Innovationen, Heterogenität und Struktur in Mikro-Makro-Modellen: Von der Kritik an den bekannten Ansätzen hin zu einem neuen Modell [1 ed.] 9783428487622, 9783428087624

Seit der Wiederentdeckung der Werke J. A. Schumpeters besteht ein großes Interesse an der Bedeutung von Innovationen für

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German Pages 245 Year 1996

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Innovationen, Heterogenität und Struktur in Mikro-Makro-Modellen: Von der Kritik an den bekannten Ansätzen hin zu einem neuen Modell [1 ed.]
 9783428487622, 9783428087624

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RAINER VOSSKAMP

Innovationen, Heterogenität und Struktur in Mikro-Makro-Modellen

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broennann t

Heft 459

Innovationen, Heterogenität und Struktur in Mikro-Makro-Modellen Von der Kritik an den bekannten Ansätzen hin zu einem neuen Modell

Von

Rainer Voßkamp

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vosskamp, Rainer: Heterogenität und Struktur in Mikro-MakroModellen: von der Kritik an den bekannten Ansätzen hin zu einem neuen Modell! von Rainer Vosskamp. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 459) Zug!.: Osnabrück, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08762-3 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08762-3

e

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Vorwort Innovationen sind für die Entwicklung einer Volkswirtschaft von großer Bedeutung. Dieser Zusammenhang wurde zuerst von Joseph A. Schumpeter Anfang unseres Jahrhunderts in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung analysiert. Nachdem seine Untersuchungen lange Zeit recht wenig Beachtung gefunden haben, ist heute angesichts der wirtschaftlichen Situation in vielen Staaten das Thema Innovationen Gegenstand vieler wirtschaftstheoretischer und wirtschaftspolitischer Diskussionen. Innovationen werden von den Unternehmen hervorgebracht. Prozeßinnovationen verändern das Angebotsverhalten der Unternehmen, Produktinnovationen generieren geändertes Nachfrageverhalten. Damit gehen von Innovationen auch Wirkungen auf die Marktstrukturen und die Wirtschaftsstruktur aus. Folglich lassen sich die einzelnen Zusammenhänge zwischen der mikro-, meso- und makroökonomischen Ebene nur in einem Mikro-Makro-Ansatz abbilden. Darüber hinaus gestaltet sich die Analyse der Wirkungen von Innovationen sehr komplex, da der Heterogenität von Unternehmen, Sektoren, Produkten und Haushalten Beachtung geschenkt werden muß. Aus der Bearbeitung dieses Themenkomplexes res.ultiert die vorliegende Untersuchung, die im November 1995 vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertationsschrift angenommen wurde. Die Arbeit entstand am Lehrstuhl für Makroökonomische Theorie, der von Herrn Prof. Dr. Bernd Meyer geleitet wird. Herr Prof. Dr. Bernd Meyer hat das Dissertationsvorhaben ermöglicht und stets gefördert. Für seine konstruktive Unterstützung, aber auch für die Gestaltungsfreiräume gebührt ihm mein besonderer und herzlicher Dank. Herr Prof. Dr. Wulf Gaertner hat das Korreferat übernommen. Ihm verdanke ich viele Anregungen und detaillierte Verbesserungsvorschläge. Positiven Einfluß hatten auch die zum Teil sehr hitzigen und kontroversen und dennoch förderlichen Diskussionen, die ich bei den Seminaren des DFG-Schwerpunktprogramms Marktstruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung und beim 2. Seminar zur Evolutorischen Ökonomik in Buchenbach erleben konnte. Der DFG sei deshalb für zeitweilige finanzielle Förderung gedankt, Herrn Prof. Dr. Ulrich Witt für sein Engagement und seine wichtigen Hinweise für meine Arbeit.

6

Vorwort

Zum Gelingen der Arbeit haben ebenfalls meine makro- und mikroök0nomischen Kollegen am Fachbereich beigetragen. Hervorheben möchte ich Herrn Dipl.-Vw. Christian Lutz, Frau Dipl.-Vw. Antje Fitschen-Lischewski und ganz besonders Frau Dipl.-Vw. Carolin Vogt. Sie hat über mehrere Jahre geduldig und freundlich am gegenüberstehenden Schreibtisch gesessen und mich, meine Fragen und die typischen Launen eines Promotionskandidaten ertragen. Ihre ständige Diskussionsbereitschaft war mir eine große Hilfe. Ein Glück für mich war, daß oft auch noch zu später Stunde Herr Dr. Reinhard Suck bereit war, interdisziplinär über gelöste und ungelöste ökonomische und nicht-ökonomische Mikro- und Makro-Probleme im FrickeBlöcks zu diskutieren. Abschließend möchte ich mich noch bedanken bei Herrn Dr. Niko Paech und Herrn Dipl.-Kfm. Gunar Schöer (für 'fEX-Dateien), Frau Dr. Renate Lux (für Promotionserfahrungen aus der Biologie), meinen Eltern und Geschwistern sowie einigen Verwandten und vielen Freunden (für vieles Verschiedenes) und bei allen anderen, die ich vergessen habe. Ein ganz lieber Dank ist für Heike Bellin bestimmt. Osnabrück, im Januar 1996

Rainer Voßkamp

Inhaltsübersicht A. Einleitung..........................................................

19

I.

Zur Fragestellung der Untersuchung.......... ........ ....... .. . .

19

11.

Die Gliederung der Untersuchung................................

23

IU. Konventionen zur Notation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I.

Heterogenität und Struktur .....................................

28

II.

Innovationen, Heterogenität und Struktur .......................

52

IH. Zur Konzeption von Mikro-Makro-Modellen .....................

67

IV. Mikro-Makro-Modelle ........................................... V.

Der Weg zu einem neuen Modell.................................

82 101

C. Neue Ansätze ...................................................... 113 I.

Das Mikro-Makro-Modell mMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

113

11.

Anwendungen des Modells mMM . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. ..

143

III. Oligopoltheoretische Erweiterungen des Modells mMM . . . . . . . . ..

158

IV. Zur Berücksichtigung von Heterogenität in Nachfragefunktionen: ein modifizierter Lancaster-Ansatz........................ . . . . . ..

175

V.

Mathematischer Anhang zu Teil C. ........... . . ............ . .. .. 201

D. Zusammenfassung und Ausblick.. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 211 I.

Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

211

11. Der weitere Weg - ein Ausblick. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. 214 Literaturverzeichnis .................................................

225

Namenregister. . . . . .. . . .. . . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . 239 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 243

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung..........................................................

19

I.

Zur Fragestellung der Untersuchung......... . ... ............ ....

11.

Die Gliederung der Untersuchung. ............ .......... ... .. .. ..

III. Konventionen zur Notation. ... ............... ..... . .. ....... . . ..

19 23 26

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten.....................

28

Heterogenität und Struktur .....................................

28

I.

11.

1. Heterogenität ................................................

28

a) Was ist Heterogenität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

28

b) Varianten von Heterogenität..............................

29

c) Historische Anmerkungen.............. ............ ... ....

34

2. Struktur.....................................................

36

a) Der Zusammenhang von Heterogenität und Struktur.. . ...

36

b) Marktstruktur ...........................................

38

c) Wirtschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

d) Historische Anmerkungen..... ......... ..... .. . . . ..... . . ..

42

3. Wozu Heterogenität und Struktur abbilden? ..................

43

a) Allgemeine Bemerkungen .. ............ ................ ...

43

b) Das Koordinationsproblem .... . ........ ..... . .. . ...... . ...

44

c) Wettbewerb und Marktstruktur ........ ............... ....

45

d) Wirtschaftsstruktur . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . .. .. ... . . . . . . . . . . .

46

4. Das repräsentative Individuum und Struktur. ....... ..........

47

a) Die Verwandten des repräsentativen Individuums. . .... ....

47

b) Zur Bedeutung und Begründung des repräsentativen Individuums ..................................................

48

c) Kann das repräsentative Individuum Struktur abbilden? . ..

49

d) Die kritische Beurteilung des repräsentativen Individuums.

50

5. Zusammenfassung und Überleitung... . .. .. .. ........... . . ... .

51

Innovationen, Heterogenität und Struktur .......................

52

1. Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

10

Inhaltsverzeichnis a) Die Phasen des Innovationsprozesses

52

b) Die Klassifizierung von Innovationen ......................

53

c) Unsicherheiten in Innovationsprozessen ...................

55

d) Technischer Fortschritt. . . ... .. . .... . ........ .... . . . ... .. . .

57

2. Heterogenität als Voraussetzung für Innovationen. . . . . . . . . . . . .

58

3. Die Wirkungen von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

a) Die Auswirkungen von Prozeßinnovationen ...... . .. . .. .. . .

60

b) Die Auswirkungen von Qualitätsverbesserungen ...........

63

c) Die Auswirkungen neuer Produkte..... ............ . .. ....

65

4. Empirische Befunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

5. Zusammenfassung und Überleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

IH. Zur Konzeption von Mikro-Makro-Modellen ........... . .........

67

1. Grundsätzliche Bemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

a) Was sind Mikro-Makro-Modelle? ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

b) Historische Anmerkungen.............. .......... . . ... ... .

69

c) Zur Notwendigkeit von Mikro-Makro-Modellen ............

70

d) Die Rolle der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie . . . . . . . . . . .

71

2. Aggregation..................................................

73

a) Das Aggregationsproblem .............. ........... .. . . ....

73

b) Explizite Aggregation ....................................

74

c) Nicht-explizite Aggregation I: geschlossene Aggregation. . ..

75

d) Nicht-explizite Aggregation II: offene Aggregation. . . . . . . . .

75

e) Eine alternative Klassifikation der Aggregationsansätze .. . .

77

3. Zur Klassifikation von Mikro-Makro-Modellen ................

78

a) Aggregation in Mikro-Makro-Modellen ....................

78

b) Mikrofundierung der Makroökonomik (MFM-Ansätze) . . . . .

78

c) Micro-to-macro-Modelle (MTM-Ansätze) . .. ........... ....

80

4. Zusa~menfassung und Überleitung...........................

81

IV. Mikro-Makro-Modelle...........................................

82

1. Mikrofundierte Makro-Modelle (MFM-Modelle) . .......... .. ..

82

a) Die Theorie der Real Business Cycles .....................

82

b) Die Neue Keynesianische Makroökonomik .................

84

c) Die Neue Wachstumstheorie ..............................

87

2. Mikrosimulationsmodelle (MTM-Modelle) ....................

91

a) Die Modelle von Nelson und Winter.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

b) Das Modell MOSES. .. .. ... ....... ..... ........ ... . . .. .. . .

94

Inhaltsverzeichnis c) Das Modell von Bennett und Bergmann.... . . . . . . .. ... . . . . V.

11 97

3. Das Barone-Helmstädter-Modell .. . . ....... .. . ...... . . . . . . .. ..

98

Der Weg zu einem neuen Modell.................................

101

1. Kritischer Vergleich der Mikro-Makro-Ansätze . . . . . . . . . . . . . . ..

102

a) Zur Vorgehensweise ..... . . ... ... ...... . . . ....... .. .. . . .. ..

102

b) Die Berücksichtigung des technischen Fortschritts .........

103

c) Die Berücksichtigung von Heterogenität. . .. .. .. .. . .. . . . . ..

104

d) Die Berücksichtigung der Markt- und Wirtschaftsstruktur . 105

c.

e) Neoklassik versus Evolutorische Ökonomik ....... '" . . . ...

106

f) Zur Methodik der Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

106

g) Resümee des Modellvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

107

2. Grundlagen für ein neues Modell... . ...... .... .. . . . . . .... ....

108

a) Wozu ein neues Modell? ..................................

108

b) Der Beitrag der bekannten Mikro-Makro-Modelle. . . . . . .. ..

110

c). Der Beitrag der Oligopoltheorie . ....... ...... .... . . ... .. ..

110

d) Der Beitrag der Input-Output-Analyse. .... .. .. . . . .... ....

111

e) Der Bauplan für ein neues Modell... . . . . . ....... .. ... ... ..

111

3. Zusammenfassung und Überleitung....................... . . ..

111

Neue Ansätze ...................................................... 113 1.

Das Mikro-Makro-Modell mMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

113

1. Überblick .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

113

2. Zur Notation. ............ .. .......... ..... ....... . ....... ....

115

3. Das Modell ..................................................

117

a) Die Annahmen des Modells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

117

b) Die Lösung des Modells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

122

4. Die Analyse des Modells. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 126 a) Marktanteilsverschiebungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

128

b) Die Determinanten der sektoralen Umsätze................

129

c) Die Determinanten der sektoralen Preise und Mengen. ....

130

d) Gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge ...................

134

e) Markteintritt .............................................

135

5. Erweiterungen ................................................

135

a) Die Endogenisierung der Endnachfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

135

b) Die Möglichkeiten der Dynamisierung des Modells. . . . . .. ..

139

6. Zusammenfassung, Kritik und Überleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

142

Inhaltsverzeichnis

12 II.

Anwendungen des Modells mMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

143

1. Überblick................................................. . ..

143

2. Innovation und Konzentration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

144

a) Zur Fragestellung....... . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . ..

144

b) Die Anwendung des Modells mMM.......................

145

c) Resümee..................................................

148

3. Marktstruktur und Inflation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

149

a) Zur Fragestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

149

b) Die Anwendung des Modells mMM ...... . ... . ... . ... . ....

151

c) Resümee..................................................

152

4. Renditenverteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

152

a) Zur Fragestellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

152

b) Die Anwendung des Modells mMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

153

c) Resümee..................................................

158

IH. Oligopoltheoretische Erweiterungen des Modells mMM.... . . ....

158

1. Überblick....................................................

158

2. Die Klassifikation der Sektoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

159

3. Das Modell P+Q. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

161

a) Das Angebot .............................................

161

b) Die Nachfrage............................................

162

c) Die Herleitung und Diskussion der Reaktionsfunktionen ...

166

d) Die Herleitung des Preisvektors ...........................

167

4. Die Analyse des Modells P+Q ............. ........... . . .. ....

169

a) Die Determinanten der Preise. . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . ..

169

b) Die Determinanten der Marktanteile. . . . .. .. . .. ....... . . ..

170

c) Die Determinanten des Herfindahl-Indexes ................

172

5. Die Verknüpfung der Modelle mMM und P+Q. . . . . . . . . . . . . ..

173

6. Zusammenfassung und Überleitung...........................

173

IV. Zur Berücksichtigung von Heterogenität in Nachfragefunktionen: ein modifizierter Lancaster-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

175

1. Überblick....................................................

175

2. Der modifizierte Lancaster-Ansatz ML .......................

176

a) Der klassische Lancaster-Ansatz . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . ..

176

b) Die Modifikation des Lancaster-Ansatzes ..................

179

c) Einige Überlegungen zum (x, Q)-Diagramm ...............

180

d) Die graphische Herleitung des (a,p)-Diagramms ...........

181

Inhaltsverzeichnis

13

e) Einige analytische Überlegungen zum (a, p)- Diagramm

183

3. Zur Problematik repräsentativer Haushalte ...................

185

a) Weshalb werden mehr als maximal zwei Güter nachgefragt? 185

V.

b) Die Berücksichtigung heterogener Nutzenfunktionen. . . . . ..

185

c) Die Berücksichtigung der Einkommensverteilung. ..........

187

4. Die Determinanten der Nachfrage ............................

188

a) Die Einkommensabhängigkeit von Nachfragefunktionen ....

188

b) Die Preisabhängigkeit der Nachfrage ......................

194

c) Die Qualitätsabhängigkeit der Nachfrage..................

197

d) Die Wirkungen von Markteintritten . . . . ..... . . . . . . .. .. . ...

198

5. Zusammenfassung, Kritik und Überleitung....................

200

Mathematischer Anhang zu Teil C. . . ..... . . . . . . .... . ..... .. . . . ..

201

1. Einige Eigenschaften von Leontief-Inversen. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

201

2. Die Faktornachfragefunktionen und die (kurzfristige) Kostenfunktion im Modell P+Q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

205

3. Die Reaktionsfunktionen im Modell P+Q . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

207

4. Die Marktanteile im Modell P+Q...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

208

D. Zusammenfassung und Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ...

211

Zusammenfassung. .......... .. ............ . . . . ............ . . . ...

211

1. Heterogenität und Struktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

211

I.

2. Mikro-Makro-Modelle .........................................

211

3. Innovationen.................................................

214

11. Der weitere Weg - ein Ausblick.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 214 1. Das Ziel: ein empirisch gestütztes, dynamisches Mikro-MakroModell.......................................................

214

2. Zur Bedeutung der Methode der Simulation ..................

215

3. Zur Dynamisierung der vorliegenden Ansätze. . . . . . . . . . ... ....

216

4. Zur Bedeutung evolutorischer Elemente. ... . . .. . .... . . . . .. ....

219

5. Zu den Möglichkeiten empirischer Arbeit .....................

220

6. Ein Schlußplädoyer für Heterogenität und evolutorische Ansätze in der Ökonomik ..........................................

223

Literaturverzeichnis .................................................

225

Namenregister........................... . ............................

239

Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

243

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Varianten von Heterogenität und wichtige Bestimmungsgründe ....................................................

31

Tabelle 2:

Das morphologische Marktformenschema ..................

33

Tabelle 3:

Liste der betrachteten i\nsätze ............. ............ ...

102

Tabelle 4:

Heterogenität in ausgewählten i\nsätzen ..................

104

Tabelle 5:

Struktur in ausgewählten i\nsätzen .......................

105

Tabelle 6:

Charakteristika der MFM- und MTM-Modelle .............

109

Tabelle 7:

Zur Notation .............................................

116

Tabelle 8:

Die Eigenschaften der Reaktionsfunktionen ................

168

Tabelle 9:

Qualitäten und Preise der Produkte in Oeconomia ....... . .

187

Tabelle 10: Die Verwendung des Budgets in Oeconomia ...............

188

Tabelle 11: i\usgabenfunktionen in Oeconomia ........................

190

Tabelle 12: Nachfrage und Marktanteile in Oeconomia ................

192

Tabelle 13: Die Wirkungen von Budgetveränderungen in Oeconomia I.

193

Tabelle 14: Die Wirkungen ,:,on Budgetveränderungen in Oeconomia 11 Tabelle 15: Die Wirkungen eines Markteintritts im modifizierten Lancaster-i\nsatz .............................................

194

Tabelle 16: Die neuen i\nsätze im Überblick ..........................

213

198

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Parameteränderungen, Heterogenität und Struktur

37

Abbildung 2:

Das vereinfachte Input-Output-Schema ................

41

Abbildung 3:

Der Innovationsprozeß ................................

53

Abbildung 4:

Formen von Innovationen .............................

54

Abbildung 5:

Innovationen, Heterogenität und Struktur .............

57

Abbildung 6:

Die Wirkungen von Prozeßinnovationen ...............

61

Abbildung 7:

Die Wirkungen von Produktinnovationen .............

64

Abbildung 8:

Aggregationsprinzipien und Mikro-Makro-Konzepte ...

79

Abbildung 9:

Die Barone-Kurve ....................................

99

Abbildung 10: Aggregation und Mikro-Makro-Modelle ...............

108

Abbildung 11:

Der Plan für ein neu es Modell ........................

112

Abbildung 12:

Die wichtigsten Zusammenhänge des Modells mMM

127

Abbildung 13: Der Zusammenhang von Inflation und Konzentration

152

Abbildung 14:

Das modifizierte Input-Output-Schema ................

161

Abbildung 15:

Die Verknüpfung der Modelle mMM und P+Q .......

174

Abbildung 16:

Der Lancaster-Ansatz .................................

178

Abbildung 17:

Charakterisierung der Produkte im (x, Q)-Diagramm..

181

Abbildung 18:

Die Herleitung des (a,p)-Diagramms ..................

182

Abbildung 19: Abbildung 20:

Unmögliche Situationen im (a,p)-Diagramm .......... Der Lancaster-Ansatz mit unterschiedlichen Nutzenfunktionen ................................................ Der Lancaster-Ansatz mit einer nicht homothetischen Nutzenfunktion und verschiedenen Budgets ........... Die Engelkurven im modifizierten Lancaster-Ansatz: das Beispiel Oeconomia ................................... Die Wirkungen einer Preissenkung im modifizierten Lancaster-Ansatz ......................................... Die Wirkungen eines Markteintritts im modifizierten Lancaster-Ansatz .....................................

184

Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24:

186 189 191 195 199

Abkürzungsverzeichnis ADM AGE AGT CGE EÖ

Arrow /Debreu/McKenzie Applied General Equilibrium Allgemeine Gleichgewichtstheorie Computable General Equilibrium Evolutorische Ökonomik

FuE

Forschung und Entwicklung

IE

Industrial Economics Input-Output-Analyse Mikrofundierung der Makroökonomik

IOA MFM MM MMM

Mikro-Makro

MTM NKM NWT RBC

Mikro-Meso-Makro micro-to-macro Neue Keynesianische Makroökonomik Neue Wachstumstheorie Real Business Cycles

c. p.

ceteris pari bus

o. B. d. A.

u. d. N.

ohne Beschränkung der Allgemeinheit unter der Nebenbedingung

mMM

Modellbezeichnung (vgl. Kapitel C.I.)

ML

Modellbezeichnung (vgl. Kapitel C.III.) Modellbezeichnung (vgl. Kapitel C.lV.)

P+Q

2 Voßkamp

A. Einleitung J. Zur Fragestellung der Untersuchung Das ökonomische Geschehen ist in jeder realen Ökonomie durch H eterogenität gekennzeichnet. Individuen agieren als Nachfrager auf Märkten mit

unterschiedlichen Präferenzen und Budgets. Anbieter sind Unternehmen, die sich ebenfalls in einer Reihe von Eigenschaften unterscheiden können. Zu nennen sind zum Beispiel das hergestellte Produkt, die Kapitalausstattung, das technische Wissen oder das Verhalten. Die hergestellten Produkte weisen zum Teil Qualitätsunterschiede auf und ihnen kommen als Vorleistungs-, Konsum- oder Investitionsgüter sehr unterschiedliche Bedeutungen zu. Außerdem besteht jede reale Ökonomie aus einer Vielzahl von mannigfaltigen Sektoren (Märkte bzw. Industrien), die jeweils durch spezifische Eigenarten gekennzeichnet sind. Die empirische Wirtschaftsforschung wird diesen Formen von Heterogenität in vielen Fällen gerecht, indem sie zahlreiche Verfahren entwickelt hat und diese für viele Fragestellungen zur Anwendung bringt. Hierzu zählen u. a. Panel-Untersuchungen oder sektoral disaggregierte Studien. Derartige Arbeiten belegen zum Beispiel zweifelsfrei, daß sich Unternehmen in Innovations- und Preissetzungsverhalten unterscheiden oder daß sowohl Konjunkturzyklen als auch Wachstumspfade regional und sektoral divergieren. Im Gegensatz zu den Arbeiten der empirisch orientierten Ökonomen nimmt in der Wirtschaftstheorie die Heterogenität - gleich welcher Art in fast allen Bereichen eine stiefmütterliche Rolle ein. Das Konzept des repräsentativen Individuums und die Annahme identischer Individuen gelten vielfach als akzeptierte Bausteine in ökonomischen Modellen. Dies erstaunt, da hierdurch per Annahme die oftmals notwendige Modellierung von Heterogenität ausgeschlossen wird, so daß viele Phänomene nur unzureichend erklärbar sind. Das Beispiel der divergierenden Wachstumspfade, welches zu diesen Phänomenen zu zählen ist, zeigt zugleich auf einer fundamentaleren Ebene die Notwendigkeit der Abbildung von Heterogenität. Als die zentrale Determinante des Wachstums ist der technische Fortschritt zu nennen. Schumpeter folgend sind temporäre Monopolgewinne notwendig, damit Innovationen durchgesetzt werden können: Am Markt muß es erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen geben. Das Faktum, daß technischer Fortschritt 2*

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A. Einleitung

nur denkbar ist, wenn Heterogenität zwischen Unternehmen besteht, wird aber in der Wachstumstheorie nur selten berücksichtigt. Mit dem Begriff der Heterogenität ist der der Struktur eng verbunden. Die Unterschiedlichkeit der Teile eines Ganzen machen die Komplexität der Struktur des Ganzens aus. Die Heterogenität der Unternehmen erzeugt zum Beispiel eine komplexe Marktstruktur , die Heterogenität der Sektoren die Wirtschaftsstruktur. Durch die Vernachlässigung von Heterogenität in der Wirtschaftstheorie ist es deshalb nicht verwunderlich, daß auch eine starke Außerachtlassung von Strukturfragen festzustellen ist. Wird mit der Annahme repräsentativer oder identischer Individuen gearbeitet, so wird der Marktstruktur sowie der Wirtschaftsstruktur keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Mit der Behandlung von Struktur sind stets zwei Ebenen der Betrachtung möglich. Die erste Ebene behandelt den Gegenstand als ein Ganzes. Die zweite Ebene betrifft die durch die Struktur auszumachenden Teile des Gegenstandes und ihre Interaktion. Konkreter bedeutet dies, daß bei der Marktstruktur die mikroökonomische und die mesoökonomische Ebene angesprochen wird, bei der Wirtschaftsstruktur die mesoökonomische und die makroökonomische. Wenn man also Heterogenität zwischen Unternehmen und zwischen Sektoren untersuchen will, so wird man sich mit Mikro-Meso-Makro-Modellen beschäftigen müssen, da nur diese Modelle die Markt- und Wirtschaftsstruktur in einer Volkswirtschaft abbilden können. Die Konstruktion von Mikro-Meso-Makro-Modellen, oder kurz MikroMakro-Modellen (MM-Modelle), ist ein bekannter Forschungsgegenstand

in der Ökonomik, der sich allerdings zunächst auf der Basis ganz anderer Erwägungen entwickelte. Beginnend mit K eynes' Arbeiten, wird die Wirtschaftstheorie mehr oder weniger fein säuberlich in Mikro- und Makroökonomik eingeteilt. Seitdem haben Autoren immer wieder versucht, beide Analyseformen konsistent zu verbinden oder gar eine Synthese zwischen beiden herzustellen. Die meisten dieser Ansätze sind durch die Allgemeine Gleichgewichtstheorie (AGT) inspiriert und basieren auf dem Konzept des repräsentativen Agenten. Folglich verzichten sie in aller Regel auf die Abbildung von Heterogenität und stellen keine Strukturen dar. Dennoch glauben die Vertreter dieser Ansätze, Innovationsprozesse abbilden zu können. Die Modelle dieser Ausrichtung, die in der Literatur unter dem Stichwort Mikrofundierung der Makroökonomik zu finden sind, sollen MFM-Modelle genannt werden. Eine wesentlich geringere Bedeutung hat bislang die andere Klasse von MM-Modellen erlangt. Es sind die Modelle, die auf dem expliziten Aggregationsprinzip basieren. Dies bedeutet, daß z. B. jedes Unternehmen mit

I. Zur Fragestellung der Untersuchung

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seinen speziellen Eigenschaften modelliert wird. Aggregierte Variablen ergeben sich durch Zusammenfassung der Variablen der einzelnen Unternehmen. Diese Modelle sollen, Eliasson folgend, als micro-to-macro-Modelle (MTM-Modelle) bezeichnet werden. Viele der MTM-Modelle enthalten aufgrund der abgebildeten Heterogenität sehr komplexe Strukturen. Aus diesem Grund verlassen die Autoren, die MTM-Modelle konzipieren, fast ausschließlich den engen analytischen Rahmen und erarbeiten Simulationsstudien. Das Ergebnis einer Sichtung der bekannten MM-Modelle ist, daß in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur solche MM-Modelle gänzlich fehlen, die die Bedeutung der Heterogenität von Unternehmen und Sektoren für die Innovationsprozesse in einer Ökonomie herausstellen. Somit sind auch keine MM-Modelle zu finden, die die Wirkungen von Innovationen auf die Marktstruktur sowie die Wirtschaftsstruktur betrachten. Es ist weiterhin zu vermerken, daß die Ansätze, die diese Fragen am ehesten beantworten könnten, nicht als analytische Modelle formuliert sind. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist es, einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu leisten. Hierzu wird in Teil C. der Arbeit das Modell mMM präsentiert, daß die elementaren Eigenschaften der MTM-Modelle enthält, aber den analytischen Rahmen nicht verläßt. Das Modell mMM betrachtet n Märkte. Auf jedem Markt agiert eine von Markt zu Markt unterschiedliche Zahl von Ein-Produkt-Unternehmen, die durch unterschiedliche Kapitalausstattungen sowie unterschiedliches technisches Wissen gekennzeichnet sind. Zugrunde gelegt werden CobbDouglas-Produktionsfunktionen mit den Inputs Kapital, Arbeit, technisches Wissen sowie allen n Gütern als Vorleistungen. Mit der weiteren Annahme der kurzfristigen Gewinnmaximierung - die Kapitalstöcke und die Bestände an technischem Wissen sind in der kurzen Frist gegeben kann das Modell gelöst werden. Alle im Güterspektrum einer Ökonomie interessierenden Variablen können bestimmt werden. Dies sind auf der Mikroebene die Produktionsmengen, Umsätze und Marktanteile der Unternehmen, auf der Mesoebene die sektoralen Preise und Mengen sowie Marktstrukturvariablen (insbesondere der Herfindahl-Index) und Renditenverteilungen, auf der Makroebene die gesamtwirtschaftliche Produktion und das Preisniveau. Somit werden die Marktstruktur und die Wirtschaftsstruktur endogen bestimmt. Es kann dann gezeigt werden, wie sich Veränderungen von Mikrovariablen über die Mesoebene auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Umgekehrt kann aber auch untersucht werden, wie exogene Makrovariablen die Meso- und Mikroebene beeinflussen. Dieses Modell rückt offensichtlich die Mesoebene stärker in den Vordergrund als die meisten anderen Ansätze. Dies wird dadurch geschehen, daß Konzepte der Industrieökonomik und der Input-Output-Analyse (IOA) ein-

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A. Einleitung

gebracht werden. Während die Industrieökonomik Marktstrukturen analysiert und damit die Mikro- und die Mesoebene anspricht, ermöglicht die Input-Output-Analyse die disaggregierte Betrachtung makroökonomischer Zusammenhänge und damit die Abbildung der Wirtschaftsstruktur von Ökonomien, so daß die Meso- und Makroebene miteinander verbunden werden. Diese Charakteristika sind die Grundlage für die Motivation der Bezeichnung des neuen Modells als mMM-Modell. Die simultane Betrachtung der Mikro-, Meso- und Makroebene erklärt die Kennzeichnung des neuen Modells durch die drei Buchstaben m, Mund M, wobei die etwas ungewöhnliche Wahl der Schriftarten auf die Berücksichtigung von Heterogenität und Struktur aufmerksam machen soll. Mit dem Modell mMM können zahlreiche grundsätzliche und spezielle Fragestellungen untersucht werden. Zunächst kann analysiert werden, durch welche Variablen sich die Marktstruktur und die Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft bestimmen. Als zweites erlaubt das Modell, die Auswirkungen von mikroökonomischen Veränderungen über die Mesoebene auf die Makroebene zu studieren. Umgekehrt besteht die Möglichkeit, die Auswirkungen makroökonomischer Veränderungen auf das Mikrosystem zu untersuchen. Insbesondere zeigt sich die Leistungsfähigkeit des Ansatzes bei der Analyse des Phänomens des technischen Fortschritts. Beantwortet werden kann, wie Innovationen die Markt- und Wirtschaftsstruktur beeinflussen und wie sich neben unternehmens- und marktspezifischen auch gesamtwirtschaftliche Auswirkungen ergeben. Darüber hinaus kann mit dem Modell an spezielle industrieökonomische Fragestellungen anknüpft werden. Das Modell erlaubt Aussagen zu der Frage, wie sich Innovationsprozesse in unterschiedlichen Unternehmen oder Sektoren darstellen, über den Zusammenhang von Innovation und Konzentration, zur Beziehung von Marktstruktur und Inflation sowie zu den Determinanten von Renditenverteilungen. Es wird sich zeigen, daß bei den angesprochenen Fragen die Heterogenität von Sektoren und Unternehmen und somit implizit die Markt- und die Wirtschaftsstruktur einen wesentlichen Einfluß haben. Die Ausführungen werden zeigen, daß mit der Behandlung von Heterogenität und Struktur große mathematische Probleme verbunden sind, falls der analytische Rahmen nicht verlassen werden soll. Dies zeigt sich insbesondere an der Stelle in dieser Arbeit, an der der Versuch unternommen wird, unterschiedliche Produktqualitäten und unterschiedliche Budgets der Haushalte im Rahmen des oligopolistischen Preis- und Qualitätswettbewerbs abzubilden.

11. Die Gliederung der Untersuchung

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Der Tribut, der durch die Einhaltung des analytischen Rahmens zu zahlen ist, ist hoch. Dynamische A-spekte können nur im Ansatz untersucht werden. Allerdings wird zum Ende der Arbeit gezeigt, wie sich ein dynamisches Mikro-Makro-Modell entwickeln läßt, welches auf den theoretischen Ansätzen dieser Arbeit basiert. Die Arbeit ist unter dem Eindruck entstanden, daß reale ökonomische Systeme - und nicht nur ökonomische - durch viele Varianten von Heterogenität gekennzeichnet sind, daß Heterogenität die ökonomischen Variablen bestimmt, und daß Heterogenität für die Fortentwicklung einer Ökonomie von entscheidender Bedeutung ist. Aus diesem Grunde wird der Unterschiedlichkeit der Individuen, dem ökonomischen Rahmen mit heterogenen Sektoren und Produkten, den damit verbundenen Strukturen sowie dem technischen Fortschritt in dieser Arbeit große Aufmerksamkeit geschenkt. 11. Die Gliederung der Untersuchung

Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Nach dieser Einleitung (Teil A.) werden in Teil B. die notwendigen Grundlagen sowie die bekannten Ansätze behandelt. Das Modell mMM, seine Anwendung sowie Erweiterungen sind Gegenstand des Teils C. Der Teil D. besteht aus der Zusammenfassung der Ergebnisse und dem Ausblick. Das Kapitel B.1. beschäftigt sich ausführlich mit der Definition und der Bedeutung von Heterogenität und Struktur sowie ihrem Zusammenhang. Hier werden mit der Heterogenität der Haushalte, Unternehmen, Produkte und Sektoren sowie der Markt- und Wirtschaftsstruktur die Varianten von Heterogenität bzw. Struktur erläutert, denen im Verlauf der Arbeit eine besondere Rolle zukommt. Beendet wird dieses Kapitel durch eine kritische Darstellung des Konzepts des repäsentativen Individuums, welches vornehmlich in den MFM-Modellen - als adäquate Möglichkeit angesehen wird, Mikro-Makro-Zusammenhänge abzubilden. Die Bedeutung von Heterogenität und Struktur für das Entstehen und für die Wirkungen von Innovationen ist der zentrale Gegenstand des Kapitels B.II. Es wird sich als Ergebnis zeigen, daß MM-Modelle notwendig sind, um den Fragen des technischen Fortschritts gerecht zu werden. Dies ist der Ausgangspunkt für das Kapitel B.III., in dem in etwas allgemeinerer Form die verschiedenen Konzeptionen von MM-Modellen motiviert werden. Dazu gilt es das Aggregationsproblem zu besprechen, weil hierauf aufbauend alle MM-Modellierungen in zwei Klassen eingeteilt werden können. MTM-Modelle basieren auf dem expliziten, MFM-Modelle auf dem nicht-expliziten Aggregationsprinzip.

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A. Einleitung

Nach diesen systematisierenden Darlegungen folgt in Kapitel B.lV. die Darstellung der wichtigen MM-Modelle. Vorgestellt werden mit der Real Business Cycle Theory (RBC-Theorie), der Neuen Keynesianischen Makroökonomik (NKM) und der Neuen Wachstumstheorie (NWT) die bedeutendsten neueren Entwicklungen der Makroökonmik, die sämtlich auf dem Konzept der Mikrofundierung der Makroökonomik basieren. Die MTMModelle sind fast ausschließlich als Mikrosimulationsmodelle formuliert. Mit den Beiträgen von Eliasson [1985], Nelson und Winter [1974] sowie Bennett und Bergmann [1986] werden drei wesentliche von ihnen diskutiert. Ein weiterer Abschnitt stellt das Barone-Helmstädter-Modell vor, welches als das einzige analytische MTM-Modell in dieser Arbeit besprochen wird. Dieser industrieökonomische Ansatz unterscheidet sich erheblich von den sonst bekannten Versuchen der Industrieökonomik, makroökonomische Aspekte zu berücksichtigen, da diese sehr stark dem MFM-Ansatz zugewandt sind. Der kritsche Vergleich aller MM-Modelle ist in Kapitel B.V. zu finden. Hergeleitet wird, daß MTM-Modelle in viel stärkerem - aber nicht zufriedenstellendem - Maße Heterogenität und Struktur einfangen können. Weiter wird festgehalten werden können, daß diese Ansätze fast ausschließlich nicht dem neoklassischen, sondern dem evolutorischen Paradigma folgen. Allerdings ist der Preis für derartige Modellierungen in MTM-Modellen recht hoch. Mit der Ausnahme des Barone-Helmstädter-Modells ist kein MTM-Modell bekannt, das kein Mikrosimulationsmodell ist. Dieses Dilemma ist der Ausgangspunkt für die Konstruktion eines neuen MM-Modells, dessen Grundlagen in der zweiten Hälfte des Kapitels B.V. zusammengestellt sind. Neben Elementen aus den bekannten MMAnsätzen werden Beiträge der Oligopol theorie und der Input-Output-Analyse hinzugefügt, um so die Heterogenität von Unternehmen und Sektoren und damit die Markt- und Wirtschaftsstruktur im neuen MM-Modell mMM abbilden zu können. Das Modell mMM, seine Anwendung auf einige Fragestellungen und seine Weiterentwicklungen sind Inhalt des dritten Teils, der die Kapitel C.1. bis C.V. umfaßt. In Kapitel C.1. wird das Modell mMM präsentiert, welches die im vorherigen Kapitel herausgearbeiteten Charakteristika aufweist. Nach der Darstellung und der Lösung des Modells werden die Determinanten der wichtigsten mikro-, meso- und makroökonomischen Variablen sowie der Marktund Wirtschaftsstruktur bestimmt. Außerdem werden die Wechselwirkungen zwischen der mikro-, der meso- und der makroökonomischen Ebene dargestellt und diskutiert, die sich durch Innovationen ergeben. Kleinere Erweiterungen schließen das Kapitel ab.

11. Die Gliederung der Untersuchung

25

Die Anwendung des Modells auf drei industrieökonomische Fragestellungen ist der Gegenstand des Kapitels C.l1. Als erstes soll der Zusammenhang von Innovation und Marktstruktur untersucht werden. Es wird sich zeigen, daß dieser Zusammenhang nicht eindeutig ist. Entscheidend ist die Heterogenität der Unternehmen. Nur im Spezialfall identischer Unternehmen ist eine eindeutige Aussage möglich. Ebenfalls sehr kontrovers wird in der Literatur die market structure-infiation-Beziehung diskutiert. Auch hier wird zu sehen sein, daß die Heterogenität der Unternehmen und Sektoren diesen Zusammenhang maßgeblich beeinflußt. In der wirtschaftspolitischen Diskussion wird seit Mitte der achtziger Jahre um die Bedeutung der Renditenverteilungen gestritten. Außerdem ist nicht klar, ob Helmstädters These, das Renditengefälle habe sich abgeflacht, haltbar ist. Mit Hilfe des Modells mMM können die Determinanten der Renditenverteilungen bestimmt werden. Wieder spielen die Markt- und Wirtschaftsstruktur eine wesentliche Rolle, so daß im Ergebnis festzuhalten ist, daß die Diskussion um die H elmstädter-Thesen wesentlich differenzierter geführt werden muß. Alle drei Anwendungen unterstreichen die Notwendigkeit der Berücksichtung von Heterogenität zwischen Unternehmen und Sektoren. Weil dies von den meisten Autoren aber vernachlässigt wird, erstaunt es nicht, daß sie bei diesen Fragestellungen zu keinen oder widersprüchlichen Ergebnissen gelangen. In Kapitel C.1. wird bereits anklingen, daß der analytische Rahmen kaum für Erweiterungen Platz läßt. Dies wird aber vor allem im Kapitel C.III. deutlich, wenn das Modell mMM in seiner Grundversion ohne oligopolistischen Wettbewerb um Preis- und Qualitätswettbewerb ergänzt werden soll. Möglich wird dies allerdings nur sein, weil in Kapitel C.I11. auf die vollständige Darstellung der Interdependenzen verzichtet wird und ein Oligopolmodell (Modell P+Q) entwickelt wird, wobei typische Nachfragefunktionen der Oligopoltheorie verwendet werden. Mit dem Modell P+Q wird durch die Betrachtung von differenzierten Produkten eine weitere Variante von Heterogenität ins Spiel gebracht, die die Analyse der Wirkungen von Produktinnovationen erlaubt. Es zeigt sich dann, daß die Heterogenität der Produktqualitäten ebenso wie die Kapitalstöcke und die Bestände des technischen Wissens die Variablen des modifizierten Modells beeinflussen. Das Kapitel C.lV. hinterfragt schließlich, ob die in Kapitel C.III. verwendeten Standardnachfragefunktionen der Oligopöltheorie ernsthaft zu rechtfertigen sind. Um dieser sehr grundsätzlichen Frage nachzugehen, wird ein typisches mikroökonomisches Haushaltsproblem mit Haushalten, deren Budgets sich unterscheiden können, formuliert. Die - durch die un-

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A. Einleitung

terschiedlichen Budgets - heterogenen (nutzenmaximierenden) Haushalte haben die Möglichkeit, bei einem gegebenen Budget verschiedene Produkte mit unterschiedlichen Qualitäten zu unterschiedlichen Preisen in unterschiedlichen Quantitäten zu kaufen. Der resultierende Ansatz, der als modifizierter Lcincaster-Ansatz (Modell ML) verstanden werden kann, erlaubt Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Nachfragefunktionen, obwohl sie nicht explizit hergeleitet werden können. Die Eigenschaften dieser Nachfragefunktionen werfen die Frage auf, inwieweit die angesprochenen Standardnachfragefunktionen der Oligopoltheorie zu rechtfertigen sind. Als zweites Ergebnis muß festgehalten werden, daß die Abbildung von Produktheterogenität und die Heterogenität der Haushalte analytisch kaum in den Griff zu bekommen ist, wenn man auf dem Konzept der klassischen Haushaltstheorie beharrt. Trotz der erheblichen Fortschritte durch das Modell beim Verständnis für den Zusammenhang von Innovationen, Heterogenität und Struktur sowie für Wechselwirkungen zwischen der mikro-, der meso- und der makroökonomischen Ebene zeigen die Ergebnisse der Zusammenfassung in Kapitel D.I. in Teil D. die großen analytischen und mathematischen Probleme, die mit einer sinnvollen Darstellung von Heterogenität und Struktur verbunden sind. Der Ausblick (Kapitel D.II.) wird zeigen, wie diese Ergebnisse in einen weiterführenden dynamischen Ansatz eingebracht werden können. Dabei wird gezeigt, inwieweit die entwickelten Ansätze als Basis für ökonometrische Arbeit Verwendung finden können. Zudem wird u. a. geklärt, welchen Stellenwert Simulationsmodelle und die Evolutorische Ökonomik haben. IH. Konventionen zur Notation

Im Rahmen dieser Arbeit werden die Indizes i und j stets zur Bezeichnung eines Sektors - d. h. eines Marktes oder einer Industrie - herangezogen. Unternehmen sind durch die Indizes k und I gekennzeichnet. Alle weiteren Indizes sind zum Teil unterschiedlich verwendet worden. Damit bezeichnet z. B. der doppelte Index jk die Unternehmung k im Sektor j. Vektoren sind fett gesetzt. So gilt z. B. für den Vektor x, der die sektoralen Produktionsmengen Xi beschreibt:

x

:= (Xl, ... , xn)T.

Außerdem werden an vielen Stellen Indexmengen verwendet. Die am häufigsten verwendeten sind N, Mund M j, die für die natürlichen Zahlen n, m, mj ~ 1 wie folgt definiert sind:

N

{l,···,n}

111. Konventionen zur Notation

27

{I,···,m} {I, ... , mj}. Während in Teil B. in aller Regel die Originalbezeichnungen aus zitierten Beiträgen übernommen wurden, ist in den Teilen C. und D. ein eigenes System von Variablenbezeichnungen entwickelt worden (vgl. Abschnitt C.1.2.).

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten I. Heterogenität und Struktur In diesem Kapitel soll sehr grundsätzlich der Zusammenhang von Heterogenität und Struktur geklärt werden. Hieraus resultieren unmittelbar die ersten beiden Abschnitte. Der dritte Abschnitt zeigt exemplarisch an einigen Beispielen die Notwendigkeit, Heterogenität und Struktur abzubilden. Schließlich wird das Konzept des repräsentativen Individuums, das im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch mehrfach angesprochen wird, dahingehend untersucht, ob es Strukturen sinnvoll berücksichtigen kann. Die Fragen der Bedeutung von Innovationen für die Heterogenität und Struktur sind in diesem Kapitel ausgeklammert. Sie werden im nächsten Kapitel besprochen. 1. Heterogenität

N ach der Beantwortung der Frage, was unter Heterogenität zu verstehen ist, werden die Varianten von Heterogenität diskutiert, denen im Laufe dieser Arbeit eine zentrale Rolle zukommt. Einige historische Anmerkungen beenden den Abschnitt.

a) Was ist Heterogenität? Unter Heterogenität ist im engeren Sinne die Anders- oder Verschiedengestaltigkeit oder die Ungleich artigkeit von Dingen zu verstehen. Im nächsten Unterabschnitt werden vier Varianten von Heterogenität erläutert. Es wird sich zeigen, daß die Ungleichartigkeit von Fall zu Fall sehr unterschiedlich ausg~staltet sein kann. Mit der strukturellen und der stochastischen Heterogenität können zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Heterogenität unterschieden werden. Stochastische Heterogenität von Individuen bedeutet, daß sämtliche Unterschiede auf zufällige Einflüsse zurückzuführen sind. Gäbe es sie nicht, wären alle Individuen identisch. Die Ökonometrie hat der Existenz dieser beiden Ausprägungen von Heterogenität Rechnung getragen, indem sie zahlreiche Verfahren (z. B. Schätzverfahren für feste und zufällige Effekte (fixed effects, random effects) in

1. Heterogenität und Struktur

29

Panel-Daten) zur Berücksichtigung von stochastischen und strukturellen Unterschieden bereitgestellt hat (Stoker [1993], S. 1828).

b) Varianten von Heterogenität Heterogenität ist in vielen Bereichen augenfällig und wird deshalb thematisiert. Insbesondere in der Biologie, die sich mit der Vielfalt von Lebewesen beschäftigt, oder den Sozialwissenschaften und der Psychologie, die sich mit der Unterschiedlichkeit von Menschen befassen, hat Heterogenität einen hohen Stellenwert. Die Wirtschaftstheorie befaßt sich - mehr oder weniger - mit unterschiedlichen Varianten von Heterogenität. Dabei kann es sich um heterogene Subjekte wie Objekte handeln. Der Ausgangspunkt dieser Arbeit sei die Beobachtung, daß in jeder realen Ökonomie • heterogene Unternehmen und • heterogene Haushalte • heterogene Produkte anbieten bzw. nachfragen.: Wodurch sich Unternehmen bzw. Haushalte unterscheiden, sei später erörtert. Produkte können sich - grob gesprochen - durch ihre Eigenschaften (Charakteristika) und durch das Produktionsverfahren und damit durch ihre InputkoejJizienten 2 unterscheiden. Für die Nachfrageentscheidungen der Haushalte sind die Eigenschaften der Produkte von Bedeutung. Sind die Charakteristika für zwei Produkte ähnlich, so sind sie substituierbar und werden dem gleichen Markt zugeordnet. Märkte werden also durch die Eigenschaften von Produkten und durch die Haushalte als Nachfrager definiert. Für Unternehmen hingegen spielen Produktionstechnologien die größere Rolle. Ein Unternehmen interessiert sich dafür, welche Produkte aus technologischen Gründen ähnlich sind. Dementsprechend werden Industrien oder Branchen durch die Unternehmen und die technologischen Verfahren zur Herstellung der Pro duke definiert. An einem Beispiel sei die Situation verdeutlicht. Für Konsumenten sind die Güter Butter und Margarine substituierbar. Für eine Molkerei, die 1 Für die einführenden Bemerkungen in diesem Abschnitt kann angenommen werden, daß die Haushalte ausschließlich als Nachfrager und die Unternehmen ausschließlich als Anbieter auftreten. 2Diese Implikation ist problematisch, aber zur Motivation der einführenden Bemerkungen hilfreich.

30

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Butter herstellt, kommt bei einer gewünschten Diversifikation die Herstellung von Margarine kaum in Frage. Eher würde eine Molkerei aufgrund von economies of scope andere Milchprodukte wie Käse oder Joghurt produzieren. Ein Margarinehersteller wird umgekehrt nicht so schnell auf die Idee kommen, Butter zu produzieren, da Butter aus technologischen Gründen sich vollkommen von Margarine unterscheidet. Im allgemeinen ist die Unterscheidung zwischen der institutionellen (Industrien) und der funktionellen Gliederung einer Ökonomie wichtig (vgl. z. B. Kantzenbach [1990]).3 Problematisch ist vor allem, daß die meisten industrieökonomischen Modelle Märkte betrachten, während in der Wirtschaftsstatistik überwiegend mit institutionellen Konzepten gearbeitet wird (Kaufer [1980]). Um dieses Problem zu umgehen, werden in dieser Arbeit Ein-ProduktUnternehmen betrachtet. In diesem Fall ist jede Unternehmung genau einem Markt zuzuordnen. Deshalb können in dieser Arbeit die Begriffe Sektor, Markt und Industrie simultan verwendet werden. Für den Fortgang der Untersuchung ist nun noch die Feststellung wichtig, daß Märkte und Industrien endogen durch die betrachteten Haushalte, Unternehmen und Produkte gegeben sind. Wenn also Unterschiede zwischen Sektoren festzustellen sind, so ist dies auf die Unterschiedlichkeit der Haushalte, Unternehmen und Produkte zurückzuführen. Auch wenn sich die Heterogenität der Sektoren endogen bestimmt, soll im folgenden die Bedeutung der Heterogenität von Sektoren gleichberechtigt in den Kreis der zu betrachtenden Varianten von Heterogenität aufgenommen werden. Aus diesem Grund wird zu den Varianten der • heterogenen Haushalte, • heterogenen Unternehmen und • heterogenen Produkte als vierte die der • heterogenen Sektoren (Märkte bzw. Industrien) hinzugefügt. Dies ist im Rahmen dieser Arbeit legitim, da nicht die Varianten von Heterogenität selbst erklärt werden sollen. Wodurch die einzelnen Formen der Heterogenität bedingt sein können, soll als nächstes gezeigt werden. Angesprochen werden dabei die in der Tabelle 1 genannten Bestimmungsgründe. Es handelt sich um eine auf die 3Z ur Definition von Märkten vgl. z. B. auch Shepherd [1985], S. 45 ff., Ott (1979), S. 32 ff. oder Buchs (1987), S. 12, zur Definition von Industrien Kau/er [1980], S. 18 ff.

I. Heterogenität und Struktur

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Tabelle 1

Varianten von Heterogenitit und wichtige Bestimmungsgrilnde 1

Variante heterogene Haushalte

11

Bestimmungsgründe Nutzenfunktion Einkommen Verhalten

heterogene Unternehmen

hergestelltes Produkt technologisches Wissen Kapitalstock Verhalten

heterogene Produkte

Inputkoeflizienten Charakteristika Qualität Marktzugehörigkeit

heterogene Sektoren

Produkt(e) Marktform Marktstruktur wirtschaftsstrukturelle Rolle

Fragestellungen dieser Arbeit abgestimmte Aufzählung von Determinanten für die vier zu untersuchenden Varianten von Heterogenität. Außerdem sind die Bestimmungsgründe nicht überschneidungsfrei genannt. Die Aufzählung hat damit einen beispielhaften und keinen systematischen Charakter. Heterogene Haushalte In der (Neoklassischen) Theorie des Haushalts werden Haushalte durch ihre Präferenzen und Budgetrestriktionen charakterisiert. Die Nachfrage nach Gütern ergibt sich unter Verwendung eines Nutzenmaximierungskalküls. Heterogenität zwischen Haushalten kann es geben, wenn die Haushalte mit unterschiedlichen Nutzenfunktionen ausgestattet sind oder unterschiedliche Budgetrestriktionen zu beachten haben. Heterogenität kann auch dann entstehen, wenn bei identischen Präferenzen und identischen Budgets unterschiedliche Verhaltensregeln zur Anwendung kommen. Diese Variante wird allerdings von der Neoklassischen Theorie ausgeschlossen, da das rationale Verhalten als das einzige denkbare Verhalten gilt.

32

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Heterogene Unternehmen In sehr ähnlicher Weise stellt sich die Heterogenität der Unternehmen dar. Zunächst unterscheiden sich zwei Unternehmen durch das jeweils von ihnen angebotene Produkt, falls beide nicht ein gleiches homogenes Gut produzieren. Das Angebot zweier Unternehmen, die das gleiche homogene Gut herstellen, wird sich dann unterscheiden, wenn sie z. B. nicht mit demselben technologischen Wissen produzieren oder aber unterschiedliche Kapitalausstattungen (Real-, Human- oder FuE-Kapitalausstattungen) vorliegen. Beide Fälle führen dazu, daß Unternehmen unterschiedliche Faktornachfragefunktionen und Kostenfunktionen aufweisen. Analog zum Fall der Haushalte kann schließlich unterschiedliches Verhalten wiederum zu Unterschieden zwischen Unternehmen führen. Heterogene Produkte Homogene Güter liegen dann vor, wenn seitens der Anbieter und Nachfrager eines Marktes keine Präferenzen sachlicher, persönlicher, räumlicher und zeitlicher Art vorliegen (Geigant u. a. [1994]). Ist dies nicht der Fall, so spricht man von heterogenen Gütern. Sachlich können sich zwei Produkte durch ihre technologische Zusammensetzung oder durch ihre Eigenschaften unterscheiden (Geigant u. a. [1994], S. 376). Der erste Fall wird durch unterschiedliche Inputkoeffizienten abgedeckt, der zweite durch unterschiedliche Charakteristikakoeffizienten.

Für ökonomische Analysen ist die Qualität eines Produktes als eine Eigenschaft von großem Interesse. Dabei wird unter der Qualität eines Produktes die Beschaffenheit, die Güte oder der Wert eines Produktes verstanden. Diese umgangssprachliche Definition weist auf das grundsätzliche Problem hin, daß Qualitäten - im Gegensatz zu Quantitäten - nicht objektiv meßbar sind, sondern von Individuen sehr unterschiedlich eingeschätzt werden. 4 Die Wirtschaftstheorie umgeht dieses Problem in aller Regel, indem sie die Qualität eines Gutes durch seine (physikalische) Beschaffenheit (Charakteristika) determiniert, auch wenn dies häufig - zum Beispiel bei der Frage des qualitativen Wachstums - zu großen Problemen führt (Mohr [1995]). Von dieser Vorstellung der objektiven Quantifizierung von Qualitätsvariablen wird auch in dieser Arbeit ausgegangen. Zwei Teildisziplinen beschäftigen sich intensiv mit dem Phänomen der Qualität. Einerseits sind, beginnend mit einer Untersuchung von Court ·Zur Erfassung und Messung der Qualität im ökonomischen Kontext vgl. z. B.

Payson [1994J.

I. Heterogenität und Struktur

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Tabelle 2

Das morphologische Marktformenschema Anbieter viele

Nachfrager

I

wenige

I

eIner

viele

Polypol

Oligopol

Monopol

wenige

Oligopson

bilat. Oligopol

besehr. Monopol

eIner

Monopson

besehr. Monopson

bilat. Monopol

[1939], zahlreiche Beiträge zu finden, die sich mit der Frage auseinandersetzen, wie sich Qualitätsänderungen in Preisindizes widerspiegeln können bzw. müssen (vgl. z. B. Adelman, Griliches [1961], Griliches [1971], Haslinger [1992]). Die Bedeutung dieser Frage wird deutlich, wenn man z. B. die Preis- und Qualitätsentwicklungen bei Computern betrachtet (Statistisches Bundesamt [1990], Nelson/Tanguay/Patterson [1994]). Andererseits behandelt die Industrieökonomik im Rahmen der Theorie der ProduktdiJJerenzierung das Thema Qualität (vgl. Beath/Katasoulacos [1991], Eaton/Lipsey [1989]). Qualitätsunterschiede sind eine Variante von Produktdifferenzierung. Unterscheiden sich Produkte grundlegend in ihren Charakteristika, so werden sie nicht als differenzierte Produkte auf einem Markt gehandelt, sondern sie werden verschiedenen Märkten zuzuordnen sein. Heterogene Sektoren In dieser Arbeit wird _. wie zuvor dargeIgt - aufgrund der Betrachtung von Ein-Produkt-Unternehmen von Sektoren gesprochen, die als Märkte oder Industrien aufgefaßt werden können. Das erste Unterscheidungsmerkmal von Märkten und damit von Sektoren sind die (homogenen oder heterogenen) Produkte, welche auf den Märkten angeboten und nachgefragt werden. Zweitens können sich Märkte durch ihre Markt/orm unterscheiden. 5 Die morphologische Markt/ormenlehre unterscheidet im einfachsten Fall neun Marktformen (Ott [1979], S. 39), die sich durch die Kombination der Zahl der Anbieter und Nachfrager (einer - wenige - viele) ergeben (vgl. Tabelle 2)6. Marktformen können aber auch über die Preis- oder Mengenreaktionen der Anbieter bzw. Nachfrager definiert werden (Ott [1959], S. 142 ff.). 5Die Marktform wird nicht als ein Marktstrukturelement aufgefaßt (vgl. Unterabsehnitt B.1.2.b)). 6Differenziertere Klassifikationen finden sich bei Dtt [1959], S. 3 ff. 3 Voßkamp

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B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Kann zwei Märkten die gleiche Marktform zugeordnet werden, so können sich diese Märkte zudem noch durch ihre Marktstruktur unterscheiden. Die vielfaltigen Komponenten der Marktstruktur sind in Unterabschnitt B.I.2.b) dargestellt. Das letzte Unterscheidungsmerkmal, das genannt sein soll, ist die Größe und die Bedeutung der Sektoren in einer Volkswirtschaft, womit die Bedeutung der einzelnen Sektoren innerhalb der Wirtschaftsstruktur angesprochen ist. In Unterabschnitt B.I.2.c) wird ausführlich hierauf eingegangen.

c) Historische Anmerkungen Schon relativ früh haben sich Nationalökonomen in ihren Beiträgen zumeist Gesamtdarstellungen der Volkswirtschaftslehre - mit Heterogenität beschäftigt. Auf die Darstellungen von Rau [1826/1833], Barone [1908/1927] sowie Cournot [1838/1924] und Launhardt [1885/1963] soll kurz eingegangen werden. N ach Streift/er ([1991], S. 128) stammt die erste explizite Ableitung einer Nachfragefunktion von Rau [1826/1833]. Raus Ansatz basiert auf der Idee, daß jedes Individuum bereit ist, einen Reservationspreis für ein bestimmtes Gut zu bezahlen, den der Verkäufer abschöpfen kann. Die Nachfragefunktion ergibt sich also aus der Verteilung der Reservationspreise, die auf der Unterschiedlichkeit der Individuen beruht. Die Heterogenität der Individuen wird von Rau ([1826/1833], S. 74) betont: "Jeder Einzelne hat 1. allgemein menschliche Bedürfnisse, die auf die Erhaltung des Lebens

und der Gesundheit abzielen,

2. solche, die den Mitgliedern eines besonderen Volkes gemeinschaftlich sind [... ], 3. solche, die dem Stande entsprechen, den er in der Gesellschaft einnimmt, 4. individuelle, die aus seinen persönlichen Verhältnissen entspringen und in denen keine Gleichförmigkeit unter den Menschen besteht."

Rau differenziert die Individuen einer Gesellschaft nicht nur nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, sondern unterstellt, daß es individuelle Unterschiede gibt. Der Ansatz von Barone [1908/1927] kann in gewisser Weise als Analogon zum Ansatz von Rau interpretiert werden. Während Rau [1826/1833] eine Nachfragefunktion auf der Basis der Unterschiedlichkeit von Reservationspreisen entwickelte, konstruierte Barone [1908/1927] auf der Basis der Unterschiedlichkeit der Stückkosten von Unternehmen eine Angebots-

I. Heterogenität und Struktur

35

kurve. Diese Angebotsfunktion, die ganz im Gegensatz zu der auf der repräsentativen Unternehmung beruhenden Marshallschen Angebotskurve steht, wird in Unterabschnitt B.lV.3. ausführlich diskutiert. Schließlich sei die Oligopoltheorie angesprochen, die im letzten Jahrhundert von Cournot [1838/1924] bzw. Launhardt [1885/1963] begründet wurde. In beiden Varianten - homogene bzw. heterogene Oligopole - können durch unterschiedliche Kostenfunktionen Unterschiede zwischen Unternehmen berücksichtigt werden. Bei heterogenen Oligopolen wird zusätzlich die Produktdifferenzierung behandelt, die im klassischen Beitrag von Launhardt [1885/1963] durch die räumliche Dimension begründet ist. Doch alle diese Ansätze gerieten durch die maßgeblich von Marshall postulierte Notwendigkeit, "general principles" (Hay/Morris [1991], S. 4) zu finden, ins Abseits. Mit seiner Entwicklung der repräsentativen Unternehmung und seiner Nachfragetheorie ( Marshallsche N ach/rage/unktionen) ging die Bedeutung der Ansätze, die Heterogenität von Anbietern und Nachfragern berücksichtigen, deutlich zurück. Das gilt insbesondere für die Ansätze von Rau [1826/1833] und Barone [1908/1927]. Etwa zeitgleich und eng verzahnt mit dieser Entwicklung verdrängte in der Nationalökonomie das deduktiv-abstrakte Vorgehen das historischinduktive, wozu Marshall als Vertreter der Cambridger Schule (Winkel [1994], S. 25) sicherlich erheblich beitrug, auch wenn Marshall in seinen Principles 0/ Economics hervorhob, daß beide Schulen notwendig seien und sich gegenseitig ergänzen sollten (Marshall [1890/1982], S. 24 f.).7 Erstaunlich ist, daß diese Entwicklung zunächst der Oligopoltheorie als exakte Wissenschaft keinen Auftrieb gab. Die Darstellung der Interaktionen der unterschiedlichen Marktteilnehmer wurde offensichtlich geringer geschätzt als die Marshallsche Tradition, "general principles" zu finden. Hay/Morris ([1991], S. 13) schreiben über die klassischen Oligopolansätze (vgl. auch Winkel [1994]): "This work, however, had been almost entirely ignored by the Marshallian analysis for weil over one hundred years."

Erst durch Edward H. Chamberlins [1933/1969] Theorie der Monopolistischen Konkurrenz wurde der Gedanke des oligopolistischen Wettbewerbs und damit auch der Gedanke der Unterschiedlichkeit wieder etwas nach vorne gerückt (Winkel [1994], S. 84, Hay/Morris [1991], S. 14). Die Oligopoltheorie stellt mittlerweile einen wichtigen Bestandteil der Industrieökonomik dar, wobei allerdings die Heterogenität der Anbieter und Nachfrager nur begrenzt berücksichtigt wird. Die Ansätze von Rau 7Z um Widerstreit der beiden Schulen vgl. Winkel [1994], S. 8 und 49 ff. oder die frühe Einschätzung von [(ruse ([1948], S. 150). 3"

36

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

[1826/1833] und Barone [1908/1927] wurden und werden hingegen erst in jüngerer Zeit wiederentdeckt (Streiftler [1991], S. 128 bzw. Helmstädter [1986]). Das Beispiel der Produktdifferenzierung zeigt ebenfalls sehr deutlich, welche Entwicklung die Betrachtung von Heterogenität genommen hat. So lassen sich die Ansätze zur Produktdifferenzierung in zwei Kategorien einteilen. Neben den Modellen des representative approach sind die Modelle des address approach zu nennen (vgl. Eaton/Lipsey [1989], S. 761 ff.). Das Konzept des repräsentativen Individuums ist - wie eben erwähnt auf Marshall [1890/1982] zurückzuführen. Durch das Modell der monopolistischen Konkurrenz von Chamberlin [1933/1969] wurde erstmals auch in dieser Tradition das Phänomen der Produktdifferenzierung erfaßt. Im Rahmen der neueren Entwicklungen der Industrieökonomik ist dieses Modell die Basis der überwiegenden Zahl der Modelle mit Produktdifferenzierung, so zum Beispiel in den grundlegenden Beiträgen von Spence [1976] und DixitjStiglitz [1977]. Die andere Tradition der Produktdifferenzierung entwickelte sich auf der Basis der Beiträge der Begründer der Theorie der heterogenen Oligopole, Launhardt [1885/1963] und Hotelling [1929]. Diese Ansätze, die durch die räumliche Struktur explizit Unterschiede zwischen den Produkten in der Einschätzung der Konsumenten berücksichtigen, können als Vorfahren der Charakteristika-Ansätze genannt werden, die in den fünfziger Jahren entwickelt wurden, aber erst mit Lancasters Beiträgen (Lancaster [1966]) den Durchbruch schafften (Lancaster [1971], S. 9 ff., Deaton/Muellbauer [1980], S. 250 ff.). Diese Ansätze spielen allerdings eine weniger wichtige Rolle. 2. Struktur

Analog zum vorherigen Abschnitt wird in diesem Abschnitt geklärt, was unter Struktur zu verstehen ist. Anschließend werden mit der Marktstruktur und der Wirtschaftsstruktur die beiden Varianten von Struktur ausführlich besprochen, die im weiteren von großem Interesse sind. Einige historische Anmerkungen beenden den Abschnitt. a) Der Zusammenhang von Heterogenität und Struktur

Die Struktur eines Ganzen beschreibt die Anordnung seiner Teile. Die Struktur gibt somit Aufschluß über die innere Gliederung und die wechselseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Teile des Ganzen.

37

I. Heterogenität und Struktur

Parameteränderungen

--

Heterogenität

Struktur

z. B. Qualitätsverbesserung

--

Heterogenität d. Unternehmen

Marktstruktur

Heterogenität der Sektoren

Wirtschaftsstruktur

z. B. neues Produkt

-

Abbildung 1: Parameteränderungen, Heterogenität und Struktur

Um Strukturen verstehen zu können, müssen also die Teile des Ganzen untersucht werden. Dabei ist es egal, ob es sich um ein physikalisches, biologisches oder ökonomisches System handelt: Im Vordergrund stehen die Teile des Systems. Sie sind die wesentlichen Elemente zur Erklärung von Strukturen (Haken [1983], S. 1 ff.). Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden. Sind alle Teile des Ganzen homogen und spielen die Interaktionen zwischen ihnen keine Rolle, so kann die Struktur des Ganzen durch ein repräsentatives Teil abgebildet werden. Sind die Teile hingegen heterogen, so ist dies nicht möglich. Es entsteht eine komplexere Struktur. Dieser Vorstellung entsprechend ist klar, daß sich Strukturveränderungen nur dann ergeben können, wenn sich mindestens ein Teil des Gesamten

durch Veränderung exogener Parameter ändert. An dem Beispiel von Innovationen, das ausführlich im nächsten Kapitel besprochen wird, sei der Zusammenhang motiviert (vgl. Abbildung 1). Durch eine Qualitätsverbesserung eines Marktteilnehmers kann dieser seinen Marktanteil erhöhen, so daß sich die Marktstruktur verändert. Eine Produktinnovation in Form eines neuen Produktes wird die Wirtschaftsstruktur beeinflussen, da ein neuer Markt geschaffen wird. Deutlich wird, daß zu jeder Form von Heterogenität eine Form von Struktur zu finden ist. Heterogene Unternehmen generieren Marktstruktur, heterogene Sektoren Wirtschaftsstruktur. Analog kann man Strukturen für heterogene Haushalte bzw. Produkte benennen. Offensichtlich ist auch, daß eine Strukturanalyse wesentlich komplexer ausfällt als die eines Ganzen, da wesentlich mehr Informationen berücksichtigt werden müssen. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß mit der Behandlung von Dingen, die Strukturen aufweisen, stets zwei Betrachtungsweisen denkbar sind. Ei-

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

38

nerseits kann der Gegenstand als Ganzes ohne Berücksichtigung seiner einzelnen Teile betrachtet werden. Andererseits kann man durch die Betrachtung der Teile auf das Ganze schließen. Deutlich werden diese Ausführungen am Beispiel der Marktstruktur bzw. der Wirtschaftsstruktur . Durch die Marktstruktur werden die mikroökonomische und mesoökonomische Betrachtungweise angesprochen, mit der Wirtschaftsstruktur die mesound die makroökonomische. b) Marktstruktur

Der Begriff der Marktstruktur entwickelte sich parallel zur Industrieökonomik. Edward S. Mason, einer ihrer Urväter, definiert Marktstruktur wie folgt (Mason [1939], S. 69): "The structure of a seller's market, then, includes all those considerations which he [a seiler or a buyer] takes into account in determining his business policies and practices. His market includes all buyers and seilers, of whatever product, whose action he considers to influence his volume of saJes." Diese sehr extrem weit gedehnten Kriterien reduziert Kaufer zu folgenden hervorzuhebenden Elementen der Marktstruktur (Kaufer [1980], S. 24)8: 1. "Anzahl und Größenverteilung der Firmen auf der Angebots- und Nach-

frageseite des Marktes,

2. Grad der Produktdifferenzierung,

3. Höhe der Marktschranken gegenüber dem Zutritt neuer Konkurrenten, 4. Wachstumsrate der Marktnachfrage,

5. Elastizität der Marktnachfrage." Andere Autoren differenzieren die Marktstrukturelemente stärker (z. B. Buchs [1987], S. 45-111) oder unterscheiden zusätzlich zwischen structure und basic conditions (z. B. Carlton/Perloff [1990], S. 4). Als wichtigstes Marktstrukturelement wird die Marktkonzentration 9 angesehen, die ein eindimensionales Maß zur Erfassung der Größen verteilung von Unternehmen darstellt (Martin [1993], S. 164): "Concentration is the most prominent aspect of market structure." Drei Gründe können für die große Bedeutung der Konzentration genannt werden: 8VgJ. auch Mason [1939], S. 69 f. und Kaufer [1980], S. 6. 9In der Regel wird Anbieter- und nicht Nachfragerkonzentration untersucht. Zur Problematik der Nachfragerkonzentration vgJ. Brooks [1973] oder Kaufer

[1980], S. 52.

1. Heterogenität und Struktur

39

1. Die Marktkonzentration hat im Rahmen der Wettbewerbspolitik eine wesentliche Stellung (Her4zina [1991]).

2. Die meisten Marktstrukturvariablen sind nur schwer statistisch erfaßbar. Konzentrationsstatistiken hingegen liegen für viele Sektoren der meisten Industriestaaten vor. 3. In theoretischen Modellen stellen Konzentrationsziffern wichtige Variablen dar. Einige Konzentrationsmaße spielen in Oligopolmodellen bei der Herleitung der durchschnittlichen price-cost margin eine wichtige Rolle. Dies gilt vor allem für den vielfach verwendeten Herfindahl-Index (vgl. z. B. Hay/Morris [1991], S. 220 f. oder Kaufer [1980], S. 525 f.). In der Literatur werden eine Vielzahl von Konzentrationsziffern verwendet (vgl. Laux [1983]). Die bedeutendsten sind der Gini-Koeffizient G, der H erfindahl-Index H und die Konzentrationsgrade C Rk. Sind für einen Markt die m Unternehmen nach ihren Marktanteilen SI geordnet, d. h. es gilt o ~ Sl ~ S2 ~ ... ~ Sm-1 ~ Sm ~ 1, dann werden diese Maße wie folgt definiert: m

H

LS? 1=1 k

CRk

LSm+1-1 1=1

LI. m

2.

G

SI -

(m + 1)

1=1

.-

m

Für den Herfindahl-Index gilt (vgl. Martin [1993], S. 165):

(I)

1

H= -

m

+ m . VAR [s],

wobei VAR [s] die Varianz der Marktanteile

SI

darstellt.

Sowohl die Maße selbst als auch die Widersprüche, die sich bei der empirischen Arbeit ergeben, sind hinreichend diskutiert. Das schwerwiegendste Problem ist, daß Situationen denkbar sind, in denen der HerfindahlIndex steigt, während andere Konzentrationsmaße fallen. 1o Das zweite lOVgl. dazu Kau/er [1980], S. 524-536, Martin [1993], S. 165 ff., Waterson [1984], S. 171 - dort insbesondere Tabelle 8 - und Laux [1983].

40

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Problem ist ein wirtschaftsstatistisches. Für die Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht das Statistische Bundesamt in der Reihe 4.2.3 der Fachserie 4 konzentrationsstatistische Daten. Der überwiegende Teil der Daten bezieht sich auf Wirtschaftszweige (Industrien) und nicht auf Güterklassen (Märkte), wodurch sich das in Abschnitt B.I.l.b) angesprochene Problem der Unterscheidung von Markt und Industrie wieder zeigt. Neben diesen relativen Konzentrationsziffern spielen auch absolute Konzentrationsziffern eine wichtige Rolle. Zu nennen ist in erster Linie die Anzahl der Anbieter, die in theoretischen Beiträgen oftmals als einzige Konzentrations- und Marktstrukturvariable verwendet wird (vgl. z. B. Loury [1979] oder Dasgupta/Stiglitz [1980]). Mit der Anzahl der Unternehmen auf der Angebots- und Nachfrageseite eines Marktes wird gleichzeitig, wie in Unterabschnitt B.l.l.b) gezeigt, die morphologische Marktform festgelegt. Die Größen verteilung der Unternehmen in Form von Verteilungsfunktionen kann als zweite bedeutende Marktstrukturvariable bezeichnet werden. Während die empirische Behandlung recht schwierig ist, wurde die analytische Herleitung derartiger Verteilungen von vielen Autoren angegangen l l . Konzeptionell sehr ähnlich sind Renditenverteilungen gestaltet, die in Unterabschnitt B.lV.3. im Zusammenhang mit der Barone-Kurve besprochen werden. Auf die weiteren Marktstrukturelemente soll nicht eingegangen werden, da diese in den Modellen dieser Arbeit nicht im Vordergrund stehen. Verwiesen sei auf die bekannten Darstellungen der Industrieökonomik. 12

c) Wirtschaftsstruktur Analog zu der Marktstruktur wird unter der Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft zunächst die Gliederung einer Volkswirtschaft in ihre Sektoren verstanden. Die Art des Giederungsschemas kann sich dabei, wie bereits in Unterabschnitt B.l.l.b) gezeigt wurde, am Markt- oder Industriekonzept orientieren. Der Begriff der Wirtschaftsstruktur soll aber nicht nur die Zahl und die Größenverteilung der Sektoren umfassen, sondern auch die Vorleistungsverflechtung der einzelnen Sektoren. Die Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft kann dann durch eine (nominale) Input- Output- Tabelle dargestellt werden. Für ein System mit n Sektoren ist sie in Abbildung 2 darllVgl. Hay/Morris [1991], Kap. 15, S. 538 ff. 12Vgl. z. B. Martin [1993], Hay/Morris [1991], Schmalensee/Willig [1989], Tirole [1988], Davies/Lyons [1991], Waterson [1984], Shepherd [1985] oder Kau/er

[1980].

I. Heterogenität und Struktur 11

(1)

Vll

( i)

Vi!

(n)

vni

(n+1)

W1

2:

11

(j)

(1)

YI

...

(n) 1 (n+1) 11

. ..

V1j

... . ..

Vnj Wj

2:

V1n

F1

Y1

vin

Fi

Yi

v nn

Fn

Vij

.. . ...

41

Yn

Wn

Yj

Yn

1

W 1

F

11

Y

I

Abbildung 2: Das vereinfachte Input-Output-Scherna

gestellt. 13 Dabei sei: Lieferungen des Sektors i an den Sektor j Endnachfrage nach Gütern des Sektors i Wj Wertschöpfung des Sektors j Yi Bruttoproduktion des Sektors i F gesamtwirtschaftliche Endnachfrage W gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung Y gesamtwirtschaftliche Bruttoproduktion. Es gelten die bekannten Identitäten für das Aufkommen und die Verwendung der Produktion: Vij

Fi

n

Yj

=

L

;=1

Vij

+ Wj

n

bzw.

Yi

=

L

Vij

+ Fi

JEN.

j=l

Mit

13Die Darstellung kann auch in realen Werten erfolgen. Zur Konzeption von Input-Output-Tabellen s. Holub/Schnabl [1985].

42

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

folgt in Matrixschreibweise:

Y·1+F yT .1+ W.

y Y

Die gesamte Produktion ergibt sich aus: n

(2)

Die Struktur einer Volkswirtschaft sei dann gegeben durch die Sektoranteile sr, die Inputkoeffizienten i'ij und die Outputkoeffizienten 0ij, die wie folgt definiert sind:

(3)

s~

(4)

i'ij

(5)

Oij



Yi Y Vij Yj Vij Yi

JEN i,j E N i,j E N.

Die Wirtschaftsstruktur läßt sich, wie später genauer ausgeführt wird, mit Hilfe der Methoden der Input-Output-Analyse erfassen d) Historische Anmerkungen

Die Analyse von Marktstrukturen setzte erst in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts ein. Auf die Grundlagen, die maßgeblich von M ason [1939] geschaffen wurden, ist in Unterabschnitt B.I.2.b) eingegangen worden. Die Industrieökonomik, die sich hieraus entwickelte, sieht die Untersuchung von Markt- und Industriestrukturen als eine ihrer wesentlichen Aufgaben an (vgl. Kaufer [1980], S. 1 ff. oder Hay/Morris [1991], S. 3 ff.). Die Bedeutung der Wirtschaftsstruktur wurde erstmals von F. Quesnay im Zusammenhan~ mit der Idee des Wirtschaftskreislaufs erkannt. Mit seinem Tableau Economique aus dem Jahre 1758 beschreibt er die Verflechtung der drei Sektoren Landwirtschaft, Gewerbe und Handel in einer Volkswirtschaft. Seine Grundidee findet sich allerdings erst 100 Jahre später in den Werken Walras' wieder. Holub und Schnabl ([1985], S. 29) bezeichnen sein allgemeines Gleichgewichtsmodell als Grundlage der Input-Output-Rechnung. Die Veröffentlichungen des später mit dem Nobel-Preis ausgezeichneten Wassily W. Leontiefaus den Jahren 1936 und 1941 (Leontief(1936, 1941])

I. Heterogenität und Struktur

43

markieren den Durchbruch der Input-Output-Analyse. Mit seiner Monographie Structure 0/ American Economy hat LeontieJ[1941] den Versuch unternommen, alle Lieferverflechtungen zwischen den Sektoren der amerikanischen Volkswirtschaft empirisch zu bestimmen. Seit dieser Zeit werden Fragen der Wirtschaftsstruktur mit Input-Output-Modellen behandelt. 14 3. Wozu Heterogenität und Struktur abbilden?

Nach einigen allgemeinen Bemerkungen werden drei Fragestellungen herausgegriffen, die eine Berücksichtigung von Heterogenität und Struktur erfordern. Zunächst wird das Koordinationsproblem angesprochen, das sich aus den unterschiedlichen Interessen von Anbietern und Nachfragern auf Märkten ergibt. Anschließend wird diskutiert, weshalb die Marktstruktur und die Wirtschaftsstruktur interessante und wichtige ökonomische Gegenstände sind. a) Allgemeine Bemerkungen

In zahlreichen empirischen Untersuchungen sind mit speziellen ökonometrischen Verfahren die unterschiedlichen Varianten von Heterogenität herausgestellt worden (vgl. Stoker [1993], S. 1828 f. oder auch Barker/Pesaran [1990]). Einige wichtige Varianten von Heterogenität sind in Unterabschnitt B.I.l.b) vorgestellt worden. Alleine die Existenz von Heterogenitäten und Strukturen im ökonomischen Kontext rechtfertigt aber sicherlich nicht ihre ausführliche Untersuchung. Vielmehr sind es bestimmte Fragestellungen, die die Berücksichtigung von Heterogenität und Struktur erfordern. Offenkundig wird man sich mit Heterogenität oder Struktur beschäftigen, wenn eine Fragestellung dies unmittelbar verlangt. Hierzu zählen Fragen, die Aspekte der Marktoder Wirtschaftsstruktur betreffen (vgl. die Unterabschnitte B.1.3.c) und B.1.3.d)). Gleiches gilt für Untersuchungen, die Besonderheiten einzelner Unternehmen oder Sektoren herausarbeiten müssen. Daneben stellt sich die Frage, inwieweit Parameter- oder Politikänderungen nicht nur ein ökonomisches System als Ganzes treffen. Es ist zu analysieren, ob durch derartige Änderungen auch die Strukturen des Systems beinflußt werden oder die Reaktionen aufgrund der Änderungen von den Strukturen abhängen. Als Beispiel betrachte man eine Einkommensteuererhöhung. Einerseits wird (möglicherweise) die Einkommensverteilung hiervon betroffen. AnHWeitere Hinweise zur Entwicklung der Input-Output-Rechnung finden sich bei Holub und Schnabi [1985], Kapitel 3.

44

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

dererseits bewirken unterschiedliche Einkommensverteilungen (möglicherweise) sehr unterschiedliche aggregierte Steueraufkommen. Stoker ([1993], S. 1828) sieht kaum eine bedeutende ökonomische Fragestellung, bei der derartige "compositional effects" nicht bedeutsam sind: »It is difficult to conceive of an important question of economic policy that does not have a distributional component, or a differential impact on economic players."

Obwohl diese Position von Stoker [1993] mit vielen Beispielen und Argumenten belegt wird, zeigt sich die Wirtschaftstheorie gegenüber Heterogenität und Struktur oftmals verschlossen. Statt beides abzubilden, werden gerne das Konzept des repräsentativen Individuums und ähnliche Konzepte angewendet (vgl. Abschnitt B.1.4.). Als Grund hierfür ist sicherlich die Komplexität der Fragestellungen zu sehen, die mit der Abbildung von Heterogenität und Struktur einhergehen. b) Das Koordinationsproblem

Die Bedeutung der Unterschiedlichkeit der Akteure einer Ökonomie hat bereits Adam Smith [1776/1988] erkannt, aber im Gegensatz zu anderen Ideen Smiths hat dies kaum Anstöße für die wirtschaftswissenschaftliche Literatur ergeben. Für Smith stellte sich die Frage, wie aus der Unterschiedlichkeit der Akteure die unterschiedlichen Interessen koordiniert werden. Kirman ([1992], S. 117) stellt zusammenfassend fest: "A modern economy presents a picture of millions of people, either as individuals or organized into groups and firms, each pursuing their own disparate interests in a rather limited part of their environment. Somehow, these varied individual activities are more or less coordinated and some relative order emerges. Economists commonly explain that this is due to Adam Smith's »invisible hand," and that despite the confiicting interests of individuals, the result of the pursuit of their selfish ends is socially satisfactory. The market provides the mechanism which links and coordinates all activities being pursued by illdividuals."

Dieses Koordinationsproblem, das nur im Fall von nicht-identischen Individuen in seiner vollen Komplexität auftreten kann, ist in der Folgezeit kaum beachtet worden. Nur im Rahmen der (Neoklassischen) Theorie der totalen K onkurrenzmarktgleichgwichte wurden und werden derartige Fragen intensiv untersucht. Die entsprechenden Modelle sind unter dem Begriff der ADM-Modelle zusammengefaßt 15 . 15 Diese Terminologie weist auf die bedeutenden Arbeiten von Arrow, Debreu und McKenzie hin (vgl. Weintraub [1979]).

I. Heterogenität und Struktur

45

Statt sich wie in diesen mikroökonomischen Totalmodellen mit der Heterogenität zu beschäftigen, wurde - aus verständlichen Gründen vornehmlich in der makroökonomischen Theorie - die unsichtbare Hand als Rechtfertigung herangezogen, um nicht die einzelnen Koordinationsprobleme zu untersuchen. Eine im Prinzip widersprüchliche Situation: Smith führt die unsichtbare Hand ein, weil er das Koordinationsproblem nicht lösen kann. Viele seiner Nachfolger beziehen sich auf die unsichtbare Hand, damit sie nicht die komplexen und komplizierten Marktkoordinationsprozesse abbilden müssen. Insbesondere Marshall [1890/1982] hat durch seine Entwicklungen diese Position gestärkt (Kirman [1992], S.117): "Paradoxieally, the sort of maeroeeonomie models whieh claim to give a pieture of eeonomie reality (albeit a simplified picture) have almost no aetivity whieh needs such eoordination. This is beeause typieally they assume that the ehoices of alI the diverse agents in one sector - eonsumer for example - ean be eonsidered as the ehoiees of one "representative" standard utility maximizing individual whose ehoiees eoineide with the aggregate ehoiees of the heterogeneous individuals. "

Mit Marshalls Konzepten ist das Koordinationsproblem in der Wirtschaftstheorie lange übergangen worden. In Unterabschnitt B.Ll.e) wurde bereits darauf hingewiesen, daß - abgesehen von den Entwicklungen der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie - erst mit der Wiederentdeckung der Oligopoltheorie in Verbindung mit der Entwicklung der Spieltheorie Koordinationsfragen zu einer Renaissance gelangten. Die Möglichkeiten der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie werden in Unterabschnitt B.IIl.l.d) referiert. Wie die Ansätze der Neuen Keynesianisehen Makroökonomik durch die Berücksichtigung von Koordinationsmängeln das Problem vorsichtig angehen, wird in Unterabschnitt B.lV.l.b) erläutert.

c) Wettbewerb und Marktstruktur Ein Forschungsfeld der Theorie der Wirtschaftspolitik, welches nicht ohne die Abbildung von Heterogenität und Struktur befriedigend bearbeitet werden kann, ist das der Wettbewerbstheorie. Betrachtet werden sollen in diesem Unterabschnitt alle Komponenten des Wettbewerbs, die nicht dem Schumpeterschen Wettbewerb zuzuordnen sind. Letztere werden in Kapitel B.lL ausführlich besprochen. Wettbewerb ist nur denkbar, wenn bestimmte Unterschiede zwischen den Individuen bestehen. Dies gilt hauptsächlich, wie in Kapitel B.II.

46

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

ausführlich dokumentiert wird, für den dynamischen oder Schumpeterschen Wettbewerb. Ohne Heterogenität ist Wettbewerb nicht denkbar. Aus dieser notwendigen Heterogenität der Unternehmen resultieren bestimmte Marktstrukturen. Hierfür interessieren sich wiederum Wettbewerbstheoretiker und -politiker, die auf der Basis gesellschaftlicher Grundwerte grundsätzliche wirtschaftspolitische Ziele ableiten, die die Aufgaben des Wettbewerbs definieren. Wettbewerb soll neben der Freiheitsfunktion, der Fortschrittsfunktion und der Allokationsfunktion insbesondere gewährleisten, daß das Entstehen von nicht leistungsgerechtem Einkommen verhindert wird (H erdzina [1991], S. 34). Gefährdet wird diese Verteilungsfunktion und damit der funktionsfähige Wettbewerb zum Beispiel dann, wenn ein großes Unternehmen oder nur einige wenige Unternehmen einen Markt beherrschen. Liegt eine derartige Entwicklung der Marktstruktur vor, so ist zu entscheiden, ob - unter Berücksichtigung der anderen Funktionen des Wettbewerbs bestimmte Konzentrationsprozesse zugelassen werden können. d) Wirtschaftsstruktur

Ähnlich der Marktstruktur steht auch die Wirtschaftsstruktur im Zentrum vieler Fragestellungen. Hintergrund ist zum einen, daß sich die sektorale Struktur aller Volkswirtschaften deutlich verändert hat (Stoker [1993], S. 1827). Zu nennen ist vor allem der Wandel hin zu einer größeren Bedeutung der Dienstleistungssektoren (MeyerjEwerhart [1993]). Aber nicht nur in diesen Sektoren vollziehen sich Veränderungen. Die Analyse von Inputund Outputkoeffizienten zeigt, daß die Wirtschaftsstruktur einem steten Wandel unterzogen ist (vgl. z. B. Helmstäd~erjMeyerjKleinejRichtering [1983]). Die Wirtschaftsstruktur interessiert aber auch, weil sehr viele Parameteroder Politikveränderungen die Sektoren einer Volkswirtschaft sehr unterschiedlich treffen können, obwohl der Gesamteffekt relativ gering ausfallen kann. Dies ist der Fall, wenn sich gegenläufige sektorale Entwicklungen ausgleichen. Wechselkursschwankungen treffen zum Beispiel stark exportorientierte oder importabhängige Sektoren stärker als weniger außenhandelsabhängige, wobei sich diese gegenläufigen Effekte zu einem wesentlich kleineren gesamtwirtschaftlichen Gesamteffekt addieren können (M eyerj EwerhartjSiebe [1990]).

Ähnliches gilt in aller Regel für Steuer erhöhungen oder Subventionskürzungen (Siebe [1992]) oder für geldpolitische Maßnahmen der Bundesbank (Ewerhart [1991]). Schließlich sei als Beispiel die Diskussion um Energieund Umweltsteuern angeführt. Während in der Bundesrepublik einige

I. Heterogenität und Struktur

47

Sektoren wie die Aluminiumindustrie durch eine Energiesteuer erhebliche Produktionseinbußen zu verzeichnen hätten, könnten andere Sektoren Zuwächse verzeichnen (vgl. z. B. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung [1994]). Die Beispiele zeigen die Bedeutung der disaggregierten Betrachtung. Mit der Veränderung von makroökonomischen Variablen und Politikparametern sind fast immer Strukturveränderungen verbunden. Einige Sektoren profitieren mehr als andere von derartigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Auch wenn kein gesamtwirtschaftlicher Effekt durch eine bestimmte Parameter- oder Politikänderung eintritt, so kann es in den Sektoren zu dramatischen Veränderungen kommen. Die Anpassungsprozesse, die dann zu bewerkstelligen sind, können folglich ebenfalls schwerwiegend sein, so daß eine Politikmaßnahme, die keine gesamtwirtschaftliche Wirkung zeigt, nicht apriori als "neutral" zu bezeichnen ist. 4. Das repräsentative Individuum und Struktur

In der Wirtschaftstheorie hat mit dem Konzept des repräsentativen Individuums, insbesondere in Verbindung mit der Rationalitätsannahme, ein Konzept Einzug gehalten, das von vielen Autoren als eine adäquate Basis

wirtschaftstheoretischer Modelle angesehen wird. Die Probleme, die hiermit verbunden sind, werden oft unterschlagen. Unstrittig ist, daß dieses Konzept Heterogenität per definitionem ausschließt. Trotzdem stellt sich die Frage, ob oder unter welchen Bedingungen das Konzept Fragen der Struktur gerecht wird.

Dieser Abschnitt stellt zunächst das Konzept vor und reiht es in die Familie verwandter Konzepte ein, zu der u. a. die identischen Individuen sowie der (makroökonomische) homo oeconomicus zu zählen sind. Nach der Darstellung der Bedeutung des repräsentativen Individuums und der Diskussion der Frage, ob das repräsentative Individuum Strukturen abbilden kann, folgt eine kritische Beurteilung des Konzeptes. a) Die Verwandten des repräsentativen Individuums Das Konzept des repräsentativen Individuums ist eng mit Marshalls Arbeiten verbunden. In seinen Principles of Economics wird erstmals die repräsentative Unternehmung eingeführt (Marshall [1890/1982]). Zweck dieses Konzeptes ist, nicht jede einzelne Unternehmung abzubilden, sondern ein generelles Prinzip darzulegen, das das Verhalten aller Unternehmen möglichst exakt beschreibt. Mit der repräsentativen Unternehmung sollen Aggregate wie das gesamtwirtschaftliche Angebot erklärt werden. Dies geschieht durch die Betrachtung einer gewichteten Durchschnittsein-

48

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

heit (Felderer/Homburg [1991], S. 58), die ein durchschnittliches Verhalten aufweist (Schlicht [1977], S. 96). Analog ist ein repräsentativer Haushalt zu verstehen.

Zu unterscheiden vom repräsentativen Individuum sind typische Individuen, die als einzelne Individuen auf der Mikroebene agieren (Schlicht [1985], S. 10). Besteht eine Ökonomie nur aus typischen Haushalten und Unternehmen, so ist diese Ökonomie durch identische Individuen gekennzeichnet, so daß wiederum die Betrachtung eines Haushalts und eines Unternehmens zur Beschreibung des Verhaltens aller ausreicht. Aus diesem Grunde verwundert es nicht, daß die Konzepte der identischen Individuen und des repräsentativen Individums faktisch synonym verwendet werden. 16 Eng verflochten ist das Konzept des repräsentativen Individuums mit dem des makroökonomischen homo oeconomicus. Letztes kann als Übertragung des entsprechenden mikroökonomischen Konzepts auf die Makroökonomik angesehen werden (Kirman [1992], S. 119). In diesem Sinne ist der makroökonomische homo oeconomicus ein repräsentatives Individuum, daß sich rational verhält (Kirchgässner [1991], S. 93). Zwischen dem repräsentativen Individuum und dem makroökonomischen homo oeconomicus wird in der Literatur in vielen Fällen nicht unterschieden (vgl. z. B. Kirchgässner [1991], Kirman [1992] oder Segura [1977]). Das repräsentative Individum verhält sich meistens rational. Betrachtet man die Ansätze, in denen das repräsentative Individuum zum Zuge kommt, so findet man dort ebenfalls die typischen neoklassischen Optimierungsannahmen (vgl. Abschnitt B.lV.l.). b) Zur Bedeutung und Begründung des repräsentativen Individuums

In den neueren Ansätzen der Makroökonomik hat das repräsentatitive Individuum einen hohen Stellenwert. Zusammen mit der Optimierungsannahme liefert es die entscheidungstheoretische Grundlage der Modelle der Neuen Klassischen Makroökonomik, der Real Business Cycle Theory sowie der New Keynesian Economics (vgl. auch Kapitel B.lV.). Durch diese bei den sehr einfachen Annahmen erübrigt sich jegliches Räsonieren über das Verhalten der Individuen (Illing [1992], S. 4). Stoker ([1993], S. 1829) führt hierauf den Erfolg dieser Ansätze zurück. Ähnlich argumentiert Kirman ([1992], S. 119). Nach seiner Meinung glaubten einige Ökonomen, mit dem Modell des Optimierens unter Nebenbedingungen (constrained maximizers) ein adäquates (mikroökonomi16 Beispielhaft sei der Beitrag von Stadler [1994] genannt. Erst spricht Stadler [1994], S. 1753) von »many individuals" , später vom "representative individual", die bzw. der die Basis von RBC-Modellen bilden.

1. Heterogenität und Struktur

49

sches) Modell zur Beschreibung des individuellen Verhaltens gefunden zu haben. Von daher sei klar gewesen, daß auch die Makroökonomen dieses Prinzip übernehmen würden. Ein zweites, ebenfalls äußerst pragmatisches Argument liefert Kirman ([1992], S. 119): ,,1 claim that economists have been forced into doing this by their insistence on "satisfactory" microfoundations."

Beide Argumente werden herangezogen, um die Notwendigkeit der Mikrofundierung der Makraökanamik zu zeigen. Hierauf wird in Unterabschnitt B.lII.l.c) ausführlicher eingegangen. Mit der Verwendung des repräsentativen Individuums gehen Makroökonomen gleichzeitig einem gravierenden Problem aus dem Weg. Makroök0nomen sind in aller Regel an stabilen und eindeutigen Gleichgewichten interessiert, weil nur so die Methode der komparativen Statik angewendet werden kann. Dies ist aber keineswegs durch die Übertragung der originär mikroökonomischen Konzepte gewährleistet (Kirman [1992], S. 119 und S. 121). Eine weitere Möglichkeit, das repräsentative Individuum für makroökonomische Analysen zu rechtfertigen, ist sehr naiv. Es wird einfach davon ausgegangen, daß sich eine ganze Ökonomie wie ein repräsentatives Individuum verhält. Angenommen wird dann, daß trotz Heterogenität das Verhalten durch ein repräsentatives Individuum beschrieben werden kann (Kirman [1992], S. 119).

c) Kann das repräsentative Individuum Struktur abbilden? Das Hauptproblem, das mit dem repräsentativen Individium verbunden ist, stellt sich nach Kirman ([1992], S. 123) dadurch, daß ein repräsentatives Individuum nach Parameter- oder Politik änderungen nicht mehr unbedingt ein repräsentatives Individuum darstellt: "Yet, the change involved will frequently affect individuals differently. [... ] As so on as this is the case, the representative constructed befare the change may no longer represent the economy after the change."

Dies bedeutet, daß die Konstruktion eines repräsentativen Individuums in hohem Maße kontextabhängig ist. Nur für einen bestimmten Rahmen, gegeben durch bestimmte Parameter- und Politikkonstellationen, repräsentiert ein repräsentatives Individuum tatsächlich eine Gruppe von Individuen. Durch entsprechende Änderungen ergeben sich Strukturveränderungen, die die Rekonstruktion des repräsentativen Individuums erfordern. Im Umkehrschluß folgt dann, daß das repräsentative Individuum nur dann 4 Voßkamp

50

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

haltbar ist, wenn die Struktur bei Veränderungen jeglicher Variablen konstant bleibt. Das Modell kann nur richtig sein, wenn - um einen bekannten Begriff aus der Ökonometrie zu wählen - Strukturkonstanz vorliegt. Diese Situationen sind aber nach Stoker ([1993], S. 1828) die Ausnahme (vgl. Unterabschnitt B.1.3.a». Stoker ([1993], S. 1829), der "compositional issues" durch das repräsentative Individuum als "ignored by fiat" ansieht, betrachtet deshalb empirische Untersuchungen, die auf diesem Konzept beruhen, mit großer Skepsis. d) Die kritische Beurteilung des repräsentativen Individuums

Das repräsentative Individuum krankt nicht nur an dem Unvermögen, Struktur abzubilden. Kirman, der sich in sehr ausführlicher Weise mit diesem Konzept auseinandersetzt, faßt seine Hauptkritikpunkte wie folgt zusammen (Kirman ([1992], S. 134): 1. "well-behaved individuals need not produce a well-behaved representa-

tive agent,

2. the reaction of a representative agent to change need not reflect how the individuals of the economy would respond to the change, 3. the preferences of a representative agent over choices may be diametrically opposed to those of society as a whole."

Nach diesem vernichtenden Urteil stellt sich die Frage, ob es überhaupt Eigenschaften des repräsentativen Individuums gibt, die seine Verwendung zumindest partiell erlauben. Hierzu haben Autoren zwei Wege beschritten. Beginnend mit Sonnenschein [1972] sind Beiträge geliefert worden, in denen gezeigt werden konnte, daß unter "not-very-restrictive conditions" für die Überschußnachfragefunktionen der einzelnen Individuen nur drei relativ schwache Eigenschaften der Gesamtüberschußnachfragefunktion hergeleitet werden können (Kirman ([1992], S. 122): "continuity; that the value of total excess demand must equal zero at all positive prices, i.e. that the budget constraint for the economy as a whole be satisfied (Walras' law); and that the excess demand is homogeneous of degree zero (only relative prices count)."

Diese auf Debreu [1974] zurückgehenden Erkenntnisse zeigen, daß die üblichen Eigenschaften von Lösungen von Makro-Modellen, die auf dem Konzept des repräsentativen Individuums basieren, keineswegs mikroök0nomisch begründbar sind. Existenz, Eindeutigkeit und Stabilität von Lösungen werden in Makro-Modellen zwar mit der Annahme repräsentativer Agenten in aller Regel garantiert, doch entsprechende Mikro-Modelle, die dies ebenfalls garantieren, sind in aller Regel nicht zu finden.

1. Heterogenität und Struktur

51

Der zweite Weg zur Rettung des repräsentativen Individuums könnte der folgende sein. Statt sehr schwache Annahmen über die Inividuen zu verwenden, wählt man Annahmen, die dafür sorgen, daß das mikroök0nomische Verhalten der Individuen kompatibel zum makroökonomischen Verhalten des repräsentativen Individuums ist (Kirman ([1992], S. 120). Ein typisches Beispiel hierfür sind z. B. identische homothetische Nutzenfunktionen für alle Individuen (Staker [1993], S. 1829);17 Kirman ([1992], S. 120) kritisiert diese Bedingungen, weil diese aus technischen Überlegungen resultieren und fern von allen realen Ökonomien sind. Subsumiert man die Argumente gegen den repräsentativen Agenten, kann man durchaus Kirmans drastische Position nachvollziehen und unterstützen (Kirman [1992], S. 119): "However, I would go further and suggest that the way to develop appropriate microfoundations for macroeconomics is not to be found by starting from the study of individuals in isolation, but rests in an essential way on studying the aggregate activity resulting from the direct interaction between different individuals. Even if this is too ambitious a project in the short run, it is dear that the "representative" agent deserves adecent burial, as an approach to economic analysis that is not only primitive, but fundamentally erroneous."

Trotz der erheblichen Bedenken gegen das Konzept des repräsentativen Individuums gilt es in der aktuellen Literatur als treibende Kraft (Staker [1993], S. 1829). In Abschnitt B.lV.l. werden wichtige wirtschaftstheoretische Strömungen besprochen, in denen das repräsentative Individuum eine unangefochtene Stellung einnimmt. 5. Zusammenfassung und Überleitung

Die Ausführungen in diesem Kapitel haben gezeigt, daß Heterogenität und Struktur eng zusammenhängen. Die Veränderung eines Unternehmens wirkt unmittelbar auf die Marktstruktur, die eines Sektors auf die Wirtschaftsstruktur . Die Betrachtung von Heterogenität und Struktur ist bei vielen Fragen unmittelbar angezeigt. Darüber hinaus, so wurde argumentiert, sind fast alle wichtigen ökonomischen Fragestellungen mit Struktureffekten verbunden. Durch fast alle Veränderungen von makroökonomischen Variablen wird die Struktur des ökonomischen Sytems beeinflußt und/oder die resultierenden Effekte sind maßgeblich durch die Struktur bestimmt. 17Zur Illustration des Problems vgl. Böventer [1989], S. 245. Vgl. auch Lebwel [1989]. 4"

52

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Trotz dieser Erkenntnisse spielen Heterogenität und Struktur eine eher untergeordnete Rolle. Zurückzuführen ist dies in hohem Maße auf das Konzept des repräsentativen Individuums, das seit seiner Entwicklung durch Marshall eine wichtige Stellung in der Wirtschaftstheorie eingenommen hat, obwohl es nicht geeignet ist, Strukturen angemessen abzubilden. Im nächsten Kapitel werden sich diese Resultate nochmals verstärkt zeigen, wenn der Zusammenhang von Heterogenität und Struktur auf den Komplex der Innovationen bezogen wird. Dann wird sich insbesondere auch die empirische Relevanz dieser Sachverhalte zeigen.

11. Innovationen, Heterogenität und Struktur Nachdem im vorherigen Kapitel auf die Bedeutung und den Zusammenhang von Heterogenität und Struktur in allgemeiner Form eingegangen wurde, wird in diesem Kapitel - nach der Klärung des Begriffes der Innovation - gezeigt, daß einerseits Heterogenität eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Innovationen ist, aber andererseits Innovationen die Heterogenität von Unternehmen und Sektoren und damit die Marktund Wirtschaftsstruktur nicht unerheblich beeinflussen. Außerdem werden empirische Untersuchungen referiert, die die theoretischen Darlegungen stützen. 1. Innovationen

Für den Fortgang dieser Arbeit ist es hilfreich, den Begriff der Innovation zu klären, ihn von dem der Invention bzw. Imitation abzugrenzen, Innovationen zu klassisifizieren und mit der Erläuterung der Unsicherheitskomponenten im Innovationsprozeß das wesentliche Charakteristikum von Innovationen herauszustellen. Schließlich wird der Zusammenhang von Innovationen und technischem Fortschritt erörtert. a) Die Phasen des Innovationsprozesses

Innovationsprozesse umfassen drei Phasen (vgl. Abbildung 3): die Invention, die Innnovation sowie die Imitationen und den damit verbundenen Diffusionprozeß (Maas [1990], S. 21)18. Unter einer Invention wird die Erforschung und Entwicklung eines neuen Produktes oder Prozesses (Maas [1990], S. 21) oder eine unreife Idee (Gerybadze [1982], S. 24) verstanden. In sehr frühen Arbeiten wurde in einer 18Eine ausführliche Darstellung mit Hinweisen auf differenziertere Konzepte findet sich bei BrockhotJ [1992], Schwitalla [1993] oder Bollmann [1990].

Ir. Innovationen, Heterogenität und Struktur

Invention

HInnovation

H

53

Diffusion

Abbildung 3: Der Innovationsprozeß

Invention schon eine Gewinnmöglichkeit gesehen (Clark [1899], S. 405). Die erstmalige ökonomische Nutzung neuen Wissens wird als Innovation (Maas [1990], S. 21) bezeichnet. In Unterabschnitt B.II.1.b) wird der Begriff anhand Schumpeters Darlegungen ausführlich dargestellt. Dort werden auch die verschiedenen Ausprägungen von Innovationen besprochen. Der dritte Teil des Innovationsprozesses bezieht sich auf die Adoption oder Imitation von Innovationen. Dieser DiJjusionprozeß ist schon seit langem und intensiv auf der Basis logistischer Modelle, die auf Verhulst [1838] zurückgehen, studiert worden. Die grundlegenden Ideen liefern hierbei Populations- und Epidemiemo delle , die seit Beginn des Jahrhunderts für viele Fragestellungen verwendet werden. Einen allgemeinen Überblick gibt GraJj [1977], einen speziellen über Diffusionmodelle für Prozeßinnovationen Davies [1979]. Die Abgrenzungen zwischen Invention und Innovation (Witt [1987], S. 15 ff.) sowie Innovation und Diffusion sind schwer zu treffen. Was betriebswirtschaftlich eine neue Lösung darstellt, muß gesamtwirtschaftlich noch keine Innovation sein (Maas [1989], S. 20). Was tatsächlich neu ist, wird im Rahmen jeder Fragestellung beantwortet werden müssen (Hay/Morris [1991], S. 466). Witt ([1987], S. 17 ff.) spricht deshalb von objektiv und subjektiv Neuern. b) Die Klassifizierung von Innovationen

Der Begriff der Innovation ist eng mit dem Ökonomen Joseph A. Schumpeter verbunden. 19 Entscheidend für die Innovationsökonomik sind seine Theorie der Innovation (Schumpeter [1939]) und die schon 1912 erschienene Monographie Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (Schumpeter [1912/1964]). In seinem frühen Werk spricht er allerdings zunächst noch von der Durchsetzung neuer Kombinationen, wodurch die folgenden fünf Fälle abgedeckt werden (Schumpeter [1912/1964], S. 100 ff.)2o: 19 Anzumerken ist allerdings, daß sich auch andere Autoren, insbesondere Clark ([1899], S. 399 fr.), schon früher als Schumpeter [1912/1964] mit den durch Innovationen gegebenen dynamischen Wirkungen beschäftigt haben (vgl. Kruse [1948], S, 187 ff.). 20Diese Aufzählung aus dem zweiten Kapitel findet sich noch nicht in der ersten Auflage. Vgl. hierzu Schumpeter [1912/1964], S. xi.

54

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Innovationen

Prozeßinnovationen

Abbildung 4: Formen von Innovationen

1. "Herstellung eines neuen, d. h. dem Konsumentenkreise noch nicht ver-

trauten Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes.

2. Einführung einer neuen, d. h. dem betreffenden Industriezweig noch nicht praktisch bekannten Produktionsmethode, die keineswegs auf einer wissenschaftlich neuen Entdeckung zu beruhen braucht und auch in einer neuartigen Weise bestehen kann, mit einer Ware kommerziell zu verfahren. 3. Erschließung eines neuen Absatzmarktes, d. h. eines Marktes, auf dem der betreffende Industriezweig des betreffenden Landes bisher noch nicht eingeführt war, mag dieser Markt schon vorher existiert haben oder nicht. 4. Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder Halbfabrikaten, wiederum: gleichgültig, ob diese Bezugsquelle schon vorher existierte - und bloß sei es nicht beachtet wurde sei es für unzugänglich galt oder ob sie erst geschaffen werden muß. 5. Durchführung einer Neuorganisation, wie Schaffung einer MonopolsteIlung (z. B. durch Vertrustung) oder Durchbrechen eines Monopols."

In der neueren Literatur werden die fünf Varianten von Neuerungen in die beiden Kategorien Prozeßinnovationen und Produktinnovationen zusammengefaßt (vgl. Abbildung 4). Dabei ist allerdings eine klare Trennung nicht möglich, da durch eine verbesserte Technologie in vielen Fällen auch die Produktqualität steigt (Gerybadze [1982], S. 66). Prozeßinnovationen verbessern die Technologie einer Unternehmung und somit ihre Kostensituation, woraus eine Verbesserung der Angebotssituation resultiert. Produktinnovationen können in zwei sehr unterschiedlichen Varianten auftreten. Einerseits kann eine Produktinnovation einen gänzlich neuen Markt schaffen. Dieser eher seltene Fall ist Gegenstand der Theorie der Evolution von Märkten, die u. a. von Heuß [1965] betrieben

11. Innovationen, Heterogenität und Struktur

55

worden ist. Andererseits sind die meisten Produktinnovationen lediglich Qualitätsverbesserungen, die mjt weniger drastischen Konsequenzen einhergehen. Um in dieser Arbeit Klarheit über den Begriff zu haben, sollen Innovationen über ihre Wirkungen erfaßt werden, was eine in der wirtschaftstheoretischen Literatur verbreitete Vorgehensweise darstellt. Mit einer Prozeßinnovation ist eine Reduktion der Kosten verbunden, die Angebotskurve verschiebt sich nach rechts (Arrow [1962], Sato/Nono [1982], S. 6.). In vielen Modellen geschieht dies durch die Einführung eines Produktionsfaktors, der das technologische Wissen bestimmt. Dieses Konzept findet sich zum Beispiel bei Sato/Nono ([1982], S. 6), König und Pohlmeier ([1990], S. 297 f.) und Pohlmeier ([1992], S. 255). Dieser zusätzliche technologische Produktionsfaktor wird auch als Niveau der Prozeßinnovationen (König/Pohlmeier [1990], S. 298) bezeichnet. Eine Produktinnovation in Form einer Qualitätsverbesserung wird die Nachfragesituation verbessern und damit die Nachfragefunktion c. p. nach rechts verschieben (Helmstädter [1990a], S. 168, Meyer/Vogt/Voßkamp [1992], S. 8). Analog zum Fall von Prozeßinnovationen geschieht dies oft durch die Einführung einer Variablen in der Nachfragefunktion. Diese Variable wird dann als Niveau der Produktinnovationen bezeichnet (König/Pohlmeier [1990], S 297 f., Pohlmeier [1990], S. 255).

c) Unsicherheiten in Innovationsprozessen Das wesentliche Charakteristikum von Innovationen sind die verschiedenen Varianten von Unsicherheit, die sie kennzeichnen. Zu unterscheiden sind (Clemenz [1993], S. 88 ff., Stadler [1993], S. 161): • technologische Unsicherheiten, • Unsicherheiten im Lernprozeß sowie • Marktunsicherheiten. Die technologischen Unsicherheiten beginnen damit, daß die Unternehmen nicht wissen, welcher Art der neue Prozeß oder das neue Produkt ist, da unter einer Innovation etwas Neues zu verstehen ist. Wäre dies der Fall, so handelte es sich um eine Investition. Folglich ist auch nicht klar, welche FuE-Aufwendungen in Form von FuE-Kapital oder FuE-Personal getätigt werden müssen und in welcher Höhe. Ebenso wie die technologischen Unsicherheiten sind die Unsicherheiten im Lernprozeß erheblich. Das für eine Innovation notwendige technische Wissen wird - in ökonomischen Ansätzen - durch FuE-Ausgaben bestimmt. Wie dieser Akkumulationsprozeß der FuE-Ausgaben allerdings aussieht, ist

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

56

im allgemeinen unklar, da stochastische Elemente sowie nicht durch FuE bedingte Einflüsse auf den Lernprozeß und somit auf die Wissensproduktion einwirken können. Schließlich bleiben noch Marktunsicherheiten. Einerseits muß ein Unternehmen stets damit rechnen, daß ein Konkurrenzunternehmen die Innovation eher hervorbringt. Andererseits ist nicht klar, welcher zusätzliche Gewinn mit einer Innovation verbunden ist. Alle drei Varianten von Unsicherheit führen schließlich zusammen dazu, daß bei Innovationsprozessen auch nicht klar ist, wann eine Innovation durchgesetzt wird und wer der Innovator ist. In der Industrieökonomik werden die meisten dieser Unsicherheitskomponenten durch die Formulierung von Patentrennen 21 ausgeschlossen. In diesen Modellen werden insbesondere die technologischen Unsicherheiten und die Unsicherheiten im Lernprozeß nicht abgebildet. Zudem ist der zusätzliche Gewinn, der dem Gewinner des Patentrennens winkt, durch einen konstanten Patentwert gegeben. Das Bild vom Patentrennen trifft deshalb sehr genau den typischen Untersuchungsgegenstand in der Industrieökonomik. In einem (sportlichen) Rennen ist das Ziel genauso bekannt wie der Gewinn. Wer einen Marathonlauf gewinnen will, muß als erster die Ziellinie durchlaufen (nach gen au 42,195 km) und erhält eine Siegprämie: (genau) eine Goldmedaillie und ein Preisgeld (von genau x DM). Unbekannt ist also vor dem Lauf nur die Laufzeit und der Sieger. Innovationsprozesse aber gleichen eher Orientierungsläufen, bei denen der Veranstalter vorab nicht bekannt gibt, welche Preisgelder vergeben werden. Dann sind den Läufern - wie den forschenden Unternehmen - weder der Weg, noch die benötigte Zeit, noch die Siegprämie bekannt. Dem sehr abstrakten und den technischen Möglichkeiten angepaßten Bild von Innovationen in der Industrieökonomik wird in dieser Arbeit nicht gefolgt, da Produktinnovationen und Prozeßinnovationen durch eine stochastische Rechtsverschiebung der Nachfragekurve bzw. der Angebotskurve interpretiert werden. Damit ist der Fall von drastischen Prozeß- oder Produktinnovationen, der bei Patentrennen untersucht wird, hier nicht der Regelfall. Es geht vielmehr darum zu zeigen, wie das komplexe Gebilde einer Volkswirtschaft mit vielen unterschiedlichen Märkten und Unternehmen, die durch Vorleistungsverflechtungen und oligopolistischen Wettbewerb in Beziehungen gesetzt sind, auf kleinere Innovationen reagiert. 21 Einen

Überblick über Patentrennen gibt ReinganlJm [1989].

11. Innovationen, Heterogenität und Struktur

Parameteränderungen

1

Innovationen

1.

Heterogenität

1 Heterogenität d. Unternehmen

1

57

Struktur

1 Marktstruktur

1

Abbildung 5: Innovationen, Heterogenität und Struktur

d) Technischer Fortschritt

Technischer Fortschritt äußert sich in neuen Produktionsprozessen und neuen Produkten (Rose [1991], S. 145 ff.), so daß die Begriffe Innovation und technischer Fortschritt eng verbunden sind. Technischer Fortschritt wird unter den drei Aspekten der Ursachen, Bedingungen und Wirkungen untersucht. Gefragt wird, ob der technische Fortschritt • autonom oder induziert verursacht ist, • ungebunden oder durch Investitionen gebunden ist und • neutral oder nicht neutral in Hinblick auf bestimmte Konzepte ist. Der technische Fortschritt ist dann autonom, wenn er nicht durch das Modell endogen bestimmt ist, sondern wie "Manna vom Himmel" fällt (Rose [1991], S. 147). Während z. B. in den traditionellen neoklassischen Wachstumsmodellen der technische Fortschritt durch eine exogene Rate gegeben ist, versucht die Neue Wachstumstheorie den technischen Fortschritt durch die Modellierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu endogenisieren 22 . Gebundener (oder verkörperter) technischer Fortschritt bedeutet, daß neuere Investitionen eine höhere Qualität aufweisen. Folglich ist der Altersaufbau des Kapitalstocks für seine Leistungsfähigkeit mitverantwortlich. Liegt gebundener technischer Fortschritt vor, so ist die Homogenität des Faktors Kapital nicht gegeben. Diese Effekte können nur mit vintageModellen abgebildet werden.

Schließlich sind diverse Neutralitätskonzepte für den technischen Fortschritt entwickelt worden. Bleiben bestimmte Variablen durch den tech22Diese Ansätze werden später noch erläutert.

58

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

nischen Fortschritt unverändert (z. B. Kapitalintensität oder Kapitalkoeffizient), so wird von neutralem Fortschritt gesprochen (z. B. Hieh· oder Harrod-neutraler Fortschritt). 2. Heterogenität als Voraussetzung fnr Innovationen

Bevor im nächsten Abschnitt erläutert wird, wie Innovationen Heterogenität und Struktur bedingen, soll in diesem Abschnitt gezeigt werden, daß umgekehrt auch Heterogenität und Struktur Art und Umfang von Innovationen beeinflussen. Insbesondere dem Zusammenhang von Struktur und Innovationen sollen die Überlegungen dieses Abschnittes gewidmet sein. In der Abbildung 5 sind die beiden Richtungen dargestellt. In der industrieökonomischen Literatur ist unter dem Stichwort Sehumpeter- und Neo-Sehumpeter-Hypothesen eine breite Literatur zu finden, die

sich mit der Frage auseinandersetzt, wie Marktrnacht bzw. Marktkonzentration das Innovationsverhalten beeinflußt. Auf der Basis von SchumpeteTS Überlegungen wird vermutet, daß Unternehmen nur dann Forschungsund Entwicklungsausgaben tätigen werden, wenn mindestens temporäre Monopolgewinne zu erzielen sind (vgl. z. B. BaldwinjScott [1987] oder K amienjSehwartz [1982]). Daß die Marktstruktur erheblich für das Innovationsverhalten ist, wurde in vielen spieltheoretischen Modellen der Industrieökonomik gezeigt (z. B. Loury [1979] oder DasguptajStiglitz [1980]). Hieraus resultiert, daß unterschiedliche Marktstrukturen Heterogenität bezüglich des Innovationsverhaltens der Sektoren generieren. Der Beitrag von Dasgupta und Stiglitz [1980] zeigt darüber hinaus ein fundamentales Ergebnis. In einem Konkurrenzmarkt mit freiem Marktzutritt und nicht vorhandenem Patentschutz ist es unvorstellbar, daß Unternehmen FuE-Ausgaben tätigen, um Innovationen durchzusetzen. Sie müssen befürchten, daß ein Konkurrenzunternehmen das Patentrennen gewinnen wird und somit die eigenen FuE-Ausgaben vergeblich wären. Nur durch die Einführung eines Staekelberg-Führers, also durch die Einführung von Heterogenität, kann dieses Problem gelöst werden. Eliasson ([1984], S. 263) geht sogar noch einen Schritt weiter. Für ihn ist Heterogenität nicht nur eine Voraussetzung für die Durchsetzung von Innovationen und somit für gesamtwirtschaftliches Wachstum, sondern auch für die Stabilität des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Mit Hilfe von Simulationsexperimenten zeigt Eliasson, daß ein ökonomisches System sehr stark auf Veränderungen reagieren kann, wenn insbesondere keine Unterschiede zwi!?chen den wettbewerblichen Situationen der Unternehmen zu verzeichnen sind. Bestehen hingegen Unterschiede zwischen Unternehmen,

H. Innovationen, Heterogenität und Struktur

59

so treffen z. B. Nachfrageschocks möglicherweise nur die Grenzanbieter. Mit Hilfe des Barone-Helmstädter-Modells (vgl. Unterabschnitt B.lV.3.) lassen sich diese Aussagen auch analytisch fassen. Dasgupta/Stig/itz sowie E/iasson argumentieren damit im Sinne Schumpeters [1942/1987]. Schumpeter sieht die Notwendigkeit zumindest tem-

porärer Monopolgewinne, damit überhaupt der Anreiz bestehe, Innovationen durchzusetzen. Nur wenn der Innovator - zum Beispiel durch Patente - seine Innovation vor der sofortigen Imitation der Konkurrenz schützen kann, forschen die Unternehmen.

Die notwendige Heterogenität der Unternehmen wird implizit durch die Definition von Unternehmertypen gewährleistet. Schumpeter unterscheidet zwischen Unternehmern und Wirten (Schumpeter [1912/1964], S. 110 ff.). Während er Unternehmern "die Funktion der Durchsetzung neuer Kombinationen" zumißt, sind Wirte durch die" Verwaltung eines ererbten Besitzes" gekennzeichnet. Zwischen diesen Extremen sieht Schumpeter "die Masse derer, die wir Industrielle, Kaufleute, Finanzleute oder Bankiers nennen". Diese tragen nicht das volle Unternehmerwagnis, so daß durch diese Abstufung einige Akteure Innovationen eher als andere übernehmen werden (Schumpeter [1942/1987], S. 217).23 Das bereits skizzierte Problem der Industrieökonomik, daß Situationen denkbar sind, in denen kein Unternehmen forscht, wird von Schumpeter infolgedessen nicht angesprochen. Durch die von ihm konstatierte Heterogenität der Unternehmen tritt dieses Problem nicht auf. Die Ausführungen zeigen, daß die Heterogenität der Unternehmen und die Marktstruktur maßgeblich die Innovationsprozesse beeinflussen. Aber auch allgemein gilt, daß Änderungen von Heterogenität und Struktur Parameteränderungen hervorrufen. Die Abbildung 5 deutet diese Zusammenhänge an. Im Rahmen dieser Arbeit steht nicht die Frage im Vordergrund, wie Heterogenität und Struktur Parameter beeinflussen, sondern der umgekehrte Zusammenhang. Es wird davon ausgegangen, daß die Parameter exogen vorgegeben sind. Im speziellen Fall der Innovation heißt dies, daß die Innovationsprozesse nicht erklärt werden, sehr wohl aber die Wirkungen von Innovationen. 3. Die Wirkungen von Innovationen

Die vielfältigen ökonomischen Wirkungen von Innovationen sind Gegenstand dieses Abschnittes. Der Fragestellung entsprechend wird untersucht, welche Reaktionen sich bei einer einzelnen Innovation (Prozeßinnovation, 23Vgl. auch De Joog [1986], S. 74.

60

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Qualitätsverbesserung, neues Produkt) bei der Heterogenität von Unternehmen und Sektoren sowie bei der Marktstruktur bzw. Wirtschaftsstruktur einstellen. a) Die Auswirkungen von Prozeßinnovationen

Um die wesentlichen direkten und indirekten Wirkungen von Prozeßinnovationen auf die mikro-, meso- und makroökonomischen Variablen erfassen zu können, werden zwei heterogene Märkte (i, j = 1,2) mit je zwei Unternehmen (l = 1,2) betrachtet. Für jedes der vier Unternehmen sind folgende Variablen bedeutend: ail Qualität des Produktes der Unternehmung I aus Sektor j Mil technologisches Wissen der Unternehmung I aus Sektor j Kjl Kapitalstock der Unternehmung I aus Sektor j Vijl Vorleistungsbezüge der Unternehmung I aus Sektor j von Sektor i Auf der Marktebene werden der Sektorpreis Pi und die Sektorqualität ai, die sich aus gewichteten Durchschnitten der entsprechenden Unternehmensvariablen ergeben, sowie die sektorale Produktion xi berücksichtigt. Betrachtet sei eine Prozeßinnovation der Unternehmung 1 aus Sektor 1. Die Wirkungen, die sich einstellen, lassen sich in fünf Gruppen aufschlüsseln (vgl. auch Abbildung 6). Über die Richtung und das Ausmaß der Wirkungen sei an dieser Stelle nur wenig gesagt, da dies ganz erheblich von der Modellierung der Angebots- und Nachfragefunktionen der Unternehmen sowie der Modellierung der Märkte abhängen kann. 1. Direkte Effekte

Die angenommene Prozeßinnovation wird zunächst das technologische Wissen Mn positiv beeinflussen und durch eine verbesserte Kostensituation auf die Angebotsseite des Marktes 1 wirken. Dies wiederum wird im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage die Struktur des Marktes 1 sowie die sektoralen Variablen PI und Xl beeinflussen~ Das durchschnittliche Qualitätsniveau a1 wird möglicherweise ebenfalls betroffen, da sich die Marktanteile verändern können. Aufgrund dieser Veränderungen bleibt die Wirtschaftsstruktur durch eine Prozeßinnovation ebenfalls nicht unbetroffen. Diese Reaktionen sind in Abbildung 6 durch Pfeile mit einer größeren Strichstärke gekennzeichnet. 2. Intraindustrielle Spillover-Effekte Innovationen ziehen stets Imitationen nach sich. Das bedeutet, daß durch die Innovation der Unternehmung 1 im Markt 1 auch alle

11. Innovationen, Heterogenität und Struktur

61

Markt 2

Marktstruktur 2

I • L

_

~I_ _., "

Wirtschaftsstruktur

Marktstruktur 1

Markt 1

Abbildung 6: Die Wirkungen von Prozeßinnovationen

Konkurrenten aus diesem Sektor profitieren. In welchen Formen und durch welche Kanäle dies geschieht, soll nicht weiter diskutiert werden 24 . Entscheidend ist, daß das technische Wissen der Konkurrenten ebenfalls steigt, so daß auch hier Kosten reduziert werden können und Auswirkungen auf das Angebot des Marktes 1 zu verzeichnen sind. 24V gl.

hierzu zum Beispiel Stadler [1989], S. 14 ff.

62

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

3. Interindustrielle Spillover-Effekte Neben den intraindustriellen Spillover-Effekten sind in gleicher Weise interindustrielle Spillover-Effekte möglich (vgl. Scherer [1982] und Kalmbach/Kurz [1985]). Dies bedeutet, daß nicht nur die Konkurrenten des Innovators von einer Erhöhung des technischen Wissens profitieren, sondern auch alle Unternehmen der anderen Märkte. Der Umfang dieser externen Effekte fällt dann aber sicherlich geringer aus. Durch solche Effekte werden alle Gütermärkte eines ökonomischen Systems betroffen sein. 4. Effekte durch die Vorleistungsverflechtung In einem System, in dem die Vorleistungslieferungen zwischen den Sektoren betrachtet werden, ergeben sich durch Prozeßinnovationen weitere Effekte, die letztlich alle Märkte und Unternehmen betreffen. Wie gerade gezeigt wurde, hat eine Prozeßinnovation auch Auswirkungen auf den Sektorpreis PI. Diese Variable wird nun aber die Nachfrage nach Vorleistungen nach Produkten beider Sektoren beeinflussen. So ist vorstellbar, daß durch eine Prozeßinnovation der Preis PI fallt. Dies kann zur Folge haben, daß die vier betrachteten Unternehmen verstärkt Vorleistungen aus Sektor 1 nachfragen und die Bedeutung von Sektor 2 als Vorleistungslieferant sinkt. Hieraus resultieren wiederum Wirkungen auf die Angebotsseiten der Märkte und folglich auf die Marktstrukturen und die Wirtschaftsstruktur .25 5. Effekte durch die Investitionsverflechtung Analog zum Fall der Vorleistungsverflechtung wird eine Prozeßinnovation wieder Rückwirkungen auf alle Unternehmen haben, falls die Produktgruppe 1 als Investitionsgut nachgefragt wird. Vorstellbar ist, daß durch eine Prozeßinnovation der Investitionsgüterpreis fallt und somit Kapitalstockerweiterungen günstiger werden, was wiederum das Angebot der Unternehmen betrifft. Die Zusammenstellung zeigt, daß selbst bei der Beschränkung auf die fünf genannten Wirkungsketten eine Prozeßinnovation die Heterogenität der Unternehmen und Sektoren und vor allem der Markt- und Wirtschaftsstruktur in erheblichem Maße betrifft. Eine einzige Innovation bringt das gesamte ökonomische System auf allen Ebenen in Bewegung. In aller Regel ist jeder Markt und jede einzelne Unternehmung betroffen. Hervorzuheben ist, daß alle diese Effekte primär über die Angebotsseite der Unternehmen bzw. Märkte laufen. 25Um die Übersichtlichkeit der Abbildung 6 zu wahren, sind die entsprechenden Pfeile unterbrochen worden.

H. Innovationen, Heterogenität und Struktur

63

b) Die Auswirkungen von Qualitätsverbesserungen

Sehr ähnliche Effekte wie bei Prozeßinnovationen ergeben sich durch Qualitätsverbesserungen. Nun allerdings ist vorrangig die Nachfrageseite betroffen. Um die Wirkungen einer Qualitätsverbesserung darzustellen, wird wieder das Unternehmen 1 aus Sektor 1 betrachtet. In der Abbildung 7 sind die Zusammenhänge dargestellt. Es ergeben sich nun zusätzliche Reaktionen, die durch die Pfeile mit der größeren Strichstärke hervorgehoben sind. 1. Direkte Effekte Eine Qualitätsverbesserung betrifft zunächst den Innovator selbst. Sein Qualitätsniveau wird steigen, seine Nachfragesituation wird sich verbessern. Wie bei Prozeßinnovationen ergeben sich die Wirkungen auf die Marktstruktur des Marktes 1 und auf die Wirtschaftsstruktur. Außerdem ist in diesem Fall nicht nur der Preis PI betroffen, sondern auch direkt die sektorale Qualitätsvariable al. 2. Intraindustrielle Spillover-Effekte

Auch bei Produktinnovationen muß ein Innovator stets damit rechnen, daß das verbesserte Produkt imitiert wird und somit die Marktkonkurrenten positive externe Effekte nutzen können.

3. Qualitätswettbewerb als Verdrängungswettbewerb Bei der Untersuchungyon Prozeßinnovationen wurde unterstellt, daß abgesehen von Spillover-Effekten Prozeßinnovationen die Angebotsund Nachfragefunktionen der Konkurrenten nicht beeinflussen. Bei Produktinnovationen ist dies in aller Regel nicht der Fall. Aufgrund eines gegebenen Budgets der Nachfrager werden durch die Qualitätsverbesserung des Innovators die Nachfragefunktionen der Konkurrenten nach innen geschoben. Es findet Verdrängungswettbewerb statt (vgl. MeyerjVogtjVoßkamp [1992]). 4. Interindustrielle Spillover-Effekte Diese laufen analog zu den intraindustriellen Spillover-Effekten ab, nun allerdings zwischen den Sektoren. 5. Effekte durch die Vorleistungs verflechtung Bei der Betrachtung von Qualitätsverbesserungen ergeben sich wie bei Prozeßinnovationen interindustrielle Verflechtungen. Nun allerdings spielen nicht nur die Vorleistungspreise Pi eine Rolle bei der Bestimmung der Vorleistungsnachfrage der Unternehmen, sondern auch die Qualitätsvariablen ai.

64

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Markt 2

Marktstruktur 2

Marktstruktur 1

Markt 1

Abbildung 7: Die Wirkungen von Produktinnovationen

6. Effekte durch die Investitionsverflechtung Die Effekte, die hier zu nennen sind, sind die gleichen wie bei der Vorleistungsverflechtung. Allerdings zeigt sich hier eine weitere Schwierigkeit, die vielfältigen Wirkungen von Innovationen zu ermitteln. Durch die Berücksichtigung von Qualität werden sich in jeder Periode die Qualitäten der Investitionsgüter unterscheiden. Da aber nicht nur die Quantität der Kapitalstöcke von Bedeutung ist, son-

II. Innovationen, Heterogenität und Struktur

65

dern auch ihre Qualitäten, wird man notgedrungen auf der Basis von vintage-Modellen den Kapitalstock detailliert fortschreiben müssen. Es bleibt festzuhalten, daß sich bei Qualitätsverbesserungen sehr ähnliche Effekte wie bei Prozeßinnovationen einstellen. Hierzu kommen hier allerdings die Wirkungen, die mit dem Qualitätswettbewerb zusammenhängen. Außerdem laufen die Effekte primär über die Nachfrageseite ab.

c) Die Auswirkungen neuer Produkte Der Fall eines neuen Produktes, der die Evolution eines neuen Marktes impliziert (vgl. Unterabschnitt B.II.l.b )), soll nur kurz besprochen werden. Sämtliche der in den beiden vorherigen Unterabschnitten genannten Effekte können eintreten. Das bedeutet, daß durch ein neues Produkt alle Unternehmen durch veränderte Möglichkeiten bei der Vorleistungsnachfrage oder bei Investitionsnachfrage über die Angebotsseite und durch Nachfrageverschiebungen über die Nachfrageseite betroffen sind. Dementsprechend ist auch die Marktstruktur und die Wirtschaftsstruktur betroffen. 4. Empirische Befunde

Unter Innovationsökonomen empirischer Orientierung ist unbestritten, daß Heterogenität für das Entstehen von Innovationen entscheidend ist und umgekehrt Innovationsprozesse heterogen in Unternehmen bzw. Sektoren ablaufen (Rahmeyer ([1989], S. 282). Deshalb soll an dieser Stelle nur auf vier wesentliche Teilaspekte der Innovationsforschung hingewiesen werden, die im Ergebnis die Bedeutung der Heterogenität der Unternehmen sowie der Sektoren, der Marktstruktur und der Wirtschaftsstruktur besonders herausstellen. Dies kann allerdings in Hinblick des Umfangs dieser Arbeit nur in sehr knapper Form geschehen. Zunächst sei auf die Arbeiten von Mansfield in Zusammenarbeit mit anderen Autoren hingewiesen (vgl. Mansfield/Brandenburg [1966], Mansfield/Schwarfz/Wagner [1981], Romeo [1975]). Diese Untersuchungen auf der Grundlage zahlreicher Fallstudien in mehreren amerikanischen Industrien zeigen, daß Innovationsprozesse in Unternehmen sehr unterschiedlich ablaufen. Als zweites sei die lange Tradition der Beiträge genannt, die gezeigt haben, daß die Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes oder anderer makroökonomischer Variablen regional und sektoral divergieren (vgl. z. B. Fagerberg [1994]). Als ein Grund für diese Divergenzen wird der technische Fortschritt angesehen, der regional und sektoral sehr unterschiedlich wirkt. Die Abkehr von aggregierten Analysen in diesem Metier zeigt, daß 5 Voßkamp

66

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

disaggregierte Studien notwendig sind, da die Heterogenität der Sektoren zu groß ist. Blickt man auf die Ergebnisse des vorherigen Abschnitts zurück, so ist klar, weshalb die Bedeutung des technischen Fortschritts für das Wachstum einzelner Sektoren nur schwer herauszustellen ist. Die Vielzahl der Varianten der Interdependenzen, die sich durch Innovationen ergeben, sind sehr komplex. Der Marktstruktur kommt bei der Diskussion der Schumpeter- und NeoSchumpeter-Hypothesen eine große Bedeutung zu (vgl. Keuter [1994], S. 37 ff.). Die Frage, die in dieser Kategorie von Beiträgen behandelt wird, ist, wie insbesondere die Marktkonzentration das Innovationsverhalten beeinflußt. Als gesichert kann gelten, daß dieser Zusammenhang sektoral sehr verschieden sein kann. Schließlich zeigt sich bei der Diskussion um die Wettbewerbsfahigkeit von Volkswirtschaften, daß Aussagen nur dann sinnvoll sind, wenn die Interdependenzen der einzelnen Sektoren und damit die Wirtschaftsstruktur mit in die Untersuchung einbezogen wird. Die bereits genannten Beiträge von Scherer [1982] sowie Kalmbach und Kurz [1985] zeigen, daß die indirekten Wirkungen von Innovationen durch Investitions- und Vorleistungslieferungen einen wesentlichen Beitrag zur Wettbewerbsfahigkeit einzelner Sektoren leisten. In diesen Zusammenhang ist auch der Beitrag von Pavitt [1984] einzuordnen. Seine Klassifikation der Sektoren nach ihrer technologischen Basis ist der Ausgangspunkt von vielen, zumeist empirischen Arbeiten (vgl. z. B. Dosi/Pavitt/Soete [1990] und Meyer-Krahmer/Grupp [1993]), die zum Ziel haben, die unterschiedliche Bedeutung einzelner Sektoren für eine Volkswirtschaft herauszustellen. 5. Zusammenfassung und Überleitung

Die Ergebnisse dieses Kapitels zeigen, daß Innovationen mit Heterogenität eng verbunden sind. Einerseits setzen Innovationsprozesse Heterogenität voraus, anderseits haben Innovationen einen wesentlichen Einfluß auf die Heterogenität der Unternehmen und Sektoren und damit auf die Marktstruktur und die Wirtschaftsstruktur . Der zweite Zusammenhang steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Seine detaillierte Untersuchung hat gezeigt, daß Prozeßinnovationen, Qualitätsverbesserungen und neue Produkte über sehr vielfaltige Wege Variablen der Unternehmens-, der Markt- und der Makroebene beeinflussen. Hieraus folgt, daß nur ein Modell, das die Mikro-, die Meso- und Makroebene abbildet, geeignet sein kann, alle diese Wirkungen konsistent

IH. Zur Konzeption von Mikro-Makro-Modellen

67

und vollständig zu erfassen. Es besteht offensichtlich die Notwendigkeit, Mikro-Makro-Modelle zu konzipieren, wenn Fragen der Wirkungen des technischen Fortschritts analysiert werden sollen. Dieses Resultat ist der Ausgangspunkt des nächsten Kapitels, das die möglichen Konzeptionen von Mikro-Makro-Modellen vorstellt. III. Zur Konzeption von Mikro-Makro-Modellen

Das letzte Kapitel hat bereits verdeutlicht, daß bestimmte fragestellungen, z. B. die der Wirkungen von Innovationen, die Konstruktion von Mikro-Makro-Modellen erfordern. Aus diesem Grund wird sich dieses Kapitel in allgemeiner Form mit MM-Modellen auseinandersetzen. Nach grundsätzlichen Bemerkungen zu MM-Modellen wird auf das Aggregationsproblem eingegangen, da auf der Basis unterschiedlicher Aggregationsprinzipien die beiden Klassen von Mikro-Makro-Modellen - MFM-Modelle bzw. MTM-Modelle - gebildet werden können. 1. Grundsätzliche Bemerkungen

a) Was sind Mikro-Makro-Modelle?

Bevor erläutert wird, was unter Mikro-Makro-Modellen verstanden werden soll, ist es sinnvoll, die in Mikro-Makro-Modellen angesprochenen Betrachtungsweisen kurz anzusprechen. 26 Hinter den griechischen Adjektiven mikros (I-'LICOt;), mesos (I-'euat;) und makros (WXICUat;) verbergen sich Aussagen über die Größe. Mikros bedeutet klein, mesos mittel und makros groß oder lang. Dementsprechend sind Begriffe wie Mikroklima, Mesoklima und Makroklima oder Gegensatzpaare wie Mikro- und Makrokosmos, Mikro- und Makroanalyse sowie mikround makroskopisch zu verstehen.

Sehr ausdrücklich wird in der Wirtschaftstheorie zwischen Mikroökonomik und Makroökonomik unterschieden. Die Mikroökonomik betrachet einzelne Wirtschaftssubjekte, Makroökonomik Gruppen von Wirtschaftsubjekten (Aggregate). Die Mesoökonomik ist als Zwischenstufe zwischen diesen beiden Extremen zu sehen. Zentrale Gegenstände der Mikroökonomik sind - je nach Definition - einzelwirtschaftliche Sachverhalte (Woll [1984], S. 5), das Verhalten einzelner Wirtschaftseinheiten (Varian [1985], S. 1). Untersucht werden die Interaktionen der Wirtschaftseinheiten (Varian [1985], S. 1), in der Regel 26ZU

einem Überblick über die Betrachtungsweisen in der Ökonomik vgl. z. B.

Helmstädter [1983], S. 16 ff. oder loachimsen/Knobel [1971], S. 63. S'

68

B. Theoretische Grundlagen und Vorarbeiten

Unternehmen und Haushalte, die als Anbieter und Nachfrager auf Märkten agieren. Insbesondere werden Preisbildungs- und Allokationsprozesse (Henderson/Quandt [1983], S. 2) analysiert. Im Gegensatz zur Mikroökonomik beschäftigt sich die Makroökonomik mit gesamtwirtschaftlichen Sachverhalten. Betrachtet werden nicht einzelne Wirtschaftssubjekte, sondern Gruppen von Wirtschaftssubjekten, die als Aggregate bezeichnet werden (Stobbe [1987], S. 2). Aggregate werden gebildet, wenn Regelmäßigkeiten zwischen den einzelnen Wirtschaftsubjekten erwartet werden können und das einzelne Wirtschaftssubjekt keine Rolle spielt. Dies gilt insbesondere, wenn es ausreicht, ein durchschnittliches oder typisches Wirtschaftssubjekt zu betrachten (Kirchgässner [1991], S. 21). Diese Formulierung deutet auf das in neueren Ansätzen der Makroökonomik häufig verwendete Konzept des repräsentativen Individuums hin, welches in Abschnitt B.I.4. bereits intensiv besprochen wurde. Nach Vilks ([1984], [1991]] kann man Makroökonomik aber nicht nur als aggregative Theorie verstehen, sondern auch als simplifizierende Gleichgewichtstheorie oder als eine rein empirisch orientierte Analyse (Vilks [1991],

S. 89 ff.). Die beiden letztgenannten Interpretationen stehen nicht im Zentrum dieser Untersuchung, da man sich hier nicht unmittelbar mit dem Zusammenhang von Mikro- und Makroökonomik beschäftigen muß.

Neben den beiden Betrachtungsweisen Mikroökonomik und Makroökonomik erlangt in der Wirtschaftstheorie mit der Mesoökonomik eine dritte Betrachtungsebene größere Bedeutung. Vertreten wird hier nicht eine extreme, sondern eine mittlere Position, da Märkte oder Industrien, also Teile von volkswirtschaftlichen Aggregaten, die aber wieder jeweils einzelne Wirtschaftssubjekte umfassen, betrachtet werden. Deshalb wird auch von Marktökonomik und Industrieökonomik gesprochen (Oberender/Väth [1989]).27 Unter einem Mikro-Makro-Modell soll ein Modell verstanden werden, das mikro ökonomische und makroökonomische Elemente enthält und diese verbindet. 28 Unter einem Mikro-Meso-Makro-Modell wird ein MikroMakro-Modell verstanden, welches zusätzlich die Mesoebene betont. Zu unterscheiden sind zwei grundsätzlich verschiedenen Ansätze. Die eine Gruppe der Modelle der Mikro-Makro-Modelle wird durch die Ansätze 27Mesoökonomik sollte nicht mit mesoeconomics übersetzt werden, da im anglo-amerikanischen Sprachraum mit mesoeconomics eine von Ng [1980] begründete makroökonomische Tradition verbunden wird, die sich mit der Einbindung von Wettbewerbselementen in makroökonomischen Modellen beschäftigt. 28Damit wird implizit nicht die Meinung von Felderer und Homburg geteilt, Mikro- und Makroökonomik seien zwei grundsätzlich unvereinbare Betrachtungsweisen (FeldererjHomburg [1991], S. 291).

III. Zur Konzeption von Mikro-Makro-Modellen

69

zur Mikrofundierung der Makroökonomik (MFM-Modelle) gebildet, die andere Gruppe durch die micro-to-macro-Modelle (MTM-Modelle). Diese beiden Ansätze werden im folgenden herausgearbeitet. In dieser Arbeit werden die Begriffe Mikro-Makro-Modelle und MFM-Modelle also nicht synonym verwendet werden (vgl. z. B. Stadler [1993]). b) Historische Anmerkungen

Die Unterscheidung von Mikroökonomik und Makroökonomik hat seine Quelle in den Arbeiten Marshalls [1890/1982]. Die Forderung, generelle Prinzipien zu finden, und die Entwicklung des Konzepts der repräsentativen Unternehmung kann als Beginn der unterschiedlichen Betrachtungsweisen angesehen werden (Winkel [1994], S. 27). Der Begriff Makroökonomik wurde allerdings erst 1933 von Fritsch geprägt (Allen [1967], S.l), kurz bevor J. M. Keynes seine Monographie General Theory of Employment, Interest, and Money veröffentlichte. Aufgrund der Bedeutung dieses Werkes kann das Erscheinungsjahr 1936 als das Geburtsjahr der (keynesianischen) Makroökonomik angesehen werden. 29 Seitdem stehen die mikroökonomische und die makroökonomische Theorie mehr oder weniger nebeneinander. Seit Beginn wird aber auch beklagt, daß die Theorierichtungen auseinanderdriften, und es wurde die Forderung aufgestellt, daß beide kompatibel sein sollten (Allen [1956]). Einer der ersten Autoren, der sich mit dem Zusammenspiel von Mikround Makroökonomik auseinandersetzte, war Patinkin, der den Versuch unternahm, die mikroökonomischen Preisbildungsprozesse und die gesamtwirtschaftliche Preisniveaubestimmung kompatibel in einem klassischen Umfeld zusammenzubringen (Patinkin [1956/1965]). Beginnend mit der Neuen Klassischen Makroökonomik (Lucas [1972]) ist ein weiter Teil der Makroökonomik von der Mikrofundierung der Makroökonomik stark beeinflußt. Die Vertreter dieses Ansatzes sehen durch die Übertragung mikroökonomischer Entscheidungsmodelle mit Hilfe repräsentativer Agenten den Gegensatz von Mikro- und Makroökonomik gelöst. Dies gilt vor allem für die Real Business Cycle Theory und die Neue Keynesianische Makroökonomik (vgl. Abschnitt B.lV.l.). 29Makroökonomische Überlegungen wurden natürlich auch von klassischen und neo klassischen Ökonomen angestellt, allerdings ohne daß sich diese als Makroökonomen bezeichnet haben. Die herausragende Position von I< eynes im Rahmen des makroökonomischen Denkens ergibt sich vor allem aufgrund seines totalanalytischen Standpunktes. Auch ist zu beachten, daß I O. Yi

si

Y

Die Gleichung (45) zeigt die Bedeutung der Inputverflechtung für den Zusammenhang von nominaler Produktion und Endnachfrage. Sofern in der Ausgangssituation die Endnachfrage und die nominale Produktion auf alle Sektoren gleichverteilt sind, ergeben sich die größten Reaktionen in dem Sektor, in dem die Veränderung der Endnachfrage auftritt, also im Fall i = j, weil dieser Sektor zunächst unmittelbar von der Nachfragesteigerung betroffen ist (vgl. Satz 4). In den anderen Fällen (i ::/: j) profitieren die Sektoren nur indirekt über die Vorleistungsverflechtung. Aufgrund der Betrachtung relativer Veränderungen spielt natürlich auch die Größe der Sektoren bzw. eine Rolle. Schließlich sind die Effekte

(sr

9 Voßkamp

sn

130

C. Neue Ansätze

um so größer, je höher die "gesamtwirtschaftliche Konsumquote" Fjy ist. Hier zeigt sich explizit eine der wesentlichen Eigenschaften keynesianischer Multiplikatormodelle. Die Bedeutung der Parameter lij kann schnell geklärt werden. Sinkt c. p. ein Inputkoeffizient lij, so wird mit Aussage 5 des Satzes 1 der Vektor y mindestens in einer Position steigen, aber in keiner fallen. Anzumerken ist allerdings, daß eine derartige Aussage nur für den Vektor

y relativ unproblematisch zu treffen ist. Aufgrund der Parameterrestrik-

tion (12) kann eine Verringerung eines Inputkoeffizienten lij nur dann auftreten, wenn gleichzeitig mindestens ein anderer Inputkoeffizient Ikj oder Wj oder aj oder ßi steigt. Ändern sich parallel wi, ai oder ßj, so gilt die Aussage des vorherigen Absatzes uneingeschränkt. Anderenfalls sind zwei gegenläufige Effekte zu betrachten. Die Wirkungen von Veränderungen von Inputkoeffizienten werden sehr ausführlich im Zusammenhang mit der Modellierung des technischen Fortschritts in Input-Output-Modellen (z. B. Senger [1974]) oder bei der Analyse der Wichtigkeit von Inputkoeffizienten (z. B. Kogelschatz[1977] oder M aas [1980]) diskutiert.

c) Die Determinanten der sektoralen Preise und Mengen Ausgehend von den Gleichungen (33) und (29) sollen nun die Determinanten der sektoralen Preise untersucht werden. Neben der exogenen Endnachfrage F bestimmen die Effizienzparameter Mi I und die Kapitalstöcke Kjl, die Anzahl der Marktteilnehmer der einzelnen Märkte m = (ml, ... , m n f sowie der exogene Lohnsatz I und schließlich die Parameter des Modells (h, w, a, ß und r) die sektoralen Preise und Mengen. 1. Der Einfluß der Endnachfrage Zur Analyse von Nachfrageveränderungen soll zweistufig vorgegangen werden. Zunächst seien nur die Auswirkungen einer Änderung der nominalen Produktion Yi in einem Sektor j auf alle Preise Pi und Mengen Xi betrachtet. Anschließend erhält man mit den Ergebnissen aus dem vorherigen Unterabschnitt C.I.4.b) die Wirkungen einer Veränderung des Endnachfragevektors. Zunächst gilt mit Gleichung (33): (46) E(pi;Yj) = (ßj +Wj)' {(I- rT)-l j > O.

L

Die Preise werden mit steigendem Umsatz wachsen. Die Preiswirkungen sind c. p. in dem Sektor am größten, in dem die Änderung auftritt, da die Diagonalelemente der Leontief-Inversen zu der transponierten Matrix r T größer als eins und größer als alle anderen Ele-

I. Das Mikro-Makro-Modell mMM

131

mente einer Zeile oder Spalte sind (vgl. Satz 1 und Satz 4). Wj und ßj haben wieder den bekannten Einfluß. Für die Mengen ergibt sich ein umgekehrtes Bild:

{

E(Xi;Yj)

=

E (pi; Yj), E (Pi; Yj),

1

{

-(Wj

1- (Wj

i#j i=j

+ ßj)· {(I- rT)-l Lj

+ ßj)· {(I -

rT)-l }jj

< >
o.

Die nachfrageinduzierten Wirkungen auf die Preise hängen von der Struktur der Wirtschaft ab. Die Endnachfragestruktur, die Wirtschaftsstruktur und die Input-Output-Struktur spielen eine wichtige Rolle. Es zeigt sich, daß eine Erhöhung der Gesamtnachfrage sehr heterogen die einzelnen Sektoren betreffen kann. Analog ergeben sich die Auswirkungen auf den Vektor der Produktionswerte. 2. Der Einfluß von Innovation und Investition Die folgenden Elastizitäten zur Abschätzung der Effekte von Prozeßverbesserungen und Kapazitätsausweitungen auf sektorale Preise

c.

132

Neue Ansä.tze

und Mengen können direkt aus der Preisgleichung (33)

abgeleitet werden. Wesentlich für die Bestimmung der Preise ist der Ausdruck

aus der Gleichung (29). Es gilt:

< 0 . {(I-rT)-l}ji· Sil < o.

(47)

E(pj;Mil)

-Wj· {(I - rT)-l }ji· Sil

(48)

E(pj; Kil)

-ßj

Wenn ein Unternehmen I aus einem Sektor i eine Innovation durchsetzt oder investiert, werden alle Preise fallen. Neben der Preissenkung im Sektor i, die die stärkste ist, fallen alle anderen Preise, weil das Gut i auch als Vorleistungsgut verwendet wird und somit die Stückkosten in allen Sektoren fallen. Aufgrund der inversen Beziehung von Sektorpreis und sektoraler Produktion (vgl. Gleichung (34)) ergeben sich analog die Elastizitäten für die Mengen mit umgekehrten Vorzeichen: E(Xj;Mi!) E(xj;Kil)

> 0 ßj . {(I - rT)-l }ji· Sil > o.

Wj . {(I - rT)-l }ji· Si!

Unter Berücksichtigung der Eigenschaften der LeontiefInversen ergeben sich die stärksten sektoralen Preis- und Mengenwirkungen in Abhängigkeit vom Marktanteil- jeweils in den Sektoren, in denen die Innovationen und Investitionen zu verzeichnen sind. Den Produktionselastizitäten ßj und Wj kommt die bereits im Unterabschnitt C.I.4.a) erläuterte Bedeutung zu. 3. Der Einfluß der Anzahl der Marktteilnehmer Nur unter der vereinfachenden Annahme identischer Kapitalstöcke kann der Einfluß der Anzahl der Marktteilnehmer untersucht werden. Es sei deshalb

(49)

Mjl

(50)

Kjl

Mj Kj mj

I E Mj I E Mj,

I. Das Mikro-Makro-Modell mMM

133

wobei K j den gesamten Kapitaleinsatz im Sektor j bezeichne. Dann gilt unter Verwendung der Umformung In ( mj"

I

M ~ .(Kj)~) mj J

fJ·



n

In

(

M Wj.j:~j K Wj.j:~j j

.

j

(M WjW~~j KWj~~j j

.

j

(J.

1- Wj.j:~j

.

mj

.

mj

Wj"'./:~i )

)

.

für die Elastizität der Preise bzgl. einer Veränderung von mj (mit (33) und (35»:7

Offensichtlich sinken alle Preise, wenn - bei gegebenem sektoralen Kapitalstock - die Anzahl der identischen Unternehmen erhöht wird. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da, bedingt durch die kurzfristige Gewinnmaximierung, von steigenden Grenzkosten ausgegangen wird. 4. Der Einfluß des Lohnsatzes Wiederum ausgehend von Gleichungen (33) und (35) ergeben sich mit steigendem Lohnsatz steigende Preise. Es gilt: E (Pi; I) = (}:i·

Lohnsteigerungen führen somit zu Preissteigerungen, die in allen Sektoren (relativ) gleich ausfallen. Die Gewinne und die Verteilung der Marktanteile sind hiervon nicht betroffen. Würden sektoral unterschiedliche Lohnsätze zugelassen, ergäben sich allerdings unterschiedliche Entwicklungen, die aber auf die Gewinnstruktur wieder keinen Einfluß hätten. 5. Der Einfluß der Parameter Die Bedeutung der partiellen Produktionselastizitäten (w, o.,ß, r) ist an mehreren Stellen deutlich ge~orden. Bleibt noch die Bedeutung des Parameters hi zu klären, der für alle Unternehmen 1 eines 7Daß an dieser Stelle eine Marginalanalyse eigentlich nur bei einer sehr großen Marktteilnehmerzahl erlaubt ist, ist offensichtlich. Am Vorzeichen ändert sich aber bei einer diskreten Analyse nichts.

134

c.

Neue Ansätze

Sektors i gleich ist. h i kann als sektoraler Eflizienzparameter interpretiert werden, der Bestandteil aller Produktionsfunktionen eines Sektors i ist. Ein steigender FuE-Kapitalbestand, der außerhalb der Unternehmen z. B. in Form von staatlich finanzierter Grundlagenforschung entsteht, fördert das Wissen aller Unternehmen eines Sektors, da dieses Wissen allen Unternehmen kostenlos zur Verfügung steht. Die Wirkungen einer Erhöhung von hi hat die gleichen qualitativen sektoralen Auswirkungen wie eine Erhöhung des technischen Wissens einer Unternehmung. Mit einer Variation der einzelnen Variablen h. können die Wirkungen einer industriepolitisch orientierten Forschungsförderungspolitik untersucht werden. Die sektoralen Preise und Mengen werden somit durch die verschiedenen exogenen Variablen und Parameter bestimmt. Die Modellstruktur führt allerdings dazu, daß sich sehr heterogene Entwicklungen in den Sektoren ergeben können. Faßt man die Determinanten der Preise zusammen, stellt man fest, daß alle - mit Ausnahme des Lohnsatzes - die Preise negativ beeinflussen. Reziprok hierzu entwickeln sich die Mengen. d) Gesamtwirlschaftliche Zusammenhänge

Die gesamtwirtschaftlichen Effekte resultieren, dem bottom-up-Ansatz folgend, aus Summation der Effekte, die sich in den einzelnen Sektoren ergeben. Veränderungen auf der Mikroebene wirken offensichtlich bis auf die Makroebene:

LW•. n

.=1

Si·

sil· {(I -

r T )-l},j

n

Lß•.Si· sil· {(I - r T )-l},j. i=l

Für die Elastizitäten der Preise gilt:

E(p;Mj,) E (p; Kj,)

-E (x; Mj,)

-E (x; Kjl).

Die Auswirkungen von Investitionsentscheidungen und Prozeßverbesserungen pflanzen sich somit bis auf die Makroebene fort. Die gesamtwirtschaftlichen Effekte hängen von der Vorleistungsstruktur (Leontief Inverse), von der Sektorstruktur (sektorale Produktionsanteile s.) sowie dem Marktanteil ab.

1. Das Mikro-Makro-Modell mMM

135

Deutlich wird aber auch, daß Innovationen und Investitionen sehr unterschiedlich auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wirken. Die Bedeutung der Wirtschafts- und Marktstruktur ist offensichtlich.

e) Markteintritt Schließlich sollen noch einige Anmerkungen zum Markteintritt erfolgen. Mit (19), (22), (23) und (12) kann gezeigt werden, daß der kurzfristige Gewinn bestimmt ist durch:

LPi . n

Sjl

Pi . Xjl

-I . Ajl

-

Vijl

i=1

Sofern technisches Wissen oder Kapital von Bedeutung sind (Wj > 0 oder > 0), werden kurzfristige Gewinne entstehen. Der gesamte kurzfristige Gewinn aller Marktteilnehmer beträgt: ßj

mj

='j

LSjk k=l

mj

= (Wj + ßj)· LYjk = (Wj + ßj)· Yj· k=l

Der sektorale Gewinn ist somit stets konstant und positiv. Da der Marktanteil durch Mj und Kj bestimmt ist, wird sich immer ein positiver (kurzfristiger) Gewinn für jedes Unternehmen ergeben. Aus der Sicht eines potentiellen Anbieters ist deshalb stets der Anreiz vorhanden, tatsächlich in den Markt einzutreten, auch wenn das technische Wissen und der Kapitalstock noch so gering sind. Weil aber die Markteintrittsentscheidung von der langfristigen Gewinnmöglichkeit und damit einer dynamischen Analyse abhängen wird, sind weitere Aussagen an dieser Stelle nicht möglich. 5. Erweiterungen

In diesem Abschnitt sollen zwei Modellerweiterungen präsentiert werden. Einerseits soll die Endnachfrage teilweise endogenisiert werden, andererseits soll gezeigt werden, in welchem Umfang bei der Abbildung des Innovationsprozesses die Einführung von stochastischen Bausteinen möglich ist, um so das Modell zu dynamisieren. a) Die Endogenisierung der Endnachfrage Bislang wurde in diesem Kapitel von einer exogenen (nominalen) Endnachfrage ausgegangen. Diese setze sich nun zusammen aus der Investiti-

c.

136

Neue Ansätze

onsnachfrage 1,_der Konsumnachfrage C und einer weiteren Endnachfragekomponente F, die u. a. Exporte und Staatsaktivitäten umfassen kann:

F=C+I+F. Zur Endogenisierung werden folgende Investitions- und FuE-Ausgabenfunktionen unterstellt:

(51) (52)

Pjl . Yjl (Tjl . Yjl·

Dabei bezeichne: FuE-Ausgaben des Unternehmens I im Sektor j Jjl Investitionen des Unternehmens I im Sektor j Pjl FuE-Intensität des Unternehmens I im Sektor j (Tjl Investitionsquote des Unternehmens I im Sektor j. Diese einfachen, am Umsatz orientierten Entscheidungsregeln sind als Näherung aus empirischer Sicht durchaus akzeptabel (Brockhoff [1992], S. 182 ff., K euter [1994]). Eine Mo dellierung , die die Investitionen und FuE-Ausgaben nicht linear vom Umsatz abhängen läßt, würde allerdings auch - wieder einmal - den analytischen Rahmen dieser Arbeit sprengen. Mit den Ausgabenfunktionen (51) und (52) ist man in der Lage, Teile der Endnachfrage zu endogenisieren (vgl. Schumann [1968]). Rjl

Die zunächst ungewöhnlich erscheinende Bezeichnung des Investitionsvolumens durch Jj I wird sich als sinnvoll erweisen, da zwischen dem Investitionsvolumen Jjl einer Unternehmung und der Nachfrage nach Investitionsgütern bei der Unternehmung I des Sektors j - bezeichnet durch Ijl zu unterscheiden ist. Differenziert werden in der Regel Aufwendungen für FuE-Personal und FuE-Investitionen (Grenzmann u. a. [1991], Brockhoff [1992]). Dies wird im Modell wie folgt berücksichtigt: Rjl

= R~ + R~ = {Ljl . Rjl + (1- {Ljl) . Rjl.

Dabei sei:

R~

R~

Aufwendungen für FuE-Personal des Unternehmens I im Sektor j Aufwendungen für FuE-Investitionen des Unternehmens I im Sektor j konstanter Anteil der Aufwendungen für FuE-Personal an den gesamten FuE-Aufwendungen des Unternehmens I im Sektor j.

I. Das Mikro-Makro-Modell mMM

Das gesamte Investitionsvolumen beträgt dann:

137

Jjl einer Unternehmung I im Sektor j

Investition und Konsum sollen nun im folgenden endogenisiert werden (vgl. Schumann [1968]). Für den Konsum wird ein proportionaler Zusammenhang von Konsum und Volkseinkommen unterstellt. Für die Wertschöpfung eines Unternehmens gilt:

Das Volkseinkommen ist dann:

=

W

n

mj

n

L L Wjl

mj

= LL(Wj + aj + ßj)· Yjl j=11=1

j=11=1

n

L(Wj+aj+ßj)·Yj. j=1

Weiterhin seien Funktionen mit konstanten Konsumquoten Ci unterstellt, die die Konsumnachfrage nach den Gütern i beschreiben: Ci

= Ci· W

O

0

k,l E Mj

> 0

1c=1

';tk

Die wesentlichen Eigenschaften der linearen Nachfragefunktion sind erkennbar. Mit steigenden Preisen der Konkurrenten Pjk oder einer Erhöhung des Lageparameters Cijl wird sich die Nachfragesituation c. p. verbessern. Mit der Annahme linearer oder quadratischer Kostenfunktionen bieten lineare Nachfragefunktionen die Möglichkeit, recht einfach explizit die Cournot-Nash- Lösung (Launhardt-H otelling- Lösung) herzuleiten (vgl. Krelle [1976], S. 254 ff.). Sollen aber Kostenfunktionen der Form (vgl. Unterabschnitt C.III.3.a))

) Gjl ( Xjl

(73)

1

=

~

Cjl . Xjl

J

J

angenommen werden, so ist eine analytische Lösung nur dann zu bestimmen, wenn 1

-----=r, l-wj - ßj mit

rE{1,2,3,4}

gilt. Lineare Kostenfunktionen (r = 1) können aufgrund der Annahmen (68) und (69) nicht auftreten. Quadratische Kostenverläufe ergeben sich im Fall r 2, d. h. (Wj +ßj) 1/2. Alle anderen Fälle (r 3 - (Wj +ßj) = 2/3 bzw. r = 4 - (Wj + ßj) = 3/4) können zwar ebenfalls analytisch behandelt werden, allerdings nur mit erheblichem Aufwand. 21

=

=

=

21 Es ergeben sich Polynome vom Grade (T + 1) als Gewinnfunktionen. Für die Bestimmung gewinnmaximaler Preise sind dann die Nullstellen von Polynomen T-ten Grades zu bestimmen, was analytisch möglich, aber recht aufwendig ist. Die Fälle, die durch T ~ 5 charakterisiert werden, können nicht mehr analytisch betrachtet werden, sofern nicht aufgrund von gemeinsamen Teilern von Tl und T2 einer der zuvor genannten Fälle eintritt.

11·

c.

164

Neue Ansätze

Da die Analyse nicht auf diese Spezialfälle beschränkt werden soll, werden statt dessen lineare isoelastische Nachfragefunktionen gewählt, die aus analytischer Sicht kompatibel mit den Kostenfunktionen (73) sind 22 :

aj I .

Xjl(Pjl)

[gp1t"1

-Ej

1 E Mj

. Pjl

k"tl

mit

(74) (75) (76)

ajl cPjlk

1> Cj

> > >

Q

I E Mi

Q

k,IEMi,k=l:1

Q.

Die Notwendigkeit der Einschränkungen des Parameterraumes durch (76) wird später klar. In logarithmischer Darstellung folgt: mj

In Xjl(Pil)

=In ajl + L: cPjlk . Inpjk -

Cj . Inpjl.

k=l k"tl

Offensichtlich stellt -Ci die Preiselastizität der Nachfrage sowie cPi lk die Kreuzpreiselastizität dar: -Ci

E(Xjl;Pil)

cPjlk

E(xil,Pjk)

k =I: I.

Der Lageparameter ajl wiederum wird von zwei Vektoren abhängen. Einerseits wird er vom Vektor der Budgets b = (bI, ... , bh)T der h Nachfrager bestimmt, andererseits vom Vektor der Qualitäten aller angebotenen Produkte aj (ajl, ... , ajmjf:

=

(77) 22Die einfachsten iso elastischen Nachfragefunktionen ergeben sich aus haushaltstheoretischen Ansätzen mit Cobb-Dougla.,-Nutzenfunktionen. Auch im Modell mMM sind implizit iso elastische Nachfragefunktionen unterstellt. Vgl. dazu (32) bis (34). In industrieökonomischen Beiträgen sind derartige Nachfragefunktionen ebenfalls häufig zu finden. Vgl. hierzu z. B. Nelson/Winter [1982b] oder König/Pohlmeier [1990] und Pohlmeier [1992].

165

III. Oligopoltheoretische Erweiterungen

Diese allgemeine Form soll in Anlehnung an MeyerjVogtjVoßkamp [1992] spezifiziert werden durch (vgl. auch KönigjPohlmeier [1990], Pohlmeier [1992]):

mit (78)

bj

(79)

(Jjlle

bj(b)

> o.

Inwieweit diese Annahmen gerechtfertigt sind, wird ausführlich im Rahmen des Kapitels C.lV. untersucht. Zusammengefaßt folgt: bj·ajl·

(80)

mi -lli/ k] -ti [nm] P > 0

Dabei stellt U eine Nutzenfunktion mit streng konvexen Indifferenzkurven und A E IRrxm die Matrix der Charakteristikakoeffizienten oA.k dar.

Im Fall von r = 2 Charakteristika läßt sich das Optimierungsproblem sehr anschaulich graphisch darstellen. In der Abbildung 16 sind drei Produkte (1, 2, 3) berücksichtigt, die durch die Punkte A 1 ,A 2 und A 3 eindeutig bestimmt sind. Die Koordinaten (z~l' z~l) des Punktes AI ergeben sich durch: max

(90)

All • XI

(91)

1\21 . XI

12 Voßkamp

\

max

\

b

=

All . -

=

1\21 . - .

PI

\

b

PI

c.

178

Neue Ansä.tze

o Abbildung 16: Der Lancaster-Ansatz

xr

ax die Menge, die maximal erworben werden kann. Dies ist Dabei ist natürlich der Fall, wenn ausschließlich das Gut I nachgefragt wird. Mit zunehmenden Budget verlagern sich die Punkte A, offensichtlich nach außen. Weiterhin folgt aus Gleichung (89):

(92) Das bedeutet, daß Punkte, die auf demselben Ursprungsstrahl liegen, durch das gleiche Verhältnis der beiden Koeffizienten der Spalte I der Matrix A gekennzeichnet sind. Festzuhalten ist ferner, daß ein Konsument jedes Paar (Zl' Z2) an Charakteristikamengen mit einem Budget b erzielen kann, welches in der Möglichkeitsmenge liegt, die durch die Punkte A, (l E M) sowie 0 gebildet wird. Alle Punkte, die nicht auf den Ursprungsstrahlen liegen, können allerdings nur realisiert werden, wenn die Haushalte ihr Budget aufteilen und zwei Produkte "mischen". Das Verhältnis bestimmt sich in diesem Fall mit Hilfe des Vektorparallelogramms. Punkte, die nicht auf dem nordöstlichen Rand dieser Menge liegen, sind nicht effizient. Da in diesem Fall das Budget nicht vollständig ausgeschöpft wird, werden diese Punkte nicht realisiert. Dies gilt z. B. für den Punkt 1), weil hier ein höheres Nutzenniveau erreicht werden könnte, indem ausschließlich Produkt 2 oder 3 erworben würde. Als Lösung des Optimierungsproblems kommen somit - wie man schnell zeigen kann - alle nordöstlichen Randpunkte der Möglichkeitsmenge in Frage. Zwei Fälle sind in Abhängigkeit der Nutzenfunktion grundsätzlich zu unterscheiden. Ergibt sich ein Eckpunkt des effizienten Randes als Lösung, so wird ausschließlich das Gut nachgefragt, welches durch diesen Eckpunkt dargestellt wird. Dies ist in der Graphik für die Indifferenzkurve U2 der

IV. Der modifizierte Lancaster-Ansatz

179

Fall. Hier wird nur das Produkt I = 3 geordert. Andererseits können sich Tangentiallösungen, die keine Ecklösung darstellen, einstellen. Dies ist durch die Indifferenzkurve U1 angedeutet. Als Lösung ergibt sich dann der Punkt C, der - so sei die Bezeichnung - ein Mischgut aus Gut I = 1 und Gut I = 2 darstellt, das heißt, der Konsument kauft zwei Produkte in (in aller Regel) unterschiedlichen Quantitäten. Die Aufteilung erhält man mit Hilfe des Vektorparallelogramms, das durch die Punkte 0, EI, E2 und C gegeben ist. b) Die Modifikation des Lancaster-Ansatzes

Für die Modifikation des Lancaster-Ansatzes soll vorausgesetzt werden, daß nur zwei Charakteristika betrachet werden (r = 2) und daß eine Zeile der Matrix A durch identische Werte gekennzeichnet ist. O.B.d.A. sei:

(93)

A:= (

1

al

Die erste Zeile der Matrix A kann mit dem Argument motiviert werden, daß sich die Produkte, die substituierbar sind und somit auf einem Markt gehandelt werden, in bestimmten Eigenschaften gleichen. Die Elemente der zweiten Zeile können als Qualitätsindizes der Produkte interpretiert werden. Dies macht Sinn, wenn nur ein Charakteristikum betrachtet wird, in dem sich die Produkte unterscheiden. Damit wird von einer Vorstellung ausgegangen, die am Beispiel des Marktes für Mineralwasser verdeutlicht werden soll. Einerseits ist klar, daß die verschiedenen Mineralwasserprodukte in vielen Eigenschaften identisch sind, in anderen hingegen nicht, so z. B. der Anteil bestimmter Mineralstoffe. Andererseits ist klar, daß beim Kauf von Mineralwasser nicht die einzelnen Anteile der Mineralstoffe (Magnesium, Calcium, Fluorid, etc.) die Grundlage einer Kaufentscheidung eines Konsumenten ist, sondern eher eine eindimensionale Qualitätsvariable, die diese unterschiedlichen Eigenschaften in Form eines Indexes zusammenfaßt. Diese Annahmen sind zugegebenermaßen recht stark. Dennoch soll aus zwei Gründen mit ihnen gearbeitet werden. Zunächst wird sich zeigen, daß bereits in diesem recht einfachen Fall Resultate folgen, die die Komplexität und die Unzulänglichkeiten der Herleitung von Nachfragefunktionen zeigen. Zweitens kann gezeigt werden, daß durch schwächere Annahmen sich ebenfalls diese Probleme zeigen, allerdings in noch schärferen Formen. 12'

C. Neue Ansätze

180

Mit dieser Annahme (93) folgt: m

Zl

LZlk

m

=

m

Z 2k L k=l

L A l k ' Xk

=

k=l

k=l

Z2

m

m

=

LXk

=:

x

k=l m

A 2k' Xk L k=l

=

L a i ' Xk k=l

=: Q.

Folglich lautet das Optimierungsproblem: max

(Q,x)TEIR~

U(x,Q) m

u. d. N.

X

Q

LXk k=l m L a k ' Xk k=l

b

x,Q

> pT .x > o.

Das Optimierungsproblem erscheint nun in einer ungewöhnlichen Form, da in der Nutzenfunktion die Quantität und die Qualität in Form der Summe aller Qualitätseinheiten als Argumente Verwendung finden. Somit kann das Modell als Symbiose des klassischen Haushaltsansatzes und des Lancaster-Ansatzes gesehen werden.

c) Einige Überlegungen zum (x, Q)-Diagramm Durch diese Modifikation des Lancaster-Ansatzes lassen sich Produkte mit gleicher Qualität, gleichem Preis und gleichem Qualität-Preis-Verhältnis charakterisieren. 1. Gleiche Qualität Produkte mit gleicher Qualität (vgl. Abbildung 17 (a)) befinden sich offensichtlich auf demselben Ursprungsstrahl. Je steiler der Strahl, desto höher ist die Qualität (al> aII) . Bei angenommenen konvexen Indifferenzkurven wird sich allerdings nur das preisgünstigere Produkt durchsetzen, also Al bzw. A 2 • Diese Ergebnisse folgen unmittelbar aus den Gleichungen (92) und (93). 2. Gleiches Qualität-Preis-Verhältnis Es gilt, sofern das Budget nur für ein Produkt I verwendet wird: QI

al b = al . XImax = -. .

PI

IV. Der modifizierte Lancaster-Ansatz

Q

Q

I

Q

181

I

II

A2 E2 (1

X

(a)

(1

X

x

(1

(c)

(b)

Abbildung 17: Charakterisierung der Produkte im (x, Q)-Diagramm

Die Produkte, die ein gleiches Qualität-Preis-Verhältnis aufweisen, sind somit durch eine waagerechte Gerade im (x, Q)-Raum gekennzeichnet (vgl. Abbildung 17 (b)). Je höher das Verhältnis ist, desto weiter ist die Gerade vom Ursprung entfernt (aI/PI> an/pn). Für jedes Qualität-Preis-Verhältnis wird sich aber nur jenes Produkt durchsetzen, welches die niedrigste Qualität aufweist, in diesem Fall also Al bzw. A2. Dieses Ergebnis mag erstaunen. Es zeigt, daß ein Konsument lieber die doppelte Menge eines Produktes wählt, wenn ein alternatives Produkt zwar den doppelten Qualitätsindex aufweist, aber auch doppelt so teuer ist. Die Qualität-Preis-Indizes sind in diesem Beispiel identisch. Weil aber x und Q Argumente der Nutzenfunktion sind, entscheiden sich die Konsumenten für die größere Menge, da sich die nachgefragten Charakteristikamengen nicht unterscheiden.

a,

3. Gleicher Preis Senkrechte Geraden (Abbildung 17 (c)) stellen alle Produkte dar, die zum gleichen Preis angeboten werden. Je höher der Preis, desto weiter innen liegt die Gerade (PI> pn). Werden mehrere Produkte zum gleichen Preis angeboten, wird sich allerdings nur das qualitativ beste Produkt Al bzw. A 2 durchsetzen. d) Die graphische Herleitung des (a, P)-Diagramms

Mit dem modifizierten Lancaster-Ansatz kann sehr anschaulich die Bedeutung der Qualität-Preis-Verhältnisse durch die Herleitung eines (a, p)Diagramms studiert werden. In Abbildung 18 sind die Zusammenhänge für ein repäsentatives Individuum mit Budget b und drei Produkten Al, A 2 und A 3 dargestellt. Im I. Quadranten ist das übliche Lancaster-Schema dargestellt, nun allerdings mit den Koordinaten x und Q. Eingezeichnet ist ebenfalls die Gerade

c.

182

Neue Ansätze

a Q,a

II

I

A3

P P

x=l

X

x

Pl

P=P

Pl

III

IV

P P

Abbildung 18: Die Herleitung des (a, p )-Diagramms

x = 1. Die Schnittpunkte dieser Geraden mit den Ursprungsstrahlen, auf denen die Punkte AI liegen, können auf die Q-Achse projiziert werden. Es ergeben sich, wie man leicht mit Hilfe des Strahlensatzes zeigen kann, die Qualitätsparameter al.

In jedem Punkt AI wird das gesamte Budget jeweils nur für das Produkt

I ausgegeben. Somit gilt:

(94)

b

Dieser Zusammenhang wird im IV. Quadranten umgesetzt. Im BI. Quadranten ist nur die Winkelhalbierende eingezeichnet, so daß an beiden Achsen P abgetragen werden kann. Schließlich folgt dann für den 11. Quadranten das gewünschte (a, p)-Diagramm. Mit Hilfe dieses Diagramms wird in Abschnitt C.lV.4. der Einfluß der Preise und Qualitätsvariablen sowie der des Markteintritts auf die Nachfrage untersucht.

IV. Der modifizierte Lancaster- Ansatz

183

e) Einige analytische Überlegungen zum (a,p)-Diagramm In diesem Unterabschnitt sollen einige Eigenschaften des modifizierten

Lancaster-Ansatzes gezeigt werden. Vorausgesetzt sei, daß Produkte und

somit auch die Punkte A, wie folgt geordnet sind: (95)

Betrachtet werden nur Produkte mit unterschiedlicher Qualität, da sich für jedes Qualitätsniveau nur genau ein Produkt am Markt halten kann (vgl. Unterabschnitt C.lV.2.c». Ebenfalls sei ausgeschlossen, daß zwei Unternehmen Produkte mit gleicher Qualität zum gleichen Preis anbieten. 1. Polygonzug Zunächst soll gezeigt werden, daß sich wieder ein Polygonzug ergibt. O.B.d.A. gilt für die Strecke A,A,+I: A,A'+1 = {(Q, x) E IR? : Q = c - d· x, xE [blp" blp'+1]}.

Dabei sind c und d passend gewählt. Mit (94) und dem Strahlensatz folgt: Q x

a 1

-=-=

c-d·x c =--d x x

'j/

Nach Nullsetzen der Gleichungen, Umformungen sowie der Division von (104) durch (103) reduziert sich das Gleichungssystem (103) bis (105) zu: (106) (107)

Pi

I

"(ij .

Aj /

aj

Vijl

hi . Mi~; . A;'; . K~;.

XiI

II

iENV

Gleichung (106) wird nun nach ViiI aufgelöst: (108)

Vijl

= ( ~) aj

. (!!!...) "(ij

-1 .

Ai /.

V;ji

j •

c.

206

Neue Ansätze

Einsetzen von (108) in (107) ergibt: a

)

))

h· . M':'j . ) )I

Für

Ajl

j

rr (-). -) . ]'Yi rr Ei...

ß· .1(./.



h j . M.,' . A./

Xjl

( Pi ll·'··

)

iENv

A ~-Wj-ßj . 1(~j. ( )I

-1

1

[

)I

A jl

')

1)

1-wj-aj-ßj

ll.

)

()

iENv

-'Yij

, ..

')

folgt nach Umformungen: 1

A jl

h -l-Wj-ßj j .

ß'

W'

M-l-W~ßj

}~-l-W~ßj

. \.jl

jl

.

Für die Lohnsumme folgt: w·

1



.

Ajl

ll)·

h-l-Wj-~ j

.

_ .

M-l-W~~ jl

.

.(~.) df=r;. II )

1(-l-W~~ jl

.

[( P.i.) df=r;] ")

ieNV

Die (nominale) Vorleistungsnachfrage ergibt sich mit (108): 1

Pi . Vijl

=

W'

... h- l-wj-ßj M- l-W/-»j

")

j

.

jl

ß'

}~ - l-W/-»j

. \.jl

Mit (109) und (109) folgt: Cjl(Xjl)

=



(1

A jl

+

- Wj -

E

Pi· Vijl

ieNv

ß) j . hj

'*' .

1

l-wj-»j

.

M- l-W/-»j jl

fj'

}~ - l-W/-»j

. \.jl

.

.(~.)df=r;. rr [(P.i.)df=r;].Xj~. )

iENV

")

Auf die Prüfung der Bedingungen zweiter Ordnung wird verzichtet.

207

V. Mathematischer Anhang zu Teil C.

3. Die Reaktionsfunktionen im Modell P+Q

Sei: (109)

Cl

.-

l-lIjll. bJ.. a jl

[n [n mj

k",

"'jlk].

Pp.

mj

k",

Je=l

_lI ajk

n (-.Pi).

Je=l

(110)

j1k ]

iO/ v

"fij

r'J

Dann gilt:

(1

ß) j

- Wj -

1

1-"'j

. C2

1

-/lj

1-"'j

. X jl

-/lj

.

Für die Gewinnfunktion gilt dann:

-1:;

Pjl . Cl . Pjl -c '+1 Cl . Pj I J

-

(1 -

-

(

1-

l-w;-Jlj -ej l-W~- . ßj) . C2 . [Cl' Pjl ]~

Wj -

Wi -

ß) j

1l ,

1_ ... 1_ J J.

. C2

Für die erste und zweite Ableitung folgt:

(1

- Cj ) . Cl . Pil

-Cj

(111) -Cj'

(1 -

-(Cj+1) Ci ) . Cl . Pjl

(112) Durch Nullsetzen und Umformungen folgt aus (111): 1

Cj .

-(Cj+ 1_ ... 1_1l ' +1)

Pjl

J

J

1l ,

1_ ... 1_ J J.

cl

(ClC2)~

(1 - ci) . Cl

1l

-Cj'1_ ... 1_ J J

Pj I

C. Neue Ansätze

208

und damit

1] €J"l" " -w,- , 1

[ -€J'-

Pjl

1- €.J

""+/1'

. C

w'+ß'

~ ~ ' '. c

1

[( ~) 1 _ €j

2

~.+1

1

l-wj-ßj . CWj + ßj .

C2]1_"'>~j' €j . l~~;~~j + 1

1,

1

Cj ) l-wj-ßj Wj+ßj [(- ,c l 'C2

1- €j

In logarithmischer Form gilt: lnpjl = (1- Wj

-

ßj)

,Vj

·ln

C~

]1 + (€j - 1) .

€j) +

(Wj

(Wj

+ ßj)

,Vj

+ ßj)

·lncl +



,Vj · lnc 2.

Außerdem folgt aus (109) und (110): mj

+L

(113)

mj

ifJjlk

·lnpjk -

Je=! k,.1

L8

j lk

·lnajk

k=l k,.1

(114) Einsetzen von (113) und (114) ergibt das gewünschte Ergebnis (81). Die Bedingung zweiter Ordnung ist offensichtlich erfüllt. 4. Die Marktanteile im Modell P+Q

Für die Nachfragefunktionen gilt in vektorieller Schreibweise: lnxj = lnbj ·1 + (I - 0j) ·lnaJ + (~j - €j . I) ·lnpJ'

(115)

Die Reaktionsfunktionen lauten (vgl. (84)): lnpj

=

(1-(Wj+ßj)·Vj'~j)-1.(Bj'1+Vj.((r.jf·lnpV)'1)

V. Mathematischer Anhang zu Teil C. +(Wj

(117)

+ ßj) .1)j . (I -

-Wj .1)j

.lnMj -

209

0j) .lnaj

ßj .1)j

.lnKj.

(117) eingesetzt in (116) ergibt: lnx· J

InEj ·1 + Al .lnaj + A 2 .lnMj

+ A 3 .lnKj'

mit

lnb·) ·1 + (C).J- } C' . I) . (I - C·} . C).)-l J

InEi ·1

·(Bi ·1 + 1)i .

«r.jf .lnpV) . 1)

sowie Al

[(C)j - Cj . I) . (I - Cj . C)j)-l . Cj

+ I] . (I -

A2

- } C' . I) . (I - C·) . C).J )-1 ( C).J c· . I) . (I - C·J . C).)-l ( C).J- ) J

ß·J'

A3

Für den Marktanteil

Sjl

0j)

.1) .. W'

})

.1) .. J

folgt:

Sil

r=l

rr' m-

co .•

"J

rr' m-

a{Al}lk j k

k=l

.

rr' m-

M{A2}lk j k

.

K{A3}lk j k

k=l

k=1

Aufgrund der Annahmen (85) und (86) sind die Matrizen A' (s offensichtlich von folgender Struktur:

A'1 A'2 A'=

= 1,2,3)

A'2

A'2 A'1 A'2

A'2 A'2 A'1

Dann kann der Ausdruck für die Marktanteile vereinfacht werden zu:

14 Voßkamp

210

C. Neue Ansätze

mit

At -

Xj

Ar -

Yj

A~

A~ A~ - A~.

Zj Es gilt:

'Vj . Wj . (Cj . Vj - (mj - 1) . ~j . Wj) 'Vj . Wj . (Cj . Wj - ~j . Vj - (mi -

2) . ~j . Wi)'

Es folgt:

Yj

'Vj . Wj . (Cj . Vj - Ej . Wj - ~i . Wj 'Vj . Wj . (Cj . (Vj - Wj)

(118)

'Vj . Wj . (Cj

+ ~j)' (Vj

+ ~j

.

(Vj

+ ~j

+ Wj))

. Vj)

- Wj).

Zj bestimmt sich völlig analog: (119) Xi ist etwas schwieriger zu bestimmen. Man betrachte zunächst die folgende Umformung:

[(~j - Cj . I) . (I - Cj . ~j)-l . Ci + I] . (I - 0j) ( ~.J - C'1 . I)· (1- C"1

(120)

-(~.J

Für

At

At

=

~.)-1. J

C'1

- c·1 . I) . (I - C·1 . ~.)-1 . C·1 ·0,J + 1 + 01 . J

und A~ gilt: Cj '(Cj ,Vj -(mj -1)'~j ,Wj)

-1). ~j . Wj) -(mj -1)· Bj . (Cj . Vj - (mj - 1)· ~j . Wj) + 1- Bj -Bj . (Cj . Vj - (mj

bzw. A~

Cj'(Cj·Wj-~j·Vj-(mj-2)'~j·Wi) -Bj '(Cj ,Vj -(mj -1)'~j ,Wj) -(mj - 1) . Bj . (ci' Vj - (mj - 1) . ~j . Wj)

Für die Differenz ergibt sich:

(121) Damit ist (88) gezeigt.

+0-

Bj.

D. Zusammenfassung und Ausblick I. Zusammenfassung 1. Heterogenität und Struktur

Ausgehend von der Position, daß Heterogenität in vielen ökonomischen Zusammenhängen auftritt und eine wichtige Determinante ökonomischer Variablen darstellt, wurde entwickelt, wie durch die verschiedenen Varianten von Heterogenität die verschiedenen Varianten von Struktur endogen erzeugt werden. In erster Linie wurden die Unterschiede zwischen Unternehmen und Sektoren und somit die Marktstruktur und Wirtschaftsstruktur analysiert. Weiterhin wurde gezeigt, daß die simultane Betrachtung der Markt- und Wirtschaftsstruktur die Untersuchung von Mikro-Makro-Modellen erfordert, da durch die Marktstruktur die Mikro- und Mesoebene, durch die Wirtschaftsstruktur die Meso- und die Makroebene angesprochen werden. Eine Durchsicht der bekannten Mikro-Makro-Ansätze, die sich durch das zugrundegelegte Aggregationsprinzip eindeutig in die Klassen der MFMbzw. MTM-Modelle separieren lassen, zeigte, daß - wenn überhaupt - nur die MTM-Modelle Heterogenität und somit Struktur abbilden. Dieser Zustand war hauptsächlich deshalb als bedauerlich zu bezeichnen, da sehr viele Fragestellungen einen Mikro-Makro-Ansatz erfordern, der Heterogenität und Struktur darstellt. Hierzu zählen insbesondere Fragen des technischen Fortschritts. Diese Situation war der Ausgangspunkt zur Konstruktion des Modells mMM, welches auf der Basis des MTM-Ansatzes in Verbindung mit Modellierungen der Oligopoltheorie und der Input-Output-Analyse entstand. Ein grundsätzlicher Vorteil des Modells gegenüber den meisten MTMModellen liegt in seiner analytischen Formulierung. Dies bedingte allerdings auch eine Beschränkung, da hierdurch nicht alle gewünschten Modellelemente gleichzeitig berücksichtigt werden konnten. 2. Mikro-Makro-Modelle

Der Teil C. hat sich der Entwicklung des Modells mMM gewidmet. In Kapitel C.1. wurde das Grundmodell hergeleitet, in Kapitel c.n. wurde es auf drei Fragestellungen angewendet, die in der Literatur kontrovers 14*

212

D. Zusammenfassung und Ausblick

diskutiert werden. In Kapitel C.III. wurde das Marktmodell P+Q entwickelt, welches oligopolistischen Preis- und Qualitätswettbewerb abbilden kann. Der Versuch, in einem analytischen Kontext die Modelle mMM und P+Q zu koppeln, mißlang aufgrund der komplexen Zusammenhänge. Mit Hilfe eines modifizierten Lancaster-Ansatzes wurde schließlich auf einer fundamentalen Ebene der Versuch unternommen, Heterogenität in Nachfragefunktionen zu berücksichtigen. Bei diesem Ansatz ML wurden ebenfalls sehr schnell die analytischen Grenzen erreicht. Damit wurden in Teil C. mit unterschiedlicher Intensität die verschiedenen Varianten von Heterogenität, Struktur und Innovation diskutiert. Außerdem wurden die Mikro-, Meso- und Makroebene in sehr unterschiedlicher Weise untersucht. Die Tabelle 16 stellt die wesentlichen Charakteristika der Modelle zusammen. Außerdem ist angegeben, durch welche Variablen letztlich die einzelnen Varianten der Heterogenität verursacht worden sind.! Das komplette Mikro-Meso-Makro-System wurde im Modell mMM abgebildet. Berücksichtigt wurden hier die Heterogenität der Unternehmen durch unterschiedliche Kapitalstöcke Kj I und unterschiedliche Effizienzvariablen Mjl sowie die Heterogenität der Produkte und Sektoren durch die Matrix der partiellen Produktionselastizitäten rij, die sich aus dem Modellzusammenhang als die Inputkoeffizienten ergaben. Mit diesem Modell konnte die Marktstruktur und die Wirtschaftsstruktur endogen erklärt werden. Im zweiten Schritt wurde dann zusätzlich durch die Berücksichtigung der Heterogenität der Produktqualitäten ajl in Modell P+Q die Analyse von Produktinnovationen möglich. Durch diese Erweiterung konnte allerdings der zuvor verwendete Input-Output-Rahmen nicht eingehalten werden. Deshalb wurden die Sektoren der Volkswirtschaft in die drei Gruppen Vorleistungs-, Investitions- und Konsumgütersektoren eingeteilt (V, I, C). Argumentiert wurde, daß nur in Investitions- und Konsumgütersektoren Produktinnovationen von Bedeutung sind. Durch diese ModelIierung konnten dann die Modelle mMM und P+Q in der dargestellten Weise gekoppelt werden, so daß der Mikro-Makro-Zusammenhang wiederhergestellt werden konnte. Eine analytische Lösung war allerdings nicht möglich. 1 In der Tabelle deutet das Zeichen. die Berücksichtigung des entsprechenden Charakteristikums an. In der mittleren Spalte kennzeichnen die Zeichen 0 die Charakteristika, die durch eine Koppelung der Modelle mMM und P+Q hinzukommen (vgl. Abschnitt C.III.5.). In der rechten Spalte wird durch das Zeichen o auf den Unterabschnitt C.IV.3.b) hingewiesen, in dem kurz auf heterogene Nutzenfunktionen eingegangen wurde.

I. Zusammenfassung

213

Tabelle 16 Die neuen Ansätze im Überblick

ML (vgl. C.IV.) Haushalte

Heterogenität

Unterneh.

Ur Mjl Kjl

Produkte

'YiJ

V,I,C Struktur

Marktstruktur Wirtschaftsstru ktur

Innovation

Prozeßinnovation Produktinnovation

Ebenen

Mikroebene Mesoebene Makroebene

0

• •

ajl

'Yij

Sektoren



br

Angeb. Nachfr.

• • • • • • • • •

• • •

0



0

• • 0



• • • •

• •

0

Bei der Modellierung des oligopolistischen Wettbewerbs (Modell P+Q) stellte sich die sehr fundamentale Frage, wie die Heterogenität von Qualitäten, Preisen und Budgets der Haushalte die Nachfrage bestimmt. Es wurden Zweifel angemeldet, ob durch die bekannten Ansätze aus der Oligopoltheorie diese Einflüsse adäquat abbilden können. Durch die Formulierung des modifizierten Lancaster-Ansatzes ML konnte gezeigt werden, daß die üblichen Eigenschaften von Nachfragefunktionen für heterogene Güter mit großer Vorsicht zu behandeln sind. Allerdings waren auch hier keine allgemeingültigen Aussagen aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge zu erzielen. Insgesamt haben die Ansätze gezeigt, daß die Abbildung von Heterogenität in analytischen Mikro-Makro-Modellen stärker möglich ist als man zuvor aufgrund der wenigen bereits bekannten Ansätze vermutet hätte. Allerdings konnten - wie eben erläutert - nicht alle Varianten von Heterogenität gleichzeitig diskutiert werden. Die vorliegenden Ansätze, darunter insbesondere das Modell mMM , haben aber dennoch deutlich machen könnnen, wie wichtig es ist, Hetero-

214

D. Zusammenfassung und Ausblick

genität zu betrachten. Die Anwendung des Modells mMM auf verschiedene Fragestellungen (Kapitel C.II.) hat gezeigt, daß hierdurch ungeklärte Probleme gelöst oder zumindest erhellt werden können. 3. Innovationen

Durch die - aus den genannten Gründen notwendige - Beschränkung auf komparativ-statische Analysen konnten nur die Wirkungen von Innovationen untersucht werden. Die Ursachen und die Bedingungen standen nicht im Zentrum dieser Arbeit. Die Ergebnisse haben Erklärungen geliefert, wieso eine Innovation nicht nur unmittelbar Heterogenität dadurch erzeugt, daß es ein besseres Verfahren anwendet oder ein besseres Produkt anbietet. Gezeigt wurde, daß durch die indirekten Wirkungen alle Unternehmen des Sytems betroffen sind. Durch Innovationen werden die Markt- und Wirtschaftsstruktur erheblich beeinflußt. Das Modell mMM zeigt in diesem Punkt sehr eindringlich die Notwendigkeit von Mikro-Makro-Modellen, wenn Wachstumspfade erklärt werden sollen. Die Interdependenzen, die durch die Vorleistungs- und Investitionsverflechtung der Sektoren einer Volkswirtschaft gegeben sind, beeinflussen in erheblichem Umfang die Entwicklung einzelner Sektoren. Aber auch auf der Mikroebene zeigt sich, daß die Berücksichtigung von Produktinnovationen Effekte auslöst, die bei weitem in der Literatur noch nicht erkundet sind. Das Modell ML zeigt, daß Qualitätsverbesserungen und neue Produkte die Nachfrageseite eines Marktes in vielfältiger Weise beeinflussen können. 11. Der weitere Weg - ein Ausblick 1. Das Ziel: ein empirisch gestütztes, dynamisches

Mikro-Makro-Modell

Die Zusammenfassung hat gezeigt, daß die vorgestellten Ansätze mMM, P+Q und ML im wesentlichen drei Kritikpunkte aufweisen. Zunächst wurde beklagt, daß nicht alle Varianten von Heterogenität und Struktur simultan berücksichtigt werden konnten. Zweitens wurde festgehalten, daß die Analysen den komparativ-statischen Rahmen nicht verlassen haben und somit der dynamische Aspekt vernachlässigt wurde. Beide Beschränkungen resultierten aus den begrenzten analytischen Möglichkeiten. Schließlich wäre eine empirische Untersuchung auf der Basis der theoretischen Ansätze wünschenswert.

11. Der weitere Weg - ein Ausblick

215

Das Ziel einer weitergehenden Analyse ist somit die Konstruktion und die empirische Überprüfung eines dynamischen Mikro-Makro-Modells, das, aufbauend auf den präsentierten Ansätzen, die genannten Varianten von Heterogenität simultan abbildet. 2. Zur Bedeutung der Methode der Simulation

Ein Mikro-Makro-Modell, das die eben formulierten Eigenschaften aufweist, kann sicher nur im Rahmen der Simulation oder/und numerischer Verfahren entwickelt werden. Die Beschränkungen, die z. B. im Modell mMM in Kauf genommen werden mußten, sind, wie mehrfach erläutert, durch die Vorgabe, das Feld der analytischen Arbeit nicht zu verlassen, geprägt. Numerische Verfahren bieten u. a. die Möglichkeit, Gleichungssysteme zu lösen, die explizit nicht lösbar sind. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, unmittelbar oligopolistischen Preis- und Qualitätswettbewerb in das Modell mMM einzuführen. Ebenso ist auch denkbar, das Modell, das sich aus der vorgeschlagenen Koppelung der Modelle mMM und P+Q ergibt (vgl. Abschnitt C.III.5.), mit Hilfe numerischer Verfahren zu lösen. Wird der statische Analyserahmen verlassen, so helfen auch numerische Verfahren nicht weiter, wenn stochastische Elemente einfließen. Dann sind notwendigerweise Simulationsmodelle zu formulieren. Die Methode der Simulation kommt also dann zur Anwendung, wenn Prozesse abgebildet werden sollen, die analytisch nicht zu fassen sind. Das angestrebte dynamische Modell wird aufgrund der Berücksichtigung von FuE- und Realkapitalakkumulation ein rekursives Modell sein. Außerdem werden stochastische Elemente bei der Modellierung der Innovationsprozesse einfließen. Ein Modell, das diese Eigenschaften aufweist, wird erfordern, daß wahrscheinlichkeitstheoretische Kalküle zur Anwendung kommen. Die engen Grenzen derartiger Untersuchungen in Hinblick auf das Modell mMM wurden allerdings schon im Unterabschnitt C.I.5.b) ersichtlich.

Aus diesen Gründen wird es unumgänglich sein, das angestrebte Modell mit Hilfe der Simulation zu analysieren. Eine Diskussion der Vorund Nachteile dieser Methode ist schon häufig geführt worden (vgl. z. B. Aigner/Goldfeld [1973] und Nelson/Winter [1977]). Das entscheidende Argument für die Methode der Simulation liegt in der Möglichkeit, komplexe Sachverhalte abbilden zu können. Mit einem Beharren auf analytischen Modellen ist oftmals zwangsläufig die Reduktion der Komplexität verbunden.

216

D. Zusammenfassung und Ausblick

Diese Arbeit hat aber gezeigt, daß gerade die Komplexität, die vor allem durch die Heterogenität entsteht, eine unabdingbare Voraussetzung ist, damit wichtige Fragen, wie die des technischen Fortschritts, geklärt werden können. Diese Erkenntnis hat sich gerade dort stärker durchgesetzt, wo die Bedeutung der Heterogenität hoch eingeschätzt wird. Dies gilt insbesondere für evolutorisch geprägte Beiträge zum technischen Fortschritt. Als Beispiel seien das Mikro-Makro-Modell MOSES von Eliasson [1985], die Marktsimulationsmodelle von Nelson/Winter [1982b], Meyer/VogtfVoßkamp [1992], KwasnickijKwasnicka [1992], Silverberg/Dosi/Orengio [1988] und Grabowski/Vernon [1987] sowie die betriebswirtschaftlich motivierten Modelle von BrockhofJ [1992] und Schebesch [1992] genannt. 3. Zur Dynamisierung der vorliegenden Ansätze

Die Statik ist durch die klassische Mechanik beeinflußt, die von der Idee von Gleichgewichtszuständen geprägt ist. Statische Analysen stellen deshalb nicht auf Anpassungsprozesse ab, die sich durch Störungen ergeben können (Witt [1987], S. 3). Die Frage allerdings ist, ob derartige Gleichgewichte existieren, da - wie Clark [1899] und nachfolgend Schumpeter [1912/1964] schon sehr früh aufzeigten - durch einen steten Strom von Innovationen die Gleichgewichte laufend gestört werden. Auf die Betrachtung dynamischer Aspekte mußte bei der Analyse der neuen Ansätze verzichtet werden, da auch dies den analytischen Rahmen gesprengt hätte. Dennoch besteht die Notwendigkeit, über die Dynamisierung der Modelle mMM bzw. P+Q nachzudenken. Im folgenden werden drei Schnittstellen für eine dynamische Analyse diskutiert, die in den Modellen bereits deutlich zu erkennen sind: 1. Berücksichtigung der Realkapitalakkumulation;

2. Abbildung der Innovationsprozesse; 3. verzögerte Preisanpassungen im Rahmen des Modells P+Q. Bei der Darstellung des Modells mMM wurde bereits erläutert, wie die Kapitalakkumulation modelliert werden kann (vgl. Abschnitt C.1.3.a)). Mit Hilfe von Investitionsfunktionen Jjl werden die Kapitalstöcke Kjl fortgeschrieben: Jj I (t) Kjl(t

+ 1)

11. Der weitere Weg - ein Ausblick

217

Bei der Berücksichtigung von Investitionen sind zwei Effekte zu beachten: der Kapazitätseffekt und der Nachfrageeffekt. Durch Investitionen wird der Kapitalstock erhöht, wobei in diesem Fall eine Ausreifungszeit von einer Periode unterstellt wird. Damit verbunden ist im Modell mMM eine Verschiebung der Angebotskurve, was wiederum Auswirkungen auf alle Variablen des Mikro-Makro-Systems hat (vgl. Abschnitt C.1.4.). Die Nachfragewirkungen von Investitionen sind etwas einfacher zu faSsen. In Unterabschnitt C.1.5.a) wurde gezeigt, inwieweit die Endogenisierung der Investitionen im Modell mMM möglich ist. Wesentlich komplexere Auswirkungen hat die Berücksichtigung der vollständigen Innovationsprozesse. Die rekursive Struktur ergibt sich zunächst wieder aus der Berücksichtigung von Akkumulation von Kapital, nun allerdings durch die von FuE-Kapital. Durch FuE-Ausgaben Rj/ werden FuE-Stöcke Ti/ aufgebaut, die zusammen mit stochastischen Einflüssen Zi/ bzw. die Qualität eines Produktes oder die Effizienz der Technologie einer Unternehmung determinieren. Formal wurde dies wie folgt dargestellt (vgl. Unterabschnitt C.1.3.a)):

ZN

Rj/(t)

Ti/(t + 1) und

iN (Ti/(t), zN (t)) ii/(Ti/(t), zja/(t)). Diese ModelIierung entspricht einer stochastischen dynamischen Innovationsproduktionsfunktion. Die FuE-Ausgaben werden - wie im Fall von Realkapital - erst nach einer Periode wirksam. Unbestritten dürfte nach den Erfahrungen aus Unterabschnitt C.1.5.b) sein, daß eine derartige Modellierung nur in einem Simulationsansatz Berücksichtigung finden kann. Diese zweite Variante der Dynamisierung betrifft den dynamischen oder Schumpeterschen Wettbewerb mit Invention, Innovation, Imitation und Selektion. Wie die Innovationsprozesse abzubilden sind, wurde kurz zuvor erläutert. Der Selektionsprozeß ist bereits im Modell über die Marktprozesse geregelt. Ein Blick auf die Bestimmung der Marktanteile im Modell mMM oder P+Q zeigt, daß Unternehmen mit einer relativ zu den Konkurrenzunternehmen fallenden Effizienz- oder Qualitätsvariablen Marktanteile verlieren werden. Wird die Investition durch die Gewinne oder andere Renditevariablen, etwa durch die Verwendung des Gibratschen Gesetzes (vgl. Iwai [1984a,b] endogenisiert, so wird durch die Bildung von Kapitalstöcken ebenfalls ein Selektionsmechanismus installiert.

218

D. Zusammenfassung und Ausblick

Einige dieser Modellierungselemente sind in dem Marktsimulationsmodell von Meyer/Vogt/ Voßkamp [1992] realisiert, so daß dieses Modell in Hinblick auf die Modellierung des Schumpeterschen Wettbewerbs eine gute Vorlage für das angestrebte dynamische Mikro-Makro-Modell sein kann. Die dritte Dynamisierung, die sinnvoll erscheint, ist im Rahmen der Oligopoltheorie vielfach untersucht worden. Es handelt sich um die Formulierung dynamischer, heterogener Oligopole. Im Modell P+Q wurden statische oligopolistische Märkte unterstellt. Hergeleitet wurden Gleichgewichte, so daß keine Aussagen über die Anpassungsprozesse gemacht werden konnten. Diese Anpassungsprozesse aber sind in der Realität laufend zu beobachten. Marktteilnehmer setzen ihre Preise und/oder Angebotsmengen aufgrund bestimmter Erwartungen über das Verhalten der Konkurrenten. Diese wiederum reagieren mit einer bestimmten Verzögerung auf Veränderungen. Hieraus ergeben sich laufend Abweichungen von Plänen und Realisationen, so daß zum Beispiel die Berücksichtigung von Lagerbeständen notwendig werden kann (Meyer/Vogt/Voßkamp [1992]). Diese Aspekte werden zum Beispiel von Eliasson sehr stark betont (Eliasson [1991]). In Hinblick auf das Modell P+Q und in Anlehnung an das Modell von

Meyer/Vogt/Voßkamp [1992] ist z. B. die folgende Annahme naheliegend:

Dabei stellt Ipfk(t) den von Unternehmung I erwarteten Preis dar, den das Unternehmen k setzen wird (vgl. auch Meyer/VogtjVoßkamp [1992]). Im Rahmen der Oligopol theorie sind derartige Dynamisierungen für das heterogene Oligopol analytisch diskutiert worden (vgl. Krelle (1976], S. 259 ff.). Eine analytische Betrachtung scheidet allerdings im Fall der Dynamisierung des Modells P+Q definitiv aus. Der dynamische Wettbewerb verändert laufend die Angebots- und Nachfragefunktionen durch Innovationen. Bei verzögerten Preisanpassungen der Anbieter folgt, daß sich kein Gleichgewichtspreis bilden kann, da der Preisanpassungsprozeß nicht mit unendlicher Geschwindigkeit vonstatten geht und somit durch Innovationen eine neue Marktsituation geschaffen sein wird, bevor ein Gleichgewicht erreicht worden ist. Diese Dynamisierungen führen dazu, daß das angestrebte Modell ein Ungleichgewichtsmodell mit sehr komplexen Zusammenhängen sein wird. Es ist in einigen Punkten stark durch den Beitrag von Meyer/Vogt/Voßkamp [1992] inspiriert und umfaßt viele Modellelemente, die auch im Modell MOSES zu finden sind. Der hier motivierte dynamische Modellansatz geht aber wesentlich über Eliassons ModelIierungen hinaus. Insbesondere

II. Der weitere Weg - ein Ausblick

219

der Input-Output-Rahmen und die Interaktionen durch den oligopolistischen Wettbewerb sowie der technische Fortschritt sind in MOSES nicht in dieser Intensität zu finden. Mit diesen Dynamisierungen wird gleichzeitig die Endogenisierung der Heterogenität der Unternehmen und der Produkte angegangen. Die Abbildung der Innovationsprozesse impliziert die Endogenisierung der Effizienzund Qualitätsvariablen. Mit der Berücksichtigung der Kapitalakkumulation werden die Kapitalstöcke endogen bestimmt, so daß die beiden Variablen, die im Modell mMM die Heterogenität der Unternehmen ausmachen, endogen bestimmt werden. 4. Zur Bedeutung evolutorischer Elemente

Mit dem Konzept der beschränkten Rationalität (bounded rationality) , daß auf Simon [1955] zurückgeht, haben Verhaltensannahmen in ökonomischen Modellen Einzug gehalten, die dem ökonomischen Verhaltensmodell in Form des homo oeconomicus eine mittlerweile starke Konkurrenz gebracht haben. Zu diesen nicht optimierenden Verhaltensannahmen sind die am häufigsten genannten Satisficing- Verhalten (Simon [1955]) und rules of thumb (Heiner [1983]) zu zählen. An der Wirtschaftstheorie sind Einwände gegen den homo oeconomicus teilweise spurlos vorbeigegangen 2 . Andere hingegen weisen darauf hin, daß Konventionen wie die Rationalitätsannahme durchaus sinnvoll sind, aber ein Abweichen hiervon noch lange nicht unwissenschaftlich sei (Howitt [1986]). Auffällig ist, daß in Modellen, die Heterogenität der Individuen berücksichtigen, häufig nicht-optimierende Verhaltensregeln angenommen werden. Ein Rückblick auf den Vergleich der Mikro-Makro-Modelle in Kapitel B.V. zeigt, daß die MTM-Modelle, die Heterogenität betrachten, auch Daumenregeln (Nelson/Winter [1974], Bennett/ Bergmann [1986]) oder Satisficing-Verhalten (Eliasson [1985]) modellieren, während alle anderen, also die MFM-Modelle, das ökonomische Verhaltensmodell zugrunde legen. 3 Wo liegen nun die Gründe für diesen signifikanten Unterschied? Einerseits werden von vielen Autoren empirische Untersuchungen bemüht (vgl. hierzu Keuter [1994], S. 74). Andererseits ist aber auch das Argument von Leijonhufvud [1993] bemerkenswert. Er stellt fest, daß - wie hier auch 2V gl. hierzu zum Beispiel die Versuche, die neuen V~rhaltensannahmen als Spezialfälle des homo oeconomicus zu erkennen (vgl. z. B. I