Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung: (unter besonderer Berücksichtigung der Unberührtheitsklauseln) [1 ed.] 9783428476220, 9783428076222


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Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung: (unter besonderer Berücksichtigung der Unberührtheitsklauseln) [1 ed.]
 9783428476220, 9783428076222

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 628

Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung (unter besonderer Berücksichtigung der Unberührtheitsklauseln) Von

Markus Böckel

Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS BOCKEL

Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 628

Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung (unter besonderer Berücksichtigung der Unberührtheitsklauseln)

Von

Markus Bockel

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Bockel, Markus: Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung : (unter besonderer Berücksichtigung der Unberührtheitsklauseln) / von Markus Bockel. — Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 628) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07622-2 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07622-2

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1992 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen. Die Arbeit befaßt sich mit der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung. Dieser Aufgabe begegnet der Gesetzgeber sowohl bei Rechtsänderungen als auch bei vollkommen neuem Recht. In Wirklichkeit ist aber auch jedes neue Recht in gewisser Weise Rechtsänderung, weil der Gesetzgeber nie auf gänzlich ungeregelte Rechtsgebiete trifft. In welcher Weise und mit welchen Techniken der Gesetzgeber diese Aufgabe vollzieht, ist bislang — soweit ersichtlich — noch nicht umfassend behandelt worden. Eine derart umfassende und erschöpfende Behandlung des Themas kann auch die vorliegende Untersuchung nicht leisten. Sie kann allerdings der Anstoß für weitergehende Untersuchungen sein. Die Arbeit wurde von Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer betreut. Er hat auch die Bearbeitung dieses Themas angeregt. Hierfür sowie für die Möglichkeit, an seinem Lehrstuhl an der Universität Trier als Assistent mitarbeiten zu können, danke ich ihm herzlich. Herrn Prof. Dr. Gerhard Robbers bin ich zu Dank verpflichtet für die überaus zügige Zweitbegutachtung der Arbeit. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet, die meine gesamte Ausbildung wie auch die Höhen und Tiefen eines Doktoranden mit Verständnis und großer Unterstützung begleitet haben. Kaiserslautern, im Juni 1992

Markus Bockel

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Problemdarstellung

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

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I. Der Anlaß zur Gesetzesänderung 1. Vorbemerkungen 2. Gründe für Gesetzesänderungen IL Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln bei Gesetzesänderungen 1. Ableitung der Dogmatik 2. Versuch einer Bestimmung des Begriffs „Rechtsdogmatik" 3. Verbindlichkeit von Rechtsdogmatik 4. Rechtsdogmatik als Mittel zur Einpassung neuen Rechts a) Beispiele für „Anlehnen" b) Beispiele für Einhalten eines bestehenden „Systems" c) Gleiche Rechtsfolgen und Wertungen bei vergleichbaren Regeln d) „Binnenrechtsvergleichung" e) Gleiche Begrifflichkeit 5. Vernetzung von Gesetzes werken

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III. Lösung von Gesetzes- / Normkollisionen 1. Vorbemerkungen 2. Allgemeine Kollisionsregelungen a) Lex superior derogat legi inferiori b) Lex posterior derogat legi priori c) Lex specialis derogat legi generali d) Konkurrenzen zwischen den Kollisionsregelungen 3. Normierte Kollisionsregeln a) Verfassungsrecht aa) Art. 31 GG bb) Art. 25 GG b) Einfaches Recht 4. Verhältnis selbständiger Rechtsquellen

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IV. Harmonischer Einbau neuen Rechts 1. Vorbemerkungen 2. Zur Garantie von Rechtsgleichheit a) Materielle Rechtsgleichheit b) Einschränkung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers

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Inhaltsverzeichnis

3. Selbstbindungen des Gesetzgebers a) Bindung an das System der Rechtsordnung aa) Rechtsprechung bb) Literatur cc) Beispiele für Systemwidrigkeiten b) Bindung als Folge der Verpflichtung zur Kontinuität c) Bindung unter Rückwirkungsgesichtspunkten 4. Das Gesetz als Vertrauensgrundlage V. Der Zeitpunkt der Einpassung C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts I. Schaffung von Übergangsrecht 1. Vorbemerkungen 2. Anspruch auf Übergangsregelungen? a) Rechtsprechung b) Schrifttum 3. Formelles Übergangsrecht 4. Materielles Übergangsrecht 5. Instrumente zur Lösung übergangsrechtlicher Probleme a) Zeitbezogene Regelungen aa) Stichtagsregelungen bb) Zeitpunkt des Inkrafttretens von Gesetzen cc) Befristungen in Gesetzen b) Optionsrecht zwischen altem und neuem Recht bzw. „Meistbegünstigungsklausel" aa) Optionsrecht bb) Meistbegünstigungsklausel c) (Unbefristete) Fortgeltung alten Rechts d) Härteklauseln e) Regelungen „auf Vorrat" IL Informationen über neues Recht / Gesetzesankündigung 1. Allgemeines 2. Bedeutung 3. Verfassungsrechtliche Problematik III. Anpassungsgesetzgebung IV. Der Erlaß von Einführungsgesetzen 1. Ausdehnung der räumlichen Geltungskraft eines Gesetzes 2. Einführungsgesetze zur Einpassung neuen Rechts V. Einpassung durch Vorschaltgesetzgebung VI. Einpassung neuen Rechts durch unbestimmte Rechtsbegriffe VII. Einpassung neuen Rechts durch Verweisungen 1. Entlastung von Vorschriften 2. Einpassung durch Verweisungen VIII. Vorrangregelungen IX. Einpassung durch experimentelle Gesetzgebung

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Inhaltsverzeichnis

D. Mangelhafte bzw. fehlende Einpassung neuen Rechts I. Sog. „Angstklauseln" II. Einzelfälle 1. Sog. „Paketgesetze" 2. § 41 Abs. 3 GenTG 3. Art. 144 Abs. 2 GG

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E. Die Unberührtheitsklauseln I. Begriffsabgrenzung 1. „unberührt", „nicht berührt" 2. „unbeschadet" 3. „überlassen" 4. „behält sein Bewenden" / „verbleibt es . . . " 5. Arbeitsbegriff „Vorbehalt" II. Rechtsprechung zu Unberührtheitsklauseln 1. Verfassungsgerichtliche Entscheidungen 2. Zusammenfassung III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln 1. Durchsetzung der unmittelbaren Verfassungsgeltung („Vorrang der Verfassung") 2. Klärung des Bund-Länder-Verhältnisses a) Vorbehalt einer Detailregelung b) Vorbehalt im Sinne einer Ermächtigung nach Art. 71 GG aa) Ermächtigung zur Rechtsetzung bb) Beispiele cc) Andere Abgrenzungsmöglichkeit dd) Grundsatz der Bundestreue c) Vorbehalt zur Kompetenzabgrenzung im Bund-Länder-Verhältnis d) Weitergeltung von Landesrecht und Befugnis zu dessen Änderung e) Klarstellung der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für ein Rechtsgebiet f) Respektierung von Befugnissen der Gemeinden 3. Unberührtheitsklauseln zur Normierung allgemeiner Kollisionsgrundsätze a) Anwendbarkeit allgemeiner Kollisionsgrundsätze b) Umkehrung der lex-superior-Regel 4. Zur Klärung des Verhältnisses zu anderen Gesetzen (Gesetzeskonkurrenz) a) Möglichkeiten der Bezugnahme b) Bedeutung aa) Klarstellung der Eigenständigkeit anderer Rechtsbereiche... bb) Vorrangregelung cc) Kumulative Anwendung zweier Vorschriften dd) Ausschluß der Einwirkung auf andere Rechtsbereiche ....

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Inhaltsverzeichnis

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5. Verhältnis von Vorschriften des gleichen Gesetzes a) Konstituierung einer Auffang- bzw. Ausnahmevorschrift b) Klarstellung einer nicht abschließenden Regelung c) Ergänzungsfunktionen 6. Zur Umsetzung des Prinzips der „Einheit der Rechtsordnung" .... 7. Ausklammern von Rechtsmaterie aus einer umfassenden Kodifikation 8. Verhältnis zu Vertrags werken mit außerstaatlichen Stellen 9. Tatbestandsmodifikationen a) Rechtserweiterung b) Rechtsbeschränkung 10. Ausdrücklicher Ausschluß einer Rückwirkung / Schutz wohlerworbener Rechte 11. Geltungsbeschränkende Unberührtheitsklauseln IV. Abgrenzung zur Technik der Verweisungen V. Verfassungsrechtliche Aspekte 1. Rechtsstaatsprinzip a) Normenklarheit b) Bestimmtheitsgrundsatz c) „Offene Normen" 2. Sorgfältige Einpassung neuen Rechts als Forderung des Rechtsstaatsprinzips?

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F. Zusammenfassung

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Literaturverzeichnis

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A. Einleitung und Problemdarstellung (1) Rechtsetzungsvorhaben finden in ihrem Regelungsbereich zumeist bereits Recht gleichen oder auch niedrigeren Ranges vor. Man wird daher richtigerweise eher von Rechtsättderwng.svorhaben reden müssen1. Die Anpassung an das bestehende Recht ist aber nicht nur bei Rechtsänderungen nötig. Sogar Gesetze, die eine Materie erstmals regeln, können nicht isoliert betrachtet werden, sondern erfordern diese Einpassung2. Die Normierung bisher noch nicht geregelter Sachgebiete ist heute allerdings seltener, weil es solche Gebiete kaum mehr gibt 3 . In der Regel geht es darum, Rechtsänderungen in bereits bestehende Strukturen und Rechtsordnungen einzufügen. Und so ist das Änderungsgesetz heute auch das typische Gesetz4. Bei dieser Arbeit hat der Gesetzgeber danach zu trachten, Regelungen zu treffen, die auf dem alten Recht aufbauen, dieses ergänzen und sich problemlos einfügen 5. Häufig sind dabei bestimmte Instrumente der Einpassung neuen Rechts unerläßlich, wie etwa übergangsrechtlicher Regelungen, die die kollidierenden Rechtsordnungen (also die alte und die neue) verbinden, Widersprüche entschärfen oder vermeiden, Regelungen angleichen etc. 6 . Allerdings läuft diese Aufgabe des Gesetzgeber in der Praxis nicht selten „schief' 7 . 1 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Arbeitshilfe 2 (AH 2), Rechtsänderungstechnik, S. 4. 2 Noll, S. 76: „Aufs Ganze der Rechtsordnung bezogen, ist Gesetzgebung immer nur Rechtsänderung, nie totaler Neubeginn. Gesetzgebung geschieht nie im rechtsleeren Raum". Vgl. auch Hotz, St. Galler Festgabe, S. 297 ff., 307 f. Im übrigen sind nicht alle Gesetze, die sich nicht als „Änderungsgesetze" bezeichnen, auch tatsächlich neu; Schulze-Fielitz, S. 202 f. 3 Zur Zukunft des Kodifikationsgedankens vgl. an dieser Stelle K. Schmidt, an versch. Stellen; Schulze-Fielitz, DÖV 1988, S. 758 ff., 763. « Kloepfer, JZ 1984, S. 685 ff., 688 f. sowie ders., in: Hill (Hrsg.), Zustand und Perspektiven, S. 187 ff., 188; zum Verhältnis neugeschaffener Gesetze zu Änderungsgesetzen (allerdings nur bis 1968) Hasskarl, DÖV 1968, S. 558 ff., 560. 5 Schmidt-Jortzig, in: Bonner Kommentar, Art. 76 Rn. 234 6 Hotz, St. Galler Festgabe, S. 297 ff., 307. 7 Priimm, ZG 1991, S. 78 ff., 79; am Beispiel der schweizerischen Gesetzgebungspraxis zeigt dies Fleiner-Gerster, FS Eichenberger, 1982, S. 493 ff., 497 f. Fliedner, ZG 1991, S. 40 ff., 50, verweist auch auf die ökonomische Dimension dieses Problems. Zum Phänomen des Negativgesetzgebers Th. Ellwein, DVB1. 1984, S. 255, 258 f.: Der nominelle Gesetzgeber hat im normalen Gesetzgebungsverfahren überhaupt nicht mehr die Möglichkeit, alle im Zusammenhang mit der Änderung oder dem Neuerlaß eines Gesetzes bewirkten Folgeänderungen bei anderen Gesetzen zu überblicken. Die dazu erforderliche Detailkenntnis hat nur die Bürokratie, in deren Hand sich entscheidet, was in den geänderten Gesetzen gültig bleibt. Infolgedessen hat der Gesetzgeber auch oft gar nicht mehr die Möglichkeit einer sorgfältigen Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung.

A. Einleitung und Problemdarstellung

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(2) Soweit ersichtlich, ist der Gedanke der Einpassung neuer Regelungen in die bestehende Rechtsordnung bisher nicht vertiefend behandelt worden 8 . Georg Müller hat sich in einer kürzeren Abhandlung mit der Frage beschäftigt, wie neue Rechtsnormen in die bestehende Rechtsordnung einzufügen seien und hat dabei beklagt, daß dieser — für das Gesetz „lebenswichtigen"9 — Frage bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde 10 . Er geht zunächst von der bestehenden Rechtsordnung als „Reale" 11 aus, an der sich neues Recht bis zu einem gewissen Grade zu orientieren habe, ohne aber seine Rolle als „Schrittmacher" für geänderte Wertvorstellungen zu verlieren. Ziel der richtigen Einpassung neuer Vorschriften schließlich sei die Herstellung von Widerspruchsfreiheit zwischen neuem und geltendem Recht und die Übereinstimmung in den Zielen der neuen und der alten Regelung12. Darüber hinaus beschäftigt sich Georg Müller mit Mitteln und Methoden der geforderten Harmonisierung neuer und alter Regelungen, insbesondere mit dem Übergangsrecht 13. Anhand eines praktischen Beispiels behandelt Eberhard Baden die Einpassung neuer Vorschriften in die Rechtsordnung 14. Er unterstellt — schon der Überschrift nach zu urteilen — diese Frage dem Problem der Systemgerechtigkeit. Denn er weist nach, daß es sich bei der Einfügung des Begriffs der Erwerbsverpflichtung in § 313 BGB um „einen Fall nicht systemgerechter Einpassung in das bestehende Gesetzeswerk" handelt 15 . Die Frage der Einpassung neuer Rechtsnormen in die Rechtsordnung ist sicher auch, aber nicht alleine, eine Frage der Systemgerechtigkeit. (3) Es ist als Vorfrage zunächst zu prüfen, welchen Bindungen der Gesetzgeber durch die bestehende Rechtsordnung im Rahmen seiner Befugnis zur Rechtsetzung unterliegt. Diese Bindung, sofern sie denn bestehen sollte, könnte damit erklärt werden, daß die Rechtsordnung ein Spiegelbild der sozialen Wirklichkeit ist. Stünde es aber im Belieben des Gesetzgebers, unabhängig und abweichend von bestehenden Rechtsstrukturen neues Recht zu setzen, so käme dies einer Mißachtung dieser sozialen Wirklichkeit gleich 16 . Im übrigen wird auch immer wieder die Bedeutung des Rechts bei der Gestaltung der Gesellschaft betont. 8

Vgl. aber den Hinweis von Krause, in: Götz / Klein / Starck, S. 356, auf die schwedische Gesetzgebungspraxis. 9 Hufen, VVDStRL 47 (1988), S. 142 ff., 148. 10 G. Müller, in: Eichenberger et al. (Hrsg.), S. 369 ff. u G. Müller, in: Eichenberger et al. (Hrsg.), S. 370; vgl. im übrigen auch Fußn. 16. 12 G. Müller, in: Eichenberger et al. (Hrsg.), S. 370 ff. 13 G. Müller, in: Eichenberger et al. (Hrsg.), S. 372 ff. 14 Baden, in: Schäffer / Triffterer (Hrsg.), S. 234 ff. 15 Baden, in: Schäffer / Triffterer (Hrsg.), S. 234 ff., 238. 16 Jeimann, in: Eichenberger u.a. (Hrsg.), S. 189 ff., 201: „Die bestehende Rechtsordnung als Reale der Gesetzgebung". Auf das geltende Recht als Determinante im Gesetzgebungsprozeß weisen in der gleichen Schrift auch Bally u.a., Politik als Determinante im Gesetzgebungsprozeß, S. 239 ff., hin.

A. Einleitung und Problemdarstellung

Läßt sich aber eine Gesellschaft durch unsystematische Normen überhaupt gestalten 17 ? Dabei sind möglicherweise gewisse rechtsdogmatische Hilfsmittel von Bedeutung, auf die zunächst einzugehen ist. (4) Die Untersuchung will sich, wie die obigen Ausführungen schon zeigen, auf die gesetzgeberischen Möglichkeiten der Einpassung neuen Rechts beschränken. Damit soll aber nicht verschwiegen werden, daß sowohl der Exekutive als auch der Judikative eine erhebliche Bedeutung bei der Einpassung neuen Rechts zukommt. Die Verwaltungsbehörden haben an dieser Aufgabe insoweit Anteil, als sie mit den Mitteln der gesetzeskonformen Auslegung von Rechtsbegriffen automatisch neues Recht im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung anwenden und damit in diese einpassen. Insbesondere aber die Rechtsprechung wird Schwächen oder bewußte Unklarheiten des Gesetzgebers bei der Normgestaltung durch harmonisierende Einpassung der Regelungen in die Rechtsordnung ausgleichen müssen18 — ohne allerdings den gesetzgeberischen Kompetenzbereich angreifen zu dürfen. (5) Sodann wird auf die einzelnen Instrumente der Einpassung neuen Rechts einzugehen sein, derer sich der Gesetzgeber bedient. Dazu gehören auch die sog. „Unberührtheitsklauseln" 19, von denen deshalb in der Mehrzahl zu sprechen ist, weil es verschiedene Formulierungen (möglicherweise gleichen, aber auch verschiedenen Inhalts) dafür gibt. Der Begriff „Unberührtheitsklauseln" ist nicht neu. Als bekanntes normtechnisches Mittel ist er z.B. im Völkerrecht zu finden und hier insbesondere in völkerrechtlichen Verträgen z. B. betreffend die Regelung der Nachkriegsordnung in Deutschland20. Hier haben die Unberührtheitsklauseln 21 den Vertragsparteien die Möglichkeit gegeben, eigene Rechtsstandpunkte beizubehalten und endgültige rechtliche Regelungen aufzuschieben. Als Regelung der Kollision von Verträgen bietet hier die Unberührtheitsklausel die Möglichkeit für beide Vertragsparteien, ohne wesentliche Abweichung von ihren Standpunkten die zentralen Bestimmungen eines Vertrages einhalten zu können. Unberührtheitsklauseln stellen in diesem Zusammenhang also zunächst einmal ein Mittel zur Lösung eines Konfliktes dar, der durch den inhaltlichen Widerspruch zweier völkerrechtlicher Verträge entstanden ist. Die Konfliktlösung kann nun dergestalt aussehen, daß die Unberührtheitsklausel eine Vorrangregelung trifft, daß sie feststellt, daß die Befolgung

17 Helsper/Hochrein, ZG 1988, S. 22 ff., 32. 18 Vgl. z.B. K. Schmidt, S. 70; Säcker, ZHR 148 (1984), S. 153; Martens, ZHR 148 (1984), S. 183. 19 Vgl. z.B. Kloepfer, VVDStRL 50 (1990), S. 305 ff., 307. 20 Vgl. aus jüngster Zeit aber auch Art. 6 des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (sog. „Zwei-plus-Vier-Vertrag"), BGBl. II 1990 S. 1317 (vgl. auch BT-Drs. 11/8024). 21 Auch als „Nichtberührungsklauseln" bezeichnet; K. Ipsen, in: Kieler Symposium, S. 83 ff., 85.

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A. Einleitung und Problemdarstellung

des einen Vertrages keine Auswirkung auf Verträge mit Dritten hat 22 . Durch diese Funktion bewirken Unberührtheitsklauseln in diesem Zusammenhang eine „Relativierung des rechtlichen Regelungsgehaltes der Verträge" 23 . Beispiele solcher Unberührtheitsklauseln sind enthalten in Art. 4 Moskauer Vertrag, in Art. IV Warschauer Vertrag sowie in Art. 9 Grundlagenvertrag 24. Auch in der (nationalen) Gesetzgebung ist der Begriff existent 25 , ohne daß allerdings — soweit ersichtlich — bislang eine Auseinandersetzung mit Funktion und Bedeutung der Unberührtheitsklauseln stattgefunden hätte. (6) Eine Empirie der Übergangsvorschriften wird in der Literatur zwar für dringlich erachtet, allerdings fehlt es bislang daran 26. Nur vereinzelt und ansatzweise ist die Typik der Übergangsgesetzgebung aufgearbeitet worden 27 . Aber auch die vorliegende Arbeit kann diese Aufgabe nur ansatzweise leisten. Die verschiedenen Formen von Übergangsregelungen kommen daher insoweit zur Sprache, als sie der Einpassung neuen Rechts unmittelbar dienen. Darüber hinausgehende Probleme können nicht untersucht werden.

22 Vgl. Blumenwitz, FS Berber, S. 83 ff., 93 ff.; Gornig, ROW 1991, S. 97 ff., 99. 23 Blumenwitz, FS Berber, S. 83 ff., 103. Aber problematisch ist, inwieweit ein Vertrag zwischen zwei Parteien überhaupt den Vertrag einer Partei mit einem Dritten berühren könnte: Denkbar ist allenfalls, daß der betreffende Vertrag, der die Unberührtheitsklausel enthält, ohne die Klausel nicht ohne Verletzung des anderen Vertrages von einer Seite erfüllt werden könnte. 24 Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972. 25 Vgl. z.B. § 41 PflSchG. 26 Pieroth, S. 23; Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 3 I Rn. 222 (Fußn. 3); Kisker, VVDStRL 32 (1974), S. 156 ff., 179 (Fußn. 23). 27 Vgl. Affolter, S. 322 — 427; Göll, S. 89 ff.; Wilfert, S. 52 ff.; B. Meyer; Heiderich, S. 40 ff., 45 ff., 61 ff.

B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts I. Der Anlaß zur Gesetzesänderung 1. Vorbemerkungen Die Motivation des Gesetzgeber zur Schaffung bzw. zur Änderung von Recht ist vielfältig 1 . Unter dem Stichwort vom „Anlaß zur Gesetzgebung" ist diese Frage bereits mehrfach untersucht worden 2. In der Sache scheinen aber die Motivationen des Gesetzgebers im wesentlichen die gleichen zu sein wie bei Gesetzesänderungen. Denn ein gutes Stück unserer Gesetzgebung ist doch heute Gesetzesänderung3. Ausgehend von der Tatsache, daß auch das Neusetzen von Recht (s.o.) nie in völliger Unabhängigkeit von bereits geregelten Rechtsbereichen erfolgen kann, gilt dies natürlich auch für diesen Bereich, so daß eine Unterscheidung zwischen geändertem Recht und neuem Recht auch hier nicht erforderlich ist.

2. Gründe für Gesetzesänderungen Die Gründe für Gesetzesänderungen sind vielfältig 4 . Sie können in der Erfüllung von Verfassungsaufträgen bestehen, wie sie etwa das Grundgesetz in den Art. 3 Abs. 2 (Gleichberechtigung), Art. 4 Abs. 3 (Wehrdienstverweigerung) oder in Art. 6 Abs. 5 (Unehelichenrecht) vorsieht 5. Die Änderungen von Gesetzen ziehen oft weitere Änderungen infolge der Abhängigkeit von Normen untereinander nach. Auch die Änderung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder technischer Verhältnisse und Entwicklungsprozesse ist häufig der Anlaß für Gesetzesänderungen. In diesem Zusammenhang ist der Gesetzgeber bestrebt, steuernd einzugreifen oder zumindest Richtung und Eckpunkte von Entwicklungen zu markieren 6. 1 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), S. 9. 2 Hill, Gesetzgebungslehre, S. 53 ff.; Hill, DÖV 1981, S. 481 ff.; H. Müller, DÖV 1964, S. 226 ff.; H. Schneider, Rn. 94 ff. 3 Vgl. z.B. Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 63 ff., 75; Leisner, DVB1. 1981, S. 849 ff., 851. 4 Vgl. z.B. die Beiträge von H. Müller, DÖV 1964, S. 226 ff. und Hill, DÖV 1981, S. 487 ff. 5 Zu allem vgl. H. Schneider, Rn 94. 6 Dies ist freilich in der Umsetzung technischer und wissenschaftlicher Prozesse nicht immer ganz einfach. Deshalb wird hier auch ein „Hinterherhinken" des Gesetzgebers

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

Umfangreiche Beispiele für Entscheidungen der Rechtsprechung als Anlaß zur Gesetzesänderungen bietet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Erklärt etwa das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz oder eine Vorschrift für verfassungswidrig, ist damit in der Regel die Verpflichtung des Gesetzgebers impliziert, die verfassungswidrigen Regelungen aufzuheben bzw. zu ändern 7. Aufgrund zahlreicher Mitgliedschaften und Zugehörigkeiten der Bundesrepublik Deutschland in über-, zwischen- oder bundesstaatlichen Zusammenschlüssen ist der Gesetzgeber zur Rechtsetzung verpflichtet. Ein Anlaß zur Gesetzesänderung kann etwa dann bestehen, wenn nationales Recht an EG-Recht angepaßt werden soll. Als Mitglied der Europäischen Gemeinschaften ist die Bundesrepublik Deutschland dann verpflichtet, rechtsetzend tätig zu werden 8. Praktikabilitätserwägungen spielen als Anlaß zur Gesetzesänderung eine häufige Rolle, um neues Recht einzupassen9. Dabei werden gesetzestechnische Instrumente gebraucht, die nicht nur diesen einen Zweck der Praktikabilität haben, sondern auch aus anderen Gründen erforderlich sind, um neue Regelungen in die bestehende Rechtsordnung einzupassen. So ist es notwendig, Übergangsregelungen zu schaffen, die z.B. der Verwaltung Zeit zum Einstellen auf die neue Rechtslage gewähren. Beispiele: Festlegung einer Übergangsfrist zur Einstellung auf die neue Rechtslage, Verschiebung des Inkrafttretens etc. Andere Gesetze können gar ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung erlassen werden. Schließlich erfolgen unter Praktikabilitätserwägungen auch die Beseitigung von Mißbrauchstatbeständen, von Lücken im Gesetz und die Suche nach Einsparungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt ist natürlich das Bestreben, neues Recht in die Rechtsordnung einzupassen, selbst Anlaß für weiteres neues Recht. Um eine möglichst widerspruchsfreie Rechtsordnung herzustellen, ist es erforderlich, bei neuen Gesetzen oder der Änderung von Gesetzen auch scheinbar nicht betroffenes Recht im Umfeld des neuen Rechts zu ändern 10.

beklagt; vgl. Berg, JZ 1985, S. 401 ff., 401; Brohm, DÖV 1987, S. 265 ff., 266 sowie Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, UBA-Berichte 7/90, S. 463. 7 Vgl. die Beispiele bei H. Schneider, Rn. 94 (Fußn. 14). s Hill, DÖV 1981, S. 487 ff., 488. Dies kann sich sogar bis auf die Kommunalebene erstrecken, vgl. H. Schneider, Rn. 94. 9 Vgl. auch Weber-Dürler, S. 189 ff. 10 Grüner, ZBR 1980, S. 165 ff., 166.

I

Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln bei Gesetzesänderungen

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I I . Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln bei Gesetzesänderungen 1. Ableitung der Dogmatik Vielfach sind unter dem Gesichtspunkt des „Qualitätsverlustes" von Gesetzen strukturelle, systematische Mängel beklagt worden. Gesetzesänderungen folgen häufig ebensowenig klaren systematischen Gedanken. Die Rechtsdogmatik kann insoweit schon im Vorfeld der Änderung und Neuschaffung von Recht eine Hilfe (und eine Gefahr? 11) sein. Ausgehend von der Aufgabe der Staatsrechtswissenschaft zur Durchdringung, Erforschung und Systematisierung des Staatsrecht hat u.a. Stern die Bedeutung der Rechtsdogmatik für die Staatsrechtswissenschaft hervorgehoben 12. Danach verlangt die Anwendung des Rechts zur Lösung konkreter Fallfragen begriffliches und systematisches Vorgehen. Erforderlich sei ein Aufbereiten und Erläutern des Rechtsstoffes durch Systematisieren, Ordnen, Klassifizieren und Typisieren. Nun ist die Systematisierung von Rechtsnormen nicht ohne weiteres mit Dogmatik gleichzusetzen. Ein Dogma ist ein Lehrsatz, dessen Richtigkeit oder Wahrheit vorausgesetzt wird. Die Dogmatik selbst dient einerseits der Auffindung und Umschreibung der Dogmen und andererseits ihrer Funktionalität. Letzteres insofern, als aus den Dogmen konkrete Regeln abgeleitet werden können und in ein bestimmtes System gebracht werden. Die eingangs angesprochene Systematisierung ist deshalb ein Instrument der Dogmatik 13 . Rechtsdogmatik wird auf der anderen Seite auch beschrieben als ein Kontingentes Gefüge (Lehrgebäude) von juristischen Sätzen und Regeln, die unabhängig vom Gesetz allgemeine Anerkennung und Befolgung beanspruchen" 14. Die Befolgung rechtsdogmatischer Erkenntnisse dient damit der Darlegung innerer rechtlicher Zusammenhänge und der „Einheit der Rechtsordnung" 15. So kann z.B. auch in der richterlichen Rechtsanwendung die Bindung an die Rechtsdogmatik ein Übergreifen subjektiver Auslegungsmethoden und ein Verlassen des Ordnungsrahmens des Rechts verhindern 16. Nun sagt dies aber noch nichts aus über die Bedeutung der Rechtsdogmatik für die Rechtsetzung, um die es ja hier eigentlich gehen soll. Schulze-Fielitz 11 Schulze-Fielitz, S. 523; zur bewußten Abwendung von der Dogmatik aus rechtspolitischen Gründen anläßlich der Entwürfe zum Bürgerlichen Gesetzbuch vgl. allerdings Jüttner, S. 61 ff. 12 Stellvertretend für viele Stern, StR I, S. 42. 13 Henckel, in : Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 93 ff., 93 f. Vgl. Schulze-Fielitz, S. 524: ,Jeder Rechts- bzw. Gesetzesdogmatik liegt der Gedanke einer Systembildung zugrunde." 14 So Wieacker, FS Georg Gadamer, 1970, S. 311 ff., 319; vgl. auch Bachof, VVDStRL 30 (1972), S. 193 ff., 197; Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 ff., 246. 15 Heberlein, S. 8 f.; vgl. auch P. Kirchhof, S. 8 f. 16 Hangartner, St. Galler Festgabe, 1981, S. 158 f. 2 Bockel

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

vertritt vor diesem Hintergrund die Auffassung, daß klare rechtsdogmatische Prinzipien als Konstanten auch dem Gesetzgebungsverfahren rationale, erwartungssichernde und damit rechtsstaatliche Strukturen verleihen können 17 . Da der Gesetzgeber heute insbesondere nur noch selten ein Rechtsgebiet als ganzes setzen (normieren) kann, sondern stets nur noch Teilbereiche, gewinnen die Regeln der Rechtsdogmatik bei der Einpassung des neuen Rechts in den Rahmen des alten fortgeltenden Rechts eine besondere Bedeutung. Denn der Gesetzgeber muß das neue Recht an die aus dem alten Recht gewonnenen Dogmen und den daraus ableitbaren Regeln anpassen, um zum einen die von ihm geforderte Widerspruchsfreiheit im System des durch die Rechtsänderung berührten Rechtsbereichs herzustellen 18. Das bedeutet, die Dogmatik dient dazu, die innere Widerspruchsfreiheit eines Gesetzes herzustellen bzw. zu sichern. Darüber hinaus hat die Dogmatik die Geschlossenheit der gesamten Rechtsordnung zu wahren und so die äußere Widerspruchsfreiheit zu sichern. Infolgedessen ist Dogmatik ein Instrument zur Stabilisierung und Integration, weil sie das positive Recht durch rational nachvollziehbare Aussagen absichert. Im übrigen wird die Akzeptanz neuer Gesetze bei allen Rechtsanwendern dadurch gefördert, daß sie dogmatisch stimmig sind 19 . Im Sozialrecht ist vielfach eine „regellose" Anpassungsgesetzgebung kritisiert worden. Und gerade für diesen Rechtsbereich ist es als Hauptanliegen bezeichnet worden, Beständigkeit und Beharrlichkeit als unverzichtbare Elemente der rechtsstaatlichen Gesetzgebung zu erreichen. Dies könne nur durch größere gesetzessystematische Klarheit zu schaffen sein 20 . Ein Verlust dieser Berechenbarkeit könne der Ordnungsfunktion des Rechts schaden21. Daher brauche der Gesetzgeber allgemeine Orientierungsmaßstäbe, um dieser Ordnungsfunktion des Rechts angesichts der Fülle von neuen Gesetzen und Gesetzesänderungen gerecht zu werden. Denn jeder Rechts- oder Gesetzesdogmatik liege der Gedanke der Systembildung zugrunde. Damit könnten diese rechtsdogmatischen Grundsätze unter dem Gesichtspunkt einer eingespielten Rechtspraxis als Mittel zur Einfügung von Rechtsänderungen in das bestehende Gesetz gesehen werden 22 .

17 Schulze-Fielitz, S. 523. 18 Zum Problem „dogmatischer Experimente" vgl. Schulze-Fielitz, S. 524 f. 19 Öhlinger, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 138; Beling, S. 20; vgl. aber zur Gefahr vermeintlich zwingender dogmatischer Ableitungen als „Hemmschuh für eine angemessene gesetzliche Regelung" aktueller Probleme Henckel, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 95. 20 Krause, DÖV 1984, S. 740 ff., 741; Rüfner, JZ 1984, S. 801 ff., 804. Als praktisches Beispiel des Versuchs einer dogmatischen Durchdringung eines Rechtsgebietes vgl. den Entwurf eines Allgemeinen Teils eines Umweltgesetzbuches. 21 v. Maydell, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, S. 407 ff., 411. 22 Schulze-Fielitz, S. 524; vgl. auch unten Ziff. B II 3.

IL Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln bei Gesetzesänderungen

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2. Versuch einer Bestimmung des Begriffs „Rechtsdogmatik44 Die Rechtsdogmatik hat zwei Aufgaben: eine theoretische und eine praktische. Die theoretische Aufgabe besteht darin, Recht unter systematischen Gesichtspunkten zu untersuchen, Systemgedanken zu formulieren und das Verhältnis verschiedener Rechtsnormen untereinander zu untersuchen. Die praktische Seite besteht darin, Entscheidungsbegründungen zu liefern. Demnach „ist Rechtsdogmatik ein System von Regeln, welches Aussagen darüber ermöglichen soll, ob ein konkreter Satz, etwa eine Gerichtsentscheidung oder ein Verwaltungsakt, mit einem abstrakten Satz, etwa einem Gesetz oder dem Grundgesetz, inhaltlich vereinbar ist." 2 3

3. Verbindlichkeit von Rechtsdogmatik Die Anerkennung gewisser dogmatischer Regeln und Strukturen für die Gesetzgebung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Entstehen von Gesetzen, das Ändern von Recht etc., also die gesamte Gesetzgebung eben zu einem guten Teil auf politischen Kompromißentscheidungen beruht 24 , die sich einer dogmatischen Strukturierung sowie der Befolgung zwingender Regeln entziehen und sich bisweilen sogar bewußt von dogmatischen Aussagen abwenden25. Das Aufstellen dogmatischer Regeln hat noch nicht zwangsläufig zur Folge, daß der Gesetzgeber sich diesen Regeln unterwerfen muß. Dogmatik kann Lösungsvorschläge bieten, wie eine Rechtsänderung oder „Rechtsneuschaffung" zweckmäßigerweise in die Rechtsordnung eingepaßt werden kann. Die Rechtsdogmatik kann Widersprüche mit weitergeltenden Rechtsnormen, mit übergeordnetem Recht beseitigen oder im Vorfeld von Gesetzgebung gar vermeiden. Dadurch ist Dogmatik lediglich in der Lage, gewisse Grenzen zu markieren, innerhalb derer der Gesetzgeber aber frei gestalten kann 26 . Sie kann aber dem Gesetzgeber nicht die — gewiß auch nur in bestimmten Grenzen bestehende — Freiheit nehmen, „unzweckmäßig" oder widersprüchlich zu handeln.

23 Gusy, JZ 1991, S. 213 ff., 215. 24 „Gesetzgebung ist eingefrorene Tagespolitik"; vgl. im übrigen Stern, StR I, S. 84 f. m.w.N.; HbStR II-Klein, § 40 Rn. 17; HbStR III-Ossenbühl, § 63 Rn. 9; Muckel, S. 18; Scheuner, FS für Marcic, S. 889 ff.; Hill, Gesetzgebungslehre, S. 42; Kloepfer, ZG 1988, S. 289 ff., 301; Erichsen, VVDStRL 40 (1982), S. 128; Brandner, ZG 1990, S. 46 ff., 57 f. sowie H. Schneider, a.a.Ö, Rn. 95; Berner, BayVBl. 1978, S. 617 ff., 619 f.; zur politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Badura, in: Badura / Kaiser, S. 9 ff., 15 f. 25 Schröder, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 39 f.; Jüttner, S. 61 ff. 26 An dieser Stelle sei auf den grundsätzlichen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum verwiesen. Vgl. Henckel, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 102; Starck, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 116; Maiwald, in: Behrends / Henckel (Hrsg.), S. 120 ff., 135. 2*

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

Eine Bindung des Gesetzgebers an Regeln, die nicht einmal geschrieben sind, sondern allenfalls Empfehlungen darstellen, erscheint vor dem Hintergrund der grundsätzlichen gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit 27 bei der Schaffung von Recht nicht möglich. Gleichwohl bedenkenswert ist eine Bindung des Gesetzgebers an „vorangegangenes eigenes Tun" 2 8 . Derartige Selbstbindungen des Gesetzgebers sind vom Bundesverfassungsgericht unter gewissen Voraussetzungen anerkannt worden 29 . Daher darf die Bedeutung der Rechtsdogmatik als Mittel der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung nicht überbewertet werden. Wenn gleichwohl der Einfluß dogmatischer Argumentation auf die Gesetzgebung recht groß ist, so zeigt dies nur die beratende Funktion, nicht die Verbindlichkeit der Dogmatik 30 . Es erscheint aber nicht angebracht und die Bedeutung der Dogmatik überbetonend, vom „Bündnis zwischen Gesetzgeber und Dogmatik" zu sprechen, wenn ministerielle Gesetzgebungsvorarbeiten im Rahmen der Rechtsförmlichkeitsprüfung auf ihre Einpassung oder Eingliederung in die Rechtsordnung untersucht werden 31 .

4. Rechtsdogmatik als Mittel zur Einpassung neuen Rechts Das Verhältnis von Rechtsdogmatik und Gesetzgebung würde es auch zulassen, zu fragen, inwieweit rechtsdogmatische Regelungen bei Gesetzesänderungen mitgewirkt haben und so als Mittel zur Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung bezeichnet werden können 32 . Ansätze solcher rechtsdogmatischer Regeln sind in verschiedenen Gesetzesbestimmungen zu erkennen. So stellt SchulzeFielitz 33 dar, daß das Einhalten einer bestimmten Normstruktur durchaus vom Gesetzgeber zur Einpassung neuen Rechts gesehen und gebraucht wird. Danach sollen sich etwa Änderungen von Gesetzen in der Struktur ihrer Formulierung an die Strukturen der bereits bestehenden und geänderten Gesetze „anlehnen". Neuregelungen sollten nach einem bereits bestehenden „System" erfolgen 34 .

27 Vgl. dazu Maunz/Zippelius, § 25 II 1. 28 Im Strafrecht wohl unter der Bezeichnung „Ingerenz" bekannt; vgl. Lerche, S. 270. 29 Vgl. unten Kap. B III 3 („Selbstbindungen des Gesetzgebers"); vgl. auch Maiwald, in: Behrends / Henckel, S. 135; Hofmann / Öhliger, in: Behrends / Henckel, S. 144 sowie insbesondere Brandner, ZG 1990, S. 46 ff., 57 m.w.N. zur These, die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit verbiete eine Bindung des Gesetzgebers. 30 Starck, in: Behrends / Henckel, S. 116. 31 So aber Behrends, ZG 1989, S. 68 f. 32 Hofmann, in: Behrends / Henckel, S. 86. 33 Schulze-Fielitz, S. 523 ff., insbesondere S. 525 f., soweit ersichtlich, bislang alleine. Vgl. Behrends/Henckel, S. 5; Starck, ZG 1988, S. 1 ff. 34 Vgl. auch Eichler, S. 62.

II. Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln bei Gesetzesänderungen

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a) Beispiele für „Anlehnen" So lehnt sich z.B. § 57a StGB, der durch das 20. StrÄndG eingefügt wurde, „eng an das Vorbild des § 57 StGB an" 35 . Die in § 57a StGB aufgenommene Prognoseklausel, wonach eine Aussetzung des Strafrestes erst nach einer günstigen Prognose erfolgen kann, gilt aus Gründen der Sachgerechtigkeit bei der zeitigen Freiheitsstrafe ebenso wie bei der lebenslangen Freiheitsstrafe in § 57 StGB. Ein anderes Beispiel für ein bewußtes Anlehnen ist Art. 236 EGBGB, der sich inhaltlich an dem Muster des Art. 220 Abs. 1-3 EGBGB orientiert 36 . b) Beispiele für Einhalten eines bestehenden „Systems" Andere Gesetzesregelungen halten sich an das System einer bereits bestehenden Regelung37. Das GrEStG 1983 knüpft in Aufbau und Inhalt im wesentlichen an das GrEStG 1940 38 an und nimmt nur punktuelle Veränderungen dort vor, wo eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dies gebietet. Außerdem wurden zahlreiche unsystematische Befreiungs- und Vergünstigungstatbestände gestrichen. Sogar Regelungen aus der Durchführungsverordnung zum GrEStG 1940 werden hier aus Gründen der Rechtssicherheit unter Anpassung an die derzeit geltende Rechtslage in das Gesetz übernommen 39. Sogar vollständige Gesetze können sich am System eines Vorbildes orientieren. So löst das IRG zwar ausdrücklich das Deutsche Auslieferungsgesetz (DAG) vom 23.12.1929 ab, übernimmt aber wesentliche Grundprinzipien des DAG 4 0 . Ebenso ist § 4 Abs. 3 BKleingG dem bisherigen Recht nachgebildet41. „§4 (3) Wenn öffentliche Interessen dies erfordern, insbesondere wenn die ordnungsgemäße Bewirtschaftung oder Nutzung der Kleingärten oder der Kleingartenanlage nicht mehr gewährleistet ist, hat der Verpächter die Verwaltung der Kleingartenanlage einer Absatz 2 Satz 2 bezeichneten Kleingärtnerorganisation zu übertragen." 35 20. StrÄndG v. 1.5.1982, BGBl. I S. 1329; BT-Drs. 9/22, S. 6. 36 Art. 236 EGBGB wurde durch den EVertr v. 31.8.1990, BGBl. II S. 889, 941, eingefügt und enthält für ehemaliges DDR-Recht; vgl. Erläuterungen zum EVertr BTDrs. 11/7817, S. 47; Pirrung, RabelsZ 55 (1991), S. 211 ff., 222. 37 Laut H. Schneider, Rn. 428, hält sich sogar die Mehrzahl der Änderungsgesetze an Grundstrukturen der ursprünglichen Gesetze. 38 GrEStG 1983: BGBl. I 1982 S. 1777; GrEStG 1940: RGBl. I 1940 S. 585. 39 BT-Drs. 9/251, S. 15; vgl. auch Borutau / Egly / Sigloch, Vorbem. Rn. 104 ff., 112. Vgl. auch das von Henckel, in: Behrends / Henckel, S. 95, angeführte Beispiel des § 571 BGB. 40 BT-Drs. 9/1338, S. 26. 41 BGBl. I 1983 S. 210; BT-Drs. 9/1900, S. 15.

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

c) Gleiche Rechtsfolgen und Wertungen bei vergleichbaren

Regeln

Der Gesetzgeber kann bei vergleichbaren Regelungen in denselben, aber auch in verschiedenen Gesetzen die Rechtsfolgen oder rechtlichen Wertungen angleichen. Ein Beispiel dafür bietet der verwaltungsgerichtliche einstweilige Rechtsschutz: § 80 VwGO und § 123 VwGO sind beides Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz. § 80 Abs. 6 S. 2 a.F. VwGO enthielt im Gegensatz zu § 123 VwGO eine Regelung, wonach die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unanfechtbar war. Die Frage, welcher Verfahrensweg im einstweiligen Rechtsschutz der Richtige ist, ist oft zweifelhaft und wird von Gerichten oft anders bewertet. Hätte man die Vorschrift über die Unanfechtbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen lassen, wäre es alleine auf die Bewertung des Gerichtes im Einzelfall angekommen, ob die gerichtliche Entscheidung unanfechtbar wäre oder nicht. Die Vergleichbarkeit der beiden Verfahrensarten sprach aber dafür, sie auch in ihrer prozeßrechtlichen Gestaltung weitgehend gleichzustellen, also in keinem der beiden Verfahren die Unanfechtbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vorzusehen 42. d) „Binnenrechtsvergleichung

"

Eine andere dogmatische Methode, die bei Gesetzesänderungen bisweilen zu beobachten ist, ist die sog. Binnenrechtsvergleichung. Darunter ist die Angleichung von Sach- und Gesetzesstrukturen in unterschiedlichen Gesetzen zu verstehen 43 . So ist z.B. in § 6 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) aus Gründen der räumlichen Gesamtentwicklung für die Krankenhausbedarfsplanung die Raumordnungsklausel nach § 2 ROG übernommen worden, um auch eine Bindung der privaten Bauträger zu bewirken 44 : „ . . . Die Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung sind zu beachten. . . . " § 36 Abs. 2 BBahnG, der die Fälle regelt, in denen eine Planfeststellung unterbleiben kann, wurde eingefügt, um die Befugnis der Deutschen Bundesbahn den Befugnissen anderer hoheitlicher Planungsträger anzugleichen45. 42 BT-Drs. 9/1905, S. 5 f. § 80 Abs. 6 S. 2 VwGO ist aufgehoben worden durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 20.12.1982, BGBl. I S. 1834. 43 Schulze-Fielitz, S. 526; vgl auch die Harmonisierungsbestrebungen im Umweltrecht, hierzu z.B. Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, UBA-Berichte 7/90, S. 1 f. 44 BT-Drs. 9/570, S. 33. 45 Vgl. § 17 Abs. 2 BFStrG; BT-Drs. 9/830, S. 9. Zur Einheitlichkeit von Planfeststellungen in Überschneidungsbereichen vgl. Knöpfle, FS Theodor Maunz, 1981, S. 187 ff., 194 ff.

III. Lösung von Gesetzes-/Normkollisionen

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e) Gleiche Begrifflichkeit Vielfach werden in verschiedenen Gesetzen ausdrücklich die gleichen Begriffe für die gleichen Sachverhalte verwendet. So geschieht dies häufig in den strafrechtlichen Nebengesetzen, die Rechtsbegriffe aus dem Kernstrafrecht (StGB) übernehmen. Die Verwendung unterschiedlicher Begriffe für den gleichen Sachverhalt hat nicht unbedingt Widersprüche zur Folge. Vielmehr können Irrtümer auch dadurch entstehen, daß bestimmten Begriffen eine falsche Bedeutung zugelegt wird, weil wegen der Begriffsvielfalt Unterschiede im sprachlichen Verständnis der Begriffe bestehen46. Ein Beispiel dafür ist der uneinheitliche Gebrauch des Begriffs „Grenzwert" in all seinen Variationen47. Auch der Rechtsbegriff der „Heilkunde" wird vielfach mit wechselnder Bedeutung verwendet48.

5. Vernetzung von Gesetzeswerken Die meisten Gesetze stehen heute — wie oben angesprochen — nicht mehr selbständig und unabhängig nebeneinander, sondern sind eingebunden in ein Netzwerk der unterschiedlichsten Regelungen. Viele gesetzestechnische Mittel dienen gerade dieser Vernetzung 49. Typisches Beispiel dafür ist die Verweisung auf Vorschriften in anderen Gesetzen.

I I I . Lösung von Gesetzes-/Normkollisionen 1. Vorbemerkungen Ziel des Gesetzgebungsverfahrens sollte es sein, neues Recht so in die Rechtsordnung einzupassen, daß es keine Widersprüche zu bereits bestehenden Gesetzen und Normen gibt. Engisch 50 unterscheidet dabei gesetzestechnische Widersprüche, Norm-, Wertungs- und Prinzipienwidersprüche in der Rechtsordnung. Ande46 Schreiber, S. 59. 47 Vgl. statt „Grenzwert" z.B. die Formulierungen „Umweltstandard", „technischer Standard", „Höchstwert", „Konzentrationswert", „Belastungsgrenzpegel", wobei allerdings allen Begriffen ursprünglich eine differenzierte Bedeutung zugrundelag, diese aber vom Gesetzgeber durch uneinheitliche Verwendung verwischt wurde. Interessant ist, daß in den USA in diesem Zusammenhang nur der Begriff „Standard" gebräuchlich ist, was allerdings auch zu höherem Erklärungsaufwand in den Gesetzen führt. 48 Wegener, MedR 1990, S. 250 ff. 49 Müller/Nuding, PVS 25 (1984), S. 74, 82 ff.; Schulze-Fielitz, DÖV 1988, S. 758 ff., 763. 50 Engisch, Einführung, S. 156 ff.

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

re ordnen die Fälle von Widersprüchen unter den Begriff „Systemgerechtigkeit" ein und unterscheiden z.B. zwischen der „äußeren" und der „inneren Systemgerechtigkeit" 51 . Hier sollen nur die Normwidersprüche einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Die Rechtsordnung soll, um ihrem Ordnungsauftrag gerecht zu werden, ein sinnvolles Gefüge ergeben, in dem nicht die eine Rechtsnorm ein Verhalten etwa gebietet, die andere Rechtsnorm dagegen verbietet. Derartiges Recht wäre fehlerhaft und kann sinnvollerweise nicht bestehen bleiben. Dennoch entstehen und gibt es solche — unbeabsichtigten — Kollisionen, da es aufgrund der Fülle der bei Gesetzesänderungen anzupassenden Gesetze fehlerlose Gesetzgebungsarbeit nicht geben kann 52 . Die Folgen sind erhebliche Unsicherheiten in der Rechtsordnung. Gleichwohl sind viele Normwidersprüche nur scheinbare Widersprüche 53, da sich durch eine richtige Auslegung der Norm selbst oft bereits ergibt, welche Regelung der anderen vorgehen soll 54 . Führt eine Auslegung der Normen nicht zum Erfolg, müssen die Widersprüche in anderer Weise vermieden oder aufgelöst werden.

2. Allgemeine Kollisionsregelungen Die Rechtsordnung hat im Laufe der Zeit einige (ungeschriebene) Rechtsgrundsätze zur Vermeidung dieser Normwidersprüche, sog. Derogationsregelungen, entwickelt. Derogation bedeutet: Aufhebung der Geltungskraft einer Rechtsvorschrift 55 . Hierbei ist zwischen der „formellen Derogation" und der „materiellen Derogation" zu unterscheiden. Bei der ersteren wird (z.B.) die ältere Norm von der jüngeren Norm ausdrücklich in einem bestimmt umschriebenen Umfang außer Kraft gesetzt. Anders bei der materiellen Derogation: Hier ist die Anwendung beider Normen ohne ausdrückliche Aufhebungsnorm von der Logik her unmöglich, weil sie den gleichen Sachverhalt betreffen und an die gleichen Rechtsfolgen geknüpft sind. Die eine Norm hebt dann die andere auf 56 . 51 Hotz, S. 189 ff., wobei die Norm Widersprüche bzw. die normlogischen Widersprüche dem äußeren System angehören. Über den Begriff der „Systemgerechtigkeit" wird allerdings später nocl\. zu reden sein. 52 Vgl. Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 ff., 162. 53 Allerdings nicht alle Normwidersprüche. Es gibt Normwidersprüche, die nicht aufgelöst werden können; vgl. Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), S. 311 ff., 328. Beispiel aus dem Vertragsrecht: gültiges Zustandekommen zweier Verträge über den gleichen Gegenstand. 54 Engisch, Einführung, S. 158. 55 Vgl. z.B. Walter, S. 57. 56 Walter, in: Kindermann (Hrsg.), S. 144 ff., 148.

III. Lösung von Gesetzes-/Normkollisionen

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Bestehen die angesprochenen Widersprüche nicht in ein und demselben Gesetz, so stehen grundsätzlich drei Rangregelungen zur Lösung von Normkollisionen zur Verfügung: a) Lex superior derogat legi inferiori Nach diesem Grundsatz soll niederrangigeres Recht dem höherrangigen Recht weichen. Diese Grundsatzregel ist ohne weiteres einleuchtend beim Vorrang des Verfassungsrechts gegenüber dem einfachen Recht und bedarf hier keiner näheren Begründung. Anders sieht es aber schon bei Normen des einfachen Rechts untereinander aus. Es ist keineswegs mit den Grundsätzen der Rechtslogik erklärbar, warum Bundesrecht höherrangig sein soll als Landesrecht. Gäbe es die Bestimmung des Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht") nicht, so könnte man durchaus auch von einer Gleichrangigkeit ausgehen57. b) Lex posterior derogat legi priori Ein anderer, auf ein äußeres Merkmal abstellender und allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz ist derjenige, wonach im Falle von Normwidersprüchen die jüngere Norm die ältere Norm verdrängt. Dieser Rechtsgrundsatz folgt aus der Erkenntnis, daß derjenige, der Gesetze erlassen kann, diese auch wieder aufheben kann. Erläßt der Gesetzgeber also Bestimmungen, die dem älteren Recht widersprechen, hat er die ältere Regelung insoweit aufgehoben. Nicht zum Zuge kommt diese Derogationsregel dann, wenn die Rechtsfolgen der sich widersprechenden Rechtsnormen miteinander verträglich sind. Auf den ersten Blick mag auch dieser Rechtsgrundsatz ohne weiteres der juristischen Logik und jeder natürlichen Vorstellung entsprechen, nicht so jedoch bei genauerem Hinsehen. Denn es ist nicht selbstverständlich, daß das jüngere Gesetz besser sein sollte als das ältere und dieses deshalb verdrängt. Ältere Rechtsauffassungen (wie z.B. diejenigen der Griechen, der Römer wie auch der Germanen) gingen davon aus, daß das Recht nicht geschaffen oder gesetzt werden kann, sondern vielmehr vorgegeben ist. Bestehendes Recht war danach ein so kostbares von den Vorfahren überliefertes Gut, welches unverbrüchlich und unabänderlich erschien 58. Neues Recht zu schaffen oder bestehendes Recht zu 57 So das österreichische Verfassungsrecht, das von einer Gleichrangigkeit von Bundesrecht und Landesrecht ausgeht. Vgl. im übrigen auch Walter, S. 57, für den diese Derogationsregeln auch nicht als normlogische Prinzipien, sondern als Rechtsvorschriften Geltung beanspruchen können. 58 Coing, Universitas XV (1960), S. 249 ff., 250 f. Vgl. auch Wiederin, Rechtstheorie 21 (1990), S. 311 ff., 328, unter Hinweis darauf, daß die Vorstellung, daß jüngeres Recht

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

ändern, war nicht vorgesehen und wurde geradezu als Sakrileg empfunden, weil das bestehende Recht, so wie es war, gut war 59 . Insofern ist dieser Satz also ein Ausdruck unserer jetzigen Rechtsauffassung, die Rechtsänderungen grundsätzlich zuläßt. Ob dieser Rechtssatz allerdings geeignet ist, primär den Vorrang des besseren Rechts zu sichern, ist zweifelhaft, weil der Gesetzgeber nicht immer in der Lage ist, Fehler früherer Gesetze zu vermeiden. Deshalb ist es wohl angebrachter, besseres Recht im Sinne von zeitgerechterem Recht zu verstehen 60. Allerdings wird man eine Derogation des älteren Gesetzes und damit die Anwendung des Satzes „lex posterior derogat legi priori" — ähnlich wie die Änderung oder Beseitigung älteren Rechts durch einen Gesetzesakt — vom ausdrücklichen oder doch zumindest konkludenten Willen des Gesetzgebers abhängig machen müssen61. c) Lex specialis derogat legi generali Ist eine der sich widersprechenden Normen gegenüber der anderen die speziellere, d.h. hat sie die gleichen Tatbestandsmerkmale sowie zumindest noch ein weiteres Tatbestandsmerkmal, so verdrängt sie für ihren eigenen, engen Anwendungsbereich die weiter gefaßte allgemeine Norm. Dies erfolgt — analog der o.a. Regel — nicht, weil es sich per se um die bessere Vorschrift handelt, sondern, weil sie sachnäher ist 62 . Dies ergibt sich daraus, daß dies in der Regel der Wille des Normgebers ist. Denn die speziellere Norm ist geschaffen worden, um einen eng umgrenzten Tatbestand mit einer besonderen Rechtsfolge zu versehen. Schließlich ist eine Kombination der beiden letzten Rechtssätze denkbar („lex posterior generalis non derogat legi priori speciali"). d) Konkurrenzen

zwischen den Kollisionsregelungen

Wie steht es aber nun, wenn bei Normwidersprüchen sich solche allgemeinen Kollisionsregelungen gegenüber stehen? Muß dann einer der genannten Rechtssätze weichen? dem älteren Recht vorgeht, verhältnismäßig jung sei: „so jung, daß noch in einem aus dem Jahr 1160 überlieferten ,Tegernseer Spiel vom Antichristen4 nur der Teufel persönlich die lästerliche Auffassung äußern kann, daß neues Recht den alten Gebräuchen und Satzungen vorgehe." 59 Bydlinski, S. 573; Fleiner-Gerster, S. 120; Walter, in: Kindermann (Hrsg.), S. 144 ff., 149; Eggenschwiler, Zbl. 1972, S. 49 ff., 52. 60 So Kloepfer, VerwArch. 74 (1983), S. 201 ff., 202 (Fußn. 3) sowie ders., Vorwirkung von Gesetzen, S. 57 f. 61 Laubinger, VerwArch 76 (1985), S. 201 ff., 208 ff.; Engisch, S. 48; Enneccerus/ Nipperdey, S. 287; Quaritsch, S. 21. 62 Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 58 (dort Fußn. 221).

III. Lösung von Gesetzes-/Normkollisionen

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Wäre es so, daß es auch unter diesen Rechtsgrundsätzen ein Rangverhältnis gäbe, dann würde sich die Frage nach unauflösbaren Widersprüchen nicht stellen. Die h.M. geht von einer allgemeinen Geltung des Satzes aus, daß die spätere Norm die frühere verdränge. Dabei spiele es keine Rolle, ob die spätere Norm zugleich die ranghöhere Norm sei 63 . Ist es danach also auch denkbar, daß eine spätere, rangniedrigere Norm eine frühere, ranghöhere Norm verdrängt? Für die Zeit der Weimarer Republik ist diese Frage bejaht worden, weil man ein anderes Verfassungsverständnis zugrunde legte. Die spätere, einfachgesetzliche Norm setzte sich im Kollisionsfall gegenüber der höheren, stärkeren Verfassungsnorm durch. Die Verfassungsnorm wurde stillschweigend und für den Einzelfall als aufgehoben angesehen64. Renck 65 hält dem den Geltungsvorrang des höheren Normrangs zur Konfliktlösung entgegen. Die Regel der lex posterior könne nur auf der Ebene gleichrangiger Rechtsvorschriften, nicht aber im Widerstreit von rangverschiedenem Recht gelten. Für diesen Geltungsvorrang sprächen zwei Gründe: Zum einen ergebe sich der allgemeine und grundsätzliche Vorrang der lex superior-Regel ohne Rücksicht auf die zeitliche Geltung der verschiedenen Kollisionsnormen bereits aus dem der Rechtsordnung zugrunde gelegten Rangbegriff. Dieser Begriff könne formeller oder materieller Natur sein, je nachdem er auf die formellen Kriterien der Normherkunft oder auf die materiellen Kriterien des Norminhalts bezogen ist. Der maßgebliche Rangbegriff für die Hierarchie der Rechtsordnung ergebe sich aus der Normherkunft. Vom Wesen her könne der Rang einer Norm daher nur im Verhältnis zu Vorschriften aus anderen Normrängen Bedeutung besitzen. Dabei setze sich die höherrangige Norm eben deshalb durch, weil sie die höherrangige sei. Zum anderen ergebe sich dieser Geltungsvorrang aus dem System der Rechtserzeugung. Alle Ebenen der Normsetzung seien abgeleitet von der obersten Rechtsquelle, die Rechtsetzungsbefugnis delegiert hat. Die Normsetzungsbefugnis des obersten Gesetzgebers sei daher stets stärker als diejenige des niedrigeren Normgebers 66. Die zuletzt dargestellte Auffassung erscheint überzeugend, zumal auch das Grundgesetz offensichtlich von dieser Wertung ausgeht. Demnach kommt eine Anwendung der Regel „lex posterior derogat legi priori" nur dann in Betracht, wenn die neue Regelung zumindest auf der gleichen Regelungsebene erfolgt 67 . 63 BVerfGE 2, 124, 130; 10, 124, 128. So auch Bachof, AöR 87 (1962), S. 1 ff., 4 (dort Fußn. 10). 64 Grosskreutz, S. 31. Dies ist für den Geltungsbereich des GG heute wegen Art. 79 Abs. 1 GG ausgeschlossen. 65 Renck, JZ 1970, S. 770 f. 66 Renck, JZ 1970, S. 771. 67 So auch Kloepfer, VerwArch. 74 (1983), S. 201 ff., 202 f.

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

Andernfalls würde die angesprochene Delegationskette vom obersten Gesetzgeber zu den rangniedrigeren Normgebern durchbrochen.

3. Normierte Kollisionsregeln Die Rechtsordnung enthält zahlreiche positivrechtliche Kollisionsregeln, die dazu führen, daß für deren Anwendungsbereich die oben genannten Grundsätze keine Anwendung finden. Die Kollisionsnormen treffen eigene, z.T. abweichende Regeln, um Normenwidersprüche zu beseitigen. Solche Kollisionsnormen enthält sowohl das Verfassungsrecht wie auch das einfache Recht. a) Verfassungsrecht aa) Art. 31 GG Eine Kollisionsregel im geschriebenen Recht stellt Art. 31 GG dar. Bundesrecht bricht danach Landesrecht. „Brechen" hat dabei die Bedeutung von „Vorgehen", nicht von „Verletzen" 68 . Art. 31 GG legt zum einen eine Rangfolge unter den Rechtsnormen fest. Denn im Verfassungsgefüge eines Bundesstaates ist die Stufenfolge des Rechts nicht in der Weise vorgegeben, daß wie in einem Einheitsstaat alles Recht von einem obersten Rechtssatz abgeleitet wäre. Vielmehr stehen beide Rechtskreise selbständig und zunächst gleichrangig nebeneinander, so daß es der Festlegung einer Rangfolge bedarf. Zum anderen ist Art. 31 GG eine Kollisionsnorm, die die Kollision verschiedenstufiger, den gleichen Gegenstand regelnder, aber entgegenstehender Normen lösen soll 69 . Der Anwendungsbereich des Art. 31 GG erstreckt sich dabei nicht nur auf das Verhältnis von Verfassungsrecht bzw. Verordnungsrecht des Bundes einerseits und Verfassungsrecht bzw. untergesetzlichem Recht der Länder anders Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 31 Rn. 2. Insoweit war Art. 2 der Reichsverfassung von 1871 deutlicher („Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen."). Art. 13 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung lautete: „Reichsrecht bricht Landrecht". Vgl. dazu Hensel, S. 321. 69 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 31, Rn. 1,13, 14. Ob darüberhinaus auch gleichlautende Normen verschiedener Rangstufen erfaßt, soll hier außer acht gelassen werden; zu dieser strittigen Frage vgl. z.B. Böckenförde/ Grawert, DÖV 1971, S. 119 ff. sowie März, S. 192 ff. Betrifft Art. 31 GG nur entgegenstehendes Landesrecht, dann müßte Art. 142 GG (zumindest für bereits bestehendes gleichlautendes Landesverfassungsrecht) als inhaltsleer bezeichnet werden.

III. Lösung von Gesetzes-/Normkollisionen

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rerseits. Vielmehr ist Art. 31 GG auch auf die Konkurrenz von Bundesgesetzen und Landesgesetzen anzuwenden70. bb) Art. 25 GG Eine Norm, die ebenfalls dem Grundgedanken des Art. 31 GG folgt, ist Art. 25 Satz 2 GG. Danach gehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Gesetzen vor. Auch hier ist die Ausgangslage dieselbe wie bei Art. 31 GG: Völkerrecht und innerstaatliches Recht sind zwei vollkommen selbständige und unabhängige Rechtskreise. Deshalb bedarf es einer Regel, die den Rang der Normen festlegt. Schwierigkeiten bereitet hier die Auslegung des Begriffs „Gesetz", weil mit Gesetzen in unserer Rechtsordnung auch Gesetze im Verfassungsrang gemeint sind. So wird teilweise vertreten, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts aufgrund Art. 25 S. 2 GG Verfassungsrang 71, teilweise sogar, daß sie Überverfassungsrang 72 haben. Diese Frage ist von der wohl überwiegenden Meinung dahingehend gelöst worden, daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zwar über dem einfachen innerstaatlichen Recht stehen, jedoch unterhalb des Verfassungsrechts 73. b) Einfaches Recht Einfachgesetzliche Kollisionsnormen sind z.B. enthalten in § 78 Abs. 2 S. 2, 3 VwVfG. Jedoch ist zu beachten, daß diese Kollisionsnorm nicht sich widersprechende Normen betrifft, sondern sich widersprechende Kompetenzen74. Ähnliche Kollisionsnormen wie in § 78 Abs. 2 VwVfG (bzgl. sich widersprechender Kompetenzregelungen) befinden sich in § 18e FStrG. Ob es sich hier wirklich um Normenkonflikte handelt, ist fraglich. Denn es berühren sich (nicht: kollidieren!) ja nur Zuständigkeiten75.

70 Dagegen allerdings die Auffassung von v. Mangoldt / Klein, Art. 31, Anm. III 4 ff., der die Anwendungsfälle von Art. 31 GG lediglich auf die Konkurrenz von Bundesverfassungsrecht bzw. Bundesverordnungsrecht einerseits und Landesverfassungsrecht bzw. untergesetzlichem Landesrecht andererseits beschränkt. 71 So v. Mangoldt / Klein, Art. 25, Anm. II 4. 72 Pigorsch, S. 25 ff. 73 v. Münch / Rojahn, Art. 25, Rn. 36; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 25 Rn 23 ff. 74 Vgl. Knöpfle, in: FS Theodor Maunz, 1981, S. 187 ff. 75 Blumenwitz, AöR 96 (1971), S. 161 ff., 163 f.

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

4. Verhältnis selbständiger Rechtsquellen Die oben dargestellten kollisionsrechtlichen Regelungen können aber nur dann angewendet werden, wenn die verschiedenen sich widersprechenden Normen einer Gesamtrechtsordnung angehören. Die Gesamtrechtsordnung enthält alle Rechtsquellen eines in sich geschlossenen Rechtssystems, also etwa eines Staates oder einer außerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Einrichtung. Außerstaatliche Normerzeuger sind etwa die Kirchen, aber auch etwa Sportverbände (z.B. die Sportgerichtsbarkeit des DFB). Als Beispiel für zwischenstaatliche Normsetzung kann Völkerrecht oder auch das Recht der Europäischen Gemeinschaften erwähnt werden. Allen ist gemeinsam, daß sie für ihren Bereich ein weitgehend in sich geschlossenes Rechtssystem geschaffen haben, das u.U. auch die Geltungskraft staatlichen Rechts beschränken kann (wie in gewissen Grenzen die Sportgerichte). In diesen Bereichen kann nicht mit den herkömmlichen kollisionsrechtlichen Instrumenten an die Lösung von Normwidersprüchen herangegangen werden. Denn das Verhältnis verschiedener Rechtssysteme zueinander ist nicht durch unterschiedlichen Rang gekennzeichnet76. Kollidieren also eine völkerrechtliche Regel und eine innerstaatliche Norm miteinander, so kann nicht ohne weiteres der Satz „Völkerrecht bricht innerstaatliches Recht" angewandt werden. Ein Rangverhältnis zwischen zwei verschiedenen Rechtssystemen kann erst dann entstehen, wenn zwischen beiden Rechtssystemen eine Beziehung hergestellt worden ist, was z.B. durch Transformation in innerstaatliches Recht aber auch durch entsprechende innerstaatliche Rechtsnormen 77 geschehen kann.

IV. Harmonischer Einbau neuen Rechts 1. Vorbemerkungen Die Mehrzahl neuen Rechts trifft nicht auf bislang noch völlig ungeregelte Bereiche. Es gibt nur ganz wenige Gesetze, die rechtlich ,»Neuland" betreten (z.B. GentechnikG, EmbryonenschutzG). Der mittlerweile gängige Typ der Schaffung neuen Rechts sind die Änderungsgesetze 78. Neues Recht dieser Art (in eingeschränktem Maße aber auch ganz neue Gesetze) muß in bereits vorhande76 Hensel, S. 324. Unbeachtet bleibt hierbei, daß gewisse zwischenstaatliche Rechtsnormen auch innerstaatliche Verpflichtungen auslösen. 77 Vgl. etwa Art. 25 GG, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteile des Bundesrechts sind. In Art. 25 S. 2 GG ist eine positivrechtliche Kollisionsregel enthalten. Zur Rangfrage der allgemeinen Regeln des Völkerrechts BVerfGE 37, 271, 279; 1, 208, 233. 7 « Zu den Zahlen vgl. Hasskarl, DÖV 1968, S. 558 ff.; Müller / Nuding, PVS 25 (1984), S. 74 ff.

IV. Harmonischer Einbau neuen Rechts

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ne Strukturen und Rechtssysteme eingefügt und mit anderen Rechtsnormen verbunden werden 79 . Dies zeigt schon, daß die dem Gesetzgeber bei der Rechtsetzung grundsätzlich zugebilligte Gestaltungsfreiheit gewissen Bindungen unterworfen ist, die unterschiedliche Ursachen und Grundlagen haben können 80 .

2. Zur Garantie von Rechtsgleichheit a) Materielle Rechtsgleichheit Heute ist anerkannt daß der Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr nur formelle Rechtsgleichheit bedeutet, also die Verwirklichung des Rechts ohne Ansehen der Person. Vielmehr ist im Sinne einer materiellen Rechtsgleichheit auch der Gesetzgeber, dem das Entwickeln des gleichmäßig anzuwendenden Rechts obliegt, grundsätzlich in gleicher Weise an den Gleichheitssatz gebunden wie die Rechtsanwendungsorgane81. b) Einschränkung der Gestaltungsfreiheit

des Gesetzgebers

Für die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und das Verhältnis des Gesetzgebers zur Verfassung läßt sich eine Parallele ziehen: Die Ermessensfreiheit der Verwaltungen ist — wo sie vorhanden ist — ebenfalls nicht vorbehaltlos gewährleistet 82 . Ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch Verfassungsnormen determiniert, so ist auch die Ermessensfreiheit der Verwaltungen durch höhere Rechtssätze vorbestimmt. Aber ein wichtiger Unterschied läßt sich feststellen: Der Bindungsgrad der Verwaltungen ist aufgrund einer umfangreicheren „Durch"normierung ungleich höher als derjenige des Gesetzgebers. Verwaltungstätigkeit ist grundsätzlich gebundene Tätigkeit, während der Gesetzgeber grundsätzlich frei ist, punktuell jedoch verfassungsrechtlichen Bindungen unterworfen ist 83 . Eine möglicherweise zunehmende Umkehrung dieser grundsätzlichen ge7 9 Vgl. Zeh, S. 523: „Der neu einzuschlagende Pflock muß gleichsam zwischen dicht an dicht stehende andere hineingezwängt werden, und dabei entstehen Reibungsverluste und Hemmungen, bis das neue Instrument genügend tief eingedrungen ist und sich seinen Platz geschaffen hat". 80 Vgl. z.B. H. Schneider, Rn. 56; zu den Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit siehe z.B. BVerfGE 69, 150, 160 (Begrenzung durch den Gleichheitssatz); 69, 272, 310 (Begrenzung durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes); 67, 1, 15 (betr. die Gestaltung von Übergangsregelungen); 67, 186, 195 (Begrenzung durch Art. 6 Abs. 1 GG); 9, 334, 337. 81 Vgl. z.B. Hesse, 16. Aufl., Rn. 429 ff. und BVerfGE 68,237, 250 f.; Weber-Dürler, S. 177 ff. m.w.N. 82 Die durch Gewährung von Ermessenfreiheit „freie Verwaltung" stellt damit das Gegenstück zur „gebundenen Verwaltung" dar; vgl. Weber-Dürler, S. 177 ff. 83 Lerche, S. 86.

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

setzgeberischen Gestaltungsfreiheit in eine Gebundenheit soll hier einmal außer acht gelassen werden 84 . Diese Bindung durch die Rechtsgleichheit verlangt vom Gesetzgeber den Erlaß gesetzlicher Regelungen, die den Anforderungen der Rechtsgleichheit genügen. Dabei kann der Gesetzgeber gleichwohl in der Regel zwischen mehreren Varianten, die mit der Rechtsgleichheit harmonieren, wählen 85 .

3. Selbstbindungen des Gesetzgebers a) Bindung an das System der Rechtsordnung aa) Rechtsprechung (1) Der Aspekt der Bindung des Gesetzgebers an das von ihm festgelegte Ordnungssystem wird vom Bundesverfassungsgericht mehrfach behandelt86. Das Gericht sprach die Verpflichtung des Gesetzgebers aus, seine durch Gesetze festgelegte Grundkonzeption bei der Änderung von Gesetzen einzuhalten. Durchbrechungen eines solchen Systems hat das Bundesverfassungsgericht allerdings unter Hinweis auf die Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers nicht grundsätzlich untersagt. Aus sachgerechten Gründen könne der Gesetzgeber durchaus ein einmal gewähltes System verlassen. Sofern für solche Durchbrechungen des Ordnungsrahmens aber keine vertretbaren sachlichen Gründe vorliegen würden, sei dies ein Indiz für eine willkürliche Durchbrechung des Systems und daher verfassungswidrig. Die Gründe für eine Durchbrechung des Systems müßten, um überzeugend zu sein, in ihrem Gewicht der Intensität der Abweichung von der zugrundegelegten Ordnung entsprechen. Das Vorliegen sachgerechter Gründe begründe aber noch keine Rechtspflicht zur Abweichung. In solchen Fällen sei eine Abwägung zwischen den Gründen, die für eine Abweichung sprechen und der Wahrung der Systemtreue erforderlich. Dabei sei die Systemtreue ein Belang von bedeutendem Gewicht. Gleichwohl dürfe aber der Gedanke der Systemgerechtigkeit bzw. - W i d r i g k e i t nicht dazu führen, daß dem Gesetzgeber eine neue Ausrichtung seiner Vernünftigkeitskriterien und eine Neubewertung bislang anders bewerteter Sachverhalte abgeschnitten werde. Ein Abweichen vom System sei dann geboten, wenn dem Festhalten am System im Einzelfall kein Eigenwert zukommt und dieses System daher durch keinen einleuchtenden Grund gedeckt ist 87 .

84 Vgl. BVerfGE 65, 1 ff., 2. Leitsatz (Volkszählungsgesetz). 85 Weber-Dürler, S. 178; Lerche, S. 86. 86 BVerfGE 67, 70, 84 f.; 66, 214, 224; 61, 138, 148; 60, 16, 43 u.a. 87 BVerfGE 60, 16, 43: Gefahr der „Verkrustung der Gesellschaftsordnung"; siehe auch StGH Ba.-Wü. NJW 1975, S. 1205 ff., 1212 f.

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Daneben könne das Bundesverfassungsgericht, da eben die Regelung einer Materie der Entscheidung des Gesetzgebers obliege, eine solche Regelung nur nach den Maßstäben der Verfassung, nicht aber nach dem Gesichtspunkt der Systemwidrigkeit für verfassungswidrig erklären. (2) Die verfassungsrechtliche Grundlage für den Gedanken der Systemgerechtigkeit wird überwiegend im Verbot willkürlicher Ungleichbehandlungen gesehen, das seinerseits Inhalt des Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG ist. Jedenfalls liege eine Verletzung des Gleichheitssatzes dann vor, wenn Tatbestände, die in gleicher Weise dem Geltungsbereich der betroffenen Grundkonzeption eines Systems unterfallen, durch abweichende Sondervorschriften jeweils anders geregelt werden. Ob dagegen auch dann auf den Gleichheitssatz abzustellen sei, wenn eine neue Regelung alle Normadressaten zwar gleich, aber in einer die Grundkonzeption des bisherigen Gesetzes durchbrechenden Weise behandele, hat das Bundesverfassungsgericht — soweit ersichtlich — bislang offen gelassen88. Das Bundesverfassungsgericht hat system widrige'Gesetzesänderungen teilweise als Problem des Gleichheitssatzes gesehen89. Hinsichtlich des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen (G 131) wegen des nachträglichen Wegfalls von Versorgungsansprüchen hatte das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen ebenfalls die Auffassung vertreten, derartige Gesetzesänderungen seien „jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn sie sich in das System des Gesetzes harmonisch einfügten" 90 . Das Problem wurde hier ebenfalls am Gleichheitssatz orientiert gelöst. Dagegen bezeichnete es eine andere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu einer Änderung des G 131 mit den gleichen Argumenten als mit dem Rechtsstaatsgebot unvereinbar, wenn der Gesetzgeber ein Gesetz „in einer aus dem System, Sinn und Zweck des bisherigen Gesetzes herausfallenden Weise" ändert 91. Gleichwohl könne eine Änderung ein Gesetz systemgerecht ergänzen und modifizieren. bb) Literatur Auch die Literatur leitet überwiegend das Gebot der Systemgerechtigkeit aus dem Gleichheitssatz ab 92 . Stern / Püttner haben dies — soweit ersichtlich — als

ss Vgl. z.B. BVerfGE 34, 103, 115. 89 BVerfGE 30, 250; 4, 219, 243 ff. In dem zuletzt genannten Fall hat das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz über die Übernahme von bei der Entnazifizierung Beschäftigen in den öffentlichen Dienst für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG gehalten, weil das Gesetz nur noch wenige Restfälle erfaßte, während ein beträchtlicher Teil der unter die Regelung fallenden Personen bereits untergebracht war. 90 So BVerfGE 7, 129, 152; ähnlich auch Degenhart, 1976, S. 102 f. 91 BVerfGE 22, 387, 409. 3 Bockel

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

erste anhand der Reformen und Neugliederung kommunaler Verwaltungen in Ballungsgebieten so formuliert 93 . Sie haben die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Änderung von Gesetzen nicht ein Mindestmaß an Systemtreue wahren müsse oder aber zur Systemwillkür berechtigt sei, zugunsten der Systemtreue entschieden. Denn der „Rechtsunterworfene" habe das Recht, auf das vom Gesetzgeber einmal gewählte System vertrauen zu dürfen, um sich auf dieses System auch einstellen zu können. Der „Organisationswillkür" des Gesetzgebers sei Grenzen gesetzt, „sowohl in zeitlicher Hinsicht (Verbot dauernden Experimentierens) als auch in technischer (Verbot unklarer Verantwortungsabgrenzung) und prinzipieller Hinsicht (Verbot eines Systems der Systemlosigkeit)"94. Im allgemeinen wird unterschieden zwischen zwei Arten von Systemen: dem „äußeren" und dem „inneren SystemDas „äußere System" beruht darauf, daß aus Tatbeständen, die Gegenstand einer Regelung sind, bestimmte Elemente ausgesondert und verallgemeinert werden. Daraus werden abstrakte und allgemeingültige Gattungsbegriffe gebildet, die geeignet sind, ein System zu bilden 95 . Das „ innere System " folgt einer anderen Denkrichtung. Hier werden gemeinsame Leitlinien, konkretisierungsbedürftige Prinzipien und Typen herausgearbeitet, um der Rechtsordnung eine innere, wertungsmäßige Einheit zu verleihen 96 . Die Definitionen von „System" kreisen dabei in der Regel um zwei Begriffe, nämlich der „Ordnung" und der „Einheit" 97 . Der erste Begriff nimmt sicher auf eine Funktion des Rechts Bezug, auf bestimmte Lebensbereiche ordnend einzuwirken. Der Begriff der „Einheit" stellt die Verbindung zur gebotenen „Einheit der Rechtsordnung" 98 her. Das bedeutet, daß Rechtsänderungen bzw. neues Recht überhaupt so gestaltet werden muß, daß bestimmte Gesetzlichkeiten und Prinzipien des Rechts nicht gestört werden. Denn die Rechtsordnung darf in sich nicht widersprüchlich sein 99 . Dabei soll es hier nicht in erster Linie um die Wahrung einer inhaltlichen Kontinuität, also um das sog. „innere System", gehen, sondern vielmehr um die Vermeidung von Widersprüchen, Lücken und Unklarheiten sowie um die Übereinstimmung der neuen und alten Regelungen hinsichtlich der Vereinbarkeit ihrer Ziele 10°. 92 So z.B. Kloepfer, DÖV 1978, S. 227; Gubelt, in: v. Münch (Hrsg.), Art. 3 Rn. 24; Battis, in: FS H.P. Ipsen, S. 11 ff., 29. In der Begründung abweichend Lange, Die Verwaltung 1971, S. 259 ff., 264 ff. 93 Stern/Püttner, S. 25 f. 94 Stern / Püttner, S. 26. 95 Larenz, S. 420 f. 96 Larenz, S. 456 f. 97 Bisweilen tritt noch der Begriff der „Vollständigkeit" hinzu. Vgl. die Zusammenstellung bei Canaris, S. 11 f. 98 Vgl. allerdings zur Kritik an diesem Rechtsprinzip F. Müller, LdR 2/80, S. 1 ff. 99 Schneider, Rn. 58. 100 Müller, in: Eichenberger u.a. (Hrsg.), S. 369 ff., 370.

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Den Gedanken der Selbstbindung des Gesetzgebers bei der Einpassung neuen Rechts setzt auch Schick in Beziehung zum System eines vorhandenen Bestandes an Regelungen, wenn er fordert, daß im Besoldungsrecht des Öffentlichen Dienstes neue Ämter in das vorhandene System „eingepaßt" werden müssen101. cc) Beispiele für Systemwidrigkeiten (1) § 313 BGB: Der Begriff der Erwerbsverpflichtung ist erst im Jahre 1973 in § 313 BGB aufgenommen worden 102 . Die bis dahin geltende Fassung des §313 BGB regelte (systemwidrig) nur die Pflicht zur notariellen Beurkundung von Grundstücksgeschäften, wenn der Veräußerer sich zur Übertragung eines Grundstücks verpflichtete 103 . Keinem Formzwang unterlagen dagegen Verträge, die lediglich eine Verpflichtung des Erwerbers enthielten, ein Grundstück zu erwerben. Die Rechtsprechung ging schon sehr früh davon aus, daß dem Erwerber bei solchen Fallgestaltungen der gleiche Schutz zustehen müsse. Denn die soziale Bedeutung des Grundeigentums gilt für den Erwerber ebenso wie für den Veräußerer 104 . (2) § 264 StGB (Subventionsbetrug) 105: Nach § 264 Abs. 3 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer den Tatbestand des § 264 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 durch leichtfertiges Handeln begeht. Dagegen fehlt die Strafandrohung für leichtfertige (d.h. fahrlässige) Begehungsweise im gleichzeitig eingefügten § 265 b StGB (Kreditbetrug). Damit liegt nicht nur eine Ungleichbehandlung im Verhältnis der beiden gleichzeitig eingefügten Straftatbestände vor, sondern die Gesetzesänderung weicht auch vom bisherigen System des Kernstrafrechts ab, im Bereich des Schutzes des Vermögens nur die vorsätzliche Begehungsweise unter Strafe zu stellen 106 .

101 Schick, in: FS Theodor Maunz, 1981, S. 281 ff., 289: „Die große Masse der öffentlichen Verwaltung in Bund und Ländern ist in Ämter eingeteilt und das daraus abzuleitende System bestimmt, zusammen mit ausdrücklichen Regelungen, die Einrichtung und Bewertung neuer Ämter. Zu Recht spricht das Bundesverfassungsgericht davon, daß die Ämter nach sachgerechten Kriterien zu bewerten und dem System zuzuweisen sind." 102 Eingefügt durch Gesetz vom 30. Mai 1973, BGBl. I S. 501. 103 Vgl. Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Berlin / Leipzig 1888, Band II, S. 190 sowie die Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Berlin 1897, Band I, S. 459 f.: Hier wird auch die soziale Bedeutung des Grundeigentums bei solchen Verträgen betont, weswegen eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Formfreiheit gemacht werden müsse. 104 Vgl. Kanzleiter, DNotZ 1973, S. 519 ff. los Eingefügt durch das 1. WiKG vom 19.7.1976, BGBl. I, S. 2034. 106 Lackner, § 264, Anm. 6 b: Einbeziehung auch unvorsätzlich begangener Taten sei „dogmatisch und kriminalpolitisch problematisch"; dagegen offenbar Schönke/ Schröder, § 264, Rn. 64 f.; vgl. auch BT-Drs. 7/3441, S. 27 und 7/5291, S. 8 sowie Müller-Emmert/Maier, NJW 1976, S. 1661; Göhler/Wilts, DB 1976, S. 1609, 1615; 3*

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

b) Bindung als Folge der Verpflichtung

zur Kontinuität

Auch unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität kann sich eine Bindung des Gesetzgebers (diesmal an seine frühere Gesetzgebung) ergeben 107. Aus verschiedenen Gründen kann es ratsam sein, durch die Schaffung neuen Rechts keinen Bruch im System der Gesetzgebung herbeizuführen. So ist es aus rechtssystematischen Gründen sinnvoll, bewährte Strukturen und Rechtsbegriffe alter Gesetze zu übernehmen. In sachlicher Hinsicht können neue Gesetze sich an vergleichbaren Rechtsbereichen orientieren. Regelungen können trotz Veränderungen in der politischen Landschaft weiterhin Bestand haben, weil man sich auf einen politischen Grundkonsens geeinigt hat und schließlich kann Kontinuität nur einfache Routineerwägungen als Grundlage haben. Dieser Gesichtspunkt wird in der Literatur unter zwei Gesichtspunkten diskutiert: Einmal können „legislatorische Vernunftgründe" zur Kontinuität verpflichten 108 . Darunter werden verschiedene Aspekte gefaßt: eine rechtssystematische Kontinuität, also das Beibehalten der Begriffe und Systematik alter und bewährter Gesetze; eine sachliche Kontinuität, also das Beibehalten inhaltlich vergleichbarer Regelungen bei scheinbar „autonomen" Regeln; eine politische Kontinuität, die gewissermaßen den „kleinsten gemeinsamen politischen Nenner", also einen gewissen Grundkonsens umschreibt, der nicht der Tagespolitik zum Opfer gefallen ist 1 0 9 . Als Beispiele dafür können die Haushaltsgesetze (für rechtssystematische Kontinuität) oder das Volkszählungsgesetz 1983 (für sachliche Kontinuität) genannt werden. Zum anderen kann sich das Erfordernis der Kontinuität als Produkt verfassungsrechtlich zwingender Begrenzungen staatlichen Handelns darstellen 110. Insoweit werden als rechtsdogmatische Grundlage z.B. das Übermaßverbot bzw. der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, aber auch das Vertrauensschutzgebot als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips 111 herangezogen 112.

Schubarth, ZStW 92, S. 80,100; Diemer-Nicolaus, FS Schmidt-Leichner, 1977, S. 31 ff., 49. 107 Schulze-Fielitz, S. 528 f.; inwieweit Ordnungskriterien hier eine Rolle spielen, untersucht Weber-Dürler, S. 187 ff. los Dabei erscheint der Gedanke vom „Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht" gar nicht so abwegig; vgl. Schulze-Fielitz, S. 528. 109 Vgl. zu allem die Ausführungen von Schulze-Fielitz, S. 528 f., der allerdings keine Ausführungen zur dogmatischen Verankerung eines so verstandenen Kontinuitätsprinzips macht. HO Vgl. z.B. Rausch-Gast, S. 112 ff. in So zumindest das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung; vgl. stellvertretend für diese Rechtsprechung z.B. BVerfGE 50, 177, 193. Dies ist allerdings keineswegs unbestritten. ii2 Vgl. dazu m.w.N. Rausch-Gast, S. 112 f.

IV. Harmonischer Einbau neuen Rechts

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Dieses Kontinuitätsgebot ist zwar allen staatlichen Gewalten aufgegeben. Jedoch ist die Gesetzgebung wegen ihrer — bereits erwähnten — weitergehenden Gestaltungsfreiheit weniger gebunden als die Exekutive und Judikative 113 . Man würde aber die Bedeutung dieses Kontinuitätsgebots falsch bewerten, wenn damit eine prinzipielle Vorrangstellung des Althergebrachten gegenüber neueren Tendenzen verbunden wäre. Das Kontinuitätsgebot verhindert Neuerungen nicht, sondern zwingt lediglich dazu, einen möglichst schonenden Übergang zu schaffen 114 . Damit ist das Kontinuitätsgebot eher ein Gebot kontinuierlichen Wandels als eine Konservierung des Alten. In der Praxis bedeutet dies — wie oben schon angedeutet — eine Berücksichtigung von bewährtem Altrecht bei der Schaffung neuen Rechts und damit eine Verbindung von Alt- und Neurecht. c) Bindung unter Rückwirkungsgesichtspunkten Neues Recht berührt bei seinem Inkrafttreten eine Vielzahl von unter dem alten Recht entstandenen und begründeten Rechtspositionen, Besitzständen etc. Denn auch für diese Rechtspositionen beanspruchen neue Gesetze nicht selten sofort Geltung. Mit dieser Unterwerfung von in der Vergangenheit (also unter der alten Rechtslage) begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Tatbeständen unter die neue Rechtslage (sog. „unechte Rückwirkung") ist nicht die Rückwirkung im eigentlichen Sinne („echte Rückwirkung"), also die Geltung neuer Gesetze mit Wirkung für die Vergangenheit, gemeint. Dies erfolgt in der Regel durch ein rückwirkendes Inkraftsetzen des Gesetzes. Wenn von einer Bindung des Gesetzgebers unter Rückwirkungsgesichtspunkten gesprochen wird, dann sollen also nur die Fälle der „unechten Rückwirkung" 115 gemeint sein, ein Begriff, der nichts anderes als den Eingriff von Gesetzesänderungen in „wohlerworbene Rechte" bezeichnen will. In diesem Zusammenhang wird häufig von der „Gesetzesbeständigkeit" wohlerworbener Rechte gesprochen 116. Gesetzesbeständig sind sie, wenn Gesetze, die in solche Rechte eingreifen, für rechtswidrig erklärt werden müßten, sich also gegenüber der Geltung des Gesetzes durchsetzen. Die Rechtsprechung 117 hat sich grundsätzlich zur Zulässigkeit der Unterwerfung bestehender Rechtspositionen unter eine neue Rechtslage bekannt. Der

113 Vgl. Muckel, S. 17. 114 Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 194; ders., Der Staat 13 (1974), S. 457 ff., 458 f.; Meßerschmidt, S. 176 ff. sowie BVerfGE AbwM Benda / Katzenstein 58, 81, 129, 132. Iis Kritisch zum Begriff Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 435. ii6 Nach Kämpfer, FS Henri Zwahlen, 1977, S. 339 ff., 342 f., vor allem im schweizerischen Recht, während im deutschen Recht von „wohlerworbenen Rechten" nur noch vereinzelt, vor allem im Beamtenrecht gesprochen wird. in BVerfGE 21, 173, 183; 22, 275, 276 (Steuerberater); 25, 236, 248 (Dentisten); 31, 275, 284 (Urheberrecht); 36, 281, 293 (Patentrecht).

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

Gesetzgeber ist nicht unter allen Umständen gezwungen, altes Recht für die danach begründeten Rechte eine gewisse Zeit fortgelten zu lassen118. Entscheidend ist lediglich, ob sich die unbedingte, sofortige Geltung neuen Rechts als angemessener Übergang darstellt 119 . Ist diese Frage bejaht worden, dann ist grundsätzlich auch nichts gegen eine Unterwerfung bestehender Rechte unter eine neue Rechtslage einzuwenden. Eine solche Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung bewirkt z.B. § 135 UrhG: „Wer zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes nach den bisherigen Vorschriften als Urheber eines Lichtbildes oder der Übertragung eines Werkes auf Vorrichtungen zur mechanischen Wiedergabe für das Gehör anzusehen ist, ist Inhaber der entsprechenden verwandten Schutzrechte, die dieses Gesetz ihm gewährt." Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang § 135 UrhG als Kollisionsregel aufgefaßt, weil hier das „Verhältnis zweier zeitlich aneinanderstoßender Rechtsordnungen" geregelt wird 1 2 0 . Dem Gesetzgeber stehe hier grundsätzlich ein Wahlrecht zu, ob er die bestehenden Rechte und Rechtsverhältnisse weiterhin nach altem Recht beurteilen wolle, also ob diese Rechte fortgelten sollen, oder ob in Zukunft nur noch die neuen Vorschriften maßgebend sein sollen. Der hier noch fragliche Eingriff in das Eigentum ändere daran auch nichts, da jedenfalls Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 GG dem Gesetzgeber — in gewissen Grenzen — das Recht zur Umgestaltung des Inhaltes des Eigentumsbegriffs nicht verwehrt 121 . Wenn auch der Gesetzgeber demnach nicht verpflichtet ist, die „Wahrung des Besitzstandes", „wohlerworbene Rechte" oder das „Vertrauen in die Fortführung noch nicht abgeschlossener Tatbestände nach altem Recht" als Gesichtspunkte bei der Überleitung auf neues Recht zu berücksichtigen, so ist er aber berechtigt, es aus eigenem Antrieb trotzdem zu tun 1 2 2 . Gewissen Bindungen bei der Gestaltung der Übergangsvorschriften unterliegt der Gesetzgeber allerdings insoweit, als er vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit danach trachten muß, unzumutbare Härten bei der Überleitung auf die neue Rechtslage zu vermeiden 123 .

Iis Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 439; Meßerschmidt, S. 172; anders dagegen Dürig, VVDStRL 32 (1974), S. 248 f. 119 Überhaupt stellt sich das Rückwirkungsproblem zu einem großen Teil als Problem derrichtigenund angemessenen Gestaltung von Übergangsrecht dar, vgl. hierzu Pieroth, S. 68. 120 BVerfGE 31, 275, 284. 121 BVerfGE 21, 173, 183; 22, 275, 276; 25, 236, 248; 36, 281, 293. 122 BVerfGE 14, 105, 119; 14, 288, 305; 23, 242, 255 f. 123 Vgl. z.B. BVerfGE 21, 173, 183; Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 438.

IV. Harmonischer Einbau neuen Rechts

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4. Das Gesetz als Vertrauensgrundlage Jedes staatliche Verhalten, seien es bestimmte Äußerungen oder Handlungen, kann beim Betroffenen Bürger Erwartungen auslösen, bestimmte Vertrauenstatbestände erzeugen. An diese Begründung von Vertrauensgrundlagen anknüpfend wird insbesondere im Verwaltungsverfahrensrecht von zu schützendem Vertrauen gesprochen. Aber auch der Gesetzgeber kann Vertrauen erzeugen. Seine Handlungsformen, nämlich Gesetze und Verordnungen, können in gleicher Weise Vertrauensgrundlagen sein wie Verwaltungsakte, Zusicherungen von Verwaltungsbehörden etc. Und gerade hier scheint der Vertrauensschutzgedanke seinen logischen Ursprung zu haben. Denn ist es nicht gerade die ureigene Aufgabe der Gesetzgebung, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit zu garantieren? 124 Es kann allerdings nicht unterschiedslos jegliche Form von Vertrauen, wie sie der Exekutive entgegen gebracht wird, auf den Gesetzgeber übertragen werden. Eine Differenzierung in diesem Punkt scheint angebracht und wird dementsprechend auch vorgenommen. So kann zunächst einmal vom Geltungsvertrauen gesprochen werden, das der Bürger dem Gesetzgeber entgegenbringt. Das bedeutet, der Bürger soll sich auf einen formell rechtskräftigen Rechtsakt verlassen können und nicht das Risiko einer ungültigen Norm tragen müssen. Dieser Grundsatz entspringt dem Gedanken der Bestandskraft von Staatsakten125. Dem steht das Kontinuitätsvertrauen gegenüber, also das Vertrauen in den unveränderten Fortbestand des Rechts. Im Gegensatz zum Geltungsvertrauen, das ohne weiteres in vollem Umfang geschützt werden kann, würde ein umfassender Schutz des Kontinuitätsvertrauens eher zu einer „Versteinerung" der Gesetzgebung führen 126 . Das würde dem Wesen von Gesetzgebung widersprechen, die — bei aller Schwerfälligkeit gesetzgeberischer Verfahren — doch neueren Entwicklungen und Prozessen, sei es technischer oder gesellschaftlicher Art, folgen sollte oder gar den Vorreiter spielen sollte 127 . Dies macht deutlich, daß der Schutz von Vertrauen, das Bürger in Gesetze „investieren", nur ein relativer Schutz sein kann, soweit er den unveränderten Fortbestand von Gesetzen betrifft. Die Frage ist daher, wie sich Vertrauensschutz gerade bei Gesetzesänderung ausdrücken kann und wie der Gesetzgeber dies bei der Einpassung neuen Rechts berücksichtigen kann. Bei der Änderung von Gesetzen existiert auf Seiten des betroffenen Bürgers insoweit ein Vertrauen, als er aufgrund der alten Gesetzeslage

124 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 10; differenzierend und kritisch allerdings in der Verwendung der verschiedenen Begriffe Leisner, FS Friedrich Berber, 1973, S. 273 ff., 275 ff. 125 Leisner, FS Friedrich Berber, 1973, S. 273 ff., 287; Rhinow, S. 271; Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 274. 126 Leisner, FS Friedrich Berber, 1973, S. 273 ff., 281 f.; Rhinow, S. 274 f. 127 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 35; Muckel, S. 22; Zimmerli, S. 34 f.

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B. Grundlagen der Einpassung neuen Rechts

bestimmte Erwartungen gehegt hat, die u.U. durch die neue Gesetzeslage nicht erfüllt werden. Insofern stören Rechtsänderungen immer die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns und stellen insofern die Vertrauensgrundlage „Gesetz" in Frage 128 . Allerdings wird man dagegen einwenden können, daß Gesetze immer unter dem Vorbehalt ihrer späteren Änderung erlassen werden. Ein Vertrauen in den unveränderten Fortbestand von Gesetzen kann nicht geschützt sein 129 . Eine Berücksichtigung des Kontinuitätsvertrauens kann sich daher nur insoweit als sinnvoll erweisen, als es sich um die Abmilderung der Folgen und um den Schutz vor den Folgen neuen Rechts handelt. Instrumente können in diesem Zusammenhang z.B. Übergangsregelungen, „Härteregelungen" etc. sein 130 .

V. Der Zeitpunkt der Einpassung Mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs sind die wesentlichen Entscheidungen bereits getroffen. Änderungen werden vom Gesetzgebungsorgan in der Regel nur noch punktuell vorgenommen. Ein ganz wesentlicher Faktor im Gesetzgebungsprozeß stellt die Gesetzgebungsarbeit in den Ministerialverwaltungen dar. Hier werden die Gesetzesentwürfe überwiegend erarbeitet, sei es durch selbständige Entwurfserstellung, durch Vorarbeiten für Regierungsinitiativen oder durch schlichte Formulierungshilfen 131. Infolgedessen hat diese Phase der Gesetzgebungsarbeit in den Ministerialverwaltungen eine zentrale Rolle bei der Einpassung neuen Rechts. Die Abstimmung des Gesetzentwurfs mit dem übrigen Normgefüge muß bis zum Zeitpunkt der Vorlage des Gesetzentwurfs schon erfolgt sein. Daher wird der Ort (bzw. der Zeitpunkt) des Einpassungsvorgangs regelmäßig schon in den Ministerialbürokratien zu suchen sein, der entsprechende Zeitabschnitt innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens wird demgemäß das innere Gesetzgebungsverfahren sein, welches die Methodik der gesetzlichen Entscheidungsfindung umfaßt, jedoch nicht im gleichen Maße normiert ist wie das äußere Gesetzgebungsverfahren 132. Bereits in diesem Stadium der Erarbeitung der Referentenentwürfe erfolgt die Kontrolle mit dem geltenden Normgefüge und die Widerspruchsfreiheit, gegebenenfalls dann die Einpassung des Gesetzentwurfs in das geltende Recht mit den geeigneten gesetzgeberischen Mitteln 1 3 3 . Im Rah128 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 280 f. 129 Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 283. 130 Vgl. hierzu und zu der sich anschließenden Frage des Anspruch auf Übergangsregelungen (u. U. aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes) eingehender unten Kap. C I 2 131 König, FS Carl Hermann Ule, 1987, S. 121 ff., 122. 132 Hill, Gesetzgebungslehre, S. 62 f.; zum Begriff „inneres Gesetzgebungsverfahren" grundlegend Schwerdtfeger, FS H. P. Ipsen, 1977, S. 173 ff. sowie zur bislang noch fehlenden Normierung des inneren Gesetzgebungsverfahrens Kloepfer, ZG 1988, S. 289 ff. 133 Vgl. aüch das Entwurfsmodell eines Gesetzes bei Hill, Gesetzgebungslehre, S. 64.

V. Der Zeitpunkt der Einpassung

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men der Rechtsförmlichkeitsprüfungen geschieht dies bereits anhand besonderer Prüfkataloge 134.

134 Als Beispiele solcher Prüfkataloge BMJ, Arbeitshilfe 2 (Rechtsänderungstechnik) sowie die Prüffragen für Rechtsvorschriften des Bundes, Beschluß der Bundesregierung vom 11. Dezember 1984, GMB1. 1990, S. 42, dort insbesondere die Gliederungspunkte 2.3 d) und 6.6; vgl. im übrigen Wyduckel, DVB1. 1982, S. 1172 ff., 1175 m.w.N.; Kindermann, Ministerielle Richtlinien, S. 87; Schmidt-Jortzig / Schürmann, in: Bonner Kommentar, Art. 76 Rn. 234.

C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts I . Schaffung von Übergangsrecht 1. Vorbemerkungen In der Praxis erfolgt eine größtenteils willkürliche und uneinheitliche Verwendung der Begriffe „Übergang" und „Überleitung". Beide Begriffe werden bisweilen sogar für den gleichen Tatbestand gebraucht 1. Der Begriff „Übergang" bezeichnet nach H. Müller das Weiterbestehenlassen (Inkraftbleiben) der bisherigen (möglicherweise aber schon leicht dem neuen Recht angepaßten) Regelung für solche Fälle, die schon beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes anhängig waren und darüberhinaus, daß das neue Gesetz für einige Zeit noch die Aufgaben einer künftigen Sonderregelungen mit übernimmt. Im Gegensatz dazu wird man den Begriff „Überleitung" richtigerweise in einem engeren Sinne nur für das Überführen des bisherigen in den neuen Rechtszustand verwenden können, ohne daß aber dabei dessen inhaltliche Ausgestaltung verändert wird 2 . Das bedeutet, daß Tatbestände, die unter altem Recht entstanden sind, nunmehr als Tatbestände neuen Rechts betrachtet und diesem neuen Recht unterworfen werden 3. Typischerweise kommen Formen der Überleitung, also der unveränderten Inkraftsetzung vorwiegend nach Gebietsänderungen in Frage. Jüngstes Beispiel einer solchen Praxis ist Art. 8 des Vertrages über die Herstellung der Einheit Deutschlands (EVertr). Danach wurde nach dem Beitritt der DDR grundsätzlich Bundesrecht im Gebiet der alten DDR in Kraft gesetzt, also nach der Terminologie ohne inhaltliche Veränderungen „übergeleitet"4. Dabei soll aber nicht vergessen werden, daß es sich bei der Überleitung von Recht nicht um die Einpassung neuen Rechts5 handelt. Denn das übergeleitete Recht galt ja schon vorher, ist also streng genommen altes Recht, das nunmehr lediglich einen größeren Adressatenkreis hat. 1 So z.B. BVerfGE 31, 275 ff.; aber auch H. Schneider, Rn. 543 ff., 593. 2 H. Müller, S. 63; so auch Aschke, S. 25 ff; vgl. aber Götz, FG BVerfG, Bd. II, S. 421 ff., 437. 3 Für die Überleitung altrechtlicher Widmungen und Klassifizierungen von öffentlichen Straßen vgl. Ronellenfitsch, in: Bartlsberger u.a., S. 591 ff. 4 Vgl. auch die Überschrift des Art. 8 EVertr: „Überleitung von Bundesrecht". Auf die Ausnahmeregelungen soll an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden. 5 Es würde jedoch den durch das Thema der vorliegenden Arbeit gewählten Rahmen sprengen, auf die Überleitung von Recht einzugehen.

I. Schaffung von Übergangsrecht

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Übergangsregelung (-recht, -Vorschrift etc.) ist demnach der umfassendere Begriff, der den Begriff „Überleitung" zwar mit einschließt, aber nicht beliebig austauschbar ist.

2. Anspruch auf Übergangsregelungen? Von der Änderung von Rechtsvorschriften sind oft Besitzstände und Rechtspositionen betroffen, die nach neuem Recht nicht mehr ohne weiteres geschützt wären, auf deren Bestand der Inhaber aber vertrauen konnte. Hier liegt es nahe, nach der verfassungsrechtlichen Pflicht des Gesetzgebers zu fragen, für einen angemessenen Schutz dieser Besitzstände und Rechtspositionen zu sorgen. Diesen Schutz gewährleistet der Gesetzgeber vielfach durch den Erlaß von Übergangsregelungen. Kann der von Rechtsänderungen betroffene Bürger aber auch einen Anspruch gegenüber dem Gesetzgeber auf Erlaß von Übergangsvorschriften gelten machen? a) Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst betont, daß dem Gesetzgeber grundsätzlich ein breiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse zur Verfügung steht6. Zwischen den beiden Extrempositionen, nämlich der Übergangs weisen Fortgeltung alten Rechts und der ausschließlichen Geltung der neuen Rechtsordnung (Grundsatz der „Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung"), sind vielfältige Abstufungen denkbar und zulässig7. Der Gesetzgeber kann unter Umständen sogar dem Grundsatz der Ausschließlichkeit der neuen Rechtsordnung folgen 8 . In mehreren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht allerdings unter Hinweis auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die Pflicht des Gesetzgebers zum Erlaß von angemessenen Übergangsregelungen auch im Falle zulässiger Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen bejaht9 und teilweise anschaulich dargelegt, daß eine bestimmte Rechtsänderung ohne Übergangsregelungen wegen Verstoßes gegen Verfassungsgrundsätze verfassungswidrig gewe6 Vgl. z.B. BVerfGE 49, 192, 208; 50, 177, 192; 51, 257, 268. i Vgl. auch Schneider, Rn. 548. s BVerfGE 43, 242, 288 f.; 31, 275, 284; vgl. dazu auch die Darstellung von Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 443. 9 BVerfGE 75, 246, 278 f. (Rechtsbeistand); 71, 137, 144 (Fischereipachtverträge); 53, 224, 253 (Scheidungsrecht); 50, 265, 274 f. (Apothekenassistent); 47, 85, 93 f. Scheidungsrecht); 44, 1, 21 f. (Nichtehelichengesetz); 43, 242, 288 (Hamburgisches Universitätsgesetz); 36, 281, 293; 32, 1, 22 f.; 31, 275, 284; 25, 236, 248; 22, 275, 276; 21, 173, 183 (Steuerberatungsgesetz).

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

sen wäre 10 . Die sofortige und ausschließliche Anwendung neuen Rechts auf bestehende Rechtslagen wird daher nur in den Fällen zulässig sein, in denen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Als Überprüfungsmaßstab für die Übergangsregelungen hat das Bundesverfassungsgericht zwar allgemein Art. 3 Abs. 1 GG herangezogen. „Zwar ist der Gesetzgeber grundsätzlich auch bei Übergangsregelungen an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden. Doch bedarf er gerade bei einschneidenden Neuregelungen mit langfristigen zeitlichen Auswirkungen . . . eines angemessenen gesetzgeberischen Spielraums zur Überleitung des alten in den neuen Rechtszustand. Die notwendige Anpassung verursacht besondere, aber vorübergehende Schwierigkeiten. Hierbei müssen auch gewisse Unstimmigkeiten, die bei Dauerregelungen nicht hinnehmbar wären, in Kauf genommen werden." 11 Jedoch war Ausgangspunkt für die Verpflichtung des Gesetzgebers zum Erlaß von Übergangsregelungen in der Regel eine drohende Grundrechtsverletzung. Im Falle des Steuerberatungsgesetzes, das die Rechtsverhältnisse von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neu regelte, war dies z.B. Art. 12 Abs. 1 GG 1 2 . b) Schrifttum Diirig 13 verlangt Übergangsregelungen zur Vermeidung abrupter Rechtsänderungen vor allem in Form von Ankündigung und Bekanntmachung der Rechtsänderung, um den Bürger nicht zu „überfahren". Vor dem Hintergrund der Änderungen von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen soll sogar — streng genommen — die neue Ordnung nur für die Anfänger gelten, während alle anderen, sich in Ausbildung Befindlichen noch nach altem Recht die Ausbildung beenden dürfen. Für Pieroth 14 sind Übergangsregelungen ein Zeichen dafür, daß der Gesetzgeber Rückwirkungen vermeiden wollte. Ein Anspruch auf Übergangsregelungen besteht nach seiner Auffassung dann, wenn dadurch ein Verstoß gegen Verfassungsrecht vermieden werden kann. Verfassungsdogmatische Grundlage ist für diese Pflicht (hier trifft er sich mit Salzwedel 15) der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Demgegenüber zieht Kloepfer 16 das Prinzip der Übergangsgerechtigkeit zur Absicherung dieser gesetzgeberischen Pflicht heran. Dieses Prinzip sei dabei wiederum Ausfluß von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit. 10 BVerfGE 75, 78, 82, 103. 11 BVerfGE 49, 192, 210. 12 BVerfGE 21, 173, 183. 13 Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 3 I, Rn. 222 (Fußn. 3). 14 Pieroth, S. 149 ff., 152 f. 15 Salzwedel, Die Verwaltung 5 (1972), S. 11 ff.; vgl. auch Muckel, S. 119. 16 Kloepfer, DÖV 1978, S. 225 ff., 227; vgl. auch Lerche, S. 270; ders., DÖV 1961, S. 486 ff., 489; Pietzcker, JuS 1981, S. 2087 ff., 2093.

I. Schaffung von Übergangsrecht

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H. Müller hält es schon aus rein praktischen Gründen für unmöglich, daß ein Gesetz ohne Übergangsvorschriften auskommt. Dies könne nur ein Gesetz, das einen Rechtsstoff gänzlich neu ordnet und regelt. In der Mehrzahl aller Fälle trifft der (Bundes-) Gesetzgeber aber auf alte (teilweise sogar landesrechtliche) Rechtsordnungen 17. Am weitesten geht Leisner 18, der die Pflicht zur Schaffung von Übergangsrecht nicht in erster Linie aus Gründen der Billigkeit oder „Härtemilderung" sieht, sondern gestützt auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes dem von Gesetzesänderungen Betroffenen einen echten Anspruch auf Schaffung von Übergangsregelungen geben will. Der Bürger könne dem Gesetz ebenso wie einem Richterspruch ein gewisses Maß an Vertrauen entgegenbringen.

3. Formelles Übergangsrecht Im allgemeinen begnügt sich der Gesetzgeber mit formellen Mitteln der Regelung übergangsrechtlicher Probleme. In der Regel sind diese auch ausreichend. So ist z.B. der zeitliche Geltungsbereich des neuen bzw. des alten Rechts genau abzustecken (intertemporales Recht). Es ist zu regeln, auf welche Sachverhalte noch die alte Rechtslage anzuwenden ist und auf welche schon neues Recht angewendet werden kann. Daneben kann geregelt werden, welche Bestimmungen aufgehoben, geändert werden oder gar unverändert in Kraft bleiben (ausdrückliche, spezielle Kollisionsregeln) 19 .

4. Materielles Übergangsrecht Ist mit diesen herkömmlichen, „äußerlichen" 20 Mitteln eine störungsfreie Überleitung vom bisherigen in den neuen Rechtszustand nicht zu erreichen, so ist für einen gewissen, begrenzten Zeitraum eine gänzlich neue Ordnung zu schaffen. Diese Übergangsregeln vereinigen dann Elemente des alten Rechts mit den Elementen des neuen Rechts und „federn" so einen u.U. zu krassen Übergang ab. Dieses „Zwischenrecht" 21 schafft gewissermaßen den stufenweisen Übergang zur neuen Rechtslage. Zwar wird man hier geringere Anforderungen an Rege17 H. Müller, S. 64. 18 Leisner, FS Berber, 1973, S. 273 ff., 296 f.; drei Komplexe innerhalb des Begriffs „Gesetzesvertrauen" werden hier unterschieden: Das Vertrauen in die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze; das Vertrauen in die legislative Kontinuität und Folgerichtigkeit und schließlich das Vertrauen in die Erhaltung des gegenwärtigen Normbestandes. Vgl. auch Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25 ff., 30. 19 G. Müller, in: Eichenberger u.a. (Hrsg.), S. 369 ff., 375 ff. 20 Pieroth, S. 71. 21 G. Müller, in: Eichenberger u.a. (Hrsg.), S. 369 ff., 378.

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

lungsdichte und Vollständigkeit stellen dürfen. Gleichwohl sind an dieses Recht aber die gleichen Anforderungen in puncto Normenklarheit, sorgfältigem Einbau in die Rechtsordnung etc. zu stellen wie bei anderen herkömmlichen Rechtsänderungen 22 . Ein etwas engeres Verständnis hat aber offenbar Pieroth von dem Begriff „materielles Übergangsrecht": Er bezeichnet als materielles Übergangsrecht solche Regelungen, die vom Gesetzgeber nicht als solche deklariert worden sind und nicht ausschließlich formeller Natur sind. Bei ihnen würde sich zusätzlich das Problem ergeben, ob sich die Vorschrift auf die Vergangenheit beziehe oder nicht. Dies sei bei materiellem Übergangsrecht erst mit Hilfe einfach-gesetzlicher Auslegung zu ermitteln, während sich dies bei formellem Übergangsrecht aus Wortlaut und Systematik ergebe 23. Als Beispiel führt er hier — den allerdings inzwischen obsolet gewordenen 24 — § 93 Abs. 3 BVerfGG an, der deswegen als Übergangsrecht im materiellen Sinn im Gegensatz zum Übergangsrecht im formellen Sinn (vgl. z.B. „Zeitpunkt des Inkrafttretens") zu bezeichnen sei, weil es auch hier um das Verhältnis zweier zeitlich aneinander stoßender Rechtsordnungen ginge 25 . Dieses Kriterium der zeitlich aneinanderstoßenden Rechtsordnungen ist aber zur Abgrenzung formellen von materiellen Übergangsrechts schlecht geeignet; denn allen Übergangsregelungen ist gemein, daß sie ihre Wirkung praktisch an der Nahtstelle zweier Rechtsordnungen, einer alten und einer neuen, entfalten. Es besteht in dieser Frage also kein Unterschied zwischen formellem und materiellem Übergangsrecht.

5. Instrumente zur Lösung übergangsrechtlicher Probleme Übergangsregelungen können gesetzestechnisch in unterschiedlicher Weise untergebracht werden: in besonderen Schlußvorschriften des neuen Gesetzes26, in einem eigenen Artikel eines Änderungsgesetzes 27 oder in einem Einführungsgesetz28. 22 G. Müller, in: Eichenberger u.a. (Hrsg.), S. 369 ff., 379; vgl. aber BVerfGE 49, 192, 210; 50, 177, 192; 51, 257, 268, wo zumindest auch hinsichtlich der notwendigen Anpassungen bei Neuregelungen „auch gewisse Unstimmigkeiten" in Kauf genommen werden. 23 Pieroth, S. 72. 24 vgl. Gusy, Rn. 212. 25 Pieroth, S. 71 f. 26 Z.B. in §§ 40 ff. des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz — GenTG) v. 20. 6. 1990, BGBl. I S. 1080; §§ 233 ff. Baugesetzbuch (BauGB) i.d.F. v. 8. 12. 1986, BGBl. I S. 2253; §§ 119 ff. des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) v. 28. 12. 1965, BGBl. I 1966 S. 1; §§ 38 ff. des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank v. 26. 7. 1957, BGBl. I S. 745. 27 Z.B. Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des BBauG v. 18. 8. 1976, BGBl. I S. 2221.

I. Schaffung von Übergangsrecht

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a) Zeitbezogene Regelungen Die Einpassung neuen Rechts kann mit Hilfe des Faktors Zeit erfolgen: Entweder wird die Geltung des neuen Rechts von einem zu bestimmenden Zeitpunkt oder es wird die Erfüllung eines neuen gesetzlichen Tatbestandes vom Eintritt eines Stichtages abhängig gemacht. Daneben kann zeitlich befristet Recht gelten, das mit dem alten und mit dem neuen Recht nichts mehr gemeinsam oder allenfalls teilidentisch ist, also inhaltlich weitgehend eigenständiges Recht 29 . Der Zweck dieser Praxis ist vor allem die Sicherung der künftigen Ordnung, weil deren Schaffung längere Zeit in Anspruch nimmt. Bei all diesen Möglichkeiten handelt es sich aber in gleicher Weise um Techniken des Übergangsrecht 30. aa) Stichtagsregelungen (1) Regeln, die die Anspruchsberechtigung oder Tatbestandserfassung von einem bestimmten Stichtag abhängig machen, können vom Gesetzgeber zur Einpassung eines neuen Gesetzes in die Rechtsordnung verwendet werden. Ihrer Bedeutung nach handelt es sich bei Stichtagsregeln um ein Instrument gesetzgeberischer Rechtsfolgenabgrenzung. Denn eine solche Regelung grenzt den Geltungsbereich des neuen Gesetzes von der alten Rechtslage ab 31 . Die Stichtagsregel kann die Erfüllung eines Stichtages zur Auflage machen, um die Geltung des neuen bzw. noch des alten Gesetzes zu bewirken. Stichtagsregeln setzen ein in Kraft getretenes Gesetz voraus, um Rechtswirksamkeit zu entfalten 32. In ihnen können Aussagen über die neue und die alte Rechtslage getroffen sein. Die Stichtage können in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen 33 . (2) Das Bundesverfassungsgericht hat sich in sehr vielen Entscheidungen34 unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG mit der Frage beschäftigt, ob im 28 Vgl. Kap. C. IV. Die Beispiele dafür sind zahlreich vorhanden: z. B. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 18. 8. 1896, RGBl. S. 604; Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch v. 2. 3. 1974, BGBl. I S. 469. 29 So die Übergangsregelungen zugunsten der Klinikdirektoren nach § 79 Abs. 3 HambUniG v. 24.4. 1969 (GVB1. I S. 61); vgl. dazu die Entscheidung BVerfGE 43, 242, 289. Dieses Recht wurde als „Zwischenrecht" bezeichnet, z.B. Müller, in: Eichenberger u.a. (Hrsg.), S. 378. 30 Pieroth, S. 71. 31 Kloepfer, DÖV 1978, S. 225 ff., 228. 32 Kloepfer, DÖV 1978, S. 225 ff., 228. 33 Beispiele: § 233 ff. BauGB (Stichtag: 1. Juli 1987/Zukunftsbezug); § 11 Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch (BauGB-MaßnahmenG) v. 17. 5. 1990, BGBl. I S. 926 (Stichtag: 1. Juni 1990, zeitgleich mit Inkraftreten des Gesetzes, also Zukunftsbezug). Vgl. auch § 7b Abs. 1 S. 5 EStG (BVerfGE 18, 135, 137); Art. 20 § 2 Abs. 1 und Art. 21 § 2 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs (BVerfGE 27, 375, 376).

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

Einzelfall die Einführung von Stichtagsregelungen grundsätzlich gerechtfertigt, ob die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich gerechtfertigt ist. Damit hat es die wesentlichen Anforderungen an die Verwendung von Stichtagsregelungen beschrieben. Dem Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht dabei einen gewissen Gestaltungsspielraum zuerkannt. Dabei untersucht das Gericht, „ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung sich im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen läßt oder als willkürlich erscheint"35. Für Stichtagsregelungen wird damit ein an den Gesetzgeber gerichtetes Begründungsgebot aus dem Gleichheitssatz hergeleitet 36. Sachliche Gründe für die Einführung eines Stichtages gibt es nach der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts verschiedene: Gründe der Rechtssicherheit, Schwierigkeiten der Umstellung für die zuständigen Behörden und Gerichte, Wandel der Einstellung der Bevölkerung 37 , praktischen Schwierigkeiten beim Wiederaufgreifen alter Fälle 38 , Anknüpfung an das Inkrafttreten von Gesetzen39 etc. 40 . bb) Zeitpunkt des Inkrafttretens von Gesetzen (1) Auch die Bestimmung des Inkrafttretens einer Neuregelung zu einem bestimmten Zeitpunkt kann — gesetzgebungstechnisch — als Stichtagsregelung in einem weiten Sinne verstanden werden 41 , wenngleich der Zeitpunkt des Inkrafttretens erst den Zeitpunkt der Verbindlichkeit des Gesetzes bestimmt, während Stichtagsregelungen Bestandteile bereits verbindlicher Gesetze sind und den Anwendungsbereich des bereits in Kraft getretenen Gesetzes modifizieren. Letztere setzen also die Verbindlichkeit des Gesetzes voraus, die durch eine Regelung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes erst bewirkt wird 4 2 . Grundsätzlich ist es dem Gesetzgeber vorbehalten, welchen Zeitpunkt er für das Inkrafttreten eines neuen Gesetzes wählt. Dies ergibt sich aus dem Recht und der Aufgabe des Gesetzgebers, Recht mit Wirkung zu einem bestimmten 34 Vgl. z.B. BVerfGE 3, 58, 147 f.; 3, 288, 340; 10, 340, 353 f.; 13, 31, 38; 14, 288, 305; 24, 220, 228 f.; 29, 283, 299; 29, 413, 432; 36, 174, 191 f.; 44, 1, 21 f.; 46, 299, 307 ff.; 47, 85, 94; 49, 260, 275 f. 35 BVerfGE 44, 1, 21. 36 Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 3 I Rn. 204, 316 ff. 37 BVerfGE 44, 1, 21 f. 38 BVerfGE 44, 1, 24. 39 BVerfGE 36, 174, 192; 3, 58, 148. 40 Weitere Fälle bei Kloepfer, DÖV 1978, S. 225 ff., 229. 41 So Kloepfer, DÖV 1978, S. 225 ff., 228 (linke Spalte). 42 Pieroth, S. 75; Kloepfer, DÖV 1978, S. 225 ff., 227 f.

I. Schaffung von Übergangsrecht

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Zeitpunkt neu zu setzen und schließlich auch aus Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG 4 3 (Inkrafttreten der Gesetze). „Das Bundesverfassungsgericht kann nur eingreifen, wenn gewisse äußere Grenzen überschritten werden. Solche Grenzen können sich bei der Wahl des Zeitpunktes für das Inkrafttreten eines Gesetzes etwa aus der Verpflichtung des Gesetzgebers zur Erfüllung eines Verfassungsauftrages oder zur Bereinigung einer verfassungswidrigen Rechtslage ergeben."44 Ein Hinausschieben des Zeitpunkts des Inkrafttretens (und nicht das automatische Inkrafttreten nach Art. 82 Abs. 2 S. 2 GG) kann erforderlich sein, um z.B. erforderliche neue Behörden einzurichten, bestehende Behörden auf die neuen Aufgaben bzw. veränderte Rechtslage vorzubereiten oder Vorkehrungen anderer Art zu treffen. Daher liegt zwischen der Verkündung eines Gesetzes und dessen Inkrafttreten häufig ein längerer Zeitraum liegen. Auch eine unterschiedliche Regelung des Geltungsbeginns für einzelne Teile eines neuen Gesetzes kann angebracht sein 45 . (2) Auf der anderen Seite wird eine (teilweise oder vollständige) Verschiebung des Inkrafttretens auf einen späteren Zeitpunkt oft als politische Kompromißentscheidung gewählt 46 . Allerdings ist problematisch, ob eine abgestufte, d.h. unterschiedliche Inkraftsetzung einzelner Vorschriften desselben Gesetzes so ohne weiteres zulässig ist. Fleiner-Gerster bezweifelt dies, weil der Gesetzgeber doch regelmäßig davon ausgehe, daß die Verabschiedung eines Gesetzes eine Einheit darstellt 47 . Ein Beispiel für diese Praxis der Gesetzgebung ist die Altölverordnung (AltölV) vom 27. Okt. 198748. Hier bestimmt § 14 AltölV ein abgestuftes Inkrafttreten. Die §§7 und 10 Nr. 7 AltölV traten abweichend von der übrigen Verordnung erst am 1. Juli 1988 in Kraft. Sinn und Zweck dieser späteren Inkraftsetzung der Kennzeichnungspflicht und der entsprechenden Strafbewehrung ist sicher, dem Handel die Möglichkeit zu geben, die Produktion darauf einzustellen und die im Handel befindlichen Gebinde noch absetzen zu können, ohne gegen die Verordnung zu verstoßen. Gleiches gilt für die Pflanzenschutzmittelverordnung vom 28. Juli 1987 (PflSchMV) 49, deren gesamter zweiter Abschnitt über die Anforderungen an Pflanzenschutzgeräte — sicher aus den gleichen Erwägungen — erst ein knappes Jahr nach der übrigen Verordnung in Kraft getreten ist. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Saarstatut-Urteil 50 bzgl. des zeitlich unterschiedlichen Inkraftsetzens einzelner Teile des Grundgesetzes in 43 BVerfGE 47, 85, 93; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 82 Rn. 10. 44 BVerfGE 47, 85, 93 f. 45 H. Müller, S. 252 f. 46 Schulze-Fielitz, S. 418, mit weiteren Nachweisen aus der Gesetzgebung. 47 Fleiner-Gerster, S. 134. 48 BGBl. I S. 2335; Kloepfer Nr. 338. 49 BGBl. I S. 1754; Kloepfer Nr. 453. so BVerfGE 4, 157, 170. 4 Bockel

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

den dem Grundgesetz beigetretenen Gebieten die Auffassung vertreten, für eine Übergangszeit können Einschränkungen einzelner Verfassungsnormen durch verspätete Inkraftsetzung hingenommen werden, sofern nur die unverzichtbaren Grundsätze des Grundgesetzes nicht angetastet würden, also etwa diejenigen in Art. 79 Abs. 3 oder 19 Abs. 2 GG. Daneben müsse die Übergangsregelung auch „näher beim Grundgesetz" stehen als die bisherige Regelung und der Gesetzgeber dürfe das Ziel der endgültigen und vollständigen Inkraftsetzung des Grundgesetzes nicht aus dem Auge verlieren 51 . Wenn es zur Vermeidung gewisser Härten bei der Einpassung des neuen Rechts schon für die Inkraftsetzung von Verfassungsnormen für zulässig erachtet wurde, dann wird die abgestufte Inkraftsetzung einfachgesetzlicher Normen erst recht mit diesem Ziel möglich sein. Im übrigen ist ja durch die zeitliche Festlegung der Inkraftsetzungstermine (vgl. die oben angeführten Verordnungen) die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Beachtung des Ziels der vollständigen Inkraftsetzung gewahrt. In diesem Sinne ist auch die Übergangsbestimmung in Art. 6 Abs. 1 S. 2 des Landesgesetzes zur Änderung der Landkreisordnung für Rheinland-Pfalz zu verstehen. Die in diesem Gesetz vorgesehene Kommunalisierung der Landräte wird bzgl. der staatlichen Landräte auf Lebenszeit durch diese Bestimmung bis zum darin vorgesehenen Zeitpunkt verschoben. Diese Übergangsregelung ist erforderlich, weil die sofortige und unmittelbare Anwendung des Gesetzes in die Rechtsstellung der betroffenen Landräte in gegenüber dem Gesetzeszweck unverhältnismäßiger Weise eingreifen würde 52. (3) Überprüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Bestimmung eines Zeitpunktes ist (wie bei Stichtagsregelungen) der allgemeine Gleichheitssatz53. cc) Befristungen in Gesetzen Dem Ziel der Vermeidung von Härten, dem Schutz von Vertrauen und der Wahrung von Besitzständen dienen auch Übergangsregelungen in Form von Befristungen. Beispiele hierfür sind in den §§ 12 EGAktG, 15 PflVG, 15-17 WHG enthalten. Die §§ 15 ff. WHG etwa regeln die Behandlung von Erlaubnissen und Bewilligungen, alter Rechte und Befugnisse, die noch nach altem Recht erteilt worden bzw. entstanden sind und nun innerhalb einer bestimmten Frist als unter neuem Recht entstandene Erlaubnisse etc. behandelt werden können.

51 Vgl. auch Binne, DtZ 1990, S. 209 ff., 210. 52 Vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung LT-Drucksache 11 / 3566, S. 25 f. 53 Pieroth, S. 76 f.

I. Schaffung von Übergangsrecht

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b) Optionsrecht zwischen altem und neuem Recht bzw. „ Meistbegünstigungsklausel " aa) Optionsrecht Von einer Rechtsänderung Betroffenen kann ein Wahlrecht zwischen dem alten und dem neuen Recht eingeräumt werden, sog. Optionsrecht 54. Dabei spielt es — im Gegensatz zur Meistbegünstigungsklausel (s.u.) — keine Rolle, aus welchen Gründen der Betroffene sich für die eine oder die andere Rechtsordnung entscheidet. So können nach § 41 Abs. 3 GenTG Antragssteller für bereits begonnene Genehmigungsverfahren wählen, ob das Genehmigungsverfahren nach immissionsschutzrechtlichen oder nach gentechnikrechtlichen Vorschriften beendet werden soll 55 . bb) Meistbegünstigungsklausel Eingeschränkt (s.o.) vergleichbar damit ist eine übergangsrechtliche Regelung, die einen nach der alten Rechtsordnung entstandenen, aber (grundsätzlich) nach der neuen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand zwingend derjenigen Rechtsordnung unterwirft, die für ihn am günstigsten ist (das kann also auch die alte Rechtsordnung sein, obwohl sie im übrigen nicht mehr gilt) 5 6 . Ein Beispiel dafür ist § 85 BeamtVG 57 bzgl. der Weitergeltung günstigerer Ruhegehaltssätze: „Für die am 1. Juli 1975 vorhandenen Beamten gelten die besonderen Ruhegehaltssätze nach Art. 84 Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte des Landes Bayern, nach § 177 des Bremischen Beamtengesetzes und nach § 195 Abs. 1 des Hessischen Beamtengesetzes in den beim Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassungen weiter, wenn sie günstiger sind als die Ruhegehaltssätze nach diesem Gesetz." c) (Unbefristete)

Fortgeltung alten Rechts

(1) Das neue Recht kann Vertrauenstatbestände, die unter dem bisherigen Recht entstanden sind, unangetastet lassen und die Anwendung neuen Rechts auf künftige, erst unter seiner Geltung entstehende Sachverhalte beschränken. Diese Praxis wird allgemein auch damit umschrieben, daß man die „Altfälle auslaufen" lassen solle.

54 Affolter, S. 65 f. 55 Vgl. dazu z.B. Fluck, BB 1990, S. 1716 ff., 1725; Fritsch/Haverkamp, BB 1990, Beilage 31, S. 20. 56 Vgl. dazu Affolter, S. 64 f. 57 BT-Drs. 11/5372, S. 28. 4*

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

Einer derartigen Praxis hat sich z.B. der rheinland-pfälzische Gesetzgeber mehrfach bedient: § 54 Abs. 1 S. 1 JAPO gewährt betroffenen Jura-Studenten das Recht, ihr vor einem bestimmten Zeitpunkt begonnenes rechtswissenschaftliches Studium einschließlich der Examensprüfung noch nach altem Recht zu beendigen. Gleiches gilt gem. § 54 Abs. 2 S. 1 JAPO für einen vor einem festgelegten Zeitpunkt begonnenen juristischen Vorbereitungsdienst 58. Die gleiche Praxis ist erfolgt in dem oben angeführten Beispiel der Kommunalisierung der Landräte. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Landesgesetz zur Änderung der Landkreisordnung für Rheinland-Pfalz 59 wird auf staatlichen Landräte auf Zeit noch altes Recht angewendet, während neues Recht erst auf neu entstehende Sachverhalte Anwendung findet. Schließlich kann als Beispiel noch angeführt werden Art. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 20.12.1982 6 0 . Dort ist die Fortgeltung des an sich durch Art. 1 des o. g. Gesetzes aufgehobenen § 80 Abs. 6 S. 2 VwGO für die Tatbestände angeordnet, die vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes entstanden sind. (2) Auch der Einigungsvertrag (EVertr) bedient sich in seinem Art. 9 Abs. 4 dieses Mittels der Fortgeltung alten Rechts, hier DDR-Rechts. Jedoch ist der Anknüpfungspunkt hier insofern ein anderer, als nicht an den Zeitpunkt des Erwerbs eines Recht angeknüpft wird, sondern an ortsbezogene Gesichtspunkte. Auch insoweit, als altes DDR-Recht aufgrund der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Bundesrecht wird, wird es wegen seiner räumlichen Beschränkung auf die Gebiete der ehemaligen DDR nur partielles Bundesrecht. Entscheidend ist also nicht der Zeitpunkt, sondern der Ort des Rechtserwerbs. In diesem Punkt ist die Fortgeltung alten DDR-Rechts zu unterscheiden vom Fortgelten alten Reichsrechts nach dem Zweiten Weltkrieg, das räumlich nicht beschränkt war. Im übrigen findet sich hier wieder ein anderes gesetzgebungstechnisches Mittel der Einpassung neuen Rechts: Laut Denkschrift zum Einigungsvertrag 61 lehnt sich die Regelung ausdrücklich an bereits erprobte Vorschriften an, nämlich an Art. 124 und 125 GG. Auf die Problematik der Fortgeltung von DDR-Recht als Landesrecht bzw. — soweit Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes betroffen sind — als Bundesrecht kann hier nicht eingegangen werden.

58 Weitere Beispiele bei Aschke, S. 28. 59 Rh.-Pf. Landtag LT-Drucksache 11/3566. 60 BGBl. I S. 1834. Vgl. darüberhinaus (als Besonderheit) § 131 AO sowie Jesch, JZ 1960, S. 282 ff., 283: „Eine solche 'Übergangsregelung' hat dann die Bedeutung, die alte Rechtsprechung für einen gewissen Zeitraum zu konservieren, da es unbillig erscheint, den Steuerpflichtigen, der seine wirtschaftlichen Dispositionen im Vertrauen auf eine ständige Praxis und Rechtsprechung getroffen hat, mit einer neuen und für ihn ungünstigen Gesetzesauslegung zu überfallen." 61 Vgl. Stern / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 135.

I. Schaffung von Übergangsrecht

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d) Härteklauseln Vielfach werden in Änderungsgesetzen Regelungen vorgesehen, die insbesondere bei Leistungskürzungen oder Verschärfung etwa von Umweltanforderungen Härten, die durch die sofortige Anwendung des neuen Rechts entstehen würden, mildern und ausgleichen. Die Härteregelungen unterstützen die Überleitung alter Rechtslagen auf den neuen Rechtszustand. Solche Regelungen ergeben sich in der Regel unmittelbar aus dem Gesetz. Beispiele für Härteregelungen sozialer Natur, also aufgrund von Leistungskürzungen, beinhaltet das Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) vom 20.12.198262. Hier wurden, um die Folgen des Wegfalls der Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz für Schüler, die bei ihren Eltern wohnen, zu mildern, Härteregelungen in das BAföG aufgenommen (vgl. §§ 12a, 25b, 66a Abs. 4 und 5, 68 Abs. 2a BAföG). Aber auch die Verwaltungen können zu einer auf Hälteausgleich bedachten differenzierten Regelung durch das Gesetz ermächtigt sein. Dies geschieht in der Regel durch unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensvorschriften 63, so daß im Einzelfall die negativen Auswirkungen neuen Rechts berücksichtigt werden können. So ist dies geschehen z.B. in § 36 Abs. 3 13. BImSchV, der die Behörden zur Erteilung von Ausnahmen von der Verpflichtung zur Nachrüstung von Altanlagen ermächtigt. e) Regelungen „ auf Vorrat " 64 Der Gesetzgeber könnte möglicherweise zum heutigen Zeitpunkt Regelungen schaffen, die aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten. Sinnvoll wäre dies vor allem in solchen Bereichen, in denen z.B. eine technische Entwicklung noch nicht auf dem Stand ist, der die Industrie zur Befolgung des Gesetzes in die Lage versetzt, der Gesetzgeber aber die Industrie anhalten will, diesen im Gesetz vorgebenen Stand der Technik durch Forschung und Entwicklungsarbeit bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zu erreichen 65. Im Prinzip würde es sich hier auch um die oben beschriebene Technik der Verschiebung des Zeitpunkts des Inkrafttretens handeln. Jedoch wäre die gesetzgeberische Intention eine andere: Während dort das gesetzgeberische Mittel der Übergangsregelung zur Überlei62 BGBl. I S. 1857. 63 Vgl. auch Kap. C. IV.: Einpassung neuen Rechts durch unbestimmte Rechtsbegriffe. 64 Der Begriff ist möglicherweise unglücklich gewählt, vgl. aber Fleiner-Gerster, S. 130. 65 Vgl. dazu die Beispiele aus dem (amerikanischen und schweizerischen) Umweltrecht bei Fleiner-Gerster, S. 130.

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

tung einer Rechtslage in eine neue Rechtslage im Vordergrund steht, soll hier zugleich mit der Anpassung an die neue Rechtslage die Ziel- und Zweckbestimmung des Gesetzes bei dessen Inkrafttreten schon (ohne eigene Übergangsregelungen im Gesetz selbst) erfüllt sein 66 . Daneben ist festzuhalten, daß der Gesetzgeber im Normalfall zwar aufgrund des recht schwerfälligen Gesetzgebungsverfahren immer etwas hinter dem aktuellen Stand der technischen Entwicklungen herläuft, hier jedoch die Rolle des Richtungsgebers z. B. im Bereich des technischen Fortschritts übernehmen könnte 67 .

I I . Informationen über neues Recht/Gesetzesankündigung 1. Allgemeines Verschiedentlich wurde die Änderung von Gesetzen oder der Erlaß neuer Regelungen zu einem sehr frühen Zeitpunkt angekündigt und u.U. auf die Geltung eines Stichtages (z.B. der Zeitpunkt des Kabinettsbeschlusses) verwiesen. Diese Praxis ist derjenigen vorgelagert, bei der Gesetze verabschiedet werden, deren Inkrafttreten aber auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben wird. Die zur Gesetzesinitiative Berechtigten, in der Praxis insbesondere die Bundesregierung, bezwecken mit dieser „Verhaltenssteuerung durch Normankündigung" 68 eine vorweggenommene Anpassung an das erst zu schaffende, noch nicht einmal verabschiedete Gesetz, indem nämlich das gewünschte gesetzeskonforme Verhalten bereits vor der Gesetzesänderung (u.U. auch ohne das Gesetz) herbeigeführt wird. 2. Bedeutung Die Bedeutung dieser „Normankündigung als Verhaltenslenkung" gegenüber dem einzelnen Bürger kann dabei sowohl rechtlicher wie politischer Natur sein. Die rechtliche Bedeutung liegt darin, daß damit späteres rückwirkendes Handeln des Gesetzgeber erleichtert wird, indem durch die Normankündigung bereits Vertrauen in die bestehende Rechtslage und ihre Fortgeltung erschüttert oder gar beseitigt wird. Gleichwohl handelt es sich nicht um Rückwirkung, die ja — soweit es sich um „echte" Rückwirkung handelt — vom Bundesverfassungsgericht auch grundsätzlich nicht zugelassen ist. Von politischer Bedeutung ist diese 66 Es stellt sich die Frage, inwieweit man es hier mit dem Problem der Vor Wirkung von Gesetzen zu tun hat. 67 Vgl. Müller-Foell, S. 15 f., zu der Aufgabe des Rechts, die Umwelt zu prägen, in ordnende Bahnen zu lenken und nicht zuletzt auch unter Kontrolle zu halten. 68 Vgl. dazu Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 27 f.; Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 443.

II. Informationen über neues Recht/Gesetzesankündigung

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Praxis insofern, als häufig mit dem Mittel der Wahl eines frühen Stichtages und dessen Bekanntgabe dem Bürger das Ausnutzen der bestehenden und möglicherweise günstigeren Altrechtslage zwischen dem Stichtag und dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschnitten wird 6 9 . Schließlich zeigt sich hier eine deutliche Parallele zu dem gesetzgebungstechnischen Mittel der Stichtagsregelungen. In negativer Hinsicht ist hier das Gesundheits-Reformgesetz 70 zu nennen. Hier konnte die bestehende Rechtslage bis zum Inkrafttreten der durch das Gesetz bewirkten Leistungseinschränkungen verstärkt in Anspruch genommen werden, weil das Gesetz selbst keine Stichtagsregelungen enthielt. Die Zielsetzungen des Gesetzes wurden damit zumindest bis zum Inkrafttreten des Gesetzes konterkariert. 3. Verfassungsrechtliche Problematik Dieser Praxis sind im Zuge der Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (allerdings vor einigen Jahren) verfassungsrechtliche Bedenken entgegengehalten worden. Zunächst wurde der Exekutive vorgeworfen, für die (Übergangs-)Zeit zwischen dem gewählten Stichtag und der späteren Verabschiedung des Gesetzes das in den Bestand des geltenden Rechts gesetzte Vertrauen zu erschüttern und es damit faktisch außer Kraft zu setzen71. Damit nehme die Exekutive in Anspruch, die Anwendung des vom Gesetzgeber gesetzten Rechts de facto aufzuheben. Dabei sei nicht einmal gewährleistet, daß sie (die Exekutive) ihre Gesetzesinitiative auch unverändert einbringen, geschweige denn der Gesetzgeber den Gesetzentwurf unverändert verabschieden würde. Die Folgen dieser Praxis wären ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, da das Vertrauen in den Bestand immerhin noch geltenden Rechts erschüttert wäre. Die Legalisierung einer solchen Praxis wäre daher mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. So hat denn auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß das Vertrauen des Bürgers in geltendes Recht erst von dem Zeitpunkt an nicht mehr schutzwürdig sei, in dem der Gesetzgeber selbst ein rückwirkendes Gesetz beschlossen hat 72 . Dieser Auffassung folgt — soweit ersichtlich — das überwiegende Schrifttum 73 . 69 Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 444; Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 29 und 32. ™ Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen v. 20. 12. 1988, BGBl. IS. 2377 ff. 71 Friauf, BB 1972, S. 669 ff., 672, unter Hinweis auf den tatsächlichen Fall in BTDrs. VI/2520, S. 39; a.A. aber offensichtlich Götz, FG BVerfG II, S. 421 ff., 443 f., für den dieses Mittel der „Veränderungssperre" ein legitimes Mittel des Übergangs und des fördernden und lenkenden Staates ist. 72 BVerfGE 27, 167, 173 f. 73 Nachweise bei Friauf, BB 1972, S. 669 ff., 677 (Fußn. 134-139).

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

I I I . Anpassungsgesetzgebung Der Gesetzgeber ist aufgrund verschiedener Entwicklungen (z.B. wirtschaftlicher, sozialer, technischer Art) gezwungen, Gesetze an die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Gesetzesänderungen erfolgen dann unter Beibehaltung inhaltlicher Strukturen weitgehend in der Weise, daß lediglich Zahlenwerk bzw. technische Anforderungen geändert werden. Die sprachlichen Veränderungen dagegen sind eher gering, z.T. überhaupt nicht vorhanden 74. In der Regel handelt es sich hier um laufend (z.B. jährlich) wiederkehrende Gesetzesänderungen. Die entsprechenden Gesetze führen dann eine laufende Numerierung oder das Jahr ihrer Anpassung im Namen. Beispiele: HG 1982 etc. (Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr .. .), ERP-WiPIG 1981 etc. (ERP-Wirtschaftsplangesetz . . .), BB VAnpG 1981 etc. (Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern . . . ) usw.75 Zur Bezeichnung mit Jahreszahlen ist der Gesetzgeber bei vielen Anpassungsgesetzen übergegangen, weil damit eine größere Transparenz zu erreichen ist 76 . Zur Abgrenzung von Änderungsgesetzen mit erheblicher inhaltlicher Änderung, die in der Regel durchnumeriert werden, sollte dies auch so gehandhabt werden. „Einpassungstechnische" Instrumente sind dann nicht oder in nur geringem Umfang erforderlich. Insofern ist die Anpassungsgesetzgebung durch die Beibehaltung inhaltlicher Strukturen etc. selbst ein Mittel, um neues Recht in die Rechtsordnung „einzupassen". Durch den weitgehenden Verzicht auf inhaltliche und sprachliche Veränderungen gegenüber dem Vorgängergesetz ist eine unproblematische Anwendung des Gesetzes gesichert. Regelungen zur Abstimmung mit anderen Gesetzen und Vorschriften sind über diejenigen hinaus, die das Vorgängergesetz schon enthielt, nicht erforderlich. Allerdings haftet der Anpassungsgesetzgebung aufgrund der oben dargestellten Eigentümlichkeiten eine gewisse „Innovationsfeindlichkeit" 77 an.

IV. Der Erlaß von Einführungsgesetzen 1. Ausdehnung der räumlichen Geltungskraft eines Gesetzes Ein Gesetz kann zunächst dann Einführungsgesetz genannt werden, wenn dadurch Recht in seiner räumlichen Geltung ausgedehnt wird 7 8 . Dies kann einmal 74 HbStR III-Ossenbühl, § 61 Rn. 25. 75 Weitere Beispiele bei Schulze-Fielitz, S. 95. 76 Vgl. BT-Drs. 9/458, S. 27 zum Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982. 77 Vgl. Schulze-Fielitz, DÖV 1988, S. 758 ff., 763; HbStR III-Ossenbühl, § 61 Rn. 25.

IV. Der Erlaß von Einführungsgesetzen

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geschehen durch Ausdehnung zunächst räumlich beschränkter Regelungen innerhalb eines Staatsgebietes (Beispiel a), durch grenzüberschreitende Regelungen (b) oder zum anderen durch Gebietsänderungen (c). Beispiele: a) Das „Gesetz zur Einführung des Geschäftsraummietengesetzes in Berlin" 79 . b) Anschluß der österreichischen Gemeinden Mittelberg und Jungholz an das deutsche Zollgebiet und damit die Erstreckung deutschen Zollrechts auf österreichisches Staatsgebiet80. Mit dem Sechsten Überleitungsgesetz wurde Bundesrecht in seiner räumlichen Geltung nach Berlin (West) ausgedehnt81. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der Staats vertrag, der in Anlage II die bundesrechtlichen Vorschriften aufzählt, die zur Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion nunmehr in der DDR gelten82. c) Das Gesetz zum Einigungsvertrag 83 ist der Regelungsmaterie nach (in Wirklichkeit) ein Einführungsgesetz, obwohl vom Wortsinn her an ein „Geben und Nehmen" von zwei gleichgewichtigen Vertragspartnern gedacht werden könnte. Aber aus (hier nicht interessierenden) politischen Gründen ist dieses Gesetz wohl nicht so genannt worden. Denn hiermit wurde die Geltung von Bundesrecht auf das Gebiet der ehemaligen DDR ausgedehnt84 und in keinem einzigen Fall umgekehrt DDRRecht auf das Gebiet der damaligen Bundesrepublik. Ob dagegen Unterschiede im Verfahren gegeben und überhaupt erheblich sind, ist zweifelhaft 85. Die Betonung der Gleichberechtigung beider Partner durch die Vertragsverhandlungen hilft da nicht weiter. Denn auch der Eingliederung des Saarlandes sind, obwohl „Eingliederung" genannt, doch Verhandlungen vorausgegangen. Dagegen ist die Formulierung 78 H. Müller, S. 243: „Erstreckungsgesetz". Beispiel: Gesetz über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes v. 23.4. 1953, BGBl. I S. 156. 79 BGBl. I 1961 S. 13. so Vgl. dazu H. Schneider, Rn. 581. 81 Gesetz zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) v. 25. 9. 1990, BGBl. I S. 2106; dieses Gesetz, das am 3. 10. 1990 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2153), hat altes — d.h. vor dem 3. 10. 1990 erlassenes — Bundesrecht in Berlin (West) in vollem Umfang in Kraft gesetzt. Denn die Bundesgesetze galten bis dahin wegen alliierter Vorbehalte nicht unmittelbar in Berlin (West). Sie wurden aber regelmäßig vom Berliner Gesetzgeber übernommen, sofern der Bundesgesetzgeber dies durch die sog. „BerlinKlausel" vorsah. Neues Bundesrecht gilt seit dem 3. 10. 1990 nunmehr unmittelbar in ganz Berlin. Vgl. zu allem auch H. Schneider, Rn. 612 ff. 82 Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik — Staatsvertrag — v. 18. 5. 1990, BGBl. II S. 537; Schmidt-Bleibtreu, Staats vertrag, S. 66 u. 155 ff. (Begründung: Denkschrift BT-Drs. 11/7350, S. 117 ff.). Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich — ungeachtet der deutschlandspezifischen Problematik — noch um „grenzüberschreitende Regelungen", da die DDR als Völkerrechtssubjekt noch existierte. 83 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands — Einigungsvertrag — v. 31.8. 1990, BGBl. II S. 889. 84 Und zwar gem. Art. 3 EVertr zunächst die Geltung des Grundgesetzes und gem. Art. 8 EVertr grundsätzlich das übrige Bundesrecht, soweit nicht Ausnahmeregelungen getroffen wurden. Vgl. Schnapauff, DVB1. 1990, S. 1249 ff., 1250 f. sowie 1252 ff. 85 So deutet dies aber Stern, in: Stern / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 29, an. Vgl. auch Schmidt-Bleibtreu, in: Stern / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 57.

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

„Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes"86 ganz in dem Sinne eines Einführungsgesetzes zu verstehen, also der territorialen Ausdehnung einer Rechtsordnung oder eines einzelnen Gesetzes auf ein neues Gebiet. Der Einigungsvertrag unterscheidet sich auch vom vorangegangenen Staatsvertrag insofern, als der Staatsvertrag noch vom Nebeneinander zweier Rechtsordnungen ausging und eine punktuelle Angleichung der verschiedenen Rechtsordnungen bezweckte, während der Einigungsvertrag auf einer Rechtsordnung, derjenigen der bisherigen Bundesrepublik Deutschland gründet. Auch hier ist die Notwendigkeit der Einpassung des neuen Rechts nicht von der Hand zu weisen. Freilich handelt es sich dann nicht um die Einpassung neuen Rechts in eine bestehende Rechtsordnung, denn das (eventuell noch) bestehende Recht soll ja beseitigt, zumindest aber längerfristig ersetzt werden. Es ist — soweit ersichtlich — auch kein Fall bekannt, in dem eine Rechtsordnung durch eine andere auf einen Schlag ersetzt wurde. Auch bei der Eingliederung des Saarlandes etwa hat man sich zunächst im wesentlichen auf die Einführung des Grundgesetzes und weniger ausgewählter Vorschriften beschränkt und ansonsten saarländisches Recht vorläufig in Kraft belassen. In einem längeren An- bzw. Einpassungsprozeß hat dann Bundesrecht nach und nach saarländisches Recht abgelöst87. Auch in diesem Zusammenhang ist ein sanfter, behutsamer Übergang zur neuen Rechtsordnung nicht nur zulässig, sondern sogar erforderlich; Unregelmäßigkeiten in der Rechtseinheit eines Staates sind insoweit hinnehmbar 88. Die Gründe dafür sind wohl die gleichen wie für den Erlaß von Übergangsvorschriften bei herkömmlichen Rechtsänderungen. Daher gehen derartige Einführungsgesetze auch in der Regel mit Übergangsregelungen einher. Allerdings spielen hier häufig Rücksichten auf Interessen der beitgetretenen Gebiete die entscheidende Rolle. 2. Einführungsgesetze zur Einpassung neuen Rechts Um die Einpassung neuen Rechts in die bestehende Rechtsordnung geht es aber vor allem auch dann, wenn Übergangsbestimmungen und Anpassungsregeln in selbständige Gesetze, sog. Einführungsgesetze, aufgenommen werden 89 . Gera86

BGBl. I 1956 S. 1011. Vgl. in diesem Zusammenhang auch z.B. das Gesetz zur Einführung von Bundesrecht im Saarland v. 30.6. 1959, BGBl. I S. 313. Zum den Regelungen des Saar-Eingliederungsgesetzes vgl: Schäfer, DÖV 1957, S. 4 ff. 87 Vgl. dazu und zu weiteren Beispielen aus der Rechtsgeschichte H. Schneider, Rn. 592 ff.; Grawert, Staat und Verwaltung 1991, S. 209 ff. sowie Stern, in: Stern / SchmidtBleibtreu, Einigungsvertrag, S. 30. 88 Stern, in: Stern / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 29; Fiedler, JZ 1990, S. 668 ff., 672; Binne, DtZ 1990, S. 209; Grawert, Der Staat 1991, S. 209 ff., 219 f. 89 Nach H. Müller, S. 285, ist dies sogar die „Hauptbedeutung" der Anwendung des Begriffs „Einführungsgesetz". Dem ist aber hinzuzufügen, daß es in den letzten Jahrzehnten keine umfassenden Kodifikationen mehr gegeben hat, die von einem Einführungsgesetz begleitet wurden, vgl. zur Kodifikationsidee K. Schmidt, versch. Stellen.

V. Einpassung durch Vorschaltgesetzgebung

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de bei umfassenden, auf längere Zeit angelegten Neukodifikationen gliedert man Übergangsvorschriften sowie alle Vorschriften, die der Einpassung der neuen Rechtslage in die bestehende Rechtslage dienen, aus dem eigentlichen neuen Gesetz aus und faßt sie in dem Einführungsgesetz zusammen90. Das Einführungsgesetz gehört also derselben Rechtsebene an wie das einzuführende Gesetz. Dabei kann ein Einführungsgesetz auch für mehrere neu einzuführende Gesetze erlassen werden 91 . Auch die Änderung des Einführungsgesetzes ist, wie das Beispiel des EGBGB etwa zeigt, keineswegs ausgeschlossen. Die Alternative zu Einführungsgesetzen wäre die Regelung des Übergangsrechts im Schlußteil des Stammgesetzes. Jedoch würde dadurch das Stammgesetz mit unnötigem Beiwerk überlastet und unübersichtlich werden. Die Übersichtlichkeit und Verständlichkeit / Klarheit des Gesetzes wird so verbessert. Beispiele: EGStGB, EGBGB, EGHGB u.a. Obwohl Einführungsgesetze in diesem Zusammenhang als gesetzgebungstechnisches Mittel zur Einpassung neuen Rechts zu verstehen ist, enthalten einige Einführungsgesetze trotzdem Regelungen, die mit dem Zweck der Einpassung nichts zu tun haben, sondern von ihrem Regelungsgehalt her besser in das Stammgesetz oder in ein eigenes Gesetz gehörten. Problematisch ist dies vor allem unter dem Gesichtspunkt der Systematik von Rechtsvorschriften. Denn eine Vermengung von grundsätzlichen Regelungen der betreffenden Materie mit Regelungen, die sich auf den Geltungsumfang oder den Geltungszeitraum etc. beziehen, verstellen den Blick vor dem Kern des geregelten Rechtsbereiches 92. Typisches Beispiel dafür ist § 23 EGGVG, der Regelungen über den Rechtsweg bei Justizverwaltungsakten enthält, eine Regelung, die besser bei den Rechtswegvorschriften des GVG selbst aufgehoben wäre. Im EGBGB ist das gesamte internationale Privatrecht in den Art. 7 ff. enthalten, Regelungen, die zur Übersichtlichkeit besser in einem eigenen Gesetz untergebracht wären.

V. Einpassung durch Vorschaltgesetzgebung Mit der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung gehen häufig sog. Vorschaltgesetze einher. Diese Gesetze wollen nur vorläufiger Natur sein bis zum Erlaß des neuen endgültigen Gesetzes93. Der Grund, weshalb das neue Gesetz nicht gleich an Stelle des Vorschaltgesetzes erlassen wird, ist sicher in 90 H. Müller, S. 49, 62. H. Müller, S. 165. Zu der Rechtsfolge der Aufhebung des Stammgesetzes für ein Einführungsgesetz vgl. H. Müller, S. 203. 92 Vgl. z.B. Wröblewski, S. 32, der diese Trennung der eigentlichen Vorschriften und der Einführungs- und Übergangsbestimmungen die „äußere Systematik" des Gesetzes nennt. Ähnlich auch Schmidt-Aßmann, DVB1. 1984, S. 582 ff., 583 am Beispiel des neuen Städtebaurechts im Baugesetzbuch i.d.F. v. 8. 12. 1986, BGBl. I S. 2253. 93 Schulze-Fielitz, S. 70; Hill, DÖV 1981, S. 487 ff., 490; für den Bereich des Verfassungsrechts vgl. Häberle, in: ders., S. 59 ff., 86.

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

der Regel zeitlicher Natur. Eine endgültige und umfassende Neuregelung ist zu einem vorgegebenen oder gewünschten Termin nicht fertigzustellen, weil in einzelnen Abschnitten Einzelaspekte noch nicht gelöst sind 94 . Daher erläßt der Gesetzgeber nur eine vorläufige Regelung in Form des Vorschaltgesetzes. Vorschaltgesetze stellen eine vorläufige Rechtsgrundlage dar und verhindern so einen vorübergehenden rechtsfreien Raum, der etwa durch ein zeitintensives Gesetzgebungsverfahren u.ä. entstehen würde 95 . Das Hessische Vorschaltgesetz 1985 zur Durchführung des Finanzausgleichs mit den Kommunen 96 etwa ist mit der Zielsetzung der Besserung der augenblicklichen Konjunktur- und Beschäftigungslage durch Schaffung von 200 zusätzlichen Ausbildungsstellen erlassen worden. Inhaltlich handelte es sich bei diesem Gesetz um einen vorweggenommenen Teil eines Gesamthaushaltsplans97, der aber aufgrund unklarer politischer Mehrheitsverhältnisse nicht rechtzeitig verabschiedet werden konnte. Daher wurde mit der Begründung, die Schaffung neuer Ausbildungsstellen dulde keine Aufschub 98 , dieses Vorschaltgesetz erlassen. Diese Vorschaltgesetze sind zum einen nur von begrenzter zeitlicher Geltung. Ein Vorschaltgesetz wird den Zeitraum seiner Geltung nennen oder zumindest der Sache nach umschreiben, wenn es schon keinen definitiven Zeitpunkt nennt. In der Regel finden sich Formulierungen, die als Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des Vorschaltgesetzes das Inkrafttreten des neuen endgültigen Gesetzes nennen (Ankündigung von Gesetzen in Gesetzesform 99). Damit handelt es sich hier nicht lediglich um befristete Gesetze oder Zeitgesetze 10 °, die ohne „Nachfolgeregelung" außer Kraft treten. Beispiele: — § 1 Abs. 1 Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz101: „Dieses Gesetz gilt für die Kollegialorgane, Kommissionen und Ausschüsse der

95 Unter dem Gesichtspunkt der Vorwirkung von Gesetzen vgl. Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 201. Die Unterscheidung zwischen formellen (d.h. namentlich so benannten) Vorschaltgesetzen und materiellen Vorschaltgesetzen soll außer acht gelassen werden. Zu den letzteren gehört etwa die Verordnung über eine vorzeitige Anwendung einzelner Vorschriften der Verordnung zur Änderung der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung vom 23. März 1971, BGBl. I S. 305. 95 Vgl. z.B. Maiwald, DtZ 1991, S. 87 sowie ders., DtZ 1991, S. 185 f., 185. 96 Gesetz v. 1. 2. 1985, Hess. GVB1.1 S.30. 97 Zur Zulässigkeit von „Teilhaushaltsplänen" BVerfGE 45, 1, 34 und 41 f. 98 Hess. Landtag LT-Drs. 10/30, S. 3 ff., 4. Die verfassungrechtliche Problematik dieser Vorgehensweise, gerade im Hinblick auf den Grundsatz der Haushaltseinheit, soll hier außer acht gelassen werden. Vgl. dazu eingehend Totz, DÖV 1985, S. 706 ff., 709 ff. Weitere Beispiele bei Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 201. 99 Vgl. zur Ankündigung von Gesetzen auch oben Kap. C. II. („Informationen über neues Recht / Gesetzesankündigung"), sowie Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, S. 27 ff. 100 Hill, S. 36 mit Beispielen. 101 Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz v. 26. 10. 1971, Nds. GVB1. S. 317.

V. Einpassung durch Vorschaltgesetzgebung

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wissenschaftlichen Hochschulen bis zum Inkrafttreten eines Niedersächsischen Gesamthochschulgesetzes." — § 10 Abs. 2 S. 1 Gesetz zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Sächsischen Landtages und der Sächsischen Landesregierung 102: „Dieses Gesetz tritt mit dem Inkrafttreten der Sächsischen Verfassung außer Kraft." Der Charakter eines Vorschaltgesetzes wird auch dadurch deutlich gemacht, daß in einzelnen Vorschriften, die nur einen Ausschnitt aus der Regelungsmaterie des gesamten Gesetzes ausmachen, zeitliche Vorgaben enthalten sind. Beispiel: — § 3 S. 3 Gesetz zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Sächsischen Landtages und der Sächsischen Landesregierung: „Bis zur Regelung in einem Gesetz (Abgeordnetengesetz) erhalten die Abgeordneten monatlich eine steuerpflichtige Grundentschädigung und eine steuerfreie Aufwandsentschädigung; die Höhe dieser Entschädigung legt der Landtag auf Vorschlag des Präsidiums fest." — §4 Abs. 1 Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen Sachsen103: „Bis zum Erlaß eines Kommunalabgabengesetzes erheben die Gemeinden und Landkreise nach Maßgabe des § 35 Abs. 2 Nr. 2 der Kommunalverfassung außer den ihnen zustehenden Steuern Verwaltungs- und Benutzungsgebühren, Beiträge, Kostenersatz und sonstige Abgaben." Sie enthalten zum anderen in der Regel auch nur die Grundsätze des zu regelnden Rechtsgebiets und verzichten auf (u.U. landesspezifische) Detailregelungen 1 0 4 . Auch hinsichtlich des aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Prinzips der Normenklarheit, welches die klare Erkennbarkeit der Rechtsfolgen eines Gesetzes fordert, können nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wegen des Übergangscharakters von Vorschaltgesetzen gewisse Mängel hingenommen werden 105 . Die Zeitspanne zwischen dem Vorschaltgesetz und 102 Gesetz zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Sächsischen Landtages und der Sächsischen Landesregierung (Vorschaltgesetz) v. 27. 10. 1990, Sächs. GVB1. 1990, S. 1. Eine ähnliche (Verfassungs-) Gesetzgebung existiert in diesem Zusammenhang in Brandenburg (Gesetz über die vorläufige Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Landtages und der Regierung des Landes Brandenburg v. 1.11. 1990, GVB1. S. 2; vgl. dort § 42 Abs. 3), in Mecklenburg-Vorpommern (Vorläufiges Statut für das Land MecklenburgVorpommern v. 26. 10. 1990, GVB1. S. 1; vgl. hier § 8 Abs. 2), in Thüringen (Vorläufige Landessatzung für das Land Thüringen v. 7. 11.1990, GBl. S. 1; vgl. insbesondere § 18 Abs. 2) und in Sachsen-Anhalt im Anschluß an die „vorläufige Regelung für die Verwaltung des Landes Sachsen-Anhalt" als Anordnung des Landessprechers v. 2.10. 1990, ABl. 1/90 (Gesetz über die vorläufige Ordnung der Regierungsgewalt im Land SachsenAnhalt, GVB1. 1990, S. 1). Zum Verfassungscharakter dieser vorläufigen Landesverfassungen vgl. Linck, DÖV 1991, S. 730 ff. 103 Vorschaltgesetz zur Erhebung von Abgaben und Umlagen sowie zur Führung der Haushalts Wirtschaft in den Kommunen (Vorschaltgesetz Kommunalfinanzen) v. 19. 12. 1990, Sächs. GVB1. 1990, S. 18. Vgl. dort auch § 5 Abs. 1 S. 1. 104 Sehr deutlich z.B. das (sächsische) Gesetz zur Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Sächsischen Landtages und der Sächsischen Landesregierung (Vorschaltgesetz), das Grundzüge, die eigentlich einer Landesverfassung vorbehalten sind, wie z.B. die Befugnisse der Legislative, Rechtsstellung der Landtagsabgeordneten und der Landesregierung vorab und vorläufig regelt. los BVerfGE 45, 400, 420 f.

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

dem Erlaß des endgültigen, angekündigten Gesetzes kann u.U. sehr lange sein. So ist z.B. das Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichs Vermögens und der preußischen Beteiligungen im Jahr 1951 erlassen worden, das endgültige, in § 5 des erwähnten Vorschaltgesetzes angekündigte Gesetz dagegen erst im Jahr 1961 106 . Während in der Gesetzgebung der (früheren) Bundesrepublik Deutschland dies — soweit ersichtlich — ein selteneres gesetzgebungstechnisches Mittel war 1 0 7 , spielt es in den neuen Bundesländern ein ungleich größere Rolle 1 0 8 . Vorschaltgesetze sind insofern ein Mittel zur Einpassung neuen Rechts, als sie bereits die Strukturen des neuen Rechts einführen und damit quasi auf die neue Rechtslage vorbereiten 109 .

VI. Einpassung neuen Rechts durch unbestimmte Rechtsbegriffe Um (gesetzgeberischen) Abstimmungen und Einpassungen neuen Rechts mit bereits vorhandenem Recht zu entgehen, kann der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe, Generalklauseln und ähnliche offene Normen verwenden. Die Einpassung neuen Rechts wird freilich in der Regel nicht der Hauptzweck der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe sein. Gerade bei neuem Recht ist der Gesetzgeber mangels praktischer Erfahrungen gewzungen, mit gröberen Formulierungen zu arbeiten, um einen ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug zu gewährleisten. Nicht zuletzt werden unbestimmte Rechtsbegriffe aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit von Rechtsnormen und der Entlastung des Gesetzgebers verwendet 110 . Derartige offene Normen passen sich deshalb besser in eine beste106 Vgl. Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen v. 21. 7. 1951 (BGBl. I S. 467) auf der einen Seite sowie Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen (Reichsvermögen-Gesetz) v. 16. 5. 1961 (BGBl. I S. 597) auf der anderen Seite. 107 Ein Beispiel ist das oben erwähnte Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Gesamthochschulgesetz; dazu (allerdings ohne Behandlung des Problems „Vorschaltgesetzgebung") BVerfGE 35, 79. Vgl. auch das Vorschaltgesetz für ein Niedersächsisches Abfallgesetz v. 21. 12. 1988, Nieders. GVB1. 1988, S. 239 (und das im Anschluß daran ergangene Niedersächsische Abfallgesetz v. 21.3. 1990, Nieders. GVB1. 1990, S. 91, durch dessen § 29 das Vorschaltgesetz aufgehoben wurde) sowie das hessische Gesetz über die Neuordnung der gymnasialen Oberstufe v. 26. 10. 1976, Hess. GVB1.1 S. 433; zum letzteren vgl. BVerfGE 45, 400, 420 f. 108 Vgl. z.B. für das Land Sachsen die oben angeführten Landesgesetze sowie zusätzlich das (sächsische) Vorschaltgesetz zum Haushaltsgesetz 1991, Sächs. GVB1. 1991, Nr. 1. 109 Zum „symbolischen Charakter" von Vorschaltgesetzen vgl. Hill, S. 37. 110 Schneider, Rn. 78, führt z.B. den § 15a EStG an; dazu auch Knobbe-Keuk, Steuer und Wirtschaft 1981, S. 97. Vgl. z.B. die Begriffsbestimmungen insbesondere in § 2 Abs. 10-12 des Entwurfs eines Allgemeinen Teils eines Umweltgesetzbuchs, dazu Kloepfer / Rehbinder / Schmidt-Aßmann, S. 125.

VII. Einpassung neuen Rechts durch Verweisungen

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hende Rechtsordnung ein, weil sie naturgemäß durch ihre vage, unbestimmte Formulierung weniger Angriffsflächen für andere, u.U. entgegenstehende Normen bieten. Damit verlagert der Gesetzgeber allerdings den Einpassungsvorgang auf die Rechtsanwendungsorgane, also die Exekutive und die Judikative 111 . Diesen Organen kommt dann die Konkretisierung der Vorschriften im Sinne einer Einpassung in die bestehende Rechtsordnung zu. Die vorzunehmende Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen kann nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der bestehenden Rechtsordnung erfolgen, sondern muß vielmehr im Einklang mit ihr stehen. Bei dieser Konkretisierungsaufgabe bestimmen die Rechtsanwendungsorgane nicht nur den Sinn einer Vorschrift. Sie werden insofern selbst zu Rechtsetzungsorganen, als sie die bei offenen Normen zwangsläufig bestehenden Regelungslücken auffüllen 112 . Was die Anforderungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots betrifft, hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, daß diese Regelungen ihren notwendigen Gehalt an Bestimmtheit aus ihrem Regelungszusammenhang erhalten. Insofern sei an ihrer Bestimmtheit nicht zu zweifeln 113 .

V I I . Einpassung neuen Rechts durch Verweisungen 1. Entlastung von Vorschriften Gesetzesverweisungen stellt man sich herkömmlicherweise vor allem als ein Mittel der Gesetzgebungstechnik vor, um Vorschriften zu entlasten, überschaubar zu gestalten. Dies stellt aber sicher nur einen (wichtigen) Teilaspekt der gesetzgebungstechnischen Funktion von Verweisungen dar.

2. Einpassung durch Verweisungen (1) Jedoch hat sich der Gesetzgeber auch deswegen des Mittels der Verweisungen bedient, um Vorschriften in bereits vorhandene Regelungssysteme anderer Gesetzgebungsorgane einzupassen, etwa zur Angleichung von Landesrecht und Bundesrecht 114. Im Beamtenrecht hat z.B. der rheinland-pfälzische Gesetzgeber hinsichtlich des Besoldungs- und Versorgungsrechts auf bundesrechtliche Vorschriften verwiesen, um die Rechtsstellung der Landesbeamten den Bundesbeamten anzugleichen115. m Vgl. z.B. Breuer, AöR 101 (1976), S. 46 ff., 52; Marburger, in: Bitburger Gespräche, Jahrbuch 1981, S. 39 ff., 54, sowie ders., WiVerw 1981, S. 241 ff., 257. 112 Vgl. dazu Rhinow, S. 233 ff. und zum Begriff des „Richterrechts" S. 238 m.w.N. 113 Zur Terminologie Schneider, Rn. 72; BVerfGE 49, 89, 133 ff. („Kalkar"). 114 Karpen, S. 14. us Vgl. §§ 92, 94 LBG Rh.-Pf.

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

(2) Speziell dynamische / gleitende Verweisungen sind dazu geeignet und vom Gesetzgeber des öfteren dazu verwendet worden, eine „schleichende" Einpassung von Recht zu bewirken. Der Gesetzgeber verweist auf eine andere Norm oder ein anderes Gesetz in der jeweils geltenden Fassung. Dies geschieht immer dann, wenn es um das Verhältnis zu Vorschriften geht, die großen und schnellen Änderungen unterworfen sind. Freilich wird damit nicht neues Recht in ein altes Regelungssystem, sondern bestehendes Recht in ein neues, sich änderndes System eingepaßt. Beispiele: §2 Unterhaltsvorschußgesetz116: „Die Unterhaltsleistung wird vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 monatlich in Höhe des Regelbedarfs für nichteheliche Kinder nach § 1 Nr. 1 der Regelunterhalt-Verordnung ..., in der jeweils geltenden Fassung, gezahlt." § 1 Abs. 2 Erste Analysenverordnung 117: „Maßgebend sind die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Anhänge der Richtlinie in ihrer jeweils jüngsten im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Fassung. Dabei sind Änderungsrichtlinien vom ersten Tage des vierten Monats an zu berücksichtigen, der auf die Veröffentlichung folgt." Gleichwohl soll nicht verschwiegen werden, daß das Mittel der gleitenden Verweisung natürlich in erster Linie auch zur Vermeidung zukünftigen Gesetzesänderungsbedarf gebraucht wird 1 1 8 .

V I I I . Vorrangregelungen In neuen Gesetzen wird häufig eine Vorrangregelung dergestalt getroffen, daß andere speziellere oder weitergehendere Rechtsvorschriften gegenüber dem neuen Gesetz vorgehen (Normierung der Subsidiarität der neuen Vorschrift). Beispiel: § 4 S. 1 UVPG 119 : „Dieses Gesetz findet Anwendung, soweit Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder die Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht näher bestimmen oder in den Anforderungen diesem Gesetz nicht entsprechen." Damit wird die Änderung aller anderen Regelungen auf diesem Gebiet vermieden. Im Sinne einer Harmonisierung wird ein gemeinsamer Mindeststandard geschaffen, der sich dann auch problemlos in den vorhandenen Rechtszustand einfügt 120 . 1 Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen (Unterhaltsvorschußgesetz) v. 23.7. 1979, BGBl. I S. 1184. n? Verordnung über Methoden der quantitativen Analyse von binären Textilfasergemischen (Erste Analysenverordnung) v. 20. 12. 1973, BGBl. I 1974 S. 33. Iis BMJ, Rechtsänderungstechnik, S. 18. ii9 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) v. 12. 2. 1990, BGBl. I S. 205.

IX. Einpassung durch experimentelle Gesetzgebung

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IX. Einpassung durch experimentelle Gesetzgebung Eine ordnungsgemäße Einpassung von neuem Recht ist denkbar durch die Erprobung von Gesetzentwürfen vor der Verabschiedung im normalen Gesetzgebungsverfahren im Sinne einer „ex ante einsetzenden Wirkungskontrolle" 121 . Ziel experimenteller Gesetzgebung zur Einpassung von neuem Recht könnte die rechtzeitige Ermittlung von Abstimmungsdefiziten im Gesetzesentwurf sein, insbesondere Mängel in der Systematik, Widersprüche zu anderen Rechtsvorschriften etc. 122 Derartige Gesetzgebungsexperimente vor dem Erlaß abschließender Gesetze können gar geboten sein zur Vermeidung von Regelungen im Zustand völliger tatsächlicher Ungewißheit 123 . Diesem Ziel können allerdings nur solche Experimente genügen, die die Erprobung des Gesetzes selbst zum Zweck haben 124 . Daher ist begrifflich abzugrenzen zwischen diesen soeben genannten Experimentgesetzen und solchen Gesetzen, die lediglich die gesetzliche Grundlage für ein Experiment bieten. Schließlich gibt es mit dem Modellversuchsgesetz eine Zwischenform, die Elemente sowohl der Gesetzeserprobung enthält als auch gesetzliche Grundlage für einen Test ist 1 2 5 . Im übrigen ist bei diesen Gesetzestypen ja auch der Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren überschritten. Befindet sich ein Gesetz bereits in Kraft, sind Gesetzgebungsexperimente (also „Experiment(e) am Original" 126 ) allerdings unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit verfassungsrechtlich nicht immer unbedenklich 127 . Aber Gesetzgebungsexperimente im voraus könnten durchaus geeignet sein, u.a. Mängel in der Abstimmung zu anderen Normen und Widersprüchlichkeiten offenkundig zu machen, um die daraus gewonnenen Erfahrungen im Gesetzgebungsverfahren vor dem Inkrafttreten des Gesetzes auf dieses zu übertragen 128. 120 Vgl. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG), BT-Drs. 11/3919, S. 22 f. 121 Zeh, S. 25; Hugger, VerwArch 75 (1984), S. 162 ff.; Horn, a.a.O.; Stettner, NVwZ 1989, S. 806 ff. 122 Vgl. z.B. die Bemerkung von Klausa, Mitteilungen der KGSt, 1963, S. 4, daß ein Flugzeug, das nach dem Konstruktionsgang eines Gesetzes gebaut sei, „unweigerlich abstürzen müßte", vor allem, weil ihm „das Stadium der Modellerprobung" fehle. 123 Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 63 ff., 93; HbStR III-Ossenbühl, § 61, Rn. 23, sieht die Vorstellung vom experimentierenden Gesetzgeber als konsequente Fortführung der Verpflichtung des Gesetzgebers zur ständigen Beobachtung und Nachbesserung von Gesetzen. 124 Vgl. die Auflistung bei Schindler, S. 614 ff. 125 Vgl. Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 63 ff., 92. 126 Reisinger, in: Winkler (Hrsg.), S. 155. 127 Dazu weitergehend Kloepfer, VVDStRL 40 (1982), S. 63 ff., 93 sowie Ossenbühl, FG BVerfG I, S. 458 ff., 512 m.w.N. 128 Bohret / Hugger, Test und Prüfung, S. 16 f., 22 sowie zu den verschiedenen Beispielen aus der Praxis S. 59 ff. und 73 ff.; dies., Praxistest, S. 14 ff. 5 Bockel

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C. Gesetzgeberische Instrumente der Einpassung neuen Rechts

Allerdings darf der Wert solcher Tests nicht überschätzt werden, weil die Beteiligten eines solchen Tests in der Regel „ohne konkretes Risiko handeln" 129 . Gesetzgebungsexperimente im Stadium von Gesetzentwürfen bleiben eben doch ein „Spiel", das nur bedingt die Realität nachahmen kann 13 °.

129 H. Schneider, Rn. 108. 130 Skeptisch auch zu mathematischen Modellen der Überprüfung von Gesetzentwürfen H. Schneider, Rn. 109.

D. Mangelhafte bzw. fehlende Einpassung neuen Rechts I. Sog. Angstklauseln Die Normenflut mag der Grund sein, warum der Gesetzgeber in letzter Zeit Gesetze erläßt, die in den Schlußbestimmungen eine Regelung enthalten, die die entsprechende Anwendung von Regelungen dieses Gesetzes in anderen Gesetzen vorsieht, sofern dort Regelungen enthalten sind, die sich mit den Regelungen des neuen Gesetzes berühren 1. Ähnliche pauschale Einpassungsformulierungen sind auch diejenigen, die schlicht entgegenstehendes Recht unberührt lassen oder außer Kraft setzen wie etwa im folgenden Beispiel des § 145 Abs. 2 Nieders. Wassergesetz:2 „Im übrigen treten die diesem Gesetz entgegenstehenden Rechtsvorschriften sowie alle Rechtsvorschriften gleichen Inhalts . . . außer Kraft . . . " Welche Rechtsvorschriften einen entgegenstehenden Inhalt bzw. den gleichen Inhalt haben und daher außer Kraft treten, sagt die Vorschrift nicht. Die Beantwortung dieser Frage bleibt der Rechtsanwendung überlassen. Mit dieser Form der „Pauschaleinpassung" neuen Rechts entzieht sich der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen und behutsamen Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung. Er kapituliert letzten Endes vor der Unübersichtlichkeit des von ihm selbst gesetzten Rechts und greift daher zu solchen „salvatorischen Klauseln" 3 .

1 Zur Herkunft des Begriffs „ A n g s t k l a u s e l " Helmrich, Diskussionsbeitrag, in: Götz / Klein/Starck (Hrsg.), S. 94. 2 Nieders. Wassergesetz v. 7.7.1960, Nieders. GVB1. 1960, S. 105; hierzu Bernhardt, DÖV 1961, S. 247 ff. u. 535 und Rehder, DÖV 1961, S. 413 f.; vgl. im übrigen die weiteren Beispiele bei H. Müller, S. 198 ff. 3 Vgl. auch das Beispiel bei Fliedner, ZG 1991, S. 40 ff., 52 ff.: Hier sollte im Entwurf einer Gesetzesnovellierung die Bestimmung enthalten sein: „Im übrigen stehen Bestimmungen anderer Gesetze der Anwendung dieses Gesetzes nicht entgegen und werden ihrerseits von diesem Gesetz nicht berührt." Dieses Gesetz sollte also isoliert und ungeachtet anderer, u.U. entgegenstehender Vorschriften gelten. 5*

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D. Mangelhafte bzw. fehlende Einpassung neuen Rechts

I I . Einzelfälle 1. Sog. Paketgesetze Naturgemäß werden sog. „Paketgesetze" immer zu Fehlern in der Einpassung neuen Rechts neigen. Paketgesetze fassen eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetze oder auch nur einzelner Rechtsvorschriften zusammen4. So werden in der Regel eine Vielzahl von Gesetzen auf einmal geändert. Dies führt zu Unübersichtlichkeit nicht nur des Gesetzes selbst, sondern auch der zu ändernden Gesetze. Angesichts dieser Fülle von Gesetzesänderungen durch ein einziges Gesetz kommt es hier fast zwangsläufig zu Unstimmigkeiten in der Einpassung des neuen Rechts, was den Gesetzesänderungsbedarf aber eher erhöht als vermindert 5.

2. § 41 Abs. 3 GenTG § 41 Abs. 3 GenTG betrifft die Wahlmöglichkeit bzgl. der Fortsetzung des Genehmigungsverfahrens zwischen GenTG und BImSchG. Hier liegt wohl der Fall einer mißlungenen Einpassung neuen Rechts vor. § 41 Abs. 3 GenTG bestimmt auf der einen Seite, daß bereits begonnene Genehmigungsverfahren nach Wahl des Antragsteller entweder nach den Vorschriften des GenTG oder des BImSchG zu Ende geführt werden können. Auf der anderen Seite wurde durch das Dritte Gesetz zur Änderung des BImSchG 6 eine Übergangsregelung eingeführt, die der gentechnikrechtlichen Regelung in krasser Weise widerspricht: § 67 Abs. 6 S. 2 i.V.m. § 67 Abs. 4 BImSchG schreibt zwingend die Fortführung bereits begonnener Verfahren nach den Vorschriften des BImSchG vor. Hier bleibt zu untersuchen, inwieweit dieser Widerspruch mit Hilfe der allgemeinen Kollisionsregelungen auflösbar ist. Kloepfer/Delbrück gehen z.B. hier vom Vorrang des GenTG aus, da dies das sachnähere Gesetz sei7.

3. Art. 144 Abs. 2 GG Bei der Einpassung des EVertr in das bestehende Recht der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere das Verfassungsrecht, ist Art. 144 Abs. 2 GG in zweierlei Hinsicht übersehen worden. Zum einen enthält Art. 144 Abs. 2 GG, der durch den EVertr nicht verändert wurde, eine Bezugnahme auf Art. 23 GG, 4 Merten, FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 295 ff., 309. 5 Vgl. Merten, FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 295 ff., 313 mit Beispielen für diese Fehlentwicklung. 6 BGBl. I 1990 S. 870. vgl. auch zum Gesetzeszweck BT-Drs. 11/6633, S. 48; BTDrs. 11/6778, S. 49. 7 Kloepfer/Delbrück, DÖV 1990, S. 897 ff., 906.

II. Einzelfälle

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der aber durch den EVertr aufgehoben wurde. Zum anderen ist durch das neue Recht Art. 144 Abs. 2 GG nunmehr auch in der Sache unrichtig, da eine beschränkte Geltung des Grundgesetzes aufgrund der seit der Wiedervereinigung Deutschlands bestehenden uneingeschränkten Souveränität nicht mehr existiert und auch nicht mehr denkbar ist. Richtigerweise hätte Art. 144 Abs. 2 GG durch den EVertr aufgehoben werden müssen8.

8 Vgl. dagegen die Verfassungsanpassungen in Art. 4 EVertr; hierzu Schmidt-Bleibtreu, in Stern / Schmidt-Bleibtreu, Einigungsvertrag, S. 62 f. Vgl. als weiteres Beispiel für mangelhafte Einpassung neuen Rechts § 54 SGB-I sowie dazu Münzberg, in: FS Tübinger Juristenfakultät, 1977, S. 223 ff.

E. Die Unberührtheitsklauseln I. Begriffsabgrenzung Neben den eigentlichen Unberührtheitsklauseln gibt es eine Vielzahl anderer Formulierungen, die unter Umständen nicht das gleiche bedeuten, vielleicht aber auch Gemeinsamkeiten haben. Diese Begriffe sollen nicht Gegenstand der Untersuchung sein. Allerdings ist es erforderlich, diese Begriffe zunächst einmal von ihrer Bedeutung her von den Unberührtheitsklauseln abzugrenzen.

I . „unberührt", „nicht berührt" Die Unberührtheitsklauseln sind stets in dem Sinne zu verstehen, daß sie bestimmtes Recht oder eine bestimmte Vorschrift für anwendbar erklären, obwohl diese Norm zu der Norm, in der die Unberührtheitsklausel enthalten ist, im Widerspruch steht oder den gleichen Sachverhalt in unterschiedlicher Weise regelt. Fraglich ist allerdings, ob Unberührtheitsklauseln immer ein bereits bestehendes Recht voraussetzen, das dann unberührt bleibt. Darauf ist später noch einzugehen. Die Formulierung „gelten nicht" wie z.B. in § 1 Abs. 3 AbfG könnte daher nicht durch eine Unberührtheitsklausel ersetzt werden. Denn hier handelt es sich gerade um einen Fall des „Berührens". Die im Katalog des § 1 Abs. 3 AbfG aufgelisteten Abfallarten werden gerade aus der Geltung des Abfallgesetzes herausgenommen und ausschließlich den sondergesetzlich geregelten Entsorgungswegen zugewiesen. Die zitierten Sondergesetze gelten also nicht neben dem Abfallgesetz, sondern für die dort genannten Abfallarten ausschließlich Es entsteht also kein Kollisionsverhältnis zwischen zwei Rechtsnormen, das einer Kollisionsregel bedarf, sondern ein Alternativ Verhältnis. Die Wendung „wird nicht berührt" 2 könnte ein Instrument sein, um — im Gegensatz zu „bleibt unberührt" — einen Zukunftsbezug bezüglich eines in der Zukunft entstehenden Rechts herzustellen. Insgesamt aber läßt sich eine exakte Begriffsbestimmung erst nach den nachfolgenden Ausführungen erarbeiten. Eine weitere Erläuterung der Unberührtheitsklauseln soll anhand praktischer Beispiele erfolgen und wird daher einstweilen zurückgestellt. 1 Schwermer, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, § 1 Rn. 49. 2 Vgl. z.B. Art. 27 Abs. 3, 34 EGBGB.

I. Begriffsabgrenzung

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2. „unbeschadet" In § 2 Abs. 2 S. 2 WHG heißt es: „Unbeschadet des § 11 berühren sie nicht privatrechtliche Ansprüche auf Zufluß von Wasser in bestimmter Menge und Beschaffenheit." Für die Erlaubnis kann § 11 WHG ohnehin keine Bedeutung haben. Denn §11 WHG betrifft nur Bewilligungen. Auf Bewilligungen bezogen kann die Formulierung „unbeschadet" daher nur bedeuten, daß trotz der möglichen Existenz von privatrechtlichen Ansprüchen auf Wasserzufluß diese Ansprüche gleichwohl gem. § 11 WHG ausgeschlossen sein können. Der Begriff „unbeschadet" schafft also eine Ausnahmevorschrift dergestalt, daß § 11 WHG den Tatbestand des § 2 Abs. 2 S. 2 WHG um seinen eigenen Tatbestand erweitert 3. Dem Sprachsinn nach könnte man die Wendung mit „ohne Rücksicht" oder „trotz" übersetzen4. Nach H. Müller handelt es sich indessen bei dem genannten Beispiel um ein Fehlbeispiel. Denn „unbeschadet" soll nur auf Rechtsbegriffe, dagegen nicht — wie in der Praxis häufig — auf konkrete Vorschriften bezogen sein5. Daher sind Formulierungen wie in § 954 BGB „Wer . . . befugt ist, sich Erzeugnisse der Sache anzueignen, erwirbt Eigentum an ihnen, unbeschadet der Vorschriften der §§ 955 bis 957, mit der Trennung." oder in Art. 69 EGBGB zu vermeiden: „unbeschadet der Vorschrift des § 958 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches . . . " Der Bezug des Wortes „unbeschadet" auf Rechtsbegriffe ist dagegen in § 27 Abs. 2 S. 1 BGB korrekt vorgenommen worden: „Die Bestellung ist jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf vertragsmäßige Vergütung."

3 Sieder / Zeitler / Dahme, WHG § 2, Rn. 12. Es aber fraglich, ob sich diese Deutung verallgemeinern läßt. Auf den Begriff „unberührt" wird noch einzugehen sein. Vgl. hier Aymans, Das gesetzestechnische Mittel des Verweises, Archiv für katholisches Kirchenrecht Bd. 133 (1964), S. 293 ff., 300 f.: Danach handelt es sich hierbei um einen regeleinschränkenden Verweis, bei dem der Inhalt der aufgestellten Regel ganz oder teilweise im Zuge der Verweisung betroffen wird. Die Ausnahmevorschrift genießt dann Vorrang vor der Regelvorschrift. 4 Andere Formulierungsmöglichkeiten nach Aymans, Arch. f. kath. Kirchenrecht 133 (1964), S. 300: „vorbehaltlich", „unbeschadet"; vgl. auch Ges. für dt. Sprache, S. 53 ff., wonach es sich um eine ,»Präposition" handelt, also ein Verhältniswort. Demnach zeigt das Wort „unbeschadet" das Verhältnis der Norm, innerhalb derer es verwendet wird, zu der Norm, die unbeschadet bleibt. Im übrigen soll es sich um eine zwar umständliche, aber kaum befriedigend zu ersetzende Präposition handeln, Ges. für dt. Sprache, S. 55. 5 H. Müller, S. 102.

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E. Die Unberührtheitsklauseln 3. „überlassen"

Der (Bundes-)Gesetzgeber könnte durch den Begriff „überlassen" eigene Rechtsetzungsbefugnis auf die Länder übertragen. Vom Sprachverständnis her setzt die Wendung im Gegensatz zu Unberührtheitsklauseln ein aktives Handeln voraus, also etwa einen Rechtssatz, der etwas, z.B. eine Kompetenz zum Handeln einem anderen „überläßt". Gleichzeitig enthält sich derjenige, der einem anderen etwas überläßt, einer eigenen Kompetenz. Dies käme z.B. für den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis, Art. 71, 73 GG, in Frage. Denn auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder automatisch das Recht zur Gesetzgebung, wenn der Bund von seinem Recht keinen Gebrauch macht. Ein ausdrückliches „Überlassen" von Rechtsetzungsbefugnis wäre hier also überflüssig. Dagegen ist dies denkbar für die ausschließliche Gesetzgebung: der Bund könnte aus dem Katalog des Art. 73 GG einen Rechtsbereich ausgliedern und in einem Bundesgesetz (arg. Art. 71 GG) mit der Formulierung „wird überlassen" in die Gesetzgebungszuständigkeit der Ländern überführen 6. Eine andere Bedeutung hat die Wendung „bleibt überlassen". Diese Formulierung wählt der Bundesgesetzgeber, wenn er eine Rechtsmaterie A regelt und gleichzeitig sagt, eine Rechtsmaterie B gehöre nicht zum Regelungsbereich. In diesem Fall wird die ohnehin bestehende Zuständigkeit der Länder für den Rechtsbereich B klargestellt 7. Die Wendung „bleibt überlassen" hat dann die gleiche Bedeutung wie „bleibt unberührt" (s.o.). Voraussetzung ist also auch hier ein bereits bestehendes Recht. Beispiel: Art. 69 EGBGB: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über . . . Fischerei, unbeschadet der Vorschrift des § 958 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches

4. „behält sein Bewenden"/„verbleibt es . . . " Bei diesen Formulierungen geht es um die Fortgeltung alten Rechts. Die beiden Wendungen besagen damit inhaltlich nichts anderes, als es die Formel „bleiben unberührt" 8 aussagen könnte.

6 Dieser Fall ist allerdings, soweit ersichtlich, noch nicht vorgekommen. Formulierungsbeispiel für einen solchen Fall des „Überlassens": „Die Gesetzgebungsbefugnis für den Bereich des Urheberrechts (z.B.) wird den Ländern überlassen." 7 H. Müller, S. 70. s Vgl. BVerfGE 11, 192, 202; BT-Drs. H/2545, S. 194 (Begr. zu Art. II Nr. 89 in Verbindung mit 88); H. Müller, S. 103.

II.

e s r u n g

Unberührtheitsklauseln

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5. Arbeitsbegriff „Vorbehalt" Im Zusammenhang mit Unberührtheitsklauseln soll der Begriff „Vorbehalt" nicht in dem Sinne verstanden werden, wie er in der Verfassung durch den Gesetzesvorbehalt seinen Niederschlag gefunden hat. Der von Otto Mayer entwikkelte Gesetzesvorbehalt macht vor allem den Stufenbau der Rechtsordnung und der sie konstituierenden Abhängigkeiten sowie den Grundsatz der Gewaltenteilung sichtbar 9. Hier handelt es sich aber vielmehr um ein gesetzgebungstechnisches Mittel mit dem Zweck der Sichtbarmachung der Aufgliederung der staatlichen Aufgaben. Davon kann man dann sprechen, wenn Unberührtheitsklauseln vom Bundesgesetzgeber dazu gebraucht werden, um im Bereich der konkurrierenden oder der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis eine Zuständigkeit zugunsten des Landesgesetzgebers auszusprechen, also um den Landesgesetzgebern einen Bereich für eigene Regelungen „vorzubehalten" 10 . Natürlich wäre ein solcher Vorbehalt im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung verfassungsrechtlich nicht geboten und daher entbehrlich. Denn soweit der Bund in diesem Bereich nicht selbst Regelungen trifft, ist eine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder auch ohne Vorbehalt gegeben11. Der Bundesgesetzgeber macht dann in diesen Fällen die Grenzen zwischen der durch ihn bereits geregelten Materie und den noch landesgesetzlich ausfüllbaren Bereichen sichtbar. Werden dagegen Unberührtheitsklauseln in einer Weise verwendet, die ein Recht begründen und nicht lediglich klarstellen, daß das Recht besteht, so ist der Begriff „Vorbehalt" zu eng. Denn ein Vorbehalt verleiht keine Befugnisse, sondern beläßt eine fremde Rechtsetzungsbefugnis. In solchen Fällen ist vielmehr von Ermächtigungen zu sprechen. Allerdings scheint sich selbst das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung einer solch feinen sprachlichen Unterscheidung nicht zu bedienen. Denn es verwendet beide Begriffe einheitlich 12 . I I . Rechtsprechung zu Unberührtheitsklauseln 1. Verfassungsgerichtliche Entscheidungen Die Auslegung der Wendungen „bleibt unberührt", „wird nicht berührt" etc. war Gegenstand zahlreicher Entscheidungen in der Rechtsprechung. 9 O. Mayer, S. 69 ff.; Ermacora, DÖV 1960, S. 561 ff., 561. 10 Vorbehalten könnte daher hier im Sinne von „einräumen" oder „gewähren" verstanden werden. 11 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63 ff., 68; Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog / Scholz, Art. 72, Rn 12; Karpen, S. 44; vgl. im übrigen die Ausführungen unten. 12 Z.B. BVerfGE 18, 407, 415; 20, 238, 251 ff.; 21, 106, 115 f.; 29, 125, 137 f.; 60, 135, 154; ebenso auch Clemens, AöR 111 (1986), S. 63 ff., 70.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

Bereits das Reichsgericht hat anhand des damaligen § 595 Abs. 1 CPO (Civilprozeßordnung vom 26. Juni 1879) eine Auslegung der Wendung „bleiben unberührt" vorgenommen 13. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: „Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, nach welchen noch andere Personen den Antrag stellen können, bleiben unberührt." In der Entscheidung ging es um die Frage, welche Personen berechtigt sind, den Antrag zu stellen, eine andere „Person für geisteskrank oder für einen Verschwender zu erklären". Zwar könne ein Einzelstaat grundsätzlich, wenn ein Reichsgesetz eine Materie vollständig regeln will, keine Landesgesetze zur Ergänzung dieses Reichsgesetzes erlassen. Die Frage des Kreises der möglichen Antragsteller habe die Civilprozeßordnung aber nicht abschließend regeln wollen. Vielmehr habe der Reichsgesetzgeber in § 595 CPO durch die Wendung „bleiben unberührt" ausdrücklich „zu erkennen gegeben, daß eine umfassende, abschließende Regelung durch die Reichsgesetzgebung nicht beabsichtigt wird". Diese Formel beziehe sich zwar ihrem Wortlaut nach nur auf die gegenwärtig bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften, jedoch könne „angenommen werden, daß auch in Zukunft eine Ergänzung der reichsgesetzlichen Vorschriften durch die Landesgesetzgebung nicht ausgeschlossen sein solle" 14 . Der reichsgerichtlichen Auslegung, daß die Formulierung „bleiben unberührt" nicht nur bedeute, daß bestehende landesrechtliche Vorschriften in Kraft bleiben, sondern auch neue eigenständige Vorschriften erlassen werden können, hat sich später auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen, so z.B. bereits in der Entscheidung zum damaligen §88 Betriebsverfassungsgesetz 1952 15 . §88 BetrVG lautete: „(1) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die Betriebe und Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Die Regelung für diesen Bereich bleibt einem besonderen Gesetz vorbehalten. (2) Bis zum Inkrafttreten des in Absatz 1 vorgesehenen Gesetzes bleiben die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes insoweit geltenden Vorschriften unberührt.". Als Begründung diente dem Gericht zum einen die Formulierung des Art. 3 EGBGB 1 6 , der zumindest für den umfangreichen Katalog an Unberührtheitsklauseln der Art. 56 ff. EGBGB diese Auslegung bestätigte. Für alle anderen Vorschriften ergebe sich diese Auslegung aus dem jeweiligen Wortlaut der Vorschriften, 13 RGZ 7, 346 ff. 14 RGZ, 7, 346, 348. 15 BVerfGE 7, 120, 124 f. Wortlaut: „Soweit in dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder in diesem Gesetze die Regelung den Landesgesetzen vorbehalten oder bestimmt ist, daß landesgesetzliche Vorschriften unberührt bleiben oder erlassen werden können, bleiben die bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft und können neue landesgesetzliche Vorschriften erlassen werden."

II.

e s r u n g

Unberührtheitsklauseln

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der „weder eine Befristung des Vorbehalts noch eine Bezugnahme auf die im Augenblick des Inkrafttretens des Reichsgesetzes geltenden landesrechtlichen Vorschriften" enthalte17. Dieser Auslegung stünde auch der leicht abweichende Wortlaut des § 88 Abs. 2 BetrVG nicht entgegen, als er zum einen eine Befristung des Unberührtbleibens vorsieht („Bis zum Inkrafttreten . . . " ) und zum anderen auf die im Augenblick des Inkrafttretens des Gesetzes geltenden Regelungen verweist. Das Gericht ist sogar angesichts der Tatsache, daß im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die Einfügung der Worte „oder neu zu erlassenden" hinter dem Wort „geltenden" vorgeschlagen wurde, ausdrücklich nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis gekommen18. Die Auffassung, daß die erschöpfende bundesgesetzliche Regelung einer Rechtsmaterie auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung es den Ländern grundsätzlich verwehrt, abweichende oder auch nur ergänzende Regelungen auf diesem Gebiet zu erlassen, hat das Bundesverfassungsgericht in zwei weiteren Entscheidungen bestätigt19. Eine Ausnahme sei nur für die Fälle zu machen, in denen der Bundesgesetzgeber einen entsprechenden Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung gemacht habe. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch hier deutlich gemacht, daß sich ein solcher Vorbehalt aus der Wendung „bleiben unberührt" nur für die Vorschriften ergeben kann, in denen auch auf landesrechtliche Regelungen abgestellt wird 2 0 . Gegenstand der beiden zuletzt genannten Entscheidungen war der Umfang des Vorbehaltes in § 73 Abs. 2 S. 1 VwGO: Wortlaut: „Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt." Diese Vorschrift enthält dem Wortlaut nach lediglich eine „kraft Sachzusammenhang" mit der Befugnis zur Schaffung nichtweisungsgebundener (Widerspruchs-) Ausschüsse21 bestehende Befugnis des Landesgesetzgebers, zu regeln, wie rechtswidrige Widerspruchsbescheide dieser Ausschüsse beseitigt werden können 22 . Keineswegs ist der Vorbehalt dahingehend auszulegen, daß der Landesgesetzgeber von den in der VwGO geregelten Klagearten abweichend andere Klagearten einführen könnte 23 . In einer Entscheidung zum G 131 24 deutete das Gericht die Wendung „bleiben unberührt" in § 63 Abs. 3 S. 2 G 131 17 BVerfGE 7, 120, 125. 18 BVerfGE 7,120,125; 11,192,200; 60,135,154; vgl. auch BVerwGE 18,193,200. 19 BVerfGE 20, 238, 250; 21, 106, 115. 20 Vgl. auch die späteren Entscheidungen BVerfGE 45, 297, 342 f.; 47, 285, 314. 21 Diese Befugnis ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Nr. 1 und 3 VwGO. In Rheinland-Pfalz wurden aufgrund dieser Befugnis Rechtsausschüsse bei den kreisfreien Städten und Landkreisen gebildet (§§ 6 ff. AGVwGO Rh.-Pf.). 22 Vgl. § 17 AGVwGO Rh.-Pf. 23 BVerfGE 21, 106, 115 f. 24 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen v. 11. Mai 1951, BGBl. I S. 307.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

Wortlaut: „Durch Landesgesetz können ergänzende Vorschriften, insbesondere auch über die Verteilung der Lasten zwischen Dienstherren und Versorgungskassen erlassen werden. Rechtsvorschriften, die von den Ländern nach dem 8. Mai 1945 erlassen sind oder werden und eine günstigere Regelung enthalten, bleiben unberührt. Für einzelne Beamte, Angestellte oder Arbeiter getroffene günstigere Maßnahmen bleiben in Geltung." nicht als Delegation von Gesetzgebungsbefugnis, sondern als Ausdruck „für ein Sich-Enthalten des Bundes" 25 . Der Bundesgesetzgeber hat hier lediglich einen „Mindeststandard gesetzlich geregelt, den Ländern aber überlassen, günstigere Regelungen zutreffen oder bereits getroffene Regelungen zu ändern oder aufzuheben. Der Grund für die abweichende Deutung lag für das Bundesverfassungsgericht darin, daß die Gesetzgebungskompetenz des Art. 131 GG mit den herkömmlichen Gesetzgebungsbefugnissen des Grundgesetzes nicht vergleichbar sei. Handele es sich normalerweise um Kompetenzen, die einen gewissen Zukunftsbezug und Dauerhaftigkeit mit sich bringen, so sei die sich aus Art. 131 GG ergebende Aufgabe für den Bund so komplex, ungewöhnlich und einmalig, daß sie als Gesetzgebungskompetenz eigener Art, als „Sondergesetzgebung" bezeichnet werden müßte. Der sich aus § 63 Abs. 3 S. 2 G 131 ergebende Spielraum für die Landesgesetzgebung sei daher aus diesem Artikel selbst ohne Rückgriff auf die Art. 70 ff. GG zu erschließen 26. Eine von dieser Rechtsprechung abweichende Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht — soweit ersichtlich und zu Unrecht 27 — lediglich in einer Entscheidung zu Art. 137 EGBGB, nach dem in den Fällen des § 2049 BGB die landesrechtlichen Vorschriften unberührt bleiben, vertreten 28. Hier ist das Gericht zwar auch davon ausgegangen, daß die Formulierung „unberührt bleiben" landesrechtliche Vorschriften in Kraft läßt, daß es sich aber hierbei um den Fall einer Verweisung des Bundesgesetzgebers auf Landesrecht handele.

2. Zusammenfassung Die dargestellte Rechtsprechung betrifft nur die konkurrierende Gesetzgebung sowie die Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 131 GG. a) Danach können Unberührtheitsklauseln ein Instrument im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung darstellen, um klarzustellen, daß eine erschöpfende bundesgesetzliche Regelung des Rechtsbereichs nicht beabsichtigt ist und den Spielraum der Länder für eigene Gesetzgebungstätigkeit aufzuzeigen. Gleichzei25 BVerfGE 15, 167, 188. 26 BVerfGE 1, 167, 177; 7, 305, 313; 15, 167, 184 f., 187; vgl. auch Hamann/Lenz, Art. 131 Anm. 2; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 131 Rn. 1. 27 Vgl. Kap. E. IV. (»Abgrenzung zu Verweisungen"). 28 BVerfGE 67, 348, 363.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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tig beinhaltet die Wendung „bleiben unberührt" die Aussage, daß die Länder innerhalb des ihr auf diese Weise aufgezeigten Spielraums ermächtigt sind, bestehendes Landesrecht zu ändern oder neues Landesrecht zu erlassen 29. Gleichwohl kann von einem solchen Vorbehalt zugunsten der Landesgesetzgebung nur gesprochen werden, wenn er ausdrücklich auf landesrechtliche Regelungen bezogen wird. Eine andere (noch zu erläuternde) Auslegung ist dann vorzunehmen, wenn die Formel keine ausdrücklichen Bezugnahme auf landesrechtliche Regelungen vornimmt 30 . Im Bereich der Sondergesetzgebung nach Art. 131 GG kann nicht auf die Art. 70 ff. GG zurückgegriffen werden. Hier bedeutet die Wendung „unberührt bleiben" ein Sich-Enthalten des Bundes an der Gesetzgebung. b) Nach der dargestellten Rechtsprechung ist die Frage, wie die Unberührtheitsklauseln zu interpretieren sind, grundsätzlich nicht alleine von der jeweiligen Kompetenzvorschrift abhängig, der die entsprechende Regelung zuzuordnen ist. Damit lassen sich keine allgemein verbindlichen Definitionen aufstellen. Jede Unberührtheitsklausel gewinnt ihren Sinn und Zweck erst aus der Gesetzesmaterie, in die sie eingeordnet wurde.

I I I . Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln 1. Durchsetzung der unmittelbaren Verfassungsgeltung („Vorrang der Verfassung") Der in Art. 20 Abs. 3 GG normierte Vorrang von Verfassung (und Gesetz) bindet in erster Linie den Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung. Der Gesetzgeber hat im Rahmen seiner gesetzgeberischen Tätigkeit die Verfassung zu beachten. Die Verfassung legt die Grundlagen der staatlichen Existenz fest und ist richtungsweisend für die künftige Entwicklung des Staates31. Gesetze, die gegen die Verfassung verstoßen, sind nichtig oder zumindest verfassungswidrig, soweit der Verfassungsverstoß durch eine Ergänzung des Gesetzes behebbar ist 32 . Will der Gesetzgeber eine Verfassungsänderung herbeiführen, so kann er dies nur durch ein Gesetz, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert 29 Die gegenteilige Auslegungsmöglichkeit (Festhalten an der bestehenden Rechtslage und Verbot, sie durch Landesgesetz zu ändern) könnte sich also aus einer Formulierung ergeben, wie sie z.B. in Art. 174 Satz 1 WRV enthalten war: „Bis zum Erlaß des in Art. 146 Abs. 2 vorgesehenen Reichsgesetzes bleibt es bei der bestehenden Rechtslage." Vgl. Anschütz, Art. 174, Anm. 1 u. Art. 146, Anm. 5. 30 So z.B. in § 73 Abs. 2 VwGO; BVerfGE 21, 106, 115. 31 P. Kirchhof, FG BVerfG II, S. 50 ff., 68. 32 Stern, StR I, S. 788; Jarass, in: Jarass-Pieroth, Art. 20 Rn. 23 f.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

oder ergänzt (vgl. Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG). Damit hat der Grundgesetzgeber Lehren aus der Verfassungsgeschichte, insbesondere der Weimarer Reichsverfassung gezogen. Verfassungsdurchbrechungen bzw. Verfassungsänderungen, wie sie nach der Weimarer Reichsverfassung möglich waren, also durch ein der Verfassung widersprechendes und mit der verfassungsändernden Mehrheit verabschiedetes Gesetz, das allerdings den Wortlaut des Verfassungstextes nicht ausdrücklich abänderte, sind danach nicht mehr denkbar 33. Diesen Grundsatz greift z.B. die Unberührtheitsklausel in § 17 Abs. 2 S. 2 G V G 3 4 auf. Zur Verdeutlichung nachstehend auch der übrige Wortlaut des § 17 GVG: „(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. (2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Art. 14 Abs. 3 S. 4 und Art. 34 S. 3 des GG bleiben unberührt." Art. 14 Abs. 3 S. 4 und Art. 34 S. 3 GG garantieren beide den Rechtsweg für ihren Regelungsbereich vor die ordentliche Gerichtsbarkeit. Damit haben diese Rechtswegzuweisungen Verfassungskraft. Ohne Unberührtheitsklausel in § 17 Abs. 2 S. 2 GG hätte das GVG gegen diese Verfassungsaussagen verstoßen. Denn würde in diesem Fall ein Betroffener einen ihm zustehenden Anspruch aus quasivertraglichem Schuldverhältnis vor dem Verwaltungsgericht einklagen (vgl. § 40 Abs. 2 VwGO), so wäre nach der Aussage des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG das Verwaltungsgericht auch zuständig für einen konkurrierenden Anspruch aus Amtshaftung. Damit hätte es sich um eine Verfassungsdurchbrechung ohne Änderung des Verfassungstextes gehandelt. Wegen der verfassungskräftigen Rechtswegzuweisung in Art. 34 S. 3 GG ist dies aber nicht möglich. Die Unberührtheitsklausel in § 17 Abs. 2 S. 2 GVG stellt daher den Einklang des einfachen Gesetzes mit der Verfassung wieder her.

33 Vgl. zur Stellung des Reichsgesetzgebers noch RGZ 139, 177 ff., das noch von der „Allmacht des Gesetzgebers" ausging. Vgl. jetzt aber Linck, DÖV 1979, S. 165 ff., 167, der dem Parlament eine — zwar nicht allumfassende, aber doch — gewichtige Vorrangstellung gegenüber den anderen Gewalten einräumen will. 34 Gerichtsverfassungsgesetz i.d.F. der Bek. v. 9.5.1975, BGBl. IS. 1077; § 17 GVG wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung — 4. VwGOÄndG) v. 17.12.1990, BGBl. I S. 2809, neu gefaßt.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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2. Klärung des Bund-Länder-Verhältnisses a) Vorbehalt einer Detailregelung Das Vorbehalten detaillierterer Regelungen durch den Landesgesetzgeber ist ein „übliches Mittel der Gesetzgebungstechnik"35 in den Fällen, in denen der Bund eine Rechtsmaterie nicht umfassend und erschöpfend regeln will — so im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung — oder nicht umfassend regeln kann — so in der Rahmengesetzgebung —. In beiden Fällen handelt es sich freilich nicht um Ermächtigungen in dem Sinne, daß dem Landesgesetzgeber erst aufgrund dieser Vorschrift eine eigene Gesetzgebungskompetenz eröffnet wäre. Vielmehr wird eine solche Formulierung dann nur rechtsverdeutlichende bzw. rechtsklarstellende Funktionen haben, denn die Gesetzgebungsbefugnis der Länder ergibt sich ja schon kraft Verfassungsrechts. Die bestehende bundesstaatliche Kompetenzverteilung soll aber nicht verändert werden 36 . Das folgende Beispiel des § 19 Abs. 4 WHG aus dem Bereich der Rahmengesetzgebung verdeutlicht, daß sich der Zweck dieser Formel wirklich nur auf das Klarstellen beschränkt, da die vorangehenden Regelungen in § 19 Abs. 1-3 WHG so allgemein gehalten sind, daß sie ohnehin einer Konkretisierung durch den Landesgesetzgeber bedurft hätten 37 : „Landesrechtliche Vorschriften für das Lagern wassergefährdender Stoffe in Wasserschutz-, Quellenschutz-, Überschwemmungs- oder Plangebieten bleiben unberührt." In § 8 PflSchG, der gem. Art. 74 Nr. 20 GG zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gehört, heißt es: „Befugnisse der Länder, 1. Vorschriften zu erlassen, die über § 6 Abs. 2 hinausgehen, oder 2. a) die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln unter Verwendung bestimmter Geräte oder Verfahren oder b) den Anbau bestimmter Pflanzenarten auf Grundstücken, deren Böden mit bestimmten Pflanzenschutzmitteln behandelt worden sind, zu verbieten, zu beschränken oder von einer Genehmigung oder Anzeige abhängig zu machen, bleiben unberührt."

35 BVerfGE 35, 65, 73 f. m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG; vgl. auch HbStR IV-Rengeling, § 100 Rn. 117. 36 Vgl. auch Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 72 Rn. 11 f.; Zitzelsberger, S. 97 f.; Maunz, BayVBl. 1955, S. 2; für vorkonstitutionelles Landesrecht vgl. Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 72 Rn. 2; bzgl. § 173 Abs. 4 BauGB vgl. etwa Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 173 Rn. 42 f. 37 Sieder/Zeitler/Dahme, § 19 Rn. 30

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E. Die Unberührtheitsklauseln

Der Bundesgesetzgeber hat die ihm eröffnete Möglichkeit, den zur konkurrierenden Gesetzgebung gehörenden Bereich des Schutzes der Kulturpflanzen umfassend zu regeln, nicht ausgeschöpft. Daher können die Länder den verbleibenden Restbereich noch zum Gegenstand eigener Gesetzgebungstätigkeit machen und insbesondere flankierende Regelungen erlassen 38. Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, und zwar aus dem Sachbereich des Art. 74 Nr. 11 GG, ist § 71 S. 3 GewO 39 : „Landesrechtliche Bestimmungen über die Erhebung von Benutzungsgebühren durch Gemeinden und Gemeindeverbände bleiben unberührt." Diese Bestimmung stellt zum einen klar, daß § 71 S. 1 GewO keine Regelungen über die Höhe der Vergütung, die ein Veranstalter bei Volksfesten, Wochenmärkten und Jahrmärkten für verschiedene Dienst- und Sachleistungen fordern darf, enthält. Zum anderen enthält die Regelung die deklaratorische Feststellung, daß entsprechende landesrechtliche Regelungen weiterhin anwendbar sind 40 . Gleichwohl wird es sich auch im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung dann um eine echte Ermächtigung handeln, wenn der Bundesgesetzgeber zwar eine Materie erschöpfend geregelt hat, den Länder aber trotzdem erlaubt, eigene Regelungen zu treffen. Der Bundesgesetzgeber beseitigt in diesen Fällen also die durch die erschöpfende Regelung eingetretene Sperrwirkung und beläßt den Ländern für diesen Bereich die Gesetzgebungskompetenz. Der Bundesgesetzgeber bedient sich hier verschiedener Methoden: er kann ausdrückliche Ermächtigungen an den Landesgesetzgeber schaffen (Vorbehalte, Blankettnormen 41), er kann auf Landesrecht (dynamisch) verweisen 42 und nicht zuletzt kann er erklären, daß landesrechtliche Vorschriften „unberührt bleiben" 43 . Ein Beispiel für die zuletzt genannte Art von „Vorbehalt" ist § 73 Abs. 2 S. 1 VwGO: „Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt." Die Verwaltungsgerichtsordnung ist ein Fall einer erschöpfenden Regelung eines Rechtsbereichs auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung. Daher bedürfen abweichende landesrechtliche Vorschriften eines ausdrücklichen Vorbehaltes. 38 Kloepfer, Umweltrecht, § 13 Rn. 117; Rehbinder, NuR 1987, S. 68 ff., 70 m.w.N.: § 8 PflSchG trifft eine Vorrangregelung des landesrechtlichen Naturschutzrechts vor dem bundesrechtlichen Pflanzenschutzrecht. 39 Vgl. z.B. auch §§ 19g Abs. 4 PflSchG, 79 Abs. 1 S. 2, 85 Abs. 2 Nr. 2, 173 Abs. 4 BauGB. 40 BT-Drs. 7/3859, S. 17; Wagner, in: Friauf (Hrsg.), § 71 GewO Rn. 18; Schönleiter, in: Landmann / Rohmer, § 71 GewO Rn. 5. 41 So Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 72 Rn. 4. 42 Dazu Schenke, NJW 1980, S. 743 ff., 748. 43 Vgl. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts statt vieler BVerfGE 47, 285, 314 sowie oben die Darstellung der Rechtsprechung.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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Die oben dargestellte rechtsverdeutlichende Bedeutung von Ermächtigungen führt allerdings Rudolf als Gegenargument dafür an, daß im Bereich der konkurrierenden (und dann wohl auch der Rahmen-) Gesetzgebung eine Ermächtigung nicht möglich sei 44 . Er geht sogar so weit, eine Ermächtigung für den Fall auszuschließen, daß eine Rechtsmaterie im Berich der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis vom Bund bereits erschöpfend geregelt ist. Denn die dadurch bewirkte Sperre für die Landesgesetzgebung wirke sich auch auf die Möglichkeit einer Ermächtigung aus 45 . Der Bund müsse hier vielmehr wieder ausdrücklich seine Sperre aufheben. Dem ist zu widersprechen. Mit einer solchen Aufhebung der Sperre muß wohl auch gleichzeitig die Aufhebung der betreffenden Regelungen verbunden sein. Denn ansonsten würde es sich nur um einen formalen Akt ohne rechtliche Bedeutung handeln. Es kann aber durchaus Umstände geben, in denen es geboten erscheint, partiell und zeitlich begrenzt anders lautendes Landesrecht auch auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung zuzulassen46. Umfassende Vorbehalte der oben dargestellten Art enthält das EGBGB in seinen Art. 55 ff. Nach Art. 69 EGBGB bleiben z.B. die landesgesetzlichen Vorschriften über die Fischerei unberührt: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über . . . Fischerei, unbeschadet der Vorschrift des § 958 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Vorschriften über die Binnenfischerei würden normalerweise dem Kompetenzbereich des Art. 74 Nr. 17 GG unterfallen. Denn zum Sachgebiet „Agrarwirtschaft" wird herkömmlicherweise auch die Fischerei gerechnet 47. Soweit tierschutzrechtliche Aspekte verfolgt werden, wäre das Sachgebiet „Tierschutz" in Art. 74 Nr. 20 GG einschlägig. Durch den Vorbehalt in Art. 69 EGBGB wurde damit lediglich klargestellt, in welchem Rahmen der Bund sein Recht zur Gesetzgebung nicht ausgeschöpft hat und damit den Ländern Gesetzgebungskompetenzen bleiben 48 . 44 Rudolf, AöR 88 [1963], S. 159 ff., 162; a.A. auch schon Triepel, S. 117, weil die Zuständigkeit des Bundes, sofern er denn im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit davon Gebrauch macht, dann eine ausschließliche sei. Dies ist zweifelhaft. Es mag zwar sein, daß von den Rechtswirkungen her gewisse Anknüpfungspunkte zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz gegeben sind. Das bedeutet aber nicht, daß es sich dann auch in der Sache um eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz handeln würde. Denn dann könnte ja der Bund nicht mehr ohne ausdrücklichen Verfügungsakt die Gesetzgebungskompetenz wieder an sich ziehen, wie es bei der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis möglich ist; vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 72 Rn. 11 f. 45 Rudolf, AöR 88, S. 159 ff., 163. 46 So auch BVerfGE 20, 238, 251, bzgl. § 73 Abs. 2 VwGO. Vgl. auch BVerfGE 18, 407, 418, zur „Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer regional differenzierten Sachregelung". 47 Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 74 Rn. 36; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 74 Rn. 196. 48 Vgl. auch BayVerfGHE 30, 167, 170, der allerdings davon ausgeht, daß sich das entsprechende Landesrecht auf den Vorbehalt in Art. 69 EGBGB stützt, m.a.W. der 6 Bockel

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E. Die Unberührtheitsklauseln

In gleicher Weise werden durch Art. 64 EGBGB den Landesgesetzgebern abweichende Regelungen im Landwirtschaftserbrecht vorbehalten, obwohl bereits auf der kompetenzrechtlichen Grundlage des Art. 74 Nr. 1 GG („Bürgerliches Recht") einheitliche Regelungen in den §§ 1515 Abs. 2, 2049, 2312 BGB bestehen. Wortlaut: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über das Anerbenrecht in Ansehung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke nebst deren Zubehör." Dadurch soll historisch gewachsenes uneinheitliches Recht erhalten bleiben. In Rheinland-Pfalz z.B. existiert auf dieser Grundlage die Höfeordnung 49. b) Vorbehalt im Sinne einer Ermächtigung nach Art. 71 GG aa) Ermächtigung zur Rechtsetzung Art. 71 (i.V.m. Art. 73) G G 5 0 regelt die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, d.h. die Bereiche, in denen dem Bund alleine die Befugnis zusteht, Recht zu setzen bzw. zu ändern und aufzuheben. Es handelt sich bei dieser Vorschrift aber keineswegs um eine „strikt monopolisierende" Vorschrift 51 , so wie die Weimarer Reichsverfassung dies noch verstanden hat, vgl. Art. 12 Abs. 1 S. 2 WRV. Art. 71 GG hat zwar grundsätzlich eine Sperrwirkung für die Ländergesetzgebung zur Konsequenz, gestattet aber gleichzeitig Ausnahmen von diesem Grundsatz. So entsteht keine Sperrwirkung, wenn der Bund in einem Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung die Länder durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt, selbst Gesetze zu erlassen. Der Bund gibt in solchen Fällen einen Teil seiner Gesetzgebungsbefugnis frei und eröffnet die Zuständigkeit der Landesgesetzgebung für die Materie. Es handelt sich bei dem aufgrund einer solchen Ermächtigung gesetzten Recht um originäres Landesrecht, nicht um Bundesrecht 52. Derartige Ermächtigungen oder Vorbehalte würden einen anderen materiellen Gehalt gewinnen, als die im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nach Art. 72,74 GG existierenden VorbehalVorbehalt kompetenzbegründend für den Landesgesetzgeber ist. Das ergibt sich jedoch aus der Gesamtschau der kompetenzrechtlichen Vorschriften im GG und der betreffenden fischereirechtlichen Vorschriften (aus dem bayerischen Landesrecht) nicht. 49 Vgl. Edenhofer, in: Palandt, Art. 64 EGBGB, Anm. 1, sowie Wöhrmann / Stöcker, Einl. Rn. 1 und 7. Zu Art. 65 EGBGB vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski, § 8 Rn. 7 sowie Gieseke, ZfW 1968, S. 175 ff., 178. so Dort allerdings keine abschließende Aufzählung der zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes gehörenden Rechtsbereiche, vgl. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 73 Rn. 1 und 8. 51 Zum Begriff Stern, StR II, S. 592; zum Sinn der Regelung vgl. BVerfGE 18, 418. 52 Vgl. BVerfGE 18, 407, 417 f.; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 71 Rn. 5; Hamann / Lenz, Art. 71 Anm. 2.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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te. Haben Unberührtheitsklauseln im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung vorwiegend eine rechts verdeutlichende bzw. rechtsklarstellende und nur bei erschöpfender Regelung eine rechts begründende Funktion, so können derartige Klauseln hier grundsätzlich rechts begründende Funktion haben. Die praktische Bedeutung von Ermächtigungen im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung ist zwar gering, jedoch sind verschiedene Fälle bekannt. Es handelt sich hierbei durchweg um Fälle von regionaler Bedeutung, die ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers als unpraktisch erscheinen ließen 53 . Es stellt sich die Frage, ob die Verwendung von Unberührtheitsklauseln wie im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ebenso auch in diesem Bereich möglich ist. Derartige Beispielsfälle sind — soweit ersichtlich — nicht vorhanden. Es bleibt daher zu untersuchen, inwieweit sich Änderungen in den bekannten Fällen einer Ermächtigung nach Art. 71 GG ergeben, wenn statt der verwendeten Formulierung Unberührtheitsklauseln gebraucht werden. bb) Beispiele (1) Durch § 6 Nr. 1 des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956 54 wurde das Saarland ermächtigt, bis zum Ende einer Übergangszeit „das Recht der bei Inkrafttreten dieses Gesetzes auf der saarländischen Gesetzgebung beruhenden Monopole zu ändern oder aufzuheben". Damit ist ein Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung betroffen, Art. 73 Nr. 5 GG. Saarländisches Recht, das bei Inkrafttreten des Grundgesetzes dort gegolten hat und den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung betraf, galt aber gem. § 4 des Eingliederungsgesetzes als Bundesrecht nach dem Beitritt des Saarlandes fort. Der Bund hat also ein Bundesland gem. Art. 71 GG zur Gesetzgebung ermächtigt. Die Formulierung des entsprechenden Rechtssatzes würde lauten: „Das Recht des Saarlandes, das Recht der bei Inkrafttreten dieses Gesetzes auf der saarländischen Gesetzgebung beruhenden Monopole zu ändern oder aufzuheben, bleibt unberührt." Am rechtlichen Gehalt dieser Vorschrift würde sich nichts ändern. Es handelt sich bei dem Recht der Monopole ja um eine Rechtsmaterie, die dem saarländischen Gesetzgeber vor dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland schon einmal zugestanden hat und lediglich durch den Beitritt in den Bereich der ausschließlichen Bundesgesetzgebung übergewechselt ist. 53 Vgl. die Aufzählung und umfangreiche Darstellung bei Rudolf, Die Ermächtigung der Länder im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes, AöR 88 (1963), S. 159 ff., 161. Aber bedeutsamer könnte sein, daß altes Landesrecht im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung als Bundesrecht fortgilt, Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog/Scholz, Art. 71 Rn. 10. Vgl. auch den Fall in StGH Bad.-Württ. DÖV 1986, S. 794 f., der freilich auch etwas anders gelagert ist. 54 BGBl. I S. 1011. *

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E. Die Unberührtheitsklauseln

Ähnliches wird auch in solchen Fällen gelten, in denen vorkonstitutionelles Recht noch weiter fortgilt, weil sich der Bund bislang noch einer Regelung auf diesem Gebiet enthalten hat. In diesen Fälle würde es sich um vom Landesgesetzgeber gesetztes Bundesrecht handeln, das bei einer eigenen bundesgesetzlichen Regelung und einer entsprechenden Ermächtigung im Sinne von Art. 71 GG wieder Landesrecht werden würde. Für diese Fälle ist allerdings die Sonderregelung des Art. 124 GG zu beachten.55 (2) Anders sehen die beiden nächsten Fälle aus: In § 2 des Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaus vom 25. März 1952 56 sowie in § 1 des Gesetzes über eine Gemeindeeinfuhrsteuer auf der Insel Helgoland vom 17. November 1959 57 wird das Land Schleswig-Holstein im Bereich ausschließlicher Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zu eigener Rechtsetzung ermächtigt. Dies geschieht im ersten Fall bzgl. der Beschränkung der Freizügigkeit, vgl. dagegen Art. 73 Nr. 3 GG, im zweiten Fall bzgl. der Einführung einer Gemeindeeinfuhrsteuer 58, vgl. dagegen Art. 105 Abs. 1 GG. In beiden Fällen handelt es sich nicht um Befugnisse, die dem Land einmal zustanden, sondern um Rechte, die der Bund bisher stets umfassend wahrnahm. Was die helgoländer Gemeindeeinfuhrsteuer betrifft, so gab es sie zwar bereits seit dem Reichsgesetz über die Einfuhrsteuer der Gemeinde Helgoland vom 20. Dezember 1934 59 . Auch handelte es sich um eine dem Reich zugewiesene Gesetzgebungsmaterie im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung (Art. 6 Ziff. 6 WRV). Jedoch wurde hier nicht das (damalige) Land Preußen ermächtigt, Regelungen über die Einführung der Gemeindeeinfuhrsteuer zu treffen, sondern unmittelbar die Gemeinde Helgoland (vgl. § 1 des Reichsgesetzes)60. Dieses Reichsgesetz von 1934 galt später zunächst gemäß Art. 124 GG als Bundesrecht fort und wurde erst durch das o.a. Bundesgesetz mit der Ermächtigung an das Land Schleswig-Holstein abgelöst. Das Land Schleswig-Holstein hat also in beiden Fällen das Recht zur Rechtsetzung in einer neuen Materie bekommen. Die Wendung „unberührt bleiben" setzt nun aber vom Wortsinn her ein bereits bestehendes oder bislang bestandenes Recht voraus, das auch für die Zukunft unangetastet bleiben kann. Daher würde die Verwendung der Formulierung „unberührt bleiben" hier den rechtlichen Inhalt der Normen verändern.

55 Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, Art. 124 Rn. 4. 56 BGBl. I S. 197. 57 BGBl. I S. 685. 58 Vgl. dazu auch H.P. Ipsen, DÖV 1990, S. 581 ff., 587; BVerfGE 8, 260 ff. 59 RGBl. I S. 1257. 60 Allerdings bedurfte die Einführung der Gemeindeeinfuhrsteuer der Genehmigung der Reichsminister des Innern und der Finanzen sowie des Preußischen Ministers des Innern (§ 3 des Reichsgesetzes). Vgl. zu allem BVerfGE 8, 260, 263.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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cc) Andere Abgrenzungsmöglichkeit Die Befugnis zur Rechtsetzung kann auch danach unterteilt werden, ob sie auf der einen Seite mit einem Verlust an Kompetenzen verbunden ist, oder aber auf der anderen Seite neue Kompetenzen schafft, ohne daß die Kompetenzen gleichzeitig dem ursprünglichen Kompetenzträger verloren gehen. Im ersten Fall werden Kompetenzen übertragen auf einen neuen Kompetenzträger. Der Ermächtigende/Vorbehaltende 61 ist im Rahmen seiner Ermächtigung/ seines Vorbehalts dann nicht mehr zur Rechtsetzung ermächtigt, soweit die Ermächtigung eben reicht. Die Möglichkeit des Widerrufs der Ermächtigung ändert daran nichts. Daher ist diese Form der Ermächtigung sowohl bei der ausschließlichen wie bei der konkurrierenden Gesetzgebung denkbar. Diese Form der Ermächtigung ist als „befugnisaufzehrende (Unter)Ermächtigung" 62 bzw. auch als „echte Delegation" 63 bezeichnet worden. Dagegen tritt ein solcher Verlust an Rechtsetzungsbefugnis auf der einen Seite durch Ermächtigung nicht ein, wenn sich der Ermächtigende selbst noch Rechtsetzungsbefugnis vorbehält. Die dann denkbare Kollision zweier gleichzeitig bestehender Befugnisse kann in verschiedener Weise gelöst werden. Entweder setzt sich die Rechtsetzungsbefugnis des Ermächtigenden im Kollisionsfall durch. Dann handelt es sich um ein schwächeres, weil nachrangiges Recht zur Rechtsetzung bei dem, der ermächtigt wurde bzw. der Adressat eines Vorbehalts ist. Häufig wird es sich aber auch um zwei gleichrangige Befugnisse handelt, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Es handelt sich allerdings nicht um eine Ermächtigung (also die Verleihung einer Kompetenz) im eigentlichen Sinn mit rechtsbegründender Kraft, wenn im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung der Bundesgesetzgeber nur einen Teilbereich einer Rechtsmaterie regelt und den verbleibenden Rest den Landesgesetzgebern überläßt. Denn die Länder haben in solchen Fällen ja ein originäres, aus der Verfassung abgeleitetes Recht zur Rechtsetzung. Daher werden solche Vorbehalte zugunsten der Landesgesetzgebung, die lediglich den Kompetenzbereich der Länder offen darlegen, zu Unrecht als (rechtsbegründende) Ermächtigungen bezeichnet64. Zwar ist auch bei der konkurrierenden Gesetzgebung ein Konkurrenzverhältnis zwischen zwei Gesetzgebungsbefugnissen vorhanden. Dieses Konkurrenzverhältnis hat aber nicht der Bundesgesetzgeber kraft Ermächtigung geschaffen. Es besteht vielmehr schon kraft Verfassungsrecht 65. 61 Die Begriffe Ermächtigung und Vorbehalt sind wohl austauschbar. Darauf deutet auch die wechselnde Verwendung der beiden Begriffe für die gleichen Sachverhalte durch das Bundesverfassungsgericht hin; vgl. die Nachweise bei Clemens, AöR 111 (1986), S. 63 ff., 70 (dort Fußn. 16). 62 Bullinger, S. 11. 63 Triepel, S. 51 f. 64 So aber Bullinger, S. 12, unter Hinweis auf Art. 12 WRV und Art. 72 GG.

E. Die Unberührtheitsklauseln

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dd) Grundsatz der Bundestreue Eine wieder andere Auslegungsmöglichkeit, allerdings auch ohne rechtsbegründenden Charakter, haben Unberührtheitsklauseln in den Fällen, in denen nach bundesgesetzlicher Regelung eine Norm oder ein Rechtsbereich „unberührt bleibt", der der Bundesgesetzgebung wegen der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit der Länder verschlossen ist. Die dann bei dieser Sachlage einer Unberührtheitsklausel anhaftende Funktion wird sich im wesentlichen darauf beschränken, daß der Bundesgesetzgeber deutlich macht, daß er ein verfassungsrechtliches Prinzip gesehen hat und sich der Einschränkung verfassungrechtlicher Kompetenzen der Landesgesetzgeber bewußt enthält. Damit erfüllt der Bundesgesetzgeber nichts anderes als seine Pflicht zur Bundestreue. Die Pflicht zur Bundestreue gilt ungeachtet ihrer Bezeichnung sowohl für die Länder als auch für den Bund. Auch der Bund ist zu bundesfreundlichem (besser: länderfreundlichem) Verhalten verpflichtet 66 . Dies kann sich auch darin zeigen, daß er verfassungrechtlich den Ländern zugewiesene Gesetzgebungskompetenzen nicht durch eigene Gesetzgebung in diesem Bereich antastet.

c) Vorbehalt zur Kompetenzabgrenzung im Bund-Länder-Verhältnis War bislang nur von Gesetzgebungszuständigkeiten die Rede, so soll jetzt die Bedeutung des Vorbehalts im Bereich der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern untersucht werden, wobei in Anlehnung an die Gesetzgebungskompetenzen auch hier zu unterscheiden ist zwischen ausschließlicher und konkurrierender Verwaltungskompetenz. Grundsätzlich handelt es sich bei den in Art. 83 ff. GG geregelten Verwaltungszuständigkeiten um abschließende und nicht abdingbare Rechte. Auch mit Zustimmung der Beteiligten kann von den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes nicht abgewichen werden 67 . Insbesondere kann im Bereich der (unmittelbaren und mittelbaren) Bundesverwaltung nach Art. 86 GG nicht ein Vorbehalt durch den Bundesgesetzgeber geschaffen werden, der die Länder zur Organisation der Verwaltung in diesem Bereich ermächtigt. Der ganz herrschenden Meinung entspricht, daß die Gesetzesvorbehalte des Art. 86 S. I 6 8 und S. 2 6 9 GG sich nur auf solche Stellen beziehen 65

Vgl. Triepel, S. 53 f.; es handelt sich daher eher um eine „Oberermächtigung" als um eine „Unterermächtigung" nach Bullingers Terminologie. 66 So schon BVerfGE 1, 299, 315; Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 20 Abschn. II Rn. 64. 67 BVerfGE 63, 1, 39; HbStR IV-Blümel, § 101 Rn. 5; Kölble, DÖV 1962, S. 661 ff.,

666.

68 „ . . . soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt . . . " 69 „ . . . soweit das Gesetz nicht anderes bestimmt . . . "

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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können, die „substantiell" dem Bund zuzurechnen sind. Denn eine Ermächtigung zugunsten von Länderbehörden wäre mit einer „Sprengung" des Begriffs Bundesverwaltung gleichzusetzen70. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß im Bereich der Verwaltungskompetenzen etwa kein Raum wäre für die Verwendung von Unberührtheitsklauseln. Die Folge ist lediglich, daß die Verwendung der Formulierungen „bleiben unberührt" oder „wird nicht berührt" nur im Bereich des Art. 86 GG nicht denkbar ist und in allen anderen Bereichen, wo sie denkbar ist, keine selbständige rechtliche Substanz im Sinne der Begründung eines Rechts zu Gunsten einer anderen staatlichen Stelle, sondern vielmehr hinweisende, klarstellende Funktion haben kann. Ein Vorbehalt kann etwa zur Sichtbarmachung der Zuständigkeit einer anderen Stelle erforderlich sein, obwohl die Zuständigkeit kraft Verfassungsrecht bereits besteht und keiner ausdrücklichen Regelung mehr bedürfte 71. Auf der Grundlage des Art. 86 S. 2 GG — und dann freilich nicht als Kompetenzabgrenzung im Bund-Länder-Verhältnis gedacht — bestimmt beispielsweise § 2 Abs. 1 S. 3 BArchG 72 , Wortlaut: „Rechtsvorschriften des Bundes, durch die anderen Stellen Aufgaben nach § 1 übertragen sind, bleiben unberührt." daß eine Anbietungs- und Übergabepflicht im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 BArchG nicht bestehen soll, soweit bereits „anderen Stellen des Bundes als dem Bundesarchiv die Verwaltung von Archivalien als amtliche Aufgabe gesetzlich übertragen ist" 7 3 . Diese „anderen Stellen des Bundes" sind jeweils durch Gesetz eingerichtet worden 74 . Dagegen handelt es sich um eine echte Kompetenzabgrenzung im BundLänder-Verhältnis im Falle des § 36 Abs. 3 BSHG 7 5 : Wortlaut: „Die gesetzlichen Aufgaben der Gesundheitsämter bleiben unberührt."

70 Dittmann, S. 98 f.; BSGE 59, 122, 125 („Gesamt-Staatlichkeit der Bundesverwaltung"); Lerche, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 86 Rn. 104 f., 106. A. A. Katzenstein, DÖV 1958, S. 593 ff., 600, und auch Kloepfer, LdR 5/150, S. 5; unklar Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 86 Rn. 6. 71 Karpen, S. 44 ff. (dort Fußn. 62 f.). 72 Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz — BArchG) v. 6.1.1988, BGBl. I S. 62. 73 Begr. des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über ein Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes, BT-Drs. 11/ 498, S. 8 f. unter Hinweis auf die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und die Stiftung „Bundeskanzler-AdenauerHaus". 74 Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung v. 25.7.1957, BGBl. I S. 841 sowie das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus v. 24.11.1978, BGBl. I S. 1821. 75 Vgl. Neufassung des Bundessozialhilfegesetzes BGBl. I 1987 S. 401.

E. Die Unberührtheitsklauseln

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Hier zeigt sich auch der rein deklaratorischen Charakter einer solchen Unberührtheitsklausel. Ihre Aufgabe besteht in der Abgrenzung von Verwaltungskompetenzen, nämlich in diesem Fall der vorbeugenden Gesundheitshilfe im Rahmen der bundesrechtlichen Sozialhilfe auf der einen Seite und dem Gesundheitsrecht auf der anderen Seite, das Landesrecht ist 76 . Durch § 20 Abs. 5 S. 2 AsylVfG 7 7 „Zuständigkeitsregelungen auf Grund des § 8 Abs. 1 Satz 4 bleiben unberührt." erfolgt eine Kompetenzabgrenzung in der Weise, daß die Ermächtigung an die Landesregierungen in § 8 Abs. 1 S. 4 AsylVfG, abweichend von der herkömmlichen Regelung des Asylverfahrensgesetzes zentrale Zuständigkeiten für Ausländerbehörden zu bestimmen, durch die Zuständigkeitsregelung in § 20 Abs. 5 AsylVfG nicht aufgehoben wird, sondern bestehen bleibt. Es handelt sich also um die Respektierung von einmal eingeräumten Länderbefugnissen. In diese Befugnisse soll nicht eingegriffen werden 78 . Weitere Beispiele: § 4 Abs. 1 S. 3 SeeAufgG 79: „Die Zuständigkeit der Wasser-und Schiffahrtsdirektionen und -ämter des Küstenbereichs, im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgaben die Fahrwasser zu vermessen und nautische Warnnachrichten zu verbreiten, bleibt unberührt. § 20 Abs. 2 SeeAufgG: „Unberührt bleiben Aufgaben auf dem Gebiet der Seeschiffahrt, die dem Bund durch frühere Rechtsvorschriften übertragen worden sind."

d) Weitergeltung von Landesrecht und Befugnis zu dessen Änderung Trifft der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung Regelungen, die aber nicht die gesamte Materie abschließend regeln, sondern Teilbereiche den Ländern zur Regelung überlassen, so kann dies mit der Formel „unberührt bleiben" erfolgen. Beispiel: Art. 4 Abs. 2 EGStGB: „Die Vorschriften des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches lassen auch die Straf- und Bußgeldvorschriften des Landesrechts unberührt,

76 Vgl. zum Gesundheitsrecht Art. 74 Nr. 19 GG. Die vorbeugende Gesundheitshilfe ist Bestandteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen, die wiederum gemäß § 27 Abs.l Nr. 3 BSHG neben der Hilfe zum Lebensunterhalt eine Form der Sozialhilfe darstellt; Mergler / Zink, § 36 BSHG, Rn. 62. 77 Gesetz über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz — AsylVfG) v. 16.7.1982, BGBl. I S. 946. 78 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Asylverfahren (Begründung), BT-Drs. 10/1164, S. 8; Marx / Strate / Pfaff, § 8 Rn. 21 und § 20 Rn. 67 ff. 79 Neufassung des Seeaufgabengesetzes (SeeAufG) v. 21.1.1987, BGBl. I S. 542.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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soweit diese nicht eine Materie zum Gegenstand haben, die im Strafgesetzbuch abschließend geregelt ist". 80 Damit wird auf der einen Seite der bundesgesetzlich geregelte Bereich und auf der anderen Seite der für die Landesgesetzgebung noch offene Bereich abgegrenzt. Inhalt eines solchen Vorbehaltes zugunsten des Landesgesetzgebers ist nicht nur, daß die derzeit bestehenden landesrechtlichen Regelungen weitergelten, durch die bundesgesetzliche Regelung wegen deren höheren Ranges also nicht außer Kraft gesetzt werden. Vielmehr umfassen derartige Vorbehalte regelmäßig auch die Befugnis des Landesgesetzgebers, im Rahmen dieser Ermächtigung neue Vorschriften zu erlassen bzw. alte zu ändern 81. Die Änderungsbefugnis hat der Landesgesetzgeber dabei nicht dann, wenn in dem Vorbehalt keine Befristung enthalten ist, sondern sogar dann, wenn die Regelung auf die derzeitigen Vorschriften des Landes abstellen82. Teilweise wurden dem Landesgesetzgeber auch Regelungen gestattet, die vom Bundesrecht abweichen, die also sogar den Rahmen des Bundesgesetzes verlassen (Art. 2 EGStGB). e) Klarstellung der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für ein Rechtsgebiet Beispiel: § 29 S. 4 BauGB83: „Die Vorschriften des Bauordnungsrechts . . . bleiben unberührt." Mit dieser Unberührtheitsklausel wird — namentlich zugunsten der Landesbauordnungen — angedeutet, daß die dort enthaltenen ordnungsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Zulässigkeit eines Bauvorhabens zu beachten sind. Zumindest für das in § 29 S. 4 BauGB angesprochene Bauordnungsrecht ist mit dieser Formulierung nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit gesagt, da die Materie des Bauordnungsrecht dem Bundesgesetzgeber zur Regelung ohnehin nicht zugänglich ist 84 . Bezüglich der Regelung in § 128 Abs. 2 S. 1 BauGB

so Weitere Beispiele sind Art. 4 Abs. 3-5 EGStGB. 81 H. Müller, S. 71; H. Schneider, Rn. 161; Ermacora, DÖV1960, S. 562 (Gliederungspunkt 2b), der allerdings nur verfassungsrechtliche Vorbehalte im Auge hat: der Vorbehalt hat die Aufgabe, dem Gesetzgeber die Ausgestaltung eines Rechtsproblems zu überlassen. 82 BVerfGE 7, 120, 124 f.; dies gilt jedoch nicht bei einer die Formulierung „bleibt unberührt" vermeidenden Wendung, H. Müller, S. 71. 83 Gesetz über das Baugesetzbuch v. 8.12.1986, BGBl. I S. 2191. 84 Vgl. BVerfGE 3, 407, 432 (Rechtsgutachten des BVerfG über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Baugesetzes). Vgl. über die Schwierigkeiten einer exakten Zuordnung zum Bauplanungs- bzw. Bauordnungsrecht Zinkahn, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 29 Rn. 45.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

„Soweit die Gemeinden nach Landesrecht berechtigt sind, Beiträge zu den Kosten für Erweiterungen oder Verbesserungen von Erschließungsanlagen zu erheben, bleibt dieses Recht unberührt." hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung85 zwar ausdrücklich offengelassen, ob die Unberührtheitsklausel hier in dem Sinne zu verstehen ist, daß der Bund auf diesem Gebiet von seinem Recht zur Gesetzgebung aus Art. 74 Nr. 18 GG keinen Gebrauch gemacht hat und die Länder insoweit gemäß Art. 72 Abs. 1 GG zur Gesetzgebung berechtigt sind, oder ob es sich beim Recht der Ausbaubeiträge für Erweiterungen und Verbesserungen von Erschließungsanlagen um eine gemäß Art. 70 Abs. 1 GG zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder gehörende Materie handelt, § 128 Abs. 2 S. 1 BauGB demnach also nur deklaratorischen Charakter hätte. Entscheidend ist jedoch, daß die letztere Auslegung der Kenntlichmachung der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis der Länder durch Unberührtheitsklausel denkbar und — siehe § 29 S. 4 BauGB — auch ein gebräuchliches gesetzgeberisches Mittel ist. f) Respektierung von Befugnissen der Gemeinden Denkbar sind Unberührtheitsklauseln, um kenntlich zu machen, daß wegen einer bundesrechtlichen (oder landesrechtlichen) Regelung das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden überhaupt oder deren unantastbarer Kernbereich nicht angetastet wird. Im ersteren Fall würde es sich um eine freiwillige Selbstbeschränkung handeln, da auch Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden nur unter dem Vorbehalt der Gesetze („im Rahmen der Gesetze") gewährleistet ist und folglich Beschränkungen unterliegen kann. Im zweiten Fall hätte eine Unberührtheitsklausel dann freilich nur deklaratorischen Charakter, da sich die mangelnde Gesetzgebungskompetenz in diesem Zusammenhang schon aus dem Verfassungsrecht ergibt. Denn der oben erwähnten Eingriffsermächtigung sind insofern Grenzen gesetzt, als der Gesetzgeber nicht Gemeinden als solche beseitigen darf (institutionelle Rechtssubjektsgarantie) und — analog zur Wesensgehaltsgarantie bei Grundrechten — die Selbstverwaltungsgarantie nicht „aushöhlen" darf 86 .

3. Unberührtheitsklauseln zur Normierung allgemeiner Kollisionsgrundsätze a) Anwendbarkeit

allgemeiner Kollisionsgrundsätze

Die allgemeinen Kollisionsgrundsätze, wonach höheres Recht niederrangigem Recht, spezielles Recht dem allgemeinen Recht bzw. jüngeres Recht dem älteren 85 BVerwG BayVBl. 1978, S. 673 f., 674. 86 Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Art. 28 Rn. 13.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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Recht vorgeht, werden zur Lösung von Normkonflikten, d.h. zur Auslegung einander sich widersprechender Regelungen herangezogen. Keine Anwendung finden diese Grundsätze, wenn sich spezielle, normierte Kollisionsregelungen finden. Unberührtheitsklauseln können zwar ebenfalls normierte Kollisionsregelungen enthalten (siehe dazu gleich). Ebenso können sie allerdings auch auf die Anwendung der allgemeinen, nicht normierten Kollisionsgrundsätze hinweisen. In dieser Weise wird § 20 Abs. 2 BNatSchG verstanden 87. Hier soll — allerdings einschränkend nur — der allgemeine Kollisionsgrundsatz „lex specialis derogat legi generali" im Kollisionsfall Anwendung finden. Damit drücken Unberührtheitsklauseln aber nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit aus, da die Anwendung der allgemeinen Kollisionsgrundsätze ohnehin dann automatisch in Betracht kommt, wenn sich keine speziellen Kollisionsregelungen finden lassen. b) Umkehrung der lex-superior-Regel Im Regelfall gilt der Grundsatz, daß niederrangiges Recht dem entgegenstehenden höherrangigen Recht weichen muß („lex superior derogat legi inferior"). Diese allgemeine Kollisionsregel ergibt sich erst als Folge des Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht"). Denn ohne weiteres mit den Grundsätzen der Normlogik zu begründen ist dieser Grundsatz nur im Verhältnis Verfassungsrecht gegenüber einfachen Recht 88 . Unberührtheitsklauseln werden aber vielfach zur punktuellen Durchbrechung dieses Grundsatzes gebraucht. So bestimmt etwa Art. 4 Abs. 3 EGStGB, daß die Vorschriften des StGB über Betrug, Hehlerei und Begünstigung die landesrechtlichen Vorschriften unberührt lassen, die bei Steuern oder anderen Abgaben die Straf- und Bußgeldvorschriften der Abgabenordnung für anwendbar erklären. Im Normalfall würden diese landesrechtlichen Vorschriften, weil sie Bundesrecht entgegenstehen, von diesem derogiert 89 . Sie sind auch nicht zur Ausfüllung eines bundesgesetzlich nicht geregelten Rechtsbereichs im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung ergangen. Zwar gehört das Strafrecht zum Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Nr. 1 GG). Jedoch hat der Bundesgesetzgeber das Gebiet des Strafrechts umfassend geregelt und keinen Raum für zusätzliche ergänzende Landesvorschriften gelassen. Hier jedoch setzen sie sich aufgrund der in der Unberührtheitsklausel enthaltenen Anordnung gegenüber dem höherrangigen Recht für ihren Anwendungsbereich durch. 87

Siehe dazu weiter unten Kap. E. III. 4. a). 88 Das österreichische Verfassungsrecht etwa geht von einer Gleichrangigkeit von Bundesrecht und Landesrecht aus. Vgl. i.ü. auch Walter, S. 57, für den diese Derogationsregeln auch nicht als normlogische Prinzipien, sondern als Rechtsvorschriften Geltung beanspruchen können. 89 Art. 31 GG betrifft wohl eher nur entgegenstehendes, nicht gleichlautendes Landesrecht; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 31, Rn. 14.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

4. Zur Klärung des Verhältnisses zu anderen Gesetzen („Gesetzeskonkurrenz") Laut H. Müller 90 ist die Verwendung von Unberührtheitsklauseln in diesem Bereich besser zu vermeiden und durch andere Formulierungen zu ersetzen. Denn nach seiner Auffassung betreffen die Unberührtheitsklauseln durchweg das Verhältnis von Landesrecht zu Bundesrecht. Gleichwohl verwendet aber der Bundesgesetzgeber auch für den Bereich der Bundesgesetzgebung diese Wendung, um das Verhältnis bundesrechtlicher Vorschriften untereinander zu klären. a) Möglichkeiten

der Bezugnahme

Unberührtheitsklauseln können zunächst pauschal auf ganze Gesetze Bezug nehmen. Beispiele: § 7 Abs. 1 Magarinegesetz 91: „Die Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes bleiben unberührt." § 41 (Unberührtheitsklausel)

PflanzenschutzG: „Unberührt bleiben

1. das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz 2. das Bundes-Immissionsschutzgesetz 3. das Chemikaliengesetz 4. das Gerätesicherheitsgesetz sowie die auf diese Gesetze gestützten Rechtsverordnungen." In einer Reihe von Vorschriften beziehen sich Unberührtheitsklauseln auf ganze Rechtsbereiche, ohne bestimmte Gesetze konkret zu bezeichnen. Dies kann seine Ursache darin haben, daß bestimmte Rechtsbereiche nicht nach Gesetzen abgrenzbar sind, sondern sich über mehrere Gesetze erstrecken. Beispiele: § 12 Abs. 4 AbfG 92: „Rechtsvorschriften, die aus Gründen der Sicherheit im Zusammenhang mit der Beförderung gefährlicher Güter erlassen sind, bleiben unberührt." § 15 Abs. 6 AbfG: „Die Vorschriften des Wasserrechts bleiben unberührt." §3 Nr. 4 2. Hs. TierschutzG 93: „. ..; die Vorschriften des Jagdrechts und des Naturschutzrechts bleiben unberührt." § 13 Abs. 1 S. 2 TierschutzG: „Vorschriften des Jagdrechts, des Naturschutzrechts, des Pflanzenschutzrechts und des Seuchenrechts bleiben unberührt." § 20 Abs. 2 BNatSchG: „Die Vorschriften des Pflanzenschutzrechts, des Tierschutzrechts, des Seuchenrechts sowie des Forst-, Jagd- und Fischereirechts bleiben von

90 H. Müller, S. 69. 91 BGBl. I 1986 S. 326. 92 Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung mit Abfällen v. 27.8.1986, BGBl. I S. 1410. 93 i.d.F. der Bek. v. 18.8.1986, BGBl. I S. 1319.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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den Vorschriften dieses Abschnitts und den auf Grund dieses Abschnitts erlassenen Rechtsvorschriften unberührt." Schließlich kann eine Bezugnahme konkreter Einzelnormen erfolgen. Beispiel: § 36 a Abs. 1 S. 2 WHG 94: „§ 4 Abs. 5 des Raumordnungsgesetzes vom 8. April 1965 (BGBl. I S. 306) bleibt unberührt." Eine generelle Bezugnahme auf nicht näher bestimmte andere Vorschriften zeigt das folgende Beispiel: § 29 S. 4 BauGB: „Die Vorschriften . . . und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt." b) Bedeutung aa) Klarstellung der Eigenständigkeit anderer Rechtsbereiche Die Unberührtheitsklausel in § 20 Abs. 2 BNatSchG, nach der die Vorschriften des Pflanzenschutzrechts und anderer Rechtsbereiche unberührt bleiben sollen, hat den Zweck, die grundsätzliche Eigenständigkeit der aufgeführten Rechtsbereiche zu statuieren. Sie schafft aber keinen generellen Vorrang zugunsten der erwähnten Rechtsbereiche. Vielmehr ist die Frage, welche Regelung sich im konkreten Fall gegenüber einer widersprechenden naturschutzrechtlichen Regelung durchsetzt, nach den allgemeinen Kollisionsregeln zu beantworten 95. In einem gewissen Sinn stellt die Unberührtheitsklausel in diesem Fall zunächst also klar, daß bei Vorliegen eines Kollisionstatbestands die allgemeinen Kollisionsregeln anzuwenden sind 96 . Die Literatur geht aber weiter und legt die Unberührtheitsklausel hier einschränkend in der Weise aus, daß die allgemeinen Derogationsregelungen mit Ausnahme der lex-specialis-Regel hier ebenfalls ausgeschlossen sein sollen 97 . Etwa der jagdrechtliche Vorbehalt (und entsprechend die Vorbehalte zugunsten anderer Rechtsbereiche) sollte unabhängig davon zum

94 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes i.d.F. der Bek. v. 23.9.1986, BGBl. I S. 1529, ber. 1654. 95 Kolodziecok / Recken, BNatSchG, § 20 Rn. 23; Apfelbacher, NuR 1987, S. 241 ff., 246; Reich, AgrarR 1987, S. 184 f., 184; a.A. Leonhardt / Lohner, AgrarR 1987, S. 205 ff., 206 sowie Drees, AgrarR 1987, S. 240 f., 241. 96 Dafür sprechen auch die Gesetzesmaterialien: BT-Drs. 10/5064, S. 18 (amtl. Begr. zum Regierungsentwurf: „Im Falle konkurrierender Vorschriften der genannten Rechtsbereiche ist die Frage des Vorrangs nach allgemeinen Auslegungsregeln zu entscheiden") sowie BT-Drs. 10/6341, S. 42 (Erklärung eines Vertreters des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, nach der § 20 Abs. 2 keine Vorrangregel darstelle, sondern die dort angeführten Gesetze gleichrangig neben dem BNatSchG stünden). 97 Kolodziecok / Recken, BJagdG, Vorbem. Rn. 38. Zu diesem Grundsatz BVerfGE 13, 291, 196.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

Ausdruck kommen, ob die jagdrechtliche Vorschrift zufällig vor oder nach der einschlägigen naturschutzrechtlichen Vorschrift Gültigkeit erlangt hat 98 bzw. ob es um das Verhältnis Lamfesjagdrecht gegenüber Z?«ft£fesnaturschutzrecht geht 99 . Im letzteren Fall bewirkt die gesetzliche Aussage des Unberührtbleibens in § 20 Abs. 2 BNatSchG auch die Aufhebung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes „Bundesrecht bricht Landesrecht" in Art. 31 GG (nur) für diesen Bereich. Ebenso wird die Wendung „bleiben unberührt" in § 13 Abs. 1 S. 2 TierSchG dahingehend verstanden, daß die in den dort genannten Rechtsbereichen enthaltenen Vorschriften, soweit sie das Fangen, Fernhalten oder Verscheuchen, also den eigentlichen Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 S. 1 TierSchG, betreffen, weiterhin selbständig neben dem TierSchG gelten und auch geändert werden können. Die Auffassung, daß die Vorschriften in den in § 13 Abs. 1 S. 2 TierSchG genannten Rechtsbereichen auch geändert werden können, ist sicher eine Folge des Stils der „Bezugnahme" oder „Verweisung". Denn es wird — ähnlich wie bei Verweisung — nicht auf den konkreten Wortlaut einer Vorschrift verwiesen, noch nicht einmal auf eine bestimmte Fassung des Gesetzes oder der Vorschrift 10°. Kollisionsfälle werden hier ebenfalls nach der allgemeinen lex-specialis-Regel zu lösen sein. Denn bei den Vorschriften der in § 13 Abs. 1 S. 2 TierSchG genannten Rechtsbereiche handelt es sich um gegenüber dem Tierschutzrecht speziellere Normen 101 . bb) Vorrangregelung 102 Was das übliche Verhältnis von Landesrecht zu Bundesrecht betrifft, könnte auf Unberührtheitsklauseln verzichtet werden. Denn eine Konkurrenzlösung sich widersprechender Normen erfolgt hier bereits aufgrund anderer Regelungen, etwa des Art. 31 GG. Im Sinne einer Vorrangregelung haben Unberührtheitsklauseln aber dann einen selbständigen rechtlichen Zweck, wenn nach einer bundesrechtlichen Regelung Landesrecht, das den gleichen Gegenstand (möglicherweise anders) regelt, „unberührt bleibt". Der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" wird damit suspendiert 103 . Das Unberührtbleiben anderen Rechts ist sicher auf der gleichen Regelungsstufe, also z.B. innerhalb verschiedener bundesrechtlicher Regelungen, noch häufi98 Lex-posterior-Regel. 99 Lex-superior-Regel. 100 Vgl. die Unterscheidung statische Verweisung — dynamische Verweisung; vgl. hierzu z.B. Karpen, S. 67 f. 101 Lorz, § 13 Rn. 11; vgl. auch Grewe, S. 47. 102 Vgl. z.B. Breuer, Wasserrecht, Rn. 628: „Die Enteignungsentschädigung bleibt — anders ausgedrückt — unberührt; sie geht vor." 103 Vgl. hierzu oben Kap. E. III. 3. b).

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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ger zu finden. Hier bliebe ohne Unberührtheitsklausel allenfalls die allgemeine Kollisionsregel, daß jüngeres Recht älteres Recht verdrängt. Wenn in solchen Fällen trotzdem entgegenstehendes jüngeres Recht unberührt bleibt, dann handelt es sich nur um eine klarstellende Wiederholung dieses Grundsatzes. Eine Bedeutung von rechtlicher Tragweite erhält aber das Unberührtbleiben in den Fällen, in denen älteres entgegenstehendes Recht unberührt bleibt. Eine derartige Regelung geht—quasi als lex specialis — der allgemeineren Kollisionsregel vor und hebt diese mit der Folge auf, daß der Vorrang des älteren, entgegenstehenden Gesetzes gilt. Eine noch weitergehendere Regelung findet sich in § 37 Abs. 3 GenTG: „Eine Haftung auf Grund anderer Vorschriften bleibt unberührt." Hierdurch wird nicht nur das Unberührtbleiben und damit der Vorrang anderer älterer Haftungsvorschriften erklärt, sondern generell das Unberührtbleiben anderer Haftungsvorschriften. Damit wird das Eintreten der Haftung nach dem GenTG nur für den Fall erklärt, daß eine Haftungsbegründung nach anderen Vorschriften nicht möglich ist. Die Regelung würde streng genommen auch die ausdrückliche Regelung der beiden anderen Haftungsfälle nach Arzneimittel- bzw. Produkthaftungsrecht in § 37 Abs. 1, Abs. 2 GenTG überflüssig machen, da sie quasi den Charakter einer Auffangvorschrift hat 104 . In Abgrenzung zu der an anderer Stelle beschriebenen Funktion von Unberührtheitsklauseln als „Rechtsbeschränkung" 105 wird hier keine kumulative Anwendung, sondern eine alternative Anwendung der betroffenen Vorschriften geregelt. Dagegen hieß es noch in § 31 Abs. 3 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung 106: „Unberührt bleiben gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Ersatzpflichtiger in weiterem Umfang als nach den Vorschriften dieses Gesetzes haftet oder nach denen ein anderer für den Schaden verantwortlich ist." Diese Formulierung war dem Wortlaut nach offensichtlich nur darauf gerichtet, einen haftungsrechtlichen Mindeststandard zu schaffen. Demnach sollte die Haftungsregelung des § 31 Abs. 3 des Entwurfs für ihren Regelungsbereich lex specialis sein 107 .

104 Derartige gesetzgeberische „Absicherungsklauseln" sollten aber um der Rechtsklarheit willen nicht verwendet werden, vgl. BMJ (Hrsg.), AH 2 (Rechtsänderungstechnik), S. 11 ff. los Vgl. Kap. E. III. 9. b). 106 BT-Drs. 11/5622. 107 BT-Drs. 11/5622, S. 37 (Begr. des Gesetzentwurfs); Fritsch / Haverkamp, BB 1990, Beilage 31, S. 1 ff., 20; vgl. auch — allerdings ohne die Verwendung einer Unberührtheitsklausel — § 4 S. 1 UVPG.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

cc) Kumulative Anwendung zweier Vorschriften Genau das Gegenteil, nämlich der Ausschluß eines Vorrangs derjenigen Vorschrift, die die Unberührtheitsklausel enthält, kann mit Unberührtheitsklauseln ebenfalls umschrieben werden. Dies ist dann der Fall, wenn durch Unberührtheitsklauseln zum Ausdruck gebracht wird, daß zwei Vorschriften nebeneinander, kumulativ Anwendung finden. So besagt z.B. die Unberührtheitsklausel in § 8 Abs. 4 UVPG, „Völkerrechtliche Verpflichtungen von Bund und Ländern bleiben unberührt." daß neben der in § 8 UVPG enthaltenen Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Behördenbeteiligung im Rahmen verwaltungsbehördlicher Verfahren die kraft Völkervertragsrecht eingegangenen Verpflichtungen von Bund und Ländern daneben ebenfalls erfüllt werden müssen und nicht etwa durch § 8 UVPG verdrängt bzw. aufgehoben werden 108 . dd) Ausschluß der Einwirkung auf andere Rechtsbereiche Wenn Unberührtheitsklauseln umschreiben, daß Rechtsvorschriften anderer Rechtsbereiche unberührt bleiben oder nicht berührt werden, dann kann dies bedeuten, daß der die Unberührtheitsklausel enthaltende Rechtsbereich sich einer Einwirkung auf diesen anderen Rechtsbereich enthält. Bereits oben ist das Beispiel des § 2 Abs. 2 S. 2 WHG im Zusammenhang mit der Formulierung „unbeschadet" erwähnt worden. § 2 Abs. 2 WHG: „Die Erlaubnis und die Bewilligung geben kein Recht auf Zufluß von Wasser bestimmter Menge und Beschaffenheit. Unbeschadet des § 11 berühren sie nicht privatrechtliche Ansprüche auf Zufluß von Wasser bestimmter Menge und Beschaffenheit." Die gleichfalls darin enthaltene Unberührtheitsklausel läßt privatrechtliche Ansprüche unberührt 109 . Dies heißt, daß die Erlaubnis bzw. die Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz lediglich öffentlich-rechtliche Befugnisse zur Gewässerbenutzung gewähren, dagegen aber keine privatrechtsgestaltende Wirkung haben 110 . Ausdrücklich mit diesem Anspruch sind die Neuregelungen im Produktpirateriegesetz 1 1 1 erlassen worden. So stellt z. B. der durch dieses Gesetz eingefügte § 25b Abs. 5 WZG klar, daß es sich bei der Regelung einer Auskunftspflicht über Herkunft und Vertriebsweg von Waren in § 25b Abs. 1 WZG „um eine los BT-Drs. 11 / 3919, S. 25. Soweit sich dadurch Beschränkungen in einer Rechtsposition ergeben, ist auch auf das Kapitel „Tatbestandsmodifikationen" zu verweisen. Die Tatsache, daß hier die Formulierung „nicht berührt" gewählt wurde, beruht auf grammatikalischen Gründen und hat keine tiefergehende Bedeutung, no Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 306. in Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie v. 7.3.1990, BGBl. I S. 422.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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Sonderregelung handelt, die keinen Einfluß auf bestehende Auskunftspflichten nehmen w i l l " . 1 1 2

5. Verhältnis von Vorschriften des gleichen Gesetzes a) Konstituierung

einer Auffang-

bzw. Ausnahmevorschrift

Unberührtheitsklauseln können innerhalb eines Gesetzes das Verhältnis sich widersprechender Vorschriften lösen, indem sie entweder konkret die jeweils andere Vorschrift oder abstrakt alle anderen abweichenden Vorschriften dieses Gesetzes für unberührt erklären. Die Vorschrift, die die Unberührtheitsklausel enthält, kommt dann nicht zur Anwendung, wenn die andere, unberührt bleibende Vorschrift auf den konkreten Sachverhalt anwendbar ist. Es sind zwei Deutungsmöglichkeiten denkbar: Entweder handelt es sich bei der Vorschrift, die eine andere Vorschrift für unberührt erklärt, um eine Auffangvorschrift, die eingreift, sofern andere (unberührt bleibende) Vorschriften nicht eingreifen. Oder aber es handelt sich bei jener Regelung um eine Regelvorschrift. Dann werden Unberührtheitsklauseln in Vorschriften mit dem Ziel verwendet, eine Ausnahme von der soeben aufgestellten Regel zu bilden 113 . In beiden Fällen handelt es sich aber bei den Vorschriften, die andere Vorschriften unberührt lassen, um solche mit einem weiteren unbestimmteren Tatbestand gegenüber den anderen Vorschriften. Dies kann in pauschaler Form geschehen. Ein Beispiel für ein Vorschrift, die pauschal abweichende Vorschriften unberührt läßt, ist § 5 Abs. 5 S. 3 Investitionszulagegesetz114: „Abweichende Vorschriften dieses Gesetzes bleiben unberührt." Oder § 3 Abs. 2 AsylVfG: „Unberührt bleiben die Vorschriften, die den Asylberechtigten eine günstigere Rechtsstellung einräumen." Es kann aber auch auf eine konkrete Vorschrift Bezug genommen werden. In § 8 Abs. 5 AsylVfG heißt es: „Die Ausländerbehörde leitet den Asylantrag unverzüglich dem Bundesamt zu, es sei denn, daß dieser unbeachtlich ist (...).§ 10 Abs. 4 Satz 1 bleibt unberührt." § 10 Abs. 4 S. 1 AsylVfG lautet: „Wird dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprochen, ist der Asylantrag unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten." 112 BT-Drs. 11/4792, S. 40 (Gesetzentwurf der BReg.) 113 Im ersten Fall würde es sich um eine lex-specialis-Regel handeln. Die Vorschrift wäre also dann lex generalis gegenüber anderen unberührt bleibenden Vorschriften. Vgl. auch Karpen, S. 46. 114 i.d.F. der Bek. v. 28.1.1986, BGBl. I S. 231. 7 Bockel

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E. Die Unberührtheitsklauseln

Das bedeutet, in Fällen, in denen über einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz entschieden wurde, ist der Asylantrag auch dann unverzüglich weiterzuleiten, wenn dieser unbeachtlich ist und bildet damit eine Ausnahmeregelung von der in § 8 Abs. 5 S. 1 AsylVfG aufgestellten Unbeachtlichkeits-Regel115. Um eine andere Variation handelt es sich aber z.B. bei § 22 Abs. 2 2. Halbs. GenTG: „Vorschriften über das Inverkehrbringen nach § 2 Nr. 4 zweiter Halbsatz bleiben unberührt." Hier wird von der soeben (in § 22 Abs. 2 1. Halbs. GenTG) angeordneten „Nichtanwendbarkeit" von Vorschriften auf gentechnische Tatbestände wieder eine Ausnahme gemacht, indem von dieser Nichtanwendbarkeitsklausel ausgenommen wird. Die Ausnahme wird damit wieder zum Regelfall erklärt. b) Klarstellung

einer nicht abschließenden Regelung

Unberührtheitsklauseln können in diesem Zusammenhang aber auch eine andere Bedeutung haben: Sie können die Geltung einer anderen, unberührt bleibenden Vorschrift zusätzlich neben der „Stammnorm" anordnen. Damit erweitert eine Unberührtheitsklausel den Tatbestand der „Stammnorm" um die Tatbestandsvoraussetzungen einer anderen Norm und sagt damit im wesentlichen aus, daß es sich bei den Tatbestandsvoraussetzungen in der „Stammnorm" nicht um eine abschließende Aufzählung dieser Voraussetzungen handelt. Zwar ist diese Aussage — keine abschließende Geltung der „Stammnorm" — auch ohne Unberührtheitsklausel denkbar 116 . Jedoch gewinnen Unberührtheitsklauseln hier durch ihren rechtsverdeutlichenden Charakter durchaus einen eigenständigen Sinn. Ein Beispiel für eine derartige Unberührtheitsklausel innerhalb desselben Gesetzes ist § 191 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. WHG: „§ 19i Abs. 1 bleibt unberührt." § 19i Abs. 1 WHG enthält gewisse Anforderungen an den Einbau, die Aufstellung, Instandhaltung, Instandsetzung oder Reinigung von Anlagen nach § 19 g 115 Man könnte in diesem Fall auch von einer Ausnahme zu einer Ausnahmevorschrift sprechen, da die Unbeachtlichkeitsvorschrift in § 8 Abs. 5 S. 1 AsylVfG selbst eine Ausnahmevorschrift darstellt (sozusagen die Umkehrung zum Regelfall). 116 Vgl. z. B. § 8 Abs. 3 AbfG, der verschiedene Versagungsgründe für die Planfeststellung von Abfallentsorgungsanlagen aufzählt. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich hier jedoch nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern es sind weitere Versagungsgründe, die aus den von der Planfeststellung mitberührten Sachbereichen stammen, denkbar; vgl. Schweriner, in: Kunig / Schwermer / Versteyl, § 8 Rn. 37. Eine Unberührtheitsklausel würde diese Tatsache klarer zum Ausdruck bringen und auf weitere, möglicherweise vorliegende Versagungsgründe hinweisen.

I . Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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Abs. 1 und 2 WHG, also Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln wassergefährdender Stoffe. Der Betreiber solcher Anlagen ist hiernach verpflichtet, Fachbetriebe mit der Ausführung dieser Tätigkeiten zu beauftragen. Die Vorschrift des § 191 Abs. 1 WHG scheint der Regelung des § 19i WHG insofern zu widersprechen, als nach § 191 Abs. 1 WHG ein Anlagenbetreiber, der selbst Fachbetrieb im Sinne von § 191 Abs. 2 WHG ist, trotzdem einen Fachbetrieb zur Ausführung dieser Arbeiten beauftragen muß, nach der Wertung des § 19i Abs. 1 WHG er dagegen die Arbeiten selbst ausführen kann. Zur Lösung dieses Widerspruchs wird die Unberührtheitsklausel hier in dem Sinn verwendet, daß die Erleichterungen für einen Anlagenbetreiber, der selbst Fachbetrieb im Sinne von § 191 Abs. 2 WHG ist, in den Tatbestand des § 191 Abs. 1 WHG hineinzulesen ist. Die Regelung des § 19i WHG wird durch § 191 WHG nicht verdrängt, sondern bleibt daneben bestehen117. c) Ergänzungsfunktionen In § 23 Abs. 6 S. 5 GWB bringt die Ergänzungsfunktion der voranstehenden Regelungen in § 23 Abs. 6 GWB zum Ausdruck: „Die Befugnisse des Bundeskartellamtes nach § 46 bleiben unberührt." § 46 Abs. 1 Nr. 1 GWB beinhaltet ein Auskunftsrecht des Bundeskartellamts hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens, soweit dies im Rahmen der gesetzlich übertragenen Befugnisse des Bundeskartellamtes erforderlich ist. § 23 Abs. 6 S. 5 GWB ergänzt nun im Zusammenhang der Anzeigepflicht des Zusammenschlusses von Unternehmen diese Befugnisse des Bundeskartellamtes insofern, als der Nachweis der Erforderlichkeit des Auskunftsverlangens nicht eigens geführt werden muß, sondern sich ohne weiteres durch die Tatsache des Zusammenschlusses von Unternehmen ergibt. Das allgemeinere Auskunftsrecht des § 46 GWB wird aber nicht verdrängt oder eingeschränkt 118. Die Unberührtheitsklausel macht in diesem Fall also eine Ausnahme von dem in der Regel anzuwendenden Satz „lex specialis derogat legi generali". Die allgemeinere Vorschrift des § 46 GWB wird gerade nicht von der speziellen Vorschrift des § 23 Abs. 6 GWB derogiert.

1 7

1 Vgl. Gieseke / Wiedemann / Czychowski, § 191 Rn. 5, die im übrigen unter Hinweis auf §§ 7a Abs. 1 S. 2, 17 Abs. 2 S. 1 2. Halbs., 36b Abs. 6 S. 3 WHG von einer „allgemeinen Gesetzesterminologie" sprechen. 118 Loewenheim / Belke (Hrsg.), § 23 Rn. 135; Mestmäcker, in: Immenga / Mestmäkker, § 23 Rn. 280; Frankfurter Kommentar, § 23 Rn. 165. 7*

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E. Die Unberührtheitsklauseln

6. Zur Umsetzung des Prinzips der „Einheit der Rechtsordnung" (1) Unter dem Begriff „Einheit der Rechtsordnung" ist vielfach eine Rückbindung des Gesetzgebers an gewisse Ordnungsmerkmale bei der Setzung neuen Rechts gesehen worden. Dies erfordere die Rechtsordnung, innerhalb derer sich für die Rechtsunterworfenen eine verbindliche Wertverwirklichung vollziehe. Diese Wertverwirklichung werde aber durch Widersprüche gestört. Daher müsse der Gesetzgeber bestrebt sein, eine widerspruchsfreie Rechtsordnung zu gewährleisten 119 . Dabei soll (und darf) die Vorstellung von der „Einheit der Rechtsordnung" nicht in dem Sinne verstanden werden, daß es keine unterschiedlichen Rechtsetzungsebenen geben könne. Eine solche Vorstellung ist in einem Bundesstaat, der bewußt unterschiedliche Rechtsordnungen unter einem gemeinsamen Dach in Kauf nimmt, nicht denkbar. Auch wird damit keineswegs die Auffächerung der Rechtsordnung in Teilrechtsordnungen (z. B. Öffentliches Recht, Bürgerliches Recht und Strafrecht) angetastet120. Vielmehr soll sich der Begriff „Einheit der Rechtsordnung" — wie eingangs erwähnt — auf eine gewisse Freiheit von Normwidersprüchen, auf Lückenlosigkeit und systematische Rechtsetzung beschränken 121, wobei nicht allzu hohe Anforderungen — etwa im Sinne eines Gebotes — an diese Rechtsbegriffe gestellt werden dürfen. Denn Rechtsetzung vollzieht sich — wie oben dargelegt 122 — im Bereich politischer Entscheidungen oft abseits solcher Ordnungsvorstellungen. Aber im Sinne einer rechtspolitischen Gesetzgebungsmaxime hat der Begriff der „Einheit der Rechtsordnung" durchaus seine Berechtigung 123 . Widersprüchliche Regelungen gibt es zahlreiche in der Rechtsordnung. Es gibt sie innerhalb eines Gesetzes, aber in unserer Rechtsordnung ebenso zwischen den verschiedenen Teilrechtsordnungen der Länder und des Bundes. Ohne Unberührtheitsklauseln würden diese Widersprüche zwischen den einzelnen Normen offen zu Tage treten. Unberührtheitsklauseln beseitigen im Einzelfall zwar nicht unbedingt einen Widerspruch. Aber sie lassen sichtbar werden, daß der Widerspruch vom Gesetzgeber gesehen wurde und entweder bewußt aufrecht erhalten wird oder der Klarstellung dient, daß die betreffende gesetzliche Regelung nur

119 J. Schröder, S. 17; P. Kirchhof, S. 8 f. 120 Dazu M. Schröder, VVDStRL 50 (1990), S. 196 ff., 205 f. 121 So auch Jarass, VVDStRL 50 (1990), S. 238 ff., 260. Vgl. auch die Anforderungen, die Grüner, ZBR 1980, S. 165 ff., 166, an die Überprüfung von Gesetzentwürfen unter dem Gesichtspunkt „Einheit der Rechtsordnung" stellt. Nach P. Kirchhof, S. 8, soll unter dem Postulat der „Einheit der Rechtsordnung" verhindert werden, daß es unterschiedliche Antworten auf die Frage nach Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit gibt. 122 Siehe Kap. B. II. 3. 123 Kloepfer, VVDStRL 50 (1990), S. 305 ff., 306; krit. zum Begriff „Einheit der Rechtsordnung" Gerhardt, BayVBl. 1990, S. 549 ff., 550, obgleich er die Notwendigkeit einer widerspruchsfreien Rechtsordnung anerkennt, sowie F. Müller, LdR 2/80, S. 4.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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für einen herausgelösten Bereich aus der Rechtsordnung gilt, ein Widerspruch sich in diesem Fall also nicht in der Praxis auswirken kann.Damit schaffen Unberührtheitsklauseln im Sinne einer Kollisionsregel quasi die Klammer zwischen zwei ursprünglich widersprüchlichen Regelungen oder zwei sich widersprechenden Rechtsordnungen, etwa der Rechtsordnung des Bundes oder eines Landes. (2) Die Verwendung von Unberührtheitsklauseln als „salvatorische Klauseln" könnte allerdings dann gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verstoßen, wenn die Klauseln dazu veranlassen würden, ein Gesetz isoliert zu betrachten, d.h. ohne in Wirklichkeit eine Abstimmung mit anderen Normen bzw. die Einpassung in die übrige Rechtsordnung zu bewirken 124 . Der Begriff „salvatorische Klauseln" ist aus dem Enteignungs- bzw. Entschädigungsrecht bekannt. Kennzeichnend für diese Klauseln, die die Rechtsgrundlage für Entschädigungsregelungen darstellen, ist ihre mangelnde Bestimmtheit hinsichtlich dessen, was das jeweilige Gesetz unter Enteignung wirklich versteht bzw. wann ein Enteignungstatbestand vorliegt, der eine Entschädigungspflicht auslöst 125 . Im Sinne „salvatorischer Klauseln" sind Unberührtheitsklauseln dann zu verstehen, wenn sie in ähnlich unbestimmter Weise übriges, entgegenstehendes und nicht näher bestimmtes Recht unberührt lassen. Bezüglich der salvatorischen Klauseln im Entschädigungsrecht hat die Rechtsprechung (gegen das überwiegende Schrifttum) bislang überwiegend die Verfassungsmäßigkeit trotz Unbestimmtheit bejaht. In diesem Zusammenhang erscheint dies auch sachgerecht, weil der Gesetzgeber mit der Regelung jedes Einzelfalles an entschädigungspflichtigen Tatbeständen wohl überfordert wäre 126 . Eine Übertragung dieser Gedanken auf Unberührtheitsklauseln erscheint aber nicht möglich. Denn hier geht es um den Geltungsanspruch des Rechts. Ist wegen Unbestimmtheit einer solchen Unberührtheitsklausel eine Auflösung von Normenkollisionen nicht möglich, dann ist die Geltung des Rechts in Frage gestellt. Im Entschädigungsrecht führt eine verfassungskonforme Auslegung noch weiter, aber wo der Wille des Gesetzgebers nicht mehr erkennbar ist, führt Unbestimmtheit zu einem Verstoß gegen das Postulat der „Einheit der Rechtsordnung", das heißt einer widerspruchsfreien Rechtsordnung.

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Ein (allerdings nicht verwirklichtes) Beispiel aus der Gesetzgebungspraxis bei Fliedner, ZG 1991, S. 40 ff., 52 f. 12 5 Ein Beispiel für eine derartige „salvatorische Klausel" ist § 19 Abs. 3 WHG. Vgl. zum Begriff auch Olivet, DÖV 1986, S. 224 ff. 126 Für die bisherige Rspr. z.B. BGHZ 77, 351, 355; 99, 24, 28; OVG Koblenz AS 20, 193, 197 sowie DVB1. 1984, S. 611. Diese einheitl. Rspr. hat das BVerwG jetzt aber verlassen, DVB1. 1990, 585 ff., 586; hierzu Schink, DVB1. 1990, S. 1375 ff.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

7. Ausklammern von Rechtsmaterie aus einer umfassenden Kodifikation In Art. 1 Abs. 2 EGBGB 1 2 7 ist folgendes bestimmt: „Soweit in dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder in diesem Gesetze die Regelung den Landesgesetzen vorbehalten oder bestimmt ist, daß landesgesetzliche Vorschriften unberührt bleiben oder erlassen werden können, bleiben die bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft und können neue landesgesetzliche Vorschriften erlassen werden." In Verbindung mit den Art. 55, 218 EGBGB wird dieser Regelung allgemein entnommen, daß es einem Land verwehrt sei, im Bereich des bürgerlichen Rechts selbst Recht zu setzen, sofern es ihm nicht durch Vorbehalte gestattet sei. Diese Wertung liegt dem allgemeinen Rechtsgedanken zugrunde, wonach es sich bei dem BGB um eine umfassende Kodifizierung des bürgerlichen Rechts handelt, insofern also grundsätzlich kein Raum mehr für die Landesgesetzgebung gegeben sei 128 . Die Unberührtheitsklauseln bzw. Vorbehalte der Art. 56 ff. EGBGB z.B., aber auch alle anderen Vorbehalte im BGB und EGBGB machen von diesem Kodifikationsprinzip Ausnahmen zugunsten der Landesgesetzgebung. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß die Unberührtheitsklauseln genau die Bereiche kennzeichnen und sichtbar machen, die der damalige Reichsgesetzgeber aus seiner umfassenden Kodifizierung herausgelassen hat.

8. Verhältnis zu Vertragswerken mit außerstaatlichen Stellen Beispiel: § 81 HRG 129. „Die Verträge mit den Kirchen werden durch dieses Gesetz nicht berührt." Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche sind durch das Grundgesetz nur in Grundzügen in Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 bis 141 WRV geregelt. Gem. Art. 137 Abs. 7 WRV obliegt die nähere Ausgestaltung dieses Verhältnisses den Ländern. Diese haben nicht nur ihre grundsätzlichen Beziehungen zu den Kirchen, sondern auch (in Ausübung ihrer Kulturhoheit) schul- und hochschulrechtliche Fragen auf vertraglicher Grundlage geregelt. Die Zuständigkeit zum Abschluß solcher Verträge mit den Kirchen (Konkordate) ergibt sich dabei nicht aus Art. 127 Früher Art. 3 EGBGB. 128 Vgl. RGZ 55, 247, 256 f.; BVerfGE 7, 342, 354 f.; 28, 367, 386 f.; SiebertHartmann, in: Soergel, Bd. 8, EGBGB Art. 3 Rn. 3 und Art. 55 Rn. 1 sowie Heldrich, in: Palandt, EGBGB Art. 1 Rn. 1; Säcker, in: Münchner Kommentar, Bd. 7, EGBGB Art. 1 Rn. 5. 129 Hochschulrahmengesetz i.d.F. der Bek. v. 9.7.1987, BGBl. I S. 1170.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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32 oder 59 GG, sondern nach den innerstaatlichen Gesetzgebungszuständigkeiten. Dort, wo die Länder die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit haben (vgl. Art. 70 GG), können sie also ihre Beziehungen zur Kirche ohne Einflußnahme des Bundes regeln 130 . Dem Bund bleibt gleichwohl seine Gesetzgebungsbefugnis auf den Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung und der Rahmengesetzgebung. In diesem Bereich entgegenstehendes Landesrecht wird gem. Art. 31 GG derogiert. Allerdings würde sich diese Derogation lediglich auf die Gesetze, die die Staatskirchenverträge in innerstaatliches Recht umgesetzt haben, beschränken, nicht aber auf das Vertrags werk als solches erstrecken 131. Dies ist eine Folge der Tatsache, daß die innerstaatlichen Kollisionsregeln keine Normkonflikte mit Normen anderer Rechtssysteme lösen können, da hier kein Rangverhältnis im eigentlichen Sinne vorhanden ist. Erst durch die Transformierung kirchenrechtlicher Verträge in innerstaatliches Recht wird eine Beziehung zwischen den beiden Rechtssystemen hergestellt 132 . Die Folge für die in § 81 HRG enthaltene Formulierung „werden . . . nicht berührt" wäre vor diesem Hintergrund, daß sie ins Leere laufen würde. Denn sie würde zum einen nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit aussagen, wenn entgegenstehendes Bundesrecht ohnehin keinen Einfluß auf den Bestand von Staatskirchenverträgen haben würde. Zum anderen allerdings zeigt die Wendung „werden . . . nicht berührt", daß es hier um das Verhältnis zweier selbständiger Rechtssysteme geht, die nicht einem herkömmlichen Rangverhältnis unterliegen. In diesem Punkt hat die Formulierung daher schon eine gewisse eigenständige Bedeutung. Es ist deshalb von einem anderen Verständnis auszugehen, wie es offenbar auch der Gesetzgeber (des Hochschulrahmengesetzes) im Sinn hatte. In der Regierungsbegründung zum 2. Entwurf des Hochschulrahmengesetzes133 heißt es, die Vorschrift des § 81 HRG stelle klar, „daß die derzeit geltenden Verträge mit den Kirchen durch das Hochschulrahmengesetz nicht berührt werden". Damit ist angedeutet ( „ . . . die derzeit geltenden Verträge..."), daß nur die bei Inkraftreten des Hochschulrahmengesetzes bestehenden Verträge unberührt bleiben sollen, also weiterhin gelten sollen. Berührt werden vom HRG dagegen die erst später abgeschlossenen Verträge. Das heißt, die Länder haben in diesen Fällen den durch das Hochschulrahmengesetz gem. Art. 75 Nr. la GG gezogenen bundesrechtlichen Rahmen zu beachten. Dasselbe gilt für die Änderung bereits bestehen-

130 BVerfGE 6, 309, 362. 131 Lorenz, in: Heilbronner (Hrsg.), § 81 Rn. 7 m.w.N.: „Im 'Außen'Verhältnis zur Kirche als Vertragspartner des Staates gilt der Grundsatz der Vertragstreue". Vgl. auch Hensel, S. 325, zu Staatskirchenverträgen, die die kirchenrechtlichen Bestandteile der Verfassung berühren. Solche Verträge (Konkordate) müssen mit verfassungsändernder Mehrheit in innerstaatliches Recht transformiert werden. 132 Hensel, S. 324 f. 133 Vgl. Regierungsbegründung zum 2. Entwurf des HRG BT-Drs. 7/1328, S. 83.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

der Verträge. Sie dürfen nicht ohne Beachtung der Grundsätze des Hochschulrahmengesetzes geändert werden 134 .

9. Tatbestandsmodifikationen Der Begriff „unberührt" wird häufig zur Modifizierung eines an sich klaren Tatbestandes verwendet. Dabei kann die Unberührtheitsklausel klarstellen, daß die Vorschrift nicht abschließend ist, sondern (ergänzend / erweiternd oder einschränkend) Tatbestandsmerkmale zusätzlicher Vorschriften zu beachten sind, je nachdem, auf welche Vorschriften Bezug genommen wird. a) Rechtserweiterung In (dem mittlerweile aufgehobenen) § 15a Abs. 9 StVZO wurde deutlich gemacht, daß Tatbestandsmerkmale anderer Vorschriften außerhalb der StVZO zusätzlich zu beachten sind: „Weitergehende arbeitsrechtliche Beschränkungen und Pflichten zugunsten der Arbeitnehmer bleiben unberührt." Damit hat die Klausel nach außen hin ergänzende Funktion; inhaltlich bewirkt sie die Erweiterung von Rechtspositionen135. b) Rechtsbeschränkung

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In folgenden Beispielen wird klargestellt, daß der soeben geregelte Lebenssachverhalt weiteren Regelungen unterworfen ist, die zu den Tatbestandsmerkmalen der die Unberührtheitsklausel enthaltenden Vorschrift ergänzend hinzutreten: § 29 S. 4 BauGB: „Die Vorschriften des Bauordnungsrechts und andere öffentlichrechtliche Vorschriften bleiben unberührt." § 38 BauGB: „Die Vorschriften des Bundesfernstraßengesetzes, des Bundesbahngesetzes, des Telegraphenwegegesetzes, des Luftverkehrsgesetzes, des Personenbeförderungsgesetzes und des Abfallgesetzes sowie des Gesetzes über den Bau und den Betrieb von Versuchsanlagen zur Erprobung von Techniken für den spurgefühlten Verkehr bleiben von den Vorschriften des Dritten Teils unberührt."

134 Vgl. dagegen die Vorbehalte der Art. 55 ff. EGBGB, die gem. Art. 1 Abs. 2 (früher Art. 3) EGBGB auch zu Neuregelungen ermächtigen. 135 Vgl. auch Kap. E. IE. 5. b). 136 Formulierung der Überschrift gewählt in Anlehnung an Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 203, nach dem die nach § 29 S. 4 BauGB unberührt bleibenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nur baurechtsbeschränkend, nicht aber baurechtsbegründend wirken können.

III. Begriffsklärung der Unberührtheitsklauseln

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Die Formel „bleiben unberührt" könnte hier übersetzt werden mit „müssen daneben angewendet werden" 137 . Die unberührt bleibenden Vorschriften finden neben denen des Bauplanungsrechts zusätzlich Anwendung. Die Unberührtheitsklausel stellt damit klar, daß es sich bei den Vorschriften des Bauplanungsrechts nicht um höherrangiges Recht handelt, mit der Folge, daß Landesrecht unwendbar wäre. Vielmehr enthalten die Vorschriften bauplanungsrechtliche Mindestanforderungen an Bauvorhaben. Durch die zitierten anderen Vorschriften werden diese Anforderungen erweitert bzw. verschärft. Das bedeutet auch, daß das BauGB zwar bauplanungsrechtlich abschließende Regelungen, nicht jedoch abschließende Regelungen über die umfassend zu beurteilende Zulässigkeit von bauplanungsrechtlich relevanten Vorhaben enthält 138 . Durch diese Form der Unberührtheitsklausel werden die anderen, ebenfalls anzuwendenden Vorschriften aber nicht — wie bei einer Verweisung — in den Tatbestand der eigentlichen Vorschrift (hier z.B. § 29 S. 4 BauGB) aufgenommen. Die die Unberührtheitsklauseln enthaltende Vorschrift sowie die in Bezug genommenen Vorschriften bleiben voneinander unabhängig. Jede hat ihren eigenständigen Sinn und kann selbständig Anwendung finden. Daher kann eine öffentlich-rechtliche Vorschrift, die gem. § 29 S. 4 BauGB unberührt bleibt, nicht die Zulässigkeit eines Vorhaben insgesamt aufheben, sondern allenfalls in den Einzelheiten seiner Ausführung beeinflussen 139. Ebenso ergibt sich aus § 26 Abs. 2 S. 3 WHG, nach dem weitergehende Verbotsvorschriften (als § 26 Abs. 2 WHG) unberührt bleiben, daß die Anwendung eben dieser weitergehenden Verbotsvorschriften keineswegs durch § 26 Abs. 2 WHG ausgeschlossen sind. Vielmehr sind sie „neben § 26 anwendbar" l40 , was nur bedeuten kann, daß der Verbotskatalog des § 26 Abs. 2 WHG nicht abschließend ist, sondern im Einzelfall durch andere Verbotsvorschriften ergänzt wird und der Verbotstatbestand durch die Unberührtheitsklausel folglich über seinen Wortlaut hinaus erweitert wird. In gleicher Weise stellt § 13 Abs. 3 ChemG klar, daß weitergehende, also wohl strengere Kennzeichnungs- und Verpackungsvorschriften nach anderen Gesetzen zusätzlich gelten und anzuwenden sind. § 13 Abs. 3 ChemG: „Weitergehende Vorschriften über die Kennzeichnung und Verpackung nach anderen Gesetzen bleiben unberührt." 141 137 Zinkahn, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 29 Rn. 45, verwendet im übrigen für die Unberührtheitsklausel in § 29 S. 4 BauGB den Begriff „Vorbehalt". 138 Kuchler, S. 47, 57. Anders noch BVerwGE 35, 256, 260, das § 29 S. 3 BBauG (a.F.) nur eingreifen ließ, soweit es sich bei den §§30 ff. BBauG nicht um abschließende Regelungen handelte. Am Bedeutungsgehalt der Unberührtheitsklausel selbst indessen änderte diese abweichende Auffassung nichts. 139 Zinkahn, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, § 29 Rn. 47; Lohr, in: Battis / Krautzberger/Löhr, §29 Rn. 30. 140 So Gieseke / Wiedemann / Czychowski, §26 Rn. 34; vgl. auch Sieder / Zeitler / Dahme, § 26 Rn. 20. 141 Vgl. BT-Drs. 11 /4550 (Begr. der BReg. zum GesEntw.), S. 46. Weitere Beispiele: §§ 15 a Abs. 10, 57a Abs. 4 StVZO.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

10. Ausdrücklicher Ausschluß einer Rückwirkung/Schutz wohlerworbener Rechte Neue Gesetze bzw. Gesetzesänderungen greifen vielfach in Tatbestände ein, deren Ursache bzw. Beginn / Grundlage in der Vergangenheit liegt. Mit solchen Tatbeständen ist häufig der Erwerb von Rechten verbunden, deren Erwerbstatbestand nach altem Recht zu beurteilen war, nunmehr aber der Geltung des neuen Rechts unterliegt. Dies hätte zur Folge, daß das neue Recht auf alte Tatbestände zurückwirken würde 142 . Diese Rechtsfolge wird aber oft bewußt in Kauf genommen bzw. gewünscht 143 . Sie ergibt sich aus dem Satz „lex posterior derogat legi priori". Bei Gesetzesänderungen wird es freilich auf die Lösung von Normkollisionen mit Hilfe dieses Satzes kaum ankommen, weil hier durch die Gesetzesänderung entgegenstehendes Recht in der Regel beseitigt wird, sozusagen automatisch eine Harmonisierung des geänderten bzw. zu ändernden Gesetzes erfolgt. Gewährte die alte Rechtsordnung eine günstigere Rechtsposition, würde aber die unmittelbare und ausnahmslose Anwendung des neuen Rechts auf alle Tatbestände in gleicher Weise unbillige Härten mit sich bringen 144 . Daher erfolgt vielfach eine „Durchbrechung" der Rückwirkung des neuen Rechts auf in der Vergangenheit erworbene Rechte. Ein derartiger Ausschluß der Rückwirkung oder der Schutz wohlerworbener Rechte kann durch Unberührtheitsklauseln erfolgen 145 . Dies zeigt etwa das Beispiel des § 76 Abs. 1 S. 1 HRG: „Das Recht der am Tage vor Inkrafttreten des nach § 72 Abs. 1 Satz 1 erlassenen Gesetzes vorhandenen ordentlichen und außerordentlichen Professoren, nach Erreichen der Altersgrenze von ihren Pflichten entbunden zu werden (Entpflichtung), bleibt unberührt; dies gilt auch beim Wechsel des Dienstherrn." Das wohlerworbene Recht, auf das sich das Vertrauen des Rechtsinhabers in diesem Zusammenhang stützt, ist die Entpflichtung nach den bisherigen Vorschriften. Dies erfolgt nach altem Recht auch unter der zeitlichen Geltung des neuen Rechts. In gleicher Weise ist § 36 a Abs. 2 WHG zu verstehen: „Veränderungen, die in rechtlich zulässiger Weise vorher begonnen worden sind, Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung werden von der Veränderungssperre nicht berührt."

142 Rechtsprechung und Lehre unterscheiden hierbei zwischen echter und unechter Rückwirkung. 143 Zu den Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltung eines Gesetzes vgl. Pieroth, Jura 1983, S. 133 ff., 250 ff.; Göll, S. 48 ff. 144 Die Gründe hierfür sind das verfassungsrechtliche Erfordernis der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes; weiterführend dazu Pieroth, an versch. Stellen. 145 Vgl. v. Savigny, S. 384; Gierke, S. 191 f.; Regelsberger, S. 188 f.

IV. Abgrenzung zur Technik der Verweisungen

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11. Geltungsbeschränkende Unberührtheitsklauseln Unberührtheitsklauseln können die Geltung eines anderen (neuen) Gesetzes einschränken. Dies ist z.B. durch § 1 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes 146 geschehen: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes und des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage (Saarvertrag) bleiben unberührt." § 1 Abs. 1 S. 1 Eingliederungsgesetz setzte das Grundgesetz im Ganzen im Saarland in Kraft. Durch S. 2 wird aber zum Ausdruck gebracht, daß die im Eingliederungsgesetz bzw. im Saarvertrag enthaltenen besonderen vom Grundgesetz abweichenden Bestimmungen trotzdem gelten. Sie schränken somit die inhaltliche Geltung des Grundgesetzes ein 1 4 7 . In diesem Zusammenhang läßt sich eine Parallele zu den „geltungsbeschränkenden Kollisionsnormen" des internationalen Privatrechts ziehen. Diese Normen nehmen auf Normen anderer Rechtsordnungen Bezug, ohne sie jedoch in den Tatbestand der innerstaatlichen Norm aufzunehmen (deshalb handelt es sich auch nicht um Verweisungen). Ihre Funktion besteht lediglich in der Anweisung, eine bestimmte (ausländische) Rechtsnorm anzuwenden148. In ähnlicher Verweisung enthält die Unberührtheitsklausel des § 1 Abs. 1 S. 2 Eingliederungsgesetz die Anweisung, trotz der Geltung des Grundgesetz auch die davon abweichenden Regelungen anzuwenden und beschränkt damit gleichzeitig die Geltung des Grundgesetzes 149.

IV. Abgrenzung zur Technik der Verweisungen Auf den ersten Blick könnte man die Wendung „bleiben unberührt" schlicht als Verweisung bezeichnen, weil hier auch ein Bezug zu ausdrücklich genannten anderen Rechtsnormen hergestellt wird. Verweisungen nehmen zwar nicht den Regeltest, aber doch den Regelinhalt anderer Rechtsnormen in den Wortlaut der

146 Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956, BGBl. I S. 1011. 147 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63 ff., 72 f. 148 H. Schneider, Rn. 381; Karpen, S. 49 f.; Schenke, FS Ludwig Fröhler, 1980, S. 87 ff., 124. 149 Zu den verfassungsrechtlichen Problemen einer solchen Modifikation des Grundgesetzes vgl. Stern, in: Stern / Schmidt-Bleibtreu, Bd. 1, S. 37 f., mit umfangr. weiteren Nachw. aus der jüngsten Zeit; nach der überwiegenden Auffassung in der Lehre wird eine vorübergehende Modifikation des Grundgesetzes in solchen Situationen (auch durch einfaches Gesetz) für verfassungsrechtlich zulässig erachtet. Bedingung ist allerdings, daß sich der Gesetzgeber um Übergangsregelungen bemüht, die möglichst nahe an den verfassungsrechtlichen Regelungen liegen; zu dieser „Annäherungstheorie" vgl. schon Lerche, DÖV 1971, S. 721 ff., 721.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

verweisenden Vorschrift mit auf (sog. „Inkorporation") 150 . Der Tatbestand der Verweisungsnorm wird durch den Inhalt der in Bezug genommenen Vorschrift aufgefüllt, vervollständigt. Die Geltung des Verweisungsobjekts wird also auf die Fälle ausgedehnt, in denen der Gesetzgeber dies durch eine entsprechende Wendung angeordnet hat. Damit nimmt das Verweisungsobjekt unabhängig von seinem ursprünglichen Rechtscharakter am Rechtscharakter der Verweisungsnorm teil. Verweisungen von Bundesrecht auf Landesrecht lassen also das Landesrecht zu (partiellem) Bundesrecht werden und als solches anwenden151. Dabei hätte der Gesetzgeber kraft seiner Zuständigkeit dies auch durch eigene Textformulierung regeln können 152 , hat dies aber aus Gründen der Klarheit und Verständlichkeit des Gesetzes oder der Einfachheit nicht getan. Anders ist dies bei den Unberührtheitsklauseln. Hier wird der Regelinhalt anderer Normen gerade nicht in den Wortlaut der „Verweisungs"grundlage inkorporiert. Vielmehr bringen die Unberührtheitsklauseln zum Ausdruck, daß eine Vorschrift ihren selbständigen Rechtscharakter gerade nicht wechselt 153 . Dabei handelt es sich oft (aber nicht ausschließlich) um Vorschriften, die aufgrund anderer Gesetzgebungszuständigkeiten erlassen wurden. Wenn man Unberührtheitsklauseln durchgängig als „Vorbehalt" bezeichnet, so kann man mit Karpen durchaus eine Abgrenzung in der Weise vornehmen, daß Rechtsvorschriften, die Vorbehalte beinhalten, „vollständig", Rechtsvorschriften, die Verweisungen enthalten, dagegen „unvollständig" sind 154 . Handelt es sich um Vorbehalte zugunsten der Ländergesetzgebung, so erscheint es auch logisch, nicht von Verweisungen zu sprechen. Denn dann hat der Bundesgesetzgeber ja gerade nicht die Absicht, Landesrecht zu inkorporieren, sondern einem anderen Rechtsetzer Befugnisse zukommen zu lassen, die er dann selbst nicht wahrnimmt. In diesen Fällen werden dann praktisch nur Kompetenzen geordnet oder abgegrenzt 155.

150 Karpen, S. 66 ff.; Clemens, AöR 111 (1986), S. 63 ff., 65. Die Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Verweisungen soll hier einmal außer acht gelassen werden. 151 BVerfGE 26, 338, 368; Arndt, JuS 1979, S. 784 ff., 785. 152 Karpen, S. 45. 153 Vgl. auch Baden, NJW 1979, S. 623 ff., 625. 154 Karpen, S. 43 f,; dagegen allerdings Baden, NJW 1979, S. 623 ff., 625. 155 Clemens, AöR 111 (1986), S. 63 ff., 68; Sachs, NJW 1981, S. 1651 f., 1652; Karpen, in: Rödig (Hrsg.), S. 221 ff., 228.

V. Verfassungsrechtliche Aspekte

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V. Verfassungsrechtliche Aspekte 1. Rechtsstaatsprinzip a) Normenklarheit Bedenken gegen die Verwendung von Unberührtheitsklauseln könnten aus rechtsstaatlichen Gründen zunächst insofern bestehen, als es sich bei den Unberührtheitsklauseln zweifellos um relativ unklare, aus sich heraus nicht ohne weiteres verständliche Formulierungen handelt. Denn Rechtssicherheit bedeutet auch Berechenbarkeit, Vorhersehbarkeit und Verläßlichkeit des Rechts 156 . Das Prinzip der Normenklarheit ist im Grundgesetz im Gegensatz zum Bestimmtheitsgebot nicht erwähnt. Es stellt sich daher die Frage nach der verfassungsrechtlichen Verankerung dieses Gebotes. Richtigerweise wird dies nur über das Verhältnis zum allgemeinen Prinzip der Normenbestimmtheit des Art. 20 GG möglich sein, welches wiederum in besonderer Ausprägung Beachtung in zahlreichen grundgesetzlichen Normen gefunden hat (vgl. z.B. Art. 80 Abs. 1 S. 2 sowie Art. 103 Abs. 2 GG für Strafgesetze). Die Bestimmtheit einer Norm erfordert, Rechtsvorschriften so genau „zu fassen, wie dies nach Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist" 1 5 7 , betrifft also die inhaltliche Ausgestaltung der betreffenden Norm. Dagegen bewegt sich das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen auf einer Vorstufe zum Bestimmtheitsgebot. Der Begriff der Normenklarheit betrifft nur Fragen der verbalen Ausformung und des systematischen Aufbaus von Rechtsnormen, ist also ein Problem der Gesetzestechnik158. Erst die sprachliche Klarheit einer Norm ermöglicht auch deren Bestimmtheit. Umgekehrt hat Unklarheit in der Regel auch die Unbestimmtheit zur Folge. Angesichts dieses Verhältnisses zwischen Normenklarheit und Normenbestimmtheit liegt es nahe, die Normenklarheit ebenso wie den Bestimmtheitsgrundsatz im Rechtsstaatsgebot des Art. 20 GG zu verankern 159. Bestandteil des Postulats der Normenklarheit ist z. B. die Verwendung einheitlicher grundlegender Begriffe, aber insbesondere auch die Verpflichtung, unscharfe, vage, sprachlich schlechte und begrifflich nicht eindeutig festlegbare Formu-

156 Merten, FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 295 ff., 301; Herzog, in: Maunz / Diirig / Herzog / Scholz, Art. 20 Abschn. VII Rn. 57 f. und 62 f. 157 BVerfGE 49,168, 181; 59,104, 114; Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, a.a.O, Art. 20 Abschn. VII Rn. 61 und 63. iss Hill, Jura 1986, S. 286 ff., 289; Braun, VerwArch 76 (1985), S. 24 ff., 46; Geitmann, S. 48. 159 Ständige Rechtsprechung des BVerfG; vgl. z.B. BVerfGE 5, 25, 31 ff.; 27, 18, 35; 59,104,106 ff. sowie Braun, VerwArch 76 (1985), S. 24 ff., 46; Stern, StR I, S. 829; Hill, S. 106; Schulze-Fielitz, S. 515; Otto, VuF 1981, S. 59 ff., 61 f.

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E. Die Unberührtheitsklauseln

lierungen zu vermeiden 16 °. Daneben bedeutet Normenklarheit auch Übersichtlichkeit der Regelungen161. Diese Kriterien einer äußeren Qualität von Normen zielen auch auf die Verwirklichung des Regelungsgehaltes der betreffenden Normen ab 1 6 2 . Unter diesem Blickwinkel könnte die Verwendung von Unberührtheitsklauseln, die — wie gezeigt — nicht ohne weiteres auf den ersten Blick verständlich sind, problematisch sein. Dem Gebot der Übersichtlichkeit steht z.B. entgegen, daß sich u.U. der vollständige Bedeutungsgehalt der Norm nicht allein aus ihr selbst ergibt, sondern erst im Zusammenwirken mit den anderen Normen, die unberührt bleiben. Der Gesetzgeber geht also mit der Einpassung von neuem Recht mit Hilfe der Unberührtheitsklauseln (oder allgemeiner: mit der Verwendung von Unberührtheitsklauseln) ein „spezielles Formulierungsrisiko ein, dem ein Interpretationsrisiko des Normunterworfenen entspricht" 163 . Auf ihre Klarheit hin sind Unberührtheitsklauseln von der Rechtsprechung bislang nicht untersucht worden. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht anhand anderer, allgemeiner Normen festgestellt, daß Bedenken wegen einer unklar formulierten Norm nur in Extremfällen bestehen können. In solchen Fällen könnte daher ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze vorliegen 164 . Eine Nichtigkeit von Normen kann aber nicht schon dann angenommen werden, wenn der Gesetzgeber auslegungsfähige und -bedürftige Begriffe verwendet, die nicht allgemein umschrieben werden können 165 . Gerade um solche Begriffe handelt es sich aber bei Unberührtheitsklauseln. Anhand von Verweisungen hat das Bundesverfassungsgericht betont, daß der Rechtsunterworfene ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse die in Bezug genommenen Rechtssätze und deren Inhalt mit hinreichender Sicherheit feststellen können muß 166 . Im Wege der Auslegung kann den Unberührtheitsklauseln durchaus in der Regel eine Funktion und eine Bedeutung zugewiesen werden. Etwas anderes gilt grundsätzlich auch dann nicht, wenn sich die Verwendung von Unberührtheitsklauseln schlicht als Defizite im Sprachgebrauch des Gesetzgebers offenbaren, weil es sich doch um einen recht „vagen, unscharfen Ausdruck" handelt 167 . Denn auch in diesem Fall bleibt es bei der Auslegungsbedürftigkeit und -fähigkeit.

160 Henkel, S. 438. 161 Merten, FG Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S. 295 ff., 302.; Schmidt-Aßmann, DÖV 1981, S. 237 ff., 239. 162 Vgl. Schulze-Fielitz, S. 514 f. 163 Herrschel, JZ 1967, S. 727 ff., 729 m.w.N., sowie 732 zur Normenklarheit als Voraussetzung der „Ästhetik des Rechts". 164 BVerfGE 1, 14, 45; 17, 67, 82. 165 BVerfGE 4, 352, 357; 11, 234, 237.; Schnapp, in: v. Münch, Art. 20 Rn. 25. Zu rechtsvergleichenden Beispielen aus der US-amerikanischen Judikatur in diesem Zusammenhang vgl. H. Schneider, Rn. 66. 166 BVerfGE 5, 25, 31 f.; 8, 274, 302; 22, 330, 346. 167 Podlech, in:Grimm (Hrsg.), S. 105 ff., 110.

V. Verfassungsrechtliche Aspekte b) Bestimmtheitsgrundsatz

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Einen Schritt weiter geht das — vom Gebot der Normenklarheit nicht immer klar abgegrenzte und abgrenzbare — Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen. Dieses Gebot ist — wie bereits dargestellt — auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zurückführbar. Hinreichend klar formuliert ist eine Norm etwa dann, wenn der Normadressat aus ihr das entnehmen kann, was herkömmlicherweise mit dem Gesetzesziel umschrieben wird. Dazu gehört natürlich auch, daß die Norm überhaupt einen Inhalt hat. Deswegen sollte der Gesetzgeber leere Formulierungen vermeiden 169 . Der Adressat von Rechtsnormen muß erkennen können, welche Gebote oder Verbote die Norm enthält, damit er sein Verhalten danach ausrichten kann 170 . Das Bestimmtheitsgebot geht also über den äußeren Rahmen der Gesetzesfassung hinaus und richtet sich an die inhaltliche Gestaltung 171 . Verschiedentlich wird diese Form der Bestimmtheit von Rechtnormen auch exakter als Tatbestands» und Rechtsfolgebestimmtheit bezeichnet172. Im Widerspruch dazu stehen daher alle gesetzlichen Erscheinungsformen, die der Rechtsanwendung ein Tatbestandsermessen einräumen (z.B. durch unbestimmte Rechtsbegriffe, durch Generalklauseln) und die eine Entscheidung über eine Rechtsfolge in das Ermessen des Rechtsanwenders stellen (Rechtsfolgeermessen). Allerdings steht außer Frage, daß vollkommene Gesetzesbestimmtheit nicht zu erreichen ist und auch nicht wünschenswert wäre. Aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit, aber auch zur Erreichung bestimmter legislatorischer Ziele wird eine gewisse „Offenheit" von Normen geradezu geboten sein. Daher ist das Bestimmtheitsgebot kein absoluter Wert 1 7 3 . Diese Umschreibung des Bestimmtheitsgebotes macht deutlich, daß Unberührt heitsklauseln vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebotes unterschiedlich beurteilt werden können. Sind Unberührtheitsklauseln im Sinne reiner gesetzgebungstechnischer Hilfsmittel, die selbst keine inhaltlich-rechtliche Aussage treffen, verwendet worden, dann können sie nicht am Bestimmtheitsgebot gemessen werden. Dies ist z.B. der Fall, wenn Unberührtheitsklauseln nur klarstellende und verdeutlichende Wirkung haben. Enthalten sie dagegen eine selbständige rechtliche Aussage, kann sich die Frage nach ihrer Bestimmtheit stellen.

168 Braun, VerwArch 76 (1985), S. 24 ff., 52 ff. 169 Vgl. Beling, S. 18; dies ist allerdings nicht immer konsequent durchführbar (s. u.). Vielfach kommt der Gesetzgeber um Normen ohne eigenständigen Regelungsgehalt aus Gründen der Verdeutlichung oder Klarstellung nicht herum. 170 Stern, StR I, S. 830; unklar in diesem Zusammenhang Hill, Jura 1986, S. 286 ff., 289. 171 Geitmann, S. 48. 172 Henkel, S. 439. 173 Vgl. weiterführend Henkel, S. 439 f.; Stern, StR I, S. 830.

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E. Die Unberührtheitsklauseln c) „ Offene Normen "

Um der Unterteilung des Bundesverfassungsgerichts in Bestimmtheits- und Klarheitsfälle zu entgehen, verwendet Geitmann als Oberbegriff den wertneutralen Begriff „offene Norm" 1 7 4 . Unter diesen Begriff fallen nach Geitmann zum einen die Fälle einer planmäßigen Offenheit 175 , wie z.B. Ermessenstatbestände, unbestimmte Rechtsbegriffe etc., durch deren Verwendung der Gesetzgeber zum Ausdruck bringt, daß er sich „sehenden Auges" einer Festlegung entzieht. Diese planmäßigen Offenheitsfälle sind in der Regel alle Fälle der Bestimmtheit von Normen, die einer gewissen Sachnotwendigkeit entspringen. Der Gesetzgeber enthält sich hier eines gewissen Bereichs an Entscheidungsbefugnissen. Die Unklarheit von Rechtsnormen dagegen entspringt nicht einer Sachnotwendigkeit. Geitmann bezeichnet sie daher als Fälle planwidriger Offenheit 176 . Zu dieser Gruppe von „offenen Normen" wird man die Unberührtheitsklauseln rechnen müssen. Denn die Unberührtheitsklauseln beruhen nicht auf einer sachlichen Notwendigkeit. Der gleiche Bedeutungsgehalt wäre auch anders und unmißverständlicher zu formulieren. Der Gesetzgeber will mit Unberührtheitsklauseln auch keinen Spielraum in der Tatbestandsauslegung eröffnen, sondern will eine ganz konkrete Aussage treffen. Unberührtheitsklauseln werden vielmehr eher aufgrund einer Verfestigung von fachspezifischen Sprachwendungen verwendet. Dies hat nicht immer negative Auswirkungen wie etwa die Unklarheit des Gesetzeswortlauts zur Folge, sondern kann im Einzelfall dann auch zu einer Entlastung des Gesetzeswortlauts führen, wenn der Bedeutungsgehalt der Formulierung allgemein verständlich und überschaubar ist. Bei Unberührtheitsklauseln ist dies sicher nicht der Fall. Aber die Nichtigkeit des Gesetzes als rechtliche Konsequenz der Unklarheit einer Norm ist damit auch nicht automatisch verbunden. Denn wie bei vielen anderen Normen ergibt sich die Bedeutung der Unberührtheitsklauseln aus einer Auslegung der betreffenden Norm und im Zusammenspiel mit anderen Normen. Dies wird man vom Rechtsanwender im Einzelfall auch erwarten dürfen 177 .

2. Sorgfältige Einpassung neuen Rechts als Forderung des Rechtsstaatsprinzips? Die vorangegangenen Überlegungen zwingen zu der Frage, ob das Rechtsstaatsprinzip die möglichst sorgfältige Einpassung neuen Rechts in die Rechtsord174 Geitmann, S. 47 ff. 175 Geitmann, S. 48 ff. 176 Geitmann, S. 58 ff. 177 BVerfGE 1,14,45; 21,245,261 (ständige Rechtsprechung); vgl. auch P. Kirchhof, Unterschiedliche Rechtswidrigkeiten, S. 27.

V. Verfassungsrechtliche Aspekte

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nung dem Gesetzgeber als Verfassungsgebot auferlegt. Gesetzesklarheit und Gesetzesbestimmtheit sind Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips. Soweit die Klarheit und Bestimmtheit von neuen Gesetzen betroffen ist, obliegen dem Gesetzgeber also Verfassungspflichten. Die formale Qualität von Gesetzen hat ohne Zweifel auch Auswirkungen auf die Rechtssicherheit. Nur formal gute Gesetze können einer durchgängigen und klaren Rechtsanwendung, vor allem durch die Gerichte, unterliegen 178 . Dagegen bringen unklare Gesetze Rechtsunsicherheit, indem sie zum einen erst das Tätigwerden von Gerichten erzwingen, zum anderen aber auch unterschiedliche Auslegungen nach sich ziehen und damit „an mangelhafter Justiziabilität leiden". Im übrigen können sie sich als „Vertrauensgrundlage" 179 in die Vorsehbarkeit und Meßbarkeit staatlichen Handelns für den Bürger kaum eignen. Schließlich beinhaltet aber—wie oben erwähnt 180 —der Gedanke der Normenklarheit nicht nur die Verständlichkeit und Systematik einer einzelnen Norm. Vielmehr ist unter diesem Postulat vom Gesetzgeber auch die Einhaltung bzw. die Herstellung eines bestimmten Systems, eines systematischen Aufbaus innerhalb der Rechtsordnung zu fordern 181 . Diese (rechtsstaatlichen) „Qualitätsanforderungen" bedingen, daß der Gesetzgeber neue Gesetze bzw. neue Normen in das System der bestehenden Rechtsordnung so einpassen sollte, daß dieses bestehende System nicht gesprengt wird. Neue Gesetze dürfen daher nicht ohne Beziehung und zusammenhanglos nebeneinander gestellt werden 182 . Da diese Forderungen an den Gesetzgeber aber über die Normenklarheit und Normenbestimmtheit Folgerungen aus dem Rechtsstaatsprinzip sind, kann in der sorgfältigen Einpassung neuen Rechts selbst die Erfüllung einer rechtsstaatlichen Forderung gesehen werden.

178 Schulze-Fielitz, S. 515; Brandner, ZG 1990, S. 46 ff., 59 f. 179 Vgl. dazu sowie zum Vertrauensschutz im Gesetzgebungsprozeß Weber-Dürler, Vertrauensschutz, S. 265 ff. 180 Siehe Kap. E. V. 1. a). 181 Hill, Jura 1986, S. 286 ff., 289; Braun, VerwArch 76 (1985), S. 24 ff., 46. 182 So Noll, S. 203; ebenso auch Brandner, ZG 1990, S. 46 ff., 58 f. 8 Bockel

F. Zusammenfassung I. 1. Die Gründe für Rechtsänderungen unterscheiden sich grundsätzlich nicht von denen, die den Gesetzgeber überhaupt zur Gesetzgebungstätigkeit veranlassen. Denn in der Sache ist auch das erstmalige Schaffen von Recht Rechtsänderung, weil Gesetzgebung, auch in bislang scheinbar ungeregelten Bereichen nie auf vollkommen rechtlose Zustände trifft und ebenso nicht in völliger Unabhängigkeit von bereits bestehendem Recht erfolgen kann. 2. Die Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln kann bei der Einpassung neuen Rechts dem Gesetzgeber eine Hilfe sein. Das bestehende Recht ist dabei nach Ordnungsmerkmalen zu untersuchen, die für die Gestaltung neuen Rechts herangezogen werden können. Damit ist die „theoretische Seite" der Rechtsdogmatik gemeint. Die Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung wird dabei erleichtert, wenn der Gesetzgeber diese Ordnungsmerkmale einhält und weiterverfolgt. Insoweit kann die Rechtsdogmatik einen Beitrag zur Geschlossenheit, zur Widerspruchsfreiheit der gesamten Rechtsordnung leisten. 3. Die Bedeutung der Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln darf allerdings nicht überschätzt werden. Die grundsätzliche gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit sowie die „Besitzergreifung" der Gesetzgebung durch die Politik scheinen der Forderung nach Einhaltung rechtsdogmatischer Regeln zuwider zu laufen. Die Rechtsdogmatik ist vielmehr lediglich dazu in der Lage, dem Gesetzgeber gewisse Grenzen aufzuzeigen, innerhalb derer der Gesetzgeber aber frei gestalten kann. Im übrigen ist die BindungsWirkung der Rechtsdogmatik insofern nur relativ, als rechtsdogmatische Regeln grundsätzlich nicht einmal geschrieben sind. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht aber die Bindung des Gesetzgebers an sein „vorangegangenes eigenes Tun" anerkannt. 4. Vor diesem Hintergrund kann die Rechtsdogmatik durchaus ein Mittel zur Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung sein. Der Gesetzgeber bedient sich der Rechtsdogmatik auch, wenn er neue Rechtsvorschriften an altes Recht anlehnt, wenn er ein bestimmtes System einhält, wenn vergleichbare Regelungen in ihren Rechtsfolgen und Wertungen einander annähert. Ebenso bedient er sich rechtsdogmatischer Mittel, wenn er Sach- und Gesetzesstrukturen in unterschiedlichen Gesetzen angleicht oder in verschiedenen Gesetzen für den gleichen Sachverhalt die gleichen Rechtsbegriffe verwendet.

F. Zusammenfassung

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5. Ziel des Gesetzgebungsrechts sollte es sein, neues Recht so in die bestehende Rechtsordnung einzupassen, daß keine Widersprüche zwischen neuem und altem Recht entstehen. Denn nur dann kann die Rechtsordnung ihrem Ordnungsauftrag gerecht werden. Gleichwohl entstehen — unbeabsichtigte — Kollisionen als Folge der Fülle neuer Gesetze. Führt in solchen Fällen eine Auslegung nicht zum Erfolg, bedient sich die Rechtsordnung — ungeschriebener — allgemeiner Kollisionsregeln (sog. Derogationsregeln) zur Auflösung dieser Widersprüche. Diese Regeln knüpfen an den Rang der Gesetze, an deren Alter oder ihre inhaltliche Regelungswirkung an. Daneben enthält die Rechtsordnung ausdrücklich normierte Kollisionsnormen. In diesen Fällen finden die allgemeinen Kollisionsnormen keine Anwendung mehr. Nicht lösbar mit den herkömmlichen kollisionsrechtlichen Instrumenten sind allerdings Widersprüche zwischen Normen, die unterschiedlichen Rechtsordnungen angehören. Eine Lösung von Normwidersprüchen kann hier erst dann erfolgen, wenn zwischen den in sich geschlossenen Rechtsordnungen auf normativem Weg eine Beziehung hergestellt wurde. 6. Das typische Gesetz ist trifft heute nicht mehr auf rechtlich vollkommen ungeregelte Bereiche. Bei der Mehrzahl aller Gesetze handelt es sich um Änderungsgesetze. Diese sind harmonisch in das bestehende Recht einzufügen. Bei dieser Aufgabe ist der Gesetzgeber zahlreichen Bindungen unterworfen, auch wenn er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsfreiraum hat. Bindungen können sich einmal ergeben aus dem Gleichheitssatz, der nicht nur die Verwirklichung des Rechts ohne Ansehen der Person, sondern auch das gleichförmige Entwickeln des Rechts fordert. Aber auch Selbstbindungen kann der Gesetzgeber unterworfen sein. So ist — überwiegend auf der Grundlage des Gleichheitssatzes — die Bindung an das einmal eingeschlagene Ordnungssystem anerkannt worden. Durchbrechungen dieses Systems ohne sachliche Gründe machen eine gesetzliche Neuregelung verfassungswidrig. Hier sind Verbindungen zu einem Grundsatz des Vertrauensschutzes bereits erkennbar. Denn der Rechtsunterworfene darf auf das vom Gesetzgeber einmal verwendete System vertrauen, um sich darauf einzustellen. Der Gesetzgeber kann sich auch einer selbstauferlegten Kontinuität unterwerfen, sei es aufgrund politischer Kompromißentscheidungen oder aber aus einfachen Routineerwägungen heraus. Diese Verpflichtung zur Kontinuität kann den Gesetzgeber dazu veranlassen, keinen Bruch im System der Gesetzgebung vorzunehmen und alte, bewährte Strukturen zu übernehmen. Der harmonische Einbau neuen Rechts in die Rechtsordnung ist auch deshalb erforderlich, weil jedes Gesetz für den Rechtsunterworfenen eine Vertrauensgrundlage darstellt. Der Bürger vertraut auf den Fortbestand von Recht. Allerdings 8*

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ist dieses Vertrauen nur in gewissen Grenzen schutzwürdig, weil ein absoluter Vertrauensschutz mit einer „Versteinerung" der Gesetzgebung einherginge. Eine Anpassung der Gesetzgebung an veränderte Umstände wäre so unmöglich. 7. Mit der Vorlage des Gesetzentwurfs sind die wesentlichen Entscheidungen bereits getroffen. Daher wird der maßgebliche Zeitpunkt der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung die Zeit der Entwurfserarbeitung sein. Der Ort der Entwurfserarbeitung ist in der Regel in der Ministerialbürokratie zu suchen. 8. Die wichtigsten Instrumente zur Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung sind Übergangsregelungen. Unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes wird sogar ein Anspruch auf Übergangsregelungen anerkannt, soweit schützenswerte Besitzstände und Rechtspositionen von der Neuregelung betroffen sind. Der Gesetzgeber kann sich formeller, also „äußerlicher" Instrumente des Übergangs bedienen. Reichen diese Mittel zu einer angemessenen Übergangslösung nicht aus, muß der Gesetzgeber für die Übergangszeit eine gänzlich neue Rechtsordnung schaffen, die — zeitlich begrenzt — weder mit dem alten noch mit dem neuen Recht identisch ist (materielles Übergangsrecht). Übergangsregelung können an Zeiträume oder Zeitpunkte anknüpfen. So geschieht dies etwa bei Stichtagsregelungen, die die Anwendung des alten oder des neuen Rechts vom Eintritt eines bestimmten Tages abhängig machen. Dies darf nicht mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes verwechselt werden. Denn Stichtagsregelungen beziehen sich auf die Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens regelt nur den Beginn der Geltungskraft des Gesetzes. Ebenfalls zu den zeitbezogenen Regelungen können Befristungen in Gesetzen gezählt werden, wenn etwa die befristete Weitergeltung alten Rechts für unter diesem Recht begründete Rechtspositionen angeordnet wird. Übergangsrecht kann schließlich auch in einem Wahlrecht zwischen altem und neuem Recht gesehen werden. Es kann unabhängig von altem und neuem Recht die für den Betroffenen jeweils günstigere Rechtsposition angeordnet werden. Der Gesetzgeber kann für Altfälle unbefristet die Fortgeltung alten Rechts anordnen. Vor allem bei Leistungskürzungen im sozialen Bereich oder bei der Verschärfung von Umweltanforderungen können Hälteklauseln eine weichere Überleitung auf neues Recht bewirken. Denkbar sind schließlich Regelungen „auf Vorrat", die den Gesetzgeber in eine Vorreiterrolle versetzen und den Rechtsadressaten zu einer künftigen Erfüllung der neuen Rechtsanforderungen veranlassen. 9. Durch die Ankündigung von Normen könnte der Gesetzgeber bereits vor dem Inkrafttreten entsprechender Gesetze ein gesetzeskonformes Verhalten herbeiführen. Der Vorteil dieser Normankündigung läge dann darin, daß Vertrauen

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in die unbeschränkte Fortgeltung des derzeit noch geltenden Rechts erschüttert wird und neues Recht u.U. ohne Übergangsregelungen sofort in Kraft gesetzt werden kann. Verfassungsrechtlich problematisch kann dies allerdings unter der Geltung des Rechtsstaatsprinzips insofern sein, als die Gefahr besteht, daß die Exekutive faktisch neues Recht in Kraft setzt und so sich Kompetenzen der Legislative anmaßt. Die Beseitigung von Vertrauen kann daher erst in dem Augenblick angenommen werden, in dem ein Gesetzesbeschluß der Legislative gefaßt wurde, nicht schon durch einen Normankündigungsakt der Exekutive. 10. Ohne weitere Probleme kann neues Recht in Form von schlichter Anpassungsgesetzgebung in die Rechtsordnung eingepaßt werden. In diesem Fall werden wesentliche Strukturen eines alten Gesetzes beibehalten und lediglich Zahlenwerk oder technische Anforderungen angepaßt. Der Anpassungsgesetzgebung haftet allerdings eine gewisse „Innovationsfeindlichkeit" an. 11. Neue Gesetze werden oft von Einführungsgesetzen begleitet. Im Zusammenhang mit der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung ist dabei weniger an die Ausdehnung der räumlichen Geltungskraft eines Gesetzes durch ein Einführungsgesetz zu denken, sondern vielmehr an die Zusammenfassung von Übergangsvorschriften und anderen einpassungstechnischen Regelungen in einem eigenen Gesetz. Dies dient auch der Übersichtlichkeit und Klarheit des eigentlichen neuen Gesetzes. Gleichwohl enthalten viele Einführungsgesetze daneben auch Regelungen, die mit der eigentlichen Einpassung des neuen Gesetzes nichts zu tun haben und besser im Stammgesetz untergebracht wären. 12. Neuen Gesetzen vorgelagert sind die sog. Vorschaltgesetze. Sie beanspruchen nur zeitlich befristete Geltung bis zum Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes. Zweck von Vorschaltgesetzen ist die Beseitigung eines vorübergehenden rechtsfreien Raumes. Dieser Zustand kann dadurch entstehen, daß ein neues Gesetz wegen zeitlicher oder auch politischer Umstände nicht rechtzeitig in Kraft treten kann. Der Einpassungscharakter von Vorschaltgesetzen liegt darin, daß sie bereits Strukturen des neuen Gesetzes vorwegnehmen und auf die künftige Rechtslage vorbereiten. 13. Zumindest ein Nebenzweck bei der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, Generalklauseln und anderer offener Normen wird die Einpassung neuen Rechts sein, indem der Gesetzgeber nämlich versucht, damit der mühseligen Abstimmung neuen Rechts mit altem Recht zu entgehen. Derart offene Normen passen sich naturgemäß besser in die bestehende Rechtsordnung ein, weil sie durch ihre unbestimmtere Formulierung weniger Angriffsflächen für u.U. entgegenstehende Normen bieten. Allerdings verlagert damit der Gesetzgeber den Einpassungsvorgang nur auf Exekutive und Judikative.

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14. Verweisungen können dann Instrumente zur Einpassung sein, wenn der Gesetzgeber auf bestehendes Recht verweist, um gleiche Strukturen, gleiche Rechtsfolgen etc. (u.U. von einem anderen Rechtsetzungsorgan) schlicht zu übernehmen. Dynamische Verweisungen, also Verweisungen auf die jeweils gültige Fassung einer anderen Norm, können u.U. geeignet sein, eine „schleichende Einpassung" — allerdings von altem Recht in ein neues, sich änderndes System — zu bewirken. 15. Normen, die Regelungen über den Vorrang des alten oder des neuen Gesetzes treffen, schließen das Entstehen von Widersprüchen zwischen Normen aus. Eine Einpassung erfolgt hier entweder für konkret aufgeführte Einzelfälle oder pauschal für jegliches entgegenstehendes Recht. 16. Experimentelle Gesetzgebung kann u.U. insofern ein Mittel zur Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung sein, als sie im voraus Mängel in der Abstimmung zu anderen Regelungen deutlich macht.

II. 1. Unberührtheitsklauseln sind Instrumente der Einpassung neuen Rechts in die Rechtsordnung. Sie können vielfältige Bedeutungen haben. Abzugrenzen sind Unberührtheitsklauseln von Formulierungen wie „unbeschadet", „überlassen" etc. Denn diese Formulierungen haben eine jeweils eng begrenzte Bedeutung. Eine Gleichsetzung von Unberührtheitsklauseln mit dem Begriff „Vorbehalt" ist ebenfalls nicht möglich, da die Umschreibung „Vorbehalt" nur ein Teilausschnitt aus dem Bedeutungsgehalt von Unberührtheitsklauseln erfassen. 2. Die (verfassungsgerichtliche) Rechtsprechung zu Unberührtheitsklauseln betrifft schwerpunktmäßig die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes nach Art. 131 GG. Nach dieser Rechtsprechung stellen Unberührtheitsklauseln im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit ein Instrument dar, um klarzustellen, daß eine erschöpfende bundesgesetzliche Regelung in dem betreffenden Rechtsbereich nicht beabsichtigt ist. Damit stellen Unberührtheitsklauseln den Spielraum der Ländergesetzgebung in dem betreffenden Rechtsgebiet dar. Darüberhinaus werden die Länder innerhalb des aufgezeigten Spielraums ermächtigt, bestehendes Landesrecht zu ändern oder neues Landesrecht zu erlassen. Was den Bereich der Sondergesetzgebung des Bundes nach Art. 131 GG betrifft, kann nicht auf die Art. 70 ff. GG zurückgegriffen werden. Hier bedeuten Unberührtheitsklauseln schlicht ein Sich-Enthalten des Bundes von der Gesetzgebung. Für die Bedeutung von Unberührtheitsklauseln hilft die jeweilige Kompetenzvorschrift, der die entsprechende Regelung zugeordnet ist, allerdings nicht unbedingt und alleine weiter. Es sind zusätzlich Sinn und Zweck der Gesetzesmaterie für eine Auslegung heranzuziehen.

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3. Unberührtheitsklauseln stellen den Grundsatz des Vorrangs der Verfassung auf, indem sie die Geltungskraft von Teilregelungen eines Gesetzes, die an sich zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führen würden, zu Gunsten der Verfassung aufheben. 4. Mit der Wendung „bleibt unberührt" kann der Bundesgesetzgeber Detailregelungen dem Landesgesetzgeber vorbehalten. Dies ist ein „übliches Mittel der Gesetzgebungstechnik", wenn der Bund eine Materie im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nicht umfassend regeln will oder im Bereich der Rahmengesetzgebung nicht umfassend regeln kann. Dies hat allerdings nur rechtsverdeutlichende Wirkung, weil sich die bundesstaatliche Gesetzgebungskompetenzverteilung bereits aus der Verfassung ergibt. Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz haben Unberührtheitsklauseln dagegen eine rechtsbegründende Funktion, wenn sie den Ländern im Sinne einer Ermächtigung einen Gesetzgebungsspielraum eröffnen, den sie kraft Verfassungsrecht nicht hätten. Die Verwendung von Unberührtheitsklauseln in diesem Bereich ist grundsätzlich denkbar, allerdings bislang nicht bekannt. 5. Bei umfassenden Neukodifikationen trifft der Bundesgesetzgeber oft auf Rechtsnormen, die von anderen Normsetzungsorganen auf anderer Ebene erlassen wurden. Will der Bundesgesetzgeber, obwohl es sich um u.U. widersprechendes Recht handelt, gleichwohl dieses Landesrecht in Kraft belassen, verwendet er vielfach Unberührtheitsklauseln. Dabei ist in der Regel zu Gunsten des Landesgesetzgebers auch die Befugnis enthalten, dieses Recht zu ändern und in gewissen Grenzen neues Recht zu erlassen. 6. Sieht der Bund die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit eines anderen Gesetzgebungsorgans und will er dies deutlich machen, tut er dies häufig mit der Wendung „bleibt unberührt". 7. Die ausdrückliche Normierung allgemeiner kollisionsrechtlicher Grundsätze bezwecken Unberührtheitsklauseln, wenn sie den Vorrang einer jüngeren Norm, einer höherrangigen Norm oder einer spezielleren Norm regeln. Gleichwohl können Unberührtheitsklauseln auch das Gegenteil der allgemeinen Kollisionsgrundsätze aussagen. 8. Innerhalb des gleichen Gesetzes werden Unberührtheitsklauseln entweder benutzt, um eine Ausnahmevorschrift zu konstituieren, oder um einen Auffangtatbestand deutlich zu machen. Schließlich kann der Tatbestand einer Norm erweitert werden, indem weitere Tatbestandsmerkmale bzw. Anforderungen zum Tatbestand der Stammnorm hinzukommen. Unberührtheitsklauseln machen dann eine nicht abschließende Regelung deutlich.

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9. Indem Unberührtheitsklauseln Widersprüche beseitigen oder zumindest die Verbindung zwischen zwei sich eigentlich widersprechenden Normen herstellen, normieren sie den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. 10. Kennzeichen einer umfassenden Kodifikation ist die abschließende und umfassende Normierung eines Rechtsbereichs. Werden mit Unberührtheitsklauseln Vorbehalte zu Gunsten anderer Gesetzgebungsorgane geschaffen, wird dieses Kodifikationsprinzip durchbrochen. 11. Im Verhältnis zu außerstaatlichen Normsystemen zeigen Unberührtheitsklauseln, daß kein Rangverhältnis zum staatlichen Recht besteht. Zum anderen zeigen sie, daß der Staat vertragliche Bindungen mit außerstaatlichen Organisationen einhalten will. 12. Unberührtheitsklauseln können zum einen rechtserweiternde, aber auch rechtsbeschränkende Funktionen haben. 13. Bezieht sich die Wendung „bleibt unberührt" auf bestimmte Rechtspositionen vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes, dient sie dem Ausschluß bzw. der Durchbrechung einer Rückwirkung des Gesetzes. 14. Verweisen Unberührtheitsklauseln auf die Geltung anderer, u.U. entgegenstehender Rechtsnormen, wirken sie für das Gesetz, das die Unberührtheitsklausel enthält, geltungsbeschränkend. 15. Unberührtheitsklauseln sind von Verweisungen abzugrenzen. Denn Verweisungen „inkorporieren" den Normtext anderer Regelungen. Dies erfolgt durch die Unberührtheitsklauseln gerade nicht. Regelungen mit Verweisungen sind daher „unvollständig", Regelungen mit Unberührtheitsklauseln dagegen „vollständig". 16. Unter dem Gesichtspunkt der Normenklarheit und der Normenbestimmtheit sind Unberührtheitsklauseln zwar bedenklich. Jedoch hat die Verfassungsrechtsprechung die Schwelle der Verfassungswidrigkeit unklarer und unbestimmter Rechtsbegriffe und Rechtsnormen so hoch gelegt, daß Unberührtheitsklauseln nicht darunter fallen. Denn eine Begriffsdeutung ist mit Hilfe der Auslegung immerhin noch möglich. 17. Ein typischer Anwendungsbereich ist nach den vorangegangenen Untersuchungen nicht auszumachen. Unberührtheitsklauseln sind nicht auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkt und auch nicht auf bestimmte Formen der Gesetzgebung. Typisch ist ihr Anwendungsbereich nur insoweit, als sie einen Ausgleich zwischen neuem Recht, gleich welcher Form, und bereits bestehendem Recht schaffen. Unberührtheitsklauseln sind also Kollisionsnormen. Sie werden typischerweise dann verwendet, wenn eine Kollision zwischen zwei Normen, einer alten, weitergeltenden Norm und einer neu hinzukommenden Norm, zu lösen ist.

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