für ein Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit und deutschem Wohnsitz kann die Gleichberechtigung der Eltern bei der Ausübung der Personensorge für das Kindeswohl als so wichtig zu gelten haben, daß dem abweichenden Heimatrecht des Vaters die Anwendung mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel versagt werden muß; es geschieht dies dann des Kindes wegen und nicht des Grundrechts der deutschen Mutter zuliebe. Ermöglicht es das Verständnis des Gleichheitssatzes in einer Verfassung, daß ein Rechtsverhältnis mit Ungleichbehandlung der Beteiligten einverständlich begründet werden kann, so steht auch nichts im Wege, daß in heterogen verknüpften Verhältnissen einverständlich ein Recht zum Geschäftsstatut gewählt wird, welches die Ungleichbehandlung vielleicht sogar als zwingendes Recht vorsieht. Betrachtet hingegen ein Staat die Gleichbehandlung der Parteien innerhalb eines bestimmten Rechtsverhältnisses im eigenen Recht als unabdingbar, so wird ein in einer bilateralen Kollisionsnorm berufenes ausländisches Recht, welches Ungleichbehandlung vorsieht, sicher nicht schon dann unanwendbar, wenn nur schwache Binnenbeziehungen zum Forumstaat hingehen. Die „Freiheit", an der Begründung eines Rechtsverhältnisses durch Rechtsgeschäft mitzuwirken oder nicht mitzuwirken, rechtfertigt es aber wohl auch, daß auf ein rechtsgeschäfdich begründetes Rechtsverhältnis ein ausländisches Recht angewendet wird, das Ungleichbehandlung in der Sache vorsieht. Die deutsche Frau, die sich bei der Eheschließung mit einem Ausländer trotz Rechtsbe797
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Anmerkungen z u S . 1 2 8 - 1 2 9 lehrung auf die Ehe einläßt, die nach dem ausländischen Wirkungsstatut Ungleichbehandlung vorsieht, und die die Möglichkeit hatte, sich durch Ehevertrag Gleichbehandlung in ihrer Ehe zu sichern, kann sich nicht mehr auf den Gleichheitssatz des deutschen Grundgesetzes berufen. Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit ist die inländische Staatsangehörigkeit als Binnenbeziehung zur Ausschaltung von ausländischem Recht, das angeblich mit einem Grundrecht der deutschen Partei unvereinbar ist, mit einem geringen Gewicht einzusetzen, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit von dem Inländer auf Antrag erworben und daneben die inländische Staatsangehörigkeit beibehalten, oder wenn auf das Recht, die ausländische Staatsangehörigkeit auszuschlagen, verzichtet worden ist. Es war m. E . unnötig und verfehlt, die Entscheidung B V e r f G E 31, 58, auf die Verletzung eines Grundrechts zur freien Wahl des Ehepartners zu stützen. Spätestens seit der Entscheidung der spanischen Generaldirektion für Registersachen von 1971 (vgl. S. 76, Anm. 52) ist erwiesen, daß die Annahme, das spanische Recht lehne die Anerkennung einer jeden Scheidung einer Ehe ab, die vom Standpunkt der spanischen Rechtsordnung her als gültig zustandegekommen galt, unrichtig ist. W i e ich schon in J Z 1964, 623, angedeutet habe, war es also doch nur die Anwendung des vom spanischen staatlichen Recht rezipierten kanonischen Rechts der katholischen Kirche auf einen deutschen Staatsangehörigen, welche ein deutsches Staatsorgan nicht mitmachen durfte. Es lag eine verfassungsgesetzlich gebotene Binnenbeziehung vor, welche die gegen Art. 140 G G verstoßende ausländische Regelung als unanwendbar erscheinen ließ. Wenn das spanische Recht die Scheidung der islamrechtlichen Ehe spanischer Staatsangehöriger, und erst recht eine islamrechdiche Scheidung von Ausländern in deren Heimatstaat anerkennt, aber der deutschen Protestantin, deren standesamtliche Ehe mit einem deutschen Nichtkatholiken vom deutschen Recht geschieden worden war, zu Lebzeiten des Partners dieser früheren Ehe die Möglichkeit der Eingehung einer gültigen neue Ehe — sei es mit einem Spanier, sei es mit einem NichtSpanier — höchstens dann verschafft, wenn ein kirchliches Gericht der katholischen Kirche festgestellt hat, daß bei der geschiedenen Ehe ein Konsens im Sinne des kanonischen Rechts nicht vorlag, so hatte ein deutsches Staatsorgan eine Prüfung der Ehefähigkeit nach Maßgabe dieser Bestimmungen des spanischen Rechts abzulehnen. B G H , IPRsp 1971, N r . 40. Nicht jede Verweigerung von Grundrechten in einem fremden Staat, die in Deutschland Anlaß zum Einsatz der negativen ordre public-Klausel gegenüber dem auf Grund der Staatsangehörigkeit berufenen ausländischen Recht geben könnte, ist eine politische Verfolgung, die zur Asylgewährung und zur generellen Ersetzung des Heimatrechts durch das Recht des asylgewährenden Staates Anlaß geben kann. Wird aber im Zusammenhang mit der Eingehung einer vom Standpunkt des Heimatstaates unzulässigen, vom Standpunkt des Eheschließungslandes her hingegen durch ein Grundrecht gewährleisteten Ehe ein ständiger Aufenthalt in dem letzten Staat begründet, während die Rückkehr in den Heimatstaat den Betreffenden der Gefahr der Bestrafung wegen dieser Eheschließung aussetzen würde, so sollte erwogen werden, ob hier das Personalstatut der betreffenden Person — ähnlich wie bei Flüchtlingen — generell nicht mehr dem Heimatrecht, sondern dem Recht des Wohnsitzes entnommen werden sollte. O b das Bundesverfassungsgericht im „Spanierfall" ( B V e r f G E 31, 58) bewußt einer Konfrontation der Sätze des deutschen Verfassungsrechts über die religiöse Indifferenziertheit des deutschen Privatrechts vor dem im spanischen Recht rezipierten Eherecht der katholischen Kirche ausweichen wollte, und ob man deshalb darauf kam, das „Grundrecht zur Eheschließung" so unerwartet stark zu betonen, wird wohl ungeklärt bleiben. Toleranz gegenüber der in den meisten Religionen und religiösen Rechten anzutreffenden Intoleranz, und damit richterliche Anwendung auch solcher Gesetze eines ausländischen Rechts, in denen sich ein fremder Staat die intolerante Haltung einer bestimmten Religion in seinem Recht zu eigen gemacht hat, ist erst dann angebracht, wenn die Betroffenen weder deutsche Staatsangehörige sind, noch ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Die Frage wurde zuerst aktuell, als in der D D R das Volljährigkeitsalter herabgesetzt wurde (während dies in der Bundesrepublik noch nicht geschah), und die Frage auftauchte, ob die unter dem D D R - R e c h t erreichte Volljährigkeit entsprechend Art. 7 (2) E G B G B bei der Verlegung des Wohnsitzes in die Bundesrepublik fortbestehen sollte. 1956 hat sich B V e r f G E 5 , 1 7 , darauf beschränkt zu erklären, daß in der Bejahung des Fortbestehens der Volljährigkeit keine diskriminierende Behandlung nach „Herkunft" zu sehen sei; die sonstige verfassungsrechtliche Problematik wurde nicht
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§§ 7, 8
erörtert. Erst spät hat B G H , IZRsp 1964—65, N r . 8, sich gegen eine paritätische Behandlung der Rechte der Bundesrepublik und der D D R im Kollisionsrecht ausgesprochen, und damit jedenfalls eine Anwendung des Scheidungsrechts der D D R unter Zugrundelegung von Art. 17 E G B G B abgelehnt. Vgl. dazu Wengler, in: Fünf Jahre Grundvertragsurteil, 1979, S. 335 f.
B. Die Technik d e s i n t e r n a t i o n a l e n Privatrechts § 8. Die Bestimmung der Anknüpfungsgegenstände und die „Qualifikation" 1 2
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Vgl. S. 53. Noch ein Vertrag vom 22. 10. 1953 zwischen Frankreich und Laos enthielt eine Bestimmung dahingehend, daß in Zivilsachen von den Gerichten in Laos französisches Recht zur Anwendung gebracht werden sollte, sobald nur ein französischer Staatsangehöriger an der Sache beteiligt war. Im intergentilen Recht ist außer der Wahl des anwendbaren Gruppenrechts nur die Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit eigenem Recht als Anknüpfungsmoment verwendbar; dann kann es aber auf die Gruppenzugehörigkeit des Beklagten oder des Verpflichteten, oder auf die Gruppenzugehörigkeit des Klägers, in Ehesachen vielleicht nur auf die Gruppenzugehörigkeit des Mannes ankommen. Der Begriff „Zivil- und Handelssachen" in Art. 1 der EWG-Konvention vom 27. 9. 1968 wurde bei der Revision vom 9. 10. 1978 erläutert durch den Zusatz, daß „Steuer-, Zoll- und Verwaltungssachen" nicht dazu gehören. Es wird offensichdich vorausgesetzt, daß der geltend gemachte Anspruch nebst dem vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatbestand vom Kläger bereits durch den Hinweis auf Rechtssätze begründet wird. Eine Klage auf Leistung einer bestimmten Summe auf Grund des Tatbestandes, daß der Beklagte Eigentümer eines Grundstücks mit einem Ertrag in vielfacher Höhe der eingeklagten Summe sei, ist in der Tat nicht schlüssig ohne weitere Angaben darüber, ob die Leistung auf Grund der rechtsgeschäftlichen Bestellung eines Grundrentenrechts oder auf Grund eines Gesetzes in ihrer Eigenschaft als Grundsteuer geschuldet wird. Steuerforderungen werden nicht durch Abtretungen an Privatpersonen zu privatrechtlichen Forderungen, während umgekehrt eine privatrechtliche Forderung dem Fiskus abgetreten werden kann. Daß eine für die Zwecke der Zuständigkeitsbegründung notwendige rechtliche Qualifizierung des erhobenen Anspruchs sich auf die Rechtssätze bezieht, die den Anspruch als schlüssig erscheinen lassen, zeigt § 738 H G B i. d. F. des Seerechtsänderungsgesetzes von 1972, wo von „Klagen auf Schadensersatz, die auf die Vorschriften dieses Titels (des H G B betreffend Schiffszusammenstoß) oder auf entsprechende ausländische Vorschriften gestützt werden", die Rede ist, und eine ausschließliche Zuständigkeit vorgesehen wird. Es sollte keinesfalls gefordert werden, daß die Klage, schon um zulässig zu sein, sich auf dasjenige inländische oder ausländische Gesetz berufen muß, welches nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates anwendbar ist, insbesondere wenn sich die in Frage kommenden Rechte gar nicht inhaltlich unterscheiden; anders indes eine kuriose Entscheidung des Obersten Gerichts für Nigerien, Amanabu v. Okafor, [1966] 1 All Nig. L. R. 205. 799
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Anmerkungen zu S. 132 Vgl. S. 136 f. Hat der Forumstaat einen einzelnen Satz seines eigenen Rechts unmittelbar mit einem gesondert festgelegten Anwendungsbereich ausgestattet (vgl. S. 45), so ist dieser Satz auf den erhobenen Anspruch anwendbar, wenn die maßgeblichen Inlands- bzw. Auslandsverknüpfungen vorliegen, und der Rechtssatz inhaltlich auf den erhobenen Anspruch paßt. Dasselbe ist der Fall, wenn der Forumstaat bereit ist, einen Satz des ausländischen Rechts, der mit einem bestimmten Satz des eigenen Rechts des Forumstaates übereinstimmt, bei Anwendungswilligkeit und Gegenseitigkeit zur Anwendung zu bringen, vgl. S. 95. In diesen Fällen ist eine Einordnung des Rechtssatzes in Rechtssatzkategorien nicht erforderlich. Einseitige Bestimmung des Anwendungsbereichs bestimmter einzelner Sachnormen, bei denen eine Qualifikation nicht erfolgt, und einseitige Bestimmung des Anwendungsbereichs für eine Normenkategorie gehen in der Praxis leicht ineinander über: Bei einem Devisengesetz, welches für bestimmte Transaktionen eine Genehmigung erfordert, kann bei jeder einzelnen Bestimmung gesagt werden, auf Grund welcher Inlandsverknüpfung sie anwendbar ist. Handelt es sich immer um dieselbe Inlandsverknüpfung, so kann sich der Gesetzgeber mit einer Bestimmung begnügen, wonach „die Bestimmungen dieses Gesetzes" für alle Geschäfte gelten, bei denen die betreffende Verknüpfung vorliegt. Möglicherweise drückt sich der Gesetzgeber aber auch so aus, daß er seinen „devisenrechtlichen" Vorschriften mit Hilfe dieses Anknüpfungsmomentes einen Anwendungsbereich zuweist. Kennt ein Gesetzgeber im Inlandsrecht nur die standesamtliche Eheschließung, so kann im Zusammenhang mit deren Regelung bestimmt werden, daß eine im Inland geschlossene Ehe nur durch eine solche standesamtliche Eheschließung gültig Zustandekommen kann. Häufig bildet aber der Gesetzgeber eine einseitige Kollisionsnorm des Inhaltes, daß die „inländischen Formvorschriften" für alle im Inland geschlossenen Ehen allein maßgebend sein sollen, obwohl diese Kollisionsnorm sicher nicht aufrechterhalten würde, wenn das Inlandsrecht dahin geändert würde, daß die Parteien zwischen einer standesamtlichen Eheschließung oder einer religiösen Eheschließung wählen könnten; dann bestünde kein Grund mehr, ausländischen Staatsangehörigen, deren Heimatrecht etwa Eheschließung vor dem Notar vorsieht, die Benutzung dieser Form im Inland zu verweigern. Die ausschließlich auf Material der englischen Rechtsprechung aufgebaute Arbeit von Jackson, The „Conflicts" Process, 1975, lehnt die scharfe Trennung der Prüfung der internationalen Zuständigkeit für das von einer Partei gewünschte Verfahren und der Ermittlung des anwendbaren Rechts ab. In der Sicht des Verfassers sollen internationalprivatrechtliche Kategorien für „issues" gebildet werden; die Vorstellung, daß Zuweisungsnormen mit Kategorien für abstrakte Rechtssätze arbeiten können, und daß ein passender Rechtssatz aus einer berufenen Rechtssatzkategorie auf eine Rechtsfrage angewendet wird, ist dem Verfasser fremd. Kann im Forumstaat ein Klaganspruch nur unter Angabe von Tatbestand und begehrter Rechtsfolge erhoben werden, ohne daß Angaben über den den Anspruch angeblich rechtfertigenden Rechtssatz gemacht zu werden brauchen, und ohne daß der Anspruch sonstwie rechtlich qualifiziert wird, so bereitet die Entscheidung über einen Anspruch, der mit keinem Rechtssatz eines der beteiligten Staaten schlüssig begründet werden kann, keinerlei Schwierigkeiten, wenn am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten geklagt würde und dieser für „alle" Anspruchsgründe zugänglich ist: Der Anspruch ist als unbegründet abzuweisen. Ist das angegangene Gericht, um in der Sache über einen Anspruch zu entscheiden, nur zuständig, soweit der Anspruch durch Rechtssätze aus einer bestimmten Kategorie gedeckt ist — so z. B. wenn das Gericht am „Deliktsort" den Zahlungsanspruch des angeblich Geschädigten nur auf Rechtssätze betreffend gesetzliche Verhaltenspflichten stützen kann —, so ist Schlüssigkeit des Anspruchs an Hand der in Frage kommenden Rechte, jedoch unter Beschränkung auf die Rechtssätze einer bestimmten Normenkategorie, zu prüfen; wird der schlüssige Anspruch schließlich doch abgewiesen, weil z. B. ein behauptetes Tatbestandselement nicht erwiesen werden konnte, so erstreckt sich die Rechtskraft der Entscheidung auf den Klaganspruch nur insoweit er als „deliktsrechtlicher" Anspruch geprüft worden ist; vgl. dazu B G H , IPRsp 1973, Nr. 137. Ist der Anspruch vom angegangenen Gericht nur unter einem Rechtssatz zu prüfen, der einer bestimmten Normenkategorie zugehört, und ist der erhobene Anspruch nach keinem der in Frage kommenden Rechte schlüssig, so kann man zweifeln, ob Abweisung zu erfolgen hat, weil der
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Anspruch nicht nach einem Satz der in diesem Gerichtsstand anwendbaren Normenkategorie begründet ist, oder deshalb, weil das Gericht mangels des Nachweises des für eine schlüssige Begründung unter einem solchen Rechtssatz notwendigen örtlichen Tatbestandselementes unzuständig war. Man wird Bedenken haben, allein auf Grund der Rechtsbehauptung des Klägers, eine bestimmte Handlung des Beklagten, die angeblich im Sprengel des angegangenen Gerichts begangen worden ist, stelle nach dem Recht des Handlungs- oder Wirkungsortes eine unerlaubte Handlung dar, die Zuständigkeit des Gerichts zur Entscheidung unter Anwendung deliktsrechtlicher Normen zu bejahen, wenn feststeht, daß die fragliche Handlung nach keinem der in Frage kommenden Rechte eine deliktische Handlung sein konnte. Ist die Rechtsbehauptung des Klägers über das Vorliegen eines deliktsrechtlichen Anspruchs unter einem in Frage kommenden Deliktsstatut schlüssig, wird deshalb die Zuständigkeit bejaht, erweist sich aber in der Sachprüfung, daß er nicht begründet ist, so darf das Gericht natürlich den Anspruch nicht an Hand von Rechtssätzen einer anderen Rechtssatzkategorie aus dem dafür zuständigen Recht prüfen. Darüber, inwieweit die zur Schlüssigkeit unter einer bestimmten Rechtssatzkategorie notwendigen Tatsachen bewiesen oder wahrscheinlich gemacht werden müssen, vgl. S. 328, Anm. 16. Wenn das Gericht am Deliktsort den erhobenen Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt seiner Begründung durch „deliktsrechtliche" Vorschriften zu prüfen hat, so muß der Anspruch nach einerti derjenigen Rechte schlüssig sein, die überhaupt als „Deliktsstatut" in Frage kommen; desgleichen müßte ein am Erfüllungsort erhobener Anspruch wenigstens nach einem derjenigen Rechte schlüssig sein, die mit ihren Rechtssätzen über Rechtsgeschäfte in Frage kommen. Ist nun weder das eine noch das andere der Fall, so kann der Anspruch eben nur am allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten angebracht werden. Das Problem der gerichtlichen Zuständigkeit zur Entscheidung über Ansprüche, die unter dem positiven Recht der in Frage kommenden Staaten nicht schlüssig zu begründen sind, spielt jedoch keine Rolle für die Frage, „nach welchem Recht" und unter Verwendung welcher Normenkategorien der durch keinen geltenden Rechtssatz gedeckte Anspruch abzuweisen ist, wenn ein zuständiges Gericht für den Anspruch ohne Rücksicht auf seine rechtliche Begründung durch den Kläger besteht: Der Anspruch ist von diesem Gericht als „nach keinem der im Forumstaat zur Anwendung berufenen Rechte begründet" abzuweisen. Vgl. S. 663. Absurd ist es, eine nur von einer Partei willkürlich aufgeworfene Teilfrage als solche für die Zwecke der Ermittlung des anwendbaren Rechts im „sachrechtsleeren" Raum zu „qualifizieren". Würde eine Partei behaupten, daß ein Testament deshalb ungültig sei, weil es nicht mit dem Visum einer Kirche versehen ist, so müßte nach Neuhaus (aaO, S. 119) diese „Frage" zuerst als „Formfrage" oder irgendwie sonst qualifiziert werden, damit der Richter dann sagen kann, daß das zuständige Recht, nämlich das Formstatut usw., dieses angebliche Gültigkeitserfordernis nicht kennt. Kann eine solche von einer Partei im Prozeß aufgeworfene Teilfrage nur mit ja oder nein beantwortet werden, und ist sie nach allen Rechten, zu denen eine Verknüpfung besteht, sowohl nach deren Inlandsrecht als auch in etwaigem Spezialrecht mit nein zu beantworten, so kann auch hier gesagt werden, daß die Frage von keinem Recht „gedeckt" ist, ohne daß es einer Qualifikation dieser Frage oder einer Qualifikation des imaginären Rechtssatzes bedarf, nach dem die Frage zu bejahen wäre. Nach Ansicht des BGH sind ausländische Rechtseinrichtungen zunächst nach ihrem Sinn und Zweck in der Rechtsordnung des Urheberstaates zu „erfassen", dann mit Einrichtungen der deutschen Rechtsordnung zu „vergleichen" und schließlich „den aus den Begriffen und Abgrenzungen der deutschen Rechtsordnung aufgebauten Merkmalen der deutschen Kollisionsnormen zuzuweisen": BGH, IPRsp 1958 - 59, Nr. 112; 1 9 6 6 - 6 7 , Nr. 90. Hat das Gericht nicht ein einziges Privatrechtssystem als „seine" lex fori, so ist auch diese Art der Qualifikation nach der lex fori unmöglich. Waren die französischen Gerichte im Protektorat Marokko, oder das gemischte Gericht in Tanger, als Nachfolger der früheren Konsulargerichte verschiedenster Staaten zu verstehen, so konnten sie bei der Deutung der Kategorienbegriffe in den für das Gericht verbindlichen Rechtsanwendungsanweisungen nicht von einer eigenen lex fori ausgehen; vielmehr mußten dann Begriffe wie Erbfolge, Form usw., die in dem vermittels der Staatsangehörigkeit berufenen ausländischen Recht vorkamen, im Sinne dieses Heimatrechts gedeutet werden, vgl. Ménard, Traité de droit international privé marocain, 1935, Bd 1, S. 29. 801
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Anmerkungen zu S. 136 Komplikationen bereitet die Gesetzestechnik der „Gleichstellung" eines Sachverhalts b) als eines wirkungsauslösenden Tatbestandes mit dem Tatbestand a), für welchen ein anderes Gesetz desselben Staates bereits bestimmte Wirkungen c) vorgesehen hat. Steckt dann das Kollisionsrecht des Forumstaates F den Rahmen ab, innerhalb dessen das berufene Recht X die fragliche Wirkung c) und den sie auslösenden Tatbestand a) im einzelnen regeln kann, während ein anderes berufenes Recht Y eine entsprechende Funktion in bezug auf die Wirkungen des Tatbestandes b) erhält, so ändert sich an diesen Zuweisungen nichts, wenn es im Recht von X heißt, daß der Tatbestand b) „die gleichen Wirkungen auslösen" soll, wie sie der Tatbestand a) im Recht von X nach sich zieht. Die Zuweisung der Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen der unehelichen Mutter und ihrem Kind an das Heimatrecht der Mutter wird also nicht dadurch hinfällig, daß das Heimatrecht der Mutter dieses Rechtsverhältnis genauso regeln will, wie das Rechtsverhältnis zwischen der Mutter und ihrem ehelichen Kind in diesem Recht geregelt ist. Anders wird es, wenn die Zuweisung an das Recht X bedeuten soll, daß dieses Recht eine bestimmte Wirkung c) an den Tatbestand a) oder an jeden vom Recht X dem Tatbestand a) „gleichgestellten" anderen Tatbestand anknüpfen kann, und daß diese Regelung vorrangig vor etwaigen abweichenden Regelungen anderer Rechte maßgebend sein soll. Spricht die Zuweisungsnonn davon, daß das Recht X das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und „ehelichen" Kindern regeln soll, so kann damit gemeint sein, daß das Recht X nicht nur die Wirkungen dieses Rechtsverhältnisses bestimmen, sondern daß es auch Vorschriften darüber bilden kann, in welchem zeitlichen Verhältnis die Geburt zu der Ehe der Mutter stehen soll, damit das Kind als eheliches Kind gelten kann. Es kann aber auch gemeint sein — und das ist wahrscheinlicher, wenn nicht von „ehelichen", sondern von „legitimen" Kindern die Rede ist —, daß das Recht X die Wirkungen des Rechtsverhältnisses zwischen Kind und Eltern auch in den Fällen regeln soll, in denen das Recht X für uneheliche Kinder dieselbe Regelung trifft, wie es sie zunächst für eheliche Kinder vorsieht. Ob das nun in der Weise geschieht, daß das Gesetz von X zunächst einmal in sich gesondert die Bestimmungen über die Rechtsstellung der ehelichen Kinder regelt und an anderer Stelle anordnet, daß für alle oder bestitnmte uneheliche Kinder „die gleichen" Wirkungen eintreten sollen, wie sie bei ehelichen Kindern vorgesehen sind, oder ob das Gesetz von vornherein zusammenfassend alle diejenigen Tatbestände aufzählt, in denen die Wirkungen eintreten sollen, kann dabei keinen Unterschied machen. Vgl. dazu S. 462 ff. Vgl. Wittgenstein, The blue and brown books, S. 17—20; Philosophical investigations § 65 — 71, und dazu Wennerberg in: Theoria 33 (1967) 107ff. Die Kategorienbildung nach Merkmalen der „Familienähnlichkeit" läßt sich wie folgt schematisieren: Werden mehrere Objekte mit den Merkmalen a), b), oder b), c), d), oder d), e), f), g) usw. vorgefunden, so kann von den Eigenschaften a), b), c) und d) bestimmt werden, daß sich bei Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu der Familie A mindestens zwei dieser Eigenschaften finden müssen, während mindestens zwei der Eigenschaften d), e), f) und g) für die Familie B maßgebend sind. Ebensogut ließen sich drei Familien A, B, C mit anderen entscheidenden Merkmalen bilden. Auch für die Rechtssatzkategorien des internationalen Privatrechts gilt dann: " . . . our terms or concepts have not only vague boundaries in the sense that there are some objects concerning which it is dubitable whether they fall under these terms or not. Such a kind of vagueness can be called statical vagueness. Our terms are vague in a different sense as well, which has not been noticed by the defenders of the traditional doctrine. The question whether an object falls under a certain term or not depends upon the features of those objects which have earlier been subsumed under the same term. The order in which these and other objects have emerged may influence the classification of the new objects. This kind of vagueness may be called dynamical vagueness. When a new object emerges this object might be similar not only to some of the objects falling under A, but also to some objects falling under other terms. Nevertheless the object is subsumed under A, bot not under any of these other terms, in spite of the fact that it could be said to stand in the relation of family resemblances to (say) the objects falling under the term B. The fact that this relation obtains is thus not sufficient to make us subsume it under B. Why is this object subsumed under A but not under B? People make a decision to subsume the new object under A and not under B. Such a decision is similar to a convention but this does not mean that it is completely arbitrary. Such a decision is of
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course influenced by the relative importance of the different similarities or family resemblances between the new object and the objects falling under A and B, respectively. It is also influenced by the amount of terms of the language used by the speakers. If the language did not contain the term A the new object might have been subsumed under the term B. Hence we can explain the fact that an object x does not fall under a term A by saying that when it first emerged people did not decide to classify it in this way and since then nothing has made them change their original classification of it. But this fact need not exlude that if an appropriate set of other objects had earlier been subsumed under this term or if our language had lacked certain other terms it would have been subsumed under this term. . . . " Wennerberg aaO, S. 117f. Es mag sein, daß dem, was manche im Gegensatz zur „rechtskonstruktiven" Qualifikation als „funktionelle" oder als „teleologische" Qualifikation bezeichnen, diese Eigenart der Kategorienbildung für Rechtssätze vorschwebt. Es kann nicht bestritten werden, daß die „dynamische" Ungewißheit der Begriffe für Rechtssatzkategorien schwer mit dem Ideal absoluter Rechtssicherheit vereinbar ist; auch hier liegt eine der für das internationale Privatrecht typischen Kollisionen widersprechender rechtspolitischer Prinzipien vor. Daß die Zuweisungsnorm Kategorien für Rechtssätze mit Hilfe von Merkmalen des Inhaltes bildet, der aber den Sachnormen nur von ihrem Urheber gegeben werden kann, und daß es für die Qualifikation eines Rechtssatzes zugleich auf den Zweckzusammenhang mit anderen Rechtssätzen ankommt, sollte wohl in Art. 15 des portugiesischen ZGB von 1966 zum Ausdruck gebracht werden: „Qualificasöes. A competencia atribuida a uma lei abrange sömente as normas que, pelo seu conteüdo e pela fungao que tem nessa lei, integram o regime do instituto visado na regra de conflitos." Der Schweizer Entwurf für ein IPR-Gesetz unterstellt der Bildung von Kategorien für Rechtssätze, daß alle Rechtssätze einer Kategorie einem bestimmten Zweck dienen: „Die Verweisung" (auf ein nationales Recht) „umfaßt alle Bestimmungen" (dieses Rechts), „welche ihrem Zweck nach auf einen Sachverhalt anwendbar sind" (Art. 13 (2)). Der argentinische Vorentwurf für ein internationales Privatrecht von 1974 will die auf das materielle Recht bezüglichen Begriffe „nach" der berufenen lex causae qualifizieren, falls dies nicht zu einer „unvernünftigen Lösung" führt (Art. 2). In RGZ 163,367, wird das belgische „Verbot" eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen Ehegatten unter Würdigung des Zwecks und der Wirkung dieser Vorschrift im belgischen Recht geprüft und festgestellt, daß die Vorschrift aus der sonstigen Gestaltung der Güterstände durch das belgische Recht zu erklären ist. Die Vorschrift ist daher unanwendbar, wenn die güterrechtlichen Vorschriften für eine Ehe zwischen Belgiern dem deutschen Recht zu entnehmen sind. RG, IPRsp 1932, Nr. 6, überläßt es dem berufenen und anwendungswilligen Erbstatut, ob es im Rahmen der Regelung der Erbfolge auch den erhobenen Anspruch auf Rechnungslegung durch einen Miterben deckt; das Reichsgericht lehnt es ab, es nach deutschem Recht zu beurteilen, ob der Anspruch als solcher erbrechdicher oder nichterbrechtlicher Natur sei. Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers „kraft Sachzusimmenhangs" besteht nach BVerfGE 3, 421, wenn eine im Grundgesetz dem Bund „ausdrücklich zugewiesene Materie verständlicherweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Ubergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie". Im kanadischen Verfassungsrecht spricht man von der Zuständigkeit zur "ancillary legislation". "Legislation squarely within the powers of one level of government may require ancillary provisions for the purpose of preventing the scheme of the legislation from being defeated. It may be necessary for this purpose to deal with matters which would otherwise be within the competence of the other level of government." Vgl. 55 Can. Bar Rev. (1977) 36. In neuester Zeit ist allerdings der Begriff der ancillary legislation verwässert, worden zu der Behauptung, daß eine „rational functional connection" zwischen einem Gegenstand unzweifelhafter gesetzgeberischer Zuständigkeit und einem weiteren Gegenstand genüge, so z. B. die Zuständigkeit zur Regelung der Ehescheidung für die Zuständigkeit zur Regelung der Unterhaltsansprüche.
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Anmerkungen zu S. 137-138 Im kanadischen Verfassungsrecht spricht man davon, daß ein einzelner Rechtssatz, je nach dem Zusammenhang mit anderen Rechtssätzen, einen „double aspect" haben könne. Kommt es für die Zugehörigkeit eines im positiven Recht eines Staates anzutreffenden Rechtssatzes zu einer Rechtssatzkategorie darauf an, in welchem Verhältnis der Rechtssatz zu anderen Rechtssätzen desselben Privatrechtssystems steht, so ist es sinnlos, einen einzelnen nur erdachten Rechtssatz in isolierter Betrachtung seines Inhaltes für die Zwecke des internationalen Privatrechts abschließend zu qualifizieren. Zugleich aber erhält der einzelne Kategorienbegriff in einer Zuweisungsnorm des positiven Rechts seine abschließende Bedeutung erst, wenn er neben anderen gleichzeitig geltenden Zuweisungsnormen desselben Staates betrachtet wird. Es ist daher nicht nur falsch, die Frage zu stellen, ob der im konkreten Fall gestellte Anspruch der Ehefrau auf einen vom Mann zu leistenden Vorschuß für die Kosten eines von der Frau zu führenden Prozesses als „güterrechtlich" oder sonstwie zu qualifizieren ist, sondern es ist auch falsch, einen hypothetischen Satz über eine solche Prozeßkostenvorschußverpflichtung gleichsam im luftleeren Raum zu „prüfen" und zu behaupten, der Satz gehöre etwa zu der Kategorie der ehegüterrechdichen Vorschriften, ehe man weiß, in welchem positiven Recht ein solcher Satz in Geltung steht, und neben welchen anderen Rechtssätzen er sich in diesem Recht befindet. Daher wäre es auch unmöglich, Listen hypothetischer Rechtssätze aufzustellen, die in einem Staat als einer von einer positiven Kollisionsnorm verwendeten Kategorie zugehörig anzusehen wären. Bei der Auslegung der Begriffe für Normenkategorien in einem staatlichen Kollisionsrechtssystem hat die Auslegung der einzelnen Zuweisungsnormen im Kontext der anderen Zuweisungsnormen zu erfolgen. Wird nur eine einzelne Zuweisungsnorm durch völkerrechtlichen Vertrag geboten, so ist der in dem Vertrag verwendete Kategorienbegriff — zwar wohl auf rechtsvergleichender Basis — als abschließend festgelegt zu unterstellen. Es ist dann nicht einfach, die Begriffe verschiedener Verträge, die nicht für denselben Kreis von Vertragsstaaten gelten, sö zu handhaben, daß in einem einzelnen Vertragsstaat ein harmonisches Nebeneinander gewährleistet ist. § 29 des österreichischen IPR-Gesetzes 1978 will mangels testamentarisch eingesetzter Erben und Intestaterben aus dem Kreise der Verwandten gemäß dem durch das Personalstatut des Erblassers bestimmten Erbstatut Anfall der Erbschaft unter dem Erbstatut an den Lage Staat eintreten lassen. Das ist schon dann nicht durchführbar, wenn nach dem Recht dieses Lagestaates nicht der „Staat", sondern etwa die Gemeinden erben, in denen sich Nachlaßgegenstände befinden. Vor allem aber kann der Lagestaat nicht gehindert werden, den Anfall der Nachlaßgegenstände an den Staat eintreten zu lassen, sobald bei Anwendbarkeit seines Erbrechts kein „privater" Erbe zum Zuge kommen würde. Ist nach dem Erbrecht des Lagestaates „noch" kein Anlaß für das Staatserbrecht gegeben, so kann es die „privaten" Erben nach dem Personalstatut des Erblassers bestimmen lassen, solange auch danach noch „private" Erben vorgesehen sind. Vgl.S. 151. Was Zivil- oder Handelssache ist, soll für die Zwecke der vertraglich gebotenen internationalen Zuständigkeit unter der EWG-Konvention vom 27. 9. 1968 nach Ansicht des E G H , N J W 1977, 489, als „autonomer Begriff" des Vertrages aus dessen Zielsetzung und unter Heranziehung der „allgemeinen Rechtsgrundsätze" in der „Gesamtheit aller Rechtsordnungen" geklärt werden. Die Praktikabilität dieser Lösung ist äußerst zweifelhaft. Insoweit eine Klage behauptet, der Anspruch sei durch ein von ihr bezeichnetes einzelnes Gesetz gedeckt, wäre es in der Tat denkbar, daß die Rechtsprechung des E G H nach und nach eine Kategorie der „Zivil- und Handelsgesetze" in gewohnheitsrechtlicher Enumeration bilden würde; neue Gesetze würden unter Vergleichung ihres Inhaltes mit bereits qualifizierten alten Gesetzen eingeordnet oder nicht eingeordnet. Würde aber ein Klaganspruch, weil er schon nach Ansicht des Klägers gar nicht auf ein bestimmtes Gesetz zu stützen ist, vom Kläger mit nichts anderem begründet als durch den Hinweis auf allgemeine Rechtsgrundsätze, so versagt die vom E G H vorgeschlagene Methode, weil allgemeine Rechtsgrundsätze sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht als Rechtsquelle bestehen. Allerdings haben auch die nationalen Rechte für die Qualifikation eines solchen Anspruchs keine wirkliche Lösung; zu denken ist etwa an den Fall, daß die Haftung einer Privatperson bei der Ausführung von Aufgaben, die sie im öffendichen Interesse vornimmt (Tauglichkeitsprüfungen von Geräten usw.) auf allgemeine Rechtsgrundsätze gestützt werden soll. Auch wenn die wesentlichen Verknüpfungen zu einem Staat hingehen, welcher die Rechtsgültigkeit einer polygamen Ehe bejaht, ist es doch möglich, daß der Forumstaat seinen Gerichten
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verbietet, sich mit Ansprüchen der Ehegatten unter sich aus einer solchen Ehe zu befassen; das war lange Zeit der Standpunkt des englischen Rechts. Dennoch können in dem betreffenden Staat die Kinder aus einer solchen Ehe diejenigen Rechte geltend machen, die ihnen als „legitimen" Kindern zustehen; die einschlägigen Sätze des betreffenden ausländischen Rechts sind dann auch ergänzend anzuwenden. Vgl. dazu die Ausführungen von Wennerström oben S. 136, Anm. 13. Es kann im Zusammenhang mit einer Arbeit über internationales Privatrecht nicht auf die allgemeinen Fragen eingegangen werden, welche Zusammenhänge zwischen Begriffsbildung und Sprache bestehen. Ist das nicht der Fall, so spricht man seit Bartin von „Qualifikationskonflikten". Für diejenigen, welche gerade im Recht nicht mit „Allgemeinbegrifferf", sondern mit „Typusbegriffen" arbeiten wollen — vgl. Jörgensen, Typologie und Realismus in der neueren Rechtswissenschaft, Göttingen 1971, und Leenen, Typus und Rechtsfindung, Berlin 1971 —, ist die Versuchung groß, sich mit der Lehre von der Qualifikation „nach der lex fori" in dem Sinne zu verbünden, daß in bestimmten Institutionen der lex fori der „Typus" dessen gesehen wird, was gegebenenfalls auch an ausländischen Rechtssätzen vermittels einer bilateralen Zuweisungsnorm im Forumstaat anwendbar werden soll. Auch bei der Bildung von Kategorien im Sinne der Wittgensteinschen Logik besteht das Ausgangsmaterial vorwiegend in Sätzen der lex fori, so daß diese anfänglich einen besonders großen Einfluß auf die Bestimmung der Kriterien für die „Familienähnlichkeit" ausübt; die Institute des ausländischen Rechts kristallisieren sich gleichsam um die des inländischen Rechts herum. Aber auch das Inlandsrecht, das der Kategorie zugerechnet wird, kann sich im Laufe der Zeit wandeln, und zu den von der Rechtspraxis für die Kategorienbildung in Betracht gezogenen Sätzen des ausländischen Rechts kommen im Laufe der Zeit immer neue hinzu, so daß schließlich dasjenige, was die lex fori beigetragen hat, aufhört, „Typus" zu sein. Vgl. S. 202. Vgl. S. 132. Abzulehnen ist die „zweistufige" Qualifikation. Danach muß zuerst geprüft werden, ob der erhobene Anspruch von einem Satz der lex fori gedeckt wäre, wenn diese anzuwenden wäre. Ist das zu bejahen, so ist zu prüfen, in welche Kategorie dieser eigene Rechtssatz nach dem internationalen Privatrecht des Forumstaates hineingehört, und es ist schließlich dasjenige ausländische Recht anzuwenden, welches die Rechtssätze aus dieser Kategorie für den Fall zu stellen hat, daß die maßgebliche Verknüpfung zum Ausland hingeht. Der passende Satz des ausländischen Rechts muß aber dann evtl. noch einmal nach ausländischem Recht qualifiziert werden, wenn geprüft wird, ob das ausländische Recht selbst angewendet werden will. Liegen die Dinge so, daß der erhobene Anspruch von keinem Satz der lex fori gedeckt wäre, so soll geprüft werden, welchem Satz der lex fori die hypothetische Norm, auf Grund deren dem Anspruch stattgegeben werden könnte, am nächsten steht. Der österreichische IPR-Entwurf von 1975 brachte das Gesagte in die folgende Fassung: „§ 5 (1). Die Frage, welche inländische Verweisungnorm anzuwenden ist, ist nach der Einordnung des Sachverhalts in der inländischen Rechtsordnung zu beurteilen. (2). Handelt es sich um einen Sachverhalt, der in den inländischen Rechtsvorschriften nicht geregelt ist, so ist die Verweisungsnorm für den in der inländischen Rechtsordnung geregelten nächstverwandten Sachverhalt maßgebend. (3). Führt eine Verweisungsnorm zur Anwendung fremden Rechts, so ist dieses wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich, auch bezüglich der Einordnung des Sachverhaltes dortselbst, anzuwenden." Vgl. S. 205. Vgl. S. 63, Anm. 7. Damit, daß eine Rechtssatzkategorie mit den ihr angehörigen Rechtssätzen vor spezielleren Regelungen zurücktreten will, die sich möglicherweise in einer anderen Rechtssatzkategorie finden, nicht zu verwechseln ist eine Staffelung der Rechtsanwendungsanweisungen im System eines nationalen Kollisionsrechts, bei der allgemeinere und speziellere Regelungen bestehen: Ein solches System kann ausgehen von paritätischen bilateralen Zuweisungsnormen, mit denen „eigentlich" alle auftauchenden Rechtsfragen erfaßt werden können. Diese Regelung durch bilaterale Zuweisungsnormen kann durchbrochen werden durch gesonderte Zuweisungen für einzelne Teilfragen, die ohne Rücksicht darauf anwendbar sein wollen, wie der Staat, der das auf die Hauptfrage
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anwendbare Recht stellt (und in seinem Recht die Teilfrage überhaupt erst aufwirft), die Teilfrage beurteilt wissen will. Diese bilateralen Zuweisungsnormen für Teilfragen können ihrerseits wieder durchbrochen werden durch einseitige Bestimmungen über den Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften der lex fori. Aber auch hiervon kann wieder eine Ausnahme durch speziellere Regelungen gemacht werden: Wenn in einer bilateralen Zuweisungsnorm bestimmt wird, daß das gültige Zustandekommen einer Ehe nach dem Recht des ersten ehelichen Wohnsitzes zu beurteilen ist, so gehört dazu zunächst auch die Frage nach der Formgültigkeit. Dennoch bestimmen viele Staaten, daß auf die Formgültigkeit anstelle jenes Geschäftsstatuts für die Ehe die Vorschriften der lex loci actus maßgebend sein sollen. Diese Zuweisungsnorm kann wieder durchbrochen werden durch eine Bestimmung, wonach für Eheschließungen eigener Staatsangehöriger im Ausland Formgültigkeit auch bei Eheschließung vor dem Konsul unter Beachtung der Formvorschriften des Heimatstaates zu bejahen ist. Eine andere Durchbrechung kann dahin gehen, daß die Eheschließungsformen des Forumstaates auch bei Eheschließung im Inland nur von Inländern und Ausländern mit inländischem Wohnsitz benutzt werden können. 3 1 Gesetzliche Klärungen der Frage, ob Modifikationen der gesetzlichen Schadenshaftung zwischen Ehegatten dem Domizilrecht oder der lex loci delicti zu entnehmen seien, haben zu neuen Schwierigkeiten geführt, vgl. Henry v. Henry, (N. C. 1976) 299 S. E. 2d 158. 3 1 a Vgl.S. 436. 3 2 Beispiel: Da der Lagestaat einer unbeweglichen Sache praktisch allein in der Lage ist, irgendwelchen Ansprüchen auf den ausschließlichen Besitz der Sache effektiven Rechtsschutz zu verschaffen, wird dem Lagestaat die Regelung der dinglichen und der obligatorischen Geschäfte in bezug auf das Grundstück zugewiesen, während für Geschäfte über entsprechende Rechte an beweglichen Sachen das maßgebliche Recht an Hand anderer Verknüpfungen bestimmt werden kann. Selbst wenn die beteiligten Staaten, und insbesondere der Forumstaat, im materiellen Recht überhaupt keinen Unterschied zwischen der Regelung der Geschäfte in bezug auf Grundstücke und andere Sachen machen, bestimmt das internationale Privatrecht das Geschäftsstatut für „Kauf- und Mietverträge betreffend unbewegliche Sachen" in anderer Weise als bei anderen Sachen. 3 3 Vgl. S. 702. 3 4 Das Recht kann sowohl das Ehegattenerbrecht als auch das Erbrecht der Kinder aus der Ehe davon abhängig machen, um was für eine Ehe es sich handelt, wenn in dem betreffenden Recht verschiedene Ehearten zur Verfügung stehen, vgl. S. 676. Ein Recht kann ausdrücklich den Umfang des Ehegattenerbrechts je nach dem Güterstand für die betreffende Ehe unterschiedlich regeln, vgl. S. 711 f. Damit nicht zu verwechseln ist es, daß eine Vorschrift, in deren Tatbestand sowohl das Bestehen eines bestimmten Güterstandes als auch der Tod eines der Ehegatten eine Rolle spielen, möglicherweise wieder selbst, nämlich als „güterrechtlich" oder „erbrechtlich", qualifiziert werden muß. Ein instruktives Beispiel hierfür B a y O b L G , IPRsp 1964 — 65, Nr. 173, wo das Gericht allerdings für alle denkbaren Möglichkeiten zu demselben Ergebnis gelangt. 3 5 Vgl. S. 136. 3 6 Vgl. S. 678 f. 3 7 Vgl.S. 140f. 3 7 a Vgl. S. 723. 3 7 b Neumayer in: Liber amicorum Aubin, 1979, S. 99 ff., meint, daß es kollisionsrechtlich nicht zu verselbständigende Teilfragen gäbe, für die keinesfalls besondere Zuweisungsnormen gebildet werden könnten, während andererseits „nach den hergebrachten Regeln des internationalen Privatrechts" gewisse Fragen als „Hauptfragen" behandelt werden müßten, obwohl sie kaum als Gegenstand eines gesonderten Verfahrens vorkommen, wie Form und Geschäftsfähigkeit. Dabei wird übersehen, daß es allein vom Inhalt des Hauptfragenstatuts abhängt, ob für eine von ihm aufgeworfene Teilfrage eine Delegation an ein anderes Recht in Frage kommt: Kennt ein Staat in seinem Inlandsrecht nicht die schematische Festsetzung der allgemeinen Geschäftsfähigkeit mit einem bestimmten Alter, sondern fordert er, daß im Einzelfall das Verständnis der am Vertragsschluß beteiligten Person für die Tragweite des Vorgangs besteht (vgl. dazu S. 561, Anm. 38), so wird ein solcher Staat bei denjenigen Verträgen, für die das eigene Recht Geschäftsstatut ist, keine Zuweisungsnorm zur Ermittlung von Bestimmungen über Geschäftsfähigkeit bilden. Es hängt vom Erbstatut ab, ob es, wenn es den Partner an einer freien Ehe erben läßt, dieses Faktum selbst näher beschreiben will, oder ob es darauf abstellen will, daß die freie, Ehe in einem dafür zuständi-
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gen Recht familienrechtliche Rechtswirkungen ausgelöst hat. Das für eine Hauptfrage berufene Statut kann vor allem die besondere Regelung des Beweises für eine von ihm als relevant bezeichnete Tatsache einem anderen Recht delegieren; eine solche Delegation hat selbstverständlich nur dann Sinn, wenn das berufene Recht selbst die betreffende Tatsache als rechtlich relevant betrachtet und besondere Beweisregeln gebildet hat. Das wird nicht dadurch widerlegt, daß eine lange Tradition, insbesondere außerhalb Deutschlands, in dem Satz locus regit actum die einzige zwingende Zuweisungsnorm für Formvorschriften gesehen hat, vgl. Änm. 45. Diejenigen Länder, welche für ihre eigenen Staatsangehörigen religiöse Eheschließung auch im Ausland vorschreiben, gehen davon auch dann nicht ab, wenn das Eheschließungsland die Beteiligung an einer religiösen Eheschließung, ohne daß bereits eine standesamtliche Eheschließung vorliegt, unter Strafe stellt, und sie denken erst recht nicht daran, in einem solchen Fall die standesamtliche Eheschließung im Ausland genügen zu lassen. Die Bereitschaft des Geschäftsstatuts, auf die Einhaltung einer von ihm vorgesehenen qualifizierten Form, die auch bei Geschäftserrichtung im Ausland gewahrt werden könnte, zugunsten einer einfacheren Form in Sinne der lex loci actus zu verzichten, ist besonders dann zweifelhaft, wenn der Satz des Geschäftsstatuts so gefaßt ist, daß die qualifizierte Form nur beim Fehlen einer anderen („materiellen") Gültigkeitsvoraussetzung erfordert wird, so z. B. wenn beim Vorhandensein einer Gegenleistung ein mündliches Leistungsversprechen genügt, beim Fehlen einer „consideration" hingegen schriftlich abgegeben werden muß. Erst recht ist ein selbständig anwendungswilliger Satz des Geschäftsstatuts oder des Geschäftsfähigkeitsstatuts, welcher die Fähigkeit zur Geschäftserrichtung vor Erreichung eines bestimmten Lebensalters nicht ganz verneint, aber eine qualifizierte Form erfordert, kaum bereit, vor einer Bestimmung der lex loci actus zurückzutreten, welche eine einfachere Form genügen läßt. Zur Ausschaltung der Anwendbarkeit des neuseeländischen Matrimonial Property Act 1976 durch Vertrag ohne Wahl eines ausländischen Güterrechts genügt nicht die Wahrung der Form der lex loci actus, sondern ein solcher Vertrag muß auch im Ausland notariell beurkundet sein, und der Notar muß bestätigen, daß er die Parteien über die Folgen des Vertrages (unter neuseeländischem Recht) belehrt hat. Irreführend ist es zu sagen, „es qualifiziere sich (!) nach dem Recht des Errichtungsortes (eines Rechtsgeschäfts), ob die öffentliche Beurkundungsform gewahrt ist", welche von der lex causae gefordert wird, vgl. BayObLG, StAZ 1979, 263. Zu denken wäre etwa daran, daß nach dem einen Recht jede einzelne Seite einer aus mehreren Blättern bestehenden Privaturkunde unterschrieben werden muß, während nach einem anderen Recht die Unterschrift am Ende des Dokuments genügt, wenn nur die Zusammengehörigkeit der verschiedenen Blätter zu einer Urkunde irgendwie erkennbar ist. Vgl. oben S. 137. Das Erbstätut erklärt z. B., daß trotz alternativer Anwendbarkeit der Formvorschriften der lex loci actus ein Satz über die Zulässigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments nicht darunter falle. BayObLG, StAZ 1979, 263, nimmt bezüglich der Form der Vaterschaftsanerkennung an, die öffentliche Beurkundung, welche das als Unterhaltsstatut maßgebende deutsche Recht erfordert, stelle ein „materiellrechtliches Element" dar, das auch bei Abgabe der Erklärung vor einem ausländischen Beurkundungsorgan vorliegen müsse, so daß Art. 11 (2) EGBGB nicht zum Zuge kommt. Das portugiesische internationale Privatrecht macht die Anwendbarkeit der Formbestimmungen der lex loci actus sowie der vom Kollisionsrecht der lex loci actus bezeichneten Formbestimmungen eines dritten Staates davon abhängig, daß das Geschäftsstatut die Anwendbarkeit dieser Rechte nicht ausschließt (Art. 36 ZGB). Für die Form der Kindesanerkennung im Zusammenhang mit einer Legitimation ist das Legitimationsstatut maßgebend, soweit es nicht selbst auf ein anderes Recht verweist: LG Saarbrücken, IPRsp 1 9 5 0 - 51, Nr. 90. Die selbständige Anknüpfung der Form im Sinne der traditionellen Regel locus regit actum ist vor allem in Frankreich lange Zeit als so selbstverständlich betrachtet worden, daß sich nur langsam die Vorstellung durchgesetzt hat, daß Formbestimmungen auch anderen Rechten, und insbesondere dem Geschäftsstatut, entnommen werden könnten, vgl. dazu Genin-Meric, La Maxime locus regit actum, 1976. Erst neuerdings sieht man ein, daß die Tragweite der Regel je nach der Natur des Rechtsgeschäfts — Prozeßgeschäfte, familienrechtliche Geschäfte, Vermögensgeschäfte usw. — 807
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verschieden sein muß, und daß ihre größte Bedeutung bei denjenigen vermögensrechtlichen Geschäften liegt, bei denen das Geschäftsstatut schwer erkennbar ist, und bei denen es zur Parteiautonomie gehört, den Ort der Geschäftserrichtung frei wählen zu können. 4 5 a Neuhaus, aaO, S. 143, weicht der oben dargestellten Problematik aus mit dem Vorschlag, es sei „um der inländischen (!) Rechtssicherheit wie der internationalen Entscheidungsgleichheit willen von dem normalen Gebrauch des Wortes Form (!) auszugehen", der aber „Korrekturen aus praktischen Erwägungen" erfahren müsse. 4 6 Vgl. R G Z 160, 225. 4 7 Früher war für Angehörige von Ländern mit obligatorischer standesamtlicher Eheschließung vielfach die Benutzung der konsularischen Eheschließungsform in den Konsulargerichtsbezirken obligatorisch, und die Benutzung der Formen des örtlichen Rechts unzulässig. 4 8 Eine solche Regelung bezweckt Art. 992 des niederländischen B W B , vgl. dazu S. 682, Anm. 72. 4 9 Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man die Vorschrift des Art. 11 (1) S. 1 E G B G B als Gesamtverweisung, die des S. 2 als unbedingte Sachnormverweisung versteht. 5 0 B a y O b L G , IPRsp 1956 — 57, Nr. 149, qualifiziert zutreffend die italienische Vorschrift, welche das gemeinschaftliche Testament für unzulässig erklärt, als eine vom Standpunkt des deutschen internationalen Privatrechts her berufene und vom Standpunkt des italienischen Kollisionsrechts her anwendungswillige Nichtformvorschrift. 5 1 Vgl. S. 390. 5 1 a Nach den Rückerstattungsgesetzen für die Besatzungszonen der Bundesrepublik mußte ein nach dem Gesetz begründeter Rückerstattungsanspruch durch eine Entscheidung der Wiedergutmachungsbehörde bzw. des kontrollierenden Gerichts nach fristgemäßer Anmeldung festgestellt werden, wenn auch der „Entscheidung" Einigkeit oder ein Vergleich der Beteiligten zugrunde lag. 5 2 Daß die gerichtliche Entscheidung, um vollstreckbar zu sein, im deutschen Prozeßrecht nicht als Feststellungsurteil gefaßt, sondern als „Leistungsurteil" formuliert werden muß, ändert an dem oben Gesagten nichts. 5 3 Es ist nicht möglich, die hier erfaßten Staatsakte niit den Akten der „freiwilligen Gerichtsbarkeit" zu identifizieren. Zahlreiche Verfahrensrechte kennen den Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt nicht. Aber auch in denjenigen Ländern, die Vorgänge der streitigen und Vorgänge der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach verschiedenen Verfahrensgrundsätzen behandeln, rühren die vorprozessualen Staatsakte gestaltender und konstitutiver Natur keineswegs sämtlich von Gerichten her, die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tätig werden. 5 4 Wenn vor allem in den „sozialistischen" Ländern jede Ermessensentscheidung eines Staatsorgans an den grundlegenden politischen Zielsetzungen des Forumstaates auszurichten ist, so müßten eigentlich ausländische Organe grundsätzlich als ungeeignet betrachtet werden, um Ermessensentscheidungen unter dem Recht dieser Staaten zu treffen. 5 5 Dasselbe ist der Fall, wenn das Gericht z. B. ein Ermessen hat, bei nur kurzer Dauer der Ehe die Ehescheidung zu verweigern, auch wenn die Gründe dafür vorliegen. Auch bei der Erteilung von Dispensen von gesetzlichen Hindernissen für die Errichtung bestimmter Rechtsgeschäfte kann das Ermessen des zuständigen Organs durchaus ein politisch neutrales Ermessen sein. 5 6 Ist die Gerichtsentscheidung über die Legitimation durch Eheschließung der Eltern eine vom Legitimationsstatut geforderte konstitutive Feststellung, so kann sie auch durch ein Gericht eines anderen Staates erfolgen, wenn der Staat des Legitimationsstatuts keine ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte beansprucht, vgl. O L G Nürnberg, IPRsp 1950 — 51, Nr. 89. 5 6 a Die Ausübung der dem Konsul vom Entsendestaat verschafften Zuständigkeit zur Vornahme von privatrechtlich relevanten Staatsakten nach den einschlägigen Verträgen ist vielfach davon abhängig, daß der Empfangsstaat der betreffenden Betätigung „nicht widerspricht". Wie dieser Widerspruch zum Ausdruck zu bringen ist (Gesetz oder Äußerung des Außenministeriums), und ob im Entsendestaat die entgegen einem Widerspruch erfolgten Akte ohne weiteres nichtig sind, ist meist unklar, vgl. dazu Politi, Funzioni consulari e rapporti tra ordinamenti, 1978. 5 7 Ist ein Staatsorgan als Beurkundungsorgan für ein Rechtsgeschäft tätig, so kann der Dienstherrenstaat die Zuständigkeit nicht bloß von dem Wunsch der Geschäftserrichter und der Bereitschaft des von ihnen um Mitwirkung gebetenen Organs abhängig machen, sondern kann bestimmen, daß objektive Verknüpfungen gegeben sein müssen. Wird dann ein unzuständiges Organ trotzdem tätig, und ist der Beurkundungsakt nach dem Recht des Dienstherrenstaates deshalb ungültig, so 808
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wird das fremde Geschäftsstatut, welches die öffentliche Beurkundung durch das ausländische Organ sonst anerkennen würde, ebenso entscheiden lassen. Dasselbe gilt, wenn nach der lex causae eine private Willenserklärung an ein bestimmtes Staatsorgan zu richten ist bzw. von diesem entgegen genommen werden muß; ist nach dem Recht des Dienstherrenstaates des Organs dieses nicht zuständig und folgt daraus nach dem Recht dieses Staates, daß die Willenserklärung unwirksam ist, so wird auch der Staat des Geschäftsstatuts entsprechend entscheiden. Vgl. dazu die Ausführungen zu der entsprechenden Frage bei der Anerkennung ausländischer Urteile, die eine nachträgliche Feststellung über die konkrete Rechtslage enthalten, S. 395 ff. Vgl. S. 401. Das wird praktisch besonders wichtig bei der Anerkennung ausländischer Adoptionsverfügungen und Entmündigungen. Das brasilianische Scheidungsgesetz von 1977 macht die Anerkennung von ausländischen Scheidungsurteilen, sofern nur eine der beteiligten Parteien Brasilianer war, davon abhängig, daß eine dreijährige gerichtliche Ehetrennung vorausging (wie dies nach brasilianischem Scheidungsrecht erforderlich ist). Ist das nicht der Fall, so wird das Scheidungsurteil in Brasilien erst nach Ablauf von drei Jahren anerkannt. So, wenn einerseits für inländische Adoptionen unter Anwendung inländischen Rechts die Anknüpfungsmomente Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Adoptierenden oder des Adoptierten, oder der inländische Geburtsort des Adoptivkindes genügen sollen, und wenn andererseits allen Adoptionen, die im Ausland bei einer entsprechenden Verknüpfung erfolgt sind, die Wirkungen einer inländischen Adoption beigemessen werden; vgl. etwa sec. 28 des Children's Services Act für Neuschottland (1976). Vgl. S. 389. Vgl. dazu Art. 3 Ziff. 2 litt, e) des italienischen Scheidungsgesetzes vom 1. 12.1970: „Lo scioglimento o la cessazione degli effetti civili del matrimonio può essere domandato da uno dei coniugi:. . . nei casi in cui . . . e) l'altro coniuge, cittadino straniero, ha ottenuto all'estero l'annullamento o lo scioglimento del matrimonio o ha contratto all'estero nuovo matrimonio;" Die Frage wird aktuell, wenn eine Ehe, an der Personen beteiligt sind, die im Heimatstaat nur unter Anwendung des Heimatrechts und nur durch Gerichtsurteil geschieden werden könnten, durch außergerichtliche Akte in einem Staat geschieden wird, zu dem eine Verknüpfung besteht, welche die Gerichte dieses Staates als vom Standpunkt jenes Heimatstaates her international zuständig erscheinen lassen würde. Kann in dem betreffenden Staat die Scheidung wahlweise durch Privatrechtsgeschäft oder durch Gerichtsakt herbeigeführt werden, so läßt es sich vertreten, daß jedenfalls die die Scheidung betreibende Partei, die dem oben genannten Staat angehört, eine gerichtliche Scheidung herbeigeführt haben muß, wenn sie die Scheidung im Heimatrecht anerkannt haben will, vgl. oben S. 150 f., und ferner S. 638. Insbesondere das italienische Recht verlangt eine förmliche Anerkennung (delibazione) auch für ausländische Gerichtsakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die „automatische" Anerkennung ausländischer Staatsakte wird in den Ländern des anglo-amerikanischen Rechts häufig im Gesetz so zum Ausdruck gebracht, daß die anerkannte Entscheidung im Inland „dieselbe Wirkung haben" solle wie ein entsprechender Akt eigener Behörden. Ist eine konstitutive Feststellung der Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Staatsaktes nicht erforderlich, damit die von ihm vorgesehene Rechtswirkung auch in der Rechtsordnung des Forumstaates eintritt, so kann dies doch davon abhängig sein, daß Gültigkeitserfordernisse unter dem im Forumstaat anwendbaren Recht noch nachträglich verwirklicht werden. BayObLG, IPRsp 1956 — 57, Nr. 136, betrachtet den Vorgang der Begründung eines Adoptionsverhältnisses nicht als durch den Hoheitsakt der Bestätigung durch ein ausländisches Gericht endgültig abgeschlossen, sondern als für die deutsche Rechtsordnung schwebend unwirksam, bis die nach deutschem Recht erforderliche Zustimmung des deutschen gesetzlichen Vertreters vorliegt. Über die Regelung des deutschen Rechts betreffend die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile vgl. S. 638. Grundsätzliches über die „Zuständigkeitsrückverweisung" vgl. S. 333. In streitigen Ehesachen erfordert § 606 b ZPO, wenn keiner der Ehegatten deutscher Staatsangehöriger oder staatenlos ist, u. a., daß die beantragte Entscheidung „nach dem Heimatrecht des Mannes", d. h. im Heimatstaat des Mannes, anerkannt werden wird. Das Gesetz hat es vermieden, Anerkennung in dem Staat zu fordern, dessen Scheidungsrecht bei Berücksichtigung einer Rück-
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oder Weiterverweisung durch das Kollisionsrecht des Heimatstaates des Mannes durch ein deutsches Gericht anwendbar wäre. Bei der Adoption läßt sich eher der Standpunkt vertreten, daß die Zuständigkeit des deutschen Gerichts zur Anordnung der Adoption von der Anerkennung dieser Anordnung in demjenigen Staat abhängt, dessen Recht schließlich in Deutschland als Adoptionsstatut anzuwenden ist. 6 9 Vgl. § 10 EheG, und unten S. 600, Anm. 13. 7 0 Vgl. dazu S. 331. 7 1 Vgl. dazu S. 513. 7 2 Italien verlangt auch für die im Staat des ausländischen Adoptionsstatuts getroffene Gerichtsentscheidung über die Adoption eine förmliche Anerkennung dieser Entscheidung, bevor die Adoption in Italien Wirkungen auslösen kann. 7 2 a Die Vorstellung eines „Staatsinteresses", in heterogen verknüpften Fällen, ohne Rücksicht auf die Haltung des Staates der berufenen lex causae, „Rechtsschutz zu gewähren", mit dem Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 105 ff., operieren will, verkennt einerseits die dubiose Natur eines solchen Staatsinteresses; andererseits kann von einem Schutz subjektiver Rechte dann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht erst bei der Begründung von schutzfähigen subjektiven Rechten mitwirken soll. 7 2 b Die „letzte" Zuständigkeit des Lagestaates von Vermögensrechten, die Vererbung seinem Recht zu unterstellen oder ein ausländisches Recht zum Erbstatut zu berufen, rechtfertigt es auch, daß der Lagestaat Staatsakte der Nachlaßabwicklung unter dem ausländischen Erbstatut selbst dann durch seine eigenen Organe vornehmen lassen kann, wenn das Erbstatut ausschließliche Zuständigkeit seiner Organe annimmt, vgl. S. 689 ff. 7 3 Vgl. dazu S. 351. 7 3 a Ist in einem Staat das Gericht am Eheschließungsort zuständig, um von gewissen Ehehindernissen zu dispensieren, so mag es auch zur Erteilung von Dispensen bei Ehehindernissen des ausländischen Rechts tätig werden, wenn die lex causae solche Dispenserteilung als Sache der Gerichte betrachtet. Ist die Dispenserteilung in dem einen oder anderen Staat, oder gar in beiden Staaten, Sache einer nichtgerichtlichen Behörde, so hat diese bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit wohl zurückhaltender zu sein, vgl. dazu C . App. Lüttich, J . Trib. 1977, 211. 7 4 B G H , IPRsp 1966 — 67, Nr. 90, läßt unter Aufgabe früherer Rechtsprechung des Reichsgerichts ein deutsches Gericht zum Ausspruch einer gerichtlichen Trennung nach italienischem Recht zuständig seih, vgl. S. 637, Anm. 31. 7 5 In Deutschland wurde die Frage erörtert, ob eine deutsche Gerichtsbehörde trotz grundsätzlicher Zuständigkeit in „Ehesachen", „Kindschaftssachen" usw. Verfahren über Dinge durchführen darf, die im deutschen Recht gänzlich unbekannt sind. Uber die in diesem Zusammenhang entwickelte Lehre von der „wesenseigenen Zuständigkeit" — besser der „Unzuständigkeit zu Tätigkeiten, die der lex fori unbekannt sind" - vgl. S. 373, Anm. 185. 7 6 Für das deutsche Recht wird angenommen, daß Privatscheidungen, die in Deutschland erfolgen, für die deutsche Rechtsordnung wirkungslos sind, auch wenn alle sonstigen Verknüpfungen der Parteien zum Ausland hingehen. Das gleiche gilt heute kraft gesetzlicher Vorschrift in England. Die selbständige Anknüpfung des deutschen Rechtssatzes, daß die Scheidung einer Ehe — und zwar eben die Scheidung einer Ehe durch einen sich auf deutschem Staatsgebiet abspielenden Vorgang — nur durch Gestaltungsurteil eines deutschen Gerichts möglich ist, wird vom Reichsgericht nicht nur dahin verstanden, daß eine inländische Privatscheidung auch bei Ausländern zur Scheidung nicht genügt, sondern auch dahin, daß das Urteil des deutschen Gerichts sich nicht auf die Feststellung der Berechtigung des Scheidungsbegehrens beschränken und den Eintritt der Scheidungswirkung von einem weiteren privaten Akt einer Partei abhängig machen darf: R G Z 147, 389. Das Erfordernis eines inländischen Gerichtsurteils für die Inlandsscheidung ist leicht zu umgehen, wenn das maßgebliche Scheidungsstatut eine rechtsgeschäftliche Scheidung durch Bevollmächtigte ermöglicht. Auch eine Scheidung oder Nichtigerklärung einer Ehe durch Organe eines kirchlichen Gerichts, die ihren Sitz auf deutschem Staatsgebiet haben, ist in Deutschland zu ignorieren, selbst wenn der Akt im Heimatstaat von Ausländern wie eine Entscheidung seiner staatlichen Gerichte behandelt wird. Zeitweise sind in Marokko Entscheidungen katholischer kirchlicher Gerichte mit Sitz auf marokkanischem Staatsgebiet in Ehesachen von Spaniern anerkannt worden; es wurde dies damit
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begründet, daß die kirchliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen von spanischen Katholiken in der Sicht des spanischen Rechts zur materiellrechtlicher] Regelung des Eherechts, und nicht zum Verfahhrensrecht gehöre. Zu denken ist an die in Deutschland nur standesamtlich geschlossene Ehe von Griechen, die sich später trennen, nach Griechenland zurückgehen und dort als nie verheiratet gelten, vgl. S. 606. Vgl. dazu KG, J W 1925, 2146.
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V.61S-331Die englische Entscheidung Indyka v. Indyka, [1969] 1 A . C . 33, erklärte jedes ausländische Ehescheidungsurteil als in England anerkennungsfähig, wenn nur einer der Ehegatten eine „real and substantial connection" mit dem betreffenden Staat hatte. Als real and substantial connection wurde neben domicile und gewöhnlichem Aufenthalt auch die Staatsangehörigkeit anerkannt, deren Bedeutung als Anknüpfungsmoment sonst im englischen Recht gering ist. In den meisten anderen Commonwealth-Ländern ist die in Indyka v. Indyka niedergelegte Regel als Bestandteil des common law-Kollisionsrechts anerkannt worden. Sie ist für England und Schottland im Recognition of Divorces and Legal Separations Act 1971 etwas eingeengt worden. O b das beiderseitige Einverständnis mit der internationalen Zuständigkeit der Gerichte, die ein Staat als Scheidungsgerichte zur Verfügung stellt, für sich allein eine real and substantial connection im Sinne der Regel darstellt, ist wohl zu verneinen. Andererseits ist im australischen Recht eine Erweiterung der Regel sogar für rechtsgeschäftliche Scheidungen durch Gesetz erfolgt, vgl. S. 635, Anm. 22. 8 0 a Das gleiche Problem wird im australischen Verfassungsrecht erörtert: Von der Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung über Ehe und Elternrechte im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren wird angenommen, daß sie eine umfassende Regelung des Sorgerechts für Kinder verheirateter Eltern ermöglicht, vgl. Rüssel v. Rüssel, 134 C . L . R . 495 (1976); Doval v. Murray, 22 Aust.L.R. 577 (1979). 8 1 Vgl. S. 144ff. 8 2 So kann nicht nur die allgemeine Geschäftsfähigkeit verheirateter Personen — im positiven Recht meist nur die der Frau — durch die Eheschließung modifiziert worden sein, sondern auch die Fähigkeit zur Eingehung neuer Verträge mit Dritten (z. B. Bürgschaften), selbst wenn für solche Verträge nur das güterrechtlich ungebundene Sondervermögen des betreffenden Ehegatten haften soll. 8 3 Vgl. S. 136. Können unter einem Privatrecht zwar minderjährige Frauen, aber nur voll geschäftsfähige Männer heiraten, und hat unter einem solchen Recht die verheiratete Frau Rechte und Pflichten der Haushaltführung, die es notwendig machen, Verträge mit Dritten abzuschließen, so kann eine Bestimmung, wonach die minderjährige Frau mit der Heirat mündig wird, eine unentbehrliche Ergänzung dieser Regelung darstellen. Ein Erbrecht der Frau kann notwendige Ergänzung des Eherechts sein, wenn die Frau mit der Verheiratung Erb- und Unterhaltsansprüche in der ursprünglichen Familie verliert, und das von ihr eingebrachte Vermögen Eigentum des Mannes wird. Für die Goldküste wurde in der Marriage Ordinance 1884 bestimmt, daß das Intestaterbrecht des Ehegatten und der Abkömmlinge am Nachlaß eines in den Formen des europäischen Rechts verheirateten eingeborenen Erblassers, sowie das Intestaterbrecht der Aszendenten eines Abkömmlings aus einer solchen Ehe sich nach dem englischen Recht nach dem Stand des Jahres 1884 richten sollte. Während Nigerien dieselbe Regelung übernahm und beibehielt, wurde sie für die Goldküste 1909 dahin geändert, daß für 2/3 des Nachlasses das englische Intestaterbrecht, für das andere Drittel hingegen Stammesrecht als Intestaterbrecht maßgebend sein sollte. Eine entsprechende Regelung wurde für die Ehen von Mohammedanern getroffen, die in der von der Marriage of Mohammedans Ordinance vorgesehene Form registriert worden waren. Vgl. zu dem Ganzen Kludze in: Essays in Ghanaian Law, 1976, S. 232 ff. Das Recht von Transkei ermöglicht eine Ehe des europäischen Rechts zwischen Staatsangehörigen dieses Landes, auch wenn schon eine stammesrechtliche Ehe des Mannes mit einer anderen Frau besteht. In diesem Fall erhalten, wenn die stammesrechdiche Verbindung auch beim Tode eines der unter dem europäisierten Recht verheirateten Ehegatten noch besteht, oder wenn Kinder aus jener Verbindung vorhanden sind, Ehegatte und Kinder aus der Ehe des europäisierten Rechts keinesfalls auf Kosten der anderen Frau und der anderen Kinder mehr als nach Stammesrecht, vgl. sec. 22 des Transkei Marriage Act 1972.
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Anmerkungen zu S. 1 7 5 - 1 7 8 Zur Bestimmung des Intestaterbrechts von Verwandten, die zu dem Erblasser überhaupt nicht in einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis gestanden haben, wäre es ohnehin unmöglich, das O b und Wieviel der Erbberechtigung aus einem Recht zu übernehmen, welches das erbrechtsauslösende „Verhältnis" beherrscht. Mißlich wäre es auch, wenn Kinder, deren familienrechtliche Beziehungen zum Erblasser einem Recht A unterstehen, mehr erhalten als Kinder, für die das Recht B maßgebend ist. Vgl. dazu S. 503, Anm. 84. Es läuft dies auf eine Zuweisungsnorm im Nachwirkungsstatut hinaus, welche die kumulative Anwendbarkeit der eigenen Vorschriften und der Bestimmungen im Statut des präjudiziellen Rechtsverhältnisses vorschreibt. Ist das erbrechtsauslösende „Verhältnis" gar kein vom Recht geregeltes Verhältnis, so kann nicht nach der Prädestinierung dieses Verhältnisses zu erbrechtlichen Nachwirkungen unter dem für das Verhältnis maßgebenden „Statut" gefragt werden: Läßt das Erbstatut das eheartige Zusammenleben des Erblassers mit einem anderen ein Intejtaterbrecht auslösen, und erfordert das Erbstatut eine Mindestdauer dieses Verhältnisses, so kann nicht nach dem für die „Vorfrage" nach dem Konkubinat anwendbaren Recht gesucht werden um zu prüfen, ob auch danach das „Verhältnis", wenn auch vielleicht bei längerer Dauer, ein Erbrecht auslöst. Das südaustralische Recht will seine Bestimmungen über das Bestehen eines Abstammungsverhältnisses und die Feststellung des Bestehens einer faktischen Ehe angewendet wissen, „whenever it is relevant under the law of the State to determine the relationship between persons . . . whether or not any of those persons is, or has ever been, domiciled in this State" (Family Relations Act 1975). Ein ausländisches Gesetz, welches dem unehelichen Kind nur das Erbrecht eines ehelichen Kindes verschafft, aber keine kindschaftsrechtlichen Wirkungen erzeugt, die denen der von Anfang an ehelichen Kinder gleich sind, macht das Kind möglicherweise nicht zum „legitimen" Kind im Sinne des Erbstatuts; vgl. für N e w York Matter of Vincent, 71 N . Y. S. 2d 165. Wird eine familienrechtliche Rechtsbeziehung für personenstandsrechtliche Beziehungen relevant, so entstehen ähnliche Fragen, vgl. BayObLG, IPRsp 1972, Nr. 80: Bei der Heirat eines nichtehelichen Kindes ist nach dem Personenstandsgesetz im Familienbuch der „Vater" des Kindes einzutragen. Gemeint ist in diesem Zusammenhang nur derjenige, für den nach dem in Deutschland maßgeblichen inländischen oder ausländischen Recht, welches die über die Unterhaltsansprüche hinausgehenden Wirkungen der außerehelichen Vaterschaft regelt, die Vaterschaft als nachgewiesen gilt. Auch die Definition derjenigen präjudiziellen familienrechtlichen Rechtsverhältnisse, welche eine erbrechdiche Nachwirkung auslösen sollen, ist im Sinne der Wittgensteinschen Logik „dynamisch unbestimmt" und wandelbar, vgl. oben S. 136, Anm. 13. Erst dadurch, daß bei der Rechtsanwendung für dieses und jenes Kindschaftsverhältnis des ausländischen Rechts die erbrechtlichen Nachwirkungen bejaht oder verneint werden, kommt das Bild zustande, daß sich der Erbrechtsgesetzgeber von den präjudiziellen Rechtsverhältnissen macht, an die er eine erbrechtliche Nachwirkung anknüpfen will. Es kann dies auch so ausgedrückt werden, daß das eine Recht die Erbberechtigung an einen bestimmten gesetzlichen Anforderungen genügenden Abstammungstatbestand anknüpft, wenn dieser Tatbestand zugleich in dem Kindschaftsstatut die familienrechtlichen Wirkungen der Meistbegünstigung auslöst, während das andere Recht seine Erbberechtigung auch dann gewährt, wenn Kinder, deren Abstammung nicht jene besonderen Eigenschaften aufweist, dennoch im Familienrecht des Kindschaftsstatuts denjenigen Kindern „gleichgestellt" werden, deren Abstammungsverhältnis jenen besonderen Anforderungen genügt; vgl. oben S. 136, Anm. 12. Als legitime Kinder im Sinne des Erbstatuts kommen dann evtl. auch solche Kinder in Frage, bei denen die Widerlegung der Ehelichkeitsvermutung, die an die Geburt in der Ehe angeknüpft wurde, infolge der dem Familienrechtsstatut eigentümlichen Beschränkungen des Anfechtungsrechts im Gegensatz zur Regelung im Erbstatut nicht mehr möglich ist; umgekehrt kann es sein, daß eine Erbberechtigung zu verneinen ist, wenn die Ehelichkeitsvermutung gemäß dem familienrechdichen Statut auf einem Wege widerlegt worden ist, der dem Erbstatut nicht bekannt ist. Darüber, daß das Erbrecht auch gänzlich unabhängig von dem Bestehen familienrechdicher Beziehungen die Erbberechtigung an die Abstammung, die gemäß besonderen Bestimmungen des Erbstatuts zu beyeisen ist, anknüpfen kann, vgl. S. 672. Wird vom Erbrecht das Bestehen eines familienrechtlichen Kindschaftsverhältnisses vorausge-
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setzt, und kommen dafür schon in der eigenen Privatrechtsordnung des Erbstatuts mehrere Regelungen in Frage, so stellt sich auch hier das Problem, auf welche Gestaltung des Kindschaftsverhältnisses es für die Zwecke des Erbrechts ankommt; so z. B. wenn im Mehrrechtsstaat das Erbrecht für nichteheliche Kinder einheitlich, das Familienrecht hingegen differenziert ist, oder wenn neues Erbrecht eine Intestaterbberechtigung sowohl an Kindschaftsverhältnisse unter neuem Kindschaftsrecht als auch unter altem Kindschaftsrecht anknüpft. Kindschaftsverhältnisse eines ausländischen Rechts, welche mit einem derjenigen Kindschaftsverhältnisse übereinstimmen, für die das Erbstatut in homogen verknüpften Verhältnissen eine Erbberechtigung vorsieht, lösen dann sicher ebenfalls diese Nachwirkung aus. Für das Erbrecht illegitimer Kinder kann es von Bedeutung werden, daß das Erbstatut nur an die mit allen Mitteln des Beweises und Gegenbeweises erwiesene Abstammung erbrechtliche Folgen anknüpfen will, nicht aber an bloße Abstammungswahrscheinlichkeiten oder Abstammungsmöglichkeiten, selbst wenn diese in dem maßgeblichen Familienrecht Unterhaltsansprüche usw. zur Folge gehabt haben. Ist nach der Geburt des unehelichen Kindes auf Grund des damals allein in Frage kommenden Rechts nur die Unterhaltspflicht eines Mannes als eines von mehreren möglichen Vätern festgestellt worden, ohne daß der Beweis der Unmöglichkeit der Abstammung bezüglich des einen oder des anderen hätte geführt werden können, so mag dies unter dem späteren Erbstatut nicht für eine Erbberechtigung ausreichen; zu diesem Zeitpunkt wird es auch oft nicht mehr möglich sein nachzuweisen, daß der Erblasser nicht nur auf Grund des erwähnten Familienrechts unterhaltspflichtig, sondern tatsächlich der Vater war. Noch mißlicher ist es, wenn das Erbstatut so verstanden wird, daß nur solche nichtehelichen Kinder erben können, von denen innerhalb bestimmter Frist nach der Geburt die väterliche Abstammung festgestellt worden ist, und wenn zu jenem Zeitpunkt für die familienrechtlichen Beziehungen ein anderes Recht maßgebend war, welches diese zeitliche Beschränkung der Vaterschaftsfeststellung nicht kannte. Eine Auslegung des Erbstatuts sollte diesen Möglichkeiten Rechnung tragen. Eine eigenartige Regelung hatte das Natal-Recht auf Grund eines Gesetzes Nr. 22/1863. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß unter dem gesetzlichen Gütersund des Natal-Rechts (allgemeine Gütergemeinschaft des römisch-holländischen Rechts) ein Ehegattenerbrecht deshalb nicht bestand, weil der versorgungsbedürftige überlebende Ehegatte ja auf alle Fälle die Hälfte des Gesamtgutes erhielt; wenn die Ehegatten, wie es möglich war, diese Gütergemeinschaft durch Vertrag ausgeschlossen hatten, so kannten sie auch das Risiko, das im Erbfall damit verbunden war. Wenn Ehen unter Natal-domizilierten Personen, wie dies offenbar häufig der Fall war, in England abgeschlossen wurden, so waren vor dem Gesetz die Ehegatten vielfach der irrigen Meinung, damit sei auch die allgemeine Gütergemeinschaft des Natalrechts automatisch ausgeschlossen. U m diesem verbreiteten Irrtum Rechnung zu tragen, bestimmte der Gesetzgeber, daß bei Eheschließung außerhalb von Südafrika die Gütergemeinschaft ausgeschlossen sein sollte, sofern die Ehegatten nicht innerhalb bestimmter Frist ausdrücklich Gegenteiliges vereinbarten. N u r für diese Ehen unter Ausschluß der Gütergemeinschaft führte das erwähnte Gesetz dann ein Intestaterbrecht der überlebenden Frau ein. Eine Regelung des Scheidungsstatuts über die Personensorge bei schuldlos geschiedener Ehe und eine Regelung des Scheidungsstatuts über die Personensorge, welche trotz Verschuldensprinzips im Scheidungsrecht die Personensorge unabhängig von der Scheidungsschuld regelt, kann sicher nicht als eine „scheidungsrechtliche" Regelung zur Anwendung gebracht werden. Die Regelung in einem Scheidungsstatut mit Verschuldensprinzip, welche die Personensorge dem an der Scheidung nicht schuldigen Elternteil zuweist, aber eine anderweitige Regelung ermöglicht, wenn das Kindeswohl es erfordert, kann ebenfalls nicht als „scheidungsrechtlich" qualifiziert werden. Eine Regelung, welche die Personensorge dem an der Scheidung schuldigen Elternteil letztlich als Scheidungsstrafe entziehen will, ohne daß die Frage nach dem Kindeswohl gestellt wird, ist hingegen wohl als eine Ergänzung der Regelung im Scheidungsstatut zu betrachten und kann insofern auch selbst anwendungswillig sein. Bei einer Kollision dieser Norm mit einem Kindschaftsstatut, welches der Scheidungsschuld keine Bedeutung für die Regelung der Personensorge beilegt, wäre eine Anpassung am Platz etwa in dem Sinne, daß die Scheidungsschuld als Vermutung für die geringere Eignung zur Personensorge betrachtet, aber aus Gründen des Kindeswohls anders entschieden werden kann. Das internationale Privatrecht eines Landes könnte als Legitimationsstatut alternativ das Heimat-
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Anmerkungen zuS. 180-182 recht des Vaters und das Heimatrecht des Kindes berufen, während die Staatsangehörigkeit dieses Landes durch Legitimation nur dann erworben würde, wenn sie nach dem Vaterrecht zustande gekommen ist. Auch eine Bezugnahme auf die „Volljährigkeit" ist vielfach nur als eine gesetzestechnische Verweisung auf das Volljährigkeitsalter im Sinne desselben Privatrechts zu verstehen. Eine komplizierte alternative Anwendung mehrerer Rechte auf die Vorfrage der legitimen Abstammung im Erbrecht enthielt sec. 23 der Succession Ordinance von 1923 für das Mandatsgebiet Palästina. Das amerikanische Staatsangehörigkeitsgesetz ermöglicht anläßlich der Naturalisation eines Ausländers auch die Naturalisation seiner Kinder, wenn sie „unter dem Recht" des Domizils oder des ständigen Aufenthalts des Vaters oder des Kindes irgendwann zuvor im In- oder Ausland legitimiert worden sind; vgl. US Code Title 8, sec. 1101 (c) (a) in Verbindung mit sec. 1433. Mit dieser Bestimmung wird auch ein Kind erfaßt, welches im Recht von Puerto Rico, wo sein Domizil war, wegen der früher unter venezolanischem Recht ausgesprochenen Anerkennung durch seinen Vater die Rechtstellung eines legitimen Kindes genießt: Petition for Naturalization of Fraga, 429 F. Supp.549. So ist es z. B. nach den Bestimmungen verschiedener Commonwealth-Länder über die Korrektur der testamentarischen Erbfolge durch den Richter auf Grund der „Family Provision"-Gesetzgebung, vgl. S. 665, Anm. 18. Läßt das Erbstatut Ehegatten oder Kinder aus Putativehen erben, so bestimmt es selbst, ob eine Putativehe anzunehmen war, vgl. Cass. Paris 9. 11. 1971, Dalloz 1972, J. 174. Das Erbstatut kann eine Erbberechtigung an Ereignisse und Erklärungen anknüpfen, die sich zu einem Zeitpunkt zugetragen haben, als die verknüpften Privatrechte der betreffenden Handlung oder Erklärung keinerlei rechtliche Bedeutung beilegten: Das letzte Erbstatut kann die unter den früheren Personalstatuten usw. familienrechtlich wirkungslose Anerkennung der Abstammung eines Kindes durch den Erblasser zum Erbberufungsgrund machen, vgl. In re Lund's Estate, (Cal. 1945) 159 P.2d 643. Wenn ein Erbrecht schon in homogen verknüpften Fällen neben dem rechtmäßigen Ehegatten auch den gutgläubigen Ehegatten aus einer bigamischen Ehe selbst dann erben läßt, wenn zur Geltendmachung der Nichtigkeit dieser Ehe kein gerichtliches Nichtigkeitsurteil notwendig ist — vgl. Vargas v. Vargas, (1974) 111 Cal. Rptr. 779, mit Anmerkung in 81 ALR3d, 1 —, so wird allerdings erst recht Entsprechendes für eine hinkende Ehe zu gelten haben. Stellt sich die Vorfrage nach dem Bestehen eines Privatrechtsverhältnisses nicht für die Beurteilung einer privatrechtlichen Hauptfrage, sondern für die Beurteilung sozialrechtlicher Ansprüche, so ist dem nur in der Sicht einer ausländischen Rechtsordnung, aber tatsächlich effektiv bestehenden präjudiziellen Dauerrechtsverhältnis die Nachwirkung nicht zu versagen, während sie dem vom Standpunkt des Nachwirkungsstatuts rechtmäßigen präjudiziellen Rechtsverhältnis u. U. versagt werden muß, z. B. wenn die daran Beteiligten es einverständlich als aufgelöst betrachtet haben. Die Frage wird aktuell für das Recht der Witwe auf Rentenbezug (bzw. die Beendigung ihres Rentenbezugsrechts), wenn die Ehe eines Mannes mit der einen bzw. der anderen Frau von Anfang an, oder infolge einer hinkenden Scheidung, eine hinkende Ehe war. Die Lösungen, die hier von der Praxis zu begründen versucht werden, sind vielfach verkappte Billigkeitsentscheidungen; so z. B., wenn das Bundessozialgericht den deutschen Partner an einer Ehe, deren Auslandsscheidung nicht in Deutschland anerkannt wird, noch als rechtsgültig verheiratet (und damit zu keiner neuen Eheschließung fähig) betrachtet, und deshalb die Witwenrente bejaht, während der geschiedene Mann als unter ausländischem Recht gültig neu verheiratet betrachtet und deshalb auch der zweiten Frau eine Witwenrente gewährt wird, vgl. FamRZ 1977, 636. Die Witwenrente, die eine einzige Frau erhalten hätte, wurde hier auf die beiden Frauen im Verhältnis der Dauer ihrer Ehen aufgeteilt. Es wird abgelehnt, die erste Ehe als mit dem Abschluß der zweiten Ehe aufgelöst zu betrachten, soweit damit der ersten Ehefrau Unterhalts- und Erbansprüche verlorengehen würden; es wird aber auch abgelehnt, das Bestehen der zweiten Ehe unter Einsatz der ordre public-Klausel zu verneinen. Das BSozG leitet das Recht auf Hinterbliebenenrente aus der „Unterhaltsersatzfunktion" der Rente her und geht davon aus, daß die zweite Ehefrau „nach dem Recht des Aufenthaltsortes des Versicherten" einen Unterhaltsanspruch gehabt habe. Vgl. auch bereits RGZ 165, 398.
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Vgl. S. 602. Die (später durch eine gesetzliche Bestimmung überholte) englische Entscheidung R. vs. Brentwood Marriage Registrar, [1968] 2 Q. B. 956, kommt dem jedenfalls im Ergebnis nahe. Das S. 176, Anm. 88 zitierte südaustralische Gesetz beschränkt seine Definition ausdrücklich auf die Fälle, wo der Begriff im eigenen Recht verwendet wird. Vgl. S. 133. -
Die vom Hauptfragenstatut aufgeworfene Vorfrage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses ist deshalb, weil auch sie sich mit einem einzelnen Tatbestandselement in dem auf die Hauptfrage passenden Rechtssatz befaßt, Teilfrage in einem weiteren Sinne. In der Literatur besteht heute eine gewisse Tendenz, die „Vorfrage" nach einem präjudiziellen Rechtsverhältnis, welches selbst einklagbare Rechte und Pflichten umfaßt, der Teilfrage im engeren Sinne, bei der es nur um bestimmte Fakten geht, gegenüberzustellen. Werden mit dem Beweis dieser Fakten allerdings neue komplizierte Fragen aufgeworfen, wie z. B. bei der Abstammung, so wird jedoch wieder häufig von „Vorfrage" gesprochen. Vgl. S. 207. OLG Karlsruhe, IPRsp 1931, Nr. 96, bezeichnet bei familienrechtlichen Vorfragen, die das ausländische Erbstatut aufwirft, das internationale Privatrecht des Erbstatuts als „allein maßgeblich", um das Vorfragenstatut zu ermitteln. Familienrechtliche Vorfragen unter ausländischem Erbrecht werden nach dem vom internationalen Privatrecht des Erbstatuts bestimmten Recht beurteilt von KG, IPRsp 1960 — 61, Nr. 137, und LG Stuttgart, IPRsp 1 9 6 8 - 6 9 , Nr. 73. Die familienrechtlichen Vorfragen für Zwecke des Erbrechts werden vom australischen High Court in Haque v. Haque, 108 C. L. R. 230 (1962), nach dem Personalstatut des Erblassers beurteilt, wobei dieses mit dem Erbstatut übereinstimmte; die davon abweichende Beurteilung derselben Fragen in ihrer Eigenschaft als Hauptfragen nach der lex fori wird bewußt ignoriert. Der argentinische Vorentwurf für ein internationales Privatrecht von 1974 beschränkt sich darauf zu bestimmen, daß das für eine Rechtsfrage berufene Recht nicht zugleich für eine damit aufgeworfene andere (Vor-)Frage berufen sei (Art. 3). Da das österreichische IPR-Gesetz zahlreiche selbständige bilaterale Zuweisungen von typischen Teilfragen enthält, ist es zweifelhaft, ob man mit Schwind, StAZ 1979, 113, eine gesetzlich gebotene Gesamtverweisung bezüglich der von einem ausländischen Rechtssatz aufgeworfenen Vorfragen aus § 3 des IPR-Gesetzes entnehmen kann, wonach ausländisches Recht durch ein österreichisches Gericht „wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden" ist. Läßt ein Lagestaat von Nachlaß einzelne eigene erbrechtliche Vorschriften vorrangig vor einem anderen Erbstatut anwenden (vgl. S. 665), so wird den Begriffen für präjudizielle Familienrechtsverhältnisse in der lex fori keineswegs dieselbe Bedeutung beigelegt wie in dem ausländischen Erbstatut; auch das auf eine Vorfrage anwendbare Recht wird keineswegs mitHilfe derselben Kollisionsnormen bestimmt: Kann in Südaustralien der „Ehegatte" aus dem in Südaustralien belegenen Nachlaß auf Antrag eine Zuwendung erhalten, weil er auf Grund des anwendbaren Erbstatuts keine ausreichende Versorgung in Gestalt eines Erbrechts erhält, so gilt dies auch zugunsten dessen, der in Südaustralien wegen fünfjährigen ehelichen Zusammenlebens als „putative spouse" des Erblassers festgestellt worden war, während umgekehrt bei der Ermitdung des Ehegattenerbrechts unter dem ausländischen Erbstatut das Zusammenleben als Zusammenleben in einer rechtsgültigen Ehe gelten kann, wenn vom Standpunkt des Erbstatuts die Ehe formgültig geschlossen war, während das südaustralische Recht die Formgültigkeit verneinte. Hätte anstelle des Gerichts in Südaustralien ein Gericht in einem dritten Staat zu entscheiden, so wäre es besonders sinnlos, wenn dieses Gericht die aufgeworfenen familienrechtlichen Vorfragen nach dem von seinen Kollisionsnormen berufenen Recht beantworten wollte. BGH, IPRsp 1 9 6 4 - 6 5 , Nr. 81, und BayObLG, IPRsp 1 9 6 6 - 6 7 , Nr. 58, wollen, wenn die Ehe vom Standpunkt des deutschen internationalen Privatrechts her nicht besteht, die Ehelichkeit des in der vom Standpunkt des Heimatstaates des Vaters her gültigen Ehe geborenen Kindes verneinen. Diese Entscheidungen können in doppelter Weise gedeutet werden: Es ist möglich, daß einfach übersehen wurde, unter dem Heimatrecht des Vaters zu prüfen, ob das Kind nicht auch bei Verneinung des rechtlichen Bestandes der Ehe als Kind aus einer Putativehe oder aus einem Konkubinat nach dem Vaterrecht mit der Geburt die volle Stellung eines legitimen Kindes erwor815
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Anmerkungen zu S. 1 8 7 - 1 9 0 ben hätte. Denkbar ist auch, und das wird im Ergebnis von denjenigen angenommen, welche betonen, der B G H habe in der genannten Entscheidung die „selbständige Anknüpfung" der Vorfrage nach der Ehe angeordnet, daß der B G H die Nichtbeachtung der Formvorschriften des Art. 13, Abs. 3 E G B G B und des Art. 15 a EheG bei einer Eheschließung im Inland nicht nur mit der Folge ausstatten wollte, daß im Verhältnis zwischen den angeblichen Ehegatten eine Nichtehe anzunehmen sei, sondern auch mit der weiteren Folge, daß die aus einer solchen Nichtehe hervorgegangenen Kinder aus keinem Grunde als mit Geburt legitime Kinder behandelt werden dürften. Ein solcher Standpunkt stünde allerdings in eklatantem Widerspruch zu Art. 6 Abs. 5 G G . Hof Amsterdam, N . J . 1967, Nr. 302, betrachtet die Kinder aus einer nach niederländischem Recht in den Niederlanden formgültig geschlossenen, nach griechischem Recht hingegen nicht bestehende Ehe als nichteheliche Kinder der Eltern, und erkennt die am ausländischen Wohnsitz des Kindes eingerichtete Vormundschaft des damit betrauten Vaters an. Verw. G H Wien, EFSlg 13 (1976) Nr. 27553, geht davon aus, daß die in Österreich standesamtlich geschlossene Ehe von Griechen in Griechenland nicht besteht; dennoch könne der Vater das Kind nach Art. 1532 des griechischen Zivilgesetzbuchs auch formlos anerkennen, und das Kind erhalte nach Art. 1537 damit Rechte und Pflichten eines ehelichen Kindes. So allerdings neuestens B G H 26. 10. 1977, N J W 1977, 496. Gekünstelt ist es, die Beurteilung der Vorfrage nach der Gültigkeit der Ehe über das Kollisionsrecht desjenigen Rechts, welches eine Nachwirkung regelt, abzulehnen, und dennoch das bei Bejahung der Vorfrage im Recht des Nachwirkungsstaates zu erzielende Ergebnis dadurch herbeizuführen, daß der Begriff der Putativehe objektiviert, und die Fähigkeit der Putativehe zum Hervorbringen von Nachwirkungen zum Bestandteil des ordre public des Forumstaates gemacht wird, vgl. dazu Fadlallah, La famille légitime en droit international privé, 1977, S. 54 ff. Vgl. S. 464, Anm. 40. Steht das Kindschaftsstatut auf dem Standpunkt, daß das in den ersten sechs Monaten der Ehe geborene Kind nicht ein legitimes Kind ist, so ist damit die materielle Harmonie in dem Staat, der im Gegensatz zu dem Staat, der das Kindschaftsstatut stellt, das Bestehen der Ehe bejaht, nicht gestört, wenn bei Bejahung der Gültigkeit der Ehe in beiden Staaten Illegitimität eines solchen Kindes angenommen wird. Vgl. dazu S. 170 zu Anm. 78. Auch die Anhänger der Auffassung, daß das auf Vorfragen nach einem präjudiziellen Rechtsverhältnis anwendbare Recht grundsätzlich über das Kollisionsrecht des jeweiligen Forumstaates zu ermitteln sei, selbst wenn die Vorfrage überhaupt nur durch das materielle Recht des Hauptfragenstatuts aufgeworfen worden ist, bestreiten nicht, daß auf privatrechtliche Vorfragen, die das ausländische Staatsangehörigkeitsrecht aufwirft, im Forumstaat dasjenige Recht angewendet werden muß, welches in dem Staat anwendbar ist, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. Das kann zu dem absurden Ergebnis führen, daß in Ubereinstimmung mit dem Standpunkt des Heimatstaates des Mannes und dem früheren Heimatstaat der Frau der Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes und der Verlust ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit durch die Frau in einem Foramstaat anerkannt wird, daß aber in demselben Staat das Bestehen von Intestaterbrechten zwischen den Ehegatten verneint wird, weil unter Anwendung eines anderen Rechts das Bestehen der Ehe in diesem Zusammenhang verneint wird. Vgl. S. 274. B G H 23. 2. 1977, N J W 1977, 1014, ermöglicht der in Deutschland geschiedenen Spanierin die Eingehung einer neuen Ehe mit einem Jugoslawen, betont aber, daß es das völlige Fehlen einer Scheidung im spanischen Recht sei, welches beim Bestehen einer Binnenbeziehung zu Deutschland gegen den deutschen ordre public verstoße und nicht nur die Scheidung der Vorehe in Deutschland notwendig mache, sondern auch die Ignorierung des Ehehindernisses, welches das spanische Recht in dem Fortbestehen der ersten Ehe sieht. Die Frage, ob das Ehehindernis des Ehebruchs gegen das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit verstieß, ist nicht vom Bundesverfassungsgericht erörtert worden. Arr. Rb. Rotterdam, Ned. Jur. 1978, Nr. 622, ordnet jedoch die Mitwirkung des niederländischen Standesbeamten bei der Eheschließung eines deutschen Staatsangehörigen an, dessen erste Ehe in Holland geschieden worden war, obwohl feststand, daß der Ehescheidung in Deutschland die Anerkennung nach § 328 (1) Ziff. 2 ZPO versagt wurde. Das Schweizer Bundesgericht will, ohne
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grundsätzlich eine selbständige Anknüpfung der Vorfrage zu befürworten, unter Aufgabe früherer Rechtsprechung mit Hilfe der ordre public-Klausel die Anwendung des Heimatrechts einer Person, welches ihr trotz Scheidung der Vorehe in der Schweiz die Eingehung einer neuen Ehe verbietet, ablehnen, wenn die Partner der neuen Ehe Wohnsitz in der Schweiz haben: BE 97,1, 389ff. 1 2 3 Das schwedische Recht erkennt eine Ehe als für die schwedische Rechtsordnung aufgelöst an, wenn eine Scheidung in einem vom schwedischen Standpunkt her nicht international zuständigen Staat erfolgt ist, und einer der geschiedenen Ehegatten eine neue Ehe im Ausland eingegangen ist. Davon gilt als Ausnahme, wenn der neuverheiratete Ehegatte sich gegen den Partner der ersten Ehe „grob ungerecht" verhalten hat (Kap. III Art. 7 des Gesetzes vom 8. 7. 1904 in der Fassung von 1915). 1 2 4 So bestimmt das neue Haager Scheidungsabkommen von 1970 ausdrücklich zusätzlich zu der in Art. 2 ausgesprochenen Verpflichtung zur Anerkennung der gemäß den Bestimmungen der Konvention erfolgten Scheidungen in einem Vertragsstaat in Art. 11 : «Un Etat, tenu de reconnaître un divorce par application de la présente Convention, ne peut pas interdire le remariage l'un ou l'autre des époux au motif que la loi d'un autre Etat ne reconnaît pas ce divorce.» Allerdings bestimmt daneben auch noch Art. 7: «Tout Etat contractant peut refuser la reconnaissance d'un divorce entre deux époux qui, au moment où il a été acquis, étaient exclusivement ressortissants d'Etats dont la loi ne connaît pas le divorce.» Daß die Verweisung der Haager Eheschließungskonvention von 1902 auf das Heimatrecht der einzelnen Verlobten bezüglich der Ehefähigkeit auch das Ehehindemis einer in der Rechtsordnung eines solchen Heimatstaates noch als bestehend geltenden Vorehe erfaßt, selbst wenn sie im Eheschließungsland und in dem anderen Heimatstaat als geschieden gilt, und daß dem auch mit der ordre public-Klausel nicht entgegengetreten werden kann, war auch die Ansicht der niederländischen Regierung und hat sie zur Kündigung des Abkommens veranlaßt. 1 2 4 3 Vgl. S. 128, Anm. 190. 1 2 5 Meist sind die Zuweisungsnormen des EGBGB so abgefaßt, daß ein „Rechtsverhältnis" oder ein rechdicher Vorgang (Scheidung) „nach den Gesetzen" eines bestimmten Staates „beurteilt" werden soll. Nur in der Fassung des Art. 15 scheint der Gedanke anzuklingen, daß auf die von der klagenden Partei selbst noch gar nicht qualifizierte Rechtsfrage die Vorschriften desjenigen Rechts zur Anwendung zu gelangen haben, dem bestimmte Rechtssatzkategorien zu entnehmen sind, vorausgesetzt, daß ein solcher Rechtssatz für die aufgeworfene Rechtsfrage paßt. 1 2 6 Vgl. z. B. BGH, IPRsp 1960-61, Nr. 23. Siehe ferner oben Anm. 11 zu S. 136. 1 2 7 Vgl. S. 133. 1 2 8 Da im positiven deutschen Recht Verweisungen auf ausländisches Recht als Gesamt Verweisungen verstanden werden, hätte die Frage gestellt werden müssen, ob auch die alternative Zuweisung der Form an das Geschäftsstatut oder an das Erbstatut als Gesamtverweisung zu verstehen, und in diesem Zusammenhang wieder die Qualifikation durch das Geschäftsstatut (Erbstatut) zu beachten wäre. Die Frage ist nie Gegenstand einer gründlichen Prüfung durch ein Obergericht geworden. 1 2 9 Vgl. S. 127, Anm. 184. 1 3 0 BGH, IPRsp 1964-65, Nr. 81 b. Vgl. S. 474, Anm. 84.
§ 9. Die Zuweisung an die Sachnorm eines staatlichen Rechts 1
Als spezialisierte Vorbehaltsklauseln sind negative Zuweisungen denkbar in der Art, daß ausländische Rechtssätze, wenn sie irgendwo in einer Zuweisungsnorm berufen sein sollten, aber einen bestimmten Inhalt aufweisen, durch die Gerichte des Forumstaates nicht angewendet werden dürfen, falls eine bestimmte Inlandsverknüpfung vorhanden ist. Ein Staat könnte z. B. bestimmen, daß religiöse Eheschließungen im Inland auf keinen Fall zu einer in der inländischen Rechtsordnung wirksamen Ehe führen können. Damit wäre noch nichts darüber gesagt, wann religiöse Eheschließungen auf fremdem Staatsgebiet als gültig zu behandeln sind, aber auch nichts darüber, wann 817
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nichtreligiöse Eheschließungsformen, die nur einem ausländischen Recht entsprechen, im Inland verwendet werden dürfen mit der Folge, daß die Ehe als gültig zu betrachten ist. 2 Vgl. Art. 3 der Haager Konvention vom 24. 10. 1956. 3 So wenn z. B. bestimmt wird, daß eine Rückverweisung im Kollisionsrecht des mit seinem Recht berufenen Heimatstaates nur dann berücksichtigt werden soll, wenn sie auf die lex fori in ihrer Eigenschaft als Wohnsitzrecht hingeht, nicht aber, wenn die lex fori etwa als Lagerecht berufen ist, vgl. dazu Anm. 55 für das portugiesische IPR. 4 Vgl. S. 82. 5 Im amerikanischen Recht wird manchmal von einem „disclaimer Statute" gesprochen, wenn ein Staat zunächst „grundsätzlich" die Anwendbarkeit des eigenen Rechts bejaht, aber für gewisse Ausnahmefälle die Anwendung eines ausländischen Rechts vorzieht; vgl. z. B. In re Dawson, 21 U C C Rep. Serv. 293, 296. Ein solches disclaimer Statute liegt z. B. vor, wenn der Lagestaat einer Sache die Regelung des Ubergangs von dinglichen Rechten an der Sache, oder die Begründung eines Pfandrechts dem Staat überläßt, in dem sich eine die Sache repräsentierende, oder die ein Rechtsverhältnis an der Sache ausweisende Urkunde befindet (wobei sogar die Ausstellung der Urkunde jedem daran interessierten anderen Staat überlassen sein kann). Aber auch die Anwendung des Personalstatuts des Erblassers auf die Vererbung gewisser im Lagestaat befindlicher Nachlaßteile ist letztlich ein disclaimer Statute, selbst wenn die Ausgangsregel, daß das Recht des Lagestaates maßgebend ist, praktisch zur Ausnahme wird. 6 Vgl. etwa Art. 3 der Haager Konvention über Testamentsform. 7 Vgl. S. 299, Anm. 108. 8 Vgl. S. 279. 9 Vgl.S. 222 ff. 1 0 Ein Wahlrecht des staatlichen Richters findet sich häufiger im intergentilen Recht, vgl. Anm. 84. Schiedsgerichte werden unter Umständen von den Parteien ermächtigt, das anwendbare Recht selbst frei zu bestimmen, vgl. S. 346. 1 1 Vgl. S. 237. 1 3 Vgl. S. 397. 1 4 a Vgl. S. 43, Anm. 42. 1 2 Vgl. S. 209. 1 4 Vgl. S. 345. 1 5 Vgl. Richards v. US, 369 US 1(1962), zum Federai Tort Claims Act. 15a Gelegentlich wird in einem Gesetz die Regierung ermächtigt, die in einem bestimmten völkerrechtlichen Vertrag zur Einführung als innerstaadiches Recht vorgesehenen Rechtssätze in der staatlichen Rechtsordnung in Kraft zu setzen, noch bevor der Vertrag für den betreffenden Staat völkerrechtlich in Kraft getreten ist, so im britischen Merchant Shipping Act 1979. 1 6 Vgl. dazu unten S. 215. 1 7 Vgl. S. 237, 1 8 Vgl. S. 315. 1 9 Einen Unterschied zwischen Angehörigen eines bestimmten Staates (nämlich Großbritannien) und den Angehörigen anderer Staaten in Bezug auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts macht das Zypern-Gesetz Nr. 75/1970 bei der Regelung des Anwendungsbereichs seiner Vorschriften über Noterbrechte. Auch in anderen Commonwealth-Ländern werden manchmal die übrigen Commonwealth-Länder internationalprivatrechtlich anders behandelt als andere Staaten. Uber eine vielleicht sogar verfassungsrechtlich gebotene besondere Behandlung der DDR im Kollisionsrecht der Bundesrepublik vgl. oben S. 129. 2 0 Vgl. dazu Art. 24 und 25 EGBGB. 2 1 Vgl. S. 285. 2 2 So enthalten die neueren Verträge der Haager Konferenz für internationales Privatrecht meist die ausdrückliche Bestimmung, daß die Anwendung des Vertrages nicht eine Verknüpfung zu einem Vertragsstaat erfordert, und daß eine vertragliche Verpflichtung besteht, das in der vertraglich vorgesehenen Zuweisungsnorm bezeichnete Recht eines Nichtvertragsstaates zur Anwendung zu bringen. So z. B. bestimmt Art. 11 des Vertrages von 1973 über die Produzentenhaftung: «L'application des précédents articles de la présente Convention est indépendante de toute condition de réciprocité. La Convention s'applique même si la loi applicable n'est pas celle d'un Etat contractant.» 2 3 Vgl. S. 44. 2 5 Vgl. S. 133. 2 7 Vgl. S. 248f. 2 4 Vgl. S. 3 ff. 2 6 Vgl. S. 246 ff. 2 8 Durchaus zutreffend hat man gesagt, daß den New Yorkern die Wahl eines ausländischen Scheidungsstatuts neben dem Recht von New York ermöglicht worden sei, als die Rechtsprechung der 818
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New Yorker Gerichte einverständliche Scheidungen von New Yorkern im Ausland, insbesondere in Mexiko, anerkannte, vgl. S. 396, Anm. 267 a. Vgl. S. 194, Anm. 2. So nach Art. 1 des sog. Frauenscheidungsgesetzes vom 24. 1. 1935, das durch die 4. DVO z. EheG vom 25. 10. 1941 wieder beseitigt wurde. 3 2 Vgl.S. llOff. 3 3 Vgl. S. 109. Vgl. dazu S. 188f. Vertraglich gebotene einfache Zuweisungen sind in aller Regel unbedingte Sachnormverweisungen, soweit es sich um die Hauptfrage handelt, vgl. RGZ 105, 340, zum Haager Ehescheidungsabkommen. Seltener kommt es vor, daß ein Vertrag alternative Zuweisungen vorsieht in der Fassung, daß der einzelne Vertragsstaat etwa neben den Ehen, die er gemäß dem Recht als gültig ansieht, das er durch eigene Kollisionsnormen berufen hat, auch diejenigen Ehen als gültig behandeln muß, die in einem durch ein bestimmtes Anknüpfungsmoment ausgezeichneten Vertragsstaat gemäß dem Recht, das dieser in seinem internationalen Privatrecht benennt, gültig sind. Derartige alternative Gesamtverweisungen enthält das Haager Ehescheidungsabkommen von 1977. Dort finden sich ausdrückliche Hinweise auf die „règles de conflit" eines Staates, oder auf das „droit" (im Gegensatz zu „loi interne") eines Staates. Jeder Vertragsstaat hat jede gemäß dem Recht des Eheschließungsortes gültig geschlossene Ehe vorbehaltlich der im Vertrag vorgesehenen Ausnahmen anzuerkennen (Art. 9), ist aber nicht gehindert, eigene Zuweisungsnormen zu verwenden, auf Grund deren das Bestehen einer gültigen Ehe auch in anderen Fällen anzunehmen ist (Art. 13). Eine Zuweisung an ausländisches Recht kann dabei auch unter die Bedingung gestellt werden, daß das fremde Recht sich aus einem ganz bestimmten Grunde als anwendungswillig betrachtet, so z. B. wegen Belegenheit eines Gegenstandes in dem betreffenden Staatsgebiet, vgl. S. 698, Anm. 142. Darüber hinaus kann erforderlich sein, daß die Anwendungswilligkeit des fremden Rechts sich auf bestimmte Arten der in dem betreffenden Staat belegenen Gegenstände beschränkt, wobei der Lagestaat wieder innerhalb eines gewissen äußersten Rahmens, den das Kollisionsrecht des Forumstaates absteckt, nach eigenem Gutdünken diese Beschränkung vornehmen kann. So ist es, wenn ausdrücklich bestimmt wird, daß einerseits die Vererbung von unbeweglichen Gegenständen nach dem Recht des Lagestaates zu beurteilen sei, falls der Lagestaat sein eigenes Recht angewendet wissen will, und daß nach dem Recht des Lagestaates zu beurteilen sei, was als unbewegliches Vermögen zu betrachten ist. Mit einer solchen Kollisionsnorm wird die Anwendung des Erbrechts des Lagestaates von dessen Anwendungswilligkeit abhängig gemacht, aber der Forumstaat ist hierzu nicht ohne Einschränkung bereit: Der Lagestaat muß die Anwendbarkeit seines Rechts mit Rücksicht auf die Belegenheit der Gegenstände auf seinem Gebiet und nicht aus einem anderen Grunde anordnen. Der Forumstaat würde es aber auch nicht anerkennen, wenn ein Lagestaat einfach bestimmen würde, sämdiche auf seinem Gebiet belegenen vererblichen Vermögensrechte seien als unbeweglich zu betrachten und würden deshalb nach dem eigenen Recht des Lagestaates vererbt. Andererseits schließt eine Bestimmung der erwähnten Art nicht aus, daß im Forumstaat das anwendungswillige Recht des Lagestaates zur Anwendung gebracht wird, auch wenn dessen Kollisionsrecht überhaupt nicht von „unbeweglichen" Gegenständen spricht, sondern z. B. bestimmt, daß das eigene Erbrecht auf die Vererbung aller derjenigen Rechte Anwendung findet, die sich auf den Besitz an inländischen „Grundstücken" beziehen. Ob der Lagestaat diejenigen Gegenstände, die er unter der Bezeichnung „unbeweglich", „Grundstücksrechte" usw. seinem eigenen Recht vorbehalten will, zu definieren versucht, oder ob er diese einzelnen Rechte nur aufzählt, ist sicher dem Kollisionsrecht des Forumstaates gleichgültig. Aus der Ermächtigung an den Lagestaat, die auf seinem Gebiet belegenen Nachlaßgegenstände, indem sie als unbeweglich o. ä. qualifiziert werden, dem eigenen Recht vorzubehalten, ist hingegen keineswegs zu entnehmen, daß man das anwendungswillige Recht des Lagestaates zur Anwendung bringen würde, wenn dieses z. B. Geldforderungen an den Staatsfiskus mit Rücksicht auf die Unveränderlichkeit ihrer „Belegenheit" als „unbeweglich" qualifizieren würde. Letztlich handelt es sich also darum, daß nach Absicht der Kollisionsnorm des Forumstaates das anwendungswillige Erbrecht des Lagestaates zur Anwendung gebracht wird, soweit es Vermögensgegenstände erfassen will, denen der Lagestaat eine besonders intensive Inlandsverknüpfung zuschreibt, und daß andererseits den Gerichten des Forumstaates ein Ermessen bleibt, von einzelnen Vermögensgegenständen — insbesondere wenn sie auch in der Privatrechtsordnung des Forumstaates bekannt sind und dort keinesfalls als unbeweglich gelten — anzunehmen, daß sie nicht vom Lagestaat seinem Recht unterstellt werden dürfen. 819
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Ähnliche Probleme entstehen, wenn die Kollisionsnorm des Forumstaates etwa von legitimen oder ehelichen Kindern spricht, und wenn es der maßgeblichen lex causae überlassen wird, den Begriff der legitimen bzw. ehelichen Kinder näher zu bestimmen. Kein Gesetzgeber ist gehindert, Menschen und Dinge durch gesetzliche Definition, oder gar durch individuelle Staatsakte, als im Besitz gewisser Eigenschaften befindlich zu erklären, wofür dann meist auch eine bestimmte Bezeichnung verwendet wird. Es ist nicht notwendig, daß im Zusammenhang mit einer solchen Regelung sofort an den Besitz einer derartigen Eigenschaft bestimmte Rechtswirkungen angeknüpft werden. Jeder Staat kann zunächst einmal in einem Interpretationsgesetz Bestimmungen darüber treffen, welche Menschen als einer bestimmten Rasse zugehörig, oder welche Sachen als unbeweglich zu gelten haben; erst zu einem späteren Zeitpunkt kann durch neue Gesetze bestimmt werden, welche Rechtswirkungen an derartige Eigenschaften von Menschen oder Sachen angeknüpft sein sollen. Es ist dann auch durchaus möglich, daß der Gesetzgeber eines Landes A, wenn er den Eintritt bestimmter Rechtswirkungen (incidents) vorsieht, dabei auf Eigenschaften von Menschen oder Sachen verweist, die diesen in Gesetzen des Landes B zugewiesen worden sind. Es ist aber unrationell, wenn ein Rechtssatz die von ihm vorgesehenen Wirkungen blindlings an jeden „Status" anhängt, den ausländische Gesetze unter Verwendung derselben Bezeichnung vorsorglich Menschen oder Dingen zugeschrieben haben, ohne daß darauf abgestellt wird, ob das ausländische Recht mit dem von ihm vorgesehenen Status bereits bestimmte Rechtswirkungen verbindet, bzw. welches diese Rechtswirkungen sind. Noch unsinniger ist es, bilaterale Zuweisungen zu bilden, mit denen eigenschaftsvermittelnde Rechtssätze ermittelt werden sollen, ohne daß man überhaupt weiß, ob alle anderen Rechte überhaupt derartige Rechtssätze besitzen, welche Ausdrücke sie für die von ihnen zugeschriebenen Eigenschaften verwenden, und schließlich welche Wirkungen sie an einen derartigen Status anknüpfen: Eine von der Regelung irgendwelcher Wirkungen vollkommen isolierte Zuweisungsnorm im Recht des Forumstaates F, wonach das Recht des jeweiligen Lagestaates von Sachen und Rechten dafür maßgebend sein solle, ob es sich um eine unbewegliche oder eine bewegliche Sache handelt, ist sinnlos. Sinnlos ist es aber auch, wenn z. B. in Art. 18 EGBGB nicht eine einseitige Regelung gesehen wird, wonach es auf die nach deutschem Recht zu bejahende eheliche Abstammung eines Kindes von einem deutschen Vater ankommt, insoweit ein anderer Satz des deutschen Rechts auf die eheliche Abstammung abstellt, sondern wenn aus Art. 18 EGBGB und dem danach ermittelten Recht etwas darüber entnommen werden soll, wann z. B. bei Anwendung eines ausländischen Erbrechts ein Erbprätendent als „legitim geborenes" Kind, oder gar als „legitim gezeugtes" Kind des Erblassers zu gelten hat. Vgl.S. 101. Auf der anderen Seite ist es zu verwerfen, wenn ein Vertrag die Vertragsstaaten verpflichten will, das Recht eines Nichtvertragsstaates zur Anwendung zu bringen, das nach den Zuweisungsnormen dieses Staates selbst gar nicht angewendet werden will; vgl. S. 199, Anm. 22 u. Anm. 24 zu S. 514. 3 8 Vgl. S. 44. 4 1 Vgl. auch S. 279. 4 3 a Vgl. S. 246. 3 9 Vgl. S. 212. 4 2 Vgl. S. 214. 4 0 Vgl. S. 214f. 4 3 Vgl.S. 210 ff. 4 3 b Z u r Verwendung als Anknüpfungsrnoment in einer subsidiären Zuweisungsnorm im Sinne des oben Ausgeführten geeignet sind nur solche Verknüpfungen, die nicht zum Forumstaat selbst hingehen. Unbrauchbar ist hingegen eine Regelung, wonach ein Staat, dessen internationales Privatrecht zunächst mit Hilfe eines bestimmten Anknüpfungsmoments ein ausländisches Recht beruft, dann, wenn das berufene Recht aus irgendeinem Grunde nicht selbst von sich aus anwendungswillig ist, eine subsidiäre Zuweisung bildet, auf Grund deren das Recht des Forumstaates mit Hilfe einer zu ihm hingehenden Verknüpfung angewendet werden soll. Hier wird nämlich, wenn der mit seinem Recht berufene fremde Staat eine entsprechende Regelung hat, das ausländische Recht trotz seiner subsidiären Anwendungswilligkeit nicht zur Anwendung gebracht; eigenes und fremdes Recht werden, mit anderen Worten, bei subsidiärer Anwendungswilligkeit unparitätisch behandelt. Würde man beide Rechte gleich behandeln, so käme es stets zum Spiegelkabinett. Vgl. auch Anm. 49. 4 4 Vgl. S. 209. 4 5 Wenn die foreign court-Theorie die Regelung, daß jede Verweisung auf ausländisches Recht von vornherein als eine Gesamtverweisung zu verstehen sei, damit begründen will, daß der Verweisung auf ausländisches Recht der Gedanke zugrunde liegt, den Gerichten des berufenen Staates werde vom Urheber der Rechtsanwendungsanweisungen des Forumstaates die „bessere" Zuständigkeit zur
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Streitentscheidung zugeschrieben, so kann diese Auslegung der zurückverweisenden Kollisionsnorm des Staates, auf den die Verweisung im Forumstaat hingeht, nicht versagt werden. Kommt es zum Spiegelkabinett gegenseitiger Rückverweisungen, so wäre es nur konsequent, wenn die Gerichte eines jeden Staates sich als zur Sachentscheidung unzuständig erklären müßten. 4 6 Vgl. S. 265 f. 4 7 Zutreffend will z. B. BGH, IPRsp 1974, Nr. 114, bei Anwendung des ausländischen Heimatrechts der Mutter auf die Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters die Teilfrage nach der Abstammung nach den Bestimmungen des Unterhaltsstatuts beurteilt wissen, sofern dieses nicht eine andere Regelung, insbesondere in Gestalt einer Verweisung auf ein drittes Recht, vorsieht. 4 7 3 Vgl. S. 188 f. 4 8 Die Bildung subsidiärer Zuweisungen durch die Rechtsprechung bei fehlender Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts und dem Schweigen des Gesetzgebers über die subsidiäre Zuweisung kann nicht als eine unzumutbare Aufgabe der Gerichte gelten; auch wenn die maßgebliche Zuweisung „leerläuft", also das Anknüpfungsmoment zu staatlosem Gebiet hingeht (vgl. S. 246 ff), muß ja häufig die Rechtsprechung selbst eine subsidiäre Zuweisung bilden. 4 9 Das ist insbesondere der Fall, wenn das berufene Recht A zwar nicht primär selbst anwendungswillig ist, sondern das Recht des Forumstaates F unter der Bedingung seiner primären Anwendungswilligkeit beruft, und für den Fall, daß diese fehlt, schon sich selbst als anwendbar bezeichnet, ohne einer etwaigen Weiterverweisung im internationalen Privatrecht von F Beachtung zu schenken. Aus diesem Grunde konnte BayObLG, IPRsp 1976, Nr. 115, das Erbrecht von Israel auf die Beerbung eines mit deutschem Wohnsitz verstorbenen Israeli anwenden. 5 0 Besteht nur eine quantitativ beschränkte Ubereinstimmung, so ist diese für die Bildung der Entscheidung maßgebend: Für den Anspruch auf Unterhalt des unehelichen Kindes gegen den Vater beruft der Forumstaat F das Recht A des Heimatstaates der Mutter; nach diesem Recht wäre der Beklagte als der Vater anzusehen und eine Unterhaltspflicht in derselben Höhe wie beim ehelichen Kind gegeben; das Recht A will jedoch nicht angewendet werden, sondern betrachtet das Recht des Forumstaates F als das Wohnsitzrecht des angeblichen Vaters als maßgebend; nach diesem Recht besteht eine unbeschränkte Unterhaltspflicht aus „Risikohaftung", aber nur, wenn der kritische Verkehr im Inland stattgefunden hat, was nicht der Fall ist. Von sich aus anwendungswillig ist jedoch das Recht B des Heimatstaates des Vaters, das seinerseits eine Unterhaltspflicht auch des erwiesenen Vaters nur beim Vorhandensein einer zusätzlichen Voraussetzung (etwa Eheversprechen) bejaht. Wenn auch diese zusätzliche Voraussetzung nicht verwirklicht ist, so sollte zu Unterhalt in Höhe des vom Recht F Vorgesehenen verurteilt werden. 5 1 Die komplizierte Regelung der Rück- und Weiterverweisung im portugiesischen ZGB (vgl. Anm. 55 zu S. 213) soll vor allem verhüten, daß die Anwendbarkeit eines einzigen Rechts als Erbstatut, wie sie vom Heimat- oder vom Wohnsitzstaat des Erblassers gefordert wird, dadurch entfällt, daß das vom portugiesischen Kollisionsrecht berufene Recht sogar bei Mobilien auf das Lagerecht verweist (wie manche Rechte südamerikanischer Staaten). 5 2 Selbst im intergentilen Recht eines Landes können unter Umständen heterogen verknüpfte Ehen zwar geschlossen werden, aber es findet sich kein anwendungswilliges Scheidungsstatut, vgl. Derrett, Essays in classical and modern Hindu law, vol. 4, 1978, S. 117. 5 2 a Vgl. S. 418 zu Anm. 4. 5 3 Zu denken wäre daran, daß Art. 22 (2) EGBGB zu einer bilateralen Zuweisungsnorm erweitert werden müßte. Wäre dann deutsches Recht das Adoptionsstatut gemäß Art. 22 (1), und müßte bei ausländischer Staatsangehörigkeit des zu Adoptierenden geprüft werden, ob noch andere Personen als die bereits nach deutschem Recht zu Befragenden ihre Zustimmung zur Adoption erteilt haben, so besteht kein Anlaß, nach einem anderen Recht zu suchen, wenn sich das Heimatrecht des zu Adoptierenden als anwendungsunwillig erweist. Ganz anders ist es, wenn das internationale Privatrecht eines Staates die Mitwirkung seiner Organe an der Begründung eines Rechtsverhältnisses davon abhängig macht, daß das Rechtsverhältnis auch vom Standpunkt eines anderen Staates her, also unter Zugrundelegung der von seinem internationalen Privatrecht bezeichneten Sachnormen, Zustandekommen wird; vgl. S. 600. Beispiel: Sowohl A als auch B wollen selbst das Geschäftsstatut stellen; A erklärt die Formvorschriften der lex loci actus C als allein maßgebend; B beruft sie alternativ neben seinen eigenen Formvorschriften. Der Staat C selbst betrachtet B als Geschäftsstatut und will zugleich Formvor821
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Schriften selbständig anknüpfen, wobei er alternativ das Geschäftsstatut und das gemeinsame Heimatrecht der Beteiligten beruft. Dann kann der Staat A die Anwendungsunwilligkeit von C beachten und die Parteien nötigen, das Geschäft entweder in A, oder in einem anderen Staat zu errichten, der seine eigenen Formvorschriften als anwendbar betrachtet; der Staat A kann aber auch die Errichtung des Geschäfts in der Form des Rechtes C genügen lassen, sofern nicht gerade C die Geschäftserrichtung in seinen Formen als strafbar erklärt. Beide Lösungen sind unter den allgemeinen Leitprinzipien nicht zu beanstanden. Der Staat B kann seinerseits, wenn das Geschäft nicht den Formerfordernissen des Rechtes C genügt, die Einhaltung der eigenen Vorschriften fordern; auch er kann die Lösung vorziehen, daß das Recht C gegen seinen Willen zur Anwendung gebracht wird; B kann schließlich auch das in C errichtete und nur den Formvorschriften des gemeinsamen Heimatrechts genügende Geschäft als formgültig behandeln. Auch die verschiedenen in B möglichen Lösungen sind sämtlich unter den allgemeinen Leitprinzipien nicht zu beanstanden. Wohl aber erfordert die Förderung der Entscheidungsgleichheit, daß ein unbeteiligter dritter Forumstaat D nicht selbst wieder abweichende Zuweisungsnormen für die Form bildet; er sollte sich dem Standpunkt des von ihm als Geschäftsstatut anerkannten Rechtes, also A oder B, anschließen. Deutlich gegen die Gesamtverweisung und für die Deutung jeder Verweisung auf ausländisches Recht als einer unbedingten Sachnormverweisung sind vor allem das italienische und das griechische Recht, vgl. Art. 30 disp. prel. c. c. und Art. 32 ZGB. Ein unzweideutiges Bekenntnis zur Gesamtverweisung enthält das österreichische IPR-Gesetz von 1978 in § 5. Obwohl Art. 27 EGBGB nur in einigen bestimmten Fällen eine Rückverweisung des berufenen ausländischen Rechts als beachtlich erklärt, ist sich die deutsche Rechtsprechung darüber einig, daß jede Verweisung einer deutschen Kollisionsnorm auf ausländisches Recht, abgesehen von wenigen Ausnahmen, als Gesamtverweisung zu verstehen sei, vgl. S. 224. Jedenfalls im Ergebnis weitgehend dem deutschen Standpunkt ähnlich verhalten sich das französische und das englische internationale Privatrecht, ohne daß dort in der Gesetzgebung ein Ansatz für die Anerkennung der Rück- oder Weiterverweisung besteht. Der schweizerische Entwurf für ein IPR-Gesetz (Art. 13) will die berufenen ausländischen Sachnormen „im Zweifel" ohne Beachtung ausländischen Kollisionsrechts anwenden lassen. In einer ganzen Reihe von Einzelfällen wird jedoch Gesamtverweisung angeordnet. Die Erläuterungen wollen überdies eine „unter Umständen" in einem ausländischen materiellen Rechtssatz selbst enthaltene Beschränkung seiner Anwendung auf bestimmte mit dem Urheberstaat verknüpfte Situationen auch durch den Schweizer Richter beachtet wissen. Das spanische internationale Privatrecht (Art. 12 Ziff. 2 tit. prel. c. c.) will Rückverweisung beachtet wissen und lehnt Weiterverweisung ab. In demselben Sinne dürfte § 3 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR von 1975 zu verstehen sein. Das internationale Privatrecht des portugiesischen ZGB von 1966 beachtet in erster Linie die Weiterve rweisung auf ein selbst primär anwendungswilliges Recht eines dritten Staates, macht aber auch hiervon Ausnahmen, vgl. Art. 17. Eine Rückve rweisung des berufenen ausländischen Rechts (oder des durch Weiterverweisung benannten Rechts eines dritten Staates) auf portugiesisches Recht wird nur beachtet, wenn es sich um eine unbedingte Sachnormverweisung handelt, und überdies in Fragen des Personalstatuts einschließlich des Erbrechts nur dann, wenn es sich um eine Verweisung auf das portugiesische Recht als das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der betreffenden Person — nicht aber z. B. als lex rei sitae — handelt, vgl. Art. 18. In zahlreichen Fällen muß auch nichtanwendungswilliges ausländisches Recht zur Anwendung gebracht werden. Vom Ergebnis her bedingt ist die Regelung in Art. 19 ZGB, wonach das nichtanwendungswillige berufene ausländische Recht dem durch Weiterverweisung ermittelten anwendungswilligen Recht eines dritten Staates vorgezogen wird, wenn das Recht, auf das weiterverwiesen wird, ein Rechtsgeschäft als ungültig erscheinen läßt, während es nach dem (gar nicht anwendungswilligen) berufenen Recht gültig ist. Das polnische IPR-Gesetz von 1965 erklärt die Rückverweisung auf polnisches Recht generell, die Weiterverweisung nur, soweit sie vom fremden Heimatrecht ausgeht, als beachtlich. Das tschechoslowakische IPR-Gesetz von 1963 will Verweisungen auf ausländisches Recht als Gesamtverweisung verstehen, jedoch nur, wenn das Ergebnis zu einer „vernünftigen und billigen" Regelung des betreffenden Rechtsverhältnisses führt, vgl. Art. 35. Das Restatement des American Law Institute befürwortet die Deutung einer Verweisung auf
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ausländisches Recht als Gesaratverweisung, wenn es der Zweck der einzelnen Kollisionsnormen sei, daß genauso entschieden werde wie in einem anderen Staat, vgl. Restatement Conflict of Laws 2d. § 8 (2). Es wird offen gelassen, wann ein solcher Zweck anzunehmen ist; die Rechtsprechung ist außerordentlich zurückhaltend. Die Frage, ob das Fehlen der Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts beachtet werden sollte, ist auch dann zu stellen, wenn das anwendbare Geschäftsstatut für pflichtbegründende Geschäfte durch Rechtswahl, oder durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelt wird. Dort, wo bei Beachtung der Nichtanwendungswilligkeit der eigenen Sachnormen in dem Staat des berufenen Rechts Gesamtverweisung angenommen wird, stellt man meist nur die Frage, ob die Wahl eines nationalen Rechts durch die Parteien als Wahl des Inlandsrechtes, oder als Wahl des Kollisionsrechts zu verstehen ist; durchweg wird das erste vermutet. Damit übergeht man die Frage, ob es bedeutsam ist, daß das gewählte Recht weder auf Grund der Wahl, noch aus einem anderen Grund anwendungswillig ist. Ein nur durch die Belegenheit von Vermögen des Beklagten mit seinen Gerichten international zuständiger Forumstaat erklärt sich also bereit, als Geschäftsstatut kraft Rechtswahl ein anderes staatliches Recht zur Anwendung zu bringen, das keinesfalls angewendet werden will. Das ist unter keinem der allgemeinen Postulate des internationalen Privatrechts zu billigen. Wird für Schuldverträge das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ausgezeichnete Recht berufen, so ist nicht einzusehen, daß hier das Fehlen der Anwendungswilligkeit unbeachtet bleiben sollte. Wird in dem berufenen Recht ebenfalls auf die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen abgestellt, so ist es möglich, daß die Gewichtigkeit der einzelnen Verknüpfungen anders beurteilt werden würde als im Forumstaat. Meist hat jedoch der Richter im Forumstaat kein ausreichendes Material, aus dem er dies mit Gewißheit schließen könnte. Kennt das Recht, welches der Richter im Forumstaat als berufen betrachtet, weil zu diesem Recht die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, dieses Anknüpfungsmoment in seinem Kollisionsrecht nicht (vgl. Anm. 47 zu S. 536), und ist das berufene Recht auch nicht auf Grund der eigenen Kollisionsnormen anwendbar, so muß der Richter im Forumstaat annehmen, daß das berufene Recht nicht angewendet werden will. Ist in diesem Fall im Forumstaat eine subsidiäre Zuweisung zu suchen, so bietet sich diese in Gestalt der subsidiären Zuweisungsnorm an, welche dann eingesetzt werden muß, wenn die vorhandenen Kombinationen der Verknüpfungen sämtlich gleichgewichtig sind. Die subsidiäre Zuweisung im Forumstaat kann dann möglicherweise etwa zu dem Land des Erfüllungsortes hingehen, während das internationale Privatrecht des Staates, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, auf den Vertragserrichtungsort abstellen will. In diesen Fällen muß unter Umständen ausnahmsweise ein Recht gegen seinen Willen als Geschäftsstatut zur Anwendung gebracht werden. Auch hier geht die deutsche Rechtsprechung andere Wege: Indem in der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen das durch hypothetische Rechtswahl bestimmte Recht gesehen wird, behandelt man auch diese als reine Sachnormverweisung, genauso so wie dies bei einer ausdrücklichen Rechtswahl geschieht. Es erfolgt also keine Rück- und Weiterverweisung, aber auch keine Prüfung der Anwendungswilligkeit des durch hypothetische Rechtswahl ermittelten Rechts. Wird das Geschäftsstatut mangels einer ausdrücklichen oder hypothetischen Rechtswahl durch eine subsidiäre Zuweisungsnorm an Hand einer starren objektiven Verknüpfung ermittelt, so arbeitet die deutsche Rechtsprechung mit Gesamtverweisung; es wird also beispielsweise eine Weiterverweisung des Rechtes des Erfüllungsortes auf das Recht des Vertragsschlußortes mitgemacht. Das praktische Ergebnis ist häufig dasselbe, wie wenn mit einer Staffel bedingter subsidiärer Zuweisungsnormen gearbeitet würde. Vgl. Art. 28 und 27 EGBGB. Desgleichen bestimmt das israelische Erbgesetz von 1965 in Art. 38, daß auf die Erbfolge das Lagerecht anwendbar ist, wenn nach dem Kollisionsrecht des Lagestaates dieses Recht allein Anwendung finden soll. Die übrigen Verweisungen des Gesetzes sollen als Sachnormverweisungen verstanden werden, jedoch soll jede Art der Rückverweisung auf das IsraelRecht zur Anwendung der Sachnormen des Israel-Rechts führen. Vgl. Art. 28 NAG: „Soweit nicht Staatsverträge besondere Bestimmungen enthalten, gelten für die personen-, familien- und erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer, welche im Ausland ihren Wohnsitz haben, folgende Regeln: 1. Sind diese Schweizer nach Maßgabe der ausländischen Gesetzgebung dem ausländischen Recht 823
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unterworfen, so erstreckt sich die Anwendung des ausländischen Rechtes nicht auf ihre in der Schweiz gelegenen Liegenschaften, es gilt vielmehr in bezug auf solche Liegenschaften das Recht und der Gerichtsstand des Heimatkantons. 2. Sind diese Schweizer nach Maßgabe der ausländischen Gesetzgebung dem ausländischen Rechte nicht unterworfen, so unterstehen sie dem Recht und dem Gerichtsstand des Heimatkantons." RGZ 136, 361, legt Art. 27 EGBGB dahin aus, daß diese Bestimmung den deutschen Richter „an das sachliche deutsche Recht gebunden erkläre", wenn das berufene ausländische Recht „die deutschen Gesetze" für „maßgebend erklärt" habe, gleich ob dies nach Wortlaut bzw. Auslegung der ausländischen Zuweisungsnonn als unbedingte Sachnormverweisung oder als Gesamtverweisung gemeint ist. Das Bestreben, möglichst eigenes Recht anzuwenden, zeigt sich auch, wenn der Staat, der mit seinem Recht als Erbstatut für den ganzen Nachlaß berufen ist, bereit ist, das Erbrecht des Lagestaates zur Anwendung zu bringen, insoweit es sich um Nachlaßgegenstände handelt, die der Lagestaat als unbeweglich betrachtet (vgl. Anm. 35), und wenn dieses „Angebot" vom Lagestaat aufgegriffen wird, obwohl er der einheitlichen Behandlung des Nachlasses zuliebe auf das Personalstatut des Erblassers verwiesen hat, und obwohl er weder in seinem internationalen Privatrecht, noch in seinem materiellen Recht dem Begriff „unbewegliches Vermögen" Bedeutung beilegt. Die deutsche Rechtsprechung ist bereit, auch eine solche Rückverweisung anzunehmen, vermeidet es aber, das Begriffspaar „unbeweglich-beweglich" unter Zugrundelegung der einzigen Bestimmung des deutschen Rechts, wo es vorkommt, nämlich § 1551 (2) B G B a. F., auszulegen. RGZ 145, 85, ließ nicht erkennen, ob das Reichsgericht die Qualifikation „beweglich-unbeweglich" in der auf deutsches Recht zurückverweisenden ausländischen Kollisionsnorm auch dann diesem ausländischen Recht entnehmen will, wenn die fremde Kollisionsnorm ausdrücklich bezüglich der Qualifikation auf die lex rei sitae verweist. BGH, IPRsp 1956-57, Nr. 146, erklärt den Anteil eines Gesellschafters an einer deutschen Kommanditgesellschaft, welche Grundstücke in Deutschland hat, für die Zwecke der Annahme einer Rückverweisung durch das kalifornische Erbrecht in vollem Umfang als „bewegliches" Vermögen, ohne dafür jedoch wirklich eine Begründung zu geben. Zur versteckten Rückverweisung in der deutschen Lehre und Praxis vgl. Schwimann, NJW 1976, 1000 ff., mit weiteren Hinweisen. Wenn nach sec. 104 des australischen Family Law Act 1975 eine ausländische Entscheidung in Ehesachen „effected in accordance with the law of an overseas country" anerkannt werden muß, so ist das nicht so zu verstehen, daß das ausländische Gericht das eigene Recht zur Anwendung gebracht haben muß. Daß dieses Erfordernis nicht gestellt wird, dafür spricht insbesondere, daß es nach sec. 104 (8) als Scheidung „gemäß" dem Recht eines der vom Standpunkt des australischen Rechts her als international zuständig anerkannten Staaten gelten soll, wenn in einem solchen Staat das Scheidungsurteil eines dritten Staates, dessen Gerichte vom Standpunkt des australischen Rechts keine Zuständigkeit hätten, anerkennungsfähig ist. Vgl. S. 203 f. Sieht der ausländische Urheber der in Deutschland berufenen lex causae keine Zuständigkeit seiner eigenen Gerichte vor, während er in den Fällen, in denen seine Gerichte zuständig sind, stets die lex fori anwenden läßt, und ist dieser Staat bereit, eine unter Anwendung seines Rechts oder unter Anwendung der fremden lex fori gebildete Entscheidung ausländischer Gerichte anzuerkennen, so kann daraus, daß der betreffende Staat seine Gerichte, wenn sie zuständig sind, anweist, die lex fori anzuwenden, nicht das Vorhandensein einer versteckten bilateralen Zuweisungsnorm entnommen werden, die zwar im Urheberstaat mit ihren Verweisungen auf ausländisches Recht nie zum Zuge käme, auf Grund deren aber in einem anderen Forumstaat die Anwendung der lex fori infolge Rückverweisung beansprucht werden könnte. Vgl. S. 397ff. Läßt der mit seinem Recht berufene fremde Staat von seinen eigenen Gerichten das eigene Scheidungsrecht anwenden, erkennt er aber die von einem nach seiner Ansicht konkurrierend zuständigen ausländischen Gericht gefällte Entscheidung ohne Rücksicht auf das ihr zugrunde gelegte Recht an, so will die deutsche Rechtsprechung unter Berufung auf die Lehre von der versteckten Rückverweisung deutsches Scheidungsrecht zur Anwendung bringen, vgl. KG, IPRsp 1958 — 59, Nr. 140. ObGH Wien (1966), SZ 39, Nr. 171, lehnt eine Anwendung österreichischen Scheidungsrechts auf Grund versteckter Rückverweisung ab.
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Wird eine einseitige Zuweisungsnorm, welche die eine oder andere Inlandsverknüpfung — etwa Staatsangehörigkeit des Mannes oder der Frau, Staatsangehörigkeit des Vaters oder des Kindes — als maßgebend erklärt, zu einer bilateralen. Zuweisungsnorm erweitert, so werden zwei verschiedene ausländische Rechte — oder ein ausländisches Recht und das inländische Recht — als gleichberechtigt nebeneinander berufen. 67 Dieser von Niboyet zeitweise vertretene Gedanke stand hinter der etwas unklaren Bestimmung des Art. 53 eines Vorentwurfs von 1954 zu einer gesetzlichen Regelung des französischen internationalen Privatrechts : «A moins que la loi française ne fût compétente, toute situation juridique créée l'étranger en vertu d'une loi étrangère qui se reconnaissait compétente, produit ses effets en France.» 68 Darüber, daß Sätze aus zwei Rechten trotz primärer Anwendungsunwilligkeit subsidiär anwendungswillig werden können, wenn der Urheberstaat bei inhaldicher Ubereinstimmung der beiden Rechte die bei Nichtanwendung des einen und des anderen Satzes entstehende Lücke für eine bestimmte heterogen verknüpfte Situation ausfüllen will, vgl. S. 418 zu Anm. 4. 69 Diese Bevorzugung des eigenen Rechts ist meist für diejenigen selbstverständlich, die jedes anwendungswillige Recht als im Forumstaat berufen gelten lassen. 70 Vgl. S. 205. 71 Vgl. S. 67. 71a Vgl. S. 69. 72 Vgl. dazu Anm. 160 zu S. 119. 73 Vgl. Marsch, Derfavor negotii im deutschen internationalen Privatrecht, 1976. 74 Eine alternative Anwendung aller selbst anwendungswilligen Rechte auf die Frage nach der Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts wird wohl nirgendwo propagiert. Eher ließe sich noch die Auffassung vertreten, es sei jede gültigkeitshemmende Bestimmung zu beachten; die in irgendeinem anwendungswilligen Recht zu finden ist. In der Tat ist es im Forumstaat nicht ohne weiteres zu ignorieren, wenn ein Staat, der selbst nicht das Geschäftsstatut stellt, eine einzelne gültigkeitshemmende Bestimmung seines Rechts durch seine Gerichte anwenden lassen will. Die Anwendung dieser Bestimmung in anderen Staaten wird jedoch dann davon abhängig gemacht, daß die Anwendung der fremden Vorschrift indirekt ein öffentliches Interesse des Forumstaates fördert, oder daß Gegenseitigkeit gewährleistet ist, vgl. S. 530 ff. 75 Im intergentilen Recht findet sich vereinzelt auch dies: Der Administration of Estâtes (Amendment) Act 1975 für Sierra Leone bestimmt, daß bei der Beerbung eines „native" mangels eines Erben nach Stammesrecht im Einzelfall durch den Minister angeordnet werden kann, daß der Nachlaß solchen Personen auszuhändigen ist, die nach dem für non-natives geltenden Erbrecht erbberechtigt sind. 76 Vgl. S. 675 f. 77 Zu denken ist beispielsweise daran, wie das Sorgerecht der Eltern bei Auflösung der Ehe in den verschiedenen positiven Rechten geregelt ist. In vielen Rechten wird dabei auf Alter bzw. Geschlecht des Kindes einerseits und das Geschlecht des sorgeberechtigten Elternteils andererseits abgestellt, aber es geschieht dies keineswegs in der gleichen Weise; dennoch werden alle diese Regelungen mit dem Wohl des Kindes gerechtfertigt. 78 Das wäre z. B. der Fall bei einer Rechtsanwendungsanweisung, wonach auf den Unterhaltsanspruch eines Kindes einschließlich des Beweises der Vaterschaft einfach dasjenige Recht anzuwenden ist, das aus irgendeinem völkerrechtlich zulässigen Grunde selbst angewendet werden will, und wenn es sich um mehrere Rechte handelt, das dem Kind günstigere Recht. Die Bestimmung des Art. 310 des französischen Code civil in der Fassung von 1975, wonach, wenn nicht gemeinsame französische Staatsangehörigkeit oder gemeinsames französisches Domizil vorliegen, ein aus irgendeinem Grunde international zuständiges französisches Gericht auf eine Ehescheidungsklage dasjenige Recht anzuwenden hat, welches selbst angewendet werden will (und erst mangels eines solchen Rechts wieder das französische Recht), ist vierfach fehlerhaft, indem sie 1. keine Antwort auf die Frage gibt, was zu geschehen hat, wenn mehrere fremde Rechte anwendungswillig sind, 2. für Ehen mit einer Verknüpfung zu Frankreich auf alle Fälle das französische Recht gegenüber einem anwendungswilligen ausländischen Recht zurücktreten läßt, 3. die Frage offenläßt, welche Anforderungen an das angewendete Kollisionsrecht gestellt werden, wenn die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile in Frankreich begehrt wird, und 825
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4. keinerlei Beschränkung der anwendungswilligen Rechte vorsieht, so daß auch bei Wahl des Gerichtsstandes und des Rechts durch die Parteien anwendungswilliges ausländisches Scheidungsstatut berufen scheint, sofern hier nicht mit dem ordre public gearbeitet wird. Ein norwegischer Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der Kinder (NOU 1977:35) enthält Bestimmungen darüber, wann unter Anwendung des norwegischen Rechts in heterogen verknüpften Fällen die Vaterschaft durch Anerkennung oder gerichdiche Entscheidung als festgestellt gelten soll; während der Gesetzentwurf keine Vermutung über die Vaterschaft des von der verheirateten Frau geborenen Kindes kennt, soll jede in einem selbst anwendungswilligen ausländischen Gesetz enthaltene Vermutung auch in Norwegen gelten, bis sie (wie eine Vaterschaftsanerkennung unter norwegischem Recht) gemäß norwegischem Recht auf Antrag einer nach norwegischem Recht befugten Person widerlegt ist. Vgl. aber S. 5. Eine Verpflichtung von Seitenverwandten zur Gewährung von Notunterhalt erfordert, daß die hypothetische Gegenverpflichtung dessen, der Unterhalt begehrt, nicht nur in dem Staat bejaht wird, wo er klagt, sondern daß sie auch in seinem Wohnsitzstaat als bestehend anerkannt würde, vgl. S. 457, Anm. 4. Vgl. S. 54. Es gibt Rechtsordnungen, wo jedenfalls für Prozesse zwischen Angehörigen einer bestimmten Menschengruppe der Richter ein Ermessen hat, welches von zwei Privatrechtssystemen er zugrunde legen will. In Südafrika gilt das - zwischen weißen Südafrikanern stets anwendbare - römisch-holländische Recht als das „gemeine" örtliche Recht des Landes. Bei Streitigkeiten zwischen Bantus unter sich haben die zuständigen Gerichte ein Ermessen, ob sie nach Stammesrecht oder nach dem gemeinen Recht entscheiden wollen. Dabei ist Stammesrecht keinesfalls anwendbar, wenn es ausdrücklich oder stillschweigend durch gesetzliche Vorschriften außer Kraft gesetzt worden ist, oder wenn es gegen „public policy" oder „natural justice" verstößt. Das Ermessen bei der Wahl des Rechts durch den Richter ist durch Richtlinien beschränkt, deren Entwicklung der Rechtsprechung überlassen wurde. Bezieht sich der Streit auf Institutionen, insbesondere Vertragsarten, die nur im Stammesrecht bzw. nur im „gemeinen" Recht bekannt sind, so ist das betreffende Recht anwendbar. Für die Anwendbarkeit des „gemeinen" Rechts spricht sodann, daß beide Parteien, oder eine von ihnen, europäische Lebensweise übernommen haben. Wenn es im übrigen nicht darauf ankommen soll, ob für den erhobenen Anspruch ein „remedy" in dem einen oder in dem anderen Recht gegeben ist, so bedeutet das, daß nicht etwa einfach dasjenige Recht vorzuziehen ist, welches die Freiheit des Beklagten von Verhaltens- oder Leistungspflichten am meisten einschränkt. Das rhodesische Recht kennt ein richterliches Ermessen zur Wahl von Europäer-Recht bzw. afrikanischem Stammesrecht auch in den Beziehungen zwischen Europäern und Afrikanern, vgl. Anm. 76 zu S. 295. Uber die praktische Handhabung von sec. 11 (1) des südafrikanischen Bantu Administration Act no. 38/1927 vgl. Kerr, Acta Jurídica (S. A) 1977, S. 95 ff., und Bennet, S. Afr. L.J. 96 (1979) 399 ff. Aus der südafrikanischen Bestimmung ist in sec. 3 des Botswana Customary Law Act 1969 die allgemeine Generalklausel geworden, wonach die Gerichte ein Ermessen haben, Gewohnheitsrecht oder das aus dem europäischen Recht entstandene common law anzuwenden, und zwar so, daß, wenn auf Grund irgendeiner gesetzlichen oder gewohnheitsrechtlichen Zuweisung „customary law is properly applied", dieses maßgebend ist, und wo dann, "where it is not properly applied, such courts shall apply the common law". Als Richtlinie für die Ausübung des Ermessens, dieses oder jenes Recht anzuwenden, kann es darauf ankommen, welches Recht sich für eine bestimmte Person günstiger auswirkt, so insbesondere auf das Wohl des Kindes. Vgl. S. 237. Rechtswahl im Prozeß seitens der streitenden Parteien und notfalls des Richters sieht das intergentile Recht für das Kondominium der Neuen Hebriden vor in solchen Angelegenheiten, in denen die Personalstatuten der Beteiligten entweder als gleichwertig gelten oder ignoriert werden müssen. Durch gemeinschaftliche Akte der Behörden der beiden Kondominialherren können juristische Personen begründet werden, die in der nationalen Rechtsordnung eines jeden dieser beiden Staaten als rechtsfähig zu behandeln sind, ohne daß sie jedoch als mehrfach inkorporierte juristische Personen der nationalen Rechte anzusehen wären. Rechtsstreitigkeiten, an denen solche juristischen Personen beteiligt sind, kommen vor das gemeinschaftliche gemischte Gericht. Uber das anwendbare Recht in solchen Fällen enthält ein Notenwechsel vom 6. 9. 1977 die folgenden kuriosen
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Rechtsanwendungsanweisungen : «Dans tout litige auquel un organisme doté de la personnalité morale, créé par une Décision Conjointe prise en vertu du paragraphe 2 de l'article 4 de la présente Convention, sera partie, la loi applicable . . . sera: a) dans les actions auxquelles un non indigène est partie, la loi de la puissance signataire dont relève le non indigène; b) dans les actions auxquelles un indigène est partie, la loi de l'une ou de l'autre des puissances signataires au choix de l'indigène; c) dans les actions auxquelles un sujet ou un citoyen britannique et un indigène sont parties, la loi anglaise; d) dans les actions auxquelles un citoyen français et un indigène sont parties, la loi française; e) dans les actions auxquelles sont parties des non indigènes sujets ou citoyens des deux puissances signataires, ou de tels sujets ou citoyens et des indigènes, la loi de l'une ou de l'autre de ces puissances choisie d'un commun accord par toutes les parties, et, à défaut, de celle que déterminera le Président du Tribunal mixte. Toutefois, si le litige porte sur un contrat ou tout autre acte ou fait intervenu sous le régime de la loi de l'une ou de l'autre des deux puissances signataires, la loi à appliquer sera celle sous laquelle aura été conclu le contrat ou sera intervenu l'acte ou le fait.» Bemerkenswert ist, daß die Anwendung von allgemeinen Rechtsprinzipien als subsidiäre Rechtsquelle nur vorgesehen ist, wenn über Streitigkeiten von Eingeborenen unter sich zu entscheiden ist, und die Stammesrechte divergieren. Ubereinstimmende Berufung der Parteien auf dasselbe Recht im Prozeß soll auch nach den Vorstellungen der Reformkommission für das intergentile Recht in Papua-Neuguinea für den Richter maßgebend sein. Vgl. S. 381. 8 6 Vgl.S.520f. So findet sich in Seetransportverträgen manchmal die Klausel, daß der Frachtführer sich vor jedem zuständigen Gericht auf die von ihm gewählten Rechtssätze berufen kann, um seine Haftung zu bestreiten; dabei wird nur vorausgesetzt, daß das internationale Privatrecht des betreffenden Forums ihm die Berufung auf das betreffende Recht nicht verbietet. Auf eine einseitige Rechtswahl einer bestimmten Partei im Rechtsstreit läuft es hinaus, wenn bei alternativer Anwendbarkeit mehrerer Rechte es darauf ankommen soll, welches Recht dem Arbeitnehmer (Mieter, Käufer usw.) günstiger ist. Die bevorzugte Partei kann dann Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Vertragsklausel behaupten, die an sich für beide Vertragsparteien gelten soll: Ist eine Schiedsklausel in Arbeitssachen, oder eine kurze Kündigungsfrist für beide Teile an einem Mietvertrag in dem einen Recht gültig, in dem anderen ungültig, so kann der Arbeitnehmer, je nachdem, ob er sich von dem Schiedsgericht einen günstigeren Ausgang verspricht als vom staatlichen Gericht oder nicht, die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Schiedsklausel behaupten; auch der Mieter kann, wenn er selber kündigt, an der Gültigkeit der kürzeren Kündigungsfrist interessiert sein. Vgl. Art. 7,11,17,21 EGBGB. Die Erweiterung zur bilateralen Zuweisungsnorm ist bestritten bei Art. 22 (2) EGBGB. Erweiterung wird verneint für Art. 7 (3) und 13 (3). Eigenartig sind die Zuweisungen des EGBGB an ausländisches Recht, die ausdrücklich „trotz" des Bestehens einer bestimmten im Gesetz ausdrücklich genannten Inlandsverknüpfung erfolgen, vgl. Art. 13 (1), 15 (2), 25 (1); auch die letzteren Sätze werden von der Rechtsprechung, meist unter Kombination mit der daneben vom EGBGB ausgesprochenen einseitigen Zuweisung an deutsches Recht, zu vollen bilateralen Zuweisungsnormen erweitert. Vgl. B G H , IPRsp 1 9 5 8 - 5 9 , N r . 39, und schon früher RGZ 62, 404, und 78, 55. Vgl. S. 594. Vgl. S. 525 ff. Vgl. B G H , IPRsp 1 9 5 8 - 5 9 , N r . 39. Vgl. oben Anm. 60 zu S. 214, Anm. 65 zu S. 215. Vgl. Anm. 59 zu S. 214. Vgl. oben S. 207 f. Vgl. S. 454. 827
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Vgl. Art. 17(4), 12, 21,18 (2), 22 (2) EGBGB. Vgl. S. 615.'
§ 10. Das Anknüpfungsmoment 1
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Es entspricht dem oben S. 132 Ausgeführten, daß die von einer Partei nur behauptete Rechtspflicht der anderen, wenn die Behauptung in keinem der beteiligten Rechte von einem passenden Rechtssatz gedeckt wird, nirgendwo ihren „Sitz" hat. Erst recht kann für eine isoliert gesehene Rechtsfrage, die, wie der Frage nach Abstammung, Form usw., nur als Teilfrage oder Unterteilfrage eine praktische Bedeutung erhalten kann, nicht sinnvoll nach ihrem „Sitz" gefragt werden. Begründet ein staatliches Recht durch einen anwendungswilligen Satz des eigenen Rechts eine Rechtspflicht, so erhält diese damit sicher einen „Sitz" in diesem Staat, aber eben nur deshalb, weil das vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfungsmoment in der Zuweisungsnorm zu diesem Staat hingeht. Erklärt dann auch ein anderer Forumstaat die im Urheberstaat anwendungswillige Sachnorm als durch seine Gerichte anwendbar, so erhält das Rechtsverhältnis neben dem „Sitz" im Urheberstaat der begründenden Norm eine weitere „Belegenheit" in dem anderen zum Schutz des Rechtsverhältnisses bereiten Staat, vgl. S. 42. Erklärt ein Forumstaat durch eine an seine Gerichte gerichtete Rechtsanwendungsanweisung einen pflichtbegründenden Satz eines ausländischen Rechts gegen den Willen des Urheberstaates als anwendbar, so kann höchstens gesagt werden, die Rechtsordnung des Forumstaates nehme zu dem heterogen verknüpften Sachverhalt so Stellung, als ob das Rechtsverhältnis in dem mit seinem Recht gar nicht anwendungswilligen anderen Staat seinen Sitz habe. Die Vorstellung vom Sitz des heterogen verknüpften Rechtsverhältnisses in dem Urheberstaat der anzuwendenden Rechtsnorm verliert jeden Sinn, wenn der Forumstaat seine Stellungnahme zu dem heterogen verknüpften Sachverhalt gar nicht durch Zuweisung an ein nationales Recht bildet, sondern seine Gerichte anweist, nach Billigkeit oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu entscheiden; vgl. S. 5. Es läßt sich eine Regelung vertreten, wonach der Nachlaß nach dem gemeinsamen Heimatrecht derjenigen Personen zu verteilen ist, die nach dem Heimatrecht des Erblassers als Erben „in Frage kommen", wenn sie zufällig eine gemeinsame andere Staatsangehörigkeit als der Erblasser haben, und der Nachlaß sich in diesem Staat der gemeinsamen Staatsangehörigkeit befindet, vgl. Anm. 19 zu S. 666. Daß es beim gegenseitigen Vertrag auf die Verknüpfung der für die einzelne Vertragsart charakteristischen Leistung oder ihres Schuldners, und nicht auf die Verknüpfimg der Verpflichtung zur Entrichtung einer in Geld bestehenden Gegenleistung ankomme (vgl. S. 537), läßt sich nicht aus der Sachgerechtigkeit herleiten. Selbst bei öffentlich-rechtlichen Vorschriften gibt es keine „innere Rechtfertigung" für die Verwendung einer einzigen bestimmten Verknüpfung (also z. B. Staatsangehörigkeit und nicht Wohnsitz) als Anknüpfungsmoment. Es ist auch hier nicht verfassungsrechtlich unzulässig, daß bei ähnlichen Regelungen das eine Mal dieses, das andere Mal das andere Anknüpfungsmoment verwendet wird, wenn sich ein „einleuchtender Grund" finden läßt, daß die unterschiedliche Regelung nicht willkürlich sei; vgl. BVerfGE, 42, 281, 290 (Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bei Versorgungsleistungen an die Angehörigen der Legion Condor, Anknüpfung an den Wohnsitz bei deutschen Freiwilligen auf der republikanischen Seite im Spanischen Bürgerkrieg). 6 Vgl. oben S. 136. Vgl. S. 89f. Das Kollisionsrecht der Neuen Hebriden, welches eine Mischung von internationalem und intergentilem Kollisionsrecht darstellen will, läßt die grundsätzliche Verschiedenheit noch erkennen: In Streitigkeiten zwischen französischen und britischen Staatsangehörigen (eventuell den ihnen gleichgestellten Angehörigen dritter Staaten, vgl. Anm. 79) haben die im Gebiet der Neuen Hebriden eingerichteten nationalen französischen bzw. britischen Gerichte im Zweifel das Heimatrecht des Beklagten zugrunde zu legen (und sind auf Grund dieser Staatsangehörigkeit zuständig). Entscheidet das gemeinsame Gericht, so gilt in bezug auf das anwendbare Recht Entsprechendes. Eine Ausnahme ist vorgesehen für die durch gemeinschaftliches Recht geregelte Vorfrage, ob ein Grundstück seitens eines Europäers von einem Eingeborenen (oder einem Eingeborenenstamm)
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§10
rechtmäßig erworben worden ist. Eine andere Ausnahme geht dahin, daß ". . . the law applied . . . shall be . . . if the action is based on a contract or any other act or thing entirely within the purview of the law of one or other of the two Signatory powers: the law under which the contract was concluded or the act or thing took place;", vgl. Art. XIII und XXIII des Protokolls vom 9. 8. 1914. 8 Das österreichische IPR-Gesetz 1978 erklärt sämdiche Zuweisungsnormen des Gesetzes als „Ausdruck des Grundsatzes, daß Sachverhalte mit Auslandsberührung" (gemeint sind Sachverhalte mit Verknüpfungen zu mehreren Staaten) „nach der Rechtsordnung" (gemeint ist das eigene Recht eines Staates) „zu beurteilen sind, zu der die stärkste Beziehung besteht" (§ 1). Das Gesetz ist in der Tat bestrebt, weitgehend paritätische bilaterale Zuweisungsnormen zu bilden. Die in dem Gesetz enthaltenen einseitigen Zuweisungen sind jedoch mit § 1 nicht zu rechtfertigen. Desgleichen steht es im Widerspruch zu § 1, wenn nur bei solchen Mehrstaatern, die nicht Österreicher sind, derjenige Heimatstaat das Personalstatut stellen soll, zu dem die „stärkste Beziehung" besteht. 9 Vgl. S. 215 f. 10 Vgl. S. 66. 11 Vgl. S. 420. 12 Vgl. S. 89 f. 13 Vgl. S. 521 f. 14 Vgl. aber unten S. 257 f. 15 Vgl.obenS. 119,Anm. 160. 16 Vgl. S. 237. 17 Vgl. S. 265. 18 Abknüpfungsmoment kann vor allem der Wunsch der Parteien an einem Rechtsgeschäft sein, daß das Recht eines bestimmten Staates keinesfalls Geschäftsstatut werden solle, womit nicht unbedingt eine ausdrückliche Wahl eines anderen Rechts zum Geschäftsstatut verbunden sein muß. Beispiel für eine „negative Rechtswahl" in der Entscheidung des RG, IPRsp 1928, Nr. 29. Abknüpfungsmoment in einem weiteren Sinn ist auch eine Auslandsverknüpfung, auf Grund deren eine sonst maßgebliche Inlandsverknüpfung nicht als Anknüpfungsmoment wirksam sein soll, so z. B. wenn die durch den Inlandswohnsitz begründete internationale Zuständigkeit zur Ehescheidung von Ausländern entfällt, wenn der Heimatstaat ausschließliche Zuständigkeit für seine Gerichte beansprucht. 19 Die Umschreibung des Anwendungsbereichs der eigenen Sachnormen durch das Gesetz selbst wird in den Ländern des englischen Rechts vielfach mit Rücksicht auf allgemeine Auslegungsvorschriften und Verfassungsbestimmungen kompliziert. Es kommt dabei nicht selten zu gesetzlichen Bestimmungen, wonach bestimmte Auslandsverknüpfungen eine Einengung des Anwendungsbereichs des Gesetzes nicht zur Folge haben soll: Der australische Foreign Takeovers Act 1975 hat zum Ziel, den Erwerb der Kontrolle über australische Wirtschaftsunternehmen durch Auswärtige — jedenfalls von einer gewissen Größenordnung ab — genehmigungspflichtig zu machen. Indem sec. 17 des Gesetzes bestimmt, daß die „Obligation to comply with the Act extends to all natural persons, whether residents in Australia or not, and whether Australian Citizens or not", so soll damit nur zum Ausdruck gebracht werden, daß Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz eines Betroffenen außerhalb Australiens keine Einengung des Anwendungsbereichs des Gesetzes nach sich zieht. Indem sec. 16 (mit der Uberschrift „extra-territorial Operation") bestimmt, daß das Gesetz „applies both within and outside Australia", so soll damit wiederum nur gesagt werden, daß die Vornahme einer Handlung oder eines Rechtsgeschäfts außerhalb Australiens, wenn damit die vom Gesetz erfaßten Wirkungen auf ein australisches Wirtschaftsunternehmen hervorgerufen werden, kein Grund ist, um das Gesetz nicht anzuwenden. Die eigentliche Fixierung des Anwendungsbereichs kommt darin zum Ausdruck, daß das Gesetz von „prescribed corporations" spricht, welche „carry on an Australian business", und daß definiert wird, was als „foreign persons" zu gelten hat. 2 ° Vgl. S. 255 f. Die deutschen Nachlaßgerichte pflegen den beantragten allgemeinen Erbschein eines mit behauptetem Inlandswohnsitz verstorbenen Erblassers auszustellen, ohne daß sie die Staatsangehörigkeit des Erblassers prüfen, oder sich für die behauptete deutsche Staatsangehörigkeit Beweise vorlegen lassen. 22 Eine insbesondere in Deutschland verbreitete Meinung will allerdings, daß die Behauptungen des 829
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Anmerkungen zu S. 232-233
Klägers in vollem Umfang nicht nur für die örtliche, sondern auch für die internationale Zuständigkeit als richtig unterstellt werden. Das mag angehen, wenn das Gericht zunächst nur die Zustellung der Klage an den Beklagten in Person anordnet. Es ist aber nicht mehr angebracht, wenn die Zustellung mißlingt und öffentliche Zustellung beantragt wird. Es ist auch dann nicht mehr angebracht, wenn der Beklagte, dem zugestellt wurde, die Behauptungen des Klägers über die Zuständigkeit in irgendeiner Weise bestreitet und dies dem Gericht zur Kenntnis bringt. Noch weniger kann es allein auf die Behauptungen des Klägers über den inländischen Wirkungsort einer angeblich unerlaubten Handlung eines im Ausland wohnhaften und angeblich im Ausland handelnden Beklagten ankommen; hier muß wenigstens das Vorliegen einer Handlung im Ausland erwiesen und der Eintritt einer Wirkung im Inland plausibel gemacht werden, während es natürlich nicht Zuständigkeitserfordernis ist, daß die Handlung eine schuldhaft rechtswidrige war. Ähnliche Fragen entstehen, wenn der Kläger die Zuständigkeit des Gerichts damit begründet, daß ein Ort im Gerichtssprengel behauptetermaßen der Erfüllungsort für den Beklagten aus einem Vertrag sei, und wenn von Seiten des Beklagten schon das Zustandekommen des Vertrages bestritten wird. Vgl. dazu ferner S. 328 f. 2 3 Vgl. S. 380 ff. 2 4 Vgl. S. 489. 2 5 Wann das Bestehen einer als Anknüpfungsmoment dienenden Verknüpfung durch die vorgelegten Beweismittel als zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist, bestimmt unvermeidlicherweise das Verfahrensrecht des Forumstaates. Davon zu unterscheiden ist, ob unter Umständen nicht schon die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der Verknüpfung als Anknüpfungsmoment genügen muß. Steht die Zuständigkeit des Gerichts für ein Scheidungsverfahren wegen inländischen Wohnsitzes einer Partei fest, ist hingegen die Staatsangehörigkeit für das anwendbare Recht entscheidend, und kann sie nicht voll geklärt werden, so könnte daran gedacht werden, daß auch die nur wahrscheinlich gemachte Staatsangehörigkeit zugrundegelegt wird, und daß nicht mangels Beweises des Bestehens einer Staatsangehörigkeit Staatenlosigkeit angenommen wird. Sind zwei Staatsangehörigkeiten wahrscheinlich, und ist der Besitz einer von ihnen jedenfalls wahrscheinlicher als die Staatenlosigkeit, so könnte daran gedacht werden, dem Betreffenden das Recht zu geben, zwischen den wahrscheinlichen Heimatrechten zu wählen. Ist nur der Verlust einer Staatsangehörigkeit fraglich, so könnte ein Recht anzunehmen sein, zwischen der möglicherweise verlorenen Staatsangehörigkeit und dem gewöhnlichen Aufenthalt zu wählen. Dasselbe könnte vielleicht sogar geschehen, wenn es bei Entziehung der Staatsangehörigkeit durch Staatsakt zweifelhaft ist, ob sie in dem Recht des fremden Staates auf Dauer Bestand haben wird. 2 5 a § 5 a des 3. Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes vom 2.10. 1964 bestimmt, daß Entziehungen durch das Deutsche Reich auf dem Gebiet des heutigen Ostberlin als in einem der Geltungsgebiete der westdeutschen Rückerstattungsgesetze erfolgt gelten sollen. Weitere Voraussetzung für Rückerstattungsansprüche ist hier allerdings Wohnsitz oder dauernder Aufenthalt des Antragstellers im Geltungsgebiet eines Rückerstattungsgesetzes oder bestimmter fremder Staaten. 2 6 In den Vereinigten Staaten hat der Supreme Court in erster Linie für die Bestimmung der Zuständigkeit der gliedstaatlichen Gerichte ein Minimum an Gewichtigkeit der Verknüpfungen mit dem Gerichtsstaat gefordert, wenn die sonstigen Verknüpfungen zu anderen amerikanischen Gliedstaaten hingehen. Das Erfordernis von „minimum contacts" gilt aber auch für die internationale Zuständigkeit amerikanischer Gerichte, vgl. International Shoe Co. v. Washington, (1945) 326 U S 310. 2 7 Wird als Beweismittel für den in einem Vertrag vorgesehenen Erfüllungsort oder für eine Gerichtsstandsvereinbarung eine Urkunde vorgelegt, so bestimmt das Recht des Forumstaates, ob die Echtheit der Urkunde und die Identität des Unterzeichners mit dem Beklagten vermutet werden soll, ob bei Zweifeln eine Nachprüfung von Amts wegen stattzufinden hat usw. Hat nach Art. 20 des EWG-Vertrages vom 27. 9. 1968 über Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen das Gericht seine internationale Zuständigkeit gegenüber einem in einem anderen Vertragsstaat wohnhaften Beklagten von Amts wegen zu prüfen, auch wenn der Beklagte sich überhaupt nicht äußert und an dem Verfahren nicht teilnimmt, so erfordert diese Prüfungspflicht nicht, daß das Gericht auch die Echtheit der vom Kläger vorgelegten Urkunde von Amts wegen prüft. Bedenklich ist es, die Beachtlichkeit einer Bestreitung der Echtheit einer Urkunde, aus der sich die internatio830
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nale Zuständigkeit des Gerichts ergeben soll, oder die Identität des Urkundenausstellers mit dem Beklagten, wenn dieser nicht im Gerichtsstaat wohnt, davon abhängig zu machen, daß er persönlich vor Gericht erscheint, oder sich durch einen zugelassenen Anwalt vertreten läßt. Erwünscht sind Bestimmungen des Inhaltes, daß die nicht am Wohnsitz verklagte Person ihre Einwendungen gegen die internationale Zuständigkeit des Gerichts, bei dem die Klage eingereicht ist, vor dem Gericht am Wohnsitz zu Protokoll geben, oder diesem Gericht zur Weitergabe einreichen kann, und daß der Klagzustellung eine entsprechende Belehrung beigefügt wird. O L G Köln, IPRsp 1956 — 57, Nr. 180, hält es für möglich, einen Wohnsitz als zuständigkeitsbegründendes Anknüpfungsmoment zu ignorieren, wenn er ausschließlich auf Grund der Absicht begründet wurde, eine Zuständigkeit in Deutschland zu schaffen, und wenn die Absicht bestand, ihn nach Durchführung des Prozesses wieder aufzuheben. Art. 21 des portugiesischen Zivilgesetzbuches bestimmt: «Fraude ä lei. Na aplicado das normas de conflitos sao irrelevantes as s i t u a r e s de facto ou de direito criadas com o intuito fraudulento de evitar a aplicabilidade da lei que, noutras circunstancias, seria competente.» Art. 12, Ziff. 4 des spanischen Kodifikationsgesetzes von 1974 bestimmt: «Se considerará como fraude de ley la utilización de una norma de conflicto con el fin de eludir una ley imperativa española.» In demselben Sinn wird fraude ä la loi im französischen internationalen Privatrecht verstanden, vgl. Rép. D. Int. Dalloz, unter dem Stichwort Fraude ä la loi, no. 6. Die Annahme, daß die Errichtung eines Rechtsgeschäfts im Ausland und die Verwendung der dortigen Geschäftserrichtungsformen „fraudulös" sei, geht allerdings meist darauf zurück, daß das internationale Privatrecht des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, die Benutzung der Formen einer ausländischen lex loci actus generell ermöglicht, ohne dies auf solche im Recht der lex loci actus vorhandenen Formen zu beschränken, welche den vom Geschäftsstatut erforderten Formen gleichwertig sind, vgl. S. 151 f. Ist die Wahl des Geschäftsstatuts durch die Parteien auf bestimmte, durch objektive Verknüpfungen ausgewiesene Rechte beschränkt, so braucht die Unwirksamkeit der Wahl eines anderen Rechts nicht mit fraudulöser Absicht begründet zu werden. Wohl aber finden sich gesetzliche Bestimmungen, welche die Abwahl des eigenen Rechts, wenn dieses das gesetzliche Geschäftsstatut stellt, als fraudulös erklären, wenn sie ganz oder hauptsächlich dadurch motiviert war, bestimmten zwingenden Bestimmungen im gesetzlichen Geschäftsstatut aus dem Wege zu gehen; vgl. sec. 27 (2) (a) des britischen Unfair Contract Terms Act 1977: "This Act has effect notwithstanding any contract term which applies or purports to apply the law of some country outside the United Kingdom, where (either or both) the term appéars to the court, or arbitrator or arbiter to have been imposed wholly or mainly for the purpose of enabling the party imposing it to evade the operation of this Act". Vereinbarung der Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts, und vor allem Vereinbarung der Zuständigkeit eines ausländischen Schiedsgerichts, ist auch für homogen verknüpfte Verträge meist nicht ausgeschlossen. Die vielfach abgeschwächte Kontrolle der staatlichen Gerichte bei der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in bezug auf die Frage, ob das Schiedsgericht auch zwingendes Recht angewendet hat, welches ein staatliches Gericht von Amts wegen hätte anwenden müssen, gilt auch hier. Wenn nun materiellrechtliche Verweisungen bezüglich des nicht zwingenden Rechts auch im homogen verknüpften Vertrag auf ausländisches Recht gehen können, so ist nicht zu erwarten, daß ein ausländisches Schiedsgericht von sich aus zwingende Bestimmungen des allein maßgeblichen Schiedsstatuts anwendet, wenn sich keine der Parteien darauf beruft. Daher scheint es unverzichtbar, daß bei Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts für Streitigkeiten aus homogen verknüpften Verträgen, wenn Vollstreckung des Schiedsspruches durch staatliche Behörden beantragt wird, die fraudulöse Begründung der Auslandsverknüpfung — nämlich der Wahl eines ausländischen Schiedsgerichts — vom staatlichen Gericht festgestellt werden kann. Zu diesem Zweck ist es wiederum notwendig, daß das zur Anordnung der Vollstreckung eines Schiedsspruches zwischen inländischen Parteien aufgeforderte Gericht sich nicht mit der Prüfung der Schiedsklausel und der im Schiedsspruch gegebenen Begründung begnügt, sondern daß es den Vertrag, aus dem geklagt wurde, und die Klagbehauptungen überprüft. Der fraudulöse Charakter der Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts ist anzunehmen, wenn den Schiedsrichtern 831
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Anmerkungen zu S. 235-237 die Anwendung ausländischen Rechts auf den homogen verknüpften Vertrag aufgegeben wurde, und der Charakter dieser Anweisung als einer materiellrechtlichen Verweisung nicht ausdrücklich dadurch zum Ausdruck gebracht wurde, daß die Anwendbarkeit des zwingenden Rechts des gesetzlichen Geschäftsstatuts ebenfalls vorgesehen wurde. Vgl. S. 271. Vgl. S. 264 f. Auch bei rechtswidriger Entführung eines Kindes kann gewöhnlicher Aufenthalt in dem Land anzunehmen sein, in welches es verbracht worden ist, vgl. O L G Zweibrücken, IPRsp 1973, Nr. 174. Doch bleibt das bereits vorher befaßte Gericht am früheren gewöhnlichen Aufenthalt zuständig: KG, IPRsp 1973, Nr. 177. Eine unwiderlegliche Vermutung dafür, daß eine während des Scheidungsprozesses erfolgte Veränderung einer für die Bestimmung des anwendbaren Rechts maßgeblichen Verknüpfung durch eine Partei sich als unzulässige Einwirkung auf das anwendbare Recht darstellt, wollte RGZ 151, 103, in der Vorschrift des Art. 17, Abs. 1 EGBGB sehen, wonach es auf das Heimatrecht des Mannes zur Zeit der Erhebung der Scheidungsklage, und nicht zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung, ankomme. Verknüpfungen derselben Art kann überdies je nach den Umständen geringere oder größere Gewichtigkeit zukommen: Die bestehende Staatsangehörigkeit desjenigen, der die Verleihung einer fremden Staatsangehörigkeit beantragt hat und mit ihrer Erteilung, und damit dem Verlust der bestehenden Staatsangehörigkeit, rechnen kann, hat ein geringeres Gewicht als die Staatsangehörigkeit in anderen Fällen; der Ort, wo eine Einigung zwischen den Vertragschließenden auf einer durch mehrere Länder führenden Reise zustandegekommen ist, ist weniger gewichtig als ein fester Verhandlungsort. Vgl. S. 437. Vgl. unten S. 536. Daraus erklärt sich, daß vielfach das durch das Anknüpfungsmoment der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen bestimmte Recht als dasjenige ausgegeben wird, welches die Parteien bei „hypothetischer Rechts wahl" gewählt hätten. So gilt etwa das Recht des Erfüllungsortes als Schuldstatut der einzelnen Leistung, oder es gilt das Recht des Wohnortes des Schuldners der charakteristischen Leistung als Geschäftsstatut für den ganzen Vertrag, sofern nicht die Konzentration zahlreicher Verknüpfungen bei einem anderen Staat die Annahme einer hypothetischen Wahl dieses Rechts durch die Vertragsparteien rechtfertigt, vgl. S. 595. Eine Variation dieses Gedankens enthielt der Benelux-Entwurf für ein internationales Privatrecht: Article 17. «Lorsqu'un contrat se rattache si étroitement à un pays déterminé qu'il doit être considéré comme appartenant principalement à la sphère juridique de ce pays, il est régi par la loi de ce pays, à moins que les parties n'aient soumis le contrat, en tout ou en partie, à une autre loi . . .» «Pour apprécier si un contrat appartient principalement à la sphère juridique d'un pays, on peut avoir égard au lieu où le contrat a été conclu, au lieu de son exécution, au domicile et à la nationalité des parties et à toutes autres circonstances pertinentes. Lorsqu'un contrat n'appartient pas principalement à la sphère juridique d'un pays déterminé et que les parties n'ont pas désigné la loi applicable, le contract est régi par la loi du pays où il a été conclu . . . » Vermutungen über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen, die sich zunächst nur auf die Anwendung inländischen Rechts beziehen sollen, können ohne Bedenken zu zweiseitigen Kollisionsnormen erweitert werden. Wenn deutsches Recht auf die Schadensersatzansprüche zwischen ausländischen Gastarbeitern aus einem Unfall in Deutschland angewendet wird, so ist dies nicht deshalb berechtigt, weil die Verordnung vom 7. 12. 1942 nicht auf Parteien gleicher ausländischer Staatsangehörigkeit analog angewendet werden dürfte, sondern weil die Bezugnahme auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit nur eine Vermutung für die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen darstellt, und diese Vermutung als widerlegt zu gelten hat, wenn die Parteien im Land des Delikts- oder Unfallortes ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben; vgl. BGH, IPRsp 1971, Nr. 18. Eine allgemeine Aufweichklausel für die als starr unterstellten Zuweisungsnormen des Gesetzes sieht Art. 14 des schweizerischen Entwurfs für ein IPR-Gesetz vor:
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„Das in diesem Gesetz bezeichnete Recht ist ausnahmsweise nicht anwendbar, wenn der Sachverhalt nach den gesamten Umständen mit dem bezeichneten Recht in nur geringem, mit einem anderen Recht jedoch in offensichtlich engerem Zusammenhang steht." Gegen die Tendenz, einzelne starre Zuweisungen durch Generalklauseln aufzuweichen, spricht sich Korthals Altes, De Höge Raad en het ongeschreven recht, 1976, S. 31, unter anderem deshalb aus, weil sie bei der Kontrolle durch eine auf Rechtsfragen beschränkte Rechtsmittelinstanz Schwierigkeiten bereitet, und weil sie dazu führt, daß nur finanziell starke Parteien sich den Versuch leisten können, eine Spielchance zur Korrektur einer ihnen ungünstigen Entscheidung einzukaufen. Ausgehend von der Idee, daß die Nichtanwendung eines an sich berufenen, aber inhaltlich kraß von der lex fori abweichenden ausländischen Rechts eine Binnenbeziehung voraussetzt, und daß die lex fori die Lücke füllt, nähert sich auch das oberste portugiesische Gericht dem Gedanken, daß das gesetzliche Anknüpfungsmoment zurückzutreten hat, wenn sämtliche übrigen Verknüpfungen im konkreten Fall zu einem anderen Staat hingehen und für die nicht juristisch gebildeten Beteiligten die Erwartung hervorrufen, daß dieses Recht maßgebend sei, vgl. Sup. Trib. Lissabon (1978), Bol. Min. Just. Nr. 278, S. 232. Manchmal wird behauptet, daß Verweisungen mit Hilfe eines in der Zuweisungsnorm ausdrücklich genannten Anknüpfungsmoments als von der Anwendungswilligkeit des berufenen ausländischen Rechts bedingte Verweisungen zu verstehen seien, indirekte Verweisungen der oben im Text beschriebenen Art hingegen als unbedingte Sachnormverweisungen. Dem kann nicht gefolgt werden: Soll mit der Zuweisung ein pflichtbegründendes Recht ermittelt werden, so ist auch eine indirekte Zuweisung von der Anwendungswilligkeit des ausländischen Rechtssatzes bedingt; soll mit der Zuweisung nur eine Regelung für eine Teilfrage ermittelt werden, so kann die Zuweisung bedingt oder unbedingt sein: Erklärt das Recht des Forumstaates die Formvorschriften des Geschäftsstatuts als anwendbar, so kann dies durchaus als eine Gesamtverweisung zu verstehen sein mit der Folge, daß sämliche alternativen Zuweisungen im Kollisionsrecht des Geschäftsstatuts beachtet werden müssen. Vor allem im englischen und im amerikanischen Recht wird bestimmt, daß das Gericht in Ehescheidungs- und Personensorgesachen im allgemeinen nur dje lex fori anzuwenden habe; zugleich wird die internationale Zuständigkeit durch Angabe einer oder mehrerer Verknüpfungen festgelegt. Nicht selten wird auch in anderen Rechtsfragen entsprechend verfahren, so z. B. für die Unterhaltsansprüche nichtehelicher Kinder: Ein Gesetz von Saskatchewan (Stat. 1973 ch. 12) sieht die Verurteilung auch mehrerer möglicher außerehelicher Väter zu Unterhaltsleistungen vor; Anwendbarkeit dieses Gesetzes und Zuständigkeit der Saskatchewan-Gerichte ist gegeben sowohl bei gewöhnlichem Aufenthalt der Mutter und des Beklagten z. Z. der Klagerhebung, als auch dann, wenn die Mutter z. Z. der Zeugung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Saskatchewan hatte, und die Zeugung des Kindes dort erfolgt ist (!). Vgl. dazu oben S. 214 zur „versteckten Rückverweisung". Daß ein Rechtsgeschäft (oder ein Staatsakt) „unter" dem Recht eines bestimmten Landes errichtet worden ist, kann bedeuten, daß die Urheber in dem Glauben handelten, das betreffende Recht sei auf die Gültigkeit und die Wirkungen anwendbar. Eine solche Aussage kann aber auch bedeuten, daß ein bestimmtes Recht auf das Geschäft (den Staatsakt) anwendbar sein will, und daß die Gültigkeitsvoraussetzungen dieses Rechts erfüllt sind. Die irrige Annahme desjenigen, der auf einer Reise ein privatschrifdiches Testament errichtet, er befinde sich zu diesem Zeitpunkt in einem bestimmten Land, könnte die Anwendung der Formvorschriften dieses Landes rechtfertigen; selbst der irrigen Annahme, es genüge die (objektiv falsche) Angabe eines bestimmten Ortes im Testament, um die Anwendbarkeit der an diesem Ort geltenden Formvorschriften herbeizuführen, könnte vom positiven Recht dieselbe Bedeutung beigemessen werden wie einer Äußerung des Testators, aus der sich ergibt, daß er an die Anwendbarkeit eines bestimmten Auslegungsstatuts für sein Testament glaubte. Anknüpfungsmoment für die Ermittlung des auf die Geschäftsfähigkeit anwendbaren Rechtes kann es sein, daß ein Rechtsgeschäft in einem bestimmten Lande errichtet worden ist, und daß der eine der Beteiligten annahm, der andere sei Staatsangehöriger dieses Landes, obwohl das in Wirklichkeit nicht zutrifft (vgl. S. 564). Wann eine Putativehe vorliegt, bestimmt dasjenige Recht, welches bereit ist, daran Rechtswirkungen anzuknüpfen; der gute Glaube kann darin bestehen, daß von dem Eheschließungsversuch 833
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Anmerkungen zu S. 239-242
angenommen wird, daß er nach dem als maßgeblich unterstellten Recht, über das aber keine bestimmte Vorstellung vorhanden sein muß, wirksam geworden sei ; das Recht, das der Putativehe Wirkungen beilegt, kann aber nicht nur an die Eigenschaften des Eheschließungsversuchs bestimmte Anforderungen stellen (z. B. daß er „vor" einer angeblichen Trauungsperson erfolgt ist), sondern auch an den guten Glauben (z. B. daß der Eheschließungsversuch unter kirchlichem oder einem staatlichen Recht wirksam ist, und daß dies den Parteien vorgeschwebt hat). 4 3 Nur wenn die Willenserklärung einer Person für die Bestimmung des anwendbaren Rechts allein entscheidend ist, kann von einer „parteiautonomen" Zuweisungsnorm, und damit auch von einer indirekten Zuweisurig seitens des Urhebers der staatlichen Rechtsanwendungsanweisung (vgl. oben S. 195) gesprochen werden. So vielfach die französische Lehre, vgl. Batiffol, Bd. 2, S. 239. 4 5 Vgl. S. 587f. 4 5 a Der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt einer Person kann sich jedoch auch als sachliches Anknüpfungsmoment darstellen, wenn darin der Ort der Schädigung ihres Vermögens oder der Ort ihrer Hilfsbedürftigkeit zu sehen ist, vgl. S. 420, 458. In einem Entwurf für eine EWG-Direktive findet sich als neuartiges Anknüpfungsmoment bei Versicherungsverträgen die „Belegenheit" des versicherten Risikos. Dabei soll es sich bei der Versicherung von Sachen mit festem oder gewöhnlichem Lageort um diesen Lageort handeln, im übrigen um den gewöhnlichen Sitz des Versicherungsnehmers. 4 6 Über die gesetzliche Vertretung bei der Wohnsitzbegründung und über den abgeleiteten Wohnsitz vgl. unten S. 256. 4 7 Als Staatsgebiet für eine „territoriale" Verknüpfung in einer internationalprivatrechtlichen Zuweisungsnorm gelten unter allen Umständen Landgebiet und Eigengewässer eines Staates, und mangels gegenteiliger Anordnung auch die „Territorialgewässer". Damit feste Einrichtungen auf dem Meeresschelf internationalprivatrechtlich als „Staatsgebiet" gelten, ist wohl heute noch in vielen Staaten eine ausdrückliche Anordnung notwendig. Die Gleichstellung von Randmeergebiet mit dem eigendichen Staatsgebiet, die für bestimmte Zwecke völkerrechtlich zulässig ist, erfordert stets eine ausdrückliche Anordnung. Vgl. auch S. 290, Anm. 35. 4 8 Vgl.S.317ff. 4 9 Vgl. S. 489. 5 0 Ist für die Frage, wo sich der für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit des Gerichts maßgebliche Erfüllungsort einer vertraglichen Leistung befindet, zu ermitteln, welches das Geschäftsstatut ist, und wo nach diesem Recht eine Verpflichtung zu erfüllen ist - so EurGH, NJW 1977, 491 — , so gerät man zu einem Zirkelschluß, wenn der Erfüllungsort bei der Ermittlung des Geschäftsstatuts allein oder neben anderen Verknüpfungen von Bedeutung ist. 5 1 Ist es nach dem Wohnsitzrecht zu beurteilen, ob jemand volljährig ist, und wird nicht behauptet, daß der Betreffende in einem Land, wo er volljährig wäre, einen neuen Wohnsitz begründet habe, sondern daß dort der bisherige Wohnsitz, den er als Minderjähriger hatte, fortbesteht, so stellt sich die Frage, ob auch ein nur abgeleiteter Wohnsitz bei Erreichung der Volljährigkeit als eigener Wohnsitz fortbestehen soll. Wird das bejaht, so ist zu prüfen, ob in dem angeblichen Wohnsitzland möglicherweise nach einem anderen Recht ein abgeleiteter Wohnsitz des Minderjährigen bestand. 5 2 Art. 1 Abs. 3 der Haager Konvention über Testamentsform bestimmt: «La question de savoir si le testateur avait un domicile dans un lieu déterminé est régie par la loi de ce même lieu.» Es kann dies wohl nicht dahin verstanden werden, daß ein Vertragsstaat — oder gar ein Nichtvertragsstaat, vgl. Art. 6 — ein vollkommen unbeschränktes Ermessen habe, um jemand, und sei es auch bloß für die Zwecke des auf die Testamentsform anwendbaren Rechts, bei sich einen Wohnsitz zuzuschreiben; es muß unterstellt werden, daß der Konvention ein eigener Rahmenbegriff für den Wohnsitz zugrunde liegt. Vgl. auch S. 255 f. 5 3 Zu denken wäre an eine polizeiliche Wohnsitzbescheinigung. 5 4 Unter der Haager Konvention über die Testamentsform kann jeder Vertragsstaat einen Vorbehalt machen, wonach sein eigenes Recht dafür maßgebend sein soll, wo der Testator seinen Wohnsitz hat, vgl. Art. 9: «Chaque Etat contractant peut se réserver, par dérogation à l'article premier, alinéa 3, le droit de déterminer selon la loi du for le lieu dans lequel le testateur avait son domicile.» 834
Anmerkungen zu S. 242-249
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Ein Aufenthaltsverbot schließt aus, daß jemand „gewöhnlichen" Aufenthalt in dem Verbotsland hat; bei einem Aufenthaltsverbot kann auch nicht angenommen werden, daß der Betreffende im Sinne des Art. 116 GG in Deutschland „Aufnahme gefunden" hat: BayVGH, IPRsp 1962-63, Nr. 229. Gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes ist an dem Ort anzunehmen, wo es nach den tatsächlichen Verhältnissen vermutlich auch weiterhin bleiben wird; dabei kommt es nicht auf den Willen der Beteiligten und nicht darauf an, ob dieser gewöhnliche Aufenthalt unter Verletzung des Sorgerechts eines anderen begründet worden ist: BayObLG, IZRsp 1958 — 59, Nr. 198. Uber die Bedeutung der Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis für die Frage, ob in einem Land Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden ist, vgl. auch Cocron vs. Cocron, 375 NYS 2d, 797, und die bei Dicey, S. 108, zitierten Entscheidungen. 5 6 Vgl. S. 520f. 5 7 Vgl. S. 253. 5 8 Erwirbt das Kind mit der Naturalisarion des Inhabers der elterlichen Gewalt automatisch eine fremde Staatsangehörigkeit, so verliert es die deutsche Staatsangehörigkeit nur, wenn der Inhaber der elterlichen Gewalt auf irgendeine Weise, wenn auch unter dem ausländischen Recht unnötigerweise, den Willen zum Ausdruck bringt, daß das Kind die ausländische Staatsangehörigkeit erwerben soll: BVerwG, IPRsp 1956-57, Nr. 215. 5 9 Vgl. dazu S. 218 ff. 6 0 Art. 1 der Haager Konvention über die Testamentsform bringt dies dadurch zum Ausdruck, daß er ausdrücklich von „einer Staatsangehörigkeit" des Testators spricht. 6 1 Vgl. S. 216. 6 2 Vgl. § 9 des österreichischen IPR-Gesetzes von 1978. 6 3 Unbrauchbar ist der Vorschlag, beim Besitz mehrerer Staatsangehörigkeiten keine von diesen als Anknüpfungsmoment zu verwenden, sondern wie beim Staatenlosen auf den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen, so daß möglicherweise das Recht eines Staates anzuwenden ist, der keiner der beiden Heimatstaaten ist. Diese Lösung ist sicher unbefriedigend, wenn die Rechte der Heimatstaaten inhaldich übereinstimmen; sie ist aber auch unangebracht, wenn jemandem eine zweite Staatsangehörigkeit gegen seinen Willen aufgezwungen ist, der sie zwar nicht beseitigen kann, aber sämtliche Kontakte zu diesem Heimatstaat vermeidet. 6 4 Sind mehrere Rechte als Abstammungsstatut berufen und anwendungswillig, und sind danach verschiedene Männer als Vater eines Kindes zu vermuten, so kann eine Einigung aller Beteiligten darüber, daß der eine allein als Vater gelten soll, den Vorrang haben. 6 5 Vgl. S. 684. 6 6 Auch bei einer von dem Betroffenen selbst beantragten Naturalisation ist die zusätzlich erworbene Staatsangehörigkeit nicht die stärkere, wenn die Beibehaltung der alten Staatsangehörigkeit in dem bisherigen Heimatstaat ausdrücklich beantragt und bewilligt wurde. 6 7 Vgl. S. 105, Anm. 127. 6 8 Wobei allerdings hinzuzufügen wäre, daß die Staaten, die später solche Gebiete erworben haben, die früheren Grundstückserwerbe keineswegs immer nur anerkannt haben, wenn sie dem Stammesrecht entsprachen. 6 8 a Vgl. für Südafrika Act no. 55/1962: "The laws from time to time in force in the Republic shall apply to any South African citizen while he is in Antarctica . . . " 6 9 Uber den „jurisdictional morass in Antarctica" vgl. Johnson, 10 Cornell Int. L. J. (1976) 173 ff. 7 0 Vgl. S. 430. 7 1 Vgl. S. 265. 7 1 a Das Erfordernis von zwei Inlandsverknüpfungen für die Anwendbarkeit eines zwingenden Rechtssatzes bedeutet, daß bei dem Fehlen der einen oder der anderen Inlandsverknüpfung Verhaltensfreiheit besteht, vgl. BArbG, NJW 1979, 1791: Die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehene Bildung einer Bordvertretung und die Notwendigkeit ihrer Anhörung vor der Kündigung eines Seemannes setzt voraus, daß das Schiff die Bundesflagge führt, und daß das Reederunternehmen seinen Sitz im Inland hat. 7 2 Kommt es auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Eheleute an (vgl. Art. 14 EGBGB), so soll nach dem BGH eine solche gemeinsame Staatsangehörigkeit nicht ohne weiteres maßgebend sein, wenn einer der Ehegatten daneben noch eine andere Staatsangehörigkeit besitzt. Anstelle der 55
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Anmerkungen zu S. 250-251 gemeinsamen Staatsangehörigkeit soll es dann auf den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt ankommen, wenn es sich dabei um den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland handelt und die zweite Staatsangehörigkeit des einen Ehegatten die deutsche ist: BGH, IPRsp 1976, Nr. 34. Offen gelassen wurde, ob die zweite Staatsangehörigkeit zu ignorieren ist, wenn sie nicht die effektive oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit ist. Noch nicht entschieden ist auch, ob es bei gemeinsamem Aufenthalt in einem dritten Staat doch wieder auf die gemeinschaftliche Staatsangehörigkeit ankommen soll, sowie ob die inhaltliche Ubereinstimmung des Rechtes des zweiten Heimatstaates mit dem gemeinsamen Heimatrecht oder dem gemeinsamen Wohnsitzrecht eine Rolle spielen soll. Ungeklärt ist schließlich auch die Bedeutung einer Rück- bzw. Weiterverweisung im Kollisionsrecht eines der Heimatstaaten. Art. 14 der Haager Adoptionskonvention von 1965 will jedem Signatarstaat ermöglichen, diejenigen Personengruppen näher zu bezeichnen, die für die Zwecke dieser Konvention als seine Staatsangehörigen gelten sollen. Die „Zugehörigkeit" zu einem ausländischen Staat im Sinne gewisser spezialrechtlicher Rechtssätze — etwa „Zugehörigkeit" zu einem „Feindstaat" im Sinne einer Gesetzgebung über Handel mit dem Feind — kann von der durch den fremden Staat getroffenen Regelung seiner Staatsangehörigkeit im eigentlichen Sinne ganz unabhängig sein; sie kann aber auch von dieser Staatsangehörigkeit ausgehen und dem Kreis dieser Staatsangehörigen weitere Personen hinzufügen oder gewisse Personen ausnehmen. Die „Devisenausländer"eigenschaft hat meist überhaupt nichts mit der von dem fremden Staat selbst geregelten „eigenen" Staatsangehörigkeit zu tun. „Ausländer" ist im allgemeinen jemand, der nicht die eigene Staatsangehörigkeit des Landes besitzt, dessen Rechtssätze den Begriff Ausländer verwenden. Vgl. die Nottebohm-Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, ICJ Rep. 1955, 23 ff. Wird nach der Begründung eines Neustaates die Staatsangehörigkeit erst einige Jahre später, aber rückwirkend, gesetzlich geregelt, so ist dies auch in Deutschland bei der Beurteilung der Zugehörigkeit einer Person zu diesem Staat zugrunde zu legen: BGH, IPRsp 1962 — 63, Nr. 243. Vgl. S. 101. So könnte es z. B. sein, wenn die Frau durch Heirat die ausländische Staatsangehörigkeit des Mannes auch gegen ihren Willen erwirbt und diese Staatsangehörigkeit selbst bei Scheidung der Ehe nicht einseitig beenden kann. Vgl. dazu oben Anm. 74. Durch einen Vertrag vom 7. 9. 1971 zwischen Portugal und Brasilien ist vorgesehen, daß Staatsangehörige des einen Landes mit ständigem Aufenthalt in dem anderen Land für das „Statut der Gleichbehandlung" optieren können. Ein portugiesisches Ausführungsgesetz vom 22. 4. 1972 (Art. 25) bestätigt, daß damit in Portugal nicht die Anwendung des brasilianischen Rechts auf Brasilianer gehindert wird, wenn das portugiesische Kollisionsrecht mit Hilfe der Staatsangehörigkeit darauf verweist. Die Gleichstellung von Angehörigen dritter Staaten mit Franzosen bzw. Briten auf dem Gebiet der Neuen Hebriden ist für dritte Staaten nicht als „Staatsangehörigkeit" relevant. Nachdem BGH, IPRsp 1956-57, Nr. 227, es verneint hatte, daß Deutsche im Sinne des Art. 116 GG, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz erworben haben, für die Zwecke des internationalen Privatrechts als „Deutsche" zu gelten hätten, ist dies in Art. 9 II Ziff. 5 FamRÄG rückwirkend unter Vorbehalt rechtskräftiger Entscheidungen angeordnet worden. Vgl. S. 286. Solange in der DDR noch die „deutsche" Staatsangehörigkeit durch Naturalisation verliehen wurde, sollte eine solche Naturalisation dennoch in der Bundesrepublik nicht anerkannt werden, wenn das der Naturalisation vorausgehende Verfahren wesentlich von den Bestimmungen des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes abwich: BGH, IPRsp 1954—55, Nr. 225. Die Zugehörigkeit zu einem Gliedstaat eines Bundestaates sollte im internationalen Privatrecht auch dann nicht als Anknüpfungsmoment verwendet werden, wenn das Privatrecht Sache der gliedstaatlichen Gesetzgebung ist; das interne Kollisionsrecht des Bundesstaates stellt ja oft nicht auf diese Gliedstaatsangehörigkeit, sondern auf den Wohnsitz ab. Es gilt dies auch von den USA. Angesichts dessen, daß die Reichsangehörigkeit (im Deutschen Reich) nach der ursprünglichen Fassung der einschlägigen Gesetze von der Staatsangehörigkeit in einem deutschen Bundesstaat
Anmerkungen zu S. 251-252
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abgeleitet war, haben ausländische Gerichte lange Zeit vor dem ersten Weltkrieg bei Verwendung des Anknüpfungsmomentes der Staatsangehörigkeit in ihren Kollisionsnormen nach der preußischen usw. Staatsangehörigkeit gefragt, ohne sich die Frage zu stellen, ob nicht zum mindesten in Teilen Deutschlands der Wohnsitz und nicht die Staatsangehörigkeit Anknüpfungsmoment im deutschen interregionalen Kollisionsrecht war. 84 Das ist derzeit (1979) der Fall bezüglich der „deutschen" Staatsangehörigkeit gemäß dem Recht der Bundesrepublik. Die Bundesrepublik kennt keine besondere Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik selbst, sondern nur eine gemäß dem durch Gesetze der Bundesrepublik mehrfach geänderten Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 zu erwerbende „deutsche" Staatsangehörigkeit, die auch von denjenigen besessen werden kann, welche nach dem Recht der D D R als Staatsbürger der D D R gelten. Eine Gestaltung des Kollisionsrechts bei Verknüpfungen mit der Bundesrepublik und der D D R , welche dahin gehen würde, daß alle diejenigen als der Bundesrepublik zugehörig gelten, die nicht von der D D R als Staatsbürger in Anspruch genommen werden, wäre sicher verfassungswidrig, weil damit ja die D D R einseitig den Kreis der Staatsangehörigen der Bundesrepublik bestimmen würde. Unter dem Grundgesetz wäre es wohl auch unzulässig, wenn Deutsche, die einen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben, einerseits beanspruchen könnten, nicht als Ausländer behandelt zu werden, andererseits auf Grund ihrer DDR-Bürgerschaft in Fragen des Personalstatuts nach dem Recht der D D R beurteilt werden müßten. Sicher entfällt jedoch eine auf die „Staatsangehörigkeit" zu stützende Anwendung des Rechts der Bundesrepublik auf solche Deutschen, die keinerlei örtliche Dauerverknüpfungen zur Bundesrepublik aufweisen, und sich auch nicht freiwillig der Personalhoheit der Bundesrepublik unterstellen wollen. Die Verwendung der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment schließt es nicht aus, daß in einem staatlichen Kollisionsrecht die Angehörigen des eigenen Staates und bestimmter anderer Staaten zunächst an Hand einer geeigneten Definition zusammen erfaßt werden, und daß, soweit nicht das Recht dritter Staaten als Heimatrecht anzuwenden ist, innerhalb jener auf mehrere Staaten bezogenen Menschengruppe das anwendbare Recht mit Hilfe des Wohnsitzes ermittelt wird. Besteht der Wohnsitz in einem dritten Staat, so müssen andere Kriterien (z. B. Rechtswahl) verwendet werden, um zu dem anwendbaren Recht zu gelangen. Dies ist jedenfalls eine Möglichkeit, in der Bundesrepublik die nicht auf Bundesrepublikaner beschränkte „deutsche Staatsangehörigkeit" als Anknüpfungsmoment des internationalen Privatrechts zu verwenden, und im Verhältnis zwischen dem Privatrecht der Bundesrepublik und der D D R normalerweise auf den gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen; vgl. S. 129. Dritte Staaten, die vermittels der Staatsangehörigkeit zuweisen wollen, können die Staatsangehörigkeit der D D R nicht in der Weise ignorieren, wie dies die Bundesrepublik tut; sie können aber auch nicht selbst Regeln über eine Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik allein interpolieren. Wenn das Recht der Bundesrepublik Anwendung wegen „deutscher" Staatsangehörigkeit und einer territorialen Verknüpfung zur Bundesrepublik, oder wegen des Bekenntnisses zur deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne der Bundesrepublik vorsieht, und wenn zugleich das DDR-Recht wegen der DDR-Bürgerschaft angewendet werden will, müssen dritte Staaten wie sonst bei Doppelstaatsangehörigkeit verfahren. 85 So Großbritannien in bezug auf Staatsangehörige von Irland. 8Sa So könnten die EWG-Länder einen Vertrag schließen, wonach als Personalstatut ihrer eigenen Staatsangehörigen das Recht des Wohnsitzlandes gilt, wenn es sich um ein EWG-Land handelt, während es im übrigen auf die Staatsangehörigkeit ankommen würde. 86 Vgl. S. 202 f. 87 Vgl.S. 243 ff. Das österreichische IPR-Gesetz von 1978 spricht von demjenigen Heimatstaat, „zu dem die (!) stärkste Beziehung besteht" (§ 9). 89 Für das Mandatsgebiet Palästina war eine besondere „Palestinian Citizens hip" geschaffen worden. 90 Für die Bundesrepublik vgl. Art. 29 EGBGB und Art. 12 des Abkommens vom 28. 9. 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen. Das Wohnsitzrecht ist auf Staatenlose nicht anwendbar, wenn es sich um Spezialrechtssätze des Wohnsitzstaates handelt, die irgendwelche Rechtswirkungen ausdrücklich an den Nichtbesitz der inländischen Staatsangehörigkeit anknüpfen. 91 Vgl. oben S. 247. 837
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Anmerkungen zu S. 252-258 Vgl. § 9 (3) des österreichischen IPR-Gesetzes von 1978: „Das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Ubereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, ist das Recht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; . . . " Vgl. das Genfer Abkommen vom 28. 7. 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, durch dessen Annahme seitens der Bundesrepublik die Bestimmungen des AHKGes. Nr. 23 und des Westberliner AK Ges. Nr. 9 im wesentlichen überholt sind; ferner § 44 (2) des Ausländergesetzes vom 28. 4. 1965. Die Ersetzung des Heimatrechts durch das Wohnsitzrecht bei Flüchdingen soll nach BGH, FamRZ 1979, 577, die Anerkennung von Entscheidungen des Heimatstaates eines Kindes über die Sorgegewalt nicht hindern, wenn ein Eltemteil noch in dem Staat wohnt, den der andere Elternteil zusammen mit dem Kind verlassen hat. Die Entscheidung wirkt nicht überzeugend. Vgl. S. 288. Vgl.Anm.93. Vgl. S. 243. Vgl. z. B. Art. 3 (5) des RuStAÄndG 1974. Bei Entziehung der Reichsangehörigkeit von emigrierten Juden durch die nationalsozialistische Gesetzgebung ist dem Willen der Betroffenen, Deutsche zu bleiben, auch schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Art. 116 (2) S. 2 GG, und zwar auch auf dem Gebiete des Privatrechts, Bedeutung beigemessen worden, vgl. BVerfGE 8, 86; 23, 98. Für politische Flüchtlinge und aus ihrem bisherigen Wohnland Ausgewiesene, die keine Staatsangehörigkeit besitzen oder als de facto staatenlos zu gelten haben, ist auch das provisorische Aufnahmeland als Land des gewöhnlichen Aufenthalts zu betrachten, wenn es um die Bestimmung des Personalstatuts geht; hingegen ist nicht gewöhnliches Aufenthaltsland dasjenige Land, in dem jemand nur gefangen gehalten wird. Vgl. oben S. 242, Anm. 52. Ob abgeleiteter Wohnsitz in Deutschland besteht, wenn davon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt, will KG, IPRsp 1 9 6 0 - 6 1 , Nr. 223, abweichend von RGZ 159, 167, nicht nach dem Personalstatut des Kindes bzw. dem Personalstatut des Inhabers der elterlichen Gewalt, sondern nach der lex fori bestimmen; desgl. O L G Düsseldorf, IPRsp 1971, Nr. 162. Cocron vs. Cocron, 375 NYS. 2d, 797, wendet auf die Frage, ob die österreichische Frau eines Österreichers dessen österreichisches Domizil teilt, bzw. ob sie wegen einer schweren Eheverfehlung seitens des Mannes das Recht erworben hat, anderswo ein eigenes Domizil zu begründen, das New York-Recht als die lex fori bzw. als das Recht des neu begründeten Domizils an. •
Nach Art. 29 EGBGB kommt es nur auf den gewöhnlichen Aufenthalt an, nicht auf den Wohnsitz. Im interregionalen Recht Großbritanniens wird, z. B. für das Sorgerecht, ein Unterschied gemacht zwischen "ordinary" und "habitual" residence. 1 0 4 Vgl. Art. 29 EGBGB. 1 0 5 Aus diesem Grunde wurde zeitweise im englischen internationalen Privatrecht angenommen, daß ein Engländer kein domicile of choice in exotischen Ländern erwerben könne, insbesondere solchen, in denen britische Konsulargerichtsbarkeit ausgeübt wurde. Die Verbreitung des Wohnsitzprinzips in Südamerika erklärt sich aus der gemeinsamen „spanischen (bzw. iberischen) Basis". In Asien und großenteils auch in Afrika erklärt sich die Annahme des Staatsangehörigkeitsprinzips daraus, daß Einwanderer meist nicht in der einheimischen Bevölkerung aufgingen, sondern von ihr getrennt blieben. 1 0 6 Z. B. durch Anlage des Vermögens in diesem Staat, Wohnsitz der Verwandten oder des Arbeit107 gebers. Vgl. oben S. 237, Anm. 37. 1 0 8 Uber die Wahl zwischen Heimatrecht und Wohnsitzrecht als Erbstatut durch testamentarische Verfügung vgl. S. 684. Über die Wahl zwischen Heimatrecht und Ehewohnsitzrecht für den Namen der verheirateten Frau vgl. S. 501. 1 0 9 Das intergentile Recht in manchen Kolonien kannte, und zum Teil kennen ehemalige Kolonialländer noch eine generelle Option der normalerweise dem Stammesrecht unterworfenen Personen, welche die Anwendbarkeit des Europäerrechts als Personalstatut nach sich zieht. 838
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Im Verhältnis zwischen den nordischen Staaten wird die Ehefähigkeit zwingend durch das Heimatrecht, und bei zweijährigem Wohnsitz in einem dieser Staaten durch das Wohnsitzrecht bestimmt (Vertrag vom 6. 2. 1931). Für die Erbfolge gilt grundsätzlich das Wohnsitzrecht mit der Ausnahme, daß das Heimatrecht des Erblassers anwendbar ist, wenn Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten noch keine 5 Jahre bestanden hat, und einer der Erben die Anwendung des Heimatrechts verlangt. Zugunsten des Rechtes des überlebenden Ehegatten, in ungeteilter Erbengemeinschaft mit den Abkömmlingen zu „sitzen", gelten Domizil- und Heimatrecht des Erblassers alternativ (Vertrag vom 19. 11. 1934). Das schwedische Gesetz vom 8. 7. 1904 (mit Änderungen von 1973) über das internationale Privatrecht der Ehe und der Vormundschaft unterstellt die Gültigkeitsvoraussetzungen den Heimatrechten der Eheschließenden. Es ermöglicht aber schwedischen Staatsangehörigen und Ausländern bei Eheschließung in Schweden, die Anwendung des Domizilrechts zu verlangen, wenn Wohnsitz in einem anderen Staat als dem Heimatstaat zwei Jahre bestanden hat, und wenn der andere Eheschließende mit dieser Option für das Domizilrecht einverstanden ist. Durch Einzelakt des schwedischen Königs kann für Ausländer die zweijährige Frist noch weiter reduziert werden. Das schwedische internationale Privatrecht beruft schwedisches Recht zum Scheidungsstatut bei schwedischer Staatsangehörigkeit eines Ehegatten, sowie bei einjährigem Wohnsitz von Ausländern in Schweden. Im letzteren Fall kann jedoch die Scheidung bei Widerspruch eines der Ehegatten verweigert werden, wenn nach dem Heimatrecht kein Scheidungsgrund gegeben ist, und nach Ansicht des schwedischen Gerichts beachtliche Gründe für den Widerspruch bestehen; es handelt sich hier um Spezialrecht, dessen Anwendbarkeit von einem bestimmten Stand des ausländischen Rechts bedingt ist. Bei Ausländern, die beide noch nicht ein Jahr in Schweden Wohnsitz gehabt haben, ist auf Verlangen des Beklagten das Heimatrecht anzuwenden, wenn es zur Abweisung der Scheidungsklage führt. Eine andere spezialrechtliche Vorschrift befreit von der Einhaltung der „Oberlegungsfrist" vor der Scheidung, wenn im Ausland durch gerichtliche Entscheidung das Getrenntleben vorgesehen worden war. Das ist der wichtigste Punkt der nicht in Kraft getretenen Haager Konvention vom 15. 6. 1955 zur Regelung der Konflikte zwischen Heimatrecht und Wohnsitzrecht. Vgl. unten S. 734. Vgl. unten S. 738. Die in Verträgen gebotene Rechtsfähigkeit internationaler Organisationen in den Privatrechtsordnungen der Mitgliedstaaten läßt sie nicht als nationale juristische Personen erscheinen, aber auch nicht als einen besonderen Fall „staatenloser" juristischer Personen verstehen, vgl. S. 735. Im Vordergrund der Erörterungen stand lange Zeit die Bedeutung der „Staatsangehörigkeit" juristischer Personen für die Zwecke des Völkerrechts. Der Internationale Gerichtshof hat hier im Barcelona-Traction-Fall die Meinung verworfen, daß bei Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen eines Staates in bezug auf eine Aktiengesellschaft nur der Heimatstaat der Aktionäre (bzw. der Mehrheit der Aktionäre) das völkerrechdiche Schutzrecht besitzt, wie es bei einer Verletzung natürlicher Personen deren Heimatstaat zusteht. Vielmehr wird ein Schutzrecht des Staates, nach dessen Recht die Gesellschaft begründet wurde, und in der ihre Organe ihren Sitz haben, auch bei Innehabung des Kapitals durch Angehörige anderer Staaten unzweideutig bejaht, und in diesem Zusammenhang von der Staatsangehörigkeit der juristischen Person in einem solchen Gründungsund Sitzstaat gesprochen, vgl. Ree. C. I. J . 1970, 1 ff., 42. O b außer der Gründung der juristischen Person nach dem Recht dieses „Heimatstaates" anstelle des Sitzes der Organe andere Verknüpfungen zum Gründungsstaat ausreichen, oder ob u. U. noch weitere Verknüpfungen hinzukommen müssen, damit der Gründungsstaat das Schutzrecht ausüben kann, wurde in der Entscheidung offen gelassen; desgleichen die Frage, wann durch Maßnahmen eines Staates gegen die Gesellschaft die Interessen ihrer Aktionäre in einer Weise so direkt betroffen sind, daß doch deren Heimatstaat zur Ausübung des Schutzrechts legitimiert ist. Auf der anderen Seite ist es heute nicht mehr zweifelhaft, daß ein Staat die Innehabung der Anteile an einer nach dem Recht eines dritten Staates gegründeten Gesellschaft durch natürliche (evtl. auch juristische) Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Feindstaates besitzen, zum Anlaß nehmen darf, um das auf seinem Gebiet befindliche Vermögen der Gesellschaft zwecks Befriedigung völkerrechtlicher Schadensersatzansprüche gegen jenen Feindstaat einzuziehen. Erkennen mehrere Staaten durch eine generelle Verweisung auf das kanonische Recht der katholi-
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Anmerkungen zu S. 260-261 sehen Kirche juristische Personen dieses Rechts als rechtsfähig und zugleich als juristische Personen des öffentlichen Rechts an, so kann eine kirchliche juristische Person, die in mehreren Staaten tätig ist und dort Eigentum besitzt (z. B. ein Bistum, dessen Sprengel Gebiet von mehreren Staaten umfaßt), als juristische Person des staadichen Rechts aller Staaten zu gelten haben, während sie nur juristische Person des staatlichen Rechts desjenigen Staates ist, wo sich der Sitz der leitenden O r gane der juristischen Person befindet, wenn nur dieser Staat auf das kirchliche Recht verweist. Die Dinge werden noch komplizierter, wenn das staatliche Recht die Organisation solcher juristischen Personen des kirchlichen Rechts doch irgendwie durch eigene Vorschriften beeinflußt; Komplikationen entstehen auch, wenn sich die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit auf solche juristischen Personen des kirchlichen Rechts bezieht, die nicht mit einem bestimmten Gebiet oder einem bestimmten O r t verknüpft sind, sondern wegen ihrer universalen Aufgaben der kirchlichen Zentralgewalt zugeordnet sind. Selbst wenn die zentralen juristischen Personen des katholischen Kirchenrechts in den Staaten Rechtspersönlichkeit des staadichen Rechts genießen, werden sie sicher nicht wie die lokalen juristischen Personen des kirchlichen Rechts „nationalisiert". Vgl. S. 343 f. Die Entscheidungen der Obersten Rückerstattungsgerichte in der Bundesrepublik werden in der Rechtsordnung der Bundesrepublik wie Entscheidungen der obersten Gerichte des Bundesrechts behandelt. Vgl. dazu Kap. 1 § 5 des schwedischen Gesetzes vom 8. 4. 1904. Nach dem Entwurf der Völkerrechtskommission der U N O von 1976 soll für die völkerrechtswidrigen Akte eines Staatsorgans nur ein Staat zur Verantwortung gezogen werden können. Danach soll für ein Staatsorgan im allgemeinen derjenige Staat haften, nach dessen Recht das Organ als ein Organ dieses Staates bestellt worden ist. Ist ein Organ von dem bestellenden Staat, oder ist ein Organ einer internationalen Organisation einem anderen Staat „zur Verfügung gestellt" worden, um Staatsgewalt dieses anderen Staates auszuüben, so soll dieser andere Staat haften. O b von einem „Zur-Verfügung-gestellt-werden" eines Organs auch dann gesprochen werden kann, wenn der Staat, in dessen Rechtsordnung die Organakte wie Akte eigener Organe als Ausübung seiner Staatsgewalt wirksam werden sollen, gegenüber dem anderen Staat verpflichtet ist, nur das zur Verfügung gestellte Organ, und nicht etwa an dessen Stelle eigene Organe im eigendichen Sinne zu verwenden, könnte bezweifelt werden. Aber auch die unter solchen Umständen von einem fremden Organ ausgeübte Staatsgewalt bleibt doch eigene Staatsgewalt des Staates, dem nach Völkerrecht „eigendich" die Gebietshoheit zusteht; sonst würde man zu dem absurden Schluß gelangen müssen, der örtliche Staat, der vertragswidrig anstelle der fremden Organe eigene Organe tätig werden läßt, übe damit auf eigenem Staatsgebiet rechtswidrig fremde Gebietshoheit aus. Vgl. dazu oben S. 36. Wird ein Verfahren zur Vereinfachung aus prozeßtechnischen Gründen von dem eigentlich zuständigen Bundesgericht in einem Gliedstaat an ein Bundesgericht in einem anderen Gliedstaat abgegeben, so bleiben die Rechtsanwendungsanweisungen des ursprünglich zuständigen (und angegangenen) Gerichts maßgebend. Uber die Folgen, wenn aus demselben Unfall in verschiedenen Staaten geklagt worden ist, und alle Verfahren vor ein einziges Bundesgericht kommen, vgl. In re Air Crash of Boston, 399 F. Supp. 1106. Ist das Konsulargericht Gericht eines Mehrrechtsstaates, so entsteht das andere Problem, worin ein solches Gericht mangels gesetzlicher Regelung die von ihm zu beachtenden Rechtsanwendungsanweisungen und seine lex fori suchen soll. Uber die Anwendung von Bundesgesetzen, ungeschriebenem common law und Gesetzen des District of Columbia als „Recht der Vereinigten Staaten" durch die amerikanischen Konsulargerichte in China vgl. Hackworth, Digest of International Law, Bd. 2, S. 582 ff. Als Gerichte des ägyptischen Staates hatten die früher bestehenden gemischten Gerichte in Ägypten ägyptisches Recht zur lex fori. Dies wurde jedoch nicht dahin verstanden, daß die lex fori in dem auf homogen verknüpfte Situationen anwendbaren Islam-Recht zu suchen war, sondern lex fori der gemischten Gerichte war das notfalls durch Naturrecht und Billigkeit ergänzte „gemischte Recht" selbst, das in Gesetzen, Verordnungen und Richterrecht dieser Gerichte bestand. Unsinnig ist es zu glauben, daß sich für ein bestimmtes Gebiet aus völkerrechtlichen oder staatsrechtlichen Gründen ergäbe, daß es für die eigene Rechtsordnung eines Staates, oder eines Staatsteils, stets als „Inland", und wenn das nicht der Fall ist, als „Ausland" zu behandeln sei mit der
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Folge, daß jede Tätigkeit von Staatsorganen in diesem Gebiet Tätigkeit von inländischen bzw. ausländischen Organen sei, und daß das in dem betreffenden Gebiet für homogen verknüpfte Verhältnisse tatsächlich geltende Recht inländisches bzw. ausländisches Recht sei. Diese Vorstellung war schon undurchführbar, als sich vor 1918 im deutschen Recht die Frage stellte, ob die Schutzgebiete stets als Inland im Sinne des im Mutterland geltenden Rechts zu behandeln waren. Die Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 36, 17) über die Inlandsqualität des Gebietes der DDR für die Rechtsordnung der Bundesrepublik haben ebenfalls nicht gehindert, daß in zahlreichen Zusammenhängen das rechdiche Geschehen in der DDR durch die Gerichte der Bundesrepublik nicht als „inländisch" behandelt wird, vgl. BGH, JZ 1977, 61. Andorra ist kein ausländischer Staat im Sinne des Art. 15 c.c.: C. App. Toulouse, Dalloz 1972, J. 662. Vgl. S. 245. Selbst wenn die Rechte von zwei Staaten darin übereinstimmen, daß die in dem einen Staat belegene Sache als Zubehör einer in dem anderen Staat belegenen Sache zu betrachten sei, ist Lageort nur der erste Staat. Zuständigkeitsbestimmungen, welche auf die gegenwärtige oder die zu einem früheren Zeitpunkt bestehende Lage von Sachen im Inland abstellen, und zugleich bei anderen Ansprüchen andere Anknüpfungsmomente als maßgebend erklären (wie vor allem die Rückerstattungsgesetze), lassen keinen Schluß darauf zu, daß diese anderen Anknüpfungsmomente „als Belegenheiten" verstanden werden. Vgl. S. 42 f. Am Lageort des Grundstücks ist nicht nur die Hypothek, sondern auch die persönliche Forderung belegen: BGH, IPRsp 1 9 5 8 - 59, Nr. 57. Vgl. dazu vor allem S. 480. Vgl. Art. 11 des argentinischen Zivilgesetzbuchs: „Los bienes muebles que tienen situación permanente y que se conservan sin intención de transportarlos, son regidos por las leyes del lugar en que están situados; . . . " Vgl. Art. 5 des Genfer Abkommens über die Hohe See vom 29. 4. 1958: "1. Each State shall fix the conditions for the grant of its nationality to ships, for the registration of ships in its territory, and for the right to fly its flag. Ships have the nationality of the State whose flag they are entitled to fly. There must exist a genuine link between the State and the ship; in particular, the State must effectively exercise its jurisdiction and control in administrative, technical and social matters over ships flying its flag. 2. Each State shall issue to ships to which it has granted the right to fly its flag documents to that effect." Über das Recht der Bundesrepublik vgl. das Flaggenrechtsgesetz vom 8. 2. 1951, die Schiffsregisterordnung in der Neufassung vom 26. 5. 1951, das Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen vom 15. 11. 1940, und das Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26. 2. 1959. Flaggenführungsrecht und Registrierung in der Bundesrepublik decken sich normalerweise; ausnahmsweise kann ein Schiff mit der Flagge der Bundesrepublik aber einen ausländischen Heimathafen haben und kann dann nicht im deutschen Schiffsregister eingetragen sein. Vgl. S. 491. Nach dem auch von der Bundesrepublik angenommenen Abkommen vom 14. 1. 1975 über die Registrierung von Weltraumkörpern kommen sowohl der Staat, auf dessen Veranlassung die Absendung geschieht, als auch der Staat, von dessen Gebiet aus der Körper gestartet wird, als Registrierungsstaaten in Frage. Mehrere mögliche Registrierungsstaaten sollen einen von ihnen zum registrierenden Staat bestimmen. Auch internationale Organisationen sollen ein Register von Weltraumkörpern erhalten können. Vgl. Art. 7, 8, 13-26 EGBGB, sowie § 12 VerschG. Uber die Bedeutung des Begriffs „deutsche" Staatsangehörigkeit im Recht der Bundesrepublik vgl. S. 251, Anm. 84. Vgl. Art. 8, 14, 16, 24, 25 EGBGB, sowie § 12 VerschG. Im deutschen Verfahrensrecht kommt es für die internationale Zuständigkeit häufiger auf den Wohnsitz als auf die Staatsangehörigkeit an. Vgl. Art. 29 EGBGB (überholt durch Abk. v. 28. 9. 1954). 1 4 0 Vgl. Art. 28 EGBGB. Vgl. Art. 11 und 13 EGBGB. Vgl. Art. 12 EGBGB. 841
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So insbesondere in den Abkommen über Unterhalt von Kindern und Schutzmaßnahmen für sie. Vgl. Art. 14 E G B G B und dazu oben S. 249, Anm. 72. Vgl. S. 525 f. Vgl. S. 595. Vgl. oben S. 242, Anm. 93. Vgl. oben S. 234, Anm. 28, sowie S. 235, Anm. 33, und S. 242, Anm. 55. B G H , N J W 1979, 1776, ist der Meinung, daß - jedenfalls für Art. 18 E G B G B - die neben der deutschen Staatsangehörigkeit besessene ausländische Staatsangehörigkeit vorzuziehen ist, wenn sie sich durch den gewöhnlichen Aufenthalt in dem ausländischen Heimatstaat als die effektivere Staatsangehörigkeit darstellt. Im öffentlichen Recht und im Verfahrensrecht dürfte hingegen immer noch bei Doppelstaatsangehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit allein maßgebend sein.
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Vgl. § 244 B G B . Uber die verschiedenen Arten der Geldwertklauseln vgl. Zehetner, Geldwertklauseln im grenzüberschreitenden Geldverkehr, 1976. Als Spezialrecht im weiteren Sinne sind auch z. B. Bestimmungen des unlauteren Wettbewerbsrechts zu verstehen, welche den (unzutreffenden) Hinweis auf den inländischen Ursprung der von einem Geschäft angebotenen, bzw. den Hinweis auf den ausländischen Ursprung der von der Konkurrenz vertriebenen Ware als „unlauter" bezeichnen. § 2251 B G B der Bundesrepublik ermöglicht hier mündliches Testament vor drei Zeugen, auch ohne daß die Voraussetzungen des § 2250 vorliegen. Ein staatlicher Gesetzgeber kann sogar für die Angehörigen dieses Staates in einem Gebiet, welches weder Inland, noch Staatsgebiet eines anderen Staates ist, besondere familienrechtliche Vorschriften bilden: Die britischen Civil Marriage Regulations N r . 5/1974 für die Neuen Hebriden enthalten zwar keine Beschränkung des Kreises derjenigen Personen, die vor dem britischen Standesbeamten eine Ehe schließen können, regeln aber die Ehevoraussetzungen: Einige Ehehindernisse werden in der Verordnung selbst beschrieben, im übrigen sollen die Ehehindernisse der Verwandtschaft und Schwägerschaft gelten, die eine Eheschließung in England hindern würden. Diese Bestimmungen gelten dann auch für andere als britische Staatsangehörige, wenn sie sich im Kondominium dem britischen Recht unterstellen (vgl. S. 251, Anm. 79). Vgl. dazu S. 455. Eine andere Sache ist es, ob es eine Rolle spielen soll, wie die „Sitten" selbst ihren Anwendungsbereich abgrenzen, vgl. Neumeyer, ZöffR 11 (1931) 34ff. Vgl. Art. 15 (2) E G B G B . Uber das Personalstatut von Chinesen in anderen asiatischen Ländern vgl. S. 300, Anm. 114. Sätze, welche das gültige Zustandekommen von Rechtsgeschäften aus Gründen der Devisenbewirtschaftung usw. verhindern, wollen sowohl für Geschäfte unter inländischem, als auch für Geschäfte unter ausländischem Geschäftsstatut Anwendung finden, wenn die von ihnen selbst bezeichneten Inlands- bzw. Auslandsverknüpfungen vorliegen, vgl. S. 528. Vgl. S. 210 f. Vgl. Art. 15 (2) E G B G B . Es wäre dies eine Parallele zu der Regelung im kanonischen Recht, welche („für" die kirchliche Rechtsordnung) mit dem sog. Privilegium Paulinum die Auflösung von nichtchristlichen Ehen ermöglicht, wenn einer der Ehegatten Katholik wird. Vgl. das französische Gesetz vom 25. 10. 1972. Hat die Auslegung der einzelnen Rechtssätze eines staatlichen Rechts, welche in homogen verknüpften Situationen anwendbar sind, „im Kontext" des ganzen Privatrechtssystems zu erfolgen, so ist dies auch für solche Sätze nicht zu vermeiden, deren Einfügung in das Inlandsrecht durch völkerrechtlichen Vertrag geboten ist. Damit wird die Ubereinstimmung der Auslegung solcher Sätze, wenn sie uniformes Recht für mehrere Staaten darstellen sollen, gefährdet. Das gilt auch, wenn uniformes Spezialrecht zur Regelung heterogen verknüpfter Fälle vertraglich vorgesehen ist,
Anmerkungen zu S. 2 6 8 - 2 7 0 aber nicht alle Fragen abschließend regelt. Insoweit Auslegung im Kontext Anpassung der Auslegung der verschiedenen Rechtssätze bedeutet, ist den völkerrechtlich gebotenen Sätzen, wenn ihr Sinn anderweitig geklärt werden kann, die stärkere Bedeutung beizulegen. Fehlt es an einer verbindlichen Auslegung von vertraglich vereinheitlichtem Spezialrecht durch ein internationales Organ, so reduziert sich die Rolle des vertraglich gebotenen Rechts praktisch auf die eines empfohlenen Textes für nationales Recht, welcher im Kontext der rezipierenden Rechtsordnung ausgelegt wird; vgl. dazu Miller, Liability in international air transport. The Warsaw system in municipal courts, 1977, insbesondere S. 131 ff. Das dem Vertrag zur Einführung des einheitlichen Kaufrechts für internationale Käufe beigefügte Modellgesetz bestimmt in Art. 1, daß es sich auf Kaufverträge zwischen Parteien beziehen soll, deren Geschäftssitz sich in den Gebieten „verschiedener Staaten" befindet. Auf Grund von Art. III des Vertrages selbst kann jedoch jeder Signatarstaat bei der Verlautbarung des Gesetzes als innerstaadiches Recht die Worte „Staaten" durch „Vertragsstaaten" ersetzen. Das ist geschehen in dem Gesetz der Bundesrepublik vom 17. 7. 1973. Gelegentlich findet sich noch die Ansicht, auf Schiffskollisionen auf hoher See sei das „general maritime law" anzuwenden, das nur in den verschiedenen Forumstaaten möglicherweise verschieden „ausgelegt" werde, vgl. Fitzgerald v. Texaco, 521 Fed. 448. Daß Uberzeugungen von einem rechtlichen Gebotensein eines bestimmten Verhaltens unabhängig von staatlichen Gesetzen bestehen, und daß bei Verletzungen solcher Verhaltensgebote auch Sanktionen erfolgen können, die sich nicht als Eingriffe in Rechtsgüter des staatlichen Rechts darstellen, ist nicht zu bestreiten. Von den Schiedsgerichten der internationalen Wirtschaft werden immer wieder internationale Handelsbräuche „angewendet", die sich in einem heterogen verknüpften Personenkreis gebildet haben. Andererseits finden sich auch Verweisungen des staatlichen Rechts auf derartige Komplexe von normativen Vorstellungen in Gestalt internationaler Handelsbräuche. Daß diese in sich eine geschlossene Rechtsordnung darstellen, ist aber zu bezweifeln. Entschieden zu verneinen ist, daß in den internationalen Handelsbräuchen ein „internationales Handelsprivatrecht" zu sehen sei, das von den Verweisungen einer staatlichen Verfassung auf das „internationale Recht" erfaßt werde (so allerdings Balossini, La categoria del „diritto dei privati" nei rapporti commerciali „internazionali", 1968). Für die Anwendbarkeit des durch Vertrag gebildeten einheitlichen Kaufrechts für internationale Käufe ist neben dem Sitz der Parteien in verschiedenen Vertragsstaaten erforderlich, daß nach dem Vertrag die verkaufte Sache in das Gebiet des anderen Staates befördert wird oder befördert werden soll, oder daß Angebot und Annahme des Vertragsangebots im Gebiet verschiedener Staaten vorgenommen worden sind, oder daß die Lieferung im Gebiet eines anderen als desjenigen Staates zu bewirken ist, in dem das Vertragsangebot und dessen Annahme erfolgt sind. Ist das uniforme materielle Recht in einem Vertragsstaat ohne Bezugnahme auf den völkerrechdichen Vertrag, der zur Einführung der einheitlichen Regelung verpflichtet, eingeführt worden, so wird der Anwendungsbereich eines solchen Gesetzes durch die allgemeinen Zuweisungsnormen im internationalen Privatrecht des betreffenden Staates besummt, sofern das Gesetz nicht selbst eigene besondere Zuweisungsnormen enthält. Für das Wechsel- und Scheckrecht ist eine von der Uniformierung des materiellen Rechts getrennte Vereinheitlichung der Kollisionsnormen erfolgt durch Verträge vom 7. 6. 1930 bzw. 19. 3. 1931. Vgl.S. 300, Anm. 114. So galt das „gemischte" Privatrecht des ägyptischen code civil mixte und des code de commerce mixte für die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den in Ägypten ansässigen Ausländern unter sich bzw. ihren Beziehungen zu Ägyptern. So wurden etwa in Indien Mischehen zwischen Angehörigen der verschiedenen religiösen Gruppen mit eigenem Gruppenrecht unter einem Special Marriage Act ermöglicht, vgl. S. 295, Anm. 71. Eine eigenartige Kombination von diskriminierendem und nicht diskriminierendem Spezialrecht zur Ergänzung der verschiedenen Gruppenrechte stellt der burmesische Buddhist Women's Special Marriage Act 1954 dar. Danach können buddhistische Frauen — das buddhistische Recht kennt keine Ehehindernisse der Religionsverschiedenheit — eine im staadichen Recht gültige Ehe auch mit Mohammedanern und Hindus eingehen, deren Personalstatut ihnen die Eingehung einer solchen Ehe verbietet. Die Ehe kann aber dann auf Antrag der Frau oder des Mannes — sofern dieser nicht sein Personalstatut aufgibt — wegen des im persönlichen Recht des Mannes liegenden Ehe-
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Anmerkungen zu S. 270—272 hindernisses geschieden werden; die Scheidungsfolgen sind dann für die Frau günstiger als für den Mann. Bei den Männern handelt es sich praktisch meist um Nichtburmesen. Zeitweise wurde in der französischen Rechtsprechung angenommen, daß gewisse internationale Transaktionen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Bestimmung von gewissen zwingenden Bestimmungen, wie sie im Inlandsrecht der Staaten vorkommen können (z. B. Goldklauselverbote), wegen der besonderen Natur dieser Transaktionen von vornherein nicht erfaßt würden, oder daß es den Parteien — anders als in homogen verknüpften Situationen — wenigstens freistünde, die Anwendbarkeit solcher Bestimmungen durch ausdrückliche, oder evtl. auch stillschweigende, Vereinbarung auszuschließen. Diese Vorstellung von der „Immunität" internationaler Geschäfte von zwingendem Inlandsrecht steht sicher in Widerspruch zu dem Postulat der Gleichbehandlung der an homogen und der an heterogen verknüpften Situationen Beteiligten. Zu verwerfen ist jedenfalls ihre Anwendung auf Verträge, die keinerlei Verknüpfung zu einem Staat aufweisen, welcher eine solche Immunität bejaht. Vgl. ferner Anm. 55. So in der D D R das Gesetz vom 5. 2. 1976 über internationale Wirtschaftsverträge, in Verbindung mit späteren Anweisungen über den Außenhandel. Die Zulässigkeit von spezialrechtlichen Vorschriften bzw. gerichtlichen Anordnungen, den Aufenthaltsort von Kindern oder anderen Personensorgeobjekten nicht zu verändern, insbesondere sie nicht aus dem Inland zu entfernen, kann auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zweifelhaft werden, vgl. Hofmann, 6 Univ. Cai. Davis L. Rev. (1973) 181. Da das englische Recht nur in bestimmten Seerechtssachen den Gerichtsstand der Belegenheit (des Schiffs) für gewisse Verfahren kennt, hat die neue Rechtsprechung die sog. Mareva injunction gebildet, mit der dem Beklagten aufgegeben wird, bestimmte Vermögenswerte nicht aus England zu entfernen; Voraussetzung ist jedoch, daß eine Zuständigkeit der englischen Gerichte für eine Leistungsklage besteht. Beim Arrest nach § 916 ff. ZPO hat Klagerhebung vor einem deutschen oder einem ausländischen Gericht zu erfolgen, dessen Entscheidung auf Anerkennung in Deutschland rechnen kann. Wenn manche religiösen Gruppenrechte dem Abfall von der betreffenden Religion den Verlust von Erbberechtigungen auf Grund des betreffenden Gruppenrechts folgen lassen, so ist dies vielfach nur ein Anwendungsfall der allgemeinen Regel, daß Angehörige der Gruppe nur von Angehörigen derselben Gruppe beerbt werden können. Der jetzt aufgehobene Sarawak Muslim Converts (Property) Act hatte zur Folge, daß das Islamrecht, insbesondere als Erbstatut, beim Übertritt einer Person zum Islam erst dann durch die Gerichte angewendet werden durfte, wenn der Ubertretende den bei Anwendung von Islamrecht schlechter als bis dahin gestellten Angehörigen einen Ausgleich zukommen ließ. Der argentinische Vorentwurf für ein internationales Privatrecht von 1974 will den Irrtum über ein anderes Recht als das Recht des Domizillandes des Irrenden als Tatsachenirrtum und nicht als Rechtsirrtum behandeln. Daraus soll jedoch nicht geschlossen werden, daß für den Richter die Ermittlung des ausländischen Rechts der Klarstellung von Tatsachen gleichzustellen ist (Art. 5). Es kann Verschulden bei Vertragsschluß unter deutschem Recht darstellen, wenn eine Partei die andere nicht darüber informiert, daß nach dem Recht des Sitzstaates der ersten Partei der ausgehandelte Vertrag mangels devisenrechtlicher Genehmigung nichtig sein wird. Vgl. BGH 14. 6. 1957, WM 1957, 981. Spezialrechtssätze über die Pflicht zur Weitergabe von Kenntnissen über die Rechtslage an die offensichtlich nicht informierte andere Partei können sich insbesondere auf das zur Rechtswahl vorgeschlagene Geschäftsstatut beziehen. Verhandeln Deutsche mit deutschem Wohnsitz über einen im Ausland zu erfüllenden Vertrag, für den die eine Partei das ihr bekannte ausländische Recht als zu wählendes Geschäftsstatut vorschlägt, so kann ihr durch einen deutschen Spezialrechtssatz eine Verpflichtung zur Aufklärung der anderen Partei über ungewöhnliche Abweichungen dieses Rechts vom deutschen Recht auferlegt sein. Bei fahrlässig falsch gegebenen Auskünften über die Bestimmungen eines für die Vertragsabwicklung bedeutsamen ausländischen Rechts kann sich eine Vertragspartei unter dem englischen Misrepresentation Act 1967 schadensersatzpflichtig machen (wobei die Angaben über das ausländische Recht als Angaben über Fakten gelten) : André v. Ets. Michel Blanc [1977] 2 LI. L. R. 166. Vgl. S. 370, Anm. 176. Uber Spezialrecht bei Ungewißheit über die Anknüpfungsmomente im intergentilen Recht siehe auch Anm. 13 zu S. 458.
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Die Frage spielt vor allem in den Vereinigten Staaten eine Rolle, vgl. Ehrenzweig S. 183. Das Verbot, ein Gerichtsverfahren im Ausland anhängig zu machen (antisuit injunction) hindert in den Vereinigten Staaten nicht, daß, wenn trotzdem Klage erhoben ist und das ausländische Urteil zuerst ergeht, und das ausländische Gericht konkurrierend zuständig war, dieses Urteil anerkannt wird: Stambaugh v. Stambaugh, (Pa. 1974) 329 A. 2d 483. B G H , IPRsp 1954 — 55, Nr. 154, scheint davon auszugehen, daß die Einleitung von Verfahren zur Geltendmachung von Rechten vor ausländischen Gerichten, von denen die Anwendung ihres abweichenden internationalen Privatrechts erwartet werden kann, nicht Gegenstand einer Unterlassungsklage in Deutschland werden könne. Vgl. dazu Ehrenzweig, aaO, S. 129. Eine Korrektur des Erfolges, den eine Partei durch Erwirkung eines Urteils und anschließender Zwangsvollstreckung im Ausland erzielt hat, in einem anderen Staat scheitert, insoweit die Gerichte des Vollstreckungslandes durch Vertrag ausschließlich Zuständigkeit für Streitigkeiten „über" die oder „wegen" der Vollstreckung haben, wie nach Art. 16 der EWG-Konvention vom 27. 9. 1968. Im Verhältnis zwischen Schiffsgläubigern unter sich will B G H , IPRsp 1960 — 61, N r . 53, Bereicherungsansprüche gewähren, wenn bei der Zwangsversteigerung des Schiffs im Ausland die nach deutscher Auffassung bestehenden Rangverhältnisse der Forderungen nicht beachtet wurden. Ebenso schon RG, IPRsp 1930, Nr. 15. Über ein solches prélèvement compensatoire vgl. Droz, Rev. Crit. 1973, 320. Uber das hiervon verschiedene prélèvement successoral des französischen Gesetzes vom 14. 7. 1819 vgl. Batiffol, Bd. 2, S. 353 ff. Eine Verallgemeinerung dessen, was ein belgisches Gesetz vom 27. 4. 1865 und ein niederländisches Gesetz vom 7. 4. 1869 bestimmen, wurde versucht in Art. 14 des Benelux-Vertragsentwurfs für ein internationales Privatrecht: uater des Madrider Ubereinkommens. Damit, daß von mehreren Immaterialgüterrechten für bestimmte Staatsgebiete eines als das Hauptrecht gilt, nicht zu verwechseln ist es, wenn ein Land überhaupt kein eigenes Patentrecht hat, aber den in einem bestimmten anderen Land erteilten Patentrechten unter Anwendung der Gesetze dieses Landes auch für das Inland Schutz gewährt wird, sobald dieses Patent im Inland registriert worden ist; so konnte von 1916 — 1968 ein Patent für Nigeria nur durch Registrierung eines bereits erteilten britischen Patents erwirkt werden, die sich dahin auswirkte, „as though the patent had been issued in the United Kingdom with an extension to Nigeria". 1 6 Das europäische Gemeinschaftspatent des Ubereinkommens vom 15. 12. 1975 ist für alle Vertragsstaaten einheitlich und kann nur für die Gebiete aller dieser Staaten zugleich begründet oder übertragen werden und erlöschen. Obwohl es nach Art. 2 „nur" den Vorschriften des Ubereinkommens unterstehen soll, ist auf Verletzungen subsidiär das natiorj^le Recht anwendbar (Art. 36), desgleichen können nach nationalem Recht Zwangslizenzen für das Gebiet eines einzelnen Staates erteilt werden. Es handelt sich also doch nur um ein „Bündel" nationaler Patentrechte mit völkerrechtlich gebundenem Inhalt. 1 7 Vgl. dazu R G Z 129, 388. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts in A für Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung eines für das Gebiet von B erteilten Patentrechts kann auf dem inländischen Wohnsitz des Verletzers oder darauf beruhen, daß er Vermögen im Staat A besitzt; es ist nicht erforderlich, daß die Vorbereitung der Verletzungshandlung im Staat A begangen worden ist. In Deutschland kann auch auf Unterlassung der Verletzung ausländischer Warenzeichen geklagt werden: B G H , IPRsp 1956 — 57, Nr. 163; das gilt insbesondere, wenn ein Teil der Vorbereitungshandlung für die Verletzung im Ausland im Inland begangen worden ist: IPRsp 1956 — 57, Nr. 165. 18 19
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Vgl. dazu oben S. 41. B G H , IPRsp 1956 — 57, Nr. 163, geht von der verfehlten Vorstellung aus, daß Ansprüche aus der Verletzung von Monopolrechten internationalprivatrechtlich wie deliktsrechdiche Ansprüche zu behandeln seien, und will deshalb gegenüber einem deutschen Verletzer eines portugiesischen Warenzeichens Art. 12 E G B G B zur Anwendung bringen. Dabei soll es aber darauf ankommen, ob ein solcher Anspruch gegenüber dem deutschen Beklagten aus einem analogen deutschen Monopolrecht gegeben wäre. Ist das nicht der Fall, so kann ein Deutscher aus der Verletzung eines ausländischen Warenzeichenrechts in Deutschland nicht haftbar gemacht werden. Darüber, ob von dem oben Gesagten eine Ausnahme anzunehmen ist, wenn die Vornahme einer Handlung auf fremdem Staatsgebiet vom dortigen Recht unter Androhung von Unrechtsfolgen geboten war, und darüber, ob der fremde Staat völkerrechtlich verpflichtet ist, Handlungen auf seinem Gebiet zu verbieten, die ihre schädigenden Wirkungen im Ausland auslösen, vgl. S. 423 und S. 442. Desgleichen kann der Staat A in einem Unterlassungsurteil einer auf seinem Gebiet befindlichen Person verbieten, durch Handlungen auf dem Staatsgebiet des Staates A Eingriffe in das nach dem
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Anmerkungen zu S. 482
Recht B begründete konkrete Eigentumsrecht an einer im Staat B belegenen Sache vorzunehmen. Dabei ist jedoch nicht nur für die Frage, ob an der in B belegenen Sache ein Monopolrecht begründet worden ist, und wem es zusteht, sondern auch für die Frage nach dem Inhalt und den Grenzen dieses Monopolrechts an der Sache das Recht des Belegenheitsstaates zugrunde zu legen. Vom Staat A ausgehende materielle oder immaterielle Immissionen auf ein ausländisches Grundstück und die darauf befindlichen Sachen können, wenn die Immissionen nach dem Recht des Belegenheitslandes B gar nicht als eine unzulässige Beeinträchtigung des Eigentums oder des Besitzes an der Sache gelten, sondern vom Eigentümer hingenommen werden müssen, im Staat A nicht untersagt oder mit Schadensersatzverpflichtungen ausgestattet werden mit der Begründung, nach dem Recht des Handlungsortes stelle die Verletzung von Eigentum ohne Rücksicht darauf, wo dieses belegen ist, eine deliktische Handlung dar, und worin die gesetzlich gebotene Verletzung des Eigentums an einer Sache bestehe, bestimme das anwendungswillige Recht des Ortes, wo die das Delikt darstellende Handlung begangen wird. Mit dieser Argumentation wurde übersehen, daß der Inhalt des Monopolrechts an Sachen nur im Recht des Staates bestimmt wird, für dessen Gebiet er durch seine Gesetze das Monopolrecht begründet hat; darüber, daß die Verweisung bezüglich der Folgen der Verletzung eines Monopolrechts auf das Deliktsrecht nur eine gesetzestechnische Verweisung ist, vgl. oben S. 478. Anders ist es, soweit die Verursachung von Vorgängen, welche unerwünschte Einwirkungen auf Sachen, und möglicherweise zugleich auf die nicht als Sache behandelten menschlichen Körper zur Folge haben können, ohne Rücksicht darauf, ob solche Folgeerscheinungen tatsächlich eingetreten sind, und wenn ja, ob die betroffenen Sachen herrenlos waren oder nicht, vom Recht des Handlungsortes — evtl. auch vom Recht des Heimatstaates des Handelnden — verboten werden; so z. B., wenn bestimmte Exmissionen, welche andere Sachen nachteilig verändern könnten, verboten werden. Der Urheberstaat eines solchen Verbotes kann die betreffende Bestimmung durch seine Gerichte auch dann zur Anwendung bringen lassen, wenn der ausländische Lagestaat der durch die Folgen der Handlung betroffenen Sache weder ein entsprechendes deliktsrechtliches Verbot hat (und wegen des inländischen Wirkungsortes angewendet wissen will), noch in der Einwirkung auf die Sache eine verbotene Beeinträchtigung der an der Sache bestehenden Monopolrechte erblickt. Wenn bestimmt werden kann, daß ausländischen Immaterialgüterrechten im Forumstaat kein umfangreicherer Schutz zuteil werden soll, als er dem analogen Immaterialgüterrecht für das Gebiet des Forumstaates zuteil wird, so könnte auch daran gedacht werden, beim Schutz eines auf Grund ausländischen Rechts begründeten Monopolrechts an Sachen eine Bestimmung zu treffen, daß der Eigentümer der im Ausland belegenen Sache gegen den Störer Ansprüche im Forumstaat nicht in größerem Umfang stellen kann, als es bei einer Störung des Eigentums an einer im Forumstaat befindlichen Sache möglich wäre. Soweit das nicht bei krassen Abweichungen zwischen den beiden Sachenrechten aus der ordre public-Klausel des Forumstaates gefolgert wird, ist diese Kumulation jedoch unüblich. Uber die davon zu unterscheidende Frage, wann in heterogen verknüpften Situationen die Anwendung eigener oder fremder Verbote von Handlungen, die eine Einwirkung auf Sachen oder Menschen zur Folge haben, davon abhängig ist, daß ein verknüpfter anderer Staat — sei es der Heimatstaat des Klägers, sei es der Lagestaat der Sache — Gegenseitigkeit übt, vgl. S. 430. Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich, daß Art. 12 E G B G B nicht anwendbar ist, wenn ein Deutscher vor einem deutschen Gericht auf Unterlassung von Störungen des Eigentums an einer im Ausland belegenen Sache oder auf Schadensersatzleistung bei vollzogener Störung verklagt wird, und das Recht des Lageortes der Sache angewendet werden muß. Es wäre absurd, wenn eine nach deutschem Recht zulässige Einwirkung auf fremde Sachen zur Verurteilung eines in Deutschland verklagbaren Ausländers führen könnte, sofern es sich um eine nach dem Recht des ausländischen Lageortes unzulässige Beeinträchtigung handelt, während der deutsche Beklagte, der dieselbe Handlung im Ausland gegenüber der dort belegenen Sache begeht, sich auf die hypothetische Zulässigkeit der Handlung unter deutschem Sachenrecht berufen könnte. Der B G H denkt allerdings offenbar an eine Anwendung der Verordnung vom 9. 12. 1942 oder des Art. 12 E G B G B auf das Verhalten deutscher Wettbewerber in bezug auf ein ausländisches Warenzeichen, vgl. B G H , IPRsp 1954 — 55, N r . 154. Unabhängig von den durch das Lagerecht der Sache vorgesehenen Schadensersatzansprüchen des Monopolrechtsinhabers können deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche dritter Personen bestehen, wenn mit der Einwirkung auf die Sache zugleich ein Schutzgesetz zugunsten Dritter verletzt
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worden ist. Ist also z. B. die schuldhafte Beschädigung eines Stromkabels als Schädigung einer „öffentlichen Einrichtung" strafbar, oder erfolgt sie in Verletzung einer speziell zum Schutze von Stromkabeln in einer Wasserstraße erlassenen Verkehrsvorschrift, und gelten diese Bestimmungen als Schutzgesetz zugunsten der Stromabnehmer, so können auch die durch die Unterbrechung der Stromzufuhr geschädigten Dritten Schadensersatz verlangen. Das anwendbare Schutzgesetz wird zwar auch hier meist das Lagerecht der Sache sein, doch könnte für den Schadensersatz der Stromabnehmer auch das gemeinsame Heimatrecht von Schädiger und Stromabnehmern anwendbar sein. 2 3 Vgl. dazu S. 650 f. 2 4 Das gilt selbstverständlich nur, wenn an dem Grundstück bereits Eigentum bestand. 2 5 Wem ein Monopolrecht kraft Gesetzes bei der Entstehung des Rechts anfällt, bestimmt das Recht des Staates, der ein solches Monopolrecht für sein Staatsgebiet entstehen läßt. Insbesondere aus einem Arbeitsverhältnis kann sich ergeben, daß der Erwerber des Monopolrechts den Rechtszustand herzustellen hat, wie er in dem Staat besteht, dessen Recht Geschäftsstatut für das Arbeitsverhältnis ist; vgl. dazu § 34 (2) des österreichischen IPR-Gesetzes 1978, der sich auf Arbeitnehmererfindungen bezieht. 2 6 Müßten widersprüchliche nachbarrechtliche Vorschriften kumuliert werden, so kann eine Billigkeitslösung angebracht sein. In den Fällen, in denen Schadensersatzansprüche im Verhältnis zwischen Grundstückseigentümern erhoben wurden, deren Grundstücke durch die Staatsgrenze getrennt waren, hat die deutsche Rechtsprechung konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte am Handlungsort und am Erfolgsort angenommen; vgl. RGZ 36, 237; 122, 196. Die Rechtsprechung hat ferner eine alternative Anwendung des Rechtes des Handlungs- (Unterlassungs-)ortes und des Rechtes des Wirkungsortes annehmen wollen. Angesichts dessen, daß in den entschiedenen Fällen inhaltliche Übereinstimmung beider Rechte bestand (vgl. z. B. LG Passau, IPRsp 1952—53, Nr. 33), wurde nicht geprüft, ob auch im Staat des ausländischen Handlungsortes alternative Anwendbarkeit beider Rechte bejaht wurde, und auf diese Weise Gegenseitigkeit gewährleistet war. Keine hypothetische Gegenseitigkeit ist erforderlich, damit eine Servitut gemäß dem Recht des belasteten Grundstücks zugunsten eines ausländischen Grundstücks begründet wird; es ist also nicht erforderlich, daß dieselbe Servitut von dem begünstigten Grundstück gemäß dem Lagerecht dieses Grundstücks hätte eingerichtet werden können. 2 7 Diese Gegenseitigkeit wird zumeist für die Staatsangehörigen der Signatarstaaten der Kollektivverträge über gewerblichen Rechtsschutz vertraglich gewährleistet, vgl. etwa Art. 2 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3.1883. 2 7 a V g l . dazu S. 651. 2 8 Es ist denkbar, daß von zwei Angehörigen desselben Staates der eine Inhaber des Monopolrechts für das Gebiet des einen, der andere Inhaber des entsprechenden Monopolrechts für das Gebiet eines anderen Staates ist. Keiner der beiden ist gehindert, die Richtigkeit seiner Behauptungen über die Rechtslage in jedem Staat, der ein zuständiges Gericht dafür bereithält, nachprüfen zu lassen. Nicht überzeugend ist es, wenn BGH, IPRsp 1954 —55, Nr. 154, eine im Inland begangene Verletzung eines inländischen Warenzeichens darin sieht, daß ein inländischer Wettbewerber gegenüber dem Inhaber des inländischen Warenzeichens unter Androhung einer Klage im Ausland behauptet, daß er in einem anderen Staat zur Benutzung dieses Warenzeichens (bzw. eines mit ihm verwechslungsfähigen ähnlichen Warenzeichens) befugt sei. 2 9 Vgl. S. 642. 3 0 Urheber eines Kunstwerks ist im allgemeinen eine natürliche Person. Das Recht eines Staates könnte aber bestimmen, daß der Werkurheber — ähnlich wie der angestellte Verarbeiter von Material, der eine neue Sache herstellt, den Eigentümer des Materials zum Eigentümer der neuen Sache machen kann — auch das Urheberrecht am Kunstwerk originär für einen anderen begründen könnte; in vielen Staaten ist derartiges unzulässig. 3 1 Beruht die Nichtanerkennung der juristischen Person, die im Lagestaat einer Sache als deren Eigentümer gilt, in einem anderen Staat darauf, daß sie dort ihren Verwaltungssitz hat, und daß den anwendungswilligen Vorschriften dieses Sitzstaates über die Begründung von juristischen Personen nicht Genüge getan ist, so läßt es sich vertreten, daß zur Herausgabeklage gegen einen zum Besitz der Sache unberechtigten Dritten, der sie aus dem bisherigen Lagestaat entfernt hat, nicht die Organe der juristischen Person, sondern nur die an der juristischeen Person beteiligten natürlichen Personen
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in ihrer Eigenschaft als bürgerlichrechtliche Gesellschaft zugelassen werden. Die Organe der im bisherigen Lagestaat der Sache als anerkannt geltenden juristischen Person können auch nicht auf Herausgabe der Sache an diese Organe klagen, wenn die Sache sich im Forumstaat in der Hand derjenigen Personen befindet, die dieser Staat in seiner Sicht noch als bürgerlichrechtliche Griindungsgesellschaft für eine juristische Person betrachtet, die von seinem Standpunkt aus noch nicht zur Entstehung gelangt ist. Stoll bestreitet die Herrschaft der lex rei sitae für alle Teilfragen des originären oder derivativen Erwerbs von Rechten an Sachen nicht, insbesondere auch nicht, daß die lex rei sitae die Fähigkeit zur Innehabung der von ihr gebildeten Sachenrechte regelt, vgl. Staudinger-Stoll, Rz. 124 zu Art. 12 E G B G B . Dann aber ist es unerklärlich, wenn ohne Einschränkung erklärt wird, daß bei dinglichen Rechtsgeschäften die Rechts- und Geschäftsfähigkeit der Beteiligten durch das Kollisionsrecht des Forumstaates gesondert angeknüpft werde, vgl. aaO, Rz. Nr. 146. Darüber, daß auch bei Verfügungen über Sachenrechte keine gesonderte Anknüpfung der Geschäftsfähigkeit stattzufinden hat, sonderen Gesamtverweisung auf die lex rei sitae das richtige ist, vgl. S. 642. Vgl. oben S. 483. Skeptisch in bezug auf das Bestehen völkerrechtlicher (gewohnheitsrechtlicher) Bindungen der im Text beschriebenen Art ist Stoll, aaO, Rz. 100. Es besteht aber z. B. eine gesicherte zwischenstaatliche Praxis, daß Sachen, die dem Eigentümer im Lagestaat entwendet und in einen anderen Staat verbracht worden sind, demjenigen, der nach dem Recht des bisherigen Lagestaates Eigentümer war, wiederzuverschaffen sind, solange nicht „gutgläubiger" Erwerb durch einen Dritten erfolgt ist; hat der alte Eigentümer den Rechtsweg in dem neuen Lagestaat ohne Erfolg erschöpft, so kann sich die Regierung des Heimatstaates seiner Ansprüche auf völkerrechtlicher Ebene annehmen. Uber Rechtshilfe bei der Rückführung gestohlener archäologischer Gegenstände besteht ein besonderer Vertrag vom 17. 7. 1970 zwischen Mexiko und den USA. Besteht in der Rechtsordnung des neuen Lagestaates kein gleiches oder auch nur ähnliches subjektives Recht, so besteht nicht etwa eine völkerrechtliche Verpflichtung des neuen Lagestaates, das Fortbestehen des Monopolrechts unter dem alten Statut anzuordnen. Die Frage ist heute weniger aktuell bei den Monopolrechten (Eigentum und Recht zu Besitz und Nutzung von Sachen), als vielmehr für die Rechte zu bevorzugten Befriedigung aus verpfändeten Sachen, vgl. dazu S. 577. Aber schon in früheren Zeiten war es unzweifelhaft, daß ein Staat, der die Sklaverei nicht selbst als Rechtseinrichtung kannte, nicht völkerrechtlich verpflichtet war, den entlaufenen Sklaven gegen dessen Willen dem Eigentümer oder dessen Heimatstaat auszuliefern. Vgl. unten S. 489. Der neue Lagestaat kann selbstverständlich seine Vorschriften über gutgläubigen Erwerb zur Anwendung bringen; dasselbe gilt für die Befugnis zur Aneignung unbestellt zugesandter und nicht zurückgeholter Waren. Die unter Verletzung von Ausfuhrverboten erfolgte Verbringung von Sachen in einen anderen Staat hat als solche nach allgemeinem Völkerrecht nicht zur Folge, daß der neue Lagestaat die Rückführung der Sache veranlassen müßte. War schon der Erwerb der verbotenerweise ausgeführten Sache unter dem Recht des früheren Lagestaates mit Rücksicht auf die beim Erwerb bereits vorhandene Absicht der verbotenen Ausfuhr nichtig, so ist der öffentlich-rechdiche Zweck der Hemmung der Gültigkeit des Privatrechtsgeschäfts kein Grund, um diese privatrechtliche Vorschrift im Einfuhrland nicht anzuwenden; notfalls kann es aber der neue Lagestaat mit Hilfe seiner ordre public-Klausel ablehnen, den früheren Eigentümer, der selbst von der Absicht der verbotenen Ausfuhr Kenntnis hatte, zur Klage auf Herausgabe zuzulassen. Der neue Lagestaat ist auch nicht gehindert, seine Bestimmungen über den gutgläubigen Erwerb durch Neuerwerber der Sache zur Anwendung zu bringen. Auch die schon vorliegenden Verträge über den Schutz von nationalem Kulturgut der Vertragsstaaten gehen nicht so weit, daß sie bei einwandfreiem Eigentumserwerb unter dem Privatrecht des alten oder des neuen Lagestaates den letzteren verpflichten würden, die nur verbotenerweise ausgeführte Sache entgegen dem Willen ihres neuen Eigentümers wieder in den alten Lagestaat zurückzubringen. Anders ist es, wenn etwa bei illegalen Ausgrabungen schon der Eigentumserwerb unter dem Recht des Lagestaates, und zugleich gutgläubiger Erwerb unter dem Recht des neuen Lagestaates, zu verneinen sind. Auch hier bieten die Verträge über Rechtshilfe in Strafsachen meist bessere Möglichkeiten für die Durchsetzung des Anspruchs des Herkunftslandes auf Rückführung als das Privatrecht. Erklärt der Lagestaat verborgene und von keinem Staatsorgan in Besitz genommene
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Sachen, die keinen privaten Eigentümer haben, zu Staatseigentum, so daß sie in diesem Lagestaat nur durch einen Vertrag mit der Regierung von einem Privaten zu Eigentum erworben werden könnten, so sind die Gerichte in dem Land, in das eine unter Mißachtung des Staatseigentums mitgenommene Sache später gebracht worden ist, nicht gehindert, in jenen Bestimmungen des Lagestaates über das latente Staatseigentum an verborgenen und von niemand besessenen Sachen eine krasse Abweichung von der lex fori zu sehen; vgl. dazu auch United States vs. McClain, 545 F. 2d 988. 3 8 Wird die Sache auf einem Transport angehalten und in einem ursprünglich nur als Transitland vorgesehenen Staat längere Zeit festgehalten, und kommt es zu einem Prozeß über die an der Sache bestehenden dinglichen Rechte, so kann das Recht dieses Belegenheitsstaates nicht mehr ignoriert werden. Weder die Vorstellung eines eigentumsartigen Rechts der natürlichen Person an den Bestandteilen ihres Körpers, noch eine Gleichstellung des menschlichen Körpers mit einer Sache, die in einem Dauerverhältnis zu einem bestimmten Staat steht, sind verwendbar für die Rechtsfragen einer Organtransplantation: Auf den letzten einfachen Aufenthaltsort einer natürlichen Person kommt es an, wenn vor oder nach ihrem Tode Teile ihres Körpers zwecks Verpflanzung entnommen werden sollen und die Frage gestellt wird, in welcher Form eine Einwilligung von der betreffenden Person selbst erklärt werden muß, bzw. ob ihre Einwilligung bei Erklärungsunfähigkeit von anderen abgegeben werden kann. Das argentinische Gesetz Nr. 21541 (1977) läßt erkennen, daß seine Regelung für alle Organentnahmen auf argentinischem Gebiet gelten soll; auch als zustimmungsberechtigte Dritte kommen nur solche in Betracht, die persönlich am Todesort anwesend sind. Schon die Notwendigkeit schneller Entscheidungen läßt es als unzumutbar erscheinen, daß Untersuchungen nach der Staatsangehörigkeit oder dem Domizil des Organspenders und nach dem Inhalt etwaigen einschlägigen ausländischen Rechts angestellt werden. 3 9 Vgl. S. 646. 3 9 a Das gilt vor allem für die Rechtsbeziehungen zwischen den Angehörigen einer diplomatischen Vertretung in Bezug auf bewegliche Sachen, die sich in exterritorialen Gebäuden befinden. Auch bei einem Trustvermögen dürfte es möglich sein, die vom Trusterrichter verfügte Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts als Truststatut dahin zu verstehen, daß im Verhältnis zwischen den unmittelbar beteiligten Personen auch sachenrechtliche Fragen so zu behandeln sind, wie es im Truststatut vorgesehen ist; im Verhältnis zu Dritten kann das Sachenrecht des Lagestaates nicht ausgeschaltet werden; vgl. dazu Augustus vs. Permanent Trustee Co., [1971] Aust. L.R. 661. 4 0 Vgl. S. 480. 4 1 Vgl. Anm. 59 zu S. 322. Die außerhalb des aufgeteilten Staates belegene Sache, die im Eigentum des bis dahin ungeteilten Staates oder einer zentralen öffendich-rechtlichen Körperschaft stand, bleibt „Eigentum" gemäß dem Recht des Lagestaates. Darüber, wer mit Rücksicht auf die Staatsteilung als Eigentümer anzusehen ist, vgl. S. 323. Das Warenzeichenrecht des Landes, dessen Seegebiet von einem ausländischen Schiff durchfahren wird, ist nicht auf die Kennzeichnung der Waren anwendbar, die auf dem Schiff transportiert oder dort an die Passagiere verkauft werden. Die Geltung des Patentrechts des Aufenthaltslandes ist gegenüber zeitweise im Staatsgebiet befindlichen ausländischen Transportmitteln eingeschränkt durch Art. 5 ter der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883. 4 4 Das Schiff auf See kann selbstverständlich auch durch Staatsorgane dritter Staaten gegen rechtswidrige Angriffe (Seeräuber) geschützt werden. Es kann aber nur von Staatsorganen des Heimatstaates auf See beschlagnahmt werden, und die Organe des Heimatstaates können es gegen die Arrestierung durch andere Staaten schützen. 4 5 Anwendbar ist hier nicht das Inlandsrecht, wie es im Heimatstaat des Okkupanten gilt, sondern sind die den zivilisierten Staaten gemeinsamen Regeln. Uber den Erwerb von Eigentums- bzw. Besitzrechten an Land in Spitzbergen vor der Errichtung der norwegischen Gebietshoheit vgl. den Anhang zum Spitzbergenvertrag vom 19. 2. 1920. Die Rechtsgrundlage des Erwerbs wird gesehen in den „allgemeinen Grundsätzen von Recht und Billigkeit", wobei es vor allem auf Besitzbegründung und effektive Benutzung ankommen soll. Ein Konventionsentwurf für Spitzbergen als staatloses Gebiet vom 26. 1. 1912 wollte einerseits
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den Erwerb von Rechten an Land durch Angehörige anderer als der Konventionsstaaten ausschließen, aber den Angehörigen anderer Staaten ermöglichen, sich unter den Schutz eines Vertragsstaates zu stellen, und damit auch in bezug auf den Erwerb von Grundstücksrechten wie Angehörige dieses Staates behandelt zu werden. Der Konventionsentwurf enthielt Sachnormen über den Erwerb von Nutzungsrechten durch Okkupation, die aber durch Nichtausübung des Rechts wieder verlorengehen sollten; auch sollten die Grundstücke, an denen solche Rechte durch Okkupation begründet wurden, nicht „übermäßig groß" sein. Der Entwurf enthielt sogar Bestimmungen über die Form von Verträgen zur Übertragung erworbener Grundstücksrechte. Drei bevorzugte Staaten sollten ein oberstes Gericht für Grundstückssachen und gewisse andere Streitigkeiten errichten; dieses Gericht sollte außer den Bestimmungen der Konvention subsidiär nach „den" Prinzipien des internationalen Privatrechts, und ganz subsidiär nach Billigkeit entscheiden. Soweit es „nach internationalem Privatrecht" auf das Domizil einer Person ankam, und die fragliche Person ihr Domizil in Spitzbergen hatte, sollte das Domizilrecht des letzten früheren Domizilstaates das Personalstatut abgeben. Ein ausschließliches Recht zur Nutzung von Teilen des Meeresbodens unter dem hohen Meer, welches nicht von dem tatsächlich ausgeübten Besitz abhängt, kann wohl kaum von einem einzelnen Staat verliehen werden. Anders allerdings ein Gesetzentwurf von 1971 für die Vereinigten Staaten, S. 1134 (93 d Congr.). 4 S a Vgl. dazu Simon vs. Taylor, [1975] 1 Mal. L . J . 236. Als Eigentümer der im herrenlosen Wrack auf dem Boden der hohen See gefundenen Sachen ist in dem Staat, wohin die Sachen gebracht wurden, der Finder anzusehen, nicht sein Heimatstaat: Treasure Salvors Inc. vs. Abandoned Sailing Vessel, 408 F. Supp. 907. 4 6 Vgl. unten S. 627, Anm. 2. 4 7 Es besteht sicher eine völkerrechtliche Regel des Inhalts, daß niemand, der nicht persönlich mit einem Staat verknüpft ist, die Inhaberschaft an Monopolrechten für das Gebiet dieses Staates gegen seinen Willen aufgezwungen werden kann. Es können ihm infolgedessen auch nicht die mit dem Monopolrecht verknüpften Verpflichtungen auferlegt werden. 4 8 Selbst unter dem System der Konsulargerichtsbarkeit und der gemischten Gerichtsbarkeit für Prozesse, an denen Ausländer beteiligt sind, war es unzweifelhaft, daß Pflichten aus dem Eigentum der Ausländer an Grundstücken in dem belasteten Staat im Verhältnis zwischen diesen ausländischen Eigentümern und Einheimischen nach der lex rei sitae zu beurteilen waren. Zieht die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers oder Besitzers eines Grundstücks nur Schadensersatzpflichten nach sich, und erklärt ein Staat das gemeinsame Heimatrecht auf Schadensersatzansprüche aus der Verletzung solcher Rechtssätze im Ausland als anwendbar, so sind die heimatlichen Verkehrssicherungspflichten den örtlichen Verhältnissen anzupassen, also insbesondere der Regeln, wie sie gegenüber den Staatsangehörigen des Lagestaates zu beachten sind; eine Ausnahme könnte gelten, wenn auf dem Grundstück überhaupt nur Staatsangehörige desselben fremden Staates verkehren, wie etwa in der Kaserne einer Besatzungstruppe. 4 9 Uber die gesetzliche Vertretung des Geschäftsunfähigen bei Verfügungen über ein Monopolrecht vgl. später S. 643. 5 0 Nach dem älteren common law waren die Eltern nicht ohne weiteres Verwalter des Kindesvermögens, sondern mußten erst zum Vermögensvormund bestellt werden. 50aVgl.S.377ff. SObVgl.S.20f. S O c Dem steht auch das Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5. 10. 1961, welches den Lagestaat zunächst grundsätzlich verpflichtet, Schutzmaßnahmen des Heimatstaates oder des gewöhnlichen Aufenthalts eines Minderjährigen in Bezug auf sein Vermögen anzuerkennen, nicht entgegen, vgl. Art. 9. 5 1 Möglichkeiten dazu bestehen meist nur dann, wenn das inländische Monopolrecht einer inländischen Tochtergesellschaft gehört, und inländische Minderheitsaktionäre durch Klage gegen den Vorstand der Tochtergesellschaft darauf hinwirken, daß die Organe der Tochtergesellschaft in bezug auf die Nutzung des inländischen Monopolrechts nicht Weisungen der Muttergesellschaft befolgen, zu deren Erteilung wiederum der Sitzstaat der Muttergesellschaft deren Organe genötigt hat, obwohl damit gegen das Interesse der Tochtergesellschaft verstoßen wird. Ein indirekter Zwang, welcher der auf Nichtbenutzung eines inländischen Monopolrechts gerichteten Weisung eines anderen Staates entgegengesetzt werden kann, ist beim Patentrecht die Zwangs-
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lizenz; die Erteilung einer solchen Lizenz setzt allerdings ein öffentliches Interesse an der Verwertung des Patents im Wirkungsland voraus, vgl. § 15 PatG. Zu denken ist an die Goldreserve der Staatsbank oder an Kunstgegenstände aus staatlichen Museen, die anläßlich eines Bürgerkrieges oder aus einem anderen Grunde ins Ausland gebracht worden sind. Vgl. S. 662 f. Vgl. Art. 16 des Vertrages der EWG-Länder über Gerichtsstand usw. vom 27. 9. 1968: Ausschließlicher Gerichtsstand im Lagestaat der unbeweglichen Sache ohne Rücksicht auf Wohnsitz des Beklagten für Prozesse, welche „dingliche Rechte" an der Sache zum Gegenstand haben; ausschließlicher Gerichtsstand für Klagen über die Gültigkeit von Immaterialgüterrechten des gewerblichen Rechtsschutzes, die in einem Vertragsstaat registriert sind oder als registriert gelten, in diesem Staat. Art. 110 (2) des schweizerischen Entwurfs für ein IPR-Gesetz erfordert für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über dingliche Rechte an einer in der Schweiz belegenen Sache, daß die Entscheidung „mit dem schweizerischen Sachenrecht vereinbar ist". Das wäre der Fall, wenn im gemeinsamen Wohnsitzstaat der Parteien der Beklagte verurteilt und durch Beugestrafen angehalten würde, ein Grundstück, das ihm im Lagestaat als sein Eigentum zugesprochen ist, als Eigentum des Klägers zu behandeln, ihm Besitz und Nutzung zu überlassen, oder gar die zur Umschreibung im Grundbuch notwendigen Erklärungen abzugeben. Vgl. S. 331. Primitive Rechte kennen Monopolrechte zum Gebrauch von Zauberformeln, während es in den Urheberrechtsgesetzen zivilisierter Staaten auch kein Urheberrecht an neu gebildeten Worten gibt. Die Benennung eines Grundstücks mit einem bestimmten Namen durch den Eigentümer kann nur als Handelsname desjenigen, der auf dem Grundstück ein wirtschaftliches Unternehmen betreibt, zu einem Monopolrecht werden; dabei ist aber die Verwendung desselben Namens durch andere Personen für andere Sachen nicht ausgeschlossen, wenn damit keine wettbewerblichen Interessen des ersten Namensgebers geschädigt werden. Vgl. unten Anm. 63. Das Recht auf den Namen, wie er in einem bestimmten Lande zu einem bestimmten Zeitpunkt zu führen ist, zieht auch einen öffentlich-rechdichen Anspruch darauf nach sich, daß die Behörden dieses Landes diesen Namen in öffentlichen Registern usw. und in Mitteilungen an den Namensträger verwenden. Hingegen hat kein menschlicher Namensträger im allgemeinen einen privatrechtlichen Anspruch darauf, daß ihn dritte Privatrechtssubjekte im Verkehr unter sich mit seinem richtigen Namen bezeichnen. Gibt sich der rechtmäßige Träger eines bestimmten Namens als identisch mit einem bestimmten anderen Träger desselben Namens aus, so kann darin eine unerlaubte Handlung gegenüber dieser anderen Person gemäß einem Recht liegen, dessen Anwendbarkeit z. B. auch auf der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien beruhen kann, vgl. oben S. 454. Ein hinkendes Namensrecht ist darin zu sehen, daß jemand in dem einen Staat diesen, in einem anderen Staat einen anderen Namen als seinen allein richtigen Namen zu führen hat und sich gegen die unberechtigte Führung dieses Namens durch andere wehren kann. Der auf dem Staatsgebiet eines Landes geäußerte Hinweis eines Namensträgers darauf, daß sein rechtmäßiger Name in einem anderen Lande anders laute, ist noch keine verbotene „Führung" des falschen Namens. Bei grenzüberschreitenden Mitteilungen ist nur in Äußerungen gegenüber einer Behörde der Name in der Fassung zu verwenden, wie ihn auch die Behörde gegenüber dem Namensträger verwenden müßte. Bei grenzüberschreitender Korrespondenz unter Privatpersonen liegt eine falsche Namensführung durch eine Person mit hinkendem Namensrecht nicht vor, wenn der verwendete Name entweder dem Recht des Ortes entspricht, von wo die Mitteilung abgeht, oder dem Recht des Bestimmungsortes. Spezialrechtliche Sätze über Fassung des im Inland zu führenden Namens von Ausländern und Naturalisierten enthält ein brasilianisches D. L. Nr. 5101 vom 17. 12. 1942. Eine Verpflichtung des Staates aus allgemeinem Völkerrecht, den Namen einer Person nur nach ihrem Heimatrecht, und nicht nach Wohnsitzrecht zu beurteilen, besteht sicher nicht. Der Heimatstaat einer natürlichen oder juristischen Person kann erst recht nicht verlangen, daß der von ihm für richtig gehaltene Name dieser Person auch von Ausländern im Ausland in ihren Äußerungen unter sich, oder daß er von einem fremden Staat in dessen Urkunden usw. verwendet wird. Absurd ist das Verlangen, daß ein Staat bei Ortsangaben über Vorgänge in einem abgetretenen Gebiet die vom Gebietserwerber vorgesehenen neuen Ortsnamen in Urkunden usw. verwendet. 955
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Auch bei anderen Immaterialgüterrechten wäre es theoretisch denkbar, daß zugunsten mehrerer Personen dasselbe Monopolrecht für dasselbe Gebiet besteht, daß also beispielsweise jede von zwei Personen, die dieselbe Erfindung gemacht haben, die Erfindung verwerten könnte. Das positive Recht verhindert derartiges zumeist durch mehr oder weniger künsdiche Prioritätenregelungen. Auch bei Handelsnamen des Kaufmanns kommt es auf die Priorität an. Der Schutz des Geschäfts(Handels-)namens in einem Staatsgebiet ist nicht davon abhängig, daß der Namensträger in seinem Heimatstaat ein Monopolrecht auf den Gebrauch dieses Geschäftsnamens hat, oder daß der Name nach den Bestimmungen des Heimatstaates als der richtige Name erworben worden ist. Das, wie alle Monopolrechte, territorial beschränkte Monopol am Handelsnamen entsteht vielmehr dadurch, daß dieser Name entweder in einem Staatsgebiet von dem Namensträger tatsächlich geführt wird und sich damit „eingeführt" hat, oder dadurch, daß er zwar in einem bestimmten Staat geführt wird, aber auch in einem anderen Staat bekannt geworden ist und sich damit auch im Gebiet dieses anderen Staates „eingeführt" hat. In Maxim's Ltd. v. Dye, [1977] 1 W. L. R. 1155, nimmt der High Cpurt an, daß der Name eines französischen Geschäfts auch in England so bekannt geworden ist, daß er von dem Verbot des englischen Rechts, das die unbefugte Benutzung eines Handelsnamens durch einen anderen verhindert, erfaßt wird. Vgl. ferner Näke, Der Schutz des ausländischen Handelsnamens in Deutschland, Diss. München, 1974, S. 154ff. Wenn BGH, IPRsp 1952 — 53, Nr. 12, bemerkt, daß dem wegen Verletzung seines Namensrechts klagenden Ausländer aus dem inländischen Recht keine weitergehenden, aber auch keine geringeren Befugnisse zustünden als sie nach deutschem Recht bestehen, so beruht dies darauf, daß der Namensschutz innerhalb Deutschlands allein vom deutschen Recht verschafft wird, und daß das ausländische Heimatrecht nur für die Ermittlung der Fassung des Namens herangezogen wird. Daß ein Staat Ausländern Ausweispapiere für den Gebrauch auf seinem eigenen Staatsgebiet ausstellt, ist absolut unbedenklich. Sowohl der Wohnsitzstaat als auch ein anderer mit dem Betreffenden verknüpfter Staat können Auslandspässe für Staatenlose ausstellen. Ein Staat darf auch Auslandspässe für die Angehörigen eines anderen Staates ausstellen, wenn eine Verknüpfung zu dem ausstellenden Staat besteht; ob dritte Staaten diese Pässe anerkennen, ist ihre Sache. Beim staatenlos Geborenen ist, ebenso wie beim Findlingskind, das Recht des Geburtsortes, wo ja zumeist eine standesamtliche Eintragung und damit eine Namensfeststellung zu erfolgen hat, für die Bestimmung des Namens vielleicht besser geeignet, als wenn man versuchen würde, das Land zu ermitteln, wo das Kind über die Eltern einen abgeleiteten Wohnsitz zur Zeit der Geburt hat. Ist bei doppelter Staatsangehörigkeit das eine Heimatrecht selbst nicht anwendungswillig, weil dem Heimatrecht der effektiveren Staatsangehörigkeit der Vorzug gegeben und diese in dem anderen Staat gesehen wird, so sollte ein dritter Forumstaat sich dem anschließen; desgleichen wenn einer der Heimatstaaten die Wahl des anderen Rechts zum Namensstatut, wie sie der andere Heimatstaat des Namensträgers vorsieht, anerkennt. Erst wenn beide ausländischen Heimatrechte mit verschiedenem Ergebnis anwendungswillig sind, sollte der Forumstaat sein eigenes System zur Ausschaltung des einen Heimatrechts zur Anwendung bringen. So wohl die meisten Länder des englischen Rechts, und ausdrücklich der Entwurf für ein schweizerisches IPR-Gesetz, letzterer jedoch mit der evident unparitätischen Einschränkung, daß Schweizer ohne Wohnsitz in der Schweiz „verlangen können", daß ihr Name — nämlich für die Namensführung auf schweizerischem Gebiet — durch schweizerische Behörden und nach schweizerischem Recht „bestimmt wird", vgl. Art. 35. O L G Stuttgart, IPRsp 1954 — 55, Nr. 9, bemerkt zutreffend, daß der Wohnsitzstaat die Führung eines anderen Namens als des nach dem Recht des Heimatstaates gebildeten Namens vorschreiben kann. Bei Staatenlosen und solchen Personen, deren Personalstatut nicht nach dem Recht des Heimatstaates zu beurteilen ist (politische Flüchtlinge usw., vgl. S. 253), ist das Recht des Wohnsitzstaates auch für die Namensfassung maßgebend. Daß der gemäß dem Heimatrecht gebildete Name bei schrifdicher Verwendung in einem anderen Staat nicht in der für die Sprache des Heimatlandes üblichen Schreibweise und Schrift geführt, sondern der Schreibweise und Schrift der Sprache des Verwendungslandes angepaßt werden muß, ist allgemein anerkannt. Hierfür spricht, daß nach der Konvention vom 13. 9.1973 über die Namensschreibweise in Standesregistern eine Person ohne Familien- und Vornamen, oder eine Person, deren Familien- und Vor-
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name unbekannt ist, in den Standesregistern der Vertragsstaaten vermerkt werden muß mit der Bezeichnung, „unter der sie bekannt ist"; das kann in seltenen Ausnahmefällen auch die Nummer eines Ausweispapiers oder die Nummer eines Registers sein. Ein Staat, welcher seinen eigenen Staatsangehörigen die Verwendung solcher Namen verbietet, deren Fassung nach historischem Sprachgebrauch auf die Zugehörigkeit zu einer privilegierten Klasse (Adel) schließen läßt, mag die Verwendung eines solchen Namens auf seinem Gebiet durch Ausländer dann als ordre public-widrig betrachten, wenn durch ständigen Aufenthalt in diesem Staat eine starke Binnenbeziehung entstanden ist. Anlaß zur Berufung auf den ordre public kann es auch sein, daß in dem nach ausländischem Recht gebildeten adligen Namen ein Hinweis auf örtlichkeiten im Forumstaat enthalten ist, und dadurch der falsche Eindruck einer Zugehörigkeit zum Adel des Forumstaates erweckt wird. In einem Staat, der Namen mit einem früher die Adelszugehörigkeit kennzeichnenden Zusatz beibehalten hat, wird die Abschaffung des adligen Namens für Ausländer in ihrem Heimatstaat meist nicht als eine Verletzung des ordre public betrachtet; es ist ständige deutsche Rechtsprechung, daß beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der bisherige Name ohne den abgeschafften Adelszusatz weiterzuführen ist; wenn die Abschaffung adliger Namen in diskriminierender Weise nur gegenüber Angehörigen einer bestimmten Volksgruppe erfolgt ist, so darf die Wiederherstellung des alten Namens nicht verweigert werden, vgl. § 3 a des Namensänderungsgesetzes. 11 Vgl. S. 127. Hat das Kind die spanische Staatsangehörigkeit des spanischen Vaters und zugleich die deutsche Staatsangehörigkeit der deutschen Mutter erworben, so führt es in Deutschland, wenn man dort nicht die spanische Staatsangehörigkeit als die effektivere ansehen will, den vom Vater geführten Doppelnamen, obwohl es nach spanischem Recht einen mit diesem Doppelnamen des Vaters nur zum Teil übereinstimmenden neuen Doppelnamen erhalten würde. Anders ist es, wenn der spanische Vater in Deutschland den Einzelnamen der deutschen Frau zum gemeinsamen Familiennamen der Ehegatten wählen durfte (vgl. Anm. 85); dann erhält auch das Kind diesen Namen. Griechen heiraten nur in standesamtlicher Form in Deutschland und nehmen Wohnsitz in Frankreich: Die Frau führt in Übereinstimmung mit dem griechischen Recht, nach welchem die Ehe nicht besteht, und in Ubereinstimmung mit dem französischen Recht, wonach sie ihren Namen mit der Eheschließung nicht verliert, ihren Mädchennamen weiter, selbst wenn sie bei der Eheschließung in Deutschland sich mit dem Familiennamen des Mannes bezeichnet hat. Vgl. S. 172 f. Daß es unzweckmäßig ist, den Namen gemäß dem Statut für ein Rechtsverhältnis zu bestimmen, an dem diese Person zusammen mit dem Träger eines bestimmten Namens beteiligt ist, wird deutlich, wenn die Person an mehreren Rechtsverhältnissen beteiligt ist, und jedes dafür maßgebliche Statut eine Namensänderung vorsieht, so etwa wenn das Personalstatut eines jeden Elternteils das Kind mit dem Namen des Vaters bzw. der Mutter versehen will. Auch ein Wechsel des Namens im Zusammenhang mit dem Wechsel des Statuts, welches das die Namensform beeinflussende Rechtsverhältnis beherrscht, ist für die Beteiligten wohl meist unerwünscht; andererseits wäre eine Ausnahme von der Wandelbarkeit des Statuts für ein Dauerrechtsverhältnis, die sich nur auf den Namen beziehen würde, kaum zu begründen. Eine Pflicht zur Mitwirkung an der Herbeiführung von Namensgleichheit im Verhältnis zwischen den Ehegatten kann Bestandteil des Rechts eines Staates über die persönlichen Ehewirkungen sein. Keineswegs ist aber stets anzunehmen, daß, wenn das Privatrecht des Landes, welches das Ehewirkungsstatut stellt, Namensgleichheit der Ehegatten vorsieht, die Ehegatten untereinander verpflichtet wären, Schritte zur Herstellung der Namensgleichheit zu unternehmen, insoweit für die Namen ausländisches Namensrecht maßgebend ist. Ein Interesse des Wohnsitzstaates und ein Interesse der verheirateten Frau daran, daß sie in Ubereinstimmung mit dem Recht dieses Landes ihren Mädchennamen nicht verliert und nicht den Familiennamen des Mannes annimmt, ist jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn im Wohnsitzland keine Ehehindernisse für Personen mit gleichem Familiennamen bestehen. Zu denken ist daran, daß nach dem Recht des Wohnsitzlandes das Kind den gemeinsamen einfachen Familiennamen der verheirateten Eltern erhält, nach dem Heimatrecht hingegen einen Doppelnamen aus den unterschiedlich gebliebenen Familiennamen der beiden Eltemteile. Auch die Möglichkeit der Annahme des Namens des Ehemannes der Mutter durch das Kind, dessen Vater jener Ehemann nicht ist, kann, wenn sie nach dem Recht des Wohnsitzstaates besteht, für den Wohnsitzstaat Veranlassung sein, dem Kind, bzw. seinem gesetzlichen Vertreter, eine Wahl der Anwendung der
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§17
Anmerkungen zu S. 501-503
diesbezüglichen Bestimmungen des Wohnsitzrechts anstelle der Vorschriften des Heimatstaates zu gestatten. 7 8 Am allerwenigsten hat der Wohnsitzstaat Grund, einen Zwang dahingehend auszuüben, daß der Ausländer, der für die Namensführung in diesem Wohnsitzstaat die Anwendung des Wohnsitzrechts wählen durfte, den gewählten Namen auch im Heimatstaat verwendet, wenn der Heimatstaat den gewählten Namen nicht als den richtigen Namen anerkennt. 7 9 Es handelt sich dabei insbesondere um die Ubersetzung von Vornamen in die amtliche Sprache des neuen Heimatstaates (was voraussetzt, daß es sich überhaupt um einen übersetzbaren Vornamen handelt), sowie um die Anpassung der Schreibweise des Familiennamens an die Schrift, die für die Sprache des neuen Heimatstaates üblich ist. Ein Vertrag vom 13. 9. 1973 befaßt sich mit der Schreibweise bei Namenseintragungen in den Standesregistern der Vertragsstaaten; dieser Vertrag will die in den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften über die „Bestimmung" von Familien- und Vornamen nicht berühren. Immerhin soll diejenige Schreibweise eines Namens bevorzugt werden, welche sich in Urkunden desjenigen Staates findet, dessen Staatsangehöriger der Namensträger z. Z. der Ausstellung der Urkunde war. 8 0 Werden also Eltern und Kinder eingebürgert, die im bisherigen Heimatrecht unterschiedliche Namen tragen, während das Recht des neuen Heimatstaates einen übereinstimmenden Namen vorsieht, so sollten hier die Kinder die Möglichkeit haben, diesen gemeinsamen Namen zu wählen. 8 0 a Vgl.Anm. 10,19, 22. 8 1 Vgl. S. 498. 8 2 Die Anerkennung der behördlichen Namensänderung durch den Heimatstaat für die Namensführung auf dem Staatsgebiet eines anderen Vertragsstaates ist ausdrücklich im Vertrag unter den Vorbehalt der ordre public-Klausel gestellt worden. Anlaß zur Anwendung der ordre public-Klausel kann es sein, daß durch den Namensänderungsakt jemand ein Name gegeben worden ist, den bereits ein Staatsangehöriger eines anderen Staates als seinen rechtmäßigen Namen trägt, und der nach dem Recht dieses anderen Staates durch Staatsakt nicht hätte nochmals vergeben werden dürfen. Das ist in manchen Rechten der Fall, wenn hinter dem Antrag auf Namensänderung nur die Absicht steht, ein in Wahrheit nicht bestehendes Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem, dessen Name geändert werden soll, und einem anderen vorzutäuschen, so z. B. wenn das uneheliche Kind den Namen des Mannes erhalten soll, den die Mutter als den Vater bezeichnet, dessen Vaterschaft aber gar nicht festgestellt werden kann. Angesichts dessen, daß das schweizerische Recht die Namensbildung nach dem Wohnsitzrecht beurteilen will (vgl. oben Anm. 68), sieht der schweizerische Entwurf für ein IPR-Gesetz vor, daß die Schweizer Behörden sowohl Namensänderungen von Schweizern mit ausländischem Wohnsitz, als auch von Ausländern mit Schweizer Wohnsitz nach schweizerischem Recht vornehmen dürfen, und daß ausländische Namensänderungen in der Schweiz anerkannt werden, wenn sie entweder im Heimat- oder im Wohnsitzstaat gültig zustandegekommen sind. 8 3 IPRsp 1971, Nr. 48. 8 4 Die Vorstellungen des BGH über die „Doppelqualifikation" der Rechtssätze betreffend den Namen der Ehefrau beruhen auf einem Mißverständnis: Als Ehewirkung kann eine einklagbare Verpflichtung der Frau gegenüber dem Mann (evtl. auch umgekehrt) bestehen, als Namen den mit dem Namen des anderen Ehegatten übereinstimmenden Namen zu führen; keineswegs haben aber alle Rechte, welche Gemeinsamkeit des Namens von Ehegatten vorsehen, eine Vorschrift, welche diese Namensführung zu einer Pflicht des einen Ehegatten gegenüber dem anderen macht. Überdies setzt eine solche Vorschrift im Ehewirkungsstatut voraus, daß dem angeblich verpflichteten Ehegatten die Führung des gemeinsamen Namens unter dem für die Namensführung maßgeblichen öffentlichen Recht des Namensführungslandes überhaupt möglich ist. Ein Gesetz, wonach die Ehefrau „den Namen des Mannes erwirbt", ist keineswegs stets dahin zu verstehen, daß, wenn das Recht, in dem sich dieses Gesetz findet, Ehewirkungsstatut wird, damit auch der Mann gegenüber der Frau privatrechtliche Ansprüche auf Führung dieses gemeinsamen Namens geltend machen kann. Im übrigen ist auch daran zu denken, daß etwa das für ein Adoptionsverhältnis der Frau zu ihren Adoptiveltern maßgebliche Statut einen privatrechtlichen Anspruch der Adoptiveltern auf Führung eines von ihnen abgeleiteten Namens und Unterlassung anderweitiger Namensführung haben könnte; auch dieser Anspruch bestünde dann aber wiederum nur unter der Voraussetzung, daß die gewünschte Namensführung unter dem öffendichen Recht des Namensführungslandes zulässig ist. 958
Anmerkungen zu S. 503
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§17
Schon R G Z 119, 44, meinte, daß, wenn ein Rechtsverhältnis eine Verpflichtung eines Beteiligten gegenüber einem anderen, seinen gesetzlich vom Familiennamen des Berechtigten abgeleiteten Familiennamen zu führen, enthält, deshalb das Personalstatut des Namensträgers nicht allein für die Neugestaltung seines Namens maßgebend sein könne. Auch der Ausländer, der zusammen mit seiner Ehefrau gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, kann von der im deutschen Recht vorgesehenen Möglichkeit, den Familiennamen der Ehefrau als Ehenamen, und damit zu seinem persönlichen Familiennamen, zu wählen, Gebrauch machen, auch wenn sein Heimatrecht nicht auf deutsches Recht verweist oder ihm kein Recht zur Wahl des Familiennamens der Frau gibt: B G H , N J W 1979, 489. Der B G H bringt m. E. nicht deutlich genug zum Ausdruck, daß das Recht zur Wahl des nach dem Wohnsitzrecht gebildeten Namens nur für die Fälle Sinn hat, in denen das Wohnsitzrecht einen ganz oder teilweise gemeinschaftlichen Namen für die an einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis beteiligten Personen vorsieht, und somit aus der Namensgleichheit Schlüsse auf das Bestehen dieses Rechtsverhältnisses gezogen werden können. Haben im Wohnsitzstaat die Ehegatten Familiennamen, aus denen kein Schluß auf das Bestehen der Ehe zwischen ihnen möglich ist, und können auch Personen mit gleichem Namen miteinander verheiratet sein, so besteht auch kein Bedürfnis, einem Ehepartner ein Recht zur Wahl eines Familiennamens zu geben, der von dem Familiennamen des anderen Ehegatten abweicht. Haben die deutsche Ehefrau und der ausländische Ehemann gemeinsamen Wohnsitz in einem Land, wo die Ehefrau ihren Familiennamen behält, und verlangt dieser Staat für die Namensführung in diesem Land, daß der Name nach seinem Recht, und nicht nach dem des Heimatstaates gebildet ist, so ist das allein für das deutsche Recht kein Grund, um den nach dem Wohnsitzrecht gebildeten Namen für die Namensführung in Deutschland und für die Eintragungen im deutschen Standesregister zugrunde zu legen. Wollte man hier das Wahlrecht gewähren, so müßte man generell den deutschen Staatsangehörigen das Recht geben, anstelle des nach deutschem Recht gebildeten Namens den nach dem anwendungswilligen Wohnsitzrecht gebildeten Namen für die Namensführung in Deutschland zu wählen. Für ein Wahlrecht zwischen der Namensbildung nach dem Heimatrecht und der nach dem Wohnsitzrecht besteht jedoch im positiven Recht keinerlei Ansatz. Verliert die Frau mit der Scheidung nach ihrem Heimatrecht den bis dahin auf Grund ihres Heimatrechts mit dem des Mannes gemeinsamen Namen, während sie einen solchen gemeinsamen Namen nach dem Wohnsitzrecht nicht verliert, so besteht kein Grund, um der Frau hier das Recht zur Wahl des fortbestehenden gemeinsamen Namens zu geben. Behält die Frau nach ihrem Heimatrecht nach der Scheidung den mit der Ehe erworbenen und mit dem Mannesnamen übereinstimmenden Namen kraft Gesetzes oder mangels Wahl ihres früheren Namens, ohne daß der frühere Ehemann die Ablegung seines Namens durch die Frau verlangen kann, so müßte man im Sinne der Argumentation des B G H fragen, ob es nicht als eine Scheidungswirkung zu betrachten sei, wenn das Scheidungsstatut es dem Mann ermöglicht, die Führung seines Namens durch seine geschiedene Frau zu verbieten; man müßte aber auch fragen, ob nicht der Verlust des Mannesnamens auf seiten der Frau kraft Gesetzes als eine Scheidungswirkung anzusehen ist. Angesichts dessen, daß das Scheidungsstatut in vielen Rechten heute durch alternative bzw. kumulative Zuweisungen bestimmt wird, ist es keinesfalls ratsam, bezüglich des Namens der geschiedenen Frau anstelle des Heimatrechts der Frau das Recht des Scheidungsstatuts anzuwenden. Hat die Ehefrau (oder evtl. auch der Mann) im Heimatstaat die Befugnis, bei Eheschließung den Familiennamen des anderen Ehepartners zu übernehmen, oder einen davon verschiedenen Namen beizubehalten, so bedarf es eines in einem Spezialrechtssatz des Wohnsitzstaates zu suchenden Wahlrechts nicht. Hat eine verheiratete Person im Heimatstaat die Befugnis, nach Belieben den einen oder anderen Namen im Rechtsverkehr zu verwenden, während in öffentlichen Registern des Heimatstaates nur einer dieser Namen verwendet wird, so ist das kein Grund, um in Deutschland nur diesen letzteren Namen als den Namen zu betrachten, den der Betreffende rechtmäßig führen darf. Mit dem deutschen ordre public könnte es unvereinbar sein, wenn ein Ausländer, der im Heimatstaat nach Belieben bald den einen, bald den anderen von mehreren Familiennamen führen darf, auch in Deutschland hiervon Gebrauch machen wollte; auch hier ist an die Bildung von Spezialrecht zu denken, welches, jedenfalls bei deutschem Wohnsitz, den Betreffenden verpflichten könnte, sich auf den einen oder den anderen Namen festzulegen; da hierzu eine Erklärung vor einer Behörde notwendig ist, kann dies kaum ohne Gesetzesänderung geschehen.
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Anmerkungen zu S. 503-505
Der Erwerb des Familiennamens des Stiefvaters durch ein Kind (Einbenennung) richtet sich nach dem Heimatrecht des Kindes: BGH, IPRsp 1972, Nr. 108. BGH, N J W 1979, 1775, hat den Standpunkt, daß der erste Familienname des ehelichen Kindes durch das gemäß Art. 19 EGBGB auf die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kind anwendbare Recht geregelt werde, aufgegeben; maßgeblich ist jedenfalls dann, wenn die Eltern gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und einen gemeinsamen Namen führen, bei deutscher Staatsangehörigkeit des Kindes deutsches Recht. Das Abkommen vom 4. 9. 1958 betreffend behördliche Namensänderungen bestimmt, daß ein zweiter Heimatstaat die Wirkungen einer Namensänderung durch den anderen Heimatstaat in seinem eigenen Hoheitsgebiet von einer öffentlichen Bekanntmachung oder der Nichtausübung eines Einspruchsrechts abhängig machen kann. Von diesen Möglichkeiten hat die Bundesrepublik nicht Gebrauch gemacht. Es ist also unter deutschem Recht anzunehmen, daß jeder von mehreren Heimatstaaten das Recht zu einer behördlichen Namensänderung hat, und nicht bloß derjenige Staat, zu dem die effektiveren Verknüpfungen bestehen. BGH, N J W 1978, 1107, will das deutsche Kind gemäß deutschem Namensrecht den Doppelnamen des spanischen Vaters tragen lassen, wenn eine nur in Deutschland, nicht aber auch im spanischen Heimatrecht des Vaters wirksame Legitimation durch eine hinkende Ehe vorliegt. Anstelle der gekünstelten Begründung der Entscheidung läßt sich das Ergebnis besser aus dem oben entwickelten Gedanken ableiten, daß auf Verlangen des Namensträgers der Name statt nach dem Heimatrecht nach dem Wohnsitzrecht gebildet wird, falls dieses Wohnsitzrecht Namensgleichheit als Symptom des zwischen zwei Personen bestehenden Rechtsverhältnisses vorsieht. Der BGH verfällt im übrigen in den Fehler der früheren Rechtsprechung, wenn er meint, daß es bei Gültigkeit der Legitimation im Heimatrecht des Vaters darauf ankomme, ob das ausländische Legitimationsstatut eine Namensänderung als Legitimationswirkung zur Folge hat; der BGH läßt es aber schließlich doch unentschieden, wie in diesem Fall zu verfahren wäre. Wie an anderer Stelle (vgl. S. 474, Anm. 84) ausgeführt, will der BGH, wenn in Deutschland keine Ehe der Mutter z. Z. der Geburt des Kindes als bestehend gilt, das Kind entgegen dem Standpunkt des Heimatstaates des Vaters und des Kindes so lange als nichtehelich betrachten, bis eine in Deutschland anzuerkennende Legitimation erfolgt. Würde diese selbständige Beurteilung der Vorfrage nach der Ehe und nach der Legitimation auch erfolgen, wenn diese Fragen als Vorfragen für die Ermittlung des Namens unter dem Heimatrecht des Namensträgers auftauchen, so hätte das zur Folge, daß Mutter und Kind in Deutschland einen anderen Namen zu tragen haben, als es das Recht des Heimatstaates vorsieht, der gemeinsamer Heimatstaat von Vater, Mutter und Kind ist. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb bei einer Eheschließung von Griechen in Deutschland vor einem nicht gemeldeten Geistlichen (vgl. S. 616) das aus der Ehe hervorgegangene Kind den Vatemamen in Deutschland zwar führen dürfte, wenn ein Namensänderungsakt der griechischen Behörden vorläge, nicht aber, wenn nach griechischem Recht das Kind kraft Gesetzes den Vaternamen erworben hat.
§ 1 8 . Personensorgegewalt Vgl. dazu S. 429. Von praktischer Bedeutung sind vor allem das Besuchsrecht von Verwandten und die Einwirkungen von Schule usw. auf das Kind. 3 Bei deliktischen Einwirkungen Dritter auf das Sorgeobjekt tritt neben den Unterlassungsanspruch desselben ein eigener Unterlassungsanspruch des Sorgerechtsinhabers; die einschlägigen Rechtssätze für das eine und das andere haben in heterogen verknüpften Fällen nicht immer denselben Anwendungsbereich. 3 a Vgl. dazu S. 377ff., 493, 568ff., 642ff. 4 Besonders das englische Recht hat zahlreiche Einzelinstitutionen für das gebildet, was in den kontinentalen Rechten zumeist unter der elterlichen Gewalt zusammengefaßt wird; care, custody, guardianship, parental powers usw. erfahren jeweils eine besondere Regelung und stehen keineswegs immer ein und derselben Person zu. 1
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Anmerkungen zu S. 505-510
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Auch in den kontinentalen Rechten liegt die Verwaltung von Kindesvermögen nicht selten bei einer anderen Person als die Personensorgegewalt; der Inhaber der Personensorgegewalt ist aber vielfach auch wieder der Verwalter der dem Kind gehörigen und von ihm persönlich benutzten Gegenständen. Eine gesetzestechnische Verweisung liegt vor, wenn ein Gesetz die Regelung der Stellung des Vormundes in Gestalt einer Verweisung auf die gesetzliche Regelung der Stellung der Eltern vornimmt, oder umgekehrt. Damit wird möglicherweise eine für das internationale Privatrecht wichtigere Unterscheidung vernebelt, nämlich die Unterscheidung zwischen der „originären" gesetzlichen Sorgegewalt der Eltern bzw. derjenigen Personen, die beim Wegfall der Eltern als Verwandte automatisch kraft Gesetzes Sorgegewalt erhalten, und den vom Gericht zu bestellenden privaten Vormündern bzw. den kraft Gesetzes berufenen Amtsvormündern. Vgl. oben S. 456. Auch wenn das Recht des Staates, der Heimat- und Aufenthaltsstaat eines Kindes ist, die weiblichen Verwandten der Mutter in einer bestimmten Reihenfolge für verpflichtet hält, beim Ausfall der Mutter die Personensorge für Kleinkinder zu übernehmen (so insbesondere das Islamrecht), so läßt sich das gegen den Willen der betreffenden Frau sicher nicht durchsetzen, wenn es sich um Ausländer handelt, die im Ausland wohnen, und deren Personalstatut eine derartige Verpflichtung zur Übernahme der Personensorge nicht kennt. Es reicht nicht aus, das Heimatrecht von Gastarbeitern über das persönliche Gewaltverhältnis zwischen Eltern und Kindern erst bei krassen Abweichungen vom Recht des Aufenthaltslandes als unanwendbar zu betrachten. Die Vorstellungen der Gastarbeitereltern über eine Rechtfertigung der Behandlung, die sie ihren Kindern angedeihen lassen, wie sie durch das heimatliche Recht bestimmt sind, sind allerdings nicht nur in einem eventuellen Strafverfahren bei der Prüfung der Schuld, sondern auch bei etwaigen Entscheidungen im Aufenthaltsland betreffend Entziehung des Sorgerechts zu berücksichtigen. Bestehen in einem Staat mehrere Familienrechte nebeneinander, und wird das Ehewirkungsstatut durch einheitliche intergentile Zuweisungsnormen bestimmt, so ist es eher vertretbar, dem Ehewirkungsstatut auch die Regelung der Frage nach der Ehelichkeit von Kindern und der Sorgegewalt über diese Kinder anzuvertrauen; vgl. über das Recht der frankophonen afrikanischen Staaten Lampue, Penant 89 (1979) 273. Das ist vielleicht der tiefere Grund dafür, daß die deutsche Rechtsprechung Bedenken hat, das von einer in deutscher Sicht unverheirateten deutschen Mutter geborene deutsche Kind nur deshalb als legitimes Kind eines ausländischen Vaters — und damit als auch diesem Staat zugehörig — zu betrachten, weil ein „Legitimanerkenntnis" des Vaters, wie es in dessen Heimatrecht vorgesehen ist, mit der Vermutung der Richtigkeit ausgestattet ist, und die Widerlegung dieser Vermutung praktisch äußerst schwierig ist, vgl. S. 463, Anm. 38. Um so mehr ist es verfehlt, die vom Amtspfleger gebilligte Legitimanerkennung eines deutschen Kindes durch einen Ausländer in eine Legitimation des deutschen Rechts umzudeuten und damit auch die Möglichkeit einer Anfechtung dieses Vorgangs auszuschließen, obwohl dies zu einem späteren Zeitpunkt im Interesse des Kindes erwünscht sein könnte. Der britische Children Act 1975 bestimmt, daß nur derjenige, welcher rechtmäßige Personensorgegewalt über ein Kind in seiner Eigenschaft als Elternteil oder als „guardian" ausübt, das Recht hat, das Kind aus dem Vereinigten Königreich zu entfernen; dies Recht fehlt also anderen Personen, auch wenn sie custody rechtmäßig ausüben. Das mit Strafandrohung ausgestattete Verbot des englischen Rechts, ein Kind, welches „British subject" ist, ohne behördliche Erlaubnis aus dem Vereinigten Königreich zwecks Adoption im Ausland zu entfernen, ist nicht erweiternd dahin zu verstehen, daß eine in England sorgeberechtigte Person das Kind nicht ins Ausland verbringen dürfte, um es dort jemand auszuhändigen, der nach ausländischem Recht sorgeberechtigt ist oder werden kann. Keinesfalls darf ein ward of court (vgl. Anm. 18) aus England entfernt werden. Eine eigenartige spezialrechtliche Regelung, die praktisch vor allem die Sorgegewalt betrifft, enthält der australische Immigration (Guardianship of Children) Act 1946, wonach der zuständige australische Minister für Sozialwesen für jedes in Australien einwandernde Kind Vormund sein soll, unter Ausschluß des Vaters, der Mutter und irgendeines anderen schon vorhandenen Vormundes. Die Entscheidung Re S., 15 Aust. Cap. Terr. R. 29, meint, daß die Vormundstellung des Ministers auch dann bestehen könne, wenn das Kind in Australien adoptiert worden ist. Praktisch wird überall da, 961
§18
Anmerkungen zu S. 511-513
wo für das eingewanderte Kind in Australien Privatpersonen zur Verfügung stehen, die die Sorgegewalt ausüben wollen und hierzu fähig sind, die gesetzliche Vormundstellung des Ministers im Einzelfall aufgehoben. 1 2 In der Sache Boll (Recueil CIJ 1958, 145) erinnert der Richter Cördova an das im allgemeinen Völkerrecht verankerte Recht eines Ausländers, den Aufenthaltsstaat zu verlassen; er will daraus schließen, daß bei Minderjährigen der vom Heimatstaat legitimierte gesetzliche Vertreter den Willen zum Verlassen ausdrücken kann, daß dem nicht die Unterbringung des Kindes bei Pflegeeltern im Aufenthaltsland entgegengesetzt werden könne, und daß schon deshalb keine Anordnung der Unterbringung bei den Pflegeeltern gegen den Willen dessen, der im Heimatstaat gesetzlicher Vertreter ist, erfolgen darf. Wenn nun die gesetzliche Vertretung nicht auf Grund völkerrechtlichen Vertrages allein der vom Heimatstaat eingesetzten Person zusteht, so ist auch der Aufenthaltsstaat nach Völkerrecht befugt, einen Vertreter zur Wahrnehmung der Interessen des Kindes und zum Ausdruck seines „Willens" zu bestellen. Überdies kann (vgl. oben S. 509) der Aufenthaltsstaat gerade in einem Aufenthaltswechsel, oder im Wechsel der die Personensorge Ausübenden, eine Gefährdung des Kindeswohles sehen, und deshalb die Unterbringung des Kindes bei den bisherigen Pflegeeltern im Aufenthaltsstaaat anordnen. Daher braucht ein Gericht im Aufenthaltsstaat eines sorgebedürftigen Kindes mit fremder Staatsangehörigkeit das Kind nicht den vom Heimatstaat unterstützten Eltern auszuhändigen, sondern kann es bei geeigneten pflegewilligen Pflegeeltern belassen, wenn das Kindeswohl bei einer Aushändigung an die Eltern gefährdet wäre, ein Fall, der wiederholt in England praktisch geworden ist. Bewerben sich noch andere als die Eltern um die Personensorge, so kann auch der Aufenthaltsstaat einen inländischen Bewerber vor einem im Heimatstaat des Kindes ansässigen Bewerber vorziehen mit der Begründung, daß das Kindeswohl bei dem inländischen Bewerber besser gesichert ist; vgl. die englische Entscheidung 8 Fam. Law 247. Ein Fall dieser Art scheint in der Sache Boll nicht vorgelegen zu haben; der Richter Winiarski meint sogar, es sei klar, daß die schwedischen Behörden das niederländische Kind den von ihnen gewählten Pflegeeltern nur zugewiesen hätten, um das Kind in Schweden zu behalten. Hinter den Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung insbesondere des Art. 3 des Haager Minderjährigenschutzabkommens (vgl. dazu Kropholler, Das Haager Abkommen über den Schutz Minderjähriger, 1977, und Stöcker, DAVorm 1975, 507 ff.) steckt auch die Frage, ob die völkerrechtliche Befugnis des Aufenthaltsstaates, Maßnahmen zum Wohl eines Kindes zu treffen, beschränkt ist durch ein vorrangiges Recht des Heimatstaates, vor allem das Verlassen des fremden Staatsgebiets durch das Kind und die Rückkehr in den Heimatstaat dadurch zu sichern, daß die Personensorge für das Kind derjenigen Person anvertraut wird, die der Heimatstaat nach Maßgabe seines Kollisionsrechts dafür als befugt ansieht. 1 3 Vgl. S. 726 f. Eine Gefährdung des Kindeswohls darf der Aufenthaltsstaat wohl nicht schon darin sehen, daß das Kind im Heimatstaat gemäß den durch politische oder religiöse Ideologien geprägten Erziehungssystemen dieses Landes erzogen würde, und sich diese Ideologien wesendich von den im Aufenthaltsstaat wirksamen Ideologien unterscheiden. Besitzt das Kind neben der Staatsangehörigkeit der Eltern auch die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltslandes, so kann anders entschieden werden. Desgleichen kann die „Auslieferung" in den Heimatstaat, auch wenn sich dort die Eltern befinden, verweigert werden, wenn feststeht, daß im Heimatstaat die Menschenrechte in großem Stil nicht respektiert werden. 1 3 a Vgl. S. 470. Unter Umständen wird schon bei der Zuweisung des Sorgerechts und der Regelung des Besuchsrechts eines unterhaltspflichtigen Elternteils vorgesehen, daß der Unterhalt bei Störung des Besuchsrechts zurückgehalten werden kann, vgl. Bolenbaugh vs. Bolenbaugh, 237 N.W. 2d 12. 1 4 In dem vom Internationalen Gerichtshof entschiedenen Fall Boll ging es um die Frage, ob das Haager Vormundschaftsabkommen von 1902 den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts daran hinderte, eine sorgebedürftige Person einer öffentlich-rechtlichen Sorgegewalt zu unterstellen und den im Heimatstaat nach dessen Privatrecht Sorgeberechtigten vorzuenthalten; das wurde verneint, vgl. Ree. CIJ 1958, 65 ff. 1 5 Eine sichere Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Regelungen von Sorgegewalt ist wohl unmöglich. Daß die „privatrechtlichen" Gesetze über Vormundschaft — und im übrigen auch die über die Entziehung der elterlichen Gewalt — nicht nur das Interesse des Kindes als individuelles Rechtssubjekt, sondern auch das Interesse des Staates im Auge haben, und daß umgekehrt „öffendich-rechtliche" Gesetze über Zwangsverwahrung deliktsgeneigter Kinder 962
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auch deren eigenes Wohl fördern wollen, betont vor allem Lauterpacht in seinem Sondervotum zum Boll-Fall (Recueil CIJ 1958, 84 ff.). Eine andere Frage ist es, wann jemand Gewalt über einen Menschen als „hoheitliche" oder nichthoheitliche Gewalt ausübt. Diese Frage wird beim Sorgerecht aktuell, wenn dieses einer Behörde zusteht, und die von ihr zur Ausübung ihres Rechts bestellten Personen außerhalb des betreffenden Staates tätig werden wollen; vgl. dazu Anm. 17. In zahlreichen Gliedstaaten der Vereinigten Staaten können die zunächst kraft Gesetzes sorgeberechtigten Eltern mit Genehmigung des Gerichts auf ihre elterlichen Rechte „verzichten"; das in dem betreffenden Staat befindliche Kind gelangt dann automatisch, also ähnlich wie ein Findlingskind, in die teils öffentlich-rechtlich, teils privatrechtlich konstruierte Sorgegewalt einer Behörde, die dann meist zugleich eine Adoptionsvermittlungsstelle ist, vgl. S. 629. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wann es zu einer Verletzung fremder Gebietshoheit kommt, wenn ein in einen anderen Staat gelangtes Sorgeobjekt von dem Inhaber der Sorgegewalt gegen den Willen des Sorgeobjekts unter Gewaltanwendung zurückgeholt werden soll. Eine Verletzung der Gebietshoheit liegt nicht vor, wenn Verwandte und andere Privatpersonen, die das Kind, und sei es auch auf Grund eines behördlichen Auftrags, in privater Verwahrung haben, versuchen, es zurückzuholen. Verletzung fremder Gebietshoheit ist aber zu bejahen, wenn sich Polizei, Gerichtspersonen oder Personal einer geschlossenen Verwahrungsanstalt auf fremdes Gebiet begeben und dort tätig werden. Bei einem „Amtsvormund", dessen privatrechtliche Vertretungsmacht, z . B . zur Erhebung von Unterhaltsklagen, in einem anderen Staat durchaus anerkannt sein mag, sollte wohl eine Verständigung der örtlichen Behörden von dem Vorhaben erfolgen, und Gewaltanwendung bei Widerspruch seitens dieser Behörden unterbleiben. Die Behandlung der neuerdings für die Staatshaftung unter dem Recht der Bundesrepublik aktuell gewordenen Frage nach dem „hoheitlichen" Charakter der Amtsvormundschaft des deutschen Rechts ist für das Völkerrecht unergiebig. Die Europäische Konvention vom 28. 5. 1970 über die Rückführung von Minderjährigen (in den Heimatstaat oder den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts) ist nicht in Kraft getreten. Während im deutschen Recht privatrechtliche und öffentlich-rechdiche Maßnahmen der Ausübung von „Gewalt" über die Person eines Minderjährigen deudich getrennt sind, ist dies im ausländischen Recht vielfach anders. Nach der modernen englischen Gesetzgebung kann z. B. ein Kind einerseits wegen seiner gemeingefährlichen Eigenschaften der Gewalt (care) einer Behörde anvertraut und insoweit tatsächlich der Sorgegewalt der Eltern entzogen werden, auch wenn den Eltern ein Mißbrauch ihres Sorgerechts nicht zum Vorwurf gemacht wird; andererseits kann eine Behörde, welche aus diesem oder verschiedenen anderen Gründen zunächst einmal „care" über ein Kind ausübt, unter bestimmten Voraussetzungen auch die zweifellos privatrechtlichen „parental rights and duties" an sich nehmen. Das australische Recht kennt neben dem „ward of the State" (State child) „care and control" des Staates oder eines Staatsministers über Kinder. Der Manitoba Child Weifare Act 1974, ch. 30, sec. 126, will die von einem Gericht in einem international zuständigen anderen Staat herrührenden kindschaftsrechtlichen Anordnungen anerkennen, insoweit sie einer Privatperson oder dem „Staat", oder einer Organisation (oder Organen einer Organisation) „elterliche Rechte und Befugnisse" zuweisen, ohne einen Unterschied zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Befugnissen zu machen. Das englische Recht kennt von jeher Sorgegewalt von Staatsorganen, die nicht öffentlich-rechtlich ausgestaltet, sondern nach dem Modell der Sorgegewalt von privaten Inhabern eines Sorgerechts gebildet sind: In bezug auf das Kind, welches zum „ward of court" erklärt worden ist, hat das Gericht als Organ des parens patriae sämtliche Rechte, die ein privater Inhaber von custody hat. Das Gericht muß sich natürlich bei der Ausübung seiner Rechte und Pflichten über den ward stets einer seinen Weisungen unterstellten Hilfsperson bedienen, die selbst dann nur „actual custody" ausübt; diese Hilfsperson kann auch der eigene Vater oder die eigene Mutter des Kindes sein. Von der Institution des ward of court zu unterscheiden ist es, wenn ein Kind der „care" einer Gemeindebehörde anvertraut wird; auch dann erhält diese Behörde in bezug auf das Kind die Rechtsstellung, wie sie sonst Eltern oder Vormünder haben; ausgeübt wird die Personensorge auch in diesem Fall durch Hilfspersonen in Gestalt von Anstaltsleitern oder privaten Pflegeeltern. Daneben kennt das englische Recht zahlreiche Formen einer mehr oder weniger öffentlich-rechdich anmutenden Beaufsichtigung von Eltern, Vormündern, Inhabern der Personensorge und Pflegeeltern durch Behörden. Inwieweit das, was in neueren Gesetzen als „custody, care and control" bezeichnet wird, sich letztlich doch mit dem alten Begriff der custody deckt, ist schwer zu sagen. 963
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Anmerkungen zu S. 5 1 4 - 5 1 5
Das hatten offenbar die Verfasser des Textes des Haager Abkommens vom 5. 10. 1961 über Schutzmaßnahmen für Minderjährige im Auge, als sie einerseits Art. 1 der Konvention so abfaßten, daß diese sowohl privatrechdiche als auch öffentlich-rechtliche Maßnahmen erfaßt, und als sie andererseits bestimmten, daß die vom Heimatstaat getroffenen Maßnahmen in allen Vertragsstaaten als endgültige Maßnahmen anerkannt werden müssen. Zu beachten ist jedoch, daß es sich bei den öffentlich-rechtlichen Maßnahmen um solche zum Schutz, d. h. im Interesse des Minderjährigen selbst handeln muß; das kann bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zweifelhaft sein, nicht aber bei der vorbeugenden Internierung wegen Gemeingefährlichkeit. Ordnet der Heimatstaat Zwangserziehung eines im Ausland befindlichen Kindes an, so hat er sie in eigenen Anstalten durchzuführen, wenn nicht eine anderweitige Vereinbarung mit einem anderen Land zustande kommt. Das Abkommen vertraut auf die von ihm gebotene Zusammenarbeit der Behörden der Vertragsstaaten, um mit der Frage fertig zu werden, wie sich der Heimatstaat einer im Ausland befindlichen Person bemächtigen kann, um sie einer von ihm eingerichteten Sorgegewalt zu unterstellen. 2 0 Neuzuweisungen der Sorgegewalt erfolgen üblicherweise nicht nur in dem Staat, in dem das Kind * sich tatsächlich befindet, sondern auch durch die Gerichte des Wohnsitzstaates oder Heimatstaates, und häufig auch in dem Staat, in dem die Ehe der Eltern geschieden wird. 2 0 a Vorbildlich der Uniform Child Custody Jurisdiction Act, der in zahlreichen Gliedstaaten der USA übernommen worden ist; über die Praxis vgl. Application of Bacon, 412 N.Y.S. 2d, 282. 2 0 b V g l . Cass. Paris, Dalloz 1979,1.R. 460. 2 1 Nach einhelliger Meinung gilt dies auch für die durch Behörden, oder im Auftrag einer Behörde, und auf Grund öffendich-rechtlicher Bestimmungen auszuübende Sorgegewalt. Darüber, inwieweit das Abkommen auch auf die Frage nach der gesetzlichen Vertretung Minderjähriger bei der Errichtung von Rechtsgeschäften anwendbar ist, vgl. unten S. 569. 2 2 Vgl. Art. 13 des Abkommens. 2 3 Dafür, ob jemand für die Zwecke des Haager Abkommens als minderjährig gilt, sind nach Art. 12 das Heimatrecht und das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts kumulativ heranzuziehen. 2 4 Das Abkommen ist bei gewöhnlichem Aufenthalt des Minderjährigen in einem Vertragsstaat anwendbar, auch wenn der Heimatstaat selbst nicht Vertragsstaat ist. Während nun ein Heimatstaat, welcher selbst Vertragsstaat ist, verpflichtet ist, sein Inlandsrecht zur Anwendung zu bringen, wo dies durch die Konvention berufen ist, kann natürlich ein Nichtvertragsstaat hierzu nicht verpflichtet werden. Trotzdem bestimmt das Abkommen, daß auch das nichtanwendungswillige Recht eines Nichtvertragsstaates gemäß Art. 3 der Konvention in den Vertragsstaaten zur Anwendung zu bringen ist. Auch eine Gesamtverweisung auf das internationale Privatrecht des außerhalb der Vertragsstaaten stehenden Heimatstaates mit einem nichtanwendungswilligen Recht ist nicht vorgesehen. Die Konvention steht in diesem Punkte in Widerspruch zu den allgemeinen Postulaten des internationalen Privatrechts und ist zugegebenermaßen revisionsbedürftig. 2 5 Vgl. Art. 3 der Konvention. Das Heimatrecht des Minderjährigen kann für die verschiedenen Aspekte der Personensorge verschiedene Personen als ausübungsberechtigt erklären; derartiges ist sowohl im Islamrecht als auch im englischen Recht vielfach der Fall. Die Pflicht zur Respektierung des vom Heimatrecht des Minderjährigen kraft Gesetzes bestehenden Gewaltverhältnisses oder der vom Heimatstaat getroffenen Maßnahme im Einzelfall ist nicht dahin zu verstehen, daß der Aufenthaltsstaat auf seinem Gebiet Beeinträchtigungen der Freiheit des Minderjährigen durch den Gewalthaber dulden müßte, die zwar vom Heimatrecht her erlaubt, aber nach dem Recht des Aufenthaltslandes absolut unzulässig sind. Das braucht nicht erst mit der ordre public-Klausel oder der Bestimmung des Art. 9 der Konvention begründet zu werden, sondern folgt aus der Eigenart des Sorgerechts; Stellt dieses ein unter Durchbrechung der normalen strafrechdichen Bestimmungen funktionierendes Monopolrecht am Sorgeobjekt dar, so wird der Inhalt dieses Rechts unvermeidlicherweise durch das Recht des Staates des Aufenthalts des Sorgeobjekts abgesteckt. Darf im Aufenthaltsstaat Sorgegewalt über Kinder nicht entgegen dem Wohl des Minderjährigen zum eigenen Nutzen des Inhabers des Sorgerechts ausgeübt werden, so spielt es für den Vorrang dieser Regelung vor dem abweichenden Heimatrecht von Ausländern keine Rolle, ob die Regelung im Aufenthaltsland etwa in besonderen Gesetzen über Kinderarbeit zu finden ist, oder ob es sich um die zwingenden privatrechtlichen Bestimmungen seines Inlandsrechts über elterliche Gewalt handelt. 2 6 Vgl. Art. 4 (3) der Konvention. 19
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Anmerkungen zu S. 515-518
§18
Der BGH will aber Entscheidungen des Heimatstaates des Kindes über das Sorgerecht, auch wenn es sich nicht um einen Vertragsstaat des Haager Abkommens handelt, ohne das Erfordernis der Gegenseitigkeit anerkennen, weil derartige Entscheidungen in der Bundesrepublik im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergehen würden. Bei der Vollstreckung habe das Familiengericht jedoch zu prüfen, ob nicht eine ernstliche Gefährdung des Kindes durch Vollzug der ausländischen Entscheidung zu erwarten sei: BGH, IPRsp 1973, Nr. 193 b; BGH, FamRZ 1979, S. 77. 2 8 Vgl. Art. 4 (4) der Konvention. 2 9 Vgl. Art. 5 (3) der Konvention. 3 0 Vgl. Art. 6 und 7 der Konvention. 3 1 In der Literatur finden sich gegenteilige Meinungen. Es ist jedoch insbesondere nicht anzunehmen, daß die deutschen Gerichte kraft eines den Vertrag ergänzenden innerstaatlichen deutschen Rechts verpflichtet seien, nach der effektiven Staatsangehörigkeit zu forschen, wenn es sich um einen Minderjährigen deutscher Staatsangehörigkeit handelt. 3 2 Gewöhnlicher Aufenthalt des Sorgeobjekts wird durch den tatsächlichen Gewalthaber geschaffen, auch wenn es sich nicht um den rechtmäßigen Inhaber der Sorgegewalt handelt. 3 3 Vgl. Art. 1 und 2 der Konvention. 3 4 Vgl. Art. 8 der Konvention. In welchem Umfang der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts nicht erst auf Grund des Art. 8, sondern schon auf Grund des Art. 1 Maßnahmen treffen darf, während ein gesetzliches Gewaltverhältnis unter dem Heimatrecht besteht, ist vor allem in der deutschen Literatur Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten. Hierüber und über andere Fragen muß auf die Spezialliteratur zu dem Haager Abkommen verwiesen werden, vgl. insbesondere StaudingerKropholler (Bd 3a), S. 95 ff. 3 5 Vgl. Art. 9 der Konvention. 3 6 Vgl. Art. 16 der Konvention. Gemeinsame Sorgegewalt unverheirateter Eltern (wie sie z. B. der neuseeländische Status of Children Act 1969 vorsieht, wenn die Eltern bei der Geburt des Kindes zusammenlebten), dürfte keine untragbare Abweichung vom deutschen Recht darstellen. 3 7 Vgl. Art. 15 der Konvention. Die Bundesrepublik hat keinen Vorbehalt gemacht. 3 8 Vgl. Art. 10 und 11 der Konvention. 3 9 Vgl. oben S. 475 f. 4 0 Vgl. Art. 18 und 22 EGBGB. 4 0 a Behält das Kind die anfänglich mit dem Vater gemeinsame Staatsangehörigkeit, während dieser sie verliert, so bleibt das nach Art. 19 EGBGB berufene deutsche Recht weiter anwendbar. 4 1 Vgl. Art. 19 EGBGB. Die Regelung der Sorgegewalt für Kinder nach Scheidung der Eltern wollte BayObLG, IPRsp 1931, Nr. 84, weder nach dem Scheidungsstatut, noch nach dem Vormundschaftsstatut, sondern nach dem über Art. 19 EGBGB (also normalerweise vermittels der Staatsangehörigkeit des Vaters) ermittelten Kindschaftsstatut beurteilen. Ist jedoch unter dem Haager Minderjährigenschutzabkommen das deutsche Recht als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes für Schutzmaßnahmen anwendbar, und ist die Vorfrage, ob ein gesetzliches Gewaltverhältnis über das eheliche Kind besteht, nach dem Heimatrecht des Kindes zu beurteilen, so entfällt die Anwendung des Heimatrechts des Vaters, wie sie von Art. 19 EGBGB vorgesehen wäre: BayObLG, IPRsp 1973, Nr. 71. 4 2 BGH, IPRsp 1970, Nr. 59 b. Ob der BGH auch jetzt noch auf diesem Standpunkt stehen würde, ist angesichts der Entscheidung des BVerfG, IPRsp 1974, Nr. 205, zu bezweifeln. 4 3 Vgl. S. 475. 4 4 Vgl. Art. 20 EGBGB. 4 5 Dann erwirbt in aller Regel das Kind auch die Staatsangehörigkeit des Vaters, so daß dasselbe Ergebnis erreicht wird, wie wenn auf die Staatsangehörigkeit des Kindes abgestellt würde. 4 6 Vgl. oben S. 128. In BGH, IPRsp 1970, Nr. 61b, war das Kind nicht deutscher Staatsangehörigkeit. Eine Regelung, wonach nur bei Lebzeiten beider Eltern diese gemeinsam, oder einer von ihnen, elterliche Gewalt ausüben, während beim Tode eines Eltemteils der Uberlebende kraft Gesetzes „Vormund" wird, unterscheidet sich bezüglich der Personensorge nicht von einer Regelung, bei der die elterliche Gewalt auf den überlebenden Elternteil allein übergeht. 4 8 Vgl. Art. 23 EGBGB. Sieht das Recht des Heimatstaates eine kraft Gesetzes beim Wegfall der Eltern anderen Verwandten zufallende Sorgegewalt vor, so ist der Verweigerung der Übernahme der „Fürsorge" durch die Behörden des Heimatstaates die Verweigerung der Übernahme der Sorgegewalt durch diese Sorgeberechtigten gleichzusetzen. 27
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§ 19
Anmerkungen zu S. 519-520
§ 19. Begründung von privatrechtlichen Pflichten durch Rechtsgeschäft 1
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Das Recht, welches Geschäftsstatut für einen ausdrücklich als Rechtsgeschäft gekennzeichneten Vertrag wäre, kann einen Satz haben, wonach bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen zu vermuten ist, daß sie nicht als Rechtsvertrag gemeint seien. Ist aber ein anderes Recht als dieses Geschäftsstatut Auslegungsstatut, so kann diese Vermutung auch in diesem Recht zu suchen sein. Das gilt auch, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, wie insbesondere Art. 1134 des französischen code civil, nicht besteht. Die Lehre hat in Art. 1134 c.c. — „Les conventions légalement formées tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites" — vorwiegend die Bestätigung der „Vertragsfreiheit", d. h. der Zulässigkeit irgendeines Vertragsinhaltes, gesehen, und hat dabei übersehen, daß gesetzliche Bestimmungen über Parteiautonomie zur Errichtung von Verträgen in erster Linie die generelle Zusage staatlichen Rechtsschutzes für die von Privatrechtssubjekten einverständlich formulierten konkreten Sollsätze bedeuten, sofern die gesetzlichen Gültigkeitserfordernisse für den Vertrag gewahrt sind. Eine ins Extrem getriebene staatssozialistische Privatrechtsordnung könnte ohne privatrechtliche Verträge auskommen, indem konkrete Rechtspflichten auf übereinstimmenden Antrag hin von einer Behörde, die über ein mehr oder weniger großes Ermessen verfügt, durch Staatsakt begründet würden. Ist auf Grund einer solchen Rechtsanwendungsanweisung das französische Recht als Geschäftsstatut anzuwenden, so erhält ein Vertrag Rechtswirksamkeit durch Art. 1134 des französischen code civil. Ist italienisches Recht als Geschäftsstatut berufen, so erhält das Geschäft seine Wirksamkeit aus der entsprechenden Bestimmung des italienischen Rechts. Immer wieder findet sich die Vorstellung, daß in den gesetzlichen Bestimmungen über Schuldverträge usw. nur Einschränkungen der a priori anzunehmenden „Vertragsfreiheit" (bzw. Versprechensfreiheit) zu sehen seien, und daß man nur nach Bestimmungen in den verschiedenen in Frage kommenden Rechten zu suchen habe, welche die Rechtserheblichkeit der Äußerungen von Privatrechtssubjekten über ihre Verhaltenspflichten einschränken. Indes ist es gerade die subsidiäre allgemeine VerhaltenAreiYiät, welche es notwendig macht, daß alle rechtsgeschäftlichen Versprechen, ehe sie Rechtspflichten hervorrufen, erst einmal durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht als Rechtsquellen im weiteren Sinne bestätigt werden. Wie das staatliche Recht sich dazu stellt, daß die Parteien einen Vertrag nicht unter dem positiven Recht eines bestimmten Staates, sondern auf Grund „allgemeiner Rechtsgrundsätze" u. ä. rechtsverbindlich wissen möchten, darüber vgl. unten S. 543. Unhaltbar ist die Ansicht, mangels Wahl eines nationalen Rechts als Vertragsstatut (nach dem auch die Gültigkeit des Vertrages zu beurteilen und gegebenenfalls zu verneinen ist) sei der Vertrag in einem Forumstaat als gültig zu beurteilen, wenn den Gültigkeitsvoraussetzungen der lex fori Genüge getan ist (vgl. Gothot, Trav. Com. Fr. D. I.P. 1975 — 77, 212), ohne daß es darauf ankommt, ob eine objektive Verknüpfung zum Forumstaat vorhanden ist. Läßt ein Staat den Abschluß einer Ehe im Inland unter Mitwirkung seiner staatlichen Organe zu, weil er einer gültigkeitshemmenden Bestimmung in dem eigentlich berufenen und selbst anwendungswilligen ausländischen Heimatrecht mit Hilfe seiner ordre public-Klausel die Anwendung verweigert, so daß der hinkende Charakter der Ehe evident ist, so werden die Eheschließenden den Rechtsschutz im Heimatstaat doch nicht endgültig ausschließen wollen, sondern auf eine Änderung des dortigen Rechts hoffen. Betrachtet das gesetzliche Geschäftsstatut die Wahrung der Formvorschriften des Errichtungsortes als ausreichend, so kann es seinerseits die irrige Annahme einer Partei, die Ehe sei wegen Nichtwahrung der Form des Heimatstaates höchstens im Land der Geschäftserrichtung als gültig zu betrachten, als einen beachtlichen Grund für die Anfechtung der abgegebenen Willenserklärung betrachten: Der Irrtum darüber, daß eine nach der ausländischen lex loci actus formgültige religiöse Eheschließung auch in Deutschland als formgültig anerkannt wird, ist, wenn die Eheschließenden deutsche Staatsangehörige waren, ein nach deutschem Recht zu beurteilender und zur Anfechtung des Ehekonsenses berechtigender Irrtum : RG, IPRsp 1926—27, Nr. 29. Darauf, daß Rechtszwang zur Verwirklichung eines Vertragsverhältnisses nur in einem bestimmten Staat, und nicht auch in anderen Staaten geübt werden soll, geht der Wille der Parteien wohl stets dann, wenn es sich um die Verträge von staatseigenen Unternehmen desselben Staates handelt, die zur Durchführung der Planwirtschaft dieses Staates dienen, auch wenn einzelne Erfüllungs-
Anmerkungen zu S. 520-522 Handlungen im Ausland zu erfolgen und die Vertragsparteien Vermögen im Ausland haben, in welches vollstreckt werden könnte. Ein übereinstimmendes Interesse daran, daß einem Vertragsverhältnis Rechtsschutz nur in einem Staat zuteil wird, und daß das in anderen Staaten belegene Vermögen der Parteien nicht für Ansprüche aus dem Vertrag haftbar gemacht werden soll, besteht vielfach auch, wenn Staaten, oder staatliche Unternehmungen, mit ausländischen Privatpersonen kontrahieren. Da nichthoheitliches Vermögen des staatlichen Partners außerhalb seines Sitzstaates nur selten für Schadenersatzansprüche faßbar wäre, hat auch der private Partner ein Interesse daran, daß die andere Partei für Schadensersatzansprüche gegen ihn nur sein in dem betreffenden Staat investiertes Vermögen haftbar machen kann. Das schließt nicht aus, daß mit Rücksicht auf den heterogenen Charakter der Transaktion materiellrechdiche Verweisungen auf ausländisches Recht im Vertrag Aufnahme finden, und daß eine Erledigung von Streitigkeiten durch ein „ausländisches" Schiedsgericht vorgesehen wird. Es kommt auch gelegentlich vor, daß die Parteien zwar in wirtschaftlicher Sicht in einem Vertragsverhältnis stehen wollen, daß sie aber „für" die verschiedenen Staaten, in denen Rechtsschutz erwünscht ist, jeweils gesonderte Verträge errichten, deren Inhalte in Einzelheiten divergieren mögen. Es entspricht dies der „doppelten" Eheschließung einerseits vor dem staatlichen Standesbeamten zur Begründung einer Ehe im staatlichen Recht, und andererseits vor einem Geistlichen einer Religionsgemeinschaft, die in ihrem kirchlichen Recht eine rechtliche Regelung der Ehe vorsieht. Es wird daher wichtig, daß der Staat, dessen Gerichte an sich zuständig wären, die Vereinbarung eines ausschließlichen ausländischen Gerichtsstandes als Zuständigkeitshindernis anerkennt, wenn feststeht, daß das Urteil des vereinbarten ausländischen Gerichts im Inland etwa wegen Fehlens der Gegenseitigkeit nicht vollstreckt werden könnte, vgl. BGH, IPRsp 1966 — 67, Nr. 222; IPRsp 1971, Nr. 131. Können die Parteien jeden Rechtsschutz für ihren Vertrag dadurch ausschließen, daß sie alle gesetzlichen Zuständigkeiten abbedingen und die Zuständigkeit der Gerichte eines Landes vereinbaren, welches sich mangels einer objektiven Verknüpfung als unzuständig erklären müßte? Vgl. dazu Cass. Paris, Rev. Crit. 1979, 61. Die Unterscheidung zwischen local and transitory actions im englischen Recht — local actions sind solche, für die nur ein einziger ausschließlicher Gerichtsstand in Frage kommt, transitory actions solche, die bei mehreren Gerichten eingeklagt werden können — deckt sich dann mit der Unterscheidung zwischen rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen, bei denen Rechtsschutz nur in einem Staat erstrebt wird, und rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnissen, bei denen möglichst überall Rechtsschutz erwünscht ist, wenn eine Anerkennung und Vollstrekkung des Urteils, das einer „local action" stattgibt, in anderen Staaten ausgeschlossen ist. Vgl.S. 539 ff. Daß die Urheber eines Rechtsgeschäfts übereinstimmend glauben, kraft Gesetzes sei ein bestimmtes Recht Geschäftsstatut, ohne daß eine ausdrückliche Wahl dieses Rechts erfolgt, kann vermutet werden, wenn im Text des Rechtsgeschäfts Ausdrücke verwendet werden, die nur für Institutionen eines einzelnen der mit der Sache verknüpften Rechte passen, während in den anderen verknüpften Rechten die verwendeten Ausdrücke keinen Sinn haben. Diese Vermutung ist aber widerlegbar: Die Parteien können in den Begriffen und technischen Ausdrücken eines ihnen vertrauten Rechts „sprechen", und die Verwendung dieses Rechts als Auslegungsstatut unterstellen, obwohl sie sich dessen bewußt sind, daß für die Gültigkeit und die Wirkungen ihres Vertrages die Bestimmungen eines anderen Rechts maßgebend sind, vgl. unten S. 587 f. Uber die Verwendung dieses Gedankens im internationalen Eherecht vgl. S. 600. Vgl. dazu S. 275. Beispiel: Eine mit der ausdrücklichen Abrede, die Ehe solle nur in einem einzigen Staat Rechtswirkungen auslösen, geschlossene Ehe kann gerade auch von diesem Staat wegen dieser Abrede für ungültig erklärt werden. Daß § 4 des österreichischen aBGB durch das neue österreichische IPR-Gesetz aufgehoben wurde, hat das Problem ebensowenig aus der Welt geschafft wie die Tatsache, daß die Literatur zu § 4 aBGB den Willen zur „Hervorbringung rechtlicher Folgen" eines Rechtsgeschäfts in Österreich vielfach nicht als die Inanspruchnahme von Rechtsschutz aus dem Rechtsgeschäft durch österrei-
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chische Gerichte, sondern als Vereinbarung eines österreichischen Erfüllungsortes verstanden hat. Über § 4aBGB vgl. auch S. 50, Anm. 55, und S. 600, Anm. 10. Vgl. S. 436. Abzulehnen ist die Ansicht, daß das Recht zur einverständlichen Wahl des Geschäftsstatuts für heterogen verknüpfte Geschäfte auf einem materiellrechtlichen Spezialsatz des jeweiligen Forumstaates beruhe (so Deby-Gérard, Le rôle de la règle de conflit, 1973, S. 257). Würde ein Staat generell Wahl des Geschäftsstatuts unter Abwahl des gesetzlichen Geschäftsstatuts entgegen dem Standpunkt des abzuwählenden Rechts (vielleicht sogar entgegen dem Standpunkt des gewählten Rechts) zulassen, so wären die Parteien versucht, die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts in einem solchen Rechtswahlparadies zu vereinbaren. Umso wichtiger wird es, daß bei der Anerkennung von Entscheidungen in einem solchen Fall geprüft wird, ob die dem Urteil zugrundegelegten Rechtsanwendungsanweisungen zu demselben Ergebnis fuhren wie unter dem Kollisionsrecht des Staates, der das Urteil anerkennen soll, vgl. S. 395 ff. Die meisten Rechte gehen nicht so weit: § 1 — 105 des Uniform Commercial Code für die Gliedstaaten der USA verlangt für die ausdrückliche Rechtswahl, daß sie auf das Recht eines Landes gehen muß, „which bears a reasonable relation to the transaction". Das wird allgemein dahin verstanden, daß eine nicht gerade nebensächliche objektive Verknüpfung zu dem Ursprungsland des gewählten Rechts gegeben sein muß, vgl. Füller Co. v. Compagnie des Bauxites, 421 F. Supp. 938, und 63 ALR 3 d, 341. Ein anderes Motiv für die ausdrückliche Wahl eines bestimmten Rechts zum Geschäftsstatut, insbesondere bei gegenseitigen Verträgen, ist häufig der Wunsch, die Rechte der Heimat- und Wohnsitzstaaten der Parteien keinesfalls zum Geschäftsstatut zu machen, um nicht auf diese Weise eine Partei zu bevorzugen. Man wählt dann das Recht eines „neutralen" dritten Landes. Die Wahl des Geschäftsstatuts durch die Parteien wird im portugiesischen internationalen Privatrecht beschränkt auf solche Rechte, an deren Wahl ein „ernst zu nehmendes Interesse" der Parteien besteht, oder auf solche, zu denen eine beachtliche objektive Verküpfung hingeht (Art. 41 ZGB). Ähnlich der argentinische Vorentwurf von 1974. Nach § 8 des westdeutschen Gesetzes über allgemeine Geschäftsbedingungen vom 9. 12. 1976 ist eine in solchen Geschäftsbedingungen vereinbarte Geltung ausländischen Rechts als Geschäftsstatut unwirksam in den Fällen, in denen hierfür „kein anerkennenswertes Interesse besteht". Das ist eine Generalklausel, aus der die Rechtsprechung viel und wenig machen kann, und deren Beschränkung auf die Rechtswahl in allgemeinen Geschäftsbedingungen kaum sinnvoll ist. Zu der praktisch wichtigsten Frage, ob das Interesse des Verwenders der allgemeinen Geschäftsbedingungen daran, daß die zahlreichen von ihm abgeschlossenen Geschäfte möglichst nach einem Recht beurteilt werden, ein „anerkennenswertes" Interesse darstellt, hat der Gesetzgeber nicht selbst Stellung genommen. Ein staatliches Recht kann die Gültigkeit eines mit dem Ausland verknüpften Vertrages, der auf dem Staatsgebiet erfüllt werden soll, davon abhängig machen, daß die Parteien das Recht dieses Staates ausdrücklich zum Vertragsstatut wählen und sich eine Genehmigung zum Abschluß des Vertrages verschaffen, wobei der Vollzug des ungenehmigten Vertrages strafbar sein würde. Wird in dem Land, in dem die Abwicklung eines Dauerrechtsverhältnisses vor sich gehen soll, und dessen Gerichte nicht durch Vereinbarung ausgeschaltet werden können, die Umstellung eines vereinbarten ausländischen Geschäftsstatuts auf das Recht dieses Landes zur Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung zur Durchführung des Vertrages erklärt, so kann der Staat des ursprünglich gewählten Geschäftsstatuts eine Abwahl seines Rechts zulassen, und er kann eine Abwahl darin sehen, daß die Parteien sich die Genehmigung des Staates verschafft haben, in dem die Vertragsabwicklung vor sich gehen soll. Die Anwendung späterer zwingender gesetzlicher Bestimmungen des Beschäftigungslandes mit Vorrang vor dem französischen Vertragsstatut für ein Arbeitsverhältnis wird von Cass. Paris, Rev. Crit. 1976, 338, damit gerechtfertigt, daß der französische Arbeitgeber auf die Anwendung des französischen Rechts „verzichtet" habe, nachdem die Arbeitserlaubnis durch das Land des Beschäftigungsortes nur unter der Auflage der Anwendbarkeit dieses örtlichen Rechts erteilt worden war. Das portugiesische internationale Privatrecht stellt dem ausdrücklich gewählten Geschäftsstatut für den obligatorischen Vertrag das Recht gleich, welches die Parteien als Geschäftsstatut „im Auge hatten" (Art. 41 ZGB). § 35 des österreichischen IPR-Gesetzes von 1978 stellt der ausdrücklichen Wahl des Schuldstatuts die „schlüssige" Wahl gleich, und stellt es einer Rechtswahl ferner gleich,
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„wenn sich aus den Umständen ergibt, daß die Parteien eine bestimmte Rechtsordnung als maßgebend angenommen haben". Vgl. ferner unten Anm. 65. Ist eine ausdrückliche Rechtswahl ausgeschlossen, so kann die Anwendbarkeit eines anderen als des gesetzlichen Geschäftsstatuts im allgemeinen nicht darauf gestützt werden, daß die Parteien von diesem anderen Recht glaubten, daß es das gesetzliche Geschäftsstatut sei. i Kann aber ein Dauerrechtsverhältnis, dessen gültige Begründung durch Rechtsgeschäft gescheitert ist, in einer Privatrechtsordnung durch effektiven Vollzug und guten Glauben an die Gültigkeit zustande kommen, so könnte dies auch für ein Rechtsverhältnis gelten, an dessen Unterstellung unter das betreffende Recht die Parteien geglaubt haben. Auch der Glaube an die Anwendbarkeit eines Rechts, unter dem der Vertrag sich entgegen der Annahme der Parteien als ungültig erweist, kann der Ermittlung des Geschäftsstatuts zugrunde gelegt werden. Das Inkaufnehmen eines bestimmten Rechts als Statut für das Rechtsverhältnis, welches die Parteien durch Rechtsgeschäft zu begründen versuchen, ist nicht anders zu behandeln wie die ausdrückliche Wahl eines Geschäftsstatuts, unter dem sich der materiellrechtliche Vertrag schließlich doch als ungültig erweist, vgl. Anm. 67, 24. Ist aber den Parteien bekannt, daß ihr Vertrag, so wie er geschlossen worden ist, unter einem bestimmten Recht ungültig wäre, so ist dies bei der Auslegung ihrer Äußerungen, aus denen sich ihr Glaube an die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts ergeben soll, zu beachten. Enthält das Rechtsgeschäft nicht eine Klausel, wonach ein bestimmtes Recht Geschäftsstatut (oder „anwendbar") sein soll, sondern enthält nur der Vertragstext einzelne Hinweise auf ein bestimmtes nationales Recht, so kann daraus entweder geschlossen werden, daß die Parteien an eine kraft Gesetzes unvermeidliche Anwendbarkeit des betreffenden Rechts geglaubt haben, oder daß sie eine Rechtswahlklausel „stillschweigend", also nicht ausdrücklich, vereinbart haben. Das erstere ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn zu dem betreffenden Staat überhaupt keine Verknüpfungen bestanden haben. Stillschweigende Wahl des englischen Rechts ohne das Bestehen von Verknüpfungen zu England entnimmt RG, IPRsp 1933, Nr. 1, einzelnen Passagen in den von der Baltic & White Sea Conference entworfenen allgemeinen Geschäftsbedingungen für Charterverträge. Uber die „Notwendigkeit", bei heterogen verknüpften Schuldverhältnissen das Geschäftsstatut und einen ausländischen Gerichtsstand ausdrucklich zu wählen, spricht sich der US Supreme Court in Scherk v. Alberto-Culver Co., (1973) 417 US 506, wie folgt aus: „A contractual provision specifying in advance the forum in which disputes shall be litigated and the law to be applied is, . . . , an almost indispensable precondition to achievement of the orderliness and predictability essential to any international business transaction". Auf Rechtsgeschäfte zwischen Europäern und Afrikanern und zwischen Afrikanern unter sich ist in Botswana nach dem Customary Law Act 1969 das Europäerrecht oder das Stammesrecht anwendbar, je nachdem, was von den Parteien ausdrücklich oder vermutlich vernünftigerweise gewählt worden ist. Erfolgt eine ausdrückliche Wahl erst im gerichtlichen Verfahren, so ist sie unwiderruflich. Geschäfte, die dem Stammesrecht unbekannt und nur dem Europäerrecht bekannt sind, sind stets nach dem letzteren zu beurteilen. Die Annahme, daß der hypothetische Parteiwille zur Bestimmung des Geschäftsstatuts auf Grund einer „vernünftigen Interessenabwägung auf rein objektiver Grundlage" festzustellen sei, und daß es sich nicht um die Ermittlung „hypothetischer subjektiver Vorstellungen der Parteien" (des konkreten Falles) handle, findet sich in der Rechtsprechung des BGH zunächst für die Ermittlung des Währungsumstellungsstatuts für alte Schulden nach Spaltung des Reichsmarkwährungsgebiets (vgl. BGH, IZRsp 1960—61, Nr. 98); sie wurde dann auf die Bestimmung des Geschäftsstatuts generell erweitert. Bedenklich ist es, wenn von der mangels ausdrücklicher rechtsgeschäftlicher Regelung maßgeblichen gesetzlichen Regelung eines der verknüpften nationalen Rechte angenommen wird, daß die Parteien eine Regelung dieses Inhalts angesichts der Umstände des konkreten Falles vermutlich keinesfalls gewollt, und deshalb auch dieses Recht sicher nicht einer rechtsgeschäftlichen Regelung zugrunde gelegt hätten, vgl. dazu H. R., Ned. Jur. 1978, Nr. 275, wo angenommen wird, daß Ehegatten mit beträchdichem Vermögen den niederländischen gesetzlichen Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft sicher nicht gewollt hätten, wenn ein anderes der verknüpften Rechte Gütertrennung vorsieht. Würde man diese Argumentation generell zulassen, so müßte man bei Schuldverträgen annehmen, daß die Parteien als Geschäftsstatut keinesfalls das der stärkeren Partei ungünstigste Recht unter den Rechten der verknüpften Staaten gewollt hätten; in diesem Sinne ist
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aber die hypothetische Wahl unter den verknüpften Rechten eben bei Schuldverträgen nicht zu verstehen. Obwohl es meist erst im späteren Prozeß deutlich wird, daß das Interesse einer Partei darauf geht, daß der Vertrag, dem sie zugestimmt hat, wegen des Fehlens einer zwingenden Gültigkeitsvoraussetzung (auf die sich die Partei dann im Prozeß beruft) die für sie vorgesehenen Pflichten nicht erzeugt, wäre es absolut falsch anzunehmen, daß bei Vertragsschluß beide Vertragsparteien stets ein übereinstimmendes Interesse daran hätten, daß ein Recht anwendbar wird, welches die dem Schutz der schwächeren Vertragspartei dienenden Gültigkeitserforderrasse nicht kennt, also der Gültigkeit des Vertrages am günstigsten ist. 24 Geht die gewichtigste Kombination der objektiven Verknüpfungen zu einem Recht, wonach der geschlossene Vertrag ungültig ist, so ist auch diese „hypothetische Wahl" des die Gültigkeit verneinenden Rechts maßgebend, vgl. B G H , IPRsp 1 9 5 6 - 5 7 , N r . 34. 25 26 Vgl. S. 149ff. Vgl. S. 372. 27 Vgl. S. 88, Anm. 89. 27a Wird in einem Staat ein Gesetz erlassen, wonach langfristig angeheuerte Seeleute jederzeit die Auszahlung der Hälfte des bereits verdienten Lohnes verlangen können und gegenteilige Vertragsbestimmungen ungültig sind, so kann bestimmt werden, daß das Gesetz nicht nur zu Gunsten inländischer Seeleute oder auf Schiffen mit inländischer Flagge gelten soll, sondern auch zu Gunsten ausländischer Seeleute auf ausländischen Schiffen, wenn diese einen inländischen Hafen anlaufen: Es soll kein Anreiz dazu geschaffen werden, daß auf diesen ausländischen Schiffen inländische Seeleute nicht eingestellt werden, vgl. Strathearn Steamship Co. v. Dillon, 252 US 348. 28 Vgl. S. 585. Ein Staat kann mit der vom Geschäftsstatut unabhängigen Anweisung zur Anwendung eines eigenen zwingenden Rechtssatzes beim Vorliegen gewisser Inlandsverknüpfungen auch die ausschließliche Zuständigkeit seiner Gerichte zur Entscheidung von Streitigkeiten aus den Rechtsgeschäften verbinden, für welche diese zwingenden Bestimmungen gelten wollen; die Folge ist, daß ausländische Entscheidungen, selbst wenn sie den zwingenden Rechts satz zur Anwendung gebracht haben, keinesfalls anerkannt werden. Umgekehrt kann auch aus der Anordnung der ausschließlichen Zuständigkeit der eigenen Gerichte für Streitigkeiten aus bestimmten Rechtsgeschäften beim Vorliegen bestimmter Inlandsverknüpfungen geschlossen werden, daß die zwingenden Bestimmungen dieses Staates ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut für die betreffenden Geschäfte anwendbar sein wollen. Eine solche verdeckte Sonderanknüpfung von zwingendem Recht, die auch durch Rechtswahl nicht auszuschalten ist, findet sich in dem Gesetz über Abzahlungskäufe vom 18. 5.1894, in dem 1976 neu gefaßten § 6a: Hat beim Abzahlungskauf der Käufer Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit der Klagerhebung im Inland, so ist das inländische Gericht am Wohnsitz des Käufers unabdingbar zuständig. Hatte der Käufer schon zur Zeit des Vertragsschlusses seinen Wohnsitz im Inland, so kann die Vereinbarung ausländischen Rechts als Geschäftsstatut sicher nicht die Anwendbarkeit der zwingenden Bestimmungen des deutschen Abzahlungsgesetzes durch das deutsche Gericht ausschalten. Desgleichen können die Bestimmungen über die Form des Vertrages über das Abzahlungsgeschäft bei einem zur Zeit des Vertragsschlusses in der Bundesrepublik wohnhaften Käufer nicht durch einfachere Formbestimmungen eines ausländischen Geschäftserrichtungsortes verdrängt werden. Andererseits ist schwer anzunehmen, daß die ausschließliche Zuständigkeit des inländischen Gerichts am Wohnsitz des Käufers zur Zeit der Klagerhebung es hindern sollte, daß im Inland ein ausländisches und unter Anwendung von ausländischem Recht gebildetes Urteil vollstreckbar wird, welches von dem durch Vereinbarung zuständig gewordenen und zuständig gebliebenen Gericht in dem ausländischen Staat gefällt wurde, in welchem Käufer und Verkäufer z. Z. des Vertragsschlusses ihren Wohnsitz hatten, und dessen Recht Geschäftsstatut für den Abzahlungskauf war. 29 Bei der Erörterung der gegen eine „exterritoriale" Gesetzgebung seitens örtlicher kolonialer Gesetzgebungsorgane sprechenden Vermutungen und verfassungsrechtlichen Verboten findet sich im britischen Kolonialstaatsrecht der Gedanke, daß diese Inanspruchnahme eines „exterritorialen" Randanwendungsbereichs für ein Gesetz zulässig sei, wenn dies zur Erreichung des Grundzwecks des betreffenden Gesetzes, nämlich „peace, order and good government" innerhalb des Herrschaftsbereichs des Gesetzgebers, erforderlich sei; vgl. Ex parte Iskra, (1963) 63 S.R. (NSW) 538, 552, sowie das Working Paper on legislative powers der Law Reform Commission für Neusüdwales 1972, S. 80.
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Ist die Anwendbarkeit einer gesetzlichen Bestimmung auf diese Weise nicht zu begründen, so entfällt sie sicher dann, wenn die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem anderen Staat hingeht, vgl. Lauritzen v. Larsen, 345 US 571. Vgl. S. 562 ff. Der Ausdruck „dépeçage", „Aufspaltung" des Vertrages, der sich anfänglich wohl nur auf die Vorstellung bezog, daß es für den gegenseitigen Vertrag überhaupt nicht ein „Vertragsstatut" gäbe, sondern daß für die Verpflichtungen des einen und des anderen Teils gesondert ein „Schuldstatut" zu ermitteln sei, wurde später auf die sogenannte große Vertragsspaltung angewendet, bei der zwischen dem auf das Zustandekommen des Vertrages anwendbaren Recht und dem Statut für die Vertragswirkungen unterschieden wurde. Heute wird mit dem Terminus dépeçage vielfach einfach das verstanden, was hier mit dem Ausdruck Mosaikmethode gekennzeichnet wird, vgl. dazu Lagarde, Riv. Dir. Int. Priv. Proc. 11 (1975) 648 ff. Das ist in vielen Rechten bezüglich der Ehe der Fall, indem zwar nach den „Statuten" für die verschiedenen Gültigkeitsvoraussetzungen und die verschiedenen Wirkungen, nicht aber nach dem Geschäftsstatut der Ehe gefragt wird, vgl. S. 601. Wenn dasjenige Recht, welches mangels ausdrücklicher Rechtswahl zum Geschäftsstatut geworden wäre, weil die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalls zu ihm hingeht, einzelne seiner zwingenden Bestimmungen auf Grund einer festen objektiven Inlandsverknüpfung, und nur beim Vorliegen dieser Inlandsverknüpfung (und dann auch ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut), angewendet wissen will, so hat kein anderer Forumstaat einen vernünftigen Grund, diese Bestimmungen darüber hinaus entgegen dem Willen ihres Urhebers zur Anwendung zu bringen. In dieser Fassung findet sich die im Text skizzierte Regelung bisher in keinem positiven Recht. Nach dem ersten Ansatz der niederländischen Rechtsprechung im Alnati-Fall (vgl. Anm. 97 zu S. 96) versuchte der Vorentwurf für ein internationales Obligationenrecht der EWG-Länder den offenbar in der Luft liegenden Gedanken neu zu formulieren. Der neueste Entwurf einer Konvention über das internationale Schuldvertragsrecht in der Fassung von 1979 sieht folgendes vor: Art. 7 (1) „Bei der Anwendung dieser Konvention können die zwingenden Bestimmungen im Recht eines Landes, zu dem der Sachverhalt eine wesentliche Verknüpfung aufweist, berücksichtigt werden, wenn und insoweit diese Bestimmungen unter dem Recht des Landes, das sie erlassen hat, ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anwendbare Recht angewendet werden müssen. Bei der Prüfung, ob diese zwingenden Bestimmungen berücksichtigt werden sollen, sind ihre Natur und ihr Zweck und die Folgen ihrer Anwendung oder Nichtanwendung zu beachten. (2) Das in Abs. 1 Gesagte beschränkt in keiner Weise die Anwendung der Bestimmungen des Forumstaates auf einen Sachverhalt, für den sie ungeachtet des sonst auf den Vertrag anwendbaren Rechts zwingendes Recht sein wollen." Uberall wo ein Staatsorgan ein Ermessen hat, eine Ausnahmegenehmigung von einem Verbot bestimmter Vertragsinhalte zu gewähren, kann es berücksichtigen, ob das in Frage stehende Verhalten im Ausland verboten ist, und ob es im öffendichen Interesse liegt, ihm Rechnung zu tragen. So ist bei der Anwendung von Art. 5 des schweizerischen Kartellgesetzes das programmatische Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen im Warenverkehr zwischen der EWG und der Schweiz nach Art. 23 des Freihandelsabkommens von 1970 zu berücksichtigen. Die Gewährung der Gegenseitigkeit ist in Bezug auf devisenrechtliche Vorschriften durch völkerrechtlichen Vertrag gewährleistet, vgl. Anm. 180 zu S. 598. Durchbrechen die Staaten A und B die Grundregel ihres Kollisionsrechts, daß das gemeinsame Heimatrecht der Eheschließenden Geschäftsstatut für die Ehe und deshalb, falls es nicht selbst anderes will, auch für die Form der Eheschließung maßgebend ist, durch die einseitige Bestimmung, daß bei Eheschließung im Inland die Form der im Inlandsrecht allein maßgeblichen standesamtlichen Eheschließung vor dem inländischen Standesbeamten eingehalten werden muß, so sollte jeder der beiden Staaten unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit diesen Standpunkt des anderen dem Standpunkt des gemeinsamen Heimatstaates vorziehen, welcher eine andere Art der Eheschließung für ausreichend oder notwendig hält. Die Hamburger Regeln von 1978 über den Seetransportvertrag (vgl. Anm. 101 zu S. 346) sehen eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zu der vom Geschäftsstatut unabhängigen Anwendung der 971
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zwingenden uniformen Bestimmungen über die Reederhaftung für zwischenstaatliche Seetransporte vor, wenn Abgangs- oder Bestimmungshafen in einem Vertragsstaat belegen sind, oder das Konnossement in einem Vertragsstaat ausgestellt ist, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Beteiligten und die Flagge des Schiffes. Die zwingenden Bestimmungen in Art. 17 (3) und 41 (1) des Abkommens vom 19. 5. 1956 über internationale Straßenbeförderungsverträge gelten, wenn der Übernahme- oder der Ablieferungsort der beförderten Güter sich in einem Vertragsstaat befindet, auch wenn das Recht eines anderen Staates zum Geschäftsstatut gewählt wurde, vgl. Arr. Rb. Rotterdam, Ned. Jur. 1972, no. 482. Die ungeschickte Formulierung der Haager Regeln in der Fassung von 1924 machte es schwierig, eine Verpflichtung der Vertragsstaaten anzunehmen, die von einem anderen Vertragsstaat unter Verwendung einer Inlandsverknüpfung zu diesem Vertragsstaat angeordnete Anwendbarkeit der im Vertrag beschriebenen zwingenden Rechtssätze dem Geschäftsstatut vorzuziehen, das mit Billigung des Forumstaates von den Parteien gewählt war. Auch ohne vertragliche Bindungen kann aber ein unter der positiven ordre public-Klausel zu beachtendes nationales Interesse dahin gehen, daß das einem staatsvertraglich vereinheitlichten Modell entsprechende zwingende Recht eines anderen Landes, dem dieses auf Grund irgendeiner vernünftigen Inlandsverknüpfung einen Anwendungsbereich zugewiesen hat, im Rahmen dieses Anwendungsbereichs vorrangig vor einem anderen Geschäftsstatut, insbesondere einem ausdrücklich gewählten Geschäftsstatut, zur Anwendung gelangt; vgl. dazu Haak, The Hague Rules en het Alnatiarrest, 1969; Kahn-Freund, The Growth of internationalism in English private international Law, 1960, S. 44. In Vitt Food Products Inc. v. Unus Shipping Co, [1939] A. C. 277, legte der Privy Council die Bestimmung des Neufundlandgesetzes über die Haftungsbeschränkungen des Reeders so aus, daß ein Vertrag, der die vom Gesetz mißbilligten Beschränkungen nicht selbst ausdrücklich ausschließt, darum noch nicht nichtig sei. Das Gericht führt weiter aus, daß, auch wenn das Recht eines verknüpften Staates, das mangels ausdrücklicher Rechtswahl Geschäftsstatut geworden wäre, einer Einzelbestimmung einen bestimmten Anwendungsbereich ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut zuweist, und eindeutig Nichtigkeit des ganzen Vertrages oder der mißbilligten Klausel anordnet, diese Vorschriften anderswo nicht anwendbar seien, sofern es sich nicht um eine Bestimmung im Recht des Leistungsortes handelt, welche die Erfüllungshandlung unter Strafe verbietet. Der Entscheidung ist vorgeworfen worden, daß sie das „Bedürfnis nach internationaler Vereinheitlichung" der Bestimmungen über Reederhaftung nicht genügend beachtet habe; das hätte schon unter dem Gesichtspunkt des ordre public geschehen müssen, vgl. Dicey-Morris, S. 822. Das ist dahin zu präzisieren, daß eine anwendungswillige zwingende Bestimmung, die sich im Recht eines verknüpften Staates findet, der nicht das Geschäftsstatut stellt, im Forumsttat auch dann angewendet werden sollte, wenn es sich um eine Bestimmung handelt, die in allen beteiligten Staaten bekannt ist und deren Einführung durch völkerrechtlichen Vertrag gefordert wird, wenn zwischen den von den verschiedenen staatlichen Rechten vorgesehenen Anwendungsbereichen der Vorschrift unbeabsichtigte Lücken bestehen. 3 7 a Das einheitliche Kaufrecht der Konvention von 1964 läßt Rechtsanwendungsanweisungen eines Vertragsstaates unberührt, welche Sätze des materiellen Rechts als anwendbar erklären, aus denen sich wegen der Geistesverfassung der Kontrahenten oder des Inhaltes ihrer Abmachungen eine Hemmung der vollen Gültigkeit des Vertrages ergibt, vgl. Art. 8. 3 8 „Übungen" der an bestimmten heterogen verknüpften Verträgen beteiligten Parteien werden Bestandteil des Vertragsverhältnisses, wenn das Geschäftsstatut dies anordnet. Haben alle Staaten, deren Recht als gesetzliches Vertragsstatut in Frage kommt, eine dahingehende Bestimmung, so ist sie sicher maßgebend. Es ist aber nicht so, daß „transnationales" Handelsgewohnheitsrecht aus eigener Kraft gilt und deshalb von den staatlichen Gerichten angewendet werden muß; vgl. dazu Bonell, Le regole oggettive del commercio internazionale, 1976. 3 9 Ist für heterogen verknüpfte Verträge ein für mehrere Staaten einheitliches materielles Recht geschaffen worden, so wird damit dessen Abwahl durch Wahl eines nationalen Inlandsrechts nicht ausgeschlossen, vgl. Art. 3 des Gesetzes vom 17. 3. 1973 über das einheitliche Kaufrecht für internationale Käufe. Eine hypothetische Wahl eines nationalen Rechts scheidet aus, da sie ja nur ein Ausdruck für die Ermittlung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen ist, vgl. dazu BGH, NJW 1979,1779. 972
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Auf Grund eines dahingehenden Vorbehalts ist in Großbritanien das vereinheitlichte Kaufrecht ohnehin nur kraft (ausdrücklicher) Rechtswahl anwendbar. Art. 3, Abs. 7 des Civil Code für die Seychellen ermöglicht den Parteien an einem heterogen verknüpften Kaufvertrag, die Anwendbarkeit der Sätze des international vereinheitlichten Kaufrechts für internationale Käufe zu vereinbaren, obwohl die Seychellen den einschlägigen Verträgen gar nicht beigetreten sind. Für Fragen, die in dem vereinheitlichten Recht nicht geregelt sind, können die Parteien ein bestimmtes nationales Recht zugleich zum proper law of contract bestimmen. Wollte der Gesetzgeber Druck auf die Normadressaten zur Umgewöhnung von den ihnen vertrauten nationalen Inlandsregeln auf ein in einem Vertrag enthaltenes „künsdiches" Spezialrecht für international verknüpfte Rechtsgeschäfte dadurch ausüben, daß, ähnlich wie § 1409 BGB, Rechtswahl durch Verweisung auf ein nationales Inlandsrecht als ungenügend erklärt und wördiche Wiederholung der gesetzlichen Bestimmungen eines nationalen Rechts im Vertrag erfordert würde, so würde auch eine Heranziehung der Rechtsprechung zu dem Inlandsrecht, das die Parteien im Auge haben, zur Auslegung ihres Vertrages nicht zu rechtfertigen sein. Uber die ausdrückliche bzw. hypothetische Wahl des nationalen deutschen Rechts für einen internationalen Kaufvertrag anstelle des einheitlichen Kaufrechts vgl. Mertens-Rehbinder, Internationales Kaufrecht, Ziff. lOff. zu Art. 4 EKG. Anders in der DDR: Wird für einen internationalen Kaufvertrag „das" Recht der DDR gewählt, so ist das nur als Wahl der Bestimmungen des besonderen DDR-Gesetzes über internationale Wirtschaftsverträge zulässig und in diesem Sinne zu verstehen. Den Bedenken gegen die „universalistische" Konzeption trägt Art. 3 des Vertrages zur Einführung des einheitlichen Kaufrechts für internationale Käufe Rechnung, indem in einem Vertragsstaat, der einen entsprechenden Vorbehalt gemacht hat (so auch die Bundesrepublik), die Geltung dieses Rechts auf die Fälle beschränkt werden kann, in denen die Parteien ihre Niederlassung in (verschiedenen) Vertragsstaten haben. Wohl aber ist die Wahl des einheitlichen Kaufrechts durch die Parteien in einer Situation, in der dieses Spezialrecht selbst gar nicht kraft Gesetzes anwendbar ist, zugelassen; dabei sind alle zwingenden Bestimmungen eines nationalen Rechts, welches selbst als gesetzliches Geschäftsstatut berufen gewesen wäre, weiterhin vorrangig anzuwenden, vgl. Art. 4 des Gesetzes vom 17. 7. 1973 über das vereinheidichte Kaufrecht für internationale Käufe. Nach dem Entwurf der UNCITRAL von 1978 soll das revidierte uniforme Kaufrecht für internationale Käufe nur anwendbar sein, wenn die Vertragsparteien ihren Geschäftssitz, von dem aus der Vertrag geschlossen wurde, in verschiedenen Vertragsstaaten haben, oder wenn auf Grund des nationalen Kollisionsrechts eines Vertragsstaates das Recht eines Vertragsstaates Geschäftsstatut wäre. Das letztere wäre u. a. dann der Fall, wenn die Parteien das Recht eines Vertragsstaates als Geschäftsstatut gewählt haben. Dieser Ausweg ist beim einheidichen Kaufrecht für internationale Kaufverträge deshalb nicht aktuell, weil die meisten Signatare den in Art. 1 des Vertrages niedergelegten Universalitätsanspruch durch Benutzung der Vorbehaltsmöglichkeiten in Art. 3 und 4 abgelehnt haben. Vgl. Aura. 37. Eine Ubersicht über die Behandlung der Exportkartelle in den verschiedenen staadichen Rechten findet sich in dem OECD-Bericht, Export Cartels, 1974. Während u. a. für devisenrechdiche Vorschriften und für Freizeichnungsklauseln im Seetransport bereits vertragliche Regelungen bestehen, könnten mit der im Text gegebenen Begründung auch z. B. einseitige spezialrechtliche Regelungen im Recht eines Staates zum Schutz von Arbeitnehmern, die außerhalb ihres Wohnsitzlandes beschäftigt werden, oder Regelungen zur Beseitigung von Mißbräuchen bei der Organisierung von Auslandsreisen, auch in anderen Staaten zur Anwendung gebracht werden, auch wenn sie nicht von dem Staat herrühren, dessen Recht Geschäftsstatut ist. Darüber, daß die deutsche Rechtsprechung dies als Ermittlung des hypothetischen Willens der Parteien zur Wahl eines nationalen Rechts ausgibt, vgl. oben S. 525. Art. 4 des Vertragsentwurfs für ein internationales Schuldvertragsrecht der EWG-Länder stellt darauf ab, daß sich „aus den gesamten Umständen ergibt", daß der Vertrag „engere Verbindungen" zu einem anderen Staat als demjenigen aufweist, der in anderen Artikeln durch starre Anknüpfungsmomente als subsidiäres gesetzliches Geschäftsstatut bezeichnet wird. § 188 des amerikanischen Restatement on Conflicts
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Anmerkungen zu S. 536-537 of laws will auf die „most significant relationship", und zwar „with respect to an issue in contract" abstellen. Damit ist aber wohl an die Möglichkeit von Sonderanknüpfungen einzelner Teilfragen gedacht, und die ausgedrückte Regel ist nicht etwa dahin zu verstehen, daß es überhaupt kein „Geschäftsstatut" für alle nicht anderweit zugewiesenen Fragen geben würde. Deutlicher bezeichnet Dicey-Morris, S. 742, das Recht, „with which the transaction has its closest and most real connection", als das „proper law of the contract". Ablehnend gegenüber der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen oder dem hypothetischen Parteiwillen als Anknüpfungsmoment für das gesetzliche Geschäftsstatut verhalten sich die Kollisionsrechte von Spanien, Portugal und die lateinamerikanischen Länder, aber auch das österreichische IPR-Gesetz von 1978. Auch die Staatsangehörigkeit der natürlichen Personen, welche einen Schuldvertrag abschließen, ist zur Bestimmung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen zu berücksichtigen, wenn es damit zu einem einheitlichen Vertragsstatut für den gegenseitigen Vertrag kommt; dies gilt auch, wenn das auf diese Weise ermittelte Geschäftsstatut nicht das Recht des Landes ist, in welchem der Schuldner der charakteristischen Leistung seinen Wohnsitz hat: RG, IPRsp 1930, Nr. 33. Der Sitz einer Zweigniederlassung, u. U. auch die Belegenheit der Betriebsstätte eines Unternehmens, kann — z. B. bei Arbeitsverträgen — als Anknüpfungsmoment ganz an die Stelle des Hauptsitzes des Unternehmens treten; der Sitz der Zweigniederlassung kann auch neben dem Sitz der Hauptniederlassung als eine der -Verknüpfungen, die bei der Ermittlung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen abzuwägen sind, mit eingeschaltet werden, vgl. Burneder, Die inländische Zweigniederlassung ausländischer Unternehmen, Diss. München, 1971. Steht der Sitz des Schiedsgerichts bei Vereinbarung der Schiedsklausel noch nicht fest, sondern soll er erst im.Streitfall durch die Organe einer „internationalen" Institution bestimmt werden, welche auch den Vorsitzenden des' Schiedsgerichts bestellen soll, so ist er bei der Ermittlung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen wohl nicht von Bedeutung. Vgl. Batiffol, Bd. 2, S. 269 f. Nachdem das Reichsgericht in RGZ 108, 241, die ausdrückliche oder hypothetische Wahl des Rechts an dem noch nicht feststehenden zukünftigen Wohnsitz einer Partei, unter Ausschluß des (sowjetischen) Rechts, zu dem zur Zeit des Vertragsschlusses alle Verknüpfungen hingingen, für zulässig betrachtet hatte, schloß es sich in einer weiteren Entscheidung, IPRsp 1930, Nr. 8, der Feststellung der Vorinstanz an, daß mangels einer einigermaßen sicher zu erwartenden zukünftigen Auslandsverknüpfung doch nur das sowjetische Recht als Vertragsstatut in Frage komme, und in dieser Eigenschaft auch über die Aufwertung der vereinbarten Geldschuld zu entscheiden habe. So stellt der Vertragsentwurf für ein internationales Schuldvertragsrecht der EWG-Länder eine Anzahl von Zuweisungen mit objektiven Anknüpfungsmomenten auf, die maßgebend sein sollen, wenn der Vertrag keine engeren Beziehungen zu einem anderen Staat aufweist. So z. B. Art. 4 des Vertragsentwurfs. Eine Kritik der Anknüpfung vermittels des Wohnsitzes des Schuldners der für den Vertrag charakteristischen Leistung bei Jessurun d'Oliveira, Am. J. Comp. L. 25 (1977) 303 ff. § 12 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR spricht von der den „Inhalt des Vertrages bestimmenden Leistung", gibt aber zuvor ausdrücklich für die wichtigsten Vertragsarten an, worauf es ankommen soll; so etwa, daß Kaufverträge nach dem Recht des Sitzes des Verkäufers beurteilt werden. Nach § 36 des österreichischen IPR-Gesetzes soll bei gegenseitigen Verträgen, „nach denen die eine Partei der anderen zumindest überwiegend Geld schuldet", Geschäftsstatut das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts der anderen Partei sein. Daraus ergibt sich keine Lösung beim Verkauf von Produktionsabfällen, die der Verkäufer nicht verwerten kann, und wo die ohnehin bei jedem Kauf bestehende Abnahmepflicht des Käufers für den Verkäufer wichtiger sein kann als der Kaufpreis. Den Versuchen (vgl. Neuhaus, aaO, S. 190), um jeden Preis einen charakteristischen Inhalt eines Rechtsverhältnisses aufzudecken, um eine bestimmte Verknüpfung dieses Inhalts zum Anknüpfungsmoment zu machen, ist entgegen zu halten, daß die soziologischen Voraussetzungen, aus denen der charakteristische Inhalt eines Rechtsverhältnisses ermittelt werden soll, in den einzelnen Ländern durchaus verschieden sein können: Wenn in Ländern der westlichen Welt die Adoption
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von Kindern vorzugsweise im Interesse der Versorgung des Kindes erfolgt, so hat doch die Adoption unter Hindus diesen Zweck sicher nicht. Ahnlich wie von der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen in der Lehre vom hypothetischen Parteiwillen vermutet wird, daß die Parteien das so bestimmte Recht ausdrücklich gewählt hätten, wenn sie dazu genötigt gewesen wären, werden starre subsidiäre Zuwaisungen mit einem bestimmten Anknüpfungsmoment manchmal wieder als Vermutung für das gewichtigste Anknüpfungsmoment hingestellt. Der Schweizer Entwurf für ein IPR-Gesetz bestimmt in diesem Sinn in Art. 120 und Art. 121: Artikel 120. 1. „Wurde keine Rechtswahl getroffen, so untersteht der Vertrag dem Recht, mit dem er nach den gesamten Umständen am engsten zusammenhängt. 2. Der engste Zusammenhang kann namentlich durch die charakteristische Leistung, das besondere Schutzbedürfnis einer Partei oder die eindeutige ördiche Verknüpfung des Vertrages bestimmt sein." Artikel 121. 1. „Wird der engste Zusammenhang durch die charakteristische Leistung bestimmt, wie insbesondere bei den in Absatz 2 genannten Verträgen, so untersteht der Vertrag dem Recht am Ort der Geschäftsniederlassung oder, wenn eine solche fehlt, dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners der charakteristischen Leistung" . . . Für diejenigen Rechte, welche den hypothetischen Parteiwillen und die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen des Einzelfalles als Anknüpfungsmoment nicht kennen, sind derartige Zuweisungsnormen maßgebend, wenn keine ausdrückliche Rechtswahl erfolgt und nichts dafür spricht, daß die Parteien an die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts geglaubt haben, vgl. Art. 42 des portugiesischen ZGB, und Art. 10 Ziff. 5 des spanischen c. c., tit. prel. Nach der zuletzt genannten Bestimmung gilt für Schuldverträge mangels Rechtswahl das gemeinsame Heimatrecht, mangels eines gemeinsamen Heimatrechts das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, und mangels eines solchen das Recht des Abschlußorts. Das gilt insbesondere für Spanien, Portugal und die lateinamerikanischen Länder. Vgl.S. 206 ff. Vgl. Anm. 55. Das Kriterium des Wohnsitzes des Schuldners der charakteristischen Leistung hat sowohl in den Ländern der romanischen Rechte, als auch in den Ländern des anglo-amerikanischen Rechts wenig Anhänger; nur Art. 36 des argentinischen Entwurfs von 1974 stellt auf den Erfüllungsort der charakteristischen Vertragsleistung ab. Der Abschlußort des Vertrages, der als subsidiäres Anknüpfungsmoment vor allem in den romanischen Rechten verwendet wird, wird jedenfalls in Deutschland nicht als besonders sachgerecht empfunden. Vgl. oben S. 386. Über die ausdrückliche Wahl von allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder der Billigkeit zum Geschäftsstatut vgl. unten S. 543. Im übrigen kann ein Staat mit einer Anweisung, auf gewisse heterogen verknüpfte Geschäfte anstatt eines positiven staatlichen Rechts allgemeine Rechtsgrundsätze oder Billigkeit anzuwenden, jedenfalls solche Geschäfte nicht erfassen, die er mangels einer Inlandsverknüpfung keinesfalls seinem eigenen Recht hätte unterstellen können. Eine indirekte Wahl des Geschäftsstatuts durch die Parteien erfolgt auch, indem sie einen ausschließlichen Gerichtsstand in einem Staat vereinbaren; damit wird dasjenige Recht gewählt, welches in diesem Staat gesetzliches Geschäftsstatut ist, vgl. S. 224 u. 336. Erkennt ein anderer Staat die Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstandes als solchen nicht an, und läßt er seine Gerichte dennoch tätig werden, so haben sie sich doch an die indirekte Wahl des Geschäftsstatuts zu halten. Ein homogen verknüpfter Vertrag, der nach dem Stand des maßgeblichen Rechts zur Zeit der Errichtung des Vertrages zunächst ungültig ist, kann geschlossen werden mit der Maßgabe, daß er nachträglich verbindlich werden soll, wenn die Parteien erwarten, daß der Gesetzgeber zu einem späteren Zeitpunkt das Gültigkeitshindernis rückwirkend beseitigt.1 Dann sollte aber auch ein heterogen verknüpfter Vertrag, der nach den Rechten ungültig ist, mit denen zur Zeit des Abschlusses Verknüpfungen bestehen, mit der Maßgabe geschlossen werden können, daß er nachträglich verbindlich werden soll, wenn etwa das zukünftige Wohnsitzrecht der Parteien bereit ist, auf Grund dieser Abrede zum Geschäftsstatut zu werden. Die Frage wird aktuell, wenn Personen, die ihren gegenwärtigen Wohnsitzstaat verlassen wollen, unter sich ein zunächst nach dem Recht dieses 975
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Anmerkungen zu S. 5 3 9 - 5 4 0 Staates illegales und ungültiges Geschäft schließen, das aber erst nach gelungener Auswanderung unter dem zukünftigen Wohnsitzrecht abgewickelt werden soll, vgl. Anm. 51. Geht die Vereinbarung dahin, daß eine der Vertragsparteien sich in jedem Forumstaat, in dem sich ein zuständiges Gericht befindet, auf das dortige Recht berufen kann, wenn sie glaubt, daß dieses Recht ihr günstiger ist als das ausdrücklich einverständlich gewählte Geschäftsstatut, so wird man diese Vereinbarung wohl kaum irgendwo als zulässig betrachten. Wenn sich die alternative Anwendbarkeit des vereinbarten Geschäftsstatuts und der jeweiligen lex fori nur auf eine bestimmte Frage (Gültigkeit einer Haftungsbeschränkungsklausel) beziehen soll, so sieht Hooge Raad 14. 6. 1974, Ned. Jur. 1976, Nr. 196, darin keine Rechtswahl für die betreffende Teilfrage, sondern eine materiellrechdiche Verweisung, die nur zulässig sei, wenn sie nicht im Effekt gegen eine zwingende Bestimmung des gewählten Geschäftsstatuts verstößt. O b z. B. in der vertraglichen Bestimmung einer bestimmten örtlichkeit zum „Erfüllungsort" die „schlüssige" Wahl des am Erfüllungsort geltenden Rechts zum Geschäftsstatut zu sehen ist, mag in dem einen Staat so, und in dem anderen Staat anders beurteilt werden. Das österreichische IPR-Gesetz will einer schlüssigen Rechtswahl, die erst im Prozeß erfolgt, und einer schlüssigen Rechtswahl bei Arbeitsverträgen überhaupt keine Bedeutung beilegen, vgl. § 1 1 (2) und § 4 4 (3). Von einer schlüssigen Wahl des Geschäftsstatuts, deren Tragweite den Parteien bewußt war, kann vor allem gesprochen werden, wenn die Geschäftserrichter im Zusammenhang mit der Geschäftserrichtung etwas tun, was nur bei Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts als Geschäftsstatut sinnvoll ist. Dazu gehört vor allem im intergentilen Recht die Verwendung der Form der Geschäftserrichtung, die nur zulässig ist, wenn ein bestimmtes Gruppenrecht Geschäftsstatut wird. Im internationalen Privatrecht ist die Errichtung eines Geschäfts in einem bestimmten Lande unter Beachtung der Formen der lex loci actus im allgemeinen keine schlüssige Wahl dieses Rechts zum Geschäftsstatut. Sie kann als eine von vielen Verknüpfungen mitberücksichtigt werden, wenn es darum geht, die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu ermitteln. Deshalb ist eine subsidiäre Zuweisung des Geschäfts an die lex loci actus zur Ermittlung des gesetzlichen Geschäftsstatuts eigentlich wenig überzeugend. Hingegen kann die Benutzung der Geschäftserrichtungsform eines bestimmten Rechts in Kenntnis dessen, daß diese Form in anderen Staaten, die das gesetzliche Geschäftsstatut stellen würden, nicht anerkannt wird, ein Symptom für den Willen der Parteien sein, daß das Geschäft nur in dem Geschäftserrichtungsland Rechtswirkungen unter ihnen hervorbringen soll. So wenn „amerikanisches" Privatrecht als das Geschäftsstatut benannt worden ist. Soweit bei einem heterogen verknüpften Vertragsverhältnis zwingendes Recht eines beteiligten Staates durch Vereinbarung des Rechts eines anderen beteiligten Staates als Geschäftsstatut ausgeschlossen werden kann, ist auch die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes im Ausland, wo die betreffende Bestimmung sicher nicht zur Anwendung gebracht würde, unbedenklich: B G H , I P R s p 1 9 6 0 - 6 1 , N r . 39. Nicht unzulässig dürfte es sein, daß die Parteien zum Ausdruck bringen, daß sie ihre Wahl des Geschäftsstatuts als eine von der Gültigkeit des Geschäfts unter dem gewählten Recht bedingte Rechtswahl verstehen wollen, und daß sie vorsorglich ein zweites Recht als subsidiäres Geschäftsstatut bezeichnen. Es ist aber keine stillschweigende Rechtswahl in dem Sinne anzunehmen, daß bei Ungültigkeit des Vertrages unter dem gewählten Geschäftsstatut das gesetzliche Geschäftsstatut maßgebend sein soll: Wird ausdrücklich kalifornisches Recht von den Parteien als Geschäftsstatut gewählt, und erweist sich der Vertrag nach kalifornischem Recht als ungültig, so soll nicht nach einem anderen Recht als dem hypothetischerweise subsidiär gewählten Vertragsstatut gesucht werden können: Foreman v. George Foreman Associates, 517 F. 2d 354. Wohl aber ist bei einer nicht ausdrücklichen Rechtswahl, die nur durch Auslegung des vereinbarten Textes und der Äußerungen der Parteien bei der Vertragsbildung erwiesen werden kann, die erwiesene Kenntnis der Parteien davon, daß der Vertrag unter einem bestimmten Recht ungültig wäre, zu berücksichtigen; das wird übersehen in B G H , IPRsp 1968 — 69, Nr. 24. R G Z 126, 196 (IPRsp 1930, Nr. 34) hält es für möglich, daß eine Anleihe einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zwar grundsätzlich dem Recht des Schuldnerlandes untersteht, daß aber ein unter dem Geschäftsstatut beachtlicher hypothetischer Parteiwille anzunehmen sein könne, die an einem ausländischen Zahlungsort zu erfüllende Zahlungsverpflichtung in bezug auf Währung und
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Aufwertung nicht später ergangenen zwingenden Gesetzen des Schuldnerlandes zu unterstellen; die Vorinstanz hatte dasselbe Ergebnis mit Art. 30 EGBGB begründet. Kein Staat würde es wohl billigen, wenn die Parteien eine offen ergebnisbedingte Rechtswahl für die verschiedenen möglichen Teilfragen nach Gültigkeitshemmungen vereinbaren würden, indem sie bestimmen würden, für jede aufgeworfene Frage nach einem Ungültigkeitsgrund solle dasjenige unter den verknüpften Rechten anwendbar sein, welches die Gültigkeit bejaht. Die pauschale Aussage in BGH, IPRsp 1968 — 69, Nr. 170, die Parteien könnten bei kollisionsrechtlicher Rechtswahl in bezug auf einen Teil des Vertragsverhältnisses die Bestimmungen des gewählten Rechts, auch in bezug auf Wirksamkeitsvoraussetzungen, stillschweigend ausschalten und dafür sich einem anderen Recht unterwerfen, ist nicht durch solche Entscheidungen abgesichert, in denen sie tragendes Motiv geworden wären. Bei einer auf dem Fahrschein aufgedruckten Klausel über die Anwendbarkeit italienischen Rechts als Vertragsstatut und einer anderen Klausel, in der auf eine amerikanische Gesetzesbestimmung betreffend Haftung des Transporteurs Bezug genommen wird, will McQuillan v. Italia, 386 F. Supp. 462, die Gültigkeit und den Konsens bezüglich dieser Klausel nicht nach dem italienischen Hauptvertragsstatut, sondern nach amerikanischem Recht beurteilen. Für den Vertrag als Personenbeförderungsvertrag auf hoher See gelte dabei das nicht zur Zuständigkeit der Gliedstaaten gehörige „general maritime law", einschließlich seiner Kollisionsnormen, wobei diese Kollisionsnormen wieder auf die gewichtigste Kombination des Einzelfalles abstellen. Vgl. Art. 118 (1) des schweizerischen Entwurfs: „Die Rechtswahl bedarf einer Vereinbarung; diese untersteht dem Recht, dessen Wahl in Frage steht." Auch der argentinische Vorentwurf für ein internationales Privatrecht von 1974 bestimmt ausdrücklich, daß die Gültigkeit einer Rechtswahlvereinbarung sich nach dem gewählten Recht selbst 1 richten soll. Abzulehnen ist es, daß dritte und vierte Forumstaaten die Rechtswahl nach ihren Vorstellungen beurteilen wollen, oder daß sie bestimmte Teilfragen von sich aus einem bestimmten Recht zuweisen, so wenn Art. 118 (3) des schweizerischen Entwurfs besagt, daß, wenn eine Partei auf den Vorschlag der Wahl eines Rechts schweigt, sich die Wirkungen ihres Schweigens unter allen Umständen nach dem Recht am Ort der Geschäftsniederlassung bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts dieser Partei bestimmen sollen; vgl. dazu S. 550. Vgl. über diese Frage unten S. 556 f. Haben die Parteien das Geschäftsstatut gewählt, so mag das Kollisionsrecht dieses Geschäftsstatuts, auch wenn es die Wahl grundsätzlich annimmt, möglicherweise bezüglich bestimmter einzelner Teilfragen die eigenen zwingenden Bestimmungen ausschalten, wenn die Parteien ausdrücklich ein anderes Recht für diese Frage wählen. Vgl. Wiesner, Die Zulässigkeit der kollisionsrechtlichen Teilverweisung im internationalen Obligationenrecht, Diss. Regensburg, 1972. Anwendungswillige zwingende gesetzliche Vorschriften eines anderen Rechts als des gewählten Geschäftsstatuts können zugleich durch eine Verweisung im Geschäft zusätzlich als maßgeblich erklärt werden, vgl. BAG, IPRsp 1962 — 63, Nr. 19. Auch zwingendes Recht eines anderen Staates, das selbst von sich aus nicht anwendungswillig ist, kann zum Inhalt des Vertrages gemacht werden. Das RAG, IPRsp 1931, Nr. 54, hielt es jedoch mit Recht für unmöglich, die Kündigungsschutzbestimmungen für Schwerbeschädigte, die die Zustimmung einer deutschen Behörde vorsehen, einverständlich zum Inhalt eines Arbeitsvertrages zu machen, für den sie wegen des ausländischen Beschäftigungsortes nicht kraft Gesetzes anwendbar waren. Noch das sowjetische Seehandelsgesetz von 1968 läßt Abwahl nur der dispositiven Bestimmungen dieses Gesetzes zu. Das Gesetz ist auf Transportgeschäfte anwendbar, wenn der Vertrag in Sowjetrußland geschlossen wurde, wobei hinzugefügt wird, daß nach sowjetischem Rechht zu ermitteln sei, wo sich der Abschlußort befindet. Gefälligkeitsstatuten, wie sie sich vor allem für die Begründung juristischer Personen und die Ehescheidung finden lassen (vgl. S. 635, Anm. 24, u. S. 734), sind auch für Schuldverträge des Vermögensrechts, etwa Arbeitsverträge, denkbar. Besonders deutlich § 41 und § 44 des österreichischen IPR-Gesetzes: 41. „(1) Verträge, bei denen das Recht des Staates, in dem eine Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, dieser als Verbraucher besonderen privatrechtlichen Schutz gewährt, sind nach
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Anmerkungen zu S. 542-543 diesem Recht zu beurteilen, wenn sie im Zusammenhang mit einer in diesem Staat entfalteten, auf die Schließung solcher Verträge gerichteten Tätigkeit des Unternehmers oder der von ihm hierfür verwendeten Personen zustande gekommen sind. (2) Soweit es sich um die zwingenden Bestimmungen dieses Rechtes handelt, ist eine Rechtswahl zum Nachteil des Verbrauchers unbeachdich.". 44. „(1) Arbeitsverträge sind nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet. Dieses Recht bleibt auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einem anderen Staat entsandt wird. (2) Verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in mehr als einem Staat oder hat er keinen gewöhnlichen Arbeitsort, so ist das Recht des Staates maßgebend, in dem der Arbeitgeber seinen gewöhnlichen Autenthalt (seine Niederlassung, § 36 zweiter Satz) hat. (3) Eine Rechtswahl ist nur beachtlich, wenn sie ausdrücklich getroffen worden ist. Soweit es sich jedoch um die zwingenden Bestimmungen der in den Abs. 1 und 2 genannten Rechte handelt, ist auch eine ausdrückliche Rechtswahl unbeachtlich, sofern sie zum Nachteil des Arbeitnehmers getroffen worden ist." Ungewöhnlich ist das durch völkerrechtlichen Vertrag gesicherte Recht des Arbeitnehmers zur einseitigen Wahl eines anderen Statuts für den Arbeitsvertrag als des Staates, Von dem der Arbeitgeber seine Konzession zum Betrieb erhalten hat, in Art. 24 des britisch-norwegischen Abkommens über die Ausbeutung des Frigg-Ölfeldes vom 10. 5. 1976, Cmnd. 7043. Eine Beschränkung der Abwählbarkeit des englischen oder schottischen Rechts als Geschäftsstatut, insoweit damit die Anwendung des Unfair Contract Terms Act 1977 ausgeschaltet würde, sieht dieses Gesetz vor, wenn die Rechtswahl gerade in der Absicht erfolgt ist, die Bestimmungen jenes Gesetzes unanwendbar zu machen, oder wenn an dem Geschäft ein in Großbritannien ansässiger Verbraucher beteiligt ist, der seine Zustimmung zu dem Geschäft in Großbritannien abgegeben hat. Der Entwurf einer Konvention für das Schuldvertragsrecht der EWG-Länder in der Fassung von 1979 ordnet die Anwendung aller zwingenden Bestimmungen eines Vertragsstaates über Verbraucherverträge an, wenn der Verbraucher den Vertrag im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts auf Grund eines ihm dort gemachten Angebotes der anderen Partei geschlossen hat; die nichtzwingenden Bestimmungen dieses Rechts sind durch ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl ausschaltbar, nicht aber dadurch, daß die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen zu einem anderen Lande hingeht. Aus der Absicht, die Interessen der wirtschaftlich schwächeren Partei im internationalen Privatrecht zu schützen, erklärt sich auch der Entwurf einer Direktive des Rates der EWG für Versicherungsverträge. Danach soll volle Freiheit zur Wahl des Vertragsstatuts nur für gewisse Arten von Versicherungsverträgen mit größeren Unternehmungen bestehen; im übrigen soll das Recht des Landes, wo das Versicherungsrisiko belegen ist, zwingend gesetzliches Geschäfts Statut sein. Soweit Rechtswahl zugelassen wird, sollen noch zahlreiche zwingende Bestimmungen des Lagestaates des Risikos anwendbar bleiben. Zutreffende Kritik an diesem Entwurf in einem gemeinsamen Bericht der englischen und der schottischen Law Commission, Report on the choice of law rules in the Draft Non-Life Insurance Services Directive, 1979. Vor allem in der französischen Rechtsprechung besteht bereits die Tendenz, zwingende Bestimmungen des französischen Rechts über Versicherungsverträge zur Anwendung zu bringen, sobald irgendeine wesendiche Irilandsverknüpfung gegeben ist, vgl. Cass. Paris, Bull. Civ. 1967,1, no. 26. Bei Abzahlungsverträgen kommt eine Sonderanknüpfung auch für verkäuferfreundliche Bestimmungen in Frage, vgl. Goodwin vs. Cordeil and Jorgensen, (H.C. 1974) 1 Austr. L.R. 94. § 41 des österreichischen IPR-Gesetzes ist de lege ferenda bedenklich schon insofern, als er die vorrangige Anwendbarkeit der verbraucherfreundlichen Vorschriften des österreichischen Rechts von einer doppelten Inlandsverknüpfung — gewöhnlichem Aufenthalt des Käufers in Österreich und Geschäftsniederlassung oder in Österreich betriebener Werbung des Verkäufers — abhängig macht, und als er ausländisches Recht bei entsprechenden Verknüpfungen zum Ausland auch entgegen dem Willen des ausländischen Gesetzgebers dem gewählten Geschäftsstatut vorgehen lassen will. Die Paramount-Klausel macht die in den Haager Regeln vorgesehene Mindesthaftung des Seefrachtführers zum Vertragsinhalt, ohne Rücksicht darauf, ob einer der beteiligten Staaten, bzw. das
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Land des vorgesehenen Gerichtsstandes, Anwendung dieser Bestimmungen von sich aus vorschreibt: BGH, IPRsp 1970, Nr. 112 b. Will aber die lex fori mit den transformierten Haager Regeln von sich aus gar nicht anwendbar sein, so ist die Anwendung der in das Geschäft rezipierten Bestimmungen des Staatsvertrages nicht revisibel, vgl. die „Portalon"-Entscheidung des niederländischen H. R., Ned. Jur. 1969, Nr. 10, und Anm. 232 zu S. 385. Eine Verweisung auf die Haager Regeln als solche, und nicht auf die in positives Recht der USA transformierten Vertragsbestimmungen, ist vielfach gemeint, wenn in Verträgen, die keinerlei Verknüpfungen zu den Vereinigten Staaten aufweisen, auf den „US Carriage of Goods by Sea Act" verwiesen wird, vgl. Mineracors v. E. F. Marine, [1977] 2 LI. L. R. 140. Die Hamburger Regeln 1978 erklären sich selbst als dann anwendbar, wenn der schriftliche Vertrag über den Transport ausdrücklich bestimmt, daß die Konvention (oder ein nationales Recht, welches zur Durchführung der Konvention bestimmt ist) als Vertragsinhalt zu gelten hat; eine derartige Unterwerfung setzt offenbar nicht voraus, daß irgendeine objektive Verknüpfung zu einem der Vertragsstaaten besteht. Der BGH (IZRsp 1954-57, Nr. 105, Nr. 106) wollte auf die Rechtsbeziehungen eines westdeutschen Versenders zur Bundesbahn im interzonalen Verkehr die EVO nicht direkt, wohl aber als Gegenstand einer Verweisung in den einzelnen von der Bundesbahn abgeschlossenen Frachtverträgen anwenden. (Heute gelten die internationalen Verträge über Eisenbahnbeförderungsrecht auch zwischen der Bundesrepublik und der DDR.) Da das gesetzliche Geschäftsstatut, wenn es will, den Parteien jegliche Art einer materiellrechtlichen Verweisung erlauben kann, kann es ihnen auch eine derartige Verweisung auf ein Recht ermöglichen, welches im Urheberstaat trotz des Parteiwillens gar nicht angewendet werden will. Das gesetzliche Geschäftsstatut kann es auch billigen, daß die Parteien das gültige Zustandekommen des Geschäfts ausdrücklich zusätzlich davon abhängig machen, daß die Gültigkeitserfordernisse in einem von ihnen bezeichneten Recht, das selbst einen Anwendungsanspruch gar nicht stellt, erfüllt sind. Würden die Parteien in homogen verknüpften Verhältnissen staatlichen Rechtsschutz für einen Vertrag wünschen, von dem sie ausdrücklich erklären, daß nur die zwingenden Sätze des staatlichen Rechts anwendbar sein sollten, im übrigen aber vom staatlichen Gericht „nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen" entschieden werden möge, so ist zu bezweifeln, ob dies in einem Lande mit kodifiziertem ergänzenden Recht als zulässig betrachtet würde, insbesondere weil die Parteien für einen solchen Wunsch wohl keine plausible Begründung geben könnten. Es gilt dies insbesondere auch, wenn eine Streitentscheidung nach Billigkeit durch das staatliche Gericht in dem betreffenden Lande überhaupt nicht, oder erst nach Ausbruch des Streits vereinbart werden kann. Handelt es sich um einen nur mit zwei Staaten verknüpften Vertrag, so ist eine Vereinbarung, es solle nach den in den Rechten der beiden Staaten gemeinsamen Rechtsgrundsätzen entschieden werden, schon insofern lückenhaft, als nicht gesagt wird, was beim Fehlen gemeinsamer Rechtsinhalte gelten soll, und wenn zugleich der Wille geäußert wird, es solle auf keinen Fall eins der beteiligten Rechte allein maßgebend sein. Auch hier ist nicht recht einzusehen, weshalb die Parteien den staatlichen Richter nötigen könnten, in solcher von ihnen selbst geschaffenen Rechtsunklarheit zu judizieren. Uber die Kontrolle von Schiedssprüchen auf die Anwendung von zwingendem Recht anläßlich der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs durch das staadiche Gericht vgl. S. 413 ff. Verträge, die kein staadiches Recht zum Geschäftsstatut haben, sollen trotz Anerkennung der Parteiautonomie für das internationale Privatrecht in den „sozialistischen" Staaten nicht möglich sein, vgl. Rucareanu, Rev. Roum. Sc. Soc. 15 (1971) 167ff. Reimann, Zur Lehre vom rechtsordnungslosen Vertrag, Bonn 1970, hält einen nicht von einem positiven staatlichen Recht gedeckten rechtsordnungslosen Vertrag zwischen Privatpersonen für unmöglich. Der Staat kann es aber dulden, daß die Parteien unter Verzicht auf staatlichen Rechtsschutz in einem Vertrag Sollsätze über ihr zukünftiges Verhalten formulieren, und daß sie ein Schiedsgericht bestellen, das bei Streitigkeiten „nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen" entscheiden soll; der Staat kann es dann auch dulden, daß ein unter staatlichem Recht nicht verbotener Zwang gegen den „Verurteilten" geübt wird. Hingegen ist es höchst unwahrscheinlich, daß ein staatlicher Gesetzgeber seine Gerichte anweist, allein auf die Behauptung einer Partei hin, die Parteien hätten als Geschäftsstatut die Billigkeit oder allgemeine Rechtsgrundsätze gewählt, auch das Zustandekommen dieser Vereinbarung nach Billigkeit 979
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oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen, wenn das Zustandekommen der Vereinbarung von einer Partei bestritten ist. Wäre nach allen in Frage kommenden staatlichen Rechten ein Vertrag als zustandegekommen zu betrachten, und könnten die Vertragsparteien nach all diesen Rechten vereinbaren, daß für Auslegung und Ergänzung des Vertragsinhalts nicht ein staatliches Recht maßgebend sein soll, sondern daß nach Billigkeit entschieden werden müsse, so wäre es immer noch notwendig zu prüfen, ob auf den heterogen verknüpften Vertrag zwingende Bestimmungen des Forumstaates, eventuell auch anderer Staaten, an Hand einer Sonderanknüpfung angewendet werden müßten. Eine derartige Regelung hat offenbar im Auge Mercadel, D. Prat. Com. Int. 3 (1977) 457ff. Die Argumentation, aus der Zulässigkeit der Billigkeitsarbitrage in heterogen verknüpften Beziehungen sei darauf zu schließen, daß bei freier Wahl des Geschäftsstatuts jede Anwendung von zwingenden Rechtssätzen aus anderen Rechtsordnungen als dem Geschäftsstatut entfallen müsse, wenn staatliche Gerichte entscheiden — vgl. Sailer, Einige Grundfragen usw., Diss. München, 1969 —, überzeugt nicht. Vgl. S. 67. Beachtlich ist, daß die Parteien die zwingenden Bestimmungen im nationalen Recht des gesetzlichen Geschäftsstatuts nicht durch Wahl des von sich aus nicht anwendbaren vereinheitlichten internationalen Kaufrechts ausschalten können, vgl. Art. 4 des Gesetzes vom 17. 7. 1973. Bei einem homogen verknüpften Vertrag ist Ersetzung des dispositiven Rechts durch eine materiellrechtliche Verweisung auf ausländisches Recht oder auf nicht mehr geltendes Recht im Prinzip nicht ausgeschlossen; vgl. dazu Art. 3 (3) des Konventionsentwurfes für ein internationales Schuldvertragsrecht der EWG-Länder. Besonderheiten gelten jedoch vielfach für Güterrechts Verträge: Wäre das deutsche Recht für den gesetzlichen Güterstand maßgeblich, so kann ein vertraglicher Güterstand durch einfache Verweisung auf ausländisches Recht nur vereinbart werden, wenn es sich um die Verweisung auf das am ausländischen Wohnsitz eines der Ehegatten geltende Recht handelt, § 1409 BGB. Auch ohne daß das Bestehen von Auslandsverknüpfungen erforderlich ist, kann nach dem Matrimonial Property Act 1976 von Neuseeland der Güterstand eines ausländischen Rechts vereinbart werden; es war anscheinend die Absicht des Gesetzgebers, den Parteien die Anwendung eines Rechts zu ermöglichen, das dem bis dahin in Neuseeland geltenden Recht entspricht; man wollte jedoch das alte Recht zu diesem Zweck nicht aufrecht erhalten. Einigkeit besteht darüber, daß zwingendes Recht des Statuts für einen homogen Verknüpften Vertrag nicht durch Wahl eines ausländischen Rechts zum Geschäftsstatut abgewählt werden kann; wohl aber kann eine materiellrechtliche Verweisung auf ein ausländisches Recht weitere zwingende Bestimmungen eines gewählten Rechts zum Vertragsinhalt machen. So ist an eine „Wahl" des durch englische Schiedsgerichte anzuwendenden englischen Rechts für Seefrachtverträge zu denken, auch wenn der Vertrag nicht mit England, sondern im wesentlichen nur mit einem anderen Staat verknüpft ist; vgl. dazu Dicey-Morris, S. 731. Beim häufigen Gebrauch eines nationalen Rechts außerhalb des Urheberstaates durch Rechtswahl können sich inhaltliche Abweichungen von dem bilden, was bei Verwendung des betreffenden Rechts im Ursprungsland üblich ist. Es gilt dies z. B. von der Auslegung bestimmter Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen für Seefrachtverträge, die aus dem englischen Recht herrühren. Die verschiedene Entwicklung der Auslegung solcher Bedingungen innerhalb Englands und anderer Länder wird verkannt von RG, IPRsp 1933, Nr. 1. Bei den Verträgen, welche unter das mexikanische Gesetz von 1972 betreffend die Registrierung von Technologieverschaffung fallen, dürften außer dem Vertragsabwicklungsort, auf den das Gesetz abstellt, auch die meisten anderen gewichtigen Verknüpfungen nach Mexiko gehen. Das Gesetz bestimmt, daß das mexikanische Recht Vertragsstatut kraft Gesetzes sei, also nicht durch Rechtswahl ausgeschaltet werden kann; auch der mexikanische Gerichtsstand für Streitigkeiten aus solchen Verträgen ist nur ausnahmsweise mit Genehmigung der mexikanischen Behörden abdingbar. Die freie Wahl des von den Parteien gewünschten Rechts wird in vielen Ländern auch dann zugelassen, wenn sämtliche, oder fast sämtliche, anderen beteiligten Rechte dieselben zwingenden Bestimmungen aufweisen. Stimmen bei bunter Verknüpfung des durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnisses die meisten der beteiligten Rechte inhaldich überein, so könnte dies einem fast homogen verknüpften Rechtsverhältnis insofern gleichgestellt werden, als dann nur die Wahl eines der genannten Rechte zugelassen würde. So erklären sich die immer wieder vorgebrachten Klagen der Entwicklungsländer gegen die (meist
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vereinbarte) Anwendung des Rechts entwickelter Länder auf Geschäfte zwischen Entwicklungsländern und entwickelten Ländern, vgl-. Hartono, 20 Mal. L. Rev. (1978) 150. 8 8 Selbst nach der Abwicklung eines Schuldverhältnisses kann das letzte Geschäftsstatut noch mit neu erlassenen Bestimmungen, z. B. über die nachträgliche Aufwertung bereits erfüllter Geldschulden, anwendbar werden. 8 9 Vgl. oben S. 540. Anders ist es, insoweit nichtzwingendes (ergänzendes) Recht im Geschäftsstatut von den Parteien ausgeschaltet und durch die Bestimmungen eines ausländischen Rechts ersetzt wird; diese Verweisung auf ein anderes Recht als das Geschäftsstatut kann als Verweisung auf das betreffende Recht nach dem Stand zur Zeit der Geschäftserrichtung zu verstehen sein und spätere anwendungswillige Änderungen ausschließen. 9 0 Die Geschäftserrichter, vielleicht auch nur eine der Vertragsparteien, können sich von einem Organ des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, versprechen lassen, daß jedenfalls ihr Geschäft von zukünftigen gesetzgeberischen Eingriffen nicht, oder nicht ohne ihre Zustimmung, betroffen werden soll. Derartige Zusagen sind sicher nicht Gegenstand privatrechtlicher Verträge zwischen dem Staat und dem Versprechensempfänger. O b sie unter dem Staatsrecht des zu bindenden Staates überhaupt zulässig sind, und wenn ja, ob der Bruch einer solchen Zusage durch den Staat neben einem Schadensersatzanspruch des Versprechensempfängers, bzw. bei dessen Nichterfüllung, einen völkerrechtlichen Schadensersatzanspruch des Heimatstaates des Versprechensempfängers nach sich zieht, geht über eine Darstellung des internationalen Privatrechts weit hinaus; vgl. S. 33. 9 1 Hier ist es also für die Anwendung später erlassener, aber auf „alte" Geschäfte anwendungswilliger Gesetze nicht erforderlich, daß im Zeitpunkt des Erlasses eine Nachschubverknüpfung (vgl. S. 310) zu dem betreffenden Staat besteht. 9 2 Vgl. S. 524. 9 3 Vgl. hierzu Weisz vs. Weisz, 97 Cal. Rptr. 18. 9 4 Vgl. S. 310. 9 5 Über die Heilung von Gültigkeitsmängeln der Ehe durch das spätere Wirkungsstatut vgl. S. 612. 9 6 Vgl. S. 614. 9 7 Auslaufen eines ursprünglich nach russischem Recht begründeten Gesellschaftsverhältnisses, trotz der Beseitigung dieses Rechtsverhältnisses durch die sowjetische Gesetzgebung, zwischen den später in Deutschland befindlichen Gesellschaftern nach dem früheren russischen Recht wird angenommen von BayObLG, IPRsp 1928, Nr. 15. 9 8 Ist Geschäftsstatut für ein Arbeitsverhältnis auf Grund ausdrücklicher Rechtswahl das Recht A, so kann doch das davon verschiedene Land B des Beschäftigungsortes schon zur Zeit des Vertragsschlusses aus volkswirtschaftlichen oder sozialen Gründen mit zwingenden Bestimmungen über Mindestdauer der beiderseitigen Kündigungsfristen Anwendung beanspruchen. Aber auch später erlassene Gesetze des Beschäftigungslandes können anwendungswillig sein. Mit Art. 7 des Vorentwurfs für ein internationales Obligationenrecht der EWG-Länder (vgl. oben Anm. 34) werden nicht nur Gesetze anderer Staaten als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt, erfaßt, die bereits zur Zeit der Geschäftserrichtung bestehen, sondern auch später erlassene „Eingriffs"gesetze. 9 8 a Der US Supreme Court bemüht sich in der oben, Anm. 27a, erwähnten Entscheidung, den Vorwurf zu widerlegen, daß der Eingriff des amerikanischen Gesetzgebers in die ausländischem Recht unterstehenden Verträge verfassungswidrig sei. Die Vereinigten Staaten könnten die Zulassung ausländischer Schiffe in ihre Häfen von der Bereitschaft zur Beachtung aller derjenigen amerikanischen Gesetze abhängig machen, die der amerikanische Gesetzgeber angewendet wissen wolle. Dieses Argument würde nicht ziehen, wenn das Recht zuift Anlaufen amerikanischer Häfen durch. Staatsvertrag gewährleistet wäre, und die Vereinigten Staaten nur die Beachtung ihrer Verkehrsvorschriften u. ä. vorschreiben dürften. 9 9 Das oben im Text Gesagte gilt auch für Teilfragenstatute, die von einem anderen Recht als dem des Geschäftsstatuts gestellt werden. War Geschäftsstatut das örtliche Recht eines später geteilten Staatsgebiets, und wurde zugleich das Geschäft auf diesem Gebiet errichtet, so ist das Nachfolgegeschäftsstatut keineswegs bloß für die Validierung formungültiger Geschäfte zuständig, die früher an einem Ort errichtet wurden, der später zum Staatsgebiet dieses Nachfolgestaates gehört: Konnten in dem ungeteilten Staat politisch Verfolgte nicht die rechtlich allein zulässige standesamtliche Ehe schließen, und erläßt nur einer der Nachfolgestaaten Bestimmungen über die Validierung 981
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„freier" Eheschließungen derartiger Personen in der Verfolgungszeit, so wird dieses Gesetz nicht nur auf Eheschließungen in dem Gebiet Anwendung finden wollen, das später zu diesem Nachfolgestaat gekommen ist, sondern auch auf eine Eheschließung an einem anderen Ort des ungeteilten Staatsgebiets, wenn nur die Beteiligten Staatsangehörige in diesem Nachfolgestaat geworden sind, der nunmehr für sie das Ehewirkungsstatut (oder das Erbstatut) stellen will. Von dem hypothetischen Parteiwillen wird man kaum sagen können, daß er dahin gehe, bei gleichstarken Verknüpfungen zu den verschiedenen Nachfolgestaaten sei das Recht desjenigen Staates vorzuziehen, welcher für die Zwecke des Völkerrechts als mit dem ungeteilten Staat identisch gilt, wenn gerade dieser Staat das frühere Recht nicht aufrecht erhält und gegen den Willen der Parteien neuerlassenes Recht auf alte Rechtsgeschäfte zur Anwendung bringen will; vgl. oben S. 319. Wird das anfänglich homogen verknüpfte und durch Rechtsgeschäft begründete Rechtsverhältnis erst durch die Teilung des Geltungsgebietes des ursprünglichen Geschäftsstatuts zu einem heterogen verknüpften Rechtsverhältnis, so gilt dasselbe wie für ein schon zu Beginn wegen der Verknüpfungen mit dritten Staaten heterogen verknüpftes Rechtsverhältnis. Auch wenn alle Nachfolgestaaten hierbei auf die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen abstellen wollen, so sind Meinungsverschiedenheiten über das Ergebnis nicht unwahrscheinlich. Eine einheitliche Beurteilung des Geschäfts in sämdichen Nachfolgestaaten ist auch dann nicht zu erwarten, wenn einzelne von ihnen ohne Rücksicht darauf, ob sie auch das Geschäftsstatut stellen, einseitig einzelne neuerlassene zwingende Rechtssätze auf Grund einer Inlandsverknüpfung als anwendbar erklären, und die anderen Nachfolgestaaten ihnen dabei nicht folgen. Es ist möglich, daß auf diese Weise jeder von mehreren Nachfolgestaaten die alte Schuld auf seine eigene Währung umstellen will. Keiner der Nachfolgestaaten ist gehindert, für seine Gerichte Vorschriften zu erlassen, wann sie eine Umstellung der Schuld auf die Währung eines anderen Nachfolgestaates anzunehmen haben, auch wenn dieser Staat seine eigenen Umstellungsvorschriften nicht angewendet haben will. Uber das Statut von Versicherungsverträgen und die Währung der Schuld aus dem Versicherungsvertrag nach Spaltung des Geltungsgebietes des ursprünglichen „deutschen" Geschäftsstatuts vgl. BGH, IPRsp 1954-55, Nr. 32. Stimmen das alte Geschäftsstatut und die Rechte der Nachfolgestaaten darin überein, daß aus der Treu und Glauben-Klausel auch eine materiellrechtliche Lösung für die Fragen entwickelt werden könne, die sich aus der Spaltung des Geltungsgebietes des ursprünglichen Geschäftsstatuts als eines unvorhergesehenen neuen Ereignisses ergeben, so kann eine letztlich aus Billigkeitsgründen erfolgte Lösung als Ergebnis der Anwendung der gemeinschaftlichen Treu und Glauben-Klausel ausgegeben werden. Mit einer Spaltung von Staatsgebiet nach Kriegen usw. sind meist noch andere neue Ereignisse verbunden, die ebenfalls entweder nach Billigkeit oder über die Treu und Glauben-Klausel berücksichtigt werden müssen.
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Vgl. S. 519. Hierher gehört auch die Regelung der Frage, ob mit der Unterzeichnung eines Vertragstextes durch eine geschäftsfähige und in vollem Bewußtsein handelnde Partei ohne Kenntnisnahme von dem Inhalt des Textes die Zustimmung zu diesem Text als abgegeben gilt, bzw. ob dies nur für diejenigen Teile des Vertragstextes gilt, die nicht zu dem unentbehrlichen Vertragsinhalt gehören. Ein Auseinanderfallen des ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarten Statuts für die Vertragswirkungen von dem über den hypothetischen Parteiwillen ermittelten Statut für das Zustandekommen des Vertrages hält RG, IPRsp 1926—27, Nr. 53, für möglich; das läßt sich aber wohl nur als Ergebnis der Handhabung der Mosaikmethode erklären. Das Schweizer Bundesgericht hat es 1952 (BE 78 II 74) nicht nur abgelehnt, die Errichtung des Vertrages nach dem Recht des Errichtungsortes, die Wirkungen hingegen nach dem Recht des Erfüllungsortes der charakteristischen Leistung zu beurteilen, sondern hält es auch für unzulässig, daß die Parteien für den einen oder den anderen Fragenkomplex verschiedene Rechte ausdrücklich oder hypothetischerweise wählen. Trotzdem mag es Fälle geben, in denen die Parteien zunächst
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nur ein Verhandlungsstatut wählen und es offen lassen, welchem Recht sie die Wirkungen des Vertrages unterstellen werden, da ja u. U. erst im Laufe der Verhandlungen Klarheit darüber geschaffen wird, welche weiteren Verknüpfungen (z. B. als Erfüllungsorte) in Frage kommen. Kommt dann der Vertrag unter dem Verhandlungsstatut nicht zustande, so kann dieses Recht z. B. für Ansprüche aus culpa in contrahendo oder der Rückgabe von Vorgeleistetem von Bedeutung werden. Soweit das endgültige Geschäftsstatut des in Aussicht genommenen Vertrages es zuläßt, mögen die Parteien auch selbst Bestimmungen darüber treffen, wie ein zukünftiger Vertrag zwischen ihnen Zustandekommen soll. Zu bezweifeln ist indes, daß die Parteien vereinbaren können, ob das Zustandekommen eines weiteren Vertrages zwischen ihnen „nach allgemeine^ Rechtsgrundsätzen" oder nach „Billigkeit" zu beurteilen sei. Nicht präzise genug ist auch die Bestimmung in Art. 2. des einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen, wonach die gesetzlichen Regeln über den Abschluß insoweit nicht gelten sollen, „als sich aus den Vorverhandlungen, dem Angebot, der Antwort, den Gepflogenheiten, die sich zwischen den Parteien gebildet haben, oder den Gebräuchen eine andere Regelung ergibt". Der RevisionsVorschlag der U N C I T R A L über ein uniformes Kaufrecht will derartiges nur zulassen, soweit die Konvention nichts Gegenteiliges bestimmt; doch sollen die Parteien ausdrücklich auch wieder die Anwendbarkeit der Konventionsbestimmungen ausschließen können. Vgl. oben S. 524. Eine spezialrechdiche Regel für die Rechtswahlvereinbarung kann z. B. dahin lauten, daß die Aufnahme einer Rechtswahlklausel in das Angebot der einen Partei für einen Vertrag nicht als angenommen gelten kann, wenn die Klausel in einer anderen Sprache abgefaßt ist als die übrige Korrespondenz der Parteien über das Vertragsangebot, und wenn dem Anbietenden bekannt war, daß die Sprache, in der die Rechtswahlklausel abgefaßt war, von der anderen Partei nicht verstanden würde, vgl. Hof s'Hertogenbosch, Ned. Jur. 1976, Nr. 200. Steht auf Grund der vorhandenen Verknüpfungen fest, welches Recht das Geschäftsstatut des Vertrages bei Gültigkeit wäre, so sind die Bestimmungen dieses Rechts auch auf die Frage nach dem Zustandekommen des Vertrages anwendbar: Cass. Brüssel, J . Trib. 1975, 424. Die Vorschriften des westdeutschen Gesetzes über allgemeine Geschäftsbedingungen vom 9. 12. 1976, die sich darüber aussprechen, wann allgemeine Geschäftsbedingungen als „in den Vertrag einbezogen" gelten können, bzw. wann sie als nicht einbezogen zu gelten haben, sind dann anwendbar, wenn das Zustandekommen des Vertrages ohnehin nach deutschem Recht als dem Geschäftsstatut oder als dem vom Geschäftswirkungsstatut zu unterscheidenden Geschäftserrichtungsstatut zu beurteilen ist, oder wenn die Sonderanknüpfung des § 12 eingreift. § 12 sichert dem Gesetz einen festen Anwendungsbereich vorrangig vor jedem vereinbarten oder gesetzlichen Geschäftsstatut. Dabei ist es erforderlich, daß drei in dem Gesetz definierte Anknüpfungsmomente zum Inland vorliegen, nämlich (1) daß der Vertrag auf Grund eines öffentlichen Angebots, einer öffendichen Werbung oder einer ähnlichen im Inland entfalteten geschäftlichen Tätigkeit des Verwenders der allgemeinen Geschäftsbedingungen zustandekommt, 2) daß die andere Partei Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, und schließlich, 3) daß sie ihre Willenserklärung im Inland abgibt. O b damit, daß § 12 nicht von der Anwendbarkeit des Gesetzes, sondern von seiner „Berücksichtigung" spricht, dem Richter wieder eine weitere Ermessensfreiheit gegeben werden soll, als er sie ohnehin auf Grund der Generalklausel in § 9 des Gesetzes besitzt, ist zweifelhaft. Eine solche gesetzliche Regel findet sich in Art. 35 des portugiesischen Z G B : Das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts wird im Prinzip nach dem Geschäftsstatut beurteilt. Dafür, ob eine Willenserklärung vorliegt, soll jedoch das Recht des gemeinschaftlichen Wohnsitzes der Vertragschließenden maßgebend sein, mangels eines solchen gemeinschaftlichen Wohnsitzes das Recht des Geschäftserrichtungsortes; dafür, ob ein Vertrag durch Schweigen auf das Angebot der anderen Partei zustandekommt, soll das Recht des Zugangsortes des Angebotes maßgebend sein. Dafür, ob ein Verhalten als Mitwirkung an der Errichtung eines Rechtsgeschäfts gelten kann, soll das Wohnsitzrecht des Betreffenden neben dem grundsätzlich auf diese Frage anwendbaren Geschäftsstatut zu „berücksichtigen" sein: B H G , IPRsp 1971, N r . 133. Das läßt sich nicht einfach damit begründen, daß jemandem nur durch sein Personalstatut Verpflichtungen oder Belastungen aus seinem Schweigen im Rechtsverkehr auferlegt werden könnten:
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Wenn eine Partei an die Bestimmungen des Geschäftserrichtungsortes über die Formlosigkeit der Erklärungen zur Errichtung eines pflichtbegründenden Geschäfts gebunden sein kann, so kann sie auch an die Bestimmungen des Geschäftserrichtungsortes gebunden sein, welche ihr Schweigen auf einen Vorschlag als Zustimmung deuten. Motiv des im Text dargestellten Gedankens ist vielmehr die Sicherung der Gleichbehandlung derjenigen, die über ein zweiseitiges Geschäft verhandeln: Derjenige, welcher an dem Zustandekommen des Vertrages in der Fassung seines Vorschlags interessiert ist, soll nicht durch Bestimmungen des Geschäftsstatuts über das Zustandekommen des Vertrages durch Schweigen der anderen Partei auf seinen Vorschlag gegenüber dieser Partei begünstigt werden. Ist es fraglich, ob Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben, welches neue Vertragsinhalte einführt, den Vertrag zum Abschluß bringt, so kann dies an Hand der in dem Bestätigungsschreiben enthaltenen Rechtswahlklausel sicher dann nicht bestimmt werden, wenn der Staat des gewählten Rechts selbst die Rechtswahl deshalb für ungültig hält, weil es an einer objektiven Verknüpfung zu diesem Staat fehlt. Es ist dann das Land der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen zu ermitteln und nach dessen Recht zu prüfen, ob das Schweigen auf den sonstigen Inhalt des Bestätigungsschreibens den Schweigenden bindet, vgl. dazu Duplan Corp. etc. v. N. B. Davis Hosiery Mills, (D. C. S. D. N. Y. 1977) 442 F. Supp 86. Andererseits läßt sich argumentieren, daß ja jede Vertragspartei sich bei den Verhandlungen über einen Vertrag darüber informieren kann, welche Bestimmungen die als Geschäftsstatut in Frage kommenden Rechte über das Zustandekommen des Vertrages haben, und daß sie dementsprechend ihre Interessen in bezug auf die Vertragserrichtung sichern kann. Dabei darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, daß in einem Recht das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben des ursprünglichen Anbieters, welches von diesem Angebot abweicht, ohne daß über die Abweichung verhandelt wurde, möglicherweise anders behandelt wird als das Schweigen auf ein Schreiben, welches das angebliche Ergebnis bisheriger mündlicher Verhandlungen bestätigt; auch das Schweigen auf mündliche Äußerungen unter Anwesenden wird möglicherweise anders behandelt als das Schweigen auf ein Schreiben. Unterschiedlich geregelt ist vielfach die Bedeutung des Schweigens auf einen Hinweis der anderen Partei auf allgemeine Geschäftsbedingungen und die Unterlassung einer Verwahrung gegenüber solchen allgemeinen Geschäftsbedingungen, von denen vermutet wird, daß die andere Partei sie zugrunde legen will. Die Dinge sind erheblich komplizierter als in der Darstellung der „modes non formels d'expression de la volonté en droit international privé" durch Lagarde und Lalive in: Trav. Ass. Henri Capitant 20 (1968) 171 ff. Der Konventionsentwurf für ein internationales Privatrecht der Schuldverträge der EWG-Länder beschränkt sich auf eine vage Generalklausel: Das Zustandekommen des Schuldvertrags bestimmt sich nach dem Recht, welches Geschäftsstatut für den gültig zustandegekommenen Vertrag werden würde; jedoch kann sich eine Partei auf das Recht ihres gewöhnlichen Aufenthaltes, wenn danach ihre Zustimmung zu verneinen wäre, berufen, falls es „unangebracht" sein würde, diese Frage nach dem Geschäftsstatut zu beantworten. Bedenkliche Unklarheiten werden in die Regelung hineingebracht, wenn die Bedeutung des Schweigens (als „Annahme") unter einem Recht bzw. unter rechtserheblichen „Gebräuchen" einer Partei dann entgegengehalten werden kann, wenn sie von dieser Bedeutung ihres Schweigens Kenntnis hatte oder haben mußte, vgl. dazu die Varianten des Vorentwurfs zu einem EWG-Vertrag über internationales Obligationenrecht zu Art. 8 : Art.8, Absatz 2. Erste Variante. „Die Bedeutung des Schweigens einer Partei in bezug auf das Zustandekommen des Vertrages wird nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts dieser Partei beurteilt. Unbeschadet der Vorschriften dieses Rechts kann jedoch das Schweigen einer der Parteien als Zustimmung zu dem Vertrag aufgefaßt werden, wenn sich diese Auslegung aus den Gewohnheiten, die sich zuvor zwischen den Parteien herausgebildet haben, oder den internationalen Handelsusancen, die die Parteien auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit kennen oder kennen müssen, ergibt." Zweite Variante. „Aus dem Schweigen einer der Parteien kann nur dann auf Abschluß eines Vertrags geschlossen werden, wenn sich diese Auslegung aus den vorher zwischen den Parteien entwickelten Gewohnheiten oder den Gebräuchen des internationalen Handels ergibt." Auch BGH, IPRsp 1976, Nr. 8, will prüfen, ob die ausländische Partei an einem dem deutschen
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Recht unterstehenden Vertrag mit einem deutschen Spediteur „wußte oder wissen mußte", daß der Spediteur nach den deutschen allgemeinen Spediteurbedingungen arbeitete, ferner ob das Schweigen der ausländischen Partei als Zustimmung zur Einbeziehung der Bedingungen in den Vertrag zu werten sei, oder ob nach dem Heimatrecht der ausländischen Partei dies zu verneinen ist, und dann wieder, ob sie nach den Umständen des Falles damit rechnen durfte, ihr Verhalten werde nach dem vom deutschen Recht abweichenden Heimatrecht beurteilt. Welche Anforderungen an die über einen Vertrag verhandelnden Parteien gestellt werden, sich über das Kollisionsrecht, über den Inhalt der in Frage kommenden Rechte und Usancen, sowie über den Sinn der in einer fremden Sprache abgegebenen Äußerungen der anderen Partei zu unterrichten, das sollte zunächst schon der Gleichbehandlung wegen keinesfalls für die Parteien nach unterschiedlichen Rechten beurteilt werden: Kann nach den Wohnsitzrechten beider Parteien jede von ihnen das angebliche Verhandlungsergebnis einseitig in einem Bestätigungsschreiben der anderen Partei zur Kenntnis bringen, und erfolgt nach dem einen Recht Bindung durch Schweigen, während nach dem anderen Recht eine ausdrückliche Annahmeerklärung erforderlich ist, so hätten die Verhandlungspartner durchaus ungleiche Chancen, durch Zusendung eines solchen Bestätigungsschreibens den von ihnen einseitig formulierten angeblichen Vertragsinhalt bindend werden zu lassen. Zu bezweifeln ist, daß sich, und sei es auch nur zwischen den wichtigeren europäischen Ländern, durch Übung und Rechtsüberzeugung ein uniformes Gewohnheitsrecht über die genannten Fragen gebildet hat. Zu denken ist daher an die Schaffung einheitlicher Bestimmungen über das Zustandekommen von vermögensrechtlichen Verträgen in heterogen verknüpften Situationen. Dieses vereinheitlichte Recht über das Zustandekommen des materiellrechtlichen Vertrages könnte dann natürlich auch auf das Zustandekommen des Vertrages über die Wahl des Geschäftsstatuts anstelle der einschlägigen Bestimmungen des Geschäftsstatuts selbst zur Anwendung gebracht werden. Unter Umständen wird ohne Rücksicht darauf, ob ein anderes Recht als Geschäftsstatut berufen wäre, das Zustandekommen eines Vertrages durch Schweigen auf ein Angebot ausgeschlossen, und für die Rückabwicklung der ohne Vertrag erfolgten Vorleistung des Anbietenden eine Regelung geschaffen. Das britische Gesetz über unbestellte Zusendungen, welches das Zugesandte mangels Abholung innerhalb bestimmter Frist als dem Sendungsempfänger geschenkt gelten läßt, enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen über seinen Anwendungsbereich. Das entsprechende südaustralische Gesetz hingegen will gelten für Zuwendungen von irgendwoher an eine „Person im Inland". Zugleich wird bei Zusendungen an eine „Person im Ausland", wer auch immer der Zusender sein mag, und wo er auch immer gehandelt haben mag, eine Klage auf Geldzahlung in Südaustralien wegen der nicht abgeholten Zusendung ausgeschlossen, vgl. Unordered Goods and Services Act, 1972. Der Anwendungsbereich einer bloßen Sollvorschrift über die Form des Rechtsgeschäfts ist praktisch uninteressant. Rechtssätze, welche es dem Ermessen des Gerichts überlassen, ob die Nichtbeachtung einer Formvorschrift zur Ungültigkeit des Geschäfts führt oder nicht, oder welche die Berufung auf einen Formmangel beim Vorliegen bestimmter Umstände als gegen Treu und Glauben verstoßend und deshalb unbeachdich erklären, erhalten denselben Anwendungsbereich wie Vorschriften, welche an einen Formmangel unter allen Umständen die Ungültigkeit des Geschäfts anknüpfen. In der traditionellen Denkweise wird es damit zum Ausdruck gebracht, daß gesagt wird, die Folgen einer Nichtbeachtung des berufenen Formstatuts seien diesem Recht zu entnehmen, vgl. R G Z 133,161. Kaum erforschte Probleme hängen mit dem Begriff des „formlos" geschlossenen Vertrages zusammen. Es dürfte hier eine Verweisung auf „Sozialnormen" (vgl. dazu Neumeyer, Z ö f f R 11 (1931) 34ff.) vorliegen, die ihrerseits wieder die Existenz von „Kommunikations"verfahren zwischen Menschen voraussetzen. Sozialnormen und Kommunikationsverfahren können aber für verschiedene Menschengruppen verschieden sein. Bei Transaktionen zwischen Personen verschiedener Menschengruppen kann es dann sogar spezielle Sozialnormen und spezielle Kommunikationsverfahren geben; es gibt spezifisch interne Märkte und spezifisch internationale oder intergentile Märkte, wo z. B. die Gesten des Handschlags, der Kopfbewegungen, aber auch des Schweigens unter Anwesenden verschiedene Bedeutung haben können. Wo das Bewußtsein besteht, daß keine Verständigung zwischen Menschen möglich ist, entfällt auch die Möglichkeit eines Vertrages. Bei
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Anmerkungen zu S. 551-553
zwischenmenschlichen Kommunikationsverfahren wird aber unter Umständen auch wieder die Geltung bestimmter Rechtssätze stillschweigend unterstellt: Bei dem einfachsten Geschäft, dem Tausch, kann der Vollzug in der einen Menschengruppe als endgültige Einigung verstanden werden, in der anderen hingegen (so in manchen „Eingeborenen"rechten) als Einigung unter Vorbehalt der einseitigen Rückgängigmachung. In einfachen Verhältnissen ist sich möglicherweise eine Partei gar nicht dessen bewußt, daß ihre Äußerungen auch anders verstanden werden könnten, als sie es gewohnt ist, vgl. oben S. 121, Anm. 169. Bedeutsam ist auch, daß insbesondere Gesten — etwa der Handschlag der Kontrahenten — entweder eine Verfahrensart der Kommunikation als solcher oder eine zusätzliche Formalität für den Rechtsvertrag sein können. Ein Transkeigesetz besagt ausdrücklich, daß das Fehlen des Händedrucks bei der Eheschließung keinen Nichtigkeitsgrund abgibt. 1 0 Stellt der Staat des Geschäftsstatuts für bestimmte heterogen verknüpfte Geschäfte die Formen seines Rechts zur gültigen Geschäftserrichtung nicht zur Verfügung, und erkennt er die Verwendung der Form einer ausländischen lex loci actus nicht an, so kommt dies einem Spezialrechtsverbot derartiger heterogen verknüpfter Geschäfte gleich. Wäre in einem anderen Forumstaat ein offenes Verbot zu beachten, so bestehen auch keine Bedenken gegen die Beachtung dieses indirekten Verbotes. Hält der Forumstaat jedoch ein Verbot bestimmter homogen verknüpfter Geschäfte in einem ausländischen Recht — praktisch vor allem von Ehen — als mit seinem ordre public unvereinbar, so wird der Forumstaat das Zustandekommen des Geschäfts in irgendeiner von den Parteien gewählten Form annehmen; so wurden in der deutschen Rechtsprechung, auch ohne besondere rückwirkende Validierungsgesetze für „freie" Ehen, die „Notklerikalehen" verfolgter Minderheitsangehöriger in Rumänien anerkannt, vgl. O L G Stuttgart, IPRsp 1962 — 63, Nr. 62, und O L G München, IPRsp 1 9 6 8 - 6 9 , Nr. 68. 1 0 a Die amerikanische Rechtsprechung neigt zum Teil dazu, allein die Bestimmungen des durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelten Geschäftsstatuts über eine schriftliche Fixierung des Vertragsinhaltes als anwendbar zu betrachten, vgl. dazu Intercontinental Planning v. Daystrom, (N.Y. 1969) 248 N.E. 2d 576, mit weiteren Angaben in 47 ALR 3d 125. 1 1 Wird das Geschäftsstatut vom gemeinsamen Heimatrecht der Vertragsparteien oder den kumulierten Heimatrechten gestellt, so ist es unter Umständen der Heimatstaat, der als solcher für die Teilnahme seiner Staatsangehörigen an der Errichtung eines bestimmten Geschäfts im Ausland eine der qualifizierten Form seines Inlandsrechts äquivalente Form fordert, vgl. S. 606 f. 1 2 Läßt sich ein Staat im Ausland durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen eines anderen Staates vertreten, so wird das vertretende Land seine Organe im allgemeinen nicht anweisen, die Beurkundung von Geschäften gemäß den anwendungswilligen Formvorschriften des vertretenen Landes vorzunehmen, wenn dessen Recht Geschäftsstatut ist. Anders ist es vielleicht, wenn bei zeitweiligem Abbruch der diplomatischen Beziehungen in der Vertretung des Schutzmachtstaates Beamte der geschlossenen Vertretung nur zur Erledigung der Schutzmachtaufgaben beschäftigt werden. 1 3 Bei Unmöglichkeit der Benutzung der Ortsform genügt für die Eheschließung von Briten nach englischem internationalen Privatrecht die Form des common law, also Konsensaustausch vor einem Geistlichen oder einem anderen Zeugen, vgl. Penhas vs. Tan Soo Eng, [1953] A. C. 304. Der Staat des Geschäftsstatuts kann auch die Geschäftserrichtung im Ausland, die zur Zeit der Geschäftserrichtung weder den Formvorschriften des Geschäftsstatuts, noch denen der lex loci actus entsprach, nachträglich durch Spezialrecht validieren. 1 4 Vgl. RGZ 160, 225. Inkonsequent ist es, formlose Geschäftserrichtungen gemäß der lex loci actus auf Grund alternativer Zuweisung anzuerkennen, wenn die Geschäftsart dem Recht des Geschäftserrichtungslandes bekannt ist, die qualifizierte Form des Geschäftsstatuts im Geschäftserrichtungsland gewahrt werden kann, aber die lex loci actus eine einfachere Form genügen läßt. 1 5 Vgl. aber S. 241 über den Distanzvertrag. 1 6 Vgl. darüber unten Anm. 28. 1 7 Wird das Geschäftsstatut über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall bestimmt, so läuft die Annahme des Zustandekommens des Geschäfts trotz eines Formmangels mit der oben im Text genannten Begründung auf dasselbe hinaus, wie wenn das durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen ermittelte Deliktsstatut die dolos handelnde Partei schadenser986
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satzpflichtig machen, und als Schadensersatz Naturalrestitution in Gestalt der Abwicklung des als gültig unterstellten Geschäfts auferlegen würde. 1 8 Manche Länder fordern Aufgebot im Heimatstaat und Registrierung der im Ausland in den Formen des Ortsrechts erfolgten Eheschließung im inländischen Standesregister, ohne daraus jedoch ein Gültigkeitserfordernis zu machen; die Registrierung kann dann meist jederzeit nachgeholt werden. Vgl. weiter Anm. 22. 1 9 Vgl. S. 151. 2 0 Ist im Recht des Geschäftsstatuts Eheschließung durch Erklärungen der persönlich anwesenden Parteien vor dem Standesbeamten vorgeschrieben, und haben die Eheschließenden das Land des Geschäftsstatuts nicht verlassen, so können sie nicht die Ehe gemäß dem Recht eines anderen Landes, wo das Rechtsverhältnis mit dem Zugang der passenden schrifdichen Erklärungen bei einer bestimmten dritten Person zustandekommt, in der Weise schließen, daß sie ihre schriftlichen Erklärungen dieser Person ins Ausland schicken. Aus demselben Grunde kann eine Ehe im Staat des Geschäftsstatuts, welches im Inlandsrecht zwingende standesamtliche Eheschließung erfordert, unter den in diesem Staat anwesenden Parteien nicht dadurch Zustandekommen, daß sie im Ausland eine kirchliche (oder gar nichtkirchliche) Handschuhehe schließen lassen, selbst wenn man den Satz, welcher den Austausch der Ehewillenserklärungen durch Vertreter, die in jeder Hinsicht gebunden sind, als Formregelung qualifiziert und den Ort des Austauschs der Erklärungen als den Eheschließungsort betrachtet; a.M. KG, IPRsp 1973, Nr. 55. 2 0 a Damit ist es nicht gleichzusetzen, wenn das offene eheliche Zusammenleben nur eine Vermutung für irgendeine formgültige Eheschließung nach sich zieht, vgl. S. 364. Bei Geschäften, welche eine Verpflichtung zur Verschaffung von Monopolrechten, insbesondere zur Übertragung von Grundstückseigentum, begründen, hat möglicherweise der Staat des Wirkungslandes des Monopolrechtes ein Interesse daran, daß, auch wenn Geschäftsstatut für den obligatorischen Vertrag ein anderes Recht sein kann, jeder Vertrag in der qualifizierten Form seines Rechts geschlossen wird, weil eine öffendiche Registrierung nicht nur des dinglichen Verfügungsgeschäfts, sondern auch des Kausalgeschäfts stattfindet, und z. B. nur notariell beurkundete Kaufverträge registrierungsfähig sind. Der Urheberstaat kann auch eine eigene Formvorschrift als Spezialrechtssatz bilden, welcher anwendbar ist, wenn eine bestimmte Inlands- und eine bestimmte Auslandsverknüpfung gegeben sind, gleich, welches Recht Geschäftsstatut ist, und wo das Geschäft errichtet wird; so eine jugoslawische V O vom 31. 3. 1973 betreffend Verträge über die Benutzung von ausländischen Patenten durch jugoslawische Unternehmungen. 2 2 Die meisten Länder, die eine nachträgliche Registrierung von Auslandsehen ihren Staatsangehörigen im heimischen Standesregister vorschreiben, bestimmen, daß die nachträgliche Registrierung von jedem Ehegatten allein beantragt werden kann; sie wird möglicherweise sogar von Amts wegen durchgeführt, wenn die Auslandseheschließung dem Konsul gemeldet worden war; die Registrierung im Heimatstaat ist dann nur Voraussetzung dafür, daß Dritten dasBestehen der Ehe entgegengehalten werden kann. Anders die Gerichte in Madagaskar, Penant 84 (1974) 537, mit der Begründung, die Registrierung einer im Ausland geschlossenen Ehe von Madagassen in Madagaskar sei traditionellerweise „condition de fond". 2 3 Dabei spielt auch das Gleichheitsargument eine Rolle: Wird den eigenen Staatsangehörigen die Anerkennung kirchlicher Eheschließungen im staatlichen Recht „verweigert", so kann der Gesetzgeber gegenüber Ausländern schlecht anders verfahren. Das wird noch deutlicher, wenn die Beteiligung an einer religiösen Eheschließungszeremonie ohne vorausgegangene standesamdiche Eheschließung mit Strafe bedroht ist. 2 4 Vgl. Art. 13 (3) E G B G B . 2 4 a Vgl. S. 600 f. Vgl. Art. 11(1) E G B G B ; § 8 des österreichischen IPR-Gesetzes; § 18 des Entwurfs für ein internationales Obligationenrecht der EWG-Länder. 2 6 Die Registrierung von Verträgen in einem öffentlichen Register ist kein Formerfordernis, sondern eine materiellrechtliche Gültigkeitsbedingung, wenn sie nur nach Genehmigung seitens einer Behörde erfolgt, und wenn die Behörde aus bestimmten Gründen die Genehmigung verweigern muß oder kann, wie etwa nach dem mexikanischen Gesetz von 1972 über Technologietransfer. Das ist auch dann nicht anders, wenn die Registrierung erfolgen muß, falls die um Genehmigung ersuchte Behörde nicht innerhalb bestimmter Frist eine ablehnende Äußerung abgegeben hat; daß 987
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die Stellungnahme der Behörde nicht ergangen ist, kann ja die Partei dem Registerführer nicht ohne eine Bestätigung der Genehmigungsbehörde beweisen. Die Mängel einer durch den zufälligen Forumstaat verfügten und von der Haltung des Geschäftsstatutsstaates unabhängigen gesonderten Zuweisung der Formfrage an die Formvorschriften des Geschäftserrichtungsortes werden nicht dadurch behoben, daß bei alternativer Zuweisung der Formfrage an das Geschäftsstatut und das Recht des Geschäftserrichtungsortes die eine oder andere dieser Zuweisungen als Gesamtverweisung verstanden wird. Vielmehr wirkt es besonders absurd, wenn im dritten Forumstaat das Geschäft gemäß dem auf die Form gar nicht anwendungswilligen Geschäftsstatut als formgültig betrachtet werden muß, weil das Kollisionsrecht des Errichtungslandes seinerseits, ohne Rücksicht auf ihre Anwendungswilligkeit, die Formbestimmungen des Geschäftsstatuts als anwendbar erklärt. 2 8 Vgl. BGH, IPRsp 1971, Nr. 11. In diesem Fall war die Formgültigkeit unter dem gewählten Recht zu verneinen. Anders als der BGH glaubt das schweizerische Bundesgericht, daß es bei Formungültigkeit unter dem gewählten Geschäftsstatut nicht unmöglich sei, daß die Parteien die Formfrage einem anderen Recht unterstellen wollten und durften, vgl. BE 102, II, 143. Ein solcher Wille zur gesonderten Wahl eines bestimmten Formstatuts muß allerdings wohl im Vertragstext zum mindesten andeutungsweise zum Ausdruck kommen. Daß die Parteien, die mit Billigung des gewählten Rechts und des Staates, der das gesetzliche Geschäftsstatut zu stellen hätte, ein nationales Recht zum Geschäftsstatut wählen können, ebenso frei sind, um für die Frage nach der Formgültigkeit ein besonderes Formstatut zu wählen, wird allerdings auch von denjenigen nicht behauptet, welche der Meinung sind, daß die Rechtswahl im Obligationenrecht für die verschiedenen Teilfragen auf verschiedene Rechte hingehen könne, vgl. oben S. 540, Anm. 69. Cass. Paris, Rev. Crit. 1975, 474, hält umgekehrt die französischen Formvorschriften als lex loci actus für anwendbar, sofern die Parteien nicht ausdrücklich die Formvorschriften des Geschäftsstatuts oder des gemeinsamen Heimatrechts gewählt haben. 2 9 Vgl. S. 361 ff. 3 0 Bei einem nach spanischem Recht als Formstatut zu beurteilenden mündlichen Vertrag sind die Beschränkungen des Zeugenbeweises in Art. 1248 des spanischen Zivilgesetzbuchs auch in einem anderen Forumstaat zu beachten; falsch KG, IPRsp 1977, Nr. 19. 3 1 Die auf der Vertragsurkunde außer der Unterschrift der Vertragserrichter angebrachte Unterschrift von Zeugen kann eine widerlegbare Vermutung nach sich ziehen, daß die Zeugen tatsächlich die Vertragserrichtung und die Unterzeichnung durch die Geschäftserrichter beobachtet haben, wie es zur Formgültigkeit unter dem Formstatut erforderlich ist; es ist aber auch möglich, daß die im Prozeß bestrittene Anwesenheit der „Zeugen" bei der Vertragserrichtung erst durch die Vernehmung dieser Personen oder Dritter als erwiesen gilt. Dafür ist das Formstatut, nicht das Verfahrensrecht des Forumstaates maßgebend. 3 2 Vgl. S. 554, 311 ff. 3 3 Wenn es auch vorkommt, daß die an die Tatsache des ehelichen Zusammenlebens geknüpfte Vermutung des Bestehens einer Rechtsehe dadurch widerlegt werden kann, daß als Eheschließungsort innerhalb bestimmter Zeit nur wenige Länder in Frage kommen, in denen eine standesregisterliche Eintragung notwendig war, und dort keine Eintragung gefunden werden kann (vgl. Re Pennington, [1978] Vict. R. 617), so ist die Vermutung praktisch fast unwiderlegbar, wenn die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß die Ehe irgendwo formlos und ohne Registrierungszwang hätte geschlossen sein können; vgl. etwa In re Estate of Tomlinson, (Mo. 1973) 493 S.W. 2d 402. 3 3 a Vgl. S. 549f. 3 4 In der Rechtsprechung des Reichsgerichts wurde das durch den Erfüllungsort bestimmte Schuldstatut für eine vertragliche Verpflichtung auf die Frage zur Anwendung gebracht, ob und wie die Einwilligung in den Vertrag angefochten werden kann, vgl. RGZ 95, 164. Auch das führt zur Ungleichbehandlung der Vertragschließenden. Wird in einem nationalen Recht jede feste Altersgrenze für den Anfang der Geschäftsfähigkeit beseitigt, sondern die Gültigkeit von Willenserklärungen von der Einsichtsfähigkeit, insbesondere Jugendlicher, im Einzelfall abhängig gemacht (vgl. Anm. 38), so könnte dies immer noch in ver988
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schiedenen Rechten unterschiedlich gehandhabt werden; das eine Recht kann die Fähigkeit zum Verständnis der Äec^Kverbindlichkeit fordern, das andere Recht Fähigkeit zum Bewußtwerden heteronomer Verbindlichkeiten genügen-lassen, und ein drittes Recht könnte Einsicht in die Risiken des konkreten Vertrages unter dem anwendbaren Recht erfordern. Es wäre aber untragbar, hier an Hand einer persönlichen Dauerverknüpfung für die verschiedenen Parteien an einem Vertrag verschiedene Rechte zu berufen. 3 5 Vgl. S. 524. 3 6 Das gesetzliche Geschäftsstatut kann also darauf bestehen, daß die Folgen einer Ausübung von Zwang zur Einwilligung in die vorgeschlagene Rechtswahl auch nach den Vorschriften des abzuwählenden Rechts beurteilt werden. Unkenntnis und Irrtum über die Verschiedenheiten des gesetzlichen und des gewählten Geschäftsstatuts werden im allgemeinen als unerheblich betrachtet; anders nur, wenn eine Täuschung seitens einer Partei vorliegt. Die nicht selten anzutreffende Verständnislosigkeit einer Partei für die Tragweite der von ihr durch Unterschrift akzeptierten Rechtswahlklausel wird wohl kaum als ein die Gültigkeit beeinflussender Mangel der auf das ganze Geschäft bezogenen Konsenserklärung betrachtet. 3 7 Vgl. S. 525. 3 8 Die Verwendung des Rechtsinstituts der allgemeinen Geschäftsfähigkeit in einer Privatrechtsordnung ist nicht etwa unvermeidlich: Sind überhaupt nur bestimmte Vertragsarten zulässig, so kann für jede Vertragsart die Geschäftsfähigkeit gesondert geregelt werden. Neue Gesetze einzelner australischer Staaten venneiden die schematische Annahme der Geschäftsunfähigkeit vor Erreichung des Volljährigkeitsalters, sondern lassen im Streitfall den Richter entscheiden, ob ein nicht erwachsener Mensch für die konkrete von ihm abgegebene Willenserklärung die erforderliche Einsicht besessen hat, vgl. Neusüdwales Minors' Act 1970. 3 9 In dem letzteren Sinne vor allem das englische Recht. 4 0 Vgl. dazu Dicey, S. 769 f. 4 1 Bei der Entmündigung von Volljährigen im Ausland besteht aber, wenn der Entmündigte in Schweden eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgibt, Schutz des guten Glaubens anderer, wenn nicht die Entmündigung auch im schwedischen Amtsblatt bekannt gemacht worden ist (Kap. V, § 5 des Gesetzes vom 8. 7. 1904). 4 1 a Die Geschäftsfähigkeit von stammesangehörigen Afrikanern wird in Südafrika nach Stammesrecht beurteilt, wenn für das Rechtsgeschäft Stammesrecht maßgebend ist, hingegen nach römischholländischem Recht, wenn dieses auf das Geschäft anwendbar ist (vgl. S. 221, Anm. 82); das Volljährigkeitsalter im römisch-holländischen Recht ist durchweg höher als im Stammesrecht. 4 2 Vgl. S. 531. 4 3 Vgl. Art. 7 EGBGB; diese Bestimmung ist bemerkenswerterweise im Gegensatz zu den meisten anderen Artikeln des EGBGB als vollständige Kollisionsnorm abgefaßt. 4 3 a Häufiger ist allerdings wohl eine Regelung, wonach dem deliktsfähigen Minderjährigen, der seine volle Geschäftsfähigkeit vortäuscht, eine deliktische Haftung nur für den Vertrauensschaden der anderen Partei obliegt. 4 4 Vgl. Art. 34 (1) des schweizerischen Entwurfs für ein IPR-Gesetz: „Wer ein Rechtsgeschäft vorgenommen hat, obwohl er nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts handlungsunfähig war, kann sich nicht auf seine Handlungsunfähigkeit berufen, wenn er nach dem Recht des Staates, in dem er das Rechtsgeschäft vorgenommen hat, handlungsfähig gewesen wäre, es sei denn, die andere Partei habe von seiner Handlungsunfähigkeit gewußt oder wissen müssen." S. auch Kap. IV § 5 des schwedischen Gesetzes vom 8. 7. 1904. Der Vorentwurf für ein internationales Obligationenrecht der EWG-Staaten klammerte die Regelung der Geschäftsfähigkeit aus, bestimmte aber doch wieder in Art. 20: „Keine natürliche Person kann sich auf ihre Rechts- oder Handlungsunfähigkeit gegenüber einem Dritten berufen, der sie bei Vornahme eines Rechtsgeschäftes guten Glaubens und ohne sich unvorsichtig verhalten zu haben nach dem Recht des Orts, an dem das Rechtsgeschäft vorgenommen worden ist, für rechts- und handlungsfähig gehalten hat." In dem Konventionsentwurf von 1979 ist dies insofern modifiziert worden, als es nicht darauf ankommen soll, wo der Vertrag geschlossen worden ist, sondern daß die Vertragschließenden sich (beim Vertragsschluß) in demselben Lande befinden. 989
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Vgl. Art. 7 (3) EGBGB. Das österreichische IPR-Gesetz von 1978 kennt diese Einschränkung der Maßgeblichkeit des Heimatrechts nicht. Eine beschränkte alternative Anwendung von Heimatrecht und anwendungswilligem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts sieht Art. 31 des portugiesischen ZGB vor, wenn ein Rechtsgeschäft im Land des gewöhnlichen Aufenthalts vorgenommen worden ist. 4 6 Hier wird meist wohl die Möglichkeit vorgesehen, daß das Geschäft mit behördlicher Genehmigung gültig errichtet werden kann, vgl. unten S. 584ff. 4 7 Wenn die Vornahme von Akten der Ausübung eines bestimmten Berufs mangels Ausbildung strafbar ist, so ergibt sich die Ungültigkeit des auf einen solchen Akt gerichteten Vertrages daraus, daß er auf die Erbringung einer strafbaren Handlung gerichtet ist, vgl. darüber S. 580ff. Die Ausführungen im Text betreffen daher nur die Fälle, in denen die Sanktion des Verbotes solcher Vertragsabschlüsse seitens der zur Erfüllung ungeeigneten Personen nur in der Ungültigkeit des Vertrages bestehen soll. 4 8 Das ist insbesondere der Fall, wenn die Ausübung einer solchen Tätigkeit zu einem Monopol oder einem Privileg gemacht wird. 4 9 Dabei kann die Vertragspartei, welche die unzulässige Berufstätigkeit ausübt, ihrerseits durchweg aus dem Vertrag überhaupt nicht auf eine Gegenleistung oder Rückgewähr von Vorleistungen klagen, während Schadensersatzansprüche der anderen Vertragspartei insbesondere dann nicht ausgeschlossen sind, wenn ihr vorgespiegelt wurde, daß dem Geschäft keine Hindernisse entgegenstünden. Vgl. etwa Skilling v. Consolidated Hotels Ltd., [1979] 2 Mal. L.J.2: Der in Singapore zu erfüllende Werkvertrag eines dort nicht zur Berufsausübung zugelassenen Ingenieurs ist uneinklagbar, auch wenn ausdrücklich amerikanisches Recht als Vertragsstatut vereinbart wurde. 5 0 Auch die im Inland ausgeübte Maklertätigkeit betreffend den Verkauf ausländischer Grundstücke wird also nicht von der Bestimmung erfaßt, wohl aber möglicherweise das entsprechende Gesetz des ausländischen Lagestaates angewendet. Die Uneinklagbarkeit eines Maklervertrages seitens eines ohne staatliche Genehmigung tätig gewordenen Grundstücksmaklers im Recht des Lagestaates wird auch in anderen Staaten beachtet, sobald das Recht des Lagestaates des Grundstücks, welches die genannte Bestimmung enthält, in seiner Eigenschaft als Geschäftsstatut berufen ist: Weston Funding Corp. vs. La Fayette Towers, 550 F. 2 d 710. 5 1 Vgl. BGH, IPRsp 1973, Nr. 30. 5 2 Eine Zulassung nach § 1 des Rechtsberatungsgesetzes vom 13. 12. 1935 allein für die Beratung in Fragen des ausländischen Rechts dürfte kaum erfolgen; eine Zulassung als Fachanwalt für ausländisches Recht, oder ein bestimmtes ausländisches Recht, ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht vorgesehen. Vgl. aber Nachtr. zu § 5, Anm. 7. 5 3 Vgl. BGH, IPRsp 1975, Nr. 118. 5 3 a Das jugoslawische Gesetz vom 2. 7. 1962 schließt inländische und ausländische natürliche Personen vom jugoslawischen Außenhandel in jeder Richtung aus und erfordert für inländische juristische Personen eine Registrierung, die beim Vorliegen bestimmter Eigenschaften nicht verweigert werden soll. Auch die Vertretung eines ausländischen Unternehmens bei Geschäften des Außenhandels mit Jugoslawien ist, soweit sie durch eine ständige Einrichtung in Jugoslawien selbst erfolgen soll, durch einseitige jugoslawische Vorschriften eingeschränkt. Ein Gesetz vom 19. 11. 1970 über den Bau von Investitionsobjekten in Jugoslawien durch Ausländer sieht vor, daß diese nach den Vorschriften ihres Landes zur Durchführung solcher Arbeiten „berechtigt" sein müssen. 5 4 Die Vorschrift des englischen Rechts, daß der von dem Minderjährigen eingegangene Vertrag schwebend ungültig ist, bis er ihn nach Erreichung der Volljährigkeit innerhalb bestimmter Frist bestätigt oder verwirft, gilt für gewisse Vertragsarten (z. B. Wechselverpflichtungen) überhaupt nicht; hier ist das Geschäft unheilbar ungültig. Die Bestimmung hat im übrigen nur dann einen Sinn, wenn die Vertragsabwicklung nach Erreichung der Volljährigkeit überhaupt noch für beide Parteien von Interesse ist. 5 5 Der Minors' Contracts Act 1979 für Südaustralien sieht vor, daß Verträge dann für Minderjährige bindend werden, wenn sie vom Minderjährigen mit Genehmigung des Gerichts oder durch einen vom Gericht bestellten „agent" namens (on behalf) des Minderjährigen geschlossen werden; andere, vom Minderjährigen selbst geschlossene Verträge sind ihm gegenüber unenforceable, wenn sie nicht nach Volljährigkeit schriftlich bestätigt werden. Geht die gesetzliche Regelung dahin, daß pflichtbegründende Verträge eines Minderjährigen von 45
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ihm selbst mit Genehmigung des Gerichts voll wirksam abgeschlossen werden können, so ist die Zuständigkeit des inländischen Gerichts, und damit der Anwendungsbereich der Bestimmung, nicht davon abhängig, daß inländisches Recht Geschäftsstatut ist, sondern wohl eher davon, daß sich das aus dem Vertrag gegebenenfalls haftende Vermögen des Minderjährigen im Inland befindet, wo allerdings meist auch der Wohnsitz des Minderjährigen sein wird. Wird darüber hinaus bestimmt, wie in Neuseeland (vgl. Minors' Contracts Act 1969), daß alle Verträge von Minderjährigen im Zweifel diesen gegenüber nicht erzwingbar sind (wohl aber umgekehrt), und daß sie nachträglich vom Gericht entweder ganz vernichtet, oder ganz oder teilweise für erzwingbar erklärt werden können, so ist offenbar wiederum die Gefährdung des inländischen Vermögens des Minderjährigen für die Zuständigkeit der inländischen Gerichte zu dem Prozeß die entscheidende Verknüpfung. In anderen Staaten wird man den im Heimat- und Wohnsitzstaat des Minderjährigen genehmigten oder nachträglich für wirksam erklärten Vertrag wohl als gültig ansehen, während es kaum zu erwarten ist, daß die Gerichte in anderen Staaten, selbst wenn der Heimat- und Wohnsitzstaat keine ausschließliche Zuständigkeit beansprucht, Maßnahmen der erwähnten Art gemäß ausländischem Recht treffen. Die Vorstellung, daß das Recht auch einem Minderjährigen oder Geisteskranken, soweit nicht für einzelne Geschäftsarten eine Ausnahme gilt, die Möglichkeit verschafft, während der Geschäftsunfähigkeit verpflichtete und haftende Partei an einem durch Rechtsgeschäft zu begründenden Privatrechtsverhältnis zu werden, und zwar durch Einschaltung des gesetzlichen Vertreters bei der Geschäftserrichtung, findet sich vor allem in den kontinental-europäischen Rechten. Sie ist insbesondere dem englischen Recht fremd, welches dafür — wieder mit einzelnen Ausnahmen — Kindern von einem bestimmten Alter ab die Möglichkeit gibt, selbst Verträge abzuschließen, und sie nach Erreichung der Volljährigkeit zu bestätigen oder zu verwerfen. Der Unterschied zwischen denjenigen Privatrechten, welche eine gesetzliche Vertretungsmacht für Geschäftsunfähige kennen, die auch die Befugnis zum Abschluß obligatorischer Verträge und die Haftbarmachung des eigenen Vermögens des Geschäftsunfähigen umfaßt, und den Rechten, welche eine solche Vertretung bei obligatorischen Geschäften nicht kennen, wohl aber eine treuhänderische Verwaltung des Vermögens des Geschäftsunfähigen, ist praktisch nicht so groß, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag: Eine Kreditaufnahme für persönliche Bedürfnisse des Geschäftsunfähigen kann zwar im englischen Recht durch Eltern oder Vormund nicht „im Namen" des Geschäftsunfähigen erfolgen, doch darf der Vermögensverwalter, der den Kredit im eigenen Namen aufnimmt, an dem verwalteten Vermögen ein Pfandrecht begründen. Der Verwalter darf sich auch wegen seiner Aufwendungen aus einem im eigenen Namen und mit eigener Haftung geschlossenen Vertrag, der für die Zwecke der Verwaltung des Vermögens des Geschäftsunfähigen geschlossen wird, aus dem verwalteten Vermögen Ersatz beschaffen. Verträge über die ärztliche Behandlung oder die Unterrichtung eines Minderjährigen, einschließlich der Lehrverträge mit Arbeitsleistungspflicht, werden im englischen und amerikanischen Recht, soweit dafür nicht der Minderjährige selbst als geschäftsfähig gilt, namens des Inhabers der Personensorgegewalt geschlossen, und von dieser Partei durch Ausübung ihrer „Gewalt" über das Kind erfüllt. Das Geschäftsstatut für den Wechsel bestimmt, ob überhaupt Wechselverpflichtungen für einen Minderjährigen durch andere Personen begründet werden können. Ist das möglich, so kann das Recht, welches einen allgemeinen gesetzlichen Vertreter für den Minderjährigen vorsieht, aus dessen Befugnissen immer noch die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten ausschließen. Uber die Vertretung des geschäftsunfähigen Gläubigers bei der Mitwirkung an der Erfüllung durch den Schuldner vgl. S. 652f. Uber die Vertretung des Geschäftsunfähigen in Aktiv- und Passivprozessen über ein angeblich durch Rechtsgeschäft begründetes Rechtsverhältnis vgl. S. 377ff. In diesen Zusammenhängen können auch solche Privatrechte, welche keine Begründung von rechtsgeschäftlichen Pflichten eines Geschäftsunfähigen durch einen gesetzlichen Vertreter kennen, nicht vermeiden, daß der Geschäftsunfähige durch einen anderen vertreten wird. . So wurde unter dem E G B G B vor dem Inkrafttreten des Haager Minderjährigenschutzabkommens angenommen, daß die Rolle der Eltern als gesetzlicher Vertreter beim Abschluß obligatorischer Verträge namens des Kindes nach dem über Art. 19 E G B G B ermittelten Recht (also meist des Heimatrechts des Vaters) zu beurteilen sei. In Frankreich wurde bei ehelichen Kindern das Ehewirkungsstatut als maßgebend betrachtet. 991
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Anmerkungen zu S. 569-571 BayObLG, IPRsp 1962 — 63, Nr. 107, wollte die Bestimmung darüber, wer gesetzlicher Vertreter eines Minderjährigen ist, nicht dem Heimatrecht des Minderjährigen, sondern dem Heimatrecht des Vaters entnehmen, soweit Eltern als gesetzliche Vertreter in Frage kommen. Der Rechtssatz, der die Eltern zu gesetzlichen Vertretern macht, wird als der Kategorie der Bestimmungen über das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kind zugehörig qualifiziert. Das ist nach deutschem Recht bezüglich der Eltern zu bejahen, vgl. § 1626 (2) BGB. Das englische Recht verbindet weder mit der custody, noch mit der guardianship eine gesetzliche Vertretung zur Eingehung obligatorischer Verträge. Das common law in Kanada wird heute noch dahin verstanden, daß die Eltern mit Rücksicht auf ihre oft mit denen des Kindes kollidierenden eigenen Interessen im allgemeinen als nicht geeignet anzusehen sind, die Vermögensinteressen des Kindes wahrzunehmen. Sind Willenserklärungen von Privatrechtssubjekten unter öffendich-rechtlichen Vorschriften eines Staates von Bedeutung, so ist es möglich, daß für die Zwecke eines einzelnen Gesetzes eine gesonderte Regelung der Geschäftsfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung eines Geschäftsunfähigen, unabhängig von der Regelung des Privatrechts, erfolgt. Häufig aber verweist ein öffentlichrechdiches Gesetz auch für Ausländer auf die Vorschriften des eigenen Privatrechts über die Frage nach der allgemeinen Geschäftsfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung. Denkbar ist schließlich auch, daß der Inhaber der Sorgegewalt für die Zwecke eines einzelnen öffendich-rechtlichen Gesetzes als gesetzlicher Vertreter fungieren soll, obwohl er im Privatrecht nicht der gesetzliche Vertreter ist. Dann kann die Frage, wem die Sorgegewalt zusteht, wieder entweder über das internationale Privatrecht nach inländischem oder ausländischem Recht beurteilt werden, oder sie kann allein in diesem Zusammenhang ausschließlich unter Heranziehung der Bestimmungen des Rechts bestimmt werden, dem die öffentlich-rechdiche Bestimmung zugehört; im letzteren Sinn lautet Art. 3, Abs. 5, Satz 4 des RuStAÄndG 1974. BayObLG, IPRsp 1975, Nr. 218, will darin „eine lex specialis zu allen Vorschriften des internationalen Privatrechts" sehen; es handelt sich aber um nichts anderes als eine gesetzestechnische Verweisung: Das Gesetz meint denjenigen, der nach deutschem materiellen Recht Sorgeberechtigter wäre, wenn deutsches Recht auf die Frage nach der Sorgegewalt im Bereich des Privatrechts anwendbar wäre. Vgl. Art. 8 (2) des Haager Minderjährigenschutzabkommens. Wäre die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer Kreditaufnahme usw. namens des Kindes durch die Eltern gemäß dem Heimatrecht des Kindes eine „Maßnahme" im Sinne von Art. 4 des Abkommens, so müßte der Heimatstaat, wenn dessen Behörden tatig werden wollen, zuvor den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts informieren; das ist sicher nicht gewollt. Das Recht, welches gesetzliche Vertretungsmacht über den Geschäftsunfähigen begründet, kann diese auch selbst in der Weise mit Wirkung nach außen beschränken, daß Geschäfte, von denen der andere Partner erkannte oder erkennen könnte, daß sie nicht dem Wohl des vertretenen Geschäftsunfähigen dienen, ungültig sind. Man wird dann erwarten, daß auch andere Staaten mindestens eine ähnliche Vorschrift haben. Vgl. S. 642ff. Vgl. S. 645. Vgl. S. 377, Anm. 203. Die Rolle des Konsuls als eines gesetzlichen Vertreters von Staatsangehörigen des Entsendestaates, die (insbesondere in ihrer Eigenschaft als Erwerber eines Vermögens durch Erbfolge) in Eilfällen nicht selbst oder durch gewillkürte Stellvertreter im Empfangsstaat des Konsuls auftreten können, bedarf einer Rechtsgrundlage sowohl im Recht des Empfangsstaates, als auch im Recht des Entsendestaates: Im Recht des Empfangsstaates, weil dieser Wirkungsland der gesetzlichen Vollmacht ist, im Recht des Entsendestaates, weil nur dieser dem Konsul Aufträge zum Tätigwerden innerhalb seines Amtes erteilen kann. (Der Empfangsstaat allein kann den Konsul höchstens im Einzelfall mit seinem Einverständnis zum „privaten" Abwesenheitspfleger bestellen.) Die doppelte Ermächtigung ist nicht selten in Konsularverträgen enthalten, vgl. S. 377, Anm. 203. Sie kann dann auch die Beteiligung an obligatorischen Rechtsgeschäften umfassen, z. B. einer Kreditaufnahme zur Erhaltung des erworbenen Vermögens. Erst recht haftet der Eigentümer eines Grundstücks usw., das im Lagestaat unter Zwangsverwaltung gestellt worden ist, nicht persönlich mit seinem Vermögen in anderen Staaten für einen von dem Verwalter namens des Eigentümers aufgenommenen Hypothekarkredit, dessen Verwendung
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im Rahmen der Zwangsverwaltung nicht dem Interesse des Eigentümers, sondern öffentlichen Interessen des Lagestaates, oder Interessen Dritter, dient. 6 8 Vgl. B G H , IPRsp 1 9 5 8 - 5 9 , N r . 38. B G H , IPRsp 1 9 5 4 - 5 5 , Nr. 16. Der in Deutschland geschaffene Rechtsschein der Anscheinsvollmacht bindet den Vertretenen bei einem Rechtsgeschäft, dessen Gültigkeit auf Grund des deutschen Rechts, zu dem die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen hingeht, zu bejahen ist: B G H , IPRsp 1964 — 65, N r . 33 . 6 9 So ausdrücklich § 15 des Rechtsanwendungsgesetzes der D D R , und (ganz subsidiär) auch § 49 (3) des österreichischen IPR-Gesetzes. 7 0 So § 49 (2) des österreichischen IPR-Gesetzes, wenn nicht § 49 (1) (vgl. darüber Anm. 72) zum Zuge kommt. 7 1 Das wird am deutlichsten bei der Ehe, wenn kein Zweifel besteht, daß das gemeinsame Heimatund Wohnsitzrecht der Eheschließenden das Geschäftsstatut für die Ehe ist. Läßt dieses Recht keine Vertretung bei der Abgabe der Konsenserklärung zu, und verlangt es persönliche Anwesenheit der Eheschließenden, so kann dies nicht dadurch umgangen werden, daß die Parteien Vollmachten zum Eheabschluß durch Vertreter im Ausland erteilen, und daß der Staat des Eheschließungsortes eine solche „Handschuhehe" zuläßt, vgl. S. 553, Anm. 20. 7 2 So ausdrücklich § 49 (1) des österreichischen IPR-Gesetzes: „Die Voraussetzungen und die Wirkungen der gewillkürten Stellvertretung im Verhältnis des Geschäftsherm und des Stellvertreters zum Dritten sind nach dem Recht zu beurteilen, das der Geschäftsherr in einer für den Dritten erkennbaren Weise bestimmt hat." 7 3 Das könnte z. B. bei einer Generalvollmacht wichtig werden. 7 4 Vgl. oben S. 550. 7 5 Vgl. Art. 127 des schweizerischen Entwurfs für ein IPR-Gesetz. Eine höchst subtile Regelung enthält der Konventionsentwurf der 13. Haager IPR-Konferenz über Geschäftsvermittler und Stellvertretung in Art. 11 ff. § 15 des Rechtsanwendungsgesetzes der D D R enthält eine einseitige Zuweisungsnorm, welche offenbar unterstellt, daß „Betriebe der D D R " keine Zweigniederlassungen im Ausland haben; Bestand und Umfang der Vollmacht eines Vertreters für einen solchen Betrieb soll sich nach dem Recht der D D R bestimmen. 7 S a Die Entstehung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Makler und seinem Auftraggeber gemäß § 95 (3) H G B ist zu bejahen, wenn von den Parteien deutsches Recht gewählt wurde, oder die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen nach Deutschland geht. Der Inhalt des Vertrages wird aber durch das Recht bestimmt, welches für den vom Makler zu vermittelnden Vertrag mit Dritten maßgebend gewesen wäre. 7 6 Da etwaige gesetzliche Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und erwachsenen Kindern zumeist durch dasselbe Recht beherrscht werden, welches die Ehegültigkeitsvoraussetzungen für das Kind regelt, hat sich nur selten die Frage gestellt, wie es internationalprivatrechtlich mit der elterlichen Zustimmung zur Eheschließung volljähriger Kinder steht. Ist dasjenige Recht, welches die Ehegültigkeitsvoraussetzungen regelt, ein anderes als das, welches die gesetzlichen Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kind regelt, so dürfte das erstere Recht auf der von ihm geforderten Zustimmung der Eltern nur bestehen, wenn auch das letztere Recht sie für erforderlich hält. 7 6 a Unabhängig von der Ungültigkeit des neuen Vertrages kann die Verleitung des Partners an dem älteren Vertragsverhältnis zum Vertragsbruch eine unerlaubte Handlung gegenüber der anderen Partei aus dem früheren Vertrag sein, vgl. S. 448. Das Gesetz, welches Bindungen einer Tochtergesellschaft und ihrer Organe an Weisungen der Organe der Muttergesellschaft bezüglich der Verträge der Tochtergesellschaft mit Dritten vorsieht, beansprucht im allgemeinen nicht, daß eine Mißachtung dieser Anweisungen die Gültigkeit der Verträge auch mit „bösgläubigen" Dritten beeinträchtigt. Es gilt dies auch nicht, wenn ein Staat Spezialrecht über das Verhältnis von Gesellschaften seines Rechts mit ausländischen Tochtergesellschaften hat, wie z. B. das jugoslawische Gesetz vom 27. 7. 1972. 7 7 Dieses Argument erscheint unter heutigen Verhältnissen unglaubwürdig. Vielmehr wird der heute in vielen Staaten geltende umgekehrte Satz über die vorzeitige Volljährigkeit des Verheirateten damit begründet, daß sich mit der Erfüllung der Aufgaben in der Ehe auch die Lebenserfahrung einstellt, wie sie sonst erst bei Volljährigkeit angenommen wird.
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Anmerkungen zu S. 575-577 Die Anwendung einer solchen Vorschrift scheitert allerdings heute wohl in den meisten Staaten, die sie in ihrem Recht nicht kennen, an der negativen ordre public-Klausel. Vgl. dazu S. 136. Vgl. § 115 der Gewerbeordnung. Als unentbehrliche Sanktion des Verbotes dieser Ehe durch das Wirkungsstatut der alten Ehe muß die Ungültigkeit der neuen Ehe keine endgültige sein; wird die erste Ehe aufgelöst, so kann auch der Staat F der anfänglich bigamen zweiten Ehe vollen Rechtsschutz gewähren. Allein auf das gewählte Geschäftsstatut abzustellen (so BGH, IPRsp 1976, Nr. 9), ist sicher falsch. Ebenso falsch ist es, die Notwendigkeit der Zustimmung des Testamentsvollstreckers zum obligatorischen Verkaufsgeschäft betreffend ein deutsches Grundstück seitens der Erben zu fordern mit der Begründung, daß ausländisches Recht Erbstatut ist, und dieses die Zustimmung des Testamentsvollstreckers zu einem Verkauf von Nachlaßgegenständen durch die Erben erfordert, weil mit dem Verkauf in diesem Recht auch schon das Eigentum übergeht, vgl. BGH, IPRsp 1962 — 63, Nr. 145. Die Regelung des Art. 16 EGBGB ist eine einseitige und bezieht sich nur auf die Kenntnis des ausländischen Güterstatuts, nicht aber auf Bestimmungen des ausländischen Ehewirkungsstatuts. Es ist jedoch vertretbar, die Regelung des Art. 16 erweiternd auszulegen. Schwierigkeiten bereitet es, wenn die Entstehung bzw. das Bestehen eines Pfandrechts, insbesondere soweit die Pfandsache sich nicht im Besitz des Gläubigers befindet, davon abhängig sein soll, daß das Pfandrecht in einem öffendichen Register vermerkt ist. Wird die auf diese Weise verpfändete Sache in einen anderen Staat verbracht, und soll sie dort ihren neuen normalen Lageplatz finden, so ist Erlöschen des Pfandrechts anzunehmen, wenn auch der neue Lagestaat ein Pfandregister hat und dort keine Eintragung erfolgt. Ist der normale Lageort der Sache äußerlich erkennbar, wie z. B. durch die Registrierungsnummer von Flugzeugen und Kraftfahrzeugen, so ist es unbedenklich, jedenfalls bei kürzerem Aufenthalt in einem anderen Land als dem des normalen Lageortes, ein Fortbestehen des Pfandrechts auch ohne Eintragung im Pfandregister des anderen Sttaates anzunehmen. Die Tragweite der Entscheidung des BGH, IPRsp 1962 — 63, Nr. 60, ist ungewiß. Prima facie ist der Gedankengang verständlich, wenn ein zur Kreditsicherung vereinbarter und nach dem bisherigen Lagerecht der Sache gültiger Eigentumsvorbehalt bei Verbringung der Sache nach Deutschland nicht untergehe, so könne für ein besitzloses Pfandrecht, welches im bisherigen Lagestaat als Registerpfandrecht zustandegekommen ist, nichts anderes gelten. Trotzdem bleiben Zweifel an der Brauchbarkeit dieser Lösung: Sollte eine zeidich beschränkte Dauer des Pfandrechts, wenn die Sache weiter in Deutschland verbleibt, nach dem Recht des bisherigen Lagestaates zu beurteilen sein, und sollte eine Verlängerung der Geltungsdauer des besitzlosen Pfandrechts in Deutschland etwa dadurch herbeigeführt werden können, daß ein Antrag bei der Registerbehörde des früheren Lagestaates gestellt wird? Die Entscheidung muß daher wohl enger ausgelegt werden und auf Pfandrechte an solchen Sachen beschränkt werden, denen anzusehen ist, daß sie ihren normalen Standort in einem bestimmten Land haben; das ist nicht nur bei Schiffen und Luftfahrzeugen, sondern auch bei Kraftfahrzeugen der Fall, wenn sie ein Kennzeichen tragen. Dieser Gedanke liegt auch dem französischen Dekret vom 30. 9. 1953 über das Registerpfandrecht an Kraftfahrzeugen zugrunde, wenn es bestimmt, daß ein solches Pfandrecht unter dem Dekret nicht für vorübergehend in Frankreich immatrikulierte, und erst recht nicht für in Transit befindliche ausländische Kraftfahrzeuge begründet werden kann. In den Vereinigten Staaten und in Kanada geht man wieder etwas andere Wege: Die Eintragung von Registerpfandrechten an beweglichen Sachen, die üblicherweise nicht bloß an einem Ort benutzt werden — wozu neben Kraftfahrzeugen auch gewisse Maschinen gehören —, erfolgt in einem Register am Wohnsitz des Sacheigentümers. Das begründete Pfandrecht wirkt dann auch in anderen Staaten, wo die Sache hinkommt. Bei einem Domizilwechsel des Eigentümers hat innerhalb einer bestimmten Frist (meist 30 Tage) eine neue Registrierung am neuen Domizil zu erfolgen, damit das Pfandrecht außerhalb des alten Registrierungslandes weiterbesteht. Besitzlose Pfandrechte, die im bisherigen Lagestaat der Sache ohne Registrierung bestehen konnten, bedürfen einer Registrierung im neuen Lagestaat, wenn dort eine solche erforderlich ist. Wieder anders ist es, wenn ein Staat eine Eintragung des Pfandrechts auf der Urkunde verlangt, welche (ohne Inhaberpapier zu werden) sich über die Eigentumsverhältnisse insbesondere an Kraftfahrzeugen ausläßt.
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Dann ist auch ein Staat, in dem sich das Fahrzeug zunächst einmal für unbestimmte Zeit befindet, zur Ausstellung einer solchen Urkunde befugt, und das auf der Urkunde vermerkte Pfandrecht wird wirksam, auch wenn der Eigentümer in diesem Staat nicht seinen Wohnsitz hat, vgl. In re Dawson, 21 UCC Rep. Serv. 293, 296. § 9 - 1 0 3 des Uniform Commercial Code für die Gliedstaaten der USA enthält eine eingehende und nicht unkomplizierte Regelung der kollisionsrechtlichen Aspekte der Kreditsicherungsrechte an beweglichem Vermögen. Uber den Rang von Sicherungsrechten an Schiffen, die vom Standpunkt eines der beteiligten Staaten nur durch Zurückbehaltung des zur Reparatur gegebenen Schiffes ausgeübt werden können, gegenüber Schiffshypotheken vgl. The Halcyon Isle, [1977] 1 Mal. L. J. 1945, mit Angaben über englische und kanadische Rechtsprechung. Ein nicht in Kraft getretener Kollektivvertrag vom 27. 5. 1967 will die Rangfolge von Schiffshypotheken und Sicherungsrechten (maritime liens) regeln. Während für die Existenz der Schiffshypothek das Flaggenrecht maßgebend ist, gelten einige Sicherungsrechte als durch uniformes Recht begründet und haben Vorrang vor der Schiffshypothek. Nachrangige Sicherungsrechte können im nationalen Recht begründet werden; maßgebend ist offenbar dabei, daß Schuldstatut und lex fori übereinstimmen. Vgl. dazu auch § 259 und § 265 des norwegischen Seegesetzbuches in der Fassung von 1974. 8 5 Eine Beschränkung der persönlichen Haftung des Schiffseigentümers aus den von ihm geschlossenen Verträgen über die Beförderung mit einem bestimmten Schiff auf den Wert des Schiffes kann sich aus dem Geschäftsstatut ergeben. Sind Geschäftsstatut und Flaggenrecht des Schiffes verschieden, so kann eine Verweisung des Geschäftsstatuts auf die Bestimmungen des Flaggenrechts über diese Frage anzunehmen sein; vgl. aber auch S. 732, Anm. 3. 8 6 Die vom Verwalter gezogenen Nutzungen haften für seine persönlichen Schulden genauso wie sein sonstiges Vermögen. Unter Umständen kann Zwang gegen den Verwalter geübt werden, wenn er die Ziehung der Nutzung unterläßt, um den Zugriff eines Gläubigers darauf zu verhindern. 8 7 Also vor allem Forderungen, vgl. S. 42. 8 8 Das Statut für eine gesetzliche Schadenshaftung kann die Vermögensgegenstände, zu deren Erhaltung usw. eine menschliche Tätigkeit vor sich gegangen und im Zusammenhang damit wiederum Dritten ein Schaden zugefügt worden ist, als haftbar erklären; es bleibt aber dann immer noch Sache des Lagestaates, Bestandteile vom Sondervermögen auch von einer solchen Haftung freizuhalten, vgl. oben S. 448. 8 9 Sind Organe der juristischen Person Strohmänner dessen, der das Vermögen der juristischen Person gestellt hat, und dem die Erträge des Vermögens der juristischen Person zukommen sollen, so kann dieser die Ausschüttung solcher Erträge an sich verhindern, um sie dem Zugriff seiner Gläubiger vorzuenthalten. 9 0 Die Durchgriffshaftung dessen, der eine juristische Person beherrscht, für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten der juristischen Person muß im allgemeinen als deliktische Haftung begründet sein, so etwa wenn der Einmanngesellschafter dem anderen Vertragspartner beim Vertragsschluß selbst oder durch seinen Beauftragten vorgespiegelt hat, daß auch sein persönliches Vermögen für die durch den Vertrag begründete Schuld der juristischen Person hafte. Eine Mithaftung von Organen einer juristischen Person für gewisse rechtsgeschäftlich begründete Schulden (etwa im Konkurs oder für Lohnforderungen) ist zumeist eine gesetzliche Verschuldens- oder Risikohaftung; der Anwendungsbereich einer solchen Vorschrift deckt sich daher nicht unbedingt mit dem Schuldstatut. 9 1 Vgl. S. 742. 9 1 a Weist der Vertrag Verknüpfungen mit mehreren Staaten auf, so kann im allgemeinen ein stillschweigender Parteiwille angenommen werden, daß der Vertrag in dem Staat, wo Abschluß oder Erfüllung strafbar sind, keinesfalls Rechtswirkungen hervorrufen soll; dieser Staat ist dann bei der Bestimmung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen nicht zu berücksichtigen. 9 2 Ist das tatsächlich bestehende Risiko des Täters der strafbaren Handlung, gefaßt zu werden, erheblich, und ist eine besonders hohe Strafe zu erwarten, so kann unter Umständen auch eine hohe Gegenleistung im Privatrecht des Staates, der das Geschäftsstatut stellt, nicht mehr als angemessen gelten, und der Vertrag, weil die Erfüllung unzumutbar ist, nichtig sein. Lassen die Maßnahmen des fremden Staates zur Verhinderung der mit Strafe bedrohten Erfüllungshandlung deren Verwirklichung als unmöglich erscheinen, so sind die Regeln des Geschäftsstatuts über anfängliche 995
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Unmöglichkeit der Vertragserfüllung anwendbar, zu denen vielfach eine Schadensersatzpflicht dessen gehört, der sich in Kenntnis der Unmöglichkeit zu etwas verpflichtet. Zieht die Vornahme der Erfüllungshandlung nur geringe Kriminal- oder Ordnungsstrafen nach sich, so behandelt manchmal auch der Staat, der die Strafbarkeit vorsieht, den auf die, Vornahme der verbotenen Handlung gerichteten Vertrag dennoch als gültig. Vgl. auch unten, Anm. 113, über die privatrechtliche Gültigkeit von Verträgen, deren Abschluß ohne behördliche Genehmigung verboten ist. Ist der Vertrag über die mit Strafe bedrohte Erfüllungshandlung in dem strafwilligen Staat privatrechtlich gültig, so hat das Geschäftsstatut keinen Grund, den Vertrag wegen der Strafbarkeit als ungültig zu betrachten, selbst wenn bei entsprechenden Strafbestimmungen im Geschäftsstatut Ungültigkeit eintreten würde, es sei denn, daß darin eine krasse Abweichung gesehen wird. Daß es nicht das Geschäftsstatut ist, welches von sich aus entscheidet, ob der Vertrag, dessen Erfüllung oder Abschluß von einem anderen Staat als strafbar erklärt worden ist, in seiner privatrechdichen Gültigkeit gehemmt ist, sondern daß es darum geht, ob der Urheber der Verbotsvorschrift beabsichtigt, die Gültigkeit des Vertrages zu beeinflussen, wird auch deutlich gemacht durch die folgende Erwägung: Verbietet im Bundesstaat der Bundesgesetzgeber unter Straf drohung einer Partei die Beteiligung an bestimmten Geschäften, und ist das Privatrecht Sache der Gliedstaaten, so ist doch eine implizierte Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers anzunehmen, die Gültigkeit des Vertrages zu beeinflussen oder nicht. Enthält das Bundesgesetz keine ausdrückliche Bestimmung, so ist die Antwort dem „federal common law" zu entnehmen, und nicht dem Privatrecht des Gliedstaates, der das Geschäftsstatut stellt, vgl. die Bemerkungen von Murphy, J., in Yango Pastoral Co. v. First Chicago Australia Ltd., (1979) 21 Aust. L. R. 605. Garcke, Der Anwendungsbereich des öffendichen Außenwirtschaftsrechts, 1973, will das Geschäftsstatut und das Privatrecht des Urheberstaates der „Eingriffs"norm alternativ — zugunsten der Gültigkeit des Geschäfts — auf die Frage anwenden lassen, ob der gegen die Eingriffsnonn verstoßende Vertrag nichtig, schwebend unwirksam oder gültig ist. Dies ist nur dann durchführbar, wenn das Geschäftsstatut selbst eine eigene Eingriffsnorm gleichen Inhalts wie der fremde Staat hat, aber das fragliche Geschäft nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm einbezieht. Strafwillig kann nicht nur das Land des Ortes der Erfüllungshandlung, sondern auch das Land von Wirkungen der Erfüllungshandlung sein, oder der Heimat- oder Wohnsitzstaat des Verpflichteten. Das englische internationale Privatrecht will allerdings nur die Strafbarkeit unter dem Recht des Handlungsortes als Hemmnis der Geschäftsgültigkeit berücksichtigen. Der Anwendungsbereich des öffendich-rechtlichen Verbotes ist, soweit er nicht ausdrücklich im Gesetz festgelegt ist, „dem Sinn und Zweck" der Norm zu entnehmen, wobei davon auszugehen ist, daß es im allgemeinen auf die Auswirkung des verbotenen Verhaltens im Staatsgebiet des verbietenden Staates ankommt: B G H , IPRsp 1973, Nr. 30. § 4 a des Waffengesetzes der Bundesrepublik i . d . F . vom 31. 5. 1978 macht Verträge betreffend das „Überlassen" von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden, genehmigungspflichtig, und § 16 erklärt den Vertragsabschluß ohne Genehmigung als strafbare Handlung. Auf welche Inlandsverknüpfungen (Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit eines Beteiligten, Geschäftserrichtung im Inland) es ankommen soll, wird im Gesetz nicht gesagt; davon, und nicht etwa vom Geschäftsstatut, hängt aber die Nichtigkeit des Geschäfts gemäß § 134 B G B ab. Die englische Rechtsprechung will grundsätzlich keine Partei an einem durch Vertrag des englischen Rechts begründeten Rechtsverhältnis auf Klage der anderen Partei hin zu einer Erfüllungshandlung verurteilen, wenn feststeht, daß diese Handlung in dem Staat, wo sie nach dem Vertrag zu erbringen ist, „rechtswidrig" ist; eine Strafdrohung durch den Wohnsitzstaat des Schuldners soll nicht ausreichen. Eine Verurteilung des Schuldners durch die englischen Gerichte erfolgt auch dann nicht, wenn die englischen Gerichte sich weigern würden, etwa auf Antrag des fremden Staates hin, dem Schuldner die Vornahme der Handlung ausdrücklich zu verbieten. Beantragt eine Partei die Verurteilung der anderen zu einer möglicherweise im Ausland zur Bestrafung führenden Handlung, so will man es auch nicht darauf ankommen lassen, ob sich die Behörden des anderen Staates nicht im Strafverfahren auf den Standpunkt stellen würden, angesichts des vorher ergangenen englischen Urteils, dessen Nichtbefolgung ein in England strafbarer contempt of court wäre, sei mangels Schuld von einer Bestrafung dessen abzusehen, der sich dem englischen Urteil gefügt hat; vgl. Re Lord Cable (Ch. D.), [1976] 3 All E. R. 417ff.
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Aus diesem Grunde sind Verträge zur Leistung von Hilfe bei dem verbotenen Verlassen der DDR in der Bundesrepublik bei westdeutschem Geschäftsstatut rechtsgültig; zugleich hat die Rechtsprechung jedoch Spezialrecht für die Abwicklung derartiger Verträge entwickelt, vgl. BGH, JZ 1978, 64. In den meisten Fällen wird hier natürlich auch Strafbarkeit unter dem Recht des Forumstaates anzunehmen sein. Vgl. dazu BGH, NJW 1977, 507. Vgl. S. 530. Es ist nicht zu leugnen, daß diese Generalklausel dem Richter u. U. eine „politische" Entscheidung zumutet. Während man von der negativen ordre public-Klausel — entgegen der vielfach zu findenden Definition des ordre public — anzunehmen hat, daß sie nur auf die inhaltliche Abweichung des berufenen ausländischen Rechtssatzes von der lex fori abstellt, und daß zur Verweigerung der Anwendung von kraß abweichendem ausländischen Recht ein nachteiliger Effekt auf die politische Ordnung des Forumstaates nicht, oder jedenfalls nicht in allen Fällen, erfordert wird, so daß die Zuständigkeit zur Handhabung der negativen ordre public-Klausel den Gerichten keine „politische" Entscheidung zumutet, ist es durchaus naheliegend, die Frage zu stellen, ob anstelle der oben im Text behandelten Entscheidung der Gerichte über den Nutzen der Anwendung eines nicht vom Geschäftsstatut herrührenden zwingenden Rechtssatzes für den Forumstaat nicht besser eine Entscheidung der politischen Organe des Forumstaates erfolgen sollte; vgl. dazu auch Anm. 40 zu S. 74. Die Problematik wird deutlich, wenn ein Staat, der nicht das Geschäftsstatut für einen heterogen verknüpften Vertrag stellt, den als Vertragsleistung vorgesehenen Export einer für die Kriegführung bedeutsamen Ware aus seinem Staatsgebiet, oder die als Vertragsleistung vorgesehene Verbringung einer solchen Ware in einen bestimmten anderen Staat, verbietet; dabei wird sich das erste Verbot meist an jeden richten wollen, welcher den Export bewirkt oder dazu anstiftet, während das zweite Verbot im allgemeinen an die eigenen Staatsangehörigen oder Bewohner des verbietenden Staates oder an Unternehmungen mit Sitz in diesem Staat gerichtet wird. Hat nun der Forumstaat ein entsprechendes Verbot der Belieferung desselben dritten Staates mit kriegswichtigen Gegenständen, und ist dieses Verbot nur an die eigenen Staatsangehörigen oder Bewohner des Forumstaates gerichtet, so bereitet es dem Richter im Forumstaat keine Schwierigkeiten, zu dem Schluß zu kommen, daß (wenn das Geschäft nicht schon ohnehin von dem eigenen Verbot erfaßt wird) die Anwendung des mit einem Belieferungsverbot verbundenen Satzes über die Ungültigkeit des Belieferungsvertrages, auch wenn dieser von einem anderen Staat als dem herrührt, der das Geschäftsstatut stellt, im öffentlichen Interesse des Forumstaates liegt. Wie aber, wenn der Forumstaat eigene Export- und Belieferungsverbote dritter Staaten nicht hat, insbesondere wenn er sie deshalb nicht hat, weil auf seinem Gebiet die fraglichen Gegenstände gar nicht produziert werden? Ist dann vom Richter im Forumstaat darauf abzustellen, ob die Regierung im Forumstaat außenpolitisch jeweils mit dem einen oder dem anderen Staat sympathisiert? Oder hat der Richter sich eine eigene Auffassung darüber zu bilden, ob es für den Forumstaat besser ist, dem einen oder dem anderen der beiden fremden Staaten behilflich zu sein? Oder spielt es eine Rolle, daß ein durch den Gesetzgeber gebilligtes Bündnis mit dem einen bzw. dem anderen Staat vorliegt? Hilfreich kann es hier sein, wenn der Gesetzgeber, wie dies nicht selten in der Gesetzgebung der USA geschieht, bestimmte politische Ziele oder Standpunkte als von ihm gebilligt, und damit auch als für Ermessensentscheidungen sowohl der Regierung als auch der Gerichte maßgeblich erklärt. Hat ein ausländisches Gesetz unabhängig vom Geschäftsstatut auf Grund einer bestimmten Inlandsverknüpfung eine im Vertrag vereinbarte Erfüllungshandlung verboten und deshalb auch den Vertrag für ungültig erklärt, und ist das Verbot eindeutig gegen den Forumstaat gerichtet, so folgt für dessen Gerichte aus der negativen ordre public-Klausel, daß die betreffende Bestimmung auch dann nicht in vollem Umfang anwendbar ist, wenn die Verbotsnorm von demselben Gesetzgeber herrührt, der auch das Geschäftsstatut stellt: Wird die verbotene Leistung trotz des Verbotes bewirkt, so ist im Forumstaat zur Erbringung der Gegenleistung zu verurteilen. Wird die verbotene Leistung nicht erbracht, so sollte zwar eine Vollstreckung mit Maßnahmen gegen die Person des Leistungspflichtigen zur Erzwingung der Leistung entfallen, nicht aber die Verwirklichung der Haftung des im Forumstaat befindlichen Vermögens für Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Richtet sich das im Land des Geschäftsstatuts erlassene und anwendungswillige Gesetz nicht
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Anmerkungen zu S. 582—583 gegen den Forumstaat, sondern gegen einen dritten Staat, so können außenpolitische Sympathien der Regierung des Forumstaates mit dem dritten Staat allein nicht dazu führen, daß die Anwendung jenes Gesetzes, das sich in der Rechtsordnung des Staates findet, der das Geschäftsstatut stellt, und aus dem sich die Ungültigkeit des auf eine verbotene Leistung gerichteten Vertrages ergibt, mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel abgelehnt wird. Wohl aber sind auch hier Bindungen des richterlichen Ermessens durch die Gesetzgebung des Forumstaates zu beachten. Die Versuche des Reichsgerichts und des B G H , die Problematik des in die Hand des Richters gelegten politischen Ermessens dadurch zu verdecken, daß politisch unerwünschte Verträge, wenn ihre Erfüllung zwar nicht im Recht des Forumstaates, wohl aber von einem ausländischen Recht, welches nicht Geschäftsstatut ist, als strafbar erklärt worden ist, auf ihre „Sittenwidrigkeit" geprüft, und dabei die Generalklausel in der lex fori über die Ungültigkeit sittenwidriger Verträge zugrunde gelegt wurde, (vgl. B G H Z 59, 82, und unten Anm. 177), sind unbrauchbar. Verpflichtet ein Kollektivvertrag die Signatare, sich gegenseitig bei der Durchsetzung der von einem Vertragsstaat erlassenen Verbote der Ausfuhr von Kulturgütern zu unterstützen, so sollten die Vertragsstaaten auch privatrechtliche Verträge, mit denen ein Verstoß gegen ein solches Verbot beabsichtigt ist, als ungültig behandeln, insbesondere wenn das Verbotsland selbst Ungültigkeit will. Bei der Berufung auf einen nicht ratifizierten Vertrag dieser Art ist jedoch Vorsicht angebracht, vgl. B G H , N J W 1972, 1576, und J Z 1978, 67, Anm. 12. Die für die Bundesrepublik nicht verbindlich gewordene Europäische Konvention vom 6. 5. 1969 über den Schutz der archäologischen Funde verpflichtet die Signatarstaaten, ihre Museen am Ankauf von Material aus unerlaubten Ausgrabungen, oder von unrechtmäßig erworbenem Material aus erlaubten Ausgrabungen, zu hindern. Indem Art. 8 bestimmt, daß die gesetzlichen Vorschriften über Eigentum oder Eigentumsverschaffung an archäologischen Projekten unberührt bleiben, wird es auch offen gelassen, inwieweit die Verletzung von öffentlichem Recht eines Staates über Ausgrabungen ein Rechtsgeschäft unter einem anderen Privatrecht ungültig werden läßt. Vgl. oben S. 581. Vgl. S. 427. Besonders deutlich ist die Gleichbehandlung einer im Forumstaat als privatrechdich unerlaubt geltenden Handlung mit einer im Forumstaat strafbaren Handlung, wenn zur Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs Beugestrafen angeordnet werden können, oder Schadensersatz mit strafartigem Zuschlag zu leisten ist. Die Inlandswirkung des sozialschädlichen Vertrages kann dabei weniger intensiv sein als die Inlandswirkung, welche den Staat legitimiert, schon den Vertragsschluß als solchen unter Strafe zu stellen: Die Beteiligung an einem im Ausland geschlossenen Vertrag von Ausländern über die Lieferung von Sachen, wobei beiden Partnern bekannt ist, daß sie der Erwerber oder ein Nacherwerber entgegen einem Verbot des Forumstaates dorthin bringen will, kann vom Forumstaat nicht als strafbar erklärt, wohl aber kann jeder Vertragspartei im Forumstaat Rechtsschutz durch die Zivilgerichte versagt werden. Ein Staat ist z. B. völkerrechtlich nicht befugt, den im Ausland wohnenden Ausländern unter Strafe zu verbieten, im Ausland den Bewohnern jenes Staates in Ubereinstimmung mit dem Recht der lex loci actus Waffen zu verkaufen, auch wenn der Verkäufer damit rechnen muß, daß der Erwerber die Waffen möglicherweise in dem Staat zu verbotenen Zwecken verwenden will, vgl. dazu S. v. Mapane, [1977] 1 Rhod. L. R. 240. Die Gerichte in dem „bedrohten" Staat können aber ohne Völkerrechtsverstoß durch ihren Gesetzgeber angewiesen werden, den im Ausland vorgenommenen Transaktionen privatrechtlichen Rechtsschutz zu versagen, also etwa die Kaufpreisklage des Waffenverkäufers abzuweisen. Erwünscht ist es zu diesem Zweck, daß der Gesetzgeber selbst die Inlandsverknüpfung bezeichnet, auf die es ankommen soll. Das geschieht aber oft nicht. Das französische Gesetz vom 10. 1. 1978 betreffend Kreditgeschäfte (insbesondere Abzahlungskredite) erklärt, daß alle seine Bestimmungen „d'ordre public" seien, ohne Genaueres über die für die Anwendbarkeit im heterogen verknüpften Bereich erforderlichen Binnenbeziehungen zu sagen. Eine eingehende gesetzliche Regelung erfährt die selbständige Zuweisung z. B. in dem britischen Race Relations Act 1976. Das Gesetz bestimmt in sec. 72, daß Vertragsklauseln, welche als solche gegen eine andere Bestimmung dieses Gesetzes verstoßen, oder deren Vollzug eine Gesetzesverletzung darstellen würde, nicht gegen den Willen einer Partei vom Gericht berücksichtigt werden dürfen, bzw. daß sie absolut nichtig sind; im ersten Fall kann das Gericht auf Antrag einer Partei die anstößige Klausel auch modifizieren. Sec. 27 bestimmt, daß die rassische Diskriminierung bei
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der Versorgung anderer mit Gütern oder Diensten „außerhalb von Großbritannien" nicht unter das gesetzliche Verbot fällt, ferner, daß in Großbritannien registrierte Schiffe wie britisches Inland zu behandeln sind, und schließlich, daß keine in einem anderen Staat begangene Handlung, auch wenn sie von dem Gesetz erfaßt sein könnte, als verboten zu gelten hat, sofern sie nach den Gesetzen des Handlungsortes geboten ist. Liegen die zur Anwendbarkeit des britischen Gesetzes, also auch der sec. 72, erforderlichen Inlandsverknüpfungen vor, so scheitert dessen Anwendung sicher nicht wieder daran, daß Geschäftsstatut infolge ausdrücklicher oder vermuteter Rechtswahl ein anderes Recht als das englische oder schottische Recht ist. Daß umgekehrt eine Wahl des englischen (oder schottischen) Rechts zum Vertragsstatut den Race Relations Act auch beim Fehlen des gesetzlichen Anknüpfungsmomentes anwendbar machen würde, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil ja für die ausdrücklich vom Gesetz angenommenen Arbeitsverträge von Seeleuten, die im Ausland zum Dienst auf einem britischen Schiff angeheuert werden, Vertragsstatut meist das englische Recht sein wird. Rassisch diskriminierende Behandlung von Angestellten und Bewerbern ist nach dem britischen Race Relations Act dann eine unerlaubte und gegebenenfalls zu Schadensersatz führende Handlung, wenn die Arbeit in Großbritannien oder auf einem britischen Schiff verrichtet wird; eine Ausnahme gilt, wenn Seeleute außerhalb von Großbritannien angeheuert werden, vgl. sec. 8 und 9. Für die Fragen der Gültigkeit (Klagbarkeit) von Spiel- und Differenzgeschäften will der B G H das durch ausdrückliche Vereinbarung oder hypothetischen Parteiwillen ermittelte Geschäftsstatut, und alternativ (zugunsten der Unklagbarkeit) das deutsche Recht vermittels Sonderanknüpfung zur Anwendung bringen, wenn eine Partei ihren Wohnsitz in Deutschland hat, vgl. J Z 1978, 818. Die Vorschriften des deutschen Börsengesetzes über die Klagbarkeit bzw. Unklagbarkeit von Börsentermingeschäften werden vorrangig angewendet, wenn eine Partei mit deutschem Wohnsitz beteiligt ist, vgl. IPRsp 1972, Nr. 12b; 1975, Nr. 13. 1 0 S a Vgl. dazu oben S. 542, Anm. 77. Ist die Verpflichtung eines Arbeitsnehmers, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Verträge mit Kunden des Arbeitgebers zu schließen, nicht schon nach dem Geschäftsstatut des Arbeitsvertrages ungültig, so kann jedes Land, auf das sich die Unterlassungspflicht beziehen soll, einen eigenen Satz über die Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Anwendung bringen, vgl. National Starch and Chemical Corp. v. Newmann, 577 S.W. 2d 99. 1 0 6 Dies entspricht der S. 119 bereits kritisierten Ansicht, daß jeder Staat stets ein „governmental interest" habe, daß sein eigenes Recht angewendet wird, wenn es seinen Staatsangehörigen (Bewohnern) günstiger ist als das Recht eines anderen verknüpften Staates. 1 0 7 Indem der vom Recht mißbilligte Vertrag nur mit der Sanktion der Vorenthaltung des staatlichen Rechtsschutzes versehen wird, soll ein Anreiz geschaffen werden, solche Verträge nicht zu erfüllen, und damit wiederum der Abschluß uninteressant gemacht werden. Dieser schwachen Beeinflussung durch den Gesetzgeber steht vielfach gegenüber, daß außerrechdiche Normen auch den Bruch solcher Verträge „verbieten" und mit anderen nachteiligen Folgen ausstatten. Jedenfalls hat unter solchen Umständen die gerichtliche Erzwingung der Leistung aus solchen Verträgen, die nur das ausländische Recht ?ls gültig betrachtet, einen weiteren „demoralisierenden" Effekt auf die Motivierung des menschlichen Verhaltens in homogen verknüpften Situationen durch den Gesetzgeber. 108 Vgl.S.519ff. 1 0 9 Vgl. S. 274. 1 1 0 Vielleicht ist es in diesem Sinne gemeint, wenn Dicey-Morris, S. 758, sagt, daß Spielverträge, für die das englische Recht über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen das proper law of contract ist, vom englischen Gericht als null and void, die unter ausländischem Geschäftsstatut hingegen vollgültigen Verträge nur als in England unenforceable zu beachten sind. Bei Anwendung der negativen ordre public-Klausel gegenüber einem ausländischen Rechtssatz, der bestimmte pflichtbegründende Verträge als rechtsverbindlich erklärt, muß ein Anspruch aus dem Vertrag nicht unbedingt als unbegründet abgewiesen werden, sondern es kann Prozeßabweisung erfolgen, vgl. S. 81. Bis zum Eingreifen des Gesetzgebers (1972) haben englische Gerichte sich gegenüber polygamen Ehen, die nach dem gemeinsamen ausländischen Domizilrecht gültig waren, darauf beschränkt, Ehegerichtsbarkeit nicht in solchen Zusammenhängen auszuüben, wo sie das Bestehen der Ehe hätten bejahen müssen, vgl. Dicey, aaO, S. 300 f. 1 1 1 Ein Generalklausel im Recht des Staates, wonach solche Verträge mißbilligt werden, die mit politischen Zielvorstellungen des betreffenden Staates (public policy) unvereinbar sind, nötigt den 105
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Anmerkungen zu S. 584 Richter noch mehr zu einer politischen Entscheidung als eine Generalklausel, welche die Beachtung ausländischer Rechtssätze, die die Vertragsgültigkeit hemmen, davon abhängig macht, daß dies dem politischen Interesse des Forumstaates dient (vgl. Anm. 99). Wenn die Generalklausel Bestandteil des ausländischen Geschäftsstatuts ist, so sollte sie von den Gerichten des Forumstaates nur insoweit angewendet werden, als sie durch die Rechtsprechung des Urheberstaates bereits präzisiert worden ist, und im übrigen selbstverständlich nur, wenn sie von den eigenen Wertvorstellungen des Forumstaates nicht abweicht. Eigenartige Probleme wirft die Bestimmung des Anwendungsbereichs solcher Generalklauseln in einem nationalen Inlandsrecht (z. B. Schweden) auf, welche dem Richter ermöglichen, ohne Beschränkung auf einzelne Vertragsarten jeden gegenseitigen Vertrag, bei welchem die Belastungen der einen und der anderen Partei grob unausgeglichen sind, wenn aus dem Vertrag geklagt wird, zu korrigieren, oder den Vertrag als nichtig zu erklären. Befindet sich ein solcher Satz in dem gewählten oder von den Parteien als anwendbar geglaubten Geschäftsstatut, so ist seine Anwendung durch die Gerichte im Staat des Geschäftsstatuts selbstverständlich. Auch die Gerichte anderer Staaten, die das betreffende Recht als Geschäftsstatut betrachten, werden in der genannten richterlichen Vertragskorrektur wohl nicht eine „wesensfremde" Aufgabe sehen, deren Erledigung ihnen durch ihr Verfahrensrecht verboten wäre. Enthält das gesetzliche Geschäftsstatut eine Generalklausel der hier behandelten Art, so liegt es nahe, daß vom Standpunkt dieses Staates her die Abwahl dieser Bestimmung durch Wahl eines anderen Geschäftsstatuts ausgeschlossen ist, ähnlich wie das gesetzliche Geschäftsstatut nicht diejenigen Vorschriften abwählen läßt, die sich darüber auslassen, wann die Konsenserklärungen als frei von Zwang usw. abgegeben zu gelten haben; vgl. oben S. 560. Der Urheberstaat einer Bestimmung der erwähnten Art wird jedoch, auch wenn er nicht das gesetzliche Geschäftsstatut stellt, der fraglichen Bestimmung in seinem Recht einen zusätzlichen Anwendungsbereich durch Sonderanknüpfung zulegen. Uber die Größe dieses Anwendungsbereichs bestehen verschiedene Möglichkeiten und unterschiedliche Tendenzen: Die eine würde die Sonderanknüpfung auf die Fälle beschränken, in denen beide Parteien eine persönliche dauernde Verknüpfung zu dem Urheberstaat des Rechtssatzes haben. Andere würden dazu neigen, die Anwendung der Vorschrift nur dort zuzulassen, wo sie sich zum Vorteil einer mit dem Urheberstaat der Norm dauernd verknüpften Partei auswirkt. Die dritte Möglichkeit geht dahin, das Fehlen einer gleichen oder ähnlichen Vorschrift über die richterliche Korrektur gegenseitiger Verträge im Geschäftsstatut als eine untragbare Abweichung von der lex fori zu betrachten, und die Vorschrift der lex fori bei jeder nicht gerade besonders schwachen Binnenbeziehung zum Forumstaat — auf jeden Fall aber bei inländischem Erfüllungsort oder ausländischem Wohnsitz irgendeiner Partei — anzuwenden. Im Urheberstaat der Norm muß sich der Gesetzgeber selbst im allgemeinen schon zu einer ausdrücklichen Regelung entscheiden, wenn er das Zustandekommen des Vertrages davon abhängig macht, daß eine konstitutive gerichtliche Feststellung darüber ergeht, ob der Vertrag in der von den Parteien vorgelegten Fassung „fair" ist, und wenn er dafür sorgen will, daß ein zuständiges Gericht überall da vorhanden ist, wo die Vorschrift anwendbar ist: Der Transactions with Natives Act für Papua-Neuguinea sah im Streitfall ein unbeschränktes Ermessen des Gerichts zur Korrektur „unfairer" Verträge zwischen Eingeborenen und Nichteingeborenen vor, (die überdies schriftlich geschlossen sein mußten). Ein Vorschlag der Law Reform Commission von 1977 will eine solche richterliche Korrektur für alle vermögensrechtlichen Verträge einführen, wenn mindestens eine Partei im Land ansässig ist (gleich ob Kläger oder Beklagter), will aber Verträge zwischen inländischen Behörden und ausländischen natürlichen oder juristischen Personen ausnehmen (Fairness of Transactions Bill, 1977). Als eine in allen Verfahren vor den Gerichten des Urheberstaates ohne Rücksicht auf das Geschäftsstatut anwendbare Bestimmung ist die Vorschrift des Art. 6.1.1.2. des neuen niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches zu verstehen, wonach bei Klagen aus einem Vertrag Bestimmungen im Rechtsgeschäft oder im anwendbaren Gesetz nicht zu berücksichtigen sind, wenn das Ergebnis ihrer Anwendung mit Rücksicht auf die Umstände des Falles nach den Maßstäben von „redelijkheid en billijkheid onaanvaardbar" wäre. Bei Verträgen, welche im Sinne des Inlandsrechts eines Forumstaates, ohne von dessen Strafgesetzen erfaßt zu werden, mit Rücksicht auf ihren Inhalt als sittenwidrig o. ä. gelten, nicht aber im Sinne des Geschäftsstatuts (wo vielleicht eine gleich formulierte Generalklausel anders ausgelegt wird), ist eine unterschiedliche Behand-
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lung angebracht, wenn unter der lex fori auch die freiwillige Erfüllung eines solchen Vertrages auf Verlangen einer Partei oder einer Behörde rückgängig gemacht werden müßte. Dies wird man auf diejenigen Fälle beschränken, wo eine starke Verknüpfung zum Forumstaat besteht. Soweit das nicht der Fall ist, sind nur Ansprüche aus dem Vertrag als uneinklagbar zu behandeln: Dem Wunsch der Geschäftserrichter, für ihren Vertrag möglichst in allen Staaten Rechtsschutz zu erhalten (vgl. S. 520), wird für den konkreten Vertrag die Erfüllung im Forumstaat versagt; vgl. auch oben Anm. 110. Der Genehmigungsbedürftigkeit des Geschäfts, dessen Gültigkeit vom Vorliegen eines bestimmten Tatbestandselementes bedingt ist, ist es gleichzustellen, wenn beim Fehlen dieses Tatbestandselementes „Dispens" erteilt werden kann. Ist von dem Staat, der die Genehmigungsbedurftigkeit anordnet, keine volle Ungültigkeit des ungenehmigten Vertrages vorgesehen, so hat weder der Staat, der das Geschäftsstatut stellt, noch ein dritter Forumstaat Veranlassung, strenger zu sein. Der australische Foreign Takeovers Act 1975, der zahlreiche obligatorische Geschäfte in Bezug auf australische Wirtschaftsunternehmungen als genehmigungspflichtig erklärt und ihre ungenehmigte Vornahme bzw. die Verweigerung der Rückgängigmachung mit Strafen bedroht, bestimmte zunächst ausdrücklich, daß jedes verbotenerweise vorgenommene Geschäft dennoch „for all purposes" als gültig zu betrachten sei, und wurde dann dahin geändert, daß das Geschäft „is not invalidated by the fact that it constitutes an off ence against this Act". Hat eine Partei ihre nicht rückgängig zu machende Leistung aus einem ungenehmigten gegenseitigen Vertrag erbracht, so wird unter Umständen die Klage auf die Gegenleistung trotz der Ungültigkeit des Vertrages als zulässig erklärt: Das österreichische Ausländerbeschäftigungsgesetz vom 20. 3. 1975 macht die Beschäftigung von Ausländern „in Österreich" von Genehmigungen abhängig und stellt die ungenehmigte Beschäftigung unter Strafe. Das gilt auch dann, wenn infolge Rechtswahl oder aus einem anderen Grund das österreichische Recht gar nicht Vertragsstatut ist. Würde nun aus dem ungenehmigten Arbeitsvertrag im Ausland geklagt und das österreichische Ausländerbeschäftigungsgesetz als beachtlich angesehen, so müßte doch auch die Bestimmung des § 29 dieses Gesetzes berücksichtigt werden, wonach für die Dauer der tatsächlichen Beschäftigung des ausländischen Arbeiters „die gleichen Ansprüche wie auf Grund eines gültigen Arbeitsvertrages" bestehen, aber auch die Bestimmung, daß eine Kündigungsentschädigung entfällt. Die amerikanische Entscheidung Nizamuddowlah v. Bengal Cabaret, Inc., 339 N. Y. S. 2d 854, stützt die Lohnansprüche aus einem nur seitens des eingewanderten Arbeitnehmers „illegal" abgeschlossenen Arbeitsvertrages auf ungerechtfertigte Bereicherung, wobei betont wird, daß in erster Linie der Arbeitgeber den eingewanderten Ausländer, der keine Arbeitserlaubnis hatte, zum Vertragsschluß überredet hat, und daß der Zweck des Gesetzes — Sicherung der Arbeitsplätze für Inländer — nicht gefördert werde, wenn der Arbeitgeber den Lohn nicht zu zahlen braucht. Würde es im gemeinsamen Heimatstaat der Parteien zum Prozeß kommen, so dürfte keinesfalls anders entschieden werden. Vgl. S. 579 ff. Diese Verpflichtung entfällt, wenn im Staat des Geschäftsstatuts der Vertrag auch ohne Genehmigung als gültig betrachtet würde, und der Versuch der Einholung der Genehmigung in einem anderen Staat überhaupt erst den ausländischen Behörden von dem Vertrag Kenntnis verschaffen würde und sie veranlassen könnte, mangels Genehmigung die Strafverfolgung zu betreiben. Bei der Anwendung von § 307 BGB will BGH, WM 1957, 981, an einen im Ausland ansässigen Kaufmann geringere Anforderungen an seine Kenntnis von inländischen Devisenbestimmungen, welche die Erfüllung des Vertrages durch den inländischen Partner verhindern, stellen als an den inländischen Kaufmann. Der BGH spricht darüber hinaus von einer Verpflichtung der inländischen Partei, die Adressat der Devisenbestimmungen ist, die ausländische Partei über die Rechtslage aufzuklären. Auch Vertragsbedingungen lauten möglicherweise dahin, daß bei Nichterfüllung der Benachrichtigungspflicht Schadensersatz wie bei verschuldeter Nichtlieferung zu leisten ist; kann erwiesen werden, daß der Schuldner keine genügenden Vorbereitungen zur Lieferung getroffen hatte, als die Erfüllungshandlung am Erfüllungsort verboten wurde, daß es also auch ohne das Verbot der Erfüllungshandlung nicht zur Erfüllung gekommen wäre, so kann das Geschäftsstatut oder der
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Vertrag möglicherweise auch so zu verstehen sein, daß in diesem Fall Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten ist, vgl. Toepfer v. Schwarze, [1977] 2 LI. L. R. 380. Vgl. S. 581 ff. Zu denken ist an Verträge über die Leistung von Arbeit im Inland durch Ausländer, vgl. oben Anm. 113. Vgl. S. 535 f. Das im internationalen Privatrecht eines Landes generell proklamierte „Recht" zur freien Wahl des Geschäftsstatuts wird illusorisch gemacht, wenn der Staat den Rechtsschutz für einen Vertrag von einer Genehmigung des Vertrags durch eine Behörde dieses Landes abhängig macht, und die Genehmigung nur erteilt wird, wenn das von der Genehmigungsbehörde gewünschte Recht zum Vertragsstatut erklärt wird. Wenn aber die Genehmigung eingeholt und aus dem genehmigten Vertrag anderswo geklagt wird, so kann die ausländische Partei, die sich auf den Vertrag eingelassen hat, nicht behaupten, daß der auf diese Weise geübte Zwang, Verträge nur gemäß dem Recht des betreffenden Staates oder gar nicht Zustandekommen zu lassen, mit dem ordre public des Forumstaates unvereinbar sei. Der Inhaber einer Lizenz zu Forschungsarbeiten im Schelfmeer ist nach niederländischem Gesetz verpflichtet, zusammen mit dem Staat eine Gesellschaft zu gründen, und mit dieser Gesellschaft wiederum einen Vertrag über bestimmte Angelegenheiten zu schließen; der Vertrag muß dem niederländischen Recht unterstellt werden, vgl. die V O vom 6.2. 1976. Erklärt ein Staat ausdrücklich, daß bestimmte auf seinem Gebiet zu erfüllende heterogen verknüpfte Verträge unabdingbar seinem Recht unterstehen, und daß sie mangels einer Genehmigung durch seine Behörden ungültig sein sollen (so z. B. des mexikanische Gesetz von 1972 über Technologietransfer), so hindert das einen anderen Forumstaat nicht, auf den unter Wahl eines anderen Geschäftsstatuts geschlossenen und nicht zur Genehmigung vorgelegten Vertrag dieses Geschäftsstatut zur Anwendung zu bringen. Dasselbe gilt, wenn eine Erlaubnis zu gewerblicher Tätigkeit automatisch zur Folge haben soll, daß in dem betreffenden Staat die in Ausübung der Tätigkeit geschlossenen Verträge dem Recht dieses Staates unterstehen, vgl. z. B. Art. 18 des jugoslawischen Gesetzes von 1976 über Bauvergabe an ausländische Unternehmungen. Es ist denkbar, daß ein Staat seine Behörden ermächtigt, beim Vorliegen der Inlandsverknüpfung eine Genehmigung zu erteilen oder zu versagen, und beim Fehlen der Verknüpfung eine Bescheinigung auszustellen, daß eine Genehmigung nicht erforderlich ist. Art. VIII sec. 2 (b) des Bretton Woods-Abkommens bestimmt auffälligerweise nicht, daß die Mitgliedsstaaten des Internationalen Währungsfonds die Hemmungen der Gültigkeit von privatrechtlichen Verträgen, die ein Vertragsstaat zum Schutz einer Währung anordnet, ihrerseits anzuwenden hätten, sondern ordnet selbst an, daß Verträge, die in Widerspruch zu den von einem Vertragsstaat eingeführten Bestimmungen zum Schutz seiner Währung stehen, in jedem Mitgliedsstaat als „unenforceable" zu behandeln sind. Dies ist jedenfalls vom B G H dahin verstanden worden, daß, wenn die von einem Mitgliedsstaat erforderte devisenrechtliche Genehmigung nicht vorliegt, nicht die vom nationalen Recht dieses Staates vorgesehenen Folgen für die Rechtswirksamkeit des Vertrages eintreten, sondern nur, daß eine Klage in der Bundesrepublik als unzulässig zu betrachten ist, solange die fragliche devisenrechdiche Vorschrift in Kraft steht: B G H , IPRsp 1970, N r . 101; 1971, Nr. 116b. So wird in der Bundesrepublik nicht nur eine vom fremden Heimatstaat vorgesehene Genehmigungsbedürftigkeit einer Ehe des Ausländers mit Angehörigen anderer Staaten unter der ordre public-Klausel bedenklich sein, sondern auch andere nach freiem Ermessen der zuständigen Behörde dispensable Ehehindernisse, obwohl die im deutschen Recht vorhandenen Bestimmungen dieser Art noch nicht generell als verfassungswidrig erklärt worden sind, vgl. BVerfGE 36,147. Vgl. oben S. 531. Verlangt das Herstellungsland bestimmter Gegenstände, daß der Verkauf genehmigungspflichtig ist, wobei die Prüfung durch die genehmigende Behörde sich auf das Fehlen solcher Sachmängel bezieht, die schwere Gefahren für den Benutzer mit sich bringen, so wird ein anderer Staat meist ein Interesse daran haben, daß diese Prüfung erfolgt; dann wird er auch Klagen des Verkäufers aus dem ungenehmigten Geschäft abweisen wollen. Vgl. S. 569 f. Trotzdem muß zugleich auch die Zuständigkeit der Behörde zur Erteilung der Genehmigung im Rechte ihres Dienstherrenstaates vorgesehen sein. So hat sich LG Köln, IPRsp 1962 — 63, N r . 87,
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auf den Standpunkt gestellt, daß eine Genehmigung des während der Ehe abgeschlossenen Gütervertrages, wie sie das niederländische Recht vorsieht, und wofür die niederländische lex causae die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts am Wohnsitz der Ehegatten anerkennen würde, durch ein deutsches Gericht nicht erteilt werden kann, weil sie im deutschen Verfahrensrecht nicht vorgesehen ist; vgl. dazu auch S. 169. Die Ausübung eines gesetzlichen Ermessens, einen Vertrag, der ohne eine gesetzlich erforderliche Genehmigung geschlossen worden ist, aus Billigkeitsgründen für gültig zu erklären, wenn z. B. die Genehmigungsbedürftigkeit schwer erkennbar war, ist ein Justizakt und nicht ein Rechtsetzungs- oder Verwaltungsakt, und kann daher möglicherweise in einem Staat auch auf Grund des dort berufenen ausländischen Rechts vorgenommen werden. Die „wichtigen" Gründe, aus denen eine Befreiung von trennenden Ehehindernissen der Schwägerschaft oder der Adoptiwerwandtschaft versagt werden kann (vgl. § 4 und § 7 EheG) sind nicht solche, die nur durch ein Organ des Urheberstaates der Norm beurteilt werden könnten. So könnte bestimmt werden, daß den Vertragschließenden zwar nicht verboten ist, in ihrem Geschäft eine unterschiedliche Behandlung von ehelichen und unehelichen Kindern vorzusehen, daß aber die Bezugnahme auf „Kinder" einer Person nur dann als auf eheliche Kinder beschränkt verstanden werden darf, wenn dies ausdrücklich schriftlich niedergelegt worden ist. Es ist eine besondere Auslegungsfrage, ob die Vereinbarung, daß ein Rechtsgeschäft nach dem Recht X „ausgelegt" werden soll, sich wirklich nur auf die Auslegung des Vertragstextes beziehen soll, oder ob damit eine Rechtswahl bezüglich des ganzen Geschäftsstatuts gemeint ist. Vgl. S. 150. •
Ein Staat, der mit Rücksicht auf die zu ihm hingehenden Verknüpfungen das gesetzliche Geschäftsstatut für ein homogen oder heterogen verknüpftes Verhältnis stellt, kann seine ergänzenden Regelungen auch durch eine Verweisung der Parteien auf das jeweilige Recht eines anderen Staates einschließlich seines zwingenden Rechts verdrängen lassen, ohne dies von der Anwendungswilligkeit des ausländischen Rechts abhängig zu machen. Daß in einem solchen Fall das Recht des ersten Staates Geschäftsstatut bleibt, äußert sich dann u. a. darin, daß es möglicherweise mit neuen zwingenden Bestimmungen Anwendung beansprucht. O b die Parteien mit einer Verweisung an ausländisches Recht nur eine materiellrechdiche Verweisung in diesem Sinne gemeint haben, oder ob sie eine vom Kollisionsrecht des gesetzlichen Geschäftsstatuts ebenfalls mögliche Wahl des fremden Rechts zum Geschäftsstatut unter Abwahl des gesetzlichen Geschäftsstatuts wollen, ist eine Auslegungsfrage. Der Unterschied wird wichtig, wenn das Kollisionsrecht des gesetzlichen Geschäftsstatuts eine Abwahl bei homogenen, oder fast homogenen, Inlandsverknüpfungen ausschließt. 1 3 1 Vgl. §§ 2, 6, 12 des westdeutschen Gesetzes über allgemeine Geschäftsbedingungen vom 9. 12. 1976. 1 3 2 Vgl. S. 530 ff. 1 3 3 Davon zu unterscheiden ist es, wenn das zwingende Recht des gesetzlichen Geschäftsstatuts durch allgemeine Rechtsgrundsätze oder Billigkeit verdrängt werden soll, vgl. darüber oben S. 543. 1 3 4 Vgl. § 1409 (1) BGB, und darüber oben S. 544, Anm. 84. 1 3 5 In Ghana muß die nach dem rezipierten englischen Recht zu beurteilende Ehe vor dem Standesbeamten oder einem christlichen Geistlichen geschlossen werden. Die in der Form des Stammesrechts geschlossenen Ehen unterstehen dem Stammesrecht. Wird eine solche in der Form des Stammesrechts geschlossene Ehe nachträglich auf Antrag beider Parteien gemäß dem Muslim Marriage Act in das gemäß diesem Gesetz geführte Register eingetragen, so gilt für Ehegültigkeit und Ehewirkungen das Islamrecht, dessen Formerfordernisse (Konsensabgabe vor Zeugen) im allgemeinen auch bei der stammesrechdichen Ehe gewahrt sein werden. 136 während der Standesbeamte in Mali sowohl der Schließung einer monogamen, als auch einer polygamen Ehe assistieren kann, darf ein deutscher Standesbeamter auch an einer vom Standpunkt des Heimatstaates der Eheschließenden zulässigen Schließung einer Mehrehe nicht mitwirken, wenn ihm das Bestehen einer Vorehe bekannt ist; der im Heimatstaat geschlossenen zweiten Ehe würden die Rechtswirkungen in Deutschland nicht versagt werden. Nimmt der Standesbeamte in dem Glauben, daß eine Vorehe nicht bestehe, an der Eheschließung teil, so sollte wohl nichts anderes gelten. Dem deutschen Standesbeamten ist die Mitwirkung an der Schließung einer ersten
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Ehe nicht verboten, selbst wenn die Heiratenden sich dessen bewußt sind, daß das gemeinsame Heimatrecht weitere Ehen eines Ehegatten nicht ausschließt. In einem Lande mit Islamrecht stellt sich die andere Frage, ob mit der Schließung einer Erstehe vor dem Standesbeamten eines europäischen Landes eine nach Islamrecht zulässige Vereinbarung, daß die Ehe eine Einehe bleiben soll, und daß die Frau sie bei Bruch dieser Zusage auflösen kann, als stillschweigend zustandegekommen gilt. Das mag zu bejahen sein, wenn die Konsenserklärungen direkt oder indirekt auf das Recht des Eheschließungslandes Bezug nehmen. Zur Beurkundung einer ausdrücklichen Abrede in dem geschilderten Sinne dürfte der deutsche Standesbeamte als unzuständig zu gelten haben; er darf andererseits auch nicht verlangen, daß ihm eine notarielle Vereinbarung dieser Art vorgelegt wird. 1 3 6 a Mit dem Kontrahierungszwang nicht zu verwechseln ist es, wenn jemand verpflichtet wird, sich vor der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit für seine eventuelle Haftpflicht bei einem Versicherungsunternehmen zu versichern, und wenn für die zu solchen Versicherungen zugelassenen Versicherer wiederum die Einfügung gewisser Sätze in den Versicherungsvertrag verbindlich gemacht wird. Derartige Bestimmungen finden sich möglicherweise gerade für heterogen verknüpfte Fälle: Die von den in der Bundesrepublik zugelassenen Versicherungsgesellschaften kraft gesetzlicher Verpflichtung zugrunde zu legenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung von Kraftfahrzeughaltern erfassen mit den Worten „Die Versicherung gilt in Europa" (§ 2(1) der AKB von 1965) die Haftpflicht aus Unfällen, die sich in Europa ereignen; Vertragsstatut für den Versicherungsvertrag ist zweifelsfrei deutsches Recht. Der Versicherer hat aber auch einzustehen, wenn der Versicherte aus einem in Europa vor sich gegangenen Unfall außerhalb Europas verklagt wird, und er hat die Erfüllung von Haftpflichturteilen auch dann zu übernehmen, wenn am Gerichtsort ein anderes als das in Deutschland anzuwendende Recht der Haftung des Versicherten zugrunde gelegt wurde. Dies gilt auch dann, wenn gegenüber dem Versicherten in dem Lande, das ihn verurteilt hat, gar keine Vollstreckungsmöglichkeiten bestehen (vgl. hierzu Stiefel-Wussow, Kraftfahrzeugversicherung, 1968, S. 70 ff.). Die deutschen AKB gelten zunächst einmal für alle in Deutschland gehaltenen Kraftfahrzeuge, für die eine Pflichtversicherung des Autohalters gemäß deutschem Recht mit einem zugelassenen Versicherungsunternehmen abgeschlossen worden ist. Sie gelten sodann auch für Versicherungsverträge, die die Halter von Autos, die ihren normalen Standort außerhalb Deutschlands haben, aber in Deutschland benutzt werden sollen, mit einem in Deutschland zugelassenen Versicherungsunternehmen abgeschlossen haben (wobei das zugelassene Unternehmen einziger Versicherer oder Mitversicherer sein kann). Die Versicherung bezieht sich dann auf Unfälle in Deutschland und die irgendwo gemäß dem am Gerichtsort anwendbaren Recht gegen den Autohalter gerichtlich geltend gemachte Haftpflicht. 1 3 7 Uber die amerikanischen Anti-Boykott-Gesetze vgl. oben S. 423, Anm. 16. 1 3 8 In manchen Ländern finden sich devisenrechtliche Vorschriften, wonach Deviseninländer verpflichtet sind, auf Verlangen einer Behörde oder der Staatsbank Guthaben oder Wertpapiere im Ausland dem Staat oder der Staatsbank gegen einen Preis in der Währung des betreffenden Landes zu veräußern, oder eine Verkaufsverpflichtung zu übernehmen. Während (vgl. Anm. 180) Verträgen zwischen Privatpersonen, die gegen das Devisenrecht eines Mitgliedstaates des Internationalen Währungsfonds verstoßen, kein Rechtsschutz gewährt werden darf, ist kein Staat völkerrechdich verpflichtet, durch seine Gerichte an der Mitwirkung einer solchen „Ablieferungspflicht" mitzuhelfen. Wird der Ablieferungspflichtige im Ausland verklagt, so wird der fremde Forumstaat das verpflichtende Gesetz höchstens bei Gegenseitigkeit zur Anwendung bringen. 1 3 9 Dem gegen seinen Willen einem privaten Unternehmen zugewiesenen Zwangsarbeiter kann also vorenthaltener Lohn auch von den Gerichten eines anderen Staates, wenn diese internationale Zuständigkeit haben, zugesprochen werden. 1 4 0 Das Scheidungsgüterrecht der meisten Länder des anglo-amerikanischen Rechtskreises ermöglicht nicht nur die Anordnung von Vermögensverschiebungen zwischen den geschiedenen Ehegatten, sondern auch die gerichtliche Anordnung zeitweiliger Benutzung von Gegenständen, die der einen Partei gehören, durch die andere. Auch nach dem neuen österreichischen Scheidungsgesetz vom 15.6. 1978 kann das Gericht im Zusammenhang mit einer Teilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse auch die Neubegründung „schuldrechtlicher Rechtsverhältnisse" zwischen den geschiedenen Ehegatten anordnen. 1 4 1 Vgl. S. 421. 1004
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Der britische Children Act 1975, sec. 87, bestimmt, daß der tatsächliche Inhaber der Personensorgegewalt über ein Kind alle Pflichten hat, wie sie ein rechtmäßiger Inhaber haben würde. „Actual custody" üben z. B. Pflegeeltern aus, aber auch der Entführer des Kindes. Setzt die Haftung der Eltern gegenüber dem Kind Verschulden voraus, so ist ein Irrtum darüber, welche Verhaltensnormen anwendbar sind, beachtlich, insbesondere wenn die Eltern nur mit dem in ihrem früheren Heimatstaat geltenden Recht vertraut sind. 1 4 3 Ist unter dem Haager Minderjährigenschutzabkommen das Bestehen eines „gesetzlichen Gewaltverhältnisses" im Verhältnis zwischen Eltern und Kind nach dem Heimatrecht des Kindes zu beurteilen, so wäre es unsinnig, die Haftung des Gewalthabers wegen fehlerhafter oder mißbräuchlicher Ausübung seiner Gewalt nicht nach demselben Recht, sondern etwa nach dem Heimatrecht des Gewalthabers zu beurteilen, unbeschadet dessen, daß Gegenmaßnahmen in Gestalt der Entziehung der elterlichen Gewalt auch vom Staat des gewöhnlichen Aufenthalts nach seinem Recht getroffen werden dürfen. 1 4 4 Vgl. Art. 11 E G B G B . 1 4 5 Vgl. Art. 7 E G B G B . 1 4 S a Weitere Hinweise auf das positive Recht der Bundesrepublik vgl. Anm. 4 , 6 , 16,22, 24,28, 39, 41, 48, 51, 67, 69, 74, 79, 83, 84, 97, 102 zu § 19, und Anm. 3, 6, 7, 8, 9, 14, 28, 34, 51, 53, 58, 59, 68, 84,95, 99, 100,105,116,122,131 zu § 20. S. ferner Staudinger- (Firsching), I b, S. 230ff. 1 4 6 Zwingende Bestimmungen, die sonst dem gesetzlichen Geschäftsstatut zu entnehmen wären, werden durch die Wahl eines ausländischen Rechts unanwendbar: B G H , IPRsp 1960 —61, Nr. 39. Das BAG, IPRsp 1966—67, Nr. 50 b, will auch auf den Arbeitsvertrag das durch ausdrückliche Rechtswahl ermittelte Recht anwenden, und bei Wahl ausländischen Rechts zwingende Bestimmungen deutschen Rechts auch bei Beschäftigung innerhalb Deutschlands nur über Art. 30 E G B G B (richtigerweise: über eine Sonderanknüpfung) zur Anwendung bringen, vgl. Anm. 172. 1 4 7 Vgl. § 10 des Bundesgesetzes vom 9. 12.1976. 1 4 8 Vgl. B G H , IPRsp 1970, Nr. 10. 1 4 9 Vgl. dazu B G H , IPRsp 1971, Nr. 133. 1 5 0 Vgl. B G H , IPRsp 1 9 6 8 - 6 9 , Nr. 26. 1 5 1 Der hypothetische Parteiwille als Weg zur Bestimmung des auf gegenseitige Verträge anwendbaren Rechts taucht deutlich erstmalig auf in R G Z 73, 739. Mit Hilfe des hypothetischen Parteiwillens wird auch das Recht ermittelt, nach dem etwaige Ansprüche zu beurteilen sind, die sich aus dem NichtZustandekommen des Vertrages ergeben, vgl. B G H , IPRsp 1966 — 67, Nr. 28. 1 5 2 B G H , IPRsp 1971, Nr. 133, will das Geschäftsstatut vermittels des hypothetischen Parteiwillens ermitteln. Dabei werde „der hypothetische Parteiwille nicht durch die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten bestimmt. Es handelt sich vielmehr darum, die Interessen der Beteiligten auf objektiver Grundlage abzuwägen und zu ermitteln, ob der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses objektiv auf eine bestimmte Rechtsordnung für das ganze Vertragsverhältnis hinweist". Vgl. auch BAG, IPRsp 1975, Nr. 30 b. Mangels Revisibilität der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens durch die Instanzgerichte ist es bisher nicht zu einer gewohnheitsrechtlichen Fixierung des Gewichts der einzelnen Verknüpfungen bzw. typischer Verknüpfungskombinationen gekommen. Eine detaillierte Darstellung der deutschen Rechtsprechung zum Vertragsstatut unter Hervorhebung der verwendeten Argumente und Scheinargumente bei Hartmann, Das Vertragsstatut in der deutschen Rechtsprechung seit 1945, Diss. Freiburg, 1972. 1 5 3 Der B G H deutet die Rechtsprechung des Reichsgerichts dahin, daß das Schuldstatut in erster Linie durch den ausdrücklichen oder stillschweigenden Parteiwillen, subsidiär durch den hypothetischen Parteiwillen, und ganz subsidiär durch den Erfüllungsort bestimmt werde, und will sie fortführen. B G H , IPRsp 1 9 5 2 - 5 3 , Nr. 40, und IPRsp 1 9 5 4 - 5 5 , Nr. 57, hält daran fest, daß mangels eines durch hypothetische Rechtswahl ermittelten Geschäftsstatuts für den gegenseitigen Vertrag die Verpflichtungen einer jeden Partei sich nach dem Recht ihres Erfüllungsortes richten. Wo dieser Erfüllungsort ist, soll in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts nach deutschem materiellen Recht zu bestimmen sein (RGZ 95, 164). Auch für die „Pflicht" des Käufers zur Mängelrüge soll sein Wohnsitzrecht maßgebend sein (RGZ 81, 273). Werden die Verpflichtungen der Parteien aus einem gegenseitigen Vertrag nach verschiedenen Rechten beurteilt, so sind auch die Folgen des Verzuges, je nachdem sie sich auf die Verpflichtungen der einen oder der anderen Partei auswirken, nach verschiedenen Rechten zu beurteilen: R G Z 55,218. 142
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Anmerkungen zu S. 5 9 5 - 5 9 6 Vgl. B G H , I P R s p 1971, N r . 33. Vgl. B A G , I P R s p 1975, N r . 30 b. D i e Annahme des B G H , I P R s p 1970, N r . 17, bei Vereinbarung deutschen Geschäftsstatuts sei bezüglich der F o r m eine Gesamtverweisung auf die deutsche Kollisionsnorm Geschäftsinhalt geworden und damit das Recht des Errichtungsortes alternativ anwendbar, ist wohl als Widerspruch z u der späteren Entscheidung I P R s p 1971, N r . 11 ( A n m . 160), zu ignorieren. B G H , I P R s p 1 9 5 8 - 5 9 , N r . 3 7 ; N r . 39; 1 9 6 0 - 6 1 , N r . 23. D i e Folgen einer Nichtbeachtung von Formvorschriften richten sich nach dem Formstatut, bei alternativer Anwendbarkeit mehrerer Forumstaaten nach dem der Gültigkeit (oder der vorläufigen Gültigkeit) günstigeren Formstatut, vgl. R G Z 1 3 3 , 1 6 1 . Ist die Geschäftsart, für die das deutsche Geschäftsstatut eine qualifizierte F o r m erfordert, dem Errichtungsland unbekannt, s o genügt die f o r m l o s e Errichtung gemäß der subsidiären Regelung in der lex loci actus nicht, vgl. R G Z 160, 225. Ist der Gegenstand des Geschäfts dem Recht des Errichtungsortes unbekannt, so kann die Verwendung einer F o r m des Rechts des Errichtungsortes genügen, wenn sie der von der lex causae erforderten F o r m gleichwertig, oder gar durch Staatsvertrag als gleichwertig erklärt w o r d e n ist, K G , I P R s p 1928, N r . 126. Als Vertragsabschlußort hat nach Ansicht des R G der O r t zu gelten, w o die letzte zur B i n d u n g beider Parteien erforderliche Erklärung zu erfolgen hat und erfolgt ist: R G Z 62, 379. Verlangt der Lagestaat nicht, daß der Kaufvertrag über inländische G r u n d s t ü c k e allen zwingenden Bestimmungen dieses Rechts unterstellt wird, sondern läßt er die Wahl eines ausländischen Geschäftsstatuts zu, s o kann er doch Errichtung des Kaufvertrages in der qualifizierten F o r m des Lagerechts, b z w . der äquivalenten F o r m des Geschäftserrichtungsortes verlangen. D a s Verlangen kann indirekt gestellt werden, indem bei der U m s c h r e i b u n g des Eigentumsübergangs auch die Vorlage des obligatorischen Kaufvertrages in qualifizierter F o r m gefordert wird. Zeitweise ist § 313 B G B in diesem Sinne v o m Reichsgericht verstanden worden, mit der Folge, daß Kaufverträge über a u s l ä n d i s c h e Grundstücke, wenn nicht das ausländische Geschäftsstatut öffendiche B e u r k u n d u n g erfordert, in Deutschland n i c h t in der F o r m des § 313 B G B errichtet zu werden brauchten. N a c h B G H , I P R s p 1 9 6 8 - 6 9 , N r . 24, u n d I P R s p 1970, N r . 10, soll aber § 313 B G B ohne Rücksicht auf die ausländische Belegenheit des G r u n d s t ü c k s anwendbar sein, wenn der Vertrag in Deutschland errichtet und deutsches Recht zugleich Geschäftsstatut ist. E r soll auch bei Errichtung des Kaufvertrages im Ausland anwendbar sein, wenn deutsches Recht anstelle eines ausländischen gesetzlichen Geschäftsstatuts ausdrücklich oder stillschweigend z u m Vertragsstatut gewählt w o r d e n ist, vgl. I P R s p 1971, N r . 11. B G H , I P R s p 1971, N r . 11. Vgl. d a z u oben S. 557, A n m . 28. 1 6 2 Vgl. dazu A n m . 158. Vgl. A r t 7 (1) und 2 7 E G B G B . D i e B e s t i m m u n g wird analog angewendet, wenn der ständige Aufenthalt aus einem anderen Teilgebiet des „deutschen" Rechts nach Westdeutschland verlegt wird, vgl. B V e r f G E , 5 , 1 7 . Ermöglicht die beschränkte Geschäftsfähigkeit einer nicht voll geschäftsfähigen Person ihr einzelne Geschäfte in größerem U m f a n g als nach deutschem Recht, s o wird beim E r w e r b der deutschen Staatsangehörigkeit diese beschränkte Geschäftsfähigkeit nicht in ihrem bisherigen U m f a n g aufrecht erhalten. D i e in der Literatur vertretene gegenteilige Meinung erscheint besonders dann unhaltbar, wenn damit volle Geschäftsfähigkeit nach einem Statutenwechsel entgegen dem Standpunkt des neuen u n d des früheren Heimatstaates anzunehmen wäre. Vgl. R G Z 80, 262. D e r ausländische Entmündigungsakt bedarf keiner förmlichen Anerkennungsentscheidung. Vgl. Art. 8 E G B G B . Vgl. B G H , I P R s p 1 9 5 4 - 5 5 , N r . 4. D i e Ansicht, daß das nach Art. 19 (bzw. Art. 21) E G B G B maßgebliche Recht für die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und K i n d als solches die elterliche Vertretungsmacht gegebenenfalls in Abweichung v o m Heimatrecht des Kindes regele, ist heute um s o weniger haltbar, als nach dem H a a g e r Minderjährigenschutzabkommen jedenfalls für Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat die alleinige Maßgeblichkeit des Heimatrechts des Kindes über das Bestehen eines gesetzlichen Gewaltverhältnisses zweifelsfrei anzunehmen ist, vgl, B a y O b L G , I P R s p 1973, N r . 71. E s wäre unsinnig, nur f ü r Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der Vertrags-
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§20
Staaten anzunehmen, daß sich hier die gesetzliche Vertretung durch die Eltern nach dem Heimatrecht des Vaters bezw. der Mutter richtet. 1 6 9 Vgl. S. 461 ff. 1 7 0 Vgl. S. 515". 1 7 1 Vgl. Art. 23 EGBGB. 1 7 1 a Vgl.§47FGG. 1 7 2 BGH, IPRsp 1973, Nr. 30, geht davon aus, daß die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des Arbeitsvermittlungsgesetzes sich sowohl auf Arbeitsvermitdung für eine Beschäftigung im Ausland, als auch auf Anwerbung im Ausland für Beschäftigung im Inland beziehen wollen, und daß die dagegen verstoßenden Verträge nach § 134 BGB als nichtig zu behandeln sind, auch wenn die Parteien das Vertrags Verhältnis einem ausländischen Recht unterstellt haben. Der im Güterkraftverkehrsgesetz zwingend vorgeschriebene (Mindest)Frachtlohn ist unabdingbarer Bestandteil für alle Beförderungen auf inländischen Straßen, auch wenn ein ausländisches Recht Geschäftsstatut ist. Zugleich ist zur Vermeidung der Umgehung dieser Bestimmungen bei grenzüberschreitenden Transporten erforderlich, daß für den ausländischen Streckenanteil, soweit hierfür nicht der fremde Staat selbst Vorschriften aufstellt, ein „angemessenes Entgelt" in Ansatz gebracht wird, vgl. BGH, IPRsp 1971, Nr. 25. Auch bei ausländischem Geschäftsstatut für einen Dienstvertrag ist eine Kündigung seitens des Arbeitgebers ohne Einschaltung des Betriebsrates bei Beschäftigung in einem deutschen Betrieb unwirksam, vgl. BAG, N J W 1978,1124. Die Uneinklagbarkeit von Spielschulden gilt bei Beteiligung einer Person mit deutschem Wohnsitz, auch wenn Geschäftsstatut ein ausländisches Recht ist, vgl. BGH, JZ 1978, 802. Falsch (und unnötig) war es, den Vorrang der sonderangeknüpften deutschen Rechtssätze vor dem Geschäftsstatut erst durch Heranziehung der negativen ordre public-Klausel zu bestätigen, vgl. dazu J Z 1979,175. Als RG, IPRsp 1931, Nr. 7, trotz Vereinbarung holländischen Rechts als Geschäftsstatut für einen Abzahlungskauf eine zwingende Vorschrift des deutschen Abzahlungsgesetzes anwendete, wurde dies nur darauf gestützt, daß die abweichenden Bestimmungen des niederländischen Rechts gegen den deutschen ordre public verstoßen. Keine Sonderanknüpfung hat die Rechtsprechung seinerzeit bezüglich der deutschen Aufwertungsgesetzgebung angenommen. Das Geschäftsstatut sollte entscheiden, ob Entwertung der im Vertrag für die vertraglichen Leistungen vorgesehenen ausländischen Währung zu einer Modifikation der Geschäftsbedingungen führt (clausula rebus sie stantibus), oder ob nach der Treu und Glaubenklausel in solchen Fällen ein Anspruch auf Nachzahlung der „aufgewerteten" Schuld besteht, vgl. RGZ 141, 212. Forderungen in ausländischer Währung unter deutschem Schuldstatut wurden, da sich die deutsche Aufwertungsgesetzgebung auf Markschulden beschränkte, „frei" aufgewertet, sofern auch die ausländische Währung, ähnlich wie die Mark, besonders stark entwertet war, RG, IPRsp 1928, Nr. 75. RG, IPRsp 1928, Nr. 11, beurteilt die Frage der Aufwertung einer Markschuld nach dem Schuldstatut und sieht in dem Fehlen der Aufwertung von Markschulden unter einem ausländischen Recht keinen Verstoß gegen den deutschen ordre public. Über Währungsumstellung vgl. Anm. 46 zu S. 320. 1 7 3 Nur bezüglich des Zustandekommens einer Einigung durch Schweigen hat sich der BGH auf den Standpunkt gestellt, daß hier dem Wohnsitzrecht der schweigenden Partei eine vorrangige Bedeutung vor dem Geschäftsstatut zukomme, vgl. oben Anm. 7 auf S. 984. 1 7 4 Vgl. BGH, IZRsp 1 9 6 4 - 6 5 , Nr. 68. 1 7 5 Wird die Erfüllung an dem vorgesehenen Erfüllungsort durch die dortigen Gesetzgeber unmöglich, so kann an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsortes unter deutschem Recht als dem Geschäftsstatut ein anderer Erfüllungsort in einem anderen Land treten, wenn dies dem Vertragszweck entspricht: RGZ 107,122; OLG Celle, IPRsp 1952 - 53, Nr. 24. 1 7 6 Den von demselben Staat, welcher das Geschäftsstatut stellt, (oft erst nach Vertragsschluß) erlassenen Verboten der Erbringung der Erfüllungsleistung soll nicht durch Annahme der Ungültigkeit des Vertrages, bzw. Annahme der Unmöglichkeit der Leistung, eine erzwingende Anwendung zuteil werden, wenn mit der ausländischen Bestimmung die Interessen des fremden Staates auf Kosten deutscher Interessen gefördert werden sollen; eine Realisierung solcher Gesetze auf dem Gebiet des Urheberstaates wird hingegen als Faktum berücksichtigt; so grundsätzlich für ausländische Devisengesetze BGH, IZRsp 1964 — 65, Nr. 68. Devisenrechtliche Vorschriften des
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ausländischen Schuldstatuts, die nicht das Staatsinteresse des Urheberstaates auf Kosten deutscher Interessen fördern wollen, waren allerdings schon vom Reichsgericht nicht über Art. 30 E G B G B von der Anwendung ausgeschlossen worden, vgl. IPRsp 1930, Nr. 15. Ist im Forumstaat das Geschäftsstatut mit solchen devisenrechtlichen Bestimmungen nicht anwendbar, welche die vom Gläubiger auf Grund des Vertrages verlangte Zahlung als unzulässig erscheinen lassen, so will der B G H bei Vorhandensein von Vermögen des Schuldners im Forumstaat den Schuldner dort zur Zahlung verurteilen, vgl. B G H , IZRsp 1964 — 65, Nr. 68. Richtiger wäre es, wenn das Urteil die Zulässigkeit der Befriedigung des Gläubigers durch Zwangsvollstrekkung im Forumstaat feststellen würde. Vgl. insbesondere die Entscheidungen B G H Z 34, 169, und B G H , N J W 1962, 1436 (Akte zur Umgehung oder zur Verletzung der Vorschriften des amerikanischen Rechts über die Nichtbelieferung der Sowjetländer mit strategisch wichtigen Gütern sind in Westdeutschland „sittenwidrig"). Vgl. dazu oben Anm. 99. Schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts über die Sittenwidrigkeit von Verträgen, die die Verletzung der verschiedenen Arten ausländischer Einfuhrverbote zum Gegenstand haben, war widerspruchsvoll, vgl. IPRsp 1926 — 27, Nr. 15, 16, 17. Das Reichsgericht erfaßte mit § 138 BGB überdies auch solche Verträge, die eine Verletzung ausländischer Einfuhrverbote nur auf dem Gebiet eines anderen Staates vorbereiteten, vgl. RG, IPRsp 1928, N r . 20. Ist der Vertragsinhalt, ohne daß mit der Strafbarkeit der Vertragserfüllung oder des Vertragsabschlusses unter irgendeinem Recht zu rechnen ist, nach deutschen Auffassungen sittenwidrig, so fällt der ausländische Rechtssatz, auf Grund dessen die Sittenwidrigkeit im Geschäftsstatut verneint wird, schon oft als krasse Abweichung vom deutschen Recht der negativen ordre publicKlausel zum Opfer. Keineswegs ist dies jedoch immer so, insbesondere wenn die „Auswirkungen" des unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit bedenklichen Vertrages vorwiegend im Ausland erfolgen. Ist auf eine Wettbewerbshandlung, die sich auf den Absatz auf einem ausländischen Markt bezieht, im Verhältnis zwischen deutschen Kaufleuten das deutsche Recht über unlauteren Wettbewerb anwendbar, so soll der wettbewerbsrechtlich bedenkliche „Schmiergeldervertrag" auch im Verhältnis zwischen den beteiligten Parteien von § 138 B G B erfaßt werden, nicht aber, wenn die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des deutschen Wettbewerbsrechts auf ausländischem Markt, nämlich das Fehlen ausländischer Konkurrenten, entfällt: B G H , IPRsp 1968 — 69, N r . 170. Von Art. 4 litt. b. und Art. 60 des Vertrages über die Montanunion nimmt B G H , IPRsp 1958 — 59, Nr. 181, an, daß diese Vorschrift selbst eine Nichtigkeit der gegen jene Bestimmungen verstoßenden Verträge nicht vorsehe. Zu der im Abkommen von Bretton Woods (vgl. Anm. 122) vorgesehenen Unklagbarkeit von Verträgen, die gegen devisenrechtliche Vorschriften der Signatarstaaten verstoßen, vgl. B G H , IPRsp 1970, Nr. 100, 101, 102; 1971, Nr. 116 b. Art. VIII, sec. 2 (b) des Bretton Woods-Abkommens bezieht sich nach Ansicht des englischen Court of Appeal nur auf Transaktionen über Zahlungsmittel und Forderungen in den verschiedenen Währungen der Vertragsstaaten, nicht aber z. B. auf devisenrechtliche Beschränkungen der Begründung von Geldleistungsverpflichtungen in Kaufverträgen: Wilson etc. v. Terruzzi, [1976] 1 All E. R. 817. Weitere Rechtsprechung der Vertragsstaaten zum Bretton Woods-Abkommen bei Gold, The Fund Agreement in the Courts, pts I-VII, 1962; pts V I I I - X I , 1976. Vgl. oben Anm. 34. Vgl. S. 182, Anm. 6.
§ 21. Das internationale Privatrecht der Eheschließung und der persönlichen Ehewirkungen 1
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Als „Konkubinat" bezeichnet wird meist ein bewußt als Nichtrechtsverhältnis gewolltes Zusammenleben, welches dem entspricht, daß andere „Verhältnisse" ausdrücklich „unter Ausschluß des Rechtsweges" einverständlich begründet werden, vgl. S. 519. Das gilt insbesondere für die in einigen amerikanischen Gliedstaaten noch möglichen „common law-Ehen", die als Rechtsehen dieselben Wirkungen haben wie die vor dem Standesbeamten oder
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einem Geistlichen geschlossenen Ehen, vgl. S. 606, Anm. 29. In Kuba muß eine besondere gerichtliche Feststellung des Bestehens einer formlos begründeten und geführten Ehe erfolgen, ehe Ansprüche aus der Ehe eingeklagt werden können. In England wird neuerdings das echte Konkubinat als common law marriage bezeichnet. Der südaustralische Family Relations Act 1975, sec. 11, ermöglicht die gerichtliche Feststellung, daß jemand „putative spouse" eines anderen ist, nach fünfjährigem faktischen Zusammenleben, oder wenn aus einem faktischen Zusammenleben von kürzerer Dauer ein Kind hervorgegangen ist. Wo, wie in Brasilien, das Konkubinat Rechtswirkungen nach sich zieht, kann auch auf Feststellung geklagt werden, daß ein solches Verhältnis innerhalb bestimmter Zeit bestanden hat, vgl. Trib. Civ. SSo Paulo, Rev. Trib. 66 (1977) 72. Der Ontario Family Reform Act 1978 erstreckt die Anwendbarkeit seiner Bestimmungen über die — weitgehend vom richterlichen Ermessen abhängige — Unterhalts- (Beitrags)pflicht zwischen Ehegatten auch auf faktische Ehen, die fünf Jahre lang bestanden haben, oder aus denen ein Kind hervorgegangen ist; eine Klage auf Unterhalt setzt in beiden Fällen voraus, daß Zusammenleben in dem der Klage vorausgehenden Jahr erwiesen werden kann. Der Anwendungsbereich der Vorschriften ist im Gesetz nicht klar geregelt. 6 So zeitweise im Recht von Portugal. So z. B. Bolivien. Mehrere Arten von Rechtsehen gibt es in zahlreichen insbesondere aus englischen Kolonien hervorgegangenen afrikanischen Ländern, wo neben der vor dem Standesbeamten oder einem christlichen Geistlichen zu schließenden Ehe (mit Rechtswirkungen nach dem Vorbild des europäischen Rechts) auch eheliche Verbindungen unter dem Stammesrecht als rechtsgültig anerkannt werden. In einigen Ländern kann trotz Vereinheitlichung des Eherechts in anderen Punkten eine Ehe nach Wahl der Parteien als monogame oder polygame Ehe geschlossen werden. Wenn in Südafrika von den Verbindungen gemäß Stammesrecht erklärt wird, daß sie keine „Ehen" seien, so soll mit dieser normierten Terminologie nur erreicht werden, daß bestimmte Verfahrensarten oder bestimmte materiellrechtliche Nachwirkungen nur bei Ehen des europäischen Rechts, nicht aber bei Ehen des Stammesrechts zugelassen werden. Eine noch nicht aufgelöste eheartige Verbindung des Stammesrechts ist aber meist ein Ehehindernis für eine Ehe des europäischen Rechts mit einer anderen Person. Weitere Komplikationen entstehen dadurch, daß Ehen nicht selten sowohl in der Form des Stammesrechts, als auch in der des europäischen Rechts geschlossen werden, sowie daraus, daß registrierte stammesrechdiche Ehen andere Wirkungen und Nachwirkungen hervorrufen als nichtregistrierte stammesrechdiche Ehen. Uber die unterschiedlichen Lösungen in den verschiedenen Rechtsgebieten von Südafrika vgl. Maqutu, 12 Comp. Int. L.J.S.A. (1979) 176ff. So hat lange Zeit das englische Recht — während auch einer vom englischen Recht z. B. bezüglich der Scheidbarkeit stark abweichend geregelten Einehe eines ausländischen Rechts die Anerkennung als Ehe nicht versagt wurde — Ansprüche aus polygamen Ehen, die gemäß dem Recht britischer Kolonien oder anderer Staaten absolut gültig waren, jeden Rechtsschutz durch englische Gerichte in England versagt; es wurde dies auch auf nur potentiell polygame Ehen unter nichtenglischem Recht erstreckt; vgl. ferner Anm. 39. Im interreligiösen Recht und bei anderen Arten des intergentilen Rechts wird unter Umständen die Wahl des einen oder des anderen Gruppenrechts für Mischehen zugelassen, so z. B. in Zypern. So zeitweise die österreichische Rechtsprechung, welche auf Auslandsehen von Österreichern dann nicht die gültigkeitshemmenden Bestimmungen des österreichischen Rechts anwendete, wenn die Eheleute nicht beabsichtigten, ihren ehelichen Wohnsitz in Österreich zu nehmen. Der Ehe wurden dann Nachwirkungen unter österreichischem Recht (z. B. Legitimität der Kinder) nicht versagt, ja sie wurden sogar bei späterer Wohnsitzbegründung in Österreich dort als gültige Ehen fortgeführt, vgl. Walker, Internationales Privatrecht, 1934, S. 622 ff. Für das englische internationale Privatrecht haben einzelne Autoren und Entscheidungen sowohl bezüglich der Ehevoraussetzungen, als auch bezüglich der Ehewirkungen auf das bei der Eheschließung begründete erste eheliche Domizil abstellen wollen; es sollte vermutet werden, daß das bestehende Domizil des Mannes auch das erste eheliche Domizil darstellt. Rechtsprechung und Literatur haben diesen Standpunkt heute aufgegeben, vgl. Dicey-Morris, S. 260 ff. Das ist vielleicht einer der Gründe dafür, daß eine andere Meinung das Geschäftsstatut der Ehe grundsätzlich im Recht des Eheschließungsortes sehen will. Zugunsten dieser Auffassung mag es gewirkt haben, daß im internationalen Privatrecht zahlreicher Länder das Recht des Vertragsabschlußortes als subsidiäres gesetzliches Geschäftsstatut für alle Verträge gilt, vgl. Anm. 59 zu S.
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Anmerkungen zu S. 600-602
538. Der argentinische Vorentwurf für ein internationales Privatrecht von 1974 will alle Fragen der Ehegültigkeit grundsätzlich dem Recht des Eheschließungsortes überlassen. Gültigkeitshemmende Sätze in diesem Recht sollen am argentinischen ordre public eine Schranke finden, während Art. 22 die vom argentinischen ordre public unbedingt geforderten Ehehindernisse selbst abschließend aufzählt. Das Ehehindernis der fehlenden Zustimmung der Eltern, oder das Ehehindernis des fehlenden Ehealters werden in Ländern des englischen Rechts manchmal nur bei Eheschließung im Urheberstaat der betreffenden Bestimmungen beachtet, während auf die sonstigen Ehevoraussetzungen das Domizilrecht angewendet wird, vgl. Indergit Singh vs. Jinder Pal, [1975] 2 Mal. L. J. 259. Der Gedanke, daß eine Ehe nur zustande kommt, wenn sie vom Standpunkt zweier Staaten, und damit unter Beachtung der vom internationalen Privatrecht jedes dieser Staaten bezeichneten Rechte gültig ist, ist gelegentlich sogar im positiven Recht anzutreffen, vgl. über das internationale Privatrecht von Tanzania F a m R Z 1971, 550. Erfordert ein Staat, damit seine Standesbeamten an einer Eheschließung mitwirken dürfen, das Vorliegen aller Gültigkeitsbedingungen auch nach dem „Heimatrech t" eines Ausländers, und zwar so, daß es durch ein Ehefähigkeitszeugnis des Heimatstaates bestätigt wird, und will der fremde Staat sein eigenes Recht nicht als maßgebend betrachten, sondern das Recht eines anderen Staates, so wird er es vielfach schon ablehnen, ein Ehefähigkeitszeugnis unter Zugrundelegung des Rechtes dieses anderen Staates auszustellen. Das Erfordernis des Ehefähigkeitszeugnisses im Eheschließungsland würde auf diese Weise zu einem neuen selbständigen Ehehindernis werden, wenn nicht der Eheschließungsstaat die Möglichkeit einer Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses gerade in einem solchen Fall vorsehen würde. Dann ist bei der Erteilung der Befreiung im Eheschließungsland so zu verfahren, wie im Heimatstaat des Ausländers bei der Prüfung der Ehevoraussetzungen durch den dortigen Standesbeamten zu verfahren gewesen wäre. Es ist also, wenn das internationale Privatrecht des Heimatstaates seinerseits z. B. auf das Wohnsitzrecht verweist, und dieses selbst wiederum nicht anwendungswillig ist, zu prüfen, welche Lösung der Heimatstaat für diese Situation vorsieht. Muß nicht schon auf Grund einer ausdrücklichen positivrechtlichen Bestimmung jede Verweisung auf ausländisches Recht im Forumstaat als eine von der Anwendungswilligkeit des berufenen Rechts bedingte Verweisung verstanden werden, so ist vor allem zu beachten, ob das fremde Recht ein in seinem Recht bestehendes Ehehindernis durch eine spezialrechtliche Vorschrift als einseitiges Ehehindernis ausgestaltet hat (vgl. unten Anm. 15), und welche Behörden vom Standpunkt des fremden Staates zur Erteilung des Dispenses von einem durch sein anwendungswilliges Recht aufgestellten Ehehindernis als zuständig gelten. Eine Regelung des Erfordernisses des Ehefähigkeitszeugnisses in dem Sinne, daß der Heimatstaat ein vom Wohnsitzstaat unter Anwendung des Wohnsitzrechts ausgestelltes Zeugnis als maßgeblich anerkennt, und daß beide Zeugnisse im dritten Eheschließungsland vorzulegen wären, wäre zwar im Sinne der Gesamtverweisungslehre konsequent, findet sich aber nirgendwo im positiven Recht. Soll im Eheschließungsland auf die Ehehemmnisse auch das gar nicht anwendungswillige Heimatrecht zur Anwendung gebracht werden, und wird ein Ehefähigkeitszeugnis des Heimatstaates verlangt, kann das Erfordernis eines Ehefähigkeitszeugnisses des Heimatstaates so wirken, wie wenn eine Eheerlaubnis durch den Heimatstaat zu erteilen wäre, vgl. dazu Miele, II Matrimonio dello straniero in Italia, 1972. In Italien kann das Ehefähigkeitszeugnis des Heimatstaates von Ausländern dadurch ersetzt werden, daß bestimmte Personen in einer notariellen Urkunde bezeugen, daß nach ihrer Kenntnis bei Anwendung des Heimatrechts Ehefähigkeit gegeben ist; eine Befreiung von der Beibringung des Zeugnisses unter Prüfung der Rechtslage durch eine italienische Behörde ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch die Regeln des anderen Staates über die internationale Zuständigkeit von Staatsorganen, um von einem durch das ausländische Recht aufgestellten Ehehindernis Dispens zu erteilen, sind dabei zu beachten, vgl. S. 166 f. Abzulehnen ist es, wenn ohne Prüfung, ob das Heimatrecht, welches ein dispensables Ehehindernis vorsieht, ausländische Behörden zur Dispenserteilung als zuständig betrachtet, eine solche Zuständigkeit auf Grund Wohnsitzes im Eheschließungsland bejaht wird; so allerdings Arr. Rb. Rotterdam, N e d . Jur. 1978, N r . 222. Der einem eigenen Staatsangehörigen unter Anwendung inländischen Rechts im Eheschließungsland erteilte Dispens macht die Dispenserteilung durch den anderen Heimatstaat für das gleiche Ehehindernis im ausländischen Recht nicht entbehrlich. Vgl. auch das Abkommen vom 10.9. 1964.
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Selbst von einer Bestimmung, welche zur Eheschließung angesichts einer bestimmten Eigenschaft eines der Eheschließenden die Genehmigung einer Behörde des Heimatstaates erfordert, kann nicht gesagt werden, daß sie sich notwendig nur auf eigene Staatsangehörige des Staates bezieht, der eine solche Bestimmung erläßt. Auf Verwandtschaft und Schwägerschaft beruhende Ehehindernisse sind notwendig „zweiseitige" Ehehindernisse. Obwohl das Erfordernis eines bestimmten Alters im allgemeinen auch vom Heimatrecht des Ausländers selbst zum Gegenstand einer Regelung gemacht wird, kann ein Staat doch seinen eigenen Staatsangehörigen durchaus mit Grund auch die Eheschließung mit solchen Ausländern unmöglich machen wollen, die das von ihm vorgesehene Alter noch nicht erreicht haben. Erfordert die Eheschließung einer Person, die das Ehefähigkeitsalter erreicht hat, nach dem Heimatrecht der anderen Partei bis zu einem bestimmten weiteren Lebensalter die Zustimmung der Eltern, so könnte dieser Satz auch für Ausländer als anwendbar betrachtet werden, selbst wenn nach seinem eigenen Heimatrecht eine Zustimmung der Eltern nicht erforderlich ist. Das Heimatrecht des anderen Teils kann aber die Anwendung seiner diesbezüglichen Bestimmung etwa auf diejenigen Fälle beschränken, w o die Eltern des Ausländers selbst Staatsangehörige in diesem Staat sind, oder ihren Wohnsitz in dem Heimatstaat des anderen Verlobten haben. Betrachtet ein Land die nach den Vorschriften der Religion, die in diesem Land Staatsreligion ist, eheunfähigen Geistlichen als an der Ehe gehindert, so besteht kein Grund, dies auf Geistliche mit der eigenen Staatsangehörigkeit zu beschränken. Ehehindernisse für „Beamte" können sich ebenfalls durchaus auch auf Beamte im Dienst eines ausländischen Staates beziehen wollen, obwohl der Dispens von dem Staat erteilt werden würde, welcher Urheberstaat der Bestimmung ist. 1 6 Vgl. S. 190. Ordnet das positive Recht das Gegenteil an, wie das Haager Eheschließungsabkommen von 1977 und das englische Recht, so sollte wenigstens geprüft werden, ob die Parteien der neuen Ehe nicht doch ihren Wohnsitz in dem Land nehmen wollen, w o die Scheidung der ersten Ehe und die volle Gültigkeit der neuen Ehe nicht anerkannt werden. Könnte nach dem Recht des Eheschließungsortes von dem Ehehindernis der Vorehe dispensiert werden (wie zeitweise im österreichischen oder nach israelisch-jüdischem Recht), so würde der im Eheschließungsland erteilte Dispens weder die Beachtung des nichtdispensablen Ehehindernisses in einem ausländischen Heimatrecht der Beteiligten unnötig machen, noch die Erteilung eines weiteren Dispenses im Heimatstaat, wenn auch dieser das Ehehindernis als dispensabel betrachtet, aber seine Behörden als allein zuständig ansieht. 1 7 Ein analoges Problem stellt sich bei der Vorfrage nach dem Bestehen eines Adoptionsverhältnisses: Ist ein Adoptiwerwandtschaftsverhältnis nach den zur Anwendung berufenen Personalstatuten beider Teile ein Ehehindernis, und wird es nach dem einen Recht auch durch Nichtigerklärung der Adoption oder Aufhebung des Adoptionsverhältnisses nicht beseitigt, während es nach dem anderen Recht mit der Aufhebung hinfällig geworden ist, so kann die Ehe nicht Zustandekommen. Ist das Ehehindernis zwischen Adoptivgeschwistern nach dem einen Recht endgültig, während nach dem anderen Recht ein Dispens erteilt werden kann (oder das Hindernis dort gar nicht besteht), so kann ebenfalls die Ehe nicht geschlossen werden. Nicht anders kann es sein, wenn beide Rechte zwar den Wegfall des Ehehindernisses durch Aufhebung der Adoption kennen, aber das Adoptionsverhältnis nur vom Standpunkt des einen Rechts her als gelöst gilt. Als krasse Abweichung von der lex fori kann es möglicherweise aufgefaßt werden, daß ein ausländisches Recht im Gegensatz zur lex fori überhaupt keine Ehescheidung kennt, oder daß es die Ehescheidung den Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften vorbehält. Dann kann auch das Land, wo die Vorehe eines Inländers oder Ausländers rechtswirksam geschieden worden ist, das vom Heimatstaat einer ausländischen Partei herrührende Ehehindernis der Vorehe ignorieren, vgl. S. 80, Anm. 63. Aber a"uch eine in einem dritten Land erfolgte Scheidung wäre dann auf dem Wege über die ordre public-KIausel beachtlich. 1 7 a Vgl. Old Republic Ins. vs. Christian, 389 F. Supp. 335; Estate of Storer, 544 P. 2d 95, sowie Wisconsin Stat. 245. 24. 1 8 Eine extreme Fassung dieser Regelung würde dahingehen, daß der Standesbeamte an keiner Eheschließung mitwirken darf, die nicht in allen Staaten, oder jedenfalls nicht in allen verknüpften Staaten, zu einer vollgültigen Ehe führt. 1 9 Einseitig sonderangeknüpfte einzelne spezialrechtliche Ehehindernisse, die nicht von den im Forumstaat berufenen Personalstatuten der Eheschließenden herrühren, sondern von einem dritten Staat — z. B. wenn Genehmigungsbedürftigkeit der Ehen eigener Staatsangehöriger mit Ausländern durch den Staat vorgesehen wird, der die Ehefähigkeit im übrigen, wie der Forumstaat, nach dem 15
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Wohnsitzrecht beurteilen will —, sind höchstens bei Gegenseitigkeit durch den Standesbeamten zu beachten, vgl. S. 535. Es ist dann das im Forumstaat zunächst berufene Recht schließlich doch gegen seinen Willen zur Anwendung zu bringen vgl. S. 212f. In diesem Sinne lange Zeit das englische Recht bezüglich der polygamen Ehen, vgl. Dicey-Morris, S. 290 ff. Anders nur, wenn auch die Nichtauflösbarkeit einer rechtsgültigen Ehe zum ordre public des Forumstaates gerechnet w i r d : Wird eine als Ehe des kanonischen Rechts geschlossene Ehe im Heimatstaat eines der Ehegatten wegen Unterschiedlichkeit der Staatsangehörigkeit oder der Rasse als nichtig erklärt, so ist die Ehe in einem Lande, w o die Anwendung des kanonischen Rechts zum ordre public gehört, als weiterbestehend zu behandeln. Ein Grundrecht oder Menschenrecht auf „freie Wahl des Ehepartners" bedeutet nicht, daß schon im Inlandsrecht alle Ehehindernisse „im Zweifel" als grundrechtswidrig zu behandeln sind, und daß dies auch bei der Handhabung der ordre public-Klausel zu berücksichtigen sei, vgl. BVerfGE 31, 58. Wird die in Deutschland unter Ignorierung eines im ausländischen Recht vorgesehenen Ehehindernisses geschlossene Ehe im Ausland durch ein Gericht als nichtig erklärt, so ist die Entscheidung in Deutschland anzuerkennen, es sei denn, daß sie „zum Nachteil" einer deutschen Partei ergangen ist, vgl. S. 398, Anm. 278. Aber auch bei anfänglicher Nichtanerkennung des Nichtigkeitsurteils muß wohl Auflösung der Ehe in Deutschland angenommen werden, wenn der ausländische Partner eine vom Standpunkt seines Heimatrechts gültige neue Ehe eingegangen ist, vgl. S. 275. Dasselbe gilt aber wohl auch, wenn die Ehe im Heimatstaat auch ohne Nichtigkeitsurteil als nichtbustehend galt. Das gemeinsame Heimatrecht kann Spezialvorschriften für die Form von Auslandsehen bilden. Vgl. S. 552. Kap. I Art. 5 des schwedischen Gesetzes über das internationale Privatrecht der Eheschließung von 1904 ermöglicht es der Regierung, nicht nur schwedische diplomatische und konsularische Auslandsvertretungen, sondern auch Geistliche, oder irgendwelche „anderen Personen" zu ermächtigen, eine für Schweden gültige Trauung schwedischer Staatsangehöriger auf ausländischem Staatsgebiet vorzunehmen. Das ist denkbar, wenn das Geschäftsstatut notarielle Beurkundung der Abgabe der Ehekonsenserklärungen vorsieht, und der Dienstherrenstaat des ausländischen Notars ihm erlaubt, eine solche Beurkundung gemäß einem anderen Recht vorzunehmen. Wird eine nur faktische Ehe nach bestimmter Dauer durch den auf einseitigen Antrag einer Partei hin ergangenen Staatsakt zur Rechtsehe, wie nach dem Recht von Südaustralien, so dürfte im Urheberstaat eines solchen Gesetzes Domizil oder gewöhnlicher Aufenthalt beider Parteien im Geltungsgebiet des betreffenden Gesetzes zur Zeit der Antragstellung das entscheidende Anknüpfungsmoment sein. Sofern ein anderer Staat, z. B. der Heimatstaat, sein Recht als Geschäftsstatut der Ehe anwenden lassen will, aber alternative Anwendbarkeit der Formbestimmungen der lex loci actus vorsieht und in der geschilderten Regelung keine krasse Abweichung vom eigenen Recht sehen will, ist jedenfalls die Umwandlung der faktischen Ehe in eine Rechtsehe im Einverständnis beider Ehegatten wie eine Eheschließung gemäß der lex loci actus zu behandeln. Vgl. S. 151. Erfordert der Heimatstaat bei Eheschließung im Ausland vorausgegangenes Aufgebot oder nachträgliche Registrierung im Heimatstaat, so hat das Unterbleiben dieser Formalitäten zumeist nicht die Vernichtbarkeit der Ehe zur Folge, vgl. S. 553, Anm. 18. Ist es ausnahmsweise doch der Fall, so stellt sich damit die Verweisung auf die lex loci actus als eine dosierte Verweisung dar. Soweit sie nicht in einer gesetzlichen Bestimmung ausdrücklich niedergelegt ist, könnte die gesonderte einseitige Zuweisung der Form an das Recht des Eheschließungsortes unter Ausschluß des Heimatrechts der Eheschließenden aus der positiven ordre public-Klausel gefolgert werden, vgl. S. 555. Ist ein Recht mit einer Bestimmung berufen und anwendungswillig, welche die Eheschließung der mit diesem Staat persönlich verknüpften Person von der Zustimmung einer durch dieses Recht bezeichneten anderen Person (Eltern, gesetzlicher Vertreter usw.) abhängig macht, so gilt für die Form dieser Zustimmung nicht etwa ohne weiteres das Recht des Eheschließungsortes kraft einer Zuweisung durch das internationale Privatrecht des Landes, das später zufällig Forumstaat wird. Im Sinne der Grundstatutsmethode ist es das Recht, welches die Zustimmungsbedürftigkeit anordnet,
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das auch die Form der Zustimmung selbst allein regeln will, oder die alternative Anwendung eines anderen Rechts vorschreiben kann. Vgl. unten S. 616. Könnte die Ehe in dem neuen Aufenthaltsstaat formlos oder durch offenes eheliches Zusammenleben neu geschlossen werden, so kann schon deshalb die anfänglich von dem Staat des Errichtungsortes nicht als formgültig betrachtete Ehe später gültig werden. Vgl. dazu Metropolitan Life Ins. Co. vs. Holding, 293 F. Supp. 854. Gekünstelt ist es, den fortdauernden Willen zur Simulierung einer Rechtsehe im Wohnsitzland in Kenntnis dessen, daß die dort geschlossene Ehe nicht formgültig ist, als einen Willen zur formlosen Begründung einer Rechtsehe in einem Lande zu behandeln, wo die Betreffenden sich zufällig aufhalten, vgl. Skinner vs. Skinner, 150 N.Y. Supp. 2d 739, und McCullon vs. McCullon, 410 N.Y. Supp. 2d 226. Erfordert das Zustandekommen einer common law-Ehe, daß die Ehegatten in einem längeren Zeitraum als Eheleute zusammenleben, so kann ein kurzer Aufenthalt nicht zur Heilung des Formmangels der in einem anderen Staat geschlossenen Ehe führen. Erfordert das Recht des Landes, welches neben der standesamtlichen Eheschließung auch die formlose Ehebegründung durch Zusammenleben kennt, eine konstitutive gerichtliche Feststellung des Bestehens einer solchen formlos geschlossenen Ehe, bevor Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis der Ehe eingeklagt werden können (vgl. dazu Art. 18 f. des kubanischen Cödigo de Familia 1975), so ist darin wohl eine Formvorschrift zu sehen. Erfolgt in dem Staat, der wegen Staatsangehörigkeit oder Wohnsitzes mindestens einer Partei als Wirkungsstatut einer Ehe berufen ist, eine förmliche Eheschließung, welcher rückwirkende Kraft auf den Zeitpunkt beigelegt wird, zu dem früher eine formungültige Eheschließung stattgefunden hat, so ist dies auch in anderen Ländern anzuerkennen, wenn auch möglicherweise ohne Rückwirkung. Wird der Vorgang, im Einverständnis mit den Beteiligten, als nachträgliche standesamdiche Registrierung einer früheren Eheschließung im Ausland, die nach der lex loci formungültig, nach dem vom Standpunkt des späteren Wirkungsstatuts hingegen gültig war, aufgezogen, so kann dies einer erneuten Eheschließung gleichgestellt werden. Das erscheint besonders verständlich, wenn der Wohnsitz in dem Land, wo die Registrierung erfolgt, beibehalten wird. Wird später der Wohnsitz wieder in das Land verlegt, in dem die erste formungültige Eheschließung vor sich gegangen ist, so kann aus der Registrierung nicht geschlossen werden, daß nunmehr der Formmangel r ü c k w i r k e n d geheilt sei; wohl aber kann die Ehe als zu dem Zeitpunkt zustandegekommen gelten, in dem die Ehegatten ihren Konsens zum Ausdruck gebracht haben, daß sie sich im Registrierungsland als bereits verheiratet betrachten. Sofern nicht ein klarer Fall von Gesetzesumgehung vorliegt, sollten die Beteiligten nicht schlechter gestellt werden, als es der Fall ist, wenn eine anfänglich formungültige Ehe durch Wohnsitznahme in einem Land gültig wird, in dem die Ehe formlos durch Zusammenleben zustande kommt. Diese Gedanken werden nicht ausreichend berücksichtigt von OLG Hamm, IPRsp 1973, Nr. 56, und BSozG, FamRZ 1978, 240. Vgl. S. 314ff. Eine solche Gegenseitigkeit zwischen den anwendungswilligen Formbestimmungen der Eheschließungsländer wird allerdings wohl auf den Fall beschränkt sein, daß ihre Formbestimmungen gleich, oder annähernd gleich sind: Erfordert der Heimatstaat C für die Eheschließung seiner Staatsangehörigen im Ausland, daß sie vor einem Geistlichen erfolgt, während die Staaten A und B bei Eheschließung in A und B Wahrung der in ihrem Recht vorgesehenen Formen verlangen, so ist Gegenseitigkeit zwischen A und B sinnvoll, wenn beide in ihrem Recht die standesamtliche Eheschließung als einzig zulässige Form haben, kaum aber, wenn A auf Eheschließung vor dem Standesbeamten in A, B hingegen auf Eheschließung vor einem Geistlichen in B besteht. Die Rechtsprechung der Katholischen Kirche zum kanonischen Recht respektiert den Anspruch der Orthodoxen Kirche auf Beachtung ihrer Eheschließungsform, soweit es sich um nichtkatholische Christen handelt, Sign. Apost., Apollinaris 1971, 14; 1971, 578. Haben Staatsangehörige eines Staates A, der für seine Staatsangehörigen nur im Inland religiöse Eheschließung vorschreibt, und für Eheschließung seiner Staatsangehörigen im Ausland auf die lex loci actus verweist, im Land B in religiöser Form geheiratet, wo Inlandsehen auch von Ausländern nur vor dem inländischen Standesbeamten geschlossen werden können, so kann unter der Mosaikmethode die Kollisionsnorm des Forumstaates C, welche alternative Anwendbarkeit der Formvorschriften des Heimatlandes und der lex loci actus vorsieht, zu dem Ergebnis führen, daß die in den
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Staaten A und B formungültige Ehe im Staat C als formgültig behandelt werden müßte. Das läßt sich nur vermeiden, wenn die Verweisung auf die Formvorschriften des Heimatrechts als eine von deren Anwendungswilligkeit, die Verweisung auf die lex loci actus hingegen als von der Gegenseitigkeit abhängig gilt, falls die lex loci actus, ebenso wie der Forumstaat, Anwendung der eigenen Formvorschriften unter Ausschluß der Formen des Heimatrechts beansprucht. 3 2 Im schwedischen internationalen Privatrecht wird es für Auslandsehen von Ausländern unter sich als ausreichend betrachtet, wenn die Eheschließung in der Form des Rechtes erfolgt ist, welches von den Heimatstaaten der Eheschließenden oder vom Entsendestaat der Trauungsperson als anwendbar bezeichnet worden ist; daß das Recht des Eheschließungslandes diese Form nicht anerkennt, spielt für die Gültigkeit der Ehe in Schweden keine Rolle. 3 3 ü b e r die rechtspolitischen Mängel der Qualifizierung von Rechtssätzen als Formvorschriften bzw. Nichtformvorschriften „gemäß" dem Recht eines Forumstaates, der weder das Geschäftsstatut, noch die selbständig anzuknüpfende Formvorschrift selbst stellt, vgl. S. 152. 3 4 Eine halbe Sache ist es, wenn die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses bei Ausländern, deren Heimatrecht die deutsche standesamtliche Form nicht genügen läßt, von der Beibringung einer „Traubereitschaftserklärung" eines vom Standpunkt des Heimatstaates befugten Geistlichen abhängig gemacht wird, wie von O L G Celle, IPRsp 1962 — 63, Nr. 68. 3 5 Vgl. S. 551, Anm. 10. 3 5 a Naturrechtliche Gedanken stehen hinter der Annahme, auch ohne Wahrung der Form der lex loci actus oder des Personalstatuts müsse eine „Nottrauung" in irgendeiner nicht nur durch Aussagen der Ehegatten beweisbaren Form anerkannt werden, vgl. Hodgon and Wife vs. Stowell, 1 Vict. L.T. 51; Kuklycz vs. Kuklycz, [1972] Vict. R. 50. 3 6 Um eine „fraudulöse" Anwendbarmachung der Formbestimmungen der ausländischen lex loci actus bei vorübergehendem Aufenthalt im Ausland anzunehmen, bedarf es, wenn generell die alternative Anwendung des Geschäftsstatuts und der lex loci actus vorgesehen ist, eines Verbotes der Begründung der Auslandsverknüpfung, vgl. S. 234 f. 3 7 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das staatliche Recht eines Landes das Eherecht für Katholiken aus dem kanonischen Recht rezipiert hat; über Rechtsprechung der kirchlichen Gerichte zur Ermittlung des inneren Willens zur Auflösbarkeit der Ehe bei Katholiken und Nichtkatholiken im Zusammenhang mit einer katholischen oder nichtkatholischen Eheschließung vgl. Rokahr, Ehe ohne Treue, 1976. 3 8 Im deutschen Recht ist die Vernichtbarkeit der „Namensehe" beseitigt. 3 9 So wird für das englische internationale Privatrecht behauptet, daß eine in einem Land, dessen Inlandsrecht nur monogame Ehen kennt, geschlossene Ehe nur als monogame Ehe Zustandekommen könne, während umgekehrt durch die Schließung einer ersten Ehe in einem Land, das nur polygame Ehen kennt, ein auf eine solche Ehe gerichteter Ehewille anzunehmen sei, wobei aber das Domizilrecht einer Partei deshalb diese Ehe wieder als ungültig behandeln kann. Uber eine andere Sicht des Problems vgl. oben Anm. 35a. Die manchmal anzutreffende und zur Form gehörige Erklärung der Trauungsperson, daß mit dem Eheschließungsakt vor dieser Person die Eheschließenden „gemäß" dem Recht der lex loci actus verheiratet seien, ist auf homogen verknüpfte Situationen zugeschnitten. Sie ist bei Ausländerehen nicht dahin zu verstehen, daß die Ehe mit den Wirkungen der lex loci actus verbunden sei. Der gemeinsame Heimatstaat braucht darin auch nicht die Wahl derjenigen Eheart seines Rechts zu sehen, deren Wirkungen denen der Ehe im Eheschließungsland am ähnlichsten sind, vgl. C. Sup. Dahomey, Penant1975,106. 4 0 Darüber, daß Nachwirkungen der Ehe auf die Rechtsbeziehungen der Ehegatten zu Dritten, insbesondere zu den Kindern, nicht von der Zuweisungsnorm erfaßt werden, die sich mit den persönlichen Ehewirkungen befassen will, vgl. S. 172. 4 1 Manche Rechte lassen allerdings — unabhängig davon, ob sie mehrere Ehearten vorsehen oder nicht — auch in wichtigen Fragen der Ehewirkungen vereinbarte Abweichungen von der gesetzlichen Regelung zu, so etwa, wenn einverständliches Getrenntleben oder, wie im Islamrecht, Übertragung der nach dem Gesetz dem Mann zustehenden Anordnungsbefugnisse an die Frau vereinbart werden kann. 4 1 a Vgl. hierzu O b G H Wien, ZRvgl. 1973,143. 4 2 Ist bezüglich der Ehewirkungen das Recht des jeweiligen ehelichen Wohnsitzes, und nicht das
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Heimatrecht maßgebend, so können die Parteien zwar nicht anstelle des ersten Wohnsitzrechts das davon verschiedene Heimatrecht zum Wirkungsstatut wählen, wohl aber können sie die Anwendbarkeit dieses Rechts dadurch herbeiführen, daß sie den ehelichen Wohnsitz in diesen Staat verlegen. Vgl. oben Anm. 607. Während das kanonische Recht der katholischen Kirche aus dem inneren Willen eines Eheschließenden, eine auflösbare Ehe zu begründen, folgert, daß überhaupt keine gültige Ehe des kanonischen Rechts zustandegekommen ist, haben die meisten staatlichen Gesetzgeber keine Bedenken, in später erlassenen Gesetzen auch solche Ehen scheidbar zu machen, die bei der Errichtung nur unter der Voraussetzung der Unauflöslichkeit gewollt waren, bzw. bei denen dieser Wille zu vermuten ist. Nur ausnahmsweise findet sich der Anspruch des Eheschließungslandes, eine Bestimmung anzuwenden, welche die Eingehung weiterer Ehen den Ehegatten „verbietet" und die Verletzung dieses Verbots wiederum mit der Sanktion der Ungültigkeit der zweiten Ehe ausstatten will, vgl. S. 576 zu Anm. 81. Vgl. S. 315. Bei Verwendung der Mosaikmethode kann es natürlich auch schon sofort dahin kommen, daß die ehe im Forumstaat als gültig zustandegekommen gilt, nicht aber im Staat des von ihm berufenen Wirkungsstatuts. Das österreichische IPR-Gesetz von 1978 bestimmt die Wirkungen einer Ehe, die zwar in Österreich als gültig zustandegekommen gilt, nicht aber in dem Staat, welcher gemeinsamer Heimat» oder Aufenthaltsstaat der Ehegatten ist, nach österreichischem Recht. Hält jedoch ein dritter Staat, zu dem die Ehegatten „eine stärkere Beziehung" haben als zu Österreich, die Ehe ebenfalls für gültig, so soll dessen Recht für die Ehewirkungen maßgebend sein. Vgl. S. 107 f. Vgl. S. 364. Vgl. S. 357. Muß auch die bigamische Ehe erst durch ein Nichtigkeitsurteil vernichtet werden, so gilt dies auch für die in solchen Fällen häufig im Ausland in der Form des ausländischen Rechts geschlossene zweite Ehe. Das ist wohl einer der Gründe, weshalb in manchen Rechten versucht wird, bei der bigamischen Ehe anzunehmen, daß ihre Ungültigkeit jederzeit von jedem geltend gemacht und im gerichdichen Verfahren inzidenter festgestellt werden kann; in einigen Rechten, wie z. B. im englischen Recht, ist dies ausdrücklich im Gesetz vorgesehen. Kann die bigamische Ehe nach dem Tode eines Partners nicht mehr durch Nichtigkeitsklage als ungültig festgestellt werden, so kann im Erbrecht, wenn dieses von demselben Land gestellt wird, oder wenn der Staat des Erbstatuts sich dem Standpunkt des Staates anschließt, der über das Schicksal der Ehen bestimmt, beiden Ehegatten ein Intestaterbrecht nicht versagt werden, sofern nicht andere Gründe für den Wegfall des Ehegattenerbrechts (z. B. Getrenntleben) vorhanden sind; vgl. darüber S. 674f. Schuldet der Staat „der Witwe" eine nicht von der Erbberechtigung abhängige Zahlung, praktisch insbesondere Beamtenoder Witwenrente, und liegt hier ebenfalls kein anderer Grund für den Wegfall dieser Zahlungspflicht vor, so sind möglicherweise die Ansprüche der beiden Witwen als begründet zu betrachten, sofern die Rechtsprechung hier nicht besondere Regelungen entwickelt. Der argentinische Oberste Gerichtshof hat durch Entscheidung vom 21. 9. 1976, La Ley 1976 D , S. 618ff., unter Aufgabe früherer Rechtsprechung die „Anerkennung" der nicht von einem Beteiligten angefochtenen Auslandsehe, solange eine nicht auflösbare argentinische Ehe noch daneben besteht, auch im Bereich des argentinischen Sozialrechts verneint. Dem Partner an der gutgläubig geschlossenen, aber unzulässigen bigamen Ehe werden zwar nirgendwo die gleichen persönlichen Wirkungen i.e.S. wie dem Ehegatten aus erster Ehe zugebilligt, wohl aber Gleichstellung in Bezug auf Unterhalt u. ä., vgl. Cass. Paris, Clunet 1972, 591; Re Qüon, 4 D. L. R. 3d 702. Vgl. auch act. 18 (2) des kubanischen Cödigo de Familia. Der gute Glaube mindestens eines der Beteiligten an das gültige Bestehen einer Ehe ist im positiven Recht vorwiegend als Ersatztatbestand für die Zeugung eines Kindes in gültiger Ehe wirksam, wenn davon die Legitimität des Kindes abhängt. Dann bestimmt das Legitimitätsstatut die Einzelheiten dessen, worin der gute Glaube bestehen muß, und was möglicherweise neben dem guten Glauben erfordert wird, also z. B. ob eine nach der lex loci actus formgültige Eheschließung vorliegen muß, oder ob auch die Vorspiegelung einer Eheschließung gegenüber dem gutgläubigen Elternteil genügt. Ein Satz, wonach der gutgläubige Partner einer nicht vollgültigen Ehe von dem schlechtgläubigen Partner eine Entschädigung verlangen kann, wenn das eheliche Zusammenleben endet, ist als
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Rechtssatz über die Begründung einer gesetzlichen Leistungspflicht aus einem vom Recht mißbilligten Verhalten, mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Festlegung des Anknüpfungsmoments, dem durch die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen im Einzelfall ermittelten gesetzlichen Haftungsstatut zu entnehmen. Dabei werden gemeinsame Staatsangehörigkeit oder gemeinsamer Wohnsitz im allgemeinen als gewichtiger gelten als der „Tatort" der Vorspiegelung der Ehegültigkeit. Abzulehnen ist die Anwendung desjenigen Rechts, welches bei einer gültigen Eheschließung Geschäftsstatut oder Wirkungsstatut der Ehe geworden wäre. Ob die mangelhafte Ehe, deren Nichtigkeit durch konstitutive Gerichtsentscheidung festgestellt werden muß, für die Zeit ihres Scheinbestandes auch nach dem Ausspruch der Nichtigkeit trotz Bösgläubigkeit beider Ehepartner die Nachwirkungen einer gültigen Ehe — insbesondere wieder die Legitimität der Kinder — auslöst, bestimmt das für diese Nachwirkungen maßgebliche Statut. Ob im Verhältnis zwischen „Ehegatten" die Wirkungen der tatsächlich geführten und schließlich doch als nichtig festgestellten Ehe rückgängig gemacht werden müssen (soweit das überhaupt möglich ist), oder ob die bis zur konstitutiven Nichtigkeitsfeststellung bestehende Scheinehe wie eine gültige und dann geschiedene Ehe behandelt wird, ist Sache des Rechts, welches die Gültigkeit behindert hat. Das gilt wohl auch für etwaige erst nach der Nichtigkeitsfeststellung eintretende Wirkungen, z. B. eine analog der Unterhaltspflicht bei Scheidung aufgezogene Unterhaltspflicht, sofern sich die betreffende Wirkung nicht schon im Verhältnis zwischen einem gutgläubigen und einem täuschenden Ehegatten aus der Anwendung eines anderen Rechts in seiner Eigenschaft als Deliktsstatut ergibt. Das schwedische Recht ist besonders intensiv bemüht, den guten Glauben Eheschließender an die Gültigkeit der von ihnen eingehaltenen Formen zu schützen. Unabhängig davon, daß Personen, die nach ausländischem Recht zur Vornahme einer Trauung in Schweden als befugt erklärt worden sind, durch weitere schwedische Staatsakte ermächtigt werden können, unter Beachtung der schwedischen Formbestimmungen Trauungen in Schweden vorzunehmen, besteht die Möglichkeit, daß bei irrtümlicher Benutzung einer anderen Form nachträglich die zunächst formungültige Ehe vom König als für die schwedische Rechtsordnung formgültig erklärt wird. 5 0 a Die in der englischen und australischen Rechtsprechung wiederholt zu findende Anwendung der lex fori in Ehenichtigkeitssachen, die sich wohl als Analogie zur Scheidung erklären läßt, ist nicht zu rechtfertigen und wird auch in der Literatur abgelehnt. 5 1 Ist nach dem anwendungswilligen ausländischen Heimatrecht die Ehe bei bestimmten materiellen Ehehindernissen trotz Formgültigkeit der Eheschließung ungültig, ohne daß eine konstitutive gerichdiche Feststellung notwendig ist, während nach dem Recht des nicht im Heimatstaat befindlichen Eheschließungsortes die aus materiellrechtlichen Gründen mangelhafte Ehe durch Urteil vernichtet werden muß, so ist es vertretbar, daß im Eheschließungsland die Wirkungslosigkeit der unter Mitwirkung eines Staatsorgans dieses Landes erfolgte Eheschließung durch Urteil geklärt werden muß, während die Nichtigkeit der im Heimatstaat geschlossenen Ehe, genauso wie dort, jederzeit von jedem Interessenten behauptet und inzidenter in einem Gerichtsverfahren festgestellt werden kann. Wird behauptet, daß die im Ausland geschlossene Ehe auf Grund eines Rechtssatzes des Forumstaates an einem Mangel leide, der durch konstitutive Gerichtsentscheidung als Nichtigkeitsgrund festgestellt werden müßte, daß zugleich in der Person des anderen Ehegatten ein Ehehindernis bestehe, und daß vom Standpunkt des berufenen Heimatrechts dieses Ehegatten das Nichtbestehen der Ehe jederzeit von jedem geltend gemacht und auch inzidenter festgestellt werden könne, so ist doch ein gesondertes Verfahren, welches hier mit der Feststellung des Nichtbestehens enden kann, vorzuziehen. 5 2 Vgl. dazu § 606 b ZPO. 5 3 Vgl. dazu oben S. 402 f. 5 4 Soweit sie nicht kraft eines nachträglich erlassenen Gesetzes geheilt werden, vgl. Anm. 55. Von der Heilung der Mängel des von den Beteiligten als Rechtsgeschäft der Ehebegründung gewollten Vorgangs zu unterscheiden ist die nach dem Tode eines Beteiligten erfolgende „Anordnung" des Bestehens der Ehe für einen vergangenen Zeitraum; solche „postmortalen Eheschließungen" erfordern meist, daß ein faktisches Eheverhältnis bestanden hat, oder die Absiebt der Schaffung einer Rechtsehe. Der Staatsakt, der, in aller Regel auf Grund eines besonderen Gesetzes, und zwar meist desselben Staates, der die Zuständigkeit der Behörde vorsieht, eine solche postmortale Ehe1016
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Schließung bewirkt, hat nur den Zweck, in der Rechtsordnung dieses Staates gewisse Nachwirkungen auszulösen, insbesondere wenn auf die Nachwirkungen das Recht dieses Staates anwendbar ist; es handelt sich vor allem um die Legitimität der während der fingierten Ehe von der Frau geborenen Kinder, und die Beerbung des verstorbenen Partners durch den anderen gemäß Intestaterbrecht. Ist auf die Nachwirkung ein anderes Recht anwendbar, so ist die fingierte Ehe im Urheberstaat des dafür erlassenen Rechtssatzes nur dann als präjudizielles Rechtsverhältnis anzusehen, wenn auch das Nachwirkungsstatut die fingierte Ehe einer wirklichen Ehe gleichstellen will, oder die materielle Harmonie im Urheberstaat der Norm dies erfordert, vgl. S. 311. 55 Vgl. S. 307, Anm. 16a. 56 Vgl. oben S. 605. 57 Schließt die deutsche Frau eine Ehe mit einem bereits verheirateten Ausländer, dessen Heimatrecht die Mehrehe zuläßt, so ist die Ehe im Verhältnis zwischen den Ehegatten für die deutsche Rechtsordnimg wegen der Zweiseitigkeit des deutschen Ehehindernisses der Vorehe mangelhaft und kann durch Nichtigkeitsurteil beseitigt werden. Verliert die Frau die deutsche Staatsangehörigkeit, und erhält sie das Personalstatut des Mannes, so ist wohl keine Heilung des Ehemangels in Deutschland anzunehmen, wenn von dem gemeinsamen neuen Heimatstaat Gültigkeit der Ehe von Anfang an oder Heilung des anfänglichen Gültigkeitsmangels angenommen wird, vgl. Anm. 59. Die Heirat einer deutschen Frau mit dem nicht verheirateten Ausländer, dessen Personalstatut die Mehrehe zuläßt und nur diese Eheart kennt, ist auch in Deutschland voll gültig; die Ehe wird nicht ungültig, wenn der Mann eine weitere Ehe eingeht. Ermöglicht das Heimatrecht des Mannes, die Ehe entweder als eine monogame oder als eine (potentielle) polygame Ehe zu schließen, so darf die deutsche Frau, insbesondere wenn sie deutsche Staatsangehörige bleiben will, ihren Konsens nur zu einer monogamen Ehe erteilen. Die Konsenserklärung zu einer polygamen Ehe wäre in Deutschland durch Klagerhebimg anfechtbar. 58 So wird in England die Ehe von Einwanderern, deren bisheriges Domizilrecht die polygame Ehe zuläßt, wenn tatsächlich nur eine Ehe besteht, in eine monogame Ehe des englischen Rechts überführt, sobald ein domicile of choice in England begründet wird: Ali vs. Ali, [1968] P. 564. Die Anerkennung der Rechtsfolgen polygamer Ehen im Forumstaat wird manchmal davon abhängig gemacht, daß sie nicht nur gemäß dem Personalstatut der Beteiligten gültig sind, sondern auch, daß sie in einem Lande geschlossen worden sind, das in seinem Inlandsrecht polygame Ehen kennt; eine alternative Zuweisung der Form durch das Kollisionsrecht des Forumstaates an das Personalstatut der Ehegatten wird damit durchbrochen, vgl. etwa sec. 72 des Ontario Family Reform Act 1978. Das Gesetz stellt nicht nur für die Zwecke des Unterhaltsrechts, sondern auch für die Zwecke des Scheidungsgüterrechts (vgl. S. 703) gültige aktuell polygame Ehen der Einehe gleich, ohne jedoch Anpassungsbestimmungen zu geben. S8a Weitere Hinweise auf die deutsche Rechtsprechung in Anm. 22, 29, 34. 59 BGH, IPRsp 1966 — 67, Nr. 59 b, lehnt es ausdrücklich ab, die Ehefähigkeit einer Ausländerin, die mit der Eheschließung von Rechts wegen die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben würde, nach deutschem Recht zu beurteilen. 60 Uber die Vorfrage des Bestehens einer Vorehe vgl. aber S. 602ff. Welche Ehehindernisse des deutschen Rechts als einseitige Ehehindernisse zu betrachten sind, die nur beachtlich sind, wenn sie in der Person des deutschen Verlobten vorliegen, ist durch die Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Derzeit dürften solche Ehehindernisse nicht bestehen. Auch das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit in § 18 EheG ist wohl so zu verstehen, daß Geschäftsfähigkeit nach deutschem Recht bei beiden Eheschließenden erforderlich ist. 61 RG, IPRsp 1930, Nr. 64, will die Regelung bei „einseitigen" Ehehindernissen, wonach es nur auf das Heimatrecht der Partei ankommt, für die das Ehehindernis besteht, auf die Anfechtung des Ehekonsenses wegen Willensmangels ausdehnen, ohne zu beachten, daß hier die Gleichbehandlung beider Parteien die Anwendung beider Heimatrechte erfordert. 62 Bei der Zulassung von Eheschließungen Deutscher vor deutschen Konsuln im Ausland habe der deutsche Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen, daß die Ehe möglicherweise nur in Deutschland, und nicht auch im Eheschließungsland, eventuell auch nicht in dritten Ländern, Rechtsschutz genießen würde, sagt RG, IPRsp 1930, Nr. 27. 63 Eheschließungsort soll, wenn es sich um eine Eheschließung unter Assistenz eines Standesbeamten oder eines Geistlichen handelt, nur der Ort der „Trauungshandlung" sein, nicht der Ort, an dem 1017
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Auftrag und Vollmacht zur Vertretung bei der Trauung erklärt worden sind. Ob eine Vorschrift des ausländischen Trauungsortes, welche Eheschließung durch Stellvertreter zuläßt, ihrerseits eine Formvorschrift im Sinne des Art. 11 (1) S. 2 EGBGB ist, ist nach BGH, IPRsp 1958-59, Nr. 112, „nach deutschem Recht" zu entscheiden; das soll in der Weise zu verstehen sein, daß die ausländische Vorschrift „nach ihrem Sinn und Zweck zu erfassen" und „mit Vorschriften der deutschen Rechtsordnung zu vergleichen" ist. Das Erfordernis der persönlichen Anwesenheit diene einem für Formvorschriften typischen Zweck; daher sei auch die Ausnahme von diesem Erfordernis, wie sie das italienische Recht für die Eheschließung durch Stellvertreter ermöglicht, als Formvorschrift zu betrachten. Das ist wenig überzeugend; ein Recht, das auf die Frage nach dem Konsens anwendbar ist, kann mit dem Erfordernis der persönlichen Anwesenheit die Verwirklichung einer in diesem Recht zu findenden Vorschrift bezwecken, daß der Konsens sich auf die bei der Eheschließung anwesende andere Person beziehen muß, und daß der in diesem Sinne erteilte Konsens nicht mit der Behauptung angefochten werden kann, der Erklärende habe geglaubt, daß die anwesende Person diejenige sei, mit der er bis dahin korrespondiert habe, und die er nicht persönlich kenne. Zur Eheschließung einer Ehe von Deutschen, die angesichts ihres Aufenthalts in Deutschland dort eine Ehe in den Formen des deutschen Rechts hätten schließen können, durch Stellvertreter im Ausland vgl. auch S. 553, Anm. 20. Da der Standesbeamte die Formvorschriften seines Dienstherrenstaates anwendet, ist die Trauung durch einen ausländischen Standesbeamten nicht als Eheschließung in der Form des gemeinsamen oder inhaldich gleichen Heimatrechts der Eheschließenden zu betrachten, auch wenn das Heimatrecht selbst „standesamtliche" Eheschließung vorsieht. Ein Deutscher kann also nicht formgültig einen Ausländer vor dem Konsul des ausländischen Partners in einem dritten Staat heiraten, wenn nicht dieser Staat diese Eheschließung als formgültig betrachtet. Vgl. § 8 des Konsulargesetzes vom 11. 9. 1974. Nach Ziff. 1.2.1.1. der Ausführungsbestimmungen zum Konsulargesetz (G.M.B1. 1975, 70) soll der deutsche Konsul auch solche Formvorschriften beachten, die nach dem Recht des Empfangsstaates zu befolgen sind. RGZ 138, 216 und 157, 257, wollen auch für deutsche Staatsangehörige die von einem ausländischen Recht als lex loci actus vorgesehene „formlose" Eheschließung zulassen, selbst wenn eine öffentlich registrierte förmliche Eheschließung in dem betreffenden Land möglich ist. Von der in dem betreffenden Land ebenfalls möglichen Eheschließung durch den deutschen Konsul meint das Gericht, daß diese Art der Eheschließung „meist" an „tatsächlichen Schwierigkeiten" scheitere. Die Benutzung der deutschen Eheschließungsform ist nicht davon abhängig, daß eine andere Verknüpfung zur Bundesrepublik als die persönliche Anwesenheit bei der Eheschließung gegeben ist, vgl.§15(3)EheG. Vgl. IPRsp 1964 — 65, Nr. 81 b. Werde die Tätigkeit kirchlicher Organe bei der Eheschließung nur durch die Verweisung des staadichen Rechts auf das kirchliche Recht relevant, ohne daß der Mitwirkung des Geistlichen „der Charakter einer staatlichen Funktion zuerkannt" werde, so müsse für den einzelnen Geistlichen eine „Benennung" gegenüber der Bundesregierung vorliegen, und nur die nach erfolgter Benennung erfolgten Eheschließungen seien in Deutschland anzuerkennen. Mit der Benennung „bürge" die Regierung des betreffenden Staates dafür, daß im Sinne seiner Rechtsordnung eine wirksame (gemeint ist: formgültige) Ehe begründet werde; vgl. dazu meine Kritik in JZ 1965, 531. Ist die vor einem dem Auswärtigen Amt nicht gemeldeten Geisdichen in der Bundesrepublik erfolgte Eheschließung in einem vom Konsul im Auftrag des fremden Staates geführten Standesregister eingetragen und in das deutsche Standesregister überschrieben worden, so ist es besonders widersinnig, die Eheschließenden mit der Unkenntnis des Tatbestandes zu belasten, daß der Geistliche, der die von dem fremden Staat anerkannte Trauung vorgenommen hat, in Bonn nicht gemeldet oder seine Meldung zurückgenommen worden war. Das LSozG Stuttgart, FamRZ 1977, 259, billigt daher der durch einen nicht gemeldeten griechischen Geistlichen in der Bundesrepublik geschlossenen Ehe von Griechen die Nachwirkung einer Hinterbliebenenrente zu, wenn die Eheschließung im deutschen Heiratsregister eingetragen war, und damit die deutschen Behörden selbst den Rechtsschein einer gültigen Ehe geschaffen haben; BSozG, N J W 1979,1792, argumentiert etwas anders. Bei im Ausland geschlossenen Ehen wird es vom Reichsgericht abgelehnt, den Grundsatz der alternativen Anwendbarkeit der lex loci actus und des gemeinsamen Heimatrechts auf die Form zugunsten der alleinigen Anwendbarkeit des einen oder des anderen Rechts zu durchbrechen: RGZ 133, 161 (IPRsp 1931, Nr. 23). Das ist, wie oben S. 555 dargelegt, jedenfalls dann zu verwerfen,
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§21
wenn Gegenseitigkeit in bezug auf die alleinige Anwendung der deutschen Formbestimmungen bei einer in Deutschland geschlossenen Ehe in dem anderen Staat gewährleistet ist. Der Weg zu dieser Lösung ist indes der Rechtsprechung keineswegs durch Gesetz verbaut. Vgl. BGH, IPRsp 1971, Nr. 40. Vgl. S. 128, Anm. 190. Das gilt insbesondere dann, wenn Eheschließungsverbote als „Scheidungsstrafe" für den an der Ehescheidung schuldigen Teil in seinem Heimatrecht vorgesehen sind. RGZ 136, 142, wollte eine für die Ehefähigkeit des deutschen Verlobten bedeutsame materiellrechtliche Gültigkeitsvoraussetzung des deutschen Rechts annehmen, die dahin geht, daß eine etwaige Vorehe dieses deutschen Verlobten durch ein international zuständiges deutsches oder ausländisches Gericht, und nur durch ein solches Gericht, aufgelöst sein muß, wenn auch nicht unbedingt wegen eines im deutschen Recht vorgesehenen Scheidungsgrundes. Neuerdings werden aber auch rechtsgeschäftliche Scheidungen von Deutschen im ausländischen Wohnsitzstaat anerkannt, vgl. S. 640. BGH, IPRsp 1972, Nr. 41. Der BGH hat sich nicht der in der Literatur und z. T. auch im ausländischen Recht vertretenen Auffassung angeschlossen, daß die Rechtskraft des inländischen Staatsaktes, welcher die Ehe auflöst, oder welcher die Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Eheauflösungsvorgangs feststellt, auch die von einem ausländischen Recht aufgeworfene Vorfrage nach dem Bestehen einer Vorehe endgültig beantwortet, vgl. NJW 1977, 1014. Die Bestimmung des Haager Scheidungsabkommens vom 1. 6. 1970, wonach eine nach dem Abkommen in den Vertragsstaaten anzuerkennende Ehescheidung von diesen Vertragsstaaten nicht als Ehehindernis unter dem Recht eines anderen Staates zu bewerten ist, ist mangels Billigung der Konvention durch die Bundesrepublik noch nicht geltendes Recht. BGH, N J W 1977, 1014. Es ist aber wohl eine Binnenbeziehung in Gestalt des inländischen Wohnsitzes einer Partei zur Zeit der neuen Eheschließung in Deutschland erforderlich. Es würde also nicht möglich sein, daß ein Spanier und eine Argentinierin, die in Deutschland beide gemäß deutschem Recht von ihrem ersten deutschen Ehegatten geschieden worden sind, und wo die Scheidung ihrer Vorehen in ihrem Heimat- und Wohnsitzstaat nicht anerkannt wird, unter Berufung auf die Auflösung der Vorehen in der deutschen Rechtsordnung bei einem vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland dort eine neue Ehe schließen. Eine in einem dritten Staat, der ebenfalls nicht Wohnsitzstaat ist, in den Formen des Ortsrechts erfolgte Eheschließung bringt aber auch in Deutschland die Wirkungen einer Scheinehe hervor, deren Nichtigkeit durch Urteil festgestellt werden muß. Wird die Ehe längere Zeit geführt, so kann eine spätere Nichtigkeitsklage unter Umständen als rechtsmißbräuchlich abgewiesen werden. Eine höchstrichterliche Stellungnahme zu der Frage, ob dann, wenn für die deutsche Rechtsordnung eine Vorehe auch nicht als vernichtbare Scheinehe vorhanden ist, während vom Standpunkt des Heimatstaates der ausländischen Ehewilligen eine vollgültige oder scheingültige Vorehe zu bejahen ist, das vom ausländischen Recht daran angeknüpfte Ehehindernis zu ignorieren wäre, fehlt. Die Frage ist zu verneinen, selbst wenn das Nichtbestehen einer Vorehe in Deutschland rechtskräftig festgestellt wäre. Der Konventionsentwurf der 13. Haager Konferenz von 1977 über die Eheschließung will jeden Vertragsstaat verpflichten, bei sich den Abschluß einer Ehe nicht zu verhindern und gegebenenfalls seine Behörden zur Mitwirkung an der Eheschließung anzuhalten, wenn die Eheschließenden Eheschließung in diesem Staat wünschen, einer von ihnen in diesem Staat staatsangehörig oder wohnhaft ist, und die Voraussetzungen des internen Rechts dieses Landes für das gültige Zustandekommen der Ehe gegeben sind. Jeder Vertragsstaat kann jedoch den Vorbehalt machen, nicht, wie es die Konvention erlaubt, ausschließlich sein eigenes Recht zugrunde zu legen, nämlich wenn der andere Eheschließende in dem betreffenden Staat weder staatsangehörig noch wohnhaft ist. Unabhängig von dem eben Gesagten darf jeder Vertragsstaat eine Ehe als gültig betrachten, wenn die Voraussetzungen dafür nach einem anderen von seinem vertraglich ungebundenen Kollisionsrecht bezeichneten Recht gegeben sind, und muß dann auch die Eheschließung auf seinem Gebiet zulassen. Der Staat des Eheschließungsortes darf auf der Einhaltung seiner Formvorschriften bestehen, darf aber auch Formen eines ausländischen Rechts zulassen. Ein Vertragsstaat kann durch einen Vorbehalt den ganzen Teil des Vertrages, der sich auf das bei der Eheschließung in einem Vertragsstaat anzuwendende Recht bezieht, für sich als unanwendbar erklären. Wichtiger ist daher die weitere Vorschrift, daß jeder Vertragsstaat unbeschränkt darin sein soll, ob
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er außerhalb seines Staatsgebiets geschlossene Ehen gemäß den von ihm als anwendbar erklärten Vorschriften als gültig betrachten will. Unabdingbare Regelung des Vertrages ist es jedoch, daß eine vom Standpunkt des Eheschließungslandes her gültige Ehe in einem Vertragsstaat nur wegen Nichtbeachtung bestimmter Gültigkeitsvoraussetzungen, die er dem von ihm bestimmten Recht entnehmen darf, als ungültig behandeln kann. Diese Ehegültigkeitsvoraussetzungen, die einer vom Standpunkt des Eheschließungslandes her gültigen Ehe entgegengehalten werden können, sind im Vertrag abschließend aufgezählt. So brauchen polygame Ehen, die das Eheschließungsland für gültig hält, nicht anerkannt zu werden, und vor allem kann ein Vertragsstaat, entgegen dem Standpunkt des Eheschließungslandes, die Auflösung einer Vorehe verneinen und deshalb die zweite Ehe als nichtig betrachten. Die ordre public-Klausel ermöglicht es, die Anerkennung von Auslandsehen auch noch aus anderen als den in Art. 11 genannten Gründen abzulehnen. Das Abkommen gewährleistet also nicht, daß die Standesämter aller Vertragsstaaten die Ehefähigkeitsvoraussetzungen nach demselben Recht beurteilen müssen, und daß die gemäß diesem Recht geschlossenen Ehen auch überall anerkannt werden. Vielmehr geht es in erster Linie um eine Einschränkung der Verweigerung der Anerkennung der Gültigkeit solcher Ehen, die im Eheschließungsland gültig sind. Selbst der gemeinsame Heimatstaat kann z. B. sein eigenes Ehehindernis der Religionsverschiedenheit, oder einer in Art. 11 des Vertrages nicht genannten entfernteren Verwandtschaft, höchstens mit Hilfe der ordre public-Klausel zur Annahme der Nichtigkeit der Ehe heranziehen, wenn die Staatsangehörigen die Ehe mit ausländischem Wohnsitz im Wohnsitzstaat gültig geschlossen haben. Hinkende Ehen werden unter dem Abkommen weitgehend nicht verhindert. Es ist zu bezweifeln, daß die Konvention mit diesem Inhalt von einer größeren Anzahl von Staaten ratifiziert werden wird. Vgl. § 10 EheG. Nach § 10 EheG soll das Ehefähigkeitszeugnis des Heimatstaates aussagen, daß kein „in den Gesetzen des Heimatstaates begründetes" Ehehindernis besteht. Dem ist es wohl gleichzustellen, wenn der Heimatstaat die Ausstellung eines Ehefähigkeitszeugnisses durch seine Behörden nicht von der Staatsangehörigkeit, sondern vom Wohnsitz oder davon abhängig macht, daß auch nach seinem internationalen Privatrecht sein eigenes Recht anwendbar ist. Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses ist auch angebracht bei de facto Staatenlosen oder politisch Verfolgten, denen die Antragstellung im Heimatstaat nicht zuzumuten ist. Sie ist vielleicht auch zulässig bei evident unrichtiger Anwendung des Heimatrechts durch die ausländischen Behörden, die die Ausstellung des Zeugnisses verweigern. Bei einer Prüfung des erteilten ausländischen Ehefähigkeitszeugnisses durch den Standesbeamten kann dieser seine Unrichtigkeit feststellen und die Eheschließung ablehnen; dann hat gegebenenfalls das deutsche Gericht die materielle Richtigkeit des Zeugnisses unter ausländischem Recht zu überprüfen. Gemeint ist, daß keiner der Ehegatten eine Staatsangehörigkeit hat, die nicht zugleich auch der andere Ehegatte besitzt. So B G H , IPRsp 1976, Nr. 34, wenn auch hier zunächst nur für den Fall, daß gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland besteht, die Frau allein die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, und daneben beide Ehegatten eine gemeinsame ausländische Staatsangehörigkeit haben. Vgl. oben S. 601. Besteht die in Deutschland geschlossene Ehe im Heimatstaat des Mannes mangels Registrierung beim Konsulat des Heimatstaates nicht, so soll als Ehewirkungsstatut das Recht des Heimatstaates des anderen Ehegatten angewendet werden, wenn es sich mit dem Recht deckt, auf Grund dessen die Ehe in Deutschland als gültig anzusehen ist (also meist dem deutschen Recht): B a y O b L G , IPRsp 1 9 5 4 - 5 5 , Nr. 8. Vgl. B G H , IPRsp 1958 — 59, Nr. 110. Das soll wohl auch dann gelten, wenn nach dem Heimatrecht des in Anspruch Genommenen ein Anspruch besteht, aber als deliktsrechtlicher Anspruch aufgezogen ist, d. h. wenn die Vorfrage nach der Rechtsgültigkeit des Verlöbnisvertrages und dem hierauf anwendbaren Recht gar nicht gestellt zu werden braucht. Vgl. B G H , aaO. B G H , IPRsp 1974, N r . 45.
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§22
§ 22. Sonderregelungen für einzelne andere Rechtsgeschäfte Die in dem Abkommen gebotenen Kollisionsnormen sind in der Bundesrepublik nicht durch Transformation des Vertrages zu innerstaatlichem Recht geworden, sondern durch selbständige Anordnung in Art. 91—98 des Wechselgesetzes vom 21. 6. 1933. 2 Es ist streitig, ob damit der angegebene oder der tatsächliche Unterzeichnungsort gemeint ist. 3 So Art. 91 (2) S. 2 WG. 4 Auch hier ist der Vertragstext als solcher in der Bundesrepublik nicht durch Verweisung zu innerstaatlichem Recht geworden, sondern in Art. 60 — 66 des Scheckgesetzes vom 14. 8. 1933 wiederholt. 5 Mit dem internationalen Privatrecht der Handelsvertreter (intermédiaire, agent) befaßt sich ein Konventionsentwurf der 13. Haager Konferenz für internationales Privatrecht. 6 So die deutsche Rechtsprechung, vgl. oben S. 595, Anm. 146. 7 Vgl. dazu S. 537. 8 Vgl. dazu § 44 (3) und § 26 S. 2 des österreichischen IPR-Gesetzes. 9 Diese Einschränkung findet sich merkwürdigerweise im österreichischen IPR-Gesetz nicht, obwohl dieses für die Rechtswahl beim Arbeitsvertrag sogar fordert, daß sie ausdrücklich erfolgt. Keine Rechtswahl will der schweizerische Entwurf für ein IPR-Gesetz bei solchen Verträgen zulassen, bei denen sich „die Anwendung eines bestimmten Rechts wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit einer Partei aufdrängt" (Art. 117). Nach Art. 122 gilt „in der Regel" bei Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer als „besonders schutzbedürftig". Uber die Wege, die begangen werden können um zu verhüten, daß der schwächeren Partei die Zustimmung zur Wahl eines bestimmten Geschäftsstatuts aufgenötigt wird, ohne daß dabei Zwang vorliegt, der zur Anfechtbarkeit führt, vgl. oben S. 542. Ist als ständiger Arbeitsort ein Schiff bestimmter Flagge vorgesehen, hat aber der Reeder seinen Geschäftssitz nicht im Flaggenstaat, und besitzen Reeder und Arbeitnehmer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in dem gleichen Land, so ist dessen Recht das gesetzliche Geschäftsstatut für den Arbeitsvertrag. Die Verknüpfung zu dem Staat der Gefälligkeitsflagge ist hier für eine Rechtswahl zu schwach. 1 0 Vgl. S. 540. Gänzlich unhaltbar ist der Gedanke, daß der Staat, der das gesetzliche Geschäftsstatut stellt, den Parteien ermöglichen könnte, für eine bestimmte einzelne Frage — etwa die Haftung des Arbeitgebers für Unfälle während der Arbeit — dieses Recht auszuschließen, ohne die Frage einem anderen Recht zu unterstellen; vgl. dazu auch Anm. 19. 1 1 Vgl. Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, S. 99. l l a Spezialrecht bezüglich der Form findet sich öfter für Arbeitsverträge, die im Inland zu erfüllen, aber im Ausland geschlossen worden sind. Schon ein Natal-Gesetz von 1852 verlangte für Dienstverträge, die in Europa mit einem dort geborenen Dienstnehmer zur Durchführung in Natal geschlossen waren, Schriftform. Andere außerhalb des Distrikts geschlossene Verträge mußten sogar noch einmal in Natal vor einer Behörde von den Parteien bestätigt werden. 1 2 Vgl. darüber oben S. 584. Mißstände bei der Beschäftigung von Gastarbeitern haben schon früher Anlaß zum Erlaß zwingender spezialrechdicher Vorschriften gegeben, so z. B. wenn in Natal 1852 die Höchstdauer von Arbeitsverpflichtungen eines Dienstnehmers aus Europa auf Grund eines Vertrages „made in any country in Europe according to any law in force within such country" auf drei Jahre festgesetzt wurde. Eine algerische Verordnung vom 6. 10. 1973 sieht eine Genehmigung für das Anheuern algerischer Seeleute durch ausländische Reeder vor und bestimmt, daß der Reeder sich verpflichten müsse, die auf algerischen Schiffen maßgebenden Anstellungsbedingungen (namendich in Bezug auf Versorgung bei Unfällen und Krankheit) einzuhalten. 1 3 Vgl. S. 580. Ist nach dem Geschäftsstatut für den Arbeitsvertrag Streik Vertragsbruch, nach dem Recht des Beschäftigungsortes hingegen rechtmäßig, so mag das Gericht am Beschäftigungsort - zu denken ist insbesondere an das im Hafen liegende ausländische Schiff — es ablehnen, die Streikenden durch einstweilige Verfügung zur Arbeit anzuhalten, wird aber auch die Entlassung durch den Arbeitgeber nicht als unwirksam erklären; vgl. die Angaben über den Topwind-Fall, Neth. Int. L. Rev. 26 (1979) 124. 1 3 a Vgl. auch oben S. 127, Anm. 185. 1 4 Vgl. S. 597, Anm. 172. 1 5 So ausdrücklich § 44 (3) des österreichischen Gesetzes über IPR. 1
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§§ 22,23
Anmerkungen zu S. 622-625
Eine ergebnisbedingte alternative Anwendung des von den Parteien gewählten Rechts und des durch ein festes Anknüpfungsmoment bestimmten gesetzlichen Geschäftsstatuts wird auch für das französische internationale Privatrecht in bezug auf Arbeitsverträge behauptet; das dem Arbeitnehmer günstigere Recht soll vorgezogen werden, vgl. Cass. Paris, Rev. Crit. 1978, 701. Es bleibt allerdings offen, ob dies nur dann gilt, wenn das eine der in Frage kommenden Rechte das französische Recht ist, oder auch dann, wenn nur zwei ausländische Rechte in Frage kommen. Die alternative Anwendung des gesetzlichen und des gewählten Vertragsstatuts zugunsten des Arbeitnehmers kann allerdings wiederum bedenklich werden, wenn im Inlandsrecht des Arbeitsortes eine Bevorzugung einzelner Arbeitnehmer gegenüber den durch Tarifvertrag oder Betriebsordnung vorgesehenen Regelungen als unzulässig gilt. 1 6 Wie in zahlreichen von der Internationalen Arbeitsorganisation veranlaßten Verträgen. 1 7 Vgl. S. 544. 1 8 Denselben Effekt hat es, wenn ein Staat die Anwendbarkeit einer unabdingbaren Vorschrift seines Rechts (etwa über die Haftung des Arbeitgebers für Unfälle) in der Weise von einer doppelten Inlandsverknüpfung abhängig macht, daß einerseits diejenigen Inlandsverknüpfungen gegeben sein müssen, auf Grund deren das inländische Recht das Geschäftsstatut stellt, andererseits noch eine zusätzliche Inlandsverknüpfung gegeben sein muß (so etwa, daß sich der Unfall im Inland ereignet hat). Es muß wohl in den meisten Ländern das Bestehen einer Vermutung gegen eine solche Auslegung der Rechtsanwendungsanweisungen angenommen werden. 1 9 Vgl. dazu meinen Aufsatz Rev. Crit. 50 (1971) 637ff. zu Sayers vs. International Drilling Co., [1971] 1 W. L. R. 1176 (C. A.). 1 9 a Es handelt sich dabei um die in den USA noch übliche privatrechtliche Haftpflicht des Arbeitgebers für Unfälle während der Arbeit, wobei der Arbeitgeber durch öffendiches Recht gehalten ist, eine privatrechdiche Haftpflichtversicherung abzuschließen. 2 0 Die Wahl jugoslawischen Rechts für einen Dienstvertrag zwischen jugoslawischen Parteien trotz deutschen Beschäftigungsortes schließt auch die Anwendung eines allgemein verbindlichen deutschen Tarifvertrages aus, soweit nicht der Einzelarbeitsvertrag darauf ausdrücklich Bezug nimmt. Nur besonders krasse Abweichungen des jugoslawischen Geschäftsstatuts von dem deutschen Tarifvertrag könnten Veranlassung geben, die ordre public-Klausel heranzuziehen: BArbG, IPRsp 1977, Nr. 43. 2 1 Die Nichterfüllung der im Zusammenhang mit der standesamtlichen Eheschließung übernommenen Verpflichtung des einen bzw. anderen Ehegatten, an einer nachträglichen kirchlichen Trauung teilzunehmen, kann auch in einem Staat mit weltlichem Eherecht als ein Scheidungsgrund bewertet werden. Uber die Nebenverpflichtung des vom staatlichen Gericht geschiedenen Mannes, der jüdischen Frau einen Scheidebrief zu übergeben, vgl. S. 275, Anm. 35. 2 2 So wenn das Recht, welches das Verfügungsgeschäft beherrscht, Errichtung des Kausalgeschäfts in bestimmter Form, oder mit Genehmigung einer Behörde, erfordert. 2 3 Auch eine gesetzestechnische Verweisung des Geschäftsstatuts kann etwa für gewisse schwere vorsätzliche Verletzungen von Pflichten aus einem Rechtsgeschäft einzelne Sätze des deliktischen Haftungsrechts (desselben Staates) anwendbar machen, selbst wenn keine Inlandsverknüpfung besteht, wie sie zur Anwendung dieses Rechts auf deliktische Ansprüche erforderlich wäre. Damit nicht zu verwechseln ist es, daß gewisse Verletzungen gewisser Verträge vom Staat des Handlungsortes, des Wirkungsortes, oder auch des Heimatstaates des Täters wegen ihrer Rückwirkungen auf öffentliche Interessen (Streik der Seeleute, mangelhafte Herstellung eines Atomkraftwerkes) als strafbar erklärt werden können, so daß diese Strafgesetze wiederum im Privatrecht als Schutzgesetze beachtlich werden, vgl. S. 435, Anm. 48. 2 4 Vgl. S. 435 f. 2 5 Vgl. S. 688 f.
§ 23. Ungerechtfertigte Bereicherung und Verwandtes 1
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So für Ansprüche auf „restitution", die meist gegenüber einem ungerechtfertigt Bereicherten bestehen, Restatement Conflict of laws, 2d, § 221. Uber die Haltung der verschiedenen Staaten in bezug auf das für die Rettung treibender und die
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Anmerkungen zu S. 625-627
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§§ 23,24
Hebung gesunkener Schiffe im Verhältnis zwischen den Beteiligten maßgebliche Statut vgl. Korthals Altes, Prijs der Zee, 1973, S. 289 ff. Bei Rechtssätzen, welche Bereicherungsansprüche gewähren oder verweigern, will BGH, IPRsp 1962 — 63, N r . 172, unterscheiden: Für Wertverschiebungen innerhalb einer wirklichen oder vermeintlichen schuldrechtlichen Beziehung gelte das Schuldstatut; bei „isolierten Wertverschiebungen" (z. B. bei dem gutgläubigen Erwerb) sei die Rechtsordnung maßgebend, „innerhalb deren sich die Wertverschiebung vollzogen habe". Von den neueren Kodifikationen macht vor allem das österreichische IPR-Gesetz bei der ungerechtfertigten Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Unterschied zwischen den Fällen, in denen zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis bereits besteht, und den Fällen, wo dies nicht so ist. Für den letzten Fall soll es darauf ankommen, „wo die Bereicherung eingetreten" ist, vgl. § 46. Das portugiesische und das spanische Recht machen den genannten Unterschied nicht und wollen das Recht anwenden lassen, auf Grund dessen die Bereicherung erfolgt ist. Noch detaillierter spricht der schweizerische Entwurf von dem Recht, „das den sachenrechtlichen Vorgang beherrscht, der der Wertverschiebung zugrunde liegt"; mangels eines solchen sachenrechtlichen Vorgangs soll das Recht am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Bereicherten anzuwenden sein. Kegel, S. 302, will, ähnlich wie bei unerlaubten Handlungen, subsidiär auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit abstellen. Die Unsicherheit von Gesetzgebung und Lehre erklärt sich offenbar daraus, daß man die Bedeutung der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen als Anknüpfungsmoment im Recht der gesetzlichen Schadenshaftung noch nicht anerkannt hat, und daß das gleiche Anknüpfungsmoment bei Rechtsgeschäften als „hypothetischer Parteiwille" verstanden wird. Vgl. S. 274. Dieser Gedanke ist vor allem dem englischen Rechtsdenken nicht fremd, weil dort die materielle Rechtskraft des von einer Partei erwirkten Urteils mit dem materiellrechtlichen Estoppel-Prinzip in Zusammenhang gebracht wird. Vgl. S. 394. Vgl. S. 389. Vgl. S. 396.
II. Beendigung von Rechtsverhältnissen und Übertragung von Rechten § 24. Das auf die Beendigung von Rechtsverhältnissen anwendbare Recht 1
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Hat die Mängelrüge nach dem ausdrücklich gewählten Geschäftsstatut schriftlich zu erfolgen, so kann sie nicht im Ausland gemäß der lex loci actus telefonisch ausgesprochen werden. Das Lagerecht der Sache bestimmt, ob und wann das konkrete Eigentum an der Sache durch längeren Besitzverlust, Besitz seitens eines gutgläubigen Eigenbesitzers usw. erlischt, und dann entweder herrenlos wird oder durch Erwerb kraft Ersitzung einem neuen Inhaber zusteht. Beim Schiffswrack außerhalb der Eigen- und Küstengewässer eines Staates bestimmt das Flaggenrecht, ob das Eigentum auch ohne Dereliktion erlischt. Beim Schiffswrack in den Eigen- oder Küstengewässern darf schon nach Völkerrecht der Küstenstaat nicht sofort sein Recht über einen Eigentumsverlust als anwendbar erklären. Wohl aber kann er trotz Dereliktion gemäß dem Flaggenrecht eine Verpflichtung des früheren Eigentümers zum Wegräumen aufstellen, und bei schuldhafter oder schuldloser Verursachung des Sinkens des Schiffes auch wieder Schadensersatzpflichten für Unfälle durch das Wrack begründen. Ist der Eigentümer nicht mehr festzustellen, oder erfolgt innerhalb einer im Gesetz des Küstenstaates bestimmten Frist kein Versuch des Eigentümers, das Wrack wieder in Besitz zu nehmen, so kann der Küstenstaat die Eigentumsverhältnisse selbst regeln und dabei insbesondere frühere Eigentumsrechte als erloschen erklären. Ein Eigentumserwerb des Flaggenstaates kraft Sondemachfolge ist nicht anzunehmen. Von einem jahrhundertelangen Fortbestehen des Eigentums des Schiffseigentümers am Wrack geht aus das Abkommen zwischen Australien und den Niederlanden vom 6. 11. 1972. Vgl. ferner
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§24
Anmerkungen zu S. 627-631
den australischen Historie Shipwrecks Act Nr. 190/1976, und für die komplizierte Rechtslage vorher Robin vs. Western Australian Museum, 16 Austr. L. R. 623. 2 a Ist im Bestandsstatut eines Vermögensrechts vorgesehen, daß es beim Tode einer bestimmten Person erlischt, so kann dieses Recht selbst für den Beweis des Todes, oder des Todeszeitpunkts, maßgebend sein wollen. Es kann aber auch alternativ darauf abgestellt werden, was das Personalstatut besagt. Die im Staate des Bestandsstatuts gebildete Lösung sollte auch in anderen Forumstaaten gelten. Wenn vom deutschen Recht in Anspruch genommen wird, mit seinen Bestimmungen über Todeserklärung maßgebend zu sein, wenn der Tod für das Erlöschen dinglicher Rechte an einer in Deutschland belegenen Sache von Bedeutung ist (vgl. § 12 (2) VerschG), so kann Entsprechendes einem ausländischen Lagerecht nicht versagt werden. 3 Vgl. S. 374ff. 3 a Zu denken wäre an eine globale Beseitigung aller Geldschulden aus Anlaß einer größeren politischen Umwälzung. Meist kommt es nur zu gesetzlichen Moratorien, Vertragshilfeverfahren u. ä.; die darüber erlassenen Gesetze erfassen im allgemeinen alle im Urheberstaat einklagbaren Forderungen, die vom Schuldner aus inländischem Vermögen zu begleichen wären, ohne Rücksicht darauf, ob das inländische Recht auch das Schuldstatut stellt. Das teilweise oder völlige Erlöschen von Forderungen im Zwangsvergleichsverfahren, oder nach beendetem Konkursverfahren, ist meist Gegenstand einer gestaltenden Entscheidung des Konkursgerichts unter Anwendung seiner lex fori; es wird dabei nicht vorausgesetzt, daß dieses Recht auch Schuldstatut war. In denjenigen Ländern, wo das Vermögen des Gemeinschuldners vom ausländischen Konkurs erfaßt wurde, wird die Anerkennung des Erlöschens der Forderung höchstens mit der ordre public-Klausel verweigert werden. 4 Vgl. S. 446. 5 Vgl. S. 515. 6 Bei gesetzlichen Schadensersatzansprüchen kann man Zweifel haben, ob ein „Verbot" des Verzichts auf einen bereits entstandenen, aber noch nicht befriedigten Schadensersatzanspruch im Haftungsstatut auch z. B. in dem gemeinsamen Wohnsitzstaat der Beteiligten ohne weiteres respektiert würde. 7 In der deutschen Literatur wird zwar die Verweisung bezüglich der Form auf das Bestandsstatut von dinglichen Rechten in Art. 11 Abs. 2 EGBGB als Gesamt Verweisung verstanden, hingegen vielfach angenommen, daß die Frage nach der Geschäftsfähigkeit zu einer ein dingliches Recht vernichtenden einseitigen Verfügung selbständig anzuknüpfen sei. Andere Staaten als der Lagestaat werden nur höchst selten Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. 8 Vgl. dazu S. 722f. 9 Andere Rechte kennen zu demselben Zweck eine „Freigabe" des Kindes durch die Eltern zu der durch eine Adoptionsvermitdungsstelle herbeizuführenden Adoption; hier wird ein Erlöschen der Rechte der natürlichen Eltern erst mit der Adoption angenommen, vgl. S. 725. 1 0 Unter dem Haager Minderjährigenschutzabkommen wäre zwar die Übernahme der provisorischen Sorgegewalt durch die Behörde eine „Schutzmaßnahme", während dies kaum von der Entgegennahme der Erklärung über die Aufgabe der Elternrechte, oder der gerichdichen Genehmigung dieser Erklärung, gesagt werden kann. Kann das gesetzliche Gewaltverhältnis nach dem Heimatrecht des Kindes nicht deshalb beendet werden, weil die Eltern es, und sei es auch mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts, beenden wollen, ohne daß Gründe zur Entziehung gegen ihren Willen vorliegen, so ist unter dem Abkommen auch der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts nicht befugt, eine solche Aufgabe der Elternrechte unter Mitwirkung seiner Behörden vor sich gehen zu lassen. 1 1 Vgl. S. 375. l l a Vgl. S. 530 f. Uber die Enteignung von Forderungen vgl. S. 657f. Der „Verzicht" Österreichs auf gewisse Forderungen österreichischer Staatsangehöriger gegen deutsche Staatsangehörige im österreichischen Staatsvertrag in Verbindung mit der Bezugnahme des Londoner Schuldenabkommens auf diesen Verzicht wurde als ein völkerrechtlich gebotenes Erlöschen der Forderungen innerhalb der Rechtsordnungen der Bundesrepublik (und Österreichs) verstanden: BGH, IPRsp 1960 — 61, Nr. 61. Auf das Geschäftsstatut kam es nicht an. Uber die Wirkung von „Forderungsverzichten" in völkerrechtlichen Verträgen vgl. auch BGH, IPRsp 1954 - 55, Nr. 73. Ob gegen eine Forderung aus Rechtsgeschäft oder Gesetz mit einer gleichartigen anderen Forderung 1024
Anmerkungen zu S. 6 3 2 - 6 3 5
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des Schuldners gegen den Gläubiger aufgerechnet werden kann, richtet sich nach dem Statut für diese erste Forderung; dabei kann es z. B. von Bedeutung werden, daß das Statut für Ansprüche kraft Gesetzes vorsieht, daß Erfüllung nur durch Zahlung, nicht aber durch Aufrechnung erfolgen kann; vgl. B G H , IPRsp 1 9 6 2 - 6 3 , Nr. 35. 1 4 Anders das deutsche Aufwertungsrecht nach 1923; es stellte auf das Geschäftsstatut ab und differenzierte danach, ob eine Schuld in inländischer oder ausländischer (entwerteter) Währung vorlag, vgl. oben S. 597, Anm. 172. Es besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung des Schuldnerlandes zur Aufwertung von Forderungen, die auf die Währung dieses Landes lauten, vgl. R G Z 121,203. 1 5 So mit gewissen Ausnahmen die von der Rechtsprechung entwickelte Lösung für den Anwendungsbereich der in der Bundesrepublik und Westberlin erlassenen Rückerstattungsgesetze. Gerundsätzliche Ausführung über die Wege zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Rückerstattungsgesetze in O R G Berlin, IPRsp 1 9 6 8 - 6 9 , Nr. 179 b. 1 6 Vgl. S. 307. 1 7 V g l . S . 530 ff. 1 8 Vgl. oben Anm. 1. Es ist Sache des Geschäftsstatuts, ob es für die Form der Kündigung alternative Anwendung etwa des Rechtes des Erklärungsortes zulassen will, doch wird hierfür zumeist kein Grund bestehen. Ist eine Kündigungsmöglichkeit für ein vertragliches Rechtsverhältnis durch einen selbständig angeknüpften Satz eines anderen Staates als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt, neu begründet worden, so kann der Urheberstaat auch die Form dieser Kündigung selbst regeln. 1 9 Neben einem eingeschränkten Recht der Frau, aus bestimmten Gründen Ehescheidung zu verlangen, kennt das Islamrecht die Möglichkeit, daß der Mann die Frau schon bei der Eheschließung unwiderruflich ermächtigt, das ihm zustehende Recht zur einseitigen grundlosen Scheidung auszuüben. 2 0 Vgl. S. 607. 2 0 a Anstelle der Anwendung des normalerweise berufenen Rechts der gemeinsamen Staatsangehörigkeit wird nach dem Recht des niederländischen Wohnsitzes geschieden, wenn praktisch keine Bindungen mehr zum Heimatstaat bestehen, vgl. H. R., Ned. Jur. 1979, no. 546. In denjenigen Fällen, in denen mehrfache Staatsangehörigkeit und kein gemeinsamer Wohnsitz in einem Land besteht, wird gern nach der gewichtigsten Kombination der Verknüpfungen gesucht; eine gemeinsame niederländische Staatsangehörigkeit stellt dabei wieder eine solche gewichtigste Kombination der Verknüpfungen dar, H . R „ Ned. Jur. 1979, no. 547. 2 1 Worin eine zur Scheidung berechtigende Verletzung von Pflichten aus der Ehe besteht, wollte KG, IPRsp 1968 — 69, Nr. 93, nach dem auf die Ehescheidungsklage der deutschen Frau gegen den ausländischen Mann anwendbaren deutschen Scheidungsrecht beurteilen, auch wenn die Frage nach dem Ehewirkungsstatut anders zu beurteilen wäre. Im intergentilen Recht wird im allgemeinen dafür Sorge getragen, daß das Scheidungsstatut kein anderes Recht ist als das Ehewirkungsstatut: Wird eine Ehe unter dem indischen Special Marriage Act geschlossen, so erfolgt auch die Scheidung gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes, auch wenn beide Ehegatten einer Gruppe mit eigenem Gruppenrecht angehören. 2 1 a So vor allem in Art. 17 EGBGB, vgl. unten S. 639. 2 1 b Vgl. S. 392 f. 2 2 Der australische Family Law Act, 1975 (sec. 104), ermöglicht in großzügiger Weise die Anerkennung gerichtlicher und sonstiger Ehescheidungen beim Vorliegen von Auslandsverknüpfungen (insbesondere ausländischer Wohnsitz oder ausländische Staatsangehörigkeit dessen, der selbst die Scheidung nicht in die Wege geleitet hat), wenn die Scheidung „in accordance with the law" des betreffenden fremden Staates erfolgt. Sogar eine in Australien ausgesprochene Privatscheidung wird danach anerkannt, wenn sie im Wohnsitzland der anderen Partei rechtsgültig ist. Überdies wird in Australien jede andere Auslandsscheidung anerkannt, die in einem Land anerkannt wird, zu dem die nach australischem Recht ausreichende Verknüpfung zur Vornahme einer Scheidung besteht. Daß die Möglichkeit bestand, die Scheidung durch ein australisches Gericht herbeizuführen, verhindert in all diesen Fällen die Anerkennung nicht. Vgl. ferner Anm. 264 zu S. 395. Auch die (von der Bundesrepublik nicht ratifizierte) Haager Konvention vom 1. 6. 1970 über die Anerkennung von Scheidungsurteilen sieht die Anerkennung des positiven Ausspruchs der Scheidung in einem Staatsakt, und die Anerkennung der von einem Staatsorgan bestätigten sonstigen
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Scheidung vor, wenn sie in einem der zahlreichen in dem Vertrag als international zuständig erklärten Staaten erfolgt ist, ohne Rücksicht darauf, welches Scheidungsrecht angewendet w u r d e . Ausnahmen gelten zugunsten derjenigen Vertragsstaaten, die keine Scheidung in ihrem eigenen Recht kennen. Ferner kann sich ein Staat vorbehalten, eine Auslandsscheidung solcher Personen, die nur seine Staatsangehörigkeit besessen haben, bloß dann anzuerkennen, wenn das von seinem Kollisionsrecht bezeichnete (also gegebenenfalls von seinen eigenen Gerichten anzuwendende) Recht angewendet wurde, oder das Ergebnis unter diesem Recht dasselbe gewesen wäre. Diese Bestimmung ist deshalb bedenklich, weil die Tatsachenfeststellungen durch das entscheidende Gericht sich ja möglicherweise gar nicht auf Dinge bezogen haben, die unter dem im Anerkennungsstaat maßgebliche Recht Scheidungsgründe sein können. Etwaige nur der Anerkennung von Scheidungsurteilen anderer Staaten noch günstigere Regeln der Vertragsstaaten sind in der Konvention ausdrücklich zugelassen. Zur Anerkennung der Auflösung der Ehe durch Individualgesetze eines anderen Staates müssen wohl dieselben Verknüpfungen zu diesem Staat vorliegen, w i e sie vorliegen müßten, w e n n ein Gericht die Ehe unter Anwendung abstrakter Gesetze aufzulösen hat. Selten ist eine automatische Auflösung der Ehe kraft Gesetzes beim Eintritt eines anderen Ereignisses als des Todes eines Ehegatten. Von praktischer Bedeutung ist vor allem die auch bei dem Wiederauftauchen eines Verschollenen w i r k s a m bleibende Eheauflösung durch Todeserklärung des Verschollenen, oder durch Todeserklärung in Verbindung mit der Eingehung einer neuen Ehe durch den anderen Teil. W e n n alternative Anwendbarkeit mehrerer Rechte im Forumstaat auf dem W e g e über die Bereitschaft zur Anerkennung der Scheidungsurteile aus mehreren Ländern, denen verschiedene Gesetze zugrunde liegen können, bejaht wird, so ist es nur konsequent, wenn für solche Eheauflösungen kraft Gesetzes ebenfalls alternative A n w e n d u n g mehrerer Rechte vorgesehen w i r d ; im Forumstaat kann also dann Eheauflösung zu bejahen sein, w e n n sie entweder im Recht des letzten gemeinsamen Heimatstaates der Ehegatten, oder im Heimatrecht des nicht verschollenen Ehepartners, oder in dem Recht vorgesehen ist, unter dem die Todeserklärung erfolgt ist. Als Kuriosum zu betrachten ist die Bildung eines Spezialrechts für die Ehescheidung von Ausländern bei k u r z e m inländischen Aufenthalt in einem „Scheidungsparadies", w i e z. B. nach dem Recht der Dominikanischen R e p u b l i k ; vgl. A n m . 45 zu S. 278. Kollisionsnormen f ü r die Auflösung religiös gemischter Ehen von Ausländern gemäß ausländischem Recht enthält ein israelisches Gesetz vom 17. 7. 1969; für alle Fälle, bei denen Zuständigkeit der israelischen Gerichte gegeben ist, enthält auch dieses Gesetz zugleich eine spezialrechtliche Vorschrift, wonach Einverständnis beider Ehegatten mit der Scheidung stets ein Scheidungsgrund ist; vgl. A n m . 22 zu S. 8. So insbesondere, indem der inländische Standesbeamte an der Schließung der neuen Ehe nur dann mitwirken darf, wenn jeder der beiden Staaten, die das Personalstatut für die an der neuen Ehe beteiligten Personen stellen, und das Eheschließungsland die Scheidung der alten Ehen anerkennen, vgl. S. 602 f. Einige Länder haben das Ehehindernis des Ehebruchs für die Ehe zwischen den Ehebrechern, insbesondere nach Beendigung der gebrochenen Ehe durch Scheidung, andere kennen als Strafe für das Verschulden an der Zerrüttung der ersten Ehe zeitweise oder gar endgültige Unfähigkeit z u r Eingehung neuer Ehen. In den wenigen Ländern, welche Ehescheidung im eigenen Recht nicht kennen, wird aus der ordre public-Klausel nicht nur die Unmöglichkeit der A n w e n d u n g ausländischen Scheidungsrechts in solchen Verfahren gefolgert, die mit einem Gestaltungsurteil enden sollen, sondern auch die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile und rechtsgeschäftlicher Scheidungen unter ausländischem Recht weitgehend eingeschränkt. So etwa in Spanien; über Anerkennung ausländischer Scheidungen, wenn die Frage nach dem Bestehen der Ehe nur Vorfrage für den Status der Kinder usw. ist, vgl. die Angaben bei N a v a r r o Valls in: El fenomeno religioso en España, 1972, S. 255ff. Eine wichtige Entscheidung der Obersten Registerbehörde, Rev. Gen. Leg. J u r . 213 (1971) 877, erkannte jedoch die Scheidung eines mohammedanischen Bewohners von spanischem Gebiet in Afrika im Zusammenhang mit der Eingehung einer neuen Ehe mit einer nichtkatholischen Spanierin an; seitdem tendiert die Rechtsprechung dahin, ausländische Scheidungen von Ehen nichtkatholischer Ausländer auch als Beseitigung des Hindernisses der Vorehe anzuerkennen. Vgl. S. 190, 603. Vgl. A n m . 37 zu S. 275.
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So das italienische Recht, vgl. Anm. 36 zu S. 275. Das liegt besonders dann nahe, wenn in dem Land, in dem das staatliche Gericht nach staatlichem Recht scheidet, eine Verpflichtung der Geschiedenen angenommen wird, die zur Lösung der Ehe nach den Bestimmungen ihrer gemeinsamen Religionsgemeinschaft notwendigen Schritte zu unternehmen, vgl. S. 275, Anm. 35. Das Problem wird in BGH, IPRsp 1966 — 67, Nr. 90, nicht voll gesehen. Nach der Entscheidung ist das gemäß Art. 17 EGBGB ermittelte Recht auch für eine Ehetrennung anzuwenden, und das deutsche Gericht ist nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen an dem Ausspruch der Trennung gehindert. Vgl. S. 709 ff. Im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR hat der B G H zuletzt (vgl. BGH, IZRsp i960—61, Nr. 178a) besondere Kollisionsnormen für die Scheidung und die Anerkennung von Scheidungsurteilen aus der D D R entwickelt, unter denen die beiden Rechte unparitätisch behandelt werden. Es ist zweifelhaft, ob nach dem Grundlagenvertrag diese Rechtsprechung weiter aufrechterhalten wird. Das ergibt sich aus § 606 b ZPO in Verbindung mit § 606 (3). Das ergibt sich aus Art. 17 EGBGB. Ein Unterschied besteht insofern, als bei der Klage des Mannes auf Scheidung die Staatsangehörigkeit zur Zeit der Klagerhebung entscheidend sein soll, hingegen bei Klage der deutschen Frau deren deutsche Staatsangehörigkeit zur Zeit der Entscheidung des Gerichts. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß man Anwendung deutschen Rechts wegen deutscher Staatsangehörigkeit bei mehrfacher Staatsangehörigkeit im Scheidungsverfahren nur dann annimmt, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit die effektivere ist. Desgleichen ist bei dem gegenwärtigen Stand der gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erwarten, daß dem Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit der gewöhnliche Aufenthalt eines Staatenlosen oder erst recht eines de facto staatenlosen Ausländers im Inland gleichgesetzt wird, soweit es sich nicht um Flüchtlinge handelt, für welche die Anwendung des deutschen Wohnsitzrechts anstelle des Heimatrechts ausdrücklich durch Gesetz geboten ist. Vgl. § 328 Ziff. 3 ZPO. Wenig Aufmerksamkeit hat die Frage gefunden, wann ein ausländisches Urteil, welches eine Scheidungsklage unter Anwendung eines anderen als des im Inland berufenen materiellen Rechts abgewiesen hat, denselben Gegenstand betrifft wie eine später im Inland erhobene Scheidungsklage, und wann die Anerkennung des ausländischen Urteils der neuen Klage entgegensteht. Das besondere Verfahren zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Urteile bezieht sich nur auf „positive" Scheidungsurteile. Es ist aber zum Nachteil der zuerst im Ausland klagenden deutschen Partei von Art. 17 EGBGB abgewichen, wenn ihre nach deutschem Recht begründete Klage durch kumulative Anwendung eines weniger scheidungsfreundlichen ausländischen Rechts abgewiesen worden ist. Angesichts der Erleichterung der Scheidung wegen Zerrüttung ohne Schuldfeststellung durch die neue deutsche Scheidungsgesetzgebung kommt es in einem solchen Fall wohl nur selten zu einer Umgehung des anwendbaren deutschen Scheidungsrechts in einem ausländischen Scheidungsverfahren; der bei deutscher Staatsangehörigkeit der Geschiedenen stets erforderliche Ausspruch der Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Scheidung gewährleistet auch die Rechtssicherheit. Uber die Flüchtlinge usw. vgl. S. 264. Grundsätzliches über die versteckte Rückverweisung vgl. oben S. 214. Vgl. KG, IPRsp 1975, Nr. 56. Vgl. oben S. 392, Anm. 261. Mit einigen Ländern bestehen bilaterale Verträge über die Anerkennung von Scheidungsurteilen, die jedoch nicht wesentlich von der gesetzlichen Regelung in der Bundesrepublik abweichen. Ehescheidung durch die konsularische Vertretung eines fremden Staates in Deutschland — also eine Analogie zu der konsularischen Eheschließung — ist im Gesetz nicht vorgesehen. Verträge, die derartiges vorsehen, stehen z. Z. nicht in Kraft. Erfolgt eine rechtsgeschäftliche Scheidung nicht durch Austausch von Erklärungen unter den persönlich anwesenden Ehegatten im Inland, sondern erstreckt sich der ganze Vorgang über mehrere Länder, so können sich bezüglich der Frage, ob die Ehescheidung „im Inland" erfolgt ist, ähnliche
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Probleme stellen wie bei der Eheschließung durch Stellvertreter, vgl. Anm. 63 zu S. 615. Die Hemmungen, welche die Pakistan Muslim Family Laws Ordinance 1961 der Ehescheidung durch einseitigen Akt des Mannes in Gestalt eines obligatorischen Versöhnungsverfahren u. ä. bereitet, lassen diese Art der Scheidung als Scheidung „obtained by means of . . . other proceedings" im Sinne der Haager Konvention von 1970 und des britischen Recognition of Divorces and Legal Separations Act 1971 erscheinen: Quazi vs. Quazi (H. L.), [1979] 3 W . L. R. 833. Mit dem Gleichheitssatz unvereinbar war es auch, daß der ausländische Mann gegenüber der nach älterem deutschen Recht erhobenen und auf Verschulden gestützten Scheidungsklage der deutschen Frau nicht Widerklage erheben, sondern eine Mitschuldigerklärung verlangen konnte. Art. 17 (2) EGBGB war auch nicht analog anwendbar, wenn die deutsche Frau als Scheidungsgrund des deutschen Rechts eine Ehewidrigkeit des ausländischen Mannes anführte, die nach dem Heimatrecht des Mannes weder ein Scheidungsgrund, noch eine Verletzung von Pflichten aus dem ausländischen Ehewirkungsstatut war. Vgl. auch oben S. 634, Anm. 21. Dies gilt auch, wenn der gemeinsame Heimatstaat nicht sein eigenes Recht, sondern etwa das Recht des Wohnsitzlandes anwenden läßt, was allerdings wohl nur selten der Fall ist. Die Scheidung durch ein Gericht des Staates, der sein eigenes Recht angewendet hat, und dessen Recht auch im gemeinsamen Heimatstaat hätte angewendet werden müssen, und die Scheidung, die im gemeinsamen Heimatstaat automatisch anerkannt wird — also eine Scheidung durch den Staat, der nach Art. 17 in Verbindung mit Art. 27 EGBGB der Statutsstaat ist —, bedarf zur Beachtlichkeit in der Bundesrepublik einer förmlichen Feststellung der Anerkennungsfähigkeit gemäß dem FamRÄndG. Wenn für jede Ehescheidungsklage eines Deutschen eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist, so läßt es sich vertreten, daß die außergerichtlich durch eine deutsche Partei herbeigeführte Scheidung in Deutschland nicht anerkannt wird, selbst wenn die Privatscheidung in einem Land erfolgt, welches keine gerichtliche Scheidung kennt, dessen Gerichte aber hypothetischerweise bei Anwendung der deutschen Zuständigkeitsbestimmungen international zuständig wären. Eine solche Regelung wäre eine sinnvolle Ergänzung zu der mindestens de lege ferenda vertretbaren anderen Regel, daß Deutsche im Ausland von einer Eheschließungsform Gebrauch machen müssen, die der deutschen standesamtlichen Eheschließung entspricht oder ihr ähnlich ist, wenn im Eheschließungsland eine solche Form verfügbar ist. Anerkennungsfähig ist aber jedenfalls eine rechtskraftfähige ausländische gerichtliche Feststellung, daß die Ehe durch Rechtsgeschäft aufgelöst worden ist. Daran, daß der deutsche Kläger eine Scheidung im Ausland nur als gerichdiche Scheidung herbeiführen kann, scheitert die Anerkennung nichtgerichtlicher Auslandsscheidungen nicht, wenn der deutsche Staatsangehörige nicht die die Scheidung betreibende Partei war, und die Scheidung nicht gegen seinen Willen („zu seinem Nachteil") gemäß einem anderen als dem über Art. 17 EGBGB berufenen Recht erfolgt ist, und jedenfalls nicht, wenn die Scheidung auch nach deutschem Recht durch ein deutsches Gericht auszusprechen gewesen wäre. BayObLG, FamRZ 1978, 244, will das förmliche Anerkennungsverfahren für Privatscheidungen jedenfalls in den Fällen durchführen, wo ein staatliches Notariat im Ausland eine einverständliche Scheidung beurkundet hat. Dazu fühlt man sich deshalb veranlaßt, weil nach Art. 17 EGBGB auf alle Fälle das deutsche Recht kumulativ neben dem ausländischen Recht angewendet werden muß. Konsequent ist es jedoch nicht, wenn zugleich die Wirkungen der noch nicht geschiedenen Ehe nach dem Recht des Staates beurteilt werden, in dem sie überhaupt nicht als bestanden gilt, vgl. S. 619, Anm. 83. Ob die zu scheidende Ehe für die deutsche Rechtsordnung besteht, ist von Amts wegen zu prüfen, doch genügt eine Scheinehe, wenn nicht die beklagte Partei ihrerseits Nichtigkeitsklage erhebt. In denjenigen Ländern des englischen und anglo-amerikanischen Rechts, welche an das erwiesene offene eheliche Zusammenleben die Vermutung des Bestehens einer Rechtsehe anknüpfen, gilt dies auch im Scheidungsprozeß, vgl. Sheludko vs. Sheludko, [1972] Vict. R. 82. In einigen kanadischen Provinzen wird von Amts wegen geprüft, ob eine förmliche Eheschließung erfolgt ist, und ob diese im Eheschließungsland als gültig betrachtet wird. Die neuseeländische Gesetzgebung ermöglicht ein Feststellungsurteil, daß eine Ehe in Neuseeland als aufgelöst anzusehen ist, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Feststellung besteht. Es kann dann offen gelassen werden, ob aus der geschiedenen Ehe in Neuseeland Ansprüche hätten geltend gemacht werden können, oder ob sie
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überhaupt als bestehend hätte betrachtet werden müssen; es genügt der Nachweis, daß im Domizilland des Mannes die Ehe durch Scheidung als aufgelöst gilt, auch wenn die Scheidung durch ein in Neuseeland vorgenommenes Rechtsgeschäft erfolgt ist, vgl. Hassan vs. Hassan, [1978] 1 N . Z . L . R . 385.
S 25. Inhaberwechsel bei Monopolrechten 1
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Der Inhaber eines zeitlich beschränkten Eigentumsrechts an der Sache ist zumeist dem als Nachfolger vorgesehenen Rechtssubjekt gegenüber verpflichtet, nicht nur die Sache zu erhalten, sondern sie auch gegenüber Schädigungen durch Dritte zu schützen, also notfalls zu klagen. Besteht in bezug auf eine körperliche Sache das Monopolrecht des Eigentums zugunsten eines einzelnen Rechtssubjekts oder einer Gesamtheit von Rechtssubjekten, so spielt es für das internationale Privatrecht keine große Rolle, ob ein mit Zustimmung des Rechtsinhabers zustandegekommenes subjektives Recht anderer, welches sich als ein „Eingriff" in das Monopolrecht darstellt, im Lagestaat als ein „dingliches" Recht an der Sache, oder als ein obligatorisches Recht gegen den Eigentümer in bezug auf die Sache ausgestaltet wird. In beiden Fällen ist nur der Lagestaat der Sache wirklich imstande, das Recht durch unmittelbaren staatlichen Zugriff auf die Sache zu verwirklichen, während andere Staaten zur Realisierung beider Arten von Rechten nur indirekten Zwang, insbesondere gegen das bei ihnen belegene sonstige Vermögen des Eigentümers oder anderer, die die Rechtsausübung im Lagestaat behindern wollen, ausüben können. Der Lagestaat kann sich jedoch nicht nur damit einverstanden erklären, daß für obligatorische Verpflichtungen des Eigentümers in bezug auf die Sache das Geschäftsstatut ein anderes ist als das Recht des Lagestaates, sondern er kann auch in bezug auf andere, durch Rechtsgeschäft mit dem Eigentümer begründete Rechte an der Sache sein eigenes Recht durch gewähltes ausländisches Recht verdrängen lassen. So läßt das englische Recht jedenfalls in einem gewissen Rahmen die ausdrückliche Wahl eines bestimmten Rechts für ein Trustverhältnis zu, und läßt dann auch einzelne zwingende Bestimmungen des Lagerechts der Gegenstände, auf die sich das Trustverhältnis bezieht, gegenüber abweichenden Bestimmungen des Truststatuts zurücktreten, so daß z. B. eine zwingende Bestimmung des Lagerechts über die zeitliche Begrenzung der Trustbindung nicht zum Zuge kommt, vgl. Augustus v. Permanent Trustee Co., [1971] Aust. Argus L. R. 661. Die Zuweisungsnorm des Art. 11 (2) E G B G B , welche bei Verfügungsgeschäften über „Rechte an einer Sache" bezüglich der Form nur die Bestimmungen der Gesetze anwenden will, „welche für das den Gegenstand des Rechtsgeschäfts bildende Rechtsverhältnis maßgebend sind", ist als Gesamtverweisung auf das Lagerecht der Sache zu verstehen. Besagt das internationale Privatrecht des Lagestaates der Sache, daß für die Form des Verfügungsgeschäfts nur die lex loci actus gelte, so darf Art. 11 (2) E G B G B nicht etwa dahin gelesen werden, daß der deutsche Richter auf die Form des Ubereignungsgeschäfts das Geschäftsstatut gegen dessen Willen anzuwenden habe. Auf die rechtsgeschäftliche Übertragung eines für ein bestimmtes Staatsgebiet bestehenden Immaterialgüterrechts ist das „Lagerecht" anwendbar. Bestehen mehrere parallele Immaterialgüterrechte zugunsten desselben Rechtssubjekts für mehrere Staatsgebiete, so kann das als Übertragung aller Rechte gewollte Geschäft möglicherweise für einige Lagestaaten gültig, für andere ungültig sein. Ein Lagestaat kann die Übertragung „seines" Rechts auch davon abhängig machen, daß zugleich ein als Hauptrecht anerkanntes paralleles Recht in einem anderen Staat wirksam übertragen wird. Ist zur Übertragung eines Immaterialgüterrechts, wie es für ein bestimmtes Land besteht, eine Eintragung in einem öffentlichen Register erforderlich, so kann hiervon nicht abgesehen werden, wenn gleichzeitig das entsprechende Immaterialgüterrecht für ein anderes Land in diesem anderen Land übertragen wird, und entweder eine Registrierung hier nicht erforderlich ist, oder nur für das Immaterialgüterrecht des betreffenden Landes gilt. Die Wahl eines einzigen Rechts für das Übertragungsgeschäft würde erfordern, daß alle Lagestaaten übereinstimmend ein solches Wahlrecht anerkennen; das ist aber im geltenden Recht nicht der Fall. Die Parteien können ihrerseits das Zustandekommen des Geschäfts für jedes einzelne Recht davon abhängig machen, daß die Übertragungen aller parallelen
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Rechte wirksam werden. Für den obligatorischen Teil des Geschäfts kann selbstverständlich das Geschäftsstatut vereinbart werden. Für Übertragung und Erlöschen eines europäischen Gemeinschaftspatents nach dem Vertrag vom 15. 12.1975 (vgl. S. 480, Anm. 16) gelten ausschließlich die Formvorschriften dieses Vertrages. 5 Zu vermeiden ist etwa, daß Eigentümer von Grundstücken in Westdeutschland, die ihren Wohnsitz in einem Ostblockstaat nicht verlassen können, Verfügungen über das Grundstück nur in öffentlicher Form vor einem Notar ihres Wohnsitzlandes vornehmen, oder die Vollmacht zu Verfügungsgeschäften nur vor einem solchen Notar beurkunden lassen könnten. Hier könnte von der Rechtsprechung durchaus ein Spezialrecht gebildet werden, wonach etwa eine durch eidesstattliche Versicherung eines Dritten erwiesene mündliche Vollmachtserteilung genügt. 6 Erklärt der Lagestaat sein eigenes Ehegüterrecht als anwendbar, und enthält dieses dinglich wirkende Verbote der Verfügung eines Ehegatten über eigene Sachen ohne Zustimmung des anderen, so ist dies im Heimatstaat der Ehegatten zu beachten; für das deutsche internationale Privatrecht folgt dies aus Art. 28 EGBGB. Andererseits kann der Lagestaat in seinem Kollisionsrecht vorsehen, daß als Vorschriften des ehelichen Güterrechts, die dem Heimat- oder Wohnsitzrecht entnommen werden, auch Verfügungsverbote zu gelten haben. Ist aber dem Lagestaat ein dinglich wirksames Verfügungsverbot im eigenen Sachenrecht gänzlich unbekannt, so wird er auch ein im ausländischen Ehegüterrecht anzutreffendes Verfügungsverbot nicht zur Wirkung kommen lassen. Bestehen keine Bedenken, Verfügungsverbote eines ausländischen Güterstatuts mit dinglicher Wirkung auf inländische Gegenstände zu berücksichtigen, so kann doch das ausländische Güterrechtsstatut möglicherweise einem Erwerber nur dann entgegengehalten werden, wenn ihm bekannt war, daß der Veräußerer durch ausländisches Güterrecht gebunden war, oder wenn er sich diese Kenntnis mit Rücksicht auf eine Eintragung in einem öffentlichen Register des Lagestaates hätte beschaffen können, vgl. dazu S. 708. Unhaltbar ist ein Anspruch des Heimat- oder Wohnsitzstaates, auf Grund von Verfügungsbeschränkungen seines anwendungswilligen Güterrechts die Gültigkeit einer Übertragung von ausländischen Monopolrechten zu bestreiten, obwohl sie vom Lagestaat bejaht werden. Der Anspruch des Heimatstaates, die Verfügung über ein im Ausland belegenes Monopolrecht eines vollgeschäftsfähigen Staatsangehörigen von der Genehmigung einer Behörde des Heimatstaates abhängig zu machen, und bei Verletzung des Verbots die Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts zu verneinen, wird im allgemeinen im Lagestaat gänzlich ignoriert werden; insbesondere ist es im Lagestaat unbeachtlich, wenn der Heimatstaat die Verfügung über ausländische Immaterialgüterrechte eines Staatsbürgers von seiner Genehmigung abhängig machen will: BGH, IPRsp 1975, N r . 118. Der Erlaß eines öffentlich-rechtlichen Verbots des Heimat- oder Wohnsitzstaates, Verfügungsgeschäfte über Gegenstände im Ausland ohne Genehmigung vorzunehmen, ist jedoch nicht völkerrechtswidrig. Wohl aber darf der Staat, der ein solches Verbot erläßt, nicht etwa auch denjenigen bestrafen wollen, der als Staatsangehöriger des Lagestaates von dem Rechtsinhaber ohne Genehmigung des Heimatstaates erwirbt. Kommt die veräußerte Sache in der Hand des Erwerbers oder eines Nacherwerbers in den Heimatstaat des früheren Eigentümers, so ist Rückgängigmachung des Eigentumsübergangs völkerrechtlich nicht unzulässig, jedoch wohl nur gegen Entschädigung, wenn der Erwerb gutgläubig erfolgte. Manche Staaten verbieten ihren Staatsangehörigen, zur Kriegführung wichtige Sachen, die sie im Ausland besitzen, ohne Genehmigung weiterzugeben. 7 In einigen kanadischen Provinzen (z. B. Ontario), w o die Befugnisse der Eltern sich im Zweifel nicht auf das Kindesvermögen beziehen, nimmt ein „official guardian" in zahlreichen Einzelfällen die Interessen des Kindes an eigenem Vermögen wahr, ohne jedoch generell gesetzlicher Vertreter zu sein. Der official guardian ist zugleich guardian ad litem in Vermögensstreitigkeiten, an denen das Kind beteiligt ist. Die maßgebliche Inlandsverknüpfung dürfte, auch wenn das im Gesetz nicht gesagt ist, die Inlandsbelegenheit von Kindesvermögen sein. 7 a Es geht nicht bloß darum, ob das Bestandsstatut des Monopolrechts seine eigenen Bestimmungen über Geschäftsfähigkeit als anwendbar erklären, oder auf die Bestimmungen im Personalstatut der am Verfügungsgeschäft Beteiligten verweisen sollte, sondern vor allem darum, ob andere Staaten als der Lagestaat die dort geltende Lösung durch Gesamtverweisung anerkennen, oder ob sie durch selbständige Zuweisung der Teilfrage nach der Geschäftsfähigkeit bei Verfügungsgeschäften in ihrer Rechtsordnung eine Vorstellung über die dingliche Rechtslage im Ausland schaffen sollten, die dem
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nicht entspricht, was im Lagestaat gilt. Daß die persönliche Haftung für ein vertragliches Versprechen, einen im Lagestaat wirksamen Ubergang des Monopolrechts herbeizuführen, dem Recht des Lagestaates nur dann untersteht, wenn dieses Recht als Geschäftsstatut gewählt, oder als gesetzliches Geschäftsstatut maßgebend ist, ist eine andere Sache. Eine andere Sicht der Dinge bei Batiffol, Bd. 2, S. 172 ff. 8 Der zur Verfügung über Monopolrechte eines Geschäftsunfähigen im Ausland ermächtigte gesetzliche Vertreter wird zumeist den Rechtsinhaber auch schon bei der faktischen Ausübung des Monopolrechts, also z. B. im Besitz der Sache, vertreten sollen. Die vom englischen Recht her kommenden Kollisionsrechte verpflichten im allgemeinen Eltern und Vormünder, die die Sorge für das Vermögen eines Kindes haben, nicht, diese Sorge auch für ausländische Grundstücke auszuüben; das Gericht, welches Eltern oder Vormünder am Wohnsitz des Kindes kontrolliert, betrachtet sich daher auch nicht als zuständig, Verfügungen über ausländische Grundstücke zu genehmigen. Bemerkenswerterweise ist die Vormundstellung des Ministers nach dem oben S. 510, Anm. 11, erwähnten australischen Gesetz über eingewanderte Kinder in bezug auf die Person unbeschränkt, in bezug auf das Vermögen hingegen ausdrücklich beschränkt auf das in Australien befindliche Vermögen des eingewanderten Kindes. 8 a Ohne neuen Staatsakt will der Manitoba Child Weifare Act 1974, sec. 106, in Manitoba nicht nur die Personensorgeregelung durch ein Gericht des Landes anerkennen, in dem die Eltern geschieden wurden, sondern will der von dem Scheidungsgericht benannten Person in Manitoba auch die Rechte eines Vormundes im Sinne des Manitoba-Rechts verschaffen. 9 Die Frage wird praktisch aktuell, wenn ein Minderjähriger oder Geisteskranker, dessen im Heimatund Wohnsitzstaat belegenes Vermögen unter elterlicher oder vormundschaftlicher Verwaltung steht, Grundeigentum in einem anderen Staat durch Erbfolge erwirbt. Dann kann der gesetzliche Vertreter im Heimat- oder Wohnsitzstaat guten Grund haben, die Verantwortung für die Wahrung der Interessen des geschäftsunfähigen Eigentümers in bezug auf den ausländischen Grundbesitz zu meiden, wenn er sie nicht nach dem Recht des Heimat- oder Wohnsitzlandes übernehmen muß. Der Lagestaat kann solche Eltern oder Vormünder nicht gegen ihren Willen mit der Verantwortung belasten; es ist deshalb unzweckmäßig, wenn er sie bis zur ausdrücklichen Ablehnung als gesetzliche Vertreter betrachtet, und es ist vorzuziehen, wenn sie im Lagestaat nur mit ihrem Einverständnis jeweils ausdrücklich zum Pfleger bestellt werden, oder daß mit ihrem Einverständnis ein örtlicher Pfleger bestellt wird. In manchen Ländern des englischen Rechts bedarf es sogar einer gesetzlichen Bestimmung, um die Rechtsstellung des Vormundes innerhalb des Staates, wo er bestellt worden ist, auch außerhalb des Sprengeis des ernennenden Gerichts wirksam zu machen, vgl. Manitoba Child Weifare Act 1974, ch. 30, sec. 109 (5). 1 0 Auch wenn die Voraussetzungen für eine Vormundschaft oder Pflegschaft nach ausländischem Recht zu beurteilen waren, sind „Inhalt und Wirkungen" einer von einem deutschen Gericht angeordneten Vormundschaft oder Pflegschaft nach deutschem Recht zu beurteilen: RGZ 170, 198; BayObLG, IPRsp 1 9 6 2 - 6 3 , Nr. 142. 1 0 a Vgl. oben S. 494. 1 1 Das Vormundschaftsgericht im Heimatstaat des Geschäftsunfähigen kann durch Gesetz ermächtigt werden, die Prüfung der Frage, ob die Verfügung über einen Vermögensgegenstand dem Wohl des Geschäftsunfähigen dient, den Gerichten des Staates zu überlassen, der Lagestaat und oft zugleich Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschäftsunfähigen ist. 1 2 Der Lagestaat eines Monopolrechts ist kaum völkerrechtlich legitimiert, einem im Ausland wohnenden nicht geschäftsfähigen Ausländer einen gesetzlichen Vertreter nur zu dem Zweck zu bestellen, um ihm den — mit Belastungen oder gar Schuldaufnahme verbundenen — Erwerb von Grundeigentum usw. zu ermöglichen. Sind in mehreren Staaten verschiedene Personen als gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen bestellt, von denen jede nach dem Recht, auf Grund dessen sie bestellt ist, in der gleichen Sache zuständig zu sein behauptet, so sollte nicht ausgeschlossen sein, daß die sämtlichen gesetzlichen Vertreter gemeinsam tätig werden, oder daß einer nachträglich die Akte der anderen genehmigt, oder auch nur „vorsorglich" genehmigt. Dann sollte in heterogen verknüpften Situationen aber auch das zur Genehmigung von Akten eines gesetzlichen Vertreters zuständige Gericht trotz Zweifels daran,
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ob das für die Vertretungsmacht dieser Person maßgebliche Gesetz im konkreten Fall wirklich anwendbar ist, eine „vorsorgliche" Genehmigung erteilen dürfen. Die deutsche Rechtsordnung erkennt, solange nicht eine Vormundschaft in Deutschland über einen geschäftsunfähigen Ausländer gemäß deutschem Recht eingerichtet ist, die im Heimatstaat des Ausländers in dessen Heimatrecht vorgesehene Verfügungsbefugnis seines gesetzlichen Vertreters über deutsches Vermögen an, wenn nicht schon die Geschäftsfähigkeit vom Standpunkt des deutschen internationalen Privatrechts her nach deutschem Recht zu beurteilen und zu bejahen ist, vgl. Art. 7 (3) EGBGB. Verweist das internationale Privatrecht des Heimatstaates bezüglich der Geschäftsfähigkeit oder der Regelung der gesetzlichen Vertretung auf ein anderes anwendungswilliges Recht, so ist dieses anzuwenden. Als gesetzlicher Vertreter kann, mangels einer nach Maßgabe des Rechts des Heimatstaates befugten Person, bei Verfügungsgeschäften über Vermögensgegenstände in Deutschland auch ein nach deutschem Recht bestellter und mit den Befugnissen des deutschen Rechts ausgestatteter Vormund oder Pfleger auftreten, wenn eine Vormundschaft oder Pflegschaft „im Inland" gemäß Art. 23 EGBGB angeordnet worden ist. Voraussetzung für eine solche Anordnung ist wiederum, daß bei einem Ausländer der Heimatstaat die „Fürsorge nicht übernimmt", d. h. daß er keinen Vormund oder Pfleger bestellt, oder daß er zwar einen Vormund oder Pfleger bestellt, aber diese nicht zur Verwaltung von Vermögen außerhalb dieses Staates ermächtigt; weitere Voraussetzung für die Einrichtung einer deutschen Vormundschaft oder Pflegschaft ist, daß der geschäftsunfähige Ausländer entweder Wohnsitz oder Aufenthalt in Deutschland hat, oder daß das Bedürfnis der Fürsorge sich in Deutschland bemerkbar macht; das letztere kann der Fall sein, wenn etwa zur Erhaltung des Wertes eines in Deutschland befindlichen Vermögensgegenstandes für den geschäftsunfähigen Ausländer eine Veräußerung angebracht ist. Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Erstreckung gesetzlicher Vertretungsmacht für Verfügungsgeschäfte auf das Auslandsvermögen des Mündels, und eine Verpflichtung zur Anerkennung solcher Vertretungsmacht im Lagestaat ergaben sich ziemlich klar aus Art. 6 der Haager Konvention von 1902 betreffend Vormundschaft über Minderjährige. In dieser Bestimmung war ein Vorbehalt bezüglich solcher Grundstücke enthalten, die nach dem Recht des Belegenheitsstaates einer besonderen Güterordnung unterliegen. Nach der neuen Konvention über den Schutz Minderjähriger vom 5. 10. 1961 dürften die in den Vertragsstaaten anzuerkennenden „Maßnahmen zum Schutz des Vermögens" von Kindern, soweit sie durch den Heimatstaat oder den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts getroffen werden, nicht nur die Bestellung einer zur Verwaltung von Vermögen befugten Person umfassen, sondern auch die damit verbundene Erteilung einer Befugnis zu Verfügungsgeschäften im Namen des Mündels einschließen. Daß die „Gefahrenzuständigkeit" und die „Dringlichkeitszuständigkeit" der Art. 8 und 9 der Konvention die Bestellung eines Pflegers zu Verfügungsgeschäften durch den Lagestaat umfaßt, kann angenommen werden. RG, IPRsp 1931, N r . 85, ging für das vertraglich ungebundene deutsche internationale Privatrecht davon aus, daß das für Verfügungsgeschäfte über deutsches Grundvermögen von Minderjährigen bezüglich der Geschäftsfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung maßgebliche Heimatrecht auch über das zur Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zuständige Gericht entscheide. Selbst wenn dieses Recht die konkurrierende Zuständigkeit eines deutschen Gerichts anerkenne, sei doch das deutsche Vormundschaftsgericht bei ausländischen Minderjährigen gemäß deutschem Recht nicht zur Erteilung der Genehmigung befugt, wenn der Heimatstaat des Kindes die Übernahme der Fürsorge nicht generell abgelehnt hat. Dies wurde aus Art. 23 EGBGB entnommen, obwohl für die Frage, welcher Elternteil der gesetzliche Vertreter des Kindes ist, das anwendbare Recht über Art. 19 bestimmt wurde. Das allein ist schon ein genügender Grund, um die Ansicht zu verwerfen, aus dem EGBGB ergebe sich, daß das deutsche internationale Privatrecht einen solchen Anspruch auf Anwendung der deutschen Bestimmungen betreffend Geschäftsfähigkeit und Vertretung von geschäftsunfähigen Deutschen auch bezüglich der Verfügung über ausländische Grundstücke ohne Rücksicht auf die nicht durch Vertrag gebundene Haltung des Lagestaates erhebe, weil Art. 7 (3) EGBGB ausdrücklich nur die Anwendung deutschen Rechts in seiner Eigenschaft als lex loci actus bei Verfügungen über Grundstücke von Ausländern im Ausland ausschalte, und weil Art. 28 EGBGB die in Art. 7 und Art. 23 vorgesehene Anwendbarkeit des Personalstatuts nicht zugunsten der lex rei sitae einschränke. Erst recht ist es absurd, eine vom Standpunkt des Heimatstaates eines Ausländers bean-
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standete Verfügung über Grundstücke in einem dritten Staat für die deutsche Rechtsordnung als ungültig zu betrachten, obwohl sie vom Standpunkt des Lagestaates her vollgültig ist. Das geltende Recht für die Anwendbarkeit deutschen Rechts als Heimatrecht bzw. als Lagerecht bei der Übertragung von Monopolrechten sieht im wesendichen wie folgt aus: Der verfügungsunfähige Deutsche hat einen zu Verfügungsgeschäften über die in Deutschland belegenen Vermögensgegenstände stets befugten gesetzlichen Vertreter, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt, in Gestalt der Eltern, solange diesen nicht die „elterliche Gewalt" durch ein deutsches Gericht, oder durch ein vom deutschen Standpunkt her mit internationaler Zuständigkeit ausgestattetes ausländisches Gericht entzogen worden ist. Sind die ausländischen Eltern eines ausländischen Kindes nach ihrem anwendungswilligen Heimatrecht nicht gesetzliche Vertreter mit Verfügungsbefugnis über das Kindesvermögen, oder handelt es sich um einen in Deutschland entmündigten volljährigen Deutschen, so ist es stets möglich, daß ein deutsches Gericht einen Vormund bestellt, der selbstverständlich dann auch über deutsches Vermögen des Mündels verfügen kann, vgl. § 36 (2) FGG. Eine solche „deutsche" Vormundschaft kann aber an den Staat des ausländischen Wohnsitzes oder Aufenthalts des Mündels „abgegeben" werden, vgl. § 47 FGG. Dann ist derjenige, der Vormund kraft des Rechtes des Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaates ist, sicher vom Standpunkt des deutschen Rechts her zu Verfügungsgeschäften über die in Deutschland belegenen Gegenstände befugt, sofern ihn auch das Recht des Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaates mit solcher Verfügungsmacht ausstattet. Das gleiche gilt, wenn im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat ein Vormund für den nach deutschem Recht einer Vormundschaft bedürftigen Deutschen gemäß dem Recht des Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaates schon besteht, und die Anwendung einer deutschen Vormundschaft unterbleibt. Mangels eines auf diese Weise zu Verfügungsgeschäften befugten allgemeinen gesetzlichen Vertreters, oder wenn ein solcher an der Ausübung seiner Vertretungsmacht gehindert ist, kann auch die Belegenheit von Vermögensgegenständen in Deutschland und das Bedürfnis, im Interesse einer geschäftsunfähigen Person ein Verfügungsgeschäft vorzunehmen, Anlaß dafür sein, daß einem deutschen oder ausländischen Staatsangehörigen zu diesem besonderen Zweck ein Pfleger in Deutschland bestellt wird. Ob die Inanspruchnahme der Anwendbarkeit des deutschen Rechts für die Geschäftsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung eines geschäftsunfähigen Deutschen wirklich bedeutet, daß in Deutschland ein Verfügungsgeschäft über ausländisches Eigentum usw. entgegen dem Standpunkt des Lagestaates betreffend Geschäftsfähigkeit und gesetzliche Vertretung als ungültig betrachtet werden muß, ist zu bezweifeln, aber nicht durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Verschafft der zwar im Heimatstaat, aber nicht im Lagestaat anerkannte gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen, der in dessen Namen eine Sache des Mündels verkauft hat, dem Käufer den Besitz der Sache, und wird sie diesem von dem im Lagestaat allein anerkannten gesetzlichen Vertreter des Verkäufers wieder abgenommen, weil dieser mit dem Vertrag nicht einverstanden ist, so liegt keine ausreichende Befriedigung der Ansprüche des Käufers aus dem Kaufvertrag auch vom Standpunkt des Landes vor, wo der obligatorische Vertrag als gültig zustandegekommen gilt, vgl. S. 623. Ob eine natürliche Person, die nicht bereits kraft des auf ihre Geschäftsfähigkeit anwendbaren Rechts mit Rücksicht auf persönliche Eigenschaften generell geschäftsunfähig ist, durch Entmündigung geschäftsunfähig gemacht werden kann, dafür wendet der Staat, der seine Gerichte als zur Entmündigung zuständig erklärt, wohl stets sein eigenes Recht an, aber sieht internationale Zuständigkeit seiner Behörden nur auf Grund einer persönlichen Dauerverknüpfung zum Inland (Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz) vor. Es ist möglich, daß im Heimatstaat eine konkurrierende Zuständigkeit des Wohnsitzstaates (seiner Gerichte und seines Rechts) anerkannt wird, bzw. umgekehrt. Daß der Lagestaat von Vermögensrechten eine auf das Inland beschränkte Entmündigung eines im Ausland wohnenden Ausländers durch seine Gerichte unter Anwendung seines Rechts in Anspruch nimmt, ist zwar nicht völkerrechtlich unzulässig, aber kaum gebräuchlich. Der Lagestaat bestimmt also im allgemeinen selbst, ob Heimatstaat oder Wohnsitzstaat, oder beide, vom Standpunkt des Lagestaates her Zuständigkeit zur Entmündigung einer volljährigen natürlichen Person haben sollen; er bestimmt auch, ob die Entmündigung durch einen zuständigen Staat im Lagestaat automatisch Gültigkeitshemmnis für Verfügungsgeschäfte wird, oder erst nach förmlicher Anerkennung des Entmündigungsaktes, oder erst nach Bekanntgabe der Entmündigung im Inland (letzteres sieht z. B. das schwedische Recht vor). Der Lagestaat kann die Anerkennung der Entmündigung durch den als
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zuständig betrachteten Staat bei sich davon abhängig machen, daß nicht Entmündigungsgründe verwendet wurden, die kraß von dem eigenen Recht des Lagestaates abweichen. Erkennt der Lagestaat die ausländische Entmündigung nicht als Gültigkeitshemmnis für das Verfügungsgeschäft an, so gelangen Grundstatutsmethode und Mosaikmethode zu unterschiedlichen Ergebnissen, ähnlich wie es der Fall ist, wenn der Lagestaat Geschäftsfähigkeit bejaht, hingegen etwa der Heimatstaat mit seinem Recht, welches die Geschäftsfähigkeit verneint, anwendungswillig ist. Die Vertretung einer abwesenden geschäftsfähigen Person durch einen Abwesenheitspfleger erfaßt nach deutschem Recht möglicherweise auch Verfügungsgeschäfte, soweit sie im Interesse des Abwesenden notwendig werden. Nach deutschem Recht wird ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit ein Abwesenheitspfleger durch das deutsche Wohnsitzgericht oder durch das Gericht am Lageort von Vermögen als dem Ort bestellt, wo das „Bedürfnis der Fürsorge hervortritt", vgl. § 139 FGG; überdies besteht stets eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Bestellung von Abwesenheitspflegern für deutsche Staatsangehörige. Es kann angenommen werden, daß eine entsprechende internationale Zuständigkeit der Gerichte des ausländischen Heimat- oder Wohnsitzstaates zur Bestellung eines Abwesenheitspflegers anerkannt wird, und daß dessen Fähigkeit zu Verfügungen über in Deutschland belegene Vermögensgegenstände angenommen wird, sofern sie nicht von dem bestellenden Staat ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Dasselbe gilt, wenn von dem angemessenen Erlös aus dem Verkauf in Aussicht genommen ist, daß er als „Feindvermögen" zu Reparationszwecken verwendet werden soll. Der Lagestaat darf, wenn nicht Verbote in einem Staatsvertrag bestehen, den ausländischen Eigentümer eines Landgutes verpflichten, das Gut zu bewirtschaften, aber auch es selbst zu bewirtschaften, wenn entsprechende Bestimmungen auch für Inländer gelten. Bei Nichtbefolgung einer solchen Vorschrift darf der Lagestaat dem Eigentümer aufgeben, das Gut zu veräußern, und er darf, wenn eine freiwillige Veräußerung nicht erfolgt, dem Eigentümer zu diesem Zweck einen gesetzlichen Vertreter bestellen. Vgl. S. 483. Vgl. S. 747. Die zentralen Exekutivorgane des Regimes, welches effektiv auf fremdem Staatsgebiet herrscht und von der Regierung eines anderen Staates als völkerrechtlich vertretungsbefugt anerkannt ist, sind in diesem anderen Staat auch zur Veräußerung von Staatseigentum, das in dem Gebiet des anderen Staates belegen ist, befugt; die Organe, die völkerrechdiche Verträge abschließen können, sind auch zu einem privatrechtlichen Verfügungsgeschäft legitimiert. Organe eines im Ausland noch anerkannten, aber nicht mehr effektiven Regimes können Eigentum ihres Staates im Ausland nicht in der Weise übertragen, daß das später auch im Ausland anerkannte effektive Regime die Veräußerung gegen sich gelten lassen müßte. Beschränkungen der Vertretungsbefugnis der Regierung zur Verfügung über Staatseigentum im Verfassungsrecht wird ein anderer Lagestaat nur dann beachten, wenn sie unbestritten und auch im Ausland bekannt sind. Uber die Notwendigkeit der Zustimmung des Kongresses der Vereinigten Staaten zur Veräußerung von Eigentum der Vereinigten Staaten in anderen Ländern durch einen vom Präsidenten geschlossenen und vom Senat gebilligten völkerrechtlichen Vertrag vgl. U.S. Digest Int. L. 1977, 343 ff. Der „öffentliche Verwalter" nach dem österreichischen „Verwaltergesetz" von 1952 ist im Gegensatz zu einem privatrechtlichen Pfleger vom österreichischen Recht selbst auf die Verwaltung des in Österreich belegenen Vermögens beschränkt, vgl. O b G H Wien, ZRvgl. 1968, 210. So bei der Bestellung von „Treuhändern" für Geschäftsbetriebe rassisch Verfolgter unter dem nationalsozialistischen deutschen Recht; vgl. Frankfurther vs. Exner Ltd., [1947] Ch. 629. Enteignungsgleiche „Treuhänder"einsetzungen in anderen Staaten wirken nicht bezüglich der in der Bundesrepublik belegenen Vermögensgegenstände: BGH, IZRsp 1945 — 53, Nr. 16; 1954 — 57, Nr. 215; 1958-59, N r . 1. Die Bestellung eines Abwesenheitspflegers durch den Heimatstaat, die dazu dienen soll, daß der betreffende Staat selbst Vermögen des Abwesenden an sich zieht, ist in Deutschland nicht anzuerkennen: KG, IPRsp 1962 —63, N r . 55. Von einer Befugnis zu Verfügungsgeschäften des gegen den Willen des Rechtsinhabers bestellten Verwalters, der im Heimat- oder Wohnsitzstaat des Rechtsinhabers eingesetzt wurde, kann im Lagestaat nicht die Rede sein, wenn dem Verwalter schon die nicht in Verfügungen bestehende Ausübung seines Amtes verweigert wird. Das gilt nicht nur für Verwalter auf Grund politischer Gesetze, sondern auch von solchen vorläufigen Verwaltern, die während eines Ermittlungsverfahrens zur Verhütung von betrügerischen Geschäften eines Geschäftsinhabers eingesetzt werden; das
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gilt auch, wenn es sich um Verwalter handelt, die in einem Untersuchungsverfahren wegen Vergehens gegen öffentliches Wirtschaftsrecht eines Landes eingesetzt worden sind. Das englische Gericht sieht in dem auf Antrag der US Securities and Exchange Commission von einem amerikanischen Zivilgericht bestellten receiver, der die Aufgabe hat zu verhüten, daß eine Gesellschaft betrügerische Machenschaften fortsetzt, einen „public officer" der „financial police" der Vereinigten Staaten, dessen Befugnisse öffentlich-rechtliche seien, und daher vom englischen Gericht nicht auf englisches Vermögen erweitert werden dürfen, vgl. Schemmer v. Project Resources Ltd., [1974] 3 W. L. R. 406, 415. Das südafrikanische Recht erfordert grundsätzlich, daß, ehe jemand, der gemäß ausländischem Recht der gesetzliche Vertreter einer Person ist, deren Vermögen in Südafrika in Besitz nehmen oder ihre Forderungen an Dritte einklagen kann, eine Anerkennung seiner Vertretungsbefugnis durch ein südafrikanisches Gericht erfolgt. Das Gericht kann dann die Anerkennung davon abhängig machen, daß jener gesetzliche Vertreter einer ausländischen Person mit Vermögen in Südafrika dort einen Gerichtsstand auch für Verfahren gegen diesen gesetzlichen Vertreter begründet, und daß Maßnahmen zum Schutz südafrikanischer Gläubiger getroffen werden. Dieses Verfahren gilt nicht nur für die durch Gerichtsakte bestellten gesetzlichen Vertreter, sondern auch für die durch Privatrechtsgeschäft benannten und durch Gerichtsakt nur bestätigten Vertreter, und schließlich auch für die durch Testament bestellten Verwalter oder Treuhänder dessen, was einer Person zugewendet worden ist, vgl. Liquidator Rho. Plastics v. Elvinco Plastic Products, [1959] 1 S. A. 868. Ist einer juristischen Person vom Sitzstaat ein „Liquidator" bestellt worden, um ihre Enteignung vorzubereiten, so kann er nicht über in Deutschland belegenes Vermögen verfügen: O L G Kiel, IPRsp 1 9 5 8 - 5 9 , Nr. 107. Die Billigung des Verkaufs des Geschäftsvermögens durch einen im KZ festgehaltenen jüdischen Eigentümer wurde bezüglich der in England wirksamen Urheberrechte durch die englischen Gerichte als unwirksam betrachtet: Novello & Co. vs. Hinrichsen Edition Ltd., [1951] Ch. 595. Soweit es sich um bewegliche Sachen handelte, die unter Druck in Deutschland veräußert und vom ausländischen Lageort nach Deutschland gebracht wurden, wurden sie von der deutschen Rückerstattungsgesetzgebung erfaßt, vgl. S. 632, Anm. 15. Begründet der Heimat- und Wohnsitzstaat in seinem öffentlichen Recht eine Verpflichtung zur Ablieferung von Gold oder Wertpapieren, die in ausländischen Banken verwahrt werden, können diese aber auf Grund der Devisengesetze des Verwahrungsortes gar nicht aus diesem Land entfernt werden, so mag zur Durchführung der Ablieferungspflicht der Rechtsinhaber aufgefordert werden, das Depot etwa an die Zentralbank seines Heimatstaates abzutreten. Auch wenn sich die verwahrende Bank zumeist in ihren Geschäftsbedingungen das Recht vorbehält, jede vom Kunden unterzeichnete Verfügung ohne nähere Prüfung auszuführen, kann es doch Fälle geben, in denen die Bank sich weigert, und wo es dann im Lagestaat des Verfügungsobjekts zu einer gerichtlichen Klärung der Frage kommt, ob die vom Heimatstaat verfügte Ablieferungspflicht nicht eine verkappte Enteignung darstellt. Wurde der Eigentümer vom Heimatstaat genötigt, einer Person eine Vollmacht zu erteilen, die sich nur nach den Weisungen der Regierung richtet, so muß eventuell ein im Lagestaat betellter Abwesenheitspfleger die Mangelhaftigkeit der Vollmacht geltend machen. Ob eine Übertragung von Vermögensrechten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden nur unter ausdrücklicher Einzelangabe der von der Verfügung betroffenen Gegenstände möglich ist, oder ob auch eine Verfügung zulässig ist, die sich z. B. auf alle von dem Verfügenden zu einem bestimmten Zeitpunkt innegehabten Gegenstände bestimmter Art beziehen will (etwa „alle Grundstücke" des Verfügenden), bestimmt zweifellos der Lagestaat mit seinem eigenen Recht. Dieses Recht bestimmt daher auch, ob für solche globalen Verfügungen Erfordernisse preisgegeben werden, wie sie bei Einzelverfügungen bestehen (also z. B. Ubergabe des Besitzes bei der Verschaffung des Eigentums an Sachen), oder umgekehrt, ob qualifizierte Formen erforderlich sind, selbst wenn die zu übertragende Masse nur Gegenstände umfaßt, die einzeln formlos übertragen werden könnten. Es würde der Gestaltung des internationalen Erbrechts (vgl, S. 680) entsprechen, wenn für Verfügungen über das gesamte Vermögen eines Privatrechtssubjekts unter Lebenden eine besondere Zuweisungsnorm gebildet würde, die eine persönliche Verknüpfung des Betreffenden (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) zugrunde legt, um die Einheitlichkeit des anwendbaren Rechts zu gewährleisten. Da Übertragungen des Vermögens einer natürlichen Person, die wirklich alle ihr gehörigen Gegenstände umfassen, praktisch nicht vorkommen — auch bei Veräußerung des gesamten 1035
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Vermögens gegen ein Leibrentenversprechen behält der Veräußerer seine persönlichen Gebrauchsgegenstände —, dürfte auch für solche Verträge doch jeder Lagestaat sein eigenes Recht zur Anwendung bringen. Das gilt infolgedessen auch, wenn- ein Konkursverwalter die gesamte Konkursmasse, die sich auf mehrere Länder erstreckt, global veräußert. Daß der Heimat- oder Wohnsitzstaat einer Person den Konkursverwalter mit der Konkurseröffnung zu einem (treuhänderischen) Eigentümer der einzelnen Gegenstände in der Konkursmasse werden läßt, ist für andere Lagestaaten, welche ihrem Konkursverwalter nur Verwaltungs- und Veräußerungsbefugnisse geben, allein noch kein Grund, um den globalen Erwerb des Vermögens des Gemeinschuldners durch den Konkursverwalter anzuerkennen. Uber Gesamtnachfolge in das Vermögen juristischer Personen bei Fusion usw. vgl. S. 746. Vereinbarung des auf den Eigentumsübergang maßgeblichen Rechts zwischen Verkäufer und Käufer hält schon BayObLG, IPRsp 1934, Nr. 24, für möglich. Wenn im Verhältnis zwischen den unmittelbar Beteiligten bei Verfügungen über bewegliche Sachen das anwendbare Recht im Zusammenhang mit der Wahl des Schuldstatuts für den obligatorischen Vertrag gewählt werden kann (so O L G Hamburg, IPRsp 1960—61, Nr. 72), so kann das allerdings auch nur bedeuten, daß in den schuldrechdichen Beziehungen zwischen den Parteien die sachenrechtlichen Fragen so beurteilt werden sollen, als ob sie dem gewählten Sachenrecht unterstünden, vgl. oben S. 489f. Nach Art. 106 des schweizerischen Entwurfs für ein IPR-Gesetz können die Parteien Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dem Recht des Abgangs- oder des Bestimmungsstaates, oder dem Geschäftsstatut des begründenden Rechtsgeschäfts unterstellen. Die Rechtswahl kann aber Dritten nicht entgegengehalten werden. Das Haager Abkommen vom 15. 4. 1958 betreffend den Eigentumsübergang an beweglichen Sachen bei international verknüpften Verkäufen ist von der Bundesrepublik nicht übernommen worden. Auch dieses Abkommen unterscheidet zwischen dem Ubergang des Eigentums im Verhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrages und dem Eigentumsübergang mit Wirkung gegenüber Dritten. Nach § 13 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR regelt das Geschäftsstatut für den Kaufvertrag auch den Ubergang des Eigentums an der verkauften Sache. Die Bestimmung könnte natürlich auch als einseitige Zuweisungsnorm nur bei Belegenheit der Sache in der DDR gelten wollen. Inwieweit das Recht des Lagestaates den Wechsel der Inhaberschaft an Monopolrechten durch Verfügungsgeschäfte "abstrakt" gestaltet, bzw. ob das Recht des Lagestaates die Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts von dem Bestehen einer ausreichenden causa abhängig macht, ist seine Sache. Es ist nicht zu sehen, wie andere Staaten ihren Standpunkt, es liege ein gültiges Kausalgeschäft vor, durchsetzen könnten, wenn es um die Beurteilung der Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts geht, und der Lagestaat das Vorhandensein einer causa verneint. Der vereinbarte Eigentumsvorbehalt des Verkäufers wird u. U. nicht sofort, sondern erst dann wirksam, wenn die Ware das Land verläßt, in dem der Vorbehalt zunächst unwirksam war: BGH, IPRsp 1966 — 67, Nr. 54. Der schweizerische Entwurf bestimmt in Art. 105: „Wird an einer Ware, die zur Ausfuhr aus der Schweiz bestimmt ist, ein Eigentumsvorbehalt begründet, so bestimmen sich dessen Gültigkeit und Wirkungen nach dem Recht des Bestimmungsstaates." Eine Ausnahme gilt, wenn die vom Verkäufer selbst beförderte Sache auf dem Transport etwa einem Beauftragten des Erwerbers übergeben wird; da hier der Ort der Ubergabe nicht zweifelhaft sein kann, kann nach dem Sachenrecht dieses Ortes beurteilt werden, ob das Eigentumsrecht übergegangen ist, soweit nicht eine andere Rechtswahl erfolgt. Das ist normalerweise das Bestimmungsland, doch kann die transportierte Sache auch in einem dritten Land zur Ruhe kommen. Nur das Bestimmungsland soll nach Art. 103 des schweizerischen Entwurfs für Erwerb und Verlust dinglicher Rechte an der im Transit befindlichen Sache maßgeblich sein. Nach der nicht ganz sicheren deutschen Rechtsprechung sind beim Versendungskauf nacheinander das Recht des Absendelandes und des Bestimmungslandes unter Ausschluß der Rechte der Transitländer berufen, um über die Frage des Eigentumsübergangs zu entscheiden. Wenn Rechtswahl für das Verfügungsgeschäft als zulässig gelten könnte (vgl. Anm. 26), wäre dies vor allem beim Versendungskauf von praktischer Bedeutung.
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Wäre das Konnossement (was in den meisten Rechten nicht der Fall ist) als Verkörperung des Eigentumsrechts zu verstehen, so wäre Eigentumsübergang an der unter Ausstellung eines Konnossements versandten Sache ebenfalls unter Ausschaltung des Rechts der auf dem Transport berührten Länder zu beurteilen. Art. 108 (1) des schweizerischen Entwurfs will die Vertretungsfunktion des Papiers nicht von der Lage der Sache abhängig machen: „Das im Papier bezeichnete Recht bestimmt, ob ein Papier die Ware vertritt; wenn keine Rechtswahl getroffen wurde, gilt das Recht am Ort der Geschäftsniederlassung des Ausstellers." So ausdrücklich Art. 108 (2) des schweizerischen Entwurfs. Für das deutsche Recht vlg. § 1 SchiffsRG und § 4 (1) der Schiffsregisterordnung. Maßgebend für das auf den Eigentumsübergang anwendbare Recht ist also der Registerort, nicht der davon eventuell verschiedene Heimathafenort des Schiffes. Für das deutsche Recht wird Anwendbarkeit bezüglich rechtsgeschäftlicher Verfügungen über ausländische Schiffe, die nach Deutschland gelangen, nicht in Anspruch genommen, sondern die ausschließliche Anwendbarkeit des Rechtes des ausländischen Registerhafens respektiert. Für das deutsche Recht vgl. §§ 103 — 105 des Luftfahrzeugregistergesetzes, welches dem Genfer Abkommen vom 19. 6. 1948 über die internationale Anerkennung von Rechten an Luftfahrzeugen entspricht. Ein Immaterialgüterrecht kann nur mit Wirkung für das Land, für dessen Gebiet es erteilt ist, im Wege der Zwangsvollstreckung den Inhaber wechseln. Ist völkerrechtlich gesichert, daß ein für mehrere Länder begründetes Recht dieser Art nur einheidich einen anderen Inhaber erhalten kann, so muß ausnahmsweise dem in der Zwangsvollstreckung erfolgenden Obertragungsakt eines einzelnen bevorzugten Staates „exterritoriale" Wirkung verschafft werden. So erfolgt die Übertragung eines europäischen Gemeinschaftspatents nach dem Vertrag vom 15.12.1975 (vgl. Anm. 16 zu S. 480) im Wege der Zwangsvollstreckung für den gesamten Wirkungsbereich des Patents, und zwar im allgemeinen durch Akte der Behörden des Staates, in dem der Anmelder seinen Sitz hatte. Es bleibt im allgemeinen Sache des Lagestaates, ob er Arrestierung und Pfändung von ausfahrbereiten Schiffen und Luftfahrzeugen, insbesondere von solchen, die sich im Transit befinden, beschränken will. Auf Grund völkerrechdicher Verträge ist die Pfändung von Fahrbetriebsmitteln von Eisenbahnen außerhalb des Sitzstaates des Eigentümers eingeschränkt. Vgl. S. 274. Der Übergang des Eigentums an der Sache im Lagestaat wird infolgedessen auch in solchen Staaten anerkannt, die das Urteil selbst nicht anerkannt und vollstreckt hätten. Hat der Kläger durch Prozeßbetrug im Ausland ein Urteil erwirkt, in dem ihm eine bewegliche Sache als sein Eigentum zugesprochen, und auf Grund dessen ihm in der Zwangsvollstreckung der Besitz an der Sache verschafft worden ist, so wäre dem Opfer des Prozeßbetruges nicht geholfen, wenn in einem anderen Staat, in den die Sache dann verbracht worden ist, zwar die Anerkennung des Urteils im früheren Lagestaat abzulehnen wäre, aber dem früheren Eigentümer nur obligatorische Ansprüche zustünden. Zu denken ist an einen im Vergleichsverfahren mit Zustimmung des Schuldners für seinen Geschäftsbetrieb eingesetzten Treuhänder, oder an einen im Einverständnis mit einer verschuldeten Gesellschaft vom Gläubiger bestellten „receiver" unter englischem Recht. Nach § 1 in Verbindung mit § 238 der deutschen Konkursordnung soll ein in Deutschland eröffnetes Konkursverfahren das „ganze" Vermögen des Gemeinschuldners erfassen; das wird dahin verstanden, daß der Konkursverwalter versuchen soll, auch das ausländische Vermögen des Gemeinschuldners zu der vom Konkursverwalter verwertbaren Masse zu ziehen, soweit die ausländischen Lagestaaten dies zulassen. Aus der Bestimmung des § 237 KO, wonach der Auslandskonkurs nicht die Einzelzwangsvollstreckung in das in Deutschland belegene Vermögen des Gemeinschuldners hindert, wird gefolgert, daß der ausländische Verwalter im Konkurs einer natürlichen Person nicht das Recht habe, von dem Besitzer der in Deutschland belegenen Gegenstände, und auch nicht vom Gemeinschuldner, zu verlangen, daß er sie dem Konkursverwalter aushändigt. In der Literatur wird dieser Standpunkt vielfach angegriffen» Da das englische Recht in dem englischen Konkursverwalter nicht einen an fremdem Vermögen befugten Verwalter sieht, sondern einen Ubergang des Rechtstitels an den einzelnen Massegegenständen an den Konkursverwalter als Treuhänder der Gläubiger annimmt, bereitet es dem englischen
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internationalen Privatrecht wenig Schwierigkeiten, eine Erstreckung der Befugnisse des englischen Testamentsvollstreckers auf das gesamte Auslandsvermögen zu postulieren, und umgekehrt den ausländischen Konkursverwalter als Erwerber des Titels an den in England belegenen Vermögensgegenständen (ausgenommen Grundstücke) anzuerkennen. Das letztere geschieht jedenfalls dann, wenn der Konkurs im Domizilstaat des Gemeinschuldners eröffnet wird, oder wenn er in einem anderen Staat auf Antrag oder im Einverständnis des Gemeinschuldners eröffnet wird. Eigener Konkursantrag bzw. Zustimmung des Gemeinschuldners zu dem Verfahren werden dann als Zustimmung zu dem Übergang seines Vermögens auf den Konkursverwalter gedeutet. Nichtsdestoweniger sieht man auch in England ein, daß der englische Konkursverwalter keinesfalls bei Widerstand des ausländischen Lagestaats sich der dort belegenen Gegenstände bemächtigen kann. In anderen Ländern, welche das Konkursverfahren als ein Sonderverfahren des Zivilprozesses oder der Zwangsvollstreckung ansehen, wird die Gerichtsentscheidung zur Eröffnung des Konkurses einem gerichtlichen Gestaltungsurteil gleichbehandelt; es wird infolgedessen bei Konkurseröffnung im Ausland ein förmliches Verfahren zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit der ausländischen Entscheidung durchgeführt. 4 3 a Solche Verträge gelten derzeit für die Bundesrepublik nicht. 4 4 Es gilt dies insbesondere auch von den in einem eventuellen Inlandskonkurs bevorrechtigten, aber im Ausland nicht einklagbaren Steuerrückständen. 4 5 Das würde der Rolle des „ancillary administrator" im Nachlaßabwicklungsverfahren (vgl. S. 692) entsprechen. Uber die Koordinierung von Konkurs- und Vergleichsverfahren in mehreren Ländern vgl. Banque de Financement v. First Nat. Bank of Boston, 568 F. 2d 911 (1977). 4 6 § 71 KO erfordert den inländischen allgemeinen Gerichtsstand des Gemeinschuldners für den deutschen Konkurs über das „ganze" Vermögen. § 238 KO ermöglicht einen deutschen Konkurs über das im Inland befindliche Vermögen, wenn der Schuldner (natürliche oder juristische Person) eine gewerbliche Niederlassung im Inland hat. Ferner kann ein inländisches landwirtschafdiches Gut Objekt eines gesonderten deutschen Konkursverfahrens sein. 4 7 Der schweizerische Entwurf für ein IPR-Gesetz will einem ausländischen Konkurs Wirkung in der Schweiz nur nach formeller Anerkennung und „Vollstreckbarerklärung" der ausländischen Entscheidung (über die Konkurseröffnung) verschaffen. In einem besonderen Verfahren der schweizerischen Gerichte sollen dann aus dem in der Schweiz faßbaren Vermögen Gläubiger mit schweizerischem Wohnsitz, sowie gewisse andere Gruppen von Gläubigern, befriedigt werden. Ein etwaiger Uberschuß soll der ausländischen Konkursverwaltung zur Verfügung gestellt werden, nachdem das schweizerische Gericht auch den endgültigen Verteilungsplan des ausländischen Konkursgerichts anerkannt hat. Ein Vorentwurf zu einem Vertrag der EWG-Staaten betreffend Konkursrecht von 1974 geht davon aus, daß das Gericht an dem in einem Vertragsstaat befindlichen „Verwaltungszentrum" des Gemeinschuldners ausschließliche Zuständigkeit zur Eröffnung des Konkursverfahrens besitzen soll; daneben können in den Vertragsstaaten zuständige Konkursgerichte für solche Gemeinschuldner bestehen, die ihr Verwaltungszentrum nicht in einem Vertragsstaat haben. Jeder in einem Vertragsstaat eröffnete Konkurs soll automatisch das ganze Schuldnervermögen in allen Vertragsstaaten erfassen; die Anerkennung des Konkurses kann jedoch in einem anderen Vertragsstaat durch Klage angefochten werden, wenn sie gegen dessen ordre public verstößt; von bestimmten Gründen besagt der Vertrag, daß sie nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden dürfen. Keine Anerkennung ist vorgesehen, wenn sich der Konkurs auf das Vermögen eines Nichtkaufmannes bezieht. Vollstreckungsbedürftige Entscheidungen des Konkursgerichts werden nach Vollstreckbarerklärung in anderen Staaten vollstreckt. Vorrangige Befriedigung auf Grund von Pfandrechten oder aus anderen Gründen erfolgt unter Anwendung des Rechtes des Lagestaates der haftenden Gegenstände, soweit der Lagestaat dies vorsieht. Die in einem Lagestaat nicht auf Grund eines Vorzugsrechtes aus dem dort befindlichen Vermögen befriedigten öffentlich-rechtlichen Forderungen sollen in anderen Vertragsstaaten als einfache Konkursforderungen berücksichtigt werden. Nicht ganz klar ist es, ob mit der ausschließlichen Zuständigkeit eines Konkursgerichts zur Zulassung von Gläubigern das Kollisionsrecht anderer Länder über das auf den Bestand der Forderung anwendbare Recht gänzlich verdrängt wird, insbesondere wenn sie ohne den Konkurs zur Entscheidung über den Anspruch eines Gläubigers zuständig gewesen wären. Ausdrücklich vorbehalten ist die
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Zuständigkeit der Gerichte anderer Staaten als dessen, wo der Konkurs eröffnet wurde, nur bei öffentlich-rechtlichen Forderungen und Forderungen aus Arbeitsverträgen. 4 8 Vgl. BGH, IPRsp 1962-63, Nr. 226. 4 9 Vgl. RGZ 153, 200; BGH, IPRsp 1960-61, Nr. 157. 5 0 Ein bedingungsloses Wirksamwerdenlassen ausländischer Konkurse im Inland wirkt sich vor allem unbefriedigend aus, wenn eine ausländische Gesellschaft, die sich einerseits mit Krediten der sie beherrschenden Aktionäre überschuldet hat, und deren Aktiven von den beherrschenden Aktionären bereits ausgehöhlt worden sind, in Konkurs gebracht wird, und wenn sie in Deutschland keine Zweigniederlassung unterhält, sondern dort nur einzelne Aktiven und einzelne Gläubiger vorhanden sind: Diese deutschen Gläubiger müßten es dulden, daß der ausländische Konkursverwalter die in Deutschland noch vorhandenen Aktiven an sich nimmt und aus Deutschland entfernt, während sie ihre Ansprüche nur noch im ausländischen Konkursverfahren geltend machen können. Nur wenn wenn sie bereits einen vollstreckbaren Titel haben, können sie trotz der Anerkennung des ausländischen Konkursverwalters in Deutschland vollstrecken. 5 0 a Eine Ausnahme mag gelten, wenn wegen einer Steuerforderung, welcher völkerrechdiche Verbote entgegenstehen, vollstreckt worden ist, und der Erwerber über die Umstände orientiert war. 5 1 Die in Literatur und Rechtsprechung gebräuchliche Fragestellung, ob eine nach einem anwendungswilligen ausländischen Gesetz gültige konkrete Enteignung „im Forumstaat anerkannt" wird oder nicht, ist insofern verwirrend, als sie den Unterschied verwischt zwischen einer Nichtberufung eines anwendungswilligen ausländischen Enteignungsgesetzes (so z. B. des von einem anderen als dem Lagestaat erlassenen Enteignungsgesetzes), und der Nichtanwendung der Enteignungsgesetze des Lagestaates auf die durchweg inzidenter zu beantwortende Frage, wer im Forumstaat als Inhaber des im Ausland belegenen Vermögensrechtes zu gelten hat. Wie aus den oben gemachten Ausführungen hervorgeht, kann auch eine unter der ordre public-Klausel bedenkliche Enteignung durch den Lagestaat dann im Forumstaat unbeanstandet bleiben, wenn für die zu entscheidende Frage keine ausreichende Binnenbeziehung zum Forumstaat besteht. Eine Binnenbeziehung zum Forumstaat, die zur Nichtanwendung ausländischen Enteignungsrechts führt, ist nicht nur die spätere Belegenheit der enteigneten Sache im Forumstaat, sondern kann auch in der Staatsangehörigkeit des Erwerbers der enteigneten Sache, oder in der Kenntnis des Erwerbers von Mißbilligung der Enteignung durch den Forumstaat bestehen, vgl. unten S. 651. Der Eigentumsübergang an beweglichen Sachen durch entschädigungslose Enteignung in Sowjetrußland zu Lasten russischer Staatsangehöriger wurde nach 1918 in einigen westeuropäischen Ländern anerkannt, nachdem die Sachen später aus Sowjetrußland in diese Länder verbracht worden waren. Andere Staaten haben die diskriminierenden Enteignungen des Vermögens rassisch Verfolgter in Deutschland unter dem nationalsozialistischen Recht meist nicht anerkannt; die amerikanischen Gerichte seit der in dem sog. „Täte letter" ausgedrückten Zustimmung der amerikanischen Regierung zu solcher Nichtanerkennung, vgl. Bernstein vs. Ned. Am. Stoomvaart My., (1954) 210 F. 2d 375. 5 3 Für die Bundesrepublik wichtig das Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission vom 31. 8. 1951, und Teil VI Art. 3 des sogenannten Uberleitungsvertrages vom 26. 5. 1952. Enteignungen im Ausland sind auch im Verhältnis zwischen deutschen Staatsangehörigen nach späterer Verbringung des enteigneten Gegenstandes nach Deutschland wirksam, wenn es sich um eine unter das Gesetz Nr. 63 der AHK fallende Enteignung handelt: BGH, IPRsp 1952 — 53, Nr. 294. 5 4 Ist die Geltendmachung der Völkerrechtswidrigkeit eines ausländischen Enteignungsaktes auf völkerrechdicher Ebene Sache der Regierung des zu Restitutionsansprüchen legitimierten Staates, und kann diese Regierung sowohl mit Wirkung im Völkerrecht, als auch mit Wirkung im innerstaatlichen Recht auf einen völkerrechtlichen Restitutionsanspruch verzichten, so ist es vertretbar, wenn in einem Staat die in einem Zivilprozeß vor einem staadichen Gericht aufgeworfene Frage nach der Völkerrechtswidrigkeit ausländischer Enteignungsakte der Regierung des Forumstaates zur Vorabentscheidung vorgelegt werden muß. Plausibel ist auch das Argument, eine Verweigerung des Rechtsschutzes gegenüber dem, der durch ausländischen Enteignungsakt Eigentümer geworden ist, stelle eine Repressalie dar, und hierzu seien nicht die Gerichte, sondern nur die politischen Organe befugt. Wenn man die ordre public-Klausel dahin versteht, daß ausländische Gesetze trotz Berufung in einer abstrakten Zuweisungsnorm des Forumstaates nicht angewendet werden dürfen, wenn 1039
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damit die staatliche Ordnung des Forumstaates gefährdet wird, oder das umgekehrt anwendungswillige ausländische Gesetz auch ohne Berufung in einer Kollisionsnonn beachtet werden sollte, wenn damit ein wichtiges Staatsinteresse des Forumstaates gefördert wird, so ist es vertretbar, wenn diese Entscheidung einem politischen Organ im Forumstaat vorbehalten bleibt, vgl. Anm. 40 zu S. 74. Diese Erwägungen stehen hinter der Handhabung der sog. act of State doctrine in den U S A gegenüber ausländischen Enteignungsakten. Die amerikanischen Gerichte sind hier von einem ungeschriebenen verfassungsrechtlichen Satz ausgegangen, der ihnen die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des einzelnen ausländischen Enteignungsaktes oder des ihm zugrundeliegenden ausländischen Gesetzes mit dem Völkerrecht oder dem amerikanischen ordre public verwehrt, wenn nicht die Bundesregierung eine solche Nachprüfung erlaubt, oder gar selbst über die Frage der Rechtmäßigkeit des ausländischen Staatsaktes entscheidet. D i e Verweigerung der Nachprüfung eines Ubergangs von Sacheigentum durch Staatsakt im Sinne der act of State doctrine entfällt — falls nicht wieder die Regierung Gegenteiliges wünscht —, wenn die enteignete Sache in das Gebiet der Vereinigten Staaten gelangt: Foreign Assistance Act 1961, § 620 (e) (2) (sog. Hickenlooper oder Sabbatino Amendment). Sodann wurde die Frage aufgeworfen, ob die Maßstäbe für die Bewertung ausländischen Enteignungsrechts unter der ordre public-Klausel im gliedstaatlichen Recht oder im Bundesrecht zu suchen seien.
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Kann die Frage der Völkerrechtswidrigkeit eines Enteignungsgesetzes auf völkerrechtlicher Ebene nur zwischen zwei anderen Staaten geklärt werden, so ist es erst recht verständlich, daß die Gerichte im Forumstaat die Erörterung der völkerrechtlichen Vorfrage vermeiden. Cass. R o m , Riv. Dir. Int. 1979, 449, hält es für zulässig, daß das italienische Gericht einem ausländischen Enteignungsgesetz mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel die Anwendung versagt, während es die Frage der Völkerrechtswidrigkeit auch inzidenter nicht prüfen darf, weil dies eine Sache der beteiligten (fremden) Staaten sei. Im Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bestehen entsprechende Hemmungen gegenüber der Zuständigkeit der Gerichte zur Beurteilung ausländischer Enteignungen nicht. Manche nehmen an, es bestehe eine völkerrechtliche Verpflichtung anderer Staaten, auch die völkerrechtswidrige Enteignung von Monopolrechten im Lagestaat durch ihre Gerichte als gültig betrachten zu lassen, und sich gegebenenfalls auf die Geltendmachung völkerrechtlicher Schadensersatzansprüche zu beschränken. Diese Ansicht könnte sich dadurch als bestätigt betrachten, daß Investitionsschutzverträge in Verbindung mit einer Garantie des Heimatstaates für den Investor durchweg nur von einem Ubergang des Entschädigungsanspruchs des enteigneten Investors auf den Heimatstaat sprechen, und sich nicht über „Naturalrestitution" auslassen. Trotzdem dürfte ein Staat, von dessen Gebiet beispielsweise eine Störung des Eigentums an der völkerrechtswidrig enteigneten Sache im Ausland ausgegangen ist, nicht verpflichtet sein, den neuen Eigentümer zu Unterlassungs- und Schadensersatzklagen als legitimiert zu betrachten. Wird die enteignete Sache im Lagestaat von dem früheren Eigentümer dem neuen Besitzer, der nicht gutgläubiger Nacherwerber ist, gewaltsam weggenommen und in einen Staat verbracht, der die Enteignung als völkerrechtswidrig mißbilligt, so mag der Anspruch des neuen Eigentümers auf Herausgabe abgewiesen, ihm aber z. B . Schadensersatz wegen der bei der Wegnahme verursachten Körperverletzung zugesprochen werden. Es bleibt auch dann noch die Frage, ob eine an ein Staatsorgan gerichtete Anregung, einen enteignenden Staatsakt vorzunehmen, wirklich als eine Mitverursachung des Staatsakts anzusehen ist, und ferner, ob in einem Forumstaat (wie in den U S A , vgl. Anm. 54) die unvermeidlicherweise mitzutreffende Entscheidung über die Völkerrechtswidrigkeit des Staatsaktes den Gerichten vorenthalten ist. Trotzdem dürfte die vielerörterte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten von 1909, American Banana C o . vs. United Fruit C o . , 213 U S 347, in wichtigen Punkten als überholt anzusehen sein. Nach der neueren Rechtsprechung können unter gewissen Voraussetzungen auch ausländische Staatsakte von Gerichten der Vereinigten Staaten auf ihre Rechtsgültigkeit überprüft werden, und Deliktsstatut ist nicht mehr notwendig das Recht des Tatortes. So insbesondere die höchstrichterliche französische Rechtsprechung, vgl. die Angaben bei Batiffol, Bd. 2, S. 169. Entscheidungen des B G H zu derselben Frage in Deutschland fehlen. Entscheidungen der Instanzgerichte, wie etwa im Bremer Tabakfall, oder im Hamburger Kupferfall (vgl. die Angaben über die einschlägige Literatur bei Kegel, S. 506), betrafen Enteignungen von Aneignungsrechten, vgl. dazu Anm. 59. Sie können nicht als Quellen für sicheres Gewohnheitsrecht gelten.
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Hat der Eigentümer einer beweglichen Sache sie im Lagestaat ohne die nach dem Recht dieses Staates erforderliche Genehmigung veräußert, gilt der Eigentumsübergang nach diesem Recht als nicht zustandegekommen, und wird die Sache dann unter Verletzung eines Ausfuhrverbotes ins Ausland verbracht, so ist der neue Lagestaat höchstens auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages dem früheren Lagestaat gegenüber verpflichtet, für die Rückführung zu sorgen, so etwa bei „Kulturgütern", vgl. Anm. 37 zu S. 489. Kommt es im neuen Lagestaat zum Zivilprozeß zwischen Privatpersonen, so kann dem Gesetz des früheren Lagestaates, der die Verfügungsbefugnis beschränkt, mit Hilfe der negativen ordre public-Klausel die Anwendung versagt werden, wenn hierin eine entschädigungslose Teilenteignung gesehen wird. Das dürfte wiederum dann nicht der Fall sein, wenn statt der Genehmigungsbedürftigkeit ein gesetzliches Vorkaufsrecht des Lagestaates bestanden hat und nicht beachtet worden ist. Hat der enteignende Lagestaat selbst eine Bestimmung, wonach beim Erwerb des Eigentums vom Besitzer der Sache der gute Glaube des Erwerbers an Eigentum oder Verfügungsbefugnis des Besitzers geschützt wird, so wird diese Vorschrift in einem anderen Forumstaat nicht als ordre public-widrig gelten können. Sie deckt dann auch den Erwerb einer enteigneten Sache durch einen Erwerber, der in Unkenntnis der früheren Enteignung, oder in gutem Glauben an die Rechtmäßigkeit des Enteignungsvorganges „unter dem maßgeblichen Recht" war. Angesichts dessen, daß manche Rechte einen gutgläubigen Erwerb nur an solchen Sachen zulassen, deren Besitz der Eigentümer selbst freiwillig einem anderen überlassen hat, empfiehlt sich offenbar die Bildung von Spezialrecht in einem die Enteigung durch den Lagestaat nicht anerkennenden anderen Forumstaat, und zwar Spezialrecht des Inhaltes, daß einerseits Besitzverlust durch Enteignung einer freiwilligen Besitzaufgabe durch den Eigentümer gleichzusetzen ist, andererseits die Kenntnis eines Erwerbers von der Enteignung und ihrer Mißbilligung durch einen anderen Staat ihn hindert, sich in diesem anderen Staat auf jene Gleichstellung zu berufen. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers der enteigneten Sache sollte also etwa dem Schutz des gutgläubigen Erwerbers in der Rückerstattungsgesetzgebung näherstehen, als dem Schutz des gutgläubigen Erwerbers unter den Vorschriften des BGB. Steht nach dem ursprünglichen Stand des Rechts im Lagestaat die Fähigkeit zum originären Erwerb bestimmter Sachen jedem zu, und wird diese Regelung vom Lagestaat, und zwar vom Standpunkt anderer Staaten rechtswidrig, beseitigt, indem das Aneignungsrecht nunmehr bestimmten wenigen Rechtssubjekten vorbehalten wird, so können ursprünglich Aneignungsberechtigte den Eigentumserwerb durch die Inhaber des neuen Aneignungsmonopols sicher nicht anderswo in Frage stellen. Haben bestimmte Personen nebeneinander ein Aneignungsmonopol, so kann keiner von ihnen den Eigentumserwerb desjenigen in Frage stellen, dem der Lagestaat durch spätere Gesetzgebung ein ausschließliches Aneignungsrecht verschafft, wenn dies vom Standpunkt anderer Staaten, wie z. B. bei der Beseitigung von Fischereirechten, rechtswidrig ist. Unter diesen Umständen ist es nicht konsequent, wenn bei Enteignung eines einem einzigen Inhaber zustehenden Monopolrechts zur Aneignung im Lagestaat der Enteignete sich in anderen Staaten, die die Enteignung nicht anerkennen, als Eigentümer der Sachen betrachten will, die im Lagestaat von den nunmehr dort Aneignungsberechtigten gewonnen worden sind. Die Frage wird wichtig, wenn eine ölgewinnungskonzession vom Standpunkt anderer Staaten rechtswidrig aufgehoben wird, und das nunmehr gewonnene ö l in andere Staaten transportiert wird: Wird vom Lagestaat nur das zunächst gewährte Recht, Eigentum an dem bis dahin herrenlosen oder im Staatseigentum befindlichen Erdöl durch Inbesitznahme (auf Grund eines Konzessionsvertrages) zu erwerben, entzogen, und erfolgt ein Eigentumserwerb auf Grund neuer Vorschriften durch andere Personen, so ist das nach den Vereinigten Staaten verbrachte ö l nicht als „enteignet" zu betrachten: Hunt v. Coastal States Gas Producing Co., (Texas 1978) 570 S. W. 2d 503. Der enteignete Eigentümer von Gebäuden, Maschinen und Rohstoffen wird auch in dem Staat, der die Enteignung nicht anerkennt, nicht als Eigentümer der von dem neuen Eigentümer hergestellten, von diesem originär zu Eigentum erworbenen und ins Ausland verkauften Sachen betrachtet. Der Staat, der die entschädigungslose Enteignung eines Aneignungsmonopols durch den Lagestaat nicht anerkennen will, wäre völkerrechtlich nicht gehindert, seinen Staatsangehörigen und Bewohnern die Eingehung von Verträgen in bezug auf die von der Enteignung betroffenen Sachen unter Strafe zu verbieten. Auch dann wäre es aber meist schwer, den von der Enteignung Betroffenen einen Anspruch auf Herausgabe des durch einen verbotenen Vertrag Erworbenen, wenn es ins
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Ausland gelangt, auf Grund des normalen bürgerlichen Rechts zu geben. Wenn es überdies in den meisten staatlichen Privatrechten nicht als sittenwidriges Verhalten gilt, daß jemand eine Sache vom Eigentümer erwirbt, die dieser auf Grund eines früheren Vertrages einem Dritten zu liefern hatte und aus eigener Initiative vertragswidrig nicht geliefert hat, so ist es auch nicht möglich, in den erörterten Fällen dem enteigneten Aneignungsberechtigten gegen den späteren Erwerber Schadensersatzansprüche zuzusprechen. Wird einem Staatsangehörigen des Staates A auf Grund eines in A mit Hilfe der ordre publicKlausel bekämpften Rechtssatzes des Lagestaates B das Eigentum, oder auch nur der Besitz, an einem im Land B belegenen Haus nebst Inventar entzogen, und werden Haus und Inventar in Übereinstimmung mit dem Recht des Lagestaates von einem anderen Staatsangehörigen des Landes A freiwillig in Besitz genommen und z. B. durch Vermietung genutzt, so kann im Staat A — vielleicht auch in einem Staat C, der die Enteignung ebenfalls nicht anerkennt — der alte Eigentümer gegen diesen Nutznießer an der Enteignung auf Schadensersatz oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung klagen. Uber die Zuständigkeit zu einem solchen Verfahren vgl. Hesperides Hotels Ltd. v. Aegean Turkish Holidays Ltd., (H. L.) [1978] 3 W. L. R. 378. Darüber, daß auch bei international registrierten Warenzeichenrechten in jedem Schutzland ein selbständiges Monopolrecht besteht, vgl. BGH, IPRsp 1962—63, Nr. 157. Jedes einzelne lokale Warenzeichenrecht kann daher nicht etwa als „akzessorisches" Recht zu dem Warenzeichenrecht des Ursprungsstaates (in dem das Warenzeichen erstmalig begründet wurde) gelten, und wird daher auch nicht von einer Enteignung dieses Rechts erfaßt. Auch das international registrierte Warenzeichen ist letztlich ein „Bündel nationaler Marken", von denen jede einzelne im Schutzland ihre selbständige Existenz hat; eine solche Marke wird infolgedessen auch nicht von der Enteignung der Marke in einem anderen Lagestaat betroffen: BGH, IPRsp 1954 — 55, Nr. 155. Uber den besonders gestalteten Fall der Enteignung eines der durch Staatsteilung aus einem alten Immaterialgüterrecht hervorgegangenen Immaterialgüterrechte durch einen Nachfolgestaat bei gleichzeitiger Spaltung der juristischen Person, welche Inhaber des alten Rechts war, vgl. S. 325. Nicht hingegen durch den dritten Wohnsitzstaat von Ausländern. Der Lagestaat kann sich auch verpflichten, die Enteignung von Vermögen eigener Staatsangehöriger auf seinem eigenen Gebiet, welche eine Besatzungsmacht vorgenommen hat, anzuerkennen; so die Bundesrepublik bezüglich der Demontagen u.a., die als Maßnahmen gegen sonstiges Vermögen für Zwecke der Reparation im Sinne von Art. 3 des 6. Teiles des Uberleitungsvertrages (vgl. Anm. 53) gelten. Klagen gegen Erwerber solcher Gegenstände „werden (in der Bundesrepublik und den anderen Vertragsstaaten) nicht zugelassen". Das geschieht kaum, ohne daß dabei der Lagestaat sich andere Vorteile gewähren läßt. Nahe liegt es, daß er sich die enteigneten Gegenstände zwecks Befriedigung anderer Ansprüche gegen den Heimatstaat übertragen läßt, wie z. B. seinerzeit in dem amerikanisch-sowjetischen Litwinov-Agreement; vgl. dazu United States v. Pink, (1942) 315 US 203. So mag das zuständige Organ des Heimatstaates das Auslandsvermögen von Staatsangehörigen mit Wohnsitz in den von einem dritten Staat besetzten Gebietsteilen des Heimatstaates enteignen, um zu verhindern, daß diese Staatsangehörigen von der Besatzungsmacht genötigt werden, das Auslandsvermögen einer von der besetzenden Macht vorgeschriebenen Person zu veräußern, damit es indirekt für die Zwecke der Kriegführung der Besatzungsmacht verwertet wird. Ein dem besetzten Staat befreundeter Staat wird hier die Enteignung anerkennen, vgl. Anderson v. N. V. Transandine Handelsmaatschappy, (1942)43 N. E. 2d 502. Vgl. oben S. 531.
§ 26. Der Übergang von Forderungen u. ä. 1
Der Entwurf von 1979 für ein EWG-Abkommen über internationale Schuldverträge bestimmt in Art. 12, daß das Recht, welches die zedierte Forderung beherrscht, über die Ubertragbarkeit, das Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner, sowie über die Voraussetzungen entscheidet, unter
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denen die Abtretung dem Schuldner und Dritten entgegengehalten werden kann. Die Verpflichtungen zwischen Zedent und Zessionar sollen nach einem besonderen Geschäftsstatut beurteilt werden, das von den Parteien gewählt werden kann, und subsidiär dem Recht des Staates untersteht, zu dem die engsten Verbindungen vorhanden sind. Diese Regelung dürfte auch dem Stand des deutschen Rechts entsprechen; vgl. BGH, IPRsp 1956 — 57, Nr. 32; IPRsp 1960 — 61, Nr. 157. Ebenso im Ergebnis der schweizerische Entwurf mit der Besonderheit, daß Zedent und Zessionar ein anderes Recht wählen können, aber diese Rechtswahl gegenüber dem Schuldner ohne seine Zustimmung unwirksam ist. Das englische internationale Privatrecht stellt das Rechtsverhältnis zwischen Zedent und Zessionar in den Vordergrund, und will dafür nach den allgemeinen Regeln das proper law of contract ermitteln. Abtretbarkeit der Forderung und die Folgen mehrfacher Abtretung sollen jedoch im Verhältnis zum Schuldner nach dem Bestandsstatut der abgetretenen Forderung beurteilt werden. Indem eine floating charge zugunsten eines Gläubigers an den Aktiva einer Schuldnergesellschaft als eine unter equity-Recht wirksame Sicherungsübereignung der jeweils vorhandenen Aktiva (insbesondere in Gestalt von Forderungen) aufgefaßt wird, will der englische Court of Appeal die Wirkung einer zwischen dem irischen Gläubiger und einer irischen Schuldnergesellschaft begründeten Abmachung dieser Art auf ein in England belegenes Bank-Depositum auch im Verhältnis zu Dritten nach irischem Recht beurteilen, wobei allerdings unterstellt wird, daß das irische Recht dem englischen Recht gleich sei. Der Gläubiger bzw. der Zessionar wird bezeichnet als „equitable assignee under Irish law of the deposited fund in England": Cretanor Maritime Co. Ltd. v. Irish Marine Ltd., [1978] 1 W. L. R. 966. 2 Vgl. S. 623, Anm. 22. 3 Auf die Forderungsabtretung als solche will der BGH die Formbestimmungen gemäß Art. 11 (1) EGBGB ermitteln, vgl. BGH, IPRsp 1 9 5 6 - 5 7 , Nr. 32. Wird bei der Begründung einer Forderung in Ubereinstimmung mit dem Geschäftsstatut in dem Begründungsgeschäft eine bestimmte Form für die zukünftige Übertragung der Forderung vorgeschrieben, so gilt dies zugunsten des Schuldners, auch wenn das Geschäftsstatut für die Forderung diese Form nicht erfordert, und wenn das Geschäftsstatut für das Ubertragungsgeschäft ein anderes Recht ist. Gesetzliche Bestimmungen, wonach für die Übertragung bestimmter Forderungen eine Umschreibung des Gläubigers in einem Register notwendig ist, werden im allgemeinen von dem Staat herrühren, der Wohnsitzland des Schuldners ist und zugleich das Geschäftsstatut stellt. Der schweizerische Entwurf will auch für das Rechtsverhältnis zwischen Zedent und Zessionar die lex loci actus bezüglich der Form ausschalten, und anstatt dessen das von Zedent und Zessionar gewählte Recht, subsidiär das Geschäftsstatut der zedierten Forderung entscheiden lassen. 3 a Die verbreitete Ansicht, der im Heimat- und Wohnsitzstaat einer Person bestellte gesetzliche Vertreter sei, wenn die betreffende Person wegen Minderjährigkeit, Geisteskrankheit oder Abwesenheit nicht selbst eine ihr angeblich zustehende Forderung einklagen kann, ohne weiteres zur Prozeßführung „für" das Vermögen des Gläubigers auch in anderen Staaten zugelassen, ist unrichtig. Die Prozeßführungsbefugnis ist nur gesichert, wenn auf Grund völkerrechtlichen Vertrages die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für das ganze Vermögen einer Person durch den Heimat- oder Wohnsitzstaat auch in anderen Staaten als eine „Schutzmaßnahme" anerkannt werden muß, wie insbesondere unter dem Haager Abkommen über den Schutz Minderjähriger. Ist in dem Staat, welcher als Lagestaat der angeblichen Forderung in Frage kommt, Prozeßführung nur durch einen gemäß dem Recht dieses Staates unter Beschränkung auf das inländische Vermögen bestellten gesetzlichen Vertreter möglich, so muß der im Heimat- oder Wohnsitzstaat als universaler Vertreter Bestellte, um in dem anderen Staat auftreten zu können, sich für das dortige Vermögen nochmals zum gesetzlichen Vertreter bestellen lassen. Die Problematik wird besonders deudich, wenn eine bestimmte Art der gesetzlichen Vertretung im Lagestaat einer angeblichen Forderung unbekannt ist, so wie z. B. der Abwesenheits- oder Verschollenheitspfleger im englischen Recht. Karmouh vs. A. E. I. Int. Ltd., [1979] 2 W. L. R. 795, stellt fest, daß sich das positive englische Recht bezüglich der Anerkennung ausländischer gesetzlicher Vertreter mit Befugnissen für das Vermögen von Bankrotterklärten, Verstorbenen, Geisteskranken usw., wenn sie Forderungen in England einklagen wollen, teils von dem Gedanken leiten läßt, der Betreffende müßte unter englischem Recht als Verwalter des in England belegenen Vermögens be1043
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stellt oder bestätigt sein, teils von dem Gedanken einer automatischen Anerkennung der gemäß dem Personalstatut bestehenden allgemeinen Vertretungsbefugnis. Für den Abwesenheitspfleger sei weder das eine, noch das andere möglich. 3b Vgl. unten S. 657. 4 Vgl. dazu das S. 645 über die vom Heimatstaat erzwungenen Abtretungen von Monopolrechten im Ausland Ausgeführte. 5 Nämlich für Wechsel und Scheck, vgl. oben S. 620. Für Ubertragungsgeschäfte gilt nach den aaO genannten Rechtsquellen die allgemeine Zuweisungsnorm, wonach die „Wirkungen" der nicht gesondert aufgeführten Wechselerklärungen sich nach dem Recht des Landes richten, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden sind (maßgebend ist das Recht des Landes, in dem das Indossament tatsächlich erfolgt, nicht der bei dieser Gelegenheit nur angegebene Ort); dieses Recht deckt sich mit dem Lageort des Wechsels z. Z. der Unterschrift, während der Ort der Ubergabe des Papiers ein anderer sein kann. Das Recht des Ausstellungsortes des Wechsels soll dafür maßgebend sein, ob der Inhaber des gezogenen Wechsels die dem Wechsel zugrundeliegende Forderung miterwirbt. 6 Ist eine Forderung auf andere Leistungen als höchstpersönlich zu erbringende Dienst- oder Werkleistungen nach dem Geschäftsstatut nicht, oder nicht ohne Zustimmung des Schuldners, abtretbar, so sollte sie auch in dem Staat, in dem sie durch Zwangsvollstreckung in Vermögen des Schuldners befriedigt werden könnte, nicht durch Sonderzuweisung der Frage der Abtretbarkeit an ein anderes Recht ohne Zustimmung des Schuldners abtretbar gemacht werden können. Anders ist es bezüglich der Frage, ob eine nichtabtretbare Forderung in dem Staat, in dem sie aus dem Vermögen des Schuldners befriedigt werden könnte, auch als unpfändbar zu gelten hat. Das hat ein solcher Staat selbst zu bestimmen, jedoch ist bei Unpfändbarkeit im Staat des Schuldstatuts die Pfändbarkeit auch in anderen Staaten zu verneinen. Daß der Lagestaat von Vermögen des Schuldners Ansprüche auf höchstpersönliche Leistungen, die durch Rechtsgeschäft als nicht abtretbar erklärt worden sind, dennoch als pfändbar erklären und indirekt dadurch erzwingen könnte, daß er bei Nichterfüllung der vereinbarten Leistung entstehenden Schadensersatzanspruch aus dem im Lagestaat belegenen Schuldnervermögen befriedigen würde, ist nicht ausgeschlossen, obwohl eine dahingehende Regelung im positiven Recht kaum irgendwo anzutreffen ist. 7 Vgl. dazu oben S. 577. 8 Vgl. oben S. 276 f. Ausgangsbasis hat wohl der Gedanke zu sein, daß ein Gläubiger, in dessen Interesse die Forderung in möglichst vielen Staaten rechtswirksam sein soll, auch das Risiko trägt, daß in irgendeinem dieser „Schutzstaaten" die eigene „persönliche" Haftung des Gläubigers gegenüber einem dritten Gläubiger durch Zugriff auf das haftende Vermögen des noch nicht in Verzug befindlichen Schuldners verwirklicht wird. Ist das (jeweils) in einem bestimmten Staat befindliche Vermögen des Schuldners von der persönlichen Haftung befreit worden, oder ist vereinbart worden, daß das Rechtsverhältnis in diesem Staat nicht Rechtsschutz genießen soll, so hat der Gläubiger es nicht zu verantworten, wenn ein solcher Staat sich trotzdem an das Vermögen des Schuldners hält, auch wenn dies geschieht, um einem Drittgläubiger Befriedigung zu verschaffen. 9 Es läßt sich nicht begründen, daß die erste Pfändung den Vorrang habe, und, weil sie zeitlich vorausgeht, jede weitere Pfändung in anderen Staaten wirkungslos mache. Es läßt sich aber auch nicht begründen, daß die Pfändung im Wohnsitzstaat des Drittschuldners Y den Vorrang vor einer Pfändung in dem Staat hat, wo dieser Drittschuldner einen Nebenwohnsitz und den größten Teil seines Vermögens hat. Die Einrede der Rechtshängigkeit wird, wenn in verschiedenen Staaten verschiedene „neue" Gläubiger gegen den Schuldner klagen, nicht immer erhoben werden können. 1 0 Ein Arrest der Forderung gegen den Drittschuldner ist u. U. auch in einem Staat möglich, in dem keine Zuständigkeit zur Einklagung der Forderung besteht; dann kann möglicherweise, nachdem ein Urteil gegen den Gläubiger in einem anderen Staat erwirkt worden ist, dieses Urteil im Arreststaat für vollstreckbar erklärt werden, und nunmehr eine Zuweisung der arrestierten Forderung erfolgen, und dies allein wiederum eine Zuständigkeit für die Klage des Urteilsgläubigers gegen den Drittschuldner nach sich ziehen. 1 1 Besteht eine rechtswirksame Forderung des Urteilsschuldners gegen den Drittschuldner nur in dem Staat, in dem der Gläubiger Urteil gegen den Schuldner erwirkt hat, hingegen gerade nicht in dem Staat, wo Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Drittschuldner bestehen, so kann aus dem im 1044
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Urteilsstaat gegen den Drittschuldner erwirkten Urteil nicht in dieses anderswo belegene Vermögen vollstreckt werden, wenn auch dem ursprünglichen Gläubiger die Anerkennung eines von ihm selbst erwirkten Urteils wegen des Nichtbestehens der Schuld im Anerkennungsstaat hätte verweigert werden müssen. Der Schuldner aus einem hinkenden Schuldverhältnis kann in dem Staat, in dem die Schuld nicht besteht, nicht dadurch in eine schlechtere Position gebracht werden, indem nicht der ursprüngliche Gläubiger gegen ihn klagt, sondern ein Drittgläubiger, der sich im Ausland die Forderung zur Einziehung hat überweisen lassen. Unauflösliche Verwirrungen entstehen, wenn durch Staatsvertrag vereinbart wird, daß im Verhältnis zwischen bestimmten Staaten Leistungsurteile des einen in dem anderen ohne Nachprüfung des angewendeten Rechts angewendet werden müssen, vgl. S. 398, Anm. 279. Sind öffentlich-rechtliche Forderungen eines Staates gegen eine Privatperson in einem anderen Staat nicht einklagbar, und ist auch ein Leistungsurteil der Gerichte des Gläubigerstaates wegen einer solchen Forderung in einem anderen Staat nicht anerkennungsfähig und nicht vollstreckbar, so kann der Gläubigerstaat auch nicht dadurch zur Befriedigung im Ausland gelangen, daß er sich von seinen Gerichten eine private Forderung des Schuldners gegen einen Drittschuldner überweisen läßt, daß er gegen den Drittschuldner, der nicht freiwillig leistet, ein Leistungsurteil erwirkt, und dieses Urteil im Ausland gegen den Drittschuldner vollstrecken lassen will. Alle im Text behandelten Fragen sind im deutschen Recht nicht gesetzlich geregelt. Die vorhandene Rechtsprechung ist so unbestimmt, bzw. so dürftig, daß von einem klaren Rechtszustand nicht gesprochen werden kann. Dasselbe gilt von anderen Ländern, vgl. ZRvgl. 13 (1972) 303. 1 Nach den Plänen für ein internationales Konkursrecht der EWG-Länder (vgl. oben S. 649, Anm. 47) soll die Wirkung des für alle Vertragsstaaten verbindlichen Konkursverfahrens auf laufende Verträge teils nach dem Vertragsstatut (wenn das Recht eines Vertragsstaates Geschäftsstatut für einen Arbeitsvertrag ist), teils nach dem Recht der Belegenheit der betroffenen Sache (so bei Mietverträgen), teils nach dem Recht des Staates beurteilt werden, wo das Konkursverfahren durchgeführt wird. " Vgl. dazu oben S. 648 f. Ist eine Forderung in mehreren Staaten „belegen", d. h. aus jedem der in mehreren Staaten belegenen Vermögensteile des Schuldners realisierbar, so ist es nicht unmöglich, daß mehrere Staaten zugleich dieselbe Forderung zu enteignen behaupten. Dann besteht für den Schuldner das Risiko, zugleich an mehrere Enteigner und den alten Schuldner zahlen zu müssen. Zahlt der Schuldner freiwillig an einen dem Gläubiger in einem anderen Staat bestellten Zwangsverwalter, der in keinem derjenigen Staaten, wo der Schuldner Vermögen besitzt, als Zwangsverwalter anerkannt worden wäre, so trägt der Schuldner allein das Risiko, daß er den Gläubiger auf Verlangen nochmals befriedigen muß. Anders ist es jedoch, wenn der Gläubiger selbst die Zahlung an den Zwangsverwalter gebilligt oder angeregt hat, vgl. BGH, IZRsp 1945 — 53, Nr. 400 a. So etwa, wenn der Gläubiger die ihm vom Schuldner zum Pfand gegebenen Wertsachen nicht an der vereinbarten Stelle verwahrt, sondern in ein Land verbringt, wo er mit einer Enteignung seiner Forderung rechnen muß. Bei diesen Billigkeitserwägungen spielt es eine wichtige Rolle, ob die enteignete Forderung eine rechtsgeschäftlich begründete Forderung, oder etwa eine Schadensersatzforderung aus Delikt ist. Falsch ist es, eine Lösung nur mit der Erwägung begründen zu wollen, daß von den Ländern, in denen eine Möglichkeit zur Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner besteht, von vornherein doch nur eines als Lagestaat der Forderung gelte, um daraus zu folgern, daß für Enteignungen der Forderung in anderen Staaten der Schuldner stets das Risiko allein zu tragen, also dem alten Gläubiger nochmals zu zahlen habe. Neben dem Wohnsitzland des Schuldners sind insbesondere der Staat des vereinbarten Zahlungsortes und des vereinbarten Gerichtsstandes (wenn dort der Schuldner Vermögen hat), sowie der Staat, in dem sich ein für die Forderung verpfändeter Gegenstand befindet, und nicht zuletzt der Heimat- und Wohnsitzstaat des Gläubigers selbst (wenn dort der Schuldner haftendes Vermögen hat), Länder, in denen der Gläubiger mit einer Enteignung seiner Rechtsposition, und der Schuldner mit dem Zugriff des Enteigners auf sein Vermögen, rechnen müssen. Der Gläubiger kann die Enteignung seiner Forderung durch den Wohnsitzstaat des Schuldners auch nicht deshalb ignorieren wollen, weil ein ausschließlicher Gerichtsstand am Wohnsitz des Gläubigers vereinbart war, aber ein dort erwirktes Urteil im Wohnsitzland des Schuldners hätte vollstreckt werden können. Das oben Anm. 8 Gesagte gilt hier entsprechend.
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Außerhalb Deutschlands ist die Fragestellung nach dem Risiko der Enteignung der Forderung vielfach unbekannt. Dafür wird gerne erörtert, ob das Enteignungsstatut selbst ein Fortbestehen der Haftung der enteigneten Gegenstände für bestimmte alte Schulden des früheren Eigentümers vorsieht, und ob deshalb die Haftung dessen, was dem Enteigneten in anderen Ländern verbleibt, erlischt, vgl. Batiffol, Bd. 2, S. 195. Ist eine unter homogenen Verknüpfungen begründete Forderung nach dem maßgeblichen Recht durch Zahlung aus dem enteigneten Vermögen des Schuldners erloschen, so können nicht gegen den alten Schuldner in einem anderen Staat, in den er seinen Wohnsitz verlegt hat, Nachforderungen erhoben werden, vgl. Fernandez v. Panamerican Life Insurance Co., 281 So. 2d 779. Die deutsche Rechtsprechung, insbesondere der Nachkriegszeit, über die Beurteilung der Enteignung von Forderungen im internationalen Privatrecht ist nicht konsequent. Allerdings ist das normale nationale Recht zum Teil hierbei durch völkerrechtlich gebotenes Sonderrecht verdrängt gewesen, insbesondere das Gesetz Nr. 63 der Alliierten Hohen Kommission und Teil VI Art. 3 des Uberleitungsvertrages, vgl. oben Anm. 53 zu S. 650. Die Rechtsprechung ging zunächst davon aus, daß Forderungen als am Wohnsitz des Schuldners belegen zu gelten hätten, und daß der Schuldner, der von seinem Wohnsitzstaat auf Grund einer Enteignung der Forderung zur Zahlung gezwungen wurde, keinesfalls doppelt zu zahlen habe. Auch wenn eine Zahlung an den enteigneten Staat noch nicht stattgefunden hat, aber dem Schuldner die Enteignung der Forderung bekannt gegeben worden ist, soll der alte Gläubiger nicht in der Lage sein, die Forderung gegen den Schuldner in der Bundesrepublik einzuklagen: BGH, IPRsp 1960 — 61, Nr. 81. Daß die Forderung in einem anderen Staat als dem Wohnsitzstaat des Schuldners als enteignet gilt, soll allein nicht zur Folge haben, daß der Schuldner den Betrag im Wohnsitzstaat hinterlegen darf:BGH, IZRsp 1 9 4 5 - 5 3 , N r . 367. Ist jedoch die bei der Zweigniederlassung des Schuldners begründete Forderung von dem Sitzstaat der Zweigniederlassung enteignet worden, so wollte schon RGZ 132, 138, in Deutschland, dem Wohnsitzstaat des alten Gläubigers, Befreiung des Schuldners durch Zahlung an den neuen Gläubiger annehmen. Besteht auf Grund einer Enteignung der Forderung tatsächlich für den Schuldner die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme, so soll er jedenfalls zunächst gegenüber dem alten Gläubiger ein Leistungsverweigerungsrecht haben: BGH, IZRsp 1 9 4 5 - 5 3 , Nr. 368, Nr. 384, Nr. 387; IZRsp 1 9 5 4 - 5 7 , Nr. 225, Nr. 226, Nr. 227. BGH, IZRsp 1 9 5 4 - 5 7 , Nr. 234, ordnet Rückzahlung des vom Schuldner schon Geleisteten durch den früheren Gläubiger an, wenn der Schuldner genötigt wurde, die hypothekarisch gesicherte Forderung am Lageort des Grundstücks auf Grund der dort erfolgten Enteignung zu erfüllen. Daß die reale Gefahr für den Schuldner, im enteignenden Land zur Zahlung an den neuen Gläubiger genötigt zu werden, und erst recht seine in einer solchen Gefahrenlage erfolgte Leistung an den neuen Gläubiger ihm ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem alten Gläubiger verschafft, auch wenn die „Anerkennung" der ausländischen Enteignung als eines rechtmäßigen Vorganges verweigert wird, wird aus § 242 BGB als Bestandteil des (westdeutschen) Schuldstatuts hergeleitet. Der Gläubiger trage allein das Risiko, wie es zu vermeiden sei, daß der Schuldner dem Enteigner der Forderung zahlungspflichtig werde, vgl. etwa BGH, IZRsp 1954 — 57, Nr. 232. Zum Teil wird sogar dem Gläubiger zugemutet, den nicht im enteignenden Land wohnhaften Schuldner auf die Unbeachtlichkeit der Enteignung der Forderung in Gestalt der Enteignung des gesamten Gläubigervermögens durch dessen früheren Wohnsitzstaat aufmerksam zu machen. Hat sich der durch Enteignung zum Gläubiger Gewordene an einem nicht zum Schuldnervermögen gehörigen Pfand (Hypothek) befriedigen können, so soll dies den alten Gläubiger nicht hindern, vom Schuldner Zahlung zu verlangen. BGH, IPRsp 1960—61, Nr. 74, will es „in Kauf nehmen", daß die Hauptforderung des Gläubigers gegen den Schuldner an dessen ausländischem Wohnsitz auf Grund ausländischen Rechts als enteignet gilt, daß aber der in Deutschland wohnende Bürge weiterhin gegenüber dem alten Gläubiger haftet, ohne Regreßmöglichkeiten zu haben. Die zum Inlandsbestand der inländischen Zweigniederlassung eines ausländischen Versicherungsunternehmens gehörenden Versicherungsforderungen sind im Inland belegen und gemäß inländischem Enteignungsrecht übertragbar: BGH, IPRsp 1952 — 53, Nr. 37. Kann sich der enteignende Staat nicht aus Vermögen des Drittschuldners auf seinem Gebiet befriedigen, sondern tritt er die als enteignet erklärte Forderung an eine Privatperson ab, so kann diese gegen den in Deutschland wohnhaften Schuldner nicht klagen, vgl. BGH, IPRsp 1956 — 57,
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Nr. 34. (Der B G H will dies nur damit begründen, daß die Forderung wegen des Wohnsitzes des Schuldners in Deutschland belegen sei.) Zahlt der Heimatstaat des Enteigneten aus dem als Repressalie beschlagnahmten Inlandsvermögen von Staatsangehörigen des Staates, welcher völkerrechtswidrige Enteignungen vorgenommen hat, eine Entschädigung, so erstreckt sie sich unter Umständen auch auf Verluste durch Enteignung von Forderungen, für die der Enteignete im Verhältnis zum Schuldner nicht selbst das Risiko trägt; so wenn der fremde Staat eine Forderung an eine bei ihm wohnhafte Person enteignet, die der Gläubiger gar nicht in diesem Staat hätte einklagen können, und wenn der enteignende Staat Zahlung aus dem bei ihm befindlichen Vermögen des Drittschuldners erzwungen hat. Noch weitergehend zum Teil die Foreign Claims Commission der USA, vgl. Annual Report, 1967, S. 192f.; 1971, S. 47. Vgl. oben S. 650/651. BGH, IPRsp 1966 — 67, Nr. 31 b, nimmt Legalzession an, wenn sowohl das Statut der Forderung, als auch das Recht, welches das zur Auslösung der Legalzession geeignete Rechtsverhältnis beherrscht, Legalzession aus einem „entsprechenden" (gleichen) Grund vorsehen, ohne sich für den Fall festzulegen, daß solche Ubereinstimmung der beiden Rechte nicht besteht. Surrogation des Arbeitgebers oder seines Versicherers, die nach einem Unfall dem Unfallopfer Versorgungsleistungen erbracht haben, in den Schadensersatzanspruch gegen den schuldigen Verursacher wird, wenn das Haftungsstatut selbst eine entsprechende Bestimmung nicht kennt, auf Billigkeit gestützt von Breslin v. Liberty Mutual Insurance Co., (N. J. 1973) 310 A. 2 d 527. Eine bemerkenswerte neuartige Regelung hat der Schweizer Entwurf in Art. 144 in Verbindung mit Art. 142: Art. 144. „Der gesetzliche Übergang einer Forderung untersteht dem Recht des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zwischen altem und neuem Gläubiger oder wenn ein solches fehlt, dem Recht der Forderung. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen des Rechts der Forderung, die den Schuldner schützen, sowie Artikel 142." Art. 142. „ 1 Ein Schuldner kann auf einen andern Schuldner unmittelbar oder durch Eintritt in die Rechtsstellung des Gläubigers insoweit Rückgriff nehmen, als die Rechte beider Schulden es zulassen. 2 Die Durchführung des Rückgriffs untersteht dem gleichen Recht wie die Schuld des Rückgriffsverpflichteten. Die nur den Rückgriffsberechtigten und den Gläubiger betreffenden Fragen unterstehen dem gleichen Recht wie die Schuld des Rückgriffsberechtigten. 3 Der Rückgriff durch eine Einrichtung, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt, untersteht dem Recht dieser Einrichtung." Verschafft sich jemand von einem privaten Versicherungsunternehmen für evtl. Schädigungen durch Dritte einen Versicherungsanspruch, der nicht den vollen Schaden decken soll, der aber ohne Rücksicht darauf fällig ist, ob überhaupt Ansprüche gegen Dritte bestehen, bzw. ob schadensersatzpflichtige Dritte zahlungsfähig sind, und tritt der Versicherte schon im Vertrag seine evtl. Ansprüche gegen Dritte in voller Höhe an den Versicherer ab, so kann die Zulässigkeit einer solchen Abmachung durch das zwingende Recht des Geschäftsstatuts für den Versicherungsvertrag eingeschränkt werden; möglicherweise will auch zwingendes Recht des Wohnsitzstaates des Versicherten unmittelbar anwendbar sein. Dann wird der Staat, der die Abmachung als ungültig betrachtet, insoweit sie über das dem Versicherten Geleistete hinausgeht, Surrogation bei einer Klage des Versicherers gegen den Schuldner nicht anerkennen; auch eine von dem Versicherten erteilte Prozeßvollmacht wird dann im allgemeinen nicht anerkannt werden. Dieser Forumstaat kann aber meist nicht verhindern, daß der Versicherer durch Zurückhaltung seiner Leistung am Zahlungsort, wenn dort die Abmachung als gültig betrachtet wird, den Versicherten nötigt, in eigenem Namen gegen den Dritten durch einen Prozeßbevollmächtigten Klage zu erheben, der verpflichtet ist, im Prozeß die Instruktionen des Versicherers zu befolgen und das Beigetriebene dem Versicherer auszuhändigen. Anders natürlich, wenn das „Clearingverfahren in einem Staatsvertrag vorgesehen ist. Das System einer Sozialisierung der Entschädigungen für Unfallschäden geht davon aus, daß die Gewährung einer pauschalierten gleichen Entschädigung an alle nur zu finanzieren ist, wenn die auf eine höhere Schadensersatzleistung gerichteten privatrechtlichen Ansprüche der Unfallopfer, soweit sie sich gegen zahlungsfähige Schuldner richten, in voller Höhe dazu verwendet werden müssen, um Mittel zur Entschädigung solcher Unfallopfer zu beschaffen, bei welchen der private Schadenser-
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satzpflichtige zahlungsunfähig ist oder nicht ermittelt werden kann. Führt ein Staat eine derartige Regelung ein, so entstehen schwierige Fragen, ob der Anwendungsbereich des Gesetzes nur vom inländischen Unfallort abhängig sein soll, ob auch Ausländer ohne weiteres entschädigungsberechtigt sein sollen, ob bei Unfällen eigener Staatsangehöriger im Ausland ebenfalls die öffentlichrechtliche Entschädigung geleistet wird, ob die Haftung der Verursacher des Unfalls im Inlandsrecht auf Fälle groben Verschuldens eingeschränkt wird, und wie Ansprüche des Unfallopfers auf weitergehende Schadensersatzleistungen gegen Dritte, wie sie auf Grund ausländischen Rechts bestehen, für die öffentlich-rechtliche Entschädigung herangezogen werden können. Uber das Recht von Neuseeland vgl. S. 440, Anm. 69. Die Gegenseitigkeit kann durch Vertrag oder supranationales Recht gesichert sein, wie für die Legalzession der Ansprüche gegen Dritte, wenn innerhalb der EWG-Staaten Beamte oder Arbeitnehmer bei Unfällen durch den Staat bzw. eine Versicherungsanstalt Leistungen erhalten, vgl. die EWG-Verordnung N r . 1408/71, Art. 93. Der Regreßanspruch der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, welche tatsächlich für den Unterhalt einer unterhaltsbedürftigen Person auf Grund ihrer öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflicht aufgekommen ist, gegen einen Verwandten kann als gesetzlicher Ubergang eines privatrechtlichen Unterhaltsanspruchs aufgezogen sein, oder aber als (konkurrierender) öffentlich-rechtlicher Anspruch mit einem besonderen gesetzlichen Rechtsgrund; der öffentlich-rechtliche Anspruch wird dann meist auch in einem schneller zur Vollstreckung führenden Verfahren erhoben werden. Die Verjährungsfristen für konkurrierende Regreßansprüche aus Privatrecht und öffentlichem Recht können aber möglicherweise verschieden sein. Wird der Schuldner einer Leistung auf Grund öffentlichen Rechts gegenüber dem Gläubiger dadurch befreit, daß eine andere (mithaftende) Person leistet, so kann diese sich meist durch Aufrechnung gegenüber einer Forderung des Schuldners an sie befriedigen (so beim Abzug der Lohnsteuer vom Gehalt). Der Regreßanspruch des Zahlenden ist jedoch kein öffentlich-rechtlicher Anspruch, der in den zur Beitreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen vorgesehenen Verfahren durchgesetzt werden könnte. Es handelt sich um eine privatrechtliche Verpflichtung, für die der Gesetzgeber des Staates, der die öffentlich-rechtliche Leistungspflicht geschaffen hat, einen Anwendungsbereich festsetzt. Zugleich kann aber auch das Recht, welches das Rechtsverhältnis zwischen dem Regreßnehmer und dem Schuldner beherrscht, den Regreßanspruch als einen Nebenanspruch aus diesem Rechtsverhältnis aufziehen; schließlich kann ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung durch das Recht vorgesehen sein, welches über die gewichtigste Kombination der Verknüpfungen bestimmt wird. Bedenklich die Annahme in B A G , N J W 1978,1766, daß bei Wahl deutschen Rechts zum Geschäftsstatut nur das deutsche Recht mit denjenigen Bestimmungen anwendbar sei, wie sie für den Regreß bei einer öffentlich-rechtlichen Schuld unter deutschem Recht bestehen. Auch die action oblique des Art. 1166 des französischen code civil. Uber die eigentliche action directe gegen den Haftpflichtversicherer vgl. S. 449. Der Gläubiger, der mit der action directe gegen den Drittschuldner vorgehen will, darf in einem anderen Staat als dem, der das Statut für die Forderung des Gläubigers stellt, nicht bessergestellt werden als in diesem Staat, vgl. S. 449 zu Anm. 100. Vgl. S. 448 zu Anm. 97.
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§ 2 7 . Das auf die Erbfolge anwendbare Recht 1
Das Bestandsstatut kann auch eine Regelung haben, wonach zwar mit dem Tode einer an einem Rechtsverhältnis beteiligten Partei eine Erbfolge in die Rechtsposition dieser Partei stattfindet, aber der Rechtsnachfolger ein Gestaltungsrecht zur Beendigung des Rechtsverhältnisses erhält, wie etwa bei der Wohnungsmiete. Soll ein Urheberrecht im Zweifel mit dem Tod des Inhabers erlöschen, sofern nicht ein bestimmter näherer Angehöriger des Inhabers nach dessen Tode innerhalb bestimmter Frist eine Verlängerung für sich beantragt, so handelt es sich um eine eigenartige Sondererbfolge, deren Anordnung vom Bestandsstatut, unabhängig vom Erbstatut für das sonstige Vermögen des Erblassers, in Anspruch genommen wird. Eine Forderung, die zugunsten eines anderen als des Verstorbenen bei dessen Tode entsteht, ist nicht Gegenstand der Erbfolge. O b die Versicherungsleistung aus der Lebensversicherung an die
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vom Versicherungsnehmer bezeichnete Person oder an denjenigen zu erfolgen hat, der kraft Erbrechts die Nachlaßaktiven erwirbt, ergibt sich aus dem Statut der Versicherungsforderung, vgl. OLG Köln, IPRsp 1974, Nr. 29. Das Recht zum Bezug von Hinterbliebenenrente aus der Sozialversicherung u. ä. wird in manchen Gesetzen alternativ davon abhängig gemacht, daß der Antragsteller als Minderjähriger von dem Verstorbenen vor dessen Tode unterhalten wurde, oder im Wohnsitzstaat des Verstorbenen zum Todeszeitpunkt als legitimes Kind galt, oder aus irgendeinem Grunde im Wohnsitzstaat als Intestaterbe des Verstorbenen in Frage kommt, vgl. US Code § 402 (d) und dazu Allen vs. Califano, (1978) 452 Fed. Supp. 205. Von Forderungen bestimmt das sie begründende Statut, ob sie zu Lebzeiten des Gläubigers unübertragbar, aber doch vererblich sein sollen. Bei gewissen Forderungen (etwa Schmerzensgeldansprüche gegenüber Angehörigen) kann beides ausgeschlossen sein. Zur Vererblichkeit kann das forderungsbegründende Statut verlangen, daß der Erblasser die Forderung zu Lebzeiten „geltend gemacht" hat, was möglicherweise wiederum nur durch Klagerhebung geschehen kann. ObGH Wien, J. Bl. 1977, 33, will die Vererblichkeit eines nach österreichischem Recht zu beurteilenden Schmerzensgeldanspruchs nach dem belgischen Erbstatut bestimmen. „Rein persönliche" Rechtspositionen sind in den meisten modernen Rechten nicht vererblich, während primitive Rechte die Fortsetzung einer Ehe mit der überlebenden Ehefrau durch einen eintrittsberechtigten Verwandten des verstorbenen Ehegatten zum Teil wohl als eine Erbfolge verstanden haben. Der Ubergang des Rechtsbündels „elterliche Gewalt" vom Vater auf die den Vater überlebende Mutter wird in den entwickelteren Rechten zumeist nicht als eine Sondererbfolge gesehen, obwohl damit ein Übergang des Rechtes der Nutznießung am Kindesvermögen verbunden sein kann. Das „Recht", die Zustimmung zu der Eheschließung einer bestimmten Person zu geben oder zu verweigern, wird kaum irgendwo als ein beim Tode des Berechtigten „vererbtes" Recht aufgefaßt, auch wenn vorgesehen ist, daß etwa anstelle der Eltern die Großeltern dieses Recht ausüben sollen. Ist die Beteiligung an einem Recht-Pflicht-Verhältnis vererblich, so werden auch die einer solchen Partei zustehenden Gestaltungsrechte (Kündigungsrechte usw.) mitvererbt. Ob Rechte Dritter, auf ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen anderen einzuwirken, überhaupt vererblich sind, ergibt sich aus dem Statut des zu beeinflussenden Rechtsverhältnisses. Ob anstelle des (nach, evtl. auch vor dem Erbfall) verstorbenen Testamentsvollstreckers mangels einer Regelung im Testament überhaupt kein Testamentsvollstrecker mehr tätig werden kann, oder ob das Gericht einen neuen Testamentsvollstrecker zu ernennen hat, oder ob das „Recht" des Testamentsvollstreckers an seinem Amt „vererbt" wird, das bestimmt dasjenige Recht, welches dieses Amt erstmalig begründet hat. Ist mit der Stellung des Testamentsvollstreckers ein Recht auf Bezug einer bestimmten Quote am Aktivnachlaß verbunden, welches zwar nach den Nachlaßforderungen und den Vermächtnissen, aber vor den Erbrechten der eigentlichen Erben rangiert, so ist Vererblichkeit des Testamentsvollstreckeramtes durchaus nicht abwegig: Der Testamentsvollstrecker ist dann selbst ein durch die testamentarische Erbfolge Begünstigter, der einerseits die Aufgabe der Durchführung der Nachlaßabwicklung als „Auflage" hat, und andererseits eine Entschädigung dafür in Gestalt eines von der Größe des Aktivvermögens abhängigen Vorausvermächtnisses erhält. Das (unter Lebenden) unveräußerliche, aber lukrative Amt des Testamentsvollstreckers kann dann auch Gegenstand einer Sondererbfolge sein, indem der Testamentsvollstrecker selbst für den Fall seines Todes einen Nachfolger benennen kann, oder sein eigener Testamentsvollstrecker als von ihm benannt gilt. Entsprechendes gilt für das durch Testament nach manchen Rechten begründbare Recht einer Person, die Nachfolger in die vererblichen Rechte des Erblassers zu benennen. Eine solche „power of appointment" kann unvererblich sein; das Erbstatut, unter dem die power begründet wurde, kann aber auch eine Sondernachfolge vorsehen, indem der Inhaber der power entweder selbst seinen Nachfolger durch Testament bestimmt, oder sein eigener personal representative die power auszuüben hat. Der Körper des Verstorbenen ist nicht Bestandteil des vererbten Nachlasses, aber sicher auch nicht als herrenlose Sache zu behandeln. Der annehmende Erbe kann erbrechdich verpflichtet sein, im Rahmen des nach dem öffentlichen Recht des Lagestaates Zulässigen die Weisungen des Erblassers über das Begräbnis usw. zu befolgen. Das Recht des Lageortes kann aber auch eine Regelung dahin treffen, daß mangels einer schriftlichen Anordnung des Erblassers nicht etwaige Testaments1049
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erben, sondern die anwesenden Angehörigen über den Leichnam zu bestimmen haben. Daß das Heimatrecht des Erblassers für anderweitige eigene zwingende Sätze Anwendung beanspruchen könnte, und daß dieser Anspruch im Lagestaat verwirklicht würde, ist ausgeschlossen. Der Heimatstaat kann nicht, wie manche annehmen, seine Bestimmungen über die zur Regelung des Begräbnisses usw. befugten Personen in ein angebliches, nach dem Tode weiter bestehendes „Persönlichkeitsrecht" des Verstorbenen hineinlegen und dafür exterritoriale Wirkung in Anspruch nehmen. Entsprechend wird der Lagestaat der Leiche seine Bestimmungen über Organentnahmen auch dann anwenden lassen, wenn sie dem geäußerten Willen des Erblassers oder seiner Angehörigen dabei eine Bedeutung beimessen, und diese Äußerungen etwa mit einem Testament verbunden sein können. Für die Anwendung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen des Lagestaates über Organentnahmen (vgl. auch S. 489, Anm. 38) ist jedoch bei evidenten Auslandsverknüpfungen möglicherweise eine Anpassung notwendig: Von einem Ausländer, der zufällig in einem Transitland verstirbt, kann nicht gefordert werden, daß er einen Widerspruch gegen eine Organentnahme in seinem Paß hat vermerken lassen. Anders, wenn z. B. eine Klage auf Schadensersatz aus bestimmten unerlaubten Handlungen nur bei Lebzeiten des Täters gegen ihn erhoben werden kann, und die Schadensersatzpflicht von ihm vor seinem Tode nicht anerkannt und gestundet worden ist. O b die nach der Scheidung vom Gericht verfügte Unterhaltspflicht gegenüber dem anderen Ehegatten oder einem Kind aus der Ehe vererblich ist oder nicht, kann nach sec. 82 (3) des australischen Family Law Act 1975 vom Gericht bei der Scheidung schon bestimmt werden. Das wird dann der Fall sein, wenn das Recht schon bei seiner Begründung nur zugunsten einer einzigen natürlichen Person als Inhaber, nicht zugunsten einer Personenmehrheit begründet werden konnte. Thronerbe oder Fideikommißerbe kann meist nur eine einzelne natürliche Person werden. Im Recht afrikanischer Stämme bestellen vielfach die zuständigen Organe der Großfamilie den oder die Erben eines verstorbenen Angehörigen dieser Familie, indem sie diesen Personen N u t zungsrechte an den Gegenständen verschaffen, an denen früher der Erblasser ein solches N u t zungsrecht hatte, oder indem sie Nutzungsrechte an dem zum Familiengut gewordenen Zugewinn des Erblassers begründen. Man kann hierin auch ein Recht der größeren Gemeinschaft, welcher der Erblasser angehörte, zur „Erfassung" des inhaberlos gewordenen Nachlasses, und eine öffentlichrechtliche Pflicht zur Neuzuweisung solcher Werte an versorgungsbedürftige Angehörige der Gemeinschaft sehen. Letztwillige Äußerungen des Erblassers haben dann möglicherweise rechtlich nur den Charakter von Empfehlungen, selbst wenn ihnen, wie in manchen westafrikanischen Stammesrechten, üblicherweise vom Familienrat Folge geleistet wird. Die gesetzlichen Regelungen in zahlreichen Ländern des englischen Rechts, bei denen man häufig von Family Provision Acts spricht, gehen neuerdings zum Teil so weit, daß das Gericht sowohl die durch Testament geregelte Erbfolge, als auch die vom Gesetz vorgesehene Intestaterbfolge im konkreten Fall in der Weise korrigieren kann, daß es Beteiligungen am Nachlaß, bzw. Zuwendungen am Nachlaß, zu Gunsten solcher Personen verfügt, denen „billigerweise" nach Ansicht des Gerichts eine solche Zuwendung vom Erblasser durch Testament hätte gemacht werden müssen, vgl. darüber unten Anm. 18. Während die Rechte vieler Länder des englischen Rechtskreises es in großem Umfang ermöglichen, gemeinsame Inhaberschaften von Rechten seitens natürlicher Personen, insbesondere auch Eigentumsrechte an Sachen, so zu gestalten, daß beim Tode eines der Mitinhaber der andere automatisch Alleininhaber wird, ohne daß die Berechtigung des Verstorbenen in seine Nachlaßmasse fällt (tenancy by entirety), und während diese Rechte auch vorsehen, daß durch Geschäfte unter Lebenden zeitlich begrenztes Eigentum einer Person mit einem bereits bestimmbaren Nachfolger geschaffen werden kann, ist dies in den meisten kontinentaleuropäischen Rechten höchstens im Rahmen des Ehegüterrechts oder einer Vorerbschaft möglich. Die Vertragsfreiheit ermöglicht es zumeist, daß Forderungen (oder die Rechtsstellung eines Gesellschafters in einem Personengesellschaftsverhältnis) nicht nur als unvererblich erklärt werden können (und damit beim Tode des Gläubigers erlöschen), sondern auch, daß ein bestimmter Nachfolger für diesen Fall schon in dem Rechtsgeschäft bezeichnet wird, das die Forderung begründet. Wenn dieser Nachfolger seine Einwilligung in den Erwerb des Rechts erst nach dem Todesfall abzugeben hat (und bis dahin die Abmachung von den unmittelbar Beteiligten geändert werden
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kann), liegt eine rechtsgeschäftlich geregelte Sondererbfolge vor; wird die Einwilligung schon vorher abgegeben, so handelt es sich um einen rechtsgeschäftlichen Erwerb unter Lebenden, dessen Vollzug auf den Todesfall hinausgeschoben ist. In den meisten Ländern des englischen Rechts können analog der tenancy by entirety insbesondere zu Gunsten von Ehegatten Gesamthandforderungen gegen Dritte (joint account bei einer Bank) begründet werden, die beim Tode des einen Rechtsinhabers automatisch in vollem Umfang an den anderen fallen. Keineswegs kann jedoch gesagt werden, daß dann, wenn ein Erbrecht Unterschiede nach der Natur der im Nachlaß vorhandenen Gegenstände macht, nur das Anknüpfungsmoment der Belegenheit sachgerecht sei: Soll die unterschiedliche Natur der zu vererbenden Gegenstände nicht zur Folge haben, daß eine Konzentration aller im Nachlaß vorhandenen Gegenstände mit gleichen Eigenschaften bei einem Erben erfolgt (wie beim Erbhof), sondern soll daraus z. B. folgen, daß Gegenstände bestimmter Art den Söhnen, Gegenstände anderer Art den Töchtern zukommen, so ist für die Anwendbarkeit solcher Vorschriften das Heimatrecht des Erblassers oder die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Abkömmlinge nicht weniger sachgerecht als die Belegenheit. O b dem überlebenden Ehegatten die Einrichtung der gemeinsamen Wohnung als gesetzliches Vorausvermächtnis zukommen soll, sollte nicht vom Staat des Lageortes angeordnet werden, wenn dieser nicht auch sein Recht für die übrigen Gegenstände des inländischen Nachlasses als anwendbar betrachtet. Sämtliche Staaten, die sich an den Konventionen von Montevideo, welche Maßgeblichkeit des Lagerechts für die Erbfolge vorsehen, beteiligt haben, haben in ihrem Inlandsrecht Universalsukzession. Es ist allerdings eine weit verbreitete Meinung, die Sachgerechtigkeit erfordere es, daß eine kollisionsrechtliche Regelung für Sätze, die eine Universalsukzession vorsehen, so gestaltet sein müsse, daß ein solches Recht allein als „Gesamtstatut" zur Anwendung gelangt. Dabei wird offenbar unbewußtermaßen unterstellt, daß die inhaltlichen Abweichungen zwischen denjenigen Rechten, welche Universalsukzession haben, so gering seien, daß die soziale Funktion der einzelnen vererblichen Rechte in der Rechtsordnung des Lagestaates nicht davon beeinträchtigt wird, daß auf den Inhaberwechsel kraft Erbfolge ein ausländisches Recht zur Anwendung gebracht wird. Vgl. unten S. 693 ff. Eine Regelung der Haftung des in verschiedenen Staaten belegenen und nach den verschiedenen Lagerechten vererbten Nachlasses für die Nachlaßschulden ist in Art. 46 — 49 des Vertrages von Montevideo vom 9. 3.1940 vorgesehen. Vgl. dazu Anm. 107 zu S. 100. Vgl. S. 202ff. a Das im Text Ausgeführte ist ein besonders wichtiger Anwendun^sfall des von Meijers aufgestellten Postulats, daß ein im Zeitpunkt einer Rechtsbegründung oder -beendigung nicht verknüpfter Forumstaat als anwendbares Recht dasjenige ansehen sollte, welches die beteiligten Staaten einverständlich als maßgebend betrachteten (s. S. 100). Da aber die Frage nach der erbrechtlichen Rechtsnachfolge überhaupt nicht Frage nach dem Bestehen einer Rechtspflicht ist, ist es doppelt zu mißbilligen, wenn ein internationales Privatrecht (wie etwa das italienische) als Erbstatut ein anderes Recht bezeichnet als dasjenige, welches Heimat-, Wohnsitz- und Lagestaat übereinstimmend anwenden lassen, und wenn darüber hinaus etwa auch noch die Formgültigkeit eines Testaments nach einem anderen Recht beurteilt wird als in diesen Staaten. Vgl. S. 695. Vgl. S. 642. Läßt z. B. der Lagestaat das anwendungswillige Wohnsitzrecht des Erblassers auf die Erbfolge anwenden, und sind danach entfernte Verwandte die Erben, so liegt, wenn auch der Heimatstaat auf Anwendung seines Erbrechts bestehen will, und danach der Fiskus des Heimatstaates als Erbe vorgesehen ist, keine andere Situation vor, als wenn der Heimatstaat den Erblasser im Zeitpunkt des Todes enterben will: Jeder andere Lagestaat wird diesen Anspruch des Heimatstaates ignorieren, und dritte Forumstaaten sollten sich dem anschließen. Es ist aber nicht zu sehen, daß der Heimatstaat, welcher den Nachlaß bestimmten von ihm bezeichneten Personen als Erben zuwenden will, größere Chancen hätte, diesen Standpunkt durchzusetzen, solange der Lagestaat seine Gerichte anweist, die Nachlaßabwicklung gemäß einem anderen Erbrecht durchzuführen. Daß die Anwendbarkeit des eigenen Erbrechts eines Staates auf das im Ausland belegene Vermögen eines Staatsangehörigen nicht entgegen dem Standpunkt des Lagestaates bei der Beurteilung der Eigentumsverhältnisse zugrunde gelegt werden kann, wird wichtig in folgendem Zusammenhang: 1051
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Ist ein Staat A bereit, seinen Staatsangehörigen Entschädigung für die Enteignung „ihres" Vermögens im Ausland durch den Belegenheitsstaat B zu zahlen, so kann es sein, daß der enteignete Gegenstand früher einem X gehörte, der sowohl Staatsangehöriger von A, als auch Staatsangehöriger von B war, und der vom Standpunkt des Staates A aus nach dem Erbrecht von A durch Y, einen Staatsangehörigen von A, vom Standpunkt des Staates B her durch Z, einen Staatsangehörigen von B, beerbt worden war. Es ist wenig wahrscheinlich, daß der Staat A seinem Staatsangehörigen Y Entschädigung für die Enteignung eines Rechts zahlen will, welches Y schon vor der Enteignung dem Erben Z hatte überlassen müssen, oder das er ihm ohne die Enteignung hätte überlassen müssen. Nicht anders aber ist es, wenn X nur Staatsangehöriger von A war, aber vom Standpunkt des internationalen Privatrechts von B gemäß dem Recht von B durch Z beerbt wurde. Würde der Nachlaß des X in B in Anwendung des Erbrechts A vom Standpunkt des Staates A an Z, bei Anwendung des Erbrechts B durch den Staat B hingegen an Y gefallen sein, so sollte dem Y die Entschädigung im Staat A nicht versagt werden. Ist es im Lagestaat dem dort anerkannten Eigentümer X enteignet worden, und ist X vor Auszahlung der Entschädigung an ihn verstorben, so stellt sich im Staat A die Frage, ob der Entschädigungsanspruch, der im Staat A als belegen gilt, unter dem im Staat A anwendbaren Erbrecht von A einem Staatsangehörigen desselben Staates durch Erbgang zugefallen ist. Das Problem hätte bei Anwendung des deutschen Lastenausgleichsrechts aktuell werden können, ist aber in der Rechtsprechung nicht behandelt worden. Für Lastenausgleichsansprüche wegen der Verluste von Vermögen außerhalb Deutschlands werden in der Bundesrepublik Erbscheine ausgestellt, wenn keine Nachweise für das Eigentum des Enteigneten selbst vorhanden sind, wohl aber z. B. Grundbucheintragungen für den Erblasser, von dem der Enteignete geerbt hat. Solche Erbscheine werden in der Tat bei Erblassern mit deutscher Staatsangehörigkeit unter Zugrundelegung deutschen Rechts ausgefertigt, sofern nicht die Voraussetzungen des Art. 28 EGBGB vorliegen. Hingegen hat B G H , IPRsp 1972, N r . 182, entschieden, daß der lastenausgleichsberechtigte Erbe keinen deutschen Erbschein erhalten kann, der ihn als Erben der im Ausland belegenen und auf Grund ausländischen Rechts vererbten Nachlaßgegenstände ausweist. Die Erbfolge in den Anspruch auf Vertriebenenentschädigung richtet sich nach dem auf den Erbfall anwendbaren allgemeinen deutschen Erbrecht, nicht nach dem Erbrecht, welches für den Erwerb der schon vom vertriebenen Erblasser vor dem Erbfall verlorenen Vermögensgegenstände (z. B. als Erbhofrecht) maßgebend gewesen wäre: BVerwG, IZRsp 1 9 6 0 - 6 1 , N r . 220. BVerwG, IZRsp 1 9 6 4 - 6 5 , N r . 61, versucht, für die Zwecke des Lastenausgleichs anstelle des rechtlichen Eigentums, welches infolge der politischen Verhältnisse am Lageort nicht begründet werden konnte, den Erfrerb von „wirtschaftlichem" Eigentum zugrunde zu legen. 14 Vgl. dazu oben S. 647. 15 Die Entscheidung der Gerichte des Staates, welcher Lagestaat einer beweglichen Sache zur Zeit des Erbfalls war, über die Frage, wer kraft Erbfolge Rechte an der Sache erworben hat, ist im englischen internationalen Privatrecht auch für den späteren Lagestaat der Sache bindend, selbst wenn nach dortigem internationalen Privatrecht ein anderes Erbrecht als das dem Urteil zugrunde gelegte als maßgeblich gilt, vgl. Dicey-Morris, S. 587. 16 Vgl. S. 274. 17 Über Art. 25. S. 2 EGBGB vgl. unten S. 698. 17a Vgl. S. 82. 18 Neuere Gesetze in Commonwealthländern gehen so weit, daß sie dem Richter ein breites Ermessen geben, auf Antrag sowohl die testamentarischen Anordnungen des Erblassers, als auch die Folgen aus dem Intestaterbrecht, als auch unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers zu Lebzeiten zu korrigieren, wenn nächste Angehörige, oder andere vom Erblasser zu Lebzeiten ganz oder zum Teil unterhaltene Personen, oder solche, die dem Erblasser zu Lebzeiten ohne Entgelt Leistungen gemacht haben, keine angemessene Zuwendung aus dem Nachlaß erhalten. Die richterliche Korrektur kann zum Teil so weit gehen, daß der ganze Nachlaß einem Antragsteller zukommt, und der nach dem normalen Erbrecht Erbberechtigte nichts erhält. Diese Gesetze enthalten durchweg nur Bestimmungen über ihre Anwendung im Urheberstaat, und keine Vorschriften über den Anwendungsbereich entsprechender ausländischer Gesetze. Sind alle Staaten, die derartige Gesetze haben, darüber einig, daß, wie meist, die Gerichte im Domizilstaat des Erblassers zur Anwendung ihres Gesetzes zuständig sind, so kann sich diese 1052
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Entscheidung jedenfalls zunächst nur auf diejenigen Nachlaßteile auswirken, die entweder schon im Domizilstaat belegen sind, oder aus anderen Lagestaaten dorthin verbracht werden. Ist, wie z. B. in Südaustralien, das Gericht jedoch zur Anwendung des eigenen Gesetzes entweder auf Grund des Domizils, oder auch beim Fehlen eines inländischen Domizils beim Vorhandensein von inländischem (unbeweglichen oder beweglichen) Nachlaß zuständig, so kann die richterliche Anordnung auch eine Korrektur der nach ausländischem Recht zu beurteilenden Erbfolge bewirken. Nach dem südaustralischen Gesetz kann das zuständige Gericht eine vom Gesetz vorgesehene Anordnung verweigern, wenn für die Angelegenheit ein Verfahren im Ausland angemessener erscheint. Nach dem neuesten Entwurf für Neusüdwales soll die Anwendung des dortigen Gesetzes über die richterliche Korrektur der Erbfolge nur von der Belegenheit von Nachlaß in diesem Staat, und nicht vom Wohnsitz des Erblassers oder der Antragsteller abhängig sein. Es soll berücksichtigt werden können, was die Beteiligten in anderen Lagestaaten vom Nachlaß desselben Erblassers erhalten; ist der Nachlaß auf mehrere Staaten verteilt, und will jeder Lagestaat berücksichtigen, was in dem anderen geschieht, so kann das allerdings zu einem Spiegelkabinett, ähnlich wie bei der Rückverweisung, führen. Trotzdem ist zu erwarten, daß auch diejenigen Länder, welche, wie England (vgl. Dicey-Morris, S. 602), ihre Family Provision Acts nur bei inländischen Domizil des Erblassers anwenden lassen, dem Vorbild von Neusüdwales folgen werden. Das Uganda Decree no. 22/1972 sieht für die Zwecke des internationalen Erbrechts vor, daß domicile des Erblassers im Inland auch dann anzunehmen ist, wenn zweijähriger Aufenthalt im Inland bestanden hat und Ehegatten oder Kinder zur Zeit des Todes des Erblassers ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben; damit soll vor allem die Anwendung der Bestimmungen des UgandaRechts über die richterliche Korrektur von Testamenten gesichert werden. Eine Sonderanknüpfung der inländischen Bestimmungen über Noterbrecht vermittels einer besonderen Definition des Begriffs Inländer sieht ein Gesetz no. 75/1970 für Zypern vor. Den Vorschriften, welche notfalls entgegen dem berufenen Erbstatut durch eine gesetzliche power of appointment des Gerichts durchsetzen wollen, daß der Nachlaß gewissen versorgungsbedürftigen Personen, die dem Erblasser nahegestanden haben, ganz oder teilweise zugeführt wird, verwandt sind solche Gesetze, die dem Partner einer vom Erblasser gewünschten, aber durch bestimmte politische Maßnahmen verhinderten Rechtsehe, und den aus der faktischen Verbindung der Ehewilligen hervorgegangenen Kindern dadurch ein Erbrecht verschaffen, daß sie in einem Staatsakt eine „postmortale Eheschließung" fingieren. Auch derartige Gesetze wirken sich praktisch nur in dem Staat aus, der sie erlassen hat, dann aber wohl ohne Rücksicht darauf, ob Erbstatut ein inländisches oder ausländisches Recht ist: Der in Deutschland belegene Nachlaß eines ausländischen Erblassers war unter Zugrundelegung des ausländischen Erbrechts gemäß dem Bundesgesetz vom 23. 6. 1950 so zu verteilen, wie wenn die gemäß diesem Gesetz angeordnete Anerkennung der freien Ehe des politisch verfolgten Erblassers eine vom Erbstatut anerkannte Rechtsehe gewesen wäre. Diejenigen Länder, deren eigenes Recht keine Korrektur der Erbfolge durch den Richter kennen, können praktisch nicht verhindern, daß ein zur Anwendung eigenen Rechts bereiter anderer Staat seine richterlichen Anordnungen bezüglich des in diesem Staat belegenen Vermögens durchsetzt. Problematisch ist, welche Tragweite die anderen Staaten (insbesondere auch Deutschland) ausländischen Anordnungen beimessen sollten, die sich ihrem Wortlaut nach auf den ganzen Nachlaß beziehen; so also beispielsweise, wenn das englische Gericht anordnet, daß der Nachlaß in vollem Umfang dem im Testament übergangenen überlebenden Ehegatten zukommen soll, und der Nachlaß ganz oder zum Teil in Deutschland belegen ist. Ist trotz englischer Staatsangehörigkeit und englischem domicile des Erblassers ein deutscher Gerichtsstand auf Grund seines deutschen Wohnsitzes im Sinne des deutschen Rechts für Erbstreitigkeiten gegeben, so fragt es sich auch, ob ein deutsches Gericht sich zu solchen Ermessensentscheidungen als befugt betrachten kann. Es wäre bedenklich, wenn die Organe im Heimatstaat des Erblassers als ausschließlich zuständig anerkannt würden, um den Nachlaß nach ihrem Ermessen zu verteilen: Von der auf Antrag erfolgenden richterlichen Korrektur des normalen Erbrechts zu einem System, bei dem der Nachlaß dem Staat zu einer Neuverteilung anfällt, ist nur ein kleiner Schritt; da bei dieser Neuverteilung politische Wertungen nicht ausgeschaltet werden können, werden sich andere Lagestaaten von
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Nachlaß nicht ohne weiteres darauf einlassen, daß die Neuverteilung durch den Heimatstaat des Erblassers geschieht. Gesteht man dem Lagestaat von Nachlaß die Befugnis zu, eine richterliche Korrektur der Erbfolgeregelung, wie sie auf Grund des berufenen Erbstatuts vorgesehen ist, vorzunehmen, wenn in der Sicht des Belegenheitsstaates die Versorgung nächster Angehöriger des Erblassers durch dieses Erbrecht nicht gewährleistet ist, so läßt sich auch die in der deutschen Rechtsprechung (Anm. 152) und Literatur vertretene Auffassung, daß das Fehlen von Noterb- oder Pflichtteilsrechten in einem vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Erbstatut keinesfalls eine untragbar krasse Abweichung von der lex fori darstelle, nicht aufrecht erhalten. Liegt eine doppelte Binnenbeziehung in Gestalt der Belegenheit von Nachlaß im Inland, und einer Belastung deutscher Fürsorgeeinrichtungen bei Mittellosigkeit der unversorgt zurückgelassenen Angehörigen des Erblassers vor, so kann die Anwendung des ausländischen Erbrechts, auf Grund dessen diese Angehörigen aus dem Nachlaß nichts erhalten, nicht hingenommen werden. Anders ist es, wenn sich die vom Erblasser unversorgt gelassenen Angehörigen im Staat des ausländischen Erbstatuts aufhalten; anders ist es auch, wenn auf Grund des ausländischen Erbstatuts Angehörige, die nach deutschem Recht pflichtteilsberechtigt wären, nichts erhalten, aber angesichts ihrer Vermögensverhältnisse nicht auf eine Beteiligung aus dem Nachlaß angewiesen sind. So insbesondere bei dem droit de prélèvement des französischen internationalen Privatrechts, vgl. Batiffol, Bd. 2, S. 359. Der Lagestaat könnte auch bestimmen, daß nur dann, wenn alle nach dem als Erbstatut berufenen ausländischen Recht in Frage kommenden Miterben ihrerseits Angehörige des Belegenheitsstaates sind, dessen Recht auf die Vererbung des inländischen Nachlasses zur Anwendung gebracht wird. Cass. Tunis, Rev. Tun. D. 1975, 171, will in Fragen des Personalstatuts, wenn alle Parteien Tunesier sind, das tunesische Recht anwenden. Sind alle Erben eines ausländischen Erblassers — nämlich bei Anwendung seines Heimatrechts — mohammedanische Tunesier, so soll bei einem Streit um die Größe der Erbteile das tunesische Islamrecht maßgebend sein. Das führt zu Komplikationen, wenn auch nur ein Miterbe eine andere Staatsangehörigkeit hat: Sollten dann die übrigen den ihnen nach dem ausländischen Erbrecht zukommenden Teil des inländischen Nachlasses gemäß ihrem gemeinsamen Personalstatut aufteilen? Müßten sie eventuell einen nach dem ausländischen Erbstatut nicht Berufenen an dem ihnen Zukommenden beteiligen? Vgl. S. 674f. Vgl. dazu oben Anm. 7. In diesem Sinne will die Haager Konvention vom 2. 10. 1973 den Anspruch des Heimatstaates des Erblassers auf Anwendung seines Rechts vor dem Anspruch des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts bevorzugen, jedoch nicht, wenn der Erblasser in dem letzteren Staat seinen gewöhnlichen Aufenthalt 5 Jahre lang vor dem Tode gehabt hat. Ferner soll der Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Möglichkeit haben, anstelle seines Rechts das Recht des Heimatstaates zugrunde zu legen, wenn der Erblasser dieses Recht als das für die Bestimmung des Nachlaßverwalters maßgebliche Recht ausdrücklich gewählt hat. Uber die Wahl des Erbstatuts als solchem vgl. unten S. 687. Eine Retorsion zwischen verschiedenen Lagestaaten erübrigt sich, wenn der Lagestaat A das Heimatrecht X anwendet und danach Et allein Erbe wird, während der Lagestaat B das Wohnsitzrecht Y anwenden läßt und danach E 2 Alleinerbe ist. Sind E t und E 2 in A unter dem Recht X zu V 4 bzw. 3 / 4 , in B unter dem Recht Y hingegen zu 3 / 4 bzw. V 4 berufen, so sollte weder A noch B eine Korrektur der Lösungen des anderen Lagestaates versuchen oder Retorsion üben. Tut einer der beiden Lagestaaten dies dennoch, soweit damit Erbprätendenten eigener Staatsangehörigkeit begünstigt werden, so ist allerdings dem anderen Staat nicht zu verwehren, Entsprechendes zu tun. Als „Sieger" kann jedoch nur derjenige Staat hervorgehen, der aus dem von ihm erfaßbaren Inlandsvermögen die Ansprüche der von ihm durch Retorsionsmaßnahmen begünstigten Erbprätendenten, die am ganzen Nachlaß errechnet werden, ganz oder zum größeren Teil befriedigen kann; vgl. S. 274. Viele Staaten, darunter auch Deutschland, sind in bezug auf die Anerkennung ausländischer Erbrechtsfeststellungen in Erbscheinen zurückhaltend. Die Bestimmungen des Haager Abkommens vom 2. 10. 1973 über die internationale Nachlaßverwaltung sind für die Bundesrepublik noch nicht in Kraft getreten. Das Abkommen bezieht sich nicht auf Zeugnisse darüber, ob jemand durch Erbfolge am Vermögen eines Verstorbenen in irgendeiner Weise, oder insbesondere als
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„Erbe" im engeren Sinne beteiligt ist, sondern nur auf Zeugnisse darüber, welche Befugnisse jemand hat, bestimmte Akte in bezug auf den Nachlaß in Ausübung einer Verwaltungsbefugnis an Nachlässen vorzunehmen. Dabei wird allerdings von der Konvention unterstellt, daß diese Frage Gegenstand einer Regelung durch dasselbe Recht ist, welches das Erbstatut stellt. Darüber, welches Recht angewendet werden soll, versucht die Konvention in erster Linie einen Kompromiß zwischen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzip auszuarbeiten, ohne jedoch dabei auf der allgemeinen Verbindlichkeit der vorgeschlagenen Lösung zu bestehen. Die Anerkennung von Befugnissen, die sich im Sinne der Absichten des Ausstellungslandes eines Verwalterzeugnisses auch auf ausländische Grundstücke beziehen sollen, ist weder für den Lagestaat des Grundstücks noch für dritte Staaten obligatorisch. Das Abkommen gibt m. E. dem Recht des Lagestaates eine unzureichende Berücksichtigung. 25
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Ansätze zu einem Rückwirkungsanspruch von neuem Erbrecht finden sich verschiedendich im Recht der sowjetischen Länder, insbesondere wenn nach dem neuen Recht der Staat Erbe wird, während nach altem Recht entfernte Verwandte geerbt hätten. Sind alle als Miterben in Frage kommenden Personen mit dem Staat des Erbstatuts selbst durch eine persönliche Verknüofung (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz) verbunden, so mag dies als Nachschubanknüpfung (vgl. S. 310) für die Anwendung von rückwirkungswilligen Sätzen des Erbstatuts genügen, wenn diese nur die Quoten der Miterben verändern. Wird die bei der Begründung eines Vermögensrechts unzweideutig vorgesehene Vererblichkeit des Rechts nachträglich beseitigt, so kommt dies dann einer Enteignung (der Erben) gleich, wenn auf diese Weise andere Personen bereichert werden (wie z. B. der Schuldner beim Erlöschen der Forderung). Damit nicht zu verwechseln ist es, wenn ein Staat in seinem Recht Angehörige eines anderen Staates nicht als Intestaterben erben lassen will, falls der Heimatstaat des Erben den Erbgrund (insbesondere entfernte Verwandtschaft oder Testament), der der Berufung zugrunde liegt, in seinem eigenen Erbrecht nicht hat, und wenn infolgedessen ein Angehöriger des Forumstaates im Heimatstaat des Erbprätendenten aus einem entsprechenden Grunde niemals etwas erhalten würde. Insbesondere manche religiösen Gruppenrechte schließen eine Beerbung eines Gruppenangehörigen durch einen Angehörigen einer anderen Gruppe aus. In einzelnen Gliedstaaten der Vereinigten Staaten wurden zeitweise Angehörige anderer Länder als unter dem betreffenden Gliedstaatsrecht nicht erbfähig betrachtet, wenn nicht gesichert war, daß* die Erben in ihrem Heimatstaat tatsächlich in den Genuß der dahin übersandten Nachlaßgegenstände kommen würden. Ferner gab es Bestimmungen, welche den Angehörigen solcher fremden Staaten nichts aus einem amerikanischen Nachlaß zukommen lassen wollten, wenn der Heimatstaat der als Erben Berufenen zwar Ausländer nicht als Erben ausschloß, aber sie an der Ausfuhr des Erbgutes hinderte, vgl. Anm. 146 zu S. 111. Bestimmungen über den „bürgerlichen Tod" bei Ablegung gewisser Klostergelübde oder als Strafe sind heute kaum noch anzutreffen. Sie haben überdies meist gar keine Erbfolge in das Vermögen des für tot Erklärten zur Wirkung gehabt, sondern über sein Vermögen wurde durch Rechtsgeschäft verfügt, oder es galt als dem Staat verfallen. Als Urheberstaat anwendungswilliger Bestimmungen käme keineswegs nur der Heimatstaat, sondern auch der Staat in Betracht, wo jemand sich aufhält oder eine strafbare Tat begeht, die den bürgerlichen Tod nach sich zieht. Die Anwendung derartiger Bestimmungen in anderen Ländern als dem Urheberstaat scheitert durchweg an der ordre public-Klausel. Nur selten wird bei Todesfällen eigener Staatsangehöriger des Forumstaates, wenn sich der Todesfall im Ausland ereignet, Nachweis durch eine Eintragung in einem vom Konsul geführten Standesregister im Sterbeland verlangt. In jedem Staat, in welchem sich Nachlaßgegenstände befinden und sich die Frage nach der Haftung dieser Gegenstände für die persönlichen Schulden des Erblassers stellt, besteht das Bedürfnis, der materiellen Harmonie zuliebe die Frage nach dem Todeszeitpunkt, ungeachtet des Standpunkts des auf die Erbfolge und die Schuldenhaftung anzuwendenden Rechtes, auf jeden Fall bezüglich des Inlandsvermögens gleich zu beantworten. Bei dieser Lösung des Lagestaates muß es auch bleiben, wenn die Gerichte eines anderen Staates zu entscheiden haben. In dem Forumstaat muß infolgedessen die Frage nach dem Todeszeitpunkt für die in verschiedenen Staaten belegenen Nachlaßteile unterschiedlich beurteilt werden: Hat der Erblasser sowohl im Staat A, als auch im Staat B 1055
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Grundstücke und bewegliches Vermögen hinterlassen, beurteilt A die Erbfolge in die inländischen Grundstücke nach seinem Recht, die Erbfolge in das bewegliche inländische Vermögen hingegen nach dem Recht C , während der Staat B für die auf seinem Gebiet belegenen Grundstücke das Recht B, für die Mobilien das Recht D beruft, so wird der Staat A auf einem für das inländische Vermögen einheitlichen Todeszeitpunkt (X) bestehen, während B sich vielleicht für einen Todeszeitpunkt Y entscheidet. Ist dann in einem weiteren Staat F die Frage zu beantworten, wer einen der Gegenstände in A oder B durch Erbfolge erworben hat, so wäre es unsinnig, wenn hier ein dritter Todeszeitpunkt Z zugrundegelegt würde. 3 2 Die materielle Harmonie erfordert auch nicht, daß jemand, der für die Zwecke seiner Beerbung im Forumstaat als zu einem bestimmten Zeitpunkt verstorben gilt, im Zusammenhang mit der Frage, ob er einen anderen Verstorbenen überlebt hat, nicht nach dem für die Erbfolge nach dieser anderen Person maßgeblichen Recht als zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt verstorben gilt. B G H , IPRsp 1960 — 61, N r . 63, wollte offenbar die Fragen des Todes und des Todeszeitpunkts — die ja vorwiegend nur als Teilfragen im Erbrecht, und zwar sowohl für den Erblasser als auch für etwaige Erben von praktischer Bedeutung werden — der materiellen Harmonie zuliebe grundsätzlich nach dem Heimatrecht der betreffenden Person beurteilen. Betrachtet der Heimatstaat der Person das Gericht eines dritten Staates als zuständig zu einer Entscheidung über Tod oder Todeszeitpunkt, so wird dies ebenso respektiert, wie eine Weiterverweisung des Heimatrechts auf die Bestimmungen eines dritten Rechts, insbesondere soweit es sich um die Widerlegung der in der gerichtlichen Entscheidung ausgesprochenen Vermutung handelt. Besteht eine konkurrierende Zuständigkeit ausländischer Gerichte und der deutschen Gerichte zu einer Todeserklärung, so ist die zuerst ergangene Entscheidung maßgebend, und damit auch der von ihr festgesetzte wahrscheinliche Todeszeitpunkt: B G H , IPRsp 1 9 6 4 - 6 5 , N r . 9. 3 3 Gegen die Anwendung der in vielen Rechten anzutreffenden Regelung, daß, wenn der Vater des gezeugten Kindes vor der Geburt verstorben ist, mit der Nachlaßabwicklung abgewartet werden muß, ob das Kind lebend geboren wird, sind Bedenken auch in einem Forumstaat nicht begründet, der eine entsprechende Regelung im eigenen Recht nicht hat. Im Testamentsrecht der Länder des englischen Rechtskreises sind testamentarische Erbeinsetzungen von noch ungezeugten Kindern anderer Personen als des Erblassers möglich, wenn sie innerhalb einer im Testament festgesetzten Zeit geboren werden, möglicherweise auch dann sogar nur, wenn sie ein bestimmtes Lebensalter erreichen, ohne daß Einsetzung zu Nacherben, wie nach § 2101 B G B , angenommen werden muß. 3 4 Vgl. unten Anm. 93. 3 4 a Das Erbrecht kann den Miterben bei Intestaterbfolge erlauben, ihre Q u o t e n selbst anders festzusetzen als das Gesetz, wenn sie auch denselben Effekt meist durch Schenkungen erreichen könnten. Das Erbstatut kann eine testamentarische Anordnung zulassen, wonach die durch Testament eingesetzten Miterben eine solche Befugnis erhalten sollen. Eine derartige Bestimmung eines ausländischen Erbrechts ist auch bei der Ausstellung eines deutschen Erbscheins zu beachten, auch wenn das deutsche Recht Veränderungen der Erbberechtigungen durch Akte der Erbberufenen nur durch Ausschlagung ermöglicht. Fehlt im Erbstatut dem berufenen Erben das Recht zur Ausschlagung (so im älteren common law bezüglich des Intestaterbrechts), so wird dies in einem Lagestaat von Nachlaß, der eine entsprechende Bestimmung nicht hat, als krasse Abweichung empfunden werden. D i e Abtretung der angefallenen Erbschaft an denjenigen, der beim Fehlen des zuerst Berufenen Erbe sein würde, aber auch die einfache Verweigerung der Inbesitznahme der Erbschaft sollten dann bei der Ausstellung eines Erbscheines wie eine Ausschlagung behandelt werden. 3 5 Sind in einem Staat alle Kinder, ohne Rücksicht auf die Besonderheiten der Abstammung, für sämtliche Zwecke des inländischen Rechts gleichgestellt, so sind auch, wenn die Abstammung erst im Erbstreit geklärt werden muß, dieselben Beweismittel und Vermutungen maßgebend, wie wenn die Abstammung zu Lebzeiten des Erblassers unter demselben Recht etwa für die Zwecke des Unterhalts geklärt werden müßte. Volle Gleichstellung aller Kinder „for all the purposes of the law of N e w Zealand" sieht das neuseeländische Gesetz N r . 18/1968 vor, und zwar „in respect of every person . . . whether born in N e w Zealand or not, and whether or not his father or mother has ever been domiciled in N e w Zealand." Feststellungen der Vaterschaft durch ausländische Behörden sind für Erbzwecke in Neuseeland nur dann zugrunde zu legen, wenn die Anerkennungsfähigkeit solcher Entscheidungen für das einzelne Land durch neuseeländische Regierungsverordnung geklärt ist. Bei Anwendung neuseeländischen Erbrechts in anderen Staaten ist dieser Kindesbegriff des
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neuseeländischen Rechts ohne Rücksicht darauf zugrunde zu legen, ob das Abstammungsverhältnis in dem anderen Staat in anderen Zusammenhängen Rechtswirkungen nach einem anderen Recht hervorbringt. Nur erbrechtliche Nachwirkungen hat auch eine rückwirkend durch Gesetz verfügte Legitimation von bereits verstorbenen Personen, wie sie sec. 8 des Legitimacy Act 1961 für Malaysia vorsieht. Hier bestimmt das Nachwirkungsstatut den Anwendungsbereich solcher Gesetze über Legitimation. Auch die zulässigen Beweismittel für die Abstammung können für die erbrechtsauslösende Abstammung andere sein als für eine Abstammung, die einen Unterhaltsanspruch auslöst. Uber den Nachweis der Abstammung durch Anerkennung vgl. unten S. 673. BayObLG, IPRsp 1976, Nr. 115, beurteilt den Beweis der Abstammung unehelicher Kinder, soweit es sich um deren Erbrecht handelt, nach dem Erbstatut, offenbar in der Annahme, daß die Gerichte im Staate des Erbstatuts ebenso handeln müßten. Vgl. S. 665, Anm. 18. Vgl. hierzu Locke vs. Estate of Campbell, 305 So. 2d 825; In re Estate of Ginochio, 117 Cal. Rptr. 565. Es gibt aber auch Rechte, welche, wenn sie nur „legitime" Kinder erben lassen, darunter solche verstehen, bei denen die Voraussetzungen für die familienrechtliche Stellung als legitime Kinder vorgelegen hätten, wenn das Erbstatut zugleich Kindschaftsstatut gewesen wäre, vgl. Estate of Lund, 159 Pac. 2d 643; In re Dyer, [1950] N. Z. L. R. 221. Es ist Sache des Erbstatuts, ob es dieselbe Erbberechtigung, welche es der in einem bestimmten familienrechtlichen Rechtsverhältnis zum Erblasser stehenden Person gewähren will, auch demjenigen gewährt, dem gegenüber der Erblasser rechtlich oder moralisch durch ein Versprechen verpflichtet war, an dem rechtsgeschäftlich zu begründenden Zustandekommen des Rechtsverhältnisses mitzuwirken. Das Erbstatut kann das Ehegattenerbrecht, wenn auch vielleicht unter zusätzlichen Bedingungen, auch dem Verlobten gewähren. Im Recht verschiedener amerikanischer Gliedstaaten löst das Versprechen einer Adoption dieselben Folgen aus, wie sie die vollzogene Adoption gehabt hätte; vgl. über die equitable adoption im Erbrecht amerikanischer Staaten Calista Corp. v. Mann, 564 Pac. 2d 53, und Ramsay vs. Lane, 507 S. W. 2d 905. Ist eine rechtswirksame Adoption angesichts der zur Zeit der faktischen Adoption und des Versprechens bestehenden Verknüpfungen unter dem danach maßgeblichen Adoptionsstatut gar nicht möglich, ist aber eine Begründung neuer Verknüpfungen, welche zu einem die Adoption ermöglichenden Recht führen würde, bereits ins Auge gefaßt, so mag dies in den Augen des Erbstatuts ausreichen, um eine equitable adoption anzunehmen. In einigen der Rechte, welche die richterliche Korrektur der konkreten Erbfolgeregelung vorsehen (vgl. Anm. 18), ist das Versprechen einer Ehe oder Adoption durch den Erblasser, insbesondere wenn der Versprechensempfänger zu Lebzeiten ohne Entgelt Leistungen zugunsten des Erblassers, oder im Interesse des Erblassers, erbracht hat, ebenfalls ein Grund für die richterliche Korrektur. Die für die Erbberechtigung entscheidenden Eigenschaften eines präjudiziellen Familienrechtsverhältnisses müssen im Zeitpunkt des Erbfalls vorhanden sein, und die Umstände, die einer solchen Erbberechtigung im Wege stehen, dürfen nicht zu diesem Zeitpunkt bestehen. Ist es im Recht A für das Pflichtteilsrecht der Adoptivkinder entscheidend, daß es das Erbrecht von leiblichen Kindern, die vor der Adoption schon vorhanden waren, nicht beeinträchtigt, und ist die Adoption gemäß dem Recht B zustande gekommen, welches Adoptionen auch beim Vorhandensein leiblicher Abkömmlinge des Adoptierenden ermöglicht, so besteht das Pflichtteilsrecht unter dem Recht A, wenn zur Zeit des Todes keine vor der Adoption geborenen leiblichen Deszendenten des Erblassers mehr vorhanden sind. Vgl. dazu die viel erörterte Entscheidung von Cass. Paris 21. 4. 1931, Clunet 1932, 160, welche unnötigerweise von einer beim Vorhandensein leiblicher Abkömmlinge unter dem Personalstatut des Erblassers zulässigen Adoption behauptet, daß die Adoption unter solchen Umständen generell in Frankreich gegen den ordre public verstoße. Soll das nichteheliche Kind dann erben, wenn dadurch nicht die Erbberechtigung von ehelichen Kindern geschmälert wird, so kommt es ja auch nicht darauf an, ob zur Zeit der Geburt oder Zeugung des nichtehelichen Kindes eheliche Kinder des Erblassers vorhanden sind, sondern darauf, ob solche zur Zeit des Erbfalls da sind. 1057
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Die auch in der deutschen Literatur vielfach vertretene Ansicht, daß eine für die deutsche Rechtsordnung nicht bestehende Ehe keinesfalls ein Ehegattenerbrecht unter dem in Deutschland berufenen ausländischen Erbstatut nach sich ziehen könne, ist ohnehin unrealistisch, insoweit man sie auch für einen außerhalb Deutschlands belegenen Nachlaß als die Stellungnahme des deutschen internationalen Privatrechts annehmen will. Sie erweist sich aber auch bezüglich des inländischen Nachlasses als unhaltbar allein auf Grund der folgenden Erwägungen: Hat der Erblasser dem vom Standpunkt des Erbstatuts rechtmäßigen Ehegatten unter namentlicher Bezeichnung das zugewendet, „was ihm als gesetzliches Erbteil zukommen würde", so kann dies unmöglich dahin ausgelegt werden, daß auf Grund dieser testamentarischen Anordnung der Bedachte nichts erhält, weil er ja in Deutschland nicht gesetzlicher Erbe ist. Auch wenn der bedachte Ehegatte nicht mit seinem Namen genannt ist, können die Auslegungsvorschriften des Erbstatuts, wonach der vom Testator als gesetzlicher Erbe Benannte eben der gesetzliche Erbe im Sinne des Erbstatuts ist, nicht ignoriert werden. Ist im Geiste des Erbstatuts das Intestaterbrecht als hypothetischer Wille dessen zu verstehen, was der Erblasser selbst gewollt hat, so kann es auch nicht ignoriert werden, wie bei Intestaterbfolge im Urheberstaat dieser Bestimmungen ermittelt wird, wer der rechtmäßige Ehegatte des Erblassers war. Im Sinne der hier kritisierten Ansicht entscheidet allerdings das Distriktgericht Tokio, Jap. Ann. Int. L. 19 (1975) 219: Bei Anwendung chinesischen Erbrechts erbt der überlebende Gatte, dessen in Japan geschlossene Ehe vom Standpunkt des Erbstatuts her gültig ist, nichts, weil die vom japanischen Recht gebotene Registrierung der Eheschließung unterblieben war. 4 1 Die Teilung des Ehegattenerbteils zwischen dem rechtmäßigen Gatten und dem Ehegatten aus einer (gerichtlich anerkannten) faktischen Ehe wird heute zum Teil sogar im Gesetz vorgeschrieben, vgl. den südaustralischen Administration and Probate Act Amendment Act (no. 2) 1975, sec. 72 h. Ebenso Re Estate of Vargas, 111 Cal. Rptr. 779. Vgl. ferner Cass. Paris, Clunet 1972,591. 4 2 Vgl. oben S. 665. 4 3 Beispiel: Ein Grieche, dessen Ehe mit einer Griechin nur vor dem deutschen Standesbeamten geschlossen wurde und daher vom Standpunkt des griechischen Rechts her nicht bestand, verstirbt ohne Nachkommen und Testament und hinterläßt Vermögen in Deutschland. Hatten die Eheleute ihren Wohnsitz in Deutschland, lebten sie dort zusammen, und konnte der überlebende Gatte mit Rücksicht auf die beiderseitigen Vermögensverhältnisse eine Versorgung aus dem ebenfalls in Deutschland befindlichen Nachlaß erwarten, so sollte das deutsche Gericht ihm den in Deutschland belegenen Nachlaß in dem Umfang zukommen lassen, wie dies nach griechischem Intestaterbrecht bei Anerkennung des Bestehens der Ehe in bezug auf den ganzen Nachlaß geschehen müßte. Anders ist es, wenn die Ehegatten sich entsprechend der Rechtslage unter griechischem Recht als unverheiratet betrachtet und getrennt gelebt hätten, aber auch wenn der überlebende Ehegatte für seinen Lebensunterhalt nicht auf einen Anteil aus dem Nachlaß des Erstverstorbenen angewiesen ist, und die nach griechischem Recht in Frage kommenden Eltern ihrerseits versorgungsbedürftig sind. 4 3 a Im Hindurecht ist die Legitimität des Kindes nur im Erbrecht von Bedeutung; obwohl das illegitime Kind Unterhaltsansprüche hat, ist eine Legitimation unmöglich. 4 4 Die früher geltende Succession Ordinance für Palästina ließ als legitime Kinder jedenfalls in bestimmten Zusammenhängen diejenigen erben, die entweder nach ihrem eigenen Heimatrecht, oder nach dem Personalstatut des Erblassers als dessen legitime Kinder galten. Auch für das Erbrecht für Nigerien wird die Ansicht vertreten, Legitimität eines Kindes müsse für erbrechtliche Zwecke alternativ zugunsten der Legitimität nach den verschiedenen Rechten beurteilt werden, zu denen Verknüpfungen bestehen, vgl. Nwogugu, [1964] J. Afr. L. 91 ff. 4 5 Lebt ein deutscher Staatsangehöriger in einem Land, welches den aus freien Ehen hervorgegangenen Kindern die Rechtsstellung legitimer Kinder zuweist, und welches diese seine eigenen Bestimmungen auf Grund der Wohnsitzverknüpfung als anwendbar betrachtet, in einer derartigen freien Ehe, obwohl er eine Rechtsehe im Sinne des deutschen Rechts hätte schließen können, so mag diese eheliche Verbindung zwar in Deutschland im Verhältnis zwischen den Ehegatten nicht als Ehe gelten (vgl. S. 613), doch sollten die Kinder am deutschen Nachlaß als eheliche Kinder beteiligt sein, soweit es nach deutschem Recht auf diese Eigenschaft ankommt. Läßt das Erbstatut alle Kinder des Erblassers in gleicher Weise erben, und verbindet es mit einer Rechtsehe der Mutter nur eine jederzeit, also auch noch im Erbstreit, widerlegbare Vermutung für 40
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die biologische Abstammung vom Ehemann, so wird als „Ehe" nicht nur eine im Lande des Erbstatuts im Verhältnis zwischen den Ehegatten als gültig anzusehende Ehe zugrunde zu legen sein, sondern auch eine nur unter einem ausländischen Recht gültige Rechtsehe. Die alternative Anwendung mehrerer Rechte auf familienrechtliche Vorfragen für eine Erbberechtigung hat praktisch vor allem zur Folge, daß für erbrechtliche Zwecke unter Umständen das Nebeneinander von legitimen Kindern aus mehreren gleichzeitig bestehenden Ehen angenommen werden muß, auch wenn alle in Frage kommenden Rechte nur eine Ehe mit einem Partner zulassen wollten. Eine Erbberechtigung von Kindern aus mehreren nebeneinanderbestehenden hinkenden Ehen stört die materielle Harmonie jedoch sicher nicht, wenn das betreffende Erbstatut auch Kinder aus Putativehen erben läßt, oder wenn es sowohl den aus einer Ehe hervorgegangenen, als auch Ehebruchskindern die gleiche Erbberechtigung verschaffen will. Daß mehrere überlebende Ehegatten als Erben in Frage kommen, vermeidet das Erbstatut vielfach schon dadurch, daß das Erbrecht des einen oder des anderen wegen faktischer Trennung, oder wegen des Bestehens eines nachweisbaren Scheidungsgrundes, entfällt. An der Behauptung, daß ein anderer Erbprätendent nicht die rechtmäßige Ehefrau oder nicht „legitimes Kind" im Sinne des Erbstatuts ist, sind neben Kindern mit unbestrittener Erbberechtigung praktisch in erster Linie entfernte Verwandte des Erblassers oder der Fiskus interessiert. Es ist eine Stellungnahme zu den Interessengegensätzen zwischen diesen Personengruppen, also eine materiellrechtliche Entscheidung des Gesetzgebers, welche bei der kollisionsrechtlichen Regelung der durch das Erbrecht aufgeworfenen Teilfragen erfolgt. Nach der abgelehnten Auffassung würde nach dem Erbrecht des Staates X nur derjenige als Adoptivkind erben, auf dessen Adoption (Gültigkeit und Wirkungen) ebenfalls das Recht X anwendbar war; bei einem Wechsel des Personalstatuts des Erblassers und Unveränderlichkeit des Adoptionsstatuts würde das Adoptivkind nicht erben können. Ausdrücklich bestimmt sec. 4 des südaustralischen Inheritance (Family Provision) Act 1972, daß als rechtmäßig adoptiertes Kind zu gelten hat, wer gemäß dem Recht von Süd-Australien oder gemäß einem anderen Recht adoptiert worden ist, dessen Adoptionsakt in Süd-Australien anerkannt wird. Geht das Erbstatut davon aus, daß — entsprechend dem Familienrecht des Erbstatuts — der Erblasser nur in einer vollgültigen Ehe mit einem einzigen anderen Partner gelebt haben kann, so hat eine Anpassung der Vorschriften über das Ehegattenerbrecht zu erfolgen, wenn der Erblasser im Staat des Erbstatuts als rechtmäßig in einer Vielehe lebend zu gelten hat. Das kann der Fall sein, wenn der Lagestaat eines Grundstücks das Erbstatut stellt, und Eigentümer ein gemäß seinem Heimatrecht im Heimatstaat in einer gültigen Mehrehe lebender Ausländer war, oder wenn das Erbstatut wegen Wohnsitzes anwendungswillig ist, und ein bereits gemäß seinem bisherigen Personalstatut rechtmäßig in mehreren Ehen lebender Erblasser seinen Wohnsitz in diesem Staat genommen hat. Erhält unter dem Erbstatut der überlebende Gatte dasselbe Erbteil wie ein Kind, so ist eine Anpassung bei mehreren überlebenden Ehegatten nicht notwendig. Anders ist es, wenn für „den" Ehegatten ein fester Anteil am Nachlaß vorgesehen ist; dann könnte man geneigt sein, den eigentlich nur für einen Ehegatten vorgesehenen Erbteil auf die mehreren überlebenden Ehegatten aufzuteilen; das erscheint dann nicht unbillig, wenn das Erbrecht des Staates, welcher die Ehewirkungsstatuten stellte, selbst in seinem Erbrecht ausdrücklich bestimmt, daß der Ehegattenerbteil beim Vorhandensein mehrerer Ehegatten unter diese aufgeteilt wird (wie im Islamrecht). Da nichts im Wege steht, daß Personen, die gemäß ihrem bisherigen Personalstatut in einer aktuellen Vielehe leben, ihr Domizil in England nehmen, haben alle Frauen aus einer derartigen Ehe des in England domizilierten Erblassers gegebenenfalls Anspruch auf Korrektur der testamentarischen Erbfolge gemäß dem englischen, bei englischem Domizil des Erblassers anzuwendenden Family Provision Act: In reSehota, [1978] 1 W. L. R. 1506. Ist in einem Lagestaat von Nachlaß auf einen Teil desselben das eigene Recht anwendbar (z. B. für Grundstücke), auf einen anderen Teil ein ausländisches Erbrecht, so kann von jedem dieser Erbstatuten die Teilfrage nach der legitimen Abstammung eines Erbprätendenten aufgeworfen, aber unterschiedlich beantwortet werden; so kann etwa im Erbrecht des Lagestaates nur das in der Ehe geborene Kind als legitimes Kind erben, nicht aber das legitimierte Kind, während in dem ausländischen Erbstatut jedes im Familienrecht des Wohnsitzlandes meistbegünstigte Kind als legitimes Kind im Sinne des Erbrechts gelten kann. Hat der Lagestaat schon im Inlandsrecht unterschiedliche Erbfolgeregelungen für Grundstücke und bewegliches Vermögen, so kann sogar der Begriff
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der Legitimität in diesen beiden eigenen Erbfolgeregelungen unterschiedlich verstanden werden (so früher in England). Soll durch Berufung des Heimat- oder Wohnsitzrechts des Erblassers im Kollisionsrecht eines Lagestaates die Einheitlichkeit der Erbfolgeregelung in bezug auf den ganzen Nachlaß gefördert werden, so wird die Erreichung dieses Zieles verhindert, wenn jeder derjenigen Lagestaaten, die übereinstimmend etwa das Heimatrecht berufen, die eigenen Bestimmungen über die Legitimität der Abstammung eines Erbprätendenten ohne Rücksicht darauf anwenden wollen, wie das Erbstatut diesen Begriff versteht. Unterscheidet das Erbstatut nicht bloß zwischen den zu Lebzeiten des Erblassers im Familienrecht meistbegünstigten Kindern, und denen, die nicht hierzu gehören, sondern differenziert es bei der Gewährung von Erbrechten an nichtmeistbegünstigte Kinder wieder zwischen verschiedenen Arten dieser Kinder, so ist es unter Umständen in der Sicht des Urhebers des Erbrechtsgesetzes entscheidend, wie der Erblasser das Kind erbrechtlich behandelt wissen wollte; das muß dann aber nicht notwendig in einer Äußerung im Testament zum Ausdruck gebracht werden, sondern kann auch in einer förmlichen Anerkennung des Kindes (als „natürliches" Kind usw.) zu sehen sein, die in dem Recht, unter dem sie erfolgt, erbrechtliche Nachwirkungen hätte. Scheitert die familienrechtliche Wirksamkeit einer solchen Anerkennung an dem Widerspruch der Mutter, so kann sie doch erbrechtlich in einem anderen Erbstatut von Bedeutung werden; die Mutter kann ja dem volljährig gewordenen Kind die Annahme einer testamentarischen Zuwendung durch den von ihr verleugneten „Vater" auch nicht verbieten. Eine selbständige Beantwortung der Frage nach der Legitimität durch den Lagestaat scheint dem Urheber des Legitimacy (Jersey) Law 1973, vorgeschwebt zu haben. Das Gesetz enthält materiellrechdiche Bestimmungen über die Vermutungen für legitime Geburt und ihre Widerlegung, sowie über Legitimation als den einzigen Weg zum nachträglichen Eintritt der Legitimität. Zugleich wird bestimmt, daß „die Legitimität" einer natürlichen Person im konkreten Fall — und zwar offenbar allein gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes — geprüft werden muß, wenn der Betreffende in Jersey domiziliert ist, oder (also ohne selbst eine Verknüpfung zu Jersey zu haben oder gehabt zu haben) Erbansprüche bezüglich eines in Jersey belegenen unbeweglichen oder beweglichen Nachlasses stellt oder stellen könnte. Trotzdem dürfte anzunehmen sein, daß Jersey die Vererbung von inländischem beweglichen Nachlaß gar nicht nach Jerseyrecht, sondern nach dem Domizilrecht des Erblassers beurteilen will. Läßt das Erbstatut die von ihm aufgeworfene Teilfrage, ob ein Kind zu Lebzeiten des Erblassers zu dessen legitimen Kindern gehört hat, alternativ durch mehrere Rechte beantworten (vgl. Anm. 44), so liegt es nahe, daß als legitime Kinder im Sinne dieses Erbstatuts alle diejenigen angesehen werden, die nach dem maßgeblichen Familienrecht die Stellung eines meistbegünstigten Kindes hatten, ganz gleich, aus welchem Grunde das Familienrecht dies vorgesehen hat. Umgekehrt macht es eine ausdrückliche Regelung im Erbstatut, wonach alle im Familienrecht des Erbstatuts meistbegünstigten Kinder auch in gleichem Umfang erbberechtigt sind, wahrscheinlich, daß dieses Erbrecht für die Beantwortung dieser familienrechtlichen Teilfrage mehrere Rechte alternativ heranziehen will. Es ist aber auch denkbar, daß die Privatrechtsordnung des Erbstatuts zwar allen Kindern, deren Abstammung vom Erblasser entweder sicher oder nur möglich und nicht als unmöglich erwiesen ist, gleiches Recht auf Unterhalt und Ausbildung verschaffen, und den Reinnachlaß vorrangig für noch in der Zukunft fällige Ansprüche dieser Art verwenden will, daß aber eine Erbberechtigung an dem hierfür nicht benötigten Rest nur den Kindern zufallen soll, die aus einer Ehe des Erblassers hervorgegangen sind, und als erwachsene Kinder nur noch einen Notunterhaltsanspruch haben. Das Erfordernis der Prädestinierung eines familienrechdichen Rechtsverhältnisses zu erbrechtlichen Nachwirkungen durch das für die familienrechtlichen Wirkungen maßgebliche Statut ist nicht zu verwechseln mit dem Vorschlag, daß das für ein familienrechtliches Rechtsverhältnis maßgebliche Recht selbst das Ob und Wieviel der erbrechdichen Nachwirkungen bestimmen sollte, vgl. S. 174. Uber das Prädestinationserfordernis beim anerkannten unehelichen Kind vgl. In re Estate of Sherman, 351 N. Y. Supp. 2d 570. Bei den durch Testament entziehbaren Intestaterbberechtigungen steht es ohnehin jedem Erblasser frei, ob und wie er durch Errichtung eines Testaments darauf reagieren will, daß ein als Intestaterbe Berufener nichts getan hat, um dem Erblasser für den Fall, daß dieser länger lebt, ein testamentari-
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sches Erbrecht zu beschaffen, welches dem mangels anderweitiger testamentarischer Verfügung zum Zuge kommenden Intestaterbrecht unter dem Erbstatut für den Erstverstorbenen entspricht. Daß der Erblasser selbst nach dem als Erbstatut berufenen Heimatrecht den Erbschaftserwerb durch den Fiskus als letzten Erben durch Einsetzung eines testamentarischen Erben (den auch der Belegenheitsstaat anerkannt hätte) hätte verhindern können, ist hier sicherlich kein entscheidendes Gegenargument. Vgl. weiter S. 679 f. Vgl. S. 711 f. So im früheren deutschen Recht der Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes gegen den als Vater festgestellten Mann. Nach der heute beseitigten Vorschrift des Art. 205 des französischen code civil haftete der Nachlaß für Notunterhaltsansprüche des überlebenden Ehegatten. Im Hindurecht ist vorgesehen, daß der Unterhalt von Personen, die vom Erblasser abhängig waren und nichts, oder nicht genügend, aus dem Nachlaß erhalten, von denjenigen, denen der Nachlaß zufällt, und die nicht selbst unterhaltsbedürftig sind, aus dem kraft Erbrechts Erworbenen zu leisten ist, vgl. sec. 22f. Hindu Adoption and Maintenance Act 1956. Ähnlich viele afrikanische Stammesrechte. Es wäre dann möglich, daß der Unterhaltsanspruch des beim Tode des Erblassers unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindes, wenn für den Unterhalt in erster Linie der Erblasser, und nur subsidiär der andere überlebende Elternteil aufzukommen hatte, als Nachlaßforderung oder als gesetzliches Vermächtnis ausgestaltet würde, und damit vor dem Erbrecht der bereits volljährigen anderen Kinder befriedigt werden müßte. Schwierigkeiten entstehen im intergentilen Recht, wenn ein Erblasser in einer Ehe des einen oder des anderen Gruppenrechts, eventuell sogar in Ehen des einen und des anderen Gruppenrechts gelebt haben kann, und seine Beerbung durch Frau und Kinder aus einer Ehe — eventuell auch seine Erbberechtigung am Nachlaß von Frau und Kindern - nach den erbrechtlichen Vorschriften desjenigen Gruppenrechts erfolgen soll, dem die Ehe des Erblassers unterstand. Solche Regelungen sieht das Recht einiger früher zum britischen Kolonialreich gehörenden Länder in Afrika und Asien vor, indem anstelle des stammesrechtlichen Personalstatuts eines Erblassers europäisches Erbrecht auf den ganzen oder einen Teil des Nachlasses anzuwenden ist, wenn der Erblasser eine Ehe in der Form und mit den Wirkungen des europäischen Rechts eingegangen war, vgl. S. 175, Anm. 84. Zu welchen Komplikationen es dabei kommen kann, zeigt sich besonders deutlich im südafrikanischen Recht, welches den Bantus sowohl die Eingehung von Ehen des römischholländischen Rechts, wie es für Weiße gilt, als auch die Eingehung von „customary unions" ermöglicht. Soweit nicht für bestimmte Vermögensteile die Beerbung nach Bantu-Recht in sec. 23 des Bantu Administration Act zwingend vorgesehen ist, sieht eine Verordnung vor, daß das Bestehen einer Ehe des europäischen Rechts die Anwendbarkeit des europäischen Erbrechts nach sich ziehen soll; das gilt nicht nur, wenn eine solche Ehe noch zur Zeit des Todes bestanden hat, sondern auch, wenn der Erblasser früher in einer solchen Ehe gelebt hat und nicht nachträglich eine customary union eingegangen ist. Besonders bemerkenswert ist es, daß auch beim Bestehen einer customary union oder eines als Ehe ausgegebenen Konkubinats die Anwendung von Bantu-Recht (welches grundsätzlich kein Ehegattenerbrecht kennt) im Einzelfall ausgeschlossen werden kann, wenn nach Ansicht des Ministers für Bantu-Sachen mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles die Anwendung von Bantu-Erbrecht als „inequitable or inappropriate" betrachtet wird, vgl. dazu die Government Notice N o . 34/1966, sowie Kerr, The Customary Law of Immovable Property and of Succession, 1976. Wieder andere Lösungen gelten in Lesotho und Swaziland, vgl. Kathala vs. Kathala, [1963-66] H . C. T. L. R. 97; Baruti vs. Mdiniso, [1961-62] H . C. T. L. R. 46. In Indien werden die unter dem Special Marriage Act verheirateten Ehegatten und die Kinder aus dieser Ehe nach dem im Succession Act 1925 enthaltenen Erbrecht, nicht aber nach ihrem Gruppenrecht beerbt. Dies gilt jedoch seit 1976 nicht, wenn beide Ehegatten Hindus sind. Ähnliche Regelungen enthält das rhodesische Recht für diejenigen Ehen von Afrikanern, die nicht nach afrikanischem Stammesrecht, und nicht unter dem African Marriages Act, sondern nach dem üblicherweise für Europäerehen benutzten Marriage Act geschlossen worden sind. Ähnliche Vorschriften auch für die Erbfolge von Ehegatten und Kindern, wenn eine Ehe im Kondominium der Neuen Hebriden gemäß den britischen Civil Marriage Regulations no. 5/1974 zustandegekommen ist. 1061
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Cass. Paris, Rev. Jur. Pol. U. Fr. 1956, 601, beurteilt für das intergentile Recht in den französischen Kolonien das Nutznießungsrecht des überlebenden Ehegatten nach dem (europäisch-rechtlichen) Ehewirkungsstatut, auch wenn die Erbfolge im übrigen nach Stammesrecht beurteilt wird. 5 9 Vgl. oben S. 665, Anm. 18. S 9 a Vgl. oben S. 484 zu Anm. 27. S9b Vgl. oben S. 137. Anders allerdings die englische Rechtsprechung, vgl. Dicey, S. 589. 6 0 Im intergentilen Recht mancher ehemaligen britischen Länder besteht keine volle Gleichheit in der kollisionsrechtlichen Behandlung von Intestaterbrecht und Testamentserbrecht. Es besteht dabei die Tendenz, auch den Angehörigen solcher Gruppen, deren Gruppenrecht überhaupt kein Testament kennt oder größere Beschränkungen der Testierfreiheit hat als das rezipierte englische Recht, zu ermöglichen, durch Errichtung eines Testaments in der Form des englischen Rechts auch die Regelung der Erbfolge gemäß englischem Testamentsrecht herbeizuführen. 6 1 Kann eine Bestimmung des berufenen ausländischen Erbstatuts über die testamentarische Erbfolge, die der Belegenheitsstaat als untragbar kraß von der lex fori abweichend betrachtet, nicht einfach ignoriert werden, so ist die Lücke durch Heranziehung des Intestaterbrechts des Erbstatuts auszufüllen; so etwa, wenn es als anstößig betrachtet würde, daß unter dem Erbstatut der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen an dessen Stelle testieren konnte. 6 2 Kein verantwortungsbewußter Rechtsberater eines Testators kann sich darauf beschränken, ihm nur darüber Auskunft zu geben, welches Erbrecht das Kollisionsrecht des Staates, wo das Testament errichtet werden soll, oder wo der Erblasser zunächst nach der Testamentserrichtung wohnhaft oder staatszugehörig sein wird, auf den ganzen Nachlaß angewendet wissen möchte. Der Berater hat sich vielmehr nach der Belegenheit des Nachlasses zu erkundigen und den Testator darüber zu informieren, was in den verschiedenen Belegenheitsstaaten nach seinem Tode geschehen würde. Das gleiche gilt, wenn nach dem internationalen Privatrecht des Lagestaates ein Teil des dort belegenen Nachlasses nach diesem, ein anderer nach jenem Erbrecht vererbt wird. 6 4 So beispielsweise, wenn die Errichtung und der Inhalt eines verlorenen Testaments nicht durch die angeblich darin bedachten Personen als Zeugen bewiesen werden kann. 6 5 Vgl. das Haager Abkommen vom 5. 10. 1961 über die Gesetzeskonflikte betreffend die Form testamentarischer Verfügungen. Die alternativen Zuweisungen der Frage nach der Formgültigkeit des Testaments in der Haager Konvention vom 5. 10. 1961 werden auch dann, wenn es sich um Zuweisungen an das Recht eines Nichtvertragsstaates handelt, als unbedingte Zuweisungen behandelt. Das hat u. a. zur Folge, daß in einem Mehrrechtsstaat, der selbst keines seiner verschiedenen Teilrechte angewendet wissen will, noch nach der im Einzelfall intensivsten Verknüpfung zu einem solchen Teilrecht gesucht werden muß. Die Frage nach der Formgültigkeit des in Deutschland errichteten Testaments wird von BayObLG, IPRsp 1966 — 67, Nr. 181, gemäß Art. 1 des Haager Testamentsabkommens mit dem Heimatrecht des amerikanischen Erblassers bejaht, obwohl infolge Rückverweisung nicht amerikanisches Recht, sondern deutsches Recht Erbstatut war, und es Schwierigkeiten machte, angesichts des deutschen Domizils des Erblassers die intensivste Verknüpfung mit einem amerikanischen Gliedstaat zu ermitteln. 6 6 Die deutsche Rechtsprechung hat eine gesonderte Zuweisung der Testamentsform unabhängig von der Haltung des Erbstatuts aus Art. 11 EGBGB folgern wollen und daran trotz aller Kritik festgehalten, vgl. S. 699. 6 7 Nicht das Erbstatut als solches, sondern der Staat, welcher zugleich Heimat-, Wohnsitz- und Lagestaat ist, soll nach Art. 11 des Haager Abkommens über die Testamentsform vom 5. 10. 1961 die Benutzung einzelner in der lex loci actus zugelassener Testamentsformen ausschließen können unter der weiteren Voraussetzung, daß der Testator nicht in dem Land verstorben ist, wo er das Testament errichtet hat, und daß ein entsprechender Vorbehalt durch einen Vertragsstaat abgegeben worden ist. Darin steckt ein kümmerlicher Rest der Erkenntnis, daß es doch der Lagestaat ist, welcher letzdich über das erbrechtliche Schicksal der einzelnen Vermögensgegenstände entscheidet. Nach dem Abkommen darf jedoch eine Anordnung im Sinne des Art. 11, wenn sie durch einen Staat getroffen worden ist, der nicht Vertragsstaat ist, von den Vertragsstaaten selbst gar nicht beachtet werden. Daraus, daß der Lagestaat eines Grundstücks testamentarische Verfügungen über das Grundstück auch in der Form anerkennt, die das von dem ausländischen Erbstatut als Formstatut heran-
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gezogene Gesetz eines dritten Staates vorsieht, ist nicht zu schließen, daß das Lagerecht auch Abtretung des Erbschaftsanspruchs in den Formen desselben Rechts anerkennt. Eine selbständige Zuweisung der Formfrage durch einen vierten Staat wäre sicher abzulehnen. In KG, IPRsp 1972, Nr. 6, war die Bundesrepublik Lagestaat und stellte zugleich das Erbstatut; das deutsche Recht erforderte eine Genehmigung der Abtretung, doch wurde die Form der Abtretung nach der lex loci actus beurteilt. Der Lagestaat von Grundstücken, der auf ihre Vererbung das Lagerecht zur Anwendung bringen läßt, und für den sonstigen Nachlaß das Heimatrecht des Erblassers als Erbstatut anerkennt, könnte also die Testamentsform des Heimatrechts für ein Testament als ausreichend betrachten, mit dem auch über das Grundstück verfügt wurde, nicht aber für ein Testament, mit dem nur über das Grundstück verfügt wurde. Maryland fordert als Lagestaat, daß das Testament den Vorschriften der lex loci actus oder des Domizils entspricht; es muß sich aber auf alle Fälle um ein schriftliches und vom Testator unterzeichnetes Testament handeln; vgl. Wright vs. Nugart, 328 Atl. 2d 362. So das (für die Bundesrepublik nicht geltende) Abkommen vom 26. 10. 1973 über einheitliche Formbestimmungen für „internationale" Testamente. Vgl.S. 151. Ablehnend gegenüber dem Gedanken, daß das Erbstatut aus materiellrechtlichen Gründen einzelne Formbestimmungen der lex loci actus von der alternativen Berufung ausschließen kann, verhält sich allerdings die Haager Konvention über die Testamentsform, vgl. Art. 4 und 5. Eine Bestimmung, wonach das Gericht ein bezüglich der Form mangelhaftes Testament dennoch als gültig erklären, also von Formerfordernissen nachträglich dispensieren kann (so z. B. in Südaustralien), ist unmöglich so zu verstehen, daß sie angewendet werden müßte, wenn das Recht des Urheberstaates eines der mehreren alternativ berufenen Formstatuten ist. Die Bestimmung kann nur angewendet werden, wenn sie sich im Recht des eigentlichen Erbstatuts findet. So wenn eine Bestimmung des niederländischen Rechts (art. 992 BWB) vorschreibt, daß niederländische Erblasser (für die niederländisches Recht Erbstatut ist) im Ausland ihr Testament nur als öffendiches Testament errichten können, während sie in den Niederlanden Testamente auch in privater Form gültig errichten können, jedoch durch eine Behörde verwahren lassen müssen. Vgl. S. 687. Für das vertraglich ungebundene deutsche internationale Privatrecht wurde aus Art. 24 (3) EGBGB entnommen, daß, wenn deutsches Recht wegen der Staatsangehörigkeit des Erblassers z. Z. des Todes Erbstatut geworden ist, auf die Form des vor dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit errichteten Testaments nicht das deutsche Recht, sondern nur alternativ das Heimatrecht z. Z. der Testamentserrichtung und die lex loci actus anzuwenden seien, und zwar letzteres auch dann, wenn der frühere Heimatstaat die lex loci actus nicht zur Anwendung gebracht haben würde. Ob diese Regelung analog anzuwenden ist, wenn deutsches Recht infolge Rückverweisung als Wohnsitzrecht anwendbar ist, nachdem zuvor ein ausländisches Wohnsitzrecht Erbstatut geworden wäre, ist bestritten. Wird deutsches Recht als Recht des Lagestaates gemäß Art. 28 EGBGB oder infolge Rückverweisung des ausländischen Heimatrechts das Erbstatut, so ist schwer zu begründen, daß ein älteres Testament, das nach dem Heimatrecht z. Z. der Errichtung formungültig war, als gültig angesehen werden sollte, wenn es den Vorschriften des deutschen Rechts, welches das endgültige Erbstatut für Inlandsvermögen stellt, genügt. Art. 24 (3) S. 1 EGBGB ist jedoch nicht zu einer bilateralen Kollisionsnonn zu erweitern. Wenn ein Deutscher ein nach deutschem Recht formgültiges Testament errichtet, dann aber wegen Staatsangehörigkeitswechsels nach ausländischem Recht beerbt wird, und das ausländische Erbstatut die Formgültigkeit unter deutschem Recht nicht genügen lassen will, oder wenn umgekehrt das ausländische Erbstatut die eigenen Formvorschriften alternativ neben den deutschen Formvorschriften anwendet und das Testament nach deutschem Recht formungültig war, so hat der deutsche Richter sich dem Standpunkt des endgültigen Erbstatuts anzuschließen. Entspricht das Testament nur den Formvorschriften der lex loci actus, so sollte es ebenfalls Sache des endgültigen Erbstatuts sein zu bestimmen, ob das genügt; hier drängt jedoch das deutsche internationale Privatrecht seine Zuweisung an die lex loci actus auch dem ausländischen Erbstatut auf, vgl. oben Anm. 65 und 66. Der Ausschluß des deutschen Heimatrechts als des endgültigen Erbstatuts für die Form des unter einer anderen Staatsangehörigkeit errichteten Testaments ist dann besonders bedenklich, 1063
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wenn dies auch für die vereinfachte Form der Aufhebung des Testaments (vgl. § 2255 BGB) gelten soll, und das frühere Heimatrecht für einen solchen Widerruf die Einhaltung der normalen Testamentsform verlangt. Es ist jedoch unmöglich, in die Regelung, die das EGBGB getroffen hat, Folgerichtigkeit hineinzulesen. Wichtig ist deshalb, daß das Haager Abkommen vom 5. 10. 1961 zwar keine alternative Anwendung der Formbestimmungen des endgültigen und des früheren Erbstatuts, wohl aber alternative Anwendung der Formbestimmungen des Rechts des Heimatstaates, oder des Wohnsitzstaates, oder des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts, und zwar entweder nach dem Stand z. Z. der Testamentserrichtung oder dem Stand z. Z. des Todes vorsieht. Ferner genügt nach dem Abkommen die Wahrung der Formvorschriften des Lageortes von unbeweglichem Nachlaßgut, insoweit das Testament hierüber verfügt. Das ist deshalb anzunehmen, weil das „letzte" Erbstatut auch gute Gründe haben kann, eigene Auslegungsregeln auch auf früher errichtete Testamente als anwendbar zu erklären, vgl. unten Anm. 82. Für manche Erblasser mag es auch unbegreiflich sein, daß das endgültige Erbstatut die Formgültigkeit unter dem zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatut nicht gelten lassen will, wohl aber die Formgültigkeit auf Grund desselben Rechts, wenn es auch in seiner Eigenschaft als lex loci actus berufen ist. Die irrige Meinung des Erblassers, das Testament sei mit dem Statutenwechsel ungülug geworden, und es bedürfe keines Widerrufs in der Form des neuen Erbrechts oder einer neuen lex loci actus, wenn der Erblasser es nunmehr bei der Intestaterbfolge bewenden lassen will, erfordert hier die Möglichkeit einer Anfechtung des gegen den wahren Willen des Erblassers fortgeltenden Testaments. Vgl. unten S. 687. Wenn es schon eine schwierige Sache ist, gesetzliche Begriffe des Intestaterbrechts für verwandtschafts- oder familienrechtliche Beziehungen auszulegen (vgl. oben S. 676f), so ist erst recht nicht zu erwarten, daß ein Testator z. B. mit dem von ihm verwendeten Ausdruck „Kinder" präzise abstrakte Vorstellungen verbindet, die von der gesetzlichen Bestimmung abweichen. Eine solche begriffliche Klarheit des Testaments ist jedoch nicht nötig, wenn im konkreten Fall erweisbar ist, welche bestimmten Personen, die als Erben in Frage kommen, von dem Erblasser als „Kinder" betrachtet wurden. Ist es erweislich, daß der Testator bewußt unbestimmte Vorstellungen über den Sinn derartiger von ihm verwendeter Worte gehabt hat, so hat das wohl in den meisten Rechten nicht etwa Ungültigkeit der betreffenden Anwendungen zur Folge; vielmehr werden gesetzliche Vermutungen über die Auslegung hier zu echtem ergänzenden Recht. Dann bestehen aber auch keine Bedenken, einer einheitlichen Verfügung über den nach den verschiedenen Erbrechten vererbten Nachlaß eine unterschiedliche Bedeutung derartiger Worte zu unterlegen, vgl. unten S. 685. Es ist wieder eine Frage der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen des Erbstatuts, ob Vermutungen über den Sinn des in einem Testament verwendeten Wortes „Kinder" auf die eigenen Kinder des Erblassers beschränkt sind, während bei testamentarischen Zuwendungen an die Kinder einer anderen Person vielleicht eine Verweisung auf die Auslegungsbestimmungen desjenigen Rechts vorliegen kann, das seinerseits das Erbstatut für diese andere Person stellt. Als Testamentsauslegungsstatut wird vernünftigerweise ein nationales Recht nicht nach dem zukünftigen Stand zur Zeit des Todes, sondern nach dem Stand zur Zeit der Testamentserrichtung gewählt werden; Entsprechendes gilt von dem als anwendbar geglaubten Auslegungsstatut. Hat der Testator lange Zeit ausschließlich in einem bestimmten Rechtsmilieu gelebt, so mag er des Glaubens sein, daß die Auslegungsregeln dieses Rechts die allgemein üblichen, und daher auch unter jedem Erbstatut maßgeblichen Vorschriften seien. Das ist für den Notar in einem Lande mit einheitlichem oder regional verschiedenem Inlandsrecht der Sitz des Notars im Geltungsgebiet eines solchen inländischen Erbrechts. Haben Menschengruppen mit eigenem Gruppenrecht eigene Notare, so kommt es auf die Bestellung des Notars gemäß diesem Gruppenrecht an. Für den Konsul ist maßgebend das Recht des Entsendelandes; gelten dort mehrere Rechte nebeneinander, so muß der Entsendestaat angeben, welche Formbestimmungen seines Rechts der Konsul anzuwenden hat. Manche Mehrrechtsstaaten bevorzugen hierbei ein einzelnes Teilrecht, so das englische Recht für britische Konsuln, und früher das preußische Recht für deutsche Konsuln. Dieses Recht gilt dann auch für die Auslegung der vom Konsul beurkundeten Testamente. Wird im Erbstatut die frühere Regel, daß unter Kindern im Sinne einer testamentarischen Anord-
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nung mangels gegenteiliger Bestimmung im Testament nur die legitimen Kinder zu verstehen seien, durch eine neue Regel ersetzt, wonach unter Kindern alle nachweislich von einer Person abstammenden Kinder zu verstehen sind, falls der Testator nicht ausdrücklich Abweichendes bestimmt, so liegt es nahe, daß der Gesetzgeber alle Erblasser, für die sein Erbrecht gelten wird, gleichsam auffordert, daß sie ihre früheren Testamente gegebenenfalls ändern, um der neuen Auslegungsregel Rechnung zu tragen. Bestimmt das neue Recht, daß ein Kind zwar unter namentlicher Angabe, nicht aber dadurch von der Bedenkung als „Kind" im Testament ausgeschlossen werden kann, daß der Erblasser ausdrücklich nur die „legitimen" Kinder bedenkt, so kann dem Erblasser eher eine Änderung seiner früheren Testamente zugemutet werden als dem Richter die Ermittlung dessen, was der Erblasser wirklich unter legitimen Kindern verstanden hat. Der so ausgeübte Zwang für diejenigen, die bereits Testamente errichtet haben, deren Fassung durch Nachträge dem neu eingeführten Recht anzupassen, kann in einem anderen Forumstaat wohl kaum als ordre public-widrig verworfen werden, etwa mit dem Argument, daß im Forumstaat eine entsprechende Regelung fehle, und daß das Recht des Forumstaates auf dem Standpunkt stehe, ein Testator müsse bei der Testamentserrichtung endgültig wissen, „woran er ist" (vgl. Kegel, aaO, S. 460). Testamentarische Bestimmungen eines Engländers über ein italienisches Grundstück wären also, weil der Lagestaat hier englisches Recht als Erbstatut anwendet, nach englischem Recht auszulegen; testamentarische Bestimmungen eines Engländers über sein deutsches Grundstück nach deutschem Recht, weil infolge Rückverweisung in Deutschland deutsches Erbrecht angewendet wird. Unterschiedliche Auslegung und Ergänzung eines auf den ganzen Nachlaß bezüglichen Testaments unter verschiedenen Rechten ist auch unvermeidlich, wenn eine testamentarische Anordnung, so wie sie gefaßt ist, unter dem Sachenrecht der Lagestaaten nur im Wege der Umdeutung zu verwirklichen ist, vgl. S. 695 f. Das wird wichtig, wenn das eine Recht schriftliche oder durch Zeugen erwiesene mündliche Äußerungen des Testators außerhalb des Testaments über den Sinn der von ihm getroffenen testamentarischen Anordnungen zur Auslegung zuläßt, während das andere Recht als Auslegungsmaterial nur Äußerungen verwenden läßt, die sich im Testament selbst finden. Das im Text Ausgeführte wird auch wichtig, wenn das eine Recht die Widerlegung einer Auslegungsvermutung aus dem Kontext des Testaments und den im Testament niedergelegten Zielvorstellungen des Erblassers zuläßt, während das andere Recht ausdrückliche Äußerungen des Erblassers im Testament verlangt, daß der in der gesetzlichen Auslegungsvermutung bezeichnete Inhalt nicht, und welcher andere Inhalt von ihm gemeint ist. Vgl. § 2247 (4) BGB. Verfehlt ist die Bestimmung des Art. 5 des Haager Abkommens über die Testamentsform, wonach es sich bei derartigen Vorschriften um Formvorschriften handele, für die alternative Anwendung mehrerer Rechte vorgesehen ist. Vgl. S. 642. Zu einem anderen Ergebnis kommen diejenigen, welche die Frage nach der Fähigkeit zu Verfügungsgeschäften über Monopolrechte unter Lebenden selbständig durch das Kollisionsrecht des Forumstaates anknüpfen lassen und entsprechend bei der Testierfähigkeit verfahren. Daß ein zufälliger Forumstaat bei der Vererbung eines Grundstücks unter der ausländischen lex rei sitae die Frage nach der Testierfähigkeit entsprechend der Zuweisung der Frage nach der Geschäftsfähigkeit zu pflichtbegründenden Geschäften dem Heimatstaat des Erblassers zuweisen sollte, wenn das Erbstatut (also die lex rei sitae) die Testierfähigkeit nicht ausdrücklich gesondert selbst regelt, sondern einfach auf die „Geschäftsfähigkeit" verweist, und damit Geschäftsfähigkeit zu Verfügungsgeschäften über dieses Grundstück meint, ist nicht einzusehen. Vgl. Art. 24 (3) EGBGB. War Testierfähigkeit nach dem zur Zeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatut zu verneinen, so ist es durchaus vertretbar, ähnlich wie bei der Formgültigkeit, es genügen zu lassen, daß Testierfähigkeit unter dem endgültigen Erbstatut zu bejahen ist. Da der Testator im allgemeinen an seine Testierfähigkeit glaubt, kommt es meist nicht zu einer erneuten Errichtung des Testaments, wenn nach dem alten Erbstatut die Testierfähigkeit zu verneinen, nach dem neuen Erbstatut hingegen zu bejahen ist. Wird der Testator nur davon informiert, daß nach dem alten Erbstatut Testierfähigkeit nicht bestand, aber nicht davon, daß das neue Erbstatut seine eigenen Vorschriften, nach denen Testierfähigkeit besteht, auf das früher errichtete Testament anwenden lassen will, und will der Testator, nachdem er über die fehlende Testierfähigkeit unter dem alten Erbstatut unterrichtet worden ist, es nunmehr bei Intestaterbfolge belassen, so wird im allgemeinen das alte Testament vernichtet oder als ungültig markiert werden. Geschieht
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Anmerkungen zu S. 6 8 6 - 6 8 7 dies nicht, etwa weil die Testamentsurkunde sich ohne Wissen des Erblassers anderswo befindet, so sollte die Möglichkeit einer Anfechtung des Testaments gegeben sein. Es ist Sache des endgültigen Erbstatuts, ob es bei Verlust der Testierfähigkeit durch Geisteskrankheit nach Errichtung eines Testaments das Testament hinfällig werden läßt (weil ja der Testator nicht mehr die Möglichkeit hat, das Testament mit Rücksicht auf neue Ereignisse zu widerrufen oder zu ändern), oder ob er das bereits errichtete Testament aufrechterhalten will. Wird das erste angeordnet, so gilt dies auch, wenn die Testierfähigkeit nach dem zurZeit der Testamentserrichtung zu erwartenden Erbstatut beurteilt wird, und jedenfalls auch dann, wenn das Testament nach diesem Recht trotz eintretender Testierunfähigkeit fortgegolten hätte. Manche scheinen hier allerdings allein auf das alte Erbstatut zur Zeit der Testamentserrichtung abstellen zu wollen. Es wäre aber untragbar, wenn das endgültige Erbstatut etwa mit seinen Vorschriften über Anfechtbarkeit eines unter Drohung zustandegekommenen und nicht widerrufenen Testaments nicht zum Zuge kommen könnte, weil das z. Z. der Testamentserrichtung maßgebliche Erbrecht etwa den ausgeübten Druck nicht als rechtswidrig betrachtet, oder weil es in dem Fehlen eines Widerrufs des Testaments durch den Erblasser nach Beendigung des Drucks eine Bestätigung durch den Erblasser selbst sehen will. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein Recht den Anspruch erhebt, mit einer einzelnen Bestimmung über die Ungültigkeit bestimmter testamentarischer Anordnungen beim Vorliegen einer bestimmten Inlandsverknüpfung unabhängig vom Erbstatut Anwendung zu finden; so wenn etwa der Dienstherrenstaat des Notars oder der Sitzstaat eines Altenheims testamentarische Zuwendungen an den Notar, der das Testament beurkundet hat, bzw. an das Altenheim und dessen Personal, als unwirksam erklärt, was unbeschadet dessen geschieht, daß die Zuwendung möglicherweise schon unter dem Erbstatut ungültig oder anfechtbar sein kann. Dafür, ob eine solche anwendungswillige Bestimmung eines anderen Landes als des Erbstatuts entgegen dem Erbstatut in dritten Staaten anzuwenden ist, gilt Entsprechendes wie für Anwendung von Gültigkeitshindernissen für obligatorische Verträge im Recht anderer Staaten als desjenigen, der das Geschäftsstatut stellt; vgl. oben S. 530 ff. Der Urheberstaat wird seine Vorschrift in bezug auf den bei ihm greifbaren Nachlaß selbst verwirklichen. § 30 des österreichischen IPR-Gesetzes 1978 will sämtliche Gültigkeitserfordernisse testamentarischer und ähnlicher Verfügungen alternativ nach dem endgültigen Erbstatut und dem zur Zeit der Errichtung der Verfügung zu erwartenden Erbstatut beurteilen. Die Wahl des Erbstatuts durch den Testator wird abgelehnt von B G H , IPRsp 1972, N r . 124. Uber die Zulassung der Wahl des Erbstatuts durch den Erblasser im positiven Recht verschiedener Länder und de lege ferenda für das deutsche Recht vgl. Kühne, Die Parteiautonomie im internationalen Erbrecht, 1973. Das schweizerische internationale Privatrecht läßt Wahl zwischen Wohnsitz- und Heimatrecht durch den Erblasser zu, aber nicht, wenn damit Pflichtteilsrechte des mangels Rechtswahl anwendbaren Rechts beeinträchtigt werden. Uber die einverständliche Wahl eines anderen Erbstatuts durch die nach einem gesetzlichen Erbstatut berufenen Erben vgl. Anm. 110. Die Möglichkeit indirekter Wahl des Erbstatuts ist gegeben, wenn im intergentilen Recht mancher Länder eine Wahl des einen oder anderen Ehewirkungsstatuts durch Benutzung der ihm eigentümlichen Eheschließungsform möglich ist, und wenn die Wahl eines bestimmten Ehestatuts zugleich zur Folge hat, daß die im Recht des Ehewirkungsstatuts vorgesehenen erbrechtlichen Nachwirkungen der Ehe im Verhältnis zwischen Ehegatten und Kindern aus der Ehe anstelle des Erbrechts derjenigen Menschengruppe zur Anwendung kommen, welcher der Erblasser angehört, und deren Erbrecht sonst grundsätzlich für die Beerbung maßgebend ist, vgl. oben Anm. 58. Vgl. unten S. 695 ff. Ist die Anordnung auch bei Umdeutung nicht durchführbar, so ist sie wohl stets unter dem Erbstatut ungültig; so etwa, wenn das Testament an den einem Erben zugewendeten Sachen ein besitzloses Pfandrecht für die einem Vermächtnisnehmer zugedachte Geldrente begründen will, und wenn derartiges nach dem Lagerecht der Sachen unmöglich ist. So wie die abstrakten Sätze des Erbstatuts über die Regelung der Rechtsnachfolge sich auf die Vererbung von solchen Vermögensrechten beziehen, die im Privatrecht des Erbstatuts unbekannt sind, die aber der Erblasser im Ausland innehatte, kann ein Erbstatut auch eine Anordnung des Erblassers billigen, daß der Nachlaß ganz oder zum Teil einer nur im Ausland als existent geltenden juristischen Person zukommen soll. Das ist unproblematisch bei einer Verpflichtung des
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Erben, etwas einer solchen ausländischen juristischen Person als Vermächtnis zu überlassen. Wird die im Staat des Erbstatuts nicht anerkannte ausländische juristische Person selbst als Erbe eingesetzt, so muß evtl. eine Umdeutung des Testaments stattfinden: Erbe wird die natürliche Person, welche Vertretungsorgan der nicht anerkannten juristischen Person des ausländischen Rechts ist mit der Verpflichtung, das aus dem Nachlaß Erworbene in den Sitzstaat der juristischen Person zu verbringen und dort zum Vermögen der juristischen Person zu machen. Es gilt dies vor allem bei Übergehungen oder ausdrücklichen Enterbungen noterbberechtigter oder pflichtteilsberechtigter Intestaterben. Uber die Auslegung von Bezugnahmen des Testators auf „die" gesetzlichen Bestimmungen über Intestaterbfolge vgl. oben S. 685. Ist es Sache des endgültigen Erbstatuts, ob es die Frage, ob überhaupt ein Testament vorliegt, alternativ nach seinem und einem anderen Recht beulteilen lassen kann, welches im Zeitpunkt der Errichtung des angeblichen Testaments Erbstatut geworden wäre, so ist es auch Sache des endgültigen Erbstatuts, ob es den Widerruf eines unter einein früheren Erbstatut errichteten Testaments allein oder alternativ nach dem Recht beurteilen will, welches im Zeitpunkt des angeblichen Widerrufs Erbstatut geworden wäre. Ob zu der die Wirksamkeit des Testaments begünstigenden alternativen Berufung von Bestimmungen des letzten und eines früheren Erbstatuts auch eine den Wegfall des Testaments begünstigende alternative Berufung älterer Bestimmungen über den Widerruf hinzukommen soll, kann der eine Gesetzgeber so, der andere anders regeln wollen; es gilt dies auch, wenn das alte Erbstatut den ausdrücklichen Widerruf etwa durch besondere Formbestimmungen erschwert. Auch hier kann sich der Erblasser im allgemeinen vor Überraschungen durch die Stellungnahme des endgültigen Erbstatuts — und die möglicherweise unterschiedliche Stellungnahme mehrerer derartiger Erbstatuten — schützen, indem er dann, wenn mit der Anwendbarkeit eines neuen Erbstatuts zu rechnen ist, vorsorglich alle seine früheren Testamente widerruft, bzw. die Verfügungen in älteren Testamenten, die er weitergelten lassen will, in einem Testament wiederholt, welches unter dem neuen Erbstatut gültig ist. Ein erwiesener rechtsirrtümlicher Glaube des Testators an eine Rechtslage, die nicht der Stellungnahme des letzten Erbstatuts entspricht, sollte von diesem Recht als Grund zur Anfechtung eines früheren Testaments anerkannt werden, bezüglich dessen der Erblasser untätig geblieben ist. Gilt die zugunsten des namentlich bezeichneten Ehegatten errichtete testamentarische Verfügung mit der Scheidung der Ehe in dem Recht als widerrufen, welches zur Zeit der Scheidung Erbstatut geworden wäre, so läßt auch das endgültige Erbstatut, wo es eine entsprechende Bestimmung nicht gibt, die Verfügung nicht wieder aufleben: Estate of Garver, 343 Atl. 2d 817. Das englische internationale Privatrecht will englisches Recht über den bei Eingehung einer Ehe vermuteten Widerruf eines Testaments anwenden lassen, wenn englisches Recht Ehewirkungsstatut wird. Eine gegenteilige Regelung in einem ausländischen Recht würde man in England, wenn das ausländische Recht als Ehewirkungsstatut berufen ist, auch bei testamentarischen Verfügungen anwenden lassen, die sich auf z. Z. der Testamentserrichtung bereits dem Testator gehörige oder erst später erworbene Grundstücke in England beziehen. Zweifelhaft ist es, ob bei englischem Domizil zur Zeit der Eheschließung die Regel über den Widerruf des Testaments durch Eheschließung auch bezüglich ausländischer Grundstücke zur Anwendung gebracht würde. Die Qualifikation der Regel über den vermuteten Widerruf durch Eheschließung als einer „eherechtlichen" Regel beruht auf dem schon anderweitig (vgl. S. 173) kritisierten Irrtum, daß Sätze über Nachwirkungen der Eheschließung auf andere Rechtsverhältnisse Regelungen des Eherechts seien. Das vom Lagestaat gestellte Erbstatut will nach australischen Entscheidungen mit seinen eigenen Bestimmungen über den Widerruf des Testaments durch Eheschließung nur Anwendung finden, wenn dieses Recht auch das Ehewirkungsstatut ist, ohne daß damit schon gesagt wird, daß die Bestimmungen eines anderen Rechts in seiner Eigenschaft als Ehewirkungsstatut über den fingierten Testaments widerruf ihrerseits anwendbar wären; vgl. Estate of Nicalles, [1977] 2 N. S. W. L. R. 929. Das läßt sich besser auf andere Weise begründen: Gilt im Wohnsitzstaat ein Satz, wonach ein Testament mangels gegenteiliger Bestimmung im Testament durch ein späteres Ereignis als widerrufen gilt, und besteht in dem als Erbstatut berufenen Recht eines Lagestaates ein weiterer Satz, daß für die Auslegung eines Testamentes, das sich auf den ganzen Nachlaß beziehen will, mangels ausdrücklich gegenteiliger Bestimmung dasjenige Recht maßgebend ist, wel-
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ches für die im Wohnsitzstaat vererbten Nachlaßteile maßgebend ist, so ist kein Raum für abweichende Vermutungen in dem Erbrecht des Lagestaates. 9 8 Läßt das endgültige Erbstatut Testamente nach Ablauf einer bestimmten Zeit seit ihrer Errichtung als widerrufen gelten, wenn nicht eine ausdrückliche Bestätigung durch den Erblasser für eine weitere Periode erfolgt, so gilt dies auch für Testamente, die früher unter einem anderen Erbstatut errichtet wurden. Die Frist gilt dann als bereits vor dem Statutenwechsel in Lauf gesetzt. Hat nur das frühere Erbstatut eine solche Verjährung des Testaments durch Nichterneuerung innerhalb bestimmter Frist, so ist es vertretbar, daß diese Verjährungsbestimmung alternativ angewendet wird. 9 9 Ist eine gegenseitige Bindung von zwei Testatoren nach dem einen zur Zeit der Geschäftserrichtung zu erwartenden Erbrecht möglich, nach dem anderen nicht, so ist auch die irrige Annahme der beiden Testatoren, ihre Abmachung sei gültig, kein Grund, um Bindung anzunehmen. 1 0 0 Genauso wie das endgültige Erbstatut ein zur Zeit der Errichtung nicht formgültiges Testament unter Anwendbarerklärung seiner eigenen Formbestimmungen rückwirkend als gültig erklären kann — vorbehaltlich eines schon irgendwie erfolgten Widerrufs, und vorbehaltlich einer Anfechtung mit Rücksicht auf den abweichenden Glauben des Erblassers —, kann auch der anfänglich unter dem zu erwartenden Erbstatut ungültige Erbvertrag vom endgültigen Erbstatut validiert werden. Schließen Deutsche einen Vertrag über die Errichtung eines Testaments in dem Bewußtsein, daß der Vertrag nur dann wirksam werden kann, wenn der Versprechende später eine Verknüpfung zu einem Land hat oder begründet, dessen Recht als Erbstatut anwendungswillig ist und derartige Verträge zuläßt, und geschieht dies, so ist die Wirksamkeit des Vertrages unter diesem Recht nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Vertrag anfänglich nicht wirksam war. Gibt ein Deutscher mit amerikanischem Wohnsitz das Versprechen einer testamentarischen Zuwendung ab, so ist der Vertrag in Deutschland unwirksam, soweit er nach deutschem Recht beerbt wird. Hiervon wird die Wirksamkeit des Vertrages in Amerika unter dem dort anwendbaren amerikanischen Erbrecht nicht berührt, desgleichen nicht durch die Irrigkeit der Annahme, daß der Vertrag auch bei Beerbung nach deutschem Recht wirksam würde. Die Wirksamkeit des Vertrages unter dem endgültigen amerikanischen Erbstatut wird aber auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Erblasser zeitweise seinen Wohnsitz in einem Lande gehabt hat, in dem der Vertrag unwirksam gewesen wäre, wenn es zur Beerbung unter diesem Recht gekommen wäre. 1 0 1 Die ausdrücklich übernommene vertragliche Verpflichtung einer Partei, keine persönliche Verknüpfung zu einem Staat zu begründen, die zur Anwendbarkeit eines Erbrechts führt, welche die Bindung an das errichtete Testament verneint, dürfte zu stark in die persönliche Freiheit eingreifen, um nach irgendeinem Recht gültig zu sein. 1 0 2 Wenn das endgültige Erbstatut das Versprechen der Adoption durch den Erblasser zu einem Intestaterbgrund macht (vgl. Anm. 38), ist es konsequent, bei Errichtung eines Testaments unter Ubergehung des Versprechensempfängers Bruch eines implizierten Versprechens, den Versprechensempfänger auch im Testament mindestens mit seinem Intestaterbteil zu bedenken, anzunehmen. Während nun im ersten Fall der Versprechensempfänger Intestaterbe wird, fingiert das amerikanische Recht bei Bruch des Versprechens einer testamentarischen Bedenkung nicht etwa das Bestehen der testamentarischen Anordnung, sondern gewährt dem Versprechensempfänger einen Schadensersatzanspruch in Höhe des Wertes des ihm Entgangenen, der nach den Nachlaßschulden, aber vor einer testamentarisch gemachten Zuwendung des Restnachlasses rangiert. Das ist u. a. deshalb notwendig, weil ja der Erblasser möglicherweise mehreren Personen eine testamentarische Bedenkung versprochen haben kann. 1 0 2 , 1 Vgl. oben S. 683. ' 0 1 Als Gegenleistung ist es insbesondere anzusehen, wenn die überlebende Vertragspartei durch das gebundene Testament der anderen aus deren Nachlaß etwas erhalten hat. Verfügt sie unter ihrem endgültigen Erbstatut, welches alle testamentarischen Verfügungen als widerruflich erklärt, anders, als sie es dem Vorverstorbenen zugesagt hat, so wäre es nicht angebracht, den im Nachlaß des zuletzt Verstorbenen befindlichen Gegenwert dessen, was sie von dem Erstverstorbenen durch Testament erhalten hat, denjenigen vorzuenthalten, die es gemäß dem gegebenen Versprechen nach dem Tod des Letztversterbenden erhalten sollten; es ist aber auch nicht angebracht, den Letztverstorbenen in bezug auf Verfügungen über sein eigenes Vermögen in vollem Umfang an das früher gegebene Versprechen zu binden (wie dies z. B. Kegel will). Hier liegt einer der Fälle vor, wo eine
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Billigkeitslösung zwischen den durch Zuweisungsnormen zu bildenden Lösungsmöglichkeiten angebracht ist, vgl. S. 5. Einige der australischen Gesetze, welche eine richterliche Korrektur der gemäß dem Erbstatut durch Testament geregelten konkreten Erbfolge ermöglichen (vgl. Anm. 18), betrachten auch den Bruch eines unter dem Erbstatut nicht rechts wirksamen Versprechens einer testamentarischen Zuwendung als einen solchen Korrekturgrund. 1 0 4 Im probate-Verfahren des englisch-amerikanischen Rechts bezieht sich die Prüfung des Testaments durch das Gericht insbesondere auf die Formgültigkeit und die Rechtswirksamkeit der Bestellung des im Testament genannten Testamentsvollstreckers (einschl. der Frage, ob er das Amt angenommen hat). Zahlreiche andere Einzelfragen der Testamentsgültigkeit werden im probate-Verfahren nicht geprüft. Nirgendwo wird jedoch die Zuständigkeit davon abhängig gemacht, daß die lex fori auf alle zu prüfenden Fragen anwendbar ist. 1 0 4 a Im Sinne der Grundstatutsmethode ist die F o r m der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erbstatut zu beurteilen, sofern dieses nicht auf ein anderes Recht verweist. Desgleichen sind Geschäftsfähigkeit und gesetzliche Vertretung des Geschäftsunfähigen bei Annahme und Ausschlagung von Erbschaften nach dem Recht zu beurteilen, welches das Kollisionsrecht des Erbstatuts angibt. Sonderzuweisungen durch den zufälligen Forumstaat an das dort maßgebliche Statut für die elterliche Gewalt oder das Vormundschaftsstatut gefährden die Chancen der Entscheidungsgleichheit noch mehr, als dies ohnehin im internationalen Erbrecht schon der Fall ist. 1 0 5 Vgl. unten S. 695 ff. 1 0 6 Eine Zuweisung einzelner Gegenstände an Miterben durch Staatsakt im Nachlaßteilungsverfahren im Staat des Erbstatuts kann auch dann, wenn die Nachlaßabwicklung dem Erbstatuts Staat überlassen wird, nicht ohne weiteres im Lagestaat durch die Gerichte vollstreckt werden; ein freiwilliger Vollzug durch Rechtsgeschäft zwischen den Miterben ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Fehlt sie, so hat zunächst irgendwie eine Feststellung der Anerkennungsfähigkeit des Staatsaktes der Zuweisung durch ein Gericht des Lagestaates zu erfolgen, ehe es im Lagestaat zu Vollstrekkungsakten kommen kann. Zur Nachlaßabwicklung gehört auch die Auflösung von gemeinschaftlichen Berechtigungen von Miterben an allen oder einzelnen Nachlaßgegenständen, insoweit sie nach besonderen Vorschriften für solche erbrechtlichen Gemeinschaften zu erfolgen hat. Gelten diejenigen, die kraft des Testaments gemeinsam einen bestimmten Gegenstand erworben haben, als einfache Miteigentümer im Sinne des zuständigen Sachenrechts, so sind die Vorschriften des Lagestaates über die Auflösung solcher Miteigentumsverhältnisse (auf Antrag eines Mitbeteiligten usw.) ohne weiteres anwendbar. Läßt das Erbstatut zu, daß insbesondere das Nachlaßteilungsverfahren auf lange Zeit ruhen kann, so kann dies vom Lagestaat als eine krasse Abweichung von seinem eigenen Recht empfunden werden mit der Folge, daß er Teilung unter Anwendung seines eigenen Rechts durch seine eigenen Gerichte durchführen läßt. 1 0 7 Eine Anerkennung der Ergebnisse des Nachlaßabwicklungsverfahrens in dem Staat, dessen Recht als Erbstatut berufen ist, durch den Lagestaat von Nachlaß kommt selbstverständlich dann nicht in Frage, wenn die Bestimmungen des zugrunde gelegten materiellen Erbrechts, oder die angewendeten Verfahrensvorschriften, gegen den ordre public des Lagestaates verstoßen (z. B. wenn Beteiligte von dem Abwicklungsverfahren überhaupt nicht informiert worden sind). Ist Nachlaß in einem anderen Staat als dem des Erbstatuts belegen, und würde die Abgabe von Erbschaftsannahme- oder -ausschlagungserklärungen gegenüber den Behörden des Erbstatutsstaates den Beteiligten Nachteile bringen, so kann auch das ein Grund sein, um die Behörden des Lagestaates zur Entgegennahme solcher Erklärungen als zuständig zu betrachten. Ist eine förmliche Annahme der Erbschaft innerhalb der vorgesehenen Frist im Staate des Erbstatuts vor dem dortigen Nachlaßgericht für die Erben nach den Umständen des Einzelfalles nicht zumutbar, so kann der inländische Nachlaß auch ohne diese Annahmeerklärung an die nach ausländischem Erbrecht berechtigten Personen übergehen; vgl. dazu bezüglich der Lastenausgleichsansprüche O L G H a m m , IPRsp 1973, N r . 107. 1 0 8 N u r der Lagestaat von Nachlaß, nicht das davon verschiedene Erbstatut, kann denjenigen, die etwas für den Erblasser verwahren und von seinem Tode erfahren, eine gesetzliche Verpflichtung auferlegen, den Erben oder einer Behörde Mitteilung zu machen. 1 0 9 Der Gleichlauf ist insbesondere dann erwünscht, wenn das in mehreren Lagestaaten als anwendbar 1069
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betrachtete Erbstatut die Beachtung einzelner erbrechtlicher Vorschriften durch die Gerichte davon abhängig macht, daß ihre Anwendung von der interessierten Partei innerhalb des Nachlaßabwicklungsverfahrens ausdrücklich gefordert wird, so z. B., wenn Noterbrechte entgegen einer anderweitigen testamentarischen Verfügung über den Nachlaß ausdrücklich geltend gemacht werden müssen, oder wenn zur Vermeidung der Nachlaßabwicklung gemäß Intestaterbrecht erforderlich ist, daß der Testamentserbe Anwendung von Testamentsrecht unter Vorlage der Urkunde, sofern er sie besitzt, ausdrücklich innerhalb bestimmter Frist verlangt. Auch wenn der Testator die Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers dem Nachlaßgericht überlassen hat, sollte dies möglichst durch das Nachlaßgericht des Erbstatutsstaates geschehen. Nachlaßabwicklung im Staat des vom Lagestaat anerkannten und anwendungswilligen Erbstatuts ist ferner besonders erwünscht, wenn Nachlaßforderungen oder Forderungen gegen den Nachlaß als in mehreren Staaten belegen gelten müssen, aber alle diese Staaten übereinstimmend dasselbe Recht als Erbstatut betrachten, vgl. unten S. 694f. Die Verweisung des internationalen Privatrechts des Lagestaates auf das Erbstatut bezieht sich auch auf die Regelung der Übertragung einer Erbberechtigung vor Abschluß des Nachlaßabwicklungs- und Teilungsverfahrens. D a s Erbstatut kann einerseits eine Übertragung einer Miterbenstellung vor dem Ende der Nachlaßabwicklung ausschließen, es kann andererseits auch eine auf den Erbfall zurückwirkende Übertragung zulassen. Es fällt schwer anzunehmen, daß für die F o r m der Ausschlagung oder der Übertragung einer angefallenen Erbschaft alternative Anwendung anderer Rechte als das des Erbstatuts rechtspolitisch geboten seien. Neben dem kraft Gesetzes den anderen Miterben zugute kommenden Verzicht eines Miterben auf seine Rechte kennen manche Rechte die Möglichkeit, daß die nach dem Heimatrecht des Erblassers berufenen Miterben einverständlich eine Nachlaßteilung herbeiführen können, wie wenn der Erblasser nach einem anderen Recht beerbt worden wäre; dieses andere Recht kann insbesondere das gemeinschaftliche Heimatrecht der Miterben sein. So ist es z. B., wenn (etwa in Israel) die nach staadichem Erbrecht zu Miterben berufenen Personen die Nachlaßabwicklung dem Gericht ihrer gemeinsamen Religionsgemeinschaft überlassen dürfen, welches dann auch die Nachlaßanteile nach religiösem Recht bemißt. Vereinzelt geht man so weit, eine solche Regelung auch ohne das Einverständnis aller Miterben anzunehmen, wenn sie sämtlich Angehörige des Staates sind, in dem der Nachlaß belegen ist, vgl. Anm. 19. Eine Pfändung oder Enteignung einer angefallenen Berechtigung an einem nicht abgewickelten Nachlaß kann sich nur auf die Nachlaßgegenstände auswirken, die in dem Staat liegen, wo die Pfändung oder Enteignung erfolgt. Der Staat, der das Erbstatut stellt, kann nicht die Forderung des Legatars auf Aushändigung eines anderswo belegenen Nachlaßgegenstandes pfänden lassen, und er kann weder den Alleinerben, noch einen Miterben in bezug auf die in anderen Staaten belegenen Nachlaßgegenstände enteignen. Zu einer „blinden" Anerkennung des im Land des Erbstatuts bestellten Nachlaßverwalters besteht keine Veranlassung, wenn der Lagestaat, wie z. B. die Bundesrepublik, bei gewissen Entschädigungsansprüchen die Erbfolge zwar durch das Heimatrecht des Erblassers regeln läßt, aber die Vererblichkeit dieser Nachlaßgegenstände davon abhängig macht, daß das Erbstatut bestimmte nähere Angehörige des Erblassers als Intestat- oder Testamentserben beruft. Dann muß in erster Linie geklärt werden, ob dies der Fall ist, ehe der im Staat des Erbstatuts bestellte Nachlaßverwalter das Entschädigungsverfahren betreiben kann. Will" der Lagestaat Teil- und Vorfragen im Erbrecht anders beurteilen, als dies im Staat des Erbstatuts geschieht, so würde die Verwirklichung dieser Bestimmungen in bezug auf den inländischen Nachlaß vereitelt, wenn überhaupt nicht geprüft würde, wem der ausländische Nachlaßverwalter den Nachlaß weiterzugeben hat. Es ist daher ein Widerspruch, wenn diejenigen, die eine selbständige Anknüpfung der vom ausländischen Erbstatut aufgeworfenen familienrechtlichen Vorfragen befürworten, die im Staat des Erbstatuts durch Staatsakt bestellten Nachlaßverwalter ohne weiteres durch den Forumstaat anerkennen lassen wollen. In der Gesetzgebung verschiedener Commonwealth-Länder kommt noch deutlicher als im englischen Recht zum Ausdruck, daß die Befugnisse des vom Gericht bestätigten Testamentsvollstrekkers und des vom Gericht eingesetzten Nachlaßverwalters sich auf den in dem betreffenden Land befindlichen Nachlaß beschränken sollen, auch wenn es sich um den Domizilstaat handelt. Ist der administrator nicht im Domizilstaat eingesetzt worden, so hat er aus dem örtlichen Nachlaß die
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örtlichen Schulden zu begleichen; nur der Rest des beweglichen Nachlasses ist von ihm an den im Domizilstaat befindlichen administrator auszuhändigen; vgl. etwa den südaustralischen A d m i n i stration & Probate Act, sec. 5, 79, 94. W i r d als administrator eines Nachlasses eine Behörde (oder ein public trustee) bestellt, deren Befugnisse sich auf das Inlandsvermögen beschränken, so w i r d es einer solchen Behörde vielfach erlaubt, in bezug auf inländisches Vermögen auch die Funktion eines Testamentsvollstreckers zu übernehmen, w e n n der Testator dies angeordnet hat, oder der eingesetzte Testamentsvollstrecker dies wünscht. Dann ist einer solchen Behörde durchweg die Verwaltung von Vermögen i m A u s l a n d a u c h auf Grund solcher Aufträge verboten, vgl. den südaustralischen Administration & Probate Act, sec. 77. Ist eine natürliche Person ohne Hinterlassung eines von ihr bestellten Generalbevollmächtigten verschollen, und betrachtet ein Recht die Voraussetzungen für die Einleitung eines Nachlaßabwicklungsverfahrens mit Aushändigung des Restvermögens an die Erben noch nicht für gegeben, so kann eine Liquidation der laufenden Rechtsverhältnisse w i e bei der Nachlaßabwicklung stattfinden, ohne daß jedoch der Nachlaß bereits endgültig denjenigen zugewiesen w i r d , die zu einem bestimmten Zeitpunkt als Erben berufen wären. Ein Lagestaat von Vermögen, der eine solche Institution in seinem eigenen Recht nicht hat, kann eine derartige Verschollenheitsliquidation durch den Staat, der als Erbstatutsstaat anerkannt worden wäre, unter analoger A n w e n d u n g der Kollisionsnormen für Erbfälle anerkennen. Erfolgt jedoch nach dem anwendungswilligen Verschollenheitsrecht keine Feststellung von Erben, sondern Verwaltung des Restvermögens unter Vorbehalt der späteren Einleitung eines Nachlaßverfahrens nach Feststellung eines Todeszeitpunkts, so hat der Lagestaat keine Veranlassung, es zu dulden, daß der ausländische Verschollenheitspfleger das im Lagestaat belegene Vermögen abzieht, wenn der Lagestaat diese Gegenstände selbst in Anspruch nehmen würde, falls bei A n n a h m e des Todes des Verschollenen private Erbberechtigte nicht vorhanden wären. Aus demselben Grunde w i r d der Lagestaat die Bestimmungen seines eigenen Rechts anwenden, welche vorsehen, daß der Verwahrer von Sachen, oder der Schuldner gewisser unbestrittener Forderungen (z. B. Bankdepositen) die verwahrten Sachen (oder das geschuldete Geld) an den Staat abzuliefern hat, wenn der Rechtsinhaber sich nicht innerhalb bestimmter Frist meldet, und der Verwahrer bzw. Schuldner auch den Verbleib des Rechtsinhabers nicht ermitteln kann (sog. escheat des amerikanischen Rechts). H i e r mag es im interregionalen Recht aus anderen Gründen notwendig sein, daß auf den letzten W o h n s i t z des unerreichbaren Gläubigers abgestellt w i r d , vgl. S. 293, A n m . 61. Es ist auch möglich, daß der Staat, in dem sich der verwahrte Gegenstand z u erst befunden hat, und w o der Verwahrer sein Domizil hat, von diesem Ablieferung verlangt, w e n n der Verwahrer den Gegenstand ins Ausland verbracht hat, vgl. Screen Actors Guild Inc. vs. C o r y , 154 Cal. Rptr. 77. Vgl. S. 648. So in Ländern des englischen Rechts ein public trustee, in Sowjetländern die staatliche Finanzverwaltung. Für die Bundesrepublik stehen nur wenige Verträge in Kraft, welche den Konsuln der Vertragsstaaten Befugnisse in Nachlaßsachen verschaffen, insbesondere ein Vertrag mit der Türkei vom 28. 5. 1929. Der Konsul w i r d nicht nur von den Gerichten nicht anerkannt werden, wenn er etwa eine N a c h laßforderung einklagt, sondern er darf auch keine außergerichdichen Zahlungs- oder Herausgabeverlangen an Bewohner des Empfangsstaates richten, da sein Auftreten als Konsul einem derartigen Verlangen doch einen hoheitlichen Anstrich gibt. Ausdrückliche Annahme und Ausschlagung von angefallenen Erbschaften und Vermächtnissen, sowie die Ausübung eines Rechtes auf Wahl zwischen testamentarischen Zuwendungen und gesetzlichen Erbansprüchen dürften im allgemeinen nicht Sache des Konsuls sein, auch wenn er Angehörige des Entsendestaates in Nachlaßsachen vertreten darf, solange w i e diese nicht selbst tätig w e r d e n ; derartiges ist in neuen Konsularverträgen, w i e z. B. dem Konsularvertrag der Bundesrepublik mit Großbritannien vom 30. 7. 1956, vorgesehen; vgl. auch oben S. 377, A n m . 203. Nicht selten besteht die Gefahr, daß der Konsul sich von wirtschaftspolitischen Absichten des Entsendestaates leiten läßt, die mit den wahren Interessen der Erbberechtigten nicht zu vereinbaren sind.
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Hat nach den Gesetzen des Erbstatuts das Nachlaßgericht selbst, oder hat etwa eine sonst nur zur Verwaltung von Staatsvermögen zuständige Behörde die gesetzliche Aufgabe, Nachlässe in Besitz zu nehmen, so ist es zwar nicht völkerrechtswidrig, wenn eine solche Behörde Besitzer von Nachlaßgegenständen im Ausland schriftlich auffordert, ihr den Nachlaß abzuliefern, doch besteht nirgendwo ein Zweifel darüber, daß diesen Behörden vom Lagestaat keine Rechtshilfe geleistet wird, und daß sie auch nicht als befugt gelten, im Lagestaat Klage zu erheben usw. Auch beim Nachlaßverwalter besteht die Gefahr, daß er bei der Verwertung und Verwahrung des Nachlasses außenwirtschaftspolitische Vorschriften des Staates befolgt, der ihn ernannt hat, und daß dies den Interessen des ursprünglichen Lagestaates von Nachlaß nicht entspricht. Daß deutsche Konsuln vom Standpunkt des deutschen Rechts her sich nicht in Ländern des anglo-amerikanischen Rechts zum administrator von Nachlässen deutscher Erblasser bestellen lassen dürfen (so angeblich ein Merkblatt des Auswärtigen Amtes für die Behandlung von Nachlaßsachen durch Konsuln in den USA), beruht darauf, daß sie in dieser Eigenschaft wie private Nachlaßverwalter den Anweisungen des bestellenden Gerichts zu folgen hätten und möglicherweise an der Realisierung erbrechtlicher Regelungen mitwirken müßten, deren Anwendung vom deutschen internationalen Privatrecht nicht vorgesehen ist, und deren Durchführung im Lagestaat zwar durch Deutschland nicht gehindert werden kann, aber auch nicht durch deutsche Staatsorgane gefördert werden sollte. Sie ist in den Ländern des englischen und amerikanischen Rechts weder bezüglich des beim Fehlen eines eingesetzten Testamentsvollstreckers durch das Gericht bestellten administrator, noch bezüglich des Testamentsvollstreckers (executor) üblich, weil auch die Rechtsstellung des letzteren durch einen konstitutiven Staatsakt bestätigt werden muß. Der rhodesische Administration of Estates Act ermöglicht nur in bestimmten Fällen die Aushändigung von Nachlaß in Rhodesien an auswärtige personal representatives des Erblassers, ohne daß in Rhodesien ein ancillary probate bzw. eine ancillary administration erwirkt werden müßte. Diese ist im Verhältnis zwischen Deutschland und den meisten europäischen Ländern einerseits, und den Ländern des englischen und anglo-amerikanischen Rechts nicht gegeben: Der Surrogate's Court für N e w York denkt nicht daran, aus der Feststellung, daß nach dem in N e w York berufenen griechischen Recht der Nachlaß unmittelbar auf die Erben übergeht, die Folgerung zu ziehen, daß dies auch bezüglich des in N e w York belegenen Nachlasses der Fall sei, und daß deshalb die Bestellung eines personal representative zu unterbleiben habe. Das Gericht prüft vielmehr, ob der Nachlaß im Domizilstaat tatsächlich rechtmäßig von den Erben in Besitz genommen und auch zum Zwecke der Befriedigung der Nachlaßgläubiger verwaltet wird; wenn dies zu bejahen ist, hält er die Erben für befugt, einen ancillary administrator für die in N e w York belegenen Nachlaßteile vorzuschlagen: Estate of Theodoropoulos, 402 N . Y. S. 2 d 927. In N e w York erwartet man daher umgekehrt auch nicht, daß in Griechenland bei einem nach N e w Yorker Recht zu beurteilenden Erbfall der in N e w York eingesetzte administrator automatisch in seiner Eigenschaft als Zwischenerbe anerkannt wird, oder daß ihm diejenigen Befugnisse zuerkannt werden, die ein Testamentsvollstrecker des griechischen Rechts hätte. Die Vertretungsbefugnis des administrator für den Nachlaß nach New Yorker Recht wird bezüglich des in Deutschland belegenen Vermögens nicht anerkannt von KG, IPRsp 1972, Nr. 123. BayObLG, IPRsp 1976, Nr. 115, lehnt bei Anwendbarkeit ausländischen Erbrechts trotz Belegenheit des ganzen Nachlasses in Deutschland die Anordnung einer deutschen Nachlaßverwaltung ab, weil es die Haftung der Erben für Nachlaßschulden dem Erbrecht unterstellen will, ohne jedoch die Frage der Anerkennung des im Heimatstaat des Erblassers bestellten Nachlaßverwalters näher zu prüfen. Das Nachlaßgericht in N e w York legt den Inhalt des auf Grund Rückverweisung nach deutschem Recht erteilten deutschen Erbscheins zugrunde, um für das in N e w York belegene bewegliche Vermögen der testamentarischen Alleinerbin eines Erblassers mit amerikanischer Staatsangehörigkeit und deutschem Domizil ancillary letters of probate c.t.a. zu erteilen: Estate of Hahnel, 389 N . Y. S. 2 d 9 7 0 . Das für die Bundesrepublik nicht bindende Haager Abkommen vom 2. 10. 1973 über internationale Nachlaßverwalterzeugnisse will die Vertragsstaaten zwar zur Anerkennung der gemäß der Konvention in dem zuständigen Staat ausgestellten Zeugnisse über die Befugnisse des Zeugnisinhabers bezüglich des Nachlasses verpflichten, ermöglicht aber (abgesehen von der ordre public -
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Klausel), daß der Lagestaat die Inbesitznahme von Aktiven durch den Zeugnisinhaber von der Befriedigung der Gläubiger in diesem Staat abhängig macht. Ferner darf der Lagestaat den Nachlaßverwalter derselben Kontrolle unterstellen, wie sie für Nachlaßverwalter unter eigenem Recht des Lagestaates vorgesehen ist. Wenn das bei Ausstellung des Zeugnisses zugrunde zu legende Erbstatut den Erben selbst zur Inbesitznahme des Nachlasses als berechtigt betrachtet, so ist auch ein ihm erteilter Erbschein einem Nachlaßverwalterzeugnis gleichzustellen. Darüber, welches Recht bei der Ausstellung des Zeugnisses zugrunde zu legen ist, vgl. oben Anm. 22 zu S. 667. Wenn der anwendungswillige Satz eines staatlichen Rechts, der die Tötung eines Menschen verbietet, bei Verletzung dieses Verbots den Unterhalts berechtigten oder den vermutlich freiwillig vom Getöteten mit Unterhalt versorgten Verwandten Schadensersatzansprüche verschafft, so ist diese Forderung überall da belegen, wo sie eingeklagt werden kann. Nur das Recht dieses Belegenheitsstaates kann bestimmen, ob Schadensersatzberechtigte sich — wie dies vielfach in Ländern des englischen Rechts vorgesehen ist — im Prozeß von dem Testamentsvollstrecker oder Nachlaßverwalter vertreten lassen müssen, obwohl ihre Forderung ja gar nicht zum Nachlaß gehört und ihnen nicht kraft Erbrechts zusteht. Der Lagestaat kann auch einen Testamentsvollstrecker bzw. Nachlaßverwalter nicht zwingen, die Prozeßvertretung zu übernehmen, wenn nicht das Erbstatut eine entsprechende Bestimmung hat; dann sind die als Schadensersatzberechtigte in Frage kommenden Personen selbst zur Erhebung der Klage befugt. Andererseits kann auch das Erbstatut nicht von sich aus die Gerichte eines anderen Forumstaates verpflichten, Testamentsvollstrecker bzw. Nachlaßverwalter als klagbefugt anzuerkennen, und zwar auch dann nicht, wenn die geschädigten Verwandten, wie oft, zugleich am Nachlaß als Erben beteiligt sind. Während einige Staaten die gemäß ihrem Recht eingesetzten Nachlaßverwalter verpflichten, die ihnen gewährten Befugnisse in bezug auf den ganzen Nachlaß auszuüben, insoweit nicht andere Lagestaaten dies verhindern, überlassen andere Länder die Erfassung des Auslandsnachlasses dem pflichtgemäßen Ermessen des Nachlaßverwalters. Nur selten wird eine Verpflichtung ausgesprochen, daß der am Domizil bestellte Nachlaßverwalter sich um eine ergänzende Bestellung in anderen Lagestaaten zu bemühen habe. Wird in den Ländern des englischen Rechts der Erwerb des Titels an den Nachlaßaktiven durch einen vom Gericht bestellten Zwischenerben als Erwerb kraft Staatsakts (official succession, im Gegensatz zur ultimate beneficial distribution) aufgezogen, so ist man sich durchweg dessen bewußt, daß der Erwerb sich auf die Gegenstände in dem Staat beschränkt, dessen Gericht den Staatsakt vornimmt, vgl. Nygh, Conflict of laws in Australia, S. 585 ff. Es ist dann auch das Recht des Lagestaates, welches bestimmt, ob der Erblasser selbst schon den Zwischenerben benennen darf, wenn Intestaterbfolge stattfindet. Der Lagestaat kann dann auch die Erfordernisse für die Benennung des Zwischenerben, insbesondere die Bestellung eines Testamentsvollstreckers, durch seine eigenen Bestimmungen regeln, während die Gültigkeit der testamentarischen Anordnungen über die Weitergabe des Nachlasses seitens des Zwischenerben an die eigendichen Erben einem anderen Recht unterstellt sein kann. Sind die als eigentliche Erben in Frage kommenden Personen sämtlich oder zum Teil unbekannt, oder nicht erreichbar, und hat der Nachlaßverwalter die Aufgabe, sie erst ausfindig zu machen, so ist auch das allein kein Grund, daß die Behörden des Lagestaates von Nachlaß gänzlich untätig bleiben und das Verfahren allein im Staat des Erbstatuts vor sich gehen lassen. Erst recht aber kann der Lagestaat dies auch dann nicht tun, wenn