Interkulturelle Kompetenz als Prozess: Modell und Konzept für das Germanistikstudium in China aufgrund einer empirischen Untersuchung [1 ed.] 9783896444882, 9783896734884

Was ist interkulturelle Kompetenz? Ist sie eine statische Entität oder eher etwas Veränderbares, das sich in der interku

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German Pages 288 [289] Year 2008

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Interkulturelle Kompetenz als Prozess: Modell und Konzept für das Germanistikstudium in China aufgrund einer empirischen Untersuchung [1 ed.]
 9783896444882, 9783896734884

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Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation

Yaling Pan

Interkulturelle Kompetenz als Prozess Modell und Konzept für das Germanistikstudium in China aufgrund einer empirischen Untersuchung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Interkulturelle Kompetenz als Prozess

Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation herausgegeben von: Prof. Dr. Jürgen Bolten, Universität Jena Prof. Dr. Peter Oberender, Universität Bayreuth

Band 12

Yaling Pan

Interkulturelle Kompetenz als Prozess Modell und Konzept für das Germanistikstudium in China aufgrund einer empirischen Untersuchung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-488-4 © Verlag Wissenschaft & Praxis

Dr. Brauner GmbH 2008 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094 Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Meinen Eltern in Sichuan sowie Sieglinde und Helmut Rambacher in Franken

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Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation an der Friedrich-SchillerUniversität Jena. Über drei Jahre war ich zwischen China und Deutschland unterwegs und hatte die werdende Arbeit hin- und hergetragen. Diese Wanderung war insbesondere geprägt durch das Ineinanderweben verschiedener intra- und interkultureller Erfahrungen, durch intensiven fachlichen und interkulturellen Austausch und nicht zuletzt durch den Wechsel meiner Rolle als Lehrende, Lernende und Forschende. Dabei hat meine Dissertation immer mehr wachsen und reifen können. Auf diesem Wanderweg zwischen den Kulturen haben mich viele Menschen mit Rat und Tat unterstützt und es ist mir ein großes Bedürfnis, ihnen allen meinen herzlichen Dank auszusprechen: Zunächst geht mein herzlicher Dank an Prof. Dr. Hans Barkowski, der mich als Betreuer mit fachlicher Strenge und menschlicher Zuwendung begleitet hat. Ihm bin ich auch dafür dankbar, dass er mir bei seinen hohen Erwartungen an meine akademische Leistung zugleich viel Freiraum zur fachlichen Entfaltung gewährte, so dass ich meine Promotion, meine Lehrtätigkeit und meine Familie in Einklang bringen konnte. Besonders möchte ich ihm für seine fachkundige Betreuung via Internet und Telefon danken. Da ich zwischen meinen Forschungsaufenthalten in Jena meistens in Beijing arbeiten musste, war diese transkontinentale „TeleBetreuung“ sehr wertvoll. Als nächstes möchte ich Prof. Dr. Jürgen Bolten meinen großen Dank aussprechen. Er hat unkompliziert und mit großem persönlichem Engagement die Arbeit des Zweitgutachters übernommen. Er hat meine „Wanderung“ in das Fachgebiet Interkulturelle Wirtschaftskommunikation nicht nur begrüßt, sondern mich dabei stets mit vielfältiger Unterstützung und großer Sorgfalt begleitet. Seine wissenschaftliche Kompetenz, seine gründliche und individuelle Betreuung und nicht zuletzt seine aufbauenden Kommentare zu den einzelnen Kapiteln meiner Dissertation haben wesentlich zu dem Gelingen der vorliegenden Arbeit beigetragen. Mein spezieller Dank richtet sich an Dr. Wolfgang Fürniß, der mir weitreichende Einblicke in die interkulturelle Berufspraxis gewährte und mich ermutigte, beim Verfassen meiner Arbeit für Neues offen zu bleiben und zugleich zu meiner chinesischen Geprägtheit zu stehen. Er hat mir einerseits von der Ausweitung meiner Arbeit abgeraten, andererseits mich bei dem hin und wieder aufkeimenden Promotionsfrust aufgebaut, so dass ich im Dickicht des „Promotionsdschungels“ mein Ziel im Auge behalten konnte. Ihm danke ich besonders für sein fortwährendes Interesse an meiner Arbeit, für die vielfältigen Anregungen und den intensiven fachlichen Austausch.

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DANKSAGUNG

Des Weiteren möchte ich mich bei Dr. Michael Pielenz sehr herzlich bedanken. Er hat mich tatkräftig unterstützt, mein Promotionsvorhaben auf den Weg zu bringen. Zu danken ist ihm ebenfalls für den immer anregenden fachlichen Austausch. Auch Dr. Ruth Esser ist durch ihre praktische und moralische Unterstützung meiner Arbeit hervorzuheben. Der fachliche und persönliche Austausch mit ihr war eine wichtige Wohlfühl-Oase für meine meistens kurzen und arbeitsintensiven Aufenthalte in Jena. Ihr gebührt mein großer Dank. Zu unterstreichen ist auch mein Dank an Martina Kallina, die mich vor allem in der letzten Phase meiner Promotion intensiv begleitet hat. Zudem hat sie die gesamte Arbeit gründlich Korrektur gelesen und mir auch beim Layout kundige Hilfe geleistet. Meiner Kollegin Dr. LÜ Qiaoping möchte ich dafür danken, dass sie mir bei der Methode der Auswertung der empirischen Untersuchung hilfreiche Ratschläge gegeben hat. Ein weiterer Dank geht an meine chinesischen und deutschen Interviewpartner. Sie haben durch ihre Bereitschaft und Offenheit, ihre langjährigen interkulturellen Erfahrungen sowie ihre tiefen und facettenreichen Einsichten mit mir zu teilen, wesentlich zu der Qualität meiner Dissertation beigetragen. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Teilnehmern des DoktorandenKolloqiums des Fachgebietes Interkulturelle Wirtschaftskommunikation der Universität Jena für die aufschlussreichen Diskussionen und wertvollen Vorschläge. Nicht zuletzt sei meinem Mann Yongdong und meinem Sohn Doudou gedankt. Ohne ihren Beistand und ihr Verständnis hätte die vorliegende Arbeit niemals zustande kommen können. Sie sind die Quelle meiner Kraft und Antrieb all meines Tuns. Meinen Eltern und meinen deutschen „Pflegeeltern“ Sieglinde und Helmut Rambacher danke ich für ihren ansteckenden Optimismus und dafür, dass sie mir immer das Rückgrat stärken. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet.

Beijing, Juli 2008

PAN Yaling

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Inhaltsverzeichnis 1

Einleitung ....................................................................................................... 15 1.1 Forschungsinteresse und Problemstellung .............................................. 15 1.2 Fragestellungen und Ziel der Arbeit........................................................ 19 1.3 Methodisches Vorgehen .......................................................................... 20 1.4 Aufbau der Arbeit.................................................................................... 21

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen zur Förderung interkultureller Kompetenz.......................................................................... 23 2.1 Kultur und Interkulturalität ..................................................................... 23 2.1.1 Der Kulturbegriff für das interkulturell orientierte Germanistikstudium ...................................................................... 23 2.1.2 Interkulturalität und interkulturell ................................................. 30 2.2 Die interkulturelle Kompetenz ................................................................ 35 2.2.1 Der Begriff „interkulturelle Kompetenz“...................................... 35 2.2.2 Aspekte und Dimensionen der interkulturellen Komepetenz........ 39 2.3 Interkulturelle Kompetenz als Prozess .................................................... 44 2.3.1 Wissen – Kulturwissen und interkulturelles Wissen ..................... 44 2.3.2 Verstehen – Verstehen und Wertschätzung der eigenen und fremden Kultur .............................................................................. 46 2.3.3 Handeln – Interkulturelles Handeln, interkulturelle Erfahrungen. 49 2.3.4 Zwischenfazit ................................................................................ 54 2.4 Interkulturelle Kompetenz als Lernziel im Fremdsprachenstudium ....... 55 2.4.1 Interkulturelles Lernen in der Fremdsprachendidaktik ................. 55 2.4.2 Die Lernzielvorstellung „interkulturelle Kompetenz“ im Fremdsprachenstudium ............................................................ 59 2.4.3 Das interkulturell orientierte Germanistikstudium........................ 63 2.5 Ausblick .................................................................................................. 64

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INHALTSVERZEICHNIS

Interkulturelle Kompetenz in der beruflichen Praxis – Interviews mit chinesischen und deutschen Führungskräften .................. 67 3.1 Methodologische Überlegungen.............................................................. 67 3.1.1 Methodenauswahl.......................................................................... 67 3.1.2 Schwächen, Risiken und Absicherung .......................................... 70 3.2 Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Experteninterviews............................................................................ 72 3.2.1 Die Vorbereitung........................................................................... 72 3.2.1.1 Der Interviewleitfaden .................................................... 72 3.2.1.2 Auswahl der Interviewpartner......................................... 74 3.2.2 Die Durchführung ......................................................................... 77 3.2.2.1 Der Pretest....................................................................... 77 3.2.2.2 Die Durchführung weiterer Experteninterviews ............. 78 3.2.3 Die Nachbereitung......................................................................... 80 3.2.3.1 Die Transkription ............................................................ 80 3.2.3.2 Die Datenanalyse ............................................................ 80 3.3 Die Auswertung....................................................................................... 81 3.3.1 Erfahrungen in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit .......... 83 3.3.1.1 Die Problemfelder ........................................................... 83 3.3.1.2 Die Unternehmenskultur der deutschen Unternehmen in China ........................................................................... 91 3.3.1.3 Die Geschäftssprachen.................................................... 93 3.3.2 Das Verständnis des Begriffs „interkulturelle Kompetenz“.......... 94 3.3.3 Interkulturelle Kompetenz als Prozess .......................................... 98 3.3.3.1 Das multidimensionale Modell der interkulturellen Kompetenz ...................................................................... 99 3.3.3.2 Fähigkeiten und Eigenschaften, die vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit führen ......... 108 3.3.3.3 Die Wechselwirkung von Wissen und Verstehen der eigenen und fremden Kultur ................................... 117 3.3.3.4 Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur interkulturellen Handlungskompetenz führen............... 125 3.3.4 Die interkulturelle Kompetenz als Prozess des permanenten Lernens ............................................................ 138 3.3.4.1 Lernbereitschaft und Lernkompetenz ........................... 138 3.3.4.2 Der Beitrag des Germanistikstudiums zur Förderung interkultureller Kompetenz ........................................... 141 3.4 Feststellungen und Konsequenzen ........................................................ 142

INHALTSVERZEICHNIS

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Interkulturelle Orientierung und Stand des Germanistikstudiums in China ........................................................................................................ 145 4.1 Die Rahmenbedingungen ...................................................................... 145 4.1.1 Das Hochschulsystem in China................................................... 145 4.1.1.1 Die Entwicklung des Bildungswesens in China............ 145 4.1.1.2 Die Hochschullandschaft in China................................ 146 4.1.2 Prüfungsorientierung vs. Suzhi-Bildung ..................................... 148 4.1.2.1 Die prüfungsorientierte Bildung ................................... 148 4.1.2.2 Neue Trends in der Hochschulbildung.......................... 149 4.1.3 Fremdsprachenstudium in China................................................. 152 4.1.3.1 Interkulturelle Forschung in der Fremdsprachendidaktik........................................... 152 4.1.3.2 Interkulturelle Orientierung im bisherigen Fremdsprachenstudium ................................................. 154 4.2 Die Entwicklung von Germanistik in China ......................................... 156 4.2.1 Historischer Rückblick................................................................ 156 4.2.2 Neue Anforderungen an das Germanistikstudium ...................... 158 4.2.3 Die Reformversuche des Germanistikstudiums in China............ 160 4.2.3.1 Die Suzhi-Bildung......................................................... 162 4.2.3.2 Die Fuhe-Ausbildung.................................................... 163 4.2.4 Curriculum für das Germanistikstudium in China ...................... 166 4.3 Die Germanistikstudenten in China ...................................................... 172 4.3.1 Die Studenten in China ............................................................... 172 4.3.2 Die chinesischen Germanistikstudenten...................................... 175 4.3.2.1 Die Motivation .............................................................. 175 4.3.2.2 Die Lernpraxis der chinesischen Germanistikstudenten.................................................... 179 4.3.2.3 Interkulturelle Erfahrungen der Germanistikstudenten. 182 4.4 Das Lehren im Germanistikstudium...................................................... 183 4.4.1 Lehrer und Lehrer-Rolle in China ............................................... 183 4.4.2 Lehrer für Germanistik................................................................ 185 4.4.3 Lehreraus- und -fortbildung ........................................................ 186 4.5 Interkulturelle Orientierung im Germanistikstudium............................ 188 4.6 Fazit....................................................................................................... 190

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Empfelungen zur Förderung interkultureller Kompetenz im Germanistikstudium .............................................................................. 191 5.1 Allgemeine Empfehlungen.................................................................... 191

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INHALTSVERZEICHNIS

5.1.1 Von Ethnozentriertheit zu Ethnorelativität.................................. 192 5.1.1.1 Positive Grundeinstellung gegenüber der fremden Kultur und die Persönlichkeitsentwicklung der Studenten................................................................. 192 5.1.1.2 Förderung der Neugierde auf die eigene und fremde Kultur und Entwicklung der Lernbereitschaft .......................... 193 5.1.1.3 Distanzierung vom Ethnozentrismus und Entwicklung der Multiperspektivität.................................................. 194 5.1.2 Erweiterung und Vertiefung des Wissens und Verstehens der eigenen und der fremden Kultur ........................................... 197 5.1.2.1 Die Beschäftigung mit der chinesischen Kultur als Bestandteil des Germanistikstudiums ........................... 197 5.1.2.2 Die Beschäftigung mit der deutschen Kultur als Bestandteil des Germanistikstudiums .............................................. 199 5.1.2.3 Vermittlung des kulturübergreifenden Wissens über die interkulturelle Kommunikation und Anstellung von chinesisch-deutschen kulturpaarspezifischen Vergleichen ................................................................... 201 5.1.3 Förderung interkultureller Handlungskompetenz während des Germanistikstudiums ............................................................ 202 5.1.3.1 Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit ................... 203 5.1.3.2 Sensibilisierung für die kulturellen Unterschiede und Ermutigung zur Suche nach kulturellen Gemeinsamkeiten.......................................................... 205 5.1.3.3 Förderung der Handlungsorientiertheit ......................... 206 5.1.3.4 Ermutigung der Studenten zur interkulturellen Praxis.. 206 5.1.4 Empfehlungen zur Förderung der Lernbereitschaft und Lernkompetenz..................................................................... 208 5.2 Empfehlungen zum Aufbau eines interkulturell orientierten Germanistikstudiums............................................................................. 211 5.2.1 Studienfächer zur Allgemeinbildung und zur eigenkulturellen Bildung ....................................................... 212 5.2.2 Studienfächer zur Förderung der deutschsprachigen Fertigkeiten ................................................... 214 5.2.3 Studienfächer zur Vertiefung im Fach Germanistik.................... 216 5.2.4 Ergänzungsfächer zu Germanistik .............................................. 217 5.2.5 Praktische Erfahrungen ............................................................... 218

INHALTSVERZEICHNIS

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5.2.5.1 Praktika und Teilzeitjobs .............................................. 219 5.2.5.2 Förderung der Sozialkompetenz als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung interkultureller Kompetenz .................................................................... 220 5.2.5.3 Auslandsaufenthalte und interkulturelle Begegnungen im Inland ....................................................................... 221 5.2.5.4 Interkulturelles Lernen durch das Internet .................... 222 5.2.6 Abschlussarbeit ........................................................................... 223 5.3 Institutionalisierte Zusammenarbeit zur Förderung interkultureller Kompetenz ............................................................................................ 224 5.4 Biographie für das interkulturelle Lernen und Portfolio Assessment ... 227 5.5 Förderung der interkulturellen Kompetenz als Bestandteil der Lehrerausbildung und -fortbildung ....................................................... 231 6. Schlussbetrachtung ..................................................................................... 233 6.1 Zusammenfassung................................................................................. 233 6.2 Kritische Reflexion und Ausblick ......................................................... 236 6.2.1 Reflexion ..................................................................................... 236 6.2.2 Ausblick ...................................................................................... 237 7

Literaturverzeichnis.................................................................................... 239

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Anhang ......................................................................................................... 257 8.1 Interviewleitfaden.................................................................................. 257 8.2 Code-Übersicht...................................................................................... 262

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die drei Ebenen des Fremdsprachenlehr- und -lernziels............... 60 Abbildung 2: Expertenübersicht.......................................................................... 76 Abbildung 3: Das multidimensionale Modell der interkulturellen Kompetenz......................................................... 101 Abbildung 4: Momentaufnahme der interkulturellen Kompetenz .................... 102 Abbildung 5: Die von den chinesischen Experten genannten Fähigkeiten und Eigenschaften zur Entwicklung interkultureller Kompetenz ...... 105 Abbildung 6: Die von den deutschen Experten genannten Fähigkeiten und Eigenschaften zur Entwicklung interkultureller Kompetenz ...... 106 Abbildung 7: Fähigkeiten und Eigenschaften zur Entwicklung interkultureller Kompetenz – chinesisch-deutscher Vergleich .... 107 Abbildung 8: Übersicht für den Rahmenplan der Lehrveranstaltungen für das Fach Germanistik/Deutsch .............................................. 170 Abbildung 9: Verteilung der Lehrveranstaltungsstunden für das Fach Germanisitk/Deutsch................................................................... 170 Abbildung 10: Themen von BA-Arbeiten chinesischer Germanisitkstudenten von der UIBE .......................................... 178 Abbildung 11: Assessment der interkulturellen Kompetenz............................... 229

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1 Einleitung 1.1 Forschungsinteresse und Problemstellung Am Anfang stand ein Problem. Seit 1993 bin ich als Germanistin in der Deutschfakultät der University of International Business and Economics 1 (UIBE), Beijing, China tätig. Von September 1997 bis April 2004 war ich als Prodekanin und Direktorin u.a. für die Entwicklung der Curricula für Germanistikstudenten und für die Lehreraus- und Lehrerfortbildung meiner Fakultät zuständig. Mit meinen Dekanenkollegen2 von anderen Hochschulen in Beijing habe ich regelmäßige Zusammentreffen der Dekane der Deutschfakultäten in Beijing mitinitiiert. Bei diesen Treffen sind wir oft mit dem Problem konfrontiert gewesen, dass Deutsch als Geschäftssprache in der internationalen Zusammenarbeit zugunsten der englischen Sprache immer mehr an Bedeutung verloren hat. Daher wurde auch die Frage nach den Berufschancen der Germanistikstudenten ein immer wichtigeres Thema. Um einer Lösung dieses Problems näher zu kommen, haben wir uns insbesondere mit folgenden Fragen auseinandergesetzt: ¾ Hat das Fach Germanistik in China überhaupt noch Zukunftschancen? Wenn ja, wie soll sich das Fach in der heutigen Zeit definieren? ¾ Welche Bildungsziele sollte unser Fach verfolgen? ¾ Wie sollen wir die Germanistikstudenten ausbilden, damit sie den Anforderungen der interkulturellen Berufswelt gewachsen sind? ¾ Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sollen wir während des Studiums fördern, damit die Germanistikstudenten in der interkulturellen Zusammenarbeit bessere Erfolgschancen haben?

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In der vorliegenden Arbeit werden die festgelegten englischen Übersetzungen für chinesische Institutionen benutzt. Für den Fall, dass es keine festgelegten Übersetzungen dafür gibt, werden die Namen dieser Institutionen von mir übersetzt. 2 In der vorliegenden Arbeit werden von mir bei den generischen Berufs- und Titelbezeichnungen die männlichen Bezeichnungen verwendet, mit denen auch immer die weiblichen Personen gemeint sind.

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EINLEITUNG

Auch bei der Leitung des Ausbildungszentrums für deutsche Sprache Beijing (AFDS), das im Rahmen eines GTZ3-Projektes an unserer Universität aufgebaut wurde und chinesische Fach- und Führungskräfte sprachlich und kulturell auf eine bis zu zweijährige berufliche Fortbildung in Deutschland vorbereitet, habe ich in unserem chinesisch-deutschen Team oft erlebt, dass verschiedene Werte, Denkweisen und Handlungsmuster und auch verschiedene Strategien aufeinander trafen. Insbesondere habe ich gelernt, dass man kulturelle Unterschiede nicht als etwas Negatives betrachten sollte, sondern Synergien daraus gewinnen kann. Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit an der Universität bin ich stets bestrebt, Kontakte mit Unternehmen und Organisationen, die in China im Rahmen der chinesisch-deutschen Kooperation tätig sind, zu pflegen, um mich darüber zu informieren, welche Anforderungen man dort an die Absolventen des Germanistikstudiums, falls diese in solchen Unternehmen und Organisationen arbeiten wollen, stellt. Bei entsprechenden Gesprächen wurde oft betont, dass Kenntnisse in einem bestimmten Fach und Fremdsprachenkenntnisse noch nicht allein für den Erfolg in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit ausreichend sind. Hierbei wurde „interkulturelle Kompetenz4“ oft als Summe aller Qualifikationsmerkmale, die für den Erfolg in der interkulturellen Zusammenarbeit notwendig sind, bezeichnet, wobei durchaus unterschiedliche Konzepte unter diesen Begriff subsummiert werden. Der Begriff „interkulturelle Kompetenz“ ist sozusagen „anekdotenhafter Natur“ (Stahl 1998, 89) und es besteht eine Diskrepanz zwischen dem hohen Stellenwert der interkulturellen Kompetenz in der interkulturellen Berufspraxis einerseits und der unzureichenden inhaltlichen Konkretisierung andererseits (Geistmann 2002, 2). Nicht zuletzt diese Erfahrungen haben den Ausschlag dafür gegeben, mich mit dem Thema „interkulturelle Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten“ mit wissenschaftlichen Methoden auseinanderzusetzen, um so zu fundierten eigenen Ansätzen für das Germanistikstudium an chinesischen Hochschulen zu gelangen. In der chinesischen Forschungswelt wird seit Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts das Begriffspaar „Kultur“ und „Sprache“ aus verschiedenen Perspektiven diskutiert (vgl. Hu 1982; Deng/Liu 1989). Ein Aspekt dieser Diskussion war die Beschäftigung mit „Interkultureller Kommunikation“, wobei zu dieser Zeit 3 GTZ: Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Die GTZ ist ein weltweit tätiges Bundesunternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung und unterstützt die Bundesregierung bei der Verwirklichung und Umsetzung ihrer entwicklungspolitischen Ziele (vgl. www.gtz.de). 4 Interkulturelle Kompetenz ist ein Zentralbegriff der vorliegenden Arbeit. Dennoch werde ich im Interesse der besseren Lesbarkeit den Begriff nicht mehr kursiv schreiben.

EINLEITUNG

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hauptsächlich theoretische Ansätze aus den USA und aus der damaligen Sowjetunion vorgestellt und behandelt wurden (vgl. Yu 2004, 72). Bei diesen Ansätzen zur „Interkulturellen Kommunikation“ handelte es sich um den Zusammenhang zwischen Sprache, Kultur und Kommunikation, um Kommunikationssituationen, um die Kommunikationskompetenz, um die Wirkungen der nonverbalen Elemente auf die Kommunikation und um die Beziehung zwischen Sprache und Sozialverhalten (vgl. Jia 1998). Auch die chinesisch-deutsche interkulturelle Kommunikation in der Berufspraxis wird von einigen wenigen Autoren thematisiert (vgl. Peill-Schoeller 1994; Jin 1994; Vogl 2001; Zhao 2002; Shi 2003; Kausch 2007). Obwohl diese Untersuchungen auch berufsbezogene Aspekte beinhalten, muss insgesamt festgestellt werden, dass wissenschaftliche Publikationen, die sich mit den berufsbezogenen Aspekten der chinesisch-deutschen interkulturellen Kommunikation beschäftigen, sehr selten waren und zum Zeitpunkt des Verfassens der vorliegenden Arbeit immer noch sind. Wie Hu Wenzhong (2005; Hu 2006a, 4), Vorreiter der interkulturellen Forschung in China, feststellt, gibt es in der chinesischen interkulturellen Forschung kaum Arbeiten, die auf empirischen Untersuchungen aufbauen (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Es ist bemerkenswert, dass in den wenigen chinesischen wissenschaftlichen Publikationen über das Thema „interkulturelle Kompetenz“ der berufspraktische Aspekt sehr vernachlässigt wird. Auch Xu und Wu (2006, 76) stellen fest, dass die interkulturelle Orientierung des Fremdsprachenstudiums vorwiegend ein inhaltsloser Slogan bleibt. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die wichtigsten Vertreter der interkulturellen Forschung meistens Professoren für Fremdsprachendidaktik an Hochschulen sind: Da in den konfuzianisch geprägten Kulturen nach Innensicht des Gelehrtenwissens das Fremdsprachenstudium immer noch sehr stark mit schöngeistiger Literatur und Poesie verbunden wird, ist in China die Bemühung um eine enge Verbindung der Bildungsziele des Fremdsprachenstudiums mit den aktuellen Anforderungen in der Praxis leider noch eine Seltenheit. Sucht man nach Publikationen in Deutschland, die sich mit chinesisch-deutscher interkultureller Zusammenarbeit befassen, so fällt auf, dass die Diskussionen und Konzepte zur Entwicklung interkultureller Kompetenz sich häufig auf die Entsendung von Expatriates aus einem entwickelten Industrieland in ein fremdes Entwicklungsland beschränkt. Es gibt nur sehr wenige Arbeiten, die aus der Perspektive eines Gastlandes an das Thema herangehen, obwohl die meisten international tätigen Unternehmen und Organisationen immer mehr auf einheimische Führungskräfte setzen und die Zahl der Expatriats reduzieren. Bei intensiverer Betrachtung der einschlägigen Arbeiten fällt darüber hinaus auf, dass der Begriff

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EINLEITUNG

„interkulturelle Kompetenz“ zu oft auf Führungskräfte bezogen wird, während vor allem der Situation der Berufsanfänger in diesem Denkmodell zu wenig Rechnung getragen wird. Hinzu kommt das Problem, dass zahlreiche Publikationen zum Thema „interkulturelle Kompetenz“ eher eine Art „Fastfood-Ratgeber“ sind. Nicht zuletzt, weil gerade von solchen „Rezeptbüchern“, die dem Leser das selbstständige Reflektieren abnehmen, eine Gefahr für Studenten ausgeht, die keine interkulturelle Erfahrung haben – und dies ist bei vielen unserer Studenten der Fall – ist es an der Zeit, das Dilemma deutlich anzusprechen und dem ein curriculares Angebot entgegenzusetzen, das sich auf eine wissenschaftlich fundierte Analyse der interkulturellen Anforderungen an Mitarbeiter in chinesisch-deutschen Unternehmen und Organisationen richtet. Wie Hernig (2000, 26) konstatiert, wurde das Thema interkulturelle Germanistik bisher sehr wenig auf die chinesische Situation bezogen diskutiert, wobei es ersichtlich ist, dass der Weg der chinesischen Germanistik nicht von Deutschland aus gesteuert werden kann und sollte. Zurzeit ist das Angebot zum interkulturellen Lernen für chinesische Germanistikstudenten in China noch zu gering. An den Deutschfakultäten der meisten Hochschulen in China wird dem Thema „interkulturelle Kommunikation“ noch zu wenig Bedeutung beigemessen5. Für viele ist interkulturelle Kompetenz bis heute nur eine Überschrift. Zusammenfassend kann ich festhalten, dass es zurzeit kaum eine Arbeit gibt, die sich mit den interkulturellen Anforderungen an Mitarbeiter, die im chinesischdeutschen beruflichen Kontext tätig sind, befasst und diese als Grundlage für ein auf den Beruf vorbereitendes Studium nimmt. Dies veranlasste mich dazu, eine qualitative empirische Untersuchung in chinesisch-deutschen Unternehmen und Organisationen durchzuführen, um Klarheit über die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz im Berufsalltag zu gewinnen und um die Notwendigkeit einer entsprechenden Schwerpunktbildung im Germanistikstudium besser fassen und beschreiben zu können.

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Diese Beobachtung stammt einerseits aus dem Austausch mit den Kollegen bei den Dekanentreffen und auf den landesweiten Fachtagungen, andererseits aus meiner Internet-Recherche entsprechender Studienangebote. Allerdings wird dieser Bereich nicht systematisch erkundet. Daher beansprucht diese Aussage nicht die Gültigkeit, als Ergebnis systematischer Untersuchung gelesen zu werden.

EINLEITUNG

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1.2 Fragestellungen und Ziel der Arbeit In meiner Arbeit möchte ich die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz in der Berufspraxis erkunden und zunächst klären, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Dabei werde ich den Begriff nicht nur allgemein behandeln, sondern zugleich auf die chinesisch-deutsche Perspektive umsetzen, wohl wissend, dass diese Kompetenz nicht nur in der chinesisch-deutschen interkulturellen Kommunikation ihre Gültigkeit hat. Die Absolventen, die in der Regel in einer chinesisch-deutschen Organisation und in einem chinesisch-deutschen Unternehmen eingesetzt werden, müssen auch zu anderen internationalen Einsätzen in der Lage sein. Mit Hilfe der empirischen Untersuchung sollen insbesondere folgende Fragen geklärt werden: ¾ Welche Fähigkeiten und Eigenschaften sind für den Erfolg in der interkulturellen Berufswelt notwendig? ¾ Wie lässt sich interkulturelle Kompetenz inhaltlich fassen? ¾ Wie kann man interkulturelle Kompetenz fördern? ¾ In wie weit kann das Germanistikstudium zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz beitragen? ¾ Wie stellt sich der status quo des Fachs Germanistik in China dar? ¾ Wie kann man während des Germanistikstudiums die interkulturelle Kompetenz der Studierenden fördern? Ziel dieser Arbeit ist, ein Konzept auszuarbeiten, das auf den Anforderungen der interkulturellen beruflichen Praxis basiert und im Curriculum vieler Deutschfakultäten in China Verwendung finden kann. Auch wenn der Bezug zur Berufspraxis wichtig ist, ist mir bewusst, dass sich Empfehlungen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz in dem Germanistikstudium nicht von außen verordnen lassen, sondern dass man die bisherige Entwicklung des Faches Germanistik in China berücksichtigen muss. Aus der Beschäftigung mit der Forschung, aus den daraus abgeleiteten Positionen und dem Vorwissen aus der chinesischen Praxis gehe ich in meiner Arbeit von folgenden erfahrungsbasierten Annahmen aus: 1. Die interkulturelle Kompetenz spielt im chinesisch-deutschen beruflichen Kontext eine wichtige Rolle.

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EINLEITUNG

2. Diese Kompetenz lässt sich wiederum in verschiedene Fähigkeiten und Eigenschaften konkretisieren. 3. Das bisherige Lernangebot des Germanistikstudiums in China kann den Anforderungen der beruflichen Praxis an interkulturelle Kompetenz nicht ganz gerecht werden. 4. Mit Hilfe der Forschungsergebnisse zum Thema „interkulturelle Kompetenz“ aufgrund der empirischen Untersuchung und einer Bestandsaufnahme lässt sich ein didaktisches Konzept zur Entwicklung interkultureller Kompetenz ausarbeiten. Ich möchte diese Annahmen an Hand der empirischen Untersuchung und der Analyse der Situation der chinesischen Hochschulen überprüfen. Die dadurch gewonnenen Ergebnisse sollen dann in die konzeptionellen Überlegungen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz einfließen. Dabei ist mir wichtig, dass der kulturelle Kontext, so wie er in der chinesischen Gesellschaft als konsensuale Alltagskultur gelebt wird, stark zu berücksichtigen ist. Die vorliegende Arbeit hat insbesondere die folgenden Zielgruppen im Blick. Sie soll: ¾ Lehrenden für Fremdsprachen – insbesondere für Germanistik – in China einen Einblick in die interkulturelle Berufswelt ermöglichen und ihnen aufzeigen, was man in der beruflichen Praxis unter „interkultureller Kompetenz“ konkret versteht und wie sie sich während des Studiums fördern lässt. ¾ Studierenden der Germanistik zur eigenverantwortlichen Gestaltung ihres Studiums als Vorbereitung auf interkulturell ausgerichtete Berufstätigkeiten verhelfen. ¾ Forscher und Praktizierende, die sich mit einer interkulturell und berufsorientiert ausgerichteten Germanistik beschäftigen, unterstützen.

1.3 Methodisches Vorgehen Um Klarheit über die Bedeutung der interkulturellen Kompetenz im Berufsalltag zu gewinnen und um die Notwendigkeit einer entsprechenden Schwerpunktbildung im Germanistikstudium darstellen zu können, möchte ich eine empirische Untersuchung bei den Führungskräften in chinesisch-deutschen Unternehmen und Organisationen durchführen. Im Anschluss daran ist es mein Anspruch, anhand

EINLEITUNG

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der Ergebnisse dieser Untersuchung Empfehlungen zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz im chinesischen Germanistikstudium zu geben. Bei der Abwägung, ob ich mich bei der Befragung der qantitativ-standardisierten oder der qualitativen Methode bedienen soll, habe ich mich für die qualitative Befragung entschieden, denn „qualitative Sozialforschung ist immer dann zu empfehlen, wenn der Gegenstand komplex, unübersichtlich, teilweise oder ganz unbekannt ist oder auch, wenn er zwar einfach erscheint, aber vermutlich komplexer ist“ (Heinze 2001, 27). Sie ist besonders dann geeignet, wenn es um die Erschließung eines bislang wenig erforschten Wirklichkeitsbereiches geht (ebd., 25; Flick/Kardorff/Steinke 2000, 13). Genau dies ist in China der Fall. Es gibt in China weder eine inhaltliche Bestimmung des Begriffs „interkulturelle Kompetenz“ noch ein allgemein anerkanntes Konzept zur Entwicklung interkultureller Kompetenz für Studenten. Unter den qualitativen Methoden entscheide ich mich für das Experteninterview. Auf die Begründung dieser Wahl gehe ich im Kapitel 3.1.1 näher ein. Es ist geplant, chinesische und deutsche Führungskräfte im Bereich der chinesischdeutschen Zusammenarbeit zu interviewen. Dabei ist vorgesehen, durch Experteninterviews die Rolle und Inhalte interkultureller Kompetenz in der beruflichen Praxis sowie die diesbezüglichen Erfahrungen und Erwartungen zu erheben.

1.4 Aufbau der Arbeit Aus den Vorüberlegungen und den Zielsetzungen ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: Im Kapitel 2 werden wichtige Begriffe, die mit „interkultureller Kompetenz“ in Zusammenhang stehen, erklärt. Es werden wesentliche Ansätze zur Entwicklung interkultureller Kompetenz dargelegt. Dabei wird angestrebt, aus einer chinesischen Perspektive die Diskussionen über „interkulturelle Kompetenz“ zu betrachten. Anschließend werde ich mich mit „interkultureller Kompetenz“ als Lernziel im Fremdsprachenstudium auseinandersetzen, um zu überprüfen, ob und in wie weit sich ein chinesischer Ansatz zur Förderung interkultureller Kompetenz auf den bisherigen ausgearbeiteten Konzeptionen aufbauen lässt.

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EINLEITUNG

Im Kapitel 3 werden zunächst die methodologischen Überlegungen für die empirische Untersuchung ausführlich dargestellt. Anschließend wird das Verfahren mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Untersuchung vorgestellt. Ein großes Gewicht kommt dabei der Auswertung der Untersuchungsergebnisse zu. Aufgrund dieser Ergebnisse werden Feststellungen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz gemacht und entsprechende Konsequenzen gezogen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Analyse des Entwicklungsstandes des Germanistikstudiums in China. Die Darstellung der Rahmenbedingungen, der Entwicklung der Germanistik in China, und die Schilderung der Situation der Studierenden und Lehrenden im Fach Germanistik sollen eine Hilfe zur Beantwortung der Frage sein, in welchem Umfang und in welcher Form das Thema interkulturelle Kompetenz im Germanistikstudium an Deutschfakultäten landesweit vermittelt wird. In Anbetracht dessen, dass die Arbeit dazu beitragen soll, die Qualität der Vermittlung von interkultureller Kompetenz zu verbessern, und einen Grundstein für die Kooperation der chinesischen Deutschfakultäten im Bereich des interkulturellen Lernens legen soll, ist es unerlässlich, über den „Tellerrand“ des eigenen akademischen Alltags zu schauen und eine Bestandsaufname vorzulegen. Dabei geht es um die Prüfung, ob und in wie weit unter den bisherigen Rahmenbedingungen für das Fach Germanistik die sich aus der empirischen Untersuchung ergebenden Konzeptionen zur Förderung interkulturellen Kompetenz realisiert werden können. Im Kapitel 5 werden auf der Grundlage der empirischen Untersuchungen und der Analyse des Entwicklungsstandes des Faches Germanistik allgemeine Empfehlungen zur Förderung interkultureller Kompetenz im Germanistikstudium gegeben. Anschließend wird beschrieben, wie ein interkulturell orientiertes Germanistikstudium aufgebaut werden kann. Zum Schluss werden ergänzende Aspekte, die zur Förderung interkulturelle Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten notwendig sind, berücksichtigt. Kapitel 6 stellt die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammenfassend dar und unterzieht diese einer kritischen Reflexion.

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Begriffsklärung und theoretische Grundlagen zur Förderung interkultureller Kompetenz

In diesem Kapitel geht es darum, die wesentlichen Ansätze in der interkulturellen Forschung darzustellen und die Diskussionen zur Weiterentwicklung des Verständnisses von interkultureller Kompetenz zu reflektieren, um begriffliche und konzeptionelle Grundlagen zur Entwicklung eines interkulturell orientierten Germanistikstudiums in China zu schaffen.

2.1 Kultur und Interkulturalität In Bezug auf das interkulturelle Lernen in der Sprachlehr- und Sprachlernforschung für Deutsch als Fremdsprache ist nun schon seit über zwei Jahrzehnten im theoretischen und im didaktisch-methodischen Bereich immer wieder die Rede von den Begriffen „Kultur“ und „interkulturell“ (Barkowski/Eßer 2001, 83). Der dabei angesprochene Begriff „Kultur“ ist zu einem Schlüsselbegriff im wissenschaftlichen Diskurs des Fachs Deutsch als Fremdsprache bzw. der Germanistik geworden (vgl. ebd.).

2.1.1 Der Kulturbegriff für das interkulturell orientierte Germanistikstudium Der Begriff „Kultur“ ist nicht nur in Deutschland zu einem Schlagwort geworden, dessen inflationärer Gebrauch vielfach beklagt wird (vgl. Bausinger 2003, 271). Die Selbstverständlichkeit, mit der der Begriff „Kultur“ in verschiedenen Lebensbereichen und wissenschaftlichen Disziplinen verwendet wird, gibt eine begriffliche Klarheit vor, die oft nicht vorhanden ist. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass zahlreiche Wissenschaftler auf der Suche nach dem Kulturbegriff immer wieder ihre Fähigkeiten erprobt haben, ohne jedoch zu einer anerkannten, allgemein gültigen Definition zu gelangen. (vgl. Maletzke 1996, 15; Hernig 2000, 3). Je nach Kontext und Benutzer variiert die Bedeutung – auch in den Wissenschaften (Maletzke 1996, 15). Wie Bausinger (2003, 271) anmerkt, ist der Begriff „Kultur“ selbst kulturabhängig.

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BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

Der Kulturbegriff ist vieldeutig und mannigfaltig. Er stellt selbst ein wissenschaftliches Dickicht dar (Barkowski 2005, 1). Dennoch sehe ich diese Begriffsvielfalt durchaus als etwas Positives, weil es sowohl für das chinesische Verständnis des Miteinanders mehrerer Positionen als auch für die Bedeutsamkeit dieses Themas spricht. Die Beschäftigung mit Kultur erweckt leicht den Eindruck, dass sich damit zum einen fast alles, zum anderen jedoch nichts Spezifisches fassen lässt (Geistmann 2002, 62). Dennoch erscheint es mir notwendig, die Diskussion um den Kulturbegriff darzulegen, um die dadurch gewonnenen Erkenntnisse, die für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind, festzuhalten. Wie Konfuzius lehrt: „Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande“ (名不正,则言不顺; 言不顺,则事不 成。) (Konfuzius 2005, 117). Mit den Begriffen, die stimmen müssen, ist eine allgemein anerkannte Grundlage, von der alle ausgehen, gemeint. Es ist also nötig, sich damit auseinanderzusetzen, was das interkulturell orientierte Germanistikstudium unter Kultur versteht. Dabei geht es weniger um die Kulturdefinition, sondern vielmehr darum, wichtige Erkenntnisse, die man bei den Definitionsbemühungen gewonnen hat und die für das interkulturell orientierte Germanistikstudium, oder genauer gesagt, interkulturell orientierte Auslandsgermanistikstudium von Belang sind, festzuhalten. „Kultur“ wird auch heute im allgemeinen Sprachgebrauch noch häufig als Repräsentant des Schönen, Wahren und Guten verstanden (Bolten 2003a, 11) und beschränkt sich im Wesentlichen auf bildende und darstellende Kunst, auf Literatur und Musik (Bausinger 2003, 273). In der chinesischen Sprache verbindet man „Kultur“ oft mit Bildung, oft gar als Synonym für Bildung: ¾ „Meiyou wenhua“ (没有文化, wörtlich übersetzt, „hat keine Kultur“) bedeutet „hat keine schulische Bildung“ oder ist eventuell sogar Analphabet. ¾ Hingegen bedeutet „you wenhua“ (有文化, wörtlich übersetzt, „hat Kultur“) „gebildet“. ¾ Mit „wenhua shuiping“ (文化水平, „Kulturniveau“) wird der Bildungsstand gemeint. Im „Modernen Chinesischen Wörterbuch“ wird Kultur wie folgt definiert: „Kultur ist die Gesamtheit der materiellen und geistigen Schöpfungen, die von der Menschheit im Zuge der sozialhistorischen Entwicklung geschaffen werden. Insbesondere bezieht es sich auf die geistige Schöpfung, wie z.B. Literatur, Kunst,

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Bildung und Wissenschaft“6. Dieser enge Kulturbegriff grenzt u.a. die Alltagskultur aus und begreift Kultur als etwas Hohes, Elitäres, Schönes und Schmückendes (Hernig 2000, 3). Unabhängig von der Tatsache, dass es keine allgemeingültige Kulturdefinition gibt, hat sich inzwischen u.a. in der interkulturellen Forschung ein erweiterter Kulturbegriff durchgesetzt. Es gibt viele Versuche, den Kulturbegriff weiter zu fassen. Allerdings begreifen viele dieser Definitionen die Kultur als etwas Statisches, etwas Vorgefundenes und eine abstrakte übergeordnete Größe. Alexander Thomas, der sich mit interkultureller Psychologie beschäftigt, definiert Kultur beispielsweise wie folgt: „Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft usw. tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein spezifisches Handlungsfeld für alle sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen und schafft damit die Voraussetzung zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung“ (zit. nach Thomas 2003a, 138). Allerdings gibt es Kritik an diesem Kulturverständnis von Thomas. Es wurde bemängelt, dass es sich vor allem durch eine Stabilität der Einzelkulturen auszeichnet, die strikt voneinander abgegrenzt würden. Es lebe von Mystifizierung und sei geprägt durch Eindimensionalität, Universalismus und Normativität (AllolioNäcke/Kalscheuer/Shimada 2003, 150). Denn „typisierende Bilder der Kultur eines Landes sind als Momente ordnender Wahrnehmung unvermeidlich, überspielen aber oft die Gegensätze und Divergenzen innerhalb einer Kultur“ (Bausinger 2003, 274). Inzwischen weisen immer mehr Forscher darauf hin, dass eine Kultur nicht als etwas Statisches, Normgebendes und von anderen Kulturen Abzugrenzendes betrachtet werden sollte. Bolten (2003a, 12) versteht unter Kultur die „Lebenswelt, in der wir uns bewegen, die wir uns durch unser Zusammenleben geschaffen haben und ständig schaffen. Diese Lebenswelt existiert ohne die Filterung durch Bewertungsmaßstäbe. Sie basiert nicht auf einer Auswahl des Schönen, Guten und Wahren, sondern umfasst alle Lebensäußerungen derjenigen, die an ihrer Existenz mitgewirkt haben und mitwirken“.

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„Modernes Chinesisches Wörterbuch“, 2002, 1318. Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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Dieses Kulturverständnis beinhaltet u.a. – implizit und explizit – folgende Botschaften: ¾ Kulturen sind Lebenswelten; ¾ Die Kultur grenzt nicht aus, sondern integriert; ¾ Kultur wertet nicht; ¾ Kultur ist als etwas Dynamisches zu verstehen; ¾ Eine Kultur bleibt anderen Kulturen gegenüber offen und Kulturen sind nicht klar voneinander abgrenzbar. Bolten (ebd. 12f) konstatiert, dass der erweiterte Kulturbegriff im Gegensatz zum engen Kulturbegriff nicht ausgrenzt, sondern integriert und sich Wertungsbemühungen weitgehend entzieht. Auch Hansen (2003, 13) plädiert für einen interaktiven und wertneutralen Kulturbegriff und versteht Kultur als „die Veränderung der Natur durch menschliche Tätigkeit, was dazu führt, dass die natürliche Ordnung durch eine vom Menschen geschaffene ersetzt wird.“ Er findet, dass der amerikanische Ausdruck „way of life“ wohl am besten bezeichnet, was mit Kultur gemeint ist (ebd.). Schon viel früher hat der chinesische Kulturforscher Liang Shuming, der in China auch als Philosoph und Pädagoge bekannt ist, in seinem Buch „Eastern and Western Cultures and their Philosophies“ (《东西文化及其哲学》) einen sehr weiten Kulturbegriff in prägnanten Worten definiert: „Kultur ist nichts anderes als die Art des menschlichen Lebens“7 (文化非别的,乃是人类生活的样法。) (Liang 1922, 24). 1949 legte Liang Shuming (2005, 6) in seinem Buch „The Essence of Chinese Culture“ (《中国文化要义》) den Kulturbegriff so dar: „Kultur ist alles, was wir in unserem Leben benötigen. Wir benötigen z.B. in unserem Leben die Landwirtschaft und die Industrie. Wie in der Landwirtschaft und in der Industrie gearbeitet wird, wie die Werkzeuge und Technologien dort eingesetzt werden, wie die entsprechenden Regelungen dafür aufgestellt werden, das sind alles Bestandteile der Kultur. Ein weiteres Beispiel: Wir brauchen in unserem Leben die soziale Sicherheit und die soziale Ordnung. So sind alle Regelungen, die diese Sicherheit und Ordnung gewährleisten und alles, was diese sichert, wie die Politik, Gesetzgebung, Religion, Tugend, Gerichte, Polizei, Armee etc. auch ein Teil der Kultur. Ein anderes Beispiel: Wir kommen unwissend auf die Welt und müssen das Wissen und die Kompetenzen durch das Lernen erwerben. Die Bildung und die Bildungs7

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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institutionen sind unentbehrlich für unser Leben. Die ersteren tragen auch zu der Vermittlung und der Entwicklung der Kultur bei. Somit sind Schriften, Bücher, Forschung, Schulen und so weiter auch Teil der Kultur“8. Er fährt fort (ebd.): „Bis heute wird unter Kultur Schriften, Literatur, Philosophien, Forschung, Publikation und Ähnliches verstanden. Dies ist ein enges Verständnis von Kultur. Wenn ich schreibe, dass Kultur alles ist, was wir in unserem Leben benötigen, meine ich damit, dass die Kultur etwas Konkretes ist. Kultur ist auch Wirtschaft und Politik oder gar ist alles Kultur9“. Deshalb ist das Wort „Kultur“ im chinesischen Sprachgebrauch einerseits mit „Bildung“ und „Hochkultur“ verbunden, andererseits ist der erweiterte Kulturbegriff - wie es bei der obigen Darstellung von Liang Shuming erkennbar ist - seit langem ebenfalls gebräuchlich. In China pflegt man z.B. zu sagen: „Die chinesische Kultur hat eine Geschichte von 5000 Jahren“. Damit meint man nicht nur die Hochkultur, sondern auch „die Veränderung der Natur durch menschliche Tätigkeiten“ (Hansen 2003, 13) der Chinesen, die sich dokumentarisch auf die XiaDynastie (21. Jahrhundert vor Christus) zurückführen lässt. Im heutigen China ist im allgemeinen Sprachgebrauch noch immer ein enger Kulturbegriff prägend; andererseits ist der Trend erkennbar, dass der Kulturbegriff auch in anderen Bereichen des menschlichen Lebens eingesetzt wird, so dass man den Eindruck hat, dass sich alles mit dem Suffix -kultur verbinden lässt. Beispiele auf Chinesisch sind hierfür: ¾ yinshi wenhua (饮食文化, Esskultur), ¾ fushi wenhua (服饰文化, Bekleidungskultur – wie man sich z.B. kleidet), ¾ jiaju wenhua (家居文化, Wohnkultur). Des Weiteren ist anzumerken, dass Kultur in China nicht nur „die Art des menschlichen Lebens“ beinhaltet, sondern auch die Art des „menschlichen Sterbens“: Die „sangzang wenhua“ (丧葬文化, wörtlich übersetzt „die Kultur der Todesfeier“), also die Riten der Todesfeier sind ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Kultur, sowie sie auch Teil anderer Kulturen sind. Die „Interkulturelle Germanistik“10 begreift Kultur als „sich wandelndes, auf Austausch angelegtes vielschichtiges und doch kohärentes, aber nicht widerspruchfreies und insofern offenes Regel-, Hypothesen, Bedeutungs- und Geltungssystem, 8

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen. Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen. 10 Auf die „interkulturelle Germanistik“ werde ich im späteren Teil meiner Arbeit näher eingehen. 9

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das sichtbare und unsichtbare Phänomene einschließt“ (Wierlacher zit. nach Bausinger 2003, 274). Daher muss das interkulturell orientierte Germanistikstudium die weitere Auffassung von Kultur zur Grundlage ihres Selbstverständnisses und ihres Handelns machen (Bausinger 2003, 274). Hingegen würde der eng gefasste Kulturbegriff dem interkulturell orientierten Germanistikstudium viele Chancen entziehen. Denn „kulturellrelative Fremdheit, die als Register des kulturbezogenen Verhältnisses zwischen dem Eigenen und dem Fremden aufzufassen ist, betrifft in erster Linie nicht die Hochkultur, sondern die Alltagskultur“ (Wang 2000, 130). Des Weiteren vertritt die interkulturelle Germanistik ein Kulturverständnis, nach dem Kultur neben ihrer begrifflichen Breite, ihrem dynamischen Wesen auch eine kommunikative Dimension beinhalten muss (Hernig 2000, 7). Hess-Lüttich betont, dass Kultur und das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Teilelement von Kultur „vom Individuum ausgeht, das mit einem anderen Individuum oder mit anderen Individuen kommuniziert“ (Hess-Lüttich zit. nach ebd.). Durch diesen Kommunikationsprozess wird Kultur als Ergebnis einer „aktiven Verständigungshandlung“ erst ermöglicht und das Ensemble besonderer Merkmale, gemeinsamer Normen, Realitätsorientierungen und Verhaltensrepertoires, die für eine Gruppe, eine Gemeinschaft existentiell notwendig sind, tritt hervor (ebd., 8). Bolten (2003a, 19) konstatiert, dass es ohne Kommunikation keine Kulturen gibt. Denn „gerade weil Konventionen, Regeln, Rituale und alles andere, was als Wissensvorrat unser Handeln bestimmt, über Jahrhunderte hinweg kommunikativ ausgehandelt und überliefert worden ist, bilden diese Kommunikationsprozesse die ‘Nabelschnur’ der Lebenswelt“ (ebd., 20). Allerdings sehen Barkowski und Eßer (2001, 83) Schwierigkeiten, den Faktor „Kultur“ in seiner Bedeutung für Fremdsprachenlernen und -lehren „dingfest“ zu machen. Sie stellen fest, dass bislang nur wenige empirische Arbeiten zur Wirksamkeit des „Kulturfaktors“ im Fremdsprachenunterricht vorliegen (ebd.). Um einen Kulturbegriff zu entwickeln, der für die Unterrichtspraxis im Fach Deutsch als Fremdsprache und für Sprachlehr- und Sprachlernforschung dienlich ist, bezeichnen Barkowski und Eßer (2005, 3) Kultur als „die begriffliche Abstraktion für das Gesamt der Eingriffe der Menschen in ihre Mitwelt zu Zwecken der Befriedigung ihrer materiellen und ideellen Bedürfnisse“. Dieser Kulturbegriff ist sehr weit gefasst und eröffnet dem interkulturell orientierten Germanistikstudium sehr viel Freiraum für die fachliche Ausrichtung. Vor allem aber überwinden Barkowski und Eßer so die Auseinandersetzung zwischen Hochkultur und Alltagskultur und operationalisieren den inhaltlichen Zugang und das methodische Vorgehen unabhängig von der kulturellen Zugehörigkeit. Dazu

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ergibt sich für das interkulturell orientierte Germanistikstudium in China noch ein weiterer wichtiger Vorteil. Man kann auf empirischer Basis den Nachweis darüber führen, welche Bereiche unter pädagogischen Aspekten für das Germanistikstudium notwendig sind und welche man vernachlässigen kann, ohne sich einer Diskussion über mangelnde Vollständigkeit stellen zu müssen. In der Tat ergeben sich in Verbindung mit einem weit verstandenen Kulturbegriff zahlreiche Varianten, die Germanistik in nichtdeutschsprachigen Ländern als so genannte „German Studies“ mit sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftlichen Komponenten zu verstehen (Hernig 2000, 7). Interkulturell orientierte Germanisten haben in ihren Ländern bereits zahlreiche Varianten dieser German Studies oder „German Area Studies“ geschaffen, die einen Kulturbegriff zugrunde legen, der u.a. die „Literatur wie auch die Politik, die Wirtschaft, das Recht und die sozialen Erscheinungen als Teil eines Gesamtphänomens“ (Reeve zit. nach Hernig 2000, 6) auffasst. Mit Wierlacher (2003c, 260) stimme ich überein, dass unterschiedliche Kulturen keine voneinander völlig isolierten Gebilde sind, sondern sich überschneiden. Trotzdem ist das Operieren mit einem relativ festen Blick auf einzelne Kulturen unvermeidlich und dann wichtig, wenn es um die interkulturelle Begegnung und Verständigung geht. Es ist „eine heuristische Zugangsweise, eine Art Sicherheitsnetz beim Sprung in eine fremde Realität, deren innere Vielfalt sich nur allmählich erschließt“ (Bausinger 2003, 274). Barkowski und Eßer (2005, 5) weisen auch auf das Problem hin, dass Kulturen sich schwer zutreffend charakterisieren und räumlich-gesellschaftlich und zeitlich festlegen lassen. Dennoch, um den Faktor Kultur „dingfest“ (Barkowski/Eßer 2001, 83) zu machen, bezeichnen sie eine Einzelkultur wie folgt: „Die Bezeichnung Kultur X im Sinne einer real existenten Einzelkultur fungiert als Oberbegriff für das Gesamt der Eingriffe der Menschen einer bestimmter gesellschaftlichen Gruppe in ihre Mitwelt zu Zwecken der Befriedigung ihrer je eigenen materiellen und individuellen Bedürfnisse in der dieser Gruppe eigenen Art und Weise“ (Barkowski/Eßer 2005, 5). Damit halten sie es für gegeben, dass Einzelkulturen – noch immer – existieren, und dass sie über Merkmalbündel, denen Kulturhaftigkeit zukommt, identifiziert werden können (ebd., 5). Über die Kulturhaftigkeit weisen sie auf folgendes hin (ebd., 7): ¾ „Fremdkulturelle Verhaltensweisen werden immer auf der Folie der Eigenkultur wahrgenommen und bewertet. Man trägt metaphorisch gesprochen immer eine ‘eigenkulturelle Brille’ die man nicht ablegen kann“.

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¾ „Die eigene Kultur ist für die Kulturmitglieder selbstverständlich und normal und damit zunächst unbewusst und nicht ohne weiteres erkennbar“. Diese Kulturhaftigkeit entsteht im Laufe der Enkulturation bzw. der Sozialisation unbewusst. Denn Sozialisation ist nach Glaser (1999, 48f) weniger ein formell planbares und vorbestimmbares, sondern zu einem ganz wesentlichen Teil ein informelles Geschehen, das vermittelt und eher „unbewusst“ vorzustellen ist. Dieser eher unmerklich verlaufende Prozess ist in Auffassung von Brislin und Cushner (zit. nach ebd.) „such a potent process that once people have been socialized they are hardly aware that other realities can exist“. Diese Kulturhaftigkeit hat auch Konsequenzen für den Umgang zwischen Menschen verschiedener Gruppenzugehörigkeit, die sich unter bestimmten Umständen hauptsächlich als Vertreter der jeweiligen Gruppe wahrnehmen, bewerten und dementsprechend behandeln (Glaser 1999, 67). Wenn in der vorliegenden Arbeit von „chinesischer“ und „deutscher Kultur“ die Rede ist, bin ich mir im Klaren darüber, dass es keine homogene „Nationalkultur“ gibt und diese Bezeichnungen nur eine Orientierungsfunktion haben. Bei dem Ausdruck „chinesische Kultur“ und „deutsche Kultur“ ist damit ebenfalls die Vielfältigkeit und die Komplexität dieser Kulturen gemeint, wohlwissend, dass die Kulturen, die zunächst abstrakt sind, sich desto mehr konkretisieren und ihre verschiedensten Facetten offenbaren, je mehr man sich mit ihnen beschäftigt. Somit ist es für das chinesische Germanistikstudium notwendig, sich der kulturellen Vielfalt und der Komplexität der deutschen und auch der chinesischen Kultur zu öffnen.

2.1.2 Interkulturalität und interkulturell Bevor ich mich mit dem Begriff „interkulturelle Kompetenz“ auseinandersetze, ist der Begriff „interkulturell“ zu klären: Das lateinische Präfix „inter“ impliziert Wechselseitigkeit, Reziprozität, Teilungsund Zuteilungsverhältnisse und Angabe von Differenzen (Heller 2000, 219). Die interkulturelle Germanistik betont neben der Bedeutung des „inter“ als „zwischen“, auch die Interpretation des „miteinander“ (Wierlacher 1994, 60). Das „interkulturelle“ impliziert die Vielfalt der Kulturen im Gegensatz zu einer einheitlichen Weltkultur oder Weltzivilisation (Hernig 2000, 9). Hernig (ebd., 11) versteht Interkulturalität u.a. als einen Dialog zwischen der „Eigenkultur“ auf der einen und der „Fremdkultur“ auf der anderen Seite und betont, dass eine funktio-

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nierende Wechselseitigkeit zwischen Eigenem und Fremden ein wichtiges Merkmal von Interkulturalität bildet (ebd.). Maletzke (1996, 37) bezeichnet Interaktion und Kommunikation dann als interkulturell, wenn die Begegnungspartner verschiedenen Kulturen angehören und wenn sich die Partner der Tatsache bewusst sind, dass der jeweils andere „anders“ ist, wenn man sich also wechselseitig als „fremd“ erlebt. Er zitiert Bruck (zit. nach ebd.): „Interkulturell sind ... alle jene Beziehungen, in denen Eigenheit und Fremdheit, Identität und Andersartigkeit, Familiarität und Bedrohung, Normalität und Neues zentral Verhalten, Einstellung, Gefühle und Verstehen bestimmen“. Nach diesem Verständnis soll das Fremde ein Markenzeichen für die interkulturelle Kommunikation sein. So beschäftigen sich viele wissenschaftliche Publikationen mit der „Konstruktion von Eigen- und Fremdheit“ (vgl. Albrecht/Wierlacher 1996, 243). Das Fremde und das Eigene werden beide als Leitbegriffe, als grundlegende universale Kategorien des menschlichen Denkens und Erlebens und als zentrale kulturelle Kategorien herausgestellt (ebd., 244). Das Thema Fremdheit hat Konjunktur und ist zu einem wichtigen Kulturthema geworden (Wierlacher 1993). Nach Wierlacher sollen andere und Fremde stärker als bislang mitdenken und bis zu einem gewissen Grad wahrnehmen lassen, so dass die Voraussetzung für die interkulturelle Kommunikation geschaffen wird, bei dem niemand von vorneherein das letzte Wort hat (Wierlacher 1993, 58; Wierlacher 2003c, 259). Das Fremde soll als eine Bereicherung des Eigenen betrachtet werden. Wie Liang (1993, 163) hervorhebt, darf Fremdheit nicht ausschließlich als Handicap oder als Arbeitserschwernis gesehen werden, sondern auch als positives Element. Denn Fremdes kann als Erweiterung, Ergänzung, Kontrastierung des Eigenen übernommen werden. Interkulturelle Kontakte können uns die Augen öffnen für die eigene Kultur und ein grundästzliches Bewusstsein für das Phänomen Kultur wecken (Hansen 2000, 292). Alle Erfahrung des Fremden schließt immer auch die Möglichkeit der Erfahrung seiner Ambivalenz als Bereicherung und als Gefahr ein (Wierlacher 1993, 35). Wie Hansen (2000, 289) konstatiert, behandeln viele philologisch-philosophische Disziplinen das Thema Interkulturalität vordringlich als Verstehensproblematik. „Man stellt die Frage ins Zentrum, wie das kulturell Fremde erkannt und verstanden werden kann, wobei unterschwellig mitschwingt, dass es sich um einen besonders schwierigen Verstehensvorgang handelt“ (ebd.). Die Schwierigkeiten der interkulturellen Begegnungen und Kommunikation werden häufig schon am Anfang suggeriert, wie z.B. von Heringer (2004, 7): „In der

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interkulturellen Kommunikation ist man im Nachen auf hoher See. Navigation gibt es da wenig. Gefahren aber genug“. Oder von Geistmann (2002, 26), wenn er schreibt, „[…] geht man von der zukünftigen Situation des Mitarbeiters im Ausland aus, wird deutlich, dass er bestimmten zusätzlichen Belastungen ausgesetzt ist“. In diesem Zusammenhang wird oft der „Kulturschock“ in der interkulturellen Erfahrung proklamiert (Heller 2000, 21), der nach Krewer (zit. nach Heller 2000, 22) „sich wiederum durch Konfrontation unterschiedlicher Weltsichten, Nichtanpassung von Weltsicht und Handlungspraxis und unterschiedliche kulturelle Attributationen personaler und gruppaler Ebenen ausdrückt“. So überschwemmen uns Bestseller wie „Lokales Denken, globales Handeln“ (Hofstede 2001) und „Riding the Waves of Culture“ (Trompenaars/Hampden-Turner 1998) mit kulturellen Unterschieden und Differenzen, die zu meistern und zu überwinden seien. Dabei ist man sich der Gefahr nicht bewusst, dass die Überbetonung der Konflikte aufgrund kultureller Differenzen zu „sich selbst erfüllenden Prophezeiungen“ führen könnte (Pan 2007a, 136). Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass nicht jedes Ungeschick im interkulturellen Leben ein ernstzunehmendes Problem darstellt. Als Ausländer hat man sozusagen meistens einen „Ausländerbonus“ (Knapp 1999, 19). Es ist eher amüsant und nicht der Rede wert, nach dem Motto: „Wer die Sitten nicht kennt, dem nimmt man´s nicht übel“ (Li 2003, 187). So amüsiert man sich z.B. in China eher über die Andersartigkeit der Ausländer und betrachtet diese als eine Bereicherung anstatt sich davon beunruhigen zu lassen. Hinzu kommt, dass diejenigen, die in der internationalen Zusammenarbeit tätig sind, meistens auch darauf eingestellt sind, dass die Fremden anders sind als sie selbst und sich deshalb auch darum bemühen, ihnen entgegenzukommen. In der letzten Zeit wird von immer mehr Autoren Kritik an dem dichotomischen Denkmodell von dem „Eigenen“ und „Fremden“ geübt. Adelheid Hu (1996) weist z. B. auf die Gefahr der Überbetonung der Kategorie des „Fremden“ hin und warnt vor einer ideologischen Polarisierung (vgl. auch Hu 1998, 241ff). Röttger (2004, 62f) nimmt diesen Gedanken auf und betont: „Diese neuen Stimmen richten sich abermals gegen eine Kontrastierung des Eigenen und des Fremden, da dichotomisierende Denkmodelle zu generalisierenden Konstruktionen über die eigene und die fremde Gesellschaft und zur Ausgrenzung des vermeintlich ganz Anderen führen“. Auch Bredella, Christ und Legutke appellieren: „Wir haben in unserer Zeit erkannt, wie gefährlich es ist, den Fremden nach den eigenen Maßstäben zu beurteilen.

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Aber es ist nicht minder gefährlich, die radikale Andersheit zu betonen. [… ] Wenn die Ablehnung des Verstehens und eine kontrastive Hermeneutik in Gefahr stehen, den Fremden auszugrenzen, müssen wir uns um eine Hermeneutik bemühen, die die Gemeinsamkeiten in den Blick treten lässt“ (Bredella/Christ/Legutke, 1997, 123). Samovar, Porter und Stefani (2005, 244) stellen fest: „ [… ] it is often our similarities, not our differences, that contribute to successful communication“. Dem chinesischen Fremdheitsverständnis kommt das Plädoyer für den Blick auf die Gemeinsamkeiten sehr entgegen. Die erste Strophe des San-zi-jing, das seit dem 14. Jahrhundert als das erste Lehrbuch für Kinder eingesetzt wird und in dem die konfuzianische Philosophie und ihr Menschenverständnis in vereinfachter Sprache niedergeschrieben sind, lautet: „Ursprünglich sind alle Menschen gut. Im Wesentlichen sind die Menschen ähnlich. Nur die Lebensweisen sind unterschiedlich(人之初,性本善;性相近,习相远。)11“ (Zhang 2006, 1). Chinesen suchen erst nach dem Gemeinsamen und bauen die interpersönlichen Beziehungen auf das Gemeinsame auf. „Qiu tong cun yi(求同存异)“, nach Gemeinsamkeiten suchen und Unterschiede belassen oder genau gesagt, „qiu da tong cun xiao yi (求大同存小异)“, in grundsätzlichen Dingen Gemeinsamkeiten haben und im Nebensächlichen Unterschiede belassen, sind Lebensmaximen vieler Chinesen (vgl. Tang 1998, 9f). In den interkulturellen Begegnungen ist es meines Erachtens sehr hilfreich, davon auszugehen, dass die Menschen trotz aller kulturellen Unterschiede viele Gemeinsamkeiten haben und wir auf der Grundlage der Gemeinsamkeiten unterschiedlich sind (Pan 2007a, 140). Deswegen ist die interkulturelle Fremdsprachendidaktik verpflichtet, den Lernenden auch auf die Gemeinsamkeiten der Kulturen aufmerksam zu machen. Hierbei geht es mir nicht darum, die Unterschiede und Differenzen zwischen den Kulturen zu bagatellisieren. Denn wie Bredella (1999, 87) feststellt, schließen Relativismus und Universalismus sich nicht aus, sondern bedingen einander. Des Weiteren ist es weniger mein Anliegen, möglichst viele interkulturelle Gemeinsamkeiten der Kulturen zu definieren, sondern „die Suche nach Gemeinsamkeiten“ als wichtige Strategie für interkulturelle Begegnungen und Zusammenarbeit bzw. für das interkulturelle Lernen hervorzuheben (vgl. Pan 2007a, 135ff). In der chinesischen Sprache heißt „interkulturell“ „kua wenhua(跨文化)“ . Wörtlich übersetzt bedeutet es „Kulturen überbrücken“ im Sinne von „eine Brücke 11

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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zwischen den Kulturen bauen“. „Wenhua“ ist das chinesische Wort für „Kultur“ und „kua“ beschreibt die Haltung eines Menschen, der mit den Beinen jeweils auf zwei Seiten steht. Diese Bezeichnung lässt erkennen, dass es bei dem „chinesischen Verständnis“ der interkulturellen Kommunikation darum geht, eine Brücke zwischen dem Eigenen und dem Fremden zu bauen und über diese Brücke die eigene Welt zu erweitern. Bolten (2003a, 18) versteht „interkulturell“ als etwas, was sich zwischen unterschiedlichen Lebenswelten ereignet oder abspielt. Interkulturen entstehen, wenn Mitglieder unterschiedlicher Lebenswelten gemeinschaftlich handeln. Er betont, dass Interkulturen nicht einfach vorhanden sind, sondern nur in Abhängigkeit ihrer Beteiligten existieren (ebd., 18). Nach Müller-Jacquier (2002, 142) ist die situativ relevante Komponente „Kultur“ nicht durch die Beteiligten vorgegeben, sondern wird in interkulturellen Situationen durch verschiede konventionelle Zeichenverwendung und -interpretation eingebracht und gleichzeitig ausgehandelt. Schon in dieser Hinsicht sind die in der Einleitung erwähnten „Fastfood-Ratgeber“ für die interkulturelle Zusammenarbeit wenig hilfreich und sogar untauglich, weil die Interkulturalität nicht per se zu kalkulieren ist, sondern von den Kommunikationspartnern jedes Mal neu ausgehandelt wird. In diesem Sinne liegt die Aufgabe – wie in der Einleitung schon erwähnt ist – für die interkulturelle Qualifizierung chinesischer Germanistikstudenten nicht darin, ihnen Goldene Regeln zur Kommunikation mit Deutschen zu vermitteln, sondern ihnen „Tools“ für die interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit zu zeigen, damit sie in der Lage sind, sich in den jeweils neu auszuhandelnden interkulturenllen Überschneidungssituationen zurecht zu finden. Um die Diskussion über die Begriffe „Kultur“ und „Interkulturalität“ vorläufig abzuschließen, lassen sich die Erkenntnisse über die Kultur und die Interkulturalität, die für die vorliegende Arbeit von Belang sind, wie folgt zusammenfassen: ¾ Kulturen sind Lebenswelten ¾ Alle Kulturen sind gleichwertig zu sehen ¾ Interkulturalität ereignet sich ¾ Kultur hat eine Oberflächen- und eine Tiefenstruktur (Bolten 2003a, 17) ¾ Die Kulturen sind nicht homogen, in ihnen treffen vielmehr verschiedene Prägungen aufeinander (Bausinger 2003, 274)

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¾ Das Fremdverstehen bereichert das Selbstverstehen ¾ Nicht nur die kulturellen Unterschiede sollten thematisiert werden, sondern auch die Gemeinsamkeiten Des Weiteren sind die von Samovar, Porter und Stefani (2005, 53) erarbeiteten, spezifischen, unterrichtsrelevanten Eigenschaften von Kultur, welche die menschliche Kommunikation unmittelbar beeinflussen, für die vorliegende Arbeit von Bedeutung: 1) „Culture is learned; 2) Culture is transmitted from generation to generation; 3) Culture is based on symbols, Culture is dynamic; 4) Culture is integrated; Culture is ethnocentric; 5) Culture is adaptive“ (ebd.).

2.2 Die interkulturelle Kompetenz 2.2.1 Der Begriff „interkulturelle Kompetenz“ In dem interkulturellen Paradigma in Deutschland hat sich „interkulturelle Kompetenz“ zu einem der wichtigsten Begriffe entwickelt. Zahlreiche wissenschaftlichen Publikationen unterstreichen die Bedeutung von interkultureller Kompetenz und postulieren, dass sie wichtig und notwendig ist für die Völkerverständigung, erfolgreiches Zusammenleben innerhalb der multikulturellen Gesellschaft (Fischhaber 2002, 2) und für produktive internationale Zusammenarbeit (Thomas 2002, 24). Es gibt immer mehr wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit Bedingungen, Erscheinungsformen und Wirkungen interkultureller Kompetenz wie auch mit Entwicklung, Qualifizierung und Evaluation von Verfahren zum Aufbau von interkultureller Kompetenz befassen (Thomas 2003a, 141; Rathje 2006, 1ff). Vor allem setzt sich in international tätigen Unternehmen immer mehr die Einsicht durch, dass fachliche Qualifikation und gute Sprachkenntnisse noch kein Garant für eine erfolgreiche Auslandsentsendung sind (Tenberg 1999, 66; Helmolt/Müller 1991, 509f). Aus diesem Grund erfreuen sich auch die interkulturellen Trainings zunehmender Bedeutung unter den Instrumenten der Personalentwicklung (Knapp 1999, 9).

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Allerdings verbinden viele Publikationen den Begriff „interkulturelle Kompetenz“ mit der Auslandsentsendung der Mitarbeiter (Entsandtenstatus), insbesondere der Führungskräfte (Stahl 1998; Glaser 1999; Geistmann 2002). So entsteht fälschlicherweise der Eindruck, dass die interkulturelle Kompetenz einer kleinen Gruppe vorbehalten sei. Kultur wird zwar nicht mehr als Privileg einer elitären Klasse angesehen, doch wenn man aber über interkulturelle Kompetenz redet, wird häufig unterstellt, dass diese ausschließlich die Führungskräfte betrifft. Hingegen sehen Albrecht und Wierlacher (1996, 241) voraus, dass interkulturelle Kompetenz für viele Menschen sowohl in lebensweltlicher und ökonomischer als auch in anthropologischer und kulturwissenschaftlicher Hinsicht zu einer Art intellektueller Grundausstattung werden wird. Auch Thomas (2003a) postuliert die „interkulturelle Kompetenz“ als „Schlüsselqualifikation“ einer internationalen und globalisierten Weltgesellschaft. Während der Begriff in Amerika und vielen europäischen Ländern viel Verwendung findet, ist in der chinesischen Forschungswelt der Begriff „interkulturelle Kompetenz“ noch nicht geläufig. Wenn, dann wird er oft mit interkultureller Kommunikationsfähigkeit gleichgesetzt (vgl. Peng 2005, 76). Hierzu ist anzumerken, dass „Kompetenz“ eher ein euro-amerikanischer als ein chinesischer Begriff ist, der mehr ziel- und ergebnisorientiert als prozessorientiert zu sein scheint. Problematisch ist zudem, dass der Begriff „interkulturelle Kompetenz“ mit einem Erfolgskriterium versehen wird. Interkulturelle Kompetenz soll erst dann gegeben sein, wenn die andere Kultur – nachdem sie aufgrund des „interkulturellen Lernens“ verstanden wird – auch respektiert, gewürdigt, wertgeschätzt und anerkannt wird (Herzog 2003, 178). Der Begriff der interkulturellen Kompetenz erweckt oft den Eindruck, einheitlich und universell zu sein, obwohl er es nicht ist. Die „Popularität“ der interkulturellen Kompetenz in vielen westlichen Ländern lässt sich auch an der begrifflichen Vielfalt ablesen. In der anglo-amerkanischen Literatur reicht die Palette von „cross-cultural competence“ über „intercultural competence“ bis hin zu „cross-cultural communication competence“ (Glaser 1999, 33). In der deutschsprachigen Literatur werden „interkulturelle Handlungskompetenz“ und „interkulturelle Kompetenz“ oft inhaltsgleich verwandt. Dabei wird über die fremdsprachliche Kompetenz hinaus interkulturelle Kompetenz als wichtiges

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Instrument angesehen, um in der pluralistischen Gesellschaft und der globalen wirtschaftlichen Welt kommunizieren und handeln zu können (Fischhaber 2002, 1). Bei Geistmann (2002, 39) ist interkulturelle Kompetenz eine Teilkompetenz der internationalen Handlungskompetenz, die in fachliche Kompetenz, methodische Kompetenz und interkulturelle Kompetenz unterteilt wird. Bei Busse u.a. (Busse/Paul-Kohlhoff/Wordelmann 1997, 38ff) wird die interkulturelle Kompetenz wiederum mit „Auslandserfahrung“ gleichgesetzt. Erwähnenswert hierbei ist der Sonderdruck der Zeitschrift „Erwägen, Wissen, Ethik“ mit einem Hauptartikel von Alexander Thomas mit der Überschrift „Interkulturelle Kompetenz – Grundlagen, Probleme und Konzepte“ (Thomas 2003a), der von über dreißig Wissenschaftlern aus diversen Disziplinen kommentiert wird. Die Beiträge lassen erkennen, dass die Vorstellungen darüber, was interkulturelle Kompetenz beinhaltet und wie sie zu fördern ist, sehr weit auseinander gehen (vgl. auch Bolten 2007b; Rathje 2006). Wie Rathje (ebd. 3) zusammenfasst, bewegen sich die Zielvorstellungen interkultureller Kompetenz zwischen eher ökonomisch orientierten Konzepten, die Effizienzgesichtpunkte hervorheben und eher erziehungswissenschaftlichen Ansätzen, die den Aspekt menschlicher Weiterentwicklung in der interkulturellen Interaktion in den Vordergrund rücken. In der Tat wissen wir heute immer noch nicht genau, was interkulturelle Kompetenz konkret beinhalten soll und wie sie zu gestalten ist (vgl. Liu 2000, 260f). Auch die universalistische Grundannahme über die interkulturelle Kompetenz wird inzwischen stark in Frage gestellt und die bislang von Einzelstudien geprägte Forschungslage verlangt nach weiteren Untersuchungen bezüglich der Vermittlung interkultureller Kompetenz (Müller-Jacquier 2002, 151). Dennoch ist in der Forschungswelt durchaus ein Konsens in der Konturierung des Begriffs zu beobachten. Bausinger (2003, 258) schließt sich Bredella/Meißner/ Nünning/Rösler in ihrer Einleitung zu „wie ist Fremdverstehen lehr- und lernbar“ der Ansicht an, interkulturelle Kompetenz sei die Fähigkeit, „sich adäquat und flexibel gegenüber Erwartungen der Kommunikationspartner aus anderen Kulturen zu verhalten, sich der kulturellen Differenzen und Interferenzen zwischen eigener und fremder Kultur und Lebensformen bewusst zu werden und in der Vermittlung zwischen den Kulturen mit sich und seiner kulturellen Herkunft reflektierend identisch zu bleiben“ (ebd.).

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Thomas (2003a, 143) definiert interkulturelle Kompetenz als die „Fähigkeit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Imkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung“, um „den interkulturellen Handlungsprozess so (mit)gestalten zu können, dass Missverständnisse vermieden oder aufgeklärt werden können und gemeinsame Problemlösungen kreiert werden, die von allen beteiligten Personen akzeptiert und produktiv genutzt werden können“ ( ebd., 141). Es ist umstritten, ob die Kompetenz im interkulturellen Kontext zwangsläufig neue, zu einem großen Teil auch qualitativ andere Einstellungen, Kenntnisse und Fähigkeiten hervorbringt als diejenigen, die einen ausschließlich im eigenen Land erfolgreichen Manager kennzeichnen, wie Knapp (1999, 9f) behauptet. Nový (2003, 206) z.B. sieht interkulturelle Kompetenz als eine der bedeutenden Bestandteile, aber eben nur ein Bestandteil der sozialen Kompetenz. Er hält die Stellung des Begriffs der interkulturellen Kompetenz neben dem Begriff der sozialen Kompetenz eher für wissenschaftliche Spekulation (ebd., 206). Er bemerkt, dass soziale Kompetenz ganz bestimmt eine Bedingung der interkulturellen Kompetenz ist und sieht die Empfindlichkeit gegenüber dem Phänomen der Multikulturalität als die qualitative Erweiterung der sozialen Kompetenz (ebd.). Auch Bolten versteht interkulturelle Kompetenz „nicht als einen eigenständigen Kompetenzbereich, sondern vielmehr als Fähigkeit, individuelle, soziale, fachliche und strategische Teilkompetenzen in ihrer best möglichen Verknüpfung auf interkulturelle Handlungskontexte beziehen zu können“ (Bolten 2003a, 87). Der Untersuchung von Kealey und Rubens (vgl. Thomas 2003a, 142; Bolten 2007b, 25) nach bestehen zwischen den Persönlichkeitscharakteristiken interkulturell kompetenter Personen und generell kompetenter Personen deutliche Übereinstimmungen. Unter dem Etikett “interkulturelle Kompetenz“ häufig verbuchte Eigenschaften wie „Rollendistanz“, „Empathie“, „Toleranz“, „Flexibilität“ oder „Organisationsfähigkeit“ sind für erfolgreiches Handeln in der eigenen Kultur zweifelsohne ebenso unverzichtbar wie in interkulturellen Kontexten. Es handelt sich daher auch nicht um genuin „interkulturelle“ Teilkompetenzen, und es stellt sich die Frage, ob es dergleichen überhaupt gibt (Bolten 2003b, 157).

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2.2.2 Aspekte und Dimensionen der interkulturellen Kompetenz Wie Bolten konstatiert, ist eine Interkultur nicht statisch als Synthese von Kultur A und Kultur B zu verstehen (Bolten 2003a, 18), sondern muss in interkulturellen Überschneidungssituationen jedes Mal neu ausgehandelt werden (Müller-Jacquier 2002, 142). Somit kann es nicht die interkulturelle Kompetenz geben, die für jede interkulturelle Situation gültig ist. In Annahme dieser Feststellung sind in der Forschung über interkulturelle Kommunikation und in der Pädagogik zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden, um Dimensionen und Komponenten der interkulturellen Kompetenz zu definieren und Modelle (vgl. u.a. Volkmann/Stierstorfer/Gehring 2002; Geistmann 2002; Thomas 2003a; Bolten 2007a) zu entwickeln. Doch über die allgemeine Feststellung der Relevanz der interkulturellen Kompetenz hinaus besteht wenig Klarheit darüber, was eigentlich „interkulturelle Kompetenz“ ausmacht. Das trifft auch zu einem nicht geringen Teil auf die wissenschaftliche Konzeptualisierung dieser Kompetenz (Knapp 1999, 9) zu. Thomas (2002, 25) fasst die Anforderungsmerkmale an den produktiven internationalen Manager, wie sie in der internationalen Forschungsliteratur beschrieben sind, so zusammen: Fachliche Qualifikation, Führungsfähigkeit, Managementfähigkeit, Unabhängigkeit, Zielstrebigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität, Lern- und Anpassungsfähigkeit, Toleranz, psychische und physische Belastbarkeit, soziale Handlungskompetenz, Fremdsprachenkenntnisse. Nach Hanisch (2003, 17) zählt die Fähigkeit einer reibungslosen und von gegenseitigem Verständnis für die kulturellen Werte des Kooperationspartners getragenen Zusammenarbeit zu den wichtigsten Sozialkompetenzen international tätiger Manager. Westmeier beschreibt den so genannten „One-World-Manager“ als jemanden, „der sich überall zu Hause fühlt, der sich in allen Kulturen zurechtfindet, der heute in Asien, morgen in Amerika und übermorgen in Europa tätig sein kann und im Stande ist, global zu denken und lokal zu handeln“ (Westmeier zit. nach Geistmann 2002, 94). Geistmann (2002, 94) räumt aber auch gleichzeitig ein, dass es sich bei „One-World-Managern“ nur um ein Leitbild handelt. Spitzberg (nach Glaser 1999, 40) bezeichnet in kritischer Weise die in den meisten empirischen Studien benutzte Methode, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu extrahieren, als „Listen-Methode“, die mit schwerwiegenden Mängeln behaftet ist. Glaser (1999, 60) hält eine Unterscheidung interkultureller Kompetenz in Teilkompetenzen allerdings für notwendig, solange nicht alle entscheidenden Faktoren interkul-

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turellen Handelns bekannt sind. Auch wenn diese Unterteilung eher ein analytischer Stellenwert beizumessen ist, sei sie indes wichtig und notwendig (ebd.). Thomas (vgl. 2003a, 142) versteht unter interkultureller Kompetenz ein Sammelbegriff für all die Anforderungen, die erfüllt sein müssen bzw. all die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zu erwerben und zu fördern sind, um in der international tätigen Berufswelt erfolgreich zu sein (vgl. Thomas 2003a, 142). Eine klare Grenze zwischen der Berufswelt und dem privaten Bereich erscheint für die vorliegende Arbeit allerdings nicht sinnvoll. Zur interkulturellen Kompetenz werden oft folgende Komponenten gezählt, die ich -in Anlehnung an Bolten (2003a, 85) -der alphabetischen Reihenfolge nach aufliste, wohl wissend, dass die Vielschichtigkeit der mit dem Begriff „interkulturelle Kompetenz“ verbundenen Einzelaspekte nicht erschöpfend behandelt werden kann (vgl.Thomas 2003a, 149), weil dafür die Ergebnisse der bisherigen Forschungen zu heterogen und bislang noch ohne theoriegeleitete Strukturierung und Verklammerung sind (ebd.). Stellvertretend werden jeweils drei Autoren, die die jeweiligen Komponenten der interkulturellen Kompetenz zuschreiben, genannt. Zudem ist auch einzuräumen, dass diese Komponenten mit vornehmlich euro-amerikanischer Blickrichtung erörtert werden: ¾ Akkomodationsfähgikeit, (wechselseitige) Anpassung (Bolten 2003a, 86; Antor 2002, 144; Wierlacher 2003f, 215) ¾ Ambiguitätstoleranz (Glaser 1999, 37; Fischer 2003, 168; Neuner 2003, 422) ¾ Empathie (Bolten 2007a, 112; Hu/Gao 1995, 86; Neuner 2003, 422) ¾ Flexibilität (Müller/Gelbrig 1999, 26; Bolten 2007a, 113; Baumer 2002, 58) ¾ Fremdsprachenkenntnis, Fremdsprachenkompetenz (Bolten 2007a, 113; Liang 2003a, 189; Tenberg 1999, 65) ¾ Interkulturelle Sensibilität (Thomas 2003a, 141; Antor 2002, 145; Volkmann 2002, 28) ¾ Interkulturelle (Meta)Kommunikationsfähigkeit (Knapp 1999, 9; MüllerJacquier 2002, 129; Knapp-Potthoff 1997,181ff) ¾ Interkulturelles Verstehen (Geiger 2003,174; Mall 2003, 197; Thomas 2003a) ¾ Interkulturelle Wertschätzung, Anerkennung, Respekt (Thomas 2003a, 141; Wierlacher 2003d, 199; Volkmann 2002, 43)

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¾ Kulturwissen (kulturspezifisch und kulturallgemein) (Volkmann 2000, 165; Donnerstag 1999, 242; Knapp-Potthoff 1997, 2000) ¾ Kulturelle Selbstbewusstheit, Verständnis der eigenen Kultur (Gerhardt 2000, 464; Stüdlein 1997, 158; Hauser 2003, 55) ¾ Lernbereitschaft (Bolten 2007a, 113; Thomas 2003a, 146; Fink 2003, 166) ¾ Multiperspektivität, Perspektivwechsel (Stahl 1998, 189; Thomas 2003a, 144; Yu 2004, 57) ¾ Offenheit (Thomas 2003a, 141; Baumer 2002, 58; Hauser 2003, 56) ¾ Polyzentrismus (Bolten 2007a, 113; Mall 2003, 196; Müller 1991, 37) ¾ Reflexivität, Autoreflexion (Bredella 1999, 90; Antor 2002, 144; Wierlacher 2003f, 215) ¾ Rollendistanz, Distanz (Wierlacher 2003e, 222; Bredella 1999, 90; Neuner 2003, 422) ¾ Synergiebewusstsein, Synergiefähigkeit (Bolten 2007a, 114; Thomas 2003a, 144; Tenberg 1999, 66 ) Es versteht sich, dass die oben dargestellte Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Aber sie macht immerhin deutlich, dass, wie Mathes mit Recht anmerkt, in der Diskussion über interkulturelle Kompetenz „vieles, zu vieles, einseitig vom euro-amerikanischen ‚westlichen’ Kulturverständnis determiniert ist, ohne dass auch nur ansatzweise die sich daraus ergebende Relativierung der Erkenntnisse bemerkt, geschweige denn reflektiert wird“ (zit. nach Thomas 2003a, 149). Den Forschungsstand fasst schließlich Bolten (2005, 117) so zusammen: „Unbeschadet sehr unterschiedlicher inhaltlicher Detailbestimmungen des Begriffs ‘interkulturelle Kompetenz’ hat sich in den vergangenen Jahren die von Gertsen vorgeschlagene übergreifende Differenzierung in affektive, kognitive und verhaltensbezogene Dimensionen interkultureller Kompetenz weitgehend durchgesetzt“. Viele interkulturellen Trainings orientieren sich an diesem Strukturmodell. Bolten differenziert die verschiedenen Konzepte zur Beschreibung interkultureller Kompetenz in Listen-, Struktur- und Prozessmodelle (Bolten 2007b, 21). Er plädiert dafür, interkulturelle Kompetenz als synergetisches Produkt des permanenten Wechselspiels zwischen kognitiven, affektiven und konativen Kompetenzen zu verstehen und betont die Prozesshaftigkeit der interkulturellen Kompetenz (ebd. 23).

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Ob die fachliche Kompetenz ein Bestandteil der interkulturellen Kompetenz ist oder ob die interkulturelle Kompetenz u.a. darin besteht, die fachliche Kompetenz unter Berücksichtigung der jeweiligen interkulturellen Kontexte zu nutzen, ist eine noch zu beantwortende Frage. Für mich macht nach dem jetzigen Kenntnisstand beides Sinn, weil ich die Unterteilung der interkulturellen Kompetenz in Teilkompetenzen für eine künstliche Denkfigur halte. Auch Busse/Paul-Kohlhoff/Wordelmann (1997, 24) weisen darauf hin, dass die Unterteilung der interkulturellen Kompetenz lediglich der besseren systematischen Darstellung dient. Denn in der Realität bilden diese einzelnen Qualifikationen eine Einheit und sind kaum voneinander zu trennen. In seinem Lernkonzept der interkulturellen Kompetenz geht Thomas von interaktiven interkulturellen Kompetenzkonzepten aus und betont das Zusammenspiel von personalen Grundbedingungen, interkulturellen (situativen) Erfahrungen, Prozessen des interkulturellen Lernens und Verstehens sowie der Interdepedenzen im Begegnungs- und Handlungsvollzug (Thomas 2003a, 143f). Bis jetzt kann ich aus keiner wissenschaftlichen Arbeit die Schlussfolgerung ziehen, dass es die interkulturelle Kompetenz an sich gibt. Versucht man die bisherigen Ansätze zusammenzufassen, fallen drei Beobachtungen besonders auf: 1. Die interkulturelle Kompetenz scheint es inhaltlich und folglich auch begrifflich trotz aller Differenzierungen nicht zu geben. 2. Die Diskussion über interkulturelle Kompetenz wird überwiegend aus einem „westlichen“ Blickwinkel geführt (vgl. auch Liang 2003a, 189). 3. Die Diskussion leidet unter dem Denkfehler, sich vorwiegend auf das Individuum zu konzentrieren. Die Folgen dieser Denkhaltung sind offensichtlich: ¾ Es wird unterstellt, dass interkulturelles Handeln und interkulturelle Zusammenarbeit erfolgreich sein könnten, wenn nur das handelnde Individuum interkulturell kompetent ist. ¾ Das interkulturelle Gegenüber wird meistens ignoriert und als etwas Unveränderliches, daher als etwas Statisches betrachtet. Deshalb wird auch der Tatsache wenig Beachtung geschenkt, dass der Kommunikationspartner aus einer fremden Kultur auch die Art des Denkens und Handelns einer anderen Kultur lernen und dabei versuchen kann, diese beim interkulturellen Handeln anzuwenden, um z.B. Spannungen zu minimieren. Denn interkulturelles Lernen ist keine Einbahnstraße. Allerdings wird bisher viel zu wenig über das „Dazwischen“ geforscht.

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¾ Die Debatte über den Inhalt der interkulturellen Kompetenz ist zu „kompetenzlastig“, d. h. zu zielorientiert und zu wenig prozessorientiert. Mit Bolten stimme ich überein, dass interkulturelle Kompetenz in hohem Maße kulturspezifisch ist (Bolten 2007b, 21). Es kann allein aus diesem Grund kein allgemein gültiges Modell zur Entwicklung interkultureller Kompetenz geben, da jeder diese auf seiner eigenen kulturellen Grundlage aufbaut. Während in vielen euro-amerikanischen Publikationen die interkulturell kompetenten Personen eher als diejenigen dargestellt werden, welche die kulturellen Unterschiede überwinden können, wird in der chinesischen Vorstellung eher betont, dass solche Personen das Eigene und das Fremde in eine neue Harmonie bringen können. Die chinesische Kulturforscherin Yue Daiyun hat im Jahr 2005 eine Bücherserie „Fallstudien für interkulturelle Kommunikation“ herausgegeben, in der die Biographien der interkulturell kompetenten chinesischen Persönlichkeiten in den letzten 100 Jahren dargestellt werden. Dazu gehören u. a. Lin Yutang (Wang 2005), Qian Zhongshu (Gong 2005), Liang Shiqiu (Gao 2005), Feng Zhi (Zhang 2005) und Fu Lei (Xie 2005). Wenn man diese Biographien liest, stellt man fest, dass diese Persönlichkeiten sich nicht nur in der fremden Kultur bzw. in mehreren fremden Kulturen auskennen, sondern auch tief in der chinesischen Kultur verwurzelt sind. Sie sind interdisziplinär ausgebildet. Sie sind nicht nur als Übersetzer renommiert, sondern auch als Schriftsteller, Kulturforscher, Philosophen und Dichter. Insbesondere zeichnen sie sich durch folgende Eigenschaften und Fähigkeiten aus (vgl. Wang 2005; Gong 2005; Gao 2005; Zhang 2005; Xie 2005): ¾ Umfassende eigenkulturelle Bildung ¾ Breite interkulturelle Erfahrungen ¾ Lange Aufenthalte im Ausland ¾ Große Fremdsprachenkompetenz ¾ Brückenbauer zwischen Tradition und Moderne sowie zwischen chinesischer und fremder Kultur, die nach Gemeinsamkeiten zwischen der eigenen und der fremden Kultur suchen und kulturelle Unterschiede als Bereicherung sehen ¾ Suche nach der Harmonie zwischen Mensch und Natur sowie zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen. Sie sehen Konflikte und Disharmonie als vorübergehende Erscheinungen, als Mittel zum Zweck „Harmonie“ an

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¾ Das ganze Leben ist für sie ein Entwicklungsprozess dafür, eine interkulturell kompetente Persönlichkeit zu werden Insbesondere der letzte Aspekt gibt Anhalt dafür, dass es in einem didaktischen Modell zur Entwicklung interkultureller Kompetenz nicht darum gehen sollte, möglichst viele Teilkompetenzen zu unterscheiden, sondern einen Prozess des Lernens zu beschreiben.

2.3 Interkulturelle Kompetenz als Prozess Je mehr ich mich mit den Aspekten und Dimensionen der interkulturellen Kompetenz beschäftige, desto mehr wird mir bewusst, dass nur eine ganzheitliche Betrachtungsweise weiterführen kann (vgl. Jia 2003). Für die Ausarbeitung eines didaktischen Konzeptes zur Entwicklung interkultureller Kompetenz mag es mit Sicherheit notwendig sein, die wichtigsten Komponenten zu definieren. Allerdings muss man sich im Klaren sein, dass diese Differenzierung in Teilkompetenzen und Eigenschaften eine künstliche Einteilung darstellt, weil die Teile letztendlich nicht voneinander zu trennen sind, sondern als eine Einheit betrachtet werden müssen. Ferner kommt hinzu, dass diese so genannten Teilkompetenzen und Eigenschaften sich immer weiter entwickeln und zur Stärkung der interkulturellen Kompetenz beitragen. Somit scheint es mir sinnvoll, die interkulturelle Kompetenz nicht als ein „Endprodukt“ zu sehen, sondern als einen offenen Prozess zu betrachten, einen Prozess, der – nach der Sichtung zahlreicher Publikationen über interkulturelle Kompetenz und in Anlehnung an die kognitive, affektive und verhaltensbezogene DreiTeilung von Gersten (vgl. Bolten 2007b, 22) – am besten im Ablauf des sich wiederholenden Zyklus von „Wissen-Verstehen-Handeln“ zu fassen ist.

2.3.1 Wissen – Kulturwissen und interkulturelles Wissen Das interkulturelle Wissen stellt eine wichtige Voraussetzung für die interkulturelle Kompetenz dar. Wir können davon ausgehen, dass das Handeln von Interessen ausgelöst wird, aber von Werten und Wissen wesentlich beeinflusst wird (Fink 2003, 165). Schon der chinesischer Stratege Sunzi stellte fest: Wenn man sich selbst und auch das Gegenüber gut kennt, gewinnt man immer (知己知彼,百战不殆。). Das

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Bewusstsein über die eigenen kulturellen Wurzeln und die eigene Entwicklung stellt einen wichtigen Teil interkultureller Kompetenz dar. Dieses Bewusstsein kann insbesondere im Kontakt mit einer anderen Kultur entstehen und entwickelt werden (vgl. Hauser 2003, 55). Festzuhalten ist, dass interkulturelle Kompetenz mit dem Wissen über die fremde Kulturen einhergeht. Ich stimme Thomas (2003a, 146) zu, dass interkulturelles Lernen sich nicht im Kennenlernen einiger (exotischer) Merkmale anderer Kulturen, fremdkultureller Orientierungssysteme oder einem Vergleich zwischen den eigenen und den anderen Orientierungssystemen erschöpft. Im Gegensatz zu Thomas bezweifle ich allerdings, in wie weit die so genannten „Kulturstandards“ tatsächlich handlungswirksam sind (vgl. Thomas 1996, 107ff) oder ob nicht sogar im Gegenteil, die im interkulturellen Training häufig eingesetzten „critical incidents“ nicht vielmehr die Vorurteile verstärken als dass sie zu interkulturellem Handeln ermutigen (vgl. Thomas/Schenk 2001). Auch die Behauptung von Fink (2003, 156), dass alleine das Wissen über „critical incidents“ in interkulturellen Handlungsfeldern die interkulturelle Kompetenz erhöht, halte ich nicht für tragfähig. Die „critical incident technique“ mag in manchen interkulturellen Trainings unterstützen, aber als alleiniger Weg zur interkulturellen Kompetenz ist sie bei Weitem nicht ausreichend. Dies beruht nach meiner Auffassung inbesondere auf der Tatsache, dass ¾ Kultur nicht alleine an einzelnen Merkmalen zu begreifen ist. ¾ Fremdkulturen nicht rein mit negativ kritischen Aspekten verbunden werden sollten. ¾ Kulturen nichts „Fertiges“ und Statisches sind. Es ist vielmehr anzumerken, dass das Wissen über eine Kultur immer vorläufig ist und jede Kultur einer kulturellen Dynamik unterliegt. Nach Bleyhl (1994, 11) ist das kulturelle Hintergrundwissen keineswegs einfach, was nicht zuletzt an der Komplexität und Dynamik aller interkulturellen Geschehnissen liegt. Denn wie Geige (2003, 174) konstatiert, gilt gerade „Kulturwissen immer nur für die Vergangenheit und nicht für die sie übersteigende Gegenwart, für das vorgestellte Kollektiv und nicht für das reale Individuum“. Die Funktion des Kulturwissens ist ambivalent: Einerseits hilft es, sich in einer fremden Kultur zu orientieren; andererseits wird es auch von Verallgemeinerungen und Stereotypen geprägt (vgl. ebd.). Somit ist es notwendig, Kulturwissen in interkulturellen Überschneidungssituationen zu relativieren. Es sollte vielmehr als Orientierung dienen, als „Werk-

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zeug“ (Geige 2003, 174), das man „tentativ“ einsetzt (ebd.). Man muss bereit sein, dieses Wissen ständig zu korrigieren, zu differenzieren, zu ergänzen und von Klischees abzugrenzen. Denn sonst besteht die Gefahr, „dass die zu Recht geforderte interkulturelle Wertschätzung und Sensibilisierung zu kurz greift, mehr zum Aufals zum Abbau von Vorurteilen beiträgt und zu fragwürdigen Voraussetzungen führt“ (Li 2003, 186). Auch Liang (2003a, 188) weist auf die Bedeutung der Veränderungsdynamik der Kultur hin und erklärt: „Eine Beachtung der Veränderungsdynamik würde beinhalten, einerseits die einmal ermittelte, erfahrene bzw. gewonnene Kenntnis über die fremdkulturellen Handlungsregeln nicht als zeitlos und interkulturell invariant wirksam zu bewerten. Zum anderen handelt es sich in einer konkreten Kommunikationssituation ja nicht bloß um kontext-unabhängige, kulturspezifische Handlungsregeln, vielmehr können diese im Prozess der Kommunikation unter wechselseitigem Bezug konstruiert und ausgehandelt werden“. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Person, die sich viel interkulturelles Wissen erworben hat, nicht automatisch interkulturell kompetent ist, insbesondere in Anbetracht der Veränderungsdynamik von Kulturen. Wie Mall (2003, 196) ergänzend konstatiert, sind gute und ausreichende Informationen über das Fremde nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für eine interkulturelle Kommunikation und Verständigung. Zum Schluss ist anzumerken, dass zu dem Wissen, das zur Entwicklung interkultureller Kompetenz notwendig ist, nicht nur das Wissen über die eigene und die fremde Kultur gehört, sondern auch das Wissen darüber, wie interkulturelle Kommunikation funktioniert und was sie ausmacht. Wie Bolten zusammenfasst, geht es dabei um „ein gleichgewichtiges Verhältnis des Wissens um eigen-, fremd- und interkulturelle Prozesse“ (Bolten 2002, 68).

2.3.2 Verstehen – Verstehen und Wertschätzung der eigenen und fremden Kultur Wie bereits darauf hingewiesen wurde, führt das Wissen über eine fremde Kultur nicht automatisch zum kompetenten Handeln mit Mitgliedern dieser Kultur, zumal dieses Wissen immer begrenzt ist und die Interkulturalität immer von den Kommunikationspartnern auszuhandeln ist. Ich teile deshalb die Ausfassung von Liang, wenn er (2003b, 35) unterstreicht, dass zur Grundanforderung interkultureller Kompetenz nicht nur fremdkulturelles Wissen und fremdsprachliches Können gehört, sondern vor allem auch die Bereit-

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schaft und die Fähigkeit, sich in Handlungsregeln des Partners – und die dahinter stehenden historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Bezüge – hineinzudenken. In diesem Zusammenhang spricht man von Fremdverstehen. Dabei geht es um das Verständnis, wie und warum das interkulturelle Gegenüber wahrnimmt, denkt und handelt. Das Fremdverstehen besagt, dass wir etwas nicht im eigenen, sondern im fremden Kontext zu verstehen suchen (Bredella /Meißner/Nünning/Rösler 2000a, XIII). Fremdverstehen bedeutet nicht nur Einfühlung und Analogiebildung (Bredella/Christ 1995a, 8). Denn wenn das so wäre, würde man das Fremde auf das Eigene reduzieren (vgl. ebd.). Fremdverstehen bedeutet vielmehr, eine andere Perspektive einzunehmen und eine Distanz zum Eigenen zu gewinnen (vgl. Bredella/Meißner/Nünning/Rösler 2000a, XIII). Dabei ist die Einnahme der differenzierten Außenperspektive der erste Schritt zum Erreichen der Fremdperspektive, das heißt zur Wahrnehmung einer anderen Kultur aus der Innenperspektive. Dies reicht aber noch nicht aus. Wir sehen eine fremde Kultur auch aus der Sicht unserer eigener Kultur, also von außen. „Dieser Wechsel der Perspektiven befriedigt zwei Bedürfnisse: Einmal will man lernen, sich in der fremden Kultur zu bewegen, aber andererseits will man sich ihr nicht vorbehaltlos anpassen und auch einen kritischen Blick auf sie werfen können“ (Bredella/Christ, 1995a, 16). Wenn wir die fremde Kultur und die eigene wahrnehmen und verstehen, dann geschieht dies immer auf der Grundlage des wechselseitigen Zusammenhangs von Selbst-, Fremd- und Metabildern (Bolten 2003a, 55). Eine wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen interkulturellen Kommunikation ist die Fähigkeit, die eigene Kultur aus der Außenperspektive wahrnehmen zu können. Denn die Fähigkeit, die eigene kulturelle Prägung „von außen“ betrachten und analysieren zu können, ist wiederum die notwendige Voraussetzung für eine differenzierte Selbstwahrnehmung (Fischhaber 2002, 2). Interkulturelles Verstehen bedeutet hierbei der Gewinn der Multiperspektivität, der „doppelten Optik“ (Liang 2003a, 188). Mit Hilfe dieser Multiperspektivität können wir den Ethnozentrismus eliminieren, was eine wichtige Voraussetzung zur Entwicklung interkultureller Kompetenz ist. Wie Mall (2003, 196) unterstreicht, sind interkulturelle Kompetenz und zentristisches Denken und Handeln wie Feuer und Wasser. In China ist das ethnozentrische Denken besonders ausgeprägt. Die chinazentrische Weltvorstellung lässt sich schon in Liji (Aufzeichnungen der Riten), dessen früheste Teile in der Zhou-Dynastie (1045 - 221 v. Chr.) entstanden sind, nachweisen (vgl. Shi 2001, 210). Nach Liji werden die Menschen in fünf Völker eingeteilt:

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¾ das chinesische Volk, auf Chinesisch „zhongguo ren“, also die Menschen im Reich der Mitte und ¾ die anderen vier Völker, die aus den vier Himmelsrichtungen stammen und jeweils als „yi“ (das Volk im Osten), „man“ (das Volk im Süden), „rong“ (das Volk im Westen) und „di“ (das Volk im Norden) bezeichnet werden. In Lijie werden diese Völker wie folgt beschrieben: „Die Menschen im Osten sind yi. Sie haben zerzauste Haare und tätowierte Körper. Sie essen Dinge, die nicht auf dem Feuer zubereitet sind. Die Menschen aus dem Süden sind man. Ihre Stirn ist tätowiert und sie gehen mit nach innen gerichteten Zehen. Sie essen Dinge, die nicht auf dem Feuer zubereitet sind. Die Menschen im Westen sind rong. Sie haben zerzauste Haare und bekleiden sich mit wilden Pelzen. Sie kennen Getreide als Speisen nicht. Die Menschen aus dem Norden sind di. Sie tragen Federn und wohnen in Höhlen. Sie kennen Getreide als Speise nicht“12. (東方曰夷,被髪文身,有不火食者矣。南方曰蠻,雕題交趾,有不火食者 矣。西方曰戎,被髪衣皮,有不粒食者矣。北方曰狄,衣羽毛穴居,有不粒 食者矣。) Das Gemeinsame dieser fremden Völker ist nach dieser Darstellung, dass sie Barbaren seien. Auch heute heißen Fremde auf Chinesisch, „shengren“(生人)– Menschen, die rohe Speisen essen, während Bekannte „shuren“ (熟人) heißen, also Menschen, die gare Speisen essen, obwohl diese etymologischen Bedeutungen den meisten Chinesen nicht mehr bewusst sind (vgl.Yi 2005, 56). In dem berühmten klassischen Werk „Zuozhuan“, das Ende der Chunqiu Periode (770-476 v. Chr.) verfasst wurde, steht der Spruch: „Wer nicht aus meinem eigenen Stamm kommt, denkt bestimmt anders und hat bestimmt andere Interessen als ich (非我族类,其心必异。)“13 (Wang 1996, 14). Dieser Spruch ist auch heute in China allgemein bekannt. Wie Wang (ebd.) konstatiert, kennzeichnet dieser Spruch seit über zweitausend Jahren die Vorbehalte der Chinesen den Fremden gegenüber. Diese Beispiele für die lang tradierte chinazentrische Weltvorstellung macht deutlich, wie wichtig die Infragestellung des ethnozentrischen Verstehens und die Relativierung der eigenen Kultur für die Fremdsprachendidaktik in China und auch die Erreichung der interkulturellen Kompetenz sind.

12 13

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen, in Anlehnung an Shi 2001, 210. Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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Kulturwissen und interkulturelles Verstehen führen nicht notwendigerweise zum erfolgreichen Handeln in der interkulturellen Zusammenarbeit. Man muss vielmehr in der interkulturellen Kommunikation auch bereit sein, die andersartigen Denk- und Verhaltensgewohnheiten zu respektieren und wertschätzen zu lernen und den Partner aus einer fremden Kultur als gleichwertig anzusehen. „Eine recht verstandene interkulturelle Orientierung besagt, Andersverstehen ist nicht unbedingt Falschverstehen, es sei denn, es geht um ein Verstehen, das neben sich kein anderes Verstehen zulässt“ (Mall 2003, 197). Interkulturelles Verstehen – wie es oben beschrieben ist – verhilft dazu, interkulturelle Sensibilität zu entwickeln. Dazu gehört, fremde Kulturen zu differenzieren, ihre kulturellen Grundannahmen zu verstehen und sich sicher in ihnen zu bewegen, ohne die eigene Weltanschauung zu verlieren. Wie Bredella (1999, 114) anmerkt, ist Verstehen und Kommunikation an Verständigung interessiert. Man kann mit Anderen nur dann in ein Gespräch eintreten, wenn man ihre Andersartigkeit anerkennt und sie gleichzeitig nicht auf diese festlegt. Ethnozentrismus gehört ebenso wenig zur interkulturellen Kompetenz wie der Verzicht auf die eigene kulturelle Identität. Denn interkulturelle Kompetenz impliziert zwei Fähigkeiten: ¾ die Fähigkeit, sich in einer fremden Kultur zu orientieren, aber gleichzeitig auch ¾ die Fähigkeit, der eigenen kulturellen Herkunft treu zu bleiben, wenn auch mit einer kritischen Distanz (vgl. Bredella 1999, 98). Deswegen bedeutet interkulturelle Kompetenz nicht der Verzicht der eigenkulturellen zugunsten der fremdkulturellen Identität, sondern dass man sich der ersten bewusst bleibt und sie im interkulturellen Handeln stets kritisch reflektiert.

2.3.3 Handeln – Interkulturelles Handeln, interkulturelle Erfahrungen Es versteht sich, dass man ohne interkulturelles Handeln nicht von interkultureller Kompetenz reden kann. Interkulturelle Kompetenz zeigt sich darin, „dass zur Gestaltung der interkulturellen Situation leistungsrelevante Handlungspotenziale als Ergebnis der interkulturellen Lern- und Verstehensprozesse aktiviert werden und auf dieser Basis in ausreichendem Maße Handlungssicherheit, Handlungsflexibilität und Handlungskreativität zum Einsatz und zur Wirkung kommen“ (Thomas 2003a, 146).

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Handlungssicherheit, Handlungsflexibilität und Handlungskreativität erhöhen sich, je mehr interkulturelle Erfahrungen man hat und je vielfältiger diese sind. Denn „interkulturelle Kompetenz“ hängt auch mit der Vielfalt der eigenen Fremdheitserfahrungen zusammen: Wer häufig Erfahrungen mit dem Fremden sammeln konnte, ist viel besser in der Lage, in interkulturellen Situationen flexiblel und souverän zu reagieren als derjenige mit weniger oder mit keiner interkulturellen Erfahrung (Bolten 2003a, 31). Da es also keine universell gültigen Regeln für das interkulturell kompetente Handeln gibt, muss man unter Berücksichtigung der jeweiligen Kontextfaktoren die für eine Situation möglichst optimale Verhaltensdisposition finden (vgl. Geistmann 2002, 60). Dabei scheinen mir insbesondere drei Strategien, die nachfolgend dargestellt werden, für ein erfolgreiches interkulturelles Handeln von besonderer Bedeutung: ¾ Suche nach Gemeinsamkeiten ¾ Synergiefähigkeit ¾ Interkulturelle Kommunikations- und Metakommunikationsfähigkeit Suche nach Gemeinsamkeiten Nach Ansicht von Mall kann die Herstellung von Konsens nicht das vorrangige Ziel interkultureller Verständigung sein. Das Ziel ist vielmehr die Herstellung eines Aktes des Verstehen-Wollens und Verstanden-Werden-Wollens, was über den Prozess der Kommunikation erreicht werden soll (vgl. Thomas 2003a, 145). Das Ziel ist die Entwicklung einer interkulturellen Philosophie im Sinne von „Einheit angesichts der Vielfalt“ (ebd.). Im Gegensatz zu Thomas (vgl. ebd.) halte ich aus der chinesischen Perspektive die Herstellung der „Einheit angesichts der Vielfalt“ durchaus für wirksam. Sie ist nicht nur ein Ideal, sondern in vielen Bereichen schon Realität. Wie schon in der vorliegenden Arbeit erwähnt wurde, gilt „qiu tong cun yi“, nach Gemeinsamkeiten suchen und Unterschiede belassen, als eine wichtige Strategie der interpersonalen und auch der interkulturellen Kommunikation in China. Hier bedeuten Gemeinsamkeiten keinen oberflächlichen Konsens, sondern eine gemeinsame Grundlage, auf der man interkulturell handeln kann. Dazu zählen als wichtiger Bestandteil das Verstehen-Wollen und Verstanden-Werden-Wollen. Wie Bredella (1999, 101) feststellt, gehören zum Verstehen des Fremden die Unterschiede zwischen Eigenem und Fremden. Das kann jedoch nicht bedeuten, dass diese Unterschiede als unaufhebbar und unüberbrückbar angesehen werden. Auch

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Müller (1993, 68f) unterstreicht, dass interkulturelle Kompetenz eine Kompetenz sein muss, die zur Herstellung einer Gemeinsamkeit (communio) dient. Es liegt nahe, dass es trotz kultureller Unterschiede transkulturelle Gemeinsamkeiten nicht zuletzt bezüglich grundlegender Werte und Normen gibt (Li 2003, 185). Denn wie Li konstatiert, „[…] fehlt diese Gemeinsamkeit ganz und gar, wäre nicht einmal der erste Schritt einer Kommunikation möglich, geschweige denn einer interkulturellen Kompetenz“ (ebd.). Die Suche nach Gemeinsamkeiten ist nicht nur möglich, sondern auch erforderlich, vor allem in der erfolgsorientierten wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Wie Li (ebd., 86) z.B. feststellt, „sind in einem Joint-Venture-Unternehmen die Partner unterschiedlicher kultureller Herkunft zu Konsens, Koexistenz und Kooperation gezwungen, ja verdammt“. In der interkulturellen Kommunikation sollte man nicht nur differenzieren und „die unaufhebbare Andersartigkeit des Anderen erfahren“ (Meyer zit. nach Bredella 1999, 99), sondern auch die Kulturen verbinden. Denn das Fremde kann Teil von uns selbst werden und damit unsere Identität erweitern (ebd.). Allerdings gibt es für die Suche nach Gemeinsamkeiten keine statischen und für immer geltenden Rezepte. Oft braucht man nur die Perspektive oder den Standpunkt zu ändern und/oder die Dinge aus der Sicht einer größeren Ordnung zu betrachten, um die Gemeinsamkeiten zu finden. Nicht die Denkweise mit „entwederoder“, sondern die mit „sowohl-als auch“ hilft uns bei der Suche nach interkulturellen Gemeinsamkeiten (Pan 2007a, 142). Wenn man sich der gemeinsamen Grundlage zwischen dem Eigenen und Fremden bewusst ist, ist man viel besser in der Lage, auch scheinbar Unvereinbares zu einem Ganzen zu vereinen. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Suche nach Gemeinsamkeiten nicht bedeutet, dass man versuchen soll, den anderskulturellen Partner zu imitieren oder gar ihm gleich zu sein. Denn gerade unsere Andersartigkeit ist eine Bereicherung für die interkulturelle Zusammenarbeit. Hinzu kommt, wie Krasch (nach Bredella 1999, 99) anmerkt, dass die Anderen manchmal gar nicht wollen, dass wir uns ihnen anpassen. Die Gemeinsamkeiten stellen nur eine Ausgangsbasis der interkulturellen Kommunikation, sind aber nicht deren einziges Ziel (ebd.). Synergiefähigkeit Es ist nicht zu leugnen, dass man trotz einer Grundlage an Gemeinsamkeiten, oft interkulturellen Differenzen ausgesetzt ist, die es zu meistern gilt. Interkulturelle Kompetenz besteht nicht nur darin, Krisensituationen zu vermeiden, sondern auch Synergiepotenzial zu entwickeln (vgl. Bolten 2002, 65f). Das interkulturell kom-

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petente Handeln setzt nämlich voraus, dass man die Andersartigkeit als Ressourcen anerkennt und als Wert schätzt (vgl. Köppel 2004, 135) und die kulturellen Unterschiede als Potenzial und als Chance nutzt. In der Tat gibt es sowohl in der chinesischen Kultur als auch in anderen Kulturen zahlreiche Beispiele dafür, wie aus kulturellen Unterschieden synergetische Effekte und Kulturneuheiten entstehen können (vgl. Qian 2005, 233ff). Gleich Geistmann (2002, 56) verstehe ich unter Synergien, dass man in der interkulturellen Zusammenarbeit die Unterschiede und Differenzen nicht nur akzeptiert und respektiert, sondern die darin liegenden Chancen für Innovationen nutzt, wodurch man als Resultat einen Mehrwert in Form von qualitativ wie quantitativ höherwertigen Arbeitsergebnissen erzielen kann. Allerdings ist die Synergiefindung keine Einbahnstraße. Sie muss von den Kooperationspartnern gewollt, abgestimmt und beidseitig akzeptiert werden. In diesem Zusammenhang ist die bereits geschilderte Strategie der Suche nach Gemeinsamkeit umso notwendiger, weil sie als eine Grundlage für die Synergiefindung fungieren kann. Des Weiteren bedeutet Synergiefindung nicht, dass nur ein Kooperationspartner auf die eigenkulturelle Identität verzichtet und die andere Kultur adaptiert, sondern dass alle Partner über die eigenen Grenzen hinaus denken und sich auf einem „dritten Weg“ wieder finden. Wie Rathje (2004, 301) feststellt, kann die Vorstellung interkultureller Synergie nicht mehr auf erarbeitbare Kompromisse beschränkt werden, die in einer bestimmten Situation für funktionsfähige Prozesse sorgen. Die interkulturellen Synergien lassen sich nicht beschließen oder planen (ebd.), sondern können erst in den jeweiligen interkulturellen Situationen von den Beteiligten ausgehandelt werden. Die Bereitschaft hierfür muss allerdings vorhanden sein. Geistmann (2002, 57) ist der Auffassung, dass die Bereitschaft, auch von anderen etwas lernen zu können sowie das Gelernte mit eigenen Ideen zu verbinden, den Schlüssel auf dem Weg zu interkultureller Synergie darstellt. Die Innovationsstrategie erlaubt es, die eigenen kulturellen Prägungen nicht negieren zu müssen, sondern die eigenkulturelle Identität bewahren zu können. Auch wenn Potenzial für produktive und innovative Lösungen in kulturell heterogenen Teams vorhanden ist, ergibt sich dieses nicht von allein. Es muss erst einmal von den Mitgliedern des Teams „identifiziert und gestaltet werden“ (Köppel 2004, 135). Ein wichtiges Instrument hierbei ist die Kommunikation und die Metakommunikation.

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Interkulturelle Kommunikations- und Metakommunikationsfähigkeit Wie aus der Diskussion über das Phänomen „Interkulturalität“ zu entnehmen ist, ist die situativ relevante Komponente „Kultur“ nicht durch die Beteiligten vorgegeben, sondern „wird in interkulturellen Situationen durch verschiedenkonventionelle Zeichenverwendung und -interpretation eingebracht und gleichzeitig ausgehandelt“ (Müller-Jacquier 2002, 142). Somit geht es in der interkulturellen Kommunikation weniger um Anwendungen fremdsprachlichen Wissens, als vielmehr um „die Fähigkeit der konstruktiven Teilhabe an interkulturellen Situationen mit den gegebenen und interaktiv ausgehandelten sprachlich und nichtsprachlichen Mitteln“ (ebd., 147). Es geht also um die interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als Ganzes. In der interkulturellen Kommunikation kommt dem Faktor „Sprache“ eine wichtige Rolle zu. Sprache ist nicht nur Mittel des interkulturellen Handelns, sondern selbst grundsätzlich Handlung und wird in den übergreifenden Zusammenhang anderer nonverbaler Handlungen gestellt (Liedke 1997, 157). Es ist ein Allgemeinplatz, dass fremdsprachliche Kenntnisse und Kompetenzen wesentlich zur Entwicklung interkultureller Kommunikationsfähigkeit beitragen. Wie Liang (2003a, 189) feststellt, verlangt eine erfolgreiche interkulturelle Kommunikation neben dem Kulturwissen auch Kenntnisse unterschiedlicher Sprachhandlungsmuster und Kommunikationsstile und die Fähigkeit, solche Muster und Stile in der Interaktion auch identifizieren und entsprechend handeln zu können. Müller (1993, 29) stellt fest, dass bei internationalen Geschäftsverbindungen bzw. -verhandlungen und bei langfristigen multinationalen Entwicklungsprojekten der Wirtschaft die Praxis interkultureller Kommunikation so offensichtliche negative Auswirkungen hat, dass ökonomische Vorteile internationaler Kooperationen relativiert werden können. Es wird auch durch andere Untersuchungen bestätigt, dass viele Probleme in der interkulturellen Zusammenarbeit gerade in der Kommunikation bzw. auch in der fehlenden Kommunikation zu finden sind (vgl. Rathje 2004; Jin 1994; Guan 2004). Somit wird die Metakommunikation, also die Fähigkeit, über die Kommunikation zu kommunizieren und „die Probleme, die im interkulturellen Handeln auftreten mit allen Beteiligten früh genug thematisieren zu können“ (Bolten 2003a, 86), von vielen (vgl. Knapp-Potthoff 1997, 202) als wichtige Strategie in der interkulturellen Zusammenarbeit hervorgehoben.

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2.3.4 Zwischenfazit Wie in der Arbeit schon darauf hingewiesen wurde, sollte interkulturelle Kompetenz nicht als „Endprodukt“ angesehen werden, das man den chinesischen Germanistikstudenten in die Hand geben könnte, sondern sie entwickelt sich in einem offenen Prozess, in dem man immer Neues über die eigene und fremde Kultur lernt. Sie entfaltet sich in den jeweiligen interkulturellen Situationen, die jede für sich einmalig sind. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass der Prozess zur Entwicklung interkultureller Kompetenz nicht, wie viele Konzeptionen unterstellen, nur auf einzelne Personen zu beschränken ist, sondern immer gleichzeitig auf alle Beteiligten wirkt. Umgekehrt wirken die letzteren zugleich auch auf die eigene Person. Zusammenfassend sind für mich folgende Konsequenzen hinsichtlich der interkulturellen Kompetenz zu ziehen: ¾ Fremdkulturelles Wissen ist nicht statisch, sondern unterliegt einem dynamischen Veränderungsprozess ¾ Fremdsprachenkompetenz ist ein Teil der interkulturellen Kompetenz ¾ Es ist von besonderer Bedeutung, sich eine Multiperspektivität anzueignen ¾ Respekt, Wertschätzung und Sensibilität sind unabdingbare Grundhaltungen zur Erlangung von interkultureller Kompetenz ¾ Die Interkulturalität wird in den interkulturellen Situationen mit den jeweiligen Partnern ausgehandelt ¾ Es ist wichtig, die eigene kulturelle Identität zu wahren Es ist festzustellen, dass viele der Konzeptionen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz auf europäischen und US-amerikanischen Wertvorstellungen beruhen. Sie sind kulturgebunden und lassen sich deswegen nicht ohne weiteres in andere Kulturkreise übertragen. Es ist nochmals festzuhalten, dass es keinen Königsweg für interkulturelle Kompetenz gibt, der für alle Kulturen gilt. Umso mehr ist das interkulturelle Lernen von Bedeutung. Man lernt von anderen, reflektiert und versucht, innovative Lösungen zu finden, die den Gegebenheiten der jeweiligen Kulturen entsprechen. So wie Kunfuzius lehrt: „xue er bu si ze wang, si er bu xue ze dai (学而不思则罔, 思而不学则殆).“ – Lernen und nicht denken ist nichtig. Denken und nicht lernen ist gefährlich14 (Kunfuzius 1998, 18).

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Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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2.4 Interkulturelle Kompetenz als Lernziel im Fremdsprachenstudium Dass Sprache und Kultur eine Einheit bilden, darüber herrscht in der Diskussion der Fremdsprachendidaktik weitgehend Einigkeit (Bredella 1999, 86). Sprache ist Teil eines in Kultur eingebetteten Kommunikationssystems (Roche 2001, 4). Kulturelle Aspekte drücken sich in allen Bereichen der Sprache aus (ebd., 16). Als Kulturphänomen (Hansen 2003, 67) hängt die Sprache einer Menschengruppe auf das engste zusammen mit der Weltsicht dieser Gruppe. Somit dient sie uns als ein wichtiges Instrument zur Analyse der Tiefenstruktur einer Kultur, sowohl der eigenen, als auch der fremden. Die Sprache stellt einen der bedeutendsten Codes für den Zugang zu einer anderen Kultur dar und wird deshalb u.a. als „das bedeutendste kollektive Symbolsystem einer Kultur“ (Geistmann 2002, 77), als der „Schlüssel zu einer anderen Kultur“ (ebd.), als das Mittel zur „Erschließung der Goldminen einer Kultur“ (ebd.) oder als „Spiegel einer Kultur“ (ebd.) bezeichnet, da ihre Inhalte das ausdrücken, was in einer Kultur als wichtig erachtet wird (ebd.). Der Sprache kommt somit eine der Hauptrollen beim Zustandekommen interkulturellen Verstehens und der Sicherung der Harmonie zwischen der eigenen und der fremden Kultur zu. Aufgrund dieser Einsicht gilt interkulturelle Kompetenz für viele Fremdsprachendidaktiker als ein wichtiges Lehr- und Lernziel (vgl. Krumm 2003a, 140f). Volksmann (2000, 165) bezeichnet interkulturelle Kompetenz als Schlüsselbegriff der Fremdsprachendidaktik. Auch Tenberg (1999, 65) stellt fest, dass eine Neuorientierung im Hinblick auf die Entwicklung interkultureller Kompetenzen erforderlich ist, damit dem Fremdsprachenlernenden ermöglicht wird, „sich in fremdkulturellen Handlungskontexten in einer Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsfelder zurechtzufinden“ (ebd.). Für die vorliegende Arbeit ist zunächst notwendig, sich damit zu beschäftigen, was man in der Fremdsprachenlehre und -forschung unter „interkultureller Kompetenz“ als Lernziel versteht und wie sie während des Fremdsprachenstudiums vermittelt werden kann.

2.4.1 Interkulturelles Lernen in der Fremdsprachendidaktik Mit Krumm (1994, 28) stimme ich überein, dass Fremdsprachenlernen Zugang zu einer anderen Kultur zu suchen heißt. Wie Roche (2001, 8) feststellt, genügen weder oberflächliches Verstehen noch rudimentäre sprachliche Fertigkeiten, um in-

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terkulturelles Verstehen zu erzielen. Häufig besteht die einzige Chance für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation tatsächlich in der Wahl des richtigen Codes von Anfang an (ebd.). Wie bereits festgestellt, haben sich die Begriffspaare, „interkulturelles Lernen“ und „interkulturelle Kompetenz“ trotz aller Gegenstimmen und Kritik (vgl. u. a. House 1996) in der bildungspolitischen und pädagogischen Diskussion weitgehend durchgesetzt. Ich verzichte darauf, mich über die Konjunktur und zugleich über die Unschärfe des Begriffs „interkulturelles Lernen“ zu beklagen. Ich schließe mich Barkowski (1998, 5) an, der die Ansicht vertritt, dass die Unterschiede in den Auffassungen darüber, was u.a. mit interkulturellem Lernen gemeint ist, nicht überwunden werden müssen, sondern als Ausdruck einer Vielfalt verstanden werden können. Zum Thema „interkulturelles Lernen“ und zu den Konzepten, zum Vermittlungskontext sowie zu seinen Konsequenzen für den Fremdsprachenunterricht haben sich viele Forscher geäußert (vgl. u. a. Barkowski 1992; Bausch/Christ/Krumm 1994; Bredella/Delanoy 1999; Roche 2001; Götz 2002; Barkowski 2002). Auch zu den einschlägigen Themen wie „Fremdverstehen“ (vgl. u. a. Bredella/Christ 1995; Bredella/Christ/Legutke 1997), „Fremdheit“ (vgl. u. a. Wierlacher 1993) und „Interkulturelle Germanistik“ (Wierlacher 2003) wird sehr facettenreich diskutiert. Röttger (2004, 47) fasst die Diskussionen um „interkultuelles Lernen“ zusammen und stellt fest, dass es sich bei interkulturellem Lernen in der Fremdsprachendidaktik um ein integratives, inhaltsorientiertes Sprachlernkonzept handelt, das auf den Erwerb einer interkulturellen kommunikativen Kompetenz zielt. Interkulturelles Lernen als Lernziel beim Fremdsprachenerwerb integriert Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten, die auf das Eigene und das Fremde bezogen sind (ebd.). Anschließen möchte ich mich Röttger’s pragmatischer These: „Interkulturelles Lernen ist der Weg, interkulturelle Kompetenz in interkultureller Kommunikation das Ziel“ (ebd., 16.). Dass ich dabei einem häufig zu beobachtenden Phänomen in der wissenschaftlichen Diskussion über „Kultur“, „interkulturelle Kompetenz“ und „interkulturelles Lernen“ bewusst ausweiche und mich sowohl an dem Wettlauf um die beste Definition der Begriffe als auch an der gleichzeitigen Klage über die Unübersichtlichkeit und Unklarheit der Begriffsdefinitionen nicht beteilige, hängt damit zusammen, dass ich für meine Fragestellung keinen Erkenntnisgewinn erwarte. Es ist schon lange eine Binsenweisheit, dass Sprachenlernen nicht nur Vokabelund Grammatiklernen ist, sondern dass das kulturelle Umfeld des Ziellandes auch mit zum Sprachenlernen gehört und dieses fördert. Wie Bleyhl (1994, 9) unterstreicht, ist Sprachenlernen, „das nur die linguistische Dimension anvisiert“, „ein amputiertes Sprachenlernen“. Denn sprachliches und interkulturelles Lernen sind

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keine Gegensätze, sondern „integrale Bestandteile einer Erziehung zur Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber Menschen anderer Sprache und Kultur und zur Kommunikationsfähigkeit mit diesen Menschen“ (Doyé zit. nach Volkmann 2002, 67). Nach Bleyhl (1994, 9) war Fremdsprachenlernen als solches immer ein „interkulturelles Lernen“. Fremdsprachenunterricht wird als der Ort zum Lernen angesehen, die Grenzen zwischen verschiedenen Kulturen zu überschreiten (ebd.). Auch Ni Jenfu (2001, 262f) ist der Ansicht, dass der Fremdsprachenunterricht schon immer interkulturell konzepiert ist. In dem Moment, wo man der fremden Sprache, der fremden Kultur begegnet, tritt die Handlung interkulturell und interaktionell ein. So gesehen ist „interkulturell“ ein Phänomen, das dem Begriff des Fremdsprachenlernens implizit ist (ebd.). Auch wenn die Chance zum interkulturellen Lernen dem Fremdsprachenunterricht inhärent ist, führt das nicht automatisch zum Erwerb interkultureller Kompetenz. Wie Krumm (1993, 28) feststellt, kann nur eine bewusste und fundierte interkulturelle Orientierung verhindern, dass durch Sprachenlernen vorhandene Klischees verstärkt werden, und zu tatsächlicher Verständigung zwischen den Kulturen beiträgt. Somit darf „Fremdsprachenerwerb, auch im Fremdsprachenunterricht, eher als Sozialisation in die andere Kultur hinein verstanden werden. Durch ein stärkeres Abzielen auf Kulturkompetenz, Handlungsorientierung, interkulturelle Begegnungssicherheit kann der Fremdsprachenunterricht nur gewinnen“ (Bleyhl 1994, 11). Bausinger (2003, 259) stellt einen Paradigmenwechsel fest, in dem Fremdheit und Kultur in den Vordergrund pädagogischer Axiomatik gerückt werden. Man spricht auch von einem Paradigmenwechsel vom kommunikativem zum interkulturellen Ansatz. Kramsch ersetzt den „native speaker“ durch den „intercultual speaker“ (Kramsch 2000, 79ff), der sich nicht nur an einer Gruppe bzw. an einer Kultur orientiert, sondern der fähig ist, „to select those forms of accuracy and those forms of appropriateness that are called for in a given social context of use“ (Kramsch 1998, 27). Allerdings wird die Tragfähigkeit des Konzeptes „interkulturelles Lernen“ für die Fremdsprachendidaktik nicht selten in Frage gestellt (vgl. Krumm 2003a, 140). Das Hauptbedenken liegt darin, dass dadurch die sprachlichen Lernziele im engeren Sinne vernachlässigt oder gar verdrängt werden könnten (vgl. ebd.). Meines Erachtens geht es bei der Diskussion über „interkulturelles Lernen“ und Fremdspracherwerb nicht um das „entweder-oder“, sondern eher um das „sowohlals-auch“. Denn ein interkulturell ausgerichteter Fremdsprachenunterricht verdrängt nicht die linguistische und kommunikative Kompetenz (Bredella/Delanoy 1999, 11; Tenberg 1999, 65). Interkulturelle Kompetenz schließt die kommunika-

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tive Kompetenz nicht aus, sondern „die letztere ist in der vorderen integriert“ (Tenberg 1999, 65). Somit sollte interkulturelle Kompetenz als Lernziel nicht neben den Spracherwerb gestellt werden, sondern in ihn integriert werden (Bredella/Delanoy 1999, 13). Die grundsätzlichen Lernziele wie Kritikfähigkeit, Toleranz, Kommunikationsfähigkeit und Metakommunikationsfähigkeit sind nicht von außen dem Fremdsprachenlehren und -lernen aufgezwungen, sondern gehen aus ihm selbst hervor (vgl. Bredella 1999, 114). Hierbei ist zu unterstreichen, dass das interkulturelle Lernen nicht auf Gewinnung von Faktenwissen und auf Kenntnisse der Oberflächenstrukturen einer Kultur ausgerichtet sein sollte, sondern vielmehr „auf das Aufspüren, Erfassen jener kognitiven Steuerungsmechanismen des Handelns und damit auf die Tiefenstrukturen zielt“ (Bleyhl 1994, 11). Die Wissensgewinnung spielt beim interkulturellen Lernen natürlich auch eine Rolle, aber sie ist ein Mittel, das dem Lernziel „interkulturelle Kompetenz“ dienen sollte. Somit muss der interkulturelle Fremdsprachenunterricht die eigene Position der Lernenden thematisieren und den Lernenden dabei helfen, diese zu reflektieren. Denn es ist für das interkulturelle Lernen ganz entscheidend, dass das Wechselspiel von eigener Welt und fremder Welt bewusst gemacht und im Unterricht zur Sprache gebracht wird (Neuner 2003, 422). Nach Neuner (ebd., 420) muss der interkulturell orientierte Fremdsprachenunterricht die Lernerperspektive radikal ernst nehmen. Deshalb ist es „für die Entwicklung einer didaktisch-methodischen Konzeption des DaF-Unterrichts notwendig, dass sie für jede Zielkultur vor dem Hintergrund ihrer eigenen soziokulturellen Prägung und mit Berücksichtigung ihrer Lernvoraussetzungen und -erwartungen neu bestimmt werden muss“ (ebd.). Aufgrund dessen ist auch das Bedenken an der These berechtigt, dass es einen weltweiten Ansatz für interkulturelles Lernen gibt (vgl. Barkowski 1998, 5). Ferner ist der interkulturelle Fremdsprachenunterricht als prozessorientierter Ansatz zu verstehen (Bredella/Delanoy 1999, 13), der den Lerner bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz unterstützen möchte. Zudem müssen sich auch die Lehrenden als interkulturell Lernende verstehen (Krumm 1993, 32). Subsumierend ist trotz aller Meinungsunterschiede festzustellen, dass zwar nicht alleine das Fremdsprachenlernen die Lernenden zur interkulturellen Kompetenz befähigt, dazu aber einen wichtigen Beitrag leisten kann. Interkulturelles Lernen ist als „Querschnittsaufgabe“ zu verstehen. Es sollte nicht neben den traditionellen Fächern, sondern als deren Bestandteil stattfinden (Bolten 2003b, 18). Es ist darauf hinzuweisen, dass interkulturelles Lernen nicht „frei schwebend“ vermittelt werden, sondern an bestimmte Gegenstandsbereiche und Handlungsfelder gebunden werden sollte (ebd., 157).

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Insofern ist es unerlässlich, interkulturelle Kompetenz als ein Lernziel im Fremdsprachenstudium zu konkretisieren, damit man sie in das Studium implementieren kann. Um es mit Barkowski (2001, 299) zu sagen, geht es um das, „was daran handlungswirksam ist und deswegen geraten sein lässt, Menschen eine interkulturelle Kompetenz zu vermitteln, die sie, einander begegnend, handlungsfähiger werden lässt.“

2.4.2 Die Lernzielvorstellung „interkulturelle Kompetenz“ im Fremdsprachenstudium Der Fremdsprachenunterricht muss sich mit der in ihren Dimensionen und ihrer Qualität neuartigen interkulturellen Herausforderung intensiv auseinandersetzen. Er muss auch ein übergreifendes pädagogisches Leitziel formulieren (Neuner 2003, 419f). Denn interkultureller Fremdsprachenunterricht ist nicht selbstverständlich gegeben, sondern man muss vielmehr seine Ziele kritisch reflektieren (Bredella 1999, 86). Nach Krumm (2003a, 141) zielt das übergeordnete Lernziel des interkulturellen Sprachunterrichts „auf die Entwicklung der Fähigkeit, Verschiedenheit, soweit sie in Sprache, in Texten, in den Sprechern der anderen Sprache begegnet, auszuhalten, eigene Normen in Frage zu stellen und für andere Sprache- und Verhaltensformen als Ausdruck anderer kultureller Prägungen, nicht als ethnisierende Zuschreibung zu sensibilisieren“. Krumm (2003b, 414) beschreibt die Anforderungen der interkulturellen Kompetenz auf der affektiven Ebene und der kognitiven Ebene: ¾ Auf der affektiven Ebene: die Fähigkeit, ethnozentrische Auffassungen und Einstellungen dem Anderssein gegenüber aufzugeben. ¾ Auf der kognitiven Ebene: die Fähigkeit, Relationen zwischen der eigenen und der fremden Kultur herzustellen und dabei auch Widersprüche aushalten und Missverständnisse aushandeln zu können. Wie in der vorliegenden Arbeit schon mehrfach erwähnt wurde, ist interkulturelle Kommunikationsfähigkeit ein wesentlicher, integrativer Bestandteil interkultureller Kompetenz. Neben kulturspezifischem Wissen, allgemeinem Wissen über Kultur und Kommunikation, interkultureller Kommunikationsbewusstheit und interkulturellen Kommunikationsstrategien unterstreicht Knapp-Potthoff (1997, 199f) auch die affektiven Komponenten der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit wie z.B. Empathiefähigkeit und Toleranz.

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BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

Als Ergänzung zu dem Katalog von K. Knapp (vgl. Doyé 1994; Vollmer 1995; Röttger 2004), in dem als Kommunikationsfertigkeit eher die Bewältigung interkultureller Unterschiede hervorgehoben wird, unterstreicht Knapp-Potthoff (1997, 202) die Suche nach Gemeinsamkeiten, die als gemeinsame Grundlage für die interkulturelle Interaktion dienen sollte, als wichtige Strategie. Krumm (2003b, 416) fasst interkulturelle Kommunikationsfähigkeit als Lehr- und Lernziel in drei grundlegende Kompetenzbereiche zusammen: ¾ kulturbezogenes Wissen als Grundlage für die Aushandlung von Bedeutungen und die Interpretation fremdkultureller Phänomene, ¾ Kulturaufmerksamkeit als Voraussetzung für interkulturelles Verstehen, ¾ und die Kompetenz, interkulturelle Kommunikation auch sprachlich zu beherrschen. In der chinesischen Fachwelt der Fremdsprachendidaktik findet der Begriff „interkulturelle Kompetenz“ noch keine allgemeine Resonanz. Aber es wird sehr viel über die Ziele des Fremdsprachenunterrichts und -studiums diskutiert. Dabei wird auf viele der oben genannten Komponenten der interkulturellen Kompetenz als wichtige Ziele des Fremdsprachenerwerbs hingewiesen. Hu und Gao (1997, 72ff; vgl. auch Yu 2004, 31ff) fassen das Ziel des Fremdsprachenlehrens und -lernens in drei Kompetenzen auf unterschiedlichen Ebenen zusammen: Sprachkompetenz auf der Mikroebene, Kommunikationskompetenz auf der mittleren Ebene und in sozialkulturelle Kompetenz auf der Makroebene.

Sprachkompetenz Kommunikationskompetenz

Sozialkulturelle Kompetenz

Abbildung 1: Die drei Ebenen des Fremdsprachenlehr- und -lernziels (Hu/Gao 1997, 72)

BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

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Unter Sprachkompetenz verstehen Hu und Gao den Erwerb der Sprachkenntnisse (Phonetik, Wortschatz, Grammatik, Text etc.) und Anwendung der Sprachfertigkeiten (hören, sprechen, lesen, schreiben, übersetzen/dolmetschen) (ebd. 73). Die Kommunikationskompetenz wird im Curriculum für Anglistik als Hauptfach durch sechs Bausteinen beschrieben (vgl. ebd. 75f): die Form der Kommunikation, Rolle und Kommunikationssituation, Textzweck, Themenbereich, Texttyp sowie Grundkompetenz und Aufbaukompetenz. Zu der sozialkulturellen Kompetenz gehören nach Hu und Gao u.a. (interkulturelles) Verstehen, Empathie, Urteilsvermögen und Integrationskompetenz15. Hu und Gao betonen, dass die Komponenten der sozialkulturellen Kompetenz eng miteinander verbunden sind. Sie ergänzen einander (ebd. 92). Des Weiteren weisen sie darauf hin, dass das Verstehen einer anderen Kultur hilft, die eigene Kultur auf einer tiefgreifenden Ebene zu verstehen. Auf der anderen Seite kann man eine andere Kultur erst verstehen, nachdem man sich mit der eigenen Kultur auseinandergesetzt hat (ebd. 90). Wenn man eine fremde Sprache beherrscht aber auf die Muttersprache verzichtet, eine fremde Kultur gut kennt aber auf die eigene Kultur verzichtet, bleibt man „monolingual“ und „monokulturell“. So würde das Fremdsprachenlernen keinen Sinn haben. Denn sowohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Entwicklung eines Landes braucht man mehr „bikulturelle“ oder gar „multikulturelle“ Menschen (vgl. ebd. 90f). Gao (2002, 27) unterscheidet die interkulturelle Kompetenz zwischen „going across“ und „going beyond“: „‘Going across’ and ‘going beyond’ cultures are proposed as two levels of intercultural communication competence development. The former focuses on the increase of target culture proficiency, whereas the latter focuses on the gaining of cultural awareness and reflective, tolerant attitudes. While going across’ has been the major concern of culture teaching in Chinese ELT, it is proposed that ‘going beyond’ is more important as a pedagogical objective“. Auch Ni Jenfu (2001, 262f) unterstreicht die Notwendigkeit, interkulturelle Kompetenz als Zielaspekt im Fremdsprachenunterricht und -studium zu fordern und zu fördern. Er beschreibt die interkulturelle Kompetenz durch folgende Fähigkeiten (ebd., 263): ¾ Fähigkeit, die landeskundlichen Informationen nicht als gegeben hinzunehmen, sondern sie hermeneutisch zu rezipieren und kritisch zu beurteilen, ¾ Fähigkeit, über linguistische Phänomene der Sprache hinaus das Kulturgebilde, 15 Integrationskompetenz ist nach Hu/Gao die Kompetenz, die Kenntnis der eigenen und fremden Kultur zu verarbeiten und diese ineinander bzw. auch in das vorhandene Wissen zu integrieren, um die eigene Persönlichkeit – nicht zu spalten, sondern – als ein Ganzes zu entwickeln (vgl. Hu/Gao 1997, 79).

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BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

die Denk- und Erfahrungsschemata einer fremden Sprache und Kultur auszulegen, ¾ Fähigkeit, die soziale Verflochtenheit der Ziel- und Eigensprache zu erkennen, ¾ Fähigkeit, kultur- und landeskundliche Kenntnisse in Aufgaben zu verwenden, ¾ Fähigkeit, sich in Begegnungen mit Gesprächspartnern aus dem Zielsprachenland situationsadäquat zu verhalten, ohne dabei die eigene kulturelle Identität zu verlieren, ¾ Fähigkeit, Vorurteile, Missverständnisse, Klischeevorstellungen und jegliche Sprachbarrieren abzubauen und Absichten kommunikativ durchzusetzen, ¾ Fähigkeit, bestimmte nonverbale Kommunikationsmittel in der mündlichen Kommunikation situationsrelevant zu verstehen und zu benutzen, ¾ Fähigkeit, Toleranz bei der Verständigung in der Zielsprache zu zeigen, ¾ Fähigkeit, die Zielsprache und die Zielkultur richtig einzuschätzen ,die Eigensprache/ -kultur zu reflektieren und damit auch den eigenen Horizont zu erweitern. Zhang Hongling (2007, 192ff) sieht das Ziel der interkulturellen Fremdsprachendidaktik in der Förderung und Entwicklung des Wissens, der Fähigkeiten und Haltung der Lernenden. Sie empfiehlt (ebd. 197ff), dass das Fremdsprachenstudium folgende vier ineinander integrierte Bausteine umfassen sollte: ¾ Lehren der Zielsprache, ¾ Lehren der Zielkultur, ¾ Lehren anderer Kulturen und ¾ Förderung interkultureller Kommunikationsfähigkeit. Sie meint, dass das Ziel des Fremdsprachenlehrens nicht nur darin bestehen sollte, dass der Lernende sich zwischen der eigenen und einer fremden Kultur bewegen kann, sondern darin, dass er in der Lage ist, mit Menschen aus verschiedenen Kulturen wirksam zu kommunizieren (ebd., 198). Sie unterstreicht, dass interkulturelles Lernen nicht erst an den Hochschulen, sondern schon in den primären und sekundären Bildungseinrichtungen integriert werden sollte und auch nach der offiziellen Schullaufbahn fortgeführt werden muss (ebd. 210). Damit sieht sie interkulturelles Lernen als einen kontinuierlichen und offenen Prozess an, der lebenslang andauert.

BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

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Die obige Darstellung der interkulturellen Kompetenz für Fremdsprachenlernende bietet eine gute Übersicht, die das Lehr- und Lernziel „interkulturelle Kompetenz“ handhabbarer macht. Allerdings ist anzumerken, dass der Prozess zur Entwicklung interkultureller Kompetenz für die chinesischen Studenten nicht nur bedeutet, dass sie ihre chinesische Identität bewahren sollten, sondern auch, dass sich ihnen neue Chancen bieten, eine Brücke zwischen der chinesischen und der deutschen Kultur zu schlagen.

2.4.3 Das interkulturell orientierte Germanistikstudium Ein weiterer bedeutender interkulturell orientierter Ansatz, der u.a. die Entwicklung interkultureller Kompetenz als Ziel impliziert, ist die „interkulturelle Germanistik“. Für Wierlacher (2003a, IX), den Hauptgründer dieser Disziplin, ist die „interkulturelle Germanistik“ ein Dach- und Fachbegriff. „Er bezeichnet eine interdisziplinäre germanistische Fremdkulturwissenschaft, die in Forschung, Lehre und Organisation von der Kultur(en)gebundenheit germanistischer Arbeit ausgeht, kulturelle Vielfalt der Ausgangspositionen, Fragestellungen und Annäherungswissen nicht für ein Handicap, sondern für einen Vorteil hält, im Dialog der Kulturen praktisch werden und zur internationalen Zusammenarbeit befähigen will“ (ebd.). Die interkulturelle Germanistik versucht das Wechselverhältnis von Fremdem und Eigenem zu nutzen, indem sie sich mehr als bisher auf die kulturelle Vielfalt ihrer Bedingungen, Fragestellungen und Erkenntnismöglichkeiten besinnt (Wierlacher 1993, 56). Leitziel der interkulturellen Germanistik ist, der kulturellen Vielfalt des Interesses am Deutschen und den deutschsprachigen Ländern sowie dem Bedarf an transkultureller Verständigung besser gerecht zu werden als es die bisherigen Modelle der Germanistik vermochten (Wierlacher 2003a, IX). Das Basisinteresse dieser Disziplin liegt darin, die Lehr- und Forschungstätigkeiten mit Möglichkeiten kulturellen Austausches zu verknüpfen und die Erkenntnischancen zu nutzen, die in der Unterschiedlichkeit der jeweiligen kulturellen Ausgangspositionen liegen (Wierlacher 2003b, 13). Die deutsche Literatur soll also „von außen“ betrachtet werden (Hernig 2000, 59). So betont Wierlacher weiterführend die Wichtigkeit der Xenologie als übergeordnetes, leitendes Prinzip der Kulturwissenschaft, insbesondere der interkulturellen Germanistik (ebd., 61). Allerdings gibt es auch Zweifel an dem Ansatz der interkulturellen Germanistik. Es wird bemängelt, dass die Vorstellung von einem pluralistischen Wechselaustausch zwischen Kulturen und Literaturen u.a. durch die asymmetrischen Bedingungen und Formen interkultureller Fremddarstellung in Frage gestellt wird (Bachmann-Medick 1996, 212). Es wird hinterfragt, wie interkulturell die „interkulturelle Germanistik“ ist (ebd.). Bachmann-Medick (ebd.) weist auf die Gefahr

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BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

hin, mit Hilfe der interkulturellen Germanistik das große Weltgespräch auf Deutsch führen zu wollen und damit die Ungleichheit von Sprachen und Kulturen zu übergehen. Die interkulturelle Germanistik ist eine deutsche Erfindung. Wie BachmannMedick (1996, 216) mit Recht anmerkt, kann man in der heutigen Zeit der Globalisierung nicht vom sicheren Boden des Eigenen aus eine Germanistik gleichsam noch als Exportartikel auf den Weltmarkt werfen. Zudem kann ein reiner Import des Faches „interkulturelle Germanistik“ das Fach in China auch nicht dienstbar machen, weil die chinaspezifischen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung des Germanistikstudiums berücksichtigt werden müssen. Des Weiteren kann – wie in der vorliegenden Arbeit schon erwähnt wurde – die Dichotomisierung vom Eigenen und Fremden in der interkulturellen Germanistik auch ein Hindernis zur Verwirklichung ihrer Ziele sein. Daher benutze ich anstatt des Begriffs „interkulturelle Germanistik“ lieber den Begriff interkulturell orientierte Germanistik, weil darin zwar die wertvollen Ansätze des ersten impliziert sind, gleichzeitig aber die notwendige Offenheit gewährleistet wird, China angemessen zu berücksichtigen.

2.5 Ausblick Der Überblick über die Ansätze zur Entwicklung interkultureller Kompetenz hat gezeigt, dass es zwar kein deutsches Konzept gibt, welches wir in China für das Germanistikstudium übernehmen könnten und sollten, dass es aber sehr wohl Komponenten gibt, auf denen ein chinesischer Ansatz aufbauen kann. Von besonderer Bedeutung für mich ist dabei die Erarbeitung eines erweiterten Kulturbegriffs, der nicht ausgrenzt und nicht wertet, sondern anderen Kulturen gegenüber offen ist, integriert und Kultur selbst als etwas Dynamisches versteht. Auf diesen Kulturbegriff können wir uns in der chinesischen Germanistik sehr wohl verständigen und Schritt für Schritt von einer ethnozentrischen Betrachtungsweise zu einem Konzept finden, welches der Einzigartigkeit der chinesischen Kulturtradition Rechnung trägt und gleichzeitig dem internationalen Kenntnisstand gerecht wird. Dabei spielt in China insbesondere die Prozesshaftigkeit bei der Entwicklung der interkulturellen Kompetenz, also das interkulturelle Lernen sowie der Gedanke der Gegenseitigkeit eine entscheidende Rolle. Denn es ist nicht zutreffend, dass das interkulturelle Handeln und die interkulturelle Zusammenarbeit erfolgreich sein können, wenn der Einzelne interkulturell kompetent ist. Auch das Gegenüber ist

BEGRIFFSKLÄRUNG UND THEORETISCHE GRUNDLAGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ

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Teil des Entwicklungsprozesses und muss seinen Beitrag leisten. Es gibt kein entweder-oder, sondern nur ein sowohl-als-auch. Gerade diese Suche nach Gemeinsamkeiten, die ein wesentlicher Bestandteil der interpersonalen und interkulturellen Kommunikation in China ist, schafft die Voraussetzung für das Entstehen von Synergien, die in den jeweiligen interkulturellen Situationen von den Beteiligten erarbeitet werden und so zu innovativen Ansätzen führen können. Um das zu erreichen, muss man interkulturelles Lernen als Querschnittsaufgabe in das Germanistikstudium, d.h. die einzelnen Fächer, integrieren, um das Lernziel „interkulturelle Kompetenz“ zu erreichen. Es ist konsequent, dieses Kapitel mit der Anmerkung von Barkowski (1998, 6) abzuschließen: „Auch das Konzept interkulturell variiert interkulturell!“

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3

Interkulturelle Kompetenz in der beruflichen Praxis – Interviews mit chinesischen und deutschen Führungskräften

3.1 Methodologische Überlegungen 3.1.1 Methodenauswahl Die Beschäftigung mit dem Thema „interkulturelle Kompetenz“ hat noch keine allgemeingültige Herangehensweise hervorgebracht, weshalb die Wahl einer bestimmten Methode nicht per se gegeben ist. Ich habe daher die Möglichkeit, methodisch zwischen einem eher quantitativen und einem eher qualitativen Ansatz zu wählen. Es ist ein Allgemeinplatz, dass die Forschungsmethode dem Forschungsziel dienlich sein und das Forschungsdesign sich als erstes an dem zu erforschenden Gegenstand orientieren muss. Die Methodenwahl, so nach der viel zitierten Gegenstandsangemessenheit (vgl. Grotjahn 2000, 20), muss dem Untersuchungsgegenstand gerecht werden. Das Ziel meiner Arbeit ist, die Bedeutung und die Inhalte der interkulturellen Kompetenz in der gegenwärtigen beruflichen Praxis zu erkunden, um die Notwendigkeit einer entsprechenden Schwerpunktbildung im Germanistikstudium besser fassen zu können und dies in ein curriculares Konzept für das Germanistikstudium in China einzubeziehen. Die Tatsache, dass es bis heute kein allgemein gültiges Verständnis des Begriffs „interkulturelle Kompetenz“ gibt, spricht eher für die Wahl einer qualitativen Forschungsmethode. Denn diese Forschungsmethode empfiehlt sich dann, „wenn der Gegenstand komplex, unübersichtlich, teilweise oder ganz unbekannt ist oder auch, wenn er zwar einfach erscheint, aber vermutlich komplexer ist“ (Heinze 2001, 27). Sie bietet sich besonders dann an, „wenn die Forschungsfrage einen eher erklärenden Schwerpunkt besitzt“ (Rathje 2004, 21).

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INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

In China ist „Interkulturelle Kommunikation“ eine sehr junge Disziplin und die fundierten Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet sind eher selten. Noch seltener sind profunde Arbeiten, die sich mit dem Thema „interkulturelle Kompetenz“ beschäftigen. Es gibt zurzeit z. B. kaum eine Arbeit, die sich mit den interkulturellen Anforderungen an Mitarbeiter befasst, die in einem chinesisch-deutschen beruflichen Kontext tätig sind, und diese als integrative Grundlage für ein auf den Beruf vorbereitendes Studium nimmt. Des Weiteren existiert auch kein didaktisches Konzept für das Germanistikstudium, das die Förderung der interkulturellen Kompetenz als integratives Ziel hat. Aufgrund der oben dargestellten Situation geht es bei meiner Forschungsarbeit um „die Erschließung eines bislang wenig erforschten Wirklichkeitsbereiches, die so genannte „Felderkundung“ (Flick/Kardorff/Steinke 2000, 13), für welche die qualitative Methode besonders geeignet ist (ebd.). Ziel meiner Forschungsarbeit ist also weniger, Bekanntes zu überprüfen, als Unbekanntes zu erkunden und darauf basierend empirisch begründete Modelle zu entwickeln. Daher wäre ein quantitativer Ansatz, die Fragestellungen und Hypothesen aus bekannten theoretischen Modellen abzuleiten und an der Empirie zu überprüfen, weniger tauglich. Ein qualitativer Ansatz ist hierfür geeigneter. Denn „qualitative Sozialforschung kann und soll zur Erkundung von konkreten Bedeutungen, Strukturen und sozialen Veränderungen bzw. Entwicklungen dienen“ (Heinze 2001, 14f). Mein Ziel ist es, ¾ konkrete Bedeutung interkultureller Kompetenz für die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit in der Berufspraxis, ¾ die Struktur dieser Kompetenz und ¾ die Entwicklung der interkulturellen Kooperation zu ermitteln, um daraus ein didaktisches Modell zur Entwicklung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten erstellen zu können. Ein weiterer Grund für die Wahl der qualitativen Methode liegt darin, dass an chinesischen Hochschulen der Praxisbezug stark vernachlässigt wird. Curricula werden häufig im akademischen Elfenbeinturm entwickelt, ohne den tatsächlichen Bedarf in der beruflichen Praxis zu berücksichtigen. Aus diesem Grund möchte ich eine Brücke zwischen den Hochschulen und der beruflichen Praxis schlagen, weshalb mein Forschungsvorhaben stark anwendungsorientiert sein soll. Dies führt mich auch zu der Wahl des qualitativen Ansatzes, denn „qualitative Forschung hat seit jeher eine starke Anwendungsorientierung in ihren Fragestellungen und Vorgehensweisen und nimmt dort mittlerweile einen wichtigen Platz ein“ (Flick/Kardorff/Steinke 2000, 13).

INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

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Um ein besseres Verständnis der chinesisch-deutschen interkulturellen kommunikativen Wirklichkeit zu gewinnen und um Deutungsmuster und Strukturmerkmale interkultureller Kompetenz in der beruflichen Realität herauszufinden, möchte ich die reale Berufswelt „von innen heraus“, also aus der Sicht der handelnden Menschen, beschreiben (ebd, 14). Unter den verschiedenen Optionen der qualitativen Methoden habe ich mich für das Experteninterview entschieden und plane, chinesische und deutsche Führungskräfte im Rahmen der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit zu interviewen. Dabei ist vorgesehen, durch Experteninterviews die Rolle und die Inhalte interkultureller Kompetenz in der beruflichen Praxis sowie die diesbezüglichen Erfahrungen und Erwartungen zu erheben. Denn „Expertengespräche sind insbesondere für spezifische und praxisrelevante Fragestellung von hohem Wert und oftmals die einzige Möglichkeit, ein umfassendes Bild der betrieblichen Realität zu gewinnen. Darüber hinaus lassen sich in der Literatur vernachlässigte Problemaspekte sowie innovative Lösungen diskutieren“ (Stüdlein 1997, S.14). Auch Liebold und Trinczek (2005, 1) sehen Gespräche mit Experten als eine vorzügliche Methode, „wenn das Forschungsinteresse darauf abzielt, komplexe Wissensbestände zu rekonstruieren, ohne auf bereits vorab formulierte theoretische oder sekundäranalytische Überlegungen zu verzichten, neue Einblicke in Forschungsfelder zu gewinnen, ohne konzeptuelle Vorüberlegungen außen vor lassen zu müssen bzw. diese erst gar nicht zu explizieren“. Die Methode „Experteninterview“ ist auch aus forschungspraktischer und forschungsökonomischer Sicht sinnvoll. Denn die Experten können als „Kristallisationspunkte“ praktischen Insiderwissens betrachtet und stellvertretend für eine Vielzahl zu befragender Akteure interviewt werden. Die Durchführung von Experteninterviews kann zur Abkürzung aufwendiger Beobachtungsprozesse dienen (Bogner/Menz 2005a, 7). Gläser und Laudel (2004, 41; 102) empfehlen, das Experteninterview leitfadengestützt durchzuführen. Denn aufgrund des zunächst unbekannten Wissens des Experten ist ein standardisiertes oder halbstandardisiertes Vorgehen nicht dienlich. Unter den Varianten für nicht-standardisiertes Vorgehen ist das Leitfadeninterview für mein Forschungsvorhaben am besten geeignet. Da „es um die Konstruktion von sozialen Sachverhalten geht, ist es zweckmäßig, über eine Frageliste sicherzustellen, dass der Gesprächspartner zu allen wichtigen Aspekten Information gibt“ (ebd., 41). Aus dargestellten Gründen sind narrative Interviews und freie Interviews ungeeignet. Um die genannten Aspekte zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die Experten zu allen wichtigen Aspekten der Bedeutung von interkultureller Kompetenz für die Berufspraxis Auskunft geben und um die für ein Interview nur begrenzt zur

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INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

Verfügung stehende Zeit optimal zu nutzen, entscheide ich mich daher für die Methode der leitfadenorientierten Gesprächsführung.

3.1.2 Schwächen, Risiken und Absicherung Neben den vielen Vorzügen der Methodenwahl „Experteninterview“ ist mir bewusst, dass diese Vorgehensweise auch Schwachstellen und Risiken hat. Folgende Probleme könnten entstehen: ¾ Die Interviewten sind interkulturell nicht ausreichend sensibilisiert, so dass ihnen die interkulturelle Problematik nicht bewusst ist. ¾ Die Interviewten weichen den Problemen aus, die im Zug der chinesischdeutschen beruflichen Praxis vorhanden waren und sind, weil ihre Antworten Rückschlüsse auf eigene Schwächen zulassen oder Anlass zu neuen Problemen geben könnten. ¾ Die Antworten sind zu rudimentär, um daraus Verhaltensmuster und Teilkompetenzen ableiten zu können, die für die Vorbereitung eines curricularen Konzeptes zur interkulturellen Kompetenz nötig sind. ¾ Die Antworten sind nicht transparent, so dass Modelle zur Förderung interkultureller Kompetenz schwer herauszufinden sind. ¾ Die Ergebnisse sind so vielfältig und divergierend, dass daraus nur schwerlich allgemeingültige oder auch nur ansatzweise verbindliche Aussagen abgeleitet werden können. Um die oben genannten Risiken zu verringern, einzugrenzen oder wenn möglich auszuschließen, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: ¾ Theoretische und strategische Vorüberlegungen entwickeln: Ich sehe theoretisches Vorwissen und methodische Klarheit als wichtige Voraussetzungen für mein Forschungsvorhaben. Einerseits versuche ich, gegenüber dem zunächst noch unbekannten Expertenwissen offen zu bleiben, andererseits lege ich Wert darauf, eine klare Vorstellung zu haben, welche Informationen ich brauche, um ein Modell zur Entwicklung interkultureller Kompetenz für das Germanistikcurriculum erstellen zu können.

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¾ Von Erfahrungen anderer lernen: Bevor ich mit den Experteninterviews beginne, tausche ich mich mit den Forschern aus, die Erfahrungen mit qualitativen Methoden bzw. mit Experteninterviews haben. ¾ Interviewleitfaden bedenken und gut strukturieren: Mit dem Leitfaden versuche ich zu gewährleisten, dass die Experten zu wichtigen Aspekten der interkulturellen Kompetenz im Rahmen der interkulturellen Zusammenarbeit Informationen geben. Dafür werden etliche Fragen formuliert, die auf dieses Untersuchungsziel hin lenken. Dennoch ist es nötig, bei meinen Fragen den Experten Erzählanregungen zu bieten, damit sie in nicht antizipierter Weise reagieren (Gläser/Laudel 2004, 112), sondern „zu komplexen, zusammenhängenden, von ihnen selbst gesteuerten Darstellungen“ (ebd.) kommen. Des Weiteren ist mir wichtig, dass die Fragen gut strukturiert sind. Damit habe ich für die Auswertung der Untersuchungsergebnisse eine günstige Grundlage. Bei der Formulierung der Fragen achte ich ebenfalls darauf, dass sie für die Experten verständlich, klar und eindeutig sind. ¾ Experten bedacht auswählen: Ich lege Wert darauf, schon von Anfang an sicherzustellen, dass die zu befragenden Experten für mein Untersuchungsvorhaben auch tatsächlich geeignet sind. Sofern es möglich ist, wähle ich die aus, die ich sehr gut kenne. Dies hat auch weitere Vorteile, z.B. nehmen diese mein Forschungsvorhaben ernst, sind für unser Gespräch motiviert, haben Vertrauen zu mir und sind bereit, mit mir offen über das Untersuchungsthema zu sprechen. Bei den Experten, die ich auf Empfehlung meiner Bekannten befrage, versuche ich, vor den Interviews Informationen über ihren persönlichen und beruflichen Kontext zu erlangen. Darüber hinaus achte ich bei der Auswahl der Experten auch darauf, dass sie verschiedene Unternehmensformen, Unternehmensgrößen, Branchen, Altersgruppen (wobei Erfahrungen und Kompetenz der Experten höhere Priorität haben) und nach Möglichkeit auch verschiedene Geschlechter repräsentieren, um verschiedene Perspektiven zu triangulieren. ¾ Pretest durchführen: Es wird ein Pretest durchgeführt, um die Durchführbarkeit der Untersuchungsund Auswertungsmethode zu testen und anzupassen. Dadurch sollen auch Sensibilität und Souveränität für die Interviewführung entwickelt werden.

INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

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¾ Den positiven Einsfluss der Interviewerin auf die Interviews steigern und den negativen Einfluss möglichst unter Kontrolle halten (Maindok, 1996, 10): Das Forschungsinterview ist ein Kommunikationsprozess, für den die Fachkompetenz, thematische Kompetenz, Gesprächstechnik und alltagskommunikative Kompetenz der Forscher von großer Bedeutung sind (ebd.). Neben einer gründlichen Vorbereitung lege ich Wert darauf, mein Interviewerverhalten immer wieder kritisch zu hinterfragen: Denn trotz meiner klaren Vorstellung ob der Fragestellung möchte ich noch offen für neue und im besten Fall überraschende Erkenntnisse bleiben (vgl. Flick 1995, 63) und mir damit die Möglichkeit offen halten, meine eigenen Vorannahmen in Frage zu stellen bzw. zu modifizieren. Ich sehe die Durchführung der Experteninterviews auch als Prüfstein meiner intraund interkulturellen Kompetenz und als kritische Spiegelung meiner Vorannahmen an. Ich bin mir bewusst, dass ich kein kulturfreier Mensch bin und meine Vorgehensweise auch subjektive Elemente enthält. Aber ich setze darauf, dass ich unter Würdigung der eigenen kulturellen Determinierung und Sozialisation, mit Hilfe meines theoretischen Vorwissens und der methodischen Klarheit, in der Lage bin, zu Aussagen zu gelangen, die über meine Erfahrungen hinaus für alle Germanistikstudenten in China hilfreich sind.

3.2

Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Experteninterviews

3.2.1 Die Vorbereitung 3.2.1.1 Der Interviewleitfaden Wegen des offenen Charakters qualitativer Untersuchungsmethoden sind Leitfragen sowohl für das Entwerfen von Untersuchungsmethoden als auch als Handlungsanleitung bei der Untersuchung wichtig (Gläser/Laudel 2004, 89). „Der Leitfaden schneidet die interessierenden Themen aus dem Horizont möglicher Gesprächsthemen der ExpertInnen heraus und dient dazu, das Interview auf diese Themen zu fokussieren“ (Meuser/Nagel 2005, 81f).

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Für meine Untersuchung dient der Leitfaden dazu, bei dem Interview systematisch an das Thema heranzugehen und wichtige Aspekte meines Forschungsvorhabens zu benennen. Wie Gläser und Laudel (2004, 88) feststellen, sind Leitfragen auf das Forschungsfeld gerichtet und charakterisieren das Wissen, das beschafft werden muss, um die Forschungsfrage zu beantworten. Für mein Forschungsvorhaben bedeutet es, mittels des Leitfadens Informationen zu erlangen, die zur Erkundung der Bedeutung interkultureller Kompetenz in der Berufspraxis notwendig sind. Bevor ich die Interviewpartner nach der Notwendigkeit interkultureller Kompetenz frage, ist es nötig, einen Überblick über die Erfahrungen chinesisch-deutscher Zusammenarbeit zu schaffen. Aufgrund dessen erkunde ich, welche Eigenschaften und Kompetenzen zu dem persönlichen Erfolg im Rahmen der interkulturellen Zusammenarbeit beitragen. Zum Schluss sollen die Experten aus ihrer Sicht Empfehlungen für das Germanistikstudium in China unter Berücksichtigung der Förderung interkultureller Kompetenz geben. Diese Überlegung lässt folgende Leitfragen, die zugleich auf die wichtigen inhaltlichen Felder, Erfahrungen, Erwartungen und Empfehlungen hinweisen, sinnvoll erscheinen: 1. Wie sind die Erfahrungen in der chinesisch-deutschen beruflichen Praxis in Bezug auf die interkulturelle Zusammenarbeit? 2. Welche Kompetenzen und welche Eigenschaften muss ein Mitarbeiter haben oder in der Berufspraxis entwickeln, um in dem chinesisch-deutschen beruflichen Kontext situationsadäquat, effizient und erfolgreich zu agieren? 3. Wie kann man die Studenten während des Germanistikstudiums auf diese Anforderungen vorbereiten? Bei der Strukturierung der Fragestellung strebe ich an, von konkreten und arbeitsalltäglichen zu abstrakteren und allgemeinen Themen überzugehen. Die Interviews orientieren sich an folgendem Gesamtverlauf der Exploration: 1. Persönliche Vorstellung, Erläuterung des Untersuchungsziels und des Ablaufs des Interviews, Zusicherung der Anonymität, Einverständnis für die Tonaufnahme 2. Kurze Darstellung des Unternehmens und des Tätigkeitsbereichs des Interviewten 3. Durchführung der Experteninterviews

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INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

4. Nachbereitung, Transkribieren des Interviews, Übersetzung der auf Chinesisch geführten Interviews ins Deutsche Bei der Durchführung der einzelnen Interviews orientiere ich mich zwar an dem Interviewleitfaden (siehe Anhang), gehe aber flexibel auf den Kontext des Interviewpartners ein (vgl. Hopf 2000, 351). 3.2.1.2 Auswahl der Interviewpartner Es ist mir bewusst, dass die Auswahl von Interviewpartnern unmittelbar über die Qualität der Informationen, die ich erhalte und damit auch über die Untersuchungsergebnisse, entscheidet. Wie Meuser und Nagel (2005, 72) konstatieren, ist es in erster Linie von dem Forschungsinteresse abhängig, ob jemand als Experte angesprochen wird. Der Expertenstatus wird also „in gewisser Weise vom Forscher verliehen, begrenzt auf eine spezifische Fragestellung“ (ebd.). Für mein Forschungsvorhaben sind diejenigen von Interesse, die über Erfahrungen in der interkulturellen und insbesondere in der chinesischen-deutschen Zusammenarbeit verfügen. Des Weiteren ist mir wichtig, dass sie eine Querschnittsfunktion und einen guten Überblick über das zu erforschende Feld „interkulturelle Zusammenarbeit“ haben. Es liegt nahe, dass ich für meine Untersuchung statt „Randfiguren“ (Flick 2002, 92) „zentrale Figuren“ in der interkulturellen Berufspraxis zu gewinnen habe. Die Zielgruppe meiner Untersuchung sind chinesische und deutsche Führungskräfte in der Wirtschaft, da zum einen der Bereich „Wirtschaft“ der Schwerpunkt der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit ist und da zum anderen die meisten Absolventen im Fach Germanistik in der Wirtschaft arbeiten, was sich in absehbarer Zukunft auch nicht ändern wird. Darüber hinaus muss ich auch Verfügbarkeit und Bereitschaft potentieller Interviewpartner berücksichtigen. Aus diesem und auch aus den in Kapitel 3.1.2 erwähnten Gründen habe ich zunächst Personen ausgesucht, die lange Jahre in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit tätig sind, eine Leitungsposition bekleiden und die mit großer Wahrscheinlichkeit mit meinem Forschungsthema vertraut sind. Zugleich ist mir die Notwendigkeit bewusst, dass zwischen Interviewer und Interviewpartner eine Distanz nötig ist, damit nichts als selbstverständlich angenommen wird (Seidmann nach Gläser/Laudel 2004, 114).

INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

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Ich war nicht bestrebt, schon vor dem Beginn aller Interviews eine vollständige Liste aller Interviewpartner zu haben. Meiner Überzeugung nach geben die zuerst befragten Probanten mir wichtige Hinweise auf weitere spannende, interessante Interviewpartner, so dass sich am Ende ein aussagekräftiges Bild ergibt und meine vorherigen Überlegungen hinsichtlich der Auswahl der Interviewpartner ausreichend Berücksichtigung finden. Eine große Priorität bei der Expertenauswahl hat die „Perspektiven-Triangulation“, damit unterschiedliche Aspekte des Forschungsthemas „interkulturelle Kompetenz“ berücksichtigt werden. In der Tat decken die 20 Experten eine große Bandbreite der Branchen ab: Automobilindustrie, Luftfahrtindustrie, Elektrotechnik, IT, Handel, Bankwesen, Tourismus, Entwicklungszusammenarbeit, Unternehmensservice und -beratung und Bildung. Das Alter liegt zwischen 39 und 65. Die 20 Experten setzen sich wie folgt zusammen: ¾ Sechs sind in Führungspositionen in Großunternehmen mit deutschem Ursprung ¾ Vier sind Geschäftsführer bzw. Chefrepräsentanten von deutschen Klein- und Mittelstandunternehmen ¾ Einer ist Besitzer und Geschäftsführer einer mittelständischen chinesischen Handelsfirma ¾ Sechs sind Leiter oder Manager von deutschen öffentlich-rechtlichen Organisationen ¾ Zwei von ihnen sind Professoren an einer chinesischen bzw. deutschen Universität mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation ¾ Eine ist Trainerin für interkulturelle Kommunikation ¾ Zehn von ihnen sind Chinesen und die anderen zehn sind Deutsche Die folgende Übersicht stellt die Interviewpartner vor. Die Auflistung entspricht dabei der chronologischen Reihenfolge der Durchführung der Interviews:

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Name

INTERKULTURELLE KOMPETENZ IN DER BERUFLICHEN PRAXIS – INTERVIEWS MIT CHINESISCHEN UND DEUTSCHEN FÜHRUNGSKRÄFTEN

Staatsangehörigkeit ch

Herr S Herr M Herr Q Herr W Herr C Herr H Herr Y Frau T Herr I Herr X Herr F Herr Z Herr D Frau L Herr N Herr G Herr P Herr R Herr E Herr O Gesamt

dt.

G [1] KMU [2] Ö.O.[3] B [4]

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1 1 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1 1

1 1 1

1

1 1 10

Auslandserfahrung in Deutschland/ China

Arbeitgeber

1 1 1 10

6

1 5

6

3

Geschlecht

in Jahren

m

> 10 3 > 10 (mit Unterbrechung) > 20 (mit Unterbrechung) > 20 (mit Unterbrechung) 4 > 30 > 30 (mit Unterbrechung) > 40 (mit Unterbrechung) > 10 (mit Unterbrechung) > 10 (mit Unterbrechung) > 20 > 10 (mit Unterbrechung) > 10 (mit Unterbrechung) 5 5 > 30 (mit Unterbrechung) > 30 (mit Unterbrechung) > 10 (mit Unterbrechung) > 20

1 1 1 1 1 1 1

w

1 1 1 1 1 1 1 1 1

18

2

[1] Großunternehmen [2] Klein- und Mittleres Unternehmen [3] Öffentlich-rechtliche Organisation [4] Hochschule oder Trainingsinstitution

Abbildung 2: Expertenübersicht

Wie ersichtlich, sind unter den 20 Experten nur zwei Frauen. Dies resultiert wohl aus der Tatsache, dass Frauen trotz weitgehender Gleichberechtigung in Führungspositionen immer noch nicht stark vertreten sind. Da ich der Ansicht bin, dass interkulturelle Kompetenz weniger ein geschlechtsabhängiges Thema ist, halte ich das Auswahlkriterium „Geschlecht“ für meine Untersuchung für nicht weiter relevant.

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3.2.2 Die Durchführung 3.2.2.1 Der Pretest Bevor die Durchführung der eigentlichen Experteninterviews begann, hatte ich ein Probeinterview durchgeführt. Die Interviewte ist eine gute Bekannte von mir und ist über 20 Jahre in der chinesisch-deutschen Entwicklungszusammenarbeit tätig gewesen. Für dieses Interview wurde mit Absicht keine Tonbandaufnahme gemacht und es gehört folglich auch nicht zu den 20 Interviews, die ich am Ende auswerte. Allerdings leistete es einen erheblichen Beitrag zu dem Gelingen meiner Untersuchung, was sich sowohl in Sicherheit über das Forschungsvorgehen, als auch in persönlichem Mut für den Gang ins reale Feld äußerte. Nach dem Probeinterview wurden fünf Experteninterviews im Rahmen des Pretestes durchgeführt. Ziele dieses Testes waren: ¾ eine Sensibilität für den zu untersuchenden Gegenstand zu gewinnen, ¾ zu testen, ob der von mir ausgearbeitete Interviewleitfaden handhabbar und in sich stimmig ist, ¾ zu überprüfen, ob die Interviewten mit meinen Fragen etwas anfangen können bzw. ob sie ausgiebig antworten können, ¾ mir dabei zu helfen, die Verbindung zwischen meinem Forschungsinteresse und der beruflichen Praxis zu schaffen, ¾ mich dabei zu unterstützen, dass ich mehr Forschungssicherheit und -souveränität entwickle Durch den Pretest erwies sich der von mir entwickelte Leitfaden als durchführbar. Der Pretest bestätigte die ursprüngliche Vermutung, dass die Kunst für die Interviewführung darin besteht, dass man sich an dem Leitfaden orientiert, aber dennoch ein sehr persönliches Gespräch mit den Experten führt, bei dem die Experten motiviert sind und offen reden. Eine weitere wichtige Erkenntnis des Pretests war, dass ich bei meiner Untersuchung den Klein- und Mittelstandsunternehmen und den öffentlich-rechtlichen Organisationen noch mehr Gewicht beimessen sollte. Bevor ich den Pretest durchführte, hatte ich nämlich vor, hauptsächlich mit Vertretern der Großunternehmen zu sprechen, weil sie die Wunscharbeitgeber der meisten Germanistikstudenten sind. Durch den Pretest, bei dem ich drei Führungskräfte von Großunternehmen

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und zwei von Klein- und Mittelstandsunternehmen interviewte, stellte ich fest, dass die deutschen Großunternehmen meistens Englisch als Geschäftssprache nutzen, während die Klein- und Mittelstandsunternehmen und die öffentlichrechtlichen Organisationen deutscher Abstammung meistens mit Deutsch als Geschäftssprache arbeiten. Die fünf Interviews fließen in die Auswertung mit ein und stehen ebenfalls als Tonbandaufnahme zur Verfügung. 3.2.2.2 Die Durchführung weiterer Experteninterviews Über die fünf oben erwähnten Experteninterviews hinaus wurden weitere 17 Interviews durchgeführt. Ein deutscher Experte, der Repräsentant der deutschen Regierung in Beijing ist, entschied sich gegen eine Tonaufnahme des Interviews. Bei einem der chinesischen Interviewten, der seit 15 Jahren in Deutschland lebte und oft für chinesische Delegationen dolmetschte, stellte es sich heraus, dass seine Erfahrungen nicht unternehmensnah genug waren. Die beiden Interviews wurden nicht transkribiert und auch nicht ausgewertet. Allerdings sind sie für meine Untersuchung auch aufschlussreich. Ich stimme mit Gläser und Laudel (2004, 110) überein, dass die Durchführung eines leitfadengestützten Experteninterviews bedeutet, einen Kommunikationsprozess zu planen und zu gestalten, der auf den kulturellen und berufsweltlichen Kontext der Interviewpartner zugeschnitten ist. Es geht darum, ein Gesprächsklima zu schaffen, das dem Interviewten verhilft, alle Informationen zu erbringen, die für die Untersuchung der Bedeutung interkultureller Kompetenz für die Berufspraxis benötigt werden. Denn „je besser das Gesprächsklima ist, desto eher wird der Interviewte ausführlich erzählen, […] wohlüberlegte Bewertungen abgeben usw.“ (ebd.). Nach den genannten Ausführungen habe ich mich dafür entschieden, die Interviews nur in der Form eines Face-to-Face-Gespräches durchzuführen. Um ein angenehmes und vertrauensvolles Gesprächsklima zu schaffen, müssen auch Zeit und Ort für die Interviewführung bedacht sein. Bei der Terminvereinbarung mit den Interviewten legte ich Wert darauf, dass genug Zeit für das Interview zur Verfügung stand, damit man nicht „zwischen Tür und Angel“ über mein Forschungsthema reden musste. Dies ist umso wichtiger, weil die meisten Interviewten eine Führungsposition bekleiden. Lieber habe ich die Termine verschoben, als dass zu wenig Zeit zur Verfügung stand. Aufgrund der Pretests dauerte ein Interview 1 bis 1,5 Stunden. Vor den jeweiligen Interviews hatte ich die Experten gebeten, einen Zeitrahmen von zwei Stunden zu blocken, damit keine „zeitlich stressige“ Situation entstand.

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Des Weiteren achtete ich darauf, dass das Interview nach Möglichkeit an dem Arbeitsort der Interviewten oder an einem Ort, der ihnen vertraut ist, durchgeführt wurde. Ich sehe dies nämlich als eine Voraussetzung, dass meine Gesprächspartner bei dem Interview authentisch bleiben und sich wohl fühlen. Die Durchführung eines Experteninterviews ist ein Prozess permanenter spontaner Operationierung (Hopf nach Gläser/Laudel 2004,108). Bei den Experteninterviews bildet der einzelne Experte zwar nicht den Gegenstand meiner Untersuchung, allerdings erwies es sich als einen guten Einstieg für das weitere Gespräch, dass die Experten über ihren eigenen Werdegang sprachen. Dies bringt zwei wesentliche Vorteile für den Gesprächsverlauf: Zum einen ist dies ein persönliches Thema, über das jeder reden kann, das so genannte „warming-up“, womit ein „Kaltstart“, sprich das sofortige Reden über ein tiefergehendes, zu reflektierendes Thema, vermieden wird. Zum anderen bietet das Gespräch über die persönliche Entwicklung immer Anknüpfungspunkte für ein Weiterfragen. Insbesondere die Schilderung der Experten in Bezug auf die Entwicklung ihrer interkulturellen Kompetenz unterstützt mich, die Prozesshaftigkeit und die Ganzheitlichkeit dieser Kompetenz zu berücksichtigen. Wie ich bei dem Pretest schon feststellte, kommt es bei der Durchführung eines Experteninterviews darauf an, einerseits den Dialog durch mein Forschungsinteresse, das in dem Leitfaden konkretisiert ist, zu steuern, andererseits dem „aus der Praxis gewonnenen, reflexiv verfügbaren und spontan kommunizierbaren Handlungs- und Erfahrungswissen“ (Bogner/Menz 2005b, 37) gegenüber offen zu bleiben. Es ist ein Prozess der permanenten Antizipation und Reflexion, in dem ich immer vor der Frage stehe, ob und wann ich „detaillierter nachfragen und ausholende Ausführungen des Interviewten eher unterstützen sollte“ (Flick 2002, 143) oder ob ich „bei Abschweifung des Interviewten zum Leitfaden zurückkehren sollte“ (ebd.). Bei allen strategischen Überlegungen und Einzelentscheidungen achtete ich jedenfalls darauf, einer „natürlichen“ Gesprächssituation möglichst nahe zu kommen (Gläser/Laudel 2004,109). Ich stimme mit Maindok (1996, 9) überein, die konstatiert, dass die Qualität des Datenmaterials unmittelbar abhängig von der kommunikativen Fähigkeit der interviewenden Person ist. Für diese kommunikative Fähigkeit ist wichtig, dass ich stets sensibel auf den Interviewverlauf und den Experten reagiere, was die Voraussetzung für vertiefende Fragen ist. Bei der Durchführung der Interviews orientierte ich mich an dem Interviewleitfaden. Allerdings ließ ich schon viel Freiraum bei den Frageformulierungen, dem Umgang mit Nachfragen und der Abfolge der Fragen. Ebenfalls achtete ich darauf, dass ich nicht den Eindruck erweckte, dass ich die Fragen abhaken wollte, sondern wirklich Interesse an dem Expertenwissen hatte. Somit hatte ich die Fragen immer

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frei gestellt, gekoppelt mit der Situation der jeweiligen Experten. Wichtig war dabei, den Weg zur Erkundung interkultureller Kompetenz nicht zu verstellen, sondern zu eröffnen.

3.2.3 Die Nachbereitung 3.2.3.1 Die Transkription Die Interviews mit den Experten hatte ich auf MP3 aufgenommen. Mittels der Tonaufnahmen hatte ich die Interviews vollständig transkribiert. Alle Interviews wurden auf der Muttersprache des Interviewpartners durchgeführt, bis auf eine Ausnahme bei einem chinesischen Experten, der seit über 30 Jahren in Deutschland lebt. Es sind also elf Interviews auf Deutsch und neun auf Chinesisch. Die Interviews, die ich auf Chinesisch geführt habe, habe ich nicht auf Chinesisch transkribiert, sondern beim Abhören der Tonaufnahme direkt ins Deutsche übersetzt. Die Transkription orientiert sich an folgenden Kriterien: ¾ Die Interviews werden möglichst wortgetreu mitgeschrieben. ¾ Nonverbale Äußerungen wie Lachen, Wiederholungen, Handlungen des Interviewpartners werden nur dann transkribiert, wenn ich der Meinung bin, dass diese für den Rahmen der Interviewführung aussagekräftig sind bzw. für die Auswertung eine Rolle spielen könnten. 3.2.3.2 Die Datenanalyse Insgesamt habe ich 22 sehr aufschlussreiche Experteninterviews zur Erkundung interkultureller Kompetenz in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit durchgeführt und davon 20 ausgewertet. Anhand der Interviewtranskription wurden die Daten analysiert. Bei der Datenanalyse wurde darauf geachtet, die Auswertung nicht auf die Bestätigung meiner Vorannahmen zu reduzieren, sondern Neues zu entdecken und meine Vorannahmen in Frage zu stellen bzw. zu modifizieren. Zuerst wurden die Interviewtexte mehrmals gelesen. Ziel der Erhebung war es, sich einen Überblick über das erhobene Material zu verschaffen, eventuelle Kategorien bzw. Codes für die Interviewtranskripte zu erwägen und diese in Zusammenhang mit meiner Fragestellung zu bringen (vgl. Schmidt 2000, 447). Anschließend wurden die einzelnen Interviews mit Hilfe von MAXQDA 2, einer seit 15 Jahren bewährten Textanalysesoftware für die Sozialforschung, codiert. Hierbei wird „Kodierung“ nach Strauss und Corbin verstanden als „die Operation,

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mit denen Daten aufgebrochen, konzeptualisiert und auf neue Weise wieder zusammengesetzt werden. Dies ist der zentrale Prozess, durch den Theorien aus Daten aufgebaut werden“ (zit. nach Flick 2002, 259). Ein wichtiges Ziel der Kodierung ist es, schrittweise ein Modell zur Erklärung der Bedeutung interkultureller Kompetenz auszuarbeiten. Als Codierleitfaden dienten die drei Bereiche meiner Fragestellung: ¾ Erfahrungen, ¾ Erwartungen und ¾ Empfehlungen, wobei der Schwerpunkt darauf lag, Aspekte für die Entwicklung interkultureller Kompetenz zu erkunden und diese in ein sinnvolles Modell zu bringen. Bei der Kodierung wurden Textpassagen einzelner Interviews markiert und entsprechenden Begriffen bzw. Codes zugeordnet. Hierbei wurden zunächst CodeStichwörter verwendet, die möglichst direkt aus dem Text stammten, wie beispielsweise „Multiperspektivität“, „Wissen über die eigene Kultur“ und „Teamfähigkeit“. Mit Hilfe eines der inhaltsreichsten Interviews wurde ein Codebaum erstellt. Die Codes im Codebaum wurden im Laufe der Codierung anderer Interviews noch erweitert und vervollständigt. Als nächster Schritt wurden die Codes einer übergeordneten Kategorie, den Hauptcodes, zugeordnet. Die Hauptcodes wurden aus den Ursprungscodes abgeleitet und waren die erste Abstrahierungsstufe der Kodierung. Aufgrund der durch die Codierung ermittelten Konstellation wurde eine vertiefende Interpretation vorgenommen und versucht, ein Modell zur Beschreibung interkultureller Kompetenz zu entwickeln.

3.3 Die Auswertung Obwohl es sich bei den Interviewten um chinesische und deutsche Führungskräfte aus Großunternehmen, Klein- und Mittelstandsunternehmen und öffentlichrechtlichen Organisationen handelt, ist es aus meiner Sicht nicht notwendig, die Aussagen getrennt zu betrachten, da die Beschreibungen aus allen drei Bereichen weitgehend übereinstimmen. Auf der Makroebene vermitteln alle Interviews den Eindruck, dass sich die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit, insbesondere in den letzten Jahren, verbessert hat. Dabei wird immer wieder darauf verwiesen, dass die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr stabil seien. Besonders die Tatsache, dass China

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sich zunehmend dem Weltmarkt geöffnet hat, u.a. auch durch den WTO-Beitritt, wird als wichtiger Schritt und als große Leistung gewürdigt. Dass dabei sowohl die chinesischen als auch die deutschen Experten übereinstimmend feststellen, dass dies ganz besonders für die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit gelte und man ohne Übertreibung von einer Erfolgsgeschichte sprechen könne, lässt den Schluss zu, dass nicht nur die in wirtschaftlichen Daten und Zahlen zu messende Dimension dieser Zusammenarbeit als sehr positiv zu bewerten ist, sondern auch in der personalen Dimension deutliche Fortschritte verzeichnet werden können. So verfügten heute wesentlich mehr Chinesen und Deutsche über interkulturelle Erfahrungen und trügen dazu bei, dass der Prozess des interkulturellen Lernens, wenn auch langsam und zeitweise mit Rückschlägen verbunden, unaufhaltsam sei. Das Ergebnis dieser Entwicklung sei, dass, bei allem wirtschaftlichen Kalkül, der Respekt vor der Leistung des jeweils anderen groß sei. Nicht zuletzt diese Tatsache und die Einsicht, dass nur der gemeinsame Erfolg die Voraussetzung für den eigenen Erfolg sei, lasse eine positive Aussicht für die Zukunft zu. Trotz dieser insgesamt positiven Aussagen werden in den Interviews auch die Problemfelder in der konkreten Zusammenarbeit deutlich ausgesprochen, wobei gerade bei der Betrachtung der Mikroebene der positive Grundtenor der Interviews durch die konstruktive und häufig mit Verbesserungsvorschlägen verbundene Kritik noch einmal unterbrochen wird. Bevor ich zur Beschreibung der einzelnen Problemfelder komme, ist eine Vorbemerkung, auch im Sinne der chinesischen Überzeugung, dass man zuerst das Gemeinsame und dann das Trennende sehen sollte, notwendig: Interkulturelle Kompetenz ist nach Meinung aller Experten ein unverzichtbares Element der Zusammenarbeit, allerdings nicht im Sinne einer einmal erworbenen Fähigkeit, sondern als ein Prozess des interkulturellen Lernens. Da aber das Lernen ein individueller Prozess ist, kommt der personalen Dimension der Zusammenarbeit zentrale Bedeutung zu. Diese Auffassung relativiert zugleich die Bedeutung vieler Handlungsanweisungen, die insbesondere in Deutschland angeboten werden und den Zugang zum vertieften Verstehen eher erschweren als möglich machen. Es ist, folgt man den interviewten Experten, vielmehr notwendig und möglich, dass sich sowohl die chinesische als auch die deutsche Seite der Prozesshaftigkeit interkulturellen Lernens verpflichtet fühlen und ihre Nachwuchskräfte entsprechend vorbereiten.

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3.3.1 Erfahrungen in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit 3.3.1.1 Die Problemfelder Obwohl die Experten je nach Aufgaben, Erfahrungen und Verantwortungen jeweils andere Schwerpunkte setzen, stimmen sie in der Erzählung der wichtigsten Problemfelder ebenso überein wie in der Einschätzung, dass es trotz der Unterschiede keine unüberwindbaren Hindernisse und keine unlösbaren Probleme gibt. Zwar wird grundsätzlich betont, dass es unterschiedliche Wertvorstellungen gäbe und dass diese zu Konflikten führen könnten, aber es wird zugleich deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, diese Unterschiede zu beseitigen, sondern vielmehr sie zu verstehen und angemessen damit umzugehen. Die Hauptproblemfelder werden insbesondere in fünf Bereichen gesehen: ¾ Ethnozentrische Einstellung ¾ Interkulturelle Kommunikation und Kommunikationsstile ¾ Personen- und Sachorientierung ¾ Spannungsverhältnis von Planung und Improvisation ¾ Zeitvorstellungen Diese Bereiche werden im Folgenden detailliert dargestellt und mit Aussagen der Experten verdeutlicht. Ethnozentrische Einstellung: Ein großes Problem sehen viele Interviewpartner in der ethnozentrischen Einstellung, sowohl bei den Chinesen, als auch bei den Deutschen. Diese hindere daran, auf den Partner zuzugehen und Synergien zu bilden. Nach den Experten sei der Gedanke bei vielen Chinesen hinsichtlich der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit sehr ausgeprägt: „Die Deutschen könnten uns sowieso nicht verstehen. Die versuche man zu besänftigen und insgeheim wird alles gemacht, so wie wir Chinesen es schon immer machen. …Sie haben gesagt, dass die „Westler“ sowieso keine Ahnung haben und uns gar nicht verstehen können. Diese Auffassung war sehr verbreitet: Die können sich noch so bemühen, aber uns werden sie nie verstehen“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität).

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Auch viele Deutsche in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit dächten, dass sie ihre Erfolgsmodelle einfach nach China exportieren könnten. „Aber es gibt viele Deutschen, die denken, ja wir können überall auf der Welt produzieren und auch mit dem gleichen Verkaufsmodell überall auf der Welt unsere Produkte verkaufen. Wir können unsere Produkte in China auch so verkaufen wie wir sie in Deutschland verkaufen“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Solche ethnozentrischen Einstellungen seien in der interkulturellen Zusammenarbeit sehr kontraproduktiv. Interkulturelle Kommunikation und Kommunikationsstile: Die interkulturelle Interaktion und Kommunikation, insbesondere die unterschiedlichen Stile der Kommunikation bildeten nach Aussagen von vielen Interviewpartnern ein Problemfeld in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit. Eine deutsche Führungskraft werde z.B. verwirrt, wenn sie in dem Gespräch mit einem chinesischen Mitarbeiter, der über langjährige Berufserfahrungen verfügt, höre: „Ich habe nicht so viel Erfahrung. Ich muss noch viel lernen“. […] Die Chinesen sind da eher bescheiden und zurückhaltend, während die Deutschen oft versuchen, dem Chef darzustellen, was man alles bis jetzt geschafft hat“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Es ist bei den Chinesen auch wichtig, dass man bei der Kommunikation die Höflichkeit und den Respekt vor dem Partner sprachlich zum Ausdruck bringt, was aber in vielen anderen internationalen Unternehmen nicht üblich sei: „Das Ausmaß an Höflichkeitsfloskeln, das Chinesen, so glaube ich, untereinander eher geneigt zu erteilen sind, ist in der Zusammenarbeit mit deutschen oder anderen internationalen Unternehmen weniger gefragt“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). In der Kommunikation versuchten die Chinesen die Harmonie zwischen den Partnern zu pflegen und Disharmonie zu vermeiden. Somit seien explizite Thematisierung von Meinungsverschiedenheiten und offene Kritik etwas Ungewöhnliches für sie. So äußerte z.B. ein deutscher Manager: „Die Streitkultur ist für viele Chinesen unbekannt. Sie sind es nicht gewohnt, die Meinungen zu polarisieren bzw. mit Konfrontation umzugehen“ (Herr O., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Serviceunternehmens in China).

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Der andersartige Kommunikationsstil führte nicht selten zu der Asymmetrie in der Kommunikation. So begründet eine deutsche Expertin: „Warum sagen die Deutschen, die Chinesen können nicht diskutieren, weil sie dieses Polarisieren nicht können, weil es unheimlich schwer ist für Chinesen, das Wort zu ergreifen. Das ist auch in interkultureller Kommunikation ein Riesenproblem, dass die Chinesen es oft nicht schaffen, das Wort zu bekommen und die Deutschen fallen sich gegenseitig ins Wort. Der arme Chinese kommt gar nicht dazu, überhaupt ein Wort zu sagen. Er weiß nicht, wie er sich ins Spiel bringen kann“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Um die Harmonie in der zwischenmenschlichen und nicht zuletzt in der interkulturellen Kommunikation zu bewahren, pflegten die Chinesen das Gemeinte und Gewollte indirekt auszudrücken. Das tatsächlich Gemeinte und Gewollte käme bei den Deutschen oft nicht an, weil sie diesen indirekten Kommunikationsstil gar nicht kannten. Es gäbe z.B. Beschwerde auf der chinesischen Seite, dass die Deutschen keine Zeit hätten, sich „so richtig auf unsere Fragen einzulassen“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Es könne aber sein, dass solche Fragen so indirekt formuliert seien, dass sie bei den Deutschen gar nicht als Fragen verstanden würden. Einige chinesische Experten weisen darauf hin, dass der Kommunikationsstil vieler Deutscher, direkt ihre Meinungen zu äußern, Chinesen oft in die Verlegenheit brächten und bei diesen das Gefühl erzeugten, dass sie ihr Gesicht verlören. Diese Direktheit erwecke manchmal bei den Chinesen den Eindruck, dass die Deutschen unhöflich seien. „Oft hören wir von den Chinesen: ‘Ja, die Deutschen sind so direkt und sie achten nicht auf unser Gesicht und merken schon gar nicht, dass wir unser Gesicht verloren haben’. Die Deutschen nennen oft das Kind beim Namen und bringen dadurch die Chinesen oft in Verlegenheit“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens). Der indirekte Stil sei auch in der schriftlichen Kommunikation ausgeprägt. Die Chinesen schrieben oft lange Mails und kämen erst ganz zum Schluss auf das eigentliche Thema. „Das bringt die Deutschen zu Weißglut und sie sagen: ´Warum sollte ich das alles lesen, kann man nicht kurz, klipp und klar schreiben?“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation) Auch wenn die Chinesen mit der Kommunikation unzufrieden seien, falle es ihnen sehr schwer, diese Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Wenn die Unzufriedenheit und die Probleme nicht rechtzeitig verarbeitet und thematisiert würden, könnten sie zu interkulturellen Konflikten führen.

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„Viele Chinesen sind es nicht gewohnt, dass man offen über die Probleme redet. Lieber denken sie über die Probleme mit den Deutschen nach, als mit diesen darüber zu sprechen. Es ist aber sehr wichtig bei der Zusammenarbeit, dass man rechtzeitig die Probleme thematisiert, denn sonst wird die Unzufriedenheit immer größer und irgendwann ist nichts mehr zu retten“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation). „Vieles war eigentlich ein Mangel an Information, also Wissenslücke“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). In diesem Zusammenhang wurde von einigen Experten darauf hingewiesen, dass viele Probleme darauf zurückzuführen seien, dass die chinesische und deutsche Seite nicht genug miteinander kommunizierten. Personen- und Sachorientierung: Während einige Experten deutlich machen, dass nur derjenige in einem chinesischen Umfeld Erfolg haben könne, der ein sozial orientierter und auf Ausgleich bedachter Mensch sei, begründen einige andere Interviewpartner die Wichtigkeit dieses Themas damit, dass die Chinesen sich bei allem, was sie sagen und tun, Gedanken darüber machten, was ihr Verhalten und ihre Äußerungen für ihre Mitmenschen bedeuteten – viele Deutsche, vor allem die, die wenig Chinaerfahrung hätten, machten es sich dagegen viel einfacher: Sie täten das, was sie für richtig hielten, meistens ohne sich vorher lange zu überlegen, wie ihr Verhalten auf die anderen wirken würde. Eine chinesische Führungskraft, die lange Jahre in einem chinesischen Unternehmen oder einer chinesischen Organisation gearbeitet hat und dann zu einem europäischen oder amerikanischen Unternehmen wechselt, stehe vor einer Umstellung: „Im westlich dominierenden Umfeld ist es eben anders. Dort wird von einem Leiter, einem Manager erwartet, dass er seinen Mitarbeitern ein Feedback gibt, was nicht immer positiv ist. Das bedeutet, dass er auch mal unpopuläre Entscheidungen trifft. Das heißt, hier sind andere Qualifikationsmerkmale oder andere Qualitäten gefragt. Nicht mehr diese soziale Ader, nicht das Ausgleichende, sondern vielmehr, manchmal auch die Durchsetzungsstärke“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesisch-deutschen Joint-Ventures). Die meisten Chinesen seien zu Kollektivismus erzogen worden. Diese Erziehung fing schon im Kindergarten an. Individualismus wäre verpönt. Dies habe Konsequenzen für die Denk- und Verhaltensweise der Chinesen: „Wenn ein Chinese etwas tut oder etwas sagt, macht er sich zuerst Gedanken darüber, was sein Verhalten bzw. seine Äußerung für seine Mitmenschen bedeutet.

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Man überlegt sich oft hin und her, um zu erkennen, wie die anderen einen sehen. Die Deutschen machen es sich viel einfacher. Wenn sie etwas für richtig halten, tun sie das“ (Herr E., chinesischer Bereichsleiter einer deutschen Organisation). In die gleiche Richtung geht der Hinweis chinesischer und deutscher Experten, dass die Deutschen sehr sachorientiert seien, während die Chinesen sich viel stärker mit der Person beschäftigten und deshalb auch nicht zwischen Personen- und Sachkritik unterscheiden könnten. Während es für den deutschen Vorgesetzten selbstverständlich sei, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn es notwendig ist, empfange der Chinese die Kritik als Kritik an seiner Person und als einen Gesichtsverlust: „Das Trennen zwischen Person- und Sachkritik ist in Deutschland, und ich sage in Westeuropa, aber speziell in Deutschland, geübt. Es ist ja nicht einfach, aber es ist geübt, während es in China nicht geübt ist. Wenn ich jemand kritisiere, wird dies immer als persönliche Kritik aufgefasst, nicht als Sachkritik. Deshalb ist es so schwer“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China). Die Chinesen tendierten dahin, einen einfachen Sachverhalt kompliziert zu interpretieren, weil sie immer die Menschen hinter den Sachen sähen. Die Beurteilung einer Sache, wie z.B. die des Arbeitsergebnisses, würde bei vielen Chinesen als Beurteilung der Person, die die Arbeit geleistet hat, betrachtet. Ein chinesischer Interviewpartner schildert das Problem so: „Die Deutschen sind sehr sachorientiert. Sie richten sich zuerst nach der Sache. Eine chinesische Führungskraft beschäftigt sich zunächst erst mit der Person, die eine Arbeit erledigen sollte und macht sich Gedanken, ob die Person zurechtkommt bei der Arbeit. Man hört oft von chinesischen Mitarbeitern:´ja ich habe mir so viel Mühe gegeben, aber mein deutscher Chef sieht nur die Probleme etc.´ Dadurch entsteht Unzufriedenheit“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens).

Spannungsverhältnis von Planung und Improvisation: Ein wichtiger Aspekt in der interkulturellen Zusammenarbeit ist das Spannungsverhältnis von Planung und Improvisation. Die Experten erläutern übereinstimmend, dass die Deutschen langfristig und problemorientiert planten, während die Chinesen erst nach Lösungen suchten, wenn ein Problem auftauche. Dies führe häufig zu unterschiedlichen Arbeitsabläufen und Arbeitsrhythmen:

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„Die Deutschen sind ja sehr problemorientiert und wollen Unsicherheit vermeiden, und das ist unter den chinesischen Kollegen gar nicht so verbreitet. Wenn die dann zusammen arbeiten müssen, dann nehmen sie Schwierigkeiten wahr“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Es werde auf der chinesischen Seite im Einklang mit dem Sprichwort: „Die Vorschriften stehen fest. Aber der Mensch ist flexibel“ auch weniger Wert auf schriftliche Vereinbarungen gelegt. Ein chinesischer Repräsentant einer deutschen Institution schildert das Problem so: „Die Chinesen denken, Papier ist geduldig, man könne doch alles auf dem Papier schreiben. Man müsse nicht alles einhalten, was auf dem Papier steht. Aber die Deutschen gehen immer planvoll an die Arbeit ran. Wir haben z.B. schon geplant, was wir alles im Jahr 2007 oder gar 200816 machen. Aber viele Chinesen wissen gar nicht, was sie in den nächsten Monaten machen. Aufgrund solcher Unterschiede gibt es viele Missverständnisse oder gar interkulturelle Konflikte“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Die Deutschen arbeiteten, bevor ein Projekt läuft, einen Rahmen aus, in dem Probleme, die eventuell auftauchten, schon bedacht seien. Für ein Projekt hätten die Deutschen auch einen längeren Vorlauf: „Sie17 haben viel früher zu planen und zu organisieren angefangen. Und dann haben wir sehr früh bei den Chinesen nachgefragt, wie sieht jetzt das aus, klappt das oder klappt das nicht“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Das Ergebnis sei meistens, dass sie keine Antwort bekämen, weil die Chinesen noch gar nicht wüssten, was passieren werde. Es werde bei ihnen nicht alles von Anfang an geplant, sondern es gebe nur ein großes Ziel und die Kleinziele würden auf dem Weg zu dem großen Ziel definiert und auch immer wieder modifiziert: „Die Chinesen haben zuerst nur eine grobe Vorstellung davon, wie man in dem Projekt vorgeht. Sie suchen erst nach Lösungen, wenn das Projekt schon läuft und die Probleme auftauchen. Sie sind sehr flexibel“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Deswegen hätten die Chinesen und die Deutschen unterschiedliche Arbeitsrhythmen und unterschiedliche Arbeitsschritte. Dieser Unterschied bedeute für die Deutschen, dass sie ihre Arbeit, soweit sie mit der chinesischen Seite in Zusammenhang stehe, schlecht planen könnten. 16 17

Dieses Interview wurde im August 2005 durchgeführt. Die Deutschen.

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„Die Deutschen sind langfristig in der Planung. Auf der anderen Seite ist man aber deshalb auch weniger flexibel. Man ist sehr hartnäckig, man ist sehr langfristig in der Planung, und es stößt in China deshalb auf Grenzen, weil man hier nicht so lang planen kann“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China). Zeitvorstellungen: Chinesen, so sagen vor allem die Wirtschaftsexperten, investierten zuerst Zeit, um den Partner kennen zu lernen und eine Vertrauensbasis zu schaffen, während die Deutschen sofort mit der Arbeit begännen und das Kennen lernen als eine Art Nebenprodukt betrachteten. Diese unterschiedlichen Einschätzungen des Faktors Zeit gehörten ebenso zum Alltag der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit wie die verschiedenen Kommunikationsstile. In Augen eines deutschen Experten ist es so: „Wenn ein Deutscher jemand kennenlernt, dann ist er in der Regel relativ problemorientiert, redet über das Problem, sucht die Lösung und irgendwann baut sich ein bisschen Vertrauen auf und löst man sich immer weiter von dem eigentlichen Problem. […]Im asiatischen Raum wie China ist das anders. Man lernt sich erstmal kennen, man redet über Gott und die Welt, was einem sonst so gefällt, und sie reden eine ganze Weile, und bauen Vertrauen auf, geht sogar mal Maotai18 trinken. Und dann nach Tagen vielleicht nähert man sich eigentlich erst dem Problem. Die Vorgehensweise ist ganz unterschiedlich. Während ein Chinese einen Deutschen als unhöflich empfinden könnte, da er ja die ganze Zeit über das Problem redet und an der Person ja gar nicht interessiert ist, könnte der Deutsche auch meinen, dass mein chinesischer Kollege an dem Problem gar nicht interessiert ist und nicht arbeiten will – der will nur über Gott und die Welt reden. Das sind natürlich Quellen für Missverständnisse, darüber muss man prinzipiell Bescheid wissen.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Die Deutschen hätten eine andere Herangehensweise und folglich auch eine andere Zeitvorstellung bei der Arbeit. Ein chinesischer Gesprächspartner schildert: „Die Deutschen wollen am liebsten in China ankommen, über das Projekt reden und am selben Tag wieder in das Flugzeug einsteigen und nach Hause fliegen“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). Die unterschiedlichen Zeitvorstellungen führen zu unterschiedlichen Arbeitsweisen, „was die Leute zu Weißglut gebracht hat, also wann und wie gearbeitet wird, 18

Ein bekannter chinesischer Schnaps.

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wie konzentriert gearbeitet wird“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Zusammenfassend ist anzumerken, dass der obige kulturelle Vergleich und die Problemfelder eher eine Stereotypisierung der Praxis der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit beschreiben. Sie haben keine Allgemeingültigkeit für alle Chinesen bzw. alle Deutschen oder für alle Kommunikationssituationen. So haben in den Interviews viele Experten geäußert, dass sie gegen Pauschalisierungen sind. „Ja, man hört ja doch oft von solchen ‘Knigge’: Die Deutschen dürfen nicht so und so und die Chinesen dürfen nicht so und so. Es gibt so viele Tabus. Oft höre ich von den deutschen Kollegen: ‘Ja, man hat uns gesagt, wir dürfen Chinesen gegenüber dies oder jenes nicht tun’. Ich sage ihnen: ‘Bei manchen Chinesen dürfen Sie das nicht, bei anderen schon. Man kann nicht so pauschal sagen, was man überhaupt nicht tun darf’“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Es wird geraten, dass man die viel beschriebenen kulturellen Unterschiede differenziert sehen solle: „Man kann sagen, die Chinesen sind so unendlich höflich. Sie sind zurückhaltend, sie sind so indirekt, ja. Aber wie? Woher wissen sie das eigentlich? Wie wird es zum Ausdruck gebracht? Was sagen die Chinesen? Es kann sein, dass die Chinesen, gar nicht indirekt sind. Nur werden sie so interpretiert, als ob sie so wären. Genauso wenn man sagt, das sind eben diese... diese Klischees, so und so, Deutsche seien so furchtbar direkt, manchmal verletzend direkt, und die sind arrogant, die sind kalt, zwischenmenschlich gesehen. Also wie denn? Wie machen sie das?“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität). Bei allen kulturellen Unterschieden sollte man nach Meinung der Experten die Partner auch als einzelne Persönlichkeiten betrachten: „Man sollte also die allgemeinen Unterschiede nicht überbewerten. Diese Unterschiede spielen schon eine Rolle bei der interkulturellen Kommunikation, aber es kommt auch auf die einzelnen Kommunikationspartner an. […]Diese Probleme und Konflikte sind oft den persönlichen Charakteren zuzuschreiben. Allerdings muss man eingestehen, dass die kulturellen Unterschiede solche Probleme und Konflikte oft zum Eskalieren bringen können“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Viele der befragten Experten haben ihren starken Zweifel an der Wirkung der Seminare, auf denen die Teilnehmer innerhalb von wenigen Tagen interkulturell kompetent gemacht werden sollen, geäußert. Eine Begründung dafür ist z.B., dass ein interkulturelles Training „sehr stark polarisiert, also sehr stark kontrastiert,

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auf der einen und auf der anderen Seite“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Nach den Experten sei das interkulturelle Lernen mehr „ein Lernprozess, der noch Jahre dauern wird“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität). 3.3.1.2 Die Unternehmenskultur der deutschen Unternehmen in China Die großen deutschen Unternehmen, die inzwischen international sehr erfolgreich sind, haben eine lange deutsche Tradition, in der die jeweiligen Unternehmenskulturen verwurzelt sind. Als Merkmale dieser deutschen Ausprägung wurden genannt: Nachhaltige Entwicklung, Balancierung, soziale Leistungen für die Mitarbeiter, Ablauforganisation, Zuverlässigkeit, Technikorientierung. Viele Unternehmen deutscher Abstammung, so die Experten, träten zwar gerne als internationale Firmen auf, seien aber immer noch sehr deutsch ausgeprägt. Sie „gehen in einer deutschen Weise mit dem Markt um“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). So beschreibt Herr Q. die Unternehmenskultur seiner Firma, die ein weltbekanntes Unternehmen und in fast allen Ländern der Erde vertreten ist: „Die Grundrichtlinie für das Managementmodell ist deutsch. Es gibt hier oder da Anpassungen an lokale Gegebenheiten, aber der Kern ist deutsch, die Grundidee ist deutsch. […] Eine wichtige Eigenschaft ist, dass großer Wert auf den Prozess gelegt wird. Das heißt, alles richtet sich nach dem Prozess, nach den festgelegten Vorschriften, und nicht nach den einzelnen Personen“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Die Firma, in der Herr W. lange Jahre tätig war, operiert auf dem internationalen Markt und hat in Dutzenden Ländern Niederlassungen und Vertretungen. Es ist inzwischen auch international sehr erfolgreich, „aber es ist in der Verankerung, der Verwurzelung und in seinem Wertesystem ein deutsches Unternehmen“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Herr W. führt aus: „Unsere Firma ist ein internationales Unternehmen, aber es ist in seiner Grundkultur sehr deutsch. Deswegen ist es so, wenn man bei unserer Firma arbeitet und Deutsch kann, versteht man die Unternehmenskultur viel besser und kann sie viel besser weitergeben als wenn man kein Deutsch sprechen kann. […] Aber wenn man verstehen will, wie unsere Firma in bestimmter Situation reagiert und warum

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Entscheidungen so oder so getroffen werden, da muss man auf den Kern, auf das Selbstverständnis des Unternehmens zurück, und das ist deutsch, sehr deutsch“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Herr D. ist Senior Marketing Manager in einem internationalen Konzern. Er schildert die Unternehmenskultur seiner Firma wie folgt: „Im Vergleich zu den amerikanischen und britischen Unternehmen legt unsere Firma mehr Wert auf Genauigkeit und Korrektheit, auf Planung[ …] Dies ist sehr geprägt von der deutschen Kultur, in der hoher Wert auf die Genauigkeit, die Exaktheit und die Planmäßigkeit gelegt wird. Aber es fehlt etwas, worin die amerikanischen Unternehmen sehr gut sind, nämlich, die Marktorientieung und Flexibilität“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Die immer stärkere Internationalisierung vieler Unternehmen deutscher Abstammung schließe nicht aus, dass deren Unternehmenskultur im Kern deutsch bleibe. Im Gegenteil: Das erste könne auch eine Ursache von dem letzteren sein: „Je internationaler sie werden, desto stärker ist der Wunsch und auch die Ausprägung, am Ende einen nationalen Anknüpfungspunkt zu haben, […]weil Unternehmen wie Menschen Wurzeln brauchen. Sie brauchen Identität. Die Identität kommt aus dem Ursprung, wo die Firma gegründet ist.[…] Unternehmen, die über lange Zeit überleben, haben starke nationale Wurzeln. Wenn sie z.B. keine Wurzeln mehr haben, haben sie auch niemanden, an dem sie sich festhalten können, der sich für sie einsetzt“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Auch wenn in einem Unternehmen deutscher Abstammung statt Deutsch Englisch als Geschäftssprache gesprochen wird, worauf in dem folgenden Text noch genauer eingegangen wird, „bedeutet dies nicht automatisch, dass das ganze Unternehmen amerikanisch ist“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität). Die Kultur der Unternehmen und Organisationen deutscher Abstammung, die in China tätig sind, sei zugleich auch chinesisch geprägt. Ein Erfolgsmerkmal sei die Integration der deutschen mit der chinesischen Unternehmenskultur. Deutsch sein, chinesisch sein und gleichzeitig international orientiert sein, diese schlössen einander nicht aus, sondern prägten gleichzeitig die Kultur der Unternehmen und Organisationen, die in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit tätig sind.

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3.3.1.3 Die Geschäftssprachen Die in China tätigen Unternehmen und Organisationen deutscher Abstammung kann man in drei Gruppen teilen: Die erste Gruppe besteht aus den internationalen Großunternehmen. Solche Unternehmen haben in vielen Ländern der Welt Niederlassungen. Auch in den Niederlassungen in China sind außer chinesischen und deutschen Mitarbeitern auch diejenigen, die aus anderen Ländern kommen. Für solche Unternehmen sei Englisch ein Muss und Deutsch ein Bonus. Das bedeutet, Deutsch ist kein Muss. Für chinesische Mitarbeiter sei eine wichtige Voraussetzung, dass sie „ein vernünftiges, verhandlungssicheres Englisch sprechen“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesisch-deutschen Joint-Ventures). Die zweite Gruppe sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die so genannten KMUs. Solche Unternehmen sind meistens Familienbetriebe. Viele wichtige Bereiche solcher Unternehmen wie Management, Fertigung, Forschung und Entwicklung sind in Deutschland. In anderen Ländern werden nur die Produkte verkauft oder manchmal auch gefertigt. Für solche Unternehmen sei wichtig, dass die Mitarbeiter eng mit Deutschland verbunden sind. Ein chinesischer Experte begründet: „Denn der Ruf der Produkte von diesen Unternehmen hängt sehr eng von dem Image Deutschlands in den einzelnen Ländern zusammen. Die meisten Mitarbeiter dieser Unternehmen sind Deutsche und die wichtigsten Bereiche sind in Deutschland. In solchen Unternehmen wird oft Deutsch als Geschäftssprache verwendet“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Vor allem in Unternehmensberatungen, die deutsche Kunden haben, werde die deutsche Geschäftssprache als ein Erfolgsfaktor betrachtet: „Wir haben festgestellt, dass, wenn wir mit unseren deutschen Kunden auf Deutsch kommunizieren, es sehr gerne angenommen wird. Da freut man sich. Es ist eine bessere Kommunikation“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China). Die dritte Gruppe sind die öffentlich-rechtlichen Organisationen. Sie werden meistens aus öffentlichen Mitteln finanziert. Viele Mitarbeiter solcher Organisationen sind Deutsche und als Geschäftssprache werde Deutsch benutzt. Nach Meinung einiger Experten werde selbst in den KMUs und auch den deutschen öffentlich-rechtlichen Organisationen immer mehr Englisch parallel zu Deutsch und Chinesisch als Geschäftssprache genutzt. Ein Grund liege auch darin, dass immer mehr Chinesen inzwischen Englisch können: „Die Bedeutung der deutschen Sprache in der Zusammenarbeit hat im Laufe der Jahre eher abgenommen. Also muss man sagen: Während wir früher z.B. die Re-

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gierungsverhandlungen in Deutsch oder in Chinesisch geführt haben, also die Regierungskonsultationen, Regierungsverhandlungen, finden diese Verhandlungen heute in Englisch statt“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation). Im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den Franzonen, die sehr behutsam mit ihrer Sprache umgingen, tendierten die Deutschen eher dazu, pragmatisch zu sein. Es liege auch an dem zwiespältigem Verhältnis der Deutschen mit dem Patriotismus. „Tendenziell ist für die deutschen Unternehmen hier in China Englisch die wichtigere Sprache. Das unterscheidet z.B. die deutschen Unternehmen von den französischen Unternehmen, die viel mehr Wert darauf legen, dass auf Französisch gesprochen wird. Generell gilt die Einstellung, pragmatisch zu sein und die Sprache zu benutzen, die für beide Seiten am einfachsten ist“ (Herr G., deutscher Abteilungsleiter einer großen deutschen Dienstleistungsorganisation). Wenn man die Aussagen der Experten zusammenfasst, kommt man zu dem Schluss, dass man in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit bessere Karrierechancen hat, wenn man sowohl Englisch als auch Deutsch kann.

3.3.2 Das Verständnis des Begriffs „interkulturelle Kompetenz“ Durch die Interviews soll aus der Perspektive der Experten das Verständnis der interkulturellen Kompetenz in der interkulturellen Berufspraxis näher beleuchtet und in ein Konzept zur Entwicklung interkultureller Kompetenz während des Germanistikstudiums eingebracht werden. Was bedeutet der Begriff „interkulturelle Kompetenz“ in der Praxis? Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, habe ich die zehn chinesischen und die zehn deutschen Führungskräfte, die ich im Rahmen meiner Untersuchung befragt habe, auf diesen Begriff angesprochen und sie um eine Definition oder eine Beschreibung gebeten. Obwohl alle Experten in verschiedenen chinesischen und deutschen Unternehmen und Organisationen arbeiten, stimmen sie darin überein, dass der interkulturellen Kompetenz in der Berufspraxis eine große Bedeutung zukomme und dass diese Kompetenz immer stärker als Voraussetzung für den Erfolg im Beruf angesehen werde. Durch die Untersuchung wird eine große Nachfrage nach interkultureller Kompetenz in der Berufspraxis im Rahmen der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit festgestellt. Da viele Probleme und Konflikte in der Zusammenarbeit auf unterschiedliche kulturelle Hintergründe zurückzuführen seien, seien die Mitarbeiter,

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welche sowohl die chinesische als auch die deutsche Kultur kennen und interkulturell kompetent sind, für die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit sehr wertvoll. „Deswegen brauchen deutsche Unternehmen Chinesen, die China kennen und in der Lage sind, den Deutschen eine Lösung zu zeigen, die zu dem chinesischen Markt passt. Um die deutschen Kollegen zu überzeugen, muss man dann wiederum die Deutschen und ihre Denkweise kennen. […] Es ist sehr wichtig für den Erfolg in großen internationalen Unternehmen, dass man den kulturellen Hintergrund beider Seiten gut kennt“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Während bei den meisten Unternehmen und Organisationen die interkulturelle Kompetenz nur implizit erwünscht wird, steht sie bei manchen schon explizit in der Profilbeschreibung für eine Personaleinstellung: „Bei der Einstellung chinesischer Mitarbeiter, auf welcher Ebene sie auch immer arbeiten, legen wir großen Wert auf die interkulturelle Kompetenz “ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation). Der Grund für die „Entdeckung“ der interkulturellen Kompetenz ist oft auf die negativen interkulturellen Erfahrungen zurückzuführen. So führte Frau L. fort: „Es ist oft passiert, dass fachlich sehr qualifizierte Fachkräfte unsere Organisation verlassen haben, weil sie Konflikte mit ihrem deutschen Projektleiter oder anderen deutschen Kollegen gehabt hatten. Dies ist sehr bedauerlich und auch die jeweiligen Projekte sind dadurch beeinträchtigt. Deswegen legen wir sehr großen Wert darauf, dass die neuen Mitarbeiter schon interkulturelle Erfahrung haben und dadurch ihre interkulturelle Kompetenz entwickelt haben“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation). Der starken Nachfrage nach interkultureller Kompetenz steht die Tatsache gegenüber, dass es auch unter den Experten kein allgemeingültiges Verständnis des Begriffes „interkulturelle Kompetenz“ gibt. Zwei wichtige erfahrungsbasierte Vorannahmen für meine Arbeit sind, wie in der Einleitung dargestellt wurde: 1. Interkulturelle Kompetenz spielt im chinesisch-deutschen beruflichen Kontext eine wichtige Rolle. 2. Diese Kompetenz lässt sich wiederum in verschiedene Teilfähigkeiten und Eigenschaften konkretisieren.

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Die erste Vorannahme konnte durch die Experteninterviews bestätigt werden, wobei ich zunächst überrascht von den eher negativen Stimmen zu „interkulturelle Kompetenz“ als Begriff war. Es wird von einem Experten, der sich seit Jahren mit der interkulturellen Forschung beschäftigt, kritisiert, dass über interkulturelle Kompetenz vielmehr bloß gesprochen werde, als dass man durch empirische Forschung erforsche, was in der interkulturellen Praxis wirklich nachgefragt werde. Der Begriff werde nach Ansicht einiger deutscher Führungskräfte inflationär und statisch gebraucht. Nach ihnen sei die „interkulturelle Kompetenz“ ein Modewort. So konstatiert ein deutscher Personalmanager: „Diesen Begriff habe ich jetzt schon so oft gehört. Für mich ist er etwas überstrapaziert. Er ist mit einer Komplexität versehen, die er meiner Meinung nach nicht hat“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesisch-deutschen JointVentures). Repräsentativ für diese eher negativen Stimmen sind Ansichten, dass es selbstverständlich sei, dass man, wenn man in einem fremden Land für längere Zeit arbeite und dort lebe, sich mit dessen Kultur und Geschichte beschäftige und versuche, sich anzupassen. Man habe interkulturelle Kompetenz, wenn man einen gesunden Menschenverstand habe. „Ich habe nichts gegen den Begriff „interkulturelle Kompetenz“. Aber wenn Sie ihn mal auflösen, ihn mal wegnehmen und sagen, hier sollen Menschen wie es sich gehört miteinander umgehen, dann sind es bestimmte menschliche Werte, die in den Vordergrund rücken. Und das ist auch schon gut“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China). Nicht weit von der obigen Meinung entfernt ist die Einsicht von manchen Experten, interkulturelle Kompetenz als Sozialkompetenz bzw. deren Erweiterung zu sehen. Diejenigen, die in der eigenen Kultur sozial kompetent seien, hätten ein größeres Potenzial, interkulturelle Kompetenz zu entwickeln. Allerdings überwiegt die Einsicht, dass interkulturelle Kompetenz immer verschiedene Bereiche umfasse und nur im Bezug auf konkrete Anwendungsbereiche zu sehen und zu verstehen sei. „Interkulturelle Kompetenz muss man leben. Sie ist eine Art Lebenseinstellung, mit zwei Kulturen leben zu wollen und nicht zwischen zwei Kulturen“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China), so fasst einer der Experten die Begriffsdiskussion zutreffend zusammen. Interkulturelle Kompetenz sei nicht als eine „unabhängige“ Kompetenz zu sehen. Mit anderen Worten: Es gebe „die interkulturelle Kompetenz an sich“ nicht. Es müsse einen Bezug zu verschiedenen konkreten „Anwendungsbereichen“ geben.

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So sieht z.B. ein chinesischer Institutsleiter, der sich u.a. auf interkulturelle Trainings spezialisiert hat: „Wenn es darum geht, einen Mitarbeiter aus einer anderen Kultur zu führen, ist interkulturelle Kompetenz ein Teil der Führungskompetenz. Wenn es sich um die Kooperation zweier Kollegen auf gleicher Führungsebene aus zwei verschiedenen Kulturen handelt, ist die interkulturelle Kompetenz ein Teil der Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Deswegen finde ich, dass die interkulturelle Kompetenz verschiedene Bereiche umfasst“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). In diesem Zusammenhang wird von vielen Interviewpartnern die Bedeutung der Fachkompetenz hervorgehoben. So betont z.B. ein Experte: „Wenn die interkulturelle Kompetenz mit der Fachkompetenz zusammenkommt, dann ist man unschlagbar“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Es wird von den Experten unterstrichen, dass die interkulturelle Kompetenz kein abstrakter Begriff sei, der irgendwo frei-schwebend existiert, sondern ein Teil des gesamten Lebens sei, der sowohl das Arbeits- als auch das Privatleben betreffe. Interkulturelle Kompetenz sei nach den Experten vielmehr eine neue Perspektive, Menschen und Dinge anders zu betrachten und zu erleben. Dazu gehöre auch, im gesamten Leben mit der jeweils anderen Seite auseinanderzusetzen. Deshalb bedeute “interkulturelle Kompetenz“ eben auch die Erkenntnis, vor Unterschieden zu bestehen, und im Rahmen dieser Unterschiede zu leben und sich in verschiedenen internationalen Umfeldern adäquat sozial verhalten zu können. Es wird betont, dass die interkulturelle Kompetenz keine Einbahnstraße ist. Wenn ein Partner in der interkulturellen Kommunikation kompetent sei, sei dies noch keine Garantie dafür, dass die interkulturelle Zusammenarbeit erfolgreich wird. Nur wenn Menschen aus zwei Kulturen in der Kommunikation auf die anderen eingehen, könnten sie die Synergie erreichen. „Denn diese Kompetenz muss auf beiden Seiten vorhanden sein“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Als ein Merkmal des Vorhandenseins der interkulturellen Kompetenz werden Zufriedenheit und Wohlbefinden genannt. Man sei bereit und auch in der Lage, in dem jeweils anderen Land länger zu leben, zu arbeiten und sich dort zurechtzufinden.

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3.3.3 Interkulturelle Kompetenz als Prozess Auf meine Frage nach den Teilfähigkeiten und Eigenschaften der interkulturellen Kompetenz – in Bezug auf meine zweite Vorannahme – haben die Experten zwar Teilkompetenzen und Eigenschaften wie eigenkulturelles und fremdkulturelles Wissen, Fremdsprachenkenntnisse, Kommunikationsfähigkeit, Lernfähigkeit, Offenheit, Toleranz, Selbstständigkeit, Eigeninitiative, Teamfähigkeit und Synergiefähigkeit als wichtige Elemente genannt und zugleich die Bedeutung dieser Teilkompetenzen und Eigenschaften für die interkulturelle Zusammenarbeit unterstrichen. Aber zugleich hoben sie hervor, dass interkulturelle Kompetenz nicht einfach da sei, sondern sich in einem offenen Prozess entwickle. Ein Experte drückte sich so aus: „Deswegen würde ich sagen, dass die interkulturelle Kompetenz kein fertiges Produkt ist. Somit kann man auch schwer definieren, was alles dazu gehört. Es ist vielmehr ein Lernprozess“ (Herr Z., chinesischer Geschäftsführer eines deutschen Elektrokonzerns). Auch viele andere Interviewpartner unterstreichen, dass interkulturelle Kompetenz nur als ein Prozess des permanenten Lernens verstanden werden könne, der zudem immer ereignis-offen und nie abgeschlossen sei. „Es ist ein Prozess des permanenten Lernens. Denn die fremde Kultur wie auch die eigene Kultur bleiben nicht stehen, sondern entwickeln sich ständig. Wenn man eine Kultur richtig kennen lernen möchte, muss man, ich nehme nun einen populären Slogan, „mit der Zeit gehen“ (Herr E., chinesischer Bereichsleiter einer deutschen Organisation). Die Interviews machen die Prozesshaftigkeit deutlich. Des Weiteren weisen einige Experten darauf hin, dass die Entwicklung interkultureller Kompetenz ein offener Prozess sei, der auch immer wieder von Rückschlägen begleitet sein werde. Diesen Prozess sehen sie auch als Prozess des Lernens: „Es ist ein Prozess von Lernen, Praktizieren, Reflektieren, Neues Ausprobieren. Es ist ein learning cycle“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Im Prozess zur Entwicklung interkultureller Kompetenz entwickle sich, so die Experten, die eigene Persönlichkeit: „Das Kennen lernen einer anderen Kultur bereichert meine eigenen Werte, so findet ein Entwicklungsprozess statt. Das heißt, ich bin nicht fest gefahren, ich bekomme Anregungen, nehme sie auch an und kann so meine eigene Persönlichkeit, meine eigene Kultur und meine interkulturelle Kompetenz weiter entwickeln“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation).

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3.3.3.1 Das multidimensionale Modell der interkulturellen Kompetenz Von den Experten wurde eine große Bandbreite von Aspekten und Teilkompetenzen erwähnt und näher geschildert, die man, wenn man dem Strukturmodell (vgl. Müller/Gelbrich 1999, 26f) folgen würde – den affektiven, kognitiven und konativen Komponenten zuordnen könnte. Nachdem ich diesen Versuch unternommen habe, eine solche Kategorisierung vorzunehmen, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Einteilung zu statisch ist und der Dynamik im Prozess des offenen Lernens, der von fast allen Experten als eine Kernkompetenz in der interkulturellen Berufspraxis hervorgehoben wurde, nicht Rechnung trägt. Fast alle interviewten Führungskräfte sehen den Weg zur interkulturellen Kompetenz als einen offenen praxisbegleitenden Prozess und als einen Prozess des permanenten Lernens. Weil ich diese Beobachtung teile, bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zuordnung dieser Teilkompetenzen und Eigenschaften nach den bekannten Standardmodellen für meinen Ansatz nicht sehr hilfreich ist. Ich verzichte deshalb darauf und versuche vielmehr, die interkulturelle Kompetenz in ihrer Prozesshaftigkeit, wie sie sich in den Interviews darstellt, zu beschreiben. Die Auseinandersetzung in den wissenschaftlichen Diskussionen über die Komponenten der interkulturellen Kompetenz verstellt sehr häufig den Blick für die Notwendigkeit, den Erwerb dieser Kompetenz als den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung zu betrachten. Nach der Durchführung der Experteninterviews, die für mich auch zu dem Prozess des interkulturellen Lernens gehört, kommt es mir nicht so sehr darauf an, die Faktoren voneinander abzugrenzen oder verschiedene Teilkompetenzen der interkulturellen Kompetenz genau zu definieren. Da die kulturelle Befindlichkeit in einer Gesellschaft kein Zustand, sondern ein mehr oder weniger dynamischer Prozess ist, können auch die Ergebnisse interkulturellen Lernens und Verhaltens nicht festgeschrieben werden. Sie sind eine Momentaufnahme, die sich immer neu präsentiert, weil wir als Lehrende und als Lernende in diesem dynamischen Prozess unserer eigenen Kultur eingebunden sind und diese Dynamik auch in den Verstehensprozess der interkulturellen Situation mit einbringen. Dieser offene Prozess des permanenten Lernens ist die angemessene Antwort auf die kulturelle Dynamik, die uns in der Begegnung der eigenen und mit der fremden Kultur davor bewahrt, dass aus Einschätzungen Vorurteile und aus notwendigen Grenzen Gräben werden.

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Im Kapitel 2.3 habe ich versucht, die interkulturelle Kompetenz als einen offenen Prozess, der im Ablauf des sich wiederholenden Zyklus von „Wissen-VerstehenHandeln“ zu fassen ist, zu betrachten. Das Modell „Wissen-Verstehen-Handeln“ geht als sequenzielle Arbeitshypothese davon aus, dass der Aneignung interkultureller Kompetenz Lernschritte zugrunde liegen, die zeitlich und inhaltlich aufeinander folgen und so schrittweise zur Verbesserung dieser Kompetenz und damit auch des angemessenen interkulturen Verhaltens und Handelns führen können. Das Problem dieses Ansatzes besteht darin, dass es auf einem eindimensionalen Denken aufbaut und die Erkenntnis außer Acht lässt, dass die Komplexität angemessenen interkulturellen Handelns diesem streng geordneten Modell nicht entspricht. Schon die Experteninterviews haben gezeigt, dass sich die Aneignung von Wissen, die Verarbeitung dieses Wissens in einem Prozess des Verstehens und das darauf aufbauende Handeln in der globalen Arbeitswelt sich nicht stringend nacheinander, sondern neben- und miteinander vollzieht und durch eine kognitive und affektive Mehrdimensionalität geprägt ist. Diese Einsicht führt dazu, dass der eindimensionale Ansatz nun zu einem mehrdimensionalen Modell erweitert werden kann. Die Prozesshaftigkeit und auch die Dynamik, die der Mehrdimensionalität in der Entwicklung der interkulturellen Kompetenz innewohnen, sollen am folgenden graphischen Modell verdeutlicht werden.

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Dieses Modell resümiert auch die Ergebnisse der Experteninterviews: Y tief handlungssicher

oberflächlich

Z

handlungsunsicher ethnozentrisch

X polyzentrisch/ ethnorelativiert

Abbildung 3: Das multidimensionale Modell der interkulturellen Kompetenz

Dieses dreidimensionale Diagramm geht dabei von folgenden Annahmen aus: 1) Es gibt einen Ansatz des interkulturellen Lernens, der von ethnozentrischem Denken und Verhalten zu einer polyzentrischen oder zumindest ethnorelativen Einstellung gegenüber fremden Kulturen führt. Diese Entwicklung, die ganz wesentlich von der positiven Begegnung mit der „anderen“ Kultur, mit der Überzeugungskraft und der Integrität der Repräsentanten dieser Kultur abhängt, beeinflusst die Güte und die Qualität der interkulturellen Kommunikation und Zusammenarbeit ganz wesentlich. Ob und wie weit dabei aus Ablehnung oder Gleichgültigkeit Wertschätzung werden kann, hängt auch stark von dem Umfeld ab, in dem die interkulturelle Begegnung stattfindet und welche Bedeutung diese bewusste Entscheidung für die persönliche Entwicklung hat. Wir denken uns diesen Weg auf der X-Achse des Modells. Wie an dem Modell abzulesen ist, sind wir mehr oder weniger von unserer eigenen Kultur gefangen, auch wenn der Ethnorelativismus bei uns hoch entwickelt ist. Mit anderen Worten: Auch der Ethnorelativismus ist relativ.

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2) Es gibt einen Pfad des interkulturellen Lernens, der vom unbewussten zum bewussten und gleichzeitig vom oberflächlichen zum tieferen Verständnis der fremden Kulturen und zugleich auch der eigenen Kultur führt. Wir nennen den Weg von Kenntnissen der Oberflächenstruktur zur Tiefenstruktur der Kulturen und vom Wissen zum Verstehen die Y-Achse. 3) Während der Entwicklung der interkulturellen Kompetenz gibt es einen Prozess vom unproduktiven, unsicheren und unadäquaten Verhalten zum sicheren, adäquaten, und produktiven interkulturellen Verhalten. Dieser Weg kann die Effizienz der interkulturellen Kommunikation und der interkulturellen Zusammenarbeit erheblich verbessern. Diesen Prozess denken wir uns auf der ZAchse. Wenn wir nun eine Momentaufnahme der interkulturellen Kompetenz eines Einzelnen in unserem Modell festhalten wollen, dann müssen wir auf den drei beschriebenen Achsen unsere jetzige Entwicklung auf einer bewusst offenen Skala festhalten. Was dabei entsteht ist ein Quader der interkulturellen Kompetenz, der je nach Entwicklungsstand kleiner oder größer sein kann (siehe Abb. 4).

Z Y Handlungssicher Tief

Oberflächlich

Handlungsunsicher Ethnozentrisch

Abbildung 4: Momentaufnahme der interkulturellen Kompetenz

X Ethnorelativiert

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Dieser Quader der interkulturellen Kompetenz verändert ständig sein Volumen. Er kann wachsen oder er kann in diesem offenen Prozess auch schrumpfen, weil man interkulturelle Kompetenz eben nicht konservieren kann. Wir müssen uns, bei aller Wichtigkeit der Erkenntnisse, die durch die X-Achse, die Y-Achse und die Z-Achse beschrieben sind, im Klaren darüber sein, dass die Reproduzierbarkeit des Wissens und die erlernten Verhaltensweisen nur dann zum Erfolg führen, wenn sie jederzeit an der sich ständig verändernden interkulturellen Wirklichkeit angepasst werden können. Deshalb ist das Plädoyer für ein prozesshaftes Verständnis der interkulturellen Kompetenz zugleich auch eine Verpflichtung zum lebenslangen Lernen. Um die logische Schlüssigkeit dieses Modells zu untermauern, sollen für jede Dimension Beispiele für den Grenzfall beschrieben werden: Ethnozentrische Orintierung: In den Interviews wurde berichtet, dass es Menschen gebe, die zwar viel über eine fremde Kultur wissen und aufgrund dieses Wissens auch scheinbar interkulturell handeln könnten, in Wirklichkeit aber diese Kultur ablehnten. Die Konsequenz dieses Verhaltens ist eindeutig negativ, weil die dominierenden Vorurteile gegenüber der fremden Kultur dazu führen, dass die durchaus vorhandenen Teilkompetenzen in der Begegnung mit einer anderen Kultur keine Relevanz mehr haben. Unkritische Orientierung: Einige Gesprächspartner wiesen darauf hin, dass sie Menschen begegnet seien, die zwar wenig über eine fremde Kultur wüssten, dennoch aber eine völlig unkritische Zuneigung zu dieser Kultur entwickelt hätten und deshalb mit großer Toleranz und Respekt mit Menschen aus dieser Kultur umgingen. Diese Haltung gibt Anlass zu berechtigter Hoffnung, weil diese Menschen in dem Wunsch, ihre Zuneigung zu festigen, durchaus bereit sind, sich Wissen über die fremde Kultur anzueignen. Kognitionszentrierte Orientierung: Nach Meinung der Experten hätten einige Menschen zwar sehr viel theoretisches Wissen über eine fremde Kultur und verbinden dieses auch mit einer deutlichen Affinität zu dieser Kultur, zeichnen sich allerdings gleichzeitig auch durch mangelnde soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit aus. Diese Menschen, die den Schritt vom Buchwissen zur persönlichen Begegnung mit Menschen aus einer anderen Kultur scheuen, sind für die interkulturelle Praxis nur geringfügig geeignet.

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Die wichtigen Fähigkeiten und Eigenschaften im Prozess zur interkulturellen Kompetenz, die von den Interviewpartnern hervorgehoben wurden, lassen sich wie folgt zuordnen: X-Dimension – Fähigkeiten und Eigenschaften, die vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit führen: Positive Grundeinstellung, Distanz zu der eigenen Kultur, Offenheit, Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Toleranz, Respekt/Wertschätzung, Multiperspektivität/Perspektivwechsel. Y-Dimension – Wissen und Verstehen der eigenen und fremden Kultur: Wissen über die eigene Kultur, Wissen über die fremde Kultur, Wissen über beide Kulturen, Wissen über die interkulturelle Kommunikation, vom Wissen zum Verstehen, Denkfähigkeit, Selbstreflexion. Z-Dimension – Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur interkulturellen Handlungskompetenz führen: Anpassungsfähigkeit, Authentizität, Flexibilität, Teamfähigkeit, selbstständiges Handeln und handlungsbezogenes Verantwortungsbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit und Metakommunikationsfähigkeit, Sprachenkompetenz, Vermittlungskompetenz, die Suche nach Gemeinsamkeiten, Synergiefähigkeit. Auch bei der dreidimensionalen Betrachtungsweise muss darauf hingewiesen werden, dass die Zuordnung dieser wichtigen Fähigkeiten und Eigenschaften in dem Wissen erfolgt, dass es inhaltliche Bereiche dieser Aspekte gibt, die auch den anderen Dimensionen zugeordnet werden könnten. Im Zweifelsfall erfolgt die Entscheidung unter der Fragestellung, welchem Bereich die Inhalte der einzelnen Fähigkeiten und Eigenschaften überwiegend zugeordnet werden können. Die von den chinesischen Experten genannten Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur interkulturellen Kompetenz führen, könnten wie folgt den drei Dimensionen zugeordnet werden:

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Die chinesischen Experten

D Q L X C F

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Y Z R E

→X:Vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit Positive Grundeinstellung

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Distanz zu der eigenen Kultur, Ethnorelativität Offenheit

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Sensibilität und Einfühlungsvermögen

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Toleranz

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Respekt, Wertschätzung

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Multiperspektivität, Perspektivwechsel

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→Y:Wissen u.Verstehen der eigen. u. fremd. Kultur Wissen über die eigene Kultur

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Wissen über die fremde Kultur

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Wissen über die eigene und die fremde Kultur

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Wissen über die interkulturelle Kommunikation

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Vom Wissen zum Verstehen

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Denkfähigkeit, Selbstreflexion

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→Z:Interkulturelle Handlungskompetenz Anpassungsfähigkeit

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Authentizität Flexibilität

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Teamfähigkeit

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Selbst. Handeln u.handlungsbez.Verantwortungsbewusstsein

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Kommunikationsfähigkeit

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Sprachkompetenz

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Vermittlungskompetenz

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Suche nach Gemeinsamkeiten

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Synergiefähigkeit

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Abbildung 5: Die von den chinesischen Experten genannten Fähigkeiten und Eigenschaften zur Entwicklung interkultureller Kompetenz

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Die von den deutschen Experten genannten Fähigkeiten und Eigenschaften im Prozess der Entwicklung interkultureller Kompetenz sind: Die deutschen Experten

H M N W S T I

→X:Vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit Positive Grundeinstellung

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Distanz zu der eigenen Kultur, Ethnorelativität

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Offenheit

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Sensibilität und Einfühlungsvermögen

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Multiperspektivität, Perspektivwechsel

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O G P

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→Y:Wissen u.Verstehen der eigen. u. fremd. Kultur Wissen über die eigene Kultur

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Wissen über die eigene und die fremde Kultur

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Denkfähigkeit, Selbstreflexion

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→Z:Interkulturelle Handlungskompetenz Anpassungsfähigkeit

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Abbildung 6: Die von den deutschen Experten genannten Fähigkeiten und Eigenschaften zur Entwicklung interkultureller Kompetenz

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Stellt man die Aussagen der chinesischen und deutschen Experten gegenüber, so fällt auf, dass die genannten Fähigkeiten und Eigenschaften, die den Prozess zur Entwicklung interkultureller Kompetenz fördern, zwischen der chinesischen und deutschen Seite große Übereinstimmungen zeigen. Anzahl der chin. Experten

Anzahl der dt. Experten

→X: Vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit Positive Grundeinstellung

6

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Distanz zu der eigenen Kultur, Ethnorelativität

4

4

Offenheit

7

9

Sensibilität und Einfühlungsvermögen

8

6

Toleranz

6

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Respekt, Wertschätzung

5

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Multiperspektivität

6

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Wissen über die eigene Kultur

10

9

Wissen über die fremde Kultur

10

10

Wissen über die eigene und die fremde Kultur

10

9

Wissen über die interkulturelle Kommunikation

2

2

Vom Wissen zum Verstehen

9

7

Denkfähigkeit, Selbstreflexion

4

3

→Y:Wissen u.Verstehen der eigen. u. fremd. Kultur

→Z:Interkulturelle Handlungskompetenz Anpassungsfähigkeit

5

7

Authentizität

0

3

Flexibilität

4

4

Teamfähigkeit

6

5

Selbst. Handeln u. handl.bez.Verantwortungsbewussts.

5

4

Kommunikationsfähigkeit

10

10

Sprachenkompetenz

10

10

Vermittlungskompetenz

8

7

Suche nach Gemeinsamkeiten

6

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Synergiefähigkeit

4

2

Abbildung 7: Fähigkeiten und Eigenschaften zur Entwicklung interkultureller Kompetenz – chinesisch-deutscher Vergleich

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Aufgrund dieser großen Übereinstimmung werde ich bei der Interpretation keinen weiteren Vergleich zwischen den chinesischen und den deutschen Experten anstellen. Dennoch soll hier noch einmal auf einen besonders auffälligen Unterschied hingewiesen werden. Drei deutsche Experten unterstreichen, dass man bei allen Anstrengungen, sich einer anderen Kultur anzupassen, auch authentisch bleiben sollte, während dieser Aspekt von keinem chinesischen Experten explizite erwähnt wird. Allerdings haben alle chinesischen Experten betont, dass man sich in der eigenen Kultur auskennen solle und die eigenkulturelle Identität nicht verlieren solle. 3.3.3.2 Fähigkeiten und Eigenschaften, die vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit führen Wenn die These von der Prozesshaftigkeit des interkulturellen Lernens Bestand haben soll, dann muss sie auch für die Fähigkeiten und Eigenschaften gelten, die dieses Lernen begleiten. Daher ist es mir besonders wichtig, die von den Experten als unentbehrlich beschriebenen Fähigkeiten und Eigenschaften, nämlich positive Einstellung, Differenziertheit, Sensibilität, Einfühlung, Toleranz, Respekt und Multiperspektivität unter dieser Fragestellung zu betrachten. Positive Grundeinstellung Viele Befragte unterstrichen die positive Grundeinstellung gegenüber der fremden Kultur als wichtige Voraussetzung zur Entwicklung interkultureller Kompetenz. Sie akzentuierten die Notwendigkeit des ethnorelativen Denkens und die Bereitschaft, die fremde Kultur so zu nehmen, wie sie ist und sie zu verstehen. Wichtig sei auch die Akzeptanz der Andersartigkeit einer anderen Kultur verbunden mit einer unvoreingenommenen Neugier darauf. „Ich kann China nur verstehen, wenn ich China grundsätzlich mag und auch eine positive Einstellung zu dem Land hab. […] Unsere ganze Arbeit wäre erfolglos gewesen, wenn es uns nicht vorab gelungen wäre, eine Wertschätzung oder eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation), stellte ein deutscher Experte fest und ein anderer unterstrich diese Bemerkung nachdrücklich: Die positive Grundeinstellung gegenüber der fremden Kultur helfe auch dabei, in einem kulturell fremden Umfeld neue Kontakte zu knüpfen, ein positives Kommunikationsklima zu schaffen und besser mit Schwierigkeiten und kritischen Situationen umzugehen. „Zu dieser positiven Einstellung gehört auch, dass man bei der Zusammenarbeit das Positive bei dem Partner aus einer anderen Kultur sieht und dieses Positive

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für die Zusammenarbeit nutzt“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Zur interkulturellen Kompetenz gehöre nach Meinung der Experten auch die Motivation, dass man gerne in einer ausländischen Firma arbeite und gegebenenfalls auch bereit sei, für längere Zeit im Ausland zu leben und zu arbeiten. Diese positive Einstellung habe zur Folge, dass man gegenüber der fremden Kultur offen und auch lernbereit bleibe, was sich wiederum positiv auf die Weiterentwicklung interkultureller Kompetenz auswirke. Als Voraussetzung für eine positive Haltung gegenüber der fremden Kultur gilt für viele Experten eine positive Einstellung gegenüber der eigenen Kultur. Dies sei umso wichtiger, als viele Chinesen, vor allem viele Jugendliche, alles, was vom Westen kommt, als modern und fortschrittlich ansehen. Von solchen Chinesen werde die chinesische Eigenkultur nicht selten als „veraltet“, „altmodisch“ und „nicht auf dem internationalen Stand“ kritisiert. „Zudem finde ich sehr wichtig, dass man der eigenen Kultur gegenüber positiv eingestellt ist. Wenn dies nicht der Fall ist, kann man nicht von interkultureller Kompetenz reden“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens), hob ein chinesischer Experte hervor und machte damit noch einmal deutlich, dass zur interkulturellen Kompetenz gehört, dass man sowohl der eigenen als auch der fremden Kultur gegenüber positiv eingestellt ist. Das erste schließt das letztere nicht aus, sondern beide Faktoren fördern einander. Distanz zu der eigenen Kultur und Ethnorelativität Viele befragte Experten konstatierten, dass die Fähigkeit zu einer differenzierten Betrachtung der eigenen Kultur und auch die Einsicht in die Begrenztheit derselben wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung der eigenen interkulturellen Kompetenz darstellten. „Wenn man die eigene Kultur als überlegen erlebt, dann ist es kein Wunder, dass man arrogant wird und die eigene Vorstellungswelt für die einzig Richtige hält“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). So äußerte sich einer der Gesprächspartner und wurde dabei von einem anderen Interviewpartner nachdrücklich unterstützt: „Wir dürfen aufgrund unserer kulturellen Herkunft keinerlei Überheblichkeit zeigen. Nicht der oder der andere, oder nur einer, hat sich an den anderen anzupassen, sondern in der Zusammenarbeit müssen wir im Grunde gleichermaßen sensibel sein, Respekt zueinander haben, authentisch bleiben, uns nicht zurücknehmen und unterwerfen oder über den anderen erheben, sondern bereit sein, die

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bestimmten Unterschiedlichkeiten zu akzeptieren und zwar wertfrei“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Nach den Experten sei es in der interkulturellen Zusammenarbeit von großer Bedeutung, dass man die eigene Denk- und Verhaltensweise nicht als die einzige beste Möglichkeit sehe, sondern für andere Lebensformen offen bleibe. „Wir sagen oft, man sollte nicht die Denk- und Verhaltensweise in der eigenen Kultur als ‘the only best way’ betrachten. Man muss ja einsehen, dass es andere Lebensweisen, andere gute Ideen gibt auf der Welt. Wenn man nicht offen ist, lehnt man das Neue dann ab“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Der Ethnozentrismus beschreibt meines Erachtens zunächst nur eine Haltung und das Ergebnis der Entwicklung der meisten Menschen, die in eine bestimmte Kultur hineingeboren und von ihr nachhaltig geprägt werden. Der Weg zur Ethnorelativität in der Begegnung einer anderen Kultur wird deshalb ein Prozess sein müssen und bleiben, in dem wir immer wieder auf unser ethnozentrisches Denken und Verhalten zurückgeworfen werden. Entscheidend ist, dass wir uns dessen bewusst sind und lernen, damit so umzugehen, dass wir auf dem Weg zur Ethnorelativität vorankommen. Offenheit Nach Meinung der meisten Experten ist Offenheit ein integraler Bestandteil des interkulturellen Lernens. Damit wollen sie vor allem zum Ausdruck bringen, dass man sich bei der Begegnung mit Menschen aus einer anderen Kultur nicht von Vorurteilen und Klischees leiten lassen, sondern den ungetrübten Blick für das Miteinander mit einer anderen Kultur offen halten solle. So konstatierte z.B. ein deutscher Manager: „Eine gewisse Bereitschaft zu einer solchen Kompetenz muss einfach da sein. Das muss in dem Charakter eines Menschen irgendwo festgelegt sein. Denn Sie können so gut trainieren, wie Sie wollen. Aber wenn einer ein überzeugter Rassist ist, werden Sie ihm das nicht abgewöhnen können. Wenn jemand aber erstmal einen Grundcharakter hat, wenn er ja unvoreingenommen auf andere Leute und Kultur zugeht und bereit ist, dort erst mal zuzuhören, anzusehen, sich selbst erst mal zurückzunehmen, was Aussprechen von Ratschlägen und so angeht, wenn diese Grundeinstellungen da sind, dann kann man sehr viel machen in punkto Training. Denn dann kann man diese Menschen sensibilisieren“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesisch-deutschen Joint-Ventures).

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Diese Haltung habe nach Meinung der Experten zur Folge, dass man sich für eine andere Kultur interessiere und Toleranz und Verständnis für sie mitbringe. „Es ist ganz wichtig, dass ich offen bin, für Neues, für Fremdes. Dass ich Interesse habe, und die Toleranz besitze, mich anderen vorurteilsfrei zu nähern.[…] Diese Offenheit, dieses Interesse, finde ich sehr wichtig. Vieles kommt dann von ganz allein“ (Herr N., deutscher Leiter eines deutschen öffentlich-rechtlichen Institutes in China). Die damit verbundene Aussage der Experten, dass auch die Offenheit des Partners in der interkulturellen Zusammenarbeit unverzichtbar sei, bestätigt erneut das Argument, dass die interkulturelle Kompetenz auf beiden Seiten vorhanden sein müsse. „Natürlich können die Offenheit, die Kommunikation und die Auseinandersetzung nur dann etwas bewirken, wenn ich auch auf aufgeschlossene Menschen und Partner treffe. Nur durch diese Offenheit und Aufgeschlossenheit ist ein Austausch möglich, um sich so stetig weiterzuentwickeln“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation). Da diese Offenheit auch eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg interkultureller Zusammenarbeit darstelle, bewerteten die Experten sie als Qualifikationsmerkmal: „Für die Arbeit sind diejenigen besser geeignet, die offen und extrovertiert sind, weil solche Menschen besser mit anderen umgehen können und weniger Hemmungen und kein Lampenfieber haben. Sie gehen gerne mit Menschen um, was für unsere Arbeit wichtig ist“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Gleichzeitig wurde von den Experten logischerweise auch hervorgehoben, dass das Fehlen der Offenheit, die damit verbundene Engstirnigkeit und der Ethnozentrismus die interkulturelle Zusammenarbeit sehr beeinträchtigen könnten. In engem Zusammenhang mit der Offenheit für eine andere Kultur stehen die Neugierde und die Lernbereitschaft. Diese Haltung bezögen sich nach Meinung der Experten nicht nur auf eine positive Einstellung einzelner, sondern auch auf ein partnerschaftliches Miteinander, indem man Probleme offen ansprechen und auch über Schwierigkeiten reden könne. Ein Experte findet es z.B. wichtig, „dass die chinesische und die deutsche Seite regelmäßig miteinander kommunizieren. Man sollte offen sein und die Probleme auf den Tisch legen“ (Herr E., chinesischer Bereichsleiter einer deutschen Organisation). Dieses Argument wurde auch von Aussagen anderer Experten unterstützt.

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Sensibilität und Einfühlungsvermögen Von gleicher Bedeutung wie die Offenheit einer anderen Kultur gegenüber sei, nach Aussagen einiger Experten, auch die Fähigkeit, für die Andersartigkeit der anderen Kultur und die Besonderheiten der interkulturellen Situationen sensibel zu sein. Bei dieser Sensibilität gehe es zunächst darum, „eine andere Kultur in ihrer Andersartigkeit zunächst überhaupt mal wahrzunehmen“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Diese Sensibilität sei auch insoweit wichtig, als dass die Kulturen selbst kein Zustand, sondern ein dynamischer Prozess seien. Mit der Auffassung, dass man Kulturen konservieren könne, so wurde von einigen Experten unterstrichen, komme man in der interkulturellen Zusammenarbeit nicht weiter. Man solle vielmehr auf neue Entwicklungen und Veränderungen sensibel reagieren. „Das Land, die Kultur, die Sprache verändern sich und alle diesen Veränderungen, die in einem Land stattfinden, sollte man auch wahrnehmen, um sie zu bewerten und somit auch konstruktiv begleiten zu können“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation). Unter Sensibilität wurde in diesem Kontext auch verstanden, dass man Probleme in der interkulturellen Kooperation rechtzeitig wahrnehme, was wiederum eine notwendige Voraussetzung sei, rechtzeitig zu reagieren. In der sprachlichen Kommunikation bedeutet es, dass man ein Fingerspitzengefühl haben und vorsichtig mit der Wortwahl umgehen solle, weil „die verbale Kommunikation in der interkulturellen Zusammenarbeit eine entscheidende Rolle spielt: Sie kann die Zusammenarbeit sehr negativ aber auch sehr positiv beeinflussen“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). Man müsse richtig einschätzen können, wie die sprachlichen Formulierungen bei dem jeweils anderen Partner ankommen, was vor allem für die Dolmetscher und Kulturmittler, die eine wesentliche Rolle in der interkulturellen Zusammenarbeit spielen, ein wichtiges Qualifikationsmerkmal sei. Fingerspitzengefühl braucht man auch dann, wenn man Partner aus zwei verschiedenen Kulturen zusammenbringen möchte. Man müsse sich darüber im Klaren sein, was für welchen Partner von entscheidender Bedeutung sei. Um Konflikte zwischen Partnern aus verschiedenen Kulturen vermeiden oder schlichten zu können, solle man erkennen, wo die interkulturellen Probleme liegen, damit man die Situation richtig einschätzen und Lösungsansätze vorschlagen könne. Diese Art von Sensibilität kann man nicht in oberflächlichen Bedienungsanleitungen für

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richtiges kulturelles Verhalten finden. Man müsse sie sich immer wieder neu erarbeiten. Das gleiche gelte auch für die Fähigkeit, Quellen von Missverständnissen im kulturellen Kontext ausfindig zu machen, zumal dies auch dazu beitrage, die Andersartigkeit nicht sofort als Unhöflichkeit und als mangelnden Respekt zu interpretieren. Eng verbunden mit der Fähigkeit, sich der fremden Kultur behutsam zu nähern und auf Menschen und Ereignisse sensibel zu reagieren, ist auch das Vermögen, sich in die Situation des interkulturellen Gegenübers hineinzuversetzen und die eigene Position so weit zurückzunehmen, dass ein echter Dialog entstehen kann. Auch wenn nur wenige Experten diesen Punkt explizit erwähnt haben, erscheint er mir wichtig genug, um in diesem Zusammenhang auf ihn hinzuweisen. Toleranz Bevor ich die Experteninterviews durchführte, war ich über die Verwendung des Begriffes Toleranz im Kontext meiner Fragestellung unschlüssig, weil die undifferenzierte Forderung nach Toleranz nach meinem Verständnis Bewertungen zur Folge hat. Diese Bewertungen könnten zu einer Ungleichberechtigung der eigenen und der fremden Kultur führen und eine Machtverteilung zwischen den Kulturen signalisieren, die dem erweiterten Begriff von Kultur entgegenläuft. Ich zog es daher vor, Begriffe wie „Offenheit“, „Flexibilität“ und „interkulturelle Wertschätzung“ zu benutzen und war der Ansicht, dass das Positive, das man mit dem Begriff „Toleranz“ verbindet, sich besser und treffender durch die letzteren Begriffe ausdrücken ließ. Allerdings wurde der Begriff „Toleranz“ von den meisten Experten so stark hervorgehoben, dass eine Beschäftigung mit ihm in diesem Zusammenhang notwendig ist. Viele Interviewpartner sahen Toleranz als sehr wichtige Voraussetzung für interkulturelle Kompetenz an. Man müsse respektieren, so die Experten, dass andere Menschen und andere Völker andere Denkweisen und auch andere Wertvorstellung hätten und daher auch anders reagierten und agierten. „Man muss die Offenheit haben, etwas anderes als andersartig zu akzeptieren. Also nicht zu sagen, dass ist anders, das ist schlecht, sondern zunächst mal verstehen, dass es anders ist, warum es anders ist. Nicht zu bewerten und beurteilen, sondern die Andersartigkeit zunächst mal zu akzeptieren“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens).

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Ein chinesischer Experte ging sogar so weit, dass er nicht nur die Forderung nach Akzeptanz, sondern auch nach Anpassung an die fremde Kultur stellte: „Denn wenn man tolerant ist, kann man eine Fremdkultur besser verstehen und die Gefahr ist kleiner, dass man ins Extrem geht. Wenn man der Fremdkultur gegenüber tolerant ist, ist man dann bereit, sich anzupassen“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Wichtige Hinweise gaben die Experten auch, wenn es um das Verständnis geht, dass es oft Verhaltenweisen gebe, die in einer Kultur zwar als normal, in einer anderen aber als unangemessen empfunden würden. Häufig ist die Andersartigkeit einer anderen Kultur eine Quelle von Missverständnissen. Die ausgewählten Führungskräfte sahen Toleranz als eine wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit an und waren der Meinung, dass man verstehen müsse, dass wir einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund hätten und dass unsere Lebensweisen sich voneinander unterschieden. Sie wiesen darauf hin, dass anderen Lebensweisen andere Denkweisen zugrunde lägen. Man müsse einander respektieren und tolerieren. Wenn man tolerant sei, könne man auch trotz sprachlicher Barrieren in der interkulturellen Kommunikation zurechtkommen. Im Gegensatz dazu sei es schwer, interkulturelle Kompetenz aufzubauen, wenn man nur auf seine eigenen Wertvorstellungen fixiert sei. Wenn man die Andersartigkeit des interkulturellen Gegenübers nicht toleriere, könne die Zusammenarbeit nicht langfristig funktionieren. In diesem Zusammenhang betonte ein Experte, dass Toleranz eine Bringschuld und keine Holschuld sei: „Man muss das selber bringen. Man darf sich nicht hinsetzen und sagen, jetzt warte ich darauf, dass er auf mich zukommt. Auch da muss man den Studenten vermitteln, dass es eine Frage der Eigeninitiative ist. Interkulturelle Kompetenz zeigt sich auch daran, dass man selber in der Lage ist, auf andere zuzugehen und nicht wartet, bis man abgeholt wird“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Ich schließe mich der Expertenmeinung an, dass Toleranz auch eine Reife der Persönlichkeit voraussetze und emotionale Stabilität verlange: „Eine emotional stabile Persönlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie eben anderen Personen gegenüber neutral reagiert und mit Respekt begegnet, die Werte in einer anderen Person schätzt und dieses auch zum Ausdruck bringt“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens).

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Wenn man interkulturelle Kompetenz als Prozess sieht, ist die Feststellung folgerichtig, dass Toleranz keine Gabe ist, die man in die Wiege gelegt bekommt, sondern ein Verhalten ist, das den Reifeprozess eines Menschen begleitet. „Ich glaube, wer diesen Reifegrad nicht hat, wer emotional nicht stabil ist und immer wieder dazu neigt, andere abzuwerten, um selber sein kleines eigenes Ego aufzuwerten, würde dieses Maß an Toleranz und diese Aspekte der interkulturellen Kompetenz nicht erwerben können“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Die Tatsache, dass die Experten ihre Überzeugung zum Ausdruck brachten, dass Toleranz keine Hierarchisierung von Kulturen impliziere, sondern einen positiven Reifungsprozess im Miteinander der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen beschreibe, hilft mir, Toleranz als einen wichtigen Bestandteil der interkulturellen Kompetenz in meine weiteren Überlegungen einzubeziehen. Respekt Viele meiner Gesprächspartner bewerteten den Respekt vor dem Anderssein einer anderen Kultur als wichtige Grundlage interkultureller Zusammenarbeit. Deshalb beeinträchtige nach ihrer Meinung das Fehlen dieses Respekts die Zusammenarbeit ganz wesentlich. Wenn man die Kultur der anderen respektiert, so die Experten, falle es einem leichter, Gemeinsamkeiten zu finden und die Interessen beider Seiten angemessen zu berücksichtigen. „Ich habe für mich folgendes Maximum formuliert, mit dem ich auch recht gut durch die Trainings kam und dadurch auch Akzeptanz erreichen konnte. Als erstes kommt der Respekt. Respekt gegenüber dem Kulturkreis, in dem ich ja Gast war, und den ich nicht in Frage stellen sollte“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). In diesem Zusammenhang maßen viele Experten der Fremdsprachenkompetenz große Bedeutung bei. Denn schon der Versuch, in der Sprache des Partners zu kommunizieren, sei eine Form, diesem Respekt zu erweisen. Die Interviews zeigen, dass man den Respekt vor den Gepflogenheiten niemals unterschätzen darf. Denn häufig führten Verletzungen kulturell geprägter Spielregeln schon am Anfang der Begegnung zu einem falschen Bild der Persönlichkeit des Partners. Nach meinem Verständnis baut Respekt auf Toleranz und interkulturellem Verstehen auf. Man kann nur respektieren, was man versteht und toleriert. Während Toleranz eben gerade nicht wertend sein sollte, bedeutet „vor jemandem Respekt zeigen“ sehr wohl eine Wertung, die mit der Anerkennung einer Haltung oder

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Leistung verbunden ist. Meines Erachtens ist der Weg von der Toleranz zum Respekt ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der interkulturell kompetenten Persönlichkeit. Multiperspektivität, Perspektivwechsel Von einigen der ausgewählten Führungskräfte wurde die Notwendigkeit des Perspektivwechsels unterstrichen. Es sei wichtig, die eigene und die fremde Kultur sowohl in der Innen- als auch in der Außenperspektive zu betrachten und sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Dies bedeute, „die Dinge nicht nur aus der einen Sicht, sondern auch aus der Sicht des anderen zu sehen und zu interpretieren“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität). Dieser Perspektivwechsel trägt wesentlich dazu bei, den Weg vom Ethnozentrismus zu immer größerer Ethnorelativität erfolgreich zu gehen. Dies bestätigt ein chinesischer Experte: „Ich habe also aus dem Kulturschock Wissensbegierde gemacht. Ich habe versucht, die verschiedenen Phänomene in der deutschen Gesellschaft wahrzunehmen und sie zu verstehen. Vor allem habe ich versucht, die Wertvorstellungen, die dahinter stecken, zu erforschen und zu verstehen. Wie gesagt, das war ein Prozess, ein Prozess der Umorientierung und auch ein Prozess, in dem ich die fremde Kultur und auch die eigene Kultur aus einem neuen Blickwinkel wieder betrachtet und kennen gelernt habe“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). Viele Aspekte könne man, so die Experten, selbst nicht sehen, wenn man in der eigenen Kultur fest verhaftet sei und keine oder nur geringe interkulturelle Erfahrungen habe. Wenn man aber den eigenen Kulturraum verlasse und den Außenblick habe, nehme man vieles in der eigenen Kultur wahr, was man früher gar nicht gesehen habe. Diesen neu gewonnenen Blickwinkel beschrieben die Experten als ein außerordentlich hilfreiches Instrument zur Entwicklung interkultureller Kompetenz. Perspektivenwechsel bedeute, dass man die eigene Kultur differenziert betrachte und sich von eigenkulturellen Phänomenen durchaus distanzieren könne. Eine Expertin ging sogar weiter und behauptete: „Das nächste ist, dass man Distanz hat, zu der eigenen Person, also das eigene Wertsystem und die eigene Identität, damit auch zumindest, in Frage stellen und relativieren kann. Auch das ist ein Prozess, den man lernen kann, auch wenn er schwer fällt. Weil, in der Situation, wenn ich zu schnell eine andere Meinung annehme, dann verliere ich meine eigene Identität; wenn ich aber zu stark auf

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meiner eigenen Identität beharre, dann habe ich keine richtige Möglichkeit, die anderen zu verstehen“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Auch wenn diese Position sehr weitgehend ist, macht sie doch noch einmal deutlich, dass es zwar keine „goldene Regel“ auf dem Weg zur interkulturellen Kompetenz gibt, aber auch keine Alternative dazu, als sich mit Offenheit und Toleranz auf den Weg zu machen und mit Hilfe des Perspektivwechsels eine neue Dimension des Wissens und Verstehens zu erschließen. 3.3.3.3 Die Wechselwirkung von Wissen und Verstehen der eigenen und fremden Kultur Das vorherige Kapitel beschreibt die Fähigkeiten und Eigenschaften, die vom Ethnozentrismus zum Ehtnorelativismus führen, damit die X-Achse des multidimensionalen Modells der interkulturellen Kompetenz. Die Y-Achse beschreibt das Wissen und Verstehen der eigenen und der fremden Kultur als weitere wesentliche Dimension im Prozess zur Erlangung interkultureller Kompetenz. Hierzu seien nach Ansicht der Experten insbesondere folgende Aspekte für diesen Prozess von großer Bedeutung: ¾ Wissen über die eigene Kultur ¾ Wissen über die fremde Kultur ¾ Wissen über die eigene und die fremde Kultur ¾ Wissen über die interkulturelle Kommunikation ¾ Vom Wissen zum Verstehen ¾ Denkfähigkeit und Selbstreflexion Wissen über die eigene Kultur Kenntnisse über die eigene Kultur seien für alle Experten ein zentraler Punkt. Viele sahen es als einen wichtigen ersten Schritt an, sich mit den eigenen Wertvorstellungen, der eigenen kulturellen Tradition, der Denkweise und den Verhaltensmustern auseinanderzusetzen, bevor man sich mit einer fremden Kultur beschäftige. Man sehe nämlich eine andere Kultur immer auf der Grundlage der eigenen Kultur, durch die sogenannte eigene „kulturelle Brille“, die sowohl mit Positivem, als auch mit Problemen belegt sein könne, was letztendlich auf die fremde Kultur übertragen werde. Um hier einen offenen Blick zu haben, sei die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur von großer Bedeutung.

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„Für uns Chinesen bedeutet es auch, dass wir einen Überblick über die Leitphilosophien wie Konfuzianismus und Taoismus haben sollten. Es stimmt schon, dass nicht alle Chinesen eine gründliche konfuzianische oder taoistische Erziehung haben. Aber die Grundideen des Konfuzianismus und Taoismus sind in unserer Gesellschaft tief ausgeprägt. Es ist nur vielen von uns nicht bewusst“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). Dieses Zitat zeigt, wie wichtig es ist, die eigenen kulturellen Sozialisationsbedingungen zu kennen. Man müsse, so ergänzen auch einige andere Experten, in der Lage sein, die eigene Kultur mit ihren Hintergründen dem anderen zu erklären. Denn sonst werde man in der interkulturellen Zusammenarbeit nicht ernst genommen und die Zusammenarbeit könne gar nicht erfolgreich gestaltet werden. „Wenn ein chinesischer Mitarbeiter sich mit der chinesischen Kultur nicht identifiziert, hat er große Schwierigkeiten, Erfolg in einem internationalen Unternehmen zu haben, vor allem wenn dieses Unternehmen in China tätig ist. Wenn man die eigene Kultur gut kennt, ist man eher in der Lage, sich in eine andere Kultur zu integrieren“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Viele der befragten chinesischen Experten wiesen darauf hin, dass die Tatsache, dass sie sich mit der chinesischen Kultur auskennen, eine große Stärke in der interkulturellen Zusammenarbeit darstelle. Das Wissen über China sei ein wichtiges Qualifikationsmerkmal für die Mitarbeiter der in China tätigen internationalen Unternehmen und könne wesentlich zum beruflichen Erfolg beitragen: Dies wurde von einem leitenden Mitarbeiter in einem deutsch-amerikanischen Automobilkonzern ebenso bestätigt wie von einer Personalmanagerin einer deutschen Organisation für internationale Zusammenarbeit: „In meiner beruflichen Entwicklung profitiere ich davon, dass ich den chinesischen Markt kenne. Die meisten deutschen Unternehmen legen großen Wert auf den chinesischen Markt und sind bereit, sich dem chinesischen Markt anzupassen. Sie brauchen Hilfe von den Chinesen, die den chinesischen Markt, das Konsumverhalten, die Konsumphilosophie der Chinesen bzw. auch Chinesen aus verschiedenen sozialen Schichten richtig kennen“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). „China ist so groß und die Menschen sind, je nach Regionen, bisherigen Arbeitsund Lebenserfahrungen etc. sehr unterschiedlich. Es gibt da zahlreiche Faktoren, die für ein bestimmtes Verhalten eine Rolle spielen könnten. Da können Chinesen, wenn sie China und die chinesische Kultur gut kennen, andere Chinesen besser einschätzen. Die Chinakenntnis und die auf China bezogene Menschenkenntnis sind entscheidend dafür, ob die Zusammenarbeit der Deutschen mit den

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chinesischen Partnern erfolgreich sein wird“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation). Viele Chinesen sind in der interkulturellen Zusammenarbeit als Vermittler tätig. Sie sind „Brückenbauer“ zwischen den Kulturen. Ihr Wissen über China sei das Fundament ihrer beruflichen Tätigkeiten. „Ja, wir arbeiten ja hier in China. Wenn man die eigene Kultur nicht kennt, kann man ja auch niemanden beraten und ihm helfen. Eine Grundvoraussetzung ist sicherlich, mit beiden Beinen in der eigenen Kultur zu stehen. Man kann selbst keine Brücke schlagen, wenn man selbst nicht eine stabile Grundlage hat“ (Herr O., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Serviceunternehmens in China). Nur wenn man die eigene Kultur in ihrer Komplexität bewusst wahrnehmen könne, sehe man auch die Besonderheiten in der anderen Kultur. Unser Blick werde so auch für die scheinbar unbedeutenden Nebensächlichkeiten geschärft. Viele ausgewählte Führungskräfte unterstrichen das Gewicht der kulturellen Identität. Wenn man die eigenkulturelle Identität aufgebe, gerate man in eine Identitätskrise, was die interkulturelle Zusammenarbeit sehr beeinträchtigen könne. Die eigene Kultur zu kennen bedeute nach Meinung einiger Experten auch, dass man sich mit den verschiedenen Facetten der Kultur beschäftigen müsse. „Also wenn ich den anderen eine Kultur erklären muss und didaktisch vorgehe, dann erstmal in großen Punkten, praktisch wie auf einer Landkarte die großen Wege und die großen Städte. Die kann man erst mal erklären. Wenn man aber mit den kleinen Städten anfängt, dann verwirrt man eigentlich die anderen. Aber im Grunde genommen besteht Kultur aus so vielen Straßen, die man alle irgendwie mal befahren muss, so dass es sehr differenziert ist. Und diese Differenziertheit kann man eigentlich bei der eigenen Kultur am besten nachvollziehen“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Nicht wenige Interviewte haben negative Erfahrungen mit den so genannten „Haigui“ gemacht, also mit den chinesischen Mitarbeitern, die lange Zeit im Ausland studiert hatten und nach dem Studium wieder nach China zurückkehrten. Diese könnten zwar mit der Sprache des Landes, in dem sie studiert hatten, sehr gut umgehen, ihre Chinakenntnisse seien aber veraltet. Sie seien zu lange im Ausland gewesen und das heutige China sei ihnen fremd geworden. Deshalb hätten sie auch oft große Schwierigkeiten, sich in China wieder zu integrieren. „Ich meine, diejenigen, auch wenn sie 5 oder 6 Jahre in Deutschland studiert haben, die sind nicht unbedingt gut geeignet für meine Arbeit. Denn der Grund für viele deutsche Institutionen und Unternehmen, die einen Chinesen einstellen, liegt nicht darin, dass der gut Deutsch kann, sondern dass er China gut kennt. Diejenigen, die direkt nach dem Studium arbeiten und vorher keine Berufserfahrung

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haben, kennen die verschiedenen Facetten der chinesischen Gesellschaft gar nicht, weil sie vorher keine Gelegenheit dafür hatten. Das ist dann ein großes Manko“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Wissen über die fremde Kultur Die befragten Experten betonten die Notwendigkeit, sich Wissen über die andere Kultur zu erwerben und sich mit den Besonderheiten des anderen Kulturraums vertraut zu machen. Dabei gehe es weniger um Daten und Fakten, die man sich aneignen kann, sondern vielmehr darum, sich mit den Hintergründen des kulturellen Andersseins auseinanderzusetzen. Ein Gesprächspartner zitierte den berühmten chinesischen Kriegsstratege Sunzi: „Wenn man sich selbst und den Gegner kennt, gewinnt man alle Schlachten“. Wenn man auch die Kultur des Partners kenne, so die Experten, könne man besser mit ihm umgehen und besser zwischen der eigenen Kultur und der fremden Kultur vermitteln. Sie konstatierten, dass es für den Erfolg in einem internationalen Unternehmen von entscheidender Bedeutung sei, dass man den kulturellen Hintergrund beider Seiten gut kenne. Man gewinne dann mehr Akzeptanz und mehr Autorität. „Um die deutschen Kollegen zu überzeugen, muss man dann wiederum die Deutschen und ihre Denkweise kennen. Das heißt, ich kann meinen deutschen Kollegen erklären, warum eine Marktstrategie in Deutschland Erfolg hat und warum sie in China nicht erfolgreich wäre. Erst wenn ich beide Seiten kenne, kann ich die jeweilige Seite überzeugen“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Die Ansicht, dass Wissen und Verstehen der fremden Kultur ein wichtiger Aspekt interkultureller Kompetenz ist, steht im Zentrum der Aussagen fast aller Experten. Ihrer Ansicht nach könne man Denkweise und Verhalten der Menschen aus einer anderen Kultur viel besser verstehen, wenn man die kulturellen Hintergründe kenne. Man könne dann auch viel besser antizipieren, was auf einen zukomme. Man könne auch Missverständnisse vermeiden und Konflikten vorbeugen, wenn man für kulturspezifische Aspekte sensibilisiert sei. Die Experten unterstrichen auch, dass man in der Tat auch von den Absolventen eines Sprachstudiums erwarte, dass sie „nicht nur die Sprache, sondern auch einen Teil der dahinter stehenden Kultur kennen“ und, „dass mehr Kenntnis über das jeweilige andere Land da ist“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China).

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Darüber hinaus wiesen viele Experten darauf hin, dass es sich bei Kulturwissen um ein breit gefächertes Wissen handle. Man solle eine fremde Kultur in ihren verschiedenen Facetten kennen, was bedeute, sowohl über die „main streams“ informiert zu sein, als auch die subkulturellen Trends zu kennen. “Ich finde es eigentlich ganz schön, dass man Zeit hat, sich mit so vielen „unnötigen Sachen“, in Anführungszeichen, zu beschäftigen von der anderen Kultur, die aber gar nicht unnötig sind, weil sie sich allmählich zu einem Bild der anderen Kultur zusammenfügen. Erst muss man vielleicht die großen Straßen erklären und dann hat man während des Studiums auch die kleinen Wege zu befahren“ (Frau T., deutsche Sinologin und Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Beim Erwerb des Wissens über eine fremde Kultur sei es nach Meinung vieler Interviewpartner nicht nur von Nöten, ein breites Oberflächenwissen zu haben, sondern auch die tiefer liegenden Schichten zu kennen. Bei aller Wichtigkeit des Wissens über eine fremde Kultur wiesen etliche befragte Führungskräfte auf die Gefahr einer Verallgemeinerung kultureller Ausprägungen hin, weil diese der interkulturellen Zusammenarbeit wenig dienlich seien. Ein weiterer gewichtiger Aspekt in den Interviews ist, dass man die fremde Kultur, wie die eigene, in ihrer Dynamik erfassen und verstehen müsse. Die Kultur unterliege einer permanenten Entwicklung, somit könne man Kulturwissen auch nicht konservieren. Das Kulturwissen müsse ständig aktualisiert werden und man müsse der kulturellen Dynamik gegenüber offen bleiben. Dies bestätigt wieder die Zentralthese der vorliegenden Arbeit, dass der Erwerb interkultureller Kompetenz als ein Prozess zu verstehen ist. „Deswegen ist es wichtig, dass man sich immer wieder prüft, ob man noch von der Wirklichkeit berichtet von dem Land, dessen Sprache man lehrt[…]. Der viel schwierigere Teil besteht darin, zu verstehen, was die Veränderungen, die im Moment in der Welt passieren, im wirtschaftlichen Bereich, der Globalisierung, die Veränderung im kommunikativen Prozess, also die Bedeutung des Internets, andere Informationsquellen, was diese Veränderungen bedeuten für die Kultur eines Landes. Dann sehen wir nicht mehr die äußeren Veränderungen, sondern schauen an, wie verändern sich die Menschen, die Strukturen und die Werte in einer Gesellschaft“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Wissen über die eigene und die fremde Kultur Viele interviewte Führungskräfte betonten, dass es für die Entwicklung interkultureller Kompetenz unentbehrlich sei, sowohl die eigene, als auch die fremde Kultur

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zu kennen. Denn dies sei die Voraussetzung dafür, mit kulturellen Unterschieden zu leben, Gemeinsamkeiten zu suchen und Synergien zu schaffen.Viele Experten nannten die Strategie, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, einen zentralen Aspekt zur Entwicklung interkultureller Kompetenz. In einem späteren Teil der vorliegenden Arbeit werde ich noch näher auf diesen Gedanken, der in der interkulturellen Forschung sehr stark vernachlässigt wird, eingehen. Viele der Germanistikstudenten, die ja Zielgruppe meiner vorliegenden Arbeit sind, werden voraussichtlich als Vermittler zwischen der chinesischen und der deutschen Kultur tätig sein. Für solche Kulturmittler sei es wichtig, dass man die Kenntnisse über die fremde Kultur und die eigene Kultur in der Praxis einsetze und Partner zusammenbringe. Dafür müsse man die Wertvorstellungen beider Seiten kennen, damit man eine Brücke zwischen den beiden Seiten schlagen könne. Viele der befragten chinesischen Experten berichteten, dass sie selbst diese Aufgabe häufig wahrnähmen und es als eine ihrer Stärken betrachteten, dass sie sich in beiden Kulturen auskennen. „Ich denke, unsere Stärke ist, dass wir die deutsche Kultur kennen und vor allem die Denkweise der Deutschen kennen. Zugleich kennen wir auch die Denkweise der Chinesen. Diejenigen Deutschen, die sich mit der chinesischen Kultur nicht intensiv beschäftigt haben, können die Chinesen und ihre Denkweise wirklich sehr schwer verstehen. Wenn die Chinesen z.B. etwas sagen, verstehen die Deutschen dies meistens nur wörtlich. Unsere Stärke ist, dass wir erkennen, was hinter den Worten steht. Dies ist für die Arbeit sehr wichtig“ (Herr E., chinesischer Bereichsleiter einer deutschen Organisation). Was für diese Experten gilt, ist eine große Chance für chinesische Germanistikstudenten, wenn sie nicht nur die deutsche Sprache beherrschen, sondern auch den kulturellen Hintergrund der deutschen Partner verstehen. Wissen über die interkulturelle Kommunikation Manche der interviewten Experten waren der Ansicht, dass es zur Entwicklung interkultureller Kompetenz auch von Nöten sei, Wissen über die Aspekte zu erwerben, welche die interkulturelle Kommunikation beeinflussen. Man müsse zumindest einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse der interkulturellen Kommunikation haben. „Man braucht auch noch eine Art interkulturellen Wissens. […] Das wissen wir heute ja, da geht das nicht um Kultur A oder Kultur B, d.h. Kultur A bleibt nicht immer Kultur A, Kultur B bleibt nicht immer Kultur B. […]Auf jeden Fall in der Vermittlung der interkulturellen Kompetenz kann man das nicht vernachlässi-

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gen, d.h. was genau in der Mitte passiert. Wenn ein Deutscher und ein Chinese miteinander etwas zu tun haben oder miteinander kommunizieren, was passiert in der Mitte? Und das ist eine sehr schwierige Frage“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität). Hierbei geht es nicht um kulturspezifisches, sondern kulturübergreifendes Wissen, beispielsweise was Kommunikation ausmacht, welche Dimensionen eine Kultur haben kann und worauf es in der interkulturellen Kommunikation ankommt. Die Voraussetzungen für ein angemessenes Verhalten in interkulturellen Situationen können schon im Rahmen eines Fremdsprachenstudiums geschaffen werden. Die Studenten müssen auf der Basis theoretischer Modelle lernen, Kommunikationsverhalten zu analysieren, Kommunikationsstrategien zu verstehen und den Transfer von der Theorie zur Anwendung in der Berufspraxis zu leisten. Vom Wissen zum Verstehen Wie in den vorausgegangenen Ausführungen schon zu erkennen ist, hängen Wissen und Verstehen sehr eng miteinander zusammen. Mit Verstehen meinten die Experten, dass man, wenn man eine Kultur kennen lerne, sich auch mit ihrer Tiefenstruktur befassen solle. Man solle „verstehen können, wie sich das innere Gefüge eines Landes verändert, also die Wertveränderung, die Orientierung zu materiellen Werten, die Auflösung der Familie z.B., also wie sich die inneren Strukturen verändern“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Verstehen bedeutet nach den Experten auch, dass man in der Lage sei, den Partner, der einer anderen Kultur angehört, in seiner kulturellen Determiniertheit wahrzunehmen und zu verstehen. „Und dieses Starrsinnige und durchaus auch dieses Lehrerhafte, was Deutsche zwar positiv sehen, wirken aber doch noch häufig, oder ab und zu, mal von oben herab. Nicht im Sinne der überlegenen Kultur, ganz bestimmt nicht, sondern im Sinne der überlegenen Technik, dass man sich dann häufig als Lehrer darstellt. Das ist sicherlich etwas, was die Mitarbeiter, die Deutsche kennen gelernt haben, besser verstehen“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China). Nach einem Experten sei es für die Deutschen von besonderer Bedeutung, dass sie im Ausland verstanden werden: „Deutsche fühlen sich häufig missverstanden im Ausland. Das hängt mit der historischen Entwicklung in dem 20. Jahrhundert zusammen, weil wir ein gebrochenes

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Verhältnis zu unserem Staat, zu unserer Nation haben“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Auch das Verstehen einer Kultur wurde von den Experten als ein Prozess bezeichnet. Denn das Wissen über eine fremde Kultur unterstütze das Verstehen dieser Kultur, führe aber nicht automatisch zum Verstehen. Deshalb maßen viele Experten der interkulturellen Kommunikation ein großes Gewicht bei. Denn das Kommunizieren helfe einem, eine fremde Kultur zu verstehen. Man solle „bereit sein, sich mit dem Kollegen auszutauschen, das heißt, versuchen, seine andersartige Denkweise zu verstehen und die eigene Denkweise verständlich zu machen. Aufgrund dieses Austausches versucht man gemeinsam einen Kompromiss zu finden. […]Das heißt, beide Seiten versuchen, den anderen zu verstehen und man findet gemeinsam einen Weg für die Zusammenarbeit“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation). Denkfähigkeit, Selbstreflexion In dem Prozess zur Entwicklung interkultureller Kompetenz sei es nach einigen Experten wichtig, dass man systematisch und logisch-analytisch denken könne. „Die großen Unternehmen brauchen Fachkräfte, die zum einen ‘operational’ Erfahrungen haben und zum anderen ‘structural’ denken, d.h. systematisch und logisch denken und vorgehen können. Diese Kompetenz, nämlich das analytische und strukturierte Denken und systematisch an das Problem heranzugehen, ist auch sehr wichtig, neben den Kompetenzen, wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, wie schon bereits erwähnt wurde“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Zugleich sei es hilfreich, dass man das, was man in einer interkulturellen Situation wahrnimmt und erlebt, reflektieren könne. Dazu gehöre auch, dass man sein eigenes Verhalten kritisch betrachte. „Dazu auch die Bereitschaft, sich über die Programme, die unser Verhalten beeinflussen im Klaren zu werden und darüber nachzudenken, ob ich diesem Programm immer folgen muss oder ob ich es möglicherweise erweitern kann und viel bewusster entscheide, wie ich mich in einer Situation verhalten will“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Unter Denkfähigkeit verstand ein Experte, „unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrundes, im historischen Kontext und in den sich daraus ergebenden Ausprägungen der Gesellschaft zu denken“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender

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Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Er ergänzte: „Diese Komplexität des Denkens ist dann im Beruf gefragt, damit man sich richtig einordnen kann und das Geschehen in einem Unternehmen besser versteht“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). 3.3.3.4 Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur interkulturellen Handlungskompetenz führen In dem von mir entwickelten multidimensionalen Modell ist die Handlungskompetenz eine weitere Dimension der interkulturellen Kompetenz. Während man Kulturwissen als explizites Wissen an einer Universität erwerben und damit Voraussetzung zur Entwicklung interkultureller Kompetenz schaffen könne, könne man sich, nach Aussagen vieler interviewten Experten, Handlungskompetenz nicht allein durch Bücherwissen aneignen. Man könne in universitären Veranstaltungen zwar Theorien über interkulturelle Kompetenz und Wissen über die eigene und die fremde Kultur vermitteln, aber die interkulturelle Handlungskompetenz müsse vor allem durch interkulturelle Erfahrungen entwickelt werden. „Der Teil der interkulturellen Kompetenz, nämlich das implizite Wissen, wie ich mich dort bewege, würde man natürlich nur sehr schwer an der Universität vermitteln können. Was man machen könnte, ich weiß nicht, ob das möglich wäre, wären sicherlich mal Zusammenkünfte zwischen deutschen und chinesische Studenten“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Dieser Aspekt ist auch in den Aussagen vieler anderer Experten zu finden. Nach ihnen könne man das implizite Wissen, also wie man in der Kooperation mit Vertretern eines anderen Kulturkreises kompetent handeln könne, am besten durch interkulturelle Praxis lernen. Sie wiesen darauf hin, dass es eine Sache sei, wenn man nur theoretisch verstehe, was in der interkulturellen Zusammenarbeit passiere und eine andere Sache, ob man es umsetzen könne. Theoretische Erläuterungen seien nur sehr begrenzt wirksam. In diesem Zusammenhang plädierten viele befragte Experten dafür, im Studium den Praxisbezug beim Lernen an der Universität und durch Praktika in Unternehmen herzustellen und so interkulturelles Lernen durch eigenes Erfahren zu ermöglichen. Für die Studenten müssten Gelegenheiten geschaffen werden, bei denen sie ihr Wissen über die interkulturelle Kommunikation anwenden, zu eigenständigen Problemlösungen kommen und ihre interkulturelle Kompetenz erfahren könnten.

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Als Bestandteile der interkulturellen Handlungskompetenz wurden von den Experten hauptsächlich folgende Kompetenzen genannt und beschrieben: ¾ Anpassungsfähigkeit und Authentizität, ¾ Flexibilität, ¾ Teamfähigkeit, ¾ Selbständiges Handeln und handlungsbezogenes Verantwortungsbewusstsein, ¾ Kommunikationsfähigkeit, Metakommunikationsfähigkeit ¾ Sprachkompetenz, ¾ Vermittlungskompetenz ¾ Suche nach Gemeinsamkeiten, ¾ Synergiefähigkeit. Anpassungsfähigkeit und Authentizität Alle befragten Experten sind in einem interkulturellen beruflichen Umfeld tätig. Sie waren der Ansicht, dass dieses Umfeld sowohl für die Einheimischen als auch für Menschen aus einer anderen Kultur eine große Umstellung mit sich bringe. In einem Unternehmen, das beispielsweise aus Deutschland komme und in China tätig sei, bedeute dies, dass sich sowohl die chinesischen, als auch die deutschen Mitarbeiter dem neuen Arbeitsumfeld anpassen müssten. Es sei ein wichtiger Schritt zur Entwicklung interkultureller Kompetenz, dass man bereit sei, sich auf einen neuen kulturellen Kontext einzulassen und sein Verhalten anzupassen. Die Anpassung beziehe sich auch auf die jeweiligen Partner in der interkulturellen Zusammenarbeit. So äußerte z.B. ein Experte: „Man muss sich immer neu auf den Partner einstellen, weil das kulturelle Umfeld des Partners sich immer weiter entwickelt“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). Hierbei wurde von den Experten auch unterstrichen, dass die Anpassung nicht bedeute, dass man die eigene kulturelle Identität und Authentizität aufgeben und die Kultur des anderen Landes übernehmen solle, „sondern ich habe meine eigene Kultur, ich schätze den Wert der anderen Kultur, und wenn ich dadurch besondere interessante und positive Dinge erfahre, dann kann ich mich selber weiter entwickeln und kann gegebenenfalls meinen Standpunkt, meine Werte dieser anderen Kultur anpassen. Das kennen lernen einer anderen Kultur bereichert meine eigenen Werte, so findet ein Entwicklungsprozess statt“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation).

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Die Treue zur eigenen Kultur, die Wahrung der persönlichen interkulturellen Identität und die eigene Authentizität wurden als wichtige Aspekte der interkulturellen Kompetenz bezeichnet. Interkulturelle Kompetenz „bedeutet nicht, sich mit Gewalt zu assimilieren und vorhandene Unterschiede zu negieren. Das ist falsch. Sondern „interkulturelle Kompetenz“ bedeutet genau, die Erkenntnisse zu haben, vor Unterschieden zu bestehen, und im Rahmen dieser Unterschiede leben zu können. Das ist für mich interkulturelle Kompetenz“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China). Einige Experten konstatierten, dass das Wechselspiel zwischen Anpassungsfähigkeit und Authentizität in dem Prozess zur Entwicklung interkultureller Kompetenz eine wichtige Rolle spiele. „Die Authentizität, das hatte ich auch schon angedeutet, bedeutet, dass man sich natürlich seiner eigenen kulturellen Herkunft bewusst ist, diese bewusst lebt, aber sie eben nicht höher stellt. Auch bei den Bemühungen, sich anzupassen, sollte man seine kulturelle Herkunft nicht vergessen“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). Dieses Wechselspiel ist auch eine Kunst, die man erst in einem Prozess lernt. Flexibilität Auch Flexibilität wurde als wichtige Voraussetzung für interkulturelle Zusammenarbeitet gewertet. Es werde oft von den Mitarbeitern erwartet, dass sie die Verantwortung für verschiedene Aufgabenbereiche übernehmen. Dies könnten sie aber nur leisten, wenn sie die Initiative ergreifen und bereichsübergreifend arbeiteten. „Auch Flexibilität ist wichtig. Wir haben Projekte, in denen es nur einen chinesischen Mitarbeiter gibt. Dieser muss oft ‘Mädchen für alles’ sein. Wir können nicht alles in der Stellenbeschreibung festlegen, sondern wir erwarten, dass die chinesischen Mitarbeiter Eigeninitiative ergreifen und bereichsübergreifend arbeiten“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation). Diese Flexibilität beziehe sich nicht nur auf die Inhalte der Arbeit, sondern auch auf die Arbeitszeit und den Arbeitsort. Viele chinesische Mitarbeiter müssten sogar bereit sein, auch einmal für längere Zeit in Deutschland zu arbeiten. Vor allem aber bedeute Flexibilität nach vielen Experten auch, dass man nicht auf dem Alten und Gewohnten beharre, sondern auf neue interkulturelle Situationen eingehe und nach neuen Lösungen suche.

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Teamfähigkeit Es ist der übereinstimmende Tenor fast aller befragten Führungskräfte, dass Teamfähigkeit für interkulturelle Kooperation unentbehrlich sei. Es ginge schließlich bei dieser Zusammenarbeit um Menschen mit unterschiedlicher kultureller Herkunft und nicht selten um komplexe Sachverhalte. Das mache die Teamarbeit zwar schwierig, aber dennoch auch unverzichtbar. Denn es zähle für das Gelingen eines Unternehmens nicht die Einzelleistung der Mitarbeiter, sondern die Leistung von einem Team. Es sei offensichtlich, dass kein Einzelner das gesamte Wissen eines Unternehmens in seinem Kopf haben kann. Jeder brauche den anderen. Diese gegenseitige Abhängigkeit müsse man erst mal verstehen und dann müsse man entsprechend handeln. „Man muss sich einbringen, auf andere zugehen können, muss die Fähigkeit haben, sich mit anderen zu verständigen. Da in einem internationalen Unternehmen die anderen auch immer aus einer anderen Kultur kommen, bedeutet das gleichzeitig Interkulturelle Kompetenz“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). So stellte ein Experte sein Verstädnis der Teamfähigkeit dar. Ein weiterer unterstrich die Notwendigkeit der Teamarbeit in internationalen Unternehmen wie folgt: „Ohne Unterstützung von anderen ist es in einem internationalen Unternehmen gar nicht möglich, Probleme zu lösen. Um ein Problem zu lösen, muss man mit anderen Kollegen in einem Team zusammenarbeiten [ … ] . Oft braucht man auch die Kooperation anderer Abteilungen. Alleine schafft man es nicht.. Deswegen ist es wichtig in einem internationalen Unternehmen, dass man in der Lage ist, mit anderen zu kommunizieren und zu kooperieren“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Teamfähigkeit bedeutet nach einigen befragten Führungskräften auch, dass man in der Lage sein solle, mit verschiedenen Teams zusammenzuarbeiten: „Man muss mit verschiedenen Stellen koordinieren. […]Manchmal müssen wir mit dem Repräsentanzbüro in Hongkong koordinieren, manchmal mit der Asienzentrale in Tokio, manchmal mit der Zentrale in Deutschland. Dabei ist Teamfähigkeit sehr wichtig“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes).

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Selbstständiges Handeln und handlungsbezogenes Verantwortungsbewusstsein Die Arbeitsorganisation in einem internationalen Unternehmen mache es notwendig, sich einerseits in ein Team einzubringen und sein Wissen mit anderen zu teilen und andererseits, wie viele Experten konstatierten, selbstständig Probleme zu lösen und eigenständig Aufgaben zu erfüllen. Man müsse, so wiesen einige Experten darauf hin, die Verantwortung für die Arbeit übernehmen und zugleich in der Lage sein, andere Kollegen für die Arbeit zu gewinnen. Dafür seien gute Beziehungen zu anderen Kollegen, die oft aus einem anderen Kulturkreis kommen, eine wichtige Voraussetzung. Teamarbeit bedeute nach den Experten nicht, dass man die Arbeit an ein Team delegiere oder abwarte, dass das Team auf einen zukomme, sondern dass man Eigeninitiative ergreife und Probleme löse. „In einem großen internationalen Unternehmen gibt es viele Probleme, die bereits wahrgenommen worden sind. Wir brauchen keinen Problementdecker, wir brauchen Problemlöser. In einem internationalen Unternehmen kann man nicht erwarten, dass der Chef jeden Tag zu mir sagt, was ich zu machen habe. Man muss sehen, das ist meine Firma, das ist meine Arbeit und ich sehe zu, dass die Arbeit erledigt wird“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Der Arbeitsstil vieler chinesischer Mitarbeiter sei noch sehr von der Zeit der Planwirtschaft geprägt, wo unternehmerisches Denken und selbstständiges Handeln meistens nicht erwartet wurde. Umso mehr sei für sie, wenn sie in einem internationalen Unternehmen tätig seien, wichtig zu lernen, kreativ und selbständig nach Lösungen zu suchen. Damit ist auch verbunden, dass ein Mitarbeiter in der Lage sein muss, im Rahmen seiner Tätigkeit selbstständig Entscheidung zu treffen. Ein deutscher Manager beschrieb dies wie folgt: „Und jede Entscheidung, die im Rahmen der Aufgabenerfüllung notwendig ist, muss der Mitarbeiter selbst treffen. Und ich will nicht, dass der Mitarbeiter mich fragt. Wenn der Mitarbeiter mich fragt, dann signalisiert er mir, dass er nicht in der Lage ist, diese Aufgabe zu erfüllen“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China). Selbstständigkeit gelte heute als wichtiges Qualifikationsmerkmal in internationalen Unternehmen. Allerdings stellten viele Interviewpartner fest, dass diese insbesondere bei chinesischen jungen Mitarbeitern fehle. Vor diesem Hintergrund appellierten sie an die chinesischen Hochschulen, diese Einsicht den Studenten

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schon während des Studiums bewusst zu machen und auch Raum dafür zu geben, dass sie Selbstständigkeit praktizieren können. Mit dem oben erwähnten Defizit sei, einigen Experten zufolge, auch das Problem verbunden, dass die heutigen Universitätsabsolventen nicht mehr so verantwortungsbewusst seien wie die von früher, obwohl heute von den international tätigen Unternehmen zunehmend erwartet werde, dass die Mitarbeiter für ihre Tätigkeiten Eigenverantwortung tragen. So schildert ein deutscher Geschäftsführer seine Erwartung an einen neuen Mitarbeiter: „Ja, jemand kommt in das Unternehmen, zeigt sich sehr interessiert an den Problemen des Unternehmens, an den Aufgaben des Unternehmens, engagiert sich sehr stark, macht nicht einfach eine Befehlsausführung, sondern überlegt, wie er sich noch mehr im Interesse des Unternehmens einbringen kann, also die Rolle des s. g. Mitunternehmers übernimmt, der sich sehr stark mit dem Unternehmen identifiziert“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China). Kommunikationsfähigkeit, Metakommunikationsfähigkeit Im Prozess der Entwicklung interkultureller Kompetenz maßen fast alle befragten Experten der Kommunikationsfähigkeit eine zentrale Bedeutung zu, weil sie die Zusammenarbeit sowohl sehr positiv aber auch sehr negativ beeinflussen könne. Viele Experten unterstrichen, dass interkulturelle Kompetenz sich auch darin zeige, dass man selber in der Lage sei, auf Menschen aus einem anderen Kulturkreis zuzugehen und ein Gespräch zu beginnen. So konstatierte ein Experte: „Es ist ein Zeichen von interkultureller Kompetenz, erst mal den Weg frei zu machen für ein Gespräch, dass man weiß, wie man das macht, ohne dass man verletzend ist und dass man dieses auf einer angemessenen Weise tut“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). Vor allem die Fähigkeit, verbal zu kommunizieren, sei ein wichtiges Merkmal interkultureller Kommunikationsfähigkeit. In der interkulturellen Zusammenarbeit komme es oft darauf an, die andersartige Denkweise und Verhaltensweise des Partners zu verstehen und die eigene Denkweise und Verhaltensweise verständlich zu machen. Einige Experten waren der Ansicht, dass jemand, der nicht gerne redet, sehr schwer interkulturell kompetent werden könne. Interkulturelle Kompetenz heißt in ihren Augen nicht nur Wissen, sondern auch die Fähigkeit, sich interkulturell auszutauschen und das geschieht überwiegend über die Sprache.

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Wie in der vorliegenden Arbeit schon beschrieben ist, sind harmonische Beziehungen mit den Menschen aus einer anderen Kultur für das Gelingen interkultureller Zusammenarbeit von großer Bedeutung. Nach Erfahrung vieler interviewter Experten trüge die kompetent gestaltete Kommunikation wesentlich zum Aufbau dieser Beziehung bei und fördere auch das interkulturelle Verstehen. Es ist zu ergänzen, dass Kommunikationsfähigkeit nicht bedeutet, dass man nur höfliche Worte auszutauschen hat, sondern auch, dass man in der Kommunikation auch seine Kritikfähigkeit behält. So schilderte eine deutsche Führungskraft, die seit über 20 Jahren in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit tätig ist: „Man muss nicht alles konstruktiv kritiklos annehmen, unter guten Freunden kann man auch kritische Bemerkungen machen und schafft so auch einen Meinungsaustausch. Erst in dem Austausch mit positiver Wahrnehmung, aber auch mit kritischer Rückmeldung entstehen wirkliche gute Freundschaft und somit auch gute Kontakte“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation). Ein weiterer Experte bezeichnete auch Diskursfähigkeit als einen wichtigen Teil der Kommunikationsfähigkeit: „Und Diskursfähigkeit, also die Streitfähigkeit, sich im geschäftlichen wie im privaten auseinanderzusetzen. Streiten, nicht im Sinne vom Streit, sondern die eigenen Positionen zu vertreten, aber auch andere Positionen gelten zu lassen. Und auch mal sich zu reiben, ohne sich persönlich angegriffen zu fühlen“ (Herr O., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Serviceunternehmens in China). Erfolge in der interkulturellen Zusammenarbeit wären undenkbar, wenn es den Partnern nicht gelingen würde, eine gemeinsame Vertrauensbasis zu schaffen. Kommunikation wurde von vielen befragten Experten auch als ein wichtiges Instrument zum Aufbau von Vertrauen gesehen, vor allem dann, wenn man in der Lage sei, offen über die Probleme zu reden. In diesem Zusammenhang hoben einige Experten die Notwendigkeit hervor, dass man auch über die Kommunikation sprechen solle. Um die interkulturelle Zusammenarbeit zu verbessern, könne man beispielsweise auch den Ablauf, die Kanäle und die Stile der Kommunikation thematisieren. Dadurch unterstreichen die Experten implizit die Bedeutung der Metakommunikationskompetenz. Ergänzend meinte ein deutscher Personalmanager, dass zu interkultureller Kommunikationsfähigkeit auch das Zuhören gehöre. Man solle zunächst mit der Beurteilung und Bewertung zurückhaltend sein und erst mal dem Partner zuhören.

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Sprachkompetenz Es ist unumstritten, dass Sprachkompetenz ein Teil der Kommunikationsfähigkeit ist. Dennoch halte ich es für nötig, mich in diesem Zusammenhang gesondert mit der Sprachkompetenz zu beschäftigen, weil insbesondere die Fremdsprachenkompetenz das Zentralthema der vorliegenden Arbeit ist. Von vielen interviewten Experten wurde die Fremdsprachenkompetenz in den Mittelpunkt der interkulturellen Kompetenz gestellt. Deswegen unterstrichen sie auch die positive Rolle eines Fremdsprachenstudiums zur Entwicklung interkultureller Kompetenz. Nach einem Experten könne man keine interkulturelle Kompetenz entwickeln, ohne eine Fremdsprache zu erlernen und damit auch eine fremde Kultur intensiv kennen zu lernen. Viele Experten betonten, dass unter Fremdsprachenkompetenz nicht nur die Beherrschung des Wortschatzes und der grammatikalischen Strukturen zu verstehen sei, sondern auch ein feines Gefühl für die Sprache mit ihren kulturellen Hintergründen. Wenn man die Fremdsprache beherrsche, sei es leichter, zu den Quellen einer fremden Kultur zu gelangen. So begründete ein Experte: „Wenn man eine Fremdsprache gut beherrscht, kann man sich auch besser über die Fremdkultur informieren. Man hat einen anderen Zugang zu den Fremdkulturen. Man kommt also auch an die originalen Quellen“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). Dies findet sich auch in Aussagen anderer Experten wieder, die meinten, dass es sehr schwierig sei, eine fremde Kultur auf einer tieferen Ebene zu verstehen, wenn man die Sprache dieser Kultur nicht verstehe. Um sich in interkulturellen Situationen angemessen zu bewegen, müsse man sich auch sprachlich entsprechend artikulieren können. Darüber hinaus sei die Tatsache, so ergänzten einige Experten, dass man die Sprache des Partners beherrscht, ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber der Fremdkultur. Neben dieser Wertschätzung, erleichterten die Fremdsprachenkenntnisse auch den beruflichen Alltag im internationalen Kontext. Auch wenn es für den NichtMuttersprachler natürlich eine Herausforderung darstellt, alle Zusammenhänge richtig zu verstehen, seine eigene Position darzulegen und Diskurse zu führen etc., sei die Zusammenarbeit dennoch vertrauensvoller, als wenn alle Partner in einer ihnen nicht eigenen Sprache miteinander kommunizieren.

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So beschrieb z.B. ein Experte den Vorteil der chinesischen Mitarbeiter, die Deutsch als Fremdsprache beherrschen: „Wenn man bei der Markterschließung und den Verhandlungen direkt mit den Deutschen in Deutsch kommunizieren kann, funktioniert die Kommunikation viel besser als mittels einer dritten Sprache. Auch die Atmosphäre ist viel besser“ (Herr C., chinesischer Chefrepräsentant einer großen deutschen Bank). In diesem Zusammenhang ist nicht verwunderlich, wenn viele Experten behaupteten, dass die Fremdsprachenkompetenz wesentlich zum Aufbau freundschaftlicher Beziehungen mit Kollegen aus anderen Längern beitrage. „Die Sprachkompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für die interkulturelle Kompetenz. Sie hilft einem gute Beziehungen mit Kollegen aus anderen Kulturen aufzubauen, so dass man mit deren Unterstützung zusammen Probleme im Unternehmen lösen kann“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Nicht wenige Experten betonten, dass auch die Muttersprachenkompetenz in der interkulturellen Kommunikation von großer Bedeutung sei. Nach ihrer Meinung sei es kein Selbstzweck, eine fremde Sprache zu studieren. Der Zweck eines Fremdsprachenstudiums sei letztendlich der Austausch zwischen zwei Kulturen. Zu diesem Austausch trage die Muttersprachenkompetenz auch wesentlich bei, weil man oft das Deutsche ins Chinesische übersetze oder dolmetsche bzw. die Gedanken des deutschen Partners dem chinesischen Partner adäquat rüberbringen müsse. „Wir vermitteln sozusagen zwischen zwei Ländern, zwischen zwei Kulturen. Wenn man die eigene Muttersprache und die eigene Kultur nicht gut kennt, kann man in diesem Austausch keinen Erfolg haben“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens). Vermittlungskompetenz In den Aussagen von vielen Experten ist zu erkennen, dass die Rolle eines Kommunikators bzw. eines Vermittlers für das Gelingen interkultureller Zusammenarbeit von großer Bedeutung ist. Nach ihnen sei es eine wichtige Aufgabe, zwischen Partnern, die oft unterschiedlicher kultureller Herkunft sind, zu koordinieren, mit ihnen zu kommunizieren und sie zusammenzubringen. Oft müssten sie Meinungsverschiedenheiten zwischen den Partnern ausbalancieren und die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit wieder herstellen. In diesem Zusammenhang definierten viele interviewte Experten die Vermittlungskompetenz als wichtige

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Handlungskompetenz im interkulturellen Kontext. Ein deutscher Experte, der langjährige Erfahrungen mit China hat, konstatierte: „In einem deutsch-chinesischen Joint-Venture ist derjenige, der beide Sprachen spricht und beide Kulturen kennt, ein ganz wichtiger Vermittler zwischen den Kulturen. Er ist sozusagen das Schmieröl, damit das Projekt reibungslos läuft. Es hat sich herausgestellt, dass es eine ganz wichtige Funktion – auch eine wichtige Funktion für den Erfolg einer Teamarbeit ist“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). So sah z.B. ein chinesischer Experte seine Vermittlungskompetenz als wichtige Voraussetzung für seinen beruflichen Erfolg in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit: „Ich versuche, den Deutschen zu erklären und zu interpretieren, was die Chinesen wirklich denken und warum sie so denken. Da bin ich mir sicher, dass ich dazu durchaus in der Lage bin. Wenn ich im Auftrag der Deutschen den Chinesen etwas zu übermitteln habe, achte ich darauf, wie ich das rüberbringe, so dass es von den Chinesen gut verstanden wird“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes). In der interkulturellen Zusammenarbeit, insbesondere in den Geschäftsverhandlungen, kommt es häufig vor, dass die Partner jeweils auf ihren eigenen Positionen beharren. Der Erfolg einer derartigen Zusammenarbeit ist oft den Vermittlern zu verdanken, die eine Brücke zwischen beiden Seiten schlagen. Eine wichtige Voraussetzung für die Vermittlungskompetenz sei, dass man sich sowohl in der eigenen, als auch in der fremden Kultur auskennt. Erst dann sei man, so sahen es einige Experten, in der Lage, beiden Seiten die andersartige Herangehensweise und die Denkweise zu erklären und ihnen zu helfen, Gemeinsamkeiten und Synergien zu finden. In diesem Zusammenhang wurde von einigen Experten die positive Rolle der Dolmetscher hervorgehoben: „Wenn man in dieser Phase19 mit der Wortwahl nicht vorsichtig ist, kann man mit einer einzigen sprachlichen Formulierung großen Argwohn bei der anderen Seite erregen. Vor allem für uns Chinesen spielen die extraverbalen Faktoren immer eine große Rolle. Man hört nicht nur die Worte, sondern auch das Implizite, das „zwischen den Zeilen“ usw.. […]In dieser Phase ist die Rolle des Vermittlers einschließlich die des Dolmetschers von entscheidender Bedeutung“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). 19

Hier wird die Verhandlungsphase gemeint.

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Nach diesem Experten müsse man als Dolmetscher ein Fingerspitzengefühl dafür haben, wie man alles sprachlich transferiert und wie das bei der anderen Seite ankommt. Er fügte hinzu, dass man als guter Vermittler und Dolmetscher eine brisante sprachliche Formulierung relativieren und gleichzeitig den Sinn richtig rüberbringen könne. Suche nach Gemeinsamkeiten Bei der Interpretation interkultureller Kompetenz wurde von den Experten „Suche nach Gemeinsamkeiten“ als wichtige Voraussetzung interkultureller Zusammenarbeit und folglich als Fähigkeit zur Entwicklung interkultureller Kompetenz unterstrichen: Es wurde von vielen befragten Führungskräften betont, dass man die Unterschiede zwischen den Kulturen anerkennen und zugleich auch in der Lage sein sollte, das Gemeinsame zu finden, das die Partner letztendlich verbindet. Ein chinesischer Experte konstatierte: „Die Menschen aus verschiedenen Kulturen sind einerseits unterschiedlich, aber andererseits haben sie auch viel Gemeinsames. Es ist ein erfreuliches Erlebnis, wenn man Gemeinsamkeiten in verschiedenen Kulturen feststellt. Das heißt, es gibt nicht nur das, was Kulturen voneinander unterscheidet, sondern auch das, was Kulturen verbindet[…] Und die interkulturell kompetenten Menschen können nach Gemeinsamkeiten suchen und die Unterschiede belassen. Das heißt, wir sollten die Unterschiede zwischen den Kulturen akzeptieren und zugleich auch in der Lage sein, das Gemeinsame zu finden, das beide Seiten verbindet“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Die Koexistenz der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede wurde als etwas Positives und Produktives betrachtet. Die Erkenntnis, dass die chinesische und die deutsche Seite trotz unterschiedlicher kultureller Abstammung ein gemeinsames Ziel haben und nur die Art und Weise, wie sie das Ziel zu erreichen versuchen, nicht immer gleich sind, sei eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Zusammenarbeit. Viele Chinesen, die Germanistik studiert haben, fungieren als Kulturmittler in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit. Sie sahen es als eine wichtige Aufgabe in ihrer Arbeit an, den chinesischen und deutschen Partnern dabei zu helfen, Gemeinsamkeiten zu finden. „Wenn beide Seiten sich über diese Gemeinsamkeiten, die ja eine wichtige Grundlage der Kooperation darstellen, klar sind, sind sie viel besser in der Lage,

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Differenzen zu überwinden und Synergien zu finden. […] Der Kern der interkulturellen Zusammenarbeit ist, Gemeinsamkeiten zu finden. Wenn man bloß den Blich auf die kulturellen Unterschiede fokussiert, kann man gar nicht mit der interkulturellen Zusammenarbeit beginnen“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). Ein weiterer Experte beschrieb die positive Funktion der Strategie „Suche nach Gemeinsamkeiten“ wie folgt: „Wir sind nicht nur unterschiedlich, sondern wir haben auch etwas gemeinsam. In dieser Gemeinsamkeit sind wir schon wieder unterschiedlich. Ich glaube, das ist auch in der interkulturellen Zusammenarbeit sehr wichtig. Nicht alleine die Unterschiede festzustellen, sondern mal anders herum anzufangen. Stellt doch mal heraus, was wir gemeinsam haben, obwohl wir so unterschiedlich sind. Denkt darüber nach und stellt das fest und danach können wir über die Unterschiede sprechen. Es lässt sich leichter zueinander finden und Vertrauen und Zutrauen aufbauen, wenn wir feststellen, dass wir etwas gemeinsam haben“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens). In einer fremden Kultur gibt es im Vergleich zu der eigenen sowohl Gegensätze als auch Gemeinsamkeiten. Wenn man aber das Augenmerk nur auf die Unterschiede richtet, werde der Blick für die fremde Kultur verstellt und man sehe vorwiegend nur noch Unterschiede: „Wenn jemand hier in China Gegensätze zur westlichen Kultur sucht, dann wird er auch fündig. Aber ich bin der festen Auffassung, dass eigentlich hier in China fast alles sehr ähnlich ist. Nur manchmal werden die Sachen anders ausgedrückt. Wenn man weiß, wie der andere Ausdruck ist und es auch verinnerlicht hat und sich einfühlen kann, dann ist es einfach, den anderen zu verstehen“ (Herr O., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Serviceunternehmens in China). Viele deutsche Unternehmen, die in den chinesischen Markt eintreten möchten, wenden sich zunächst an eine Unternehmensberatung. Für diese sei es sehr wichtig, den Kunden zu vermitteln, dass es in China trotz der Verschiedenheit sehr viel Gemeinsames zu der deutschen Kultur gibt, damit diese überhaupt den ersten Schritt nach China wagen würden. Herr P., Geschäftsführer einer deutschen Consulting Firma, sah dies wie folgt: „Ein Gefühl zu kriegen von der Unterschiedlichkeit der Kultur im anderen Land, aber auch ein Gefühl zu vermitteln von vielen Gemeinsamkeiten, nicht dass wir die Unterschiede zu stark betonen. Denn Unterschiede laufen Gefahr, dass sie zu Konfrontationen führen. Nicht dass man sagt, ja die sind ganz anders als wir. Wir sind alle Menschen und in vielen grundsätzlichen Dingen sind wir ähnlich. Wenn wir z.B. über Familie reden, da unterscheiden wir uns auch nicht. Wir unterschie-

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den uns in unserer Verhaltensweise. Das mag sein“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China). Zusammengefasst wird „Suche nach Gemeinsamkeiten“ als eine notwendige und wichtige Strategie in der interkulturellen Zusammenarbeit betrachtet und auch praktiziert. Denn die Feststellung der Gemeinsamkeiten zwischen Partnern unterschiedlicher kultureller Herkunft stellt eine Voraussetzung für weitere Kommunikation und Zusammenarbeit dar. Im Gegensatz dazu kann die Überbetonung der kulturellen Unterschiede die Verständigung und die weitere Kooperation der Partner blockieren. Synergiefähigkeit Wie in der vorliegenden Arbeit schon an mehreren Stellen thematisiert war, muss interkulturelle Zusammenarbeit auch kulturelle Unterschiede bestehen. Trotz der in Kapitel 3.3.1 geschilderten Problemfelder sahen fast alle interviewten Experten der kulturellen Verschiedenheit mit großer Gelassenheit entgegen. Viele von ihnen waren der Ansicht, dass man auch die Vorzüge der kulturellen Unterschiedlichkeit sehen solle und diese für die Kooperation nutzen könne. Die Synergieeffekte einer chinesischen-deutschen Zusammenarbeit schilderte ein Experte wie folgt: „Man sollte das sehen, dass die deutsche Kultur und die chinesische Kultur sich sehr gut ergänzen können. Die Stärke der Chinesen ist z.B., dass wir flexibel und schnell reagieren können. Unsere Schwäche ist, wir gehen nicht planmäßig an die Dinge heran. Dies hingegen ist die Stärke der Deutschen. Wenn man als Chinese Germanistik studiert, hat man gute Chancen, von den Deutschen zu lernen, so dass man am Ende sowohl flexibel, als auch diszipliniert ist und planvoll an die Sachen rangehen kann. Ein großes internationales Unternehmen braucht sowohl Flexibilität als auch Planung. [...]Ich habe viel davon profitiert, dass ich die Stärke von beiden Kulturen miteinander ergänze und dies je nach konkreten Situationen nutze. Da bringt es wirklich große Vorteile, wenn man beide Kulturen kennt“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Die Fähigkeit zur Synergiefindung sei nach einigen befragten Experten ein wichtiges Qualifikationsmerkmal der Mitarbeiter in international tätigen Unternehmen. Eine Voraussetzung dafür sei, dass man sich in der eigenen und fremden Kultur auskenne. Viele Experten betrachten es als einen großen Vorteil der interkulturellen Zusammenarbeit, dass Menschen mit unterschiedlicher kultureller Herkunft in unter-

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schiedlicher Art und Weise an die Probleme herangehen und am Ende zu kreativen Lösungen kommen: „Es gibt in meinen Augen nichts schöneres, als wenn z.B. ein Chinese, ein Deutscher, ein Amerikaner und ein Afrikaner zusammen ein Problem diskutieren. […]Wir haben aus unterschiedlichen Sprachhintergründen, aus unterschiedlichen Kulturhintergründen unterschiedliche Verständnisse und daher auch unterschiedliche Lösungsansätze. Und das ist spannend. Das ist Bereicherung. So erweitern wir Menschen eigentlich unseren Horizont“ (Herr O., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Serviceunternehmens in China). Meines Erachtens stehen die Strategie „Suche nach Gemeinsamkeiten“ und die Synergiefindung in einem dynamischen Wechselspiel. Die Suche nach Gemeinsamkeiten bildet ein wichtiges Fundament für interkulturelle Zusammenarbeit und begleitet auch die Bemühungen der Partner, mit kulturellen Unterschieden zu leben und kreative Lösungen zu finden, damit man letztendlich wieder zu einem gemeinsamen Ziel kommt. Somit sollten die beiden Aspekte nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. Einen großen Beitrag zu dem Wechselspiel „Suche nach Gemeinsamkeit“ und „Synergiefindung“ leistet die interkulturelle Kommunikationsfähigkeit. Denn sowohl die Definition der Gemeinsamkeiten als auch die kreative Problemlösung aufgrund der Unterschiede geschehen hauptsächlich durch das Kommunizieren.

3.3.4 Die interkulturelle Kompetenz als Prozess des permanenten Lernens 3.3.4.1 Lernbereitschaft und Lernkompetenz Alle Experten hoben in den Interviews die Bereitschaft hervor, in einem offenen Prozess Neues zu lernen und die so erworbene Lernkompetenz für die Weiterentwicklung der eigenen interkulturellen Fähigkeiten zu nutzen, weil die dadurch gewonnenen Erfahrungen ihrerseits wieder eine Grundlage für neues Lernen bildeten. Dieses Wechselspiel zwischen Lernbereitschaft und Lernkompetenz sei eine fundamentale Komponente auf dem Weg zur interkulturellen Kompetenz und bewahre gleichzeitig davor, in „Schubladendenken“ zurückzufallen. Eine Expertin unterstrich wie folgt die Bedeutung der Lernbereitschaft: „Das andere ist, dass man auch jeden Fall eine Offenheit haben muss und eine große Lernbereitschaft, kontinuierlich etwas lernen zu wollen, um nicht stehen zubleiben. Das ist auch eine Einstellungssache. Wenn man soziale Kompetenz oder interkulturelle Kompetenz unterrichtet, dann muss man auf diesen Prozess auf-

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merksam machen, dass man immer weiter lernt“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Nach Aussagen der Experten wirkten Lernbereitschaft und Lernkompetenz in allen drei Dimensionen des im vorherigen Text dargestellten Modells zur Entwicklung interkultureller Kompetenz zusammen: 1) Es sei eine wichtige Haltung, Offenheit gegenüber der fremden Kultur und eine große Lernbereitschaft zu entwickeln und sich auf das Fremde in einer anderen Kultur einzulassen. 2) Es sei, wie bereits mehrfach betont, nicht möglich, interkulturelle Kompetenz allein durch konserviertes Wissen über die eigene und die fremde Kultur aufzubauen. Es sei vielmehr notwendig, kontinuierlich dazu zu lernen und nicht bei einem bestimmten Wissensstand stehen zu bleiben. 3) Für die Entwicklung der interkulturellen Handlungskompetenz sei das Lernen durch die Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen unverzichtbar. Denn nur durch die Erfahrungen aus persönlicher Kommunikation und Interaktion könnten die bisher erworbenen Handlungsstrategien überprüft, ergänzt, erweitert oder durch neue substituiert werden. In diesem Zusammenhang unterstrichen viele befragte Führungskräfte die Notwendigkeit, für längere Zeit im Ausland zu leben. Von den zehn befragten chinesischen Führungskräften hatten neun Germanistik studiert. Fast alle hatten nach dem Studium in China in Deutschland weiterstudiert. Viele von ihnen hatten zuerst in einem chinesischen Unternehmen oder für den chinesischen Staat gearbeitet, sind inzwischen für ein deutsches Unternehmen bzw. eine deutsche Organisation tätig oder leiten ihr eigenes Unternehmen. Alle bewerteten ihren Ausbildungsgang und den beruflichen Werdegang als einen Prozess des Lernens. Dieser Prozess ist, die Aussagen dieser Experten zusammengefasst, auch durch die persönliche Entwicklung in den drei Dimensionen geprägt: ¾ Es ist ein Prozess, in dem sie ihr chinazentriertes Denken ständig kritisch reflektieren und sich dadurch der deutschen Kultur und zugleich anderen Kulturen immer weiter öffnen. ¾ Es ist ein Prozess, in dem sie ihr Wissen über Deutschland, über die deutsche Kultur erweitern und vertiefen und dadurch auch neue Einsichten über China und die chinesische Kultur gewinnen. ¾ Es ist ein Prozess, in dem sie aufgrund der gewonnenen interkulturellen Erfahrungen immer sicherer mit Partnern aus einem anderen Kulturkreis umgehen.

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Die folgenden Aussagen, die auf persönliche Erfahrungen aufbauen, verdeutlichen diesen Lernprozess: „Während meines Studiums konnte ich bloß von den Büchern lernen, wie die Deutschen und die deutsche Kultur sind. Bei meiner Arbeit konnte ich meine Erfahrungen mit dem, was in den Büchern steht, vergleichen und alles kritisch überprüfen“ (Herr C., chinesischer Chefrepräsentant einer großen deutschen Bank). „Ja, ich habe langsam angefangen, Kontakte mit den Deutschen aufzunehmen. Ich habe also aus dem Kulturschock Wissensbegierde gemacht.[…]Wie gesagt, das war ein Prozess, ein Prozess der Umorientierung und auch ein Prozess, in dem ich die fremde Kultur und auch die eigene Kultur aus einem neuen Blickwinkel wieder betrachtet und kennen gelernt habe“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant). In der interkulturellen Berufspraxis begegnet man vielen neuen Situationen und jede ist einmalig. Für keine gibt es, wie schon im Kapitel 2 festgestellt wurde, ein Handlungsrezept. Umso mehr benötigt man in diesem Zusammenhang die Lernbereitschaft und die Lernkompetenz, die einem helfen, neue Lösungen zu erarbeiten. Lernbereitschaft und Lernkompetenz gehören meiner Meinung nach zur Grundausstattung einer sinnvollen Lebensgestaltung. In besonderer Weise aber gelten sie für die Vorbereitung junger Menschen auf das Berufsleben. Die meisten Studenten, die das Lernen gelernt und die Fähigkeit entwickelt haben, das Studium als Lernprozess anzunehmen, haben ganz sicher einen Vorsprung beim Einstieg in den Beruf. Dies bestätigte ein Experte: „Es kann sein, dass ich sage, ja, diese Person ist zwar erst mit dem Studium fertig und hat kaum Berufserfahrung, aber sie hat schon ein Praktikum gemacht, hat eine positive Ausstrahlung, zeigt Lernbereitschaft etc., dann steigt mein Vertrauen in diese Person und es kann gut sein, dass ich sie letztendlich einstelle“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen). Lernbereitschaft und Lernkompetenz sind nicht nur bei der Bewerbung um eine Stelle von Vorteil. Auch bei der Bewältigung von Aufgaben im Berufsalltag und hinsichtlich der Karrierechancen bleiben sie ein wichtiges Qualifikationsmerkmal. Dies gilt insbesondere für international tätige Unternehmen, die in dem immer härter werdenden globalen Wettbewerb auf Mitarbeiter angewiesen sind, die permanentes Lernen als ihre selbstverständliche Verpflichtung ansehen. Da die Lernkompetenz allerdings beim Beginn des Studiums nicht als selbstverständlich angesehen werden kann, muss sie während des Studiums vermittelt werden.

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3.3.4.2 Der Beitrag des Germanistikstudiums zur Förderung interkultureller Kompetenz Obwohl die deutsche Sprache nach Aussagen der interviewten Experten als Geschäftssprache in der internationalen Zusammenarbeit gegenüber der englischen Sprache an Bedeutung verloren habe, rieten die Experten durchaus zur Aufnahme eines Germanistikstudiums, insbesondere unter dem Aspekt der Förderung interkultureller Kompetenz. Um die Studenten auf die ihnen beruflich gestellten Herausforderungen vorzubereiten, könne das Germanistikstudium in allen der in der vorliegenden Arbeit beschrieben drei Dimensionen einen Beitrag zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz leisten: 1) Vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativität Nach Ansicht vieler Experten müsse die Beschäftigung mit der deutschen Sprache auch die mit der deutschen Kultur einschließen. Denn das Lernen der deutschen Sprache sei ein Prozess, in dem sich Wertschätzung und Toleranz gegenüber den Deutschen und der deutschen Kultur Schritt für Schritt entwickelten. Dieser Weg vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativität gelte selbstverständlich auch für den Umgang mit anderen Kulturen. 2)

Die Wechselwirkung von Wissen und Verstehen in der eigenen und fremden Kultur

Viele Experte sahen Deutschkenntnisse als einen wichtigen Schlüssel dafür an, die deutsche Kultur zu verstehen. Wenn man die deutsche Sprache beherrscht und nicht allein auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen ist, so die Experten, könne man sich auch besser über die deutsche Kultur informieren und besser zu deren Tiefenstruktur vordringen. Man habe einen direkten Zugang zur deutschen Kultur und sei besser in der Lage, verschiedene Phänomene selbstständig zu verarbeiten, zu beurteilen und ein differenziertes und facettenreiches Bild über die fremde Kultur zu gewinnen. Nach Meinung einiger Interviewpartner trage die Beherrschung der deutschen Sprache auch dazu bei, die Kultur und die ungeschriebenen Gesetze eines Unternehmens besser zu verstehen. So erklärte z.B. eine deutsche Führungskraft: „Wenn man verstehen will, wie unsere Firma in bestimmter Situation reagiert und warum Entscheidungen so und so getroffen werden, da muss man auf den Kern, auf das Selbstverständnis des Unternehmens zurück, und das ist deutsch, sehr deutsch. Wenn man auch Formulierungen in der Muttersprache versteht, dann

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versteht man auch den Konzern besser.[…]Wenn man die Kultur von unserer Firma verstehen will, ist es gut, man versteht Deutsch, dann versteht man Verhaltensweise und Relationen viel besser.“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). 3) Interkulturelle Handlungskompetenz Sprache ist ein wichtiges Werkzeug des interkulturellen Handelns. Viele Experten unterstrichen deswegen auch den positiven Beitrag des Germanistikstudiums zur Förderung der interkulturellen Handlungskompetenz. Wenn man die deutsche Sprache beherrsche, könne man besser mit den Deutschen kommunizieren, besser zwischen den Deutschen und den Chinesen vermitteln und sei besser in der Lage, Gemeinsamkeiten zu finden und Synergien zu schaffen. Es sei unbestritten, dass die englische Sprache sich zur globalen Geschäftssprache entwickelt habe, deswegen sei es auch kein besonderer Wettbewerbsvorteil mehr, die englische Sprache zu beherrschen. Wenn man aber Englisch kann und zusätzlich die deutsche Sprache durch ein Studium gelernt habe, sei man durchaus in einer besseren Wettbewerbsposition. Um aber wirklich gute Berufsaussichten zu haben, empfahlen viele Interviewpartner, müsse man Kenntnisse in einem weiteren Fachgebiet wie Wirtschaft, Rechtswissenschaft oder Ingenieurwesen nachweisen.

3.4 Feststellungen und Konsequenzen Als ich mit den Interviews begann, war ich davon ausgegangen, dass sich interkulturelle Kompetenz in verschiedene Teilkompetenzen und Eigenschaften aufgliedern ließe. Im Verlauf der Interviews hat sich jedoch immer deutlicher gezeigt, dass interkulturelle Kompetenz nicht in klar voneinander abgrenzbare Teile zu zerlegen ist. Vielmehr ist mir immer stärker bewusst geworden, dass nur eine ganzheitliche Sichtweise hilft, der beruflichen Wirklichkeit mit ihrem komplexen Anforderungsprofil gerecht zu werden. Im Einzelnen kommt es mir dabei auf folgende Feststellungen und Schlussfolgerungen an: ¾ Auf dem Weg zur interkulturellen Kompetenz kommt es weniger auf die Erreichung kurzfristig gesetzter Ziele an, als vielmehr auf eine längerfristig angelegte Partnerschaft mit dem interkulturellen Gegenüber.

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Das bestätigt auch die Tatsache, dass keiner meiner Interviewpartner, wie in vielen Rezeptbüchern aber auch in wissenschaftlichen Publikationen nahe gelegt wird, von Effizienz gesprochen hat. Denn nur eine Partnerschaft, die sich Zeit nimmt, birgt die Chance für eine nachhaltige und erfolgreiche Zusammenarbeit in sich. Deswegen stimme ich mit den Experten überein, dass interkulturelle Kompetenz keine einmal erworbene und für immer gültige Fähigkeit ist. Sie entwickelt sich vielmehr in einem interaktiven Gestaltungsprozess. ¾ Schon nach den ersten Interviews war mir klar, dass ich bei den weiteren Gesprächen die Prozesshaftigkeit stärker berücksichtigen sollte. Damals war ich aber noch davon ausgegangen, dass interkulturelle Kompetenz sich in einem Prozess entwickelt, der allgemeingültig ist und irgendwann abgeschlossen werden kann. Deswegen habe ich die Frage gestellt: „Wenn man die Entwicklung interkultureller Kompetenz als einen Prozess bezeichnet, welche Stufen hat Ihrer Meinung nach dieser Prozess?“ In ihren Antworten haben die Experten mein Bild mit den Stufen gar nicht aufgenommen, sondern haben darauf verwiesen, dass es um einen offenen Prozess ginge, auf dem jeder den Weg für sich selbst finden müsse. Es gibt also keinen Königsweg, der für alle gilt. Vielmehr sollte jeder seinen individuellen Zugang zur interkulturellen Kompetenz finden. Diese Einsicht steht im deutlichen Widerspruch zu Definitionen von interkultureller Kompetenz, die den Eindruck erwecken, dass es sich mehr um interkulturelle „Programme“ als um Persönlichkeitsentwicklung handle. ¾ Allerdings vermitteln die Interviews auch die Botschaft, dass die individuellen Wege zur interkulturellen Kompetenz gemeinsame Leitfäden haben, die ich in meinem multidimensionalen Modell zur Entwicklung interkultureller Kompetenz ausführlich beschrieben habe. ¾ Das größte Maß an Gemeinsamkeit lässt sich beim Thema „interkulturelles Lernen“ feststellen. Lernbereitschaft und Lernfähigkeit werden in allen Interviews als Kernkompetenzen bezeichnet. ¾ Viele Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur Förderung interkultureller Kompetenz von Belang sind, sind auch zur Entwicklung der Sozialkompetenz im eigenen Kulturraum entscheidend, was nicht überraschend ist. Denn meiner Ansicht nach, und dies wird auch durch die Experteninterviews bestätigt, ist die Bildung und Erziehung in der eigenen Kultur eine wichtige Grundlage zur Entwicklung interkultureller Kompetenz. ¾ Das Vorhandensein der interkulturellen Kompetenz ist keine Erfolgsgarantie, aber eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg in international tätigen Unternehmen. Sie kann ihre Wirkung nur in der Verknüpfung mit anderen

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Kompetenzen entfalten. Interkulturelle Kompetenz schwebt also nicht im luftleeren Raum. Gerade für den Erfolg in der beruflichen Praxis mahnen die Experten immer wieder Fachkenntnisse an. Aus diesen Feststellungen lassen sich für mein Konzept, das die Entwicklung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten vorsieht, folgende notwendige Konsequenzen ziehen: ¾ Interkulturelle Kompetenz ist kein Studienfach. Vielmehr sollte sie als ein integriertes Angebot, das Bestandteil verschiedener Fächer ist, angesehen werden. Daraus ergibt sich auch, dass es keinen Hochschulabschluss in interkultureller Kompetenz geben kann, sehr wohl aber eine intensive Vorbereitung auf das lebenslange Lernen. ¾ Wer lernen will, muss lernen, richtig zu lernen. Deshalb ist die Vermittlung von Lernstrategien und -techniken in den einzelnen Fachgebieten vor allem aber auch fächerübergreifend von zentraler Bedeutung. Interdisziplinäres Arbeiten, Lerneifer und Teamfähigkeit können so bereits in der Hochschule entwickelt werden. ¾ „Interkulturelle Kompetenz muss man leben“. Diese Kernaussage, die sich in allen Interviews wieder findet, fordert eine starke Anwendungs- und Praxisorientierung schon während des Studiums. ¾ Die Einsicht, dass der Weg zur interkulturellen Kompetenz ein offener Lernprozess ist, hat zur Folge, dass man das Germanistikstudium nicht als etwas In-Sich-Geschlossenes betrachten darf, in dem man den Studenten die interkulturelle Kompetenz in die Hand geben kann. Dies bedeutet, dass das Studium nicht allein in dem Schonraum des universitären Elfenbeinturms stattfinden sollte, sondern sich der Lebens- und Arbeitswelt öffnen muss. ¾ Das dreidimensionale Modell, das die Wege vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativität, vom oberflächlichen zum tieferen Wissen und Verstehen der eigenen und der fremden Kultur(en) und zur interkulturellen Handlungskompetenz, beschreibt, muss sich in meinem Konzept wieder finden und Orientierung bei der Entwicklung eines neuen Curriculums sein. ¾ Unter dem Aspekt „besserer Chancen im Beruf für Germanistikabsolventen“ ist die Verknüpfung eines Sprachstudiums mit anderen Fachgebieten zwingend geboten. Die eben beschriebenen Konsequenzen sollen die Grundlage meines Konzeptes für die Förderung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten bilden. Bevor ich diesen Schritt gehen kann, muss ich zunächst den status quo des Germanistikstudiums in China beschreiben und die Reformnotwendigkeit und -möglichkeiten herausarbeiten.

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4 Interkulturelle Orientierung und Stand des Germanistikstudiums in China In diesem Kapitel werden in einem ersten Schritt die Konturen des Germanistikstudiums in China vor dem Hintergrund des chinesischen Bildungssystems skizziert. Im Anschluss daran werden diese Darstellungen durch Einbezug von Analysen und kritischen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Ansätzen für das Fremdsprachenstudium in China ergänzt, um so eine weitere Grundlage für die Ausarbeitung eines Konzeptes zur Entwicklung interkultureller Kompetenz während des Germanistikstudiums zu schaffen20.

4.1 Die Rahmenbedingungen 4.1.1 Das Hochschulsystem in China 4.1.1.1 Die Entwicklung des Bildungswesens in China China unterhält das größte Bildungswesen der Welt. Es durchläuft seit Anfang des 20. Jahrhunderts, als an die Stelle der privaten Lehranstalten ein öffentliches Schulsystem trat, eine umwälzende Entwicklung. Vor allem nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 erzielte das Bildungswesen einen großen qualitativen und quantitativen Fortschritt. Allerdings erlebte es in der Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 wieder einen herben Rückschlag. Denn innerhalb dieser 10 Jahre war in den meisten Schulen der normale Unterricht eingestellt und die Hochschulen durften keine Studenten mehr aufnehmen. Viele Schul- und Hochschullehrer wurden aufs Land oder in eine Fabrik geschickt, damit sie von den Bauern und Arbeitern umerzogen wurden, denn als Intellektuelle gehörten die Lehrer nicht zu der arbeitenden Klasse. Das komplette Bildungssystem wurde in Frage gestellt. Die leitende Devise in der Kultur20 Gelegentlich werde ich in meiner Arbeit Zusammenhänge referieren müssen, die im Kontext öffentlicher chinesischer Diskurse stehen und für die es keine klar umrissenen Quellenverweise gibt. In diesen Fällen werde ich die Argumente aus meiner eigenen fachlichen Expertise bzw. die aus öffentlichen Diskursen entsprechend kennzeichnen.

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revolution war, dass das Lernen und Studieren die Jugendlichen von der arbeitenden Klasse entfernte. Ein weit verbreitetes Diktum in der Kulturrevolution war: „Je mehr Wissen man besitzt, desto konterrevolutionärer ist man.“ Aus diesem Grund sollten die Jugendlichen nicht primär Wissen erwerben, sondern die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Bauern und Arbeiter erlernen, z.B. wie man Reis anbaut oder ein Werkstück herstellt. Unter diesen Umständen war der normale Lehrbetrieb nicht mehr möglich, wodurch die Ausbildung einer ganzen Generation beeinträchtigt wurde. Nach der Beendigung der Kulturrevolution im Jahr 1976 gab es folglich im Bildungssektor einen großen Nachholbedarf, zumal ein wichtiger Paradigmenwechsel vollzogen wurde: Wissen zu erwerben galt seitdem nicht mehr als konterrevolutionär, sondern als unverzichtbare Voraussetzung für eine positive Entwicklung des Landes. Die Folgen dieser veränderten Einstellung sind am Stellenwert des Bildungswesens und den damit verbundenen Investitionen zu erkennen. Vor allem das Fachwissen ist seither sehr gefragt und Intellektuelle genießen zunehmend ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Dass diese Einschätzung in ganz China und über Generationsgrenzen hinweg gilt, zeigt die Beobachtung, dass das Bestehen der nationalen Zulassungsprüfung für ein Hochschulstudium das Traumziel der meisten Jugendlichen und ihrer Familien ist. 4.1.1.2 Die Hochschullandschaft in China Es gibt bis heute keine klar definierte Klassifizierung der Hochschulen in China, auch nicht in dem im Jahr 1998 erlassenen Gesetz für Hochschulbildung. Die allgemein verbreiteten Klassifizierungen können wie folgt dargestellt werden. Klassifizierungsoption 1: Nach Fächern ¾ allgemein bildende Hochschulen/Universitäten, ¾ natur- und ingenieurwissenschaftliche Hochschulen/Universitäten, ¾ pädagogische Hochschulen, ¾ medizinische Hochschulen, ¾ wirtschafts- und finanzwissenschaftliche Hochschulen, ¾ Kunsthochschulen, ¾ Fremdsprachenhochschulen etc.

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Klassifizierungsoption 2: Nach Schwerpunkten ¾ Hochschulen mit Schwerpunkt auf Forschung, ¾ Hochschulen mit Schwerpunkt auf Lehre, ¾ Hochschulen, die Forschung und Lehre verbinden und ¾ Hochschulen mit Berufsorientierung. Die einzige klar definierte Klassifizierung ist die Unterscheidung in ¾ Schlüsseluniversitäten und ¾ normale Universitäten. Dieser Unterschied ist für die Hochschulen und auch für die Auswahl der Studenten ausschlaggebend. Die Schlüsseluniversitäten – es sind landesweit 10021 – genießen z. B. viel mehr Unterstützung vom Staat und erhalten aufgrund ihres Prestiges eine größere Anzahl an Bewerbungen, so dass sie sich die besten Bewerber aussuchen können. Germanistik als Studiengang wird an verschiedenen Typen von Hochschulen angeboten. Rund die Hälfte aller Deutschfakultäten befindet sich an allgemein bildenden Hochschulen (vgl. Hernig 2000, 124). Daneben ist Germanistik an allen acht Fremdsprachenhochschulen vertreten (vgl. ebd.). Nach der aktuellen22 Information aus der vom staatlichen Bildungsministerium unterstützten Internetseite „Germanistik in China“ (www.germancn.com) bieten zurzeit 40 Hochschulen in China Germanistik/Deutsch als Studienfach an. Darunter sind neun Hochschulen in Beijing, sieben in Shanghai, drei in Guangzhou, drei in Nanjing, drei in Xi’an und zwei in Tianjin. Die chinesischen Hochschulen sind administrativ in drei bzw. vier Ebenen aufgeteilt: ¾ Hochschule (xuexiao), ¾ Fachbereich (xueyuan), ¾ Fakultät (xi) und ¾ Sektion (jiaoyanshi, zhuanye).

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Die 100 Schlüsseluniversitäten werden vom chinesischen Bildungsministerium durch ein strenges Verfahren ausgewählt. 22 Stand: Juli 2007

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Das Germanistikstudium ist meistens in der Deutschfakultät, manchmal auch in der Sektion für Deutsch angesiedelt. In der vorliegenden Arbeit wird ungeachtet dieses Unterschiedes die Bezeichnung „Deutschfakultät“ benutzt. Für die Ausarbeitung des Curriculums für das Fach Germanistik/Deutsch ist das Anleitungskomitee für Germanistik, das dem staatlichen Bildungsministerium untersteht, zuständig.

4.1.2 Prüfungsorientierung vs. Suzhi-Bildung 4.1.2.1 Die prüfungsorientierte Bildung Das Prüfungssystem in China baut auf Jahrtausende alten Traditionen auf. Der zentrale Gedanke dieses Systems ist die Gleichheit der Prüfungsbedingungen und die Nachvollziehbarkeit der Prüfungsergebnisse. Am bekanntesten ist das System der kaiserlichen Beamtenprüfung23, die das gesamte Leben eines Gelehrten entschied. Das chinesische Schulsystem – von der Grundschule bis zur Hochschule – ist noch heute ausgesprochen prüfungsorientiert. Die Selektion fängt bereits in der Grundschule an, spätestens in der 5. und 6. Klasse, wo die Schüler Abendkurse und Wochenendkurse für olympische Mathematik, Englisch und Aufsatzschreiben etc. besuchen, um in der Aufnahmeprüfung einer Schlüsselmittelschule gute Noten zu bekommen und von dieser aufgenommen zu werden. Ihren Höhepunkt erreicht die Selektion bei der nationalen Aufnahmeprüfung für den Hochschulzugang, der „Gaokao-Prüfung“. Für die meisten Prüflinge, vor allem für die aus einfacheren Familienverhältnissen, ist diese Prüfung die einzige Möglichkeit, sozial aufzusteigen. Der Weg bis zu dieser Gaokao-Prüfung wird von einer Vielzahl an Prüfungen begleitet, welche auf die große Prüfung vorbereiten sollen. Die Gaokao-Prüfung findet jedes Jahr Anfang Juni statt. Abgesehen von der Differenzierung in „Natur- und Ingenieurwissenschaft“ und „Geisteswissenschaft“ haben fast alle Oberschulabgänger – im Jahr 2006 haben 8,8 Millionen Prüflinge an der „Gaokao-Prüfung“ teilgenommen – die gleichen Prüfungen abzulegen. Während die Aufnahmeprüfung für den Hochschulzugang einheitlich belegt wird, sind die Studienfächer selbst sehr breit gefächert. 23 Das System der kaiserlichen Beamtenprüfung wurde in der Sui-Dynastrie (581-618 n.Chr.) errichtet und im Jahr 1905 abgeschafft. Durch diese Prüfung wurden Kandidaten für Beamtenposten ausgewählt. Für die normalen Gelehrten war die kaiserliche Beamtenprüfung der wichtigste Weg, politische Karriere zu machen.

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Nach der Gaokao-Prüfung muss jeder Studienbewerber in einem Bewerbungsantrag Wunschhochschulen mit jeweils drei Wunschfächern – aufgelistet nach der Priorität – nennen und dieses an das Prüfungszentrum für die Gaokao-Prüfung senden. Je nach Anzahl der Bewerber und der Studienplätze ändert sich jährlich die Mindestpunktzahl der jeweiligen Hochschulen und Fachrichtungen. Nur wenn ein Studienbewerber sehr gute Noten in der Gaokao-Prüfung aufweist, kann er sein Wunschfach an der Wunschhochschule studieren. Viele Studienbewerber erklären sich bereit, in einem zugewiesenen Fach zu studieren und müssen gegebenenfalls in Kauf nehmen, dass ihnen ein anderes Fach, das nicht auf ihrer „Wunschliste“ steht, zugeteilt wird, damit sie überhaupt studieren können. Denn ansonsten müssen sie in dem darauf folgenden Jahr erneut die Gaokao-Prüfung absolvieren, wobei nicht gewiss ist, dass sie bessere Noten erzielen. Während Germanistik, wie viele andere Fremdsprachen, bis Ende der 80er Jahre noch ein begehrtes Fach war, ist es inzwischen nicht mehr populär. Dies resultiert aus der Tatsache, dass nach dem Abschluss des Studiums mit Deutsch als einzigem Schwerpunkt sich die Arbeitssuche schwierig gestaltet. Nur diejenigen, die sehr gute Noten bei der nationalen Aufnahmeprüfung haben, können in ihrem Wunschfach studieren. Da Germanistik nicht oder nicht mehr zu den begehrten Studienfächern gehört, ist dementsprechend auch die Punktzahl zur Zulassung niedriger. Inzwischen stellt sich die Situation so dar, dass Germanistik oftmals kein Wunschfach mehr ist, sondern das Fach, das aufgrund mangelnder Puntkzahl für andere Studiengänge, wie z.B. BWL, internationales Recht, Anglistik, nur noch das zugewiesene Studium ist. Nach einer Untersuchung, die im Auftrag des Nationalen Anleitungskomitees für Germanistik im Jahr 2003 unter 531 Germanistikstudenten an 15 chinesischen Hochschulen durchgeführt wurde, äußerten sich mehr als 50% der Befragten, dass das Studienfach Germanistik nicht ihrem Wunsch entspricht (Wei 2005a, 2). Während des Studiums ist ein Wechsel zu einem anderen Fach äußerst schwierig zu bewerkstelligen. 4.1.2.2 Neue Trends in der Hochschulbildung Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung und insbesondere der Modernisierung Chinas stellt es sich immer mehr heraus, dass die prüfungsorientierte Bildung den neuen Anforderungen der Gesellschaft nicht ausreichend gerecht wird. Deshalb forderten Anfang der 90er Jahre viele Bildungsexperten einen Paradigmenwechsel von prüfungsorientierter zu suzhi-orientierter Bildung, welche die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler und Studierenden stärker hervorhebt.

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In der chinesischen Sprache bezeichnet man mit „Suzhi“ die fundamentalen Eigenschaften eines Menschen. Explizit als ein pädagogischer Begriff eingesetzt wurde „Suzhi“ erst 1988, als in der Fachzeitschrift „Education in Shanghai“ ein Aufsatz erschien, in der es um Suzhi-Bildung als eine neue Zielsetzung der Mittelschule ging (Wei 2005a, 1).Mit dem Konzept der Suzhi-Bildung versucht man, der insbesondere in den Mittelschulen sehr stark ausgeprägten Prüfungsorientierung entgegenzuwirken. Denn in der pädagogischen Welt haben sich die kritischen Stimmen gemehrt, dass es zwar viele Schüler mit guten Noten gebe, deren fachübergreifende Kernkompetenzen wie z.B. Anwendungsfähigkeit, Kreativität und Eigeninitiative allerdings sehr unzulänglich seien. Auch in der berufspraktischen Welt werden die Stimmen immer lauter, dass die prüfungsorientierte Bildung den Anforderungen des Berufslebens nicht gerecht werde, weil sie die affektiven und handlungsorientierten Kompetenzen zugunsten der kognitiven Kompetenz vernachlässige. In der Tat spielen die Noten der Studenten für die Arbeitssuche keine entscheidende Rolle mehr. Nach einer Untersuchung, die unter 21220 Absolventen von 34 Hochschulen in 16 Provinzen durchgeführt wurde, stehen „gute Noten“ als Faktoren, die für die Arbeitssuche wichtig sind, erst auf Platz 7. Die zwei wichtigsten Faktoren sind dafür „hohe berufsbezogene Handlungskompetenz“ und „Berufserfahrungen“ (Min/Ding/Wen/Yue 2006, 33). Deshalb liegt es auch im Interesse der politischen Entscheidungsträger, der prüfungsorientierten Bildung entgegenzuwirken. Denn nach der offiziellen Bildungsleitlinie der Regierung sollen die Bildungsinstitutionen dem Volk, der gesellschaftlichen sowie der wirtschaftlichen Entwicklung dienen und die Schüler und Studierenden zu moralisch, intellektuell, physisch und ästhetisch hoch qualifizierten Arbeits- und Nachwuchskräften erziehen. Seit Anfang der 90er Jahre sieht das chinesische Bildungswesen die SuzhiBildung als eine seiner Kernaufgaben an. Der Entwicklung des Suzhi-Konzeptes liegt u.a. die Überzeugung zugrunde, dass fachübergreifende Kompetenzen an Bedeutung gewinnen. Denn die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft bzw. in der Arbeitswelt haben sich geändert. Der Wandel der Gesellschaft vollzieht sich schneller und die Halbwertzeit der Informationen verkürzt sich zusehend. „Da sich die herkömmlichen Kenntnisse und Fähigkeiten wegen der Verkürzung der Innovationszyklen keiner langen Lebensdauer erfreuen können, soll ein Ensemble von Qualifikationen gefördert werden, die nicht rasch veralten. Mit diesem durch dauerhafte Verfügbarkeit und vielfältige Verwendbarkeit charakterisierten Qualifikationskomplex erhofft man sich, das Tor zu Beruf und Karriere öffnen und mit der Dynamisierung der Berufsprofile zurechtkommen zu können“ (Wei 2005a, 5).

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Auch das im Jahr 1998 erlassene chinesische Hochschulgesetz sieht die Aufgabe der Hochschulbildung darin, hoch qualifizierte Absolventen auszubilden, die kreativ und praxiskompetent sind. Es ist offensichtlich, dass dieses Bildungsziel nicht durch Prüfungsorientierung zu realisieren ist. Obgleich „Suzhi“ in aller Munde ist, gibt es in China bis jetzt keine allgemeingültige Definition des Begriffs (vgl. Wei 2005b, 2). Auch die englischen Übersetzungen für das Wort „Suzhi“ sind eher verwirrend als einleuchtend. Die häufig benutzten Versionen sind „quality“, „qualification“ und „character“. Zu dem „Suzhi“ gehören die so genannten weichen Faktoren, wie etwa die Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit. „Bastler im Labor, Einzelkämpfer und Spezialisten sind nicht mehr gefragt. Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Medienkompetenz, fließendes Englisch, interdisziplinäres Wissen, Transferfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Flexibilität und praktische Erfahrungen werden erwartet“ (Ni 2001, 227). Hernig spricht in Bezug auf Suzhi-Bildung von „schwer definierbaren Erziehungskursen (Hernig 2000, 111) und übersetzt Suzhi-Bildung als „Erziehung des gesellschaftsfähigen Menschen“ (ebd., 123). In der chinesischen Fachwelt wird „Suzhi“ oft als Gegenbegriff zu „Wissen“ benutzt. Yang Shuzi24 konstatiert sogar: „Suzhi ist das, was übrig bleibt, wenn man alles Wissen vergisst“. Diese Schlussfolgerung läuft meines Erachtens Gefahr, dass „Suzhi“ am Ende nur eine leere Worthülse bleibt. Denn Wissen stellt fraglos eine wichtige Voraussetzung für „Suzhi“ dar. Das Wesentliche an dem Begriff „Suzhi“ geht über den engeren Horizont eines bestimmten Fachs hinaus und ist nicht in erster Linie auf konkrete Inhalte ausgerichtet. Es gilt eine lang verwertbare Bildung zu erwerben. Wenn ich die verschiedenen Interpretationen zusammenfasse, verstehe ich unter „Suzhi“ positive Eigenschaften, die den Menschen helfen, in einer sich wandelnden Welt souverän, situationsgerecht und sozialkompetent die jeweilige Lebenswirklichkeit zu bewältigen. Suzhi ist nach meinem Verständnis Potenzial und Kompetenz zugleich. Wie Wei Yuqing (2003, 2) anmerkt, stellt der Begriff „Suzhi“ in der chinesischen akademischen Welt eine Omnipotenz dar, in deren Namen man unterschiedlichste Vorstellungen durchzusetzen versucht. In der Tat wird der Begriff holistisch als Gegenbegriff zur prüfungsorientierten und wissensorientierten Bildung verstanden und als Symbol des Paradigmenwechsels von der Wissensorientierung zur Entwicklung von sozialen Kompetenzen begriffen.

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Aus: http://moral.tsinghua.edu.cn:8080/newsdetail.jsp?news_id=59, Stand: 23.1.2007

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Wie das suzhi-orientierte Konzept von der Fachwelt der chinesischen Fremdsprachendidaktik und insbesondere der Germanistik realisiert wird, wird im folgenden Kapitel der vorliegenden Arbeit dargestellt.

4.1.3 Fremdsprachenstudium in China 4.1.3.1 Interkulturelle Forschung in der Fremdsprachendidaktik Hu Wenzhong, Vorreiter der interkulturellen Forschung in China und ehemaliger Vorsitzender der „China Association for Intercultural Communication“, konstatiert, dass die Forschung über interkulturelle Kommunikation in China beachtliche Fortschritte gemacht hat. Nach seiner Statistik sind in den letzten 10 Jahren insgesamt 2285 Aufsätze über dieses Gebiet veröffentlicht worden (Hu 2005, 5). Meiner Ansicht nach ist diese Zahl im Vergleich zur Entwicklung in anderen Forschungsgebieten in China bei weitem nicht so beeindruckend, vor allem aufgrund der mangelnden Qualität vieler Aufsätze (vgl. ebd.; Peng 2005). Peng Shiyong (2005, 75) hat z. B. in 564 Fachzeitschriften in China, die vom Jahr 1994 bis 2003 publiziert worden sind, 1109 Aufsätze gefunden, die sich mit interkultureller Kommunikation befassen. Abgesehen davon, dass viele dieser Aufsätze streng genommen nicht als wissenschaftliche Arbeiten gelten können (ebd.), wurden pro Jahr/pro Fachzeitschrift nur 0,2 Aufsätze über interkulturelle Kommunikation publiziert. Wie Peng anmerkt, gibt es keine einzige Fachzeitschrift in China, die auf interkulturelle Forschung spezialisiert ist (ebd.). Ein weiteres Problem liegt darin, dass die meisten Forscher im Fachgebiet „interkulturelle Kommunikation“ Hochschuldozenten und -professoren sind. Von diesen sind wiederum die meisten Dozenten und Professoren für Anglistik (vgl. Hu 2005; Peng 2005), weshalb auch hier die Denkweise meist sehr einseitig ist. Dies lässt sich auch an der Zusammensetzung der im Jahr 1995 gegründeten „China Association for Intercultural Communication“ erkennen. Bei den meisten Forschungsarbeiten geht es um kontrastive Linguistik. Es fehlt an interdisziplinärer Zusammenarbeit. Obgleich die Fachwelt immer wieder zu einer solchen Zusammenarbeit aufgerufen hat, ist bis heute keine wesentliche Verbesserung festzustellen (vgl. Hu 2005). Es ist vielmehr eine fachliche „Inzucht“ zu konstatieren, welche die weitere Entwicklung der Forschung über interkulturelle Kommunikation in China sehr beeinträchtigt. Während das Lexem „interkulturell“ in den didaktischen Diskursen in vielen westlichen Ländern bereits zu einem Fahnenwort avanciert ist und „interkulturelles Lernen“ als Thema Hochkonjunktur hat, hat das Thema „interkulturelle

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Kompetenz im Fremdsprachenstudium“ in China für die meisten in der akademischen Welt noch eher eine sekundäre Bedeutung. Auch wenn es Tendenzen zur stärkeren Beachtung der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit gibt, wird diese Fähigkeit gemeinhin mit Fremdsprachenkompetenz – in den meisten Fällen der Fremdsprachenkompetenz für Englisch – gleichgesetzt (Peng 2005, 74; Wen/Zhou 2006, 78). Von den chinesischen Forschern ist nur wenig zum Themenkreis „interkulturelle Kompetenz“ (Qian 2000), „Interkulturelles Lernen“ und „Interkulturelle Orientierung im Fremdsprachenstudium“ publiziert worden, obwohl die meisten Forscher für interkulturelle Kommunikation Hochschulprofessoren für Fremdsprachen sind (vgl. Zhuang 2006a, 58). Bei den meisten dieser Publikationen geht es um kontrastive Linguistik (Peng 2005, 75). Bei der Durchsicht der wichtigsten Fachzeitschriften für Fremdsprachenlehr- und -lernforschung, wie z.B. „Foreign Language Teaching and Research“25, „Foreign Language Education“, „Foreign Language and Their Teaching“, „Foreign Languages in China“, die in den letzten drei Jahren erschienen sind, ist festzustellen, dass das Thema „Interkulturelle Orientierung/Interkulturelle Kompetenz im Fremdsprachenunterricht“ nur marginal behandelt wird. In den wenigen chinesischen wissenschaftlichen Publikationen über das Thema „interkulturelle Kompetenz“ wird der berufspraktische Aspekt stark vernachlässigt. Es ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das Fremdsprachenstudium nach Ansicht des Gelehrtenwissens immer noch sehr stark mit schöngeistiger Literatur und Poesie verbunden ist. Auch Hu (2005, 5ff; 2006a, 4) räumt ein, dass die Forschung zur interkulturellen Kommunikation in China trotz der Fortschritte noch ein vernachlässigtes Gebiet ist. Er stellt fest, dass eine der größten Schwächen dieses Gebietes darin liege, dass es kaum empirische Forschung gebe. Unter allen Aufsätzen, die von 1999 bis 2002 in China publiziert wurden, basieren weniger als 0,56% davon auf einer empirischen Untersuchung (ebd., 5). Es liegt nahe, dass die realitätsfernen „Forschungsarbeiten“ der Reform und der Erneuerung der Curricula der Fremdsprachenstudien nicht dienlich sind. Es ist vielmehr dringend notwendig, empirisch basierte Forschungen durchzuführen und eine Brücke zwischen der Berufpraxis und den Hochschulen zu schlagen – eine Brücke, die es bisher nur in sehr brüchiger Form gibt.

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Die englische Übersetzungen stammen von den jeweiligen Verlagen

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4.1.3.2 Interkulturelle Orientierung im bisherigen Fremdsprachenstudium Auch an vielen Fremdsprachenfakultäten in China wird dem Thema „interkulturelle Kompetenz“ noch wenig Bedeutung beigemessen. Zwar wird an vielen Fremdsprachenfakultäten die Entwicklung einer interkulturellen Kommunikationskompetenz – an Stelle der Fremdsprachenkompetenz – als eines der Ausbildungsziele deklariert, bei näherer Betrachtung derartiger Lernangebote stellt sich jedoch heraus, dass diese oftmals nur in marginaler Weise in die Lehrpraxis einbezogen und wenig mit Inhalt ausgefüllt werden (vgl. Chen 2006, 15). Die Lernziele in Fremdsprachenstudien sind oft sehr rudimentär, abstrakt und schwer zugänglich formuliert. Ebenfalls sind sie oft sehr einseitig definiert (ebd.). Dem Lernprozess wird hierbei zu wenig Bedeutung beigemessen. Die Ziele für Fremdsprachenlernen werden häufig auf das Bestehen von verschiedenen Niveauprüfungen reduziert. In solchen Prüfungen wird meistens nur das reine Sprachwissen getestet. Eine sehr übliche Form bei der Niveauprüfung ist „Multiple Choice“, bei der vor allem die reproduktiven Fertigkeiten getestet werden. Die Sprachprüfungen haben kaum Bezug zur interkulturellen Kompetenz. Während des Fremdsprachenstudiums liegt ein starker Fokus auf den Sprachfertigkeiten der Studenten. Bis in die 90er Jahre war der Deutsch- bzw. Fremdsprachenunterricht an den Hochschulen in China im Allgemeinen grammatikalisch orientiert und auf den Erwerb von Lexik und Strukturwissen ausgerichtet (Ma 2005, 9). Die Sprachhandlungskompetenz der Studierenden im Sinne rezeptiver und produktiver Fertigkeiten und Fähigkeiten in Gebrauch von Sprachen wurde vernachlässigt, gemeint ist hier z.B. interkulturelle Kompetenz (Liu 2000, 250). Die Überbetonung der Bedeutung der reproduktiven Sprachfertigkeiten führt dazu, dass die Studenten große Schwierigkeiten haben, selbstständig zu denken, Probleme zu entdecken und selbstständig Probleme zu lösen (Ma 2005, 9). Die affektiven Lernziele werden häufig ignoriert (Li 2005, 68), und dies, obwohl viele erkannt haben, dass eines der wichtigen Ziele für das Fremdsprachenlehren und -lernen darin liegt, interkulturelle Sensibilität, Toleranz und Flexibilität zu entwickeln (ebd., 71). Bestätigt wird dies von einer Untersuchung, die im Auftrag des Nationalen Anleitungskomitees für Germanistik im Jahr 2003 unter 531 Germanistikstudenten an 15 chinesischen Hochschulen durchgeführt wurde. Nach Angaben der Studenten wird der Entwicklung sprachlicher Kompetenzen im Unterricht erste Priorität eingeräumt, während die Förderung der Selbstständigkeit zu kurz kommt (Wei 2005a, 8). In den 90er Jahren wurde von der Fachwelt der Fremdsprachenausbildung erkannt, dass das Fremdsprachenstudium mit der Vermittlung der fremden Kultur zu verbinden ist. Einige Hochschulen haben Reformversuche unternommen und kul-

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turelle Aspekte in das Fremdsprachenstudium integriert (Chen 2006, 236). In der Fachwelt ist man auf „interkulturelle Kompetenz“ aufmerksam geworden, wobei sie in den meisten Fällen als Synonym für „interkulturelle Kommunikationskompetenz“ angesehen wird. Erwähnenswert hierzu ist besonders das internationale Symposium über „interkulturelle Kommunikation“ im Jahr 2006 (Zhuang 2006b, 79f), an dem viele wichtige Vertreter des Fachgebietes „interkulturelle Kommunikation“ in China teilgenommen haben. Resultat dieses Symposiums ist u.a. die einhellige Erkenntnis, dass für die Fremdsprachenstudien im 21. Jahrhundert ein Paradigmenwechsel von Wissensvermittlung zur Förderung interkultureller Kompetenz der Studierenden vollzogen werden sollte (ebd., 79). Allerdings gab es auf dem Symposium kein einheitliches Verständnis darüber, was unter interkultureller Kompetenz zu verstehen sei (ebd., 79f). In der Tat spricht man allgemein mehr oberflächlich über die Integration der Kulturvermittlung in das Fremdsprachenstudium, als dass konkrete Konzepte dafür ausgearbeitet und vorgelegt würden (Xu/Wu 2006, 76). Nach Hu Wenzhong (2006b, 6) gibt es an immer mehr chinesischen Hochschulen das Fach „interkulturelle Kommunikation“. Allerdings gibt es bis jetzt kein Curriculum für dieses Fach, an dem man sich orientieren kann (ebd.). Hingegen wird den einzelnen Lehrenden überlassen, welche Inhalte und mit welchen Methoden diese Inhalte vermittelt werden. In China sind inzwischen sechs Lehrwerke über interkulturelle Kommunikation vorhanden, die für Fremdsprachenstudenten eingesetzt werden können (ebd.): ¾ Du, Ruiqing et al. (2004): Ausgewählte Texte zur Interkulturellen Kommunikation26, Xi’an ¾ Hu, Wenzhong (1999): Einführung in die Interkulturelle Kommunikation, Beijing ¾ Lin, Dajin (1996): Die Forschung über Interkulturelle Kommunikation – Anleitung zum Umgang mit Briten und US-Amerikanern, Fujian ¾ Linell Davis (2001): Die chinesische und westliche Kultur, Beijing ¾ Tang, Degen (2000): Die Lehre über die Interkulturelle Kommunikation, Changsha

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Die Überschriften werden von mir aus dem Chinesischen übersetzt.

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Mehr als die Hälfte der oben genannten Bücher beschäftigen sich mit den folgenden Themen (Hu 2006b, 6): Einführung in die interkulturelle Kommunikation, Kultur, Kommunikation, verbaler Prozess, nonverbaler Prozess, soziale Organisation, Management, interkulturelle Erkenntnis/Empfinden, Werte und Religion, Förderung interkultureller Kompetenz. An den obigen Lehrwerken ist zu erkennen, dass die Lehrveranstaltungen über „interkulturelle Kommunikation“ hauptsächlich lehrerzentriert sind und sich an Wissensvermittlung orientieren, was zur Förderung interkultureller Kompetenz nicht unbedingt effektiv ist (ebd., 7). Viele Fremdsprachenlehrende und -forscher sehen interkulturelle Kommunikationskompetenz als Kompetenz, wie man das zielsprachliche Wissen im Kontext der Zielkultur adäquat anwendet. Sie definieren die interkulturelle Kommunikationskompetenz als Sozialkompetenz in der Zielkultur. Viele reduzieren diese Kompetenz auf das Wissen über die Zielkultur (vgl. Gao 2002, 27). Das wissensorientierte Modell zur Entwicklung der interkulturellen Kommunikationskompetenz „ist in der Unterrichtsplanung, Unterrichtsdurchführung sowie Prüfung sehr leicht handhabbar und wird somit von vielen Lehrenden begrüßt27“ (ebd.). Allerdings werden bei diesem Modell die affektive Kompetenz und die handlungsorientierte Kompetenz vernachlässigt. Es wird auch wenig auf das Verständnis der Eigenkultur eingegangen. Des Weiteren wird den Studenten kaum Gelegenheit geschaffen, das Erlernte anzuwenden (vgl. Chen 2006, 253).

4.2 Die Entwicklung von Germanistik in China 4.2.1 Historischer Rückblick Die Geschichte der chinesischen Germanistik lässt sich bis zum Ende der QingDynastie (1844-1911) zurückverfolgen. Nach dem ersten Opiumkrieg im Jahr 1840 geriet China in eine immer größere Krise. Nach dem „Tianjiner Abkommen“ zwischen China und den westlichen Mächten im Jahr 1856 mussten alle künftigen Abkommen ausschließlich in englischer Sprache abgefasst werden. Damit man nicht betrogen und schikaniert wurde, brauchte die Regierung der QingDynastie dringend ihre eigenen qualifizierten Übersetzer, die man über das System der kaiserlichen Beamtenprüfung nicht ausbilden konnte (vgl. Liang/Liu/ Hernig/Qian 2003, 602; Hernig 2000, 129). 27

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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Im Jahr 1862 wurde von der Regierung der Qing-Dynastie die Jingshi Tongwenguan, Tongwen-Fremdsprachenschule Beijing gegründet. Am Anfang wurde ausschließlich Englisch gelehrt (ebd.). Es wurde den Chinesen immer bewusster, dass China nicht mehr als Reich der Mitte weltführend war. Um das Land in Schwung zu bringen, musste man von den Industrieländern lernen. Im Jahr 1871 wurde an der Tongwenguan, der oben erwähnten kaiserlichen Fremdsprachenschule, zum ersten Mal Deutsch, nach Französisch und Russisch, aber vor Japanisch, als Unterrichtsfach angeboten (Liu 2001, 433). Denn Deutschland galt derzeit als ein Vorbild erfolgreicher Industrialisierung. Die sprachliche Ausbildung hatte zum Ziel, Diplomaten, Dolmetscher, Übersetzer und Schullehrer auszubilden (Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 602). Somit waren die oben erwähnten Fremdsprachenfächer eng mit anwendungsorientierten Fächern aus Bereichen wie Mathematik, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft usw. verknüpft (Liu 2001, 433). Tongwenguan wurde im Jahr 1902 in die Beijing Universität integriert. Dort wurde im Jahr 1922 Germanistik als selbstständiges Fach eingerichtet (Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 603). Nach der Gründung der Volksrepublik China konnte sich das Fach Germanistik in China etablieren und erlebte bis zum Ausbruch der Kulturrevolution im Jahr 1966 (vgl. Kap. 4.1) eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Schon die Entstehungsgeschichte lässt erkennen, dass Germanistik in China von Anfang an eine stark pragmatische Zielsetzung hatte. Im Zug der Entwicklung dieses Faches ist die pragmatische Prägung immer stärker geworden (Liang 1999). Während Deutsch als Fremdsprache in den Gründungsjahren dieses Fachs einen starken Bezug zu natur- und ingenieurwissenschaftlichen Anwendung hatte, ist Germanistik in China heute „stark von einer wirtschaftsorientierten Funktionalität geprägt“ (Zhao 2002, 144). Das Germanistikstudium dauert in der Regel vier Jahre, welche wiederum in ein zweijähriges Grundstudium und ein zweijähriges Hauptstudium geteilt werden. Da die meisten Studenten der Germanistik, im Gegensatz zu den Anglistikstudenten28, keine Vorkenntnisse von Deutsch in das Studium einbringen, liegt der Schwerpunkt des Grundstudiums auf der sprachlichen Ausbildung. Im Hauptstudium wird den einzelnen Deutschfakultäten viel mehr Freiraum gegeben, das Studium nach eigenen fachlichen Profilen einzurichten. Zum einen wird die fachliche Ausbildung fortgesetzt und Fächer wie Übersetzen, Dolmetschen und Aufsatz bleiben als Pflichtfächer bestehen. Zum anderen werden den Studen-

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Das Studienfach Germanistik/Deutsch wird wie alle anderen nichtenglischen Fremdsprachen als „Fach einer kleinen Fremdsprache“ (xiao yuzhong) bezeichnet.

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ten Fächer mit einer fachlichen Akzentuierung, wie z.B. Wirtschaftsdeutsch, Fachdeutsch für Wissenschaft und Technik oder auch „die soziale Marktwirtschaft in Deutschland“, angeboten. Des Weiteren können die Studenten Lehrveranstaltungen besuchen, die von anderen Fakultäten durchgeführt werden. Das Angebot hängt dabei von der Art der Hochschule ab. Auf die fachliche Akzentuierung des Germanistikstudiums werde ich in dem späteren Teil dieser Arbeit näher eingehen.

4.2.2 Neue Anforderungen an das Germanistikstudium Im Zuge der marktwirtschaftlichen Entwicklung und der Öffnung Chinas steht das Germanistikstudium vor neuen Herausforderungen. Insbesondere infolge der Globalisierung und dem WTO-Beitritt Chinas ändern sich auch die Berufsprofile der Fremdsprachenspezialisten, was sich vorwiegend in steigenden Anforderungen widerspiegelt. Ein altes literatur- und sprachzentriertes Fremdsprachenstudium erweist sich somit als berufsfremd. Seit Anfang der 90er Jahre werden die Stimmen, das Studium besser auf die Berufswirklichkeit auszurichten, immer lauter. Ein Paradigmenwechsel zu einer Fokussierung auf berufspraktisch orientierte und umfassendere Studiengänge ist im Rahmen der „Öffnung nach außen“ unvermeidlich, um kompetente und den Anforderungen gewachsene Fremdsprachenspezialisten auszubilden (Fu nach Hernig 2000, 122). „Ideale Fremdsprachenspezialisten sind Absolventen, die sowohl die Fremdsprache, als auch eine berufsbezogene Fachspezialisierung beherrschen“ (ebd.). Heute befindet sich China in einer Zeit der Bildungsexplosion. Dies gilt auch für die Hochschulbildung. Während früher ein Hochschulstudium nur einer kleinen, elitären Gruppe zugänglich war, erhalten heute immer mehr Jugendliche die Chance zu studieren. Kaum hat man angefangen, sich der bildungspolitischen Errungenschaften zu erfreuen, ist man mit dem Problem konfrontiert, die Hochschulabsolventen beruflich unterzubringen. Bis in die 80er Jahre bekamen alle Studierenden eine Arbeitsstelle von den jeweiligen Hochschulen. Heute wird die Arbeitssuche zwar den Studenten selbst überlassen, allerdings werden sie darauf oft nur mangelhaft vorbereitet, insbesondere im internationalen Kontext. Aber der erfolgreiche Übergang von dem Hochschulstudium in die Berufswelt ist ein wichtiger Indikator für das Renommee der einzelnen Hochschulen in China. Für die Germanistikstudenten stellt sich das Problem noch gravierender dar. Denn auf der einen Seite wird Germanistik als Hauptstudienfach an immer mehr Hochschulen angeboten und auf der anderen Seite ist die Nachfrage nach Deutsch als

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Sprachkompetenz zurückgegangen, zumal die meisten großen internationalen Unternehmen mit deutschem Ursprung sich bei der Wahl der Geschäftssprache für Englisch entschieden haben. Demgegenüber steht die Tatsache, dass bei den Germanistikstudenten ein Beruf in ausländischen Unternehmen oder Joint-Ventures als erste Wahl gilt (vgl. Wei 2005a, 16). Berufschancen von Germanistikstudenten sind heute zu einem Thema geworden, das man nicht ignorieren kann. Berufsorientierung im Germanistikstudium ist daher ein legitimes Anliegen sowohl der Lehrenden als auch der Studierenden. Bis Ende der 80er Jahre wurden viele Absolventen des Germanistikstudiums als Übersetzer und Dolmetscher – sowohl in staatlichen Institutionen als auch in den Unternehmen – eingesetzt. Viele Germanistikabsolventen haben in den 80er Jahren als Übersetzer und Dolmetscher ihr Berufsleben angefangen und sich fort- und weitergebildet. Viele von ihnen arbeiten inzwischen in Führungspositionen. Heute gibt es kein einheitliches Berufsbild für die Absolventen des Germanistikstudiums. Nur sehr wenige Arbeitgeber offerieren noch adäquate Stellen als Übersetzer/Dolmetscher für Deutsch/Chinesisch. Dafür gibt es hauptsächlich zwei Gründe: Zum einen wird die Übersetzungs- und Dolmetscharbeit im Sinne von Outsourcing professionellen Übersetzungsbüros überlassen; zum anderen ist die Bedeutung der deutschen Sprache als Geschäftssprache zugunsten von Englisch stark zurückgegangen. Heute werden in der Arbeitswelt Fachkräfte nachgefragt, die neben einer Fremdsprachenkompetenz auch eine weitere Fachkompetenz einbringen. Sprachkompetenz für deutsche Sprache alleine reicht nicht mehr aus für den Einstieg in den Beruf. Gefragt sind Fachkräfte, die nicht nur eine oder zwei Fremdsprachen beherrschen, sondern auch über weitere Fachkompetenzen in Bereichen wie Außenhandel, BWL, Diplomatie, Pressewesen etc. (vgl. Anleitungskomitee für Germanistik 2000, 107) verfügen. Seit dem Beitritt Chinas in die WTO haben es diejenigen sehr schwer, die einseitig ausgebildet sind und nicht selbstständig denken und handeln können. Hingegen werden immer mehr Fachkräfte benötigt, die eine Fremdsprache beherrschen, tolerant sind, über Lernbereitschaft verfügen und in der Lage sind, in verschiedenen interkulturellen Kontexten effektiv zu arbeiten (Lü 2004, 31). Allerdings wird das Studienangebot für Germanistik nicht entsprechend angepasst. Obwohl bereits deutlich wurde: „Absolventen, die sich über Praxisferne des Germanistikstudiums und Diskrepanz zwischen lehrinhaltlichen Schwerpunkten und gesellschaftlichen Qualifikationsanforderungen beklagen, sind keine Seltenheit“ (Wei 2003, 6). Viele Studenten bangen um ihre Zukunftschancen. Absolventen eines Germanistikstudiums haben große Schwierigkeit, eine fachgerechte Arbeit zu finden, weil

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eine Fremdsprache, wenn es nicht um Englisch geht, als alleinige Kompetenz für den Beruf nicht mehr ausreichend ist. Hinzu kommt noch, dass das Germanistikstudium, wie alle anderen Fremdsprachenstudien in China, von Frauen bzw. Studentinnen dominiert ist. In China ist es ein offenes Geheimnis, dass es für die weiblichen Studienabgänger viel schwieriger als für ihre männlichen Kommilitonen ist, eine Arbeit zu finden. Fast 60% aller Germanistikstudenten rechneten mit Schwierigkeiten, nach dem Abschluss eine Stelle zu finden, die sie auch interessieren würde (Wei, 2005a, 16). Viele Studenten stellen sich auf die Realität ein und sind bereit, „xian jiuye, zai zheye“: sich zuerst darum bemühen, überhaupt eine Arbeit zu finden und erst dann zu einer erwünschten Stelle zu wechseln. Bis jetzt gibt es viele Germanistikstudenten, die eine Arbeit annehmen, bei der ihre Deutschkenntnis kaum gefragt wird. Umso mehr ist die Entwicklung interkultureller Kompetenz von Bedeutung, weil sie eine berufsübergreifende Kompetenz ist und wie sich aus den Experteninterviews ergibt, einen großen Beitrag zum beruflichen Erfolg in der interkulturellen Zuammenarbeit leisten kann.

4.2.3 Die Reformversuche des Germanistikstudiums in China Viele Akademiker und Bildungsreformer haben erkannt, dass das Germanistikstudium in seiner bisherigen Form, die auf Spracherwerb beschränkt oder ausschließlich literaturwissenschaftlich bzw. linguistisch ausgelegt worden ist, den neuen Anforderungen in der Gesellschaft und in der sich immer mehr für die Globalisierung öffnenden Berufswelt nicht gerecht wird (Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 603). Sie plädieren für eine bessere Ausrichtung des Fremdsprachenstudiums, d.h. für mehr Berufs- und Praxisbezogenheit und für die Ergänzung des Studiums um eine weitere Fachspezialisierung. Im Jahr 1998 hat die Kommission für Fremdsprachenstudium, die dem Bildungsministerium unmittelbar untersteht, zu einem Paradigmenwechsel aufgerufen und das Bildungsziel für Fremdsprachenstudien wie folgt neu definiert: „Vermittlung von solidem Grundwissen und Grundfertigkeiten, Erweiterung der fachlichen Bandbreite, Vermittlung von Fachwissen, Entwicklung der Kompetenzen und ‚Suzhi’“ (Nie 1999, 67). Vielen Verantwortlichen für das Germanistikstudium in China ist bewusst, dass Absolventen eines rein philologisch ausgerichteten Germanistikstudiums in der Berufswelt nicht „marktkompatibel“ sind. Marktorientiertes Denken ist zwar kein Schwerpunkt dieser Ausrichtung, allerdings können es sich die Deutschfakultäten

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nicht mehr leisten, Germanistik als ein Orchideenfach zu belassen. Denn die Notwendigkeit der Existenz der einzelnen Deutschfakultäten wird nicht selten daran gemessen, ob deren Absolventen unmittelbar nach dem Studienabschluss von den Arbeitgebern aufgenommen werden. Sie sind gezwungen, ihre Lehrangebote stärker berufspraktischen Bedürfnissen auszurichten (Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 604). Dabei geht es vor allen Dingen zum einen darum, dass ein zusätzliches Fach mit dem Germanistikstudium verbunden werden sollte, als auch zum anderen darum, dass berufsübergreifende Kompetenzen integriert werden sollten. Immer mehr Lehrende für das Fach Germanistik haben z. B. erkannt, dass ihre Aufgaben auch darin liegen, den Studenten nicht nur Wissen, sondern auch Kompetenz zum selbstständigen Lernen und Arbeiten zu vermitteln (Sun 2006, 74). Sie sehen Kommunikationsfähigkeit und Teamfähigkeit als Kernkompetenzen der Fremdsprachenstudierenden an (ebd.). Viele Fachtagungen und Symposien wurden in den letzten Jahren organisiert, um sich mit der Neuorientierung bzw. der Neugestaltung des Germanistikstudiengangs auseinanderzusetzen und neue Möglichkeiten auszuloten (vgl. Yin 2002; Zhang, 2005). Es gibt viele Fachtagungen, die von dem Anleitungskomitee seit seiner Gründung im Jahr 1992 veranstaltet worden sind: „Strategie der Heranbildung von fachübergreifenden Fachkräften“, „Orientierung der chinesischen Germanistik an dem 21. Jahrhundert29“, „Einführung neuer Medien in den Fremdsprachenunterricht“, „Überarbeitung des Curriculums für das Grundstudium und das Hauptstudium“ (vgl. Yin 2002, 73). Die Anleitungskommission für Fremdsprachenstudien an den Hochschulen untersteht direkt dem chinesischen Bildungsministerium. Es umfasst 8 Komitees. Das Anleitungskomitee für Germanistik ist eines davon. Eine Aufgabe der Anleitungskommission besteht darin, Richtlinien für die Reform des Fremdsprachenstudiums auszuarbeiten, Lehre und Forschung für Fremdsprachenunterricht anzuleiten und Curricula zu entwickeln (vgl. ebd., 72). Mit Inkrafttreten des Rahmenplans für das Hauptstudium Anfang der 90er Jahre wurde im Bereich der Germanistik landesweit verlangt, dass neben dem traditionellen Studienangebot im Hauptstudium auch berufsrelevante Lehrveranstaltungen eingebaut werden. In den 90er Jahren war ein starkes Interesse an dem Fach „Wirtschaftsdeutsch“ festzustellen. An vielen Hochschulen gehört seit Anfang der 90er Jahre ein Nebenfach bzw. der Besuch wirtschaftspraktischer Lehrveranstaltungen für die meisten Germanistikstudenten zum festen Bestandteil ihres Studiums (Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 604).

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Thema dieser Tagung ist Suzhi-Bildung der Germanistikstudenten

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Es ist auch von den Studenten erwünscht, dass die Hochschulen mehr „praktisch-nützliche“ Angebote machen (Wei 2005a, 7). Aus ihrer Sicht sind „neben Sprachkenntnissen und -fertigkeiten weitere Kenntnisse und Kompetenzen erforderlich, die Arbeitsmarktrelevanz aufweisen und ihnen zu einer Karriere verhelfen können, wie z.B. kommunikative, soziale Kompetenz, Kooperationsfähigkeit und Kreativität“ (Wei 2005a,18). Um den neuen Anforderungen in der Berufswelt gerecht zu werden, sind im Germanistikstudium in China viele Reformversuche unternommen worden, auf die ich im Folgenden näher eingehe. 4.2.3.1 Die Suzhi-Bildung Im Jahr 1998 hat die Anleitungskommission für Fremdsprachenstudien an chinesischen Hochschulen der Förderung des Suzhi, allen voran der „Kreativität“ und der „Anwendungsfähigkeiten“ Priorität eingeräumt (vgl. Yin 2002, 73; Liang/Liu/ Hernig/Qian 2003, 604). In dem Dokument „Meinungen zur Reform der Fremdsprachenausbildung an Hochschulen für das 21. Jahrhundert“ (Anleitungskommission für Fremdsprachenstudien an chinesischen Hochschulen 1998), das von der oben genannten Kommission ausgearbeitet wurde, sind die Bildungsziele für Fremdsprachenstudien an chinesischen Hochschulen wie folgt definiert: Fundierte Sprachfertigkeiten, breit gefächertes Allgemeinwissen, Fachwissen, starke Kompetenzen und gute „Suzhi“ (ebd.). Unter „erforderlichen Fähigkeiten für Fremdsprachenstudenten“ versteht die Anleitungskommission die Fähigkeit zum Austausch und zur Kooperation mit Mitgliedern aus verschiedenen Kulturen, Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, die Fähigkeit, selbstständig Vorschläge zu machen und Probleme zu lösen, Diskursfähigkeit, Fähigkeit zur Organisation, richtiger Umgang mit Menschen und Flexibilität (ebd.). Nach dem obigen Dokument bezieht sich „Suzhi“ auf den moralischen, kulturellen, fachlichen, physischen und psychischen Bereich (ebd.). Für die Fremdsprachenstudenten bedeutet „Suzhi“ u.a., dass sie einerseits von fremden Kulturen profitieren und dass sie andererseits die chinesische kulturelle Tradition weiterentwickeln können (ebd.). In dem oben genannten Dokument wird nicht ausdrücklich von „interkultureller Kompetenz“ gesprochen. Dennoch decken sich das Verständnis von den erforderlichen Fähigkeiten und Eigenschaften von „Suzhi“ für Fremdsprachenstudenten mit dem Verständnis von „interkultureller Kompetenz“, wie sie in der vorliegen-

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den Arbeit beschrieben ist, weitgehend. Dies lässt den Schluss zu, dass ein wichtiges Bildungsziel für Fremdsprachenstudien darin liegt, die interkulturelle Kompetenz der Studenten zu fördern. 1999 hat das Anleitungskomitee für Germanistik beschlossen, eine landesweite Erhebung von Suzhi-Bildung durchzuführen, um das Fach Germanistik neu auszurichten und den Veränderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden (Yin 2002, 73). Bei dieser Untersuchung versteht man unter Suzhi einen „Qualifikationskomplex, der von fachlicher Kompetenz über außer- und überfachliche bis zur allgemeinen Kompetenz reicht, und sich sowohl auf pragmatische Marktorientierung, Fachwissenschaftsorientierung als auch auf individuelle Lernerorientierung bezieht“ (ebd. 73). Für Germanistikstudenten werden folgende suzhi-relevante Faktoren genannt: Sprachliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, philologische Fachkompetenz, allgemeine Kompetenz und Methodenkompetenz, Sozial- und Kommunikationskompetenz, Praxis und Problemlösung, Kreativität, Flexibilität und Transfer (ebd. 74). Allerdings haben die für das Germanistikstudium in China Verantwortlichen schon früher die Notwendigkeit der Suzhi-Bildung erkannt. Bereits im Juli 1997 hat das Anleitungskomitee für Germanistik eine nationale Fachtagung veranstaltet. Thema dieser Tagung war „Orientierung der chinesischen Germanistik an dem 21. Jahrhundert.“ Auf der Tagung wurden zwei Bildungsziele für die chinesische Germanistik festgelegt: die Suzhi-Bildung und die Fuhe-Ausbildung. Durch diese neuen Bildungsziele wird das bisherige Bildungsprofil der Germanistikstudenten wesentlich erweitert. 4.2.3.2 Die Fuhe-Ausbildung Während die Suzhi-Bildung sich auf alle drei Bildungsbereiche (primär, sekundär und tertiär) bezieht, ist die Fuhe-Ausbildung zunächst eine Anregung für das Fremdsprachenstudium. Unter der Fuhe-Ausbildung wird die Kombination eines Fremdsprachenfaches30 mit einem weiteren zukunftsversprechenden Fach verstanden, welches in den meisten Fällen Wirtschaft ist, nur in Ausnahmefällen sind es Fächer wie z.B. Jura oder Ingenieurwissenschaft (vgl. Wei 2003). Es wird dadurch angestrebt, sich von dem eng geschnittenen Germanistikstudium, das die Gefahr birgt, „dass die Studenten in eine akademische Arbeitslosigkeit ausgebildet werden“ (ebd., 6), zu lösen und Anforderungen in der Berufswelt zuzuwenden.

30

Heute wird das Konzept der Fuhe-Ausbildung auch auf die Verbindung nichtsprachlicher Fächer ausgedehnt.

164

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Viele Germanistikstudenten studieren arbeitsmarktorientiert und versuchen schon während des Studiums Zusatzqualifikationen zu erwerben, um ihre Berufsaussichten zu verbessern. Diesem Anliegen tragen die Lehrpläne Rechnung, indem sie immer mehr Nebenfächer anbieten und damit einhergehend die Wochenstundenzahl für das Germanistikgrundstudium von etwa 14-16 (vor 10 Jahren) auf durchschnittlich 10-12 Stunden herabgesetzt haben (Wang/Nerlich 2001, 2). Es ist ein Abwenden von dem rein literatur- und linguistikorientierten Studium hin zu „Deutschlandstudien“ festzustellen (vgl. Zhang 2005, 104), das seinerseits durch ein weiteres Fach ergänzt wird. Das Angebot des Germanistikstudiums wird erweitert. Trotz regionaler und institutioneller Diversifizierung haben die Modelle der Fuhe-Ausbildung eines gemeinsam: Im Grundstudium liegt der Schwerpunkt auf der sprachlichen Ausbildung und nicht auf der Vorbereitung auf die berufliche Praxis. Erst im Hauptstudium werden sachorientierte, auf tatsächlichen oder prognostizierten gesellschaftlichen Bedarf zugeschnittene Lehrveranstaltungen eingeführt (Wei 2005a, 12). Diese Lehrveranstaltungen werden zum Teil von Lehrkräften der Deutschfakultät auf Deutsch gehalten und zum Teil von anderen Fakultäten auf Chinesisch angeboten. Allerdings hat der Sprachunterricht – wie Übersetzen, Dolmetschen, Aufsatz – auch im Hauptstudium weiterhin ein großes Gewicht. Die meisten Deutschfakultäten sind an folgenden Hochschulen angesiedelt: ¾ Fremdsprachenhochschulen (z.B. Fremdsprachenhochschule Beijing, Fremdsprachenhochschule Shanghai etc.) ¾ Universitäten (z.B. Peking Universität, Universität Nanjing) ¾ Hochschulen mit einer starken fachlichen Akzentuierung auf Ingenieur- und Naturwissenschaft (z.B. Tongji Universität, TU Beijing) ¾ Hochschulen mit einer starken wirtschaftswissenschaftlichen Akzentuierung: (z.B. University of International Business and Economics, Guangzhou University of Foreign Studies) Es ist eine fachliche Spezialisierung der einzelnen Deutschfakultäten, die von dem Profil der jeweiligen Hochschulen geprägt ist, zu beobachten: ¾ Die Fremdsprachenhochschule Beijing hat z. B. ein Drei-Säulen-Konzept ausgearbeitet, nach dem die Germanistikstudenten ihren fachlichen Schwerpunkt auf Literatur, Wirtschaft oder Diplomatie setzen können. ¾ Die Deutschfakultät der Zweiten Fremdsprachenhochschule, die früher dem staatlichen Amt für Tourismus unterstand, konzentriert sich fachlich auf Tourismus und Kulturforschung.

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¾ Die Tongji-Universität legt schon seit Jahrzehnten Wert auf die interdisziplinäre Ausbildung und kombiniert das Germanistikstudium mit natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern. ¾ Eine sehr fachliche Spezialisierung hat die Deutschfakultät der TU Shanghai, die viel Wert auf die Fachsprache Deutsch und die Vermittlung von Fachwissen für Informatik und Maschinenbau legt. ¾ Die University of International Business and Economics bietet ihren Germanistikstudenten wirtschaftswissenschaftliche Fächer als Ergänzungsfächer an. ¾ Auch die Deutschfakultät an der Renmin Universität spezialisiert sich auf Wirtschaft. ¾ Die Deutschfakultät der Universität Qingdao hat im Rahmen der Partnerschaft mit der Universität Bayreuth nach deren Vorbild die „interkulturelle Germanistik“ eingerichtet (vgl. Zhang, 2005; Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 604; Yin 2002, 71; Wie 2003, 9). Neben den Seminaren zu fachlichen Themen, die von den Lehrenden der Deutschfakultäten angeboten werden, erhalten die Studenten der germanistischen Fächer auch Zugang zu Lehrveranstaltungen, die von anderen Fakultäten angeboten werden. Dabei können die Universitäten auf mehr interdisziplinäre Lehrangebote zurückgreifen als die Fremdsprachenhochschulen, welche die größte Gruppe der Anbieter für Germanistikstudiengänge darstellen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Studienangebote für Germanistikstudenten an verschiedenen Hochschulen von sehr unterschiedlicher Qualität sind, werden die Wahloptionen gemeinhin erheblich erweitert. An etlichen Hochschulen können die Studenten neben Germanistik als Hauptfach auch ein weiteres Fach als „FuxiuFach“, wörtlich übersetzt „Stützfach“, belegen. An manchen Hochschulen können die Germanistikstudenten sogar einen zweiten Bachelor-Titel für ein weiteres Hauptfach erwerben. Allerdings schaffen es nur sehr wenige Germanistikstudenten, innerhalb von vier Jahren auch noch einen zweiten Bachelor-Titel zu erlangen. Eine Fächerkombination aus verschiedenen Disziplinen durch Einführung des zweiten Faches wird von vielen Studenten begrüßt (vgl. Zhang 2005, 109). Die Wahlkombination ist zwar immer noch begrenzt und nicht vergleichbar mit dem Freiraum, der den Studenten an deutschen Hochschulen eingeräumt wird, dennoch lässt sich der Trend erkennen, dass die Grenze zwischen den einzelnen Studiengängen immer fließender wird und die Studenten zusehend mehr Spielraum für die individuelle Gestaltung ihres Studiums haben.

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Es ist nicht zu leugnen, dass die Fuhe-Ausbildung in der Fachwelt durchaus Gegner hat. Die letzteren sehen sich selbst als Hüter und Wächter der „reinen“ Germanistik und bezeichnen die Fuhe-Ausbildung als „weder-Fisch-noch-Fleisch“ (vgl. Wei 2000, 55). Sie haben dabei vergessen, dass die chinesische Germanistik, wie auch Auslandsgermanistik in vielen anderen Ländern, schon von Anfang an keine reine Germanistik ist und von der Prägung des eigenen Landes auch lebt. Darüber hinaus ist anzumerken, dass viele Weltneuheiten für den konventionellen Blick zunächst mal „weder-Fisch-noch-Fleisch“ sind. Allerdings bleibt noch offen, ob durch die Fuhe-Ausbildung die Kluft zwischen Hochschule und Beruf überbrückt wird und damit die Konkurrenzfähigkeit der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt erhöht werden kann (vgl. Wei 2005a, 9). Denn zum einen sind die meisten Lehrkräfte für Germanistik nicht interdisziplinär ausgebildet, zum anderen gibt es kaum eine enge Zusammenarbeit der Deutschfakultät mit anderen Fächern. Das Lehrangebot ist vielmehr ein „Flickenteppich“ von Pflichtfächern, die von dem Bildungsministerium vorgeschrieben sind und von Fächern, welche Domänen der Dozenten und Professoren der jeweiligen Deutschfakultäten sind. Und als Schlusslicht kommen Fächer, die berufspraktischen Nutzen bringen sollten (vgl. ebd.). Hinzu kommt, dass viele Deutschfakultäten an einer Fremdsprachenhochschule eingerichtet sind. Das Studienangebot solcher Hochschulen ist an sich sehr stark begrenzt bzw. auf Sprach- und Literaturwissenschaft fokussiert. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass das Studienangebot von vielen Deutschfakultäten mehr theoretisch und anhand akademischer Spekulation ausgearbeitet ist, da es eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und den künftigen Arbeitgebern meistens nicht gibt. Des Weiteren ist zu vermerken, dass die Kombination der Germanistik mit anderen Disziplinen die praktischen Erfahrungen in der Berufswelt nicht ersetzt. Denn ohne das letztere bleibt das Studium weiterhin lediglich eine „Trockenübung“.

4.2.4 Curriculum für das Germanistikstudium in China Das Germanistikstudium dauert in der Regel 4 Jahre und wird aufgegliedert in Grundstudium und Hauptstudium. Das Grundstudium zielt darauf ab, den Studenten eine solide sprachliche Ausbildung zu bieten. Im Hauptstudium wird zum einen die Sprachkompetenz weiterentwickelt, zum anderen wird den Studenten angeboten, Lehrveranstaltungen in anderen Fächern wie Wirtschaft, Rechtswissenschaft etc. zu belegen. Der Abschluss des vierjährigen Germanistikstudiums ist in der Regel der Bachelor Artium (B.A.).

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Die Ausrichtung des Grund- und Aufbaustudiums für Germanistik orientierte sich an dem „Curriculum für das Grundstudium Germanistik an Hochschulen“ bzw. an dem „Curriculum für das Aufbaustudium Germanistik an Hochschulen“, die von dem Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen Ende der 80er Jahre ausgearbeitet und im Jahr 1992 bzw. 1993 veröffentlicht wurden. Es ist nahe liegend, dass diese Curricula aufgrund des gesellschaftlichen Wandels, insbesondere der neuen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt, dringend aktualisiert werden müssen. Unter der Leitung des chinesischen Bildungsministeriums wurde im Jahr 2004 eine Expertengruppe für die Neubearbeitung des Curriculums für Germanistik an Hochschulen berufen, die sich aus zehn Germanistikprofessoren zusammensetzt. Das neue Curriculum wurde von dem Bildungsministerium überprüft, im April 2006 fertig gestellt und im Oktober 2006 veröffentlicht. Das neue Curriculum für Germanistik sieht das Studium als Ganzes. Somit werden das Grund- und Aufbaustudium nicht getrennt betrachtet, sondern es wird aus den früheren zwei Curricula ein neues ausgearbeitet, welches für das ganze Studium gilt. Das Curriculum bezieht sich inhaltlich auf die Bildungsziele, den Unterrichtsrahmenplan, die Unterrichtsrichtlinien, die Unterrichtsprinzipien, die Didaktik und Methodik, die Prüfungen und die Abschlussarbeit (Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen 2006). Es ist offensichtlich, dass das neue Curriculum für Germanistik auf Basis des Dokuments „Meinungen zur Reform der Fremdsprachenausbildung an Hochschulen für das 21. Jahrhundert“ (Anleitungskommission für Fremdsprachenstudien an chinesischen Hochschulen 1998) ausgearbeitet wurde. Nach dem neuen Curriculum wird das Bildungsziel für das Fach Germanistik wie folgt definiert: Solide Grundfertigkeiten, breit gefächertes Allgemeinwissen, interdisziplinäres Fachwissen, hohe Kompetenzen und gute „Suzhi“. Die Studenten sollten zu Fachkräften für das Fach Deutsch ausgebildet werden, die gewandt mit der deutschen Sprache umgehen und als Übersetzer, Lehrende, Forscher oder sonstige Fachkräfte tätig sind (Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen 2006, 1f). Es ist unumstritten, dass sich die Expertengruppe für die Reorganisation des neuen Curriculums sehr viel Mühe gegeben hat. Allerdings bezweifle ich, wie viel Marktchancen die „Fachkräfte für das Fach Deutsch“ in der Berufswelt haben. Meiner Ansicht nach entspricht diese eng gefasste Bezeichnung bei weitem nicht dem in dem Curriculum ambitionierten Bildungsziel. Es wäre ratsamer, die Berufsaussicht der Germanistikstudenten weiter gefasst zu formulieren, wie z.B. „interkulturell kompetente Fachkräfte, die insbesondere für die Zusammenarbeit mit dem deutschsprachigen Kulturraum befähigt sind“.

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In dem neuen Curriculum wird u.a. als eine der Aufgaben des Fachs Germanistik formuliert, dass sprachliche Kommunikationsfähigkeit und interkulturelle Kommunikationsfähigkeit der Studenten gefördert werden. Es wird empfohlen, in den Lehrveranstaltungen die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der chinesischen und deutschen Kultur miteinander zu vergleichen, die Studenten für kulturelle Unterschiede zu sensibilisieren und sie zu befähigen, tolerant und flexibel mit den kulturellen Unterschieden umzugehen und ihre interkulturelle Kommunikationsfähigkeit zu fördern (ebd., 14). Es wird weiterhin empfohlen, dass die Studierenden sich umfassend über die Kultur, Politik, Diplomatie und die Wirtschaft der deutschsprachigen Länder informieren sollten. Zugleich sollten die Studierenden sich auch umfassendes Wissen über Kultur, Politik, Diplomatie und Wirtschaft in China aneignen. Sie sollten in der mündlichen und schriftlichen Formulierung gewandt mit der chinesischen Muttersprache umgehen können (ebd.). Im Vergleich zu den alten Curricula misst das neue der Förderung interkultureller Kompetenz viel mehr Gewicht bei. Der Kern des Germanistikstudiums bleibt weiterhin die sprachliche Ausbildung, was an folgendem Rahmenplan (ebd., 3ff) zu erkennen ist: Jahrgang/Semester Studienfächer Grundstudium Deutsch

für

Hören

Deutsch für Fortgeschrittene

Sprechen oblig.

2. J.

3. J.

1 2 3 4 5

Sprachfertigkeiten Deutsch

1. J.

Lesen Schreiben Dolmetschen Übersetzen Sehhörverstehen

fakult. Deutschsprachige Zeitungslektüre

6

4. J. 7

Anmerkungen

8

Die schattierten Stellen sind Semester, in denen die jeweiligen Studienfächer angeboten werden können. Sie stellen keine gesamte Semesterzahl für diese Studienfächer dar. Die einzelnen Hochschulen können selbst

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Deutsche Grammatik

Linguistik für die deutsche Sprache Deutsche Literatur oblig.

Gesellschaft und Kultur der deutschsprachigen Länder Landeskunde der deutschspr. Länder Geschichte der deutschspr. Länder Literaturgeschichte der deutschsprachigen Länder Einführung in die Kultur der westlichen Länder

Fachwissen für Deutsch

Deutsche Romane Deutsche Prosa Deutsche Drama Deutsche Gedichte fakult. Deutsche Phonetik Deutsche Semantik Deutsche Syntax Deutsche Textlinguistik Didaktik und Methodik für DaF Deutsche Stilistik Fachdeutsch für Wissenschaft und Technik Wissenschaftliche Arbeiten

169

entscheiden, wann, wie lange und mit welchem Inhalt diese Studienfächer angeboten werden.

INTERKULTURELLE ORIENTIERUNG UND STAND DES GERMANISTIKSTUDIUMS IN CHINA

170

Interkulturelle Kommunikation Spracherwerbslehre Einführung in die Diplomatie Einführung in internationale Beziehungen Politisches System im Westen Einführung in Internationales Recht Einführung in Wirtschaftslehre Fachverwandtes Wissen

Praxis im Internationalen Handel fakult. Geschichte Deutsch als Fremdsprache Schreiben von Pressetexten Militärgeschichte in Deutschland Einführung in die chinesische Kultur Einführung in Kommunikationswissenschaft Geschichte der Wissenschaft und Technik Einführung in Wissenschaftliches Arbeiten Computeranwendung Berufsberatung

Abbildung 8: Übersicht für den Rahmenplan der Lehrveranstaltungen für das Fach Germanistik/Deutsch

Der empfohlene Gesamtumfang der Lehrveransatungen für das Fach Germanistik/Deutsch beträgt 2000 Stunden. Die unterste Grenze liegt bei 1840 Stunden (Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen 2006, 5): Jahrgang Unt.stunden Wochenstunden insg. 38 Wochen

1. Jahr

2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr

14-16

14

12-14

8-10

532

456532

304380

Lehhrveranstaltungsstunden 532-608 pro Jahr

Gesamt 48x38 54x38 18242052

Anmerkung: Die jeweiligen Hochschulen können je nach ihrer eigenen Situation die Lehrveranstaltungsstunden festlegen. Abbildung 9: Verteilung der Lehrveranstaltungsstunden für das Fach Germanisitk/Deutsch

INTERKULTURELLE ORIENTIERUNG UND STAND DES GERMANISTIKSTUDIUMS IN CHINA

171

Der empfohlene Zeitaufwand für die drei Arten von Studienfächern sieht wie folgt aus (ebd., 6): ¾ Sprachfertigkeiten:

70%

¾ Fachwissen:

15%

¾ Fachverwandtes Wissen: 15% Studienfächer wie „Interkulturelle Kommunikation“ und „Einführung in die chinesische Kultur“ werden zwar empfohlen, allerdings stehen sie als fakultative Fächer nicht im Fokus des Studiums. Es hat ca. 14 Jahre gedauert, bis die zwei alten Curricula im Jahr 2006 neu bearbeitet wurden. Obwohl es die Expertengruppe für die Neubearbeitung des Curriculums als Aufgabe ansah, das Curriculum den neuen Anforderungen an die Gesellschaft und die Berufsanforderungen anzupassen, bleibt auch im neuen Curriculum vieles weiterhin optimierungsbedürftig. Das neue Curriculum sieht z.B. kein Praktikum für die Germanistikstudenten vor. Hingegen schreibt es etliche sprach- und literaturorientierte Fächer, wie etwa Übersetzen, Deutsche Linguistik und Deutsche Literatur als obligatorische Fächer vor, obwohl diese von vielen Studenten zwar als wichtig zum Erlernen der Sprache, nicht aber als alleinig ausreichende Vorbereitung auf die Berufspraxis bewertet worden sind (vgl. Wie 2003). Wenn man das neue Curriculum mit den beiden alten vom Jahr 1992/1993 vergleicht, gewinnt man eher den Eindruck, dass die Autoren bei der Neuausrichtung so wenig wie möglich an dem „Germanistik-Kern“ gerüttelt und nur so viel wie nötig Anpassungen an die geänderten Anforderungen der Gesellschaft vorgenommen haben. Dies ist allerdings nicht überraschend, weil die Autoren des Curriculums allesamt Germanistik-Professoren sind. Hinzu kommt, dass sie in dem vom Bildungsministerium gegebenen Rahmen zu arbeiten haben. Dies unterstreicht den Gedanken, dass Curricula und Lehrpläne als Instrument staatlicher Bildungspolitik Innovationen eher schwerfällig gegenüber stehen (Neuner 2003, 420). Trotz der Unzulänglichkeit des neuen Curriculums bin ich der Ansicht, dass es den Studenten einen insgesamt besseren Rahmen zur Förderung interkultureller Kompetenz einräumt als vorher. Im Vergleich zu der alten Version werden viel mehr Fächer über Kultur, Kommunikation und interkulturelle Kommunikation empfohlen, wie z. B. Gesellschaft und Kultur der deutschsprachigen Länder, Einführung in die Kultur der westlichen Länder, interkulturelle Kommunikation, Einführung in die chinesische Kultur, Einführung in Kommunikationswissenschaft. Wie es in dem Curriculum angemerkt ist, bleibt die Gestaltung des Studiums den einzelnen Hochschulen überlassen.

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INTERKULTURELLE ORIENTIERUNG UND STAND DES GERMANISTIKSTUDIUMS IN CHINA

4.3 Die Germanistikstudenten in China 4.3.1 Die Studenten in China Die untergraduierten Studenten in China sind im Alter zwischen 18 und 22, einem Alter, in dem sie, wie Thomas (2003a, 143) darstellt, bereits eine mehr oder weniger geschlossene monokulturelle Sozialisation erfolgreich durchlaufen haben. Sie haben demzufolge viel sozial und kulturell relevante Werte, Normen und Verhaltensregeln ihrer Kultur kennen gelernt und die spezifische Art der Umweltbewältigung und Lebensgestaltung internalisiert. Wie in der vorliegenden Arbeit bereits dargestellt wurde, müssen die Studenten in China ein sehr strenges Ausleseverfahren durchlaufen, bevor sie einen Studienplatz erhalten. Der Andrang auf die Hochschulen ist immer noch sehr groß, weil die anderen Bildungsalternativen, wie z.B. eine Ausbildung in einer Berufsschule, bei weitem nicht den Stellenwert, den Status und das Prestige eines Hochschulstudiums haben. Der Wettbewerb fängt schon in der Grundschule an. Von der Grundschule bis zur Hochschule finden das Lernen und das Studieren in einer künstlich geschaffenen Lernumgebung statt. Die Schüler werden von den Ereignissen der nichtschulischen Umgebung möglichst ferngehalten, damit sie sich auf das Lernen konzentrieren können. Kreatives und kritisches Denken wird wenig gefördert. Die Lernenden haben an den Lehrenden und dem Lehrwerk festzuhalten. „Die Lerntradition, die auf eine Geschichte von zweitausend Jahren zurückführt, lehrt die Lernenden, dass sie sich an der Autorität (Lehrer), an den Büchern und an der einzig richtigen Lösung für die Frage in der Prüfung orientieren müssen. Die Lernenden trauen sich nicht, einen halben Schritt außerhalb des gegebenen Rahmens zu wagen. Sie sind nicht in der Lage, selbstständig und kritisch zu denken und bleiben risikoscheu31“ (Li 2002, 62). Bei der Erziehung sind die chinesischen Eltern sehr elitebewusst. Sie schicken ihre Kinder, auch wenn sie erst Grundschüler sind, zu verschiedenen Abend- und Wochenendkursen, damit deren Noten so gut sind, dass sie von einer Schlüsselmittelschule aufgenommen werden. Wenn es in der näheren Umgebung keine gute Schule gibt, schicken die chinesischen Eltern ihre Kinder auch zu einer weiter entfernten Schule und akzeptieren höhere Gebühren ebenso wie die Tatsache, dass die Kinder im Internat wohnen müssen. Ein weiterer Grund dafür, dass es in China

31

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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so viele Internat-Schulen gibt, liegt darin, dass man möglichst viel Zeit für das Lernen haben möchte, weil der Leistungsdruck in der Schule sehr groß ist. Das Modell des Internats setzt sich an den Hochschulen fort. Fast alle chinesischen Hochschulen sind Campusuniversitäten, die von einer Unimauer von der Außenwelt abgetrennt sind. Dies führt dazu, dass die chinesischen Studenten meistens gesellschaftsfern aufwachsen. Bevor sie an die Hochschule kommen, haben sie nur eine wichtige Aufgabe im Leben zu bewältigen, nämlich gute Noten in der nationalen Aufnahmeprüfung für Hochschulzugang zu bekommen, um einen Studienplatz an einer Schlüsseluniversität zu erhalten. Alle anderen Probleme der Lebenswirklichkeit bleiben ihnen meistens fremd. Somit sind sie auch nicht gewohnt, außerhalb ihrer Aufgabe gute Leistungen zu erbringen, Verantwortung zu tragen, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. Die Ergebnisse vieler Untersuchungen über die Kompetenzen der chinesischen Studenten sind besorgniserregend (vgl. Tang/Zhou 2004, 75). Nach diesen Untersuchungen sind nämlich die meisten Studierenden nicht in der Lage, selbstständig zu denken und zu handeln. Sie sind daran gewöhnt, dass die Eltern und die Schulen bzw. die Hochschulen alles für sie regeln und arrangieren. Als große Schwächen werden beispielsweise Unternehmungs- und Risikoscheue, Teamunfähigkeit, Egozentrik und fehlendes Verantwortungsbewusstsein genannt (ebd.). Andere Defizite sind z.B. fehlende geistige Orientierung, fehlende Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, mangelnde psychische Belastbarkeit, fehlende Kommunikationsund Anpassungsfähigkeit, fehlendes Einfühlungsvermögen und Intoleranz (ebd., 74). Die Hauptgründe für die oben genannten Probleme sind folgende (ebd., 75f): ¾ Die geistige Entwicklung der Chinesen entspricht nicht der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas. Vor allem bei der jungen Generation ist zu beobachten, dass sie zwar mit dem Idealismus der älteren Generation nichts mehr anfangen kann, ihre eigene Wertorientierung allerdings noch nicht gefunden hat. ¾ Bei der Familienerziehung legen viele Eltern lediglich Wert auf gute Noten in der Schule. Der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder wird nicht in ausreichendem Maße Aufmerksamkeit geschenkt. ¾ Der Hochschulbildung mangelt es an Praxisbezug. Was in den Hochschulen vermittelt wird, ist nicht das, was in der Berufspraxis benötigt wird. Viele chinesische Hochschulen haben das Problem erkannt und legen inzwischen großen Wert auf die Persönlichkeitsentwicklung der Studenten. Es wird z.B. den Studenten heute viel mehr Freiraum eingeräumt, ihr Studium eigenständig zu gestalten als früher. Hierzu gehört ebenfalls eine breitere Auswahl an Wahlfächern.

174

INTERKULTURELLE ORIENTIERUNG UND STAND DES GERMANISTIKSTUDIUMS IN CHINA

Allerdings sind die Studenten einzelner Jahrgänge heute immer noch in festen Klassenverbänden organisiert. Die Studenten aus einer Klasse – z.B. Germanistik Jahrgang 2005/Klasse I, wohnen meistens auch in einem Studentenzimmer bzw. in benachbarten Zimmern (zu viert oder zu sechst). Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung der Persönlichkeit stark beeinträchtigt. Zudem gibt es das Problem, dass die Studenten sich zu Einzelkämpfern entwickeln, weil der Leitungsdruck und die Selektion sehr stark sind, was im Gegensatz dazu steht, dass in der chinesischen Kultur Kollektivismus und Anpassung an die Gruppe gefördert werden. Ein weiteres Problem, welches die Entwicklung interkultureller Kompetenz chinesischer Studenten sehr beeinträchtigt, liegt darin, dass viele chinesische Studenten die westliche Kultur überbewerten, während sie die chinesische Kultur unterbewerten (vgl. Lei 2006, 134). Viele haben kein Interesse an der chinesischen Kultur und sehen die chinesischen kulturellen Traditionen als veraltet und nicht mehr zeitgemäß. Dieses Phänomen ist auch bedingt durch die Rahmenbedingungen der chinesischen Politik und insbesondere der Wirtschaft. Seit der Öffnung Chinas Anfang der 80er Jahre und vor allem seit dem WTO-Beitritt hat sich China in vielen Bereichen den internationalen Gepflogenheiten anzupassen. In den Augen der Chinesen sind es vor allem die westlichen Industrieländer, welche die internationalen Standards festlegen und welche nun auch für China gültig sind. Denn China hatte infolge der Kulturrevolution (1966 - 1976) den „internationalen Zug“ verpasst. Deswegen redet man, insbesondere seit Anfang der 90er Jahre, von dem Begriff „Jiegui“, wörtlich übersetzt „sich an das richtige Gleis anschließen“; hier eine Metapher für Anpassung an internationalen Standards (vgl. Liang 2003a, 188). In den letzten Jahren wurden viele Untersuchungen über die kulturelle Identität bzw. das kulturelle Bewusstsein chinesischer Jugendlicher durchgeführt32. Die Ergebnisse zeigen, dass die Studenten zwar ein starkes nationales Bewusstsein haben, aber zu wenig von der chinesischen Kultur kennen, insbesondere von der traditionellen Kultur. Viele Erziehungswissenschaftler weisen auf die Gefahr hin, dass die traditionelle chinesische Kultur verloren geht. Wenn eine Kultur ihre Traditionen verliere, hat sie auch keine Zukunft. Auch dem chinesischen staatlichen Bildungsministerium ist diese Gefahr bewusst geworden. Es schreibt vor33, dass ab dem Jahr 2007 das Studienfach „Chinesische Geschichte seit 184034“ an chinesischen Hochschulen gelehrt wird.

32

Vgl. http://www.zist.edu.cn/news/shownews.php?id=7600 Aus: http://www.hie.edu.cn/info/news.asp?new=10223 34 Das Jahr 1840, in dem der Opiumkrieg ausbrach, gilt für China als Beginn der Neuzeit. 33

INTERKULTURELLE ORIENTIERUNG UND STAND DES GERMANISTIKSTUDIUMS IN CHINA

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4.3.2 Die chinesischen Germanistikstudenten 4.3.2.1 Die Motivation Für viele chinesische Studenten gilt es als eine wichtige Motivation, ihrer Familie Ehre zu bringen. Sie möchten nach dem Studium eine Arbeit finden, die sowohl von der Gesellschaft angesehen als auch gut bezahlt ist, damit sie sich für die langjährige Unterstützung ihrer Eltern revanchieren können (vgl. Chen 2006, 279). Viele Germanistikstudenten machen sich aber Sorgen darum, dass sie keine Arbeitsstelle finden, die ihrem Fach entspricht. Während bis zum Ende der 80er Jahre die Studenten nach ihrem Studium eine Arbeitsstelle vom Staat zugeteilt bekamen, müssen die Studenten heute selbst nach einer Arbeit suchen. Zugleich stellen die chinesische Gesellschaft und die Berufswelt höhere Anforderungen an die Absolventen, weil das Land in einem Übergang vom Industriezeitalter in die Wissensgesellschaft lebt, welche durch die Internationalisierung der geistigen, wirtschaftlichen, persönlichen Kontakte der Menschen und insbesondere durch die Globalisierung der Weltwirtschaft geprägt ist (vgl. Liu 2001, 435). Kennzeichnend für diese Anforderungen sind u.a. Selbstständigkeit, Diskursfähigkeit, Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit – Fähigkeiten, auf welche die Studenten weder im schulischen, noch im privaten Leben ausreichend vorbereitet werden. Die Untersuchungsergebnisse von Hess (2001, 1581) unter den Studenten zeigen ein geringes Interesse an der Germanistik. Er stellt fest, dass das Interesse an Germanistik als Studiengegenstand auf einen alarmierenden Tiefpunkt gefallen ist. Denn lediglich 4,5% der Hauptfachstudenten können sich überhaupt noch eine Berufstätigkeit in diesem Bereich vorstellen und bezeichnen Seminare in Linguistik und Literatur als „nutzlos“. In der im vorigen Text erwähnten empirischen Untersuchung (vgl. Wei 2005a, 1ff) zum Germanistikstudium in China haben 30,6% der Befragten als primären Grund für ihr Interesse an Deutsch das starke Interesse für die deutsche Kultur angegeben. 28% und 22,3% der Studenten haben dies als den sekundären und tertiären Grund für ihr Interesse an der deutschen Sprache genannt. Hingegen liegt der Hauptgrund, dass die befragten Germanistikstudenten kein Interesse mehr für ihr Fach haben, darin, dass eine Fremdsprache nur eine „instrumentelle Funktion“ habe und „kein richtiges Fach sei“ (ebd.). Der zweit wichtigste Grund liegt darin, dass der „Unterrichtsinhalt nicht praxisorientiert und nicht anwendungsbezogen ist“ (ebd.). Ein Germanistikstudium wird nicht mehr als ein lohnender Selbstzweck gesehen, wie etwa: „Lerne Deutsch, um deutsche Kultur und vor allem den reichen literarischen Schatz der Deutschen besser zu verstehen“ (Hernig 2002, 327), sondern

176

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dient vielmehr als Mittel zum Zweck, z.B. um zum Studieren nach Deutschland zu gehen. Die Germanistikstudenten haben nicht mehr – wie bis Anfang der 90er Jahre – ein klares Berufsziel wie Übersetzer und Dolmetscher. Es ist ihnen bewusst, dass die Berufsbilder vielfältiger sind und Deutsch im Beruf nur als ein Werkzeug dient. Ihre Arbeitsgebiete können Außenhandel, Betriebswirtschaft, Jura, Pressewesen, Logistik, Messewesen etc. sein. Sie erhalten aber von ihrer Hochschule wenig Berufsberatung, die auf ihr Studium zugeschnitten ist. Um eine gute Arbeit zu finden, studieren viele Studenten arbeitsmarktorientiert und versuchen, schon während des Studiums Zusatzqualifikationen zu erwerben, um ihre Berufsaussichten zu verbessern (vgl. Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 604). Allerdings kennen sie selber die Anforderungen des Arbeitsmarktes oft nicht. Auch wenn für viele Germanistikstudenten „Germanistik“ nicht mehr das Wunschfach ist und sie sich nicht sicher sind, ob ihre künftige Berufstätigkeit direkt mit Deutschland zu tun hat, versuchen sie, das Beste aus ihrem Fach zu machen. Sie informieren sich über das Land und die Kultur. Dabei interessieren sie sich nicht nur für die deutsche Sprache, sondern auch für Politik, Wirtschaft, Kultur und Geschichte sowie für die soziale Entwicklung in Deutschland und in Europa. Dies lässt sich an den Themen der Bachelor-Arbeiten erkennen. Viele Studenten befassen sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung, der politischen Entwicklung, neuen Strömungen in Deutschland, chinesisch-deutschen Beziehungen, Deutschland und EU etc. (vgl. Kong 2000, 47). Folgende Tabelle mit den Themen von Abschlussarbeiten der Germanistikstudenten der University of International Business and Economics (UIBE), die im Sommer 2006 ihr Studium abgeschlossen haben, gibt einen Überblick über die Interessenbereiche der Studenten35:

35

Eigene Aufzeichnung.

INTERKULTURELLE ORIENTIERUNG UND STAND DES GERMANISTIKSTUDIUMS IN CHINA

Themenbereich

Thema der BA-Arbeit

Wirtschaft

Globalisierungsstrategie von BMW

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Vergleich zwischen den deutschen und chinesischen Kaufverträgen Vergleich zwischen chinesischen und deutschen Geschäfts-banken „Made in China“ und „Made in Germany“ – Qualitätssicherung und Image Familienunternehmen in Deutschland Über die Misserfolge chinesischer Unternehmen in Deutschland Die Funktion der Messen für die deutschen Unternehmen und was chinesische Unternehmen daraus lernen können Unterschiede zwischen dem deutschen und chinesischen Konsumverhalten Einkauf deutscher Unternehmen in China Marktstrategie von VW in China Standortwahl deutscher Unternehmen in China Strategien der deutschen kleinen und mittleren Unternehmen für den Markteintritt in China Genossenschaften sollen sich in China weiter entwickeln – eine Lehre aus Deutschland Messen in Deutschland VW in China – Chancen und Herausforderungen Entlohnungssystem in international tätigen Unternehmen in China Die Zusammenarbeit von den Unternehmen und der Regierung beim Personalmanagement Ein wichtiger Erfolgsfaktor deutscher Unternehmen Untersuchung des Spielzeugmarktes in Deutschland Der Wettbewerb der chinesischen und ausländischen Investitionen in der Automobilindustrie in China Chinesische Marken auf dem internationalen Markt

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Der Einfluss der Osterweiterung der EU auf die deutschen Investitionen in China Soziale Entwicklung

Jugendprobleme in Deutschland Filmvergleich: „Auf Wiedersehen, Lenin“ (Deutschland) und „Zugplattform“ (China) Die Wertewandel in China und Deutschland

Interkulturelle Kommunikation

Untersuchung der Wertorientierung chinesischer und deutscher Studenten Die Bedeutung der Kenntnisse der Eigenkultur in der interkulturellen Erziehung Untersuchung zur Konvergenz des Personalmarketingsystems mit der Corporate-Execution-Theorie unter interkulturellen Aspekten Interkulturelles Training für chinesische und deutsche Studenten

Umweltschutz Viel gesagt,wenig getan – dem Umweltschutz in China fehlt noch umweltbewusstes Verhalten im Vergleich zum Umweltschutz in Deutschland Literatur

Vergleich verschiedener Übersetzungsweise von deutschen literarischen Werken Salonkultur Berlins in der Aufklärung Über „Brief einer Unbekannten“ Analyse des kulturellen Hintergrunds von „Pro Ahn sechzig Pfennig“

Sprache

Vergleich zwischen den deutschen und chinesischen Namen

Abbildung 10: Themen von BA-Arbeiten chinesischer Germanisitkstudenten von der UIBE

Das oben genannte Beispiel von der UIBE bestätigt die Feststellung von Kong (2000, 47). Auch die Informationen von vielen anderen Hochschulen lassen den Schluss zu, dass die chinesischen Germanistikstudenten sich weniger für ein literarisch-philologisches Germanistikstudium, als für praxisorientierte Deutschlandstudien interessieren (vgl. u.a. Yin 2002; Zhao 2002, 143ff; Wei 2005a).

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4.3.2.2 Die Lernpraxis der chinesischen Germanistikstudenten Seit den 80er Jahren wird das Lernverhalten von Chinesen in Bezug auf Fremdsprachen in vielen wissenschaftlichen Arbeiten und Erfahrungsberichten chinesischer und deutscher Autoren, von denen die meisten als Lektoren in China tätig waren, thematisiert und analysiert. Von den deutschen Publikationen sind das Buch von Mitschian (1991) „Chinesische Lerngewohnheiten. Evaluierungen für den Deutsch-als-Fremdsprachenunterricht in der Volksrepublik China“ und das von Hess (1992) „Die Kunst des Drachentötens – Zur Situation von Deutsch als Fremdsprache in der Volksrepublik China“ häufig zitiert. Die Arbeiten der deutschen Autoren über „das chinesische Lernverhalten“ helfen den chinesischen Lernenden und Lehrenden, die Lern- und Lehrpraxis aus einer Außenperspektive zu betrachten und kritisch darüber zu reflektieren, was sowohl dem Lernen als auch dem Lehren ohne Frage zugute kommt. Zugleich stellt diese westliche Außenperspektive auch ein Problem dar, weil sie aus einem westlich dominierenden Blick die chinesische Form des Lernens pauschal als passiv und unkommunikativ bzw. die chinesische Lerntradition als „die Kunst des Drachentötens“ (Hess 1992) kritisieren. Obwohl der passive, unkommunikative Lernende, der alles auswendig lernt, in den Augen vieler Westler fast schon zu einem Stereotyp geworden ist, habe ich starke Zweifel daran, dass es „das chinesische Lernverhalten“ überhaupt gibt. Denn die chinesischen Lernenden, genau wie die in den anderen Ländern, sind einzelne Individuen und ihr Lernverhalten ist folglich individuell. Selbstverständlich gibt es habituelle Tendenzen beim Fremdsprachenerwerb, die in der chinesischen Kultur tradiert sind und den Lernalltag vieler chinesischer Studenten prägen, wie z.B. das Auswendiglernen. In der oben erwähnten empirischen Untersuchung (vgl. Wei 2005a, 1ff) über Germanistikstudien in China wurde als Lernmethode als erstes das Auswendiglernen von Wörtern und Wendungen genannt (ebd., 6), wobei beim Vergleich mit den Untersuchungsergebnissen im Jahr 2002 sich eine Tendenz abzeichnet, dass die Germanistikstudenten inzwischen größeres Gewicht auf mündliche Kommunikation mit Muttersprachlern und auf das Lernen durch Einsatz neuer Medien legen (ebd.). Das Auswendiglernen ist oft von den Autoren aus westlichen Ländern als eine rückständige Methode verpönt, weil in der westlichen Lerntradition diese Form keine große Rolle mehr spielt. Meiner Ansicht nach kann das Auswendiglernen auf jeden Fall für den Fremdsprachenerwerb produktiv sein. Es kommt darauf an, was und wie man auswendig lernt und wofür man diese Methode einsetzt.

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Genau so produktiv kann das „Laut-Vorlesen“ sein: Viele Besucher aus westlichen Ländern sind z. B. sehr überrascht, wenn sie zum ersten Mal am frühen Morgen – so zwischen 7.00 und 8.00 – einen chinesischen Campus betreten: Sie sehen die Studenten, stehend oder sitzend, jeder ein Buch, meistens ein englisches, in der Hand und Texte laut vorlesend – eine recht beeindruckende Szene des „Morgenchors“. Im Zusammenhang mit den Lernverhalten der Chinesen wird, oft von Autoren aus westlichen Ländern, bedauert, dass die Bildungsethik immer noch stark vom Konfuzianismus geprägt ist. Nach dieser werden die Schüler erzogen, sich beim Lernen respektvoll und höflich, bescheiden und gehorsam, selbst beherrscht und fügsam zu verhalten (Tang/Reisch 1994, 94; Hanisch 2003, 45). Sehr wohl mag diese Feststellung stimmen, weil der Konfuzianismus, vor allem als Lehre des Lernens und Lehrens das Lern- und Lehrverhalten der Chinesen über zwei Jahrtausende beeinflusst hat und immer noch seinen Einfluss hat. Tatsächlich erlebt er gerade im heutigen China eine „Renaissance“, weil viele Chinesen im Zug der Globalisierung es immer nötiger haben, nach der kulturellen Wurzel zu suchen und sich in konfuzianischer und taoistischer Tradition verstehen. Ich habe in vielen deutschen Publikationen zwei extreme Einstellungen über Konfuzianismus bemerkt. Auf der einen Seite wird der Konfuzianismus auf der metaphysischen Ebene als eine vielseitige Philosophie dargestellt, deren Weisheit über zwei Jahrtausende hindurch für alle Lebenslagen gültig ist, auf der anderen Seite wird er oft mit Rückständigkeit und geistiger Vergreisung verbunden. Es liegt nah, dass der Konfuzianismus nicht als Dogma für die heutige Zeit betrachtet werden darf. Dennoch kann die Lehre des Konfuzius für unser Denken und Handeln sehr aufschlussreich sein. Gerade zur Förderung interkultureller Kompetenz kann sie sehr produktiv sein: Denn diese Lehre legt großen Wert auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, auf die Anerkennung anderer Mitmenschen und auf die harmonische Koexistenz mit dem Umfeld. Insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kulturelle Unterschiede oft kontrastiert und polarisiert werden, kann sie, da sie die Lösung in der „Goldenen Mitte“ sieht, uns für den besseren Umgang mit Unterschieden oder gar Gegensätzen sehr lehrreich sein. Es ist nicht zu verleugnen, dass das mechanische Verfahren, welches das Lernverhalten vieler Germanistikstudenten immer noch prägt, bei der Entwicklung der Kommunikationskompetenz hinderlich ist. In der Tat sind die ersten zwei Jahre des Germanistikstudiums sehr stark durch Sprachausbildung geprägt und oft müssen die Studenten mechanische sprachliche Drillübungen machen. Indes legen viele Lehrer Wert auf Wissensvermittlung und Förderung reproduktiver Fähigkeiten, hingegen achten sie wenig auf die Förderung der Kreativität der Studierenden (Chen 2006, 283).

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Trotz des tradierten passiven Lernverhaltens, das bei vielen Studenten noch zu beobachten ist, sind chinesische Studenten den neuen Lehrmethoden gegenüber durchaus offen. Projektarbeit, Referat und Teamarbeit wurden als bessere Formen der Leistungskontrolle vorgeschlagen, die den Studenten mehr Möglichkeiten eröffnen, die eigene Kreativität, Selbstständigkeit und Kooperationsfähigkeit zur Geltung zu bringen (vgl. Wei 2005a, 16). Weil die Studenten (meistens) ohne jegliche Deutschkenntnisse mit dem Germanistikstudium anfangen, werden sie als „lingqidian xuesheng“, als „NullAnfänger“ bezeichnet. Dieser Bezeichnung nach fangen die Studenten „bei null an“, was deutlich macht, dass das Vorwissen und die Erfahrungen der Studenten nur sehr wenig berücksichtigt werden. Die Unterrichtssprache für Germanistik ist schon in den ersten zwei Studienjahren Deutsch. Die Studenten werden von den Lehrenden aufgefordert, auf Deutsch zu denken, was zwar für das Gehör für die neue Fremdsprache und für das Sprachgefühl förderlich ist, aber aufgrund der geringen Sprachkenntnis die Denkfähigkeit der Studenten mehr behindert als fördert (vgl. Wen/Zhou 2006, 76). Untersuchungen zeigen, dass die Fähigkeiten der Fremdsprachenstudenten in Bezug auf logisches und systematisches Denken im Vergleich zu Studenten von anderen geisteswissenschaftlichen Fächern weniger entwickelt sind (ebd. 77). Allerdings zweifle ich an der allgemeinen Gültigkeit dieser Ergebnisse, auch wenn ich das Problem einsehe, dass die Überbetonung der mechanischen Sprachübungen für die Förderung der analytischen und der kritischen Denkfähigkeit der Fremdsprachenstudenten eher hinderlich als positiv fördernd ist. Zugleich wird der Horizont der Fremdsprachenstudenten durch die Beherrschung einer weiteren Sprache und durch das Kennenlernen einer neuen Kultur erweitert, was wiederum ihre Denkfähigkeit sehr fördert, wenn auch in anderer Hinsicht. In der Tat sind die Studenten heutzutage selbstbewusster, kritischer und unter dem Einfluss eines erhöhten Unterhaltungsangebots – nahezu einer Reizüberflutung – durch die Medien anspruchsvoller geworden (Wang/Nerlich, 2001, 2). Eine Untersuchung zeigt, dass die Studenten den Wert einer kulturkontrastiven Hinführung zur zielsprachlichen Wirklichkeit, zu einer andern Kultur und zu anderen Formen des Denkens betonen. Dies, so die Autoren der Untersuchung, erhöhe die Lernmotivation, fördere Verständnis und diene der Studierfähigkeit im Hauptstudium (ebd.). Allerdings richtet sich das Sprachstudium, wenn es überhaupt eine Verbindung zur Kultur anstrebt, hauptsächlich auf die Lebenswirklichkeit im deutschsprachigen Raum. Die chinesische Lebenswirklichkeit und der kulturelle Hintergrund werden wenig thematisiert. Die eigene Kultur wird eher als Störfaktor betrachtet (vgl. Wu 1994, 89ff).

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4.3.2.3 Interkulturelle Erfahrungen der Germanistikstudenten Ein großes Problem bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz liegt darin, dass den meisten Studenten ein authentisches Erleben der Fremdkultur fehlt. Es wird im Sprachunterricht zwar mehr oder weniger angestrebt, Sprache und Kultur zu verbinden. Doch da die Studenten allerdings wenig Gelegenheit haben, mit Partnern einer anderen Kultur zu kommunizieren, bleibt vieles graue Theorie. Das Wissen über die Fremdkultur bleibt hauptsächlich sekundäres Wissen. Die erworbenen Kenntnisse kommen indirekt von den Büchern und den Lehrenden. Es fehlt den Studenten an persönlichen Erfahrungen. Dadurch wird die Möglichkeit, ein tiefes Verständnis für die fremde Kultur aufzubauen, stark limitiert. Die meisten Studenten haben keine Gelegenheit, die eigenkulturelle Selbstverständlichkeit in kulturellen Überschneidungssituationen in Frage zu stellen und zu reflektieren. Die Nutzung des Internets bietet den Zugang zu Informationen über Fremdkulturen. Allerdings ist in vielen Hochschulen der Zugang zu internationalen Websites nicht ohne weiteres möglich. Selbst wenn das Medium „Internet“ voll ausgeschöpft werden könnte, fehlt auch hier der persönliche Kontakt, durch den interkulturelle Erfahrungen erst so wertvoll werden. Jedoch streben inzwischen immer mehr Germanistikstudenten ein Auslandssemester in Deutschland an. Wenn die Studenten das aus eigener Initiative arrangieren, ist es in den meisten Fällen aufgrund des festgelegten Studienplans technisch sehr schwer zu realisieren. Das Akademische Auswärtige Amt ist nicht immer kooperativ. Die Studenten müssen häufig hohe Gebühren zahlen. Ein Auslandssemester funktioniert viel besser, wenn es im Rahmen einer Hochschulpartnerschaft angeboten wird und die Zuständigen der chinesischen Hochschulen aus dem Rahmen des rein finanziellen Kalküls denken36. Sehr gerne werden von den Germanistikstudenten auch Praktika in einem deutschsprachigen Land angenommen. Hierbei sind zwei internationale Organisationen zu nennen: Unter dem Motto „platform for young people to discover and develop their Potenzial so as to have a positive impact on society“ bzw. „The world is the best classroom, and experience the best teacher“ bieten Association Internationale des Etudiants en Sciences Economiques et Commerciales37 (AIESEC) und The International Association for the Exchange of Students for Technical Experience38 (IAESTE) regelmäßig Praktika für chinesische Studenten in anderen Ländern an. Dank deren Engagements können immer mehr Germanistikstudenten ein Praktikum in einem deutschsprachigen Land machen. Obwohl diese Studenten nur einen 36

Auf dieses Problem werde ich im späteren Teil der Arbeit näher eingehen. http://www.aiesec.cn 38 http://www.iaeste-china.org 37

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kleinen Anteil der Germanistikstudenten in China darstellen, sind ihre Erfahrungen für die anderen Mitstudenten wegweisend. Es gibt immer mehr Initiativen von internationalen Unternehmen, die sich für eine enge Zusammenarbeit mit chinesischen Hochschulen interessieren, um rechtzeitig hoch qualifizierte Nachwuchskräfte zu gewinnen. An der University of Internationale Business and Economics, an der ich tätig bin, hat die Deutschfakultät z. B. mit einem renommierten deutschen Verlag zusammengearbeitet und einen Wettbewerb unter den Germanistikstudenten mitorganisiert. Die Studenten sollten Gruppen bilden und jede Gruppe arbeitete einen Businessplan für eine geplante chinesische Online-Zeitschrift für diesen Verlag aus. Das Ziel bestand darin, für den chinesischen Markt ein möglichst interessantes Produkt anzubieten. Ursprünglich war geplant worden, nur eine Siegergruppe zu einem Praktikum in die Zentrale des Verlags in Deutschland einzuladen. Die Businesspläne von den Studenten waren allerdings so gut, dass der Besitzer des Verlags entschieden hat, zwei Gruppen nach Deutschland einzuladen, so dass sieben Studenten sechs Wochen in Deutschland ein Praktikum machen konnten. Während der Zeit hatten die Studenten nicht nur die Gelegenheit, ein deutsches Unternehmen aus der Innensicht zu betrachten, Berufserfahrungen zu sammeln und die Produkte des Verlags für China kompatibel zu machen, sondern auch die deutsche Kultur persönlich zu erleben. Auch wenn mittels den studentischen Organisationen und dem Wettbewerb des Verlags sehr positive Beispiele genannt wurden, macht dies immer noch einen zu geringen Anteil aus und ist eher als „opportunity picking“ zu bezeichnen, denn als systematische Förderung der Auslandserfahrungen der Studenten.

4.4 Das Lehren im Germanistikstudium 4.4.1 Lehrer und Lehrer-Rolle in China Nach traditionellem Verständnis stellt die Figur des Lehrenden eine Autoritätsperson dar. Lehrer werden als Vorbild angesehen. In der chinesischen Sprache gelten „Lehrer“ und „Vorbild“ auch als Synonym. Der Respekt der Lernenden vor dem Lehrer gehört zu den wichtigsten Grundsätzen zur Regelung der sozialen Ordnung und ist im Konfuzianismus39 verwurzelt. Im alten China – bis zur Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 – und heute immer noch in ländlichen Gebieten, hatte/hat jede chinesische Familie einen „Familienaltar“, auf dem der Lehrer als einer 39

Nach Konfuzius gehört die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler zu den fünf Grundbeziehungen des Menschen. Der Schüler hat den Lehrer zu respektieren und ihm zu gehorchen, so wie der Untertan dem König, der Sohn dem Vater, die Ehefrau dem Ehemann und der jüngere Bruder dem älteren Bruder zu gehorchen hat.

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der Fünf steht, die man anbetet: Himmel, Erde, Herrscher, Ahnen und Lehrer(天 地君亲师). Mit dem großen Respekt vor dem Lehrer sind die vielseitigen Pflichten des Lehrers gegenüber dem Schüler verbunden. Der Lehrer hat den Lernenden nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern er steht diesen auch für die anderen Lebenssituationen als wichtige Bezugsperson zur Verfügung. Der Lehrer fühlt sich für die Zukunft der Lernenden verantwortlich. Je stärker dieses Bewusstsein ist, desto mehr ist man auch versucht, die Lernenden zu bevormunden. Aufgrund der hohen sozialen Stellung der Lehrenden ist der lehrerzentrierte Unterricht sehr stark ausgeprägt. Im Deutschunterricht in China werden z.B. die Differenzierung und die Individualhilfe noch nicht ausreichend berücksichtigt. Hingegen wird eine „allgemeingültige“ Methodik ohne Berücksichtigung individueller Voraussetzungen eingesetzt (vgl. Wei 2005a, 9). Das konfuzianische Lehrerbild „chuandao, shouye, jiehuo(传道授业解惑)“, nach dem die Mission des Lehrers darin liegt, die Lernenden moralisch zu erziehen, ihnen berufliche Fertigkeiten zu vermitteln und sie bei Fragen aufzuklären, spielt heute immer noch eine große Rolle. Nach diesem Bild gilt der Lehrer als moralische Bezugsperson, Meister und Allwissender. Bei der großen Ehrfurcht vor dem Lehrer ist es nicht verwunderlich, dass kritisches Denken und selbstständiges Handeln stark vernachlässigt werden. Seit Ende der 90er Jahre werden an chinesischen Hochschulen Studiengebühren erhoben. Diese Gebühren betragen im Jahr 3500 - 8000 Yuan. Dies sind eineinhalb bis vier Monatseinkommen eines Durchschnittsverdieners in China. Sowohl die Studenten als auch die Lehrenden befinden sich in einem Umdenkensprozess. Es gibt Ansichten, nach denen die Studenten nun die Kunden seien und die Lehrer deren Ansprüche folglich zu erfüllen haben. Allerdings finde ich solche Thesen fragwürdig, weil die Hochschulen nicht mit dem freien Markt zu vergleichen sind. Dennoch ändert sich das Lehrer-Studenten-Verhältnis in China. Viele Studenten sind beispielsweise nicht mehr unkritisch und nehmen das Studienangebot nicht mehr ohne weiteres an, sondern sind kritischer und haben höhere Ansprüche an das Studium und auch an die Lehrenden. Trotz des gesellschaftlichen Wandels ist gemeinhin ein harmonisches LehrerStudenten-Verhältnis in China festzustellen. Dieses Verhältnis basiert nicht mehr auf der konfuzianischen Über- bzw. Unterordnung, sondern auf einer gleichberechtigten Ebene. Es ist insbesondere diesem Verhältnis zu verdanken, dass die Hochschulen viele hoch qualifizierte Lehrkräfte halten können, obgleich der Lehrerberuf immer noch nicht gut honoriert, wenngleich auch hoch angesehen ist.

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4.4.2 Lehrer für Germanistik Auch heute genießen die Lehrer in China ein hohes Ansehen. Dies ist u. a. der Tatsache zu verdanken, dass sie voller Hingabe und mit großem Engagement arbeiten. Aufgrund der in dieser Arbeit erwähnten empirischen Untersuchung zum Germanistikstudium in China (Wei 2005a, 1ff) „gebührt nach der Ansicht der meisten Studenten den Lehrenden, da sie engagiert und verantwortungsbewusst arbeiten, hohes Lob“ (ebd., 8). Allerdings ist nach dieser Untersuchung die didaktisch-methodische Kompetenz der meisten Lehrenden als nicht zufrieden stellend (ebd, 8) beurteilt worden. In der Tat haben die Lehrer für Germanistik meistens eine Ausbildung für das Fach, aber keine didaktisch-methodische Ausbildung. Bereits 1990 hat Han Wanheng (zit. nach Zhao 2002, 162) die Gegebenheiten wie folgt beschrieben: „In China gab und gibt es heute immer noch keine Institution, wo Deutschlehrer ausgebildet werden. In der Regel wurden Absolventen mit guten Leitungen als junge Lehrer eingesetzt. Sie machen nach, was sie von ihren Lehrern abgesehen haben – also handwerkmäßig und nicht wissenschaftlich”. Auch heute ist die Situation nicht viel anders. Es ist eine Art „learning by doing“. Die Absolventen mit guten Leistungen bleiben als neue Lehrkraft in derselben Fakultät und werden Kollegen ihrer ehemaligen Lehrer. Es ist nichts anderes als akademische „Inzucht“. In der beruflichen Laufbahn wird darüber hinaus die didaktische und methodische Kompetenz auch nicht zusätzlich gefordert und nicht als ein Kriterium zur Berufung in eine höhere hochschulinterne Rangstufe betrachtet (Zhao 2002, 162). Im Gegenteil: als Kriterien für die Berufung zu Associte Professoren und Vollprofessoren zählen fast nur noch die wissenschaftlichen Publikationen. Forschungsarbeit wird viel höher bewertet als Lehrqualität und Theorieforschung höher als Forschung der Unterrichtspraxis (Xia 2006, 62). Darüber hinaus ist es für die forschenden Lehrer äußerst schwierig, Aufsätze über Deutsch als Fremdsprache in einer Fachzeitschrift unterzubringen. Deswegen beschäftigen sich die meisten Lehrer eher mit der Forschung auf den Gebieten Linguistik und Literaturwissenschaft. Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Einstieg zum Lehrerberuf nur für Akademiker geöffnet ist. Es ist beispielsweise kaum möglich für jemanden, der lange Jahre in der Wirtschaft gearbeitet hat und über viele praktische interkulturelle Erfahrungen verfügt, wieder in den Lehrerberuf umzusteigen. Da die Lehrer meistens direkt von der Hochschule in die Lehre gehen und vor der Lehrtätigkeit keinen anderen Beruf ausgeübt haben, sind ihnen die Anforderungen des Berufsmarktes oft fremd. Somit sind sie häufig nicht in der Lage, die Studenten im

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Hinblick auf ihre spätere Berufstätigkeit auf mögliche Probleme vorzubereiten. Auch die interkulturellen Probleme in der Berufspraxis sind vielen von ihnen unbekannt, weil sie den behüteten Campus nie verlassen haben, – abgesehen von denen, die lange in Deutschland gelebt haben – und selten mit interkulturellen Problemen konfrontiert sind. Dank der Unterstützung des Staates können seit Mitte der 90er Jahre viele Hochschulen hoch qualifizierte Fachkräfte, die in Deutschland Germanistik oder ein verwandtes Fach studiert und promoviert haben, für sich gewinnen. Sie haben viele interkulturelle Erfahrungen und sind meistens in der Lage, den Studenten ein facettenreiches Deutschlandbild zu vermitteln. Sie spielen eine tragende Rolle in der chinesischen Germanistik. Viele von ihnen sind heute Dekane verschiedener Deutschfakultäten. Aber auch solche Lehrer, die lange Jahre in einem deutschsprachigen Land studiert und gelebt haben, verfügen meistens über keine Berufserfahrung in einem Unternehmen. Deswegen fehlen auch ihnen meistens die Kenntnisse über die Berufspraxis, die aber für die Vorbereitung der Studenten auf das Berufsleben notwendig sind.

4.4.3 Lehreraus- und -fortbildung Die meisten Lehrenden für Germanistik haben mit der Lehrtätigkeit angefangen, ohne eine didaktisch-methodische Ausbildung erhalten zu haben. Die meisten Deutschlehrer haben nur geringe bzw. gar keine pädagogische, psychologische und didaktische Ausbildung. Sie haben auch keine Lehrpraxis, bevor sie mit der Lehrtätigkeit anfangen (Liang/Mu/Jin/Shi 1997, 56). Sie sind meistens Absolventen von derselben Deutschfakultät, in der sie nach dem Abschluss des Germanistikstudiums als Lehrer beschäftigt werden. „Liuxiao“, wörtlich übersetzt „an derselben Hochschule bleiben“, ist der spezielle Ausdruck für dieses Phänomen. Es gibt zwar hochschulinterne und hochschulübergreifende extensive Fortbildungsmaßnahmen im Inland – meistens gefördert durch Goetheinstitut und DAAD, die allerdings von chinesischen Lehrern selbst als bruchstückhaft und ungenügend bezeichnet werden (Hess, 2001, 1583). Über die deutsch-chinesische Zusammenarbeit haben sich aber auch zahlreiche Möglichkeiten zur Fortbildung und zum Aufbaustudium in Deutschland ergeben. Einen wichtigen Bestandteil der Lehrerfortbildung stellt jedoch weniger die didaktisch-methodische Ausbildung dar, sondern die Verbesserung der Sprachkompetenz der Lehrer. Auch das Anleitungskomitee für Germanistik misst der Lehrerfortbildung ein immer größeres Gewicht bei. Es hat im Januar 2006 ein Seminar für Lehrerfortbil-

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dung mit Schwerpunkt auf Didaktik und Methodik arrangiert, das an der Tongji Universität stattgefunden hat. Einen großen Beitrag zur Lehrerfortbildung leistet das Goetheinstitut Beijing. Es hat im Auftrag des chinesischen Bildungsministeriums Ausbildungslehrgänge durchgeführt und dadurch nicht nur chinesische Deutschlehrer fortgebildet, sondern auch Fortbilder, die selbstständig andere chinesische Deutschlehrer aus- und fortbilden sollten. Diese Lehrgänge vom Geotheinstitut zielten darauf ab, sprachliche Kompetenz, methodisch-didaktische Kompetenz, inhaltliche Kompetenz, soziale Kompetenz und interkulturelle Kompetenz der Lehrenden zu fördern (Gauler 2001, 107f). Unter interkultureller Kompetenz für Lehrer wird dabei folgendes verstanden (ebd. 109): „Ein Fremdsprachenlehrer sollte die Fähigkeit zur multiperspektivischen Wahrnehmung der fremden Kultur haben, zu Empathie und Toleranz gegenüber der fremden Kultur und ihren Menschen, somit die Fähigkeit, die fremde Kultur, die Rollenerwartungen ihrer Angehörigen und deren Handlungen zu verstehen. Er sollte die Prozesse verstehen, die bei der Interaktion zwischen Personen aus unterschiedlichen Kulturen ablaufen, über Strategien verfügen, sich mit eigen- und fremdkulturellen Phänomenen auseinanderzusetzen und so die fremde Welt vor dem Hintergrund der eigenen – und der anderen Kultur – zu deuten. Ziel seines Unterrichts muss die Vermittlung all dieser Fähigkeiten sein“. Diese Anforderungen an den Fremdsprachenlehrer sind sehr vielseitig und anspruchsvoll. Es bleibt nur noch zu ergänzen, dass der interkulturell kompetente Fremdsprachenlehrer auch in der Lage sein sollte, die Fähigkeit des Lernenden zu fördern, zwischen der eigenen und der fremden Kultur zu vermitteln und eine Brücke zwischen den beiden zu schlagen. Diese Fortbildungslehrgänge vom Geotheinstitut haben ein sehr gutes Feedback von chinesischen Deutschfakultäten bekommen (Yin 2002, 75). Es ist aber nicht zu leugnen, dass es auch Probleme gibt (Gauler 2001, 113): Viele chinesische Deutschfakultäten sind nicht bereit, Deutschlehrer für die Fortbildung freizustellen. Bis jetzt werden die Lehrgänge von der deutschen Seite finanziert. Viele Deutschfakultäten sehen kein Budget zur Finanzierung der Fortbildungsmaßnahmen vor. Der Besuch solcher Lehrgänge wird von den jeweiligen Deutschfakultäten wenig honoriert. Der Abschluss solcher Lehrgänge hat im Vergleich zu akademischen Abschlüssen keinen nennenswerten Stellenwert. Viele junge Lehrer, die an diesen Lehrgängen teilgenommen haben, sind zu einem weiterführenden Studium nach Deutschland gegangen und nicht mehr als Deutschlehrer tätig. Man hat die Probleme erkannt und die Notwendigkeit eingesehen, eine berufsorientierte Ausbildung und eine berufsbegleitende Fortbildung für Deutsch- bzw.

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Germanistiklehrer in China zu etablieren. Allerdings kann der Bedarf an Lehrerfortbildung von den Deutschlehrern bei weitem nicht gedeckt werden.

4.5 Interkulturelle Orientierung im Germanistikstudium Der in Kapitel 4.1.3.2 dargestellte Stand im Hinblick auf die interkulturelle Orientierung im Fremdsprachenstudium gilt auch im Allgemeinen für das Germanistikstudium in China. Auf den vielen nationalen Tagungen für das Fach Germanistik gibt es schon eine grundsätzliche Einsicht, dass ein ausschließlich philologisch ausgerichtetes Germanistikstudium nicht zeitgemäß, sondern bedarfsfremd ist und die interkulturellen Fragestellungen nicht länger vernachlässigt werden dürfen (Liang/Liu/Hernig/Qian 2003, 605). Allerdings sind viele Deutschfakultäten noch nicht so weit, die interkulturelle Orientierung mit Inhalt zu füllen. Für sie bleibt „interkulturell“ eher ein Modewort. In der Darstellung vieler Deutschfakultäten wird als eines der Ausbildungsziele anstelle „Entwicklung von Sprachkompetenz“ nun „Entwicklung interkultureller Kommunikationskompetenz“ benutzt, wobei das Lehrangebot nahezu gleich bleibt. Auch wenn man gelegentlich von interkultureller Orientierung spricht, versteht man darunter in der Tat vielmehr die Erweiterung der Lehrveanstaltungen für Sprache, Literatur und Landeskunde um kulturelle Komponenten, wie z.B. Deutschland- und -kulturkunde (vgl. Zhang 2005, 108), weniger aber die affektiven und handlungsorientierten Komponenten. Dies liegt insbesondere daran, dass in der chinesischen Bildungstradition Wissen viel höher als Handlungskompetenz angesehen wird. Nach dieser Denkweise geht es beim Wissen um geistige und intellektuelle Arbeit. Es sei geistig viel anspruchsvoller, eine Idee, ein Konzept oder eine Strategie zu entwickeln, als die Umsetzung der Idee, des Konzeptes oder der Strategie, die man denen überlassen könnte, die nicht viel wissen. (vgl. Tang/Reisch 1994, 95). Somit ist die theoretische Wissensvermittlung vorrangig vor der praktischen Durchführung. Einen anderen Grund für die Bevorzugung der Wissensvermittlung sehe ich darin, dass es für die Lehrenden viel weniger aufwändig ist, sich auf den wissensorientierten Unterricht vorzubereiten als eine aktive Umsetzung in diesen zu integrieren. Er passt auch viel besser zu dem lehrerzentrierten Unterricht, der noch vielfach zu beobachten ist. Auch die Lernerfolge lassen sich bei einer reinen Wissensabfrage einfacher überprüfen als bei affektiven und handlungsorientierten Komponenten.

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Die Tatsache, dass Kulturwissen zugunsten der affektiven und handlungsorientierten Kompetenzen vermittelt wird, ist auch darauf zurückzuführen, dass es dafür viel mehr Bücher gibt, die man als Lehrwerke nutzen kann. An den meisten chinesischen Hochschulen wird nämlich vorgeschrieben, dass man in einem Fach immer mit einem bestimmten Lehrwerk arbeitet. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Beschäftigung mit der chinesischen Eigenkultur und die Vermittlung zwischen der chinesischen und deutschen Kultur in dem Germanistikstudium wenig berücksichtigt werden. Dies bestätigt auch Hernig (2000) durch eine landesweite Untersuchung über „interkulturelle Germanistik“ in China an acht chinesischen Hochschulen. Mit ihm stimme ich überein, wenn er schreibt (ebd, 447): Eine interkulturelle Lehre kann nur dann wirklich sinnvoll funktionieren, „wenn eine Doppelkompetenz in der Fremd- wie in der Eigenkultur gegeben ist. Kennt man sich selbst und den eigenen kulturellen Hintergrund nicht genug und kann diesen nicht hinreichend in der fremden Sprache ausdrücken, kann auch alle Erkenntnis über das ‘Fremde’ niemals wirklich einem seriös zu nennenden Kulturvergleich oder einem tiefer gehenden interkulturellen Diskurs standhalten“. Auch wenn sich das Germanistikstudium bei der interkulturellen Orientierung noch in der Aufbauphase befindet, ist im Allgemeinen festzustellen, dass diesem Themenbereich immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im März 2004 wurde in Beijing der Arbeitskreis für interkulturelle Germanistik gegründet. Die Gründung dieses Arbeitskreises ist auf die langjährige Zusammenarbeit zwischen der Deutschfakultät der Universität Qingdao und dem Fachgebiet für Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth zurückzuführen. Die Geschäftsstelle für den Arbeitskreis ist in der Deutschfakultät der Universität Qingdao angesiedelt. Die für die Tätigkeit notwendigen Auslagen werden von der Hans-Seidel-Stiftung finanziert (Wierlacher 2004, 2). In dem Vorstand ist das Anleitungskomitee für das Fach Germanistik vertreten. Allerdings hat der Arbeitskreis in seinen Regularien viel mehr Arbeitsbereiche zum Ziel und hat u.a. „das Wissen über kulturelle und kulturdifferenzierte Probleme interkultureller Kommunikation in den Unternehmen, den Schulen und in der außerschulischen Erwachsenenbildung, in der Lehrerbildung, in der Rechtsberatung und im Tourismus, in der Gastronomie, in der Politik und in anderen kulturbezogenen Bereichen zu vertiefen“ (ebd.). Der Arbeitskreis veranstaltete im März 2004 in Beijing, im August 2005 in Qingdao und im November 2007 in Beijing eine Fachtagung. Teilnehmer der Veranstaltungen waren hauptsächlich Hochschuldozenten von den verschiedenen Deutschfakultäten aus ganz China und es hat dabei unter den Fachkollegen ein sehr produktiver Austausch insbesondere über die interkulturelle Orientierung der

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chinesischen Germanistik stattgefunden. Allerdings bleibt noch offen, in wie weit der Arbeitskreis dem Bayreuther Modell der „interkulturellen Germanistik“ verpflichtet ist und die interkulturelle Orientierung der chinesischen Germanistik voran bringt. Des Weiteren ist anzumerken, dass es zwar immer mehr Zusammenarbeit zwischen chinesischen Deutschfakultäten und deutschen Hochschulen gibt (vgl. u.a. Casper-Heine 2007), aber kaum institutionalisierte Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen.

4.6 Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die chinesische Germanistik in einem Umbruch befindet. Sie entwickelt sich von der philologisch-literarisch orientierten Elitärbildung mit dem Schwerpunkt auf Sprach- und Kulturwissen zu einer immer mehr berufspraxisorientierten Bildung. Die Suzhi-Bildung und die Fuhe-Ausbildung sind sehr sinnvolle Versuche zur Entwicklung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten. Die Suzhi-Bildung betrachtet die Studenten als ganzheitliche Persönlichkeiten und legt Wert auf die Förderung der Kernkompetenzen, die über das reine Wissen hinausgehen und sich im Wandel der Gesellschaft nachhaltig entwickeln können. Diese Kernkompetenzen stimmen inhaltlich im Wesentlichen mit der interkulturellen Kompetenz überein. Überdies sehen beide Bildungskonzepte die Bildung bzw. das Lernen als lebenslangen Prozess. Dank der Fuhe-Ausbildung gewinnt das Germanistikstudium viel mehr Gestaltungs- und Entwicklungsspielraum. Sie zeigt, dass das Germanistikstudium interdisziplinär ausgerichtet werden kann und erweiterungsfähig ist und bietet den Studenten bei der Entwicklung ihrer interkulturellen Kompetenz einen größeren Spielraum. Alle Reformversuche des Germanistikstudiums in China dokumentieren auch das Selbstbewusstsein der Fachwelt, gegenüber den Impulsen von den anderen Ländern insbesondere von Deutschland offen zu bleiben und zugleich einen eigenen Weg zu gehen, der nicht von Deutschland aus dirigiert werden kann und sollte, sondern der sich nach der chinesischen kulturellen Prägung und den Anforderungen der chinesischen Gesellschaft richtet. Diese Reformversuche zur Neufundierung und Modifizierung des Germanistikstudiums in China bieten einen günstigen Rahmen zur Ausrichtung eines stärker interkulturell orientierten Germanistikstudiums.

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5 Empfehlungen zur Förderung interkultureller Kompetenz im Germanistikstudium 5.1 Allgemeine Empfehlungen Wie in Kapitel 4 erörtert wurde, bieten die Reformversuche der Suzhi-Bildung und Fuhe-Ausbildung sehr günstige Rahmenbedingungen für die Öffnung des Germanistikstudiums von eher literarisch-sprachlicher Orientierung zu einer stärkeren Berücksichtigung des Schwerpunktes „interkulturelle Kompetenz“. Wenn man die Förderung interkultureller Kompetenz als Prozess betrachtet und aus den Untersuchungsergebnissen der vorliegenden Arbeit Konsequenzen ziehen möchte, empfiehlt es sich für die Lehrenden, dass sie den Germanistikstudenten ein Lernumfeld schaffen, das diesen ermöglicht: ¾ die eigene Kultur zunehmend im Lernprozess zu reflektieren, ¾ die fremde Kultur zu entdecken sowie zu schätzen und ¾ zu lernen, in chinesisch-deutschen interkulturellen Situationen souverän und produktiv zu handeln. Die Entwicklung interkultureller Kompetenz als Prozess bedeutet, dass das Germanistikstudium als Weg zu ¾ mehr Ethnorelativität, ¾ zur Erweiterung und Vertiefung des Wissens und Verstehens der eigenen und fremden Kultur und ¾ zu mehr interkultureller Handlungskompetenz gestaltet werden sollte. Wichtig ist dabei, dass das Curriculum zwar den Weg unterstützt, aber nicht alles abnimmt, sondern ebenfalls die Eigeninitiative der Studenten fördern soll. In den nachfolgenden Kapiteln werden die drei wichtigen Pfade zur Förderung der interkulturellen Kompetenz detailliert dargestellt. Ebenso werden Empfehlungen ausgesprochen, welche die Lernbereitschaft und die Lernkompetenz, d.h., damit auch die Eigeninitiative, gefördert werden können.

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EMPFEHLUNGEN ZUR FÖRDERUNG INTERKULTURELLER KOMPETENZ IM GERMANISTIKSTUDIUM

5.1.1 Von Ethnozentriertheit zu Ethnorelativität 5.1.1.1 Positive Grundeinstellung gegenüber der fremden Kultur und die Persönlichkeitsentwicklung der Studenten Die Einstellung, dass alle Menschen von Natur aus gut und im Wesentlichen ähnlich sind, ist bei den Chinesen sehr tief verwurzelt, weil dies ein Kerngedanke des Konfuzianismus ist (vgl. Kapitel 2.1.2). Diese Grundeinstellung kann auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz der Studenten sehr positiv wirken. Es ist in der interkulturellen Kommunikation nämlich wichtig, dass man zunächst das Gute im Anderen sieht und dem Gegenüber einen Vertrauensvorschuss gibt. Aufgrund dieser positiven Einstellung fällt es viel leichter, mit Fremdem, Unvertrautem und zunächst Ungereimtem umzugehen. Es ist nicht zu leugnen, dass diese Grundeinstellung ein Teil der Persönlichkeit ist, die sich während der Sozialisation in der eigenen Kultur entwickelt. Denn interkulturelle Kompetenz entwickelt sich nicht auf einem bodenlosen Niemandsland. Es gehört auch zum Gedankengut des Konfuzianismus, dass die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit eine wichtige Voraussetzung ist, mit anderen umgehen zu können. Einem Studenten, der seinen Landsleuten gegenüber verschlossen ist, fällt es schwer, sich Menschen aus einer anderen Kultur zu öffnen. Somit ist es wichtig, die interkulturelle Kompetenz als ein Addendum zu sehen, das integraler Bestandteil der Persönlichkeit der Studenten wird. Nicht die interkulturelle Kompetenz an sich sollte im Zentrum des Germanistikstudiums stehen, sondern die Studenten, deren Persönlichkeit durch die interkulturelle Kompetenz erweitert werden kann. In diesem Zusammenhang bieten die Reformversuche der Suzhi-Bildung, die ebenfalls die Persönlichkeit der Studierenden in den Mittelpunkt stellen, sehr günstige Rahmenbedingung zur persönlichen Weiterentwicklung. Für die Lehrenden bedeutet es, dass sie die Studierenden als mündige Persönlichkeiten annehmen, ihre Lern- und Lebenserfahrungen in die Lehrveranstaltungen einbeziehen und sich auch auf diese einlassen sollten. Zu der Persönlichkeitsentwicklung, die zugleich ein Reifungsprozess ist, gehört auch, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln. Denn „wer sich seiner selbst nicht gewiss ist, kann nicht andere in ihrer Andersartigkeit verstehen und kann sie deshalb auch nicht mit Gelassenheit und Offenheit erkunden, was andere Menschen denken und was ihre Normen sind“ (Meyer 1993, 127).

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Wenn man seinen eigenen Wert, die eigenen Stärken und auch die eigenen Schwächen kennt, fällt es leichter, sich anderen gegenüber zu öffnen, weil man keine Angst mehr hat, das Vertraute zu verlieren. Somit muss ein interkulturell orientiertes Germanistikstudium den Studenten den Freiraum schaffen, sich selbst darzustellen und den eigenen Wert bestätigen zu lassen. Dies ist umso drängender, weil das bisher praktizierte rezeptive Lernen dieser Forderung nicht ausreichend gerecht wurde. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich der lernerzentrierte Unterricht, in dem die Studierenden ihre Meinungen äußern und ihre Persönlichkeit entwickeln können, anstatt dass sie in der Anonymität der Gruppe verschwinden, wie das im traditionellen frontalen Unterricht zu häufig der Fall ist (vgl. 4.4.1). Für die Lehrenden bedeutet es, die Studierenden als individuelle Persönlichkeiten anzuerkennen, ihre Motivation für das Germanistikstudium ernst zu nehmen, entsprechend mit ihnen umzugehen und während des Studiums die persönlichkeitsbildenden Elemente zu verstärken. 5.1.1.2 Förderung der Neugierde auf die eigene und fremde Kultur und Entwicklung der Lernbereitschaft Während des Studiums sollte das Interesse der Studenten für das Neue, Unbekannte und Fremde geweckt und gepflegt werden. Diese Forderung mag für den westlichen Betrachter trivial klingen. Sie ist aber für den chinesischen Unterrichtsalltag noch immer eine selten geübte pädagogische Praxis. Wie die Interviews gezeigt haben, ist eine positive Einstellung zur eigenen und zur fremden Kultur eine unverzichtbare Voraussetzung für mehr interkulturelle Kompetenz (vgl. 3.3.3.2). In dem konfuzianischen Klassiker „Gespräche“ (Lunyu) ist das so beschrieben: „Der Wissende ist noch nicht so weit wie der Forschende, der Forschende ist noch nicht so weit wie der heiter Erkennende (知之者不如好之 者,好之者不如乐之者。)“ (Konfuzius 2005, 52). Wer die Lust verspürt, sich mit anderen Arten des Lebens auseinanderzusetzen, dem fällt es leichter, sich in die Menschen aus einer anderen Kultur hineinzuversetzen. Dies ist eine schwierige Aufgabe, weil – wie im Kapitel 4 schon geschildert wurde (vgl. Kapitel 4.3.1) – die meisten Studenten in ihrer bisherigen Entwicklung aufgrund der Prüfungsorientierung wenig Chancen hatten, die Neugier auf Fremdes und Unbekanntes zu entwickeln. Ihr Lebensumfeld besteht im Wesentlichen aus dem vertrauten Elternhaus und dem „Schonraum“ Schule. Da aus diesem Grund wesentliche Erfahrungen im Umgang mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit fehlen, ist es umso wichtiger, dass sie im Studium Freude am Fremden und Unbekannten sowie Interesse und Neugier entwickeln können.

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Wie in der vorliegenden Arbeit schon an mehreren Stellen hervorgehoben wurde, ist der Prozess zur Förderung interkultureller Kompetenz ein Prozess des Lernens, in dem man oft auf die alt vertraute Sicherheit verzichten muss. Neues und Fremdes sollten nicht als Gefahr und Bedrohung, sondern als Chance für die Horizonterweiterung und insbesondere für die Reifung der Persönlichkeit betrachtet werden. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es bei dem Interesse der Studierenden am Fremden auch „Höhen und Tiefen“ gibt. Für die Lehrenden bedeutet es, dass sie die Interessenschwankungen, die positiven und die vielleicht auch befremdlichen Erfahrungen während des Studiums auffangen und verarbeiten sollten. Die Aufgeschlossenheit dem Fremden gegenüber schließt nicht aus, dass man die Studierenden auf mögliche Andersartigkeit, welche befremdlich oder erschreckend wirken kann, in der Begegnung mit anderen Kulturen aufmerksam macht. Zugleich sollte man die Studenten ermutigen und darauf hinweisen, dass die Kulturen viele Gemeinsamkeiten haben. Zu der positiven Grundeinstellung gehört nämlich auch die Erkenntnis, dass die Kulturen nicht ohne jegliche Verbindungen einander gegenüber stehen, sondern dass es viele Überschneidungen gibt. So haben die chinesische und deutsche Kultur viele Übereinstimmungen in ihren Wertvorstellungen. Nur die Priorität der Werte ist unterschiedlich. 5.1.1.3 Distanzierung vom Ethnozentrismus und Entwicklung der Multiperspektivität Wie in den von mir durchgeführten Experteninterviews und auch in der Fachliteratur festgestellt wurde, resultieren die meisten Missverständnisse und Konflikte zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen daraus, dass man die Welt ausschließlich durch seine eigene kulturelle Brille betrachtet und diese Betrachtungsweise verabsolutiert. Deshalb ist zunächst die Einsicht notwendig, dass man in dem Prozess des interkulturellen Lernens oftmals zunächst von eigenen ethnozentrischen Vorstellungen ausgeht und das Fremde häufig mit Kategorien, die für die eigene Kultur gelten, zu interpretieren und zu verstehen versucht. Als nächster Schritt auf dem Weg zur Entwicklung interkultureller Kompetenz muss man den Germanistikstudenten helfen, die bisher vertraute Denk- und Verhaltensweise sowie die bisher gehegten Wertvorstellungen einer Überprüfung zu unterziehen und das kulturelle Selbstverständnis zu hinterfragen. Dies kann nicht durch Verordnungen gewährleistet werden, weil China seit Jahrtausenden kein Einwanderungsland ist und die meisten Chinesen im „Reich der Mitte“ prima vista wenige Kontakte mit Fremden haben.

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Aufgrund dieser Gegebenheit kann die Distanzierung vom Ethnozentrismus wie folgt schrittweise gefördert werden: Zunächst ist es ratsam, den Studierenden die eigene kulturelle Identität und Prägung bewusst zu machen. Für sie sollten Gelegenheiten geschaffen werden, sich beispielsweise mit folgenden Fragen zu beschäftigen: ¾ Was hat mich in meinem Leben bisher am stärksten geprägt? ¾ Wie ist meine familiäre, schulische und außerschulische Sozialisation gelaufen? ¾ Was sind für mich die Kernwerte meines Lebens? ¾ Was sind Meilensteine in meinem Leben?40 Es geht darum, die Studierenden dafür zu sensibilisieren, wie Kultur die individuelle Denk- und Verhaltensweise beeinflusst und dadurch die Persönlichkeit formt. Es ist nicht nur wichtig, dass die Studierenden sich selbst mit diesen Fragen auseinandersetzen, sondern auch, dass sie sich mit anderen darüber austauschen. Im Zuge dieses Austausches werden die Studierenden angeleitet, die Welt auch aus der Perspektive des Anderen zu betrachten und erhalten so die Möglichkeit, sich mit dem Selbst-, Fremd- und Metabild zu beschäftigen. In engem Zusammenhang damit steht die Förderung der Toleranz. Toleranz steht im Mittelpunkt der konfuzianischen Lehre. Der Kernbegriff des Konfuzianismus ist „Ren41 (仁)“, das seinerseits sehr stark von Toleranz geprägt ist (vgl. u.a. Lin 2006, 12). Als ein Schüler von Konfuzius ihn nach einem Wort fragte, das einen Menschen lebenslang anleiten soll, antwortete Konfuzius: „Toleranz ( 其 恕 乎)“ (vgl. ebd.). Auf das Studium bezogen bedeutet dies, den Respekt vor anderen Menschen und anderen Kulturen durch Thematisierung und Sensibilisierung fassbar zu machen. Dies kann durch Beispiele, Fremderfahrungen und nicht zuletzt durch persönliche Erfahrungen erreicht werden. Die eigene Kultur erlebt man unbewusst. Die eigene kulturelle Prägung sowie die eigene kulturelle „Brille“ werden einem bewusster, wenn man das vertraute Lebensumfeld verlässt. Deswegen sollte man die Studierenden dazu ermutigen, den Schritt aus der vertrauten Umgebung heraus zu wagen, um andere Lebenswelten kennen zu lernen und den Blick für das „Andere“ zu öffnen.

40 Für diesen Zweck kann der von dem französischen Psychologen Marcel Proust entwickelter Fragebogen auch sehr dienlich sein. 41 Der Kardinalwert im Konfuzianismus ist „Ren”, das so viel wie „ein Herz für die Mitmenschen“, „Menschlichkeit“, „Humanität”, „Gutherzigkeit”, „Herzensgüte“ bedeutet. Das Schriftzeichen „Ren“ (仁) besteht aus den Charaktern „zwei“ und „Menschen“. Das heißt, „Ren“ regelt die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen.

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Hier muss es sich zunächst einmal nicht unbedingt um einen Auslandsaufenthalt handeln, sondern es kann auch um die vielen Subkulturen in China gehen, wie etwa die verschiedenen Regionalkulturen und die Nationalminderheiten. Das Ziel ist nämlich, die Selbstverständlichkeit der eigenen Art des Lebens zu relativieren und die Wahrnehmungsfähigkeit zu verbessern. Denn so kann der Blick besser geschärft werden, Dinge aus der Sicht der anders Lebenden zu sehen. Bei der Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen geht es um die Erkenntnis, dass es neben der eigenen gewohnten Weltsicht noch andere Werteorientierung, Denk- und Verhaltensweisen gibt, die für eine andere Art des Lebens prägend sind. Die Studierenden sollen verstehen, dass diese andersartigen Formen der Lebensbewältigung genau so sinnvoll sein und gut funktionieren können, wie die der chinesischen Kultur. Dadurch sollten sie lernen zu akzeptieren, dass die chinesische Form der Lebensbewältigung eben nur eine der vielen Möglichkeiten ist. Diese Sichtweise, die eigene Kultur aus einer Außenperspektive zu sehen und zu verstehen, sollte bewusst geschult werden. Im Studium sollten den Studierenden Möglichkeiten eröffnet werden, die Eigenund Fremdkultur aus der Innen- und Außenperspektive zu sehen und sich mit diesen Perspektiven auseinanderzusetzen. Es müssen Gelegenheiten für einen Perspektivenwechsel und für die Entwicklung der Multiperspektivität geschaffen werden. Dabei sollten die Studierenden nicht nur versuchen, die Perspektive der anderen zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch an sich heran zu lassen. Die kritische Reflexion der kulturellen Prägung und die damit verbundene Hinwendung zur Ethnorelativität hat auch insofern einen aktuellen Bezug, als dass im Zuge der internationalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung China auf der Weltbühne eine immer wichtigere Rolle spielt und die chinesische Kultur in vielen Ländern geradezu eine Renaissance erlebt, was wiederum den Nährboden für einen Chinazentrismus liefern könnte. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Eigenschaften und Fähigkeiten, Toleranz, Respekt vor anderen und Einfühlungsvermögen, die den Prozess von Ethnozentriertheit zur Ethnorelativität wesentlich fördern, den Studierenden innerhalb des Campus nur sehr schwer vermittelt werden können. Schon gar nicht helfen Appelle der Lehrenden „mehr Toleranz zu zeigen“. Vielmehr kann diese Kompetenz nur durch eigene interkulturelle Erfahrungen erworben werden. Je vielfältiger die erfahrene Lebenswirklichkeit ist, desto mehr können die Studierenden ihre Vorurteile gegenüber anderen Kulturen abbauen und ihre Denkweise von einer „Schwarz-Weiß“ und „Entweder-Oder“ zu einer differenzierten „Sowohl-Als-Auch“ Betrachtung entwickeln.

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5.1.2 Erweiterung und Vertiefung des Wissens und Verstehens der eigenen und der fremden Kultur 5.1.2.1 Die Beschäftigung mit der chinesischen Kultur als Bestandteil des Germanistikstudiums In den Experteninterviews wurde einerseits häufig darauf hingewiesen, dass die Chinakompetenz ein wichtiger Bestandteil der interkulturellen Kompetenz sei (vgl. Kapitel 3.3.3.3). Andererseits mussten wir aber auch feststellen, dass die chinesischen Germanistikstudenten zu wenig über die eigene Kultur wissen (vgl. Kapitel 4.3.1). Die Beschäftigung mit der chinesischen Kultur, einschließlich der Sprache, sollte Bestandteil eines interkulturell orientierten Germanistikstudiums sein. Wie in der empirischen Untersuchung von vielen Experten unterstrichen wurde, müssen die Studierenden die eigene Kultur kennen und verstehen, um in der Lage zu sein, in der Begegnung mit Menschen aus einer anderen Kultur die eigenen kulturellen Grenzen zu überschreiten und eine Brücke zwischen der eigenen und der anderen Kultur zu schlagen. Obwohl Laotse schon vor mehr als 2500 Jahren in „Tao te king“ anmerkte, „wer andere kennt, ist klug, wer sich selber kennt, ist weise“ (Laotse 2006, 41), müssen wir auch heute noch konstatieren, dass die Germanistikstudenten zu wenig über China und über die chinesische Kultur wissen. In diesem Zusammenhang ist zu empfehlen, dass die Germanistikstudenten sich mit den klassischen chinesischen Philosophien, insbesondere mit Konfuzianismus und Taoismus, beschäftigen sollten. Zum einen finden sie in diesen Philosophien die historische Verwurzelung der Kernwerte sowie die Denk- und Verhaltensweise, die seit Jahrtausenden in der chinesischen Kultur ausgeprägt sind. Zum anderen können sie auch in diesem Kulturgut Unterstützung zur Förderung ihrer interkulturellen Kompetenz finden. So steht beispielsweise in dem klassischen Werk des Konfuzianismus „Zhongyong“ (Kapitel 30): „Alle Lebewesen wachsen und gedeihen in der Natur, sie schaden einander nicht. Alle Wahrheiten existieren gleichzeitig, sie widersprechen einander nicht42 (万物并育而不相害。 道并行而不相悖。)“. Dies ist eine große Ermutigung für die Germanistikstudenten, weil damit zum Ausdruck gebracht wird, dass das Anderssein keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung darstellt. Konfuzius meint gar, dass harmonische 42

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zwischenmenschliche Beziehungen auch und gerade aufgrund der Meinungsvielfalt möglich sind (Lin 2006, 127). Sowohl der Konfuzianismus als auch der Taoismus betonen, dass der Mensch mit sich selbst im Reinen sein und harmonische Koexistenz mit der Umwelt einschließlich Menschen und Natur anstreben sollte. Die Beschäftigung der Germanistikstudenten mit den traditionellen chinesischen Philosophien ist auch aus dem Grund notwendig, als dass dieses Gedankengut sehr lange Zeit nach der Gründung der VR China im Jahr 1949 als rückständig und veraltet angesehen wurde. Dies gilt vor allem für die Zeit der Kulturrevolution (1966-1976), wo die traditionellen Werte radikal abgelehnt wurden. In der heutigen Zeit wird China auf der einen Seite immer stärker von der Globalisierung beeinflusst, auf er anderen Seite suchen immer mehr Chinesen nach den Wurzeln der chinesischen Kultur und nach den traditionellen Werten. China erlebt zurzeit auf vielen Gebieten einen rasanten Wandel. In diesem Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne kommt den Germanistikstudenten mit ihrer interkulturellen Orientierung eine besonders wichtige Aufgabe zu. Sie sollten nicht nur eine Brücke zwischen Fremd- und Eigenkultur schlagen, sondern auch in der eigenen Kultur einen geeigneten Weg zwischen „Bewahren und Verändern“ finden. In der Zeit der Globalisierung steht China auch vor der Herausforderung, sich den internationalen Gepflogenheiten anzupassen. Gerade vor diesem Hintergrund müssen die Studierenden lernen, ihre eigene kulturelle Identität zu bewahren. Chinesen, die nicht zu ihrer Kultur stehen, sondern Denk- und Verhaltensweise einer anderen Kultur blind imitieren, werden in China verachtet43. Denn die interkulturelle Kompetenz kann man nicht mit kultureller Entwurzelung aufbauen. Die Lehrenden sollten die eigenkulturelle Identität der Studierenden ernst nehmen, das kulturelle Bewusstsein der chinesischen Studierenden stärken und die Doppelkompetenz in der Fremd- und in der Eigenkultur (vgl. 4.5) fördern. Somit ist festzuhalten, dass die interkulturelle Kompetenz von der intrakulturellen Kompetenz nicht zu trennen ist, da diese eine notwendige Voraussetzung zum Verständnis anderer Kulturen ist.

43 Für das Phänomen, dass ein Mensch die Umgangsformen eines anderen Landes blind imitiert, gibt es das Sprichwort „Handan xuebu“ 邯郸学步. Es basiert auf einer Anekdote, nach der ein Mann aus dem Königreich Yan die Art und Weise des Laufens von einem anderen Königreich zu imitieren versuchte. Am Ende hatte er diese Art des Laufens nicht erlernt und zugleich auch die Art des Laufens seines ursprünglichen Landes verlernt. Er musste kriechend wieder in sein Land zurückkehren.出 处 庄周《庄子·秋水》:“且子独不闻夫寿陵余子之学行于邯郸 与?未得国能,又失其故行矣,直匍匐而归耳。”

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Wie in den Experteninterviews konstatiert wurde, wird die Chinakompetenz der Mitarbeiter als ein wichtiges Qualifikationsmerkmal betrachtet (vgl. Kapitel 3.3.3.3). Um diese Kompetenz zu fördern, sollten die Studierenden auch für den bewussten Umgang mit Chinesen sensibilisiert werden. Auch die Umgangsformen unter den Chinesen sollten u.a. während des Studiums thematisiert werden, wie z.B. Aufbau des Beziehungsnetzwerks, Höflichkeit und Bescheidenheit. Bei der Förderung der Chinakompetenz sollten die Studenten sich auch der Vielfalt der chinesischen Kultur und der facettenreichen chinesischen Gesellschaft bewusst werden. Denn die Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur hilft, auch eine gewisse Distanz zu ihr zu bewahren und z.B. Gewohnheiten und Verhaltensweisen positiv, aber auch negativ, kritisch zu sehen und damit nicht zu einem Pauschalurteil zu kommen. Somit muss ein interkulturell orientiertes Germanistikstudium auch die Analyse der chinesischen Kultur, nicht zuletzt im DaF-Unterricht zulassen. Bei der Beschäftigung mit der chinesischen Kultur ist es auch erforderlich, die chinesische Kultur mit einer fremden „Brille“ zu betrachten. Eine interessante und hilfreiche Perspektive ist für die chinesischen Germanistikstudenten z.B. wie die Deutschen das Land China mit seiner Geschichte, seinen Traditionen und seiner modernen Ausprägung sehen und beurteilen. 5.1.2.2 Die Beschäftigung mit der deutschen Kultur als Bestandteil des Germanistikstudiums Wie Konfuzius sagt: „Wir sollten nicht befürchten, dass die anderen uns nicht kennen, sondern wir sollten eher befürchten, dass wir die anderen nicht kennen44 (不患人之不己知,患不知人也。)“ (Konfuzius 1998, 10). Es ist einleuchtend, dass der Umgang mit der deutschen Kultur umso einfacher ist, je genauer die Studierenden diese Kultur kennen. Für die Lehrenden bedeutet das, dass sie „die deutsche Kultur“ im Studium ¾ fassbar machen, ¾ die historischen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aspekte in die Lehrveranstaltungen integrieren und ¾ den Studenten ein facettenreiches Deutschlandbild vermitteln sollten.

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Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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Ferner sollten sie mehr Freiraum für die Studierenden eröffnen, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der chinesischen und deutschen Kultur zu betrachten und um zu lernen, sprachlich adäquat zu kommunizieren. Sie sollten den Studenten ein differenziertes Bild der deutschen Kultur in seiner historischen Verwurzelung und in seiner Dynamik vermitteln und Kultur als Lebenswelt (vgl. Bolten 2003a, 12) und als die Gesamtheit „der Eingriffe der Menschen in ihre Mitwelt zu Zwecken der Befriedigung ihrer materiellen und ideellen Bedürfnisse“ (Barkowski/Esser 2005, 90) begreifbar machen45. Bei der Wahrnehmung und Analyse der kulturellen Wirklichkeit ist stets die wichtige Frage, welche historische Zusammenhänge und gesellschaftlichen Kontexte hinter einem Phänomen – wie einer individuellen Verhaltensweise – stehen. Das Studium sollte den Studenten die Möglichkeit geben, sich mit aktuellen kulturellen Phänomenen zu beschäftigen. Es muss berücksichtigt werden, dass es auch beim Wissen und Verstehen der fremden Kultur um einen Prozess geht. Man sollte nicht von den Studierenden erwarten, dass sie zu Beginn des Studiums gleich die deutsche Kultur verstehen und ein differenziertes Deutschlandbild haben. Man muss viel mehr unterstellen, dass die Studierenden zunächst einmal ein diffuses Bild von Deutschland und seiner Kultur haben. Wie eine Interviewpartnerin angemerkt hat, geht es bei dem Wissen über eine fremde Kultur zunächst einmal darum, „die großen Straßen“ kennen zu lernen. Je länger man sich mit einer Kultur beschäftigt, desto mehr begeht man auch „die kleineren Straßen“ und „die Pfade“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation). Dabei geht es um einen Prozess, in dem die Studierenden zunächst Interesse für und Neugier auf die deutsche Kultur entwickeln, ihren Blick für diese immer mehr schärfen, sich mit den sich darstellenden „Ungereimtheiten“ auseinandersetzen und immer mehr Wissen und Verständnis für diese Kultur und zugleich auch für andere Fremdkulturen entwickeln. Dazu kann auch die Beschäftigung mit der Frage, wie Menschen aus anderen Kulturen, z.B. Amerikaner, Franzosen, Japaner, die Deutschen und wie die Deutschen andere Kulturen sehen, beitragen. Dabei geht es darum, das Wissen und das Verständnis in der Dialektik des Erkennens von Eigenem im Fremden und Fremdem im Eigenen zu vertiefen. 45

Zur Beschäftigung mit der deutschen Kultur sind u. a. folgende in China erschienenen Bücher zu empfehlen:

Li, Bojie et al (2002): Deguo wenhua shi (Deutsche Kulturgeschichte), Beijing; Ma, Guiqi/Li, Jiayong (2002): Deguo shehui fazhan yanjiu (Über die Entwicklung der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland), Guangzhou; Xing, Laishun (2005): Deguo wenhua jiedu (Über die deutsche Kultur), Jinan

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5.1.2.3 Vermittlung des kulturübergreifenden Wissens über die interkulturelle Kommunikation und Anstellung von chinesischdeutschen kulturpaarspezifischen Vergleichen Die Empfehlungen der Interviewpartner, den Germanistikstudenten auch kulturübergreifendes Wissen über Kommunikation und interkulturelle Kommunikation zu vermitteln, sollte bei der Ausarbeitung des Curriculums berücksichtigt werden. Denn dieses Wissen kann dem Studierenden als Werkzeug dienen, eine interkulturelle Situation oder ein bestimmtes Kommunikationsverhalten analysieren zu können und in einem interkulturellen Umfeld erfolgreich agieren und reagieren zu können. Dabei geht es darum, zu lernen, was Kultur ausmacht, welche Besonderheiten interkulturelle Kommunikation hat und welche fundamentalen kulturellen Parameter, Kulturdimensionen und Denkmuster es als Teilbereiche für kulturanalytisches Denken gibt. Diese Kenntnisse und Instrumente sollten den Studenten die Grundlage für die Auseinandersetzung mit Themen der interkulturellen Kommunikation schaffen. Nur so werden sie in die Lage versetzt, interkulturelle Überschneidungssituationen zu analysieren, um entsprechende Kommunikationsstrategien zu entwickeln. Zudem sollten die Studierenden verstehen, dass es bei dem kulturübergreifenden Wissen oft um Tendenzaussagen und Wahrscheinlichkeitsprognosen geht und dass diese eher als Orientierung und weniger als Rezeptwissen dienen. Deshalb müssen die Studierenden für die Bewältigung einer konkreten interkulturellen Situation zusätzlich auch den kulturellen sowie den interkulturellen Kontext in Betracht ziehen. Es ist ersichtlich, dass aus lernökonomischer Hinsicht den Studierenden prototypische Erfahrungen mit der deutschen Kultur vermittelt werden können. Zugleich müssen sie aber lernen, kritisch damit umzugehen. Es sollten chinesisch-deutsche kulturpaarspezifische Vergleiche angestellt werden, ohne aber die beiden Kulturen zu pauschalisieren und zu typisieren. Es handelt sich nicht um die bloße Gegenüberstellung der chinesischen und der deutschen Kultur, sondern um ein tieferes Verständnis dieser Kulturen (vgl. auch Pan 2007b, 34). Hier geht es weniger darum, mit wissenschaftlicher Exaktheit vorzugehen oder Themen umfassend und fachwissenschaftlich zu behandeln (Hernig 2000, 463). Vielmehr sollte angestrebt werden, die Studenten für die chinesische und die deutsche Kulturgemeinschaft zu sensibilisieren. Aufgrund der durch die Untersuchung der vorliegenden Arbeit festgestellten Problemfelder (vgl. 3.3.1.1) in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit sollten insbesondere folgende Aspekte bei den oben genannten Vergleichen berücksichtigt werden:

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¾ Umgang mit ethnozentrischer Einstellung ¾ Kommunikationsstile ¾ Personen- und Sachorientierung ¾ Planung und Improvisation ¾ Zeitvorstellungen In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die kulturellen Unterschiede nicht überbetont werden sollten. Somit muss ein interkulturell orientiertes Germanistikstudium sich auch mit kulturellen Gemeinsamkeiten beschäftigen. Diese Strategie ist auch aus dem Grund sinnvoll, weil die Reflexion über kulturelle Gemeinsamkeiten zum einen die Angst vor dem Fremden und Unbekannten mildert und zum anderen das Neue mit dem Alten und Vertrauten verbindet. Die Beschäftigung mit den Gemeinsamkeiten in der chinesischen und deutschen Kultur kann den Schritt von der Selbstreflexion zur Fremdreflexion erleichtern. Nicht zuletzt kann die Beschäftigung mit kulturellen Gemeinsamkeiten vor allem für chinesische Studenten produktiv sein, weil, wie in der vorliegenden Arbeit schon erwähnt wurde, „Unterschiede belassen und nach Gemeinsamkeiten suchen“ eine grundlegende chinesische Kommunikationsstrategie ist. Denn letztendlich sind es nicht die interkulturellen Unterschiede, auf die es ankommt, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Kulturen in ihrer Unterschiedlichkeit viel Gemeinsames haben. Eine interkulturelle Zusammenarbeit, auf die die Absolventen des Germanistikstudiums vorbereitet werden, muss eine gemeinsame Grundlage haben und auch gemeinsame Ziele anstreben. Abschließend ist zu ergänzen, dass das Kennen lernen der eigenen und der fremden Kultur keine zwei getrennten Schritte sind, sondern ein reziproker Prozess ist. Deshalb muss jedes Konzept für das interkulturell orientierte Germanistikstudium diese innere Abhängigkeit aufnehmen und integrieren.

5.1.3 Förderung interkultureller Handlungskompetenz während des Germanistikstudiums Die Differenzierung innerhalb der eigenen Kultur, die Gewinnung der Multiperspektivität, das Wissen und Verstehen der eigenen und der fremden Kultur bilden wichtige Grundlagen zur Förderung interkulturellen Handlungskompetenz. Sie führen aber nicht zwangsläufig zum Erwerb dieser Kompetenz. Dafür

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brauchen die Studierenden zusätzlich konkrete Kommunikationssituationen und aufgaben, um immer souveräner handeln zu können. 5.1.3.1 Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit Es ist unumstritten, dass die Förderung der Sprachkompetenz und der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit im Mittelpunkt des Germanistikstudiums stehen soll. Die Studierenden sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass Sprache kein Selbstzweck, sondern Instrument der Kommunikation ist. Interkulturelle Orientierung bedeutet, die Sprache vor dem kulturellen Hintergrund zu betrachten und sie als Träger und auch als Produkt der Kultur zu verstehen. Die deutsche Sprache sollte daher so vermittelt werden, dass sie dem interkulturellen Verstehen, dem Vertrauensaufbau, d.h., dem emotionalen, aber natürlich auch sachlichen Verständnis dient. Die deutsche Sprache sollte nicht nur dazu dienen, lediglich Information über die deutsche Kultur zu geben, sie sollte den Studenten auch dabei helfen, die fremde und die eigene Kultur zu beschreiben, zu vergleichen und einem Dritten zu vermitteln. Die Studenten sollten nicht nur dazu befähigt werden, sich über die Phänomene in der deutschen Kultur zu äußern, sondern auch mit Hilfe der deutschen Sprache die chinesische Kultur zu vermitteln. „Weder oberflächliche Toleranz noch rudimentäre sprachliche Fertigkeiten genügen also, um interkulturelles Verstehen zu produzieren“ (Roche 2001, 8). Wie auch die Experten immer wieder betont haben, hängt der Erfolg interkultureller Zusammenarbeit tatsächlich häufig von der Fähigkeit ab, situationsgerecht und angemessen zu formulieren bzw. zu kommunizieren (vgl. Kapitel 3.3.3.4). Da auch der Erwerb der Fremdsprachenkompetenz ein Prozess ist, sollten die so genannten Formulierungen, die auf chinesische Denkmuster und Sprachgewohnheiten zurückzuführen sind, nicht einfach abgelehnt, sondern als eine normale Begleiterscheinung des Fremdspracherwerbs thematisiert werden. Beispielsweise antworten viele chinesische Germanistikstudenten mit „egal“ oder sie benutzen das Wort „vielleicht“, auch wenn sie sich mit ihrer Aussage sehr sicher sind (vgl. Pan 2004, 175f). Diese scheinbar unpräzisen sprachlichen Ausdrücke können als Beispiele für den Einfluss eigenkultureller Prägung auf den Fremdsprachenerwerb genutzt werden. Die Studierenden sollten lernen, zunächst mit einer beschränkten Sprachkompetenz rezeptiv und produktiv zurechtzukommen. Sie sollte keine sprachliche Perfektion anstreben und auch nicht deutsche Muttersprachler imitieren. Es ist ratsam,

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den Studierenden zu vermitteln, dass sie nicht den „native speaker“, sondern den „intercultural speaker“ (vgl. Zhang 2007, 76ff) als Ziel haben sollten. Dies ist für die chinesischen Studierenden auch aus dem Grund besonders sinnvoll, weil dies die Angst vor dem Gesichtsverlust abbaut. Das Ziel der interkulturell orientierten Sprachausbildung liegt darin, die Studierenden zu interkulturellen Sprechern, die mit Menschen aus anderen Kulturen kommunizieren (Krumm 2003a, 141), heranzubilden. Dafür sollte die eigenkulturelle Prägung einschließlich der Art zu sprechen und zu denken, nicht als Störfaktor gesehen werden. Die Studierenden sollten dazu befähigt sein, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der chinesischen und deutschen Kultur zu erkennen und diese verbal zu thematisieren und sich damit sprachlich auseinanderzusetzen. Wie die Untersuchungsergebnisse zeigen, gelingt oder scheitert interkulturelle Zusammenarbeit oft an der Art der Kommunikation. Deswegen muss man die Kommunikation selbst zum Gegenstand des Gespräches machen, um eine harmonische Beziehung zwischen den interkulturellen Partnern und Erfolg der Zusammenarbeit zwischen diesen zu sichern. In diesem Zusammenhang spricht man von der Metakommunikation. Mit der Unterstützung der Metakommunikation kann man z.B. über vermeintliche Missverständnisse sprechen, Konflikte vorbeugen und die Effektivität der Kommunikation sicherstellen. Die Fähigkeit zur Metakommunikation kann auch während des Fremdsprachlernens trainiert werden. Deshalb ist es sehr wichtig, den Studierenden zu vermitteln, die Sprache bewusst auch als Werkzeug dafür zu nutzen, um die Kommunikation im Sinne einer erfolgreichen Zusammenarbeit zu thematisieren. Die Studierenden sollten während des Studiums die Möglichkeiten haben, diese Metakommunikationsfähigkeit in unterschiedlichen Situationen und Zusammenhängen zu trainieren und zu praktizieren. Die Lehrenden sollten bemüht sein, die Lehrveranstaltungen auf Kommunikation und Interaktion auszurichten, damit die Studierenden die Möglichkeit haben, durch aktives verbales und nonverbales Handeln mit der deutschen Sprache zu experimentieren und ihre Kommunikations- und Metakommunikationsfähigkeit schrittweise zu entwickeln.

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5.1.3.2 Sensibilisierung für die kulturellen Unterschiede und Ermutigung zur Suche nach kulturellen Gemeinsamkeiten Bei der Entwicklung der interkulturellen Kompetenz der Studierenden ist folgende Balance zu halten: Einerseits sollten die Studenten auf kulturelle Unterschiede aufmerksam gemacht werden, andererseits sollten den Studenten in gleichem Maße die Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen aufgezeigt werden. Beide Sichtweisen sind wichtige Implikationen, um ¾ durch die Kenntnis der Unterschiede sich souveräner bewegen zu können ¾ durch Wissen um Gemeinsamkeiten den Mut zu interkulturellen Begegnungen zu haben Es ist von Nöten, dass man die Studierenden nicht nur zur Minimierung von interkulturellen Missverständnissen und zur Vermeidung von Konflikten anhält, sondern sie auch ermutigt, nach kulturellen Gemeinsamkeiten zu suchen. Diese Gemeinsamkeiten tragen dann dazu bei, positiv und konstruktiv mit der Andersartigkeit umzugehen und Synergien für kulturelle Unterschiede zu finden. Ich stimme mit Qian überein, die unterstreicht: „Die wichtigste Aufgabe einer fremdsprachlichen Ausbildung muss nicht nur darin bestehen, interkulturelle Kompetenz zur Beseitigung und Vorbeugung der durch die Interkulturalität verursachten Barrieren zu vermitteln und zu fördern, sondern auch darin, aus der Interkulturalität Nutzen zu ziehen“ (Qian 2007, 7). Bei der Vermittlung der Gleichwertigkeit aller Kulturen sollte den Studenten auch bewusst gemacht werden, dass es durchaus Ungleichheit zwischen den Kulturen immer noch gibt (vgl. Barkowski/Sträuli-Arslan/Zappen-Thomson 2002, 25). In der Tat werden viele Germanistikstudenten in einer deutschen Institution oder einem deutschen Unternehmen arbeiten, in denen in den meisten Fällen die Deutschen eine leitende Position innehaben. Hinzu kommt das Problem der sprachlichen Asymmetrie: Wenn die Absolventen Deutsch mit den Deutschen sprechen, ist dies für die Deutschen die Muttersprache, während es für die Chinesen eine Fremdsprache bleibt. Deshalb müssen die Germanistikstudenten lernen, mit diesem immer wieder auftauchenden Phänomen der kulturellen Überheblichkeit mancher Deutschen umzugehen, ohne die chinesische Kultur überzubewerten.

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5.1.3.3 Förderung der Handlungsorientiertheit Zur Förderung der Handlungsorientiertheit wäre es für die Studenten wichtig, dass sie selbst aktiv durch unterschiedliche interaktive Übungen erforschen, welche Verhaltensweisen in welchem interkulturellen Kontext zu welchen Konsequenzen führen können. Zugleich können wichtige Strategien und Handlungskompetenzen zur Gestaltung interkultureller Kommunikation ausprobiert und reflektiert werden. Hierbei kann eine emotionale Auseinandersetzung mit der deutschen Kultur ermöglicht werden und die dadurch hervorgerufenen Gefühle wie Unsicherheit, Stress und Orientierungslosigkeit thematisiert und verarbeitet werden. Doch nicht nur die befremdlichen Erfahrungen kommen hierbei in der emotionalen Auseinandersetzung zum Tragen, sondern auch die positiven Erfahrungen, die wiederum ermutigen. Wie die Untersuchungsergebnisse in Kapitel 3 zeigen, ist Teamfähigkeit eine wichtige Qualifikation für die interkulturelle Zusammenarbeit. Deshalb müssen die Studenten während des Studiums Gelegenheiten haben, sich in Partner- und Gruppenarbeit einzubringen, ihr Wissen und Können miteinander zu teilen, Synergien für das Team zu schaffen und Verantwortung in der Gruppe und für die Gruppe zu übernehmen. Wie in Kapitel 4 ausgeführt wurde (vgl. Kapitel 4.1.3.2), ist das Fremdsprachenstudium in China vorwiegend von sprachlicher Wissensvermittlung geprägt, wobei die aktive Anwendung des Vokabulars und der Sprachfinessen weniger Berücksichtigung finden. Aus diesem Grund ist die Forderung nach Handlungsorientiertheit mehr als berechtigt. Es ist wichtig, die Aufgaben so zu gestalten, dass die Studierenden selbstständig Entscheidung treffen, individuelle Verantwortung übernehmen, miteinander zusammenarbeiten und die Fähigkeit zur Problemlösung entwickeln können – dies alles unter Einbezug der aktiven Kommunikation. 5.1.3.4 Ermutigung der Studenten zur interkulturellen Praxis Auch bei didaktisch-methodisch sehr gut durchdachten Lehrveranstaltungen müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, dass interkulturelle Handlungskompetenz in Laborsituationen und -simulationen trainiert wird. Mit Thomas und Hagemann (1992, 192) stimme ich in ihrer Annahme überein, dass das Gelernte erst dann handlungswirksam wird, wenn eine entsprechende Situation tatsächlich erfahren wird. Das Trainieren interkultureller Handlungskompetenz in der universitären Ausbildung ersetzt nicht die Erfahrung in der interkulturellen Lebenswirklichkeit.

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Gerade die vielfältigen interkulturellen Erfahrungen können zur Erweiterung und Differenzierung der Denkschemata und des Typennetzes beitragen (Bolten 2003b, 158). In den konkreten kulturellen Überschneidungssituationen können die Studierenden sich auf die Andersartigkeit einer anderen Kultur einlassen, interkulturelle Begegnungen bewusster gestalten, Probleme in der interkulturellen Praxis definieren und erfolgreiche Lösungen zur Bewältigung der jeweiligen interkulturellen Situationen durch Interaktionen finden. Durch diesen Prozess lernen die Studierenden, dass sie trotz gegebenenfalls unterschiedlicher Werteorientierungen, Denkmuster und Verhaltensmuster einen gemeinsamen Rahmen in der Zusammenarbeit schaffen können. Nicht zuletzt geht es darum, ihre interkulturelle Kompetenz erfahrbar zu machen und mit Leben zu erfüllen. Denn nur durch die eigene Begegnung mit Menschen aus einer anderen Kultur können sowohl die Kulturrelativität durch das Vertiefen des Wissens dieser Kultur entwickelt, als auch in Konsequenz die interkulturelle Handlungskompetenz entfaltet werden. In realen interkulturellen Überschneidungssituationen können die Studierenden lernen, sich in ein Team einzuarbeiten und zugleich selbstständig und in Eigenverantwortung zu handeln, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität zu entwickeln, durch Interaktion und Kommunikation Synergien und gemeinsame Lösungen auszuhandeln. Im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen können die Studierenden sich mit der fremden Kultur vertraut machen und lernen, ihre persönliche Unsicherheit zu überwinden und immer souveräner verschiedene interkulturelle Situationen zu bewältigen. Auch hierbei ist die Prozesshaftigkeit der Entwicklung interkultureller Kompetenz zu unterstreichen. Dies bedeutet u.a., dass auch Fehlverhalten zum interkulturellen Lernen gehört. Sicherlich sollte man die Studenten so früh wie möglich die interkulturelle Wirklichkeit erfahren lassen. Aber man soll sie nicht einfach „ins kalte Wasser“ werfen. Es ist ratsam, zunächst interkulturelle Begegnungen innerhalb der Universität zu ermöglichen. Man kann beispielsweise die Studenten dazu ermutigen und ihnen dabei helfen, Kontakte mit Kommilitonen aus anderen Ländern herzustellen. Sicherlich sind Tandem-Partnerschaften mit deutschen Studenten für Germanistikstudenten besonders wertvoll, aber auch Erfahrungen mit Menschen aus nichtdeutschsprachigen Ländern können zur Entwicklung interkulturellen kompetenten Verhaltens der Studenten beitragen. Ebenso ist der Austausch mit interkulturell erfahrenen Menschen als Vorbereitung auf die interkulturelle Praxis von großer Bedeutung.

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Wie mehrfach betont, führen interkulturelle Erfahrungen nicht automatisch zur Entwicklung interkultureller Kompetenz (vgl. u.a. Briere in Roche 2001, 14). Es bleibt deshalb ein zentrales Anliegen des Studiums, die Studenten auf das Handeln im interkulturellen Kontext vorzubereiten, damit sie Begegnungen und Interaktionen mit dem Fremden bewusst gestalten können. Zugleich muss man ein Bewusstsein dafür schaffen, Erfahrungen mit dem Fremden nicht unmittelbar auf sich wirken zu lassen, sondern sie zunächst – wie durch einen intellektuellen Filter – konstruktiv reflektieren zu können (vgl. Geistmann 2002, 97). Aus diesem Grund sind auch die intensive Nachbereitung und die Auswertung der interkulturellen Erfahrungen erforderlich. Denn mittels einer systematischen und gezielten Aufbereitung haben die Studierenden die Möglichkeit zur gezielten Reflexion ihres Verhaltens und die Chance, auch voneinander zu lernen. Bei einer derartigen Nachbereitung können Erfahrungen in Bezug auf (Meta)kommunikationsfähigkeit, selbstständiges Handeln, Flexibilität, Teamfähigkeit, Vermittlungskompetenz, Fähigkeit zur Suche nach Gemeinsamkeiten und Synergiefähigkeit ausgetauscht, kritisch reflektiert und gegebenenfalls korrigierend aufbereitet werden. Der Dreischritt von Vorbereitung, interkulturelle Erfahrung und Nachbereitung, sollte ein fester Bestandteil des Studiums sein, denn so können die Studierenden durch Erfahrungen mit dem Fremden, die ein unentbehrlicher Teil im Prozess des interkulturellen Lernens sind, interkulturelle Situationen immer sicherer und souveräner bewältigen.

5.1.4 Empfehlungen zur Förderung der Lernbereitschaft und Lernkompetenz In Kapitel 3 wurde an mehreren Stellen konstatiert, dass der Lernbereitschaft und der Lernfähigkeit eine übergeordnete Rolle zur Förderung der interkulturellen Kompetenz zukommt. Sie wurden deshalb auch in allen Interviews als Kernkompetenzen bezeichnet (vgl. 3.4). Schon Konfuzius stellt fest, wer lernt, ohne nachzudenken, kann nicht verstehen; wer nur nachdenkt, ohne zu lernen, kommt nie zum Erfolg (学而不思则罔,思而 不学则殆。)46 (Konfuzius 1998, 18). Deshalb gehören auch Lernkompetenz, welche die Reflexion, die Verarbeitung und die Entwicklung von Ableitungen des Gelernten beinhaltet, und die Bereitschaft, immer wieder Neues zu lernen, als sich gegenseitig ergänzende Faktoren zusammen. 46

Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen.

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Die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist – wie auch von vielen Experten in der Untersuchung betont wurde – ein offener Prozess, in dem man immer wieder neuen Problemen, neuen Herausforderungen, aber auch neuen Chancen in interkulturellen Überschneidungssituationen begegnet und immer wieder neue Lösungen mit dem interkulturellen Partner aushandeln muss. Es gibt keine Standardlösungen oder Erfolgsrezepte, die man den Studenten in die Hand geben kann (vgl. Pan 2003, 963). Umso wichtiger ist es in dem Germanistikstudium, den Studierenden Freiraum zu bieten, in dem die Studierenden das Lernen lernen können. Sie müssen ein Lernumfeld haben, das ihre Lernbereitschaft fördert und in dem sie sich auf das Neue und das Fremde in einer anderen Kultur einlassen können. Das Studium sollte so gestaltet werden, dass die Studierenden das Gelernte immer wieder anwenden können und stets motiviert sind, Neues dazu zu lernen statt bei einem bestimmten Wissensstand zu stagnieren. Dies ist insbesondere angesichts der Tatsache, dass Kulturen einem permanenten Wandel unterworfen sind, von außerordentlicher Bedeutung. Eine Ursache dafür, dass die chinesischen Lernenden Hemmungen in der Anwendung der interkulturellen Kommunikation haben, ist die Angst, Fehler zu machen oder sich dem interkulturellen Partner gegenüber unangemessen zu verhalten. Aus diesem Grund sollte man den Studierenden vermitteln, dass es zum Prozess des Lernens gehört, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Man sollte sich nicht rein um Fehlervermeidung bemühen, sondern die Studierenden zum „Fehlermachen“ ermutigen. Denn Fehler sind auf die Erfahrungen der Studierenden und nicht zuletzt auf ihre kulturelle Prägung zurückzuführen. Fehler können auch dafür genutzt werden, die Studierenden auf ihre kulturelle Prägung aufmerksam zu machen. Ferner können Fehler auch produktiv sein, weil sie dabei helfen, typische Probleme der chinesischen Studenten zu identifizieren. Fehler sind aus dieser Sicht wertvoll und bereichern das Lernen. Sie sind unverzichtbarer Bestandteil im Prozess der Entwicklung interkultureller Kommunikationsfähigkeit und sollten sowohl von den Lehrenden als auch von den Lernenden als produktiv, kreativ und individuell akzeptiert werden. Daher sind der Mut zum Fehlermachen und die Bereitschaft, diese zu akzeptieren wichtige Bestandteile der Lernkompetenz, um zukünftig auch Fehler der interkulturellen Kommunikation zu vermeiden. Viele Lehrende in China kennen das Zitat von Laotse: „Wenn du einem Menschen einen Fisch gibst, dann gibst du ihm für einen Tag zu essen. Wenn du einem Menschen das Fischen beibringst, dann gibst du ihm zu essen fürs Leben“ (vgl. Ni 1993). Es ist also eine wichtige Aufgabe des interkulturellen Germanistikstudiums,

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den Studierenden „das Fischen“ beizubringen, damit sie „im Meer“ der interkulturellen Kommunikation Erfolg haben können. Es ist ersichtlich, dass wir in China sehr viel von der Lernkonzeption westlicher Länder lernen können. Allerdings muss man zugleich darauf achten, nicht alle Lernmethoden, die z.B. in der deutschen Kultur fruchtbar sind, unkritisch in China zu adaptieren und übernehmen. Vielmehr sollte man die Lerntradition in China respektieren und darauf das interkulturelle Lernen aufbauen. Da die Studierenden z.B. sehr gut im Auswendig Lernen (vgl. Kapitel 4.3.2.2) trainiert sind, kann man das auch für das interkulturelle Lernen nutzen. Sprichwörter, geflügelte Worte, die wichtiges Kulturgut sind, können die Studierenden auswählen und auswendig lernen. Dies gilt auch für Gedichte, Aphorismen und Sätze, die sehr „kommunikationsfähig und -förderlich“ sind. Dies gibt den Studenten sprachliche Sicherheit, die wiederum hilft, Hemmungen bei der interkulturellen Kommunikation abzubauen. Auch das „Laut-Vorlesen“ (vgl Kapitel 4.3.2.2) kann zur Steigerung des Interesses an deutscher Sprache und Kultur und zur Verbesserung der Sprachkompetenz beitragen. Die Lehrenden können den Studierenden je nach ihren Lernfortschritten Texte empfehlen, die sowohl sprachlich einladend sind, als auch einen Einblick in die deutsche Kultur ermöglichen. Eine weitere sehr populäre Lernstrategie in China ist: „Andere Menschen zu meinem Lehrer zu machen“. Wie Konfuzius lehrt: „Wenn ich mit zwei anderen zusammen bin, finde ich von ihnen auf jeden Fall einen Lehrer: Ich suche ihr Gutes heraus und folge ihm, ihr Nichtgutes und verbessere es47 (三人行,必有我师焉: 择其善者而从之,其不善者而改之。).“ (Konfuzius 1998, 86). Gerade weil die meisten chinesischen Studenten selbst nur über ein begrenztes Repertoire von interkulturellen Erfahrungen verfügen, ist es für sie unverzichtbar, die Menschen, denen sie begegnen, zu ihren Lehrern zu machen. Des Weiteren sind folgende Aspekte für das „Fischen“ im „Meer“ der interkulturellen Kommunikation von besonderer Bedeutung: ¾ Die Studierenden sollten lernen, den für sich geeigneten Weg zur Förderung interkultureller Kompetenz auszuloten, das interkulturelle Lernen selbst zu planen und zu organisieren, den Prozess des interkulturellen Lernens zu reflektieren, um immer besser und effektiver zu lernen. ¾ Sie sollten lernen, eigenständig Quellen für das interkulturelle Lernen zu erschließen, Lerninhalte selbst zu definieren und sie zu strukturieren. 47 Eigene Übersetzung aus dem Chinesischen in Anlehnung an die Übersetzung von Richard Wilhelm (Konfuzius 2005, 63). ,

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¾ Sie sollten lernen, Kontakte zu knüpfen, bei denen sie ihre interkulturelle Kompetenz weiter entwickeln können. ¾ Sie sollten lernen, interkulturelle Kontakte nicht nur herzustellen, sondern diese längerfristig zu pflegen. ¾ Sie sollten lernen, mit zunächst begrenzter Sprachkenntnis mit den Deutschsprachigen zu kommunizieren und im Zug der Kommunikation wieder Neues zu lernen. ¾ Sie sollten Strategien zur Metakommunikation lernen, um Missverständnisse vorzubeugen und den Kommunikationsfluss zu gewährleisten. ¾ Sie sollten lernen, in Frustsituationen im Prozess des Lernens zurechtzukommen.

5.2 Empfehlungen zum Aufbau eines interkulturell orientierten Germanistikstudiums Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung und die Analyse des Standes des chinesischen Germanistikstudiums lassen den Schluss zu, dass die Gestaltung des Curriculums eines Wechsels bedarf, eines Wechsels von der eher philologischliterarisch orientierten zu einer mehr berufspraxisorientierten Bildung, die nicht nur die Förderung der Fremdsprachkompetenz der Studenten zum Ziel hat, sondern auch die Entwicklung ihrer Persönlichkeit als Ganzes und insbesondere die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz. Nur wenn dies gelingt, werden sich die Studenten im Wandel der Gesellschaft und vor allem in einem international orientierten Berufsumfeld souverän, situationsgerecht und sozialkompetent bewegen können. Wenn das oben geschriebene Ziel erreicht wird, sind die Studenten in der Lage, in der interkulturellen Zusammenarbeit in Bereichen wie Wirtschaft, Bildung, Kultur, Medien und Tourismus verschiedene anspruchsvolle Aufgaben zu übernehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte das Germanistikstudium so gestaltet werden, dass die Studierenden sich vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit entwickeln, ihr Wissen über die eigene und die fremde Kultur vertiefen und interkulturelle Handlungskompetenz auf- und ausbauen können. Diese Bildungsziele lassen sich gut in das Bildungskonzept der „SuzhiBildung“ (vgl. Kapitel 4.1.2; Kapitel 4.2.3.1) integrieren. Denn wie in der vorliegen Arbeit schon konstatiert wurde (vgl. Kapitel 4.2.3.1), deckt sich das Verständ-

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nis von „Suzhi“ mit dem Verständnis von „interkultureller Kompetenz“ weitgehend. Bei beiden Konzepten steht die Persönlichkeit der Studierenden im Mittelpunkt. Die Konzepte basieren auf einem ganzheitlichen Ansatz und sehen es als wichtige Aufgabe, längerfristig verwertbare Qualifikationen der Studierenden zu fördern, damit sie in einer sich ständig wandelnden Welt die Lebenswirklichkeit bewältigen und nicht zuletzt sich in dem lebenslangen Prozess des Lernens zurechtfinden können. Hierbei ist hervorzuheben, dass der „Ort“ zur Entwicklung interkultureller Kompetenz nicht nur in den einzelnen Studienfächern wie „interkulturelle Kommunikation“, „Kulturanthropologie“ oder „Landeskunde“ liegen kann, sondern sich durchgängig im Curriculum wieder finden soll. Dabei soll es der Deutschfakultät der jeweiligen Hochschule überlassen sein, ob sie Germanistik als Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft oder mehr als „German Study“ ein- und ausrichten. Aufgrund des vom Bildungsministerium erlassenen Curriculums (vgl. Kapitel 4. 2) und seiner Darlegung von Qian (2007) sowie unter Berücksichtigung der in der vorliegenden Arbeit ausgearbeiteten Empfehlungen sehe ich 6 wichtige Bereiche eines interkulturell orientierten Germanistikstudiums in China: 1. Studienfächer zur Allgemeinbildung und zur eigenkulturellen Bildung 2. Studienfächer zur Förderung der deutschsprachigen Fertigkeiten 3. Studienfächer zur Vertiefung im Fach Germanistik 4. Ergänzungsfächer zu Germanistik 5. Praktika 6. Abschlussarbeit In den nachfolgenden Kapiteln werden die Bereiche inhaltlich detailliert erläutert und Empfehlungen für das Curriculum ausgesprochen.

5.2.1 Studienfächer zur Allgemeinbildung und zur eigenkulturellen Bildung Wie im Kapitel 5.1 bereits empfohlen wurde, ist es zur Förderung interkultureller Kompetenz der Germanistikstudenten zunächst einmal notwendig, ihnen die eigene kulturelle Identität und Prägung bewusst zu machen. Fächer wie „Chinesische Kultur“, „Chinesische Geschichte“, „Chinesische Philosophie“ können zum Verständnis der chinesischen Kultur und damit zur Erlangung interkultureller Kompetenz der Studierenden beitragen.

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Für diesen Bereich ist zu empfehlen, dass die jeweilige Hochschule den Germanistikstudenten auch Studienfächer anbietet, die mittels eines Überblicks über die westliche Kultur zur Horizonterweiterung beitragen, damit der Prozess vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativität gefördert und das Wissen und Verstehen der eigenen wie der fremden Kultur entwickelt wird. Als Beispiele seien hier genannt „Philosophiegeschichte“, „Weltreligionen“, „Weltliteratur“, „Kunstgeschichte“. Des Weiteren könnte das Angebot des Germanistikstudiums um Fächer erweitert werden, die den Germanistikstudenten helfen, Kultur, Kommunikation und nicht zuletzt interkulturelle Kommunikation auf einer übergeordneten Ebene zu verstehen und zu analysieren, wie z.B. „Kommunikationslehre“, „Interkulturelle Kommunikation“, „Psychologie“ und „Kulturanthropologie“. Es ist inzwischen Allgemeingut, dass Englisch als lingua franca sich international durchgesetzt hat. In der Einrichtung eines interkulturell orientierten Germanistikstudiums sollte Englisch nicht als Konkurrenz zu Deutsch betrachtet werden, sondern vielmehr als notwendige Voraussetzung für beruflichen Erfolg im internationalen Kontext. Eine weitere wichtige Voraussetzung zur Förderung interkultureller Kompetenz ist die Medienkompetenz, vor allem der Umgang mit dem Computer mit seinen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. Dafür sollten den Germanistikstudenten entsprechende Studienfächer angeboten werden. Die Studienfächer zur Allgemeinbildung und zur eigenkulturellen Bildung könnten so ausgerichtet werden, dass die Germanistikstudenten zusammen mit Studenten aus anderen Disziplinen die Lehrveranstaltungen besuchen. Es kann den Vorteil bringen, dass diese das Vorwissen aus den jeweiligen Disziplinen einbringen können und ein interdisziplinärer Austausch stattfinden kann. Dies kann zur Horizonterweiterung und zur Entwicklung der Multiperspektivtät der Germanistikstudenten beitragen. Zum Schluss ist anzumerken, dass in diesem Bereich den Germanistikstudenten neben den obligatorischen Fächern auch verschiedene Wahlfächer angeboten werden sollten, damit sie je nach ihren Interessen und ihrer eigenen Karriereplanung entsprechende Fächer auswählen können. Auch hier gilt die Empfehlung, das Studium als einen integralen Teil der Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden zu betrachten.

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5.2.2 Studienfächer zur Förderung der deutschsprachigen Fertigkeiten Die sprachliche Ausbildung in den ersten zwei Jahren des Germanistikstudiums ist in China stark vereinheitlicht und standardisiert. Es wird für das Studienfach „Studiendeutsch“ landesweit das Lehrwerk „Studienweg Deutsch“ von Nerlich/Liang (2007) eingesetzt. Neben diesem Studienfach sind in dem Curriculum auch andere Fächer, welche die einzelnen Sprachfertigkeiten trainieren, vorgesehen wie Lesen, Hören, Sprechen, Schreiben, Dolmetschen und Übersetzen. Hierbei ist ratsam, dass man die einzelnen Sprachfertigkeiten nicht getrennt fördert. Man sollte Hören, Sprechen und Sehhörverstehen sowie Lesen und Schreiben miteinander kombinieren. Auch für die Studienfächer Übersetzen und Dolmetschen soll der kulturelle und interkulturelle Aspekt stärker berücksichtigt werden. Es ist zu unterstreichen, dass die interkulturelle Kompetenz nicht eine weitere Fertigkeit neben Lesen, Hören, Sprechen, Schreiben, Übersetzen und Dolmetschen ist, sondern als Lernziel in diese integriert werden sollte. Es geht nicht darum, diese Kompetenz auf Kosten der Sprachfertigkeiten zu entwickeln, sondern mit Unterstützung derselben zu fördern. Ein wichtiger Aspekt ist, dass Studierende auch die Möglichkeit erhalten, nicht nur über die Deutschen, sondern auch mit den Deutschen sprechen zu können. Eine gute Grundlage hierfür ist, dass man den Germanistikstudenten im Vorhinein ermöglichen soll, sich über die deutsche Kultur zu informieren. Gleichzeitig sollten sie in der Lage sein, den Deutschen die chinesische Kultur zu erklären, zu vermitteln und dabei eigenkulturelle Werte, Überzeugungen und Konzepte zu vertreten (vgl. Liang 2003b, 36). Unter der Berücksichtigung der durch meine empirische Untersuchung festgestellten Problemfelder in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit und auch in Anlehnung an Maletzke (1996) sollten die Studierenden insbesondere folgende Aspekte in der chinesischen Kultur auf Deutsch vermitteln können: ¾ Werteorientierung ¾ Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus ¾ Verhaltensmuster: Sitten, Normen, Rollen ¾ Kommunikationsstile (einschließlich Sprache und nonverbaler Kommunikation) ¾ Soziale Gruppierungen und Beziehungen ¾ Zeitvorstellung, Zeiterleben ¾ Raumvorstellung, Raumerleben

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Ferner ist auch wichtig, dass die Studenten sprachlich mit Situationen umgehen können, in denen chinesische und deutsche Kultur sich begegnen. Aus diesem Grund sind in Deutschland entwickelte Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache oft nur mit Vorsicht einzusetzen, weil hierbei der Chinabezug fehlt. Da die Entwicklung der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit ein Prozess ist, sollte diese Fähigkeit schrittweise gefördert werden: Wie die Untersuchungsergebnisse in Kapitel 3 zeigen, ist es in der interkulturellen Kommunikation wichtig, zunächst Gemeinsamkeiten festzustellen, um eine Grundlage und auch eine Vertrauensbasis für weitere Kommunikation zu schaffen. Oft ist es hilfreich, über Themen von gemeinsamem Interesse zu sprechen. Hierbei können die Studierenden lernen, mit ihrem interkulturellen Gegenüber über ein ihnen vertrautes Thema zu kommunizieren. Ein denkbarer Weg könnte von ganz allgemeinen Themen zu eher persönlichen Themen führen, wie beispielsweise vom Wetter, der Heimat, der Ausbildung, dem Beruf, zu persönlichen Interessen, familiärer Situation und Wertungen. Aufgrund der Tatsache, dass der Erwerb der interkulturellen Kommunikationsfähigkeit einschließlich des Erwerbs der Sprache selbst ein Prozess ist, müssen die Studierenden zunächst mit einem begrenzten sprachlichen Repertoire auskommen. Daher können bestimmte Sprachmittel zur Sensibilisierung der Eigenkultur, zur Thematisierung der kulturellen Unterschiede, zur Sympathiegewinnung, zum Ausdruck des Respekts und zur Vorbeugung von Missverständnissen und Unbehagen für erfolgreiche Kommunikation fruchtbar werden. Solche „Werkzeuge“ können die Lehrenden und die Studenten gemeinsam ausarbeiten. Die Studenten können sie in ihren „Werkzeugkasten“ für interkulturelle Kommunikation sammeln und auswendig lernen. Sie geben den Studierenden sprachliche Sicherheit, damit sie keine Angst haben, in der Kommunikation mit deutschen Muttersprachlern ihr Gesicht zu verlieren. Dies gilt besonders aus dem Grund, dass für die meisten Germanistikstudenten in China die Lehrveranstaltungen die wichtigste Quelle für sprachlichen Input bleibt. Es ist ersichtlich, dass die Kommunikation über gemeinsame Themen eine notwendige Voraussetzung zur Lösung der Aufgaben in interkulturellen Situationen schafft. Allerdings ist sie noch nicht die Lösung selbst. Es bleibt deshalb unverzichtbar, die Studierenden so zu trainieren, dass sie auch in der Lage sind, bei Meinungsverschiedenheiten, bei allem Respekt vor dem interkulturellen Gegenüber, ihre Position zu verteidigen, auf Kritik zu reagieren und in der Interaktion mit dem interkulturellen Partner eine gemeinsame Lösung sprachlich auszuhandeln. Dazu gehört auch die Förderung der Diskursfähigkeit, welche den Weg auf-

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zeigt, den eigenen Standpunkt unter respektvoller Berücksichtigung der eigenen und der fremden Kultur zu vertreten.

5.2.3 Studienfächer zur Vertiefung im Fach Germanistik Unter Vertiefung im Fach Germanistik verstehe ich zwei Aspekte: zum einen den vertiefenden sprachlichen Aspekt, der mehr in die berufspraktische Richtung geht, zum anderen den vertiefenden interkulturellen Aspekt, der vorwiegend im Bereich der Kommunikation, aber auch in dem Wissen und Verstehen der deutschen Kultur zu sehen ist. In dem neuen Curriculum für das Fach Germanistik in China ist eine Art Einseitigkeit auf bestimmte Aspekte für diesen Bereich zu spüren (vgl. Kapitel 4.2.4). Als obligatorische Fächer werden Linguistik, deutsche Literatur, Gesellschaft und Kultur der deutschsprachigen Länder und Landeskunde vorgesehen, fakultativ sind z.B. die Fächer deutsche Romane, Prosa, Drama, Semantik, Syntax, Textlinguistik und Militärgeschichte (Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen 2006, 3f). „Interkulturelle Kommunikation“ wird immer noch lediglich als fakultatives Fach angeboten, was in Anbetracht der Ergebnisse aus den empirischen Untersuchungen dem Bedarf an interkultureller Kompetenz nicht gerecht wird. Im Rückschluss bedeutet dies, dass Studienfächer wie „Interkulturelle Kommunikation“, „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“, „Interkulturelle Kommunikation in der Berufspraxis“ dringend zu empfehlen sind, d.h., nicht nur als fakultatives Angebot, sondern als Obligation. Es ist hierbei anzuraten, ein deutschsprachiges Lehrwerk für die chinesischen Germanistikstudierenden zu erstellen, das einen Überblick über die Besonderheiten der interkulturellen Kommunikation gibt, Grundlage für kulturanalytisches Denken und Kulturvergleiche bildet und den chinesischen und deutschen kulturellen Kontext berücksichtigt. Darüber hinaus sollten die in der vorliegenden Arbeit geschilderten Fähigkeiten und Fertigkeiten, die den Prozess zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz fördern, inhaltlich in die Studienfächer einbezogen werden. Dabei geht es darum, die Förderung interkultureller Kompetenz als Lernziel in die sprachwissenschaftlichen, literaturwissenschaftlichen, landeskundlichen, kulturanthropologischen und kulturkomparativen Fächer zu integrieren. Aufgrund der Tatsache, dass die Lehrveranstaltungen für Germanistik meistens nur von Chinesen, d.h., monokulturellen Gruppen besucht werden und die Interkulturalität nicht real erlebt wird, sollten sich die Lehrveranstaltungen für interkul-

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turelle Erfahrungen öffnen. Es können den Studierenden Aufgaben in Form von Projektarbeit, Umfragen oder Interviews gestellt werden, für die sie mit Menschen aus anderen Kulturen kommunizieren müssen oder von interkulturellen Erfahrungen anderer lernen können. Themen für solche Aufgaben könnten beispielsweise folgende sein: ¾ „Deutschlandbilder der Chinesen“, ¾ „China in den Augen der Ausländer“, ¾ „Werteorientierung der chinesischen und deutschen Studenten“, ¾ „Jugendkultur in China und Deutschland“. In den Lehrveranstaltungen können sich die Studierenden mit den Ergebnissen der außerunterrichterischen Befragungen auseinandersetzen. Die Studierenden können auch im Internet diese Ergebnisse präsentieren und deutsche Studierende zur Diskussion einladen. Die Studierenden sollen während des Studiums auf ihre interkulturellen Erfahrungen vorbereitet werden. Die Erfahrungen der interkulturellen Erfahrungen sollten in die Lehrveranstaltungen eingebracht werden, damit die Studierenden über diese Erfahrungen reflektieren und sich miteinander austauschen können. In den Seminaren und Vorlesungen mag man den Studierenden zwar Kulturwissen vermitteln und den Grundstein für interkulturelle Kompetenz legen, aber Handlungssicherheit für eine konkrete interkulturelle Situation kann nicht allein durch Trockenübung erzeugt werden (vgl. Bolten 2007b, 33). Um dieses Problem zu lösen, sollte man bei Möglichkeit auch deutsche Austauschstudenten für die Lehrveranstaltungen gewinnen und diese einen Teil der Lehrveranstaltungen gestalten lassen. Eine weitere Methode wäre, Seminare und Vorlesungen über Online-Lehrveranstaltungen und -Foren für deutsche Studenten zu öffnen. Auch bei der Vertiefung im Fach Germanistik sollte das Studium dem reziproken Austausch zwischen der chinesischen und deutschen Kultur dienen. Somit sollten alle Lehrveranstaltungen auf der Grundlage interkulturellen Lehrens und Lernens gestaltet werden.

5.2.4 Ergänzungsfächer zu Germanistik Wie in Kapitel 3.3.4.2 dargestellt wurde, haben viele Experten, die ich im Rahmen meiner Untersuchung interviewt habe, darauf hingewiesen, dass die Sprachkennt-

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nis für Deutsch alleine für eine Berufskarriere nicht ausreichend sei. Die meisten von ihnen haben den Germanistikstudierenden empfohlen, ein weiteres Fach als Ergänzung zu studieren. Interkulturelle Kompetenz schwebt also nicht im luftleeren Raum (Kapitel 4.3), sondern sie findet ihre Ausprägung in unterschiedlichen Lebensbereichen, denen auf der Universitätsebene wiederum bestimmte Fächer entsprechen. Es macht deshalb für die Studierenden Sinn, ein fundiertes Verständnis in diesen Fachgebieten zu entwickeln. Daher ist es für die Studenten notwendig, neben der Germanistik eine weitere Fachkompetenz aufzubauen, womit sie in der Kombination mit interkultureller Kompetenz ihre beruflichen Chancen wesentlich verbessern können. In der Tat gibt es im Fach Germanistik in China, wie in Kapitel 4.2.3.2 geschildert wurde, eine lange Tradition, dieses Fach mit einer weiteren fachlichen Spezialisierung zu kombinieren. Die Reformversuche mit der Fuhe-Ausbildung (vgl. Kapitel 4.2.3.2) bilden eine günstige Grundlage für die weitere Öffnung des Germanistikstudiums, was, wie in der vorliegenden Arbeit mehrfach hervorgehoben worden ist, zum einen zur Förderung interkultureller Kompetenz dringend notwendig ist, aber auch zum anderen zur Verbesserung der Berufschancen der Absolventen beitragen kann. Ob bei den Ergänzungsfächern für Germanistik der Schwerpunkt mehr auf Diplomatie, internationales Management oder Tourismus liegen soll, sollte der Deutschfakultät der einzelnen Hochschule überlassen sein. Die in Kapitel 4.2.3.2 geschilderte Tradition der jeweiligen Deutschfakultäten mit der fachlichen Spezialisierung sollte hierbei berücksichtigt werden. Gerade weil die Vermittlung interkultureller Kompetenz einen fächerübergreifenden Ansatz notwendig macht, ist es ratsam, dass die Deutschfakultät mit anderen Fakultäten der jeweiligen Hochschulen enger zusammenarbeitet, um das Studienangebot organisatorisch und inhaltlich so abzustimmen, dass für die Studierenden das optimale Ergebnis erzielt werden kann.

5.2.5 Praktische Erfahrungen Fast alle Interviewpartner haben es als Problem bezeichnet, dass es vielen chinesischen Germanistikstudenten an praktischen Erfahrungen fehlt. Deswegen muss ein interkulturell orientiertes Germanistikstudium sich für die Begegnungen mit der intra- und interkulturellen Wirklichkeit öffnen.

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5.2.5.1 Praktika und Teilzeitjobs Praktika sind als obligatorischer Bestandteil eines Germanistikstudiums dringend zu empfehlen. Ein Praktikum bietet den Studierenden die Möglichkeit, das Gelernte zu praktizieren, was das weitere Lernen sicherlich motiviert. Durch die Praktika können die Studenten die Anforderungen in der interkulturellen Berufspraxis kennen lernen, was ihnen für ein zielorientiertes Studieren hilfreich ist. Wenn die Studenten schon während des Studiums Erfahrungen in der Berufspraxis sammeln, fällt ihnen der Einstieg in ein interkulturell orientiertes Unternehmen nach dem Studium wesentlich leichter. Ideal für die Germanistikstudenten ist, dass sie ein Praktikum im Rahmen der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit machen können. Sie können in der interkulturellen Praxis ihr Theoriewissen überprüfen, Sensibilität für interkulturelle Problematik stärken und interkulturelle Handlungskompetenz entwickeln. Ein Problem hierbei ist, dass die Zeit, die den Studierenden für ein Praktikum zur Verfügung steht, zu kurz ist. Sie haben höchstens die sechswöchigen Sommerferien, in denen sie für ein Praktikum einsetzbar sind. Da man für die Einarbeitung schon zwei bis drei Wochen braucht, bleiben höchstens drei Wochen als „produktive“ Zeit. Für viele Unternehmen und Organisationen deutscher Abstammung ist es daher ökonomischer, Praktikanten aus Deutschland zu nehmen, weil diese länger bleiben können. In diesem Zusammenhang ist dringend zu empfehlen, längere Zeit für das Praktikum vorzusehen und dem Thema „Praktika“ höhere Priorität einzuräumen. Insbesondere sollten die Germanistikstudenten, die ein Praktikum in einem deutschsprachigen Land machen, unterstützt werden. Da es inzwischen viel mehr Bewerbungen als Praktikantenstellen gibt, sind andere Formen, bei denen die Studenten interkulturelle Berufserfahrungen sammeln können, auch zu empfehlen, z. B. Dolmetschertätigkeit, Reiseführung oder Messebetreuung. Im Rahmen einer Dolmetschertätigkeit kann man Deutsche mit verschiedenen Berufen, aus unterschiedlichen Fachgebieten und Regionen kennen lernen und im Austausch mit diesen das eigene interkulturelle Wissen vertiefen und erweitern. Nicht zuletzt fördert diese Tätigkeit auch die interkulturelle Handlungskompetenz. Die Arbeit als Reiseführer bietet den Studierenden die Möglichkeit, viel von der deutschen Kultur zu lernen. Der Kontakt mit den Deutschen in einer Reisegruppe ist sehr intensiv. Eine Reisegruppe ist vergleichbar mit einem kleinem gesellschaftlichem Kosmos: Hier besteht eine Vielfältigkeit in Bezug auf Geschlecht, Alter und Herkunft. Der Austausch mit den Touristen hilft, die chinesische Kultur auch aus einer Außenperspektive zu sehen. Ferner ist die Tätigkeit als Reiseführer

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ein interessantes Instrument, die eigene Kultur darzustellen, zu erklären und damit auch wieder selbst zu reflektieren und zu verstehen. Ein besonders intensives interkulturelles Erfahrungsfeld ist die Vermittlung der chinesischen Sprache an ausländische Sprachstudenten. Denn die unmittelbare und spontane Rückmeldung sowie die dadurch entstehenden zwischenmenschlichen Beziehungen geben oft neue Einsichten und fördern die Multiperspektivität. 5.2.5.2 Förderung der Sozialkompetenz als wichtige Voraussetzung für die Entwicklung interkultureller Kompetenz Viele Experten haben auf das Problem hingewiesen, dass es den Studenten an Sozialkompetenz mangelt. Auch in Kapitel 4.3.1 wurde als Schwäche für die Entwicklung interkultureller Kompetenz konstatiert, dass die Studenten gesellschaftsfremd sind. Fehlende Selbstständigkeit, Egozentrik und unterentwickeltes Verantwortungsbewusstsein werden bei vielen Studierenden festgestellt. Dies sind Eigenschaften, die den Prozess zur Förderung interkultureller Kompetenz hindern. Aufgrund der Tatsache, dass die Sozialkompetenz eine wichtige Voraussetzung für die interkulturelle Kompetenz ist, können soziale Engagements auch sehr zur Förderung der interkulturellen Kompetenz beitragen. Durch Tätigkeiten wie dem Engagement für eine Studentenzeitung, studentische Selbstverwaltung, die Organisation studentischer Veranstaltungen (z.B. auch Veranstaltungen für deutsche Austauschstudenten), die Initiative für Umweltschutz und die Armutsbekämpfung können die Studenten ihr Bewusstsein für Eigenverantwortung und ihre Sensibilität für das gesellschaftliche Geschehen stärken und nicht zuletzt ihre Kommunikationsfähigkeit, Organisationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Flexibilität und Synergiefähigkeit entwickeln. Seit den letzten Jahren wird vom chinesischen Jugendverband organisiert, dass Studenten als freiwillige Lehrer in Schulen der entlegenen Regionen für eine begrenzte Zeit arbeiten. Im Rahmen dieser Tätigkeit müssen die Studierenden unter einfachen Bedingungen leben und arbeiten. Sie lernen dadurch ihren Blick für andere Lebensarten zu öffnen, Verantwortung für die Schüler zu tragen und Toleranz zu entwickeln. Des Weiteren lernen sie auch, mit Frustration umzugehen. Für viele chinesische Studenten sind Reisen ins Ausland aus finanziellen Gründen schwer realisierbar. Deshalb sind solche Aktivitäten in China eine empfehlenswerte Alternative.

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5.2.5.3 Auslandsaufenthalte und interkulturelle Begegnungen im Inland Während des Studiums sollten alle Lernarrangements gefördert werden, welche die Interkulturalität der Germanistikstudenten fördern. Ein Instrument hierzu ist auch ein Austauschsemester mit einer deutschen Hochschule. „So wie man eine Fremdsprache in der fremden Sprache lernt, so lernt man eine fremde Kultur optimalerweise auch in der fremden Kultur“ (Kiesel/Ulsamer 2000, 67). Ein längerer Aufenthalt in deutschsprachigen Ländern hat für die Germanistikstudierenden zwar nicht automatisch interkulturelle Kompetenz zur Folge, ist aber für den Prozess vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativität, zum Ausbau und zur Vertiefung des Wissens und Verstehens der eigenen und fremden Kultur und nicht zuletzt zu mehr interkultureller Handlungskompetenz unabdingbar. Denn während eines Auslandsaufenthalts sind die Germanistikstudenten gezwungen, sich mit der Kultur, dem Land und den Menschen eigenständig auseinanderzusetzen, was außerordentlich förderlich für die interkulturelle Kommunikationsfähigkeit und nicht zuletzt für die interkulturelle Kompetenz ist. Auch wenn die chinesischen Germanistikstudenten nicht für ein vollständiges Studium nach Deutschland kommen, kann ein Gastsemester eine gute Alternative sein. Hierfür gibt es das Problem, dass meistens nur an den deutschen Hochschulen, die eine Partnerschaft mit der chinesischen Heimuniversität haben, diese Möglichkeit eingeräumt wird. Dem entgegen kann ein/e Austauschstudent/in auch an der chinesischen Partneruniversität ein Gastsemester machen. Beide Studenten werden in der Regel von der Gasthochschule von Studiengebühren befreit. Hier ergibt sich allerdings für chinesische Studenten ein Problem: An vielen chinesischen Hochschulen müssen die Studenten, die ein Gastsemester an der deutschen Partnerschule machen, nicht nur ihre Studiengebühren an der Heimuniversität, sondern auch die für die deutschen Austauschstudenten zahlen (vgl. auch Kapitel 4.3.2.3), was für die Studenten eine große finanzielle Belastung ist. Es ist an die chinesischen Hochschulen zu appellieren, die Studenten von dieser Doppelbelastung zu befreien. Eine andere Alternative für einen Aufenthalt in Deutschland, bei dem die Germanistikstudenten intensiv ihre Sprachkompetenz erhöhen und die deutsche Kultur kennen lernen können, sind die von den deutschen Hochschulen angebotenen Sommerkurse. Darüber hinaus sind für die chinesischen Germanistikstudenten auch interkulturelle Begegnungen in China sehr hilfreich. Durch Kontakte mit Studenten aus deutschsprachigen Ländern können sie ihre Sprachkompetenz und interkulturelle Kommunikationsfähigkeit verbessern. Sie können auch durch diese Studenten verschiedene Facetten der deutschen Kultur kennen lernen. Insbesondere können sie

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durch solche Kontakte lernen, den anderen die chinesische Kultur zu vermitteln und aus der Außenperspektive die eigene Kultur zu betrachten. Je mehr Erfahrungen man mit den Deutschen hat, desto mehr kann man die eigene und die deutsche Kultur differenziert betrachten. Des Weiteren besteht auch die Möglichkeit, Kontakte mit anderen Menschen aus deutschsprachigen Ländern aufzunehmen, die für eine bestimmte Zeit in China leben. Durch die interkulturellen Kontakte mit Partnern aus einer anderen Kultur, wächst das Interesse an der fremden Kultur und vergrößert sich die Motivation für das weitere interkulturelle Lernen. 5.2.5.4 Interkulturelles Lernen durch das Internet Die Erkenntnis, dass die Entwicklung interkultureller Kompetenz ein offener Prozess ist, macht es erforderlich, dass man das interkulturelle Lernen so geschlossen wie nötig und so offen wie möglich gestalten soll. Das Medium Internet bietet den Studierenden unbegrenzte Möglichkeiten für das interkulturelle Lernen. Vor allem für China, wo sich der Zugang zu authentischen Informationen über die deutsche Kultur ansonsten sehr schwierig gestaltet, ist das Internet eine wichtige Quelle für die Studierenden, und auch die Lehrenden, sich über Deutschland zu informieren. Was die Nutzung des Internets angeht, sind die Studierenden oft kompetenter als die Lehrenden. Das stärkt das Selbstbewusstsein und steigert die Motivation. Sie sind nicht allein auf das Wissen der Lehrenden angewiesen und können daher eher gleichberechtigte Dialoge mit den Lehrenden führen, deren Wissensvorsprung durch die Informationen über das Internet ausgeglichen werden kann. Da auch verhältnismäßig wenig Menschen aus den deutschsprachigen Ländern in China leben, bietet das Internet eine wichtige Alternative für die „Begegnung“ mit der deutschen Kultur und ermöglicht in doppeldeutigem Sinne, das Ferne näher zu bringen. Email-Korrespondenz bietet z.B. eine gute Möglichkeit zum kulturellen Austausch mit den muttersprachigen Deutschen. Diese Form des interkulturellen Lernens ist insbesondere für diejenigen, die in der mündlichen Kommunikation Hemmung haben, eine gute Vorbereitung auf die letztere. Des Weiteren kann diese Form der asynchronen Kommunikation die Bildung der vertieften Sichtweisen ermöglichen. Auch Chatten, Bloggen und Lernplattformen sind Möglichkeiten für virtuelle interkulturelle Kommunikation, durch die die Studierenden unterschiedliche Blickwinkel und Sichtweisen kennen lernen können.

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Ferner können sie sich über Themen von gemeinsamem Interesse austauschen und als Mittler der eigenen Kultur fungieren. Man erlebt seine eigene Kultur bewusster, wenn das Interesse auch von außen kommt. Die Germanistikstudenten können auch eine Internetseite in deutscher Sprache einrichten, um dann mehr Kontakt zu den deutschsprachigen Muttersprachlern herzustellen und selbst Interkulturalität zu schaffen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Austausch via Internet nicht zwangsläufig zur Entwicklung interkultureller Kompetenz führt. Vielmehr fordert die virtuelle interkulturelle Kompetenz interkulturelle Sensibilität und die Fähigkeit, andere zu verstehen und sich verstehen zu lassen, wofür die Kommunikationsfähigkeit eine entscheidende Rolle spielt. Diese ist im Hinblick darauf, dass die face-toface Kommunikation nicht vorhanden ist, noch schwieriger und anspruchsvoller. Aufgrund dessen sollten die Lehrenden die Studierenden dabei unterstützen, auf das interkulturelle Lernen via Internet vorzubereiten und dieses auch – z.B. in Form von Informationsaustausch und Evaluation – nachzubereiten. Es ist den Studierenden klar zu machen, dass die virtuelle Kommunikation zwar eine gute Voraussetzung für die persönliche Kommunikation sein kann, jedoch kein Ersatz ist.

5.2.6 Abschlussarbeit Am Ende des Studiums haben die Germanistikstudenten eine Abschlussarbeit zu schreiben. Dafür müssen die Studenten die erlernten Kompetenzen im Zusammenhang anwenden. Allerdings wird die Bedeutung der Abschlussarbeit von vielen Studierenden unterschätzt. Häufig sind sie unter großem Zeitdruck und betrachten diese Arbeit als notwendiges Übel, anstatt sie als Chance und Profilierungsmöglichkeit für die Zukunft zu nutzen. Es ist zu empfehlen, systematischer mit der Abschlussarbeit umzugehen. Die Deutschfakultäten verschiedener chinesischer Hochschulen könnten im Rahmen einer engeren Zusammenarbeit für einen bestimmten Zeitraum Forschungsschwerpunkte setzen und daraus den Studenten Themen für die Abschlussarbeit zur Wahl stellen, so dass die Studenten auch einen Beitrag zu einem weiter gefassten Forschungsprojekt leisten können. Diese Arbeiten könnten wiederum für künftige Lehrveranstaltungen Verwendung finden. Diese Form der Zusammenarbeit könnte sogar noch fruchtbarer werden, wenn es gelänge, dazu auch die Partnerinstitutionen aus den deutschen Hochschulen zu gewinnen. Die Studenten würden wahrscheinlich viel motivierter an die Abschlussarbeit heran gehen, wenn man diese Arbeit enger mit ihrer künftigen Berufstätigkeit verbinden könnte. Somit ist es sinnvoll, in diesem Zusammenhang auch mit den Unter-

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nehmen und Organisationen, die in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit tätig sind, enger zu kooperieren. Denkbare Themen wären Marktstudien für deutsche Produkte in China, Vergleich der chinesischen und deutschen Kommunikationsstile, Vergleich des chinesischen und deutschen Konsumverhaltens, Werbung sowie andere kulturvergleichende Themen.

5.3 Institutionalisierte Zusammenarbeit zur Förderung interkultureller Kompetenz Die Erkenntnis, dass die Entwicklung interkultureller Kompetenz ein offener Prozess des Lernens ist, macht es notwendig, dass das Germanistikstudium sich möglichst anderen Fachbereichen, anderen Hochschulen und nicht zuletzt der Berufswelt öffnet, so dass ein Netzwerk gebildet werden kann, in dem interkulturelles Lernen stattfindet. Zunächst ist es ratsam, dass die Deutschfakultäten in China enger zusammenarbeiten sollten, um eine Synergie der vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen zu schaffen. Es wird zwar von dem Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen jedes Jahr ein zweitägiges Symposium veranstaltet, zu dem die Dekane der Deutschfakultäten landesweit eingeladen werden. Allerdings ist das Programm oft sehr eng und es fehlt Zeit, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam Konzepte zu diskutieren. Da die interkulturelle Forschung noch eine junge Disziplin in China ist und das interkulturelle Lehren und Lernen noch wenig erforscht ist, ist dringend zu empfehlen, dass die Kollegen verschiedener Deutschfakultäten, die ihren Forschungsschwerpunkt auf interkulturelle Kommunikation setzen, enger kooperieren. Sie könnten gemeinsam Forschungsprojekte durchführen und systematischer an den interkulturellen Themen arbeiten. Die Forschungsergebnisse sollten in die Lehre mit einbezogen werden. Ferner sollte die jeweilige Deutschfakultät sich auch anderen Fachbereichen innerhalb ihrer eigenen Hochschule öffnen. Eine engere Zusammenarbeit mit der Fachrichtung Sinologie, mit anderen Fremdsprachenfakultäten und nicht zuletzt mit den Disziplinen, welche die Germanistikstudenten als Ergänzungsfächer studieren, kann für die Förderung der interkulturellen Kompetenz dieser Studenten und für die Verbesserung ihrer Berufschancen sehr fruchtbar sein: Durch die Zusammenarbeit mit der Fachrichtung Sinologie

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kann die Deutschfakultät die Forschung über die chinesische Kultur vertiefen und neue Anregungen erhalten. Mit Fachrichtungen für andere Sprachen kann man gemeinsam Studienfächer z.B. für „Interkulturelle Kommunikation“, „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ anbieten, so dass unterschiedliche Sichtweisen in die Lehrveranstaltungen mit einbezogen werden können. Durch die Zusammenarbeit mit Fächern wie „Wirtschaftslehre“, „Jura“ oder „Medien“ kann man Fachwissen und Kulturwissen miteinander verbinden. Ich stimme mit Bolten (2003b, 18), der das interkulturelle Lernen als Querschnittsaufgabe versteht und empfiehlt, überein, dass es „nicht neben den traditionellen Fächern, sondern als deren Bestandteil stattfinden“ soll. Wie in der vorliegenden Arbeit schon erwähnt, kommt eine enge Zusammenarbeit zwischen den chinesischen und deutschen Hochschulen der Förderung der interkulturellen Kompetenz der chinesischen Germanistikstudenten sehr zugute. Im Rahmen von Hochschulpartnerschaften kann z. B. ein Austausch zwischen chinesischen und deutschen Studenten stattfinden, so dass sie im Gastland die Menschen und deren Kultur selbst erleben, die eigenen Grenzen bewusst erfahren, zu tieferen Einsichten über die eigene und die fremde Kultur gelangen und in realen interkulturellen Situationen angemessen handeln lernen können. Bei einer institutionalisierten Kooperation mit deutschsprachigen Hochschulen können die chinesischen und deutschen Lehrenden in der Partnerhochschule Gastseminare anbieten und über interkulturelle Themen gemeinsam forschen. Sie können auch gemeinsam Online-Lehrveranstaltungen anbieten, so dass die Kompetenzen der chinesischen und deutschen Hochschulen vernetzt und dadurch Synergien geschaffen werden können. Diese Vernetzung kann einerseits eine Bereicherung für die Lehrenden sein, andererseits können die Studierenden auch viel davon profitieren. Hierbei ist wichtig, dass beide Seiten von der Kooperation profitieren und es auf beiden Seiten Menschen gibt, die die Zusammenarbeit mit Leben erfüllen wollen. In diesem Zusammenhang halte ich auch eine enge Kooperation zwischen Germanistik in China und Sinologie in Deutschland für sehr sinnvoll. Die Studierenden in China und Deutschland könnten über „universelle“ Themen wie Liebe, Ehe, Familie, Glück, Erfolg diskutieren und Meinungen austauschen. Das Internet könnte dabei als eine wichtige Plattform für diesen Austausch dienen. Eine Möglichkeit eines fruchtbaren Austausches via Internet könnten turnusmäßige Aufgabenstellungen sein, die von deutschen Dozenten an chinesische Germanistikstudenten und von chinesischen Dozenten an deutsche Sinologiestudenten gestellt werden. Diese können einerseits von den Dozenten kommentiert und ande-

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rerseits von den Studenten auf speziell dafür eingerichteten Online-Plattforen diskutiert und zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren können in einem Gastsemester, in dem die chinesischen und deutschen Studenten in dem jeweiligen Gastland studieren, die deutschen Sinologiestudenten in China von chinesischen Dozenten und die chinesischen Germanistikstudenten in Deutschland von deutschen Dozenten gelehrt werden. In den Interviews wurde von den meisten Experten die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den chinesischen Hochschulen und den Unternehmen unterstrichen. Es ist ersichtlich, dass die Isolation des Hochschullebens mit dem Konzept zur Entwicklung interkultureller Kompetenz nur auf theoretischer Ebene vereinbar ist. Es ist aber auch im Interesse der Unternehmen, sich für die Hochschulen zu öffnen. Denn sie wollen qualifizierte Nachwuchskräfte gewinnen. Es ist deshalb nur konsequent, dass sich die Experten in den Interviews auch bereit erklärt haben, eine engere Verbindung mit den Hochschulen einzugehen. Im Rahmen der Kooperation mit den Unternehmen und Organisationen können die Germanistikstudenten schon während des Studiums in die Berufspraxis einbezogen werden. Die chinesischen Hochschulen können Seminare oder Ringvorlesungen veranstalten, zu denen man die Berufspraktiker, die in deutschen Unternehmen und Organisationen oder im Austausch mit Deutschland tätig sind, einlädt. Sie können den Germanistikstudenten ihr Unternehmen oder ihre Organisation präsentieren und Wissen und Kompetenzen vermitteln, die in der interkulturellen Berufspraxis gefordert werden. Sie können auch mit den Studenten konkrete Fälle in der interkulturellen Zusammenarbeit analysieren. Dabei können die Studenten einen Einblick in die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit gewinnen und von den Erfahrungen aus dem interkulturellen Berufsleben profitieren. Dies wurde in der Untersuchung von vielen Interviewpartnern ausdrücklich empfohlen, was ein Ausdruck dafür ist, dass auch seitens der Unternehmen und Organisationen Interesse für diese Form der Zusammenarbeit vorhanden ist. Denn von z.B. gemeinsamen Projekten und gemeinsamen Studien, die aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden, könnten beide Seiten von der Zusammenarbeit profitieren. In der Tat gibt es diese Form der Zusammenarbeit schon an manchen chinesischen Hochschulen. Allerdings ist sie eher punktuell. Vielmehr ist eine institutionalisierte und strukturierte Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen und den Unternehmen und Organisationen notwendig.

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5.4 Biographie für das interkulturelle Lernen und Portfolio Assessment Wenn man die Entwicklung interkultureller Kompetenz als ein wichtiges Ziel für das Germanistikstudium in China betrachtet, muss man Instrumente entwickeln, um sie einschätzen und die Zielerreichung überprüfen zu können. Dafür gibt es zum einen die Schwierigkeit, dass interkulturelles Lernen nur schwer zu überprüfen (Krumm 2003a, 143; Krumm 2003 b, 416) und interkulturelle Kompetenz schwer durch Prüfungen zu beurteilen ist. Zum anderen kann das bisherige Prüfungssystem an chinesischen Hochschulen nur unzulänglich Aussagen über die interkulturelle Kompetenz in ihrer Prozesshaftigkeit machen. Wie in Kapitel 4.1.2 dargelegt wurde, versucht man in China mit dem neuen Bildungskonzept „Suzhi-Bildung“, bei dem die ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit der Schüler und Studierenden im Mittelpunkt steht, der tradierten Prüfungsorientierung entgegenzuwirken. Um dem Anspruch der „Suzhi-Bildung“ und dem prozesshaften Charakter der interkulturellen Kompetenz gerecht zu werden, dürfen die Instrumente zur Einschätzung und Dokumentation interkultureller Kompetenz nicht prüfungsorientiert sein. Ein denkbares Instrument können Selbsteinschätzungsübungen- und -aufgaben sein, mit denen man Aussagen über bestimmte Aspekte interkultureller Kompetenz treffen kann. Formen dieser Übungen und Aufgaben können Fragebögen, Darlegungen und Analysen bestimmter interkultureller Fälle sein. Es können aufgrund der schon vorhandenen Übungen zur Selbsteinschätzung interkultureller Kompetenz und der Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit entsprechende Übungen und Aufgaben für chinesische Germanistikstudenten ausgearbeitet werden. Hierbei sollte man keinen Anspruch auf die Exaktheit und Vollständigkeit der Einschätzung erheben. Vielmehr geht es darum, die Studierenden für bestimmte Aspekte der interkulturellen Kompetenz zu sensibilisieren und ihnen eine Rückmeldung über ihre Lernfortschritte zu geben. Um die Entwicklung interkultureller Kompetenz systematischer einzuschätzen und zu dokumentieren, könnten die Germanistikstudenten mit Hilfe des in Kapitel 3.3.3.1 dargestellten multidimensionalen Modells der interkulturellen Kompetenz ¾ die Entwicklung der Fähigkeiten und Eigenschaften, die vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit führen,

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¾ die Wechselwirkung von Wissen und Verstehen der eigenen und der fremden Kultur und die ¾ Entwicklung der Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur interkulturellen Handlungskompetenz führen, beschreiben. Damit die Beschreibungen mehr Aussagekraft haben, sollte hierfür auch eine Außenperspektive und eine Fremdeinschätzungen eingearbeitet werden. Dabei können die Studenten in Bezug auf die Teilkompetenzen Lernfortschritte, Beobachtungen, Erlebnisse, aber auch Probleme und Schwierigkeiten beschreiben, je konkreter, desto besser. Dies gilt auch für die schriftlichen Anmerkungen aus Sicht der „Anderen“. Eigenperspektive Vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit Positive Grundeinstellung Distanz zu der eigenen Kultur, Ethnorelativität Offenheit Sensibilität und Einfühlungsvermögen Toleranz Respekt, Wertschätzung Multiperspektivität, Perspektivwechsel Wissen u.Verstehen d. eigen. u. fremd. Kultur Wissen über die eigene Kultur Wissen über die fremde Kultur Wissen über beide Kulturen Wissen über die interkulturelle Kommunikation Vom Wissen zum Verstehen Denkfähigkeit, Selbstreflexion

Fremdperspektive

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Interkulturelle Handlungskompetenz Anpassungsfähigkeit Authentizität Flexibilität Teamfähigkeit Selbst. Handeln u. Verantwortungsbewusstsein Kommunikationsfähigkeit Sprachkompetenz Vermittlungskompetenz Suche nach Gemeinsamkeiten Synergiefähigkeit Abbildung 11: Assessment der interkulturellen Kompetenz

Bei dieser Form der Einschätzung der interkulturellen Kompetenz geht es darum, den Prozess zu mehr Ethnorelativität, zur Erweiterung und Vertiefung des Wissens und Verstehens der eigenen und fremden Kultur und zu mehr interkultureller Handlungskompetenz zu beschreiben, Lernfortschritte bewusst zu machen und ein Selbstwertgefühl zu entwickeln. Dieses Assessment sollte den Studierenden dabei helfen, interkulturelle Erfahrungen sowie ihre eigenen Stärken und Schwächen zu reflektieren, zu dokumentieren und den Prozess der Entwicklung interkultureller Kompetenz bewusster zu gestalten. Sicherlich können mit Hilfe dieser Beschreibung noch ausführlichere Informationen über die Entwicklung interkultureller Kompetenz in Bezug auf die drei Dimensionen gegeben werden. Man kann auf Basis der bereits vorliegenden Untersuchungsergebnisse und mittels weiterer empirischer Forschungen einen Referenzrahmen für die Beurteilung der Entwicklung von interkultureller Kompetenz ausarbeiten, was ich dem Anleitungskomitee für Germanistik an chinesischen Hochschulen dringend empfehle. Aufgrund der oben beschriebenen regelmäßigen Evaluation und Dokumentation kann die Biographie des interkulturellen Lernens der jeweiligen Studierenden ausgearbeitet werden. Ein großer Vorteil hierfür ist, dass die Persönlichkeitsentwicklung der Studenten im Mittelpunkt steht.

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Auf der Grundlage dieser Einschätzung kann ein Portfolio Assessment (vgl. Wang 2007, 285ff) für interkulturelle Kompetenz entwickelt werden. Das Portfolio soll den Studierenden die Möglichkeit geben, detaillierte und aussagekräftige Angaben über den Prozess des interkulturellen Lernens zu geben. Es kann sowohl zur Zielvereinbarung und Lernerfolgskontrolle, als auch zur Information für den Arbeitgeber bei der Bewerbung um einen Arbeits- oder einen Praktikumsplatz dienen. Das Portfolio ermöglicht den Studierenden, differenzierte Aspekte ihrer Lernbiographie festzuhalten und zu präsentieren. Zudem umfasst das Portfolio nicht nur offiziell ausgestellte Zeugnisse, sondern es dokumentiert vor allem auch den Weg zur Erlangung von mehr interkultureller Kompetenz. Konkret kann man in drei Schritten vorgehen (vgl. Wang 2007, 283): Schritt 1: Am Semesteranfang können die Lehrenden mit den Studierenden Lernvereinbarungen in Bezug auf Inhalt, Form, Ziele und Zeitplan treffen. Dazu gehören die in diesem Kapitel vorgeschlagenen Formen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz: Lehrveranstaltungen, Praktika, interkulturelle Begegnungen. Bei den Einträgen und hinzugefügten Dokumenten sollten bei Möglichkeit immer auch Fremdeinschätzungen durch den interkulturellen Partner, die Vorgesetzten, die Kollegen im Praktikum oder die Kommilitonen dabei sein, um ein ganzheitliches Bild von den Studierenden zu gewinnen. Schritt 2: In der Mitte des Semesters können die Lehrenden anhand des Portfolios ein Beratungsgespräch mit den Studierenden führen, um das interkulturelle Lernen zu evaluieren und gegebenenfalls Hilfeleistung anzubieten. Schritt 3: Nach Ablauf der vereinbarten Zeit können die Lehrenden anhand des Portfolios ein Gutachten für die jeweiligen Studenten verfassen. Auch die Studierenden sollten eine Selbsteinschätzung schreiben. Die Portfolios können unter den Studierenden ausgetauscht werden, sodass diese auch diskutiert werden können. In diesem Prozess sollten Lernstrategien zur Förderung interkulturellen Lernens ausgearbeitet und „Werkzeugkasten“ für interkulturelle Kommunikation ausgebaut werden. Das Portfolio Assessment ist prozessorientiert, holistisch und lernerzentriert. Es ist viel transparenter und aussagekräftiger als die Noten und macht die Stationen des Prozesses zur Entwicklung interkultureller Kompetenz „sichtbar“. Es hat somit nicht nur eine Dokumentationsfunktion, sondern auch eine pädagogischdidaktische Funktion als Lernbegleiter und Lernhelfer.

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5.5 Förderung der interkulturellen Kompetenz als Bestandteil der Lehrerausbildung und -fortbildung Interkulturell kompetente Lehrer sind eine unverzichtbare Voraussetzung zur Förderung der interkulturellen Kompetenz von Studierenden. Interkulturelle Kompetenz als offener Prozess bedeutet daher auch, dass die Lehrenden ebenfalls interkulturell Lernende sein müssen. Auch sie müssen mehr Kulturrelativität entwickeln, die eigene und die deutsche Kultur in ihrer Dynamik kennen und verstehen und in verschiedenen interkulturellen Überschneidungssituationen immer souveräner handeln können. Darüber hinaus müssen sie neben der sprachlichen Kompetenz und der didaktischmethodischen Kompetenz in der Lage sein, interkulturelle Kompetenz zu vermitteln. Dies bedeutet nicht nur, wie der vorliegenden Arbeit zu entnehmen ist, Wissen über die eigene und die fremde Kultur sowie über die interkulturelle Kommunikation zu vermitteln, sondern den Prozess zu mehr interkultureller Kompetenz zu fördern, die Studierenden dabei zu unterstützen, Strategien für das interkulturelle Lernen zu entwickeln, diese auch selbst zu praktizieren und an dem Prozess aktiv teilzunehmen. Denn auch die interkulturelle Kompetenz der Lehrenden unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel. Sie müssen bereit sein, diese Kompetenz nachhaltig zu aktualisieren, zu vertiefen und zu erweitern. Aufgrund der in Kapitel 4.4.2 geschilderten Situation müssen die chinesischen Hochschulen viel mehr Gewicht auf die didaktisch-methodische Kompetenz der Lehrenden legen und entsprechende Fortbildungsmaßnahmen anbieten und fördern. Aufgrund der oben dargestellten Erkenntnis, die von vielen Experten in meiner Untersuchung unterstrichen wurde, muss die Förderung der interkulturellen Kompetenz Bestandteil der Lehrerausbildung und -fortbildung sein. Die interkulturelle Kompetenz steht mit der didaktisch-methodischen Kompetenz in einem sich ergänzenden Verhältnis. Denn die Lehrenden sollten in der Lage sein, eine Lernkultur zur Förderung interkultureller Kompetenz zu schaffen und diese als ein wichtiges Lernziel in verschiedene Studienfächer zu integrieren. Sie sollten als Berater, Organisator, Moderator, Mittler und Vermittler die Studierenden auf dem Weg zu mehr interkultureller Kompetenz begleiten. Das Berufsprofil der Lehrer ist somit vielfältiger und auch anspruchsvoller geworden. Es setzt neue Fähigkeiten und Fertigkeiten voraus. Erfahrungen mit und in der deutschen Kultur sind wichtig. Dazu gehört, sich regelmäßig in dem Zielkulturland fortzubilden und sich mit den Mitgliedern dieser Kultur auszutauschen.

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Zudem müssen die Lehrenden die chinaspezifischen Lernstile kennen, um auf deren Grundlage das interkulturelle Lernen der Studierenden zu fördern. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Lehrerfahrungen mit ausländischen Studierenden, die Chinesisch als Fremdsprache lernen oder China als Zielkultur haben, sehr wertvoll sein können. Denn dadurch können die Lehrenden ihr Bewusstsein von der chinesischen Kultur stärken und zugleich auch neue Perspektiven gewinnen. Sie müssen lernen, mit der Ehrfurcht der Studenten kritisch umzugehen (vgl. Kapitel 4.4.1), deren Vertrauensvorschuss zu nutzen und sie zum kritischen Denken und selbstständigen Handeln ermutigen. Sie sollten ihre eigene Begrenztheit einsehen und ergänzende Ressourcen zur Förderung des interkulturellen Lernens der Studierenden einholen, beispielsweise durch institutionalisierte Zusammenarbeit mit den Unternehmen und den deutschen Hochschulen. Die Lehrpersonen müssen auch praktische Erfahrungen machen, um ebenfalls ihre interkulturelle Handlungskompetenz zu erweitern. Ein Problem dabei ist, dass die meisten Hochschulen inzwischen die Promotion als Einstellungsvoraussetzung festgeschrieben haben, wobei die Lehrenden nicht mehr die Möglichkeit haben, als junge Akademiker zuerst Lehrerfahrungen zu sammeln, in den Lehrbetrieb hineinzuwachsen und dann zu promovieren. Daher ist zu empfehlen, dass auch neu einzustellenden Lehrkräften berufsbegleitende Möglichkeiten zur Promotion gegeben werden. Die Lehrenden müssen interkulturelle Handlungskompetenz nicht nur theoretisch vermitteln, sondern selbst über diese Kompetenz verfügen. Insbesondere sollten sie lernergerechte Strategien ausarbeiten und den Studenten zu mehr interkultureller Kommunikationsfähigkeit verhelfen. Sie sollten bereit sein, für ihren Beruf immer wieder Neues zu lernen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Medienkompetenz, um die vielfältigen Ressourcen für das interkulturelle Lernen zu nutzen und die Studierenden dabei unterstützen zu können. Aufgrund der Tatsache, dass die meisten Germanistikstudenten keine Chancen haben, sich während des Studiums in Deutschland aufzuhalten, sind ihre Lehrenden eine wichtige Quelle ihres Deutschlandbildes. Somit sollten die Lehrenden bereit sein, sich mit der Entwicklung und den Veränderungen in Deutschland auseinanderzusetzen und ein differenziertes und authentisches Deutschlandbild zu schaffen.

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6. Schlussbetrachtung 6.1 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, was interkulturelle Kompetenz in der beruflichen Praxis bedeutet und wie man bei chinesischen Germanistikstudenten diese Kompetenz fördern sollte. In der Auseinandersetzung mit verschiedenen theoretischen Ansätzen habe ich über mein Selbstverständnis des Begriffs „Kultur“ Rechenschaft abgelegt. Dabei gehe ich von einem Kulturbegriff aus, der weit gefasst ist und nicht ausgrenzt, sondern sich öffnet, integriert und nicht zuletzt dem Konzept zur Förderung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten viel Raum lässt. Aus der Sicht einer chinesischen Germanistin fällt auf, dass die bisher referierte wissenschaftliche Diskussion über „interkulturelle Kompetenz“ deutlich von einem westlichen Blickwinkel geprägt ist. Die Schwierigkeiten in den interkulturellen Begegnungen sowie die Kulturschockhypothese nehmen in vielen Publikationen einen dominierenden Platz ein und es werden viele Ratschläge über kulturelle Unterschiede und Differenzen, die zu meistern und zu überwinden sind, gegeben. Zum einen werden dabei Unterschiede und Gegensätze oft als etwas Negatives oder gar Bedrohliches geschildert, zum anderen wird übersehen, dass es zwischen den Kulturen auch viele Gemeinsamkeiten gibt. Als weiteres Problem hat sich herausgestellt, dass die Debatte über den Inhalt der interkulturellen Kompetenz zu stark zielorientiert und zu wenig prozessorientiert ist. Somit ging es mir bei der Untersuchung der Entwicklung interkultureller Kompetenz darum, über die Betrachtung von Teilkompetenzen zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise zu gelangen. Mit der Methode des leitfadengestützten Interviews habe ich 20 chinesische und deutsche Führungskräfte, die in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit tätig sind, befragt. Sie haben mir aus einer Innenansicht der beruflichen Praxis einen Überblick über die Erfahrungen chinesisch-deutscher Zusammenarbeit gegeben und ausführlich dargestellt, welche Eigenschaften und Kompetenzen im Rahmen der interkulturellen Zusammenarbeit zum Erfolg beitragen. Aufgrund ihrer Erfahrungen und Erwartungen haben die Experten Empfehlungen für das Germanistikstudium in China unter Berücksichtigung der Förderung interkultureller Kompetenz gegeben.

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SCHLUSSBETRACHTUNG

Auf meine Frage nach der interkulturellen Kompetenz haben die Interviewpartner zwar eine große Bandbreite von Aspekten und Teilkompetenzen genannt, aber zugleich hervorgehoben, dass „interkulturelle Kompetenz“ mit ihren facettenreichen Komponenten keine abschließend beschreibbare und abschließend erlernbare Fähigkeit oder Fertigkeit sei, sondern sich in einem offenen Prozess entwickelt. Um diesen Kernaussagen, welche die Offenheit, Dynamik und Prozesshaftigkeit der interkulturellen Kompetenz betonen, gerecht zu werden, habe ich als Ergebnis meiner Untersuchung diese Kompetenz als einen mehrdimensionalen Prozess des permanenten interkulturellen Lernens dargestellt. Nach dem von mir erarbeiteten multidimensionalen Modell der Entwicklung interkultureller Kompetenz (vgl. Kapitel 3.3.3.1) ¾ gibt es einen Ansatz des interkulturellen Lernens, der vom ethnozentrischen Denken und Verhalten zu einer polyzentrischen oder zumindest ethnorelativierten Einstellung gegenüber fremden Kulturen führt. ¾ Zugleich gibt es einen Pfad des interkulturellen Lernens, der vom unbewussten zum bewussten und vom oberflächlichen zum tieferen Wissen und Verständnis der fremden Kulturen und auch der eigenen Kultur führt. ¾ Des Weiteren gibt es einen Prozess vom unproduktiven, unsicheren und inadäquaten Handeln zum sicheren, adäquaten, und produktiven Handeln im interkulturellen Kontext. Dabei wirken nach Ansicht der Experten die Lernbereitschaft und Lernkompetenz in allen drei Dimensionen der Entwicklung interkultureller Kompetenz zusammen. Obwohl die deutsche Sprache als Geschäftssprache in der internationalen Zusammenarbeit gegenüber der englischen Sprache an Bedeutung verloren hat, rieten die Experten zur Aufnahme eines Germanistikstudiums, insbesondere unter dem Aspekt der Förderung interkultureller Kompetenz. Denn dieses Studium kann in allen der oben dargestellten Dimensionen einen Beitrag zur Entwicklung der interkulturellen Kompetenz leisten, welche für die zunehmende internationale Zusammenarbeit unabdingbar ist. Zugleich empfahlen viele Gesprächspartner den Studierenden, sich neben der Germanistik noch ein weiteres Spezialgebiet anzueignen, um damit die Berufsaussichten zu verbessern. Die chinesische Germanistik befindet sich zurzeit in einem Umbruch. Die Reformversuche mit Suzhi-Bildung und Fuhe-Ausbildung stellen günstige Voraussetzungen zur Implementierung von curricularen Anteilen mit dem Ziel der Vermittlung und Förderung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten dar. Die Suzhi-Bildung betrachtet die Studenten als ganzheitliche Persönlichkeiten und legt Wert auf die Förderung der fachübergreifenden Kernkompetenzen,

SCHLUSSBETRACHTUNG

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die inhaltlich im Wesentlichen mit der interkulturellen Kompetenz übereinstimmen. Das Konzept der Fuhe-Ausbildung zeigt, dass das Germanistikstudium interdisziplinär ausgerichtet werden kann und erweiterungsfähig ist und bietet den Germanistikstudenten bei der Entwicklung ihrer interkulturellen Kompetenz einen größeren Spielraum als bisher. Die bisherige Entwicklung der chinesischen Germanistik lässt die Öffnung des Germanistikstudiums von eher literarisch-sprachlicher Orientierung zu einer stärkeren Berücksichtigung des Schwerpunktes „interkulturelle Kompetenz“ zu. Dabei sollte das Studium als Prozess des permanenten interkulturellen Lernens aufgebaut werden. Für die Lehrenden bedeutet das, – im Bild des in der vorliegenden Arbeit schon zitierten Gleichnis von Laotsi – den „hungrigen“ Studierenden nicht bloß „einen Fisch zum Essen zu geben“, sondern ihnen „das Fischen“ beizubringen. Das Curriculum für das Fach Germanistik bedarf somit eines Wechsels von der eher geschlossenen und philologisch-literarisch orientierten Elitebildung zu einer offenen und berufspraxisorientierten Bildung, die die Entwicklung der Persönlichkeit der Studierenden als Ganzes und insbesondere die Förderung der interkulturellen Kompetenz als Ziel hat. Da fehlende praktische Erfahrungen noch immer ein großes Defizit darstellen, sind Praktika als obligatorische Bestandteile eines Germanistikstudiums dringend zu empfehlen und alle anderen Aktivitäten der Studierenden, in denen sie interkulturelle Erfahrungen sammeln, sehr zu unterstützen. Eine weitere wichtige Rahmenbedingung zur Förderung interkultureller Kompetenz chinesischer Studenten ist, dass das Germanistikstudium sich möglichst anderen Disziplinen, anderen Hochschulen und nicht zuletzt der Berufswelt öffnet. Um die Entwicklung interkultureller Kompetenz besser einschätzen und transparenter machen zu können, wurde von mir ein Instrumentarium zur Selbst- und Fremdeinschätzung der Interkulturellen Kompetenz vorgeschlagen. Die Erkenntnis, dass die Aneignung interkultureller Kompetenz nur in einem offenen Prozess möglich ist, bedeutet demnach, dass auch die Lehrenden interkulturell Lernende sein müssen. Ferner sollten sie den Studierenden nicht nur Wissen über die eigene und die fremde Kultur sowie über die interkulturelle Kommunikation vermitteln, sondern den Prozess zu mehr interkultureller Kompetenz fördern. Insbesondere kommt es darauf an, die Studierenden so zu unterstützen, dass sie selbst Strategien für ihr interkulturelles Lernen entwickeln können.

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SCHLUSSBETRACHTUNG

6.2 Kritische Reflexion und Ausblick 6.2.1 Reflexion Wie bereits in Kapitel 3 ausführlich dargestellt wurde, ist die Arbeit den Gütekriterien qualitativer Forschung (vgl. u. a. Flick/Kardorff/Steinke 2000; Flick 2002) verpflichtet und orientiert sich konsequent an deren Maßstäben. Mittels einer durchgängigen Transparenz bei der Vorbereitung, der Auswahl und der Bewertung der Daten werden die Überprüfbarkeit und die Glaubwürdigkeit des Vorgehens gewährleistet. Im Bewusstsein der möglichen methodischen Gefahren habe ich versucht, das Risikopotenzial durch die in Kapitel 3.1.2 dargestellten Maßnahmen zusätzlich zu minimieren. Durch die Erarbeitung nachvollziehbarer Auswertungskriterien ist eine Verallgemeinerung der Forschungsergebnisse möglich. Dennoch möchte ich auf zwei Aspekte hinweisen, die in der Erarbeitung der empirischen Grundlage nicht ausführlich berücksichtigt wurden: ¾ Für die Arbeit wäre es sicherlich hilfreich gewesen, wenn ich mit chinesischen Führungskräften, die in Deutschland tätig sind, gesprochen hätte. Denn es ist nicht zu übersehen, dass immer mehr chinesische Institutionen und Unternehmen nach Deutschland gehen und damit interessante Arbeitgeber für chinesische Germanistikabsolventen sein können. Dass ich dennoch darauf verzichtet habe, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass es sich um eine sehr kleine, empirisch noch nicht relevante Gruppe handelt. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass diese Gruppe immer mehr an Bedeutung gewinnt und deshalb für künftige Untersuchungen immer wichtiger wird. ¾ Wenig Aufmerksamkeit habe ich auch den Germanistikabsolventen gewidmet, die in chinesischen Forschungsinstituten oder in staatlichen Verwaltungseinrichtungen tätig sind. Der Grund für diese Entscheidung ist die Tatsache, dass es sich auch hier nur um eine kleine Gruppe handelt und zudem um eine Gruppe, die in absehbarer Zeit nicht wachsen wird. Ich bin mir im Klaren darüber, dass der mehrfache Perspektivenwechsel in dieser Arbeit wahrscheinlich nicht immer selbstverständlich ist. Aber ich wollte nicht darauf verzichten, meine chinesische Perspektive und meine „deutschen“ Erfahrungen so zu verknüpfen, dass daraus eine Synergie entstehen kann, die unserem Fach und unseren Studenten in China dienlich ist.

SCHLUSSBETRACHTUNG

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Die vorliegende Arbeit erhebt keinen Anspruch darauf, das Thema „interkulturelle Kompetenz in China“ vollständig zu bearbeiten. Vielmehr habe ich versucht, über den „Tellerrand“ des eigenen akademischen Alltags hinaus zu schauen, eine Brücke zu schlagen zwischen den chinesischen Hochschulen und der Berufspraxis und damit der Förderung interkultureller Kompetenz der chinesischen Germanistikstudenten neue Impulse zu geben.

6.2.2 Ausblick Folgende Aspekte, die sich aus der Untersuchung ergeben haben, sind für die Weiterentwicklung des Themas interkulturelle Kompetenz an chinesischen Hochschulen unerlässlich. Da ich sie in meiner Arbeit nur thematisieren, aber nicht vertiefen konnte, sollten sie Gegenstand weiterer Ausarbeitungen sein: ¾ Um meine allgemeinen Empfehlungen zu konkretisieren und sie in den Alltag der Lehrveranstaltungen einzuführen, ist ein didaktisch-methodischer Ansatz zur Vermittlung interkultureller Kompetenz in den Lehrveranstaltungen notwendig. ¾ Dieser Ansatz muss begleitet werden von Lehrmaterialien, die Wissen und Verstehen in der eigenen wie in der fremden Kultur entwickeln, Ethnorelativität aufbauen und interkulturelle Handlungskompetenz fördern. ¾ Parallel dazu ist es ein Desiderat, ein Konzept zur Lehreraus- und -fortbildung zu erarbeiten, das sowohl die interkulturelle Eigenkompetenz der Lehrer verbessert als auch ihnen hilft, die interkulturelle Kompetenz der Studierenden zu erweitern. ¾ Ein großes Anliegen ist es mir, eine verstärkte Forschung zum Thema der „interpersonalen Dimension“ interkultureller Begegnungen und der Kompetetenz, in diesen Begnungen mit Gewinn für alle Beteiligten erfolgreich zu interagieren, anzuregen, weil ich diesbezüglich in meiner Arbeit auf ein großes Defizit gestoßen bin. Die Diskussion über interkulturelle Kompetenz hat zu häufig die Qualifikation des einzelnen im Blickfeld und vernachlässigt die des interkulturellen Gegenübers. Sie übersieht dabei, dass es noch keine Garantie für den Erfolg interkultureller Zusammenarbeit ist, wenn nur ein Partner interkulturell kompetent ist. Da interkulturelle Kommunikation keine Einbahnstraße ist, geht es auch darum, dem interkulturellen Gegenüber den Weg in Richtung der in der vorliegenden Arbeit dargestellten drei Pfade zu erleichtern. Es wäre deshalb mehr als wünschenswert, wenn die Forschung sich mit der Frage beschäftigen würde, welche Ansätze und Strategien es geben kann, um

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SCHLUSSBETRACHTUNG

dieses Ungleichgewicht zugunsten einer interpersonalen und interaktionsorientierten Kommunikation zu verändern. Am Anfang stand das Problem. Am Ende der Arbeit bin ich davon überzeugt, dass diesem Problem eine große Chance innewohnt, wenn wir die daraus erwachsenen Herausforderungen nur annehmen. Es ist Zeit, einen neuen fachbezogenen, aber auch fachübergreifenden Dialog zum Thema interkulturelle Kompetenz anzufangen, der nicht nur in China, sondern auch im internationalen Kontext geführt werden muss. So steht am Ende wieder ein Anfang.

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48 Wenn keine englische Übersetzung des Aufsatz- und Buchtitels von den jeweiligen Autoren vorhanden ist, wird der Titel von mir ins Deutsche übersetzt. 49 Wenn eine englische Übersetzung des Aufsatz- und Buchtitels von den jeweiligen Autoren vorhanden ist, wird diese benutzt.

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257

8

Anhang

8.1 Interviewleitfaden Interviewleitfaden (deutsch) Fragen zur Person: Name: Fachausbildung/Studium: Firma/Organisation: Position: Auslandsaufenthalte: Erfahrungen: 1. Können Sie mir beschreiben, welches Produkt Ihre Firma herstellt und vertreibt? Welche Märkte sind Ihre Zielmärkte? Welche gesellschaftsrechtliche Struktur hat Ihre Firma gewählt, um das Ziel zu erreichen? Welche Organisation hat man eingeführt? 2. Gibt es in Ihrer Firma/Organisation Mitarbeiter mit einer GermanistikAusbildung? Wenn ja, aus welchen Gründen wurden sie eingestellt? 3. Was sind besondere Merkmale Ihrer Firma/Organisation im Vergleich zu einer rein chinesischen bzw. rein deutschen Firma/Organisation? Können Sie bitte Beispiele nennen? 4. Welche Konsequenzen haben diese Merkmale für die Arbeit und für die Mitarbeiter? 5. Wo funktioniert die Zusammenarbeit besonders gut? Wo gibt es Probleme? 6. Eine besondere Bedeutung kommt wahrscheinlich der Kommunikation zwischen den chinesischen und deutschen Partnern zu. Können Sie mir Ihre Erfahrungen in Bezug auf diese Kommunikation schildern? Können Sie mir Situationen und Erlebnisse beschreiben, in denen die Frage der Kommunikation besonders wichtig ist? 7. Was glauben Sie, was man tun könnte, um diese Kommunikation zu verbessern?

258

ANHANG INTERVIEWLEITFADEN

8. Haben Sie schon erste Erfahrungen mit besonderen Strategien in der Kommunikation zwischen chinesischen und deutschen Partnern? 9. In welchen Sprachen erfolgt die Kommunikation in Ihrer Firma/Organisation? Welche Rolle spielt die deutsche Sprache? Gibt es dabei etwas, was man besonders beachten muss? Gibt es Ihrer Erfahrung nach Probleme bei Chinesen, wenn sie in deutscher Sprache kommunizieren? Erwartungen: 10. Worauf achten Sie bei einem Einstellungsgespräch besonders in Ihrer Firma/Organisation? 11. Welche Qualifikationsmerkmale sind wichtig für den Erfolg eines Mitarbeiters in einem internationalen Unternehmen? (Können Sie einmal beschreiben, was Sie konkret damit meinen?) 12. Welche Rolle spielen dabei Fachkompetenz und fachübergreifende Kompetenzen wie z.B. Kommunikationsfähigkeit und Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen? 13. Worauf achten Sie bei jemandem, den Sie für Tätigkeiten in einem internationalen Kontext einstellen? 14. Man hört ja oft den Begriff „interkulturelle Kompetenz“. Was verstehen Sie darunter? Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Mitarbeiter in diesem Zusammenhang? 15. Was ist Ihre Vorstellung von einem interkulturell kompetenten Menschen? 16. Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach die interkulturelle Kompetenz Ihrer Mitarbeiter? Haben Mitarbeiter, die eine ausgeprägte interkulturelle Kompetenz besitzen, bessere Chancen, Erfolg im Beruf zu haben? Warum? Können Sie Beispiele nennen? 17. Welche Rolle spielt das Verständnis der eigenen Kultur in einem internationalen Unternehmen für die chinesischen Mitarbeiter? Wenn ja, welche? Wenn nicht, warum? 18. Wenn Sie die Wahl hätten zwischen einem chinesischen Bewerber, der Deutsch kann und die chinesische und die deutsche Kultur gut kennt und einem anderen Bewerber, der gut Deutsch kann, aber die chinesische und die deutsche Kultur weniger kennt, wen würden Sie nehmen? Warum? 19. Welche anderen Faktoren spielen für den beruflichen Erfolg noch eine Rolle? 20. Welche besonderen Erwartungen haben Sie an chinesische Berufsanfänger, die

ANHANG INTERVIEWLEITFADEN

259

Aufgaben in Ihrer Firma übernehmen sollen, bei denen man auch Deutschkenntnisse und Kenntnisse über Deutschland haben sollten? Empfehlungen: 21. Was würden Sie sich wünschen, wodurch Universitäten durch die Ausbildung ihrer Studierenden dazu beitragen könnten, dass Absolventen von Universitäten, wenn sie bei Ihnen arbeiten, Sie bei der internationalen Zusammenarbeit unterstützen können? 22. Was sollte Ihrer Meinung nach integrierter Bestandteil des Studiums sein, um Studenten besser auf die interkulturelle Berufstätigkeit vorzubereiten? 23. Können Ihrer Meinung nach die Unternehmen auch einen Beitrag zu dieser Vorbereitung leisten? Wenn ja, welchen? Wenn nicht, warum? Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Unternehmen in der Kooperation mit der Universität bestimmte Aufgaben übernehmen könnte (z.B. Praktika, Informationsaustausch)? 24. Welche Ratschläge geben Sie den Germanistikstudenten, die in der Zukunft in einer internationalen Firma/Organisation arbeiten wollen? 25. Wenn man die Entwicklung interkultureller Kompetenz als einen Prozess bezeichnet, meinen Sie, dass dieser Prozess aus verschiedenen Stufen besteht? Wenn ja, welche? 26. Fällt Ihnen noch etwas ein, das Sie zu diesem Fragenkatalog ergänzen könnten? Vielleicht haben Sie noch Fragen an mich?

260

ANHANG INTERVIEWLEITFADEN

Interviewleitfaden (Chinesisch) 个人信息: 姓名: 学历/ 专业: 工作单位: 职务: 国际学习与工作经验: 经验: 1. 请简短介绍一下贵公司/机构的情况,包括公司生产的产品提供的服 务,销售市场,公司组织形式。 2. 请问公司有德语毕业生吗(当时是出于什么原因招聘他们的?) 3. 您认为中德合作的企业/ 机构与纯中国企业或机构有什么不同之处?能举 出具体的例子加以说明吗? 4. 这些不同之处对于中德企业或机构的日常工作以及中德企业或机构的员 工意味着什么? 5. 请问贵公司/机构的中外合作在哪些方面比较好?哪些方面还存在问 题? 6. 可以想象中德合作者之间的交流对于贵公司/机构来说是非常重要的, 请讲一讲有关跨文化交际方面的情况,您能举几个具体的实例来说明跨 文化交际的重要性吗? 7. 您认为应当怎样改善这种跨文化交际? 8. 请您贵公司/机构是否已经总结出了一套中德跨文化交际的策略? 9. 请问贵公司/机构的工作语言是什么?也使用德语做工作语言吗?在这 方面有特别需要注意的问题吗?您发现中国人在应用德语进行交流时存 在什么问题吗? 期望 10. 请问贵公司/机构在招聘新员工时主要重视哪些方面? 11. 请问国际企业中员工的那些素质和能力有助于他取得事业的成功?(您 能举具体例子说明吗?)

ANHANG INTERVIEWLEITFADEN

261

12. 请问在国际企业中专业知识和能力与跨专业能力(如交际能力、与异文 化人交往的能力等)各起什么样的作用? 13. 贵公司/机构在招聘从事国际合作的人才时主要注重些什么? 14. 我们经常听到或读到“跨文化能力”这个概念,您认为这一能力具体指的是 什么?贵公司/机构对员工的“跨文化能力”有什么具体要求? 15. 您心目中具有跨文化能力的人是什么样的 16. 您认为员工的“跨文化能力”有何种意义?具有很强的跨文化能力的员工在 职业生涯中有更多成功的机会吗?能否举例说明? 17. 在国际化的企业/机构中, 中国员工对中国文化的了解和认识起何种作 用?为什么?能否举例说明? 18. 两名中国的求职者,都精通德语,其中的一名对中国和德国文化都有很 深的了解,而另一名则对中国和德国文化了解不多,如果他俩到贵公司 /机构求职,您会挑选哪一个?为什么? 19. 还有什么其他因素对事业成功很起重要作用呢? 20. 贵公司/机构在招聘精通德语并熟悉德国文化的人才时对他们有什么特 别的期望? 建议: 21 您认为大学教育应当怎样培养人才,以便使他们更适应今后职业生活中 的国际合作? 22. 为了使学生更好地为跨文化合作做准备,德语专业的课程设置应当注重 哪些方面的内容? 23. 您认为企业和机构可以为大学阶段的跨文化人才培养做些什么?您认为 贵公司/机构可以在与高校的合作中做出具体的贡献吗(如提供实习机 会,信息交流等)? 24. 您对希望将来到外企工作的德语专业大学生有什么建议? 25. 如果培养跨文化能力是一个长期的过程,您认为这一过程应当包括哪些 阶段? 26. 请问您还有什么需要补充的吗?也许还有什么需要向我提出的问题?

262

8.2 Code-Übersicht Die folgende Tabelle stellt eine Übersicht der Kategorien und Hauptcodes dar, die für die Auswertung der Experteninterviews verwendet wurden. Die Hauptcodes wurden aus den Ursprungscodes abgeleitet und waren die erste Abstrahierungsstufe der Kodierung. Das genauere Verfahren der Datencodierung wird in Kapitel 3.2.3.2 dargelegt. 1. Chinesisch-deutsche interkulturelle Zusammenarbeit Nr.

Codebezeichnung

Beispielzitate

1.1

Positive Entwicklung

„Ich würde sagen, dass der Erfolg der chinesischen und deutschen Seite vor allem den Gemeinsamkeiten zu verdanken ist, die wir auf beiden Seiten gefunden haben. Das Handelsvolumen zwischen China und Deutschland beträgt jetzt 60 Milliarden USD. Dieser Erfolg ist auch darauf zurückzuführen, dass wir Chinesen und Deutsche die Kultur der Anderen immer besser kennen lernen und wir immer besser in der Lage sind, unsere Gemeinsamkeiten und die Synergien zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass hinter den wirtschaftlichen Tätigkeiten zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen die interkulturellen Faktoren eine große Rolle spielen.“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant)

1.2

Problemfelder

1.2.1

Ethnozentrische Einstellung

„Das Problem ist, viele deutsche Firmen haben keine Erfahrungen mit China. Viele Firmen sind bis jetzt international erfolgreich und viele Firmen möchten ihre Erfahrungen eins zu eins übersetzen. Sie denken: ‘Das, was wir überall gemacht haben, das muss hier in China auch gehen. ’“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

263

1.2.2

Kommunikationsstile

„Das Ausmaß an Höflichkeitsfloskeln, das Chinesen, so glaube ich, untereinander eher geneigt zu erteilen sind, ist in der Zusammenarbeit mit deutschen oder anderen internationalen Unternehmen weniger gefragt.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

1.2.3

Personen- und Sachorientierung

„Wenn ein Chinese etwas tut oder sagt, macht er sich zuerst Gedanken darüber, was sein Verhalten bzw. seine Äußerung für seine Mitmenschen bedeutet. Man überlegt sich oft hin und her, um zu erkennen, wie die anderen einen sehen. Die Deutschen machen es sich viel einfacher. Wenn sie etwas für richtig halten, tun sie das.“ (Herr E., chinesischer Bereichsleiter einer deutschen Organisation)

1.2.4

Planung und Improvisation

„Die Chinesen denken, Papier ist geduldig, man könne doch alles auf dem Papier schreiben. Man müsse nicht alles einhalten, was auf dem Papier steht. Aber die Deutschen gehen immer planvoll an die Arbeit ran. […] Aufgrund solcher Unterschiede gibt es viele Missverständnisse oder gar interkulturelle Konflikte.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes).

1.2.5

Zeitvorstellungen

„Die Deutschen wollen am liebsten in China ankommen, über das Projekt reden und sich am selben Tag wieder in das Flugzeug setzen und nach Hause fliegen.“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

264

1.3

Relativierung der Probleme

1.3.1

Gegen die Pauschalisierung

„Ja, man hört ja doch oft von solchen „Knigge“: Die Deutschen dürfen nicht so und so und die Chinesen dürfen nicht so und so. Es gibt so viele Tabus. Oft höre ich von den deutschen Kollegen: ‘Ja, man hat uns gesagt, wir dürfen Chinesen gegenüber dies oder jenes nicht tun’. Ich sage ihnen: ‘Bei manchen Chinesen dürfen Sie das nicht, bei anderen schon. Man kann nicht so pauschal sagen, was man überhaupt nicht tun darf!’“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

1.3.2

Gegen die Polarisierung

„Das Seminar für Deutsche ist so angelegt, dass es sehr stark polarisiert, also sehr stark kontrastiert, auf der einen und auf der anderen Seite. Dieser Ansatz, zu vergleichen, ist schon richtig, weil es gar nicht anders geht. Aber diese Polarisierung, dass man Themen hat, mit denen man sich auseinandersetzt und so argumentativ an die Themen herangeht, ich glaube, das können wir bei den Chinesen nicht richtig machen.“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation)

1.3.3

Probleme und kulturelle Unterschiede nicht übertreiben

„Aber wir wollen die Unterschiede nicht übertreiben, denn wir sind der Meinung, dass es weder extrem typische Chinesen noch typische Deutsche gibt, vor allem in einem internationalen Unternehmen. Z.B. in unserer Firma, die Deutschen kennen mehr oder weniger die chinesische Verhaltensweise und die Chinesen die deutsche. Sie beeinflussen einander auch gegenseitig. Wir sagen, manche sind eher deutsch, während die anderen eher chinesisch sind. Wir sollten die Menschen eher als einzelne Individuen sehen.“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

265

1.4

Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit

1.4.1

Interkulturelles Training

„Diese Form des Trainings trägt dazu bei, beiden Parteien, nämlich den chinesischen und den deutschen Mitarbeitern zu zeigen, das ist nichts Böses, da ist keine böse Absicht dahinter, sondern einfach nur Mentalprogrammierungen, wie Hofstede sagt, die unser Verhalten ein Stück weiter unbewusst beeinflussen. Es sind sozusagen Verhaltenstendenzen, zu denen wir neigen, sie zu zeigen. Wir müssen uns einfach nur darüber im Klaren sein, dass wir unterschiedlich sind. Wir dürfen nicht vermuten, dass das auf eine böse Absicht zurückzuführen wäre.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

1.4.1.1 Gestaltung und Effekt des Trainings

„In einem Trainingsseminar sind normalerweise Chinesen und Deutsche beteiligt. Wir, das heißt, die Trainer sind auch ein Chinese und ein Deutscher. Die Seminarteilnehmer sind doch selber lebendige Beispiele für interkulturelle Kommunikation. Die Chinesen und die Deutschen gehen gemeinsam an ein Problem heran. Sie können untereinander kommunizieren. Die Deutschen können z.B. die Chinesen fragen, warum habt ihr euch so verhalten, was bedeutet das? Die Chinesen können auch die Deutsche fragen, ja wie wirkte mein Verhalten bei euch? Sie lernen also viel voneinander. Die Atmosphäre ist immer sehr gut. Alle sind sehr motiviert. Oft wollen sie gar nicht aufhören.“ ( (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

266

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

1.4.1.2 Probleme des Trainings

„Sie behaupten, nach 3 Tagen Seminar wird jemand schon interkulturell kompetent, oder sogar Chinakompetent, oder verkaufen sich als Chinaexperten. Wie kann man eben diese Ergebnisse also sichern, und wie kann man nach diesem Training, Erfolg haben. Man kann sagen, ja, das ist ein Lernprozess, der noch Jahre dauern wird.“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf Interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität)

1.4.2

Teammeeting

„Nein, wir haben ein so genanntes Teammeeting. Morgens, möglichst montags beginnt ein kurzes Teammeeting, wo jeder erzählt, was er macht. Und damit, das Verständnis für die gesamten Abläufe da ist. Damit jeder weiß, was der andere so ein bisschen tut. Auch wenn er damit nichts zu tun hat, aber er hat dann ein gewisses Verständnis dafür, gegebenenfalls Verantwortung für den anderen zu tragen.“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China)

1.5

Die Unternehmenskultur der deutschen Unternehmen in China

1.5.1

Kulturelle Prägung

1.5.1.1 deutsch geprägt

1.5.1.2 auch chinesisch geprägt

„[…] aber es ist in der Verankerung, der Verwurzelung und in seinem Wertesystem ein deutsches Unternehmen[…]Weil Unternehmen wie Menschen Wurzeln brauchen. Sie brauchen Identität. Die Identität kommt aus dem Ursprung, wo die Firma gegründet ist.“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens). „Das heißt, auf der Makroebene ist die Firma sehr deutsch. Weil die meisten Mitarbeiter des Unternehmens in China Chinesen sind, ist sie auch chinesisch geprägt. Es ist sozusagen das Produkt zweier Kulturen.“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

1.5.1.3 auch international geprägt

1.5.2

267

„Wenn chinesische Hochschulabsolventen, z.B. eine Mitarbeit bei unserer Firma suchen, dann müssen sie sich sicherlich darauf einstellen, dass die Kultur der Zusammenarbeit wohl eine andere sein wird, als wenn sie nur mit Chinesen zusammen arbeiten, wobei diese Kultur vergleichsweise stark ist. Das hängt wohl damit zusammen, dass es kein rein deutsches Unternehmen ist, das dort tätig ist, sondern dass es ein internationales Unternehmen ist. Es erweist sich, dass auf internationaler Bühne bestimmte Eigenschaften notwendig sind, um im Management Erfolg zu haben. Dazu gehört sicherlich die Souveränität und Selbstsicherheit im Auftreten, dass man sich in ganz unterschiedlichen Kulturkreisen sicher bewegen kann, ohne sich klein zu machen, aber auch ohne gleichzeitig arrogant zu wirken, dass man fachlich kompetent ist, dass man offen kommuniziert und somit auch Vertrauen schafft. […] Die Gesprächskultur ist offener.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

Die Geschäftssprachen

1.5.2.1 Englisch ist ein „Heute ist es nicht mehr möglich, allein mit Muss und Deutsch Deutsch eine Berufskarriere in einem deutschen ein Bonus Unternehmen zu machen. Wenn der Bewerber Deutsch kann, ja „Ok, its nice“. Es gilt, wenn überhaupt, als ein kleiner Bonus. Es kommt in einem internationalen Unternehmen nicht darauf an, ob man Deutsch kann. Vielleicht in den kleinen und mittleren Unternehmen, die nicht international orientiert sind, spielt die deutsche Sprache noch eine Rolle. In großen internationalen Unternehmen gilt es als eine wichtige Voraussetzung für Führungskräfte, dass sie Englisch können.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

268

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

1.5.2.2 Deutsch ist sehr wichtig

„Wir haben festgestellt, dass wenn wir mit unseren deutschen Kunden auf Deutsch kommunizieren, es sehr gerne angenommen wird. Da freut man sich. Es ist eine bessere Kommunikation.“ (Herr P., deutscher Eigentümer und Geschäftsführer einer deutschen Beratungsfirma in China)

1.5.2.3 Englisch und Deutsch sind beide wichtig

„Im Gegensatz zu den großen deutschen Unternehmen, wo Englisch die Arbeitssprache ist, ist bei uns Deutsch die Arbeitssprache. Aber man muss auch Englisch können, weil viele Broschüren und Kataloge auf Englisch sind.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

1.5.2.4 Deutsch ist nicht notwendig

„Nein, weil wir uns schon entschieden haben, Englisch zu nehmen, da wir die Situation nicht noch mehr komplizieren möchten. Wenn wir jetzt auch noch Deutsch als offizielle Sprache einführen würden, wäre das nicht vernünftig. Die Dolmetscher und Übersetzer müssen ja auch Dokumente erstellen. Wir erstellen sie in Englisch. Also Deutsch wäre hier sicherlich keine Alternative.“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesisch-deutschen Joint-Ventures)

1.5.2.5 Auch Chinesisch ist wichtig

„Sehr wichtig ist auch die Sprachfähigkeit, auch die Sprachfähigkeit im Chinesischen. Denn es wird sehr viel ins Chinesische übersetzt bzw. auf Chinesisch ausgedrückt. Man muss auch oft auf Chinesisch Präsentationen machen. Bei meiner Arbeit gehe ich sehr viel mit Chinesen um, mit Behörden, mit Touristenagenturen, mit den Medien und so.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes).

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

269

2. Interkulturelle Kompetenz (IKZ) 2.1

Das Verständnis des Begriffs und die Notwendigkeit der IKZ

2.1.1

Zu dem Begriff „Ja, unter Interkultureller Kompetenz verstehe ich, dass man sich in beiden Kulturen, oder mehreren, […] wohl fühlt. Man ist also in der Lage und will in dem jeweils anderen Land länger leben, sich dort zurechtzufinden[…]. Das bedeutet, dass man sich sprachlich entsprechend auseinandersetzt. Das bedeutet aber auch, dass man sich auch mit den wesentlichen Unterschieden auseinandersetzt. Das bedeutet, dass man sich eigentlich mit den anderen, mit den Unterschieden, vertraut macht, und diese Unterschiede kommunizieren kann [ … ] Also Interkulturelle Kompetenz im Studium, wie im Privatleben, wie im Berufsleben, das ist für mich eigentlich dieses dreier Gespann, das ist für mich Interkulturelle Kompetenz. Es bezieht sich nicht nur alleine auf das Berufsleben, das Privatleben, das Studium.“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China) IKZ ist keine „Die interkulturelle Kompetenz kann man als sounabhängige cial skill sehen. Diese Kompetenz kann sich auf Kompetenz verschiedene Ebene beziehen. Man kann sie als ein Teil des Leadership Skill betrachten, auch wenn zwei Menschen auf der gleichen Hierarchieebene sind, ist interkulturelle Kompetenz wichtig. Meiner Meinung nach kann man interkulturelle Kompetenz nicht als eine isolierende Kompetenz sehen. Wenn es darum geht, einen Mitarbeiter aus einer anderen Kultur zu führen, ist interkulturelle Kompetenz Teil der Führungskompetenz. Wenn es sich um die Kooperation zweier Kollegen auf gleicher Führungsebene aus zwei verschiedenen Kulturen handelt, ist die interkulturelle Kompetenz ein Teil der Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Deswegen finde ich, dass die interkulturelle Kompetenz verschiedene Bereiche umfasst“. (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

2.1.1.1

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

270

2.1.1.2

IKZ ist eine Erweiterung von sozialer Kompetenz.

„Ja. Man kann sagen, interkulturelle Kompetenz ist eine Erweiterung von sozialer Kompetenz. Für den, der soziale Kompetenz hat, ist es sehr viel einfacher, sich noch interkulturelle Kompetenz anzueignen. Ich sehe da ein großes Potential bei Frauen. Ich finde, dass Frauen, zumindest ist das in Deutschland so, sehr starke soziale Kompetenz haben und deswegen können sie auch stärker und besser interkulturelle Kompetenz ausüben. Und ich habe von einem Deutschen gehört, der in China arbeitet, und gesagt hat, in China ist es im Prinzip genau das gleiche.“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation)

2.1.2

Der Begriff IKZ Modewort?

„Diesen Begriff habe ich jetzt schon so oft gehört. Für mich ist er etwas überstrapaziert. Er ist mit einer Komplexität versehen, die er meiner Meinung nach nicht hat“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesisch-deutschen Joint-Ventures).

2.1.3

Merkmal des Vorhandenseins der IKZ

„Ich glaube schon, dass es genug Sinologen gibt, die […]häufig in einer Art „Hassliebe“ zu China leben, die lediglich in Deutschland was anderes machen wollten, und deshalb eben ganz weit weg, als Flucht, vielleicht Chinesisch studiert haben, […]und vielleicht meinen, jetzt dort ihr Heil zu finden. Das halte ich nicht für Interkulturelle Kompetenz, sondern für mich ist der Maßstab der Zufriedenheit sehr wichtig, und der Maßstab, komplex im gesamten Leben sich mit der jeweils, anderen Seite auseinanderzusetzen. Das man ein Teil für sich gewinnt, das ist für mich Interkulturelle Kompetenz, das Einbeziehen ins eigene Leben.“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

271

2.1.4

Notwendigkeit der IKZ

„Wir haben interkulturelle Kompetenz als wichtige Voraussetzung in der Profilbeschreibung geschrieben, weil sie oft unterschätzt wird. Es ist oft passiert, dass fachlich sehr qualifizierte Fachkräfte die GTZ verlassen haben, weil sie Konflikte mit ihrem deutschen Projektleiter oder anderen deutschen Kollegen gehabt hatten. Dies ist sehr bedauerlich und auch die jeweiligen Projekte sind dadurch beeinträchtigt. Deswegen legen wir sehr großen Wert darauf, dass die neuen Mitarbeiter schon interkulturelle Erfahrung haben und dadurch ihre interkulturelle Kompetenz entwickelt haben.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

2.1.5

IKZ ist tranierbar

2.1.6

IKZ muss von beiden Seiten kommen

„Die ganze Welt des Führungsverhaltenstrainings geht eigentlich von der Vorstellung aus, dass ich Verhalten noch mal ändern kann und durch das Erwachen des Bewusstseins, das die Sensibilisierung das Verhaltensrepertoire einer Führungskraft erweitert. Von der Hoffnung wäre ich auch geleitet, wenn ich interkulturelles Training machen würde. Also auch die Fähigkeit und die Bereitschaft, zu Reflexion über das eigene Verhalten zu fördern und dabei vielleicht auch, darauf hinzuweisen, dass eben dieses Merkmal der emotionalen Stabilität eine ganz wichtige Voraussetzung ist, die interkulturelle Kompetenz zu behandeln.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens) „Auf der chinesischen Seite wird Offenheit, die Bereitschaft und die Neugierde auf andere Länder und somit für andere Kulturen, gebraucht. Natürlich können die Offenheit, die Kommunikation und die Auseinandersetzung nur dann etwas bewirken, wenn ich auch auf aufgeschlossene Menschen und Partner treffe. Nur durch diese Offenheit und Aufgeschlossenheit ist ein Austausch möglich, um sich so stetig weiterzuentwickeln.“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation).

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

272

2.2

IKZ als Prozess

2.2.1

IKZ als ein offener Prozess

„[…] Das ist ein offener Prozess. Die dritte Stufe ist ein offener Prozess. Und je mehr man in der dritten Stufe lernt, desto mehr reflektiert man über Stufe eins und zwei und verändert auch dort sein Wissen. Man muss nur dieses Denkmodell in den Studenten verankern.“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens)

2.2.2

IKZ ist kein fertiges Prokdukt

„Deswegen würde ich sagen, dass die interkulturelle Kompetenz kein fertiges Produkt ist. Somit kann man auch schwer definieren, was alles dazu gehört. Es ist mehr ein Lernprozess.“ (Herr Z., chinesischer Geschäftsführer eines deutschen Elektrokonzerns)

2.2.3

Entwicklung der IKZ ist auch Persönlichkeitsentwicklung

„Das kennen lernen einer anderen Kultur bereichert meine eigenen Werte, so findet ein Entwicklungsprozess statt. Das heißt, ich bin nicht „fest gefahren“, ich bekomme Anregungen, nehme sie auch an und kann so meine eigene Persönlichkeit, meine eigene Kultur und meine interkulturelle Kompetenz weiter entwickeln.“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation)

2.2.4

Förderung der IKZ

2.2.4.1

Fähigkeiten und Eigenschaften, die vom Ethnozentrismus zur Ethnorelativiertheit führen

2.2.4.1.1

Positive Grund- „Zudem finde ich sehr wichtig, dass man der eigeeinstellung nen Kultur gegenüber positiv eingestellt ist. Wenn dies nicht der Fall ist, kann man nicht von interkultureller Kompetenz reden.“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens),

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

273

2.2.4.1.2

Distanz zu der eigenen Kultur und Ethnorelativität

„Es ist ganz wichtig, dass ich offen bin. Für Neues. Für Fremdes. Dass ich Interesse habe, und die Toleranz besitze, mich Anderen vorurteilsfrei zu nähern. […]. Diese Offenheit, dieses Interesse, finde ich sehr wichtig. Vieles kommt dann von ganz allein.“ (Herr N., deutscher Leiter eines deutschen öffentlich-rechtlichen Institutes in China)

2.2.4.1.3

Sensibilität und „Es ist eine große Kunst, beide Seiten zusammenEinfühlungszubringen. Es bedeutet nicht, dass man keine Prinzipien hat und alles versucht, um zu einem Konvermögen sens zu kommen. Man muss, je nach dem, für wen man arbeitet, versuchen, den Arbeitgeber besser darzustellen und für den Arbeitgeber zu sprechen und zu erklären. Man braucht da wirklich ein Fingerspitzengefühl, das man aufgrund der Arbeitserfahrung allmählich entwickelt hat.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes)

2.2.4.1.4

Toleranz

„Drittens finde ich wichtig, dass die Chinesen und die Deutschen einander gegenüber tolerant sein sollten. Es gibt von beiden Seiten Gewohnheiten, die einen „stören“[…]. Man muss also verstehen, dass wir einen verschiedenen kulturellen Hintergrund haben und dass unsere Lebensweisen sich voneinander unterscheiden. Man muss einander respektieren und tolerieren. Dies ist eine wichtige Grundlage für die Zusammenarbeit. Denn sonst kommt das Geschäft nicht zustande.“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens)

2.2.4.1.5

Respekt

„Wenn man in ein anderes soziales Umfeld einsteigt, ist man zunächst mal ein Außenseiter, eine einzelne Person. Man sollte doch zunächst Respekt und eine gewisse Achtung dem Umfeld dort entgegenbringen, ohne seine Überzeugungen oder seinen sozialen Hintergrund zu verleugnen.“ (Herr M., deutscher Personalmanager eines chinesischdeutschen Joint-Ventures)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

274

2.2.4.1.6

Multiperspektivität, Perspektivwechsel

„Also für mich ist der Perspektivenwechsel am wichtigsten. D.h. man sollte versuchen, eben die Dinge auch aus der Sicht der Anderen zu sehen und zu interpretieren. Ich glaube, unter den vielen Punkten, die immer wieder angesprochen werden, was die interkulturelle Kompetenz angeht, ist das, glaube ich, der wichtigste Punkt.“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf Interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität)

2.2.4.2

Vertiefung und Erweiterung des Wissens und Verstehens

2.2.4.2.1

Wissen über die eigene Kultur

„Meiner Ansicht nach muss man zuerst die eigene Kultur gut kennen, wenn man sich mit den Deutschen austauschen will, denn wenn man die eigene Kultur nicht gut kennt, kann man nicht als Vermittler zwischen den Chinesen und Deutschen fungieren. Erst wenn man den eigenen kulturellen Hintergrund kennt, kann man die eigene Kultur und die fremde Kultur miteinander vergleichen.“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens)

2.2.4.2

Wissen über die fremde Kultur

„Um die deutschen Kollegen zu überzeugen, muss man dann wiederum die Deutschen und ihre Denkweise kennen. Das heißt, ich kann meinen deutschen Kollegen erklären, warum eine Marktstrategie in Deutschland Erfolg hat und warum sie in China nicht erfolgreich wäre. Erst, wenn ich beide Seiten kenne, kann ich die jeweilige Seite überzeugen.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

275

2.2.4.3

Wissen über beide Kulturen

„Um Erfolg in der interkulturellen Zusammenarbeit zu haben, müssen wir beide Kulturen sehr gut kennen. Wir müssen die kulturellen Unterschiede kennen und auch verstehen, was hinter diesen Unterschieden steht, um dann Synergie zu finden [ … ] . Wenn wir beide Kulturen gut kennen, fällt es uns viel leichter, Gemeinsamkeiten beider Kulturen zu finden.“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant)

2.2.4.4

Wissen über die interkulturelle Kommunikation

„Also im Grunde genommen, wenn man die interkulturelle Kommunikation verstehen will, dann muss man auch wissen, was Kommunikation ist. 75% aller Botschaften sind nonverbal zum Beispiel. […]Zuerst muss man wissen, was Kommunikation ist, um interkulturelle Kommunikation richtig zu beurteilen. Das ist eine Grundvoraussetzung.“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation)

2.2.4.5

Vom Wissen zum Verstehen

„Ja, es ist natürlich weil sie entsprechende Deutschkenntnisse mitbringen, natürlich auch die Mentalität der Deutschen, wie deutsche Unternehmer denken, wie deutsche Manager denken, dass sie sich da einsetzen können. Es ist wichtig, dass sie hier zwischen den Kulturen und auch zwischen den Märkten vermitteln, dass sie beide Seiten verstehen können, so dass sie nicht nur sprachlich verstehen, sondern auch den kulturellen Hintergrund.“ (Herr G., deutscher Abteilungsleiter einer großen deutschen Dienstleistungsorganisation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

276

2.2.4.6

Denkfähigkeit, Selbstreflexion

„Die großen Unternehmen brauchen Fachkräfte, die zum einen „operational“ Erfahrungen haben und zum anderen „structural“ denken, d.h. systematisch und logisch denken und vorgehen können. Diese Kompetenz, nämlich das analytische und strukturierte Denken und systematisch an das Problem heranzugehen, ist auch sehr wichtig, neben den Kompetenzen, wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, wie schon bereits erwähnt.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

2.2.4.3

Fähigkeiten und Eigenschaften, die zur interkulturellen Handlungskompetenz führen

2.2.4.3.1

Anpassungsfähigkeit und Authentizität

„Die Authentizität, das hatte ich auch schon angedeutet, bedeutet, dass man sich natürlich seiner eigenen kulturellen Herkunft bewusst ist, diese bewusst lebt, aber sie eben nicht höher stellt. Auch bei den Bemühungen, sich anzupassen, sollte man seine kulturelle Herkunft nicht vergessen.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

2.2.4.3.2

Flexibilität

„Auch Flexibilität ist wichtig. Wir haben Projekte, in denen es nur einen chinesischen Mitarbeiter gibt. Dieser muss oft „Mädchen für alles“ sein. Wir können nicht alles in der Stellenbeschreibung festlegen, sondern wir erwarten, dass die chinesischen Mitarbeiter Eigeninitiative ergreifen und bereichsübergreifend arbeiten. Dies ist anders als in einem großen internationalen Unternehmen, in dem es genaue Arbeitseinteilung gibt.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

277

2.2.4.3.3

Teamfähigkeit

„Ohne Unterstützung von anderen ist es in einem internationalen Unternehmen gar nicht möglich, Probleme zu lösen. Um ein Problem zu lösen, muss man mit anderen Kollegen in einem Team, […]. Oft braucht man auch die Kooperation anderer Abteilungen. Alleine schafft man es nicht.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

2.2.4.3.4

Selbstständiges Handeln und handlungsbezogenes Verantwortungsbewusstsein

„In einem großen internationalen Unternehmen gibt es viele Probleme, die bereits wahrgenommen sind. Wir brauchen keinen Problementdecker, wir brauchen Problemlöser[…]In einem internationalen Unternehmen kann man nicht erwarten, dass der Chef jeden Tag zu mir sagt, was ich zu machen habe. Man muss sehen, das ist meine Firma, das ist meine Arbeit und ich sehe zu, dass die Arbeit erledigt wird.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

2.2.4.3.5

Interkulturelle Kommunikationsfähigkeit

„Jemand, der nicht gerne redet, kann nicht interkulturell kompetent werden, indem er alle Bücher liest und alles weiß. Interkulturelle Kompetenz heißt in meinen Augen nicht nur Wissen, sondern eben auch die Fähigkeit, den Austausch zu machen.“ (Herr O., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Serviceunternehmens in China)

2.2.4.3.6

Sprachkompetenz

„Wenn man die Beziehungen also vertiefen und sich wirklich kennen lernen möchte, geht es ohne die Sprache, ohne Deutschkenntnisse gar nicht.“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

278

2.2.4.3.7

Vermittlungskompetenz

„In einem deutsch-chinesischen Joint Venture ist derjenige, der beide Sprachen spricht und beide Kulturen kennt, ein ganz wichtiger Vermittler zwischen den Kulturen. Er ist sozusagen das Schmieröl, damit das Projekt reibungslos läuft. Es hat sich herausgestellt, dass es eine ganz wichtige Funktion – auch eine wichtige Funktion für den Erfolg einer Teamarbeit ist.“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens)

2.2.4.3.8

Suche nach Gemeinsamkeiten

„[…]Wenn beide Seiten sich über diese Gemeinsamkeit, die ja eine wichtige Grundlage der Kooperation darstellen, klar sind, sind sie viel besser in der Lage, Differenzen zu überwinden und Synergie zu finden. […] Der Kern der interkulturellen Zusammenarbeit ist, Gemeinsamkeiten zu finden. Wenn man bloß die interkulturellen Unterschiede betrachtet, kann man gar nicht mit der interkulturellen Zusammenarbeit beginnen.“ (Herr R., chinesischer Senior Consultant)

2.2.4.3.9

Synergiefähigkeit

„Ich erwarte von meinen Mitarbeitern, dass sie Synergie von der chinesischen und der deutschen Unternehmenskultur finden. Nur so kann die Arbeit erfolgreich sein, nur so kann man gut mit unseren Partnern zusammenarbeiten.“ (Herr C., chinesischer Chefrepräsentant einer großen deutschen Bank)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

279

2.2.5

Die interkulturelle Kompetenz als Prozess des Lernens

2.2.5.1

Der Weg zu mehr IKZ ist individuell

„Es gibt kein Rezept für die Entwicklung interkultureller Kompetenz. Man muss bereit sein, immer wieder zu lernen. Bei der Entwicklung interkultureller Kompetenz muss jeder für sich den Weg ausloten. Meistens muss man sich selbst was Neues beibringen. Dann muss man auch einen Sinn dafür haben. Es geht auch um die Einstellung“. (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

2.2.5.2

IKZ ist ein Lernprozess

„Man sollte sich nicht vor Problemen drücken, sondern einfach dem Kollegen gegenüber die Probleme thematisieren. Auch wenn man letztendlich nicht zu einer Lösung kommt, könnte man zumindest dadurch lernen und interkulturelle Erfahrungen sammeln. Der Prozess der Entwicklung interkultureller Kompetenz ist meiner Ansicht nach auch ein Prozess des Lernens.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

2.2.5.3

IKZ als Lernzyklus

„Es ist ein Prozess von Lernen, Praktizieren, Reflektieren, neues Ausprobieren. Es ist ein leaning cycle. Lernen durch Praktizieren ist wichtig.“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

2.2.5.4

Lernbereitschaft als Kernzkompetenz für IKZ

„Das andere ist, dass man auch jeden Fall eine Offenheit haben muss und eine große Lernbereitschaft, kontinuierlich etwas lernen zu wollen, um nicht stehen zu bleiben. Das ist auch eine Einstellungssache. Wenn man soziale Kompetenz oder interkulturelle Kompetenz unterrichtet, dann muss man auf diesen Prozess aufmerksam machen, dass man immer weiter lernt.“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

280

2.2.5.5

Lernkompetenz „Das ist sicherlich eine Kompetenz, die nicht jeder als Kernzkom- hat. Denn aufgrund unserer Erziehung sind wir dapetenz für IKZ zu angehalten, jemanden zu haben, nämlich den Lehrer, der sagt, was und wie und in welchem Tempo wir zu lernen haben. Darum orientieren wir uns und lassen uns durch den Lernstoff führen. Und diese Selbstführungsfähigkeit zu erlernen, das Tempo, den Zeitpunkt, die Intensität des Lernens für uns selber festzulegen, das meine ich mit Metakompetenz. Das wird in den Schulen kaum gelehrt. Und das braucht man aber.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

3 Der Beitrag des Germanistikstudiums zur Förderung interkultureller Kompetenz 3.1

Abbau Ethnozentrismus und Förderung der Ethnorelativität

„Das heißt, ich gehe mal davon aus, wenn jemand Deutsch studiert hat, das er Deutschland gegenüber positiv aufgeschlossen ist, nicht negativ. Das heißt, er ist motiviert zu deutschen Produkten, zum deutschen Verständnis. Er beschäftigt sich mit Deutschland, und hat mehr Erkenntnisse als die Anderen. Das setze ich voraus. Damit geht eine gewisse deutsche Kultur einher, und auch ein Verständniss zur deutschen Kultur und Aufgeschlossenheit zur deutschen Kultur.“ (Herr S., deutscher Geschäftsführer eines deutschen Dienstleisters in China)

3.2

Vertiefung und Ausbau des Wissens und Verstehens in der eigenen und fremden Kultur

„Der Sprache kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn man einen guten Bezug zueinander haben möchte. So spielen die chinesische und die deutsche Sprache für beide Seiten eine entscheidende Rolle. Ohne die deutsche Sprache können die chinesischen Partner die deutsche Kultur und Geschichte nicht intensiv verstehen. Dasselbe gilt für die Deutschen.“ (Herr I., deutscher Abteilungsleiter der Zentrale einer deutschen Organisation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

3.3

4.

Förderung der interkulturellen Handlungskompetenz

281

„Eine wichtige Rolle wird den Chinesen, die an einer chinesischen Hochschule eine Sprachausbildung bekommen haben, nicht dadurch zukommen, dass sie Dolmetscher werden oder so was, sondern dass sie zwischen den Kulturen vermitteln. In einem deutsch-chinesischen Joint Venture ist derjenige, der beide Sprachen spricht und beide Kulturen kennt, ein ganz wichtiger Vermittler zwischen den Kulturen. Er ist sozusagen das Schmieröl, damit das Projekt reibungslos läuft. Es hat sich herausgestellt, dass es eine ganz wichtige Funktion – auch eine wichtige Funktion für den Erfolg einer Teamarbeit ist.“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens)

Empfehlungen zur Förderung der interkulturellen Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten

4.1

Probleme der bisherigen Absolventen

4.1.1

Fehlendes Veantwortungsbewusstsein

4.1.2

Kennen die eigene „Ich war neulich in China. Ich habe mit einigen Kultur zu wenig [ … ] Magisterstudenten, Germanistikmagisterstudenten gesprochen. Die hatten so wenig, das hat mich schon ziemlich überrascht, ... die wussten so wenig über China, über die chinesische Kultur, über die chinesischen Klassiker. Das hat mich schon sehr überrascht. Sie sprechen alle gut Deutsch, aber das reicht ja nicht.“ ( Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf Interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität)

„Des Weiteren haben wir als Arbeitgeber ein großes Problem damit, dass die jungen Leute heute, ja, weil viele von ihnen Einzelkinder sind, nicht verantwortungsbewusst sind.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

282

4.1.3

Fehlende Kenntnisse über die Gesellschaft

„Viele haben gar kein richtiges Bild, was in der Gesellschaft tatsächlich passiert und welche Qualifikationen in der beruflichen Praxis gefordert werden.“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens)

4.1.4

Fehlende Erfahrungen in der Berufspraxis

„Die chinesischen Absolventen wissen oft gar nicht, nach was für einer Stelle sie suchen. Für sie ist die erste Arbeitsstelle praktisch ein Praktikumsplatz. Viele wechseln schon nach drei Monaten die Arbeit. Ich würde diesen Studenten keinen Vorwurf machen, weil sie während des Studiums gar keine Möglichkeit gehabt haben, die Berufswelt kennen zu lernen.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

4.1.5

Fehlende Eigeninitiative

„Viele chinesische Studenten erwarten einfach von der Universität, dass ihnen ein fertiger Plan für die berufliche Entwicklung zur Verfügung gestellt wird. Sie sind eher passiv und denken, „ja, ich habe nun das Fach Germanistik gewählt, bitte zeige mir, was aus mir beruflich werden kann.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

4.1.6

„Haigui“

„Der Gegensatz zu den „Doppelpersönlichkeiten“ sind die Menschen, die nur eine Kultur kennen. Z.B. gibt es Chinesen, die sehr lange in Deutschland studieren. Sie kennen die Entwicklung der chinesischen Gesellschaft und Kultur nicht. [ … ] Wenn sie wieder nach China zurückkehren, ist erstens vieles für sie fremd. Zweitens haben sie oft große Probleme mit den Veränderungen in China. Sie brauchen Zeit, um das neue China kennen zulernen, sich in China wieder einzuleben. Es ist also wieder ein Lernprozess. Aber für ein Unternehmen ist dies unerwünscht.“ (Herr C., chinesischer Chefrepräsentant einer großen deutschen Bank).

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

4.2

Empfehlungen an chinesische Germanistikstudenten

4.2.1

Praktikum

283

„Ich finde, dass man den Studenten mehr Gelegenheit geben sollte, ein Praktikum zu machen. Denn solange die Studenten die berufliche Praxis nicht kennen, wissen sie nicht, wo sie Defizite haben. Ich empfinde es als ein großes Problem, dass viele Studenten in den ganzen vier Jahren während des Studiums kein einziges Praktikum gemacht haben. Ich halte es für sehr notwendig, dass die Universitäten Praktika in dem Curriculum als Pflicht vorschreiben.“ (Herr F., chinesischer Eigentümer und Geschäftsführer eines Handelsunternehmens)

4.2.1.1 Bereitschaft der Unternehmen

„Inzwischen habe ich 7 Jahre für deutsche Unternehmen gearbeitet und bin schon daran gewöhnt, dass bei uns immer ein Praktikant ist. Wenn ich einen Praktikanten bei mir habe, versuche ich immer, ihm Arbeit zu geben. Es geht am Anfang oft um Routinenarbeit. Ich versuche auch, mir Zeit zu nehmen, um ihm was von der Arbeit zu zeigen. Mich kostet das oft nicht so viel Zeit. Aber dies ist für einen Praktikanten sehr wertvoll. Denn sein Blick wird erweitert.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes).

4.2.1.2 Probleme

„Sie haben praktisch nur die Sommerferien zur Verfügung, also höchstens 6 Wochen Zeit. […]Bei den chinesischen Praktikanten ist es so. Kaum hat man sie eingearbeitet, müssen sie schon gehen. Deswegen haben wir hier ein Kriterium, keinen Praktikanten für weniger als drei Monate. Da kommen chinesische Studenten als Praktikanten gar nicht in Frage. Deswegen ist sehr wichtig, dass man beim Aufbau eines Studiums die Zeit für ein richtiges Praktikum schon einplant.“ (Frau L., chinesische Personalleiterin einer deutschen Organisation)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

284

4.2.2

Kurzzeitjobs (Dolmetschen, Reiseführung, etc.)

„Ich persönlich finde, dass die Arbeit als Reiseführer eine tolle Gelegenheit dafür darstellt. Denn eine Reisegruppe ist ein kleiner gesellschaftlicher Kosmos: Es gibt da Männer und Frauen, Ältere und Jüngere, Menschen mit einer guter Ausbildung und die mit keiner guten Ausbildung. Es gibt Anwälte, Ärzte und auch LKW-Fahrer. Eines haben sie gemeinsam: Sie haben alle hohe Ansprüche. Denn sie denken, dass sie für die Leistungen bezahlt haben. Wenn ein Germanistikstudent es geschafft hat, so eine Reisegruppe mit 20-25 Personen auf einer Tour zu betreuen, kann er bestimmt sehr sehr viel lernen, vor allem wie man mit den Deutschen umgeht.“ (Herr E., chinesischer Bereichsleiter einer deutschen Organisation)

4.2.3

Austausch mit den Unternehmen

„Ja, sie sollten mehr Kontakt zu verschiedenen internationalen Unternehmen haben. Man kann z.B. Vertreter dieser Unternehmen an die Uni einladen, damit diese Vorträge halten oder Seminare machen und den Studenten erklären können, wie man in diesen Unternehmen konkret arbeitet.“ (Herr D., chinesischer Senior Marketing Manager in einem international tätigen Automobilunternehmen)

4.2.4

Austausch mit Dozenten und Studenten aus anderen Kulturen

„Sie können sich Ausländer als Partner und Freunde suchen. An den Hochschulen gibt es heutzutage auch viele ausländische Studenten. Sie haben mehr oder weniger ihre eigene kulturelle Prägung. Durch sie können die Studenten lernen, wie man mit Menschen aus anderen Kulturen umgeht.“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

4.2.5

Auslandsaufenthalt

„In den Ferien können die Studenten auch zu einem Sommerkurs oder ähnlichem nach Deutschland gehen, oder ein Gastsemester dort machen. Sie können z.B. auch eine Zeit lang bei einer deutschen Familie wohnen. Also Möglichkeiten, wo man Deutschland richtig erlebt und kennen lernt.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes).

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

285

4.2.6

Sonstige in„Interkulturelle Begegnungen sind wichtig. Wir waren terkulturelle einmal mit einer Chinesen-Gruppe unterwegs. Die ChiBegegnungen nesen haben sich angesehen, wie Deutsche über ein politisches Thema diskutiert haben. Die Chinesen haben auch mitgemacht, aber eher am Rande. Das war super! Sie haben so viel gelernt! So etwas finde ich sehr wichtig! Begegnungen so zu schaffen und auch zu steuern. Rollenspiele finde ich total schwierig.“ (Frau T., deutsche Trainerin für interkulturelle Kommunikation)

4.2.7

Nutzung des Internets

„Internet kann eine große Hilfe sein. Auch wir recherchieren oft im Internet. In vielerlei Hinsicht ersetzt das Internet heute schon die Bibliotheken. […] Da können die Studenten über Internet mit den Deutschen kommunizieren. Emailpartnerschaften, oder die chinesischen Studenten und die deutschen Studenten diskutieren im Internet über ein gemeinsames Thema, oder sie arbeiten an einem gemeinsamen Projekt. Das kann alles fruchtbar sein.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes)

4.2.8

Sonstige Engagements

„Ja, was ich den Studenten noch empfehlen möchte, sie sollten bei verschiedenen sozialen Tätigkeiten aktiv sein, z.B. bei der Organisation verschiedener Veranstaltungen mitwirken, im Studentenwerk tätig sein, als Gruppen- oder Klassensprechen tätig sein. Dadurch können sie ihre Sozialkompetenz entwickeln. Wenn ich neue Mitarbeiter einstellen würde, würde ich darauf achten, welche sozialen Arbeiten die Bewerber gemacht haben.“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

4.2.9

Zusatzqualifikation in einem Nebenfach

„Das ist natürlich immer sehr gut, wenn man noch eine Fachkompetenz aufweisen kann. Nur aufgrund der sprachlichen Fähigkeiten würde man heute niemanden mehr einstellen.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

286

4.2.10

Deutsch gründlich studieren

„Von meinen Erfahrungen her würde ich sagen, ja ich habe auch viele Studienabgänger erlebt, die nach meiner Zeit studiert haben, dass die Studenten, wenn sie Germanistik studieren, sich Mühe geben sollten, die Sprache von der „Pike“ auf zu lernen und die Sprachkompetenz immer weiter zu verbessern.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes)

4.3

Empfehlungen an die Deutschfakultäten und an die Lehrenden

4.3.1

Curriculum

„Aber aus meiner Sicht wäre es sinnvoller, wenn man das integrieren könnte, z.B. in die Sprachausbildung, in den Deutschunterricht, wenn man Deutsch lehrt. […]Wenn ich jetzt z.B. in einer Fachlehrveranstaltung zu „Wirtschaft Chinas“, da kann ich auch, was wir vorhin als interkulturell bezeichnet haben, Perspektivenwechsel, das eigene und das andere usw. kann man auch da interferieren, in z.B. in den Fachunterricht Wirtschaft usw. usw. Und das ist schwer.“ (Herr Y., chinesischer Professor für Sinologie mit Forschungsschwerpunkt auf Interkulturelle Kommunikation an einer deutschen Universität)

4.3.2

Zusammenarbeit mit anderen Fakultäten

„Ich finde es auch wichtig, dass die Deutsche Fakultät auch mit anderen Fakultäten der Uni zusammenarbeitet, so dass die Studenten Seminare und Vorlesungen, die von anderen Fakultäten angeboten werden, auch besuchen können.“ (Herr X., chinesischer Chefrepräsentant des deutschen Tourismusverbandes)

4.3.3

Interkulturelles Training

„Ja, interkulturelles Training ist eine gute Form der Vorbereitung. Man kann den Studenten einen Überblick über das Allgemeine und Grundsächliche in der interkulturellen Kommunikation geben, z.B. was bedeutet überhaupt interkulturelle Kommunikation.“ (Herr Q., chinesischer Leiter des Management Instituts eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

ANHANG CODE-ÜBERSICHT

287

4.3.4

Lehrende müssen auch ständig interkulturell lernen

„Also nicht das Idealbild eines Deutschlands vermitteln, sondern die Wirklichkeit in Deutschland vermitteln. Das setzt natürlich voraus, dass die Lehrer selber bereit sind, die Veränderungen in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen und ein differenziertes, realistisches Deutschlandbild überhaupt anzunehmen. Sonst ist das unzureichend.“ (Herr W., deutscher ehemaliger leitender Mitarbeiter eines international tätigen deutschen Technologieunternehmens)

4.3.5

Didaktik und Methodik

„Ja, dass man an dieser Stelle ansetzt und sich dann eben vielleicht an dem Vorbild eines Teambuildingtrainings orientiert, Zusammenkünfte organisiert, wo man sich mal kennen lernt. Aber eben vielleicht auch Problemstellungen gemeinsam auszuarbeiten und man da schon wahrnimmt: „Du stellst dir das ganz anders vor als ich, warum?“ Das wäre sicherlich noch eine Überlegung, die man einbeziehen könnte in die Gestaltung einer Veranstaltung, die Interkulturelle Kompetenz vermittelt.“ (Herr H., deutscher Bereichsleiter eines weltweit tätigen deutschen Industrieunternehmens)

Schriftenreihe Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Band

1 Jürgen Bolten (Hrsg.): Cross Culture − Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft, 2., überarb. Aufl. 1999

Band

2 Jürgen Bolten, Marion Dathe (Hrsg.): Transformation und Integration. Aktuelle Probleme und Perspektiven west-/osteuropäischer Wirtschaftsbeziehungen, 1995

Band

3 Jürgen Bolten, Marion Dathe, Susanne Kirchmeyer, Klaus Klott, Peter Witchalls, Sabine Ziebell-Drabo: Lehrwerke und Lehrmaterialien für die Wirtschaftsfremdsprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch, 1995

Band

4 Christoph I. Barmeyer, Jürgen Bolten (Hrsg.): Interkulturelle Personalorganisation, 1998

Band

5 Michael Hasenstab: Interkulturelles Management. Bestandsaufnahme und Perspektiven, 1999

Band

6 Jürgen Bolten, Daniela Schröter (Hrsg.): Im Netzwerk interkulturellen Handelns: Theoretische und praktische Perspektiven der interkulturellen Kommunikationsforschung, 2002

Band

7 Jochen Strähle (Hrsg.): Interkulturelle Mergers & Acquisitions. Eine interdisziplinäre Perspektive, 2003

Band

8 Stefanie Rathje: Unternehmenskultur als Interkultur. Entwicklung und Gestaltung interkultureller Unternehmenskultur am Beispiel deutscher Unternehmen in Thailand, 2004

Band

9 Jürgen Bolten (Hrsg.): Interkulturelles Handeln in der Wirtschaft. Positionen, Modelle, Perspektiven, Projekte, 2004

Band 10 Tanja Emmerling (Hrsg.): Projekte und Kooperationen im interkulturellen Kontext. Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis, 2005 Band 11 Daniel Tsann-ching Lo: Die Bedeutung kultureller Selbst- und Fremdbilder in der Wirtschaft. Zum Wandel des Deutschlandbildes in Taiwan 1960-2000, 2005 Band 12 Yaling Pan: Interkulturelle Kompetenz als Prozess. Modell und Konzept für das Germanistikstudium in China aufgrund einer empirischen Untersuchung, 2008