Inklusion und Exklusion in der Interaktion: Systemtheoretische Betrachtung am Beispiel einer pädagogischen Studie 9783839438640

Inclusion and exclusion - options for pedagogical discourse from a systems theory viewpoint.

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German Pages 438 Year 2017

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Inklusion und Exklusion in der Interaktion: Systemtheoretische Betrachtung am Beispiel einer pädagogischen Studie
 9783839438640

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Martina Kaack Inklusion und Exklusion in der Interaktion

Pädagogik

Martina Kaack, geb. 1970, arbeitet seit vielen Jahren in unterschiedlichen Feldern (heil-/inklusions-)pädagogischer Praxis und lehrt an verschiedenen Hochschulen. Die Diplom-Heilpädagogin wurde an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt promoviert. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Themengebiete und Anwendungsfelder der Heil- und Inklusionspädagogik, der Kindheitspädagogik, der Systemtheorie und der qualitativen Sozialforschung. Zurzeit vertritt sie die Professur »Heilpädagogik – Inklusive Bildung und Begleitung« an der Hochschule in Hannover.

Martina Kaack

Inklusion und Exklusion in der Interaktion Systemtheoretische Betrachtung am Beispiel einer pädagogischen Studie

Die vorliegende Publikation wurde von der Universität Erfurt im Mai 2016 als Dissertation mit dem Titel »Inklusion und Exklusion in der Interaktion. Systemtheoretische Betrachtung einer empirischen Studie über Interaktionen im Alter früher Kindheit im Kontext von Behinderung« angenommen. Die Gruppe Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie unterstützte den Druck finanziell.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlag: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Satz: Jan Wenke, Leipzig Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3864-6 PDF-ISBN 978-3-8394-3864-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung  | 9 Vorwort  | 11

1. E inleitung  | 13 2. T heoretische R ahmung : B egriffskonzepte der S ystemtheorie  | 29 2.1

Der Systembegriff  | 32

2.2

Die Sinnsysteme  | 39

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4

Der Sinnbegriff | 40 Die Sinndimensionen | 44 Das psychische System | 48 Das soziale System | 55

2.3

Die Beobachtung  | 64

2.4

Soziale Adressenkonstruktionen  | 71

2.5 Anschlussprozesse  | 81 2.5.1 2.5.2

Formen von Anschlussprozessen | 82 Bedeutsamkeiten innerhalb von Anschlussprozessen | 90

2.6

Inklusion und Exklusion  | 94 2.6.1 Inklusion und Exklusion in der Interaktion | 94 2.6.2 Bestimmte und unbestimmte Exklusion | 100

2.7

Zusammenfassung und Konkretisierung der Fragestellung  | 102

3. M ethodologische Ü berlegungen  | 105 3.1

Forschungsmethodische Ausrichtung  | 105

3.1.1 3.1.2 3.1.3

Darlegung der Forschungsrichtung | 106 Qualitative Forschung und Systemtheorie | 108 Form der Verallgemeinerung | 111

3.2

Zum Kontext wissenschaftlicher Beobachtung  | 112

3.2.1 3.2.2

Forschende als Beobachtende in der qualitativen Forschung | 113 Systemtheoretische Beobachtung im Kontext empirischer Forschung | 115 Kritische Würdigung empirischer und systemtheoretischer Komplexität | 120

3.2.3

3.3

Theoretische Überlegungen zum forschungsmethodischen Vorgehen  | 122

4. F orschungsmethodisches V orgehen  | 131 4.1

Das Erhebungsverfahren  | 132 4.1.1 Der empirische Zugang | 133 4.1.1.1 Forschung im Alter früher Kindheit | 133 4.1.1.2 Forschung im Kontext adressierter Behinderung | 137 4.1.1.3 Das Interview als Erhebungsmethode | 142 4.1.2 Das Sampling | 150 4.1.2.1 Einrichtungsporträt | 152 4.1.2.2 Zusammensetzung des Samples | 155 4.1.2.3 Die Forschende im Kontext | 157 4.1.2.4 Forschungsethische Aspekte | 157 4.1.3 Die Erhebung | 160 4.1.3.1 Der Pretest | 161 4.1.3.2 Die Durchführung der Erhebung | 169 4.1.3.3 Die Auswertung der Erhebung | 175

4.2 Das Auswertungsverfahren  | 186 4.2.1 Erste Auswertungsebene: Referenz auf kindliche Äußerungen | 189 4.2.2 Zweite Auswertungsebene: Deutung unter Hilfestellung systemtheoretischer Begriffskonzepte | 194 4.2.2.1 Erster Schritt: Beobachtung orientiert am Differenzschema Inklusion / Exklusion  |  196 4.2.2.2 Zweiter Schritt: Beobachtung orientiert an den Sinndimensionen | 203 4.2.2.3 Dritter Schritt: Beobachtung orientiert am Adressenfragment behindert / nicht behindert | 232 4.2.3 Dritte Auswertungsebene: Vorschläge zur Fragestellung | 234

5. D arstellung und I nterpretation der empirischen E rgebnisse mit T hesenbildung  | 235 5.1 Anschlussoptionen  | 244 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4

Anschlussoptionen an die Sozialdimension von Sinn | 247 Anschlussoptionen an die Sachdimension von Sinn | 273 Anschlussoptionen an die Zeitdimension von Sinn | 292 Anschlussoptionen an die Raumdimension von Sinn | 298

5.2 Nicht-Anschlussoptionen  | 305 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4

Nicht-Anschlussoptionen an die Sozialdimension von Sinn | 308 Nicht-Anschlussoptionen an die Sachdimension von Sinn | 334 Nicht-Anschlussoptionen an die Zeitdimension von Sinn | 342 Nicht-Anschlussoptionen an die Raumdimension von Sinn | 346

5.3

Optionaler Wechsel  | 352

5.4

Sinnverweise in Bezug auf sich selbst  | 365

5.5

Resümierende Betrachtung der empirischen Ergebnisse und Thesenbildung  | 376

6. V ersuch der V erallgemeinerung und A usblick mit T hesenbildung  | 393 7. S chlussbemerkung  | 403 Literaturverzeichnis  | 407 Grafiken  | 427 Tabellen  | 433 Abkürzungen  | 435

Danksagung

Mit der Fertigstellung dieser Arbeit endet eine besondere Zeit in meinem Leben. Viele Menschen haben mein Vorhaben auf ganz unterschiedliche Weise unterstützt. Dafür empfinde ich eine große Dankbarkeit. Zunächst möchte ich Prof. Dr. Rolf Balgo erwähnen. Er hat es verstanden, mich in meinem theoretischen Orientierungsprozess für die Einnahme einer systemtheoretischen Perspektive nachhaltig zu begeistern, mich immer wieder anzuregen und äußerst wertschätzend und ermutigend über viele intensive, zeitaufwendige und klärende Gespräche hinweg zu unterstützen. Ganz herzlichen Dank dafür. Prof. Dr. Winfried Palmowski danke ich sehr dafür, dass er mir als externer Doktorandin mit großer Offenheit und Neugierde begegnete, es mir ermöglichte, diese Arbeit an seiner Fakultät zu schreiben und mich dabei sehr konstruktiv und raumgebend wissenschaftlich begleitete, ebenso wie Prof. Dr. Dr. Burkhard Fuhs, u.a. für die hilfreichen Hinweise zur Erarbeitung und Einbindung des empirischen Teils und für die Übernahme der Zweitbegutachtung. Prof. Dr. Rolf Balgo oblag die externe Begutachtung. Die Klärung so mancher Spezialfrage verdanke ich Prof. Dr. Peter Fuchs. Wiebke Wolkenhauer danke ich neben vielen Ungenannten von Herzen für ihr großes Interesse am Thema und die inspirierenden und unterstützenden Gespräche. Sehr große Dankbarkeit empfinde ich überdies gegenüber Klaus Westensee, der mit äußerster Sorgfalt und großem Respekt gegenüber meinem Schreibstil meine Arbeit korrigierte. Ingrid Wulf danke ich herzlich für die mühsame Gegenbeobachtung meiner Transkription am Videomaterial, Johanna Schmok für die formale Durchsicht, Dr. Uli Selle und Dr. Lisa Schreieder für den Blick »von außen«, Birte Koruppa für die technische Unterstützung und Monika Heckmann für die durchgehend liebevolle und unkomplizierte Übernachtungsmöglichkeit während meiner Studienreisen. Darüber hinaus möchte ich herzlich den Personensorgeberechtigten, deren Kinder ich interviewen durfte, für das mir entgegengebrachte Vertrauen danken. Großer Dank gebührt zudem den Kindern selbst. Und ohne die kollegiale und solidarische Unterstützung der Kolleg_innen der KiTa Nortorf, insbesondere der Einrichtungsleiterin Eli Bagdahn, später Doris Kramer und Christiane Kurka sowie Anke Ströh und Elke Harder-Doose, die mir die Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Tätigkeit und praktischer heilpädagogischer Arbeit durchgehend ermöglichten, hätte ich diese Arbeit nur schwer realisieren können. Die finanzielle Unterstüt-

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zung durch das Stipendium der Gruppe Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie gewährte mir über weite Zeiträume des Schreibens dieser Arbeit eine Arbeitsentlastung. Ihr Druckkostenzuschuss erleichterte die Buchpublikation wesentlich. Innig möchte ich meiner Familie, meinen Freunden und Freundinnen danken. Dass ich mit ihnen meine Begeisterung und Nöte im Zusammenhang mit diesem Projekt teilen konnte, war mir eine große Freude.

Vorwort

Seit Beginn meiner professionellen Auseinandersetzung mit Pädagogik vor 25 Jahren treibt mich die Frage um, was den Anschluss an Kindern erwirkt, die als von der Norm abweichend beobachtet werden und wann und inwiefern er als bedeutsam bzw. nicht bedeutsam bewertet wird, sowohl von den so Beobachteten als auch von den Beobachtenden. Konfrontiert über diese Jahre mit einer hochkomplexen, nicht berechenbaren und nicht zu durchdringenden Praxis, hat sich diese Frage für mich weder praktisch noch theoretisch befriedigend klären lassen. Diese Arbeit ist der Versuch, ihr weiter nachzugehen. Die folgende Einleitung skizziert die aktuelle Relevanz meiner Fragestellung innerhalb der Erziehungswissenschaften. Sie führt in die wissenschaftliche Betrachtungsweise der hier gewählten Form des Klärungsversuchs ein.

1. Einleitung

»Begriffe sind Werkzeuge, mit denen wir versuchen, unbestimmte in bestimmte Situationen zu transformieren.« W eisser 2007, 238

Dieses Kapitel führt in die Schwerpunktsetzung der Arbeit ein. Ausgehend von verschiedenen Diskursen innerhalb der Pädagogik wird aufgezeigt, woraus sich die Entscheidung für das hier gewählte Thema und die Fragestellung der Arbeit ableiten. Abschließend werden formale Aspekte erläutert. Inklusionsdiskurs Im Rahmen der im März 2009 in Deutschland ratifizierten UN-Konvention über Rechte der Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) wird im Artikel 24, Abs. 1 auf der Grundlage, Chancengleichheit zu verwirklichen, niemanden zu diskriminieren und Menschen mit Behinderungen zur wirksamen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen u. a. das Recht auf ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen festgeschrieben (vgl. UN-BRK in Netzwerk Artikel 3 2009, 22).1 Dieses hat bundesweit eine Debatte um integrative und inklusive Bildung und Erziehung ausgelöst, die bis heute anhält. Sie greift die Argumentationslinien der seit Ende der 1960er Jahre geführten Diskussion um integrative Förderung wieder auf (vgl. Dannenbeck 2012, 107), knüpft an die schon 1994 in der von der UNESCO einberufenen »World Conference on Special Needs Education« im spanischen Salamanca über eine gemeinsame Bildung für alle und das Verständnis von Inklusion an und führt sie weiter (vgl. Prengel 2010, 6).2 Heimlich bewertet den damit einhergehen1 | In dieser Arbeit wird sich an der Schattenübersetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Netzwerkartikel 3 orientiert. 2 | Es kann an dieser Stelle nicht der seit den 1960er Jahren umfangreich geführte Diskurs um integrative Pädagogik skizziert werden. Hier wird auf jene Aspekte Bezug genommen, die für die Konzeption der Arbeit handlungsleitend waren. Hinsichtlich einer vertiefenden Auseinandersetzung können als Ausgangspunkt die jährlich im Klinkhardt Verlag erscheinenden Tagungsbände der Inklusionsforscher_innentagung empfohlen werden (vgl. beispielsweise Geiling, Hinz 2005; Platte, Seitz, Terfloth 2006; Demmer-Dieckmann, Textor 2007; Bürli, Strasser, Stein 2009; Börner, Glink, Jäpelt, Sanders, Sasse 2009; Krach, Niediek 2010; Flieger, Schönwiese 2011; Seitz, Finnern, Korff, Scheidt 2012; Dorrance, Dannenbeck 2013; Schuppener, Bernhardt, Hauser, Poppe 2014).

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den Prozess der Veränderungen als neues Entwicklungsstadium für die sonderpädagogische Förderung (vgl. Heimlich 2011, 44). Werning prophezeit in diesem Zusammenhang die Konstruktion einer neuen System-Umwelt-Unterscheidung (vgl. Werning 2011, 56-57).3 Dabei wird der Begriff Inklusion4 im Kontext von Erziehung und Bildung in der Regel so übersetzt, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer individuellen Unterschiedlichkeit, am gesellschaftlichen Bildungs- und Erziehungsangebot an einem gemeinsamen Ort teilhaben sollen (vgl. Sander 2002, o. S.). »Er fokussiert die Herstellung eines Umfeldes, in dem der Heterogenität von Gruppen Rechnung getragen wird und somit Barrieren der Teilhabe abgebaut werden« (Kron 2008, 189). In den Blick gelangen bei Inklusion dabei grundsätzlich verschiedene Konstruktionen von Heterogenität wie beispielsweise Alter / Generationen, Schicht / Milieu, Gender, Kultur / Ethnie, Disability / Ability, sexuelle Orientierung, Region, Religion (vgl. Prengel 2010, 21; Hinz 2010, 33, 49-50 u. a.) und nicht nur die Differenzlinie behindert / nicht behindert (vgl. Prengel 2010, 6).5 Jedoch schreibt Prengel selbst: »Kein Forschungsprojekt kann ›alle‹ Differenzlinien berücksichtigen« (Prengel 2010, 25). Für diese Arbeit wurde die Entscheidung getroffen, eine Heterogenitätsdimension zu fokussieren. Hier soll Behinderung als beobachtetes Konstrukt6 in der Differenz zu Nichtbehinderung im Kontext von Inklusion Thema sein, als erste Eingrenzung der Ausrichtung der Arbeit. Dies begründet sich wie folgt: Behinderung stellt nach Wansing einen der Hauptrisikofaktoren in der internationalen Auseinandersetzung mit sozialer Exklusion dar (vgl. Wansing 2005, 78; Stein 2010, 75 u. 77). Greift man beispielsweise das im Kontext von Inklusion forcierte und stark im Fokus der Betrachtung stehende räumliche Zusammenseinkönnen auf (vgl. Balgo 2013, 12), so dokumentieren folgende Beobachtungen, dass es unter derzeitigen Bedingungen hinsichtlich der Differenz behindert / nicht behindert keine Chancengleichheit gibt, wie sie der demokratischen Verfasstheit unserer Gesellschaft entspräche (vgl. Feuser 2010, 22) und wie sie u. a. in der UNBRK im Artikel 3 formuliert wird (vgl. Artikel 3 zit. n. Netzwerk 2009, 10).7 Bei3 | Im Weiteren wird sich hinsichtlich der »System / U mwelt-Unterscheidung« an dieser Schreibweise von Nassehi orientiert (vgl. Nassehi 1997, 142). 4 | »Engl. inclusion, franz. inclusion f, lat. inclusio = ›Einschluss‹, ›Einschließung‹; im Hinblick auf den Einbezug von Menschen in soziale Prozesse ist alltagssprachlich von der Teilhabe und Zugehörigkeit die Rede« (Scherr 2012, 175). 5 | Nach Prengel geht es darum, sich von Verfallsformen integrativer Praxis, die mit internen Separationen innerhalb von Regeleinrichtungen einhergehen, zu distanzieren und über die Differenzlinie behindert / n icht behindert hinauszugehen (vgl. Prengel 2010, 6), wobei im pädagogischen Diskurs kontrovers diskutiert wird, inwiefern der Inklusionsbegriff eine theoretische Erweiterung des Integrationsbegriffs bedeutet (vgl. Stein 2010, 81; Hinz 2010, 40). 6 | In Kapitel 2.4 wird dargestellt, dass Behinderung systemtheoretisch als hin-beobachtetes Konstrukt verstanden wird. Dennoch wird hier einleitend Bezug genommen zu anderen Definitionsversuchen, um das Thema der Arbeit in den aktuellen Diskurs um Inklusion und die gesetzlich relevanten Behinderungsbegriffe einzubetten. Das muss als mitgedachter Hintergrund bei der Einleitung berücksichtigt werden. 7 | In Artikel 3 »Allgemeine Grundsätze« der UN-BRK heißt es: »Die Grundsätze dieses Übereinkommens sind: a) die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner

1. Einleitung

spielhaft zeigt Feuser auf, dass Personen mit Behinderung die Möglichkeit vorenthalten wird, sich am Prozess der permanent wechselnden Teilsysteminklusion im gleichen Maße wie Personen ohne diese Zuschreibung zu beteiligen (vgl. Feuser 2010, 22). »Sie werden sozusagen inmobilisiert und in extrem wenigen Systemen (z. B.: Wohnheim, in der Werkstatt für Behinderte) geradezu ›eingefroren‹« (ebd.).8 Werden neben räumlichen Zugangsmöglichkeiten auch Anschlüsse an Kommunikation in den Blick genommen, so lässt sich beobachten, dass eine allgemeine Abnahme der »natürlichen« Kontakte bei Personen mit geistiger Behinderung zu verzeichnen ist, bei einer Zunahme an Expertenkontakten (vgl. Terfloth 2006, 24).9 Die Partizipation an dem, was innerhalb anderer gesellschaftlicher Felder kommuniziert wird, ist im Verhältnis zur Komplexität beobachteter Behinderung zunehmend nicht mehr gegeben (vgl. Feuser 2010, 22-23). Von Fuchs und Schneider wird dieser Prozess als das »Hauptmann-von-Köpenick-Syndrom« dargestellt (vgl. Fuchs, Schneider 1995, 209).10 In diesem wird deutlich, dass die Exklusion aus einem Funktionsbereich die Exklusion aus anderen Bereichen nach sich ziehen kann (vgl. Kapitel 2.6.1). Vergleichbar spricht Feuser in Bezug auf Castel davon, dass sich bei »Schwerstbehinderung« eine Situation der funktionalen Irrelevanz verfestigt (vgl. Castel in Feuser 2010, 26). Ebenso deutet Bardmann auf Anschlussausschlüsse oder auch eine Exklusionsdrift hin (vgl. Bardmann 2008, 62). Und Terfloth konstatiert: »Die Chancen zur Inklusion sind nicht gleich verteilt« (Terfloth 2006, 121).11 In Bezug auf das Bildungswesen ist beobachtbar, dass Schüler_innen mit »leichter Behinderung« bessere Chancen haben, formell eingegliedert zu werden, Unabhängigkeit Selbstbestimmung; b) die Nichtdiskriminierung; c) die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft; d) die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschlichkeit; e) die Chancengleichheit; f) die Zugänglichkeit Barrierefreiheit; g) die Gleichberechtigung von Mann und Frau; h) die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität« (zit. n. Netzwerkartikel 3 2009, 10). 8 | Feuser verdeutlicht seine Beobachtung durch den Verweis auf den Status der »Totalen Institution« nach Goffman (vgl. ebd.). Er verschärft seine Bewertung noch, indem er postuliert, dass sich Integration zu einer Menschenrechtsfrage entwickelt hat in Bezug auf den gesellschaftspolitischen Diskurs um die Bewertung von Menschen als »Überflüssige« (Feuser 2010, 26) oder »Abfall« (Baumann in Feuser 2010, 27) und der damit einhergehenden Tendenz zur Legalisierung einer Totalexklusion (vgl. Castel in Feuser 2010, 26). Stein macht unter Bezugnahme auf Rohrmann deutlich, dass die Zahl der Heimunterbringungen in Deutschland zwischen 1991 und 2001 um 55 % angestiegen ist (vgl. Stein 2010, 87). 9 | Terfoth problematisiert diesbezüglich die Paradoxie, »[…], dass im Kontext von Sonderinstitutionen ›Normalinteraktionen‹ ersetzt werden sollen« (Terfloth 2006, 179). Dieses wird von ihr jedoch als in der Regel nicht möglich bewertet. Hingegen führt sie an, dass Interaktionen unter diesen Bedingungen auf ein Minimum zurückgehen (vgl. ebd.). 10 | Vgl. dazu Kapitel 2.6.1. 11 | Wocken fasst diesbezüglich für den Bildungsbereich zusammen, dass die Diskussion über die Qualitäten von Heterogenität und Homogenität in der pädagogischen Fachwelt sehr kontrovers und kritisch geführt wird (vgl. Wocken 2010, 25-31). Er führt in diesem Zusammenhang die Neuschöpfung des Wortes »homodox« ein (vgl. Wocken 2010, 27). Er veranschaulicht damit in Anlehnung an die Begrifflichkeit orthodox / r echtgläubig die Ausrichtung

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als jene, bei denen eine »schwere oder schwerste Behinderung« beobachtet wird (vgl. Boban, Hinz 2004, 3; Terfloth 2006, 113; Dederich 2008, 43). Gegenüber Schulen haben elementarpädagogische Einrichtungen den Vorteil, dass sie von ihrem pädagogischen Selbstverständnis im Allgemeinen nicht auf Selektion ausgerichtet sind (vgl. Albers 2011, 12). Diese Ausgangssituation ist sehr interessant, da Kinder mit der Heterogenitätsdimension behindert / nicht behindert hier regelmäßig zusammenkommen, ohne zuvor durch Erwachsene in Leistungsstrukturen eingeteilt worden zu sein.12 So werden beispielsweise in Kindergärten kaum leistungsorientierte Gruppen gebildet. Über weite Zeiträume dominieren freie Spielstrukturen. Dadurch ist es Kindern möglich, im Kontakt miteinander zu sein und sich zu beobachten, ohne bereits dahingehend angeregt worden zu sein, Kinder hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes, ihrer körperlichen Voraussetzungen oder ihrer Fähig- und Fertigkeiten an der Norm orientiert zu unterscheiden.13 Entsprechend ist davon auszugehen, dass Interaktionen sich hier weniger als in den folgenden Bildungsinstitutionen nach normorientierten »Erscheinungsbildern« ausrichten, wie sie oben problematisiert wurden. Frühkindlicher Bildungsbereich In den Fokus dieser Arbeit sollen elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen gelangen, als zweite Eingrenzung der hier vorgenommenen theoretischen Ausrichtung. Neben der oben dargestellten Besonderheit dieser Institutionen werden sie als zunehmend relevanter in der Bildungsbiographie des Menschen bewertet. So platziert beispielsweise Albers die wichtigste Sozialisationsphase des Menschen im Hinblick auf Einstellungen gegenüber Andersartigkeit und der Ausbildung von Bewertungsstrukturen und Vorurteilsbildung in die ersten acht Lebensjahre (vgl. Albers 2011, 17). Darüber hinaus ist beispielhaft für diese Bewertung, dass in allen Bundesländern Deutschlands in den vergangenen Jahren für frühpädagogische Einrichtungen14 Bildungspläne implementiert und der quantitative Ausbau durchauf »gleichgläubig«, darauf, dass Homogenität die optimalen Bedingungen für erfolgreiches Lernen und Lehren in Aussicht stellen (vgl. ebd.). 12 | Dass Erwachsene Kinder durch ihre Wertestrukturen und Normvorstellungen in elementarpädagogischen Einrichtungen beeinflussen können, davon muss dennoch ausgegangen werden. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass auch in Bildungseinrichtungen des Primar- und Sekundarbereiches ein sehr unterschiedlicher Umgang mit der Leistungsorientierung erfolgt. Zudem stellen nur einige elementarpädagogische Bildungseinrichtungen die Bedingungen bereit, Kinder mit und ohne deklarierte Behinderung zu betreuen, zu erziehen und zu bilden. 13 | Dass Kinder auch schon im Elementarbereich eine Sozialisation und einen Bildungsund Erziehungsprozess durchlaufen, der ihre Wahrnehmung entsprechend einer Normorientierung beeinflusst, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Ebenso sind diese Möglichkeiten dahingehend zu problematisieren, dass nicht jede elementarpädagogische Einrichtung für jedes Kind zugänglich ist. So zeigt sich im bundesweiten Vergleich, dass nur 50 % der Kinder mit festgestellter Behinderung einen regulären Kindergarten mit nichtbehinderten Kindern besuchen, bei sehr starken Schwankungen im bundesweiten Vergleich (vgl. Prengel 2010, 6). 14 | Der frühkindliche Bildungsbereich bezeichnet hier die Altersgruppe des Elementarbereichs (vgl. Kapitel 4.1.1.1). Als frühpädagogische Einrichtungen gelten Krippen und Kindergärten (vgl. Albers 2011, 37).

1. Einleitung

gesetzt wurden (vgl. Nentwig-Gesemann 2008, 251). »Eine elementarpädagogische Grundbildung zählt demnach heute zur Normalbiografie« (König 2012, 152). Dass weit mehr als 90 % der 3- bis 6-Jährigen einen Kindergarten besuchen, unterstreicht seine Gewichtung darüber hinaus (vgl. Schneider, Hasselhorn 2012, 208). Trotz dieser hohen Relevanz ist der frühkindliche Bildungsbereich im wissenschaftlichen Kontext als junge Disziplin zu bezeichnen, die erst wenig beforscht ist (vgl. Fröhlich-Gildhoff 2008, 279; Bamler, Werner, Wustmann 2010, 26). Haug stellt fest, dass sich der Kindergarten als Bildungseinrichtung noch nicht ausreichend etabliert hat (vgl. Haug 2008, 41). So überwiegt beispielsweise in der internationalen Literatur zu dem Themenkomplex Inklusion der Bereich Schule (vgl. ebd.). »Auch die neuere qualitative Kindheitsforschung nimmt vor allen Dingen Kinder ab dem Schulalter, häufig auch erst ab ca. 10 Jahren in den Blick« (Cloos 2010, 478). Für den frühkindlichen Bildungsbereich besteht in weiten Teilen Forschungsbedarf. Beobachtet man die wenigen bestehenden Studien vor dem Hintergrund von Inklusion, so zeichnet sich ab, dass es trotz der geringen Leistungsorientierung im Elementarbereich etwas gibt, das Kinder an anderen Kindern als problemwirksam bewerten und wovon sie sich abwenden. Einen exemplarischen Eindruck vermitteln die im Folgenden dargestellten Forschungsergebnisse: Ytterhus hat innerhalb einer Studie mit 69 Kindern erhoben, dass Kinder sich von Kindern abwenden, die ihnen körperliche Schmerzen zufügen oder das Spiel anderer dominieren wollen (vgl. Ytterhus 2008, 117). Albers beobachtet, dass das Beherrschen grundlegender Kommunikationsstrategien positiv für inklusive Prozesse ist (vgl. Albers 2011, 79). Kron führt an: »Kinder, denen ein Perspektivwechsel schwerfällt oder die aktuell nicht in der Lage sind, flexibel mit unerwarteten oder zunächst fremden Verhaltensweisen anderer umzugehen, befinden sich in Bezug auf integrative Prozesse in einer erschwerenden Ausgangsposition. Dasselbe gilt auch für Kinder, deren Besonderheit für andere zunächst unbekannt ist oder ihnen den sozialkommunikativen Zugang erschwert« (Kron 2008, 198). Janson stellt dar, dass die Strategien sich in typischer Weise entwickelnder Kinder häufiger zu Aktivitäten beitragen, Kinder mit Beeinträchtigungen hingegen vermehrt Aufmerksamkeit suchen, also um Teilhabe ringen müssen, als dass sie sich mit eigenen Aktivitäten und Beiträgen einbringen (vgl. Janson 2008, 140). Kreuzer resümiert, dass die Zugehörigkeit von Kindern zu einer Gruppe (Peer-Status) im Zusammenhang mit Verhaltensmerkmalen steht (vgl. Kreuzer 2008, 24). Werden diese Beobachtungen jetzt vor dem Hintergrund der eingehend thematisierten Chancengleichheit bewertet, so ist konstruierbar, dass sich die Möglichkeiten des Anschlusses einzelner Kinder und ihre Teilhabe am Bildungsangebot auch in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen unterscheiden und damit auch hier, ebenso wie beispielsweise in der Schule, nicht als gleich zu bewerten sind. Über das Ergebnis einer Befragung von Ytterhus wird deutlich, dass Zurückweisung oder Ausschluss aus der Gleichaltrigengruppe zu erleben das denkbar Schlimmste für Kinder ist (vgl. Ytterhus 2008, 117). Nach Ytterhus ist es Kindern wichtiger dem »Kinderkollektiv« zu gefallen als den Erwachsenen (vgl. Ytterhus 2008, 123). Kinder sind für andere Kinder wesentliche Impulsgeber für Bildungsprozesse, da sie ihrem Entwicklungsstand im Vergleich zu Erwachsenen am nächsten sind (vgl. Völkel 2006, 59-60; Trautmann 2010, 60). Hier zeigt sich, wie relevant Anschlussoptionen an andere Kinder und Peer-Beziehungen einzuschätzen

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sind.15 Auch Seitz kommt zu dem Schluss, dass eine verstärkte Forschung im Bereich der Kontaktsituationen von Kindern besonders notwendig ist (vgl. Seitz 2008, 296). Dabei kommt dem Erwachsenen im Alter früher Kindheit eine bedeutende Rolle als Mittler zu (vgl. Albers 2011, 19). So konstatiert Albers, dass das Gelingen sozialer Integration von kompetentem Fachpersonal abhängt (vgl. Albers 2011, 11).16 Vergleichbar fasst Kron zusammen, dass pädagogische Unterstützung immer dann unabdingbar ist, wenn kindliche Ressourcen nicht ausreichen, gelingende Kontakte herzustellen oder aufrechtzuerhalten (vgl. Kron 2008, 198). An dieser Stelle wird Heilpädagogik funktional. Heilpädagogik Terfloth weist die Aufgabe, Kommunikation unter erschwerten Bedingungen anzuregen und aufrechtzuerhalten, der Heil- und Sonderpädagogik17 zu (vgl. Terfloth 2006, 182). Aus systemtheoretischer Sicht stellt sie sich als Kommunikationssystem dar, das gesellschaftlich die Selektionen im Erziehungssystem kompensieren soll (vgl. Terfloth 2006, 179).18 Nach dem SGB19 sind heilpädagogische Fachkräfte 15 | Auch Behrs Analyse verschiedener Studien aus dem Bereich der Kindheitsforschung bestätigt die hohe Bedeutung von Kindern für Kinder (vgl. Behr 2009, 160). 16 | Dass Albers an dieser Stelle, an der es um die konkrete Umsetzung des Inklusionsgebotes geht, sich der Begrifflichkeit »Integration« bedient, kann auch als Hinweis auf die fehlenden Differenzierungsmöglichkeiten des Inklusionsbegriffes gedeutet werden. In der Beschreibung von Teilhabeprozessen bezieht er sich hier dann doch auf den Integrationsbegriff. 17 | Speck schlägt vor, die Begriffe Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Behindertenpädagogik und Rehabilitationspädagogik synonym zu gebrauchen und auf Doppel- und Mehrfachnennungen zu verzichten, da sie sich trotz partieller Akzentuierung inhaltlich weitestgehend entsprechen (vgl. Speck 2008, 54-55). Da im Elementarbereich aktuell primär auf den Begriff »Heilpädagogik« Bezug genommen wird, wird er im Rahmen dieser Arbeit genutzt. An einigen Stellen wird jedoch auch der allgemeinere Begriff der »Pädagogik« gewählt. In diesem Sinne wird auch der Vorschlag von Terfloth aufgegriffen, den Begriff »Professionelle« zu verwenden, der Verhaltensattribute einer Rolle beschreibt, die durch Kommunikation zugeschrieben wird und dadurch die spezifischen Vorstellungen über eine Profession (hier der Heilpädagogik, Sonderpädagogik und Behindertenpädagogik, Rehabilitationspädagogik) aufrechterhält (vgl. Terfloth 2006, 162-163). Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Begriff Inklusion zunehmend auch in die Bezeichnung von Studiengängen Einzug hält (vgl. beispielsweise Bachelorstudiengang Heilpädagogik (BA) – »Inklusion und Partizipation« an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin oder ›Inklusionspädagogik‹ an der Universität Potsdam). 18 | Was hier mit einem Kommunikationssystem aus systemtheoretischer Sicht gemeint ist, wird in Kapitel 2 erläutert. An dieser Stelle weist es auf die Zuständigkeit von Heilpädagogik im Kontext von Selektionen innerhalb des Erziehungssystems hin. 19 | Im SGB (Sozialgesetzbuch) IX §56, Abs. (1) ist für die Unterstützung der als behindert geltenden Kinder gesetzlich festgeschrieben, dass heilpädagogische Leistungen erbracht werden, »wenn nach fachlicher Erkenntnis zu erwarten ist, dass hierdurch 1. eine drohende Behinderung abgewendet oder der fortschreitende Verlauf einer Behinderung verlangsamt oder 2. die Folgen einer Behinderung beseitigt oder gemildert werden können. Sie werden immer an schwerstbehinderte und schwerstmehrfachbehinderte Kinder, die noch nicht eingeschult sind, erbracht« (zit. n. Marburger 2008, 69). In §55 wird der Bereich der Teilhabe

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originär zuständig, wenn es im Entwicklungsverlauf zu Teilhabebeeinträchtigungen von Kindern kommt, deren Entwicklungsverlauf von der definierten Norm abweicht,20 also im Kontext von Behinderung. Ausgehend von der im Jahre 2001 von der WHO erstellten ICF21 gelangen zunehmend neben medizinischen auch soziale Einflussfaktoren auf Entwicklungsprozesse in den Fokus der Betrachtung innerhalb der Definition von Behinderung (vgl. Schäfers 2009, 25).22 So wird nach der WHO Behinderung als »[…] mehrdimensionales Konstrukt verstanden, zu dem neben Körperfunktionen und Strukturen auch die Dimensionen der Aktivität und Partizipation gehören« (Albers 2011, 31).23 »Mit Behinderung ist in diesem aufgegriffen, welche im Diskurs um Inklusion eine neue Popularität erfährt. Im Abs. 1 ist formuliert: »Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden« (zit. n. Marburger 2008, 69). In Absatz 2 wird für den Bereich frühkindliche Entwicklung konkretisiert: »Leistungen nach Absatz 1 sind insbesondere […] heilpädagogische Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind […]« (zit. n. Marburger 2008, 69). 20 | Was unter der Norm in Bezug auf Bildung und Entwicklung im frühkindlichen Bereich in Deutschland verstanden bzw. als außerhalb der Norm liegend beschrieben und als behindert definiert wird, wofür also die Heilpädagogik zuständig ist, wird im SGB IX §2 Abs. 2 folgendermaßen festgehalten: »Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist« (zit. n. Marburger 2008, 46). Aus den hier dargestellten Definitionen von Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten ergibt sich ein Arbeitsgebiet der Heilpädagogik. 21 | Die im Jahre 2001 von der WHO erstellte ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) wird ins Deutsche übersetzt bezeichnet als Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (vgl. Meyer 2004, 9). 22 | »Nach dem Verständnis der ICF ist Behinderung ein Oberbegriff für Schädigung auf der organischen Ebene (Körperfunktionen und Körperstrukturen) oder auf der individuellen Ebene (Aktivität) oder auf der gesellschaftlichen Ebene (Teilhabe)« (Seidel 2003, 248). Mit diesem sog. »biopsychosozialen Modell« (Seidel 2003, 248) sollen die medizinischen und sozialen Einflussfaktoren auf die Entwicklung einer Behinderung berücksichtigt werden und sich dialektisch verbinden. Das heißt, Behinderung wird in der ICF definiert als Abweichung von der funktionalen Gesundheit in Form von Störungen in den Körperfunktionen und den Körperstrukturen, in der Aktivität und der gesellschaftlichen Teilhabe und in Form von den Menschen beeinträchtigenden Umweltfaktoren. Auch nach Wansing hat die ICF Einfluss auf einen Verständniswandel von Behinderung genommen (vgl. Wansing 2005, 79). 23 | Entsprechend definiert die UN-BRK in Artikel 1: »Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können, die in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren, ihre volle und wirksame Teilhabe gleichberechtigt mit anderen an der Gesellschaft behindern können« (Netzwerk Artikel 3 e. V. 2009, 9).

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Verständnis eine Relation gemeint, also eine Beziehung zwischen der so bezeichneten Person und ihrer Umwelt« (Walthes 2003, 48). So entsteht Behinderung immer dann, wenn diesbezüglich eine unzureichende Passung vorliegt (vgl. Wansing 2005, 79). Auch Speck greift in seinem Verständnis von Heilpädagogik diese verschiedenen Faktoren auf.24 Er definiert Heilpädagogik als »[…] eine spezialisierte Pädagogik, die von einer Bedrohung durch personale und soziale Desintegration ausgeht, und bei der es im Besonderen um die Herstellung oder Wiederherstellung der Bedingungen für eigene Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit, für den Erwerb von Kompetenz und Lebenssinn, also um ein Ganz-werden geht, soweit es dazu spezieller Hilfe bedarf« (Speck 2008, 56). Insofern geht es auch nach Speck in der Heilpädagogik um den Prozess der Ko-Konstruktion, wie er ebenso in der ICF erkennbar ist (vgl. Speck 2008, 113). Der Begriff »heil« wird in der Bezeichnung von Heilpädagogik von Speck übersetzt im Sinne von »ganz« (griech. holos, engl. whole) (vgl. Speck 2008, 56). Das heißt, in der Heilpädagogik geht es nach Speck um Formen der Unterstützung, wenn Menschen in der Gesellschaft als nicht »ganz« im Sinne ihrer Zugehörigkeit zur formulierten Norm beobachtet werden und / oder in ihrer Teilhabe an der Gesellschaft behindert werden. Daraus kann abgeleitet werden, dass Heilpädagogik dann funktional wird, wenn es für den Anschluss an die Gesellschaft oder an Personen spezieller Hilfe bedarf (s. o.).25 Das heißt weiter, Heilpädagogik als besondere Form der pädagogischen Unterstützung ist nach Speck nur über einen kooperativen Prozess der wechselseitigen Anregung möglich, die das Aufeinander-Einwirken der verschiedenen Teile in bedeutsamen Zusammenhängen sieht und damit dieser hochdifferenzierten und vernetzten Wirklichkeit Rechnung trägt (vgl. Speck 2008, 94). Daraus lässt sich ableiten, dass sich Heilpädagogik in ihrer »Hilfe« nicht personenzentriert orientiert, sondern Aspekte von Partizipation und Teilhabe aufgreift, wie sie ebenso in der ICF formuliert werden (vgl. Speck 2008, 113). Heilpädagogik in diesem Sinne gedacht fordert Professionelle dazu auf, sich nicht isoliert mit individuellen Entwicklungsverläufen zu beschäftigen, sondern Interaktionen und Kontextfaktoren in den Blick zu nehmen, wie sie beispielsweise im Diskurs um Inklusion thematisiert werden. Von diesen Überlegungen ausgehend ist der hier aufgespannte Themenbezug dem Bereich der Heilpädagogik als dritte Eingrenzung zuzuordnen. Auch innerhalb des Bereichs der Heilpädagogik, vergleichbar mit dem skizzierten Forschungsstand im Bereich der frühen Kindheit, beurteilen Goeke und Terfloth, dass die Initiierung, Begleitung und Evaluation inklusiver Prozesse zunehmend einen Forschungsgegenstand darstellen (vgl. Goeke, Terfloth 2006, 43).

24 | Specks Werk »System Heilpädagogik« wurde zum Zeitpunkt seiner ersten Veröffentlichung 1988 hinsichtlich dieser Offenheit als einschneidend für den fachlichen Diskurs der Fachdisziplin bewertet (vgl. Weisser in Bezug auf Bleidick 2008, 22-23). 25 | Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass diese Differenz zwischen gesellschaftlicher Norm und individuellem Entwicklungsstand als hergestellte, konstruierte Differenz zu betrachten ist. U. a. in den Kapiteln 2.3, 2.4 und 3.2 wird darauf näher eingegangen. Weisser weist in diesem Zusammenhang auf die Orientierung an Erwartungsverletzungen hin, »[…] welche die Verhältnisse und Handlungsspielräume sichtbar machen, in denen wir unsere Gegenwart leben« (Weisser 2008, 28).

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Relevanz der kindlichen Perspektive Richtet sich der Blick nun auf den hier relevanten frühkindlichen Entwicklungsbereich, ist Folgendes zusammenzufassen: Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass Kinder eine andere Wahrnehmung von Situationen haben als Erwachsene (vgl. Heinzel 1997, 399). Darüber hinaus gilt als Konsens im aktuellen pädagogischen Diskurs, dass Kinder sich über Selbstbildungsprozesse sozialisieren (vgl. Nentwing-Gesemann 2008, 252). Dadurch erlangt eine Annäherung an die Welt, wie sie den Kindern erscheint bzw. von ihnen gebildet wird, zentrale Bedeutung. Wollen nun Professionelle mehr darüber erfahren, wie das Zusammensein in Gruppen von Kindern mit und ohne Behinderung bewertet wird, ist es folglich bedeutsam, die kindliche Perspektive zu berücksichtigen. Eine Analyse der Literatur macht nach Prengel deutlich, dass es primär an Aussagen von Kindern zu ihren institutionellen Erfahrungen mangelt (vgl. Prengel 2010, 25). Ebenso bewertet NentwigGesemann: »Es fehlen ausreichend einschlägige Untersuchungen darüber, wie der Alltag in Kindertageseinrichtungen beschaffen ist, wie sich Prozesse der Ko-Konstruktion mit welchen Wirkungen vollziehen […]« (Nentwig-Gesemann 2008, 253). Vergleichbar kommt Cloos nach einer Analyse der aktuellen Forschungssituation zu dem Schluss: »Eine qualitative Forschung, die nicht nur den Kindern eine Stimme geben will, sondern die Performativität der Interaktions- und Bildungsprozesse im frühpädagogischen Bildungsraum im Miteinander von Kindern (Peers) und Erwachsenen untersucht […] ist kaum entwickelt« (Cloos 2010, 478-479 in Bezug auf Rabe-Kleberg und Nentwig-Gesemann). Auch Behrs Anmerkungen gehen in die gleiche Richtung. Sie weist darüber hinaus noch auf die Notwendigkeit hin, zu Aussagen von Kindern aus inklusiven Kindertageseinrichtungen zu gelangen (vgl. Behr 2009, 149), ebenso wie Wetzel, der problematisiert, dass es bisher keine Mitteilungen von Kindern aus sogenannten inklusiven Bildungsstrukturen gibt (vgl. Wetzel 2010, Vortrag in München26). Insofern ist es erforderlich, hinsichtlich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit inklusiven Prozessen im Kontext von Behinderung mehr empirisches Material in Bezug auf kindliche Aussagen zu generieren. Diese Ausrichtung stellt die vierte Eingrenzung dieser Arbeit dar. Zwischenresümee In der Betrachtung der bisherigen Ausführungen lässt sich resümieren, dass wesentliche Diskrepanzen zwischen dem Ziel, ein inklusives Bildungsrecht umzusetzen und dem beobachteten Alltag für Menschen mit Behinderung bestehen. Der frühkindliche Bildungsbereich nimmt eine bedeutende, jedoch bisher wenig erforschte Position innerhalb des Diskurses um Inklusion ein, insbesondere die kindliche Perspektive in Institutionen, in denen Kinder mit und ohne Behinderung zusammenkommen. Innerhalb des räumlichen Zusammenseins von Kindern im Elementarbereich wurden problemwirksame Verhaltensweisen skizziert, die einen Anschluss aneinander erschweren oder ausschließen. Hier wurde die 26 | Ralf Wetzel resümiert in seinem Vortrag »Die Tücke der Inklusion« auf einer Tagung an der Universität in München am 11.02.10, dass es von wissenschaftlicher Bedeutung ist, als nächstes Menschen, die in inklusiven / i ntegrativen Strukturen leben, zu ihren Wahrnehmungen, Wirklichkeitskonstruktionen und Kategorienbildungen zu befragen, um inklusive und exklusive Prozesse zu reflektieren. Es geht nach Wetzel darum herauszufinden, was möglicherweise innerhalb inklusiver Strukturen an Stigmatisierungsprozessen passiert.

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Heilpädagogik als relevante Profession dargestellt, sich mit der Konstruktion und Anregung von Anschlussmöglichkeiten auseinanderzusetzen. In der weiteren Entfaltung der Forschungsidee stellt sich nun die Frage, wonach sich diese Arbeit ausrichten kann, wenn sie den Inklusionsdiskurs und das damit einhergehende räumliche Zusammensein von Menschen mit und ohne Behinderung nutzen möchte, um Erfolgschancen zu unterstützen, an der Kommunikation anzuschließen, die die Welt hervorbringt, die von allen potentiell beobachtbar und als bedeutsam erachtet wird (vgl. Weisser 2010, 32).27 Diese Ausrichtung greift die oben problematisierte Entwicklung auf, dass trotz des »Inklusionsgebotes« eine Exklusionsdrift im Kontext von Behinderung beobachtbar ist und die Teilhabe an gesellschaftlich relevanter Kommunikation nicht für alle Menschen im gleichen Maße gegeben ist. Dannenbeck problematisiert, dass selbst in pädagogischen Fachkreisen ein theoretisch unterkomplexes Verständnis von Inklusion vorherrscht (vgl. Dannenbeck 2012, 108). Aus seiner Perspektive bleibt somit die Chance ungenutzt, im Rahmen der Ratifizierung der UN-BRK radikale bildungspolitische Veränderungen in Richtung auf mehr Chancengleichheit zu unterstützen. Auch Fuchs u. a. führen aus, dass das Wort Inklusion zu einem Modebegriff avanciert und somit ohne begrifflichen Anspruch eingesetzt wird (vgl. u. a. Hinz 2010, 37; Terfloth 2010, 47; Fuchs 2011b, 1; Hazibar, Mecheril 2013, o. S.). Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, wird zunehmend auch im pädagogischen Kontext auf die systemtheoretische Definition von Niklas Luhmann für die Differenzierung des Inklusionsbegriffes Bezug genommen (vgl. u. a. Terfloth 2006; Dederich 2008, 39-41; Greving 2012, 8; Puhr 2012, 88-90; Balgo 2013, 12). Entsprechend bewertet auch Speck, dass sich mit dem systemtheoretischen Ansatz Strukturen und Zusammenhänge erhellen lassen, die pädagogisch zu beachten sind, wenn erzieherische Intentionen und Inhalte sinnvoll und hilfreich vermittelt werden sollen (vgl. Speck 2008, 116). Folgendes wird in der näheren Auseinandersetzung mit dem systemtheoretischen Inklusionsbegriff deutlich: Systemtheoretischer Bezug Luhmann fasst den Inklusionsbegriff in seiner Systemtheorie nicht räumlich (vgl. Nassehi 2004, 331; Terfloth 2007, 50; Fuchs 2011b, 1). Dieses hebt seine Definition in der aktuellen Debatte hervor (vgl. Balgo 2013, 12). Er stellt auf metatheoretischer Ebene ein elaboriertes Begriffssystem zur Verfügung, das neue Sichtweisen zur Erfassung pädagogischer Prozesse ermöglicht (vgl. König, Zedler 2002, 189-190). Dadurch wird angeregt, jene Schärfe zu entwickeln, die in der aktuellen Inklusions-Debatte fehlt (vgl. Wetzel 2010, Vortrag in München). Entsprechend wird von verschiedenen Wissenschaftler_innen eingeschätzt, dass es über die systemtheoretische Definition von Inklusion möglich ist, sich komplexer, abstrakter und differenzierter mit den Funktionen von Anschlussprozessen auseinanderzusetzen 27 | Weisser analysiert: »Es geht um Erfolgschancen von Kommunikation, welche die Welt in bestimmender Weise hervorbringen« (Weisser 2010, 32). Er bewertet dabei Kommunikation als Operation als unterschiedlich mächtig. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass Kommunikation Zugehörigkeitsfolgen hat (vgl. Weisser 2010, 33). In der soziologischen Systemtheorie wird der umfassende Zusammenhang aller füreinander erreichbaren Kommunikationen als Weltgesellschaft bezeichnet (vgl. Scheer 2012a, 136). An einigen Stellen in dieser Arbeit wird auf dieses Verständnis Bezug genommen.

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(vgl. Wetzel 2004, 14; Simon 2006, 86-87; Terfloth 2010, 48; Puhr 2012, 88-89; Balgo 2013, 12). Als vorteilhaft wird dabei bewertet, dass die funktionale Analyse der Systemtheorie über ihre Beobachtung operativer Vorgänge das Herstellen von Ontologien vermeidet (vgl. Fuchs 2001 o. S.).28 Es geht in der systemtheoretischen Betrachtung nicht darum zu diskriminieren, was funktioniert und dieses festzuschreiben, sondern zu beobachten, wie etwas funktioniert (vgl. Kapitel  3.2.2).29 Die Systemtheorie richtet sich nach der Funktion von etwas aus. »Die funktionale Analyse basiert in Abgrenzung zu ontologisch verwurzelten wissenschaftlichen Analysen, die häufig nach dem ›WAS‹ der Seinsbeschaffenheit von etwas fragen, auf der Frage nach dem ›WIE‹ etwas funktioniert« (Terfloth 2006, 13).30 Neben der Analysestruktur und ihrem hohen Erklärungswert wird demnach auch eine Erweiterung von Handlungsoptionen als besondere Qualität der Systemtheorie angemerkt (vgl. Simon 2006, 87). So resümiert Speck, dass die Pädagogik nicht an der Systemtheorie vorbeikommt und sie für ihre Weiterentwicklung benötigt (vgl. Speck 2008, 92-93).31

28 | Simon stellt dar, dass die Systemtheorie zu der Analysestruktur »Mensch« durch die Differenzierung zwischen psychischem und sozialem System ein alternatives und attraktives Modell anbietet, das in der Lage ist, durch seine Strukturierung die Komplexität sozialer Vorgänge zu reduzieren (vgl. Simon 2006, 86-87). Diese Reduktion bewertet er als ausgesprochen erklärend und handlungsanleitend, auch für die Praxis. Auch John, Henkel und Rückert-John weisen darauf hin, dass es für die Beobachtung von Phänomen der modernen Gesellschaft gewinnbringend sein kann, eine Alternative zur humanen Akteurszentrierung zu besitzen (vgl. John, Henkel, Rückert-John 2010, 328). Im Theorieteil dieser Arbeit wird die Subjektlösung innerhalb des systemtheoretischen Beobachtens vorgestellt. 29 | Entsprechend skizziert Baecker: »Seit Platon wurde diese Frage in der Terminologie des Aktuellen und des Potentiellen gestellt. Die Systemtheorie oder das, was man ihr zurechnen kann, hat der Versuchung an dieser Stelle Götter, Geister oder andere Transzendenzen (Natur, Schicksal, Geschichte, Fortschritt, Dekadenz) ins Spiel zu bringen, immer widerstanden. Sie fragt stattdessen danach, wie sich das, was etwas ist, von dem abgrenzen lässt, was es nicht ist, und fragt danach, wie Grenzen funktionieren können müssen, wenn sie auf diese Art und Weise undurchlässig und durchlässig zugleich sein müssen, um es einem Organismus zu ermöglichen, sich zu reproduzieren, ohne sich in seiner Umwelt zu verlieren. Für sie gibt es kein Drittes, auf das man sich berufen könnte, damit getrennt bleibt, was getrennt ist« (Baecker 2005, 10). 30 | In der Heilpädagogik, in der Kinder unterschieden werden zwischen Kindern mit und Kinder ohne Behinderung oder Auffälligkeiten, wird trotz der Berücksichtigung von Kontextfaktoren immer noch primär über eine personenbezogene Sichtweise operiert (vgl. Palmowski 2007, 60-61). Es wird nach dem gefragt, was am Kind beobachtbar wird, z. B. nach der Behinderung oder Auffälligkeit. Nur über eine definierte Diagnose, Auffälligkeit oder Entwicklungsverzögerung bekommen die Heilpädagog_innen ihren Arbeitsauftrag und bestehen die Voraussetzungen für die Kontaktaufnahme zum Kind. Luhmann bezeichnet die herkömmliche Sichtweise als »ontologisch« und »alteuropäisch« und bewertet sie als veraltet (vgl. Gripp-Hagelstange 1995, 15). Im Kapitel 2.4 wird darauf näher eingegangen. 31 | Janzen spricht vom starken Einfluss der soziologischen Systemtheorie auf die behindertenpädagogische Debatte, seit Otto Speck 1987 »System Heilpädagogik« veröffentlicht hat (vgl. Janzen 2004, 49).

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Dennoch ist sie bisher erst wenig in der Heilpädagogik etabliert. Vorhandene Veröffentlichungen kommen primär aus dem soziologischen Bereich. Unmittelbare Bezüge in ein pädagogisches Arbeitsfeld finden sich nur sehr vereinzelt in der Fachliteratur (vgl. Kapitel  2, Einleitung). Hier erscheint es als Schwierigkeit, die theoretischen Abstraktionen in die Praxis zu transformieren (vgl. Terfloth 2006, 180). »Für die ›Praxis‹ der (Integrations-)Intervention liefert die soziologische Systemtheorie keine Vorschläge, sondern bestenfalls Irritationen, die mit anderen Theorie- und Interventionsangeboten verknüpft werden müssen« (Wetzel 2004, 14). Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung gewährt dem Betrachter ausreichend Zeit, sich komplexen Theorien zu widmen (vgl. Fuchs 1995, 173). Eine unmittelbare Reaktion ist nicht erforderlich. Dadurch kann sich an dieser Stelle auf eine abstrakte Theorie eingelassen, nach ihrer Relevanz für das heilpädagogische Handlungsfeld und ihrer Funktionalität in diesem gesucht werden. Schleiffer hat als einer der wenigen Vorschläge unterbreitet, Rückschlüsse aus Elementen der Systemtheorie für den Umgang mit sogenanntem dissozialen Verhalten (vgl. Schleiffer 1988, 242-247) bzw. Verhaltensstörungen zu ziehen und die Systemtheorie dafür als handlungsleitend bewertet (vgl. Schleiffer 2012, 12). Das ermutigt, sich hinsichtlich der Auseinandersetzung mit inklusiven und exklusiven Prozessen im Kontext heilpädagogischer Arbeit im Elementarbereich ebenfalls der Systemtheorie zuzuwenden. So wird im Rahmen dieser Arbeit der Versuch unternommen, die begrifflichen Angebote der Systemtheorie für den pädagogischen Diskurs um Inklusion zu nutzen und zu prüfen, ob sie zu einer Differenzierung inklusiver Prozesse im pädagogischen Alltag führen, die in der Auseinandersetzung um Chancengleichheit als gewinnbringend eingeschätzt werden können.32 Diese systemtheoretische Ausrichtung stellt die fünfte Eingrenzung der Arbeit dar. Nassehi empfiehlt aus einer (system-)theoretischen Sicht, das Schema Inklusion / Exklusion stärker an kommunikative Operationen zurückzubinden, da es bisher erst wenig ausgebildet ist (vgl. Nassehi 2004, 331). »Es ist […] eine empirische Frage, wie Inklusion vonstatten geht, das heißt wer durch welche Kommunikation wie für relevant gehalten wird« (Nassehi 2004, 336). Vogd postuliert, dass die Epistemologie nicht über der Praxis steht, sondern sich in der Kommunikation mit dieser entwickelt, als Produkt kommunikativer Praktiken (vgl. Vogd 2011, 14). Diese 32 | Jantzen hebt hervor, dass die Systemtheorie in ihrer Auseinandersetzung mit Mechanismen der doppelten Kontingenz, der strukturellen Koppelung und der Erklärung der Komplexität von Systemen zentrale Basismechanismen bestimmt, die als Untersuchungsinstrumente für das theoretische Verständnis sozialer Prozesse hohe Bedeutung haben. (Diese Begriffe werden im theoretischen Teil der Arbeit erläutert.) Er kritisiert jedoch, dass Produktion, Ökonomie, Infrastruktur, sozialer Verkehr, sowie Menschen, Gemeinwesen und Länder verschwinden. Aus seiner Perspektive kann sich der Beobachter deshalb nicht mit Hilfe der Systemtheorie mit der sozialen Welt im herkömmlichen Sinne und ihren materiellen Anschlussprozessen auseinandersetzen (vgl. Jantzen 2004, 67). In dieser Arbeit steht die Auseinandersetzung mit dem Interaktionssystem als soziales System im Vordergrund (vgl. Kapitel 2.2.4). Wie dargestellt, wird erwartet, dass ein diesbezüglich höheres Differenzierungsvermögen, inklusive und exklusive Prozesse zu beobachten, sich auch darauf auswirkt, Anschlussmöglichkeiten an andere Ebenen sozialer Systeme (Organisationen und Funktionssysteme der Gesellschaft) differenzierter bewerten zu können. Dieses aufzuzeigen, könnte Thema von Folgearbeiten sein.

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Positionen stützen den Ansatz, das hier geplante Vorhaben, wie schon ausgehend von der Analyse der aktuellen Kindheitsforschung für notwendig erachtet, empirisch zu verorten. Insofern ergeben sich als Rahmen dieser Arbeit zwei Ausrichtungen: Zum einen geht es darum, zu erarbeiten, welche systemtheoretischen Differenzierungen für den pädagogischen Diskurs um Inklusion eine Konkretisierung des Begriffs erlauben, der es ermöglicht, ihn im Sinne einer Erweiterung von Chancengleichheit zu platzieren. Zum anderen geht es darum, das systemtheoretische Differenzierungsangebot an einer empirischen Erhebung im frühkindlichen Bildungsbereich für den Bereich der Heilpädagogik zu erproben. Zusammenfassung und Vorstellung der Schwerpunkte anhand der Gliederung der Arbeit In der Einleitung wurde dargelegt, dass der in der Pädagogik geläufige Inklusionsbegriff noch keine ausreichende Differenzierung aufweist, um pädagogischen Fragestellungen und bildungspolitischen Diskursen im Hinblick auf Chancengleichheit und Teilhabe hinreichend gerecht zu werden. Die öffentlichen Bezugnahmen auf den Inklusionsbegriff thematisieren fast ausschließlich die räumliche Dimension. Diese wurde als stark verkürzt problematisiert. Es wurde dargestellt, dass die Systemtheorie nach Luhmann hier mehr Differenzierungs- und Beobachtungsoptionen verspricht. Darüber hinaus wurde deutlich, dass der frühkindliche Bildungsbereich bisher wissenschaftlich wenig beforscht ist, aber gerade hier das Inklusionsgebot im Rahmen der Ratifizierung der UN-BRK wirkmächtig wird. Die Heilpädagogik wurde als fachliche Disziplin dargestellt, die sich aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages mit Bildung im Kontext von Behinderung auseinandersetzt und innerhalb des Inklusionsdiskurses eine Schlüsselposition einnimmt (vgl. Albers, Vortrag in Leipzig 21.02.201333). Im Rahmen dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, über die Verbindung zwischen den Begrifflichkeiten der Systemtheorie mit einer empirischen Studie aus dem Bereich frühkindlicher Bildung die Funktionalität des systemtheoretischen Inklusionsbegriffes für die heilpädagogische Praxis exemplarisch orientiert am Differenzmerkmal behindert / nicht behindert zu erproben und so eine Konkretisierung des fachlichen Diskurses anzuregen. Es wurde aufgezeigt, dass die kindliche Perspektive in der Forschungsliteratur unterrepräsentiert ist. Im empirischen Teil wird dieses Defizit berücksichtigt. Äußerungen von Kindern sind hier Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Betrachtung. Die Struktur der Arbeit richtet sich entsprechend nach diesen unterschiedlichen Schwerpunkten aus. Erster Schwerpunkt: An den Anfang der Arbeit (vgl. Kapitel 2) wird die Einführung in die hier relevanten begrifflichen Differenzierungsangebote der Systemtheorie gestellt und daran orientiert die Forschungsfrage weiter zugespitzt. Ausgehend von diesem begrifflichen Zugang werden Beobachtungsmöglichkeiten in Bezug auf ein empirisches Forschungsvorhaben vorgeschlagen (vgl. Kapitel 4.2). Darüber hinaus erfolgt die

33 | Äußerung im Rahmen eines Vortrages auf der Inklusionsforscher_innentagung 2013 in Leipzig.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Auswertung und Interpretation der empirischen Daten sowie die Thesenbildung in Kapitel 5 vor dem Hintergrund dieser theoretischen Orientierung. Zweiter Schwerpunkt: Als zweiter relevanter Schwerpunkt ist die empirische Erhebung selbst zu betrachten. Diesem Schwerpunkt werden die Auseinandersetzungen mit der empirischen Sozialforschung in Kapitel 3 zugeordnet sowie die Darstellungen des aktuellen Forschungsstandes in Bezug auf Kinder im Alter früher Kindheit und Menschen im Kontext von Behinderung, die Entwicklung des Samplings und die Durchführung der Erhebung in Kapitel  4.1. Eine Verbindung mit dem ersten Schwerpunkt der Arbeit vollzieht sich in der Auswertung und in der Interpretation der empirischen Daten und wird über die Darstellung der Ergebnisse deutlich (vgl. Kapitel 5). Dritter Schwerpunkt: Ein dritter Schwerpunkt wird genau in dieser Verbindung gesehen, ein empirisches Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Erziehungswissenschaften vor dem Hintergrund systemtheoretischer Überlegungen zu beobachten. Ausführungen dazu sind zum einen in Kapitel 3 platziert, in dem es um die methodologische Ausrichtung des Forschungsvorhabens geht, sowie in Kapitel 4.2, in dem das konkrete forschungsmethodische Vorgehen orientiert an systemtheoretischen Begriffen entwickelt wird. Insofern greift die Auswertungsmethode den theoretischen Bezug des Kapitels 2 wieder auf und stellt eine Verbindung zwischen systemtheoretischer Orientierung und Empirie her. Über diese Verbindung wird dann in der Auswertung der empirischen Daten die intendierte Transformation der abstrakten systemtheoretischen Begrifflichkeiten in den konkreten pädagogischen Diskurs vollzogen (vgl. Kapitel 5). In Kapitel 6 wird dieses Vorgehen als Arbeit am Begriff reflektiert. Hier erfolgen verallgemeinernde Überlegungen und Bewertungen hinsichtlich systemtheoretischer Betrachtungsweisen als Deutungsmöglichkeit für empirische Daten. Die Schlussbemerkung in Kapitel 7 widmet sich dem eingangs hergestellten Bezug auf Chancengleichheit, Teilhabe und inklusive Bildung, indem sie sich der Fragestellung zuwendet: »Welche Möglichkeiten bestehen, Erfolgschancen des Anschlusses an Kommunikation zu deuten, die die (Welt-)Gesellschaft hervorbringt und die von allen potentiell beobachtbar ist, in Bezug auf Menschen, die als behindert adressiert werden?« Insofern wird abschließend resümiert, inwiefern sich die Begriffe der Systemtheorie diesbezüglich als hilfreiche Differenzierung für Professionelle im (heil-)pädagogischen Kontext anbieten (vgl. Kapitel 6 und 7). Die Ergebnisse der Arbeit sind entsprechend zum einen als Anregung in diesem Sinne zu verstehen, zum anderen liefern sie einen Beitrag für den Bereich empirischer frühkindlicher Forschung, exemplarisch im Kontext der Auseinandersetzung mit Inklusion. Bevor nun die Einführung in systemtheoretische Begrifflichkeiten erfolgt, wird noch auf formale Aspekte der Arbeit hingewiesen. Strukturelle und formale Aspekte der Arbeit Um eine übersichtliche Gliederung anzubieten, bildet diese nur die wesentlichen Strukturelemente der Arbeit ab. Zur Erleichterung der Orientierung innerhalb der Kapitel werden diese zum Teil durch weitere Überschriften ergänzt. Zur Berücksichtigung einer gendersensiblen Schreibweise wurde die Form des Gender Gap (»_«) gewählt. Diese Schreibweise ermöglicht die Markierung der männlichen

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wie der weiblichen Form und bezieht durch den über den Unterstrich markierten Zwischenraum all jene Geschlechter und Geschlechtsidentitäten ein, die sich außerhalb der zweigeschlechtlichen Zuordnung definieren wie beispielsweise Intersexuelle oder Transgender (vgl. Schrul 2012, 5). Davon ausgenommen ist die Bezeichnung »Beobachter«. Dieser Terminus kennzeichnet aus systemtheoretischer Perspektive keine Person, sondern ein sich bildendes System. Entsprechend wird sich diesbezüglich der Schreibweise von Luhmann angeschlossen (vgl. Kapitel 2.3). Einige der in Kapitel 4.1.3.3 angeführten Transkriptionen, auf die im Text als Quelle verwiesen wird, befinden sich ausschließlich im Anhang der Dissertation, welche der Promotionskommission vorgelegt wurde. In der Buchpublikation steht dieser Anhang aus Gründen des Personenschutzes nicht zur Verfügung (vgl. Kapitel 4.1.2.4). Alle Formulierungen, die von der Autorin stammen, sind in der neuen Rechtschreibung abgefasst. Innerhalb der Zitate entsprechen alle Hervorhebungen und Schreibweisen den Originalfassungen.34 Ausgelassene Satzteile oder Sätze sind über »[…]« kenntlich gemacht. Alle nicht gekennzeichneten Grafiken und Tabellen wurden von der Autorin verfasst. Zu Gunsten der besseren Lesbarkeit wird auf diese Aspekte nicht durchgehend hingewiesen. Sie werden als bekannt in der gesamten Arbeit vorausgesetzt.

34 | Davon ausgenommen sind jene Zitate, die zu Beginn einiger Kapitel in diese einstimmen. Diese sind dem Layout des Verlages angepasst und entsprechend vereinheitlicht.

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2. Theoretische Rahmung: Begriffskonzepte der Systemtheorie

»Die Kritikfähigkeit ist und bleibt ein wesentliches Moment wissenschaftlicher Theorie.« L uhmann 2009, 143

Um sich den anderen Zugang der Systemtheorie auf Beobachtbares, im Unterschied zum herkömmlichen abendländischen Blick, zu erschließen und ihre Per­ spektive für die Fragestellung der Arbeit nutzen zu können, wird in diesem Kapitel in den entsprechenden Zugang und die damit im Zusammenhang stehenden und für die Arbeit zentralen systemtheoretischen Begriffe eingeführt. Im Folgenden werden dafür relevante Bestandteile der »Supertheorie«1 (Luhmann 1991, 19 und 33) als Theorie- und Begriffsgerüst vorgestellt.2 Für eine grundlegende Einführung in die Systemtheorie wird u. a. verwiesen auf die Literatur von Gripp-Hagelstange (1995), Becker und Reinhardt-Becker (2001), Berghaus (2003) 1 | »Supertheorien sind Theorien mit universalistischen (und das heißt auch: sich selbst und ihre Gegner einbeziehenden) Ansprüchen« (Luhmann 1991, 19). Eine Supertheorie ist nach Fuchs vergleichbar eine Theorie, die Selbstreferenz in der Theorie berücksichtigt (vgl. Fuchs 2010, o. S.). Körner beschreibt, dass mit Supertheorie in Bezug auf die Systemtheorie gesagt wird, »[…] dass sich mit Hilfe der Systemtheorie alle sozialen, das heißt: kommunikativen Sachverhalte anhand der Unterscheidung von System / U mwelt beschreiben lassen – sich (die Systemtheorie) selbst eingeschlossen« (Körner 2008, 17). Baecker stellt dar, dass eine Supertheorie eine Theorie über Theorien sei (vgl. Baecker 2011, o. S.). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diese Bezeichnung keine Bewertung im Vergleich zu anderen Theorien darstellt, sondern die Systemtheorie als transdisziplinär anwendbar und selbst-reflexiv bezeichnet. 2 | Schneider verweist darauf, dass es kein vorgegebenes Schema gibt, nach dem der theoretische Bezug eingeleitet wird (vgl. Schneider 2010, 133). »Systemtheoretisch angeleitete empirische Forschung impliziert nicht, die Gesamtheit des Luhmann’schen Theorieapparates und etwaiger Weiterentwicklungen zugrunde zu legen« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 324). Die Autor_innen empfehlen hingegen die Auseinandersetzung mit bestimmten Annahmen, die in eine empirische Problemstellung münden (vgl. John, Henkel, Rückert-John 2010, 324). In diesem Sinne werden in dieser Arbeit Aspekte der Systemtheorie genutzt und mit einen empirischen Forschungsvorhaben verbunden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

und Dieckmann (2005). Für die systemtheoretische Vertiefung, die für die Heilpädagogik relevant ist, sind folgende Autoren_innen zu nennen (Auswahl): Ralf Wetzel (2004) für eine systemtheoretische Betrachtung von Behinderung und Organisationen, Martin Hafen (2005 und 2007) für eine systemtheoretische Betrachtungsweise von Prävention; Gudrun Wansing (2005) für eine Auseinandersetzung mit der Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft; Karin Terfloth (2006) für die Auseinandersetzung mit der Konstruktion von sozialen Adressen im Kontext von geistiger Behinderung; Olaf Maaß (2009) mit seinen systemtheoretischen Überlegungen zu der Funktion der sozialen Arbeit, hier ergänzend Martin Hafen (2004); Sabine Yvonne Scheef (2009) mit ihren Überlegungen zur Relevanz der Systemtheorie für die Pädagogik; Kirsten Puhr (2009) mit ihrer Betrachtung von Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit prekären Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen mit und ohne Hauptschulabschluss, sowie Menschen, die ihr Leben ohne Erwerbsarbeit gestalten; Dietrich Schneider (2010) für die Auseinandersetzung mit systemtheoretischen Positionen im Kontext von alt gewordenen Menschen mit geistiger Behinderung und Inklusion in die soziale Arbeit; Peter Fuchs (2011 und 2013) mit Überlegungen zur Arbeit mit Sinnsystemen am Beispiel von Psychotherapie, seine Ausführungen über Soziale und Psychische Systeme (2012a und 2012b) sowie seine Überlegungen zum Erziehungssystem der Gesellschaft (2014); Roland Schleiffer (2012 und 2013) im Kontext einer systemtheoretischen Neubegründung der Psychopathologie und Rolf Balgo für die Bewegung und Wahrnehmung als System sowie die Auseinandersetzung mit den Operationen des psychischen Systems im Rahmen einer allgemeinen Theorie von Sinnsystemen (1998 und 2013a). Luhmann selbst hat für seine theoretischen Überlegungen nicht den Anspruch auf Absolutheit oder Exklusivität formuliert (vgl. Luhmann 2009, 143): »Es kann sich also nur um einen Konstruktionsversuch handeln, der auch darin Erfolg haben kann, daß er konkurrierenden Unternehmen mit vergleichbarem Anspruch zu einer bewußteren Begrifflichkeit verhilft« (Luhmann 2009, 43). Auch hier wird die vorgenommene Auswahl der theoretischen Bezüge als begrenzt verstanden, jedoch als eine Möglichkeit der theoretischen Orientierung in der kritischen Auseinandersetzung mit gewohntem Denken im Bezug auf inklusive und exklusive Prozesse. Das Medium der schriftlichen Arbeit erlaubt nur eine hierarchische Darstellung (vgl. Wansing 2005, 21). Die einzelnen Theorieteile sind jedoch, entsprechend der systemtheoretischen Struktur, zirkulär miteinander verbunden. So werden die Leser_innen gebeten, sie nicht als aufeinander auf bauend zu begreifen, sondern als einander bedingend und dieses entsprechend beim Leseverhalten zu berücksichtigen. Darüber hinaus ergibt sich bei der Beschreibung der Systemtheorie ein Problem: Die Veranschaulichung der systemtheoretischen Überlegungen erfordert einen Bezug auf Begriffe. Durch den Gebrauch von Begriffen besteht jedoch die Gefahr der Verräumlichung von Prozessen, die in der Systemtheorie offener gedacht werden.3 Ohne die Festlegung auf Begrifflichkeiten ist jedoch eine Kommu3 | So problematisiert Luhmann: »Das Dingschema (und entsprechend: die Auffassung der Welt als ›Realität‹) bietet aber nur eine vereinfachte Version der Sachdimension« (Luhmann 1991, 115). Er selbst verweist darauf, dass sich am Ding Erfahrungen sammeln lassen, jedoch der primäre »Gegenstand« in der Systemtheorie nicht der Gegenstand, sondern die Differenz von System und Umwelt ist (vgl. Luhmann 1991, 116).

2.  Theoretische Rahmung

nikation und Forschung in der hier gewählten Form nicht möglich. Fuchs ermutigt, sich von diesem Konflikt nicht abschrecken zu lassen (vgl. Fuchs 2010a, 224): »Selbst Niklas Luhmann sieht sich immer wieder genötigt, Raumbilder einzusetzen […]« (Fuchs 2010a, 226). In diesem Sinne werden Begriffe als Hilfskonstruktionen verstanden, mit dem Hinweis darauf, ihren Gebrauch aus der Beobachterebene zweiter Ordnung immer wieder kritisch zu prüfen und ggf. weiterzuentwickeln (vgl. Kapitel 2.3).4 In der Entwicklung seiner systemtheoretischen Überlegungen schließt Luhmann an die innere Logik der konstruktivistischen Selbstorganisationsmodelle an, wie sie u. a. von Humberto R. Maturana, Francisco J. Varela, Heinz von Foerster oder Ernst von Glasersfeld entwickelt wurden (vgl. Fuchs 2001 o. S.; vgl. Wansing 2005, 22 u. 24; vgl. Simon 2006, 87; vgl. Scheef 2009, 42). Er selbst formuliert, dass die Anstöße für eine systemtheoretische Soziologie aus der Zusammenarbeit im entsprechenden interdisziplinären Kontext stammen (vgl. Luhmann 1991, 27).5 Ihre Ideen stellen eine wesentliche Grundlage der Systemtheorie dar (vgl. Simon 2006, 87).6 Zur Veranschaulichung wird daher auch hier, in der Darbietung der systemtheoretischen Überlegungen für diese Arbeit, an einigen Stellen eine Verbindung zu den konstruktivistischen Gedanken hergestellt. Sie sollen es den Leser_innen erleichtern, in die abstrakten Bezüge der Systemtheorie über bekannte Bezüge zur Literatur aus dem Bereich frühkindliche Bildung und Entwicklung einzusteigen.7 Begonnen wird dieses Kapitel mit der Definition des systemtheoretischen System- und Sinnbegriffs. In Form von Unterkapiteln differenzieren sich die Ausführungen im weiteren Verlauf über die Sinndimensionen, die Sinnsysteme als die hier relevanten autopoietischen Systeme (s. u.) und den systemtheoretischen Beobachtungsbegriff. Davon ausgehend wird dann immer konkreter über die Darstellung der Konstruktion sozialer Adressen, Relevanzen im Kontext von Anschlussprozessen und die Vorstellung des systemtheoretischen Inklusions- und Exklusionsbegriffs Bezug genommen, also auf die inhaltliche Ausrichtung der Arbeit. Das Kapitel 2 endet mit einer Konkretisierung der Fragestellung. Diese Struktur mutet 4 | Fuchs führt beispielsweise das Wort »Unjekt« (Fuchs 2010a, 137) für Sinnsysteme ein, um zu verdeutlichen, dass diese sich nicht räumlich oder körperlich darstellen lassen und weder als Subjekt noch als Objekt zu fassen sind. Unjekte sind »[…] Unheiten, Undinge, die nicht mehr im Rahmen einer Ontologie analysiert werden können« (Fuchs 2011, 17). 5 | Luhmann führt an dieser Stelle die Thermodynamik, Biologie als Theorie des Organismus, die Neurophysiologie, Zellentheorie, Computertheorie, die Informationstheorie und die Kybernetik an (vgl. Luhmann 1991, 27). 6 | Nicht unerwähnt bleiben soll in diesem Zusammenhang, dass es elementare Widersprüche zwischen den Überlegungen von Maturana und Luhmann gibt (vgl. u. a. Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 4-25 und Anken 2010, 93). Diese können jedoch nicht Thema dieser Darstellungen sein. 7 | Beispielhaft können hier Laewen und Schäfer genannt werden, die den theoretischen Ansatz des Konstruktivismus als die theoretische Weiterentwicklung und Grundlage der aktuellen Bildungsdiskussion beschreiben (vgl. Laewen 2002, 211-212; Schäfer 2005, 30 und 2008, 138), und Osbahr, der sich über die Verbindung zwischen systemtheoretischen und konstruktivistischen Positionen mit selbstbestimmtem Leben von Menschen mit einer geistigen Behinderung auseinandersetzt (vgl. Osbahr 2000).

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den Leser_innen zu, über sehr abstrakte Begriffe in den theoretischen Bezug der Arbeit einzusteigen. Die damit verbundene Chance wird darin gesehen, ausgehend von theoretischen Säulen der Systemtheorie die konkreteren Ausführungen besser mit den grundlegenden Differenzvorschlägen verbinden zu können und dadurch den Leser_innen mehr Strukturreichtum anzubieten, damit sie sich eigenständig innerhalb der Arbeit orientieren können.

2.1 D er S ystembegriff »Das System ist die Einheit einer Differenz (System / U mwelt), nicht die eines Gegenstandes.« F uchs 2011, 104

Von dem zunächst konstruktivistisch geprägten Begriff der Autopoiesis ausgehend wird der systemtheoretische Systembegriff an dieser Stelle mit seinen zentralen, ihn konzipierenden Differenzen dargestellt. Hier wird der elementare Unterschied zwischen der systemtheoretischen Sichtweise und dem herkömmlichen abendländischen Blick auf Beobachtbares deutlich. Systembildung Maturana bezeichnet ein System als zusammengesetzte Einheit, die sich über die Eigenschaften ihrer Komponenten und ihre Organisation definiert. Die Art ihrer Organisation wird von Maturana und Varela als autopoietisch beschrieben. Mit Autopoiesis8 wird dabei ein Vorgang bezeichnet, »[…] in dem die Interaktionen der Elemente, die ihn konstruieren, Elemente derselben Art hervorbringen, das ist entscheidend« (Maturana in Maturana, Pörksen 2002, 112). Maturana und Varela veranschaulichen den Prozess der Autopoiesis an der Einheit einer Zelle. Diese hebt sich durch ihre Membran aus ihrer Umgebung hervor, wobei die Membran sich erst aus der Dynamik ihrer molekularen Prozesse bilden kann (vgl. Maturana, Varela 1987, 51-54). »Autopoiesis – verstanden als ein biologisches Phänomen – handelt von einem Netzwerk von Molekülen, die Moleküle hervorbringen« (Maturana in Maturana, Pörksen 2002, 112). Verschiedene Lebewesen unterscheiden sich dabei durch verschiedene Strukturen (vgl. Eigenschaften ihrer Komponenten), nach denen sie sich autopoietisch organisieren. Dieses lässt sie zu autonomen Systemen werden. So kann zusammenfassend gesagt werden: Das Bezeichnende ihrer Autonomie, ihrer autopoietischen Struktur, ist ihre eigene Gesetzlichkeit, nach der sie sich nach innen strukturieren und ihre Entwicklungsprozesse ausrichten, sowie ihre spezifische Operationsform, durch die sie in einen Anschlussprozess mit ihrer Umwelt treten. Diese Operationsform bringt das System wiederum selbst hervor. Ein autopoietisches System kann aus konstruktivistischer Perspektive als eine dynamische Einheit beschrieben werden, von der ausgehend in internen und externen Anschlussprozessen über die gleichen Strukturen Entwicklung erfolgt.9 So 8 | Maturana und Varela übersetzen aus dem Griechischen auto »selbst« und poiein »machen« (vgl. Maturana, Varela 1987, 50-51). 9 | Im Verlauf der Entwicklungsgeschichte des Systembegriffes wird er im fachlichen Diskurs sehr unterschiedlich gedeutet und gebraucht (vgl. Balgo 1998, 87).

2.  Theoretische Rahmung

geht Maturana davon aus, dass »[…] sich die Eigenschaften der Einheit aus der Art und Weise ihrer Organisation, welche die Relationen zwischen ihren Bestandteilen bestimmt, ergeben« (Balgo 1998, 97 in Bezug auf Maturana). Über den konstruktivistischen Begriff der Autopoiesis hat Luhmann sich dem systemtheoretischen Systembegriff angenähert. Auch er definiert ein System über seine Struktur, deren Organisation und die Dynamik dessen, was sich im Dazwischen, zwischen System und Umwelt ergibt. »Als autopoietisch wollen wir Systeme bezeichnen, die die Elemente, aus denen sie bestehen, durch die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst produzieren und reproduzieren. Alles, was solche Systeme als Einheit verwenden: ihre Elemente, ihre Prozesse, ihre Strukturen und sich selbst, wird durch eben solche Einheiten im System erst bestimmt« (Luhmann 2008, 56). Die Abstrahierung des Autopoiesisbegriffs hat es Luhmann ermöglicht, diesen weiterzuentwickeln und neue autopoietische Systeme10 zu beschreiben. Sein Ziel war es, eine allgemeinere Theorie der Autopoiesis zu entwerfen und sich damit von klassischen, logischen, ontologischen und erkenntnistheoretischen Prämissen zu lösen (vgl. Luhmann in Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 10). Luhmann hat dafür die autopoietischen Ideen von Produktion und Reproduktion auf nicht biologische Systeme übertragen. Die entscheidende Weiterentwicklung der Idee der Autopoiesis ist dabei ihre Anwendung auf Sinnsysteme.11 So beschreibt Luhmann, dass der Begriff der Autopoiesis zwar in der Naturwissenschaft erfunden wurde, aber auch auf andere Systeme übertragbar ist, soweit sich zeigen lässt, dass diese auch autopoietisch funktionieren (vgl. Luhmann 2008, 13). Auf diesem Wege gelangt er zu den basalen Operationen des sozialen Systems, der Kommunikation und des psychischen Systems, des Denkens,12 die er als Sinnsysteme zusammenfasst.13 Sinnsysteme sind nicht sichtbar. Sie sind nicht als etwas Dingliches zu verstehen, nicht als ein Objekt oder Subjekt. Sinnsysteme sind damit nicht unmittelbar mit lebenden Systemen zu vergleichen (vgl. Luhmann 2008, 55-56). »Sie sind nicht identitär, sie haben keine Identität« (Fuchs 2010a, 137). Dennoch setzt Luhmann sie als Ausgangspunkt seiner Überlegungen innerhalb seiner Theorieentwicklung als gegeben voraus. So leitet er die Darlegung seiner Theorie der sozialen Systeme über den bekannten Satz ein: »Die folgenden Überlegungen gehen davon aus, daß es Systeme gibt. Sie beginnen also nicht mit einem erkenntnistheoretischen Zweifel« (Luhmann 1991, 30).

10 | Für eine grundsätzliche Einführung in die verschiedenen Systemtypen von Luhmann kann auf die in Kapitel 2 vorgestellte Einführungsliteratur verwiesen werden. Für die Darstellung des Drei-Ebenen-Schemas der Systembildung von Luhmann wird auf die Abbildung in Speck 2008, 92 verwiesen. Für eine Übersicht der von Luhmann vorgenommenen Einteilung der Funktionssysteme der Gesellschaft ist die Abbildung von Scheef 2009, 41 hilfreich. 11 | Als Sinnsysteme bezeichnet Luhmann das soziale und das psychische System. Sie werden weiter unten vorgestellt. 12 | In die Operationsformen des sozialen und psychischen Systems wird in den Kapiteln 2.2.3 und 2.2.4 eingeführt. 13 | Innerhalb dieser Ausführungen wird sich auf die Überlegungen zu Sinnsystemen bezogen, da diese für die Heilpädagogik besonders bedeutsam sind und sich in der Theorienentwicklung von Luhmann als zentral darstellen.

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Diese durch Luhmann eingeführte Erweiterung des Systembegriffs stellte einen Paradigmenwechsel in der Soziologie der 1980er Jahre dar (vgl. Luhmann 1991, 23). Für die Heilpädagogik ist diese Weiterentwicklung besonders interessant, da sie primär im Bereich des Nichtstofflichen14 wie der Kommunikation verortet ist. Die Operation In der Systemtheorie werden verschiedene Operationsweisen autopoietischer Systeme unterschieden: Soziale Systeme operieren in Form von Kommunikation, psychische Systeme operieren in Form von Wahrnehmen bzw. Denken und biologische Systeme operieren in Form von Leben. Dabei wird das System selbst als eine Art Struktur begriffen, die es selbst, aus autopoietischer Operationsweise, hervorbringt (vgl. Luhmann 2008, 28-29). Jedes System hat demnach eine eigene Operationsweise. Diese Operationsweise strukturiert das System nach innen und in seinem Anschluss15 an die Umwelt nach außen (s. u.). Somit kann der Operationsbegriff als zentral für die Bildung von Systemen und deren Unterscheidung von der Umwelt angesehen werden (vgl. Terfloth 2006, 39). »Durch sein eigenes Operieren versetzt das System sich in einen bestimmten (jeweils einmaligen) historischen Zustand, der notwendiger Ausgangspunkt für alles Kontinuieren, für jede anschließende Operation ist. Mit derselben Operation erzeugt das System zugleich die Strukturen, die die Bedingungen für die Anschlussfähigkeit fixieren« (Luhmann 2008, 28). Dabei operiert es systemtheoretisch gesehen immer nur über diese ihm eigene Weise, nicht über eine Summe von Operationsweisen. Die verschiedenen Systeme werden dabei als operational geschlossen verstanden. Damit wird beschrieben, dass ein System mit seiner Art des Operierens nicht aus sich heraus kann. Das heißt, es kann nicht über seine Operationen direktiv auf seine Umwelt Einfluss nehmen (vgl. Luhmann in Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 10). Ein Beispiel aus der Biologie macht deutlich: Kein Gehirn kann Nervenimpulse verwenden, um außerhalb des Gehirns nach anschlussfähigen Nervenimpulsen zu suchen. Somit ist ein Nervensystem ein in sich geschlossenes Netzwerk aktiver Komponenten, das nur über den Wandel der Aktivitätsrelationen zwischen den Komponenten zu weiterem Wandel zwischen ihnen führt (vgl. Maturana, Varela 1987, 180). Das heißt, das Gehirn hat keinen direkten Zugang zu seiner Umwelt. Vergleichbar verhalten sich psychische und soziale Systeme. Gedanken können nur an Gedanken und Kommunikation kann nur an Kommunikation anschließen. »Das Erkennen kann nur sich selber erkennen […]« (Luhmann 2009a, 32). Ebenso ist auch für das soziale System Bewusstsein nur Rauschen, da es nicht über Denken operiert. Gut verstehbar wird an dieser Stelle die Schlussfolgerung: »Systemdifferenzierung ist nichts weiter als Wiederholung der Systembildung in Systemen« (Luhmann 1991, 37). Die Realitätskontrolle kann jeweils nur als rekursives Berechnen eigener Berechnungen vorgenommen werden (vgl. Luhmann 2008, 181). Das System kann aus sich selbst nicht heraus.

14 | Im folgenden Kapitel wird dieser Zusammenhang ausgebaut. 15 | Anschlussprozesse werden im Rahmen dieser Arbeit zunehmend differenzierter betrachtet. Sie sind für die Analyse inklusiver und exklusiver Prozesse grundlegend. An dieser Stelle geht es zunächst um die Skizzierung der Operation im Rahmen des Anschlusses autopoietscher Systeme an die Umwelt.

2.  Theoretische Rahmung

Die operationale Geschlossenheit bezieht sich dabei nicht nur auf andersartige Systeme, sondern auch auf Systeme, die mittels der gleichen Art der Strukturierung funktionieren. So hat beispielsweise kein Bewusstsein einen unmittelbaren Zugang zu einem anderen Bewusstsein. »Kein Bewußtsein kann operativ aus sich herausdenken, obwohl es natürlich in sich an etwas anderes denken kann« (Luhmann 2008, 51). Gedanken können nicht als Gedanken von einem psychischen System in ein anderes gelangen. Sie beziehen sich immer nur auf sich selbst. Gedanken bedürfen eines Wandlungsprozesses über die Operationsform eines anderen Systems (des sozialen Systems), um Anschlüsse an andere psychische Systeme zu prozessieren. Dabei können sie in dieses jedoch wieder nur als Gedanken gelangen.16 Das heißt, ein autopoietisches System kann nur im Rahmen seiner eigenen Operationsweise, nur über Bezüge auf sich selbst Veränderungen zulassen. Dieses Prinzip ermöglicht, dass es in seiner Grundstruktur erhalten bleibt. Auch dies kann anhand des Nervensystems verdeutlicht werden: Es zeigt, »[…], daß die Arbeitsweise des Nervensystems gänzlich im Einklang damit steht, daß es integraler Bestandteil einer autonomen Einheit ist, in der jeder Aktivitätszustand zu einem anderen Aktivitätszustand in derselben Einheit führt, weil deren Arbeitsweise eben zirkulär, das heißt operational geschlossen ist« (Maturana, Varela 1987, 182). Dennoch: Es bestehen wechselseitige Bezüge zueinander, die für die Operationsweise des jeweils anderen Systems elementar sind. Fuchs konkretisiert am Beispiel von Sinnsystemen: »Das heißt keineswegs, daß Sozialsysteme ohne Bewußtsein in ihrer Umwelt gedacht werden könnten oder daß Bewußtsein ohne Kontakt mit Sozialsystemen überhaupt zustandekäme; aber das heißt, daß das Sozialsystem nicht bewußtseinshaltig ist und daß im Bewußtsein keine Elemente von Sozialsystemen vorgefunden werden können« (Fuchs 2005, 38-39).17 In den Kapiteln 2.2.3 und 2.2.4 wird im Speziellen auf diese Systeme weiter eingegangen. In Kapitel 2.5 werden Formen von Anschlussprozessen erläutert. An dieser Stelle sollte zunächst in die strukturellen Bedingungen autopoietischer Systeme eingeführt werden. Inwiefern für diese dennoch die Umwelt relevant, ja systembildend ist, darum geht es im folgenden Abschnitt. Die System / Umwelt-Differenz Auch wenn das System sich in seiner Strukturbildung nur auf sich selbst bezieht, ist die Umwelt in ihrer Differenz zum System für die Systembildung wesentlich. An dieser Differenz zur Umwelt bildet das System seine Strukturen heraus, über die ihm eigene Operationsweise (vgl. Luhmann 1991, 116). So kann auch gesagt werden, dass die Differenz zwischen System und Umwelt systemtheoretisch beobachtet das System ist. »[System = System / Umwelt]« (Fuchs 2011, 16). »Es ist be16 | In der Darstellung des systemtheoretischen Kommunikationsprozesses und der Auseinandersetzung mit Anschlussprozessen autopoietischer Systeme werden diese Überlegungen wieder aufgegriffen und vertieft (vgl. Kapitel 2.2.4 und 2.5). 17 | So stehen das soziale System und das psychische System in einem Verhältnis struktureller Komplementarität zueinander, ohne sich jedoch zu determinieren. An dieser Stelle führt Luhmann den Begriff der Interpenetration ein. Er bezeichnet das Operieren des sozialen Systems auch als »soziale Interpretation von Hirnereignissen« (Fuchs 2010a, 139). Der Begriff Interpenetration wird in Kapitel 2.5.1 erläutert.

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zeichnet als Differenz im Zeichen der Barre: › / ‹. Es ist Differenz und nicht Einheit« (Fuchs 2011, 17). In der Systemtheorie wird diese Grenze zwischen System und Umwelt bezogen auf Sinnsysteme nicht räumlich gedacht (s. o.). Sie ergibt sich aus der Abgrenzung des Systems durch seine Operationsform zu etwas anderem, das dadurch zur Umwelt wird, also über seine operative Abgrenzung zur Umwelt (vgl. Terfloth 2010, 50-51). Über seine Operationsweise richtet es sich zur inneren Seite der Grenze aus und grenzt sich nach außen von dieser ab. Das System wird dabei zu der einen Seite der Zwei-Seiten-Unterscheidung (System / Umwelt), die an der Differenz zur anderen Seite (Umwelt) entsteht.18 Indem sich Systeme in der System / Umwelt-Differenz bilden, sind sie über ihre Grenzziehung an die Umwelt strukturell gebunden. Dabei ist auch diese Grenze nicht als etwas Absolutes oder Statisches gegeben. Über laufende Produktion und Reproduktion bilden sich die System / Umwelt-Differenzen immer wieder neu heraus. Entsprechend in Abhängigkeit zu dieser Differenz konstruieren sich auch Systeme immer wieder neu. »Sie konstituieren und sie erhalten sich durch Erzeugung und Erhaltung einer Differenz zur Umwelt, und sie benutzen ihre Grenzen zur Regulierung dieser Differenz« (Luhmann 1991, 35). So schreibt Luhmann: »Einerseits kann ein System sich nur reproduzieren, wenn es dabei eine Differenz zur Umwelt erzeugt, also Grenzen zieht, also ›Umwelt‹ entstehen läßt. Andererseits kann das System diese Differenz beobachten, es kann sich selbst von seiner Umwelt unterscheiden und sich an diesem Unterschied orientieren« (Luhmann 2002, 113). Operationen des Systems erfolgen demnach in Bezug auf sich selbst, in Form von selbstreferenziellen Operationen, und in Bezug auf seine Umwelt, in Form von fremdreferenziellen Operationen.19 Indem das System sich in der Konstitution seiner Elemente und ihrer elementaren Operationen auf sich selbst bezieht, vollzieht sich ein selbstreferenzieller Bezug (vgl. Luhmann 1991, 25). Indem die Operation an einen außerhalb des Systems befindlichen Gegenstand oder Sachverhalt anschließt, bildet sich ein fremdreferenzieller Bezug (vgl. Schleiffer 2012, 53). Das heißt, die nach innen gerichtete Beobachtung wird als selbstreferenzieller, die nach außen gerichtete Beobachtung als fremdreferenzieller Bezug definiert (vgl. Lambers 2012, 367). In der Regulierbarkeit dieser Differenz zeigen sich Anschlussprozesse bzw. Nicht-Anschlussprozesse (vgl. Kapitel 2.5 und 2.6) und die Möglichkeit der Veränderbarkeit von Systemen. Da sich die Umwelt jedoch erst über diesen

18 | Der differenztheoretische Zugang wird von Luhmann historisch hergeleitet: Er beschreibt die Tradition des Terminus »System«, als aus der Antike überliefert, in seiner ursprünglichen Definition als Ganzheit, die aus Teilen bestehe (vgl. Luhmann 1991, 20). Dieses traditionelle Verständnis orientiert sich nach Luhmann an der Struktur einer geschichteten Gesellschaft. In der Systemtheorie wird dieses Verständnis durch die Differenz von System und Umwelt und offenen Strukturen der Systeme ersetzt (vgl. Luhmann 1991, 22-37). Hierin kristallisiert sich ein weiterer elementarer Unterschied, neben der dinglichen Vorstellung eines Systems, zum traditionellen Denken heraus. 19 | Innerhalb der Kapitel 2.2.1, 2.2.3 und 2.2.4 wird die Unterscheidung Selbst- und Fremdreferenz wieder aufgegriffen und weiter differenziert. Hinsichtlich der Schreibweise von »selbst- und fremdreferenziell« wird sich hier an Lambers (vgl. Lambers 2012, 367) und Schleiffer (vgl. Schleiffer 2008, 51) orientiert.

2.  Theoretische Rahmung

Koppelungsprozess20 mit dem System in der dem System erscheinenden Form bildet, ist sie systemtheoretisch gesehen für jedes System eine andere. Diesem Gedanken folgend, gehen aus den Differenzierungsprozessen nicht nur Veränderungen im System hervor, sondern es bilden sich auch viele verschiedene Umwelten.21 System / Umweltbezüge organisieren sich nach den Prinzipien sogenannter nichttrivialer Maschinen.22 Zunächst: »Trivialmaschinen sind Systeme, die auf einen bestimmten Input nach Maßgabe einer internen Transformationsfunktion einen bestimmten Output erzeugen und dies jedesmal wiederholen, wenn derselbe Input eingegeben wird« (Luhmann 2008, 65). von Foerster hat diesen Begriff geprägt und als Funktionsprinzip autopoietischer Systeme »nichttrivial« eingeführt (vgl. von Foerster 1992, 60-67). Autopoietische Systeme organisieren sich demnach gegensätzlich zu Trivialmaschinen. Auch Luhmann stellt autopoietische Strukturen als unberechenbar, als nichttrivial funktionierend dar. Sie stehen in Abhängigkeit zu ihrem aktuellen Zustand, ihrer Verbindung zur Umwelt und zu ihrer Vergangenheit. Diese Komponenten ergeben eine Komplexität, die sie unberechenbar machen (vgl. Luhmann 2008, 66). »Systeme müssen mit der Differenz von Identität und Differenz zurechtkommen, wenn sie sich als selbstreferentielle Systeme reproduzieren; oder anders gesagt: Reproduktion ist das Handhaben dieser Differenz« (Luhmann 1991, 26-27). So wird deutlich: Weder Umwelt noch System sind in der Lage, den Anschlussprozess zwischen System und Umwelt zu bestimmen. Das heißt, es bestehen Wirkungszusammenhänge, aber es besteht nicht die Möglichkeit, sich wechselseitig zu steuern bzw. zu determinieren (vgl. Luhmann 2008, 118). So schreibt Luhmann: »Wenn es schon keinen Import von Elementen gibt, gibt es erst recht keinen Import von Strukturen« (Luhmann 2002, 23). Ein direkter Einfluss aus der Umwelt auf ein System ist nur in Form von Gewalt, also durch Grenzüberschreitung möglich. Dabei würde das System jedoch in seiner bestehenden genuinen Form verletzt. Die Umwelt wirkt aber, bei systemtheoretischen wie bei konstruktivistischen Überlegungen auch, irritierend bzw. anregend auf das System. Darauf wird an verschiedenen Stellen der Arbeit näher eingegangen. Eine weitere Notwendigkeit für Anschlussprozesse des Systems an die Umwelt ergibt sich daraus, dass autopoietische Systeme einem Dauerzerfall ausgesetzt sind. Dieser wirkt, auch wenn es widersprüchlich klingt, systemerhaltend. »Da die Ereignisse laufend abhanden kommen, müssen immer neue Ereignisse aufgeboten werden, die die abhandenen Ereignisse sinnförmig registrieren, um selbst im nächsten Moment abhanden zu kommen, angewiesen darauf, selbst sinnförmig (im genauen Sinne) reflektiert (projiziert) zu werden« (Fuchs 2003, 7). Luhmann bezeichnet diese Bedingungen als dynamische Stabilität. Am Beispiel des Bewusstseins wird deutlich: »Würde jeder Gedanke im Bewußtsein stehen bleiben, wäre 20 | In Kapitel 2.5 wird auf die verschiedenen Formen von Koppelungs- bzw. Anschlussprozessen näher eingegangen. Hinsichtlich des Wortes strukturelle »Koppelung« wird sich an der Schreibweise von Maturana, Varela (vgl. Maturana, Varela 1987) und Balgo (vgl. Balgo 2013, 14) orientiert. 21 | Im Kapitel 2.3 wird in der Darlegung des Beobachtungsbegriffs auf diesen Aspekt weiter eingegangen. 22 | Luhmann legt dar, dass »[…] Maschinen hier im Sinne der Kybernetik verstanden werden, also mathematische Formeln, Kalküle, Transformationsregeln und so weiter einschließen« (Luhmann 2011, 94).

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die Ordnungskapazität des Systems in Minutenschnelle überfordert« (Luhmann 2008, 57). Das heißt: Damit ein System an seine Umwelt anschließen kann, müssen Strukturen zerfallen. Der Zerfall bringt jedoch die Notwendigkeit mit sich, dass das System angeregt, irritiert werden muss, um sich zu reproduzieren (vgl. Luhmann 2008, 17 u. 23). So kann auch gesagt werden, es ergibt sich die Notwendigkeit der Organisation von Anschlussprozessen bzw. indem der Erhalt des Systems den Anschluss erfordert, ruft es gleichzeitig seinen Zerfall hervor. »Das System ist dadurch gehalten, sich selbst durch laufende Neubildung von Elementen irreversibel zu machen, also eine Geschichte zu akkumulieren und sich auf diese Weise, gleichsam aus innerer Notwendigkeit, der Irreversibilität der Weltzeit zu fügen« (Luhmann 2008, 57). Diese Irritation kann nur aus der Umwelt erfolgen. Luhmann spricht an dieser Stelle, am Beispiel des psychischen Systems, von Unterhaltung. »Das Bewußtsein entdeckt sich selbst als Subjekt und als Langeweile und fordert, da es sich selbst nicht entlangweilen kann, von der Gesellschaft Unterhaltung« (ebd.). Nach dieser grundsätzlichen Auseinandersetzung mit autopoietischen Systemen soll es im Folgenden darum gehen, wie sich diese Beschreibungen für Sinnsysteme konkretisieren und welche Bedeutung das Medium Sinn einnimmt.23

23 | Da in dieser Arbeit Sinnsysteme bedeutsam werden, wird darauf verzichtet, das biologische System differenzierter darzustellen. Es fungiert aus systemtheoretischer Perspektive als Umwelt sozialer und psychischer Systeme. Da Systeme sich erst über ihre Differenz zur Umwelt hervorbringen, ermöglicht die Umwelt des biologischen Systems, als notwendige ökologische Voraussetzung, die Existenz der Sinnsysteme. So verdeutlicht Luhmann: »Selbstreferentielle Geschlossenheit ist daher nur in einer Umwelt, ist nur unter ökologischen Bedingungen möglich« (Luhmann 1991, 25). Das biologische System operiert über das Prozessieren von Leben. Entsprechend ist z. B. die Voraussetzung für die Genese komplexer Bewusstseinssysteme u. a. die Koppelung auf der neurophysiologischen Ebene mit dem System Körper (vgl. Luhmann 2008, 75). »Kein Bewußtsein kann, auch wenn es bei der Außenwelt weilt, sich von der strukturellen Kopplung an den eigenen Körper lösen: wenn der Körper sich bewegt, muß es mit. Deshalb entwickelt sich Bewußtsein von Anfang an in Identifikation mit dem eigenen Körper, und auch deshalb lernt man rasch und unausweichlich, daß man nicht jemand anderes ist« (Luhmann 2008, 144-145). Der Körper wird dem psychischen System offenbar durch seine Möglichkeit, ihn zu beobachten. Dabei beschreibt Luhmann auch den Körper als Form, als Differenz. Die Verbindung mit dem psychischen System wird dadurch deutlich, dass der beobachtete Körper zum Leib wird bzw. Teile des Körpers als Leib beobachtbar sind, andere nicht. D. h., nicht alles, was der Körper ist, ist psychisch zugänglich. Es gibt z. B. keinen Kontakt zu Hormonen im Körper. An dieser Stelle soll nicht näher auf den Körper eingegangen werden. Er wird jedoch u. a. insofern im Rahmen dieser Arbeit relevant, als dass über ihn, als beobachtbaren Leib, Betreffbarkeit und Individualität zuzuordnen ist. Diese Aspekte werden in der Auseinandersetzung mit sozialen Adressenkonstruktionen in Kapitel 2.4 und im Kontext von Inklusion und Exklusion in Kapitel 2.6 wieder aufgegriffen.

2.  Theoretische Rahmung

2.2 D ie S innsysteme »Es geht nicht um Anpassung, es geht nicht um Stoffwechsel, es geht um einen eigenartigen Zwang zur Autonomie, der sich daraus ergibt, daß das System in jeder, also in noch so günstiger Umwelt schlicht aufhören würde zu existieren, wenn es die momenthaften Elemente, aus denen es besteht, nicht mit Anschlußfähigkeit, also mit Sinn, ausstatten und so reproduzieren würde.« L uhmann 1991, 28 »Sinn ist konstitutiv nicht an ein System delegierbar. Selbstreferentielle (autopoietische) Systeme bleiben zwar geschlossen auf der Ebene der Reproduktion ihrer Differenz. Sie sind aber über das Medium Sinn (dessen Form die verweisende Selektion ist) ›weltoffen‹.« F uchs 2004 a , 65

Wie dargestellt, unterscheidet Luhmann zwischen drei Typen von Systemen: dem biologischen System, dem psychischen System und dem sozialen System (vgl. Balgo 2010, 116). Im Rahmen dieser Arbeit geht es primär um die Auseinandersetzung mit Interaktionen. Hierfür erlangen das soziale und das psychische System besondere Bedeutung. Sie wurden bereits im vorherigen Kapitel als Sinnsysteme bezeichnet. Diese Zusammenfassung markiert ihre enge Abhängigkeit zu den Operationen des jeweils anderen Systems (vgl. Fuchs 2011, 13). Fuchs spricht an dieser Stelle von einer Isomorphie von Bewusstseinssystem und sozialem System (vgl. Fuchs 2010, o. S.). Diese Isomorphie macht die Abgrenzung der Systeme voneinander und das Erfassen ihres eigenständigen Operierens schwierig.24 Für die Auseinandersetzung mit der Fragestellung wird ihre Differenzierung jedoch als gewinnbringend eingeschätzt und soll in diesem Kapitel vorgestellt werden. Bevor dieses erfolgt, wird der systemtheoretische Sinnbegriff dargelegt. Sinn verbindet beide Systeme miteinander und strukturiert sie: »Sinn ist das Medium, in dem sich soziale und psychische Systeme formen« (Simon 2006, 97). Sinnbildungsprozesse erlangen deshalb im empirischen Teil dieser Arbeit eine besondere Bedeutung.

24 | An dieser Stelle sei mitgeteilt, dass Fuchs derzeit an einer allgemeinen Theorie der Sinnsysteme arbeitet. Er verbindet dabei das psychische und das soziale System, da sie vergleichbar phänomenologisiert seien. Da die Überlegungen zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Arbeit jedoch noch nicht abgeschlossen sind, kann an dieser Stelle nur auf zukünftig verfügbare Literatur verwiesen werden (vgl. Fuchs 2013). Im Rahmen dieser Arbeit werden die Sinnsysteme als autopoietische Systeme als different zueinander dargestellt, orientiert an den Überlegungen von Luhmann und den bisherigen Veröffentlichungen von Fuchs.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

2.2.1 Der Sinnbegriff »Sinn ist als Medium ›grenzenlos‹, als Form im System die Bedingung der Möglichkeit von Grenzbildung.« F uchs 2004 a , 68

In der Einführung des systemtheoretischen Systembegriffs wurde erläutert, dass sich Systeme aus der System / Umwelt-Differenz bilden. Das Besondere bei Systemen, die im Medium Sinn operieren, ist, dass die System / Umwelt-Differenz als beobachtete Unterscheidung wieder ins System selbst eingeführt wird. Das heißt, Sinnsysteme nehmen die bezeichnete Unterscheidung als Ausgangspunkt für weitere Operationen (vgl. Schleiffer 2012, 62). »Abstrakt gesehen handelt es sich dabei um ein ›re-entry‹ einer Unterscheidung in das durch sie selbst Unterschiedene. Die Differenz System / Umwelt kommt zweimal vor: als durch das System produzierter Unterschied und als im System beobachteter Unterschied« (Luhmann 1997, 45).25 Das für das System sichtbare Resultat dieser Konsequenz des re-entry bezeichnet Luhmann mit dem Begriff »Sinn« (vgl. Luhmann 1997, 46). Die fundamentale Unterscheidung entlang dieser Differenz nennt er Selbst- / Fremdreferenz (vgl. Berghaus 2003, 44). »Systeme, die im Medium Sinn operieren, können, ja müssen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheiden; und dies in einer Weise, bei der mit der Aktualisierung von Selbstreferenz immer auch Fremdreferenz und mit der Aktualisierung von Fremdreferenz immer auch Selbstreferenz als die jeweils andere Seite der Unterscheidung mitgegeben ist. Alle Formbildung im Medium Sinn muß deshalb systemrelativ erfolgen, gleichgültig ob der Akzent im Moment auf der Selbstreferenz oder auf der Fremdreferenz liegt« (Luhmann 1997, 51). Ausgehend von dem hier skizzierten Sinnbegriff ist ein System aus systemtheoretischer Perspektive ein Sinnsystem, wenn es eine Selbstbeschreibung vornehmen und benutzen kann (indem es sich in seinen Operationen auf sich bezieht, in Form von Selbstreferenz), die Differenz von System und Umwelt herstellen kann (indem es sich von etwas abgrenzt, das als etwas von ihm Unterschiedenes differenziert wird, in Form von Fremdreferenz) und beides als in Differenz zueinander stehend als Prinzip der Erzeugung von Informationen systemintern (Prozess der Autopoiesis) verwenden kann (vgl. Luhmann 1991, 25). Entscheidend dafür, ob ein System Sinn in Anspruch nehmen kann oder nicht, ist der Anschluss an die Unterscheidung. Dieser wird in der Systemtheorie als Verstehen definiert. »Verstehen kommt jedoch nur zustande, wenn man eine bestimmte Unterscheidung, nämlich die von System und Umwelt (und nicht nur: Form / Hintergrund, Text / Kontext) verwendet und in diese Unterscheidung geschlossen-selbstreferentiell reproduzierten Sinn hineinprojiziert. Erst Sinnbegriff, System-Umwelt-Konzept und Selbstreferenz zusammengenommen klären den Anwendungsbereich der Sondermethodologie für Verstehen« (Luhmann 1991, 110-111). Die Umwelt kann dabei immer als komplexer als das System verstanden werden. Es existieren viel mehr Sinnverweise in ihr, als ein System in sich auf bauen könnte. Die Komplexität der Umwelt wird durch den Auf bau einer Auswahl möglicher Strukturen im System in Form von Sinnkonstruktionen einzugrenzen versucht, 25 | Luhmann bezieht sich bei dem Begriff re-entry auf George Spencer-Brown (vgl. Luhmann 1997, 45).

2.  Theoretische Rahmung

um die Unfassbarkeit zu kompensieren (vgl. Luhmann 1991, 94). Die Herstellung einer System / Umwelt-Differenz über Sinnbezüge ist hier als Komplexitätsreduktion funktional. So wird verstehbar, dass Sinn auch als universale Ordnungsform von Sinnsystemen verstanden wird (vgl. ebd.). Innerhalb der Ordnungsform sind Sinnsysteme in der Lage, ihr Operieren einzugrenzen und sich operativ nach etwas auszurichten. Da sich aus systemtheoretischer Perspektive Systeme an der System / UmweltDifferenz bilden, erhält die Sinngrenze gleichzeitig eine systemkonstituierende Funktion. Sie legt die Fortsetzbarkeitsbedingungen der Operationen von Sinnsystemen fest und damit das System selbst (vgl. Fuchs 2010b, 13).26 Über Sinn definieren Sinnsysteme demzufolge ihre Umwelt und sich selbst. Damit ist Sinn für Sinnsysteme elementar und existentiell. Man kann auch sagen: Sinnsysteme sind an Sinn gebunden oder: »Sinn ist für diese Systeme unverlaßbar. Sie kommen nicht über den ›Saum von Sinn‹ hinaus« (Fuchs 2010a, 24). Ohne eine Unterscheidung als Abgrenzung zu etwas anderem ist kein Erkennen möglich. Eine Abgrenzung gegenüber der Umwelt ist dabei nur durch den Verweisungsüberschuss gegeben. Damit ist gemeint, dass die als bezeichnete Unterscheidung beobachtete Grenze sich immer noch gegenüber einer »Außengrenze« differenzieren muss, um die innere Grenze bilden zu können. »Die Zukunft ist Zukunft nur als Zukunft einer Gegenwart-mit-Vergangenheit […]« (Luhmann 1991, 113). Nur über den Vergleich zu etwas allgemein Anderem tritt das als spezifisch markierte Andere in Erscheinung. Sinn bildet sich damit an der Grenze zu Nicht-Sinn. Das bedeutet, Sinn ist nur bildbar, wenn diese Innen / Außen-Differenz aufgespannt, unterschieden werden kann.27 Fuchs spricht an dieser Stelle von der einseitig verwendbaren Zwei-SeitenForm (vgl. Fuchs 2013, 36). Jedoch kommt Sinn trotz dieser Unterscheidung aus dem Sinnbezug nicht heraus und gelangt nicht an die Gegenseite der Form (vgl. ebd.). Auch Nicht-Sinn kann dadurch nur sinnförmig beobachtet werden (vgl. Balgo 2013a, 40-41). »Sinn ist, so gesehen, unvergleichlich und unvergleichbar« (Fuchs 2013, 36). Sinn ist damit eine Zweiheit, die als Einheit beobachtet wird. Die für das System relevante Seite, auf die es sich operativ bezieht, wird zum System, die andere Seite zur Umwelt. Ebenso wenig wie sich psychische und soziale Systeme räumlich darstellen, ist dieses bei der systemtheoretischen Vorstellung von Sinn gegeben. Seine Erscheinungsform kann nach Luhmann als Verweisungsüberschuss aufgefasst werden, der sich auf weitere Möglichkeiten bezieht, in Form von Aktualität und Potentialität in Bezug auf die aktuelle Operation des Systems (vgl. Luhmann 1991, 93). So reichern sich psychische und soziale Systeme Sinn als Verweisungsüberschüsse operativ an, stellen in Sinn jedoch keine Strukturen her, sondern erweitern über Sinn die Strukturen in sich selbst. Der Verweisungsüberschuss von Sinn ermöglicht das Treffen einer Auswahl, welche über die verschiedenen Beobachtungsebenen unterschiedlich beobachtet werden kann (vgl. Kapitel 2.3). So führt Sinn als Auswahloption zur Reduktion und zur Erweiterung von Komplexität: Durch das Treffen einer 26 | In den folgenden Kapiteln wird dieser Prozess näher erläutert. 27 | Fuchs unterscheidet zwischen Sinn, der Möglichkeit zur symbolischen bzw. observativen Operativität (Fuchs 2009a, 5) und »Gestimmtheit«, als »leerlaufende Selbstreferenz« (Fuchs 2009a, 10), die nach ihm im Kontext schwerster Behinderung beobachtbar wird. An dieser Stelle muss auf die angezeigte Literatur von Fuchs verwiesen werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Auswahl, durch die Reduktion von Komplexität, stellt Sinn die Fortsetzbarkeitsbedingungen für Operationen, für Autopoiesis bereit. Somit qualifiziert sich Sinn über den Selektionszwang autopoietischer Systeme als relevant für diese. Etwas wird über das Medium Sinn als dasjenige differenziert, wonach sich ein System aktuell ausrichtet, was aus seiner aktuellen Position heraus als wahr oder relevant erscheint. Durch die Grenzsetzung des Sinnbezugs als Orientierungspunkt wird eine Beobachterposition markiert, ein neuer Horizont eröffnet, werden quasi psychische und soziale Systeme über den Bezug auf Sinn in der Bildung ihrer Strukturen angereichert. Hierdurch ist eine Erweiterung von Komplexität möglich. Über Sinnbezüge, über die Reduktion der Welt wird die Fülle von Möglichkeiten erweitert, die sich nur über Sinnbildung ergibt. »Damit vollzieht sich in sinnhaften Operationen zugleich Selektion (des Aktuellen) als auch Auf bau von Komplexität (des Potentiellen)« (Farzin 2006, 16). Das heißt, einerseits reduziert Sinn die Anschlussprozesse zwischen System und Umwelt, andererseits verweist er genau über die durch ihn gegebene Grenzsetzung auf weitere Möglichkeiten, erweitert die System / Umwelt-Grenze. Für den empirischen Teil dieser Arbeit ist die Frage von Bedeutung, welche Selektionen über die Äußerungen der Kinder beobachtbar werden, als notwendige Voraussetzung dafür, an die Umwelt kommunikativ anzuschließen. Psychische und soziale Systeme beziehen sich auf Sinn über ihre systemspezifischen Operationsformen, auf der Basis von Vergleichsmöglichkeiten (hier in der Verzahnung von Aktualität und Potentialität), über unterschiedene Unterscheidungen als Abgrenzung zu etwas Anderem (der Umwelt Zurechenbarem) (vgl. Terfloth 2006, 201).28 Somit reichern sie ihre Strukturen durch Sinn an, stellen jedoch nicht, wie beschrieben, in Sinn Strukturen her.29 Sinn stellt sich damit als Medium dar, aus dem Formen über den Anschluss hervorgehen können, als erzeugte Selektivität (vgl. Fuchs 2011, 20). Ein Medium wird als lose gekoppelte Elemente beschrieben in Ergänzung zur Form, die aus fest gekoppelten Elementen besteht (vgl. Luhmann 1997, 59). Dabei bildet sich die Form an der Differenz, an der Unterscheidung zwischen der »Innenseite« und der »Außenseite« des Systems (vgl. Simon 2011, 54). Sie benötigt also die Umwelt in Ergänzung zum System, um sich bilden zu können. Das Schema Medium / Form ist nach Fuchs als eine Art Koppelungsdifferenz zu bezeichnen. Es bezieht sich auf gleichartige Elemente. Dabei werden Formen beobachtbar, der Auswahlbereich der Formbildung, das Medium jedoch nicht (vgl. Fuchs 2001, o. S.).30 »Der Grundgedanke ist, daß Sinnsysteme immer nur als Formen vorkommen und nur Formen prozessieren können. […] Das Medium ist dagegen in seiner je aktuellen ›Inanspruchnahme‹ nicht wahrnehmbar. Sobald man die Aufmerksamkeit auf das Medium einer Form richtet, verschwindet diese Form zugunsten der Sicht auf die Form des Mediums« (Fuchs 2010a, 159). Grundsätzlich stellt sich der Sinnbildungsprozess kontingent dar. Das besagt, die Auswahl, das, womit sich ein System sinnhaft verbindet, ist nicht festgelegt. »Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist. Der Begriff 28 | In den Kapiteln 2.2.3 und 2.2.4 wird in soziale und psychische Operationen eingeführt. 29 | Die operationale Geschlossenheit von Sinnsystemen wird hier sehr deutlich. 30 | »Das Gesetz von Medium und Form lautet: daß die rigidere Form sich im weicheren Medium durchsetzt« (Luhmann 2001, 120).

2.  Theoretische Rahmung

bezeichnet mithin Gegebenes (Erfahrenes, Erwartetes, Gedachtes, Phantasiertes) im Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände im Horizont möglicher Abwandlungen« (Luhmann 1991, 152). Etwas als kontingent Beschriebenes nimmt demnach eine Form an, die nicht notwendigerweise so ist, sondern auch hätte anders erscheinen können (vgl. Scheef 2009, 64). Somit steht der Begriff der Kontingenz in einem sehr weiten Sinne für Unbestimmbarkeit (vgl. Fuchs 1994, 33). Als Grenze dessen, was erwartbar und was möglich ist, setzt Luhmann die Dimension der »Welt«. Er hebt hervor, dass sich das Mögliche immer zur gegebenen Welt verhält (vgl. Luhmann 1991, 152). »Die Realität dieser Welt ist also im Kontingenzbegriff als erste und unauswechselbare Bedingung des Möglichseins vorausgesetzt« (ebd.). Hier verbindet er die Vorstellungen möglicher Dimensionen von Kontingenz mit den Dimensionen möglicher Sinnhorizonte.31 Gleichwohl bietet die Welt ein unermessliches Potential an Überraschungen, die jedoch erst über sinnhaft beobachtende Systeme die Qualität von Informationen erhalten (vgl. Luhmann 1997, 46). Dabei ermöglicht das redundante Verweisen auf Sinn den Bezug auf weitere Möglichkeiten. »Kein Sinnsystem kann sich in der Umwelt oder in sich selbst endgültig verlieren, da immer Sinnesimplikate mitgegeben sind, die über die Grenze zurückverweisen« (Luhmann 1991, 96).32 Luhmann bezeichnet diese Möglichkeit als Sicherheitsfunktion (vgl. Luhmann 1991, 94). »Man kann zum Ausgangspunkt zurückkehren und einen anderen Weg wählen« (ebd.). Diese Offenheit ermöglicht eine operative Anpassung psychischer und sozialer Systeme an die immer unterschiedlich erscheinende bzw. die sich im System unterschiedlich abbildende Umwelt. Auch hier wird erwartet, dass die Beobachtungen des empirischen Teils zu einem Erkenntnisgewinn beitragen. Zu welchen Sinnesimplikaten wird in als strapaziös bewerteten Situationen »zurückgekehrt«? Und mit welcher Problemkonstruktion lässt sich ein solches Zurückgehen verbinden? Sinn definiert sich in zeitabhängiger Weise (vgl. Emlein 2012, 373-374). Auch dadurch stellt sich Sinn für Systeme als etwas Flüchtiges dar und nicht als etwas sicher Gegebenes oder Ontologisierbares (vgl. Fuchs 2004a, 64). So spricht Fuchs in diesem Zusammenhang auch von Vagheit, bzw. vagen Prozessen (vgl. Fuchs 2011, 35).33 Überdies ist der Sinnbezug eines Systems von außen, aus der Beobachterposition eines anderen Systems oder gar einer »absoluten« Beobachtungsposition, nicht zugänglich oder erfassbar. Sinn hat keine fixierbare Struktur. In Kapitel 3.3 werden jedoch Wege aufgezeigt, Sinnverweise über die operativen Anschlüsse der Sinnsysteme im System / Umwelt-Kontakt wissenschaftlich zu interpretieren. Hierfür sind die Sinndimensionen funktional. Bevor auf das psychische und das soziale System als Sinnsysteme näher eingegangen wird, sollen sie vorgestellt werden.

31 | Einen vergleichbaren Weltbezug hat Luhmann in Bezug zu dem Sinnhorizont aufgebaut. Wie oben dargestellt, stellt er im Sinne der Phänomenologie die größte mögliche Verbindungsebene über die Welt her. 32 | Diese Möglichkeit, immer auf Sinngrenzen zurückgewiesen werden zu können, eröffnet in der heilpädagogischen Arbeit Möglichkeiten, in der Interaktion inklusive Prozesse anzuregen. Um diese Prozesse beobachten zu können, erscheint die Verbindung des empirischen mit dem theoretischen Teil dieser Arbeit gewinnbringend. 33 | Vage Bezüge stellen sich als nicht codierbar dar (vgl. Fuchs 2011, 35).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

2.2.2 Die Sinndimensionen Im vorherigen Kapitel wurde in den Sinnbegriff der Systemtheorie eingeführt. Wesentliche Bezugspunkte, auf die das Prozessieren von Sinn verweist, sind die drei Sinndimensionen: Sach-, Zeit- und Sozialdimension (vgl. Luhmann 1991, 113-114). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Sinndimensionen aus der Beobachtungsebene nicht zu trennen sind. »Sachdimension, Zeitdimensionen und Sozialdimension können nicht isoliert auftreten« (Luhmann 1991, 127). Sie stellen, so Fuchs, eine Melange dar.34 Alle Sinndimensionen sind in jedem psychisch und sozial prozessierten Sinn immer vorhanden und über jede Sinndimension ist ein Verweis auf weiteren Sinn gegeben. »Jede Dimension ist ihrerseits wieder sinnuniversell gegeben, enthält also, formal gesehen, keine Einschränkung dessen, was in der Welt möglich ist. Man kann insofern auch von Weltdimensionen sprechen« (Luhmann 1991, 112). Im empirischen Teil wird es u. a. darum gehen, mit Hilfe der Sinndimensionen Äußerungen von Kindern35 zu beobachten und darüber eine erweiterte Beobachtungsperspektive im Kontext von inklusiven und exklusiven Prozessen zu erhalten. Dafür scheint es gewinnbringend, die Sinndimensionen getrennt voneinander zu betrachten. Nach Luhmann ist das trotz ihres »Kombinationszwangs« (Luhmann 1991, 127) möglich. So schreibt er: »Sie können getrennt analysiert werden, aber sie erscheinen in jedem real gemeinten Sinn selbdritt« (ebd.). Wichtig ist hierbei: »Jede dieser Dimensionen gewinnt ihre Aktualität aus der Differenz zweier Horizonte, ist also ihrerseits eine Differenz, die gegen andere Differenzen differenziert wird« (Luhmann 1991, 112). So kann beispielsweise über den Bezug auf ein relevant erscheinendes Thema ein Sinnverweis auf die Sachdimension analysiert werden, der nur als ein solcher beobachtbar wird, indem er sich an einem Mitteilungshandelnden36 ausflaggt 37, der über einen Sinnverweis auf der Ebene der Sozialdimension erkennbar wird. In Kapitel 4.2.2.2 wird dieser Aspekt wieder aufgegriffen. Hier geht es zunächst um die Skizzierung der verschiedenen Sinndimensionen. Da in dieser Arbeit die Interaktionen von Kindern thematisiert werden, ist diese Einführung entsprechend auf die Ebene des sozialen Systems »Interaktion« ausgerichtet (vgl. Kapitel 2.2.4). Sachdimension Die Sachdimension beschreibt das »Was« des sinninformierten Bezuges. Über die Sachdimension kann beobachtet werden: Worum geht es in der Interaktion? Wovon handelt die Kommunikation? »Die Sachdimension wird dadurch konstituiert, 34 | Fuchs greift dieses Bild innerhalb verschiedener Vorträge im Rahmen systemtheoretischer Intensivkurse in Vorderbüchelberg oder im Rahmen von Gastvorträgen an der Hochschule in Hannover auf. Es veranschaulicht darin, dass Sinn als zunächst »nicht entmischbare Mischung« vorliegt. 35 | Im Kapitel 4 wird das forschungsmethodische Vorgehen vorgestellt. Es soll an dieser Stelle nur angedeutet werden, inwiefern sich die Berücksichtigung der Sinndimensionen bei der Analyse von Äußerungen als funktional erweisen kann. 36 | In den Kapiteln 2.3 und 2.4 wird näher erläutert, was mit Mitteilungshandlungen und Mitteilungshandelnden gemeint ist. 37 | Die von Luhmann eingeführte Metapher »Ausflaggen« wird in Kapitel 2.3 vorgestellt.

2.  Theoretische Rahmung

daß der Sinn die Verweisungsstruktur des Gemeinten zerlegt in ›dies‹ und ›anderes‹« (Luhmann 1991, 114). (Unterscheidungshorizont: dies / anderes.) Über die Sachebene wird es dadurch möglich, eine Entscheidung für oder gegen etwas zu differenzieren. Was ist das Thema? Was ist bedeutsam? Welcher kommunikative Beitrag wird als ein zugehöriger eines relevanten Themas erkannt?38 Wonach richtet sich das System aus?39 Hier deutet sich die fremdreferenzielle Akzentuierung an. Dabei ist es möglich, diesen Unterscheidungshorizont sowohl über psychische als auch über soziale Operationen zu prozessieren. »Von Sachdimension soll die Rede sein im Hinblick auf alle Gegenstände sinnhafter Intention (in psychischen Systemen) oder Themen sinnhafter Kommunikation (in sozialen Systemen)« (ebd.). In der Deutung der empirischen Daten wird diese Differenzierungsmöglichkeit entsprechend genutzt (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Sozialdimension Bei der Sozialdimension von Sinn geht es hingegen darum: Woher kommen die Informationen? Wer sagt etwas, wem wird zugerechnet, dass seine Mitteilung ein »Sagen« ist? Wem wird Bedeutung zugewiesen? Die Sozialdimension teilt das »Was« einer sozialen Adresse zu. »Sozial heißt, den Bezugspunkt der Information festzulegen« (Terfloth 2006, 93). Wer wird als Mitteilender, Kommunizierender erkannt? Nach wem richtet sich die Kommunikation aus? Der Unterscheidungshorizont stellt sich dar als: Ego / A lter Ego.40 »Die Sozialdimension betrifft das, was man jeweils als seinesgleichen, als ›alter Ego‹ annimmt, und artikuliert die Relevanz dieser Annahme für jede Welterfahrung und Sinnfixierung« (Luhmann 1991, 119). Insofern akzentuiert sie einen selbstreferenziellen Bezug. Über diese Dimension werden Adressenkonstruktionen wie Rolle und Person (vgl. Kapitel 2.4) bestimmt und deren Verhältnis zueinander konstruiert. Sie ist zentral für die Fragestellung der Arbeit und wird aufgrund dessen in Kapitel 2.4 vertiefend behandelt. Besonders interessant erscheint für Beobachtungen im Kontext von Behinderung, dass im Bezug auf die Sozialdimension der Gegensatz von Konsens und Dissens eine wesentliche Bedeutung erhält (vgl. Luhmann 1991, 121). »Nur wenn sich Dissens als Realität oder als Möglichkeit abzeichnet, hat man Anlaß, den Doppelhorizont des Sozialen als im Moment besonders wichtige Orientierungsdimension einzuschalten […]« (ebd.). So könnte vermutet werden, dass durch irritable Adressenfragmente,41 wie sie beispielsweise im Kontext von Behinderung beobachtbar werden, eine differenziertere soziale Strukturbildung erfolgt, als wenn weniger Verschiedenes beobachtbar ist. Die empirischen Daten werden darauf hin beobachtet (vgl. Kapitel 4.2.2.3 und 5). Als Kombinationsbeschränkung, die hinsichtlich der Sozialdimension bedeutsam ist, wird Moral angeführt. »Die Moral bezeichnet die Bedingungen, unter denen Personen einander und sich selbst achten bzw. mißachten können« (ebd.). In 38 | Die Differenz von Thema und Beitrag wird in Kapitel 2.2.4 vorgestellt. 39 | Themenfestlegungen sind auch an gesellschaftliche und organisatorische Rahmenbedingungen gebunden (vgl. Terfloth 2006, 96). In der Auswertung werden die für die Kinder relevanten Themen bedeutsam. Davon ausgehend gesellschaftliche und organisationsbedingte Gegebenheiten zu beobachten, könnte eine Ausrichtung möglicher Folgearbeiten sein. 40 | Ego und Alter Ego werden in Kapitel 2.4 definiert. 41 | Der Begriff Adressenfragment wird in Kapitel 2.4 vorgestellt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

der Auswertung der empirischen Daten werden an dieser Stelle Verhaltens- und Eigenschaftsattribute bedeutsam, die Kindern als Mitteilungshandelnden zugeschrieben werden und an die angeschlossen bzw. nicht angeschlossen wird (vgl. Terfloth 2006, 95) (vgl. Kapitel 5.1.1 und 5.2.1).42 So wird deutlich, dass bei diesem Sinnverweis immer auch auf etwas referiert43 wird, das sich jedoch innerhalb des Bezuges auf die Sozialdimension auf die Bedeutungszuweisung der sozialen Adresse (vgl. Kapitel 2.4) richtet und nicht auf die Bedeutungszuschreibung der Sache. Zeitdimension Die Zeitdimension ist die zentrale Ebene der Sinnsysteme. So bezeichnet Terfloth Systeme als »[…] zeitbezogene Aneinanderreihung und Erzeugung von Ereignissen […]« (Terfloth 2006, 42-43). Fuchs macht die Relevanz der Zeitdimension deutlich, indem er Sinnsysteme als Zeitsysteme konzipiert (vgl. Fuchs 2013a, 100). Luhmann veranschaulicht die Relevanz der Zeit über ihre Auswirkung auf das Operieren der Systeme und konkretisiert: »Es muß sich auf den von Moment zu Moment sich ändernden historischen Zustand beziehen […]« (Luhmann 2008, 22).44 Über die Zeitdimension von Sinn wird deutlich, dass sich Sinnsysteme nicht in einem ontologisierbaren Zustand befinden (vgl. Fuchs 2013a, 100). Der fortlaufende Prozess ihrer Erneuerung und damit ihres Bestehens ist nur über die Komponente Zeit gegeben. Radikal könnte auch formuliert werden, Systeme seien auch als zeitbezogene Aneinanderreihung von Erzeugungen von Ereignissen zu bezeichnen.45 »Die Grundfrage ist: geht es weiter oder hört es auf« (Luhmann 2008, 13). Ihr Sein ist ein Sein in der Zeit. So ist ihr Fortbestehen an die Frage gekoppelt: Was bleibt vor dem Horizont der Zeit erhalten? Was ist in welcher Zeit anschlussfähig, führt zu einer Generierung von Gedanken oder schafft Fortsetzbarkeitsbedingungen für Kommunikation?46 »Zeit ist demnach für Sinnsysteme die Interpretation der Realität im Hinblick auf eine Differenz von Vergangenheit und Zukunft« (Luhmann 1991, 116). Der Unterscheidungshorizont stellt sich somit dar als vorher / nachher. Deutlich wird an dieser Stelle: Die systemtheoretische »Sinnzeit« unterscheidet sich von der sog. »Naturzeit« (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft). Sie läuft gegenläufig zu dieser. Sie wird nach Luhmann »von hinten her« ermöglicht (vgl. 42 | Vgl. an dieser Stelle auch die Differenz von Erleben und Handeln in Kapitel 2.4. 43 | Der Begriff der Referenz wird in Kapitel 2.3 erläutert. 44 | Luhmann nimmt hier Bezug auf von Foerster. Er verweist darauf, dass es an dieser Stelle nicht um eine Repräsentation von etwas Vergangenem geht, sondern um die Herstellung einer konstanten Gegenwart, an die die Zukunft anschließbar ist (vgl. Luhmann 2008, 24-25). 45 | »Räumliche Systemmodelle sind mit Vorstellungen von Materie verbunden, zeitliche hingegen verdeutlichen ihre Flüchtigkeit« (Terfloth 2006, 45). In diesem Vergleich wird deutlich, dass sich zeitgebundene Systeme nicht festschreiben lassen auf ein bestimmtes Sein. 46 | Im Anschluss psychischen Operierens an soziales Operieren wird deutlich: »Im Aufprall auf die scharfen Beschränkungen möglicher Kommunikation und vor allem in der Tempodifferenz von Kommunikationsprozeß und Bewußtseinsprozeß (das Bewußtsein ist typisch schneller als die Kommunikation) liegen die wichtigsten Anstöße für die Selbstbeobachtung des Bewußtseins als eines ausdifferenzierten Systems: Es erfährt in der Kommunikation zwangsläufig, daß es nicht alles anbringen kann, was es in sich bewegt […]« (Luhmann 2008, 59).

2.  Theoretische Rahmung

Luhmann 1991, 198). So erläutert Terfloth: Die Sinnzeit beschreibt die »[…] nachträgliche Identifizierung eines Ereignisses durch Zuschreibung von Sinn« (Terfloth 2006, 46). Sinn operiert somit über den Nachtrag (vgl. Emlein 2012, 374).47 Das erklärt die Bedeutsamkeit der Zeitschiene und die daraus entstehenden Möglichkeiten der Anregung. Aus der Zukunft heraus kann nicht kommuniziert bzw. können Anschlüsse nicht beobachtet werden. Das heißt, erst über die immer hochgradig individuelle Definition als relevant vor dem Horizont der Zeit wird festgelegt, was im einzelnen System als vergangen und zukünftig relevant markiert wird. Das Gesagte wird immer erst im Nachhinein sinnförmig betrachtet und bewertet. Im Gegensatz dazu verläuft die Naturzeit in die Zukunft gerichtet. So kann auch bildlich gesprochen konstatiert werden: Die Sinnzeit verläuft von rechts nach links, die Naturzeit von links nach rechts (vgl. Fuchs 2010a, 30 und 2010b, 15). In jedem System stellt sich der Zeitbezug dabei unter verschiedenen Umwelteinflüssen sehr unterschiedlich dar. Daraus gehen unterschiedliche Zeitdefinitionen hervor. Im Rahmen von Sozialisation gibt es jedoch Angleichungen, eine Einstellung der Systeme aufeinander und die Möglichkeit der Herstellung von gemeinsamen Zeitkorridoren (vgl. Fuchs 1995, 159). Gelingt diese Angleichung nicht, scheint die Fortsetzbarkeit von Operationen gefährdet. Fuchs verdeutlicht dieses Problem in seiner Auseinandersetzung mit dem Phänomen »Autismus«: »Mißlingt dieses Wiedererkennen, weil der nichtbewußte Prozessor (der Säugling) gleichsam zeitlich ›danebenliegt‹, das Management von Vor- und Rückgriffen nicht beherrscht, das Problem der Gleichzeitigkeit nicht im Schema Vorher / Nachher lösen kann, dann geraten die Startbedingungen der Funktion der Kommunikation ins Stocken […]« (Fuchs 1995, 162-163). Die Aufrechterhaltung der Fortsetzbarkeitsbedingungen für das soziale System innerhalb der Sinndimension Zeit ist existentiell. Anschluss suchendes Verhalten wie Stereotypien oder Selbstverletzungen zeigen dies deutlich. Das psychische System ist dabei scheinbar robuster, besser in der Lage, ohne unmittelbaren Anschluss an seine Umgebung die Zeitdimension zu überbrücken als das soziale System. In der Heilpädagogik wird die Zeitdimension dadurch zu einer zentralen Dimension. Es stellen sich Fragen wie: Wie wirkt sich die Komponente Zeit auf die Anschlussfähigkeit innerhalb der unterschiedlichen Kommunikationsformen aus? Bei einer verbalen Kommunikation verbrauchen sich Wörter beispielsweise in einem anderen Tempo als bei einer Kommunikation über visuelle Zeichen im Rahmen unterstützter Kommunikation. Sätze begegnen dem psychischen System in einem anderen Zeitumfang als Wörter. Sie zerfallen langsamer im Vollzug als Wörter. Gesungene Wörter wiederum verlängern die Zeitebene und damit den Bezug auf den Inhalt im Vergleich zu gesprochenen Wörtern. Insofern ist die Zeitdimension wesentlich in der Beobachtung der empirischen Daten. So geht es darum zu beobachten: Inwiefern hat das Management von Zeit eine Bedeutung für den Anschluss an Kommunikation? Welche Zeitspannen oder Zeitpunkte werden für relevant erachtet? Auf welche wird kein Bezug genommen? Um an dieser Stelle theoretisch tiefer in die Differenzierungen der Systemtheorie einsteigen zu können und im weiteren Verlauf der Arbeit Kommunikation als autopoietisches Operieren aus sys47 | Dieser Zeitbezug bezieht sich auf die Theorie der différance von Jacques Derrida (vgl. Fuchs 2010b, 15). Für die vertiefte Auseinandersetzung und zur Begründung der Schreibweise des Wortes différance mit a wird verwiesen auf Derrida 1999, 31-56.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

temtheoretischer Sicht besser einzubeziehen und berücksichtigen zu können, was hier noch von Bedeutung sein kann, soll es in den nächsten zwei Kapiteln explizit um die Sinnsysteme gehen: das psychische und das soziale System.

2.2.3 Das psychische System »Möglicherweise ist das Bewußtsein also eines dieser schwarzen Löcher, die alle Informationen über sich selbst verschlucken und nur an der Unruhe ringsherum erkennbar sind. Aber vielleicht ist es doch nur ein System, das seine eigene Selbstreferenz in besonderer Weise behandelt, die man theoretisch mit Hilfe des Begriffs der Autopoiesis genauer erfassen und beschreiben kann.« L uhmann 2008, 55

Psychisches Operieren Luhmann postuliert, dass es keine gesicherten Aussagen darüber gibt, wie das Bewusstsein funktioniert.48 Kein Bewusstsein kann in ein anderes Bewusstsein hineingelangen, noch kann aus dem Bewusstsein heraus in Verbindung mit dem sozialen System kommuniziert werden.49 »Es gibt keine bewußte Verknüpfung eines Bewußtseins mit einem anderen Bewußtsein« (Luhmann 2008, 39).50 Das Bewusstsein besteht aus hochlabilen, eigendynamischen, zerstreuten Mentalzuständen, die (außer im Einzelbewusstsein) nicht direkt aneinander angeschlossen werden können (vgl. Luhmann 2008, 41). Luhmann entschied zunächst, die Operationen des psychischen Systems als Denken51 zu bezeichnen und beschreibt damit das Prozessieren von Aufmerksamkeit als Externalisierungsleistung von Wahrnehmen, Fühlen, Wollen (vgl. Luhmann 2008, 31).52 Dabei werden als Komponenten seiner Operation von ihm Gedanken und Vorstellungen genannt (vgl. Fuchs 2012e,

48 | Das psychische System umfasst aus systemtheoretischer Sicht das Unbewusste und das Bewusstsein. An dieser Stelle soll es nur um das Bewusstsein gehen, da nur dieses aus systemtheoretischer Sicht in der Lage ist, durch Selektion Sinn zu produzieren (vgl. Terfloth 2006, 57). Im weiteren Verlauf der Ausführungen dieser Arbeit ist mit dem psychischen System immer dieser Teil gemeint, welcher über die Möglichkeit des sinnhaften Prozessierens verfügt. 49 | »Das Bewußtsein kann also nicht bewußt kommunizieren« (Luhmann 2008, 39). Dieses Postulat wird an verschiedenen Stellen der Arbeit zentral und wieder aufgegriffen. 50 | Auch die Neurobiologie helfe da nicht weiter, so Luhmann (vgl. Luhmann 2008, 38). 51 | In dieser Arbeit wird überwiegend auf den Begriff Denken zurückgegriffen, wenn es um den Bezug auf psychische Operationen geht. Da es an einigen Stellen jedoch mehr Sinn ergibt, sich auf Wahrnehmen oder das Prozessieren von Aufmerksamkeit zu beziehen, wird sich auf den Begriff des Denkens als Bezeichnung der Operation des psychischen Systems hier nicht festgelegt. 52 | Auch wenn er mit dieser Begriffswahl nicht zufrieden war (vgl. Luhmann 2008, 31) schließt er aus, dass ein System über eine Mehrheit von Operationen operieren kann, da ja gerade die Einheit des Systems durch die Einheit der konstituierenden Operation hervorgebracht wird.

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319). Über die Fortsetzung gedanklicher Operationen findet psychisches Verstehen statt, als erneute Anschlussoperation (vgl. Fuchs 2011b, o. S.).53 Die Entwicklung von Gedanken entsteht in der Beobachtung derselben, indem sich der eine Gedanke vom anderen unterscheidet. Man könnte auch sagen, der eine Gedanke differenziert den anderen. Gleichwohl schließen Gedanken an Gedanken in operational geschlossener Form an, als nacheinander ablaufende Bewusstseinsereignisse (vgl. Nassehi 1997, 137). »Nur indem ein neuer Gedanke sich als Beobachter eines vorigen aufführt, entsteht Aufmerksamkeit mit nichtbeliebiger, durch die Vorstellung vorgezeichneter Anschlußmöglichkeit; und nur so kann der Prozeß dazu ansetzen, sich selbst zu kontrollieren« (Luhmann 2008, 62). Die Unterscheidung des einen Gedankens vom anderen vollzieht sich entsprechend dem systemtheoretischen Beobachtungsbegriff als permanente Unterscheidung von innen und außen, in der Differenz zwischen Selbst- und Fremdreferenz (vgl. Terfloth 2006, 58). Unter Abhängigkeit des eigenen inneren Zustandes wird entschieden, ob sich der nächsten Vorstellung zugewandt werden kann oder beim Bezug auf das System verblieben wird (vgl. Luhmann 2008, 66).54 »Die Vorstellung ist mithin keine primäre Qualität der Bewußtseinsakte, wie oft angenommen wird, sondern die Einheit der Differenz […]« (Luhmann 2008, 63). Das bedeutet, sie ist erst über das beobachtete Unterscheiden gegeben und nicht als solche einfach vorhanden (vgl. ebd.). »Fremdreferenz (das Außen) wird, so könnte man diese Entwicklung bündeln, im System erwirtschaftet« (Fuchs 2001 o. S.). Sie wird gedanklich kontrolliert. Luhmann beschreibt Denken damit als eine Art rekursives Prozessieren. Über dieses Prozessieren bildet es Erwartungsstrukturen heraus in Bezug auf seine weitere Anschlussfähigkeit (vgl. Schleiffer 2012, 57). »In der primären Differenz von Selbstreferenz und Fremdreferenz, und nur mit ihrer Hilfe, sammeln und verdichten sich fortsetzbare Erfahrungen. Wir wollen das Resultat ›Erwartungen‹ nennen ohne Rücksicht darauf, ob es im Bewußtsein mit diesem Wort belegt ist und abgerufen werden kann oder nicht. Aufgrund von Erwartungen bildet sich dann, jeweils situativ, eine neue Unterscheidung je nachdem, ob die Erwartung erfüllt oder enttäuscht wird« (Luhmann 2008, 74).55 Die Erfüllung der Erwartung wird dabei als Normalität erlebt (vgl. ebd.). In seinen späteren Arbeiten bezieht Luhmann sich zunehmend auf Wahrnehmung als die Spezialkompetenz des Bewusstseins (vgl. Schleiffer 2012, 55).56 So stellt er dar: »Die Stärke von Bewußtseinssystemen dürfte in relativ konkreten, 53 | An dieser Stelle zeigt sich eine Formgleichheit mit dem sozialen System, das in seiner Operation durch die Selektionen (Information, Mitteilung und Verstehen) konstruiert ist (vgl. Kapitel 2.2.4). Dieses stellt die Grundlage der Überlegungen von Fuchs dar, beide als isomorph (vgl. Fuchs 2012e, 319) zu denken und eine allgemeine Theorie der Sinnsysteme zu entwickeln. Zur weiteren Auseinandersetzung muss hier auf die jüngste Literatur von Fuchs verwiesen werden (vgl. Fuchs 2013). 54 | »Das heißt: das Bewußtsein bringt sich in eine Situation, in der es auch sich selbst nur noch als kontingent, das heißt: als auch anders möglich, behandeln kann. Nur die Autopoiesis selbst läuft auch darin weiter« (Luhmann 2008, 91). 55 | An dieser Stelle wird die Vergangenheitsabhängigkeit, also die Relevanz der Zeitebene (vgl. Kapitel 2.2.2), der Sinnzeit deutlich. 56 | In der Weiterentwicklung der Überlegungen von Luhmann kann an dieser Stelle auf die jüngste Literatur von Balgo (2013a) und Fuchs (2013) verwiesen werden.

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wahrnehmungsnah gebildeten Vorstellungen liegen, also gerade in den nichtkommunizierbaren Aspekten von Erkenntnis, in der ›Anschauung‹« (Luhmann 2008, 100).57 Fuchs entwickelt diesen Bezug weiter und differenziert die Operationen des psychischen Systems in Intentionalität, Gestimmtheit und das psychische Verstehen als Anschluss (vgl. Fuchs 2012e, 319-320).58 Er begreift psychisches Operieren als organisierte Wahrnehmung oder präziser als substantivierten Ausdruck für die Organisation der Wahrnehmungsfunktion (vgl. Fuchs 2005a, 23). Gestimmtheit bildet die wahrnehmbaren und beobachteten Körperzustände ab, die mit jedem Bezug auf einen Gedanken, auf ein Etwas in Resonanz gehen. Sie stellen den selbstreferenziellen Bezug der psychischen Operation dar, die Intentionalität den fremdreferenziellen. Fuchs beschreibt psychische Systeme als sinndeutende, sinnerlebende Systeme (vgl. Fuchs 2010b, 13). Grundsätzlich ist festzustellen, dass auch aus systemtheoretischer Perspektive das Erkennen auf unterschiedlichen Komplexitätsniveaus möglich ist. So erläutert Luhmann: »Die Autopoiesis des Bewußtseins ist das Fortspinnen mehr oder minder klarer Gedanken, wobei das Ausmaß an Klarheit und Distinktheit selbstregulativ kontrolliert wird je nachdem, was für einen bestimmten Gedankenzug – vom Dösen und Tagträumen bis zur mathematischen Rechnung – zur Einteilung der Gedanken und zum Übergang erforderlich ist« (Luhmann 2008, 60).59 Vergleichbar stellt Schleiffer anhand der affektiven Protokommunikation60 dar, dass auch an einen Baby Talk sinnhaft angeschlossen werden kann, sobald darüber Systeme Informationen als Mitteilung differenzieren (vgl. Schleiffer 2012, 103).61 Mit der Komplexität von Umwelt konfrontiert, ist auch das psychische System herausgefordert, sich gegenüber dieser abzugrenzen. Auch das Bewusstsein operiert selbstreferenziell ausgerichtet (vgl. Kapitel 2.1). Erkenntnis ist nur über die Abgrenzung des Systems von seiner Umwelt möglich. Das System entscheidet, wann und in welchem Umfang es in der Lage ist, an Neues anzuschließen. Dieses wird explizit als Notwendigkeit betrachtet, um psychisch zu operieren. »Im Unterschied zu klassischen Erkenntnistheorien setzt Erkenntnis deshalb gerade voraus, daß auf operativer Ebene kein Kontakt zu Umwelt besteht […]« (Luhmann 2008, 23).62 Die operative Geschlossenheit des Systems ist, wie im Kapitel über den systemtheoretischen Systembegriff dargestellt, eben auch für psychische Systeme eine wichtige

57 | Diese Art der Irritation kann ggf. eher von Individuen angeboten werden, die sich nicht über Verbalsprache mitteilen. Ob und wie sich diese Potenzialität darauf auswirkt, sie als Mitteilungshandelnde zu erkennen, wird im empirischen Teil hin-beobachtet. 58 | So kann hier verallgemeinert werden, dass aus der Differenz von Selbstreferenz und Fremdreferenz Erleben in Verstehen transformiert wird (vgl. Luhmann 1991, 110). 59 | Jedoch schreibt Luhmann: »Je differenzierter die Erwartungsmuster sind, die die Gesellschaft produziert und an das Bewußtsein heranführt, desto reicher sind die Konstellationen, die sich auf diese Weise ergeben […]« (Luhmann 2008, 84). 60 | Affektive Protokommunikation wird etwas weiter unten in diesem Kapitel näher erläutert und in Kapitel 2.2.4 wieder aufgegriffen. 61 | Für die Heilpädagogik ist an dieser Stelle relevant, dass infolgedessen auch systemtheoretisch beobachtet ab dem sensomotorischen Entwicklungsstadium (vgl. Sodian 2012, 386) in Form psychischer Operationen angeschlossen werden kann. 62 | Hier deutet sich die Funktionalität von Exklusion an (vgl. Kapitel 2.6.1).

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Voraussetzung für Erkenntnisprozesse (vgl. Kapitel 2.1 und 2.2.1).63 Es kann in seinen Operationen angeregt werden, ist aber indeterminabel. Das psychische System und seine Umwelt Soziale Systeme bedienen psychische Systeme mit »Unterhaltung«. Sprache64 bzw. Zeichengebrauch wird dabei als das zentrale Medium verstanden, über das das Bewusstsein angeregt werden kann. Sie erfüllt, wenn das Bewusstsein Sprache annimmt, »[…] die Funktion eines symbolischen Mediums, das, seinerseits rekursiv, die Transformationen von Gedanken in Gedanken erleichtert« (Luhmann 2008, 76). Sprache kann das Bewusstsein als Teil seiner Umgebung strukturieren, aber auch sie kann seine Operationen nicht festlegen. So wird deutlich: Das Bewusstsein besteht innerhalb seiner Operationen nicht allein aus Sprache. Es kann sich Kommunikation lediglich fremdreferenziell vorstellen (vgl. Schleiffer 2012, 58). Denn: »Das Erkennen kann nur sich selber erkennen […]« (Luhmann 2009a, 32). Damit ist gemeint, dass der psychische Anschluss nicht über Sprache oder Zeichen festlegbar ist und sich nicht auf diese reduziert. Würde Bewusstsein auf Sprache beschränkt, »[…] wäre das eigentümliche Überschußphänomen des mitwirkenden Bewußtseins, die Wahrnehmung, daß man lügt, das mitlaufende Vorbedenken weiterer Außerungen [sic!]65, die dann doch nicht abgerufen werden, unzulänglich erfaßt« (Luhmann 2008, 76). So lässt sich zusammenfassen: Das Bewusstsein ist gegenüber der Sprache autonom und geht über sie hinaus (vgl. ebd.).66 Wahrnehmung wurde oben als Irritationsquelle des Bewusstseins beschrieben, über das sich das System nach »innen« orientiert. Sie gehört zum Bereich des Bewusstseins, ist jedoch zunächst in dieses eingeschlossen und so für das soziale System nicht erkennbar (vgl. Luhmann 2008, 112).67 »Man kann das, was ein anderer wahrgenommen hat, nicht bestätigen und nicht widerlegen, nicht befragen 63 | So schreibt Luhmann, dass im Rahmen eines Abweichens das ständige Oszillieren zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz tendenziell eher die Selbstreferenz kondensiert und auf Fremdreferenz nur insoweit achtet, als es für das Fortbestehen der Autopoiesis brenzlig werden könnte oder Handlungsanschlüsse umdisponiert werden müssen (vgl. Luhmann 2008, 84). Somit besteht keine Gefahr für das System, im Prozess der Selbstreferenz blockiert zu werden. 64 | Sprache wird an dieser Stelle als Verbalsprache verstanden. Wobei davon auszugehen ist, dass alle anderen Formen von Sprachen, als symbolische Abbildung beobachteter Wirklichkeit, im gleichen Sinne funktional sind. Das Kapitel 2.2.4 geht darauf näher ein. 65 | An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Wort »Außerungen« um einen Druckfehler handelt und hier »Äußerungen« gemeint sind. 66 | Das psychische System ist jedoch nicht gegenüber einer sozialen Umwelt erhaben. An dieser Stelle soll lediglich die Sprache als einzig mögliche Irritationsquelle des Bewusstseins relativiert werden. 67 | Zur vertiefenden Auseinandersetzung mit Wahrnehmung im Kontext von Bewegung, dem Körper und den Operationen des psychischen Systems kann auf die Literatur von Balgo verwiesen werden (vgl. Balgo 1998; 2010; 2013a). Wie einleitend bereits dargestellt, konstruiert er Wahrnehmung und Bewegung als eigenständiges System. Im Rahmen dieser Arbeit wird sich jedoch aufgrund anderer Schwerpunktsetzung auf diesbezügliche Selektion von Luhmann bezogen, auch wenn die Ausführungen hinsichtlich des biologischen Systems bzw. der Wahrnehmung und Bewegung dadurch weniger differenzierbar sind.

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und nicht beantworten. Es bleibt im Bewußtsein verschlossen und für das Kommunikationssystem ebenso wie für jedes andere Bewußtsein intransparent« (ebd.). In der Wahrnehmung als solcher steckt systemtheoretisch gesehen kein Informationsgehalt für das soziale System.68 Sie ist zunächst als gesetzt anzusehen und wird systemtheoretisch als ein psychisches Ereignis ohne kommunikative Existenz eingeordnet (vgl. Simon 2006, 94; Luhmann 2008, 111). Das bedeutet nicht, dass Wahrnehmungen nicht Anlässe für Kommunikation darstellen können, sie werden jedoch erst einmal als Ereignisse innerhalb des psychischen Systems bewertet. »Im Unterschied zu den temporal verfassten sprachlichen Mustern haften die affektiven Zeichen gewissermaßen am Körper« (Schleiffer 2012, 76). Sie treten zunächst als körperliche Wahrnehmung in Erscheinung, können aber, wenn sie an Sprache gekoppelt, psychisch erinnert und wiedererkannt werden, über den Anschluss an Sprache oder Zeichensysteme in soziale und psychische Operationen einfließen (vgl. Fuchs 2012e, 320). An Wahrnehmungen kann sozial erst dann angeschlossen werden, wenn sie kommuniziert werden bzw. wenn sie als Mitteilung einer Information verstanden werden. So bezeichnet Fuchs vergleichbar Gefühle als unterschiedene und bezeichnete Körperzustände (vgl. Fuchs 2012d, 130). Es wird deutlich, dass Gefühle für Sinnsysteme nur die Form von Sinn annehmen können (vgl. Fuchs 2005a, 81), also nur in dieser Form bearbeitbar und beobachtbar werden (vgl. Fuchs 2004b, 5).69 Schleiffer beschreibt dies beispielhaft an der affektiven Protokommunikation. Er verdeutlicht, wie Affekte im Verlauf der ersten Lebenswochen und -monate in der Interaktion Bedeutung erlangen und zunehmend sozial und psychisch berücksichtigt werden (vgl. Schleiffer 2012, 103).70 Darüber hinaus stellt Schleiffer dar: »Affekten kommt eine für die Psyche systemschützende Funktion zu, in ähnlicher Weise wie dem Schmerz in Bezug auf das biologische System des Körpers« (Schleiffer 2012, 56-57). Sie differenzieren Bedeutsamkeiten und bewerten dadurch Mitteilungshandlungen. Insofern sollen kommunizierte Affekte und Wahrnehmungen bzw. Gefühle 71 im empirischen 68 | Aus dieser Perspektive ist die basale Stimulation ohne Interaktion als Bildungsangebot stark in Frage zu stellen. Um sie als ein solches Angebot bewerten zu können, müsste das Treffen von Unterscheidungen angeregt werden. An späterer Stelle wird noch darauf hingewiesen, inwiefern sich durch modifizierte Körperbewegungen auf Mitteilungshandlungen deuten lässt. 69 | Besonders interessant an seinen Darstellungen ist die Dominanz selbstreferenzieller Unterscheidungen innerhalb dieser Form der Kommunikation. Schleiffer beobachtet, dass dadurch zunächst der Mitteilungsaspekt gegenüber dem Informationsaspekt dominiert (vgl. Schleiffer 2012, 72). Im Hinblick auf die Auswertung der empirischen Daten wird von Bedeutung sein, inwiefern sich eine Dominanz des Mitteilungsaspektes durch Unterscheidungen von Emotionen der Kinder hin-beobachten lässt (vgl. Kapitel 4.2.2.2). 70 | Schleiffer entwickelt die affektive Protokommunikation in der Beobachtung der strukturellen Koppelung des Anfangs (vgl. Schleiffer 2012, 69-79). Hier führt er aus, wie sich die Interaktion zwischen primärer Bezugsperson des Säuglings und dem Säugling aufbaut. Er hebt dabei die Gefühlsbetonung und die noch recht einseitige Verteilung der kommunikativen Kompetenzen zugunsten der erwachsenen Bezugsperson hervor. 71 | Fuchs und Schleiffer wählen in den Texten, auf die sich hier bezogen wird, verschiedene Begriffe, um den dargestellten Zusammenhang von »Gefühlswahrnehmungen« und psychischen Operationen zu verdeutlichen. Schleiffer nutzt den Begriff »Affekte« und Fuchs den

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Teil der Arbeit im Hinblick auf Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse berücksichtigt werden (vgl. Kapitel  4.2.2.2). Hinsichtlich der Äußerungen der Kinder wird als erkenntnisreich erachtet zu interpretieren, nach welchen affektiven Irritationen sich der psychische Anschluss bzw. Nicht-Anschluss ausrichtet.72 Fuchs platziert die Wahrnehmung als evolutionär der Sprache vorausgehend und räumt ihr damit eine »funktionelle Priorität« ein (vgl. Fuchs 2005a, 24). Das betont ihre besondere Bedeutung. Wie erläutert, ermöglicht das Medium Sinn Anschlüsse zwischen dem sozialen und dem psychischen System. In Bezug auf das psychische System sollen noch folgende allgemeine Aspekte für den Kontext dieser Arbeit skizziert werden: Das psychische System operiert schneller und komplexer als das soziale System. Es verfügt über mehr Sinnverweise und Differenzierungsmöglichkeiten. Dabei ist es unstrukturierter als das soziale System. Über seinen Anschluss an soziale Operationen strukturiert es sich sinnbasiert. Sinn, beispielsweise in Form eines Wortes als beobachtbare soziale Operation dem psychischen System angeboten, reduziert die Komplexität der Umwelt des psychischen Systems.73 So kann das Bewusstsein nur an Kommunikation partizipieren, »[…] wenn es sich einfädelt in die Zeitbewandtnisse der Kommunikation, wenn die Form seiner Irritabilität sich in die ›Enge‹ kommunikativer Sequenzen schmiegt, wenn es Zuvor und Danach im Blick auf diese Ereignisse unterscheiden und mitführen kann« (Fuchs 1995, 159). Die Aus-

Begriff »Gefühle«. Fuchs begründet seine Auswahl in einem der hier relevanten Texte mit der Notwendigkeit, die terminologische Komplexität reduzieren zu müssen, die mit einer weiteren Differenzierung von Affekten, Emotionen, Empfindungen, Gefühlen etc. einhergehe (vgl. Fuchs 2004b, 3). Vor dem gleichen Hintergrund wurde entschieden, die Begriffe Affekte und Gefühle in dieser Arbeit synonym zu verwenden. Für eine differenziertere Auseinandersetzung kann u. a. auf Ciompi verwiesen werden (vgl. Ciompi 1999 und 2007). Ciompi hat sich insbesondere in der Entwicklung der Affektlogik mit der engen Verbindung zwischen Affekt und Logik beschäftigt. Ein Affekt ist nach Ciompi »[…] eine von inneren oder äußeren Reizen ausgelöste, ganzheitliche psycho-physische Gestimmtheit von unterschiedlicher Qualität, Dauer und Bewusstseinsnähe« (Ciompi 1999, 67). 72 | Dass sich dieser nicht unmittelbar beobachten lässt, wird an verschiedenen Stellen dieser Arbeit noch erläutert (vgl. z. B. Kapitel 3.2). Wie dennoch ein wissenschaftlicher Zugang konstruiert werden kann, stellt das Kapitel 3.3 vor. 73 | Eine erkenntnisreiche Überlegung dabei ist, dass besonders die Koppelungsstrukturen für ein System interessant erscheinen, die die Irritationskapazität des Systems erweitern. An dieser Stelle werden die Verweise auf Exklusion in den Aussagen der Kinder aus zweierlei Perspektive bedeutsam: In der Begegnung mit Menschen mit Behinderung bzw. nonverbalen Kommunikationsformen könnte das heißen, eine erhöhte Komplexität an Fremdreferenz anzubieten, die für vielfältige Anschlussmöglichkeiten sorgt. Für die Auseinandersetzung mit psychischen Systemen allgemein bedeutet es, eine hohe Differenzierung bereitzustellen, um die Psyche herauszufordern und identitätsbildende Prozesse zu unterstützen. So kann sich nach Luhmann Identität gerade über Kommunikations- oder Interaktionserfahrungen bilden, die eine Abweichung von der Norm darstellen und zu einer Weiterentwicklung bzw. höheren Differenzierung des Bewusstseins führen. An dieser Stelle unterstützt die Abweichung explizit die Herausbildung von Individualität (vgl. Kapitel 2.5.2).

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richtung auf etwas schließt also die Ausrichtung auf etwas anderes aus.74 Diese Reduktion ist für psychisches Operieren funktional.75 So ermöglicht Kommunikation dem psychischen System die Fortsetzung psychischer Operationen. Der »Lärm« (welcher eine diffus erscheinende Umwelt repräsentieren soll) wird durch den Anschluss an soziale Operationen lesbar (vgl. Fuchs 2003a, 323), auch wenn sich das psychische System Kommunikation lediglich »fremdreferenziell« vorstellen kann (vgl. Schleiffer 2012, 58). Bedeutsam in der Auseinandersetzung mit psychischen Operationen ist weiter, dass das psychische System nicht so sensibel auf das Fehlen von Kommunikation reagiert wie das soziale System auf das Fehlen des Prozessierens von Aufmerksamkeit (vgl. Kapitel  2.2.4). Das Bewusstsein ist auch unabhängig von Kommunikation, also der unmittelbaren Umwelt des sozialen Systems, aktiv. So kann beispielsweise das psychische System über lange Zeiträume auch kommunikationsfrei existieren,76 im Unterschied zum sozialen System, welches in seiner unmittelbaren Umgebung immer Bewusstseinssysteme benötigt. So verdeutlicht Fuchs: »Der Nichtanschluß an Sinn (und wie sollte er anders als kommunikativ transferiert worden sein?) schließt aus, daß Bewußtsein entsteht. Dennoch gilt, daß das Bewußtsein, wenn es denn einmal arbeitet, auch ohne Kommunikation arbeiten kann, wohingegen Kommunikation immer Bewußtsein zu benötigen scheint« (Fuchs 1995, 131). Das psychische System ist in der Lage, sich an soziale Beschreibungen zu erinnern und zeitlich begrenzt darüber seine Operationen fortzusetzen. Dabei operiert es kontingent (vgl. Kapitel 2.2.1). So veranschaulicht Luhmann: »Die Komplexitätschancen autopoietischer Systeme können sich rasch und abrupt ändern, wenn sich die Bedingungen ihrer operativen und strukturellen Kopplung mit der für sie notwendigen Umwelt ändern; also in unserem Falle: wenn die Prägung des Bewußtseins durch Kommunikation sich neue Möglichkeiten erschließt« (Luhmann 2008, 43). Wie einleitend in dieses Kapitel dargestellt, kann sich kein psychisches System direkt mit anderen psychischen Systemen verbinden. Psychische Systeme sind füreinander aufgrund ihrer operationalen Geschlossenheit vollständig intransparent (vgl. Nassehi 1997, 138). An dieser Stelle werden soziale Systeme funktional. Über ihre Operationen ermöglichen sie den Auf bau von Sinnstrukturen und Anschlussprozesse psychischer Systeme an ihre Umwelt. Darum und um die Besonderheiten des sozialen Systems geht es im folgenden Kapitel.

74 | Auch hier kann darauf verwiesen werden, dass ggf. gerade durch das Unterlassen eines verbal-sprachlichen Austausches ein Mehr an Anregung für das Bewusstseinssystem entsteht. Gerade weil Luhmann das Bewusstseinssystem als etwas schwer zu Erschließendes darstellt, können an dieser Stelle keine eindeutigen Aussagen darüber getroffen werden, was das System anregt und was blockiert. Möglicherweise bieten die Aussagen der Kinder in den Interviews an dieser Stelle weitere Hinweise an. 75 | Funktionalität der Reduktion von Komplexität für autopoietische Systeme wurde in der Darstellung des Sinnbegriffs erläutert (vgl. Kapitel 2.2.1) und wird in Kapitel 2.6 wieder aufgegriffen. 76 | Fuchs erläutert diesen Sachverhalt beispielhaft an Leuchtturmwärtern oder Wissenschaftlern, die sehr lange kommunikationsfrei existieren können (vgl. Fuchs 1995, 131).

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2.2.4 Das soziale System »Aber Menschen können nicht kommunizieren, nicht einmal ihre Gehirne können kommunizieren, nicht einmal das Bewußtsein kann kommunizieren. Nur die Kommunikation kann kommunizieren.« L uhmann 2001, 111

Dieser Satz stiftet Verwirrung und skizziert gleichzeitig eine der grundlegenden Überlegungen der Systemtheorie. Das soziale System operiert über Kommunikation.77 In diesem Kapitel wird darauf eingegangen, wie das gedacht ist. Luhmann unterscheidet in der Systemtheorie zwischen drei Ebenen von Sozialsystemen: die Gesellschaft, die Organisation und die Interaktion (vgl. Terfloth 2006, 17). Die Interaktion stellt dabei die kleinste Einheit des sozialen Systems dar, welche gleichwohl als Universalphänomen (vgl. Luhmann 1997, 827) sich sowohl in der Organisation als auch in der Gesellschaft wiederfindet bzw. deren Vollzug bestimmt (vgl. Luhmann 1997, 814). Hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung mit der Interaktion zentral.78 Interaktion kann als Kommunikation unter Anwesenheit, also unter der Bedingung wechselseitiger Wahrnehmbarkeit, definiert werden (vgl. ebd.). Wie bereits erläutert, wird das soziale System, als zweites Sinnsystem, als autopoietisches und damit operational geschlossenes System gedacht (vgl. Nassehi 1997, 137). Soziale Operationen können somit von anderen Systemen angeregt, irritiert oder begrenzt, aber nicht determiniert werden. Bevor das soziale System in seinen Besonderheiten skizziert wird, sollen zunächst die Komponenten seiner Operation, der Kommunikation, vorgestellt werden. Sie gestalten sich formgleich zu den Operationen des psychischen Systems (vgl. Kapitel 2.2.3).

77 | Grundlegend muss an diese Stelle darauf hingewiesen werden, dass sich der systemtheoretische Kommunikationsbegriff von jenen Kommunikationstheorien wesentlich unterscheidet, die von der Möglichkeit ausgehen, dass zwischen intendierter Sendung und Empfang einer Nachricht eine grundsätzliche Übereinstimmung erreicht wird (vgl. Terfloth 2006, 35-38). »Im Rahmen der hier vorgestellten Theorie wird nicht von einer Duplikation von wie auch immer gemeintem Sinn in einem anderen Bewusstsein ausgegangen […]« (Schneider 2010, 16). Kommunikation versucht aus systemtheoretischer Perspektive nicht etwas zu übersetzen, wie herkömmliche Kommunikationstheorien diese deuten. »Es wird nichts übertragen. Es wird Redundanz erzeugt in dem Sinne, daß die Kommunikation ein Gedächtnis erzeugt, das von vielen auf sehr unterschiedliche Weise in Anspruch genommen werden kann« (Luhmann 2002b, 49). 78 | An dieser Stelle muss auf eine differenzierte Vorstellung der verschiedenen Ebenen sozialer Systeme aufgrund anderer Schwerpunktsetzung verzichtet werden. Es wird hier verwiesen auf die Literatur u. a. von Luhmann 1991, 551-592; Luhmann 1997, Wetzel 2004; Wansing 2005; Terfloth 2006, 17-19 und Schneider 2010, 28-37. Für die Bereiche Organisation und Behinderung wird im Besonderen auf die Arbeit von Ralf Wetzel verwiesen (Wetzel 2004).

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Die drei Selektionen der Kommunikation Kommunikation besteht systemtheoretisch betrachtet aus den drei Selektionen: »[…] Selektion einer Information, Selektion der Mitteilung dieser Information und selektives Verstehen oder Mißverstehen dieser Mitteilung und ihrer Information« (Luhmann 2008, 111). Das heißt: »Dieser dreistellige Selektionsprozess wählt erstens eine mitteilungswerte Information aus einem Repertoire von Möglichkeiten, zweitens ein Verhalten, das diese Information mitteilt und drittens aus der Fülle der Verstehensmöglichkeiten eine bestimmte Art und Weise des Verstehens aus« (Balgo 2013, 12). Insofern muss erst diese dreifache Selektion stattfinden, damit Kommunikation zustande kommt (vgl. Simon 2006, 94). »Das macht Kommunikation zu einem unwahrscheinlichen Phänomen« (ebd.). Im Folgenden werden die einzelnen Selektionen erläutert. Systemtheoretisch gesehen werden Informationen, als erste soziale Selektionsleistung, darüber erzeugt, dass sie einen Teil der wahrgenommenen Umwelt mit einem Bedeutungsgehalt versehen. Dieser zugeschriebene Bedeutungsgehalt unterscheidet die Information von der übrigen Umwelt. Die Information selektiert aus unterschiedlichen Sachverhalten Mitteilungswerte (vgl. Luhmann 2001, 128). So kann gesagt werden, dass eine erste Unterscheidung vorgenommen werden muss, um Informationen zu produzieren, um ein Etwas in der Umwelt als Information zu erkennen. Es geht an dieser Stelle darum, was kommuniziert wird (vgl. Nassehi 1997, 138), um den fremdreferenziellen Anteil der Kommunikation. Diese Unterscheidung ist nicht systemunabhängig, sondern steht im Zusammenhang mit den Strukturen des sozialen Systems (vgl. Schleiffer 2012, 54). Informationen werden »[…] systemintern selbst mit Hilfe von Differenzerfahrungen erzeugt« (Scheef 2010, 70). »Es handelt sich nicht um einen Transport von Umweltdaten in das System; […]« (Luhmann in Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 14), sondern um eine Auswahl von Ereignissen aus der Umwelt des Systems als Information, also um die Auswahl dessen, wem oder was in einer vom System bestimmten Art Bedeutung zugeschrieben wird. Dieser Bedeutungswert muss nicht mit dem Bedeutungswert übereinstimmen, dem diese Information durch andere Systeme in der Umwelt zugeschrieben werden würde (vgl. Luhmann in Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 14). Dadurch ist die Information nicht als objektive Realität anzusehen, »[…] sondern errechnet sich durch eine Reflexionsleistung, die auf diesem Wege selbst in den Strukturbildungsprozess eingreift« (Vogd 2011, 95). Ausgehend von den diskriminierten Informationen werden innerhalb der zweiten Selektion Gründe konstruiert, aus denen die Information mitgeteilt wurde. Über die Differenzierung der Mitteilung in Bezug auf die Information unterscheidet das soziale System Kommunikation von bloßer Wahrnehmung, der kein Mitteilungsaspekt zugesprochen wird (vgl. Balgo 2011, 3). Bei der Selektion der Mitteilung handelt es sich um eine Auswahl von Verhaltensmöglichkeiten, über die eine Information mitgeteilt wird und die insofern der Mitteilung zugerechnet werden kann (vgl. Balgo 2013, 12). Die Mitteilung wird somit von Fuchs auch als das Gewand bezeichnet, in das die Information gekleidet wird (vgl. Fuchs 2011b, o. S.). In der Systemtheorie wird aufgrund dessen von Mitteilungshandelnden gesprochen, wenn die Kommunikation auf Handlungen von Personen im Kontext der Mittei-

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lungsselektion Bezug nimmt.79 Doch wie schon deutlich wurde: Mitteilungen sind nicht über eine Art Sender festgelegt, der im »Außen« bestimmbar ist, sondern stellen sich als selbstreferenzielle Bezüge der Kommunikation dar. »Die Selbstreferenz (Mitteilung) ist unverzichtbar, weil in jeder Kommunikation (wie informativ sie auch gerade gehalten sein mag) zumindest jemand konstruiert werden muss, der mitteilt, und ebenso klar ist, daß in jeder Kommunikation (wie emphatisch sie auch erscheint) zumindest irgendetwas als Information behandelt werden muss, die neu ist (oder der es gelingt, sich geschickt als neu zu tarnen)« (Fuchs 2003a, 325). So kann an dieser Stelle zusammengefasst werden: »Die Mitteilung seligiert aus unterschiedlichen Verhaltensmöglichkeiten, die Information seligiert aus unterschiedlichen Sachverhalten, und die Kommunikation faßt beides in einem Ereignis zusammen« (Luhmann 2001, 128). Dieses tut sie innerhalb ihrer dritten Selektion, dem Verstehen, das auch als kommunikativer Anschluss beschrieben werden kann. Erst über den Anschluss ist die Autopoiesis des sozialen Systems gegeben. Das Verstehen kann als Selektion der Mitteilung in Bezug auf die Information verstanden werden (vgl. Simon 2006, 93). Verstehen stellt somit die Differenz zwischen Information und Mitteilung dar, zwischen dem Informationswert des Inhalts und der spezifischen Form der Mitteilung. Im Rahmen des Verstehens werden Gründe konstruiert, aus denen der Inhalt mitgeteilt wird. »Das Verstehen sichert den Anschluß einer neuen Kommunikation und ist damit der Garant für die Autopoiesis des sozialen Systems« (Nassehi 1997, 139), aber nur, wenn an das Verstehen angeschlossen wird. Denn erst die Anschlusshandlung stellt die strukturelle Voraussetzung für (weitere) Kommunikation dar. Diese ist entscheidend, da Kommunikation nur Kommunikation ist, wenn an sie angeschlossen wird.80 An dieser Stelle wird das Besondere des systemtheoretischen Kommunikationsverständnisses deutlich. Indem sie Äußerungen, auf die sie zugreift, durch diesen Zugriff als relevante entwirft, markiert sie durch diese Wahl ihres Anschlusses Information und Mitteilung. »Das soziale Verstehen ist der Anschluss selber« (Fuchs 2003a, 325). Das, was als Mitteilung und Information differenziert wird, bildet sich in der Verbindung mit dem kommunikativen Anschluss. »Erst das Verstehen eines Mitteilungsverhaltens als Mitteilung einer Information unterscheidet Kommunikation von bloßer Wahrnehmung des Verhaltens anderer. Am erwarteten Anschlussverhalten, am Annehmen oder Ablehnen einer von dem Mitteilungsverhalten unterschiedenen Information kann kontrolliert werden, ob Verstehen stattgefunden hat und an welchem Punkt die Kommunikation weitergehen wird« (Balgo 2013, 13). Dadurch ist sie nicht auf das Handeln eines einzelnen Subjektes zurückzuführen, sondern eine Synthese aller drei Selektionen (vgl. ebd.). Sie sollen hier noch einmal zusammengefasst werden in Information (Fremdreferenzialität), Mitteilung (Selbstreferenzialität) und Verstehen (Anschluss). Der Anschluss des sozialen Systems zeigt sich über Handlungen, die als Mitteilung beobachtbar werden. Mitteilungshandlungen81 werden damit zum Medium 79 | Diese Überlegung ist in Bezug auf den empirischen Teil der Arbeit von Bedeutung und wird in Kapitel 2.3 weiter ausgeführt. 80 | Hier wird deutlich, warum an einigen Stellen Kommunikation im Plural verwendet wird. 81 | Mitteilungshandlungen werden im Rahmen der Konstruktion sozialer Adressen bedeutsam. Dieser Aspekt wird in Kapitel 2.4 wieder aufgegriffen.

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des sozialen Systems. So schreibt Luhmann, »[…] daß erst in einem solchen Netzwerk der Kommunikation das erzeugt wird, was wir unter ›Handeln‹ verstehen« (Luhmann 2008, 109). Die Autopoiesis der Kommunikation In Kapitel 2.2.1 wurde als das Besondere des systemtheoretischen Sinnbegriffs vorgestellt, dass die System / Umwelt-Differenz als beobachtete Unterscheidung wieder in das System eingeführt wird und auf ihrer Grundlage Sinn gebildet wird, also über den Anschluss an den selbst hergestellten und bezeichneten Unterschied. Bezogen auf das soziale System kann das so verstanden werden, dass der aus der Differenz zwischen Information und Mitteilung gebildete Anschluss den Sinn konstruiert. Damit bestimmt der Anschluss, was das zuvor Geäußerte war, konstelliert also den Sinn (vgl. Fuchs 2010b, 13). Da das soziale System selbst im Medium Sinn entsteht, erschafft es über seine Konstruktion des sinnhaften Anschlusses sich selbst. So kann die Verstehenskomponente auch als eine der konstitutiven Bedingungen für die Operationsfähigkeit von sozialen Systemen beschrieben werden (vgl. Nassehi 1997, 137). »Soziale Systeme entstehen dadurch, daß Kommunikation in Gang kommt und sich autopoietisch aus sich selbst auf baut« (Luhmann 1997, 1138). Hier verdeutlicht sich die Autopoiesis des sozialen Systems, da sie die Komponenten, aus denen sie besteht, selbst erzeugt (vgl. Luhmann 200b, 50-51) und sich innerhalb ihres Differenzierens ausschließlich auf diese bezieht. Dabei ist ihre Syntheseleistung unbeobachtbar (vgl. Fuchs 2003a, 326),82 das System also operational geschlossen. Sein unterscheidendes Bezeichnen, Differenzieren, re-entry bleibt in es selbst eingeschlossen. Dadurch kann nicht direktiv eine Information als Mitteilung in ein anderes System eindringen und dort ebenso verstanden werden, wie es innerhalb der Bildung der Differenz verstanden wurde, die den Anschluss kreiert hat. Daraus folgt: Der kommunikative Anschluss entsteht immer aus den oben dargestellten Unterscheidungsleistungen . Auch er ist, ebenso wie der psychische Anschluss, indeterminabel (vgl. Kapitel 2.2.3). Die Entstehung und Fortsetzung von Kommunikation steht in der unmittelbaren Verbindung zur Zeit (vgl. Simon 2006, 88). Dadurch stellt sie sich als etwas enorm Flüchtiges dar. Damit Kommunikation Zeit überdauern kann, weiter existieren kann, muss sie an Kommunikation anschließen (vgl. ebd.). Einerseits gehört Kommunikation schon in dem Moment der Vergangenheit an, in dem sie abgeschlossen ist. Andererseits geschieht sie immer erst im Nachhinein, da sie erst über den kommunikativen Anschluss als Kommunikation markiert wird.83 Sie kann die Zukunft nicht vorwegnehmen. Alle Selektionen des sozialen Systems beziehen sich rekursiv in der bereits dargestellten Sinnzeit aufeinander (vgl. Kapitel 2.2.2). »Der Nachtrag seligiert den Sinn, aber gerade nicht geplant, sondern einzig dadurch, dass ereignishafte Anlässe sich durch Anschlussselektivität erst als kommunikative Anlässe im genauesten Verständnis: verstehen« (Fuchs 2010b, 15). Das soziale System verteilt Sinn. Es operiert dabei langsamer als das psychische System (vgl. Kapitel 2.2.3). 82 | Darüber begründet sich die Notwendigkeit, Kommunikation simplifiziert Mitteilungshandelnden zuzuschreiben, an denen sich der kommunikative Anschluss ausflaggt (vgl. Kapitel 2.4). 83 | Das besondere Zeitverständnis der Sinnzeit ist in Kapitel 2.2.2 dargestellt.

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Das soziale System und seine Umwelt Wie beschrieben, stellen das biologische System und das psychische System dem sozialen System die Voraussetzungen für sein Operieren bereit. So zitiert Balgo in Bezug auf Luhmann: »Autopoiesis qua Leben und qua Bewußtsein ist Voraussetzung der Bildung sozialer Systeme, und das heißt auch, daß soziale Systeme eine eigene Reproduktion nur verwirklichen können, wenn die Fortsetzung des Lebens und des Bewußtseins verwirklicht ist« (Luhmann in Balgo 1998, 200). Als Umgebung für das soziale System sind Bewusstsein und Leben notwendig.84 Als unmittelbar vorausgesetzte Umwelt des sozialen Systems fungiert eine Mehrheit psychischer Systeme.85 Es benötigt immer mindestens zwei Bewusstseinssysteme für seine Entstehung und ist damit keinem Einzelbewusstsein zuzuordnen (vgl. Luhmann 1997, 81). Das bedingt, dass die unmittelbare Verfügbarkeit zweier psychischer Systeme für das soziale Operieren immer vorausgesetzt werden muss.86 Die operationale Geschlossenheit der Sinnsysteme wird dadurch deutlich, dass die Kommunikation keine Auskunft darüber erteilt, »[…] was das als Umwelt beteiligte Bewusstseinssystem im Augenblick der Kommunikation parallel denkt« (Balgo 2011, 2). Das heißt, das soziale System hat keinen Zugang zu den Operationen des psychischen Systems. Insofern genügt dem sozialen System die Unterstellung, »[…] daß wahrnehmbare Teilnehmer wahrnehmen, daß sie wahrgenommen werden« (Luhmann 1997, 814). Damit ist gemeint: was und ob diese »wirklich« wahrnehmen, ist für die Fortsetzung der Kommunikation nicht relevant. So wird deutlich, dass Bewusstseinssysteme beobachtungsabhängig konstruiert werden. Entscheidend ist jedoch, dass ein zweites System als ein wahrnehmendes erkannt bzw. adressiert wird, da nur dadurch der kommunikative Anschluss gesichert ist 84 | Dabei ist ebenso für diese das Operieren des sozialen Systems existenziell: »Bewußtseinsmaschinen laufen nicht ohne Kommunikation« (Fuchs 1995, 131). Psychische Systeme können sich nicht gegenseitig anregen, sie benötigen dafür den Anschluss an soziale Operationen. »Es läßt sich sogar sagen, daß Kommunikation als emergente Ebene funktional nur deshalb möglich und nötig ist, weil psychische Systeme aufgrund ihrer operativen Geschlossenheit füreinander vollständig intransparent sind« (Nassehi 1997, 138). 85 | In Kapitel 2.5 wird die Verwobenheit psychischer und sozialer Systeme näher vorgestellt. 86 | Als übersichtliche Zusammenfassung der notwendigen Umwelt für soziale Systeme kann folgendes Zitat von Fuchs angeführt werden: • »Kommunikation kann nur in Gang kommen und betrieben werden, wenn in ihrer Umwelt Wahrnehmungsverarbeitung möglich ist, weil sie selbst über keinerlei Wahrnehmungsmöglichkeiten verfügt.
 • Kommunikation kann nur in Gang kommen und betrieben werden, wenn in ihrer Umwelt Sinnverarbeitungsmöglichkeiten nichtkommunikativer Art existieren, Prozessoren also, denen ein Binnenverhältnis zu sich selbst (Umgang mit der eigenen Selbstreferenz) unterstellt werden kann.
 • Kommunikation kann nur in Gang kommen und betrieben werden, wenn die relevanten Prozessoren ihrer Umwelt ihre Binnenzeit mit der Zeit der Sozialsysteme akkordieren können.
 • Kommunikation kann nur in Gang kommen und betrieben werden, wenn die Differenz von Mitteilung und Information auch psychisch beobachtet und deswegen verstanden werden kann« (Fuchs 2002, 4-5).

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und Kommunikation entsteht.87 Überdies wird nachvollziehbar, dass das Bewusstsein Kommunikation nicht erzeugen oder den kommunikativen Anschluss nicht bestimmen kann. Dennoch: Das Bewusstsein als weiteres Sinnsystem nimmt eine exponierte Stellung ein, das soziale System zu irritieren (vgl. Luhmann 2008, 18). Das soziale System lässt sich durch Bewusstsein reizen, jedoch nicht durch physikalische, chemische, biochemische oder neurophysiologische Operationen (vgl. Luhmann 2008, 46). »Soziale Systeme entstehen auf Grund der Geräusche, die psychische Systeme erzeugen bei ihren Versuchen zu kommunizieren« (Luhmann 1991, 292). In Kapitel 2.2 wurde erläutert, dass diese Unmittelbarkeit bei den anderen Systemen nicht besteht. Durch die enge Verwobenheit zwischen psychischem und sozialem System kommt es zu besonderen Anschlussprozessen. Auf diese wird an anderer Stelle näher eingegangen (vgl. Kapitel 2.5 und 2.6). Das Besondere der Autopoiesis von Kommunikation und der Raum, der sich durch diese Betrachtungsweise auch für die Heilpädagogik eröffnet, ist, dass kommunikativ auch angeschlossen werden kann, wenn nicht bei allen die Kommunikation irritierenden psychischen Systemen an das »gleiche« Verstehen angeschlossen wird. Da das Verstehen in jedem System emergent gebildet wird, ist es systemübergreifend in keinem Fall in Übereinstimmung zu bringen. Für die Fortsetzung der Kommunikation ist das nicht von Bedeutung. Für sie ist einzig relevant, dass an Kommunikation mit weiterer Kommunikation angeschlossen wird. »Soziales Verstehen wird vom psychischen Verstehen als eine innerpsychische Bewertung des Anschlusses unterschieden« (Terfloth 2006, 54). Für die Aufrechterhaltung sozialer Operation geht es nur darum, ob an angebotene Kommunikation mit der Kommunikation eines anderen Systems (immer in Abhängigkeit zu der jeweiligen Beobachterposition) angeschlossen werden kann. In der Heilpädagogik bieten sich über die Autopoiesis des sozialen Systems verschiedene Möglichkeiten, kommunikative Anschlüsse anzuregen. In der Auswertung der empirischen Daten wird das berücksichtigt (vgl. Kapitel 5). Sprache und Kommunikation Kommunikation ist in der Lage, eine Art Generalisierung von Sinn zu leisten, da sie über Zeichengebrauch operiert und so einen Transfer von Sinnbildungsprozessen ermöglicht. Die Funktion des sozialen Systems kann dabei in der Erzeugung von Anschlussfähigkeit gesehen werden. In den meisten Veröffentlichungen wird das Medium Sprache, als die primäre Operationsform des sozialen Systems (vgl. Hafen 2011, 4), als Verbalsprache dargestellt. Da innerhalb des heilpädagogischen Kontextes sehr verschiedene Formen von Zeichengebrauch bestehen, soll an dieser Stelle, als Ergänzung zum vorhergehenden Kapitel, Sprache hinsichtlich sozialen Operierens thematisiert werden. Die grundlegendste Selektion der Kommunikation ist die von Luhmann als Ja / Nein-Fassung bezeichnete (vgl. Luhmann 2008, 116). »Was nämlich auch im87 | Beispielhaft sind hier die kommunikativen Anschlüsse, die innerhalb der Tragikomödie »Lars und die Frauen« zwischen dem Protagonisten Lars und einer Puppe beobachtbar werden (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lars_und_die_Frauen, Zugriff am 08.08.2012). Nassehi verdeutlicht vergleichbar, dass entsprechend an Umwelt angeschlossen werden kann, wenn lediglich dieser sinnverarbeitende Bezug unterstellt wird (vgl. Nassehi 1997, 141).

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mer Kommunikation sein mag, sie wird auf alle Fälle ständig begleitet von einer Ja / Nein-Option, von der Möglichkeit der Zustimmung oder der Ablehnung« (Fuchs 1995a, 15). Folgerichtig beschreibt Luhmann, dass die Autopoiesis des sozialen Systems davon abhängt, ob an angebotene Kommunikation angeschlossen wird (Ja-Fassung) oder ob sie abgelehnt wird (Nein-Fassung). Durch die Entscheidung für die Ja- oder Nein-Fassung wird die Kommunikation fortgesetzt oder nicht fortgesetzt. Sie entscheidet über das Annehmen oder Ablehnen von Sinnvorschlägen (vgl. Luhmann 2008, 245) und führt es damit gleichzeitig herbei. »Sie differenziert die Anschlußposition für die nächste Kommunikation, die nun entweder auf erreichtem Konsens auf bauen oder dem Dissens nachgehen oder auch versuchen kann, das Problem zu cachieren und den heiklen Punkt künftig zu vermeiden« (Luhmann 2008, 116). Wenn man von dieser grundlegenden Selektion ausgeht, kann das bedeuten, dass dieses die elementarste Ebene ist, über die Kommunikation aufgebaut werden kann.88 So ist über diese Ebene auch eine Kommunikation möglich, wenn z. B. keine Verbalsprache zur Verfügung steht. Ein bestätigender Kontakt, wie er beispielsweise über ein Nicken des Kopfes angezeigt werden kann, ist hier beispielhaft. So schreibt Luhmann, solange die Differenz von Information und Mitteilung herstellbar sei, sei Kommunikation auch ohne Sprache möglich (vgl. Luhmann 1991, 208). »Es geht nur um eine Unterscheidung, die das Bewußtsein der Beteiligten macht, und um Schwerpunkte der Inanspruchnahme von Aufmerksamkeit« (Luhmann 2008, 185). Insofern kann auch nichtsprachliches Verhalten Kommunikation sein, »[…] wann immer der Wahrnehmende eine Mitteilungsabsicht und damit eine Differenz von Mitteilung und Information hineinliest und darauf seinerseits durch Kommunikation reagiert« (ebd.). Simon bezeichnet vergleichbar differenziert auch »Bruchstücke von Konversation« als Teile einer Kommunikation (vgl. Simon 2006, 88). Schleiffer erläutert vergleichbar: »In dem Augenblick, in dem das psychische System des Kindes den Baby Talk als sinnhaft wahrnimmt, erweist sich diese Alsob-Kommunikation als anschlussfähig. Und: Wenn diese Kommunikation anschlussfähig ist, erfährt sich das Kind als Sinn in Anspruch nehmender Akteur. Voraussetzung für diesen bedeutsamen Entwicklungsschritt ist die Fähigkeit, die Information einer Mitteilung von anderen Informationen unterscheiden zu können« (Schleiffer 2012, 103).89 Diese wortlose Kommunikation ist nach Luhmann stark an wechselseitig-reflexives Wahrnehmen gebunden. Die Zeitebene spielt hier seiner Auffassung nach 88 | Nach Luhmann gibt es nur eine höhere Ebene, die sich dieser Einteilung entzieht: die Welt im Sinne der Phänomenologie (vgl. Luhmann 2008, 116). In ihr spiegelt sich alles Mögliche wider (vgl. Kapitel 2.2.1). Sie bietet damit dem gegenüberliegenden Pool die größte mögliche Verbindungsebene, der sich kein System entziehen kann. Die Welt bildet den komplexesten Sinnhorizont ab, an den angeschlossen werden kann. Über die Welt ist die größte Auswahl gegeben, nach Anschlussmöglichkeiten und Fortsetzbarkeitsbedingungen für Kommunikation zu suchen. Diese Ebene ist für die Heilpädagogik interessant, da über sie ein kommunikativer Anschluss an Personen möglich sein kann, die als schwer behindert adressiert werden (vgl. Kapitel 2.4). 89 | Hier wird die Generierung des Sinnbezuges deutlich: Aus der Differenz von Selbstreferenz und Fremdreferenz wird Erleben in Verstehen transformiert (vgl. Luhmann 1991, 110), als Anschluss.

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eine sehr viel größere Rolle als beispielsweise in der Verbalsprache, die ja auch fernmündlich möglich ist, oder in der Schriftsprache, die über Bücher vermittelt andere Zeiträume kompensiert. »Mehr und mehr wird Kommunikation auch dann möglich, wenn man nicht in der Lage ist, gleichzeitig wahrzunehmen, was andere wahrnehmen, und damit auch unabhängig davon, ob andere wahrnehmen, daß man wahrnimmt, was man wahrnimmt« (Luhmann 2008, 47). Für Luhmann ist damit auch ein wortlos-gemeinsames Erleben als Kommunikation möglich, auf der Basis einer für die Beteiligten verständlichen Darstellung (vgl. ebd.). Vergleichbar referiert Terfloth auf einen Sprachbegriff, der jeden Zeichengebrauch berücksichtigt, dem ein Sinnbezug zugeschrieben wird (vgl. Terfloth 2007, 49). »Gemeint sind damit auch Laute, gestischer und mimischer Ausdruck sowie das gerichtete Zeigen auf Gegenstände oder Symbole« (ebd.). Auch Fuchs bindet Kommunikation nicht an verbale Sprache. So schreibt er: »Einfache Wahrnehmungsstörungen (wie Blindheit, Hörschädigung etc. zeigen) schließen Kommunikation nicht aus, sie erzeugen vielmehr Sozialsysteme mit (auf dem Horizont routinierter Erwartungen) eigentümlichen Interpenetrationsergebnissen: auf beiden Seiten, in Bewußtsein und Kommunikation« (Fuchs 1995, 138).90 Für Luhmann laufen die verschiedenen Formen der Kommunikation parallel. Die abstrakteren Formen von Sprache ordnet er evolutionstechnisch später an als ihre konkreteren Formen (vgl. Ausführungen zum Wahrnehmungsbegriff des vorherigen Kapitels). Zunächst soll hier resümiert werden, dass das soziale System außerhalb von Verbalsprache operieren kann. Im Rahmen dieser Arbeit wird zugrunde gelegt, dass über vielfältige Formen ein sozialer (und psychischer) Anschluss erfolgen kann, das heißt, auch nonverbaler Zeichengebrauch wie beispielsweise Gebärden oder visuelle Symbolsysteme sind einbezogen. In der Auswertung der empirischen Erhebung wird bedeutsam sein, inwiefern sich die verschiedenen Sprachformen auf den kommunikativen Anschluss bzw. Nicht-Anschluss auswirken. Für die systemtheoretische Betrachtung inklusiver und exklusiver Prozesse ist noch entscheidend, dass Kommunikation sich nicht primär am Konsens orientiert. »Man kann auch kommunizieren, um Dissens zu markieren, man kann sich streiten wollen, und es gibt keinen zwingenden Grund, die Konsenssuche für rationaler zu halten als die Dissenssuche« (Luhmann 2002b, 53). Das bedeutet, dass sich der kommunikative Anschluss nicht an dem orientiert, was auf Zustimmung stößt (vgl. dazu auch Kapitel 2.2.2, Sozialdimension).91 Jedoch ist die Ausrichtung nach relevanten Themen zentral (vgl. Kapitel 2.2.2, Sachdimension). Thema und Beitrag Ergänzend zur Sprache soll noch in die Differenz von Thema und Beitrag eingeführt werden, da sie im Rahmen der Auswertung der empirischen Erhebung funktional ist. Aus systemtheoretischer Sicht stellt sich das Thema dabei als etwas Zeitgedehntes dar, das durch Beiträge entsteht, diese aber dominiert. So veranschaulicht Luhmann: »Themen überdauern Beiträge, sie fassen verschiedene Beiträge zu einem länger dauernden, kurzfristigen oder auch langfristigen Sinnzusammenhang zusammen« (Luhmann 1991, 213).

90 | Der Terminus Interpenetration wird in Kapitel 2.5.1 dargelegt. 91 | In Kapitel 2.6 wird dieser Aspekt weiter ausgeführt.

2.  Theoretische Rahmung

Die Differenz von Thema und Beitrag wirkt sich auf alle Sinndimensionen aus bzw. ist in allen bedeutsam. So diskriminieren Themen die Beiträge und damit auch das, was als kommunikativ auf der Ebene der Sachdimension relevant erscheint (vgl. ebd.). Zu bestimmten Themen sind nur spezifische Beiträge kommunikativ anschlussfähig. An dieser Stelle ist interessant zu beobachten: Um welche Themen geht es in der kindlichen Kommunikation? Woran schließt die Kommunikation der Kinder an? Zu welchen Themen haben alle / v iele etwas beizutragen, welche Themen werden kommuniziert? In Bezug auf die Sozialdimension kann ausgewertet werden: Sind nur jene Personen kommunikativ relevant, die zu bestimmten Themen etwas beitragen können? Von welchen Personen oder Rollen gehen Themen aus? So merkt Luhmann an: »Kommunikation dient auch dem Sichpräsentieren, dem Sichkennenlernen […]« (Luhmann 1991, 215).92 Über die Zeitdimension wird entschieden, wann, ob überhaupt und über welche Dauer ein Thema zu kommunizieren ist. So wird es möglicherweise bezogen auf Themen spezifische Zeitpunkte oder Zeitspannen geben, innerhalb derer diese relevant sind. Darüber hinaus wird es während des Interviews unterschiedlich lange Beiträge von den Interviewten zu einem Thema geben, worüber das Thema unterschiedlich zeitgedehnt kommuniziert wird. Ggf. wird es bezogen auf einige Themen immer wieder Beiträge geben, andere hingegen erreichen schnell einen Sättigungsgrad. Auch hier wird erkenntniserweiternd sein zu differenzieren, ob sich davon ausgehend etwas über die Bedeutsamkeit der Kinder als Mitteilungshandelnde beobachten lässt. Luhmann hebt im Rahmen des Kommunikationsbegriffs das besondere Verhältnis von Wissen zu Nicht-Wissen hervor. Die Kommunikation »[…] lebt, könnte man auch sagen, von ungleich verteiltem Wissen / Nichtwissen« (Luhmann 1997, 40) der beteiligten psychischen Systeme. So ist es wichtig einzuschätzen, welche Mitteilung für andere eine Information darstellt und dass jedes teilnehmende psychische System etwas von dem, was kommuniziert wird, auch nicht weiß, um Informationen aufnehmen zu können (vgl. Luhmann 1997, 39). Nach Luhmann erzeugt und testet die Kommunikation selbst das für ihre operative Fortsetzung notwendige Nichtwissen. »Sie beruht auf der Form des Wissens, die immer zugleich eine andere Seites des noch nicht Gewußten mitlaufen läßt« (Luhmann 1997, 40). So zeigt sich an dieser Stelle, dass der kommunikative Anschluss, und damit die Fortsetzung der Kommunikation, nur über ein Thema gelingt, zu dem Beiträge mit verschiedenem Informationsgehalt kommuniziert werden. Doppelte Kontingenz Der Kontingenzbegriff wurde bereits in Kapitel 2.2.1 eingeführt. Seine Bedeutung für Kommunikation soll hier vorgestellt werden. Kontingenz im Kontext sozialer Operationen besagt, dass das, was an Kommunikation erwartet wird, nicht als etwas sicher Gegebenes erwartbar sein kann. Soziale Anschlüsse sind nicht bestimmbar. In Bezug auf den psychischen Anschluss an Kommunikation drückt 92 | Dieses wird im Rahmen der empirischen Erhebung genutzt. So regt die Interviewerin über ihre Beiträge zu einem kommunikativen Anschluss an ein Thema an, das aus ihrer Perspektive im Rahmen der Fragestellung dieser Arbeit relevant erscheint. Ob dadurch jedoch die intendierten sinnhaften Anschlüsse erfolgen, wird die Erhebung bzw. die Auswertung der Erhebung zeigen (vgl. Kapitel 4.1.3).

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dieser Terminus aus, dass die Deutung von Äußerungen immer auch anders möglich ist, als sie aktuell beobachtet wird. So veranschaulicht Luhmann: Individuelles Verhalten ist unvorhersehbar, auch bei Individuen, die man zu kennen glaubt (vgl. Luhmann 2002, 25). Er konkretisiert, dass mal dem einen, mal dem anderen Ziel Vorzug eingeräumt wird und dass genau diese Entscheidung nicht berechenbar ist (vgl. Luhmann 1996, 21). Die doppelte Kontingenz weist damit darauf hin, dass Kontingenz für jedes anschließende System gedacht werden muss, also in Bezug auf alle an Kommunikation beteiligten Systeme zu berücksichtigen ist. Dies eröffnet unterschiedliche Perspektiven: Aus einer Perspektive werden dadurch Herausforderungen deutlich: Psychisch muss die freie Wahlmöglichkeit des Anschlusses der Kommunikation bewältigt werden (vgl. Simon 2006, 95). Das soziale System muss berücksichtigen, dass das psychische System ebenfalls ein geschlossenes System ist, welches […] zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Prioritäten setzt (vgl. Luhmann 2004, 251). Aus einer anderen Perspektive erscheinen soziale Anschlüsse als Lösung des Problems der doppelten Kontingenz (vgl. Fuchs 2004a, 37), indem sie Möglichkeiten der Sinnbestimmung eingrenzen und damit simplifizierend wirken. Aus einer dritten Perspektive bietet die doppelte Kontingenz einen Spielraum an, welcher sozial und psychisch unterschiedlich gefüllt werden kann. Somit eröffnet sie auch ein Potenzial an Optionen für Kommunikation und Handlungsräume (auch für Anregungen Professioneller). Durch eine Veränderung der Betrachtungsweise modifiziert sich das Betrachtete (vgl. Kapitel 2.3). Das, was in Erscheinung tritt (und möglicherweise unerwünscht ist), muss nicht beständig sein. Es lässt sich […] verändern oder auflösen (vgl. Luhmann 1996, 18). Vogd postuliert, der doppelten Kontingenz werde in der Kommunikation über Zurechnungs- und Erwartungsmuster begegnet (vgl. Vogd 2011, 94). Simon führt an dieser Stelle den Prozess der Sozialisation an (vgl. Simon 2006, 93) (vgl. Kapitel 2.5.1). Berücksichtigt man die hier skizzierte Komplexität und orientiert sich nicht an dem, was am meisten in Erscheinung tritt, kommt man nach Luhmann dem professionellen Umgang mit Kommunikation, der Kommunikation eines Spezialisten am nächsten, da Kontingenz berücksichtigt wird (vgl. Luhmann 1996, 22). Über die Äußerungen der Kinder innerhalb der Interviews können Zurechnungsund Erwartungsmuster interpretiert werden (vgl. Kapitel 3.3). Gegebenenfalls gelangen dadurch bisher unbekannte Unterscheidungen in den wissenschaftlichen Beobachtungsfokus und regen in diesem Sinne die professionelle Kommunikation an. Das dadurch Beobachtbare lässt sich durch den systemtheoretischen Beobachtungsbegriff weiter differenzieren. Um ihn geht es im folgenden Kapitel.

2.3 D ie B eobachtung »Beobachtung nehmen wir als Letzt- oder Leitbegriff, der immer vorausgesetzt ist.« F uchs 2004 a , 11

In diesem Kapitel wird eine weitere theoretische Säule der Systemtheorie vorgestellt: die Beobachtung (vgl. Balgo 1998, 90). An dieser Stelle des Textes geht es da-

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rum, in die besondere Sicht der systemtheoretischen Definition von Beobachtung einzuführen. Sie wird in Verbindung mit dem empirischen Teil der Arbeit nutzbar gemacht. Beobachtung als Operation »Beobachten ist das unterscheidende Bezeichnen« (Luhmann 2008, 47). In dieser Beschreibung sind zwei wesentliche Differenzierungsakte markiert, die den systemtheoretischen Beobachtungsbegriff kennzeichnen: Das Unterscheiden und die Bezeichnung des Unterschiedenen: »Von Beobachtung soll (im Anschluss an die Logik von George Spencer-Brown) immer dann die Rede sein, wenn eine Operation eine Unterscheidung verwendet, um innerhalb dieser Unterscheidung die eine oder die andere Seite bezeichnen zu können. Beobachten ist mithin die Operation des Bezeichnens-anhand-einer-Unterscheidung« (Luhmann 2008, 61).93 Der besondere »Abstraktions-Kniff«, der sich daraus ergibt ist, dass es hier nicht nur um einen Verweis auf etwas geht, das Unterschiedene, sondern über die Bezeichnung der einen und nicht der anderen Seite ein Sinnbezug ins Spiel kommt, der beobachtungsabhängig konstruiert wird und sich sinnbasiert vollzieht (vgl. Fuchs 2013, 30). »Spencer-Brown verdeutlicht diesen Vorgang durch das folgende als sogenanntes ›cross‹ beschriebene Zeichen:

Die vertikale Linie trennt oder unterscheidet dabei zwei Seiten voneinander, und die horizontale Linie fungiert als ein Weiser, der die eine und nicht die andere Seite dieser Unterscheidung bezeichnet« (Balgo 2013a, 8). Es geht also weniger darum, was unterschieden wird, sondern eher darum, wie unterschieden wird, auf der Grundlage welcher unterscheidenden Bezeichnung. So übersetzt Fuchs die Anweisung von Spencer-Browns: »Draw a distinction« mit »Bezeichne – und du wirst unterschieden haben!« (Fuchs 2004a, 18). Über den Vorgang der Unterscheidung vollzieht sich die Konstruktion von Sinn. Im Gegensatz zum Alltagsgebrauch ist in der Systemtheorie der Begriff der Beobachtung, was ungewöhnlich erscheint, nicht an psychische Systeme gebunden. Systemtheoretisch stellt er, als Differenzbegriff importiert, die Grundlage der in den vorhergehenden Kapiteln dargelegten sozialen und psychischen Operationen dar (vgl. Kapitel 2.1). Das heißt, Beobachtung ist sowohl über Kommunikation, die Operationsweise sozialer Systeme, als auch über Denken, die Operationsform psychischer Systeme, möglich (vgl. Luhmann 2002a, 67). Die Unterscheidung und die Bezeichnung werden systemspezifisch über die systemtypischen Operationen vollzogen und stellen sich insofern dar als »[…] die tragenden Operationen von Sinn 93 | Spencer-Brown unterscheidet zwischen dem »marked space« (markierten Bedeutungsraum) und dem »unmarked space« (unmarkierten Bedeutungsraum) (vgl. Balgo 2013a, 8-9). Innerhalb des unterscheidenden Bezeichnens setzt der Differenzierungsprozess voraus, dass auf der Grundlage von etwas Unmarkiertem markiert wurde. Die Möglichkeit, Unterschiede zu bezeichnen, vollzieht sich vor dem Hintergrund von Un-Unterschiedenem. Der unmarkierte Bedeutungsraum gelangt so mit in den Unterscheidungsprozess, auch wenn er unsichtbar, da unmarkiert bleibt.

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verarbeitenden, also psychischen und sozialen Systemen« (Hafen 2011, 8). Aus einer anderen Perspektive heraus stellt sich die Beobachtung damit auch als an die Operation gebunden dar: »Beobachten ist, in welchem System auch immer, nur als Operation möglich; anders kann sie sich nicht ereignen« (Luhmann 2008, 21). Martin Hafen weist unter Bezug auf Luhmann darauf hin, dass dieser Beobachtungsbegriff zwei unterschiedliche Ebenen vereint: die Ebene des Konstruierens (über die systemspezifische Operation) und die Ebene der Konstruktion (über die systemspezifische Beobachtung) (vgl. Hafen 2011a, 81). Entsprechend konkretisiert Luhmann selbst: »Beobachten wird als eine Operation gesehen und der Beobachter als ein System, das sich bildet, wenn solche Operationen nicht nur Einzelereignisse sind, sondern sich zu Sequenzen verketten, die sich von der Umwelt unterscheiden lassen« (Luhmann 2011, 137). So lassen sich Beobachtungen auch als eine Art elementares »Differenzierungsoperieren« beschreiben, das je nach Systemtypus unterschiedlich umgesetzt wird. »Beobachtungen sind doppelt beobachtbar: als Momente des Systems, das sie realisieren, und als Elemente, in denen Etwas unterschieden und bezeichnet wird. Diese doppelte Beobachtbarkeit (the same is different) begründet den Unterschied von Fremd- und Selbstreferenz« (Fuchs 2004a, 19). Diese Differenz kann auch als die allgemeinste Form von Sinnoperationen bezeichnet werden (vgl. Fuchs 2011, 47). Selbst- und Fremdreferenz der Beobachtung Aus systemtheoretischer Sicht sind Beobachtungsoperationen zunächst selbstreferenziell organisiert (vgl. Luhmann 1991, 25). Das heißt, dass sich psychische und soziale Beobachtungen immer erst einmal auf sich selbst beziehen, als eigengesteuerte Sinnverarbeitung. »Die System / Umwelt-Differenz wird in das System, aber nicht in die Umwelt, hineincopiert« (Luhmann 2008, 21). Dieses können sie jedoch nur anhand von Unterscheidungen, die sich von diesen abheben. An dieser Stelle kommt Fremdreferenz ins Spiel. So schlussfolgert Luhmann, dass ein System für seine Beobachtungspraxis über die Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz verfügen muss (vgl. ebd.). In der Beobachtung nach innen entsteht das System. In der Beobachtung nach außen entsteht die Umwelt (vgl. Kapitel 2.1, die System / Umwelt-Differenz). Innerhalb beider Bezüge ist entscheidend: Aus welchen Sinn-Konstruktionen heraus ergeben sich seine Unterscheidungen? So schreibt Hafen: »Der Begriff der Beobachtung umschreibt ein ›UnterscheidenBezeichnen‹, also nicht nur das Setzen einer Unterscheidung, sondern auch die Bezeichnung der einen (und nicht der andern) Seite« (Hafen 2011, 8). Daraus erwächst die Konstruktion, dass erst aus der Beobachtung heraus dasjenige entsteht, was für Systeme als etwas anderes wahrgenommen wird, der Aspekt der Fremdreferenz.94 So kann alles als Erkenntnis Bezeichnete als eine Konstruktion des Systems, welches beobachtet, bezeichnet werden (vgl. Lambers 2012, 367). Hier wird nachvollziehbar, dass das, was beobachtbar wird, von dem, wie beobachtet wird, bestimmt ist. Der blinde Fleck (vgl. von Foerster 1992, 49-51) verweist dabei auf das Nicht-Bezeichnete.

94 | So könnte auch geschlussfolgert werden: Über viel Fremdreferenz wird die Welt groß /  r eich, über wenig Fremdreferenz wird die Welt klein / a rm, wenn es einen Beobachterstandpunkt gäbe, der das Sein in der Welt bewerten könnte.

2.  Theoretische Rahmung

Der blinde Fleck Wie dargestellt, sind autopoietische Systeme operational geschlossen (vgl. Kapitel 2.1). Ihr Operieren, und damit ihr unterscheidendes Bezeichnen, bildet sich aus ihren spezifischen Beobachtungsperspektiven heraus, die nicht einsehbar sind. Über den Beobachtungsvorgang findet ein Orientieren (Unterscheidungsleistungen) und ein Markieren (Bezeichnungsleistungen) statt, durch die etwas sichtbar wird vor dem Hintergrund von etwas Unsichtbarem: Das eine wird zu der markierten Seite, die erst entsteht vor dem Hintergrund der anderen, der unmarkierten Seite. Durch die Operation wird etwas bezeichnet, das erst über die in der Operation liegende Unterscheidung sichtbar wird. »Die Bezeichnung ist die Operation, die Unterscheidungen auf blendbar macht« (Fuchs 2004a, 19). Mit dem blinden Fleck ist in der systemtheoretischen Betrachtung das Unbenannte gemeint, vor dessen Horizont sich das Bezeichnete abhebt. Somit ist die immer vorausgesetzte, nicht bezeichnete Seite der Unterscheidung der blinde Fleck. Oder anders formuliert: Um beobachten zu können, trifft das System eine Unterscheidung und nimmt eine Auswahl vor. Diese Auswahl spezifiziert den Fokus, richtet das System nach etwas aus (»marked space«). Über den Standpunkt der Beobachtung des Systems tritt jedoch anderes in den Hintergrund bzw. wird gar nicht wahrgenommen (»unmarked space«) (vgl. Spencer-Brown in Balgo 2013a, 8-9). Es entsteht ein blinder Fleck, der als solcher im Prozess der Beobachtung nicht erkannt wird. So konkretisiert Fuchs, »[…] daß man nur sieht, was man sieht, und nicht sieht, was man nicht sieht, und nicht einmal sieht, daß man nicht sieht« (Fuchs 2004a, 21). Indem über die Entscheidung für einen Standpunkt der Beobachtung die Welt in der dem Beobachter erscheinenden Form konstruiert wird, schließt er immer etwas anderes als Erscheinung, als Welt aus. Gerade die Entscheidung für eine Perspektive, die ein Erkennen ermöglicht, verhindert dabei, etwas anderes zu sehen (vgl. Kapitel 3.2.2). Über die Beobachtung an einer anderen Zeitstelle, die das Beobachten beobachtet und damit eine andere Beobachtungsposition einnimmt, ist ein »Kreuzen« (s. u.) möglich und damit die Beobachtung eines Teils des blinden Fleckes. Die im Folgenden erläuterten Ebenen der Beobachtung stellen diese Möglichkeit näher dar. Ebenen der Beobachtung Systemtheoretisch können drei verschiedene Ebenen von Beobachtungen unterschieden werden: Das Referieren, die Beobachtung erster Ordnung und die Beobachtung zweiter Ordnung (vgl. Fuchs 2010b, 19).95 Das Referieren beschreibt eine Art Vorform der Beobachtung, in der die vollzogene Differenz nicht thematisiert wird. Sie bezieht sich auf das Aufgreifen eines Unterschieds, ohne dass dieser Unterschied als ein solcher bezeichnet oder markiert wird (vgl. Fuchs 2010b, 20). Er ist nicht zugänglich, jedoch strukturelle Voraussetzung für weiteres Operieren. Das Referieren auf »Etwas« stellt die basalste Form der Selektion dar. In der Beobachtung erster Ordnung werden die über das Referieren auf »Etwas« differenzierten Unterschiede markiert und dadurch Unterscheidungen explizit 95 | Aktuell arbeitet Fuchs an der Beobachtungsebene dritter Ordnung. Er beschreibt sie als Formfindungsform (vgl. Fuchs iATS 28.09.2013). Da diese Überlegungen zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Arbeit noch nicht abgeschlossen sind, werden sie hier nicht berücksichtigt.

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prozessiert. Sie sind im Gegensatz zum Unterschied thematisierbar. Die Beobachtung erster Ordnung trifft Unterscheidungen als Zweiseitenform und konstruiert davon ausgehend eine Umwelt, die begrifflich gefasst werden kann. Sie setzt jedoch diese Differenz nicht kontingent, nicht in Beziehung zu auch anders möglichen Unterscheidungen. »Auf der Beobachtungsebene erster Ordnung steht die Welt, die durch Beobachtungen inszeniert wird, außer Frage. Wie komplex Beobachtung auch immer werden mag, sie ist Beobachtung von Etwas, das im Moment der Bezeichnung als nicht fraglich behandelt wird« (Fuchs 2004a, 21). Auf der Beobachterebene zweiter Ordnung wird das Beobachten beobachtet. Sie ermöglicht, Unterscheidungen zu erkennen und diese als Beobachtung von Beobachtungen, als Beobachtung von auch anders möglichen Unterscheidungen gegenzubeobachten und bezieht somit den Beobachter in den Beobachtungsprozess mit ein (vgl. Fuchs 2010a, 50-51). Die Beobachtungsebene zweiter Ordnung erscheint in zeitlicher Distanz zu der Beobachtung erster Ordnung und bietet dadurch die Möglichkeit, die Standortgebundenheit der Beobachtung erster Ordnung einzubeziehen. Die Beobachtungsebene erster Ordnung bildet Ontologien, welche über die Ebene zweiter Ordnung relativiert werden können, Kontingenz wird berücksichtigt (vgl. ebd.). Wichtig ist, dass es hierbei nicht um Unterscheidungen von Unterscheidungen allein geht, »[…] sondern im Zentrum steht die Beobachtung eines operierenden Systems durch einen Beobachter, der auf die anderen Möglichkeiten des Unterscheidens im beobachteten System achtet, die es in Operation nicht nutzt« (Fuchs 14.11.201396). So wird es möglich, beobachtete Unterscheidungen als auch anders mögliche Unterscheidungen zu beobachten (vgl. Fuchs 2004a, 21). Duale Betrachtungsweisen lassen sich aufheben, da eine Differenz über diese Ebene nicht nur innerhalb eines Kontextes betrachtet werden kann. Luhmann bezieht sich an dieser Stelle auf die Ebene der second order cybernetics im Sinne von Foersters (vgl. Luhmann 2008, 110). von Foerster hat die Beobachtung zweiter Ordnung entwickelt. Jedoch wird auch der Beobachtungsstandpunkt zweiter Ordnung aus einer spezifischen Beobachtungsperspektive vorgenommen und ist nicht frei von Unerkanntem. »Beobachten kann man nur mit Hilfe eines Schnittes, einer Grenze, einer Einkerbung, die man zwar kreuzen, aber nicht ›aufheben‹ kann, ohne ins Unbeobachtbare zurückzukehren« (Luhmann 2002a, 70). Auch diese Position ist eine Beobachtungsposition und nicht außenstehend und damit nicht »neutral«. Auch sie nimmt Unterscheidungsleistungen vor, die innerhalb ihrer Bezeichnungen Ausgeschlossenes nicht markiert (vgl. König, Zedler 2002, 188). »Alles Beobachtbare ist Eigenleistung des Beobachters, eingeschlossen das Beobachten von Beobachtern. Also gibt es in der Umwelt nichts, was der Erkenntnis entspricht; denn alles, was der Erkenntnis entspricht, ist abhängig von Unterscheidungen, innerhalb derer sie etwas als dies und nicht das bezeichnet« (Luhmann 2001, 223). Daraus folgt, dass über die Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung nur weitere Beobachtungsoptionen möglich werden, jedoch auch hier nichts über etwas außerhalb eines Systems Bestehendes als absolut Geltendes gesagt werden kann. An dieser Stelle wird die Selbstreferenz und die operationale Geschlossenheit innerhalb des Beobachtungsvorgangs besonders deutlich. 96 | Dieses Zitat von Fuchs ist im iATS unter der Rubrik Foren »Einführungskurs in die allgemeine Theorie der Sinnsysteme« veröffentlicht.

2.  Theoretische Rahmung

Im systemtheoretischen Kontext wird über die Bezeichnung eines Sinnbezugs als »hin-beobachteten« darauf verwiesen, dass es sich um eine beobachtungsabhängige Unterscheidungsleistung handelt (vgl. Fuchs 2010b, 15; Fuchs 2011, 27). Der Beobachtungsstandpunkt wird berücksichtigt.97 Alternativ werden in diesem Zusammenhang auch die Begriffe »Zurechnung« oder »Attribution« verwendet (vgl. Luhmann 2008, 16). Um den Beobachtungsstandpunkt bei der Bezugnahme auf etwas auch im Rahmen dieser Arbeit sprachlich zu markieren, z. B. hinsichtlich der Auswertung der empirischen Daten, wird nachstehend der Terminus »hin-beobachten« im hier dargestellten Sinne genutzt. Mit der Formulierung, dass auf etwas hin-beobachtet wird, wird aufgegriffen, dass über die Beobachtung auf Unterschiedenes verwiesen wird. Die Bezugnahme auf den Zurechnungspunkt (vgl. Balgo 2013a, 19) als einen solchen wird berücksichtigt. In den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 werden diese Aspekte für die wissenschaftliche Beobachtung wieder aufgegriffen. Variablen im Kontext von Beobachtung Die systemtheoretische Betrachtungsweise der Operation Beobachtung ermöglicht, die Welt nicht als eine gegebene aufzufassen, sondern als eine, die in einer Vielzahl von Möglichkeiten erscheinen kann. Diese Vielzahl ergibt sich aus den unterschiedlichen Variablen im Kontext von Beobachtung und ihrem selbstreferenziellen Systembezug. Diese sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden. Systemtheoretisch gesehen gibt es nicht einen gültigen Beobachtungsstandpunkt. Fuchs beschreibt am Beispiel der funktional differenzierten Gesellschaft, dass jedes Ereignis ein mehrfach beobachtetes Ereignis ist (vgl. Fuchs 2009, 9). Aus den verschiedenen Funktionsbereichen der Gesellschaft heraus wird ein Ereignis unterschiedlich beobachtet, da in verschiedenen Kontexten operiert wird. Das heißt, es gibt keine unabhängige Instanz, die Beobachtungen bewertet und ihr einen allgemeingültigen Realitätsanspruch zuschreiben kann. Es gibt keinen Ort, der das Ganze repräsentiert. Systemtheoretisch wird nicht von einer monokontexturalen, sondern von einer polykontexturalen98 Beobachtung ausgegangen (vgl. Luhmann 2002a, 63), wenn dargestellt werden soll, dass ein Ereignis in der Welt immer ein vielfach beobachtetes Ereignis ist. Der Ort, von dem ausgehend die Welt betrachtet wird, bestimmt die Beobachtungsperspektive. Und dieser Ort ist durch die beschriebene Vielheit unterschiedlich bestimmbar. Eine weitere Ursache der Unberechenbarkeit der Beobachterperspektive autopoietischer Systeme ist auf die Selbstreferenz zurückzuführen. Selbstreferenzielle Bezüge weisen eine solche Komplexität auf, dass das System in seinen Operationen auch für sich selbst unvorhersehbar ist. »Rein mathematische Überlegungen zeigen, daß das System mit dieser Form von Selbstreferenz so viele Möglichkeiten generiert, daß es für sich selbst und für externe Beobachter unberechenbar wird; denn kein Beobachter könnte die Rechenleistungen erbringen, die die operative 97 | »Beobachtung muß immer hinzugedacht werden, wenn sie auch oft sprachlich weggekürzt wird. Eine gute Theorie wäre eine, die diesen Punkt immer wieder im Stile einer Wiedervorlagemappe in Erinnerung bringt« (Fuchs 2004a, 12). 98 | Der Begriff »polykontextural« wurde von dem Philosophen Gotthard Günther eingeführt. Im systemtheoretischen Kontext wird er überwiegend in Bezug auf die verschiedenen Beobachtungsperspektiven der Funktionssysteme eingesetzt.

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Selbstdetermination des Systems abbilden können« (Luhmann 2008, 15). Durch Koppelungseffekte der Einflüsse auf Beobachtungen sind eine Vielzahl von abweichenden Konstruktionen möglich, so dass diese sich nicht mehr errechnen lassen (vgl. von Foerster 1993, 359; von Foerster 2002, 26-49). Diese Variablen leiten zu der Perspektive Wittgensteins: »Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein. Alles, was wir überhaupt beschreiben können, könnte auch anders sein. Es gibt keine Ordnung der Dinge a priori« (Wittgenstein 1963, 91). Systemtheoretisch gibt es dabei in dieser Unterschiedlichkeit keine Wertigkeit. Als Leistung der Beobachtung wurde beschrieben, Unterscheidungen zu bezeichnen und damit Relevantes, Sinn oder auch die Welt zu konstruieren, vor dem Hintergrund dieser Komplexität. Durch die Beobachterperspektive werden nicht nur Unterschiede konstruiert, sondern über die Unterscheidungsleistung das Seiende überhaupt. Diese Betrachtungsperspektive auf das Seiende in der Welt lässt sich auch auf die Beobachtung des Selbst beziehen (vgl. Kapitel 2.2.1). »In diesem Sinne tritt die Wahl einer Systemreferenz durch einen Beobachter an genau die Stelle, die in der ontologischen Metaphysik die Kategorie des ›Wesens‹ besetzt hielt als Bezeichnung desjenigen Seins, das erklärt, was das Sein ist« (Luhmann 2008, 181-182). Es entsteht somit nur das im Selbst und in der Umwelt, was aus der Beobachtungsperspektive des jeweiligen Systems konstruiert wird. Diese Konstruktion bezieht sich auch auf das Beobachten von Kommunikation. Ausf laggen der Kommunikation als Mitteilungshandlung Sinnsysteme sind systemtheoretisch gesehen nicht beobachtbar. »Niemand hat jemals ein System gesehen, gerochen, gespürt, gehört« (Fuchs 2010b, 12). Ihrer operationalen Geschlossenheit entsprechend, sind selbst ihre Operationen nicht beobachtbar. Der Anschluss beteiligter psychischer Systeme an soziale Systeme und auch der Differenzierungsprozess des sozialen Systems erfordert jedoch die Herstellung von Strukturen, die sich beobachten lassen (vgl. Schleiffer 2012, 54). Damit psychische und soziale Anschlüsse erfolgen können und weitere Kommunikation möglich wird, wird der kommunikative Anschluss deshalb stark reduziert und in Handlungen dekomponiert (vgl. Luhmann 1991, 193). Luhmann führt an dieser Stelle die Metapher des Ausflaggens von Kommunikation in Mitteilungshandlungen ein. »Um beobachtet werden oder sich selbst beobachten zu können, muß ein Kommunikationssystem deshalb als Handlungssystem ausgeflaggt werden« (Luhmann 1991, 226). Die Metapher verdeutlicht, dass etwas als etwas markiert wird, das so, wie es markiert wird, nicht besteht, aber als das Markierte, das ist, woraufhin beobachtet und woran angeschlossen werden kann. D. h., sowohl die Kommunikation selbst als auch das psychische System beobachten nicht Kommunikation, sondern die sich ausflaggende Handlung als Anschluss an die Umwelt. Diese hin-beobachteten Handlungen werden dann über die Beobachtung sozialen Beschreibungen zugeordnet, um sie als Mitteilung an Personen zu identifizieren. »Soziale Systeme reduzieren Kommunikation auf die Handlung und somit zugleich auf psychische Absichten, Pläne, Motive, Interessen einzelner Personen, um sich Identifikationspunkte für Anschlusshandlungen zu sichern« (Balgo 2011, 3). Kommunikation wird folglich als Mitteilungshandlung beobachtbar und Personen als Mitteilungshandelnden zugerechnet. Oder anders formuliert: »Kommunikation wird somit kommunikativ mittels Zurechnung auf Personen als Handlung

2.  Theoretische Rahmung

beobachtbar« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 328).99 Es wird also eine Reduktion vorgenommen, um Anschlussfähigkeit herzustellen. So kann systemtheoretisch gesehen auch innerhalb der hier intendierten wissenschaftlichen Beobachtung dieser Arbeit das Kind nur als Mitteilungshandelndes beobachtet werden.100 An dieser Stelle wird der Begriff der sozialen Adresse funktional. Er erlaubt diesbezüglich weitere Differenzierungen. Im nächsten Kapitel wird dieser vorgestellt.

2.4 S oziale A dressenkonstruk tionen »Die soziale Adresse ist nicht ein Jemand, sie ist nicht bewohnbar, in ihr residiert kein Mensch.« F uchs 2010 a , 153

Adressenkonstruktionen unterscheiden sich von sozialen oder psychischen Systemen. Sie agieren nicht autopoietisch oder selbstreferenziell. Adressenkonstruktionen können als Strukturen bezeichnet werden, die aus sozialen Operationen hervorgehen (vgl. Fuchs 2010b, 23). Sie werden kommunikativ über das Prozessieren von Anschlüssen hergestellt und somit in der Systemtheorie soziale Adressen genannt. Entsprechend der autopoietischen Funktionsweise des sozialen Systems ist die soziale Adresse als etwas durch dieses System Gebildetes ein »[…] ›Kombinationsspielraum für Ereignisse‹, im Rahmen dessen Passendes und Unpassendes diskriminiert wird. Sie stiftet die Beobachtbarkeit von Zusammenhängen und markiert eben dadurch Unzusammenhängendes, Ungehöriges etc.« (Fuchs 2010a, 154). Im Folgenden sollen, nach allgemeiner Einführung der sozialen Adressenbildung und ihrer Bedeutung für Sinnsysteme, Ego, Alter und Alter Ego, die Konstruktionen von sozialen Adressen, vorgestellt werden, die im Rahmen dieser Arbeit relevant sind. Zudem wird eine Positionierung vorgenommen, wie in diesem Kontext die Begriffe »Mensch« und »Behinderung« gefüllt sind und hier mit ihnen gearbeitet wird. Adressenbildung In der Darstellung des systemtheoretischen Kommunikationsbegriffs wurde erläutert, dass Mitteilungen in Bezug auf Informationen innerhalb des sozialen Systems über operatives Verstehen bestimmt werden (vgl. Kapitel  2.2.4). Über den kommunikativen Anschluss legt die Kommunikation selbst, als Operationsform des sozialen Systems »[…] durch ihre spezifische Zeitlichkeit, die immer die des Nachtrags, der différance ist, fest, welches Verhalten als Mitteilungsverhalten in Betracht kommt, welches nicht« (Fuchs 2005, 40). Im Rahmen der Markierung derer, welche als Mitteilende einer Information verstanden werden, also innerhalb der dritten Selektionsleistung des sozialen Systems, entsteht soziale Adressenbildung. »Man könnte auch sagen, sie rechnet sich in Mitteilungshandeln um: Je99 | An dieser Stelle wird die Relevanz des Bezuges auf beobachtbare Körper für die Interaktion verständlich (vgl. Kapitel 2.4). 100 | Dieses Verständnis wird als mitgedachter Hintergrund in den weiteren Ausführungen vorausgesetzt und in Kapitel 3.3 weiter ausgeführt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

mand muss etwas gesagt, geschrieben, vorgeführt haben« (Fuchs 2003a, 326). Die Zurechnung auf Mitteilungshandlungen bezieht sich demnach darauf, dass den Körperhandlungen Informationen zugeschrieben werden, die einen Mitteilungsaspekt beinhalten. Das heißt, dass ihr Motive oder Absichten unterstellt werden (vgl. Luhmann 2011, 242-243). Der kommunikative Anschluss drückt aus, nach wem sich sozial ausrichtet wird, wer als ein Mitteilungshandelnder erkannt wird. Gleichwohl wird für die Bestimmung der sozialen Adresse eine Struktur im psychischen System benötigt, die als psychische Eigenkomplexität bereits vorgestellt wurde. Der dreistellige Selektionsprozess des sozialen Systems setzt Bewusstseinsoperationen voraus (vgl. Nassehi 1997, 137). Für die Fortsetzung der Autopoiesis von Sinnsystemen ist Adressenbildung existenziell. »Die soziale Adresse ist eine Frage des Überlebens« (Fuchs 2005, 41). Als ein wesentlicher Grund wird systemtheoretisch die strukturelle Koppelung zwischen sozialem und psychischem System angeführt (vgl. Kapitel 2.5.1). Richtet sich das soziale System operativ nicht nach einem Adressaten aus, findet auch keine Kommunikation statt. Ist kein Anschluss zwischen sozialem und psychischem System gegeben, nimmt in letzter Konsequenz auch das biologische System einen regressiven Entwicklungsverlauf. Jemanden als Adressaten zu erkennen oder als Mitteilender erkannt, adressiert zu werden, steht in enger Abhängigkeit zu der Möglichkeit, sich kommunikativ einer Adresse zuwenden zu können. Überdies ist Kommunikation nur möglich, wenn ein Bewusstsein existiert, an das angeschlossen werden kann (um Sinn bilden zu können). Wiederum ist Bewusstsein nur zu entwickeln, wenn Kommunikation involviert ist (um Sinn zu verteilen) (vgl. Fuchs 2005, 41-42). »Die These ist, daß für ein Individuum auf dieser Welt nichts ginge, wenn es nicht die Form der Adressabilität annehmen könnte, wenn es nicht als Anstoßpunkt für Adressenbildung in Frage käme. Die Kommunikation muß Adressabilität unterstellen können. Sie muß Mitteilungshandeln identifizieren« (Fuchs 2005, 43). Über diese Zusammenfassung wird die Bedeutung beider Systeme in der Herstellung sozialer Adressen deutlich. Dabei werden Adressen nicht einheitlich gebildet, sondern beobachtungsabhängig unterschiedlich konstruiert. »Soziale Adressen sind Vielheiten, die durch die Referenz auf Eigennamen zentriert erscheinen, nur in dieser Referenz der Beobachtung zugänglich werden, aber kaum selbst als eine Einheit oder als eine Zusammengehörigkeit aufgefaßt werden können« (Fuchs 2010a, 157). Die in der Interaktion konstruierten sozialen Adressen können dabei Auswirkungen auf alle Typen sozialer Systeme haben (vgl. Terfloth 2006, 121).101 Durch die Differenzierung von Ego und Alter lässt sich die Adressenkonstruktion weiter operationalisieren und verdeutlichen. Dieses ist für die Beobachtung von Adressenbildung von Bedeutung und soll deshalb an dieser Stelle vorgestellt werden. Mit der Einführung von Ego und Alter werden keine Akteure_innen der Kommunikation definiert. Ebenso wenig soziale Adressen. Sie stellen einen Unterscheidungshorizont dar, der im Rahmen von Adressenbildung relevant ist. Aus der Differenz zwischen Ego und Alter geht hervor, wer / welche als Mitteilungshandelnde_r differenziert wird. »Die Begriffe kennzeichnen die kontingente, systeminterne Bedeutungszuweisung ›wer etwas mitgeteilt hat‹, oder 101 | Diese Überlegungen werden im Kapitel über Inklusion und Exklusion wieder aufgegriffen (vgl. Kapitel 2.6.1).

2.  Theoretische Rahmung

welchem Mitteilenden Anspruch auf die begrenzte Redezeit zugestanden wird« (Terfloth 2006, 94). Dabei wird Alter allgemein als das erkannte Andere positioniert, an dem Ego als das verstehende, anschließende System Mitteilungshandeln beobachtet. So schreibt Luhmann, dass es bei Ego um den geht, der eine Kommunikation versteht und bei Alter um den, dem die Mitteilung zugerechnet wird (vgl. Luhmann 1997, 1136-1137). Aus den vorhergehenden Ausführungen wurde deutlich, dass das Andere, immer aus der Beobachterposition, nur über einen Systembezug unterscheidbar ist. Der Anschluss differenziert sich selbstreferenziell. Und es wurde deutlich, dass es dafür eine Unterscheidung zwischen System und Umwelt braucht, den fremdreferenziellen Bezug. So kann gesagt werden: Über den fremdreferenziellen Bezug erkennt sich das verstehende System als ein anderes. Ego wird über die Differenz zur Andersheit eines Anderen beobachtbar (vgl. Stichweh 2004, 35). In der Differenzierung »Alter Ego« wird diese Erweiterung ausgedrückt. In der Interaktion, so beschreibt Luhmann, kann es zu Ego / A lter Ego-Spiegelung kommen, über die sich Anschlussprozesse ereignen. »Da sinnhafte Orientierung immer Welt impliziert, kann ein verstehendes System nicht vermeiden, daß es sich selbst in der Umwelt des verstandenen Systems wiederbegegnet. Auf diese Weise kommt es zu Ego / alter Ego-Spiegelungen. Das verstehende System sieht sich selbst als alter Ego seines alter Ego. Man kann vermuten, daß jede soziale Beziehung, zumindest rudimentär, zu Verstehensversuchen provoziert. Zumindest ist über Verstehen das Verhalten anderer besser zugänglich, besser beobachtbar, besser erwartbar« (Luhmann 1991, 130). So schreibt Luhmann an anderer Stelle: »Vielmehr wird die Intransparenz des anderen Bewußtseins verständlich, weil auch das eigene Bewußtsein für sich selbst intransparent ist. Kein Bewußtsein kann die Totalität seiner Systembedingungen als Prämissen oder als Gegenstände seiner eigenen Operationen ins System wiedereinführen. Alter ego heißt demnach: er ist für mich ebenso intransparent, wie ich selbst es für mich bin« (Luhmann 2008, 58). Insofern differenziert die Sozialdimension genau genommen in Ego / A lter Ego (vgl. Balgo 2013a, 42). Über die Selektionen der Kommunikation wird darüber hinaus zwischen Handeln und Erleben unterschieden (vgl. Terfloth 2006, 94). Erleben beschreibt dabei, wenn ein Sinnverweis sich selbst zugerechnet wird (als dominant selbstreferenzieller Bezug), und Handeln, wenn er an einem anderen hin-beobachtet wird (als dominant fremdreferenzieller Bezug). Wie verhält es sich hier in der Interaktion im Kontext adressierter Behinderung? Wenn Behinderung als »problemwirksamer kommunikativer Umgang mit Verschiedenheit« definiert wird (vgl. Balgo weiter unten in diesem Kapitel), wird in der Auswertung der empirischen Erhebung bedeutsam, was Kinder als problemwirksames Handeln in ihrer Interaktion mit anderen Kindern differenzieren, welche Auswirkungen es auf kommunikative Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse hat und ob sich hier die Bewertungen von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung unterscheiden. Wenn Alter als Alter Ego über den sozialen Anschluss, über das Verstehen als dritte Selektionsleistung des sozialen Systems auf der Ebene der Sozialdimension beobachtbar wird, könnte die Interaktion mit Personen, die als be-

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hindert adressiert werden, auch durch die über sie beobachtbare »Verschiedenheit« zu einer komplexeren Bildung des Ego führen.102 Der Mensch in der Systemtheorie »[…] der Mensch ist nicht aus der Luhmann’schen Systemtheorie verschwunden, er wird nur eben nicht als Element sozialer Systeme definiert, sondern anders konzeptualisiert« (Simon 2012, 190). Aus systemtheoretischer Perspektive ist der Mensch nicht fassbar, da er nicht nur über eine, sondern über eine Vielzahl von Operationsweisen verfügt. Nach Luhmann scheint es deshalb nur wenig hilfreich, sich auf ihn als komplexes System zu beziehen. Das Wort »Mensch« verbaut seiner Ansicht nach den begrifflich genauen Zugriff auf die Sachverhalte und das spezifische Unterscheidungsvermögen der Systemtheorie (vgl. Luhmann 2008, 34). »Die Konsequenz dieser Theorieentwicklungen, in denen sich heute all das sammelt, was intellektuell fasziniert, ist meines Erachtens, daß man von verschiedenen emergenten Ebenen des Ordnungsauf baus der Realität ausgehen muß, die den Menschen sozusagen durchschneiden« (Luhmann 2008, 257). Somit wird der Mensch zu einem hochkomplexen System der laufenden Reproduktion der Differenz von operationaler Schließung und struktureller Koppelung und dieses auf ganz verschiedenen Ebenen (vgl. Luhmann 2002, 27-28). In Bezug auf die Auseinandersetzung mit den Operationen des sozialen und psychischen Systems wird er als Umwelt betrachtet (vgl. Schleiffer 2006, 4).103 Dennoch erlangt der Mensch Bedeutsamkeit, und zwar im Kontext von Inklusion und Exklusion in der Interaktion. Dieser Bereich stellt eine Ausnahme in der Theorieentwicklung von Luhmann dar, da es hier um Anwesenheit und damit um die Referenz auf Körper geht. In den Kapiteln 2.5 und 2.6 werden seine Überlegungen diesbezüglich weiter ausgeführt. Da sich systemtheoretisch gesehen Kommunikation nicht selbst beobachten kann, konstruiert sich das psychische System einen Mitteilungshandelnden (s. o.) als soziale Adresse in Form von Rolle und Person. Diese soziale Adressenbildung wird im folgenden Abschnitt erläutert. Soziale Adressen: Rolle und Person / Unperson »Personen« oder »Rollen« werden in der Systemtheorie als Form verwendet, wenn es darum geht, Erwartungen im Rahmen sozialer Identifikation auf etwas zu rich102 | Interessant wäre an dieser Stelle die Durchführung einer Vergleichsstudie, in der betrachtet wird, ob es zu komplexeren Selbstbeobachtungen von Kindern kommt, die kommunikative Erfahrungen mit Kindern mit dem Adressenfragment behindert / n icht behindert sammeln, als von Kindern, die diese Erfahrungen nicht machen können. Hier böte sich eine Folgestudie zu dieser Arbeit an. An dieser Stelle ging es darum, Ego, Alter und Alter Ego als eine weitere grundlegende Differenz der Systemtheorie und operativ nützliche Begrifflichkeit vorzustellen, die in der Betrachtung der empirischen Daten bedeutsam wird. 103 | So schreibt Luhmann: »Die Platzierung des Menschen in der Umwelt hat nicht das ablehnende oder abwertende Moment, das oft unterstellt wird, sondern die Umweltposition ist vielleicht sogar die angenehmere, wenn man sich unsere normale kritische Einstellung gegenüber der Gesellschaft vor Augen hält. Ich selbst würde mich jedenfalls in der Umwelt der Gesellschaft wohler fühlen als in der Gesellschaft, wo dann andere Leute meine Gedanken denken und andere biologische oder chemische Reaktionen meinen Körper bewegen, mit dem ich ganz andere Dinge vorhatte« (Luhmann 2011, 246).

2.  Theoretische Rahmung

ten. Soziale Adressen können dabei als ein »[…] Bündel von Erfahrungen in Form von Personen- oder Rollenzuschreibungen im Hinblick auf beteiligte Bewusstseinssysteme in Kommunikation generiert werden« (Terfloth 2006, 14).104 Bei dem Begriff Person geht es um individuell attribuierte Einschränkungen für Verhaltensmöglichkeiten in Abgrenzung zum Begriff der Rolle, mit der allgemein attribuierte Einschränkungen für Verhaltensmöglichkeiten beschrieben werden (vgl. Fuchs 2010a, 164). Die Erwartungen an die Person oder die Rolle ergeben sich aus der Beobachterposition eines Beobachters. Sie beziehen sich damit auf etwas Äußerliches, auf etwas, was durch Beobachtung registriert werden kann (vgl. Fuchs 2010a, 163-164). Soll heißen: Das Individuum105 ist nicht die Person, sondern wird nur als eine solche beobachtet. Person wird als das definiert, was über die Beobachtung vom Individuum in Erscheinung tritt. So veranschaulicht Luhmann: »Person kann die Maske sein, durch die die Stimme des Schauspielers tönt« (Luhmann 2002, 29). Dabei ist der Personenbegriff geschlechtslos, neutral gehalten und ermöglicht so, alle Konstruktionen eines Beobachters zu integrieren und zu einer »multiplen Struktur (Person)« (Fuchs 2010a, 164) zu kondensieren. Die Person ist somit zu begrenzen auf eine Form der sozialen Adresse und nicht als Synonym des Begriffes Mensch gedacht. »Menschen sind nicht Personen« (Fuchs 2010a, 164). Der Personenbegriff wird nach Luhmann als Form verwendet, »[…] die es ermöglicht, Menschen zu bezeichnen unter Absehen von all dem, was sie als empirische Realität ermöglicht. Der Mensch – das ist die andere, unmarkierte Seite der Form ›Person‹« (Luhmann 2002, 28). Eine Voraussetzung für die Abbildungen der Verhaltensmöglichkeiten, die zu Personenzuschreibungen führen, ist, dass sie zeitlich überdauern und nicht nur einmalig beobachtbar sind. Eine andere Voraussetzung ist, dass sie dem Sozialsystem zugänglich sind, also kommuniziert werden. So bestätigt sich die Person in und über jede Kommunikation, in der über Rollenverhalten hinaus auf Individualität »durchgerechnet« wird (vgl. Fuchs 2010a, 165). Im Gegensatz dazu wird die Rolle als etwas Schematisches aufgefasst, das in verschiedenen Bezügen vergleichbar auftritt. So werden bei Rollen spezifische (je nach Rolle), jedoch allgemein gültige Zuschreibungen aktiviert, sie bestimmen die sozialen Positionen, wie sie beispielsweise allen Lehrer_innen, Eltern oder Geschlechtern zugeordnet werden.106 Die Differenzierungen von Rollen in der Gesellschaft haben dabei Einfluss auf die Herausbildung von Individualität (vgl. Luhmann 2008, 255). In Bezug auf die in dieser Arbeit fixierte Fragestellung wird es im empirischen Teil u. a. darum gehen, ob die Rollen- und Personenzuschreibungen, die über die kommunikativen Anschlüsse innerhalb der Interviews beobachtbar werden, Auswirkungen auf ihre Zurechnung als Mitteilungshandelnde haben. Welche Rollen104 | Der Mensch wird in der Systemtheorie keiner sozialen Adresse zugeordnet. 105 | Etwas weiter unten in diesem Kapitel wird auf die systemtheoretische Vorstellung vom Individuum eingegangen. 106 | In der Auseinandersetzung mit dem forschungsmethodischen Vorgehen dieser Arbeit werden beispielsweise Kinder im Alter früher Kindheit als Mitteilungshandelnde im Rahmen ihrer soziale Adresse »Rolle« bedeutsam, da die Erhebungsmethode (wissenschaftlich hinbeobachtet) die ihnen zugeschriebenen entwicklungspsychologisch typischen Verhaltensattribute berücksichtigen muss (vgl. Kapitel 4.1.1).

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oder Personenzuschreibungen sind in Bezug auf den kommunikativen Anschluss bedeutsam? Systemtheoretisch betrachtet wird auch die Differenz zwischen Personen und Dingen kommunikativ hergestellt und ist in der Auseinandersetzung mit nonverbaler Kommunikation für den heilpädagogischen Kontext dieser Arbeit relevant. Die Unterscheidung zwischen Personen und Dingen ergibt sich über die Unterscheidung von Information und Mitteilung (vgl. Luhmann 2001, 128). So schreibt Fuchs, dass über die Mitteilung beobachtet werden kann, dass Kommunikation im Spiel ist (vgl. Fuchs 2004a, 111). Da Informationen sowohl von Dingen als auch von Personen ausgehen, Mitteilungen jedoch nur von Personen, sind über die Zurechnung von Mitteilung auf Personen diese von Dingen unterscheidbar (vgl. Mitteilungshandelnde weiter oben im Text). Um Personen von Objekten zu unterscheiden, ist damit die Kommunikation unentbehrlich (vgl. Luhmann 2008, 50). Fuchs verdeutlicht dies an der Kommunikation mit Säuglingen (vgl. Fuchs 2005, 48-49). Er zeigt auf, dass über den Bezug auf den Mitteilungsaspekt der Kommunikation Selbstreferenz beim Adressaten unterstellt und der Säugling so zur Person wird. Sobald hingegen ein psychisches System nicht in der Lage ist, ein Lallen (beispielsweise das eines Säuglings), als Mitteilungshandlung zu bewerten, nimmt es möglicherweise eine Person, welche lallt, nicht als Bewusstseinssystem wahr. Hilfreich für die Heilpädagogik kann an dieser Stelle der Gedankengang sein, dass über die Zuschreibung von Mitteilungshandlungen Personen konstruiert werden können. Indem Mitteilungshandlungen z. B. in Körperbewegungen erkannt werden und so zu einem Körpersignal werden, sind kommunikative Anschlüsse auch nonverbal möglich. In Verbindung mit dem empirischen Teil der Arbeit wird von Bedeutung sein, ob aus den Äußerungen der Kinder solche Konstruktionen und kommunikativen Anschlüsse deutlich werden und wie sie sich auf Prozesse der Inklusion und Exklusion auswirken. Im Kontext der inhaltlichen Ausrichtung der Arbeit scheint es gewinnbringend, den Personenbegriff noch um den systemtheoretischen Begriff der Unperson zu erweitern. Die Unperson wird der Person zugeordnet und differenziert sie durch eine weitere Unterscheidung. Dabei beschreibt die Unperson, was die Person selbst nicht bezeichnet, sie aber bezeichnen könnte (vgl. Luhmann 2008, 142). Diese Ergänzung wird insofern als Reaktion auf das Problem der doppelten Kontingenz verstanden (vgl. Fuchs 2004a, 132). Sie markiert mögliche Differenzen zwischen dem, was psychisch bildbar, und dem, was einer Person kommunikativ zugeschrieben wird. In der konkreten Operation bildet sich die Unperson aus der Differenz zu dem, was aus der externen Beobachterposition nicht erkannt wird, was sich eine Person, die beschrieben wird, aber selbst zuschreibt. »Die Unperson bezeichnet das Konvolut interner Devianzen« (Fuchs 2013, 146). Sie »[…] entwickelt sich im psychischen System als ein sich gleichsam lautloses Absetzen von dem, was in der sozialen Adresse der Person als ›Sein‹ zugemutet wird« (Fuchs 2010b, 24). Die Unperson stellt damit den Unterschied zwischen der Person (also dem, was an individueller Personenzuschreibung über Kommunikation erfolgt) und dem, was die Psyche als Eigenes, davon Abweichendes beschreibt, dar. Zur Unperson gibt es keinen kommunikativen Zugang. Sie ist somit kommunikativ nicht thematisierbar und hat keinerlei soziale Relevanz (vgl. Balgo 2013, 15). Sie zeigt sich nur auf der Innenseite der Beobachtung in der Abgrenzung zur Person. Die Bildung der Form Unperson setzt also die Fähigkeit des psychischen Systems voraus,

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Unterscheidungen zwischen Zuschreibungen von Beobachtenden und Abbildungen im psychischen System aus der eigenen Beobachterposition heraus zu bilden und Negationen bzw. Integration vornehmen zu können. Dabei können Anteile der Unperson über Kommunikation in die Person übergehen, inkludiert werden. In Bezug auf die Beobachtung der empirischen Daten ist vor diesem Hintergrund von Interesse auszuwerten, was die Kinder über sich selbst sagen, wenn sie sich auf Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse an andere Kinder und anderer Kinder an sie beziehen (vgl. Kapitel 5.4). Das Verständnis von Selbst und Individuum Das Selbst wird erst durch eine Differenz zwischen Person und Unperson erfahrbar. Hierüber wird aus systemtheoretischer Perspektive auch Individualisierung bildbar. Sie zeigt sich durch die Abweichung von der Person, über das Erleben bzw. Beobachten der Unperson. Die Fähigkeit zur Selbstreferenz (Unperson) in Verbindung mit Fremdreferenz (Person) ermöglicht an dieser Stelle einen Differenzierungsprozess als ständiges Abgleichen miteinander, der zur Bildung von Individualität und des Selbst führt (vgl. Luhmann 2008, 66). »Der Auf bau einer eigenen Identität oder, in anderen Worten, das Einführen der Einheit des Systems in das System erfordert einen Prozeß der Selbstbeobachtung des Bewußtseins. Dieser Prozeß läuft im Zuge der geschlossenen autopoietischen Fortsetzung des Bewußtseins von Moment zu Moment mit und besteht in der Beobachtung eigener Gedanken« (Luhmann 2008, 80). Über diese Möglichkeit der Selbstbeobachtung entsteht systemtheoretisch gesehen das, was als Identität bezeichnet werden kann. »Wenn wir ein Individuum in seiner Individualität charakterisieren wollen, charakterisieren wir es nicht durch seine Beziehungen zu anderen, sondern durch seine Beziehung zu sich selbst und, da dies tautologisch ist, durch seine auf Grund dieser Selbstbeziehung erworbenen Eigenschaften« (Luhmann 2008, 122). Diese Eigenschaften werden dann durch externe Beobachter beobachtbar. Nur der Vollständigkeit halber soll auch an dieser Stelle erwähnt werden, dass diese Möglichkeit immer auch umweltabhängig geschieht. Dabei schreibt Luhmann, dass Individualität der Sprache vorausgeht (vgl. Luhmann 2008, 77). Das heißt, dass es die Bildung von Individualität auch ohne Sprache gibt. Mit dem Wort Individuum ist eine Person systemtheoretisch als Einzelperson identifizierbar (vgl. Luhmann 2008, 121). »Die ›Individualität‹ (Unteilbarkeit) der Individuen garantiert, daß man sie auch in anderen Situationen als dieselben vorfinden kann« (Luhmann 2004, 274). Diese Zuordnung wiederum ist nur durch den Bezug auf den Körper möglich. »Nur durch diesen Anhaltspunkt am eigenen Körper gewinnt das Bewußtsein, das sich mit der ganzen Welt, mit Symbolen und Zeichen, mit Realitäten und Irrealitäten, mit Vermißtem, Verlorenem, Nichtvorhandenem, mit Widersprüchen und Paradoxien, mit Möglichem und Unmöglichem beschäftigt und das in der Welt überall und nirgends ›ist‹, eine eigene Identität« (Luhmann 2008, 182). Aus der Perspektive jedes einzelnen Systems jedoch, also beispielsweise des sozialen Systems, stellt sich das Individuum im Verhältnis zu diesem als seine Umwelt dar. »Denn die Auffassung, daß soziale Systeme nicht aus Individuen bestehen und auch nicht durch körperliche oder psychische Prozesse erzeugt werden können, besagt natürlich nicht, daß es in der Welt sozialer Systeme keine Individuen gäbe. Im Gegenteil: eine Theorie selbstreferentieller autopoietischer Sozialsysteme provoziert geradezu die Frage nach der selbstreferentiellen Au-

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topoiesis psychischer Systeme und mit ihr die Frage, wie psychische Systeme ihre Selbstproduktion von Moment zu Moment, den ›Strom‹ ihres ›Bewußtseinslebens‹ so einrichten können, daß ihre Geschlossenheit mit einer Umwelt sozialer Systeme kompatibel ist« (Luhmann 1991, 347-348). Luhmann schreibt, dass er entgegen der humanistischen Tradition das Individuum ernst nimmt, wenn er davon ausgeht, dass soziales und psychisches System geschlossene autopoietische Systeme sind (vgl. Luhmann 2008, 37). Daran orientiert wird in der Systemtheorie häufig der Begriff Individuum gebraucht, wenn im herkömmlichen Sinne von Menschen gesprochen wird. Dieses Kapitel abschließend soll die systemtheoretische Perspektive auf Behinderung skizziert werden, einer der zentralen Begriffe dieser Arbeit. Behinderung als soziale Adresse Terfloth stellt Behinderung im Kontext adressierter geistiger Behinderung aus systemtheoretischer Sicht als ein Ergebnis gestörter Koppelung zwischen neuronalen Strukturen, Bewusstsein und Sozialsystemen dar (vgl. Terfloth 2006, 178). Als zentral erscheinen ihr dabei Anschlussprozesse des sozialen Systems, also inwiefern der Anschluss an Kommunikation erwartungsgemäß gelingt oder nicht gelingt. Erfüllen beispielsweise Kinder als Mitteilungshandelnde die Erwartungen, welche Interaktionssysteme an sie stellen, nicht und wiederholen sich diese Erfahrungen, werden als Erklärungsmodell Behinderungen konstruiert, über die diese unerwarteten kommunikativen (Nicht-)Anschlüsse dann erklärbar werden. Dabei ist zu berücksichtigen: Sowohl Erfahrungen, Erwartungen, Fähigkeiten, Irritationen als auch Wiederholungen definieren sich beobachtungsabhängig und können damit Behinderung in unterschiedlicher Weise hervorbringen (vgl. Terfloth 2006, 101). So wird aus systemtheoretischer Perspektive Behinderung in der Interaktion hin-beobachtet, man könnte auch sagen produziert, als Phänomen fehlender beobachtbarer Sinnverweise bzw. fehlender Synchronisation zwischen psychischem und sozialem System innerhalb jeweils notwendiger Zeiterfordernisse (vgl. Fuchs 2002, 4; Wetzel 2004, 67).107 Systemtheoretisch wird demnach auch der Begriff der Behinderung differenztheoretisch orientiert am Beobachtungsbegriff definiert. »Daran wird auch deutlich, dass die Psychen und Körper als die Umwelt eines Sozialsystems nicht ›behindert‹ sein können ohne soziale Zuschreibungen, die durch ein Problem der Beziehung zwischen sozialen und psychischen Systemen sowie Körpern zustande kommen« (Balgo 2010, 116).108 Vor diesem Hintergrund definiert Balgo aus systemtheoretischer Sicht Behinderung als einen »problemwirksamen109 kommunikativen Umgang mit Verschiedenheit« (persönliche Mitteilung von Rolf

107 | Im Falle des Bezugs auf Autismus werden nach Fuchs beispielsweise »idiosynkratische Sinnbinnenwelten« als Ursache für diese Koppelungsstörung hin-beobachtet (vgl. Fuchs 1995, 175). 108 | Diese Probleme oder auch Störungen in der Koppelung wird systemtheoretisch auch als »Strapaze« bezeichnet (vgl. Fuchs 2002, 3). 109 | Das Adjektiv »problemwirksam« wird in dieser Arbeit orientiert an Balgo verwendet, der es in Bezug auf nicht gelungene kommunikative Anschlüsse eingeführt hat (vgl. Balgo 2003, 110).

2.  Theoretische Rahmung

Balgo am 05.12.2012110). Insofern könnte behauptet werden, dass Behinderung durch hin-beobachtete Ungleichheit entsteht, die in Bezug auf kommunikative Anschlussoptionen als problemwirksam bewertet wird.111 Hinsichtlich der Fragestellung der Arbeit ist dabei Balgos Aussage von Bedeutung: »Ab einem bestimmten Punkt […], wenn das Missverstehen nicht wieder selbst in die Kommunikation eingespeist und thematisiert werden kann, bedroht es das soziale System mit dem Abbruch der Autopoiese« (Balgo 2006, 126). Da die Aufrechterhaltung des Interaktionssystems nicht durch ein System alleine bestimmt wird, ist Behinderung nicht an »Behinderte« gebunden. Ebenso wenig entsteht Behinderung durch »sie«. Alle an Kommunikation anschließenden Systeme sind aus systemtheoretischer Perspektive ursächlich in die Hervorbringung von Behinderung involviert. »Denn ein System differenziert sich in Abhängigkeit zur Umwelt aus« (Terfloth 2006, 51). Insofern wird Behinderung als ein soziales Konstrukt verstanden, das über Kommunikation gebildet wird und ebenso beeinflussbar ist. Das richtet den Fokus auch auf den Kontext: Innerhalb einiger Interaktionssysteme ist Behinderung von Bedeutung, innerhalb anderer nicht. Auch aus dieser Perspektive lässt sich schlussfolgern, dass Behinderung systemtheoretisch beobachtet nicht als Wesensmerkmal verstanden werden kann (und damit nicht in einer Person zu finden ist), sondern durch spezifische systembedingte Unterscheidungen konstruiert wird und im Rahmen einer Simplifizierung als beobachtete Differenz einer sozialen Adresse zugerechnet wird. Behinderung wird damit zu einer hin-beobachteten Differenz, zu einer für eine Beobachtungsposition funktional erscheinenden markierten Unterscheidung, zu ihrem Konstrukt. Wetzel verdeutlicht: »Das Problem liegt weiterhin in der Unumgänglichkeit der Zurechnung der Strapazen auf Personen durch die Kommunikation, im Zwang zur Selbstsimplifizierung der Kommunikation auf Handelnde. Damit ist der Aspekt der kommunikativen Verfestigung ›des Behinderten‹ gemeint« (Wetzel 2004, 338).112 Wird die hin-beobachtete Differenz generalisiert, verfestigt sie sich zu Rollenzuschreibungen von Behinderten. »Eine Erwartung, die mit dem Attribut Behinderung in einer Interaktion entstanden ist, kann dann in anderen Interaktionen mit anderen Individuen aktualisiert werden« (Terfloth 2010, 53). Die Interaktionssituation erlangt so über ihren aktuellen Bezug hinaus Bedeutung und wirkt sich selektiv auch auf andere Kommunikationen aus (vgl. Terfloth in Bezug auf Kieserling 2010, 53). Über diese situationsübergreifenden Aktualisierungen können sich dann Deutungsmuster manifestieren, die zu Rollenzuschreibungen werden. So wird Behinderung zu einer historisch konditionierten Angelegenheit (vgl. Balgo 2010, 115). Werden diese Rollenzuschreibungen an sich selbst beobachtet, können diese zu 110 | In diesem Zusammenhang kann ergänzend verwiesen werden auf die Literatur von Balgo in Bezug auf Lernbehinderung (vgl. Balgo 2003). 111 | Dieser problemwirksame Anschluss stellt, wenn er als Strapaze bewertet wird, eine Nicht-Anschlussoption dar, die zur Exklusion führen kann. In Kapitel 2.6 werden mögliche Folgen, zum Beispiel weitere Nicht-Anschlussoptionen an Organisationen und die verschiedenen Funktionssysteme der Gesellschaft, dargestellt. 112 | So lässt sich erklären, dass Behinderung im herkömmlichen Sinne überwiegend Personen zugeschrieben und damit personenbezogen beobachtet wird (vgl. Palmowski 2007, 45).

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Irritationen führen, die eine entsprechende Selbstbeschreibung erwirken: »Eine wiederholte, durch das Bewusstsein als Irritation identifizierte Behinderungszuschreibung, kann zu Strukturveränderungen des Bewusstseins führen« (Terfloth 2006, 140). Terfloth regt an, Behinderung als Adressenfragment zu verstehen, um der Unterschiedlichkeit ihrer Erscheinung und Bewertung Rechnung zu tragen (vgl. Terfloth 2006, 105). Zudem ermöglicht Behinderung als Fragment einer Personoder Rollenbeschreibung, sich differenziert einzelnen Kriterien dieser sozialen Adresse zuzuwenden (vgl. Bendel zitiert in Terfloth 2006, 106). Darüber hinaus wird dadurch der Kontext begrenzt, innerhalb dessen sie beobachtbar wird. »Das Fragment kann in manchen Interaktionssystemen, bei manchen Themen oder in manchen Zeitverhältnissen von Bedeutung sein, in anderen wiederum nicht« (Terfloth 2006, 105-106). Ein Fragment ist z. B. als ein Teil der Personenbeschreibung zu beobachten, neben vielen anderen Teilen. »Soziale Adressen können verschiedene Formen annehmen. Behinderung kann als ein Teil einer Personen- oder einer Rollenzuschreibung aktualisiert werden« (Terfloth 2010, 52). Dadurch können Differenzierungen erfolgen, die Anschlussoptionen erhöhen. Wetzel zeigt im Zusammenhang mit der sozialen Adresse Behinderung eine weitere und anders ausgerichtete Perspektive auf. Er stellt vor, dass gerade über die Zuschreibung »Behinderung« ein kommunikativer Raum möglich werden kann, da ggf. gerade über die soziale Adresse Behinderung ein Anschluss herstellbar ist, über bestehende generalisierte Abbildungen im psychischen System von Behinderung. Diese Abbildungen können als Möglichkeiten für Passungen erkannt werden, wenn das soziale System mit erhöhter Komplexität konfrontiert ist. Hier werden soziale Anschlussmöglichkeiten über die soziale Adresse Behinderung deutlich: »Immer, wenn von Behinderung die Rede ist, liegt bereits ein sinnhafter Anschluss mit ebenso inkludierenden wie exkludierenden Folgen vor« (Wetzel 2004, 71). Insofern erscheint die soziale Adresse Behinderung auch als Türöffner für Lösungsideen, die unter dem Stichwort Differenzierung zusammengefasst werden können (vgl. Fuchs 2002, 8). Terfloth resümiert entsprechend: »Behinderung, als Herausbildung einer sozialen Adresse in Interaktion, kann sowohl zu einer verstärkten Inklusion als auch einer verstärkten Exklusion führen« (Terfloth 2006, 121). Die Überlegungen dieses Abschnitts zusammenfassend formulierend, kann Behinderung aus systemtheoretischer Perspektive als Seins-Zustand aufgelöst werden (vgl. Wirth 2014, o. S.). Sie wird beobachtungsabhängig konstruiert und ist somit als temporär und kontextgebunden zu betrachten.113 Demgemäß wird im Rahmen dieser Arbeit Behinderung als adressierte (hin-beobachtete) Behinderung bezeichnet.114 113 | »Ein deutlicher Beleg dafür ist, dass das, was wir heute als ›behindert‹ auffassen, diachron und synchron sehr unterschiedliche Konturen und für betroffene Menschen ganz unterschiedliche und über Jahrtausende hin mitunter verheerende Wirkungen hat und hatte« (Fuchs 2012f, 50). 114 | Daran orientiert werden »behinderte« Kinder, also Kinder mit teilstationärem Förderbedarf (vgl. Kapitel 1), im Rahmen dieser Arbeit als Kinder mit adressierter Behinderung (abgekürzt »a. B.«) bezeichnet (vgl. Kapitel 4.2). Darüber soll auf die Beobachtungsposition hingewiesen und »Behinderung« als Seins-Zustand verflüssigt werden.

2.  Theoretische Rahmung

Hinsichtlich des Bezugs auf die Fragestellung kann hier Folgendes erläutert werden: In Kapitel  5 werden die Äußerungen der Kinder u. a. dahingehend ausgewertet, welche Differenzierungen sie in Bezug auf das Adressenfragment Behinderung vornehmen, ob sie Behinderung als Adressenfragment überhaupt beobachten oder sich ggf. andere Adressenfragmente erkennen lassen, die für ihren kommunikativen Anschluss oder Nicht-Anschluss bedeutsamer sind. Eine der Fragen an die Empirie wird also sein: Inwiefern erweist sich das Adressenfragment Behinderung im Kontext von Inklusion und Exklusion in der Interaktion im Alter früher Kindheit als funktional? Im Besonderen ist von Interesse, die im Kontext von Behinderung thematisierte »Strapaze« zu berücksichtigen (vgl. Fuchs 2002, 3). Wem oder was wendet sich die Kommunikation zu, von wem oder was ab? Gibt es etwas Spezifizierbares, das als Strapaze beobachtbar wird? Und inwiefern wird dieses von den Kindern im Kontext von Behinderung beobachtet? Überdies: Aus der herkömmlichen Betrachtung erscheinen Kinder mit und ohne adressierte Behinderung als stärker voneinander unterschieden als Kinder ohne dieses Adressenfragment. Im empirischen Teil wird ausgewertet, welche Differenzbildungen über ihre Äußerungen hin-beobachtbar werden und diese in Beziehung zueinander gesetzt. Werden hier ggf. Unterschiede erkennbar zwischen den Beobachtungen der Kinder mit und denen der Kinder ohne adressierte Behinderung? Um hier zu weiteren Unterscheidungen zu kommen, wird im folgenden Kapitel aus systemtheoretischer Perspektive auf relevante Aspekte für Anschlussprozesse autopoietischer Systeme eingegangen.

2.5 A nschlussprozesse »Autopoietische Systeme können ihre Strukturen nicht als Fertigprodukte aus ihrer Umwelt beziehen. Sie müssen sie durch ihre eigenen Operationen aufbauen und das erinnern – oder vergessen.« L uhmann 2008, 13

Dieses Kapitel baut auf den vorhergehenden Kapiteln auf und beschäftigt sich gleichzeitig mit den grundlegenden Prozessen autopoietischer Systeme: der wechselseitigen Anschlussfähigkeit115 zwischen System und Umwelt. Wie bereits herausgearbeitet, bedürfen autopoietische Systeme der Veränderung, der kontinuierlich wechselseitigen Anschlüsse zwischen System und Umwelt, um sich zu reproduzieren und an die Veränderungen ihrer Umwelt anzupassen. Anschlussprozesse können somit als systemerhaltende Prozesse bewertet werden. Aus systemtheoretischer Sicht gibt es verschiedene Begriffe, die in diesem Kontext funktional werden: strukturelle Koppelung, Penetration, Interpenetration, konditionierte Koproduktion und zwischenmenschliche Interpenetration. Da es in dieser Arbeit, in der Auseinandersetzung mit Inklusion und Exklusion, um 115 | An dieser Stelle wird orientiert an Krüll (vgl. Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 12) der Begriff »Anschluss« für die allgemeine Beschreibung des System /  U mwelt-Kontaktes gewählt. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird dieser Kontakt weiter begrifflich spezifiziert. Im empirischen Teil der Arbeit wird darauf wieder Bezug genommen.

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Anschlussprozesse geht (vgl. Kapitel 1), sind diese Differenzierungen hilfreich. Sie werden hier vorgestellt und voneinander abgegrenzt. Ergänzend wird das damit im Zusammenhang stehende systemtheoretische Verständnis von Sozialisation dargelegt. Im darauf folgenden Kapitel erfolgen Überlegungen zu den Prozessen, die Anschlüsse zwischen System und Umwelt erschweren bzw. verhindern, also eine Annäherung an Prozesse der Inklusion und Exklusion. Im empirischen Teil der Arbeit werden diese Differenzierungen wieder aufgegriffen (vgl. Kapitel 5).

2.5.1 Formen von Anschlussprozessen Strukturelle Koppelung Der Begriff der strukturellen Koppelung wurde von Maturana eingeführt (vgl. Luhmann 2008, 32). Maturana und Varela beschreiben mit ihm einen Vorgang, bei dem sich autopoietische Systeme reziprok anregen, auf eine bestimmte Art zu reagieren, ohne dabei die Art der Reaktion bestimmen zu können (vgl. Maturana, Varela 1987, 85).116 In der wechselseitigen Anregung der beteiligten Systeme fährt jedes in seiner Operationsweise fort, es bleibt in sich geschlossen und wird dennoch, durch eine Art Irritation, die in der Begegnung mit der Operationsweise des anderen Systems liegt, eingeladen, seine Strukturen zu verändern. So kommt Fuchs zu dem Schluss: »Der Begriff ›strukturelle Kopplung‹ bezeichnet, funktional gesehen, die Umstellung von ›Durchgriffskausalität‹ auf ›Auslösekausalität‹« (Fuchs 2010a, 236). Anschlüsse sind nur systemintern entscheidbar und nicht von »außen« determinierbar. Es kann auf sie nicht durchgegriffen werden. Über strukturelle Koppelung sind autopoietische Systeme jedoch in der Lage, Anregungen aus ihrer Umwelt aufzunehmen. Sie bringen ihren Kontakt zu dieser in ein neues Gleichgewicht, ohne ihre Strukturen dabei zu verlieren. Die Strukturen der Umwelt können nicht durchgreifen oder festlegen, was an Veränderung im System erwirkt wird. »Strukturelle Kopplung ist geknüpft an eine fortlaufende Anlaßproduktion, die strukturierte (irritable) Systeme voraussetzt, die irritiert werden nur dadurch, daß Sinnsysteme einander ›Auslösetableaus‹ bzw. ›Auslösekapazitäten‹ für Wirkungen offerieren, die nicht als Intervention begriffen werden können, nicht als Ergebnisse von ›Durchgriff kausalität‹, sondern als unterschiedliche Anschlüsse in den gekoppelten Systemen« (Fuchs 2010a, 237). Somit beschreibt der Begriff der strukturellen Koppelung zunächst einmal den allgemeinen Prozess, wie sich autopoietische Systeme aneinander ausgerichtet verändern. Die Art der Anregung zwischen System und Umwelt im Rahmen der strukturellen Koppelung ist jedoch strukturdeterminiert und damit spezifisch und selektiv. Am Beispiel der Sinnsysteme dargestellt veranschaulicht Nassehi: »Niemals kann Kommunikation an Gedanken anschließen, sondern ausschließlich an vorherige Kommunikation. Und wenn ein psychisches System an Kommunikation anschließen wollte, müßte es diese Kommunikation erst selbst wahrgenommen haben, um daran anschließen 116 | Luhmann greift das Verständnis von Maturana und Varela auf und fasst es für sich wie folgt zusammen: »[…] es gibt weder Input von Einheit in das System, noch Output von Einheit aus dem System. Das heißt nicht, daß keine Beziehungen zur Umwelt bestehen, aber diese Beziehungen liegen auf anderen Realitätsebenen als die Autopoiesis selbst. Sie werden im Anschluß an Maturana oft als Kopplung des Systems an seine Umwelt bezeichnet« (Luhmann 2008, 56).

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zu können« (Nassehi 1997, 137-138). Die Strukturen des Systems erzeugen diese Selektivität, also das Spezifische, in der System / Umwelt-Begegnung über ihre operationale Geschlossenheit. Als das Spezifische des Prozesses der strukturellen Koppelung hebt Luhmann hervor, dass er wie gleichzeitig stattfindet. Luhmann problematisiert dabei, dass das, was gleichzeitig passiert, sich der Möglichkeit zur kausalen Beeinflussung entzieht, da die Zeitkomponente fehlt. So kommt Luhmann zu dem Schluss, die strukturelle Koppelung als etwas Gegebenes zu bewerten (vgl. Luhmann 2008, 32). Als anschauliches Beispiel gibt er hier die Gegebenheit der Schwerkraft bei der Bewegung von Organismen an (vgl. ebd.). Auch Fuchs geht davon aus, dass strukturelle Koppelung kausalitätsfrei geschieht und dass das System sich im Zeitfenster der Gleichzeitigkeit mit seiner Umwelt verbindet (vgl. Fuchs 2010b, 17). Nach Luhmann leistet die Sprache die strukturelle Koppelung von Bewusstsein und Kommunikation (vgl. Luhmann 2001, 237). So kann auch gesagt werden: Das soziale und das psychische System sind über das Medium Sinn in der Sprache strukturell gekoppelt (vgl. Fuchs 2011b, o. S.). Penetration und Interpenetration Für soziale und psychische Systeme erweitert Luhmann den Prozess der strukturellen Koppelung durch die Begriffe Penetration bzw. Interpenetration. Das Besondere dieser Art der Koppelung ist, dass die Systeme wechselseitig füreinander zur Umwelt gehören (vgl. Luhmann 1991, 290).117 Bei Penetration stellt das eine System dem anderen System seine vorkonstituierte Eigenkomplexität zur Verfügung und ermöglicht dadurch den Auf bau desselben. Bei Interpenetration passiert diese Bereitstellung wechselseitig. Beide Systeme ermöglichen sich hierbei dadurch, dass das jeweils andere System seine vorkonstituierte Eigenkomplexität einbringt (vgl. ebd.). Unter vorkonstituierter Eigenkomplexität kann verstanden werden, dass ein System einem anderen seine Operationsweise zur Verfügung stellt und dadurch die Operationen des anderen Systems ermöglicht. So stellt das psychische System dem sozialen System das Prozessieren von Aufmerksamkeit zur Verfügung, wodurch das soziale System zu kommunizieren in der Lage ist. Dabei ist dieses ZurVerfügung-Stellen nicht als Übernahme der Operationsform des anderen Systems zu verstehen. »Psychisch vorkonstituierte Eigenkomplexität wandert nicht über die Grenze des Sozialsystems und sozial vorkonstituierte Eigenkomplexität nicht über die Grenze des psychischen Systems« (Fuchs 2005a, 56). Die Nutzbarmachung der Operationsweise des jeweils anderen Systems entsteht über das Treffen weiterer Unterscheidungsmöglichkeiten im Medium Sinn (vgl. Kapitel 2.2). Um eine Wirkung im jeweils anderen System zu erzielen, ist es erforderlich, dessen Operationsweise zu berücksichtigen und sich nach dieser auszurichten. Das heißt, wenn an Kommunikation angeschlossen werden soll, muss die Kommunikationsstruktur berücksichtigt werden, wenn an Bewusstsein angeschlossen werden soll, müssen Anschlüsse an Gedanken und Wahrnehmungen gesucht werden. Jedes System in seiner Art kann nicht vom jeweils anderen in seiner Komplexität voll erfasst werden. Die Dimension dieses Vorgangs soll durch folgendes Zitat von Luhmann verdeutlicht werden: »Die Überlegenheit des Bewußtseins 117 | Luhmann spricht an dieser Stelle auch von »Intersystembeziehungen« (vgl. Luhmann 1991, 290).

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über die Kommunikation (der natürlich in umgekehrter Selbstreferenz eine Überlegenheit der Kommunikation über das Bewußtsein entspricht) wird vollends klar, wenn man bedenkt, daß das Bewußtsein nicht nur mit Worten oder vagen Wortund Satzideen, sondern nebenbei und oft vornehmlich mit Wahrnehmung und mit imaginativem Auf- und Abbau von Bildern beschäftigt ist. Selbst während des Redens beschäftigt sich das Bewußtsein unaufhörlich mit Wahrnehmungen, und mir selbst kommt es oft so vor, als ob ich beim Formulieren die Schriftbilder der Worte sehe […]. Auch variiert von Individuum zu Individuum das Ausmaß, in dem man sich durch das eigene Reden von der wahrnehmenden Beobachtung anderer ablenken läßt, oder wie weit man trotz der Aufmerksamkeit für die Sequenz der Rede daneben noch Kapazitäten frei hat für das simultane Prozessieren von Wahrnehmungseindrücken« (Luhmann 2008, 119). Konditionierte Koproduktion Vergleichbar mit dem Prozess der strukturellen Koppelung nehmen dabei die beteiligten Systeme wechselseitig Einfluss aufeinander, ohne ihre Autonomie zu verlieren.118 »Die interpenetrierenden Systeme bleiben füreinander Umwelt. Das bedeutet: die Komplexität, die sie einander zur Verfügung stellen, ist für das jeweils aufnehmende System unfaßbare Komplexität, also Unordnung. Man kann deshalb auch formulieren, daß die psychischen Systeme die sozialen Systeme mit hinreichender Unordnung versorgen, und ebenso umgekehrt« (Luhmann 1991, 291). Diese Unordnung wird innerhalb eines wechselseitigen Anschlussprozesses geordnet.119 Fuchs präzisiert diesen Prozess bei Sinnsystemen mit dem Begriff der konditionierten Koproduktion.120 Konditionierte Koproduktion beschreibt, dass das soziale und das psychische System sich gemeinsam bilden, in einer Art Koproduktion, die von historischen Bedingungen beeinflusst ist. Dabei koppeln sich psychische und soziale Systeme in der Sinnfigur, operieren jedoch ausgehend von dieser in ihrer jeweils spezifischen Informationsverarbeitung und entzweien sich damit. Das Entzweien, und damit das Operieren autopoietischer Systeme, ist dabei nur unter Berücksichtigung der Koproduktion, nur über die Differenz zu der Operationsweise des anderen Systems gegeben. »Die Eins ist ohne die Zwei nicht zu haben ist, so lautet der geläufige Ausdruck für das, was Spencer-Brown Koproduktion nennt« (Fuchs 2005a, 53). Luhmann geht davon aus, dass die Freiheitsgrade des einzelnen Systems durch den wechselseitigen Ordnungsaspekt im Rahmen der Interpenetration erhöht werden, da beide Systeme strukturbildend auf das jeweils andere einwirken. In der Darstellung von Kommunikation und Bewusstsein wurde dieser Prozess bereits beschrieben. Fuchs führt an dieser Stelle den Begriff der Bindung an, da sich Sinn118 | Neben dieser besonderen Qualität der Sinnsysteme füreinander spezifiziert sich der Prozess der Penetration und Interpenetration in Abgrenzung zur strukturellen Koppelung noch dadurch, dass er sich in Zeitigkeit auflöst. Die Zeitebene eröffnet kausale Zugänge, die gerade für die Betrachtung empirischer Daten von entscheidender Bedeutung sind. 119 | Fuchs verweist darauf, dass der Prozess der Interpenetration stark an das Schema der Assimilation / A kkomodation von Piaget erinnert (vgl. Fuchs 2010b, 17). 120 | Fuchs bezieht sich bei dem Begriff der konditionierten Koproduktion auf SpencerBrown (vgl. Fuchs 2005a, 52-53). In seiner jüngsten Literatur bezeichnet Fuchs diese Verbindung als reziproke Assistenz (vgl. Fuchs 2013).

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kondensate bilden, die über Strukturauf bau die Wiederverwendbarkeit garantieren (vgl. Fuchs 2004a, 94). Das soziale System strukturiert das psychische und umgekehrt, indem es dem jeweils anderen System seine Komplexität und Operationsform zur Verfügung stellt.121 Es zeigt sich ein interdependentes Verhältnis. »Theoriekonsistent kann Interpenetration nur heißen: daß im jeweiligen Bezugssystem die Einheit und Komplexität (im Unterschied zu: spezifischen Zuständen und Operationen) des jeweils anderen eine Funktion erhält. Die Art und Weise, in der das geschieht, ist natürlich nur an den jeweils systemeigenen Strukturen und Operationen aufzuweisen; anders könnte sie nicht vorkommen. Sie nimmt also in Bewußtseinssystemen andere Formen an als in kommunikativen Systemen« (Luhmann 2008, 51). Es geht also darum, dass das zur Verfügung Gestellte für die operative Fortsetzbarkeit des Anderen notwendig ist. Der Anregungsprozess selbst, die Wirkung der Komplexität des einen Systems für das andere, bleibt dabei hochgradig individuell und unerschlossen (vgl. Fuchs 1995, 135).122 Das psychische System bleibt vom sozialen System (und umgekehrt das soziale System vom psychischen) unterschieden und uneinsehbar, auch wenn es zu Anregungsprozessen kommt.123 Zwischenmenschliche Interpenetration Da es in dieser Arbeit um die Auseinandersetzung mit Interaktion unter Anwesenheit geht, wird der Begriff der Interpenetration noch um den der zwischenmenschlichen Interpenetration erweitert. Bei der zwischenmenschlichen Interpenetration wird neben den Anschlussprozessen psychischer und sozialer Systeme aneinander die Referenz auf den Körper relevant. Über den Körper lässt sich Mitteilungshandeln zuordnen und lokalisieren.124 An dieser Stelle führt Luhmann den Menschen 121 | Die enge Verwobenheit des sozialen und psychischen Systems greift Fuchs in seiner Entwicklung der allgemeinen Theorie der Sinnsysteme auf. Er schreibt: »Das Medium der Wahrnehmung wird mit sozialem Sinn und der Form seines Gebrauches ›abgefüllt‹. Deswegen haben wir hier das psychische System gekennzeichnet als soziale Interpretation von Hirnereignissen. Es ist diese Interpretation« (Fuchs 2010a, 268). Zur weiteren Vertiefung muss auf seine jüngsten Veröffentlichungen verwiesen werden (vgl. beispielsweise Fuchs 2013). 122 | »In anderen Worten: Die Außenseite der Psyche, auf die es uns hier ankommt, ist Kommunikation als elementare Einheit sozialer Systeme, aber sie ist es als interne Konstruktion, die die Unbestimmtheit (die Selbstreferenz) sozialer Systeme einkalkuliert – im gemeinsamen Medium Sinn. Das könnte man – aus merktechnischen Gründen – auch die kleine AUSSENSEITE nennen. Umgekehrt: Die Außenseite des Sozialsystems ist die psychische Operation (Wahrnehmungen im diskutierten Verständnis), aber sie ist es als interne Konstruktion, die die Unbestimmtheit (Selbstreferenz) psychischer Systeme einkalkuliert – im gemeinsamen Medium Sinn. Die große AUSSENSEITE beider Systeme (für das psychische System das Soziale, für das soziale System das Psychische) verbleibt unerreichbar, ist also jeweils Projektionsraum für systeminterne Imaginationen« (Fuchs 2005a, 57). 123 | So ist es in unserer Kultur üblich, dass das soziale System Kommunikation nur einer Psyche anbietet und nicht einem Gegenstand, da sie bei diesem nicht von der Eigenkomplexität ausgeht, Kommunikation aufzunehmen. Kinder unterscheiden sich an dieser Stelle in der Regel von Erwachsenen. 124 | Die Relevanz des Leibes in der Zuordnung von Operationen wird über folgendes Zitat von Luhmann sehr anschaulich: »Es ist ein Gedanke, der das Ich auflöst und durch ein Moment der Leere und Aliheit [sic!] ersetzt – bis dies für das Bewußtsein zu anstrengend wird,

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ein, da auf ihn über den Körper Bezug genommen werden kann (vgl. Fuchs 2010c, 92). Interpenetration kann sich auch ohne die Anwesenheit von Körpern ereignen, beispielsweise indem über Medien kommuniziert wird.125 Zwischenmenschliche Interpenetration beschreibt den Bezug auf Körper und setzt somit deren Anwesenheit voraus. In der Heilpädagogik geht es originär um betreff bare und betroffene Menschen. Dadurch ist zwischenmenschliche Interpenetration in der Auseinandersetzung mit inklusiven und exklusiven Prozessen zentral und für die Fragestellung dieser Arbeit im besonderen Maße bedeutsam.126 Aus ihrem heilpädagogischen Bezugsrahmen heraus kann gefragt werden, ob und inwiefern eine Zurechnung auf Komplexität beobachtbar wird, wenn die Kommunikation sich an Mitteilungshandelnde mit adressierter Behinderung richtet. Und weiter: Wodurch sind unter den Voraussetzungen adressierter Behinderung Zurechnungen psychischer Komplexität möglich, die Relevanzmarkierung erwirken? Oder: Nach welchen Strukturvorgaben richtet sich Kommunikation aus, die im Anschluss an eine als behindert adressierte Person beobachtet wird? Zeigen sich hier Unterschiede zum kommunikativen Anschluss an Personen, die an der Norm orientiert als »nichtbehindert« adressiert werden? Die Auswertung des empirischen Teils der Arbeit wird zeigen, inwiefern die Äußerungen der Kinder sich daraufhin deuten lassen. Sozialisation Abschließend für diesen Teil des Kapitels erfolgt eine kurze Skizzierung des systemtheoretischen Sozialisationsbegriffes, da er sich von dem herkömmlichen unterscheidet.127 Er ist in dieser Arbeit von Bedeutung, da im empirischen Teil auf und es wieder normal zu operieren beginnt. Erst aufgrund dieser Identität, die auf einer bezeichnenden Unterscheidung vom eigenen Leib beruht, kann das Bewusstsein wissen, wo es sich jeweils ›befindet‹, auch wenn es in Gedanken woanders ist. Nur so kann es die Erfahrung lernen, beobachtet zu werden. Das Bewußtsein des Beobachtetwerdens ist nur über das Bewußtsein der Sichtbarkeit des eigenen Leibes zu gewinnen« (Luhmann 2008, 79). (Anmerkung zum Zitat: Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Wort »Aliheit« um einen Druckfehler handelt und hier »Allheit« gemeint ist.) 125 | So schreibt Luhmann von sozialem Handeln ohne Anwesenheit anderer, wenn sich Sinnbezüge zur Gesellschaft herstellen lassen. »Einsame Handlungen sind immer dann auch soziale Handlungen, wenn ihre Sinnbestimmung Bezüge auf Gesellschaft mitführt« (Luhmann 1991, 580). 126 | Angemerkt werden soll an dieser Stelle, dass systemtheoretisch gesehen somit zwischenmenschliche Interpenetration zum Schlüssel dafür wird, über Moral und Ethik zu sprechen, da Anschlussprozesse für das Fortbestehen von Sinnsystemen elementar sind. »Ein Bewusstsein, das in keinerlei Kommunikationssystem inkludiert ist, kann nicht operieren« (Terfloth 2006, 110). So wird die Auseinandersetzung mit Prozessen der zwischenmenschlichen Interpenetration zu einer genuin heilpädagogischen. Vergleichbar sieht auch Luhmann den Begriff der Interpenetration als Schlüssel für weitere Analysen im Verhältnis des Menschen zum sozialen System (vgl. Luhmann 1991, 290). Im Kapitel über Inklusion und Exklusion werden diese Überlegungen wieder aufgegriffen. 127 | Sutter erläutert, dass Sozialisationstheorien von Hause aus subjekt- und handlungstheoretisch angelegt sind, trotz eines mittlerweile verbreiteten konstruktivistischen Verständnisses von Sozialisation (vgl. Sutter 2012, 385).

2.  Theoretische Rahmung

Sinnbildungsprozesse von Kindern Bezug genommen wird, die durch eine besonders vielfältige und heterogene Umwelt angeregt bzw. sozialisiert wurden (vgl. Kapitel  4.1.2). Luhmann betrachtet und bewertet den Vorgang der Sozialisation im Kontext des Prozesses der Interpenetration (vgl. Luhmann 2008, 51). In diesem Sinne führt auch Sutter aus: »Der systemtheoretische Begriff der Selbstsozialisation wird als eine bestimmte Art von Intersystembeziehung zwischen psychischen und sozialen Systemen begriffen, in der beides von grundlegender Bedeutung ist: das selbstreferenzielle, überschneidungsfreie Operieren von psychischen und sozialen Systemen, die sich zugleich in ihrem strukturellen Auf bau voneinander abhängig machen« (Sutter 2012, 386). Er weicht damit von der traditionellen Theorie der Sozialisation ab, indem er von »Fremdsozialisation« auf »Selbstsozialisation« umdisponiert (vgl. Sutter 2012, 385). Luhmann geht davon aus, dass über die Prozesse der Interpenetration, über die Komponente Zeit, sogenannte Routinen entstehen, die zu präferierten Mustern in der Kommunikation und im Denken führen und somit Sozialisation markieren. In Bezug auf das psychische System schreibt Luhmann: »Per Sozialisation kann auch ein Bewußtsein Sprache als Struktur der eigenen Gedankenführung übernehmen und dadurch eine eigene Komplexität auf bauen, die anders unerreichbar wäre« (Luhmann in Krüll, Luhmann, Maturana 1987, 14). Diese Festlegung erfolgt aus der Struktur des Systems selbst heraus. Somit wird das System nicht sozialisiert, sondern es sozialisiert sich (vgl. Schleiffer 2006, 6). Beispielsweise werden im Umgang mit Verbalsprache spezifische Geräusche des »Umweltrauschens« aktiv mit einem Bedeutungsgehalt versehen, andere hingegen nicht. Welche Zischlaute oder ähnliches mit Sinn besetzt werden bzw. eine auf Sinn verweisende Interpretation ermöglichen, ist davon abhängig, welche Erklärungen ihnen in der Vergangenheit durch das System zugesprochen wurden und in welchen aktuellen Kontext sie gestellt werden (vgl. Simon 2006, 92-93). Es geht also um gedankliche Anschlussfähigkeit oder, um mit einem Bild von Fuchs zu arbeiten, darum, was an die »kleine Außenseite« des Systems gelangt, sich im System als sinnhaft abbildet (vgl. Fuchs 2005a, 57). Dabei werden neuronale Ereignisse im Prozess der Sozialisation sozial interpretiert und supercodiert (vgl. Fuchs 2009a, 1). Passend begreift Fuchs deshalb Sozialisation auch als »soziale Interpretation von Hirnereignissen« (Fuchs 2011, 103). »Auch das Kommunikationssystem legt sich auf Grund wiederholter, typmäßig bekannter, wenn auch situationsmäßig überraschender Irritationen auf eine ›structural drift‹ fest« (Luhmann 2008, 33).128 Sozialisation ist also auch ein sozialer Prozess. »Im Unterschied zu Theorien, die eine Soziabilisierung des Säuglings vorsehen, die ihn sozusagen ›kommunikationsreif‹ macht, ziehe ich es vor, davon auszugehen, daß das komplexe Systemmix ›Säugling‹ von Anfang an von Kommunikation als strukturgebende (im Zuge von Iteration unterscheidbare und faszinierende) Erscheinung der Welt umspült wird« (Fuchs 1995, 146). So stellt Fuchs dar, wie sich über das Komplexitätspotential von Kommunikation die Komplexität des Bewusstseins entwickelt und gleichzeitig wiederum die Komplexität der Kommunikation modifiziert wird (vgl. ebd.). »Das psychische System als ein 128 | Über die Dauer der Begegnung psychischer und sozialer Systeme wird aus der strukturellen Koppelung etwas, was Maturana und Varela als »structural drift« bezeichnen (vgl. Luhmann 2008, 33 und Maturana, Varela 1987, 128).

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autopoietisches System sozialisiert sich selbst aus Anlass der Kommunikation seiner sozialen Umwelt, […]« (Schleiffer 2005, 341). In diesem Zusammenhang wurde in Kapitel 2.2.4 die affektive Protokommunikation vorgestellt (vgl. Schleiffer 2012, 69). Hier wurde der Einfluss, den die Umwelt nimmt, über die Möglichkeit gesehen, einen Säugling in spezifischer Weise mit Kommunikation zu konfrontieren, sie ins Laufen zu bringen (vgl. Fuchs 1995, 162). Die Umwelt macht dem Systemmix Säugling Angebote, an die »er« in seiner spezifischen Weise anschließt. So wird erkennbar: Auch an dieser Stelle distanziert sich die Systemtheorie von der Möglichkeit einer deterministischen Einflussnahme. »In jeden Fall ist Sozialisation immer Selbstsozialisation und nicht Import von Kulturpartikeln in das psychische System« (Fuchs 2010a, 141). So wird folgerichtig Lernen auch nicht als Übernahme einer Instruktion aus der Umwelt verstanden, »[…] so als ob dort wohlpräparierte Bewußtseinselemente (Informationen) vorhanden wären, die nur möglichst intakt in das System überführt werden müßten; sondern Lernen ist Änderung einer strukturellen Spezifikation, mit der das System seine Autopoiesis handhabt, also vor allem: mit der es trotz hoher Komplexität ausreichendes Tempo im Anschluß von Gedanken an Gedanken (z. B. beim Reden) erreichen kann« (Luhmann 2008, 73). Entsprechend führt Luhmann aus: »Es kann also nicht darum gehen, denen, die erzogen werden sollen oder wollen, einen Lebenslauf beizubringen« (Luhmann 2004, 275). Vielmehr kann es nur darum gehen, mehr oder weniger gezielte Irritationen und Störungen anzubieten, »[…] die von den psychischen Systemen in einem operativ geschlossenen Prozess nach Maßgabe intern aufgebauter Strukturen verarbeitet werden« (Sutter 2012, 387). Hinsichtlich der Arbeit an der sozialen Adresse wird dieser Gedanke wieder aufgegriffen (vgl. Kapitel 5.5). Durch das hier skizzierte systemtheoretische Verständnis von Sozialisation wird die enge Verwobenheit zwischen System und Umwelt deutlich. In diesem Sinne kann Sozialisation als ein interdependenter Prozess des Findens präferierter Formen der Einordnung, des Verstehens oder auch des Beobachtens sinnbezogener Angebote über psychische und soziale Operationen begriffen werden, über die in der jeweiligen Umwelt etwas als ein spezifisches Etwas erkennbar wird. Fuchs weist auf einen erweiternden und einen einengenden Aspekt im Kontext des systemtheoretischen Sozialisationsbegriffs hin. »Sozialisation ist nicht bloß das Ausfüllen wahrnehmender Systeme mit Sinnverweisungsschlägen, nicht bloß die Introjektion eines universalen Sinnmilieus; sie ist auch der Prozeß, in dessen Verlauf das System gleichsam daran gehindert wird, einfachhin und sinnfrei wahrzunehmen. Es lernt mit jener Introjektion zugleich die ›Methode‹ der Autopoiesis, in der die Differenz von Fremd- und Selbstreferenz beobachtbar wird durch différance-zeittechnische Anschlüsse an der einen oder anderen Seite dieses Unterschieds« (Fuchs 2010a, 140). Damit beschreibt Fuchs, dass über den Prozess der Sozialisation einmal Sinncodiertes nicht mehr sinnfrei wahrgenommen werden kann.129 Hier wird deutlich, dass sich über die Bildung von Differenzen über die Koppelung von Erscheinungen mit Sinn etwas ergibt, das nicht mehr zurücknehmbar ist (vgl. Kapitel 2.2.1). An der Stelle, an der eine Unterscheidung vollzogen wurde, etwas in einen Sinnkontext gestellt wurde, ist das, was erscheint, nicht mehr frei von diesem gebildeten Sinnkontext 129 | So betrachtet er beispielsweise den Einsatz von Worten als Zitat. »Der Begriff des Zitats meint einen Prozess der Aktualisierung systemintern wieder erkannter Ereignisse, die zur Grundlage weiterer Bedeutungszuschreibung genutzt werden« (Terfloth 2006, 203).

2.  Theoretische Rahmung

wahrnehmbar. Der Begriff der Ko-Evolution (vgl. Fuchs 2013a, 102) beschreibt dabei den spezifischen Zustand, dass ein System nicht unabhängig von bereits existierenden Unterscheidungen, die es in der Welt gibt, zu seinen Beobachtungen kommen kann. Es ist eingebunden, gebettet in diese, auch wenn sich sein Operieren nicht bestimmen lässt.130 Abschließend soll auf die Existentialität von Sozialisation aufmerksam gemacht werden. Simon merkt an, dass jedes Individuum eine Sozialisation durchlaufen muss, in deren Verlauf es lernt, dass einem Verhalten ein bestimmter Sinn zugeschrieben werden kann (oder muss) (vgl. Simon 2006, 93). An dieser Stelle ereignet sich Adressenbildung. Sozialisation kann damit auch als eine Art »Zugangskriterium« bezeichnet werden, um überhaupt Teilnehmender_in eines sozialen Systems werden zu können (vgl. ebd.). Überdies verdeutlicht Fuchs, dass das Selbst sich nur durch den Kontakt mit Kommunikation bildet (vgl. Fuchs 2009a, 5).131 Wie dargestellt, geht Fuchs dabei von einer polykontexturalen (in vielfachen Zusammenhängen stehenden) oder auch polyeventuellen (vielfachidentifizierten) (vgl. Fuchs 2010a, 237) Umwelt aus. So scheint es möglich (oder sogar gegeben), dass es nicht eine spezifische Form der Sinnzuschreibung sein muss (oder ist), der sich im Rahmen des Sozialisationsprozesses angeschlossen wird. Als wesentlich wird vor dem Hintergrund der vorangegangenen Ausführungen bewertet, dass eine Form als eine mögliche erkannt wird und dass an diese Form andere Systeme beobachtbar anschließen. Dabei steigen die operative Wahlfreiheit und damit auch die potentiellen Teilnahmemöglichkeiten, mit den Optionen, Sinnverweise zu erkennen. Die hier beschriebenen Anschlussprozesse autopoietischer Systeme sind hochkomplexe und, wie oben dargestellt, nicht beobachtbare Vorgänge. Interpenetration ist auch in der Interaktion unter Anwesenheit nicht zu sehen. Jedoch kann ein Beobachter sich daran orientieren, inwiefern ein beobachteter Beobachter auf Komplexität referiert, durch die Ausrichtung auf eine soziale Adresse, der er sich kommunikativ zuwendet (vgl. Kapitel 3.3). Bevor es im folgenden Kapitel um die spezifische Begrifflichkeit dieser Relevanzmarkierung geht, also der Prozesse der Inklusion und Exklusion, werden zum Abschluss dieses Kapitels Bedeutsamkeiten aufgeführt, die für Anschlussprozesse von Sinnsystemen aus systemtheoretischer Sicht als zentral bewertet werden.

130 | In der Entwicklung seiner jüngsten Theorie der Sinnsysteme verweist Fuchs dabei auf Folgendes: »Die Operation des psychischen Systems (Wahrnehmung) wird im Zuge der KoEvolution mit Kommunikation umgetrimmt auf Formgleichheit mit Kommunikation: sowohl, was die Handhabung des Unterschieds von Selbst- und Fremdreferenz anbetrifft, als auch im Blick auf die Zeitverhältnisse sozialer Systeme, eben auf jene Nachträglichkeit der Identifikation von passierenden Ereignissen« (Fuchs 2010a, 146). Für die vertiefte Auseinandersetzung mit der Formgleichheit psychischer und sozialer Operationen kann hier auf die jüngste Literatur von Fuchs verwiesen werden (vgl. beispielsweise Fuchs 2013). 131 | Stellt man diesen Sachverhalt in einen heilpädagogischen Kontext, erscheint gegenseitige Sinnzuschreibung in der Begegnung der Kinder (z. B. innerhalb einer Gruppenstruktur, in der Kinder mit und ohne adressierte Behinderung einander beobachten) existentiell.

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2.5.2 Bedeutsamkeiten innerhalb von Anschlussprozessen Vergleichbar zu Piagets Darstellung von einem guten Ausgleich zwischen Akkomodation und Assimilation in seiner Äquilibrationstheorie132 geht auch Fuchs im systemtheoretischen Kontext von der Notwendigkeit aus, eine Balance herzustellen zwischen zu viel und zu wenig an Reizung, eine Ausgewogenheit zwischen den Innen- / Außenverhältnissen sich koppelnder bzw. interpenetrierender Systeme (vgl. Fuchs 1995, 153).133 Fuchs verdeutlicht, dass nicht alles aus der Umwelt eines Systems dieses System gleichzeitig irritieren kann. von Glasersfeld prägte für diesen Auswahlprozess den Begriff der Viabilität (vgl. Balgo 1998, 140-141). Viabel wird durch von Glasersfeld übersetzt mit »Gangbarkeit«, mit dem Begriff des Passens im Sinne des Funktionierens (vgl. von Glasersfeld 1992, 19).134 »Das heißt, etwas wird als ›viabel‹ bezeichnet, solange es nicht mit etwaigen Beschränkungen oder Hindernissen in Konflikt gerät« (ebd.). von Glasersfeld beschreibt, dass das System in seinem Umweltkontakt immer eine Auswahl treffen muss, wonach es sich operativ ausrichtet. Bei dieser Auswahl, in der Bildung von Differenzen, orientiert es sich an dem Weg, der für das System in diesem Moment am gängigsten scheint. »[…], eine genauere Untersuchung, […], zeigt, daß wir nie alle vorhandenen Signale verwenden, sondern durch unsere Aufmerksamkeit stets eine relativ kleine Anzahl auswählen und diese Auswahl zudem durch die Vergegenwärtigung erinnerter Wahrnehmungen […] je nach Bedarf ergänzen. Der ›Bedarf‹ wird dabei durch den Zusammenhang des Handelns bestimmt, in dem wir uns gerade befinden; und dieser jeweilige Zusammenhang erfordert nie, daß wir die ›Umwelt‹ so sehen, wie sie ›in Wirklichkeit‹ ist (was wir ja ohnedies nicht können), sondern er verlangt nur, daß das, was wir wahrnehmen, uns zu erfolgreichem Handeln befähigt« (von Glasersfeld 1992, 22). Der bereits dargestellte Sinnbegriff und die Sinndimensionen (Zeit-, Sach- und Sozialebene) differenzieren aus systemtheoretischer Perspektive die Möglichkeit von Sinnsystemen, Viabilität zu beobachten. An Sinnverweisungen als Strukturen kann angeschlossen werden. Fuchs bezeichnet Strukturen auch als Kombinatorik (Vortrag in Vorderbüchelberg am 13.09.2013), als Auf bau von Kombinationsmöglichkeiten für Ereignisse, die so als passend, kaum passend oder nicht passend diskriminiert werden können (vgl. Fuchs 2012c, 4). Strukturen stellen die notwendigen Voraussetzungen dar, um operativ Differenzbildung vorzunehmen und be132 | Piaget hat das Äquilibrationsbestreben als im Innern des Menschen angelegt dargestellt (vgl. Bamler, Werner, Wustmann 2010, 49), als die Herstellung bzw. Findung von »Gleichgewicht« (vgl. Montada 1987, 455) aus der Konfrontation mit Ungleichgewichtszuständen durch Konfrontationen aus der sozialen und materiellen Umgebung, zwischen verschiedenen Schemata oder zwischen Schema und Struktur (vgl. Flammer 2009, 143). 133 | Fuchs erinnert das Interpenetrationsverhältnis sozialer und psychischer Systeme an das Schema Assimilation /  A kkomodation von Piaget (vgl. Fuchs 2010b, 17). 134 | von Glasersfeld entwickelte als Zugang zu seinen Überlegungen als radikaler Konstruktivist: »Wo die Überlieferung, trotz Kant, zwischen Erlebnis und ›Wirklichkeit‹ stets Gleichförmigkeit, Übereinstimmung oder zumindest Korrespondenz als natürliche und unerläßliche Voraussetzung betrachtete, postuliert der radikale Konstruktivismus die grundsätzlich andersartige Beziehung der Kompatibilität oder, wie ich sie in Anlehnung an den englischen Ausdruck nennen möchte, der Viabilität« (von Glasersfeld 1992, 18).

2.  Theoretische Rahmung

obachten zu können. »Strukturalität ist […] ihrerseits die Bedingung der Möglichkeit von Irritabilität, oder besser: Strukturalität ist Irritabilität, denn nur auf dem Hintergrund von Erwartungen (eines multi-marked-space, einer Systemgeschichte) kann registriert werden, daß Anderes, daß Neues, daß Problematisches und Überraschendes, daß überhaupt Relevantes (oder Ignorables) geschieht« (Fuchs 1995, 153).135 So kommt Fuchs zu der Beschreibung: Strukturen dienen »[…] als Widerlager gegen die überbordende Totalität der Welt […]« (Fuchs 1995, 153).136 Im Auf bau von Strukturen geht es um Wiederholbarkeiten und Wiederansteuerbarkeiten (vgl. Fuchs 2013, 146). Strukturen stehen im Gegensatz zu Prozessen, die systemtheoretisch als »Selektivitätsverstärkung« (Fuchs 2013, 146) beobachtet werden. Insofern engen Prozesse die Anschlussoptionen des Systems ein, wohingegen Strukturen komplexitätssteigernd wirken. In diesem Sinne sind Prozesse eher im Kontext von Exklusion beobachtbar (vgl. Fuchs 2012c, 4). In der Beobachtung der empirischen Daten wird auf diese Unterscheidung hin-beobachtet. Dabei geht es nicht darum, dass sich Systeme nur nach bekannten, gängigen Strukturen ausrichten. Vielmehr dienen sie als Ausgangspunkt, als Plateau, von dem aus die Umwelt betrachtet wird. Luhmann geht sogar davon aus, dass das Bewusstsein die Bestätigung vorgefasster Meinungen / bestehender Strukturen nur marginal beschäftigt (vgl. Luhmann 2008, 74). Er postuliert, dass Abweichungen notwendig sind, damit Strukturen erkennbar werden.137 »Aus diesem Grund kann man Strukturen auch als Irritabilitäten auffassen, da sie sich nicht bemerkbar machen, wenn nichts Abweichendes geschieht, die aber errechnet werden müssen, wenn Devianz registriert wird: Man hält einem Gast die Hand zur Begrüßung hin, in die er dann hineinbeißt. Genau dies führt zur Ermittlung dessen, was man eigentlich erwartet hätte, also zu einer Konsistenzprüfung« (Fuchs 2009, 7). Auch Fuchs plädiert dafür, Systeme mit Komplexität zu konfrontieren, ihnen Auswahlmöglichkeiten zuzumuten. So postuliert er orientiert an von Foerster: »Handle

135 | In diesem Sinne werden auch soziale Adressen als Strukturen bezeichnet (vgl. Fuchs 2012c, 3-4). 136 | Werden diese Überlegungen von Anschluss- und Nicht-Anschlussprozessen in Verbindung mit Lernprozessen gebracht, erscheinen folgende Differenzierungen orientiert an Schleiffer relevant: Schleiffer differenziert zwischen Wissen und Lernen. Wissen bezeichnet er orientiert an Luhmann als Struktur, mit deren Hilfe das psychische System seine Autopoiesis fortsetzt (vgl. Schleiffer 2005, 342). Wissen wird hier also als Ausgangspunkt für gedankliche Entwicklungen verstanden. Beim Prozess des Lernens wird diese Struktur, dieser Ausgangspunkt irritiert. Wenn diese Irritationen das System dazu veranlassen, seine Strukturen zu verändern, sich der Umwelt anzupassen, findet Lernen bzw. Bildung statt (vgl. ebd.). Der Ausgangspunkt des systemtheoretischen Bildungsverständnisses ist demzufolge ein freiheitlicher, der davon ausgeht, dass das in das System integriert wird, was für dieses viabel erscheint. »Informationen können daher nicht von außen in das System gelangen, sondern werden aufgrund der operationalen Geschlossenheit systemintern hervorgebracht« (Terfloth 2006, 157). Luhmann beschreibt, dass das psychische System lernfähig operiert, aber so gut wie unbelehrbar ist (vgl. Luhmann 2008, 100). 137 | Insofern werden Störungen aus der systemtheoretischen Perspektive auch als funktional bewertet.

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stets so, dass die Alternativität deiner Klientel steigt« (Fuchs 2008, o. S.).138 Das Andere, Fremde, Unnormale löst eine Alarmfunktion aus und regt zur Auseinandersetzung an. »Zuweilen wird dieser Vorgang als Entspezifikation von Aufmerksamkeit, als Freisetzung von Erregung und Energie aufgefaßt, die sich dann neue Bindungen suchen« (Luhmann 2008, 75). Das Herstellen / Erkennen / Konstruieren von Differenzen als zentrale Operation zur Herstellung von Sinn wird in diesem Kontext gut verstehbar. So schreibt Luhmann: »Die Einheit der Differenz ist und bleibt Grundlage der Operation. Das kann nicht genug betont werden. Eine Präferenz für Sinn gegen Welt, für Ordnung gegen Störung, für Information gegen Rauschen ist nur eine Präferenz. Sie macht das Gegenteil nicht entbehrlich. Insofern lebt der Sinnprozeß von Störungen, nährt sich von Unordnung, läßt sich durch Rauschen tragen […]« (Luhmann 1991, 122-123). An dieser Stelle wird deutlich, dass im besonderen Maße von Anregung (der Eröffnung von Lernprozessen) ausgegangen werden kann, wenn ein System etwas Unbekanntem ausgesetzt ist. Auch Fuchs betont die Möglichkeit in der Zuwendung zu etwas Abweichendem. Er geht davon aus »[…], daß Kommunikation und Bewußtsein in ihrer wechselseitigen Stimulation Systeme mit ›abweichender‹ Morphogenese zulassen können, solange evolutionäre Viabilität gesichert ist« (Fuchs 1995, 138). Schleiffer betont jedoch, dass eine Wahlmöglichkeit grundsätzlich möglich bleiben muss, damit das System bestehen bleiben kann (vgl. Schleiffer 2012, 63). Sinnverweisungen wurden oben als das verbindende Moment, als Bereitstellung von Fortsetzbarkeitsbedingungen, aufgezeigt. So postuliert Balgo: »Das Feststellen von Gleichheit ist die Voraussetzung für das Feststellen von Verschiedenheit. Das Feststellen von Verschiedenheit ist die Voraussetzung für das Feststellen von Gleichheit« (Balgo 2003, 93). Ergeben sich dabei große Differenzen zwischen der Eigenkomplexität des einen Systems im Vergleich zur Eigenkomplexität des anderen Systems, so kann ein Wiedererkennen erschwert und die Notwendigkeit der Einstellung auf etwas Fremdes erhöht werden. Fuchs spricht in diesem Zusammenhang von der Begegnung mit »Alterität« (Fuchs 2009a, 9) oder dem Erleben von Sinngrenzen (vgl. Fuchs 2010d, 7). Autopoietische Systeme werden hier als nur bedingt belastbar und strapazierfähig beschrieben (vgl. Fuchs 2011a, 6). »Strukturen brechen zusammen oder fangen zumindest an zu ›schlingern‹, wenn die Irritationen ein bestimmtes Maß überschreiten […]« (Fuchs 2002, 4). Als besonders schwierig und damit als besonders relevanten Faktor für einen Anschlussprozess stellt Fuchs die Situation dar, wenn Bedingungen der Möglichkeit von Kommunikation berührt werden (vgl. Fuchs 2011a, 6).139 So verdeutlicht er am Phänomen Autismus, wie systemtheoretisch gesehen Behinderung als eine Art »Kopplungsstörung« zwischen dem Bewusstsein und der Kommunikation gebildet wird (vgl. Fuchs 1995, 172-173). Fuchs beschreibt, dass eine fundamentale Verletzung der Funktionsbedingungen von Kommunikation fundamental die Funkti138 | von Forster propagiert den ethischen Imperativ, bei dem es darum geht, sein Handeln nach einer Erhöhung der Wahlmöglichkeiten auszurichten (vgl. von Foerster 2010, 60). 139 | Fuchs bewertet aus einer an der Norm orientierten Perspektive, dass soziale Systeme belastet sind, wenn beispielsweise jemand eingeschränkt hören kann, Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen auftreten, Sinnverarbeitungsmöglichkeiten nur reduziert zur Verfügung stehen oder die Binnenzeit psychischer Systeme nicht synchronisiert werden kann mit den routinierten Zeiterfordernissen eines sozialen Systems (vgl. Fuchs 2002, 4).

2.  Theoretische Rahmung

onsbedingungen von Bewusstsein beeinträchtigt (vgl. Fuchs 1995, 174).140 »Das ist nicht dann schon (oder jedenfalls kaum) der Fall, wenn jemand, der im Rollstuhl sitzt oder dem ein Arm fehlt, sich an Kommunikation beteiligt. Aber es ist schon dann und dramatisch der Fall, wenn jemand nicht oder nur sehr eingeschränkt hören oder sprechen kann, wenn Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen auftreten, Sinnverarbeitungsmöglichkeiten nur reduziert zur Verfügung stehen oder die Binnenzeit psychischer Systeme nicht synchronisiert werden kann mit den routinierten Zeiterfordernissen eines sozialen Systems« (Fuchs 2002, 4). Angemerkt werden muss an dieser Stelle, dass der Beobachterperspektive der Systemtheorie entsprechend die Herstellung von Synchronisationen im Bereich autopoietischer Sinnsysteme hochgradig individuell ist (vgl. Fuchs 1995, 157). So zeigt beispielsweise Schleiffer in seinen Ausführungen zu dissozialem Verhalten bei Kindern auf, dass hier, vor dem Hintergrund ihrer biographischen Kontexte (ihrer ko-konstruktiven Anschlussoperationen), auf Kommunikation mit Anschlussverhalten reagiert wird, welche aus anderen, an der Norm orientierten Beobachtungsperspektiven als Strapaze bewertet werden würden. Gleichwohl sorgen Angebote für operative Ausschlüsse, die andere Kinder als Kommunikationsangebot bewerten und nutzen würden (vgl. Schleiffer 1988, 245). Die Kontingenz autopoietischer Systeme potenziert überdies noch die Unberechenbarkeit. In Kapitel 2.2.1, 2.2.3 und 2.2.4 wurde veranschaulicht: Woran ein Sinnsystem anschließt, welchen Sinnhorizont es auftut oder was nicht in die Betrachtung des Beobachters gerät, ist nicht vorhersehbar (vgl. Fuchs 2004, 84-87). Auch hier wird die Betrachtung der empirischen Ergebnisse bezüglich der Äußerungen der Kinder erkenntnisreich sein, in Ausrichtung auf das, was vor dem Hintergrund ihrer Kommunikationserfahrungen als Stressor wirkt und was auf eine Beeinträchtigung von Interpenetrationsprozessen schließen lässt und was nicht. Im Kontext von Spezialisierung ist zu berücksichtigen: »Je höher die Komplexität eines Systems, desto schärfer ist häufig die Selektion anhand deren Strukturen und Prozesse« (Fuchs in Terfloth 2006, 110). Hieraus könnte geschlossen werden: Je spezialisierter das Spiel der Kinder z. B. an einer Fernsehserie orientiert ist, desto schwerer ist es für andere Kinder, sich am Spiel zu beteiligen, wenn sie diese Serie und ihre Figuren nicht kennen. So könnte behauptet werden: Je spezifischer der Kontext der Kommunikation, desto weniger Fremdreferenz in Bezug auf andere Kontexte ist möglich, desto mehr exklusive Prozesse finden statt. Eine der zentralen Fragestellungen dieser Arbeit, die sich aus den vorhergehenden Ausführungen entwickelt, ist: In welcher Kombination erhält das Unbekannte, das ein System einem anderen zur Verfügung stellt, eine Funktion im Sinne einer Irritabilität? Inwiefern ist ein System also in der Lage, das Fremde als eine Erweiterung seiner Auswahlmöglichkeiten zu bewerten und sich davon irritieren zu lassen? Und wann erscheint dieses Neue zu fremd oder zu komplex, so dass es nicht erkannt und als Anregung gedeutet werden kann? So geht es an dieser Stelle um die zentrale Fragestellung in der Verbindung zwischen theoretischer Betrachtung von Anschluss und Nicht-Anschlussprozessen und dem empirischen Teil dieser Arbeit, denn Luhmann postuliert: »Es ist […] eine empirische Frage, wieviel struk140 | So wurde in Kapitel 2.4 Behinderung entsprechend als eine Störung gelingender Koppelung zwischen dem sozialen und psychischen System definiert, also als eine Störung im Bereich der Interpenetration.

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turelle Komplexität die Einzeloperationen des Systems verkraften können und was geschieht, wenn es zu viel wird« (Luhmann 2008, 20).141 Fuchs gebraucht in diesem Zusammenhang den Begriff der Strapaze (vgl. Kapitel 2.4). Auch er zeigt auf, dass diese Form bisher nicht hinreichend analysiert wurde (vgl. Fuchs 2002, 3). In der Verbindung mit dem empirischen Teil wird diese Fragestellung von zentraler Bedeutung sein. Dabei wurde schon durch die bisherigen Ausführungen deutlich, dass es darauf nicht nur eine Antwort geben kann. Diese Arbeit versucht über den Beobachtungsfokus auf Kinder mit und ohne adressierte Behinderung im Alter früher Kindheit als Mitteilungshandelnde eine Eingrenzung. Im nächsten Kapitel geht es um die spezifischen Begrifflichkeiten, die in der Systemtheorie den Prozess des In-Betracht-Kommens und des Nicht-in-BetrachtKommens beschreiben: Inklusion und Exklusion. In diese soll noch eingeführt werden, bevor im letzten Kapitel der theoretischen Rahmung die Fragestellung der Arbeit entfaltet wird.

2.6 I nklusion und E xklusion »Theorietechnisch ist ein Begriff nur zu gebrauchen, wenn er sichtbar macht, was er ausschließt.« L uhmann 2008, 227

In der Hinführung zum Thema dieser Arbeit wurde der aktuelle pädagogische Diskurs um Inklusion dargestellt. Der systemtheoretische Zugang zu dieser Begrifflichkeit wurde als different zum allgemeinen Gebrauch des Wortes skizziert (vgl. Kapitel 1). An dieser Stelle geht es um die vertiefte Auseinandersetzung mit der systemtheoretischen Definition des Begriffs sowie seiner anderen Seite, der Exklusion, und ihre Relevanz für die Forschungsfrage dieser Arbeit.

2.6.1 Inklusion und E xklusion in der Interaktion In Bezug auf die verschiedenen Haupttypen autopoietischer Systeme (vgl. Kapitel 2.1) realisieren sich inklusive und exklusive Prozesse über das soziale System (vgl. Terfloth 2010, 47). Dabei aktualisieren sich Inklusion und Exklusion auf allen drei Ebenen sozialer Systeme gleichzeitig, einander bedingend, heterarch und rekursiv zueinander (vgl. Terfloth 2006, 121).142 141 | Diese Frage wird sich wie ein roter Faden durch die Arbeit ziehen und im empirischen Teil eine strukturgebende Bedeutung erhalten. 142 | Luhmann orientiert sich in seiner Analyse inklusiver und exklusiver Prozesse an der Systemreferenz eines Gesellschaftssystems. »Je nach dem, welche Differenzierungsform eine Gesellschaft benutzt, um ihre Primäreinteilung zu strukturieren, ergeben sich unterschiedliche Ansatzpunkte für Inklusion und Exklusion« (Luhmann 2008, 229). Luhmann führt den Vergleich zwischen der stratifizierten Gesellschaft des Mittelalters und der funktional differenzierten Gesellschaft der Gegenwart an (vgl. ebd.). In segmentären Gesellschaften erfolgte Inklusion über die Zuordnung zu bestimmten Segmenten der Gesellschaft (Wohn- und Lebensgemeinschaft oder der Zuordnung zu Stämmen). Die Inklusion vollzog sich durch feste Regeln (z. B. Heiratsregeln oder Aufnahmeregeln). In der funktional differen-

2.  Theoretische Rahmung

Hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit, in der es weniger um Institutionen, Organisationen oder Funktionssysteme der Gesellschaft geht, soll an dieser Stelle der Fokus auf die Prozesse der Inklusion und Exklusion in Interaktionssystemen gerichtet werden. Für die Bedeutung von Inklusion und Exklusion in Bezug auf Organisationen und die Funktionssysteme der Gesellschaft kann neben der Literatur von Luhmann u. a. auf Nassehi (2003), Wetzel (2004), Stichweh (2005) und Wansing (2005) verwiesen werden. Aus systemtheoretischer Perspektive vollzieht sich Inklusion in der Interaktion innerhalb des sozialen Systems über seine operative Ausrichtung auf die Sozialdimension von Sinn (vgl. Hafen 2011a, 84). Es geht hier um eine Relevanzmarkierung innerhalb kommunikativer Prozesse, die beobachterabhängig, systembezogen und temporär bestimmt wird (vgl. Terfloth 2010, 56). Es geht darum, ob jemand kommunikativ in Betracht kommt, »[…], als jemand, der ›zählt‹« (Fuchs 2011a, 2). So entscheidet die Ausrichtung der sozialen Operation darüber, ob ein Jemand entsteht, der, bezogen auf den aktuellen Kontext, relevant ist. Es kann auch gesagt werden: Die Kommunikation, die über »ihn« läuft, bestimmt, wer »er« im Rahmen des Interaktionsprozesses ist. Nicht »er« ist in der Lage zu bestimmen, ob »er« ein Jemand in der Kommunikation ist. Damit wird kommunikativ Inklusion über die Definition der sozialen Adresse vollzogen und bestimmbar. Deutlich wird hier, dass es dabei nicht um die Gesamtintegration von Menschen in soziale Strukturen geht, »[…] sondern um die Frage, wie Menschen durch Kommunikation als Personen behandelt werden und so an unterschiedliche soziale Interaktions-, Organisations- und Funktionssysteme gekoppelt werden können« (Nassehi 2004, 328).143 zierten Gesellschaft, in der Funktionssysteme für die gesellschaftliche Erfüllung spezifischer Funktionen zuständig sind, ist die gesellschaftliche Inklusion nur über aktive Koppelungsprozesse möglich. »Wer inkludiert sein will, muss sich kümmern« (Wetzel, München 2010, o. S.). »In der funktional differenzierten Gesellschaft ist nicht Integration der Normalfall, sondern Desintegration« (Farzin 2006, 44). Über die Auflösung des Schichtdenkens sind die Prozesse der Inklusion und Exklusion komplexer geworden und hoch spezifisch. Soziale Systeme sind in der Regel nicht mehr automatisch in etwas »drinnen«. Ihre Kommunikation ist nicht automatisch relevant. »Die Einbeziehung der Individuen ist nicht mehr dauerhaft und exklusiv über die Zugehörigkeit zu nur einem Teilsystem, einer sozialen Schicht, determiniert, sondern partiell und situationsweise in allen Teilsystemen möglich« (Farzin 2006, 44-45). Luhmann beschreibt, dass bei Inklusion grundsätzlich »[…] alle Funktionskontexte für alle Teilnehmer des gesellschaftlichen Lebens zugänglich gemacht werden […]« (Luhmann 1986, 160). »Im Erziehungssystem beginnt die Thematisierung der Inklusion mit der Forderung des Comenius […], daß alle Kinder in Schulen erzogen werden sollen« (Luhmann, Schorr 1988, 31). Dieser Durchlässigkeit steht jedoch gegenüber, dass jedes Teilsystem einer funktional differenzierten Gesellschaft nach eigener Operationslogik funktioniert und hier nur begrenzte »Stressoren« kompensieren kann. So werden Inklusionsbedingungen und damit auch die Bedingungen für Exklusion konstituiert: »Mit den Modi der Inklusion beschreibt die Gesellschaft das, was sie als Teilnahmebedingung setzt bzw. als Teilnahmechance in Aussicht stellt. Exklusion ist demgegenüber das, was unmarkiert bleibt, wenn diese Bedingungen bzw. Chancen formuliert werden« (Luhmann 2008, 244). 143 | An dieser Stelle wird nachvollziehbar, warum im empirischen Teil der Arbeit Kinder als Mitteilungshandelnde beobachtet werden und wiederum beobachtet werden soll, inwiefern

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Das heißt, die Qualifikation zu einem kommunikativ Relevanten kann sich, je nach kommunikativem Kontext, unterschiedlich darstellen. Neben der Operation des kommunikativen Anschlusses ist zugeschriebener, potentiell möglicher Anschluss des psychischen Systems bedeutsam. Für den kommunikativen Anschluss ist zentral, dass diesem »Jemand« ausreichend Eigenkomplexität zugerechnet wird, kommunikativ anschlussfähig zu sein. »Verstehen funktioniert nur, wenn dem anderen eine Intentionalität und Absicht zugerechnet wird, der andere also als kommunikativ Handelnder gesehen wird« (Vogd 2011, 95). Ein Mitteilungshandelnder muss im aktuellen Kontext der laufenden Kommunikation als ein dafür Qualifizierter wahrgenommen, also als ein solcher psychisch beobachtet werden. »Die Unterscheidung Inklusion / Exklusion ist demnach darauf ausgerichtet, Phänomene der Kopplung von sozialen und psychischen / körperlichen Systemen zu beschreiben« (Hafen 2011a, 78). Der differenztheoretischen Logik der Systemtheorie entsprechend lässt sich Inklusion nur denken, wenn auch ihre andere Seite berücksichtigt wird, Exklusion. Luhmann beschreibt, orientiert am Formbegriff, dass Inklusion die innere Seite der Form ist, deren äußere Seite Exklusion darstellt (vgl. Luhmann 2008, 229). Inklusion ist somit nicht ohne Exklusion gegeben, da es die eine Seite nicht ohne die Differenz zur anderen Seite gibt. Inklusion / Exklusion stellt damit ein zweiseitiges (Beobachtungs-) Schema dar (vgl. Balgo 2013, 12). Exklusion ist dann gegeben, wenn eine Person innerhalb eines bestimmten Kontextes nicht als kommunikativ relevant, also nicht als adressabel144 beobachtet wird bzw. nicht in Betracht kommt. »Erfolgt keine Adressenzuschreibung, kann von Exklusion im Hinblick auf den jeweiligen kommunikativen Kontext gesprochen werden« (Terfloth 2010, 52). Insofern bedient sich jede Kommunikation bzw. jedes soziale System dieses Schemas (vgl. Terfloth 2013, 4). Als zentral für die Erhaltung der Autopoiesis eines autopoietischen Systems wurde bereits herausgearbeitet (vgl. z. B. Kapitel 2.4), dass das System eine Komplexitätsreduktion vornehmen kann, da die Umwelt immer komplexer ist als das System (vgl. Terfloth 2006, 109). Es wurde dargestellt, dass Systeme im System / Umwelt-Kontakt eine Auswahl treffen müssen, um Anschlüsse bilden zu können. Zudem wurde herausgearbeitet, wie die Auswahl Anschlussoptionen von Systemen einschränkt, dadurch jedoch erst diesen die Möglichkeit eröffnet, über eine Reduktion der Umwelt zu Operationen zu gelangen. »Wäre in einem sozialen System alles prinzipiell gleich wahrscheinlich (oder besser: unwahrscheinlich), wäre das System nicht in der Lage, zu Erwartungsbildung zu kommen, zu kondensierbaren Unterscheidungen und strukturellen Stabilitäten« (Nassehi 2004, 333). An dieser Stelle kann auf die Ausführungen über den blinden Fleck in Kapitel 2.3 dieser Arbeit verwiesen werden. »Denn jedes kommunikative Ereignis schließt mit dem Einschluss von Sinn auch Sinn aus« (Nassehi 2004, 333). Das Differenzschema Inklusion / Exklusion ermöglicht in diesem Sinne den Auf bau von Ordnungsstrukturen, um aktuell Relevantes von nicht Relevantem zu diskriminieren. »Sobald innerhalb Kinder andere Kinder vor dem Hintergrund des Adressenfragmentes Behinderung als Mitteilungshandelnde wahrnehmen. 144 | »Adressabel« zu sein, wird in dieser Arbeit orientiert an Fuchs (vgl. Fuchs 2013, 105) im Sinne der Möglichkeit verstanden, als soziale Adresse beobachtet zu werden, einzurücken »[…] in die Funktion eines ›Jemand‹« (Fuchs 2013, 105).

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eines Systems der Schwellenwert zur Komplexitätsverarbeitung überschritten ist, tritt eine Selektion in Kraft« (Terfloth 2006, 109). So kann grundsätzlich angemerkt werden, dass Inklusion systemtheoretisch gesehen nicht explizit positiv und Exklusion nicht explizit negativ zu bewerten ist (vgl. Nassehi 2003, 102-103). Beide Prozesse sind für die Fortsetzung der sozialen Operationen funktional. Über den Begriff der Exklusion wird beschreibbar, dass ein Teil des potentiellen Informationsangebotes aus der Umgebung als Mitteilung nicht erkannt und kommunikativ nicht berücksichtigt wird. Die Komplexität der Umgebung wird dadurch insgesamt reduziert. Aus dieser Perspektive heraus kann Exklusion als eine notwendige Funktion zur Aufrechterhaltung der Fortsetzbarkeit autopoietischer Operationen gesehen und damit als systemerhaltend bewertet werden. Fuchs gebraucht an dieser Stelle den Vergleich des Passungs- bzw. NichtPassungsverhältnisses (vgl. Fuchs 2012c, 4).145 Entsprechend der Funktionsweise autopoietischer Systeme ist der »Schwellenwert« systemabhängig und kontextgebunden (also damit auch beobachtungsabhängig und temporär, s. o.). Darüber hinaus wird davon ausgegangen, das Inklusion und Exklusion selten »[…] in gleichsam reinlicher Form […]« (Fuchs 2012c, 2) anzutreffen sind. So geht es eher um ein mehr oder weniger an Kommunikationschancen bzw. der Zugangschance zur Kommunikation (vgl. ebd. sowie Fuchs o. J., 50).146 Das Verhältnis von Inklusion und Exklusion lässt sich somit auch als Kontinuum zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss denken. Entsprechend stellt Fuchs dar, dass die soziale Adresse immer auch der Ausdruck eines Inklusions- / Exklusionsprofils ist, deren jeweils überzeugende Formen sozialstrukturell und historisch konditioniert und variiert werden (vgl. Fuchs 2012c, 2).147 Wie in Kapitel 2.4 und 2.5.1 ausgeführt: In der Bezugnahme auf das Interaktionssystem erlangt das Wort »Mensch« innerhalb der theoretischen Ausführungen Luhmanns an Bedeutung. Luhmann beschreibt, dass sich Inklusion und Exklusion hier nur auf die Art und Weise beziehen, »[…] in der im Kommunikationszusammenhang Menschen bezeichnet, also für relevant gehalten werden« (Luhmann 2008, 229). Menschen werden in diesem Sinne über soziale Operationen als Personen konstruiert, also über soziale Adressen beobachtbar (vgl. Hafen 2011a, 77). Durch die soziale Adressenbildung ist wiederum eine Zurechnung auf Körper möglich. Kommunikation wird als Mitteilungshandlung über den Bezug auf den Körper adressierbar. So schreibt Fuchs in Bezug auf die Interaktion unter Anwesenheit: »Inklusionssysteme sind in spezifischer Weise angewiesen auf die Beobachtung von Körpern« (Fuchs 2010c, 97). Dadurch ist nicht mehr allein Kommunikation ausschlaggebend für den Prozess der Inklusion, sondern in der

145 | Diese Unterscheidung wird in der Auswertung der Erhebung funktional. 146 | So legt Fuchs dar: »Vom Prinzip her ist das Schema binär. Entweder man kommt für bestimmte Kommunikationen als relevant in Betracht oder nicht. Wenn das Schema aber in sich selbst wieder eintritt, wenn man also im Wege eines re-entry auf der Seite der Inklusion noch einmal Inklusion und Exklusion unterscheidet, dann kommt es zu dimensionalen Beobachtungsverhältnissen, also zu diesem Mehr oder Weniger […]« (Fuchs o. J., 50). 147 | Dieser Aspekt wird im Rahmen des empirischen Bezugs bedeutsam sowie hinsichtlich der heilpädagogischen Arbeit an der sozialen Adresse (vgl. Kapitel 5).

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Interaktion unter Anwesenheit auch die Möglichkeit der Referenz auf Körper (vgl. Kapitel 2.3.1).148 Grundsätzlich nimmt die Systemtheorie keine ethische oder moralische Bewertung der Seiten Inklusion und Exklusion vor. Entsprechend schreibt Fuchs: »Das Schema eignet sich nicht für moralische Emphasen« (Fuchs 2011a, 2).149 Und weiter: »Wer sich im Behindertenbereich des Schemas Inklusion / Exklusion bedient, ist nicht automatisch ethisch und moralisch ›nobilitiert‹« (ebd.). Ausgangspunkt für die Einnahme dieser neutralen Position ist, dass Kommunikation nicht betreffbar ist (vgl. Fuchs 2012c, 1).150 Terfloth veranschaulicht: »Es werden keine Menschen ausgeschlossen, sondern kommunikative Zuschreibungen benannt« (Terfloth 2013, 4). In der Interaktion jedoch, in der es um die Relevanzmarkierung von Menschen geht, also um den Bezug auf Körper, werden ethische und moralische Zusammenhänge herstellbar. »Ihr existentieller (damit auch ethik-relevanter) Rang zeigt sich darin, daß es mit der Adressierung der Person immer auch um das geht, was Menschen für Menschen unter Einschluß ihrer Körper bedeuten« (Fuchs 2010d, 4). Fuchs spricht hier vom »sozialen Tod«, wenn jemand kommunikativ nicht in Betracht kommt (vgl. Fuchs 2011a, 2). In der Interaktion werden die Dimension und damit die Dramatik dieses »Todes« deutlich, wenn hier über die Referenz auf den Körper der Mensch durch Exklusion betreff bar wird.151

148 | An dieser Stelle deutet sich eine räumliche Dimension an, die innerhalb des Auswertungsschrittes 4.2.2.2 vorgestellt wird und in Kapitel 5 zum Tragen kommt. 149 | »Während die VertreterInnen der Ungleichheitsforschung vorrangig historisch und anhand von normativen Werten argumentieren, beschreiben VertreterInnen der Systemtheorie Exklusion allgemein theoretisch […]« (Terfloth 2013, 2) orientiert an Funktionsbedingungen moderner Gesellschaften bzw. als Beobachtungsschema sozialer Systeme (vgl. Terfloth 2013, 4). Dass dadurch die Systemtheorie als soziologische Theorie im Allgemeinen keine Normen und Werte postuliert, wird in der wissenschaftlichen Fachliteratur breit kritisiert (vgl. König, Zedler 2002, 191). Ebenso die Unzulänglichkeit bisheriger Veröffentlichungen, soziale Ungleichheit zu thematisieren mit Ausnahme »exotischer Beispiele« (vgl. Nassehi 2004, 329). Zur vertieften Auseinandersetzung mit kritischen Theoriekonzepten und der Systemtheorie muss an dieser Stelle u. a. auf die Veröffentlichung von Amstutz und FischerLescano verwiesen werden (vgl. Amstutz, Fischer-Lescano 2013). Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt der Versuch, kommunikative Relevanz von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung für Kinder mit und ohne adressierte Behinderung innerhalb von Interaktionssystemen zu differenzieren. Wie einleitend dargestellt, wird diese Ausrichtung hier in einen Zusammenhang mit dem Diskurs um Chancengleichheit gebracht (vgl. Kapitel 1). Insofern wird die Möglichkeit gesehen, eine Verbindung zur Ungleichheitsdebatte herzustellen. Inwiefern das im Rahmen dieser Arbeit gelingen konnte, wird in Kapitel 7 thematisiert. 150 | Dadurch ist es Fuchs möglich, davon zu sprechen, dass im Kontext von Behinderung auf der Ebene der Interaktion soziale Systeme eingeschränkt und strapaziert werden (vgl. Fuchs 2002, 3). 151 | Fuchs kommt demzufolge zu dem Schluss, Adressabilität als fundamentale Notwendigkeit für Menschen zu bezeichnen und als Menschenrecht zu propagieren (vgl. Fuchs 2010d, 10).

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Es wurde in der Einleitung bereits skizziert, dass die Exklusion aus einem Bereich die Exklusion aus anderen Bereichen nach sich ziehen kann.152 Entsprechend problematisiert Fuchs, dass Exklusionen, »[…] einmal in Gang gekommen, weitere Bezirke möglicher Exklusionen ›infizieren‹ – bis hin zur Ausfällung von Maximalexklusionen, die jedes menschliche Leben sozial ruinieren« (vgl. Fuchs 2012c, 4). Hafen führt in diesem Zusammenhang in Bezug auf Stichweh den Begriff der Exklusionskumulation ein (vgl. Hafen 2011a, 78). Balgo bewertet diesen Prozess vergleichbar (vgl. Balgo 2013, 15). So schreibt er, dass von der sozialen Adressabilität zentrale Lebenschancen von als behindert bezeichneten Menschen abhängen (vgl. ebd.). Hier lässt sich eine Verbindung zu dem in der Einleitung thematisierten Hauptrisikofaktor »Behinderung« herstellen, im Rahmen des Anschlusses an soziale Operationen (vgl. Kapitel  1). Für den Kontext dieser Arbeit soll an dieser Stelle dafür sensibilisiert werden, dass über ein beobachtetes Adressenfragment einer Person, hier das als behindert bezeichnete, eine Exklusion erfolgen kann, die sich über den Kontext hinaus auswirkt, innerhalb dessen das Adressenfragment beobachtet wurde. Dies würde von der die inklusiven und exklusiven Prozesse charakterisierenden, beobachtungsabhängigen, systembezogenen und temporären Relevanzmarkierung abweichen und zu einer Fixierung bzw. Negierung von Partizipationsmöglichkeiten in generalisierender Form führen (vgl. Feuser 2010, 22). Wie problematisch eine solche Entwicklung für autopoietische Systeme ist, die sich reziprok im Anschluss an ihre Umwelt bilden, wurde bereits ausgeführt (vgl. u. a. Kapitel 2.5). So kann vermerkt werden: Findet eine Missachtung innerhalb der Kommunikation unter Verweis auf den Körper statt, also innerhalb der Interaktion unter Anwesenheit, lässt sich auf das systemtheoretische Verständnis von Moral Bezug nehmen.153 Exklusion wird demnach aus systemtheoretischer Sicht als Notwendigkeit, jedoch auch als Schwierigkeit bewertet (vgl. Terfloth 2007, 50). Es konnte an dieser Stelle verdeutlicht werden, dass es bei dem systemtheoretischen Inklusionsbegriff nicht um den Aspekt einer räumlichen Zusammenführung geht. Sie stellt lediglich die Voraussetzungen für die Möglichkeit inklusiver Prozesse der Interaktion unter Anwesenheit bereit (vgl. Kapitel 5.1.4).154 Dadurch ist Inklusion aus systemtheoretischer Sicht keine Frage des Wollens und Durchset152 | Luhmann geht auch an dieser Stelle von einer offenen, veränderbaren Struktur aus: »Je nach dem, welche Differenzierungsform eine Gesellschaft benutzt, um ihre Primäreinteilung zu strukturieren, ergeben sich unterschiedliche Ansatzpunkte für Inklusion und Exklusion« (Luhmann 2008, 229). Aufgrund der Schwerpunktsetzung dieser Arbeit kann dieser Sachverhalt nicht vertiefend bearbeitet werden. Die Auseinandersetzung mit inklusiven und exklusiven Prozessen in der Interaktion in der hier gewählten Form trägt jedoch die Hoffnung in sich, auch auf die anderen Sozialsysteme (Organisation und Gesellschaft) anregenden Einfluss zu nehmen, im Sinne der Erweiterung von Anschlussoptionen. 153 | In der Systemtheorie wird Moral über die Verteilung von Achtung und Missachtung differenziert (vgl. Fuchs o. J., 50). In Bezug auf Personen bezeichnet Moral die Bedingungen, unter denen Personen einander sich und andere achten bzw. missachten können (vgl. Luhmann 1991, 121). 154 | Anzumerken bleibt an dieser Stelle, dass das Recht auf Inklusion nicht die Gleichheit der Inkludierten oder gar ihre Chancengleichheit erwirkt. So problematisiert Fuchs, dass »[…] die Generalisierung von Inklusion die Aufmerksamkeitsschwelle im Blick auf Exklusionsprozesse senkt« (Fuchs 2002, 2). Auch dieser Aspekt ist im Rahmen der aktuellen Ent-

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zens (vgl. Balgo 2013, 15). Wie in vorhergehenden Kapiteln aus unterschiedlichen Perspektiven autopoietischen Operierens erläutert wurde, kann der kommunikative Anschluss nicht determiniert werden. Vielmehr muss es darum gehen, sich damit auseinanderzusetzen, unter welchen sachlichen, materiellen und zeitlichen Bedingungen in der spezifischen, im Fokus der Beobachtung stehenden Kommunikation eine Relevanzmarkierung gelingt (vgl. ebd.). Diese Ausrichtung wird in der Auswertung der empirischen Daten zentral (vgl. Kapitel 4.2.2.2 und 5). So geht es hier um die Differenzierung eines Anforderungsprofils kindlicher Kommunikation im Kontext von Behinderung (vgl. Kapitel 4.2.2.3). »Ein systemtheoretisches Inklusionsverständnis […] lenkt den Blick in der eigenen Arbeit im Kontext von Behinderung auf die Ermöglichung von kommunikativer Relevanzmarkierung, d. h. auf die heil- und sonderpädagogische Arbeit an der ›sozialen Adresse‹« (ebd.). Dabei wird Adressenarbeit nicht als Garant für Inklusion verstanden, sondern als Arbeit an den Möglichkeiten der Bereitstellung fördernder Faktoren (vgl. Terfloth 2006, 183).155 Um hier für die Verbindung mit dem empirischen Teil der Arbeit noch weitere Differenzierungen vornehmen zu können, wird im Folgenden eine ergänzende Unterscheidung vorgestellt, die sich an den Überlegungen von Nassehi orientiert: bestimmte und unbestimmte Exklusion.

2.6.2 Bestimmte und unbestimmte E xklusion Nassehi problematisiert, dass das Schema Inklusion / Exklusion im Kontext von Interaktion als das bisher am wenigsten ausgearbeitete Theoriestück der Systemtheorie zu bezeichnen ist (vgl. Nassehi 2004, 331). So nimmt er eine zusätzliche Differenzierung vor, die für den Rahmen dieser Arbeit wirkungsvoll erscheint und in die weiteren Überlegungen und die Verbindung mit der Empirie einfließen soll. Wie dargestellt, wird in der Interaktion die Komplexitätsreduktion, also Exklusion, über die Ausrichtung der Kommunikation bzw. das Nicht-Stattfinden von Kommunikation (Nicht-Anschluss) deutlich. Das schwer Fassbare an dieser Betrachtungsweise ist, dass das, was exkludiert wird, im Gegensatz zu dem Inkludierten nicht kommunizierbar ist. Denn schon über einen Verweis auf das Exkludierte wäre es über seine Bezeichnung kommunikativ markiert und damit inkludiert. Nassehi spricht an dieser Stelle von einer paradoxen Form, »[…] denn auch Exklusion ist dann Inklusion, ohne dass damit die Unterscheidung selbst vollständig implodieren würde« (Nassehi 2004, 336).156 Nassehi beobachtet deshalb Exklusion vor einem doppelten Horizont: zum einen vor dem, der sich sinnhaft verbindet und über den das Exkludierte als etwas Nicht-Passendes bezeichnet wird, und zum anderen vor dem, der sich aufgrund seines Nicht-Anschlusses gar nicht in den Horizont möglicher Beobachtbarkeit wicklungen im Kontext des Inklusionsdiskurses in Form von Standardabsenkungen für heilpädagogische Förderung beobachtbar. 155 | Dieser Aspekt wird in Kapitel 5.5 hinsichtlich der Vorschläge für die Arbeit an der sozialen Adresse wieder aufgegriffen. 156 | Nassehi vermutet, dass sich deshalb die Beispiele der Favela-Bewohner Indiens so wenig zur Veranschaulichung von Exklusion eignen und nur schwer eine Verbindung zwischen Ungleichheitsforschung und funktionaler Differenzierung der Systemtheorie gelingt (vgl. Nassehi 2004, 332).

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bringen lässt. Nassehi führt deshalb eine Differenzierung ein, die im Rahmen dieser Arbeit als weitere Strukturhilfe dienen soll: bestimmte und unbestimmte Negation. Von bestimmter Negation spricht Nassehi, wenn in der Kommunikation eine bestimmte andere Möglichkeit ausgeschlossen wird; von unbestimmter Negation spricht er dann, wenn die ausgeschlossene Seite im Dunkeln bleibt, also gar nicht als mögliche Anschlussoption erscheint (vgl. Nassehi 2004, 333-334). Nassehi geht davon aus, dass in jeder kommunikativen Operation immer beides vorhanden ist. Im Kapitel über den systemtheoretischen Sinnbegriff wurde vergleichbar aufgezeigt, wie sich Sinn nur über die Differenz Sinn / Nicht-Sinn bildet. Inklusion bildet sich an der Differenz Inklusion / Exklusion. Nassehi entwickelt darüber hinaus an diesem Denkmodell orientiert die Unterscheidung »bestimmte« und »unbestimmte« Exklusion. Mit bestimmter Exklusion beschreibt er »[…] eine explizite Operation sozialer Systeme, die weitere Kommunikation mit bestimmten Personen explizit ausschließt« (Nassehi 2004, 336). Sie wird deshalb als bestimmte Exklusion beschrieben, da die Person im exkludierenden Sinne markiert wird. Mit dem Begriff der unbestimmten Exklusion beschreibt er, dass Personen gar nicht in den Fokus von Kommunikation geraten, also nicht einmal als irrelevant markiert werden können, da sie nicht sichtbar wurden (vgl. Nassehi 2004, 336). Nassehi problematisiert, dass bei unbestimmter Exklusion nicht von operativer Exklusion ausgegangen werden kann, wodurch es schwierig ist, sie in den Beobachterfokus zu bekommen. »Unbestimmte Exklusion ist also nichts anderes als ein konstitutiver, zugleich aber unsichtbarer Ordnungsfaktor für Interaktionen, während die bestimmte Exklusion auf Operationen verweist, die die Ausschließung zum Thema machen und die Teilnahme bestimmter Personen an der Interaktion ausschließen« (Nassehi 2004, 337).157 Grundsätzlich geht Nassehi davon aus, dass die meiste Kommunikation innerhalb interaktiver Prozesse ausgeschlossen wird (vgl. Nassehi 2004, 334). In der Verbindung mit dem empirischen Teil der Arbeit wird in Anlehnung an Nassehi die bestimmte Exklusion bedeutsam, da nur sie sich als kommunikativer Anschluss am Mitteilungshandelnden ausflaggt. Hafen merkt in Bezug auf Nassehi an, dass es sich bei bestimmter Exklusion nicht um eine Beschreibung der Bewertung der Gegenwart handeln kann, sondern um eine Darstellung der Potentialität der Zukunft, da über die Operationen, durch die bestimmt exkludiert wird, eine Relevanzmarkierung erfolgt (vgl. Hafen 2011a, 83-84). »Exklusionen sind sie lediglich auf der Ebene der Potentialität – dergestalt, dass sie zukünftige Inklusionen mit mehr oder weniger grosser [sic!] Wahrscheinlichkeit ausschliessen [sic!]« (Hafen 2011a, 84). Er schlägt in diesem Zusammenhang die Markierung dieser Potentialitäten durch »Inklusionsfähigkeit« und »Exklusionsbedrohung« vor (vgl. Hafen 2011a, 77). In der Verbindung mit dem empirischen Teil der Arbeit wurde sich in Anlehnung an diesen Gedankengang

157 | Auch Stichweh differenziert vergleichbar wie Nassehi den Begriff Exklusion in spezifische und unspezifische Exklusion (vgl. Stichweh 2004a, 355-356). In der spezifischen Exklusion wird dabei ein explizites »Nein« mitgeführt, in der unspezifischen Exklusion wird dieses »Nein« nicht kommuniziert. Im Rahmen dieser Arbeit wird sich jedoch der Begrifflichkeit von Nassehi angeschlossen, da sie für den Bereich der Interaktion für geeigneter gehalten wird.

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für die Differenzierung Anschlussoption / Nicht-Anschlussoption entschieden. Sie drückt die Potentialität in Bezug auf beide Formen aus (vgl. Kapitel 4.2.2.1). Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass sich systemtheoretisch betrachtet Kommunikation nicht zwingend am Konsens orientiert (vgl. u. a. Kapitel 2.2.2 und 2.2.4). So kann beispielsweise nicht ausschließlich ausgehend von einem hin-beobachteten Dissens auf bestimmte Exklusion geschlossen werden. In der Betrachtung der empirischen Daten wird dieser Aspekt berücksichtigt (vgl. Kapitel 4.2.2.1). So geht es u. a. darum zu analysieren, wie sich ein kommunikativer Anschluss differenziert und inwiefern sich ein Nicht-Anschluss expliziert und beobachtbar wird. Welche kommunikativen Anschlussbedingungen benötigen Kinder, um nicht in generalisierter Form exkludiert zu werden? Die Berücksichtigung dieses zentralen Aspektes in der Fragestellung und deren darüber hinausgehende Entfaltung erfolgen in Kapitel 2.7.

2.7 Z usammenfassung und K onkre tisierung der F r agestellung Im vorangegangenen Kapitel wurde grundlegend in die systemtheoretische Betrachtungsweise autopoietischer Systeme eingeführt. In den Fokus dieser Arbeit wurden Sinnsysteme gestellt, nämlich das soziale und das psychische System, da sie im pädagogischen Kontext von Bedeutung sind. Es wurde aufgezeigt: Das soziale System operiert über Kommunikation und das psychische System über das Prozessieren von Aufmerksamkeit (Wahrnehmen und Denken). Die operationale Geschlossenheit bedingt, dass Denken nur an Denken und Kommunikation nur an Kommunikation anschließen kann. Voraussetzung dieses systemspezifischen Operierens ist die Funktion des einen Sinnsystems als Umwelt für das jeweils andere. Diese enge Verwobenheit zwischen psychischem und sozialem System stellt ein Spezifikum von Sinnsystemen dar. Die Begriffe der strukturellen Koppelung und der Interpenetration, das wechselseitige Zur-Verfügung-Stellen der Operationsweise als Eigenkomplexität des einen Sinnsystems für das andere, beschreiben die Notwendigkeit, die Umwelt des jeweils anderen Systems nutzen und an sie anschließen zu können. Dabei wurde Sinn als verbindendes Medium dargelegt. Das in dieser Arbeit im Fokus stehende Schema Inklusion / Exklusion wurde als spezifisches Ordnungsschema sozialer Systeme vermittelt, welches das Prozessieren von Sinn über Relevanzmarkierung strukturiert. Adressenkonstruktionen machen, neben der Beobachtung kommunikativer Anschlüsse, diese Relevanzmarkierung und damit inklusive und exklusive Prozesse beobachtbar. »Die Adressenzuschreibungen können aus der Perspektive von Bewusstseinssystemen als Rückmeldungen über die Bewertung und Bedeutungszuschreibung von Verhalten betrachtet werden« (Terfloth 2006, 123). Entsprechend wurde die Arbeit an der sozialen Adresse als heilpädagogisch bedeutsam herausgearbeitet. Es wurde angemerkt: Adressenkonstruktionen bilden sich kontextual, beobachtungsabhängig und werden temporär aktualisiert. So schreibt Luhmann: »Die Differenz von Inklusion und Exklusion ist empirisch nie so klar gegeben, daß alle Personen der einen oder der anderen Seite zugeordnet werden können« (Luhmann 2008, 246). So wurde resümiert, dass von einem Kontinuum auszugehen ist, bei dem ein Mehr oder Weniger an Inklusion oder Exklusion gegeben ist, immer bezogen auf die

2.  Theoretische Rahmung

Kommunikation, die gerade in dem Moment der Beobachtung bewertet wird. »Besonders im Hinblick auf Interaktionssysteme wird deutlich, dass dies wandelbar je nach thematischem Bezug etc. sein kann« (Terfloth 2010, 57). Überdies zeigte sich, dass aus systemtheoretischer Perspektive Inklusion nicht ohne Exklusion zu definieren ist. Für die operative Fortsetzbarkeit autopoietischer Systeme wurden damit beide Optionen als notwendig deklariert, da Sinnsysteme nur bedingt irritierbar sind. Die Funktionalität von Exklusion zur Komplexitätsverarbeitung wurde vorgestellt und über bestimmte und unbestimmte Exklusion spezifiziert. In den Kapiteln 1 und 2.6.1 wurde deutlich, dass diese notwendige Komplexitätsreduktion in der Interaktion jedoch Schwierigkeiten hervorbringt, die für Individuen existenziell werden können. Beispielhaft ist hier, dass verschiedene Vertreter der Systemtheorie (beispielsweise Fuchs 2002, Terfloth 2006, Wetzel 2010) postulieren, dass die Kommunikation in der Interaktion sehr unterschiedlicher Menschen, z. B. zwischen Menschen mit adressierter geistiger Behinderung und Menschen ohne diese, so strapaziert wird, dass »[…] Exklusion (im Extremfall: Exkommunikation) erwartbar wird« (Fuchs 2002, 3). Fuchs führt aus, dass diese Strapazen bisher noch nicht hinreichend analysiert worden sind (vgl. ebd.). Einleitend (vgl. Kapitel 1) und über den systemtheoretischen Bezug (vgl. Kapitel 2.5.2) wurde aufgezeigt, dass diese Frage empirisch zu stellen ist. So soll es im Weiteren darum gehen, die vorgestellten Begriffskonzepte aus der Systemtheorie in der Verbindung mit der hier intendierten empirischen Studie für eine Präzisierung der Betrachtungsweise zu nutzen. »Die Verwendung systemtheoretischer Konzepte als analytische Strategien kann als kreativer Umgang mit der Theorie gesehen werden, da hierbei die systemtheoretischen Prämissen als Ausgangsfragen zugrunde gelegt werden, ohne dass die systemtheoretische Architektur als sakrosanktes Gesamtgebäude importiert wird. Es dient vielmehr als Anleitung und Irritation empirischer Beobachtung« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 326). Puhr weist auf das analytische Potential des systemtheoretischen Inklusions- und Exklusionsbegriffs hin. Dieses Differenzschema scheint für sie in Bezug auf ein empirisches Vorhaben besonders geeignet, »[…] gerade weil die Konzepte Inklusion und Exklusion different gefasst werden […]« (Puhr 2012, 89). So wird es in der Verbindung mit der empirischen Studie darum gehen, Differenzbildungen zu beobachten, die auf Anschlussprozesse (Inklusion) und die auf Nicht-Anschlussprozesse (Exklusion) hindeuten (vgl. Kapitel 4.2.2.1). Da systemtheoretisch gesehen keiner der beiden Prozesse als absoluter Zustand herstellbar ist und für die operative Fortsetzbarkeit autopoietischer Systeme immer auch ein Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion erforderlich erscheint, wird es als gewinnbringend erachtet, diesen ergänzend genauer in den Blick zu nehmen. Dadurch geraten im Besonderen auch Differenzbildungen, die einen Wechsel zwischen inklusiven und exklusiven Prozessen aufzeigen, in den Fokus (vgl. Kapitel 4.2.2.1). Die Verweisungsstruktur der Sinndimensionen (Zeit-, Sach- und Sozialdimension) ermöglicht dafür weitere Unterscheidungen. Die Frage: »In welcher Hinsicht gehört wer dazu?« (Terfloth 2010, 53 orientiert an Bora) verdeutlicht eine entsprechende Ausrichtung (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Über die Einführung des systemtheoretischen Verständnisses von Interaktion wurde der Bezug auf kommunikativ Handelnde vorgestellt. An diesen orientiert richtet sich die Kommunikation aus. Insofern werden im Rahmen des empirischen Bezugs Kinder als Mitteilungshandelnde beobachtet (vgl. Kapitel  3.3). Die Beob-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

achtung wurde als das unterscheidende Bezeichnen eingeführt, als eine Operationsstruktur, derer sich beide Sinnsysteme bedienen und über die die Bezeichnung oder Markierung von etwas, als Differenz zu etwas anderem, möglich wird. »Ausflaggen« wurde als spezifische, systemtheoretische Metapher vorgestellt, die für die Verbindung mit einer empirischen Studie, in der es um kommunikative Anschlüsse geht, von Bedeutung ist. Operationen sozialer Systeme flaggen sich im Anschluss an ihre Umwelt aus. Nur dieser Teil ist aus einer außenstehenden Position hin-beobachtbar. So flaggt sich der kommunikative Anschluss in Form kommunikativer Relevanzmarkierung aus und bedient sich so des Ordnungsschemas Inklusion / Exklusion (vgl. Kapitel 2.6.1). Bezogen auf die hier intendierte Konkretisierung des Inklusionsbegriffs auf der Suche nach der Möglichkeit, Anschlussoptionen zu erweitern am Beispiel von Interaktionen im Alter früher Kindheit vor dem Hintergrund adressierter Behinderung, kann die Fragestellung der Arbeit nun aus systemtheoretischer Perspektive folgendermaßen konkretisiert werden: Fragestellung: Wonach richten sich Kinder mit und ohne adressierte Behinderung aus, andere Kinder mit und ohne adressierte Behinderung als Mitteilungshandelnde zu erkennen? Inwiefern (in Bezug worauf) sind sie als solche füreinander relevant und inwiefern nicht? Und wie (durch welche unterscheidenden Bezeichnungen) differenzieren sie einander? Für die Interpretation der empirischen Daten lässt sich die Fragestellung durch folgende Detailfragen konkretisieren: • Welche Beobachtungen von Kindern in Bezug auf andere Kinder führen dazu, sich ihnen kommunikativ zuzuwenden (als inklusiver Prozess)? • Welche Beobachtungen von Kindern in Bezug auf andere Kinder führen zu Unterbrechungen oder Beendigung der Kommunikation (als exklusiver Prozess)? • Welche Beobachtungen von Kindern in Bezug auf andere Kinder führen zu einer Wende von kommunikativ relevant zu nicht relevant (als Wechsel zwischen inklusivem und exklusivem Prozess)? So geht es aus systemtheoretischer Sicht darum: Welches Anforderungsprofil stellt die frühkindliche Kommunikation mit und ohne adressierte Behinderung sozial und psychisch an den kommunikativen Anschluss? An welche Kommunikation wird angeschlossen bzw. nicht angeschlossen? Zu welcher Kommunikation stellt sich ein Passungsverhältnis, zu welcher ein Nicht-Passungsverhältnis her? Entsprechend: Welche kommunikativen Anschlussbedingungen (vgl. Nassehi 1997, 150) benötigt der kommunikative Anschluss? Und unter welchen Anschlussbedingungen gelingt er nicht, wann kommt es zu einem Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss? In der Verbindung des empirischen Teils der Arbeit mit der Systemtheorie geht es im Weiteren zunächst um methodologische Überlegungen zu dieser Verbindung (vgl. Kapitel  3.1 und 3.2), bevor die Ausrichtung auf die Forschungsfrage weiter konkretisiert (vgl. Kapitel 3.3) und sich der empirischen Erhebung (vgl. Kapitel 4.1) sowie den konkreten Auswertungsschritten (vgl. Kapitel 4.2) zugewandt wird.

3. Methodologische Überlegungen

»Methoden ermöglichen es der wissenschaftlichen Forschung, sich selbst zu überraschen.« L uhmann 1997, 37

Als begriffliche und inhaltliche Klärung in Bezug auf die in der Einleitung aufgestellte Fragestellung wurden in Kapitel 2 relevante systemtheoretische Begriffskonzepte dargelegt. An dieser Stelle geht es nun darum, eine Verbindung herzustellen zwischen den Überlegungen der Systemtheorie und einem empirischen Forschungsvorhaben. Dafür richtet sich dieses Kapitel auf drei verschiedene Schwerpunkte aus. Zunächst wird das Forschungsvorhaben innerhalb der empirischen Forschungsmethoden der Erziehungswissenschaften verortet, um eine grundsätzliche Orientierung anzubieten. Daran anschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Beobachtungspositionen in dieser Arbeit. Abschließend wird herausgearbeitet, was aus systemtheoretischer Perspektive über den aufgespannten Kontext hin-gedeutet1, also durch einen entsprechenden Deutungsprozess hervorgebracht werden kann und inwiefern dieses die Erarbeitung des Erhebungs- und Auswertungsverfahrens bedingt.

3.1 F orschungsme thodische A usrichtung In den folgenden Unterkapiteln dieses Kapitels der methodologischen Auseinandersetzung wird zusätzlich zu der oben erwähnten Einordnung des Forschungsvorhabens in die empirischen Forschungsmethoden auf spezifische Aspekte hin-

1 | Der Terminus »hin-deuten«, weist darauf hin, dass es sich bei Deutungsprozessen um beobachtungsgebundene Konstruktionsprozesse handelt. Er ist an die in Kapitel 2.3 eingeführte Begriffsbestimmung, Beobachtungsprozesse als »hin-beobachtete« zu bezeichnen, angelehnt. Die Schreibweise mit Bindestrich grenzt die Bedeutung dieses Wortes von der Bedeutung des »Hinweisens auf etwas« ab. Ebenso wird auch hier zum Teil die Formulierung, dass auf etwas hin-gedeutet wird, genutzt. Sie zeigt auch hier, ebenso wie bei den Beschreibungen von Beobachtungsprozessen, an, dass eine Zurechnung auf Unterschiedenes erfolgt (vgl. Kapitel 2.3). In den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 werden diese Überlegungen hinsichtlich des wissenschaftlichen Beobachtungsprozesses weiter ausgeführt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

sichtlich des systemtheoretischen Bezugs hingewiesen und die hier gewählte Form der Verallgemeinerung vorgestellt.

3.1.1 Darlegung der Forschungsrichtung Grundsätzlich geht es im Rahmen eines empirischen Forschungsvorhabens darum, theoretische Überlegungen in nachvollziehbarer Form mit empirischen Daten zu verbinden, um zu neuen Überlegungen und Erkenntnissen zu gelangen.2 Dabei wird zwischen qualitativen und quantitativen Forschungsansätzen unterschieden. Die Stimmigkeit und Angemessenheit der jeweiligen Forschungsmethode zeigt sich immer erst im Kontext der gesamten Ausrichtung der Arbeit, also im Zusammenhang mit dem jeweiligen Forschungsinteresse, den Fragestellungen und dem Untersuchungsgegenstand (vgl. Bennewitz 2010, 46). Je nach Fragestellung und Forschungsdesign können qualitative oder quantitative Forschungsprofile angemessen sein. Beide Verfahrensweisen weisen jedoch elementar unterschiedliche theoretische Orientierungen auf.3 Wird in der quantitativen Forschung der Versuch unternommen, über standardisierte Methoden eine objektive Wirklichkeit abzubilden, so gehen Vertreter_innen qualitativer Methoden davon aus, dass es nur subjektiv konstruierte Wirklichkeit gibt, die sich individuell unterschiedlich darstellen kann und in der Erhebungssituation in spezifischer Weise dialogisch hervorgebracht wird (vgl. Kruse 2010, 9-11). Vertreter_innen der qualitativen und quantitativen Forschung begegnen sich trotz unterschiedlicher Ausrichtung zunehmend respektvoll: »Heute haben die Abgrenzungskämpfe an Bedeutung verloren« (Fuhs 2007, 14). Die hohe gegenseitige Akzeptanz der methodischen Forschungsansätze hat zu einer Häufung von Methodentriangulation4 untereinander geführt (vgl. ebd.). So empfiehlt beispielsweise Nentwig-Gesemann für Forschungen innerhalb des frühkindlichen Bildungsbereiches eine Kombination beider methodischen Ansätze (vgl. Nentwig-Gesemann 2008, 252). Es wird in Forscher_innenkreisen jedoch zunehmend kritisiert, diese Ansätze hinsichtlich des Versuchs der Validierung der Forschungsergebnisse zu verbinden. Flick fasst verschiedene Positionen dahingehend zusammen, dass eine Methodentriangulation weitere Erkenntnisse über den Forschungsgegenstand hervorbringen kann, jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Methoden und theoretischen Hintergründe keine Objektivierung des einzelnen Ergebnisses möglich ist (vgl. Flick 2008a, 310-311). Er problematisiert, dass die Triangulation nicht bewirkt, dass eine Methode durch die andere in ihrer Aussagekraft verbessert wird (vgl. Flick 2008a, 318). Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Entscheidung für eine qua2 | Es kann an dieser Stelle kein allgemeiner und umfassender Überblick über die empirische Forschung in den Sozial- und Erziehungswissenschaften gegeben werden. Diesbezüglich wird unter anderem verwiesen auf die Literatur von Lamnek 1995; Bortz, Döring 2006; Flick, Kardorff, Steinke 2008; Bock, Miethe 2010; Friebertshäuser, Langer, Prengel 2010. 3 | Für einen allgemeinen Überblick sei an dieser Stelle u. a. auf den Artikel von Uhlendorff und Prengel verwiesen (vgl. Uhlendorff, Prengel 2010, 137-148). 4 | Mit Triangulation wird beschrieben, dass der Forschungsgegenstand aus mindestens zwei Perspektiven betrachtet wird (vgl. Flick 2000, 309). Zur Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten der Triangulation sei hier verwiesen auf Bamler, Werner und Wustmann (vgl. Bamler, Werner, Wustmann 2010, 21).

3.  Methodologische Überlegungen

litative Forschungsmethode getroffen. Diese Wahl wird im folgenden Kapitel 3.1.2 begründet. Auf eine Triangulation zwischen qualitativer und quantitativer Methode wurde verzichtet, da die Kompatibilität eines quantitativen Vorgehens mit dem hier entworfenen Forschungsdesign als nicht sinnvoll bewertet wird. »Systemtheorie ist konstruktivistische Theorie. Es kann daher in der Operationalisierung einer Dimension nicht darum gehen, mess- und vergleichbare Skalen zu entwickeln« (Schneider 2010, 99). Die unterschiedlichen Ausrichtungen zeigen sich nicht nur in den Erhebungsmethoden und Auswertungsverfahren5, sondern auch in ihren Gütekriterien (vgl. Bortz, Döring 2006, 326-328):6 »Quantitative Kriterien sind nicht für die Bewertung qualitativer Forschung geeignet« (Steinke 2008, 322). Kriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität in der qualitativen Forschung erscheinen hier nicht sinnvoll (vgl. Steinke 2008, 323). In der qualitativen Forschung geht es vielmehr darum, ein eigenes System von Kriterien vorzustellen, denen dann innerhalb des Forschungsvorganges in möglichst vielen Aspekten entsprochen werden soll (vgl. ebd.). »Gütekriterien sind in der qualitativen Forschungstradition ebenso gegenstandsspezifisch zu handhaben wie die Auswahl der Untersuchungsverfahren« (Mayring, Gahleitner 2010, 303). Dennoch werden Kernkriterien genannt, denen auch ein qualitatives Forschungsvorhaben zu entsprechen hat. Diese sind: die intersubjektive Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses, die Interaktion des Forschungsprozesses, die empirische Verankerung und Limitation des Geltungsbereichs der aufgestellten Hypothesen bzw. Theorien sowie ihre Kohärenz und Relevanz im aktuellen fachlichen Diskurs (vgl. Steinke 2008, 323-331). Die Rolle der Forscher_innen wird dabei als Einflussfaktor bewertet (vgl. Kapitel 3.2.1) und muss methodisch reflektiert in die Theoriebildung einbezogen werden (vgl. Steinke 2008, 330-331).7 Mayring und Gahleitner ergänzen diese grundlegenden Kriterien durch die Forderung, das Vorverständnis offenzulegen, den Forschungsprozesses zu dokumentieren, Revisionen und Ergänzungen innerhalb des Forschungsprozesses zuzulassen und ihn als subjektorientierte Interaktion zu betrachten (vgl. Mayring, Gahleitner 2010, 303). In dieser Arbeit werden diese Kernkriterien zugrunde gelegt.8

5 | Auf die Erhebungsmethoden und Auswertungsverfahren der qualitativen Forschung wird in Kapitel 3.1.2 näher eingegangen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird an dieser Stelle darauf verzichtet. 6 | Es kann in Rahmen dieser Arbeit nicht auf die einzelnen Methoden der jeweiligen Formen eingegangen werden. Schon die qualitative Forschung stellt ein plurales Spektrum dar (vgl. Prengel, Friebertshäuser, Langer 2010, 23-35). Verwiesen werden kann auch hier u. a. auf Literatur von Lamnek 1995; Klammer 2005; Bortz, Döring 2006; Flick, Kardorff, Steinke 2008; Bock, Miethe 2010; Friebertshäuser, Langer, Prengel 2010. 7 | Steinke hat an verschiedenen Stellen differenziert Qualitätskriterien der qualitativen Sozialforschung dargestellt, die in der Fachliteratur forschungsleitend sind (vgl. Steinke 2008, 319-331). Aufgrund der hier gewählten systemtheoretischen Ausrichtung werden diese jedoch in diesem Kapitel noch durch erweiterte Aspekte ergänzt. 8 | Durch die systemtheoretische Orientierung stellt sich die Beobachterposition der Forschenden im konkreten Forschungsprozess etwas anders dar. In Kapitel 3.2.2 wird auf diese Besonderheiten im Einzelnen eingegangen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

3.1.2 Qualitative Forschung und Systemtheorie Luhmann selbst hat weder qualitativ noch quantitativ geforscht. Somit hat er keine Forschungsmethodik entwickelt, die sich im Sinne des hier intendierten Forschungsvorhabens anwenden ließe (vgl. König, Zedler 2002, 187). An dieser Stelle soll aufgezeigt werden, inwiefern sich ein qualitatives Forschungsvorhaben mit systemtheoretischen Ansätzen in dem hier fokussierten Rahmen als kompatibel erweist. In der qualitativen Forschung geht es primär darum, sich mit dem »Anderen« oder dem »Fremden« zu beschäftigen (vgl. Fuhs 2007, 21). Es geht darum, nach dem subjektiven Sinn zu forschen und Beobachtbares »[…] ›von innen heraus‹ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben« (Flick, Kardorff, Steinke 2008, 14). So haben nach König Begriffe wie »Sinn«, »Bedeutung«, »Verstehen« den traditionellen Verhaltensbegriff empirischer Sozialwissenschaft abgelöst und werden zunehmend zu »[…] zentralen Konstrukten sozialwissenschaftlicher Forschung« (König 1990, 927). In der systemtheoretischen Perspektive geht es in der Beobachtung von Kommunikation nicht um die Entäußerung subjektiven Sinns eines Subjektes, sondern um den selbstreferenziellen Selektionszusammenhang des sozialen Systems (vgl. Nassehi 1997, 146). So muss es hier nach Nassehi bei einer interpretierenden Beobachtung vertexteter Kommunikation darum gehen, allein den im Text inhärenten selbstreferenziellen Selektionszusammenhang zu beobachten (vgl. ebd.).9 Auch wenn sich hier sehr unterschiedliche Sinndefinitionen gegenüberstehen, kann an dieser Stelle als verbindend zusammengefasst werden, dass hinsichtlich beider Ausrichtungen in der Auseinandersetzung mit Sinn ein Verständnis von Sinn besteht, das Sinn als etwas zunächst Unerschlossenes, unterschiedlich Konstruierbares definiert, das rekursiv betrachtet wird.10 So konstatiert Vogd: »Da die Systemtheorie in ihrer inhärenten Forschungspraxis ein rekonstruktives Verfahren darstellt, werden diesbezüglich gerade auch an jene so genannten qualitativen Methodologien Anschlüsse zu suchen sein, welche die Sinngenese ins Zentrum ihrer Analyse rücken« (Vogd 2007, 295). Neben der Berücksichtigung subjektbezogener Sinnorientierung geht es in der qualitativen Forschung nicht darum, sich an Mehrheiten zu orientieren, sondern individuelle Verläufe zu erforschen, die im Rahmen der Fragestellung repräsentativ sind. Da es im Rahmen der hier formulierten Fragestellung um kommunikative Anschlussoptionen bzw. Nicht-Anschlussoptionen unter den dargestellten Kommunikationsbedingungen (mit und ohne adressierte Behinderung) geht, erscheint auch aus dieser Perspektive die qualitative Forschungsmethode als die adäquatere, da sie in der Lage ist, in ihrer Auswertung unterschiedliche Ergebnisse zu berücksichtigen. Die qualitative Forschung stellt sich als die Methode mit der größtmöglichen Offenheit unter Berücksichtigung der Perspektive der Beteiligten dar (vgl. Kuckartz, Dresing, Rädiker, Stefer 2008, 11). In Abgrenzung zu quantitativen Methoden, bei denen es vor der Erhebung bereits eine feste Vorstellung über den untersuchten Gegenstand geben muss, wendet sich die qualitative Methode dem Unbekannten im scheinbar Bekannten zu (vgl. Flick, Kardorff, Steinke 2008, 17). 9 | Worauf genau in dieser Arbeit hin-gedeutet wird, differenzieren die Kapitel 3.3 und 4.2. 10 | Auf die Diskrepanz zwischen systemtheoretischem Sinnbegriff und der Sinndefinition der qualitativen Forschung wird in den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 eingegangen.

3.  Methodologische Überlegungen

Dieses spiegelt sich auch in ihren Erhebungsmethoden wider, die sich dialogisch orientieren und je nach Gesprächsverlauf modifiziert werden können (vgl. Flick, Kardoff, Steinke 2008, 21). Dieses Verständnis entspricht der grundsätzlichen Vorstellung über die Funktionsweise autopoietischer Systeme, dass deren Operationen irritierbar, jedoch indeterminabel sind (vgl. u. a. Kapitel 2.1 und 2.5). Es kann systemtheoretisch gesehen nicht davon ausgegangen werden, ein Gespräch bestimmen oder gar normieren zu können (vgl. Kapitel 2.2.4). So kommt Henkel zu dem Schluss: Die Systemtheorie ist »[…] insbesondere für interaktionstheoretische Fragestellungen kompatibel mit etablierten Methoden der (qualitativen) empirischen Sozialforschung« (Henkel 2010, 181).11 Darüber hinaus richtet sich die qualitative Forschung funktional aus. Fuhs postuliert, keine dichotomen Kategorien zu etablieren, sondern die Frage danach zu stellen, auf welcher Grundlage das »Andere« gebildet wurde (vgl. Fuhs 2007, 19). Es geht hier um einen offenen erkenntnisgenerierenden Vorgang innerhalb der Erhebungs- und Interpretationsmethoden im Rahmen des qualitativen Forschungsparadigmas (vgl. Nentwig-Gesemann 2008, 254). Dieser ist zum einen prädestiniert für (früh-)pädagogische Praxisforschung (vgl. ebd.), innerhalb der es nach Nentwig-Gesemann darum geht, wie Pädagogik wirkt und Lehr-Lernkontexte ko-konstruiert werden können (vgl. Nentwig-Gesemann 2008, 252). Zum anderen weist dieser Ansatz eine Kompatibilität mit der funktionalen Analyse der Systemtheorie auf,12 auch wenn hier, wie bereits dargestellt, nicht auf subjektiven Sinn, sondern auf die Funktionalität operativer Anschlüsse sozialer und psychischer Systeme hin-beobachtet wird (vgl. Kapitel 3.3). In der qualitativen Forschung wird das Beobachtete immer nur als eine mögliche Konstruktion von auch anders möglichen Konstruktionen bewertet (vgl. Flick 2008, 153). So geht es, in Abgrenzung zur quantitativen Forschung, nicht darum, sich um Durchschnittswerte zu bemühen. In der Grundausrichtung qualitativer Forschung geht es nicht um die Generalisierbarkeit von Verstehensprozessen, sondern um die Nachvollziehbarkeit besonderer Wege. »Durch das dialogische Moment im Forschungsprozess kann die Konstruktion der Wirklichkeit der befragten Kinder rekonstruiert werden und es entsteht ein detailreiches Bild aus deren Sicht« (Behr 2009, 172).13 Es geht nicht darum, eine repräsentative Wirkung orientiert an der Norm herauszustellen. Wie etwas wirkt, kann aus der Sicht qualitativer Forschungsansätze nur am individuellen Beispiel erkundet werden. Entsprechend werden in der qualitativen Forschung keine signifikanten Bedeutungsstrukturen erarbeitet, die sich im statistischen Sinne auf eine Gesamtheit beziehen. Aber es können nach Fuhs’ Aussagen dazu 11 | Zudem findet sich dieses Grundverständnis gegenüber der Einflussnahme auf Veränderungsprozesse auch in aktuellen pädagogischen Ansätzen wieder (vgl. Palmowski, Jakob 2001, 450) und gestaltet sich damit im Kontext der heilpädagogischen und theoretischen Ausrichtung dieser Arbeit stimmig. So wird entsprechend die hier gewählte Erhebungsmethode offen gestaltet und dialogisch angelegt (vgl. Kapitel 4.1.3). 12 | »Funktionale Analyse heißt, nach dem Beitrag eines Phänomens zur Lösung eines Problems zu fragen und sowohl alternative Problemlösungen für möglich zu halten und nach ihnen zu suchen, als auch dasselbe Phänomen als Lösung eines anderen Problems für denkbar zu halten und vorzuschlagen« (Baecker 2012, 168). 13 | Aus systemtheoretischer Sicht besteht nicht die Möglichkeit, zu einer Sicht von Kindern zu gelangen. Dieses Zitat soll nur die subjektive Ausrichtung veranschaulichen.

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getroffen werden, wie eine bestimmte Auswahl von Kindern ihre Lebenswelt sieht (vgl. Fuhs 2007, 61).14 Auch hier zeigen sich Ähnlichkeiten zu systemtheoretischen Maximen, denn nach welchen Unterscheidungen beobachtet werden soll, ist auch nach Nassehi eine »unbeantwortbare Frage«, die sich allein orientiert am erörterten Gegenstand beweist und nur an diesem ausgerichtet bewertet werden kann (vgl. Nassehi 1997, 156). Vergleichbar konstatiert Hafen, dass die Faktoren einer empiriegeleiteten Beobachtung vielfältig sein können (vgl. Hafen 2011a, 87). Diese Komplexität noch ergänzend hebt Fuhs hervor, dass die spätmoderne Lebenswelt sich äußerst heterogen und komplex gestaltet (vgl. Fuhs 2007, 65) und begründet darüber die besondere Bedeutung der Zugänge zu fremden Wirklichkeiten, wie sie über die qualitative Forschung möglich sind. Diese können dann in ihrer Relevanz für Dritte reflektiert werden. Darin wird die besondere Qualität dieser Art von Forschung gesehen. Der Erkenntnisgewinn scheint in der Abweichung zu liegen, die sich jedoch noch so vertraut beobachten lässt, dass sie erkannt werden kann. Systemtheoretisch wird vergleichbar bewertet: »Gerade die Ausgangslage des ›Nicht-‹ und ›Missverstehens‹ führt zur Strukturbildung« (Vogd 2011, 13). John, Henkel und Rückert-John erläutern, dass die Verbindung zwischen Empirie und Systemtheorie über die Verwendung systemtheoretischer Konzepte als analytische Beobachtungsstrategien erfolgen kann (vgl. John, Henkel, Rückert-John 2010, 326).15 »Die Perspektiven systemtheoretisch inspirierter Empirie liegen in der Entwicklung theoretisch begründeter Fragen für die empirische Untersuchung […]« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 329). Entsprechend hat sich im Rahmen dieser Arbeit die Forschungsfrage über die systemtheoretischen Begrifflichkeiten weiter spezifiziert, die in Verbindung mit den empirischen Daten ihrer Analyse dienen (vgl. Kapitel 2.7). Dabei ist eine offene Begegnung mit dem Material intendiert, um sich von diesem »überraschen« lassen zu können. Es geht bei dem hier beschriebenen Vorgehen nicht darum, bereits bestehende Hypothesen zu prüfen. Ebenso wenig geht es um ein evaluatives Interesse.16 An dieser Stelle geht es darum, bisher unerschlossene Sinnbezüge aus der besonderen Verbindung zwischen Systemtheorie und empirischen Daten über die Interpretationen als Ergebnis in Bezug auf die Fragestellung zu erarbeiten.17 Entsprechende Vorschläge stellen das intendierte Ergebnis der Verbindung zwischen Empirie und Systemtheorie dar 14 | Insofern geht es auch in diesem qualitativen Forschungsvorhaben nicht darum, eine »Stichprobe« sondern ein »Sample (eine Fallsammlung)« (vgl. ebd.) darzustellen (vgl. Kapitel 4.1.2 und 4.1.3). 15 | Es soll an dieser Stelle nicht versäumt werden zu erwähnen, dass es soziologische Forschungsarbeiten gibt, die vor dem Hintergrund systemtheoretischer Überlegungen empirisch arbeiten. Beispielhaft kann hier auf Literatur von Nassehi, Bohnsack oder Vogd verwiesen werden. Darüber hinaus ist ein diesbezüglicher Diskurs über die Tagung »Methodologien des Systems – Wie kommt man zum Fall und wie dahinter?« (vgl. Siri 2009) und das gleichnamige Buch von John, Henkel und Rückert-John (vgl. John, Henkel, Rückert-John 2010) nachvollziehbar. 16 | Nach Behr erfordert die Orientierung am Qualitätsbegriff die Einbeziehung einer bewerteten und normierten Dimension (vgl. Behr 2009, 64). In diesem Sinne unterscheidet sich das hier vorgeschlagene Vorgehen von einer Evaluation. 17 | »Die empirische Beobachtung ist dann nicht mehr auf die Hypothesenprüfung ausgerichtet, wenn die theoretischen Konzepte als analytische Strategien zur Generierung von

3.  Methodologische Überlegungen

(vgl. Kapitel 5). Vogd sieht die Aufgabe von Methoden darin, veränderte Wahrnehmungen zu erwirken, »[…] so dass die bisherigen Kategorien ins Wanken kommen und hierdurch neue Unterscheidungen entstehen« (Vogd 2010, 122). Das hier beabsichtigte Vorgehen versteht sich in diesem Sinne und entspricht damit auch der Ausrichtung qualitativer Forschungsmethoden. Auch hier wird als Ziel formuliert, »[…] vertraute und eingespielte Denk- und Interpretationsmuster in Frage zu stellen« (Fuhs 2007, 21). Der entsprechende Bedarf, neue Unterscheidungs- und Bezeichnungsoptionen inklusiver Prozesse anzubieten, wurde einleitend hergeleitet (vgl. Kapitel 1). Damit diese möglich werden, ist auch für ein systemtheoretisch ausgerichtetes Vorgehen entscheidend, vergleichbar mit dem Vorgehen qualitativer Forschungsansätze, durch methodisch kontrolliertes Verstehen »[…] die eigenen, verstehenden beobachtungsleitenden Unterscheidungen transparent zu machen« (Nassehi 1997, 156). Zentral ist auch aus dieser Perspektive: »Wie kann sich Beobachtung kontrolliert überraschen?« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 326). Das Moment der Kontrolle bezieht sich hier auf die Nachvollziehbarkeit der dargelegten Beobachtungsleistung innerhalb der verschiedenen Beobachtungsschritte (siehe Kapitel 3.1, 3.3 und 4.2) und die Überraschung auf den durch die wissenschaftlich spezifizierte Beobachtungssituation und -perspektive (vgl. Kapitel 3.3) möglicherweise unerwartet beobachtbaren Sinnbezug. Über diesen Weg können die Ergebnisangebote (vgl. Kapitel 5, 6 und 7) dann nachvollziehbar mit der Fragestellung der Arbeit verbunden werden. Die besondere Beobachtungsperspektive auf das »Feld« (vgl. Fuhs 2007, 89), die unter Zuhilfenahme der Unterscheidungsangebote der Systemtheorie möglich ist, wird hier als funktional betrachtet, dieses in seiner Weiterentwicklung anzuregen. Dabei wird nicht ausgeschlossen, dass auch mithilfe der Empirie Differenzierungsvorschläge für die bestehenden systemtheoretischen Begrifflichkeiten vorgeschlagen werden. In der Konkretisierung der Fragestellung (vgl. Kapitel 2.7) wurde darauf Bezug genommen. In den noch folgenden Kapiteln wird dieser Aspekt wieder aufgegriffen. Es werden Wege aufgezeigt, wie ein solches Vorgehen zu entwickeln ist (vgl. Kapitel 3.3 und 4) und wie diese realisiert werden (vgl. Kapitel 5). Flick bewertet ein theoretisches Sampling als »Königsweg« für qualitative Studien (vgl. Flick 2008b, 262). Nach Fuhs stellt es eine Form der Verallgemeinerung dar, an der sich im Rahmen dieser Arbeit ausgerichtet wird und die im Folgenden vorgestellt werden soll: Die Arbeit am Begriff.

3.1.3 Form der Verallgemeinerung Fuhs stellt drei grundsätzliche Formen der Verallgemeinerung empirischer Ergebnisse vor: • die Falldarstellung als dokumentierter Ausdruck sozialer Wirklichkeit orientiert am Einzelfall, • die Typenbildung, in der verschiedene Muster sozialer Wirklichkeit beschrieben werden, Leitfragen dienen, mit denen das empirische Material zu ordnen ist« (John, Henkel, RückertJohn 2010, 326).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

• das Arbeiten am Begriff, welches die Möglichkeit bietet, ein soziales Phänomen zu präzisieren und zu differenzieren (vgl. Fuhs 2007, 91-93). Um die dritte Form der Verallgemeinerung, das »Arbeiten am Begriff«, soll es im Rahmen dieser Arbeit gehen. Nach Fuhs ist diese Form besonders geeignet, wenn zu einem sozialen Phänomen nur sehr allgemeine Vorstellungen bestehen, die über den Forschungsprozess weiter spezifiziert werden sollen (vgl. Fuhs 2007, 93).18 In der »Arbeit am Begriff« geht es darum, zunächst die bestehenden Vorstellungen darzustellen, sie im Anschluss mit dem empirischen Material zu verbinden und davon ausgehend weiterzuentwickeln. Über diesen Weg können nach Fuhs Begriffe neu definiert oder Probleme schärfer gefasst werden (vgl. ebd.). Da einleitend problematisiert wurde, dass es hinsichtlich des Inklusionsdiskurses genau an dieser begrifflichen Differenzierung mangelt, entspricht diese Form der Verallgemeinerung der Fragestellung der Arbeit (vgl. Kapitel 1). Auch aus einer systemtheoretischen Betrachtung erscheint diese Form der Verallgemeinerung als geeignet, da in deren Diskurs theoretische Arbeit ebenso Arbeit mit und an Begriffen ist (vgl. Stichweh 2010, 24). »Systemtheoretisch angeleitete empirische Forschung ist demnach nicht bloß Anwendung von Begriffen auf Sachverhalte, sondern zirkuläre Erprobung von Metadaten an Daten derart, dass die Metadaten die Daten zu sortieren und Daten die Metadaten zu korrigieren erlauben« (Baecker 2012, 162). So konkretisiert Baecker, dass empirische Forschungsvorhaben durch die Begriffe der allgemeinen Systemtheorie »informiert« werden, aber auch zu Variationen dieser Begriffe anregen können (vgl. ebd.). Über die Darlegung der theoretischen Rahmung (vgl. Kapitel 2) wurden relevante systemtheoretische Begrifflichkeiten für eine Differenzierung des Inklusionsbegriffs bereits vorgestellt und schon an dieser Stelle eine Differenzierung des pädagogischen Diskurses angeregt. In der Auswertung werden die empirisch erhobenen Daten angelehnt an diese Überlegungen interpretiert und präzisiert (vgl. Kapitel 5). Dort erfolgt der Versuch, systemtheoretische Differenzierungsangebote entsprechend zu nutzen, um den Blick auf die Daten hinsichtlich der Fragestellung zu schärfen. In Kapitel  6 werden die systemtheoretischen Begriffe auf ihre diesbezügliche Funktionalität hin reflektiert und Ergänzungen oder Variationen angeregt. Um dafür weitere Voraussetzungen zu schaffen, sollen als Nächstes Überlegungen zu der Kontingenz im Prozess des wissenschaftlichen Beobachtens dargelegt werden.

3.2 Z um K onte x t wissenschaf tlicher B eobachtung Als zweite Ausrichtung in der methodologischen Auseinandersetzung soll die Beobachtung aus verschiedenen für diese Arbeit relevanten Perspektiven betrachtet, erörtert und kritisch reflektiert werden. An dieser Stelle wird sich zunächst an dem herkömmlichen personenbezogenen Beobachtungsbegriff orientiert, da es eingangs um den Bezug zur qualitativen Forschung geht. In Kapitel 3.2.2 wird dann der systemtheoretische Beobachtungsbegriff stärker berücksichtigt. 18 | Auch Mayring verweist auf die Sinnhaftigkeit einer theoriegeleiteten Interpretation (vgl. Mayring 2002, 145).

3.  Methodologische Überlegungen

3.2.1 Forschende als Beobachtende in der qualitativen Forschung »Der Blick auf die Welt ist nie voraussetzungslos, sondern immer schon theoretisch.« J ohn , H enkel , R ückert-J ohn 2010, 325

Beobachtungen werden in einem qualitativen Forschungsvorhaben nicht außerhalb des Erkenntnisprozesses gesehen (vgl. Mayring 2002, 31-32; Schäfer 2008, 126-127; König, Bentler 2010, 174; Mayring, Gahleitner 2010, 303; Vogd 2011, 15). So vermerkt Fuhs, dass die qualitative Forschung u. a. nicht frei von der »historischen Bedingtheit« der Forschenden und ihren Perspektiven ist (vgl. Fuhs 2007, 47). Ihre Beobachtungen ereignen sich beispielsweise zu einem bestimmten Zeitpunkt, innerhalb eines spezifischen Zeitfensters und beziehen sich hier auf den aus ihrer Perspektive aktuell als relevant erachteten Stand wissenschaftlicher Betrachtung. Für den Kontext dieser Arbeit bedeutet dies, dass es sich bei den Äußerungen der Kinder im Rahmen der Interviews um einmalig beobachtete Unterscheidungen handelt, die möglicherweise zu einer Erweiterung bestehender Perspektiven in Theorie und Praxis hinsichtlich der Fragestellung der Arbeit führen, jedoch zu einem anderen Zeitpunkt von den Kindern anders formuliert und von Forscher_innen anders beobachtet und verstanden (im Sinne des sinnhaften Anschlusses) werden würden. In Kapitel 2.3 wurde die Entstehung des blinden Flecks im Rahmen von Beobachtungsleistungen thematisiert. Aus den hier angedeuteten Selektionen wird nachvollziehbar, dass mit jeder Festlegung bzw. Ausrichtung, die die Forscher_innen im Laufe der Entwicklung ihres Forschungsprozesses vornehmen, eine »Welt von blinden Flecken« einhergeht. Über jede Entscheidung für etwas wird sich gegen etwas anderes entschieden. In der Kindheitsforschung wird beispielsweise in Bezug auf die Generationsproblematik auf diese beschränkte Perspektive hingewiesen (vgl. Heinzel 2010, 714).19 Infolgedessen muss einschränkend resümiert werden, dass die Überlegungen in dieser Arbeit und ihre empirischen Bezüge die Sinnbezüge des aufgespannten Forschungskontextes darstellen und nicht die Sinnbezüge der intendierten Proband_innengruppe.20 »Keinesfalls können sie als Beweise für die ›wirkliche‹ Wirklichkeit gelten« (Schäfer 2008, 126). Entsprechend erläutert Baecker, der Beobachter sei weder aus den Beschreibungen, die er vorlegt, noch aus den Metadaten, mit denen er arbeitet, herauszudividieren (vgl. Baecker 2012, 177). Sein Bezug auf Sinn und das, woran er kommunikativ anschließt (z. B. innerhalb des Funktionssystems Wissenschaft), bestimmen den Fokus innerhalb des Forschungsvorhabens ebenso wie seine Konstruktion der sozialen Adresse, über die bzw. mit der er forscht. Alle durch ihn unterschiedenen 19 | So wird beispielsweise im Kontext empirischer Erhebung von Mey in Bezug auf Fuhs und Honig problematisiert, dass Kindheitsforschung immer eine Forschung aus der Perspektive von Erwachsenen ist und ein durch sie initiiertes Vorgehen (vgl. Mey 2011, 12). Heinzel rät: »Alle Forschungsergebnisse sollten deshalb als Konstruktionen dargestellt und ihre Perspektivengebundenheit offengelegt werden« (Heinzel 2010, 714). Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Begrifflichkeit der inklusiven Forschung (vgl. Kapitel 4.1.1.2) wird dieser Aspekt wieder aufgegriffen. 20 | In den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 wird auf diesen Aspekt im Rahmen der wissenschaftlichen Beobachtungsperspektive vertieft eingegangen.

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Differenzen wirken auf seine Ausrichtung im Forschungsprozess ein und spezifizieren damit das Unterschiedene.21 Nach Fuhs widersprechen diese Bedingtheit und die damit einhergehende beschränkte Aussagekraft der Beobachtungen jedoch nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen eines qualitativen Forschungsvorhabens. In ein solches werden die Abhängigkeit des Ergebnisses von der forschenden Person, die nur Bestimmtes bestimmen kann, und ihre Entscheidungen im Forschungsprozess bewusst einbezogen (vgl. Fuhs 2007, 57). Die Subjektivität bei entsprechender Reflexion ist nach Fuhs »[…] kein Manko, sondern explizit eine Stärke der Forschung« (Fuhs 2007, 59). Entscheidend für die Qualität des Forschungsvorhabens ist jedoch, den Forschungsvorgang (thematisiert über die Gütekriterien in Kapitel 3.1.1) und das methodisch kontrollierte Verstehen nachvollziehbar zu machen. Konsequenterweise müssen die Verbindungen zum Forschungsfeld sowie die einzelnen Forschungsschritte im Forschungsprozess entsprechend dargestellt und reflektiert werden (vgl. König, Bentler 2010,175).22 Diese für notwendig erachtete Nachvollziehbarkeit ist in dieser Arbeit über folgendes Vorgehen gegeben: • die Darstellung der Verwobenheit der Forscherin mit dem Forschungsfeld und die Vorstellung ihrer Standortgebundenheit (vgl. Kapitel 3.2.1, 3.2.2 und 4.1.2.3), • die Transparenz des forschungsmethodischen Vorgehens in der Erhebung und Auswertung der Daten (vgl. Kapitel 3.3, 4.1.2, 4.1.3, 4.2 und 5), • die Einbindung und damit die Verdeutlichung des aktuellen wissenschaftlichen Diskussionsstandes zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit dem Thema der Arbeit, auf den Bezug genommen wird (vgl. Kapitel 1, 2 und 4.1.1). Auch wenn der blinde Fleck über diesen methodisch kontrollierten Weg nicht einsehbar wird, so besteht doch, über eine Veranschaulichung der Deutungsschritte und die hier eingenommene Perspektive, die Möglichkeit, den Forschungsprozess nachzuvollziehen und durch anders ausgerichtete Beobachtungsperspektiven gegenzubeobachten und zu anderen Schlüssen zu kommen, die hier Unerkanntes thematisieren. Indem die Perspektive deutlich wird, über die Sinnbezüge (hier in einen wissenschaftlichen Kontext gestellt) hergestellt und weiter entwickelt werden, wird (aus der Perspektive der Leser_innen, die außerhalb des beobachteten Prozesses stehen) nachvollziehbar, was durch diese unberücksichtigt bleibt. Die Beobachtungsperspektive kann verändert werden. Dieses kann dann wiederum in die Reflexion und Bewertung der Ergebnisse der vorgelegten Forschungsarbeit einfließen und sich auf weitere Forschungsarbeiten auswirken (vgl. Nassehi 1997, 156).

21 | Dieser Prozess wird in Kapitel 3.2.2 über das wissenschaftliche Beobachten genauer differenziert. 22 | In Kapitel 3.1.1 wurde auf diesen Aspekt in Bezug auf die Gütekriterien in der qualitativen Forschung bereits eingegangen.

3.  Methodologische Überlegungen

3.2.2 Systemtheoretische Beobachtung im Kontext empirischer Forschung »Die soziologische Systemtheorie wird empirisch operationalisierbar, indem sie die Bearbeitung von Kontingenz, die Figur der ›Bestimmung des Unbestimmten‹ in den Mittelpunkt ihrer Analysen rückt.« Vogd 2007, 305

Zunächst: In Kapitel 2.3 wurde deutlich gemacht, dass es sich bei der systemtheoretischen Betrachtungsweise nicht um einen herkömmlichen Beobachtungsbegriff handelt, so wie er in der qualitativen Forschung für »[…] das Sammeln von Erfahrungen in einem nichtkommunikativen Prozeß mit Hilfe sämtlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten […]« (Laatz 1993, 169, zit. n. Bortz, Döring 2003, 262) definiert wird. Oder wie er im engeren Sinne in der wissenschaftlichen Beobachtung »[…] als gezielte visuelle Wahrnehmung sozialer Realität verstanden […]« (Klammer 2005, 193) wird. Es wurde erläutert, dass der systemtheoretische Beobachtungsbegriff differenztheoretisch hergeleitet wird (vgl. Luhmann 2001, 125), orientiert an der konstruktivistischen Erkenntnistheorie (vgl. Wansing 2005, 22). So geht es hier nicht um das »Was«, nicht um das Wahrnehmbare als solches, nicht um ein Etwas, nicht um eine Seinsbeschaffenheit, sondern um das »Wie« im Sinne des Differenzierens von Unterscheidungsleistungen im Rahmen psychischer und sozialer Operationen. Da diese Unterscheidungsleistungen systemspezifisch konstruiert werden, wird das, was darüber differenziert wird, nicht als »Realität« aufgefasst, sondern als Ergebnis einer Beobachtung. »Die Analyse anhand der Wie-Frage impliziert, dass alle Welt beobachtete Welt ist« (Terfloth 2006, 13). Entsprechend muss aus systemtheoretischer Beobachtung im Kontext empirischer Forschung die Frage danach gestellt werden: Wie wird sozial oder auch psychisch unterschieden, auf der Grundlage welcher Unterscheidung richtet sich ein System operativ aus und damit: Vor welchem Sinnhorizont wird bezeichnet? Es wurde aufgezeigt, dass bei dieser Betrachtungsweise innerhalb von Beobachtungsprozessen kein Bezug auf Individuen möglich ist (vgl. Kapitel  2.4), da ihre »innere Unendlichkeit« aus der Perspektive Luhmanns nicht beobachtbar ist (vgl. Luhmann 1991, 347). So schreibt er: »Keines ist in seiner Totalität und in seinen Wahlgrundlagen beobachtbar. Es ist deshalb prinzipiell falsch, anzunehmen, Individuen seien besser oder jedenfalls direkter beobachtbar als soziale Systeme« (ebd.). Demzufolge kann es in einer systemtheoretischen Beobachtung nicht darum gehen, das Agieren beteiligter Menschen nachvollziehen zu wollen. Vergleichbar stellt Nassehi dar: »Wird der Text aufgrund der selbstreferentiellen Dynamik sozialer Kommunikation als das ausschließliche Subjekt seiner Selbst behandelt, kann in diesem Sinne nicht mehr von Menschen als den Subjekten der Kommunikation gesprochen werden« (Nassehi 1997, 158).23 Konsequent in der Logik der Systemtheorie gedacht heißt dies: Das jeweilige System generiert spezifische Differenzen 23 | Es kann orientiert an Nassehi nur wiederholt werden, dass Menschen dadurch nicht gering geschätzt werden, sich jedoch innerhalb dieser wissenschaftlichen Beobachtung auf das bezogen werden soll, worauf aus der hier vorgeschlagenen Theorie hin-beobachtet werden kann.

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und nicht ein Subjekt. Insofern muss es hier darum gehen, sich auf Anschlüsse bzw. Nicht-Anschlüsse sozialer und psychischer Systeme zu beziehen. Durch die operationale Geschlossenheit autopoietischer Systeme ist jedoch auch kein Zugriff auf das Operieren eines anderen Systems möglich und damit auch kein Zugriff auf die ihren Operationen zugrunde liegenden Unterscheidungsleistungen (vgl. Kapitel 2.2.3 und 2.2.4). So schreibt Fuchs: »Auf keines seiner Ereignisse läßt sich zeigen« (Fuchs 2003a, 328).24 In der systemtheoretischen Betrachtung stellt sich die Beobachtung damit nicht nur im Kontext der in Kapitel 3.2.1 skizzierten historischen Bedingtheit der Forscher_innen oder der inhaltlichen Ausrichtung des Forschungsprozesses als relativ dar, sondern ist bei ernsthafter Orientierung an dieser Theorie nicht systemübergreifend möglich. In Kapitel 2.2.4 wurde dargelegt, dass das soziale System Sinn verteilt, seine systemspezifischen Unterscheidungsleistungen jedoch ebenso wenig einsehbar sind wie die des Sinn generierenden psychischen Systems (vgl. Kapitel 2.2.3). Sie sind operational geschlossen und damit un-beobachtbar (vgl. Hafen 2011a, 87). Entsprechend haben Sinnsysteme nach Fuchs keine empirischen Ereignisse (vgl. Fuchs 2003a, 328).25 Erschwerend kommt hinzu, dass es keine Übereinstimmung der Zeitdimension im Beobachtungsprozess verschiedener Systeme geben kann und sich systemtheoretisch betrachtet nicht auf ein Etwas, ein Ereignis oder etwas Beobachtbares als »Dasselbe« bezogen werden kann. »Was immer ›Leute‹ als relevante Umwelt sozialer Systeme an Verhalten vorführen, kann als Mitteilung einer Information aufgegriffen und damit verstanden werden – in einem ›Danach‹, das seinerseits als Äußerung (als Mitteilung einer Information) genommen werden muß, um Anschluß oder Nachtrag gewesen zu sein: durch eine weitere Äußerung, für die dasselbe gilt. Jenes Aufgreifen ist demnach nicht identisch mit einer psychischen Leistung, die den je prozessierten Sinn herstellt, liest oder deutet (also psychisch versteht), so sehr diese wahrnehmungsbasierte Sinn-Entnahmefähigkeit als Umweltfaktor unverzichtbarer Art vorausgesetzt ist; es kommt vielmehr zustande dadurch, daß jedes Verhalten, das als Verlautbarung erscheinen kann, in ein ganz besonderes ›Zeitspiel‹ eingestellt wird« (Fuchs 2010a, 30).26 Um an dieser Stelle das Vorhaben, eine systemtheoretisch ausgerichtete empirische Arbeit zu schreiben, nicht beenden zu müssen, wird sich im Folgenden Nassehis wissenschaftlichem Zugang, Operationen zu beobachten, zugewandt. Die wissenschaftlich konstruierte Beobachtungsperspektive Nassehi fragt im Kontext empirischer Forschungsarbeit danach, was beobachtet werden kann, wenn sich beispielsweise auf Protokolltexte über soziale Anschlussoperationen bezogen wird. Dabei stellt er, vergleichbar mit Fuhs, aus der in Kapitel 3.2.1 genannten Perspektive der qualitativen Forschung, dar, dass es im Rahmen wissenschaftlicher Beobachtung eine wissenschaftliche Perspektive ist und damit 24 | Darüber hinaus bedient sich die Kommunikation an dieser Stelle des Mediums der Schriftsprache und intendiert einen Anschluss an das soziale Funktionssystem Wissenschaft. Auch dadurch ist das, was als relevante Information der Umwelt mitgeteilt wird, an die angeschlossen werden soll, hoch spezifisch. 25 | Fuchs begründet damit die Abkehr von jeglicher Ontologie der Elemente von Sinnsystemen (vgl. Fuchs 2003a, 329). 26 | In Kapitel 2.2.2 wurde das systemtheoretische Verständnis der Sinnzeit vorgestellt.

3.  Methodologische Überlegungen

der Bezug auf einen wissenschaftlich relevanten Anschluss (vgl. Nassehi 1997, 156). »Die Handhabung von Selbstreferenz eines anderen Systems kann demnach nur – systemrelativ!  – beobachtet werden, es kann dagegen nicht wahrgenommen oder gar angezapft werden« (Nassehi 1997, 142). Das heißt, es kann in der Auswertung der empirischen Daten nicht darum gehen, was sich »wirklich« an Sinnbildungsprozessen über die beobachteten Systeme vollzogen hat. Es kann nicht um die Beobachtung der Operationen autopoietischer Systeme gehen, sondern nur darum, was sich aus den hier wissenschaftlich konstruierten Differenzen im Forschungsprozess als sinnbildend und relevant beobachten lässt. Diese Perspektive ist die, die im Rahmen dieser Arbeit als wissenschaftliche Beobachtung und Grundlage der Sinnbildungsprozesse bezeichnet werden kann und auf die im Rahmen der formulierten Fragestellung »hin-beobachtet« wird.27 Deutlich wird an dieser Stelle, dass es sich dabei immer nur um Zuschreibungsprozesse handeln kann (vgl. Fuchs 2011, 27; Hafen 2011a, 87). Über die Markierung einer beobachteten Unterscheidungsleistung als »hin-beobachtete« Unterscheidung wurde bereits in Kapitel 2.3 ein didaktisches Mittel eingeführt, über das darauf verwiesen wird. Auch die wissenschaftliche Beobachtung beobachtet empirische Daten, der systemtheoretischen Sinnzeit entsprechend, im Nachtrag. Über die hin-beobachteten Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse sozialer Operationen an ihre Umwelt kreiert sie Sinnverweise, die als ein »Etwas« in diesem Sinne zu beobachten sind und auf die dann in der wissenschaftlichen Deutung Bezug genommen werden kann (vgl. Kapitel 3.3). Auch wenn dieser sinnhafte Anschluss nicht als »derselbe« zu beobachten ist wie der der operierenden Systeme, bietet er die Möglichkeit, sich auf ein »Etwas« zu beziehen, das im wissenschaftlichen Kontext Bedeutung erlangt. So geht es aus systemtheoretischer Perspektive nicht darum, etwas zu beobachten, das sich als die subjektive Sinnkonstruktion von Proband_innen herstellen lässt. Sondern es geht darum, dass das, was hin-beobachtet wird, sich aus dem ergibt, was zuvor als Sinnbezug aufgespannt wurde durch die als wissenschaftlich bezeichnete Perspektive im Rahmen der Fragestellung. Es geht also nicht um eine nachvollziehbare Annäherung an bisher unerschlossene Sinnkonstruktionen von Dritten, sondern darum, dass das Beobachtete sich nur auf das beziehen kann, was die Beobachtung, durch ihre spezifische Perspektive und das beobachtete »Material« (hier durch das Forschungsdesign bestimmt), also durch ihre Unterscheidungs- und Bezeichnungsleistungen und den diesen zugrunde liegenden Sinnbezügen, selbst produziert hat.28 Im Sinne Vogds entsteht hier als Bestimmung des Unbestimmten eine Figur, die in den Mittelpunkt der Analyse gerückt wird (vgl. Vogd 2007, 305). Im Rahmen dieser Arbeit werden in diesem Sinne kommunikative Anschlüsse bzw. Nicht-Anschlüsse von Kindern an andere Kinder fokussiert, die entsprechend nicht als einzig Wirkliche bewertet werden, sondern als in dem hier aufgespannten Sinnbezug als relevant Erkannte. Nach Vogd eröffnet der systemtheoretische Kommunikationsbegriff die Möglichkeit, »[…] Gespräche, Interviews, Beobachtungsprotokolle etc. von ihren innertextuellen Konsequenzen her zu interpretieren, denn es braucht nun nicht mehr 27 | In Kapitel 3.3 wird auf das wissenschaftliche Beobachten nochmals vertiefend eingegangen. 28 | Hier lässt sich das in Kapitel 2.2.1 dargestellt re-entry in der Konstruktion des Sinnbezuges erkennen.

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von einer Einheit von Information und Verstehen ausgegangen werden. Nicht mehr das, was ein Sprecher auszudrücken beabsichtigt hat, sondern das, was in kommunikativen Anschlüssen als ›Verstehen‹ ausgeflaggt wird, entscheidet über die Bedeutung der vorangegangenen Kommunikation« (Vogd 2011, 30). Aus dieser Perspektive erscheint der systemtheoretische Kommunikationsbegriff im Prozess des qualitativen Forschens als hilfreiche Reduktion, da es hier nicht darum geht, den Dialog zwischen Interviewerin und Interviewten oder zwischen den Kindern im Allgemeinen zu analysieren und zu interpretieren, sondern darum, sich auf die Anschlussoperationen und deren Strukturbildungen (vgl. John, Henkel, RückertJohn 2010, 324), die angeregt durch die Interviewfragen hin-beobachtbar werden und im Kontext der Fragestellung Bedeutung erlangen, zu konzentrieren.29 So stellt auch Simon fest: »Der Vorteil, Kommunikationen als die basalen Elemente sozialer Systeme zu betrachten, wie das Luhmann macht, ist, dass die Komplexität radikal reduziert wird« (Simon 2012, 190). In Kapitel  3.3 wird diese Möglichkeit differenzierter vorgestellt. An dieser Stelle sollte zunächst geklärt werden, dass das wissenschaftlich Beobachtete in einem eigenen Sinnkontext steht. Zwei Ebenen des wissenschaftlichen Beobachtens Beachtenswert für den Vorgang des (wissenschaftlichen) Beobachtens ist darüber hinaus, dass die Unterscheidungsleistung, die als Voraussetzung jeder Beobachtung benannt werden kann, ihrerseits nicht in der Lage ist, innerhalb derselben Beobachtungsleistung diese mit zu beobachten (blinder Fleck, vgl. Kapitel 2.3). In Kapitel 3.2.1 wurde dieses am Beispiel der selektiven Beobachtungsperspektive der Forschenden veranschaulicht. »Der unterscheidungsabhängigen Öffnung des forschenden Blicks für Bestimmtes entgegen steht dessen selektive Schließung allem anderen gegenüber« (Körner 2008, 16). Luhmann beschreibt, dass die Qualität der Systemtheorie für Beobachtungsprozesse bezüglich dieses Problems in der Möglichkeit besteht, auf der Basis von Unterscheidungsleistungen auf zwei Ebenen zu operieren. Er stellt dar, dass sie einen doppelten Zugriff auf die Differenz von System und Umwelt ermöglicht. »Einerseits kann ein System sich nur reproduzieren, wenn es dabei eine Differenz zur Umwelt erzeugt, also Grenzen zieht, also ›Umwelt‹ entstehen lässt. Andererseits kann das System diese Differenz beobachten, es kann sich selbst von seiner Umwelt unterscheiden und sich an diesem Unterschied orientieren« (Luhmann 2002, 113). Will man also die Unterscheidungsleistung beobachten, muss man das Beobachten beobachten (Beobachtungsebene zweiter Ordnung, vgl. Kapitel 2.3). In Bezug auf ein systemtheoretisch orientiertes empirisches Vorhaben können also zwei Ebenen des wissenschaftlichen Beobachtens konstruiert werden. Zum einen kann eine Differenz hergestellt werden und an der Stelle dieser Differenz eine Entscheidung für die Beobachtung der einen und nicht der anderen Unterscheidung getroffen werden. (In diesem Sinne werden die Äußerungen der Kinder innerhalb der Transkription im Rahmen der ersten Auswertungsebene als kommunikativ relevante Anschlüsse der Fragestellung dieser Arbeit zugeordnet oder nicht, 29 | Dass die Kommunikation in der Erhebungssituation dennoch im besonderem Maße von Bedeutung ist, darauf wird weiter unten in diesem Kapitel näher eingegangen. Darüber hinaus wird in Kapitel 3.3 thematisiert, inwiefern sich ausgehend vom kommunikativen Anschluss auch auf Sinnbildungsprozesse deuten lässt.

3.  Methodologische Überlegungen

im Rahmen der wissenschaftlichen Beobachtung auf der Beobachtungsebene erster Ordnung.) Zum anderen kann diese Differenz als beobachtete Unterscheidung wiederum beobachtet und gezielt im Kontext der Fragestellung bewertet werden. (In dieser Arbeit differenziert in diesem Sinne die zweite Auswertungsebene die Beobachtung, indem hier die beobachtete Unterscheidung orientiert an systemtheoretischen Begriffen ausgewertet und interpretiert wird, als wissenschaftliche Beobachtung auf der Beobachtungsebene zweiter Ordnung.) Diese Beobachtungen stellen die Grundlage für die Interpretation der empirischen Ergebnisse, die Überlegungen zur Arbeit am Begriff und die jeweiligen Thesenbildungen dar (dritte Auswertungsebene). Im Rahmen der Entwicklung des Auswertungsverfahrens (vgl. Kapitel 4.2) werden diese Ebenen (orientiert an der Struktur der systemtheoretischen Beobachtungsebenen, vgl. Kapitel  2.3) als Auswertungsschritte weiter ausgearbeitet und veranschaulicht. Grundsätzlich kann zusammengefasst werden, dass sich innerhalb des auswertungsmethodischen Vorgehens die Beobachtungsebene zweiter Ordnung als zentral erweist, da sie es ermöglicht, die Äußerungen der Kinder mit den verschiedenen Differenzierungsoptionen der Systemtheorie zu verbinden. Diese Gewichtung gestaltet sich auch vor dem Hintergrund der Überlegungen von Baecker stimmig, der konstatiert, dass der Systemtheoretiker seine empirische Forschung auf die Beobachtungsebene zweiter Ordnung ausrichten muss (vgl. Baecker 2012, 181). Zwei Bereiche der Beobachtung im Kontext der Datenerhebung Dieses Kapitel abschließend, soll darauf hingewiesen werden, dass sich bei der Datenerhebung über ein Interview zwei Bereiche abzeichnen, die als systemrelativ und damit als beobachtungsabhängig zu betrachten sind und auf die hin-gedeutet werden kann: zum einen die Kommunikation im Rahmen der Datenerhebung (also die Beobachtung der Bereitstellung zweier psychischer Systeme durch die interviewende und interviewte Person in der Kommunikationssituation Interview als Penetrationsangebot, um innerhalb dieses besonderen Interaktionssystems sozial anzuschließen) zum anderen die Äußerungen der Kinder in Bezug auf andere Kinder (also die Deutung auf die Unterscheidungsleistungen, welche über die Äußerungen der Kinder im Hinblick auf kommunikative Anschlüsse in Bezug auf andere Kinder beobachtbar werden). Zum ersten Bereich: Erfolgt die Datenerhebung über ein Interview, also im Rahmen einer Interaktion unter Anwesenheit zwischen Forschenden und Proband_innen, ist die forschende Person als Mitteilungshandelnde Teil der Kommunikation, auf die sie in ihrer weiteren Auswertung Bezug nimmt, und damit selbst bedeutsamer Teil des Forschungsvorhabens. Es ist für die Erhebung des hier wissenschaftlich fokussierten kommunikativen Anschlusses entscheidend, ob das Kommunikationsangebot, welches der Interviewenden innerhalb der Interviewsituation als Mitteilungshandelnden zugeschrieben wird, ausreichend passende psychische Eigenkomplexität repräsentiert, um so Sinnbildungsprozesse beim psychischen System »Kind« zu generieren, dass diese einen kommunikativen Anschluss anregen, der sich an der intendierten Fragestellung orientiert. So schreiben Lange und Mierendorff: »Daher müsse das explizite Reflektieren dazu führen, dass es einen Kontakt gibt, der die Interviewsituation als aktive Ko-Konstruktion von Bedeutung durch Interviewenden und Kind markiert. Diese Reflexivität ist notwendig, um einen angemessenen kognitiven Rahmen für das Gespräch beim Kind

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aktivieren zu können« (Lange, Mierendorff 2009, 198). Aus systemtheoretischer Sicht ist die Zuschreibung auf Eigenkomplexität in der Interviewsituation grundlegend für die Möglichkeit, Äußerungen zu produzieren, die im Rahmen der Fragestellung von Interesse sind. In Kapitel 4.1 wird auf diesen Aspekt differenzierter eingegangen und das für den Prozess der Datenerhebung als notwendig erachtete Angebot an repräsentierter Eigenkomplexität vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Bereich der empirischen Forschung analysiert und im Erhebungsverfahren zu berücksichtigen versucht.30 Zum zweiten Bereich: Wie bereits dargestellt, geht es in dieser Arbeit darum, die Äußerungen der Kinder in Bezug auf andere Kinder als Mitteilungshandelnde zu beobachten und zu interpretieren. Es geht um die hier beobachtbaren Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse. Da an dieser Stelle umfangreichere Ausführungen für erforderlich gehalten werden, um die relevanten Aspekte zu thematisieren, ist diesen Auseinandersetzungen, wie bereits erwähnt, das Kapitel 3.3 gewidmet. Bevor dieses dargelegt wird, sollen zunächst noch ergänzende und kritische Überlegungen in der Verbindung zwischen der Systemtheorie und Empirie angeführt werden.

3.2.3 Kritische Würdigung empirischer und systemtheoretischer Komplexität Trotz der vorausgegangenen Ausführungen wird der Versuch, sich mit systemtheoretischen Überlegungen an ein empirisches Forschungsvorhaben zu richten, als riskant eingeschätzt. »Die Vielfalt der inklusionsfördernden und -hemmenden Faktoren, die unermessliche Varianz der Wechselwirkungen und die Bandbreite der Systemreferenzen deuten auf die Komplexität solcher Forschungsvorhaben hin« (Hafen 2011a, 88). Zum einen erscheint als Herausforderung der Hinweis von Luhmann, dass »[…] der Sinngebrauch in sozialen Systemen immer auch Verweisungen auf Unbekanntes, auf Ausgeschlossenes, auf Unbestimmbares, auf Informationsmängel und auf eigenes Nichtwissen mitführt« (Luhmann 1997, 38). Luhmann stellt in Frage, wie man einer sozialen Welt gerecht werden kann, wenn man sich nur auf die gebrauchten Sinnformen bezieht, jedoch nicht berücksichtigt, was im Moment ihres Gebrauchs ausgeschlossen wird; wenn also unberücksichtigt und unbeobachtet (da un-beobachtbar) bleibt, dass diese soziale Welt auch über das entsteht, was ausgeschlossen wird (vgl. ebd.). So weist er darauf hin: »Sie beruht auf der Form des Wissens, die immer zugleich eine andere Seite des noch nicht Gewußten mitlaufen läßt« (Luhmann 1997, 40). Zum anderen, so Luhmann, beziehe sich die Forschung nur auf Kommuniziertes, obwohl die Kommunikation typischerweise ihren Anlass im 30 | Orientiert an der Fragestellung, in der es nicht um eine methodologische Auseinandersetzung über Datenerhebungen geht, wird sich in der Auswertung der Daten jedoch aufgrund der damit verbundenen Komplexität nur der zweiten Unterscheidungsleistung zugewandt. So geht es an dieser Stelle also nicht darum, wissenschaftlich zu betrachten und zu bewerten, wie im Forschungsprozess relevante Daten im Kontext der Fragestellung zu erheben sind. Dieses erfolgt nur in dem für eine qualitative Erhebung erforderlichen Umfang (vgl. Kapitel 4.1.3, insbesondere Kapitel 4.1.3.1 und 4.1.3.3). Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass sich hier weitere wissenschaftlich relevante Forschungsarbeit anschließen lässt.

3.  Methodologische Überlegungen

Nichtwissen findet (vgl. Luhmann 1997, 39). An das Forschungsvorhaben stellt sich die Frage, wie diese gewaltigen Überschüsse des Möglichen als »unmarked space« (ebd.) berücksichtigt werden können (vgl. Kapitel 2.3). Luhmann rät »[…] das immer mitzuerheben, was nicht gesagt wird, wenn etwas gesagt wird; denn im sozialen Verkehr werden die Reaktionen sehr häufig durch eine Mitreflexion des Nichtgesagten bestimmt sein« (Luhmann 1997, 38). So verweisen beispielsweise fehlende kommunikative Anschlüsse innerhalb bestimmter Themen möglicherweise auf unbestimmte oder auch bestimmte Exklusion. Inwiefern das Nichtgesagte innerhalb der Auswertung berücksichtigt werden kann, wird in Kapitel 3.3 thematisiert. Darüber hinaus problematisiert Nassehi, dass eine Zurechnung von Kommunikation auf kommunizierende Individuen »[…] womöglich zu kurz greift, weil dann die Rekursivität und eigenlogische Dynamik des Sozialen in Differenz zum Psychischen aus dem Blick gerät« (Nassehi 1997, 158). Dieser Aspekt wird ebenfalls in Kapitel 3.3 aufgegriffen, in dem Deutungsmöglichkeiten auf psychische und soziale Differenzierungsleistungen thematisiert werden. Ergänzend wurde über die vorangegangenen Ausführungen deutlich (vgl. Kapitel 3.2.2), dass selbst der hier beabsichtigte Beobachtungsfokus auf die sich an Kindern ausflaggenden sozialen Anschlüsse nur als wissenschaftlicher Anschluss und damit in dem dort spezifizierten Sinnkontext beobachtbar ist. Darüber wird erkennbar, dass für die intendierte Verbindung zwischen Systemtheorie und heilpädagogischer Praxis erhebliche Simplifizierungen unumgänglich sind. Entsprechend muss problematisiert werden, dass das vorgeschlagene Vorgehen sich damit auf eine starke Vereinfachung autopoietischen Operierens bezieht. In Kapitel 6 wird bewertet, ob, und wenn ja, inwiefern sich der hier eingeschlagene Weg für die Fragestellung dennoch als fruchtbar erweisen kann. Starke Vereinfachungen, also Reduktion von empirischer Komplexität, verführen dazu, Prozesse zu ontologisieren und die hin-beobachteten Sinnverweise als Wahrheiten festzuschreiben. Der Bezug auf die eingeführte wissenschaftliche Beobachtungsperspektive soll für den begrenzten Geltungsbereich der hier entwickelten Überlegungen sensibilisieren und dadurch einer Festschreibung der Deutungsversuche in diesem Sinne entgegenwirken. Um die als wertvoll eingeschätzten Überlegungen der Systemtheorie mit ihren differenzierten Beobachtungsmöglichkeiten jedoch für die heilpädagogische Arbeit nutzbar machen zu können, wird trotz der aufgeführten Gefahren und Einschränkungen der riskante Versuch ihrer Verbindung mit empirischen Daten im Rahmen dieser Arbeit gewagt. Intendiert sind Irritationen, die über das Forschungsdesign bezogen auf die Fragestellung ermöglicht werden und die bisherigen Beobachtungsperspektiven der Forschenden und der Leser_innen so irritieren, dass es zu Überraschungen im Kontext von Sinnbildungsprozessen kommt und gewohnte (Denk)Pfade »verstört« werden (vgl. Kapitel 3.1.2).31 Dabei wird nicht erwartet, zu einer Wahrheit zu gelangen oder zu Erklärungsversuchen, die über den hier aufgespannten Deutungshorizont hinaus Gültigkeit erlangen (vgl. Kapitel 3.2.2). Unter anderen Beobachtungs31 | Entsprechend ist nicht beabsichtigt, dieses festzuschreiben, sondern Differenzbildungen, auf die sich durch die Beobachtung der kindlichen Äußerungen hin-deuten lässt, in pädagogische Diskurse einfließen zu lassen, zu denen sie in dieser Form bisher noch keinen Zugang fanden.

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perspektiven könnte Anderes hervorgebracht werden.32 Der hier aufgespannte (wissenschaftliche) Sinnhorizont ist der an dieser Stelle für relevant erachtete. Er wird als Angebot verstanden, das zu weiteren Gegenbeobachtungen einladen soll (vgl. Baecker 2012, 181).33 Die Leser_innen wiederum werden entsprechend gebeten, dieses Angebot nachzuvollziehen und über andere Beobachtungsperspektiven ggf. unter Zuhilfenahme anderer Theorien zu ergänzen.34 Im folgenden Kapitel wird, im Sinne einer weiteren Differenzierung des forschungsmethodischen Vorgehens, dargelegt, worauf aus systemtheoretischer Sicht im Rahmen dieser Arbeit hin-beobachtet werden kann.

3.3 Theore tische Ü berlegungen

zum forschungsme thodischen

V orgehen

»Systemtheorie fragt als Erkenntnistheorie nicht nach dem Objekt des Erkennens, (›was erkenne ich?‹), sondern als Beobachtung zweiter Ordnung thematisiert sie das Phänomen des Erkennens selbst; das erkenntnisleitende Interesse ist deshalb die Frage ›wie erkenne ich?‹.« Wansing 2005, 22

Als dritte Ausrichtung der methodologischen Überlegungen wird innerhalb dieses Kapitels erläutert, warum sich als Form der Datenerhebung, wie in der Einleitung bereits vorgestellt, das Interview theoretisch betrachtet als kompatibel erweist und worauf darüber, im Sinne hin-beobachtbarer Differenzbildungen, in der Auswertung der Daten, aus systemtheoretischer Perspektive hin-gedeutet werden kann. Für diesen Diskurs erfolgt zunächst ein Bezug auf die Fragestellung und eine Erweiterung ihrer Ausrichtung. Ausrichtung der Fragestellung im Kontext des forschungsmethodischen Vorgehens In Kapitel 2.7 wurde zusammengefasst, dass es im Rahmen der Fragestellung darum geht, Differenzbildungsprozesse zu analysieren, die auf Anschlussprozesse (Inklusion) bzw. Nicht-Anschlussprozesse (Exklusion) hindeuten. In der Interaktion, der Systemebene, um die es in dieser Arbeit geht, wurde im Kontext von Inklusion und Exklusion die Bedeutung des Bezugs auf den Körper und damit des Bezugs auf den Menschen als Mitteilungshandelnden dargelegt (vgl. Kapitel  2.3, 32 | Deshalb ist die Frage nach dem richtigen Vorgehen als unbeantwortbar zu beschreiben, jedoch in Bezug auf die Fragestellung das hier vorgestellte Vorgehen im Kontext des Forschungsdesigns als ein mögliches Angebot zu begreifen. 33 | Entsprechend regt Wansing an: »Systemtheorie ist demnach eine Beobachtung unter vielen möglichen und erzeugt eine epistemologische Realität, die man durch die Brille anderer Erkenntnistheorien auch ganz anders beobachten könnte« (Wansing 2005, 22). 34 | So schreibt vergleichsweise Mayring, dass es trotz aller Bemühungen um Korrektheit und Einfühlung fraglich ist, ob es gelingt, dem Forschungsgegenstand wirklich gerecht zu werden. »[…] der ›Schluss vom Material auf soziale Realität‹ (Mayring 1995, 188) – bleibt offen« (Mayring, Gahleitner 2010, 303).

3.  Methodologische Überlegungen

2.4 und 2.6.1). So ist für den hier intendierten Beobachtungsfokus entscheidend, inwiefern kommunikative Systeme »[…] die Eigendynamik von Menschen in körperlicher und mentaler Hinsicht (Bewußtsein mitmeinend) in Rechnung stellen« (Luhmann 2008, 51), als Voraussetzung dafür, sie als Mitteilungshandelnde zu erkennen und sich ihnen kommunikativ zuzuwenden bzw. dies nicht zu tun (vgl. notwendige Voraussetzung für Interpenetrationprozesse in den Kapiteln 2.5.1 und 2.5.2). Da der Mensch systemtheoretisch keine Analyseeinheit ist (vgl. Berghaus 2003, 33), werden hier soziale Adressen (vgl. Kapitel 2.4) funktional, die über Inklusion und Exklusion kommunikativ hergestellt werden (vgl. Kapitel 2.6). Rollen und Personen wurden systemtheoretisch als soziale Adressen eingeführt, über die in der Interaktion in Bezug auf Körper Mitteilungshandelnde konstruiert werden. So ist für die Erarbeitung des Forschungsdesigns zentral, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, worüber Rollen- und Personenzuschreibungen bzw. -bildungen wissenschaftlich hin-beobachtbar sind. Die wissenschaftliche Beobachtungsperspektive (s. u.) richtet sich folgerichtig danach aus, »[…] wie Personen innerhalb sozialer Prozesse erzeugt werden und wie sich in Personen und ihren sozialen Präsentationsformen soziale Strukturen im Sinne von Erwartungen niederschlagen« (Nassehi 1997, 160).35 So geht es aus theoretischer Perspektive darum: Was imponiert der Kommunikation so, dass eine soziale Adressenbildung erfolgt, der sich sozial zugewandt oder der sich nicht zugewandt wird, an die angeschlossen bzw. nicht angeschlossen wird. Es geht also um die Erarbeitung eines Forschungsdesigns, über das beobachtbar wird, inwiefern Kinder für andere Kinder als Mitteilungshandelnde relevant werden (vgl. Kapitel 2.7, Fragestellung der Arbeit). Vor diesem Hintergrund interessieren Differenzierungsprozesse sozialer und psychischer Operationen, da beide für den Sinnbezug des jeweils anderen Systems höchst relevant sind und damit für diese Fragestellung als zentral bewertet werden (vgl. Kapitel 2.2.3 und 2.2.4). Relevanz des Interpenetrationsverhältnisses psychischer und sozialer Systeme im Kontext des forschungsmethodischen Vorgehens In Kapitel 2.5.1 wurde Interpenetration als das wechselseitige Zur-Verfügung-Stellen der Eigenkomplexität des einen Sinnsystems für das andere vorgestellt. Sinn wurde dabei als verbindendes Medium eingeführt, in dem beide Systeme operieren. Das soziale System wurde als sinnverteilend, das psychische System als sinndeutend bzw. sinnbildend dargestellt (vgl. Kapitel  2.2.3 und 2.2.4). Es wurde erläutert, dass beide Systeme sich gegenseitig ihre Operationsform als Umwelt zur Verfügung stellen und damit ihr Operieren ermöglichen. Das psychische System ermöglicht dem sozialen System den Anschluss an Sinn, indem es ihm seine Eigenkomplexität, die Sinndeutung, als Umwelt bereitstellt (vgl. Kapitel  2.2.3). Es generiert über seine Operationen das Medium Sinn und bietet der Kommunikation diese als Optionen an, die sie verteilen kann. Das psychische System ist für Kommunikation »[…] eine ständige Quelle von Anlässen für die eine oder andere Wendung des kommunikationseigenen operativen Verlaufs« (Luhmann 2001, 122). Diese Umwelt kann jedoch den Sinnbezug sozialer Systeme »[…] nur mit einem 35 | Da hier beide Formen sozialer Adressen bedeutsam werden, sind an dieser Stelle Rollen entsprechend mit gemeint.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

sehr schmalen Ausschnitt ihrer Möglichkeiten effektiv reizen und dadurch beeinflussen« (Luhmann 2001, 123). So kann gesagt werden, dass die Operationen des sozialen Systems nicht durch das psychische System determiniert werden, jedoch bestimmt das psychische System, mit welcher Sinnkonfiguration das soziale System konfrontiert wird. Denn: »Kommunikationssysteme können sich überhaupt nur durch Bewußtseinssysteme reizen lassen […]« (ebd.). Das soziale System wiederum markiert durch seine Operationen Sinn und damit Relevanzen, indem es kommunikativ dem psychischen System Sinn-Angebote unterbreitet, es kommunikativ »umspült« (vgl. Fuchs 1995, 146) (vgl. Kapitel 2.2.4), worauf wiederum psychisch Bezug genommen werden kann: »Jede einzelne Kommunikation reduziert dadurch, daß sie Bestimmtes sagt, den Bereich der Anschlussmöglichkeiten […]« (Luhmann 2001, 116), legt die Anschlussmöglichkeiten jedoch nicht fest. So verteilt oder negiert das soziale System psychische Sinnverweise über seine Operationen und wirkt dadurch auf Sinnbildungsprozesse ein. »[…] Bewußtseinssysteme achten in hohem Maße präferentiell auf das, was in der extrem auffälligen Weise von Sprache kommuniziert wird« (vgl. Luhmann 2001, 123). Auch hier wird eine mögliche Auswahl des Sinnbezugs (an dieser Stelle durch das soziale Operieren) vorgegeben, von der sich das psychische System anregen lassen kann, jedoch ist auch das psychische System darüber in seinen Operationen nicht bestimmbar (ebenso wenig wie das soziale System über psychische Operationen) und der psychische Anschluss nicht festzulegen. Jedes System bildet, in Form eigener Unterscheidungsleistungen, seine eigene Strukturalität heraus, ist operational geschlossen und behält somit die Autonomie seiner autopoietischen Operationen (vgl. Kapitel 2.2). Indem beide Systeme im Medium Sinn mit verfügbarem Verweisungsüberschuss operieren, wenn auch in der ihnen jeweils eigenen operativen Weise, können sie sich trotz ihrer operationalen Geschlossenheit gegenseitig irritieren oder auch in relevanter Dimension anregen. Jedem System ist dabei durch seine ihm eigene Operationsform ein großes Spektrum möglicher Anschlusskausalitäten gegeben, welche für das jeweils andere System unerkennbar bleiben (vgl. Luhmann 2001, 116). Dennoch: Beide Systeme irritieren einander in »existentieller« Form, stellen einander die jeweils notwendige Umwelt dar, um zu operieren, und sind strukturell aneinander gekoppelt (vgl. Kapitel 2.2). Insofern sind die Operationen beider Systeme für die Fragestellung relevant und für die Auswahl der Erhebungsmethode zu berücksichtigen. Der wechselseitige Anschluss der Sinnsysteme aneinander und ihre Koppelung in der Sinnfigur werden über die umseitige Grafik 1 / 3.3 noch einmal dargestellt (vgl. Grafik 1 / 3.3). Anschluss an Mitteilungshandelnde sozial und psychisch In Kapitel 2.2.4 wurde deutlich: Soziale Systeme zeigen kommunikative Relevanz durch ihren Anschluss an Kommunikation an. Der soziale Anschluss kreiert damit Mitteilungshandelnde. »Erst der ereignishafte Anschluß, in der Luhmannschen Diktion die Verstehenskomponente der Kommunikation (nicht: der beteiligten Bewußtseine), macht den sozialen Sinn der Kommunikation aus […]« (Nassehi 2008, 89). Der soziale Anschluss flaggt sich im Umweltkontakt aus, in der Interaktion an Mitteilungshandenden (vgl. Kapitel 2.4). Hier ist auf ihn als sozial relevanter Sinnbezug hin-deutbar (Inklusion) bzw. über den sozialen Nicht-Anschluss auf einen nicht relevanten Sinnbezug (Exklusion). Wird der Sinnbezug sozial als problemwirksam

3.  Methodologische Überlegungen

Grafik 1 / 3 .3: Koppelung psychischer und sozialer Systeme in der Sinnfigur

markiert, ist auf bestimmte Exklusion hin-deutbar (vgl. Kapitel 2.6.2). In der Interaktion kann entsprechend ausgehend von der Beobachtung des kommunikativen Anschlusses auf die Relevanz von Kindern als Mitteilungshandelnde hin-gedeutet werden. Psychische Systeme schließen über das Prozessieren von Aufmerksamkeit an. So werden Kinder psychisch im Kontext von Inklusion als Mitteilungshandelnde wahrgenommen bzw. im Kontext von Exklusion nicht wahrgenommen, und sie werden entsprechend zum Anlass psychischer Operationen oder auch nicht. In Kapitel 2.2.4 wurde deutlich, dass Kommunikation nur beginnen und betrieben werden kann, »[…] wenn die Differenz von Mitteilung und Information auch psychisch beobachtet und deswegen verstanden werden kann« (Fuchs 2002, 5). Entsprechend verweist Terfloth darauf, dass es auf die psychisch empfundene Qualität des Kontaktes ankommt (vgl. Terfloth 2010, 55). Es wurde dargestellt, dass das soziale System für sein Operieren mindestens zwei (hin-beobachtete) Bewusstseinssysteme benötigt. Grafik 2 / 3.3 veranschaulicht die vorausgegangenen Überlegungen. Grafik 2 / 3 .3: Mitteilungshandelnde im Kontext sozialer und psychischer Operationen

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Wie bereits thematisiert, sind psychische Operationen jedoch nicht beobachtbar und damit empirisch nicht zu verwerten. Das psychische System nimmt wahr, generiert Sinn und damit auch Kinder als Mitteilungshandelnde, aber dieser Anschluss bleibt innerhalb des Systems und ist nicht außerhalb seines Systems und damit nicht für die Umwelt beobachtbar. Nur der kommunikative Anschluss, als ereignishafter Anschluss des sozialen Systems, ist hin-beobachtbar, als eine sich ausflaggende soziale Operation. Dennoch können psychische Sinnverweise in den wissenschaftlichen Fokus gelangen. Denn: Über den kommunikativen Anschluss lässt sich zum einen auf die dritte Selektionsleistung des sozialen Systems hin-deuten: das Verstehen als sinnhaften sozialen Anschluss. Zum anderen lässt sich über den kommunikativen Anschluss auf mögliche kommunikativ relevant gewordene Sinnverweise der beteiligten psychischen Systeme deuten. Dazu genauer: Wissenschaftliches Hin-Deuten auf soziale und psychische Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen Wenn Kommunikation nur in Gang kommen und betrieben werden kann, wenn die Differenz von Mitteilung und Verstehen auch psychisch beobachtet und deswegen verstanden werden kann (vgl. Kapitel  2.2.4), ist für den kommunikativen Anschluss auch der psychische Anschluss zentral und damit ein Deuten auf diesen psychischen Anschluss über die hin-beobachtete Kommunikation möglich, auch wenn dieser hin-beobachtete psychische Anschluss nur eine Auswahl des sozialen Anschlusses von auch anders möglichen Anschlüssen an psychische Irritationen darstellt und sich nur als kommunikativer Anschlussprozess an die Umwelt in ausgeflaggter Form an Mitteilungshandelnden beobachten lässt. Über den kommunikativen Anschluss wird demnach auch ein psychischer Anschluss als eine von auch anders möglichen Auswahloptionen hin-deutbar als ein sinnhafter Anschluss, auf den sozial Bezug genommen wird. Das bedeutet nicht, dass damit psychisches Operieren auf einmal einsichtig werden würde und an dieser Stelle seine operationale Geschlossenheit verlöre. Über den kommunikativen Anschluss werden lediglich psychische Sinnverweise hin-beobachtbar, auf die in der Auswertung der Daten vor dem Horizont der Fragestellung dann hin-gedeutet werden kann. So geht es hier darum, danach zu fragen, vor welchem Hintergrund es zu diesem kommunikativen Anschluss gekommen ist. »Systemtheorie fragt nicht nach der ontologischen Existenz eines Subjekts, sondern danach, wie die Vorstellung einer solchen entstehen kann« (Terfloth 2006, 128). Davon ausgehend scheint es sinnvoll, dass im Rahmen dieser Arbeit nicht nur auf soziale Operationen hin-beobachtet wird und diese wissenschaftlich bewertet werden (z. B. über Beobachtungen kommunikativer Anschlüsse von Kindern an andere Kinder), sondern auch nach relevanten Sinngenerierungsprozessen zu suchen. Demzufolge ist bedeutsam, neben der Beobachtung des kommunikativen Anschlusses bzw. über diesen auch nach der das soziale System penetrierenden psychischen Operation und ihrem Sinnprozessieren zu fragen, also nach dem, was an Sinngenerierung über psychische Irritationen in der Umwelt des sozialen Systems so imponiert, dass es als Irritation dem kommunikativen Anschlusses dient. Um an dieser Stelle Beobachtbares erheben zu können, wird es als wesentlich erachtet, dass darauf hin-beobachtet wird, von welchen Gestimmtheiten / Wahrnehmungen oder Gedanken ausgehend Kommunikation so angeregt wird, dass eine soziale Adressenbildung erfolgt, die Mitteilungshandelnde bestimmt, an die kommunikativ

3.  Methodologische Überlegungen

angeschlossen wird bzw. wann dieses nicht erfolgt bzw. sich abgewandt wird. Es geht also (auch) darum, mehr darüber zu erfahren, welche psychischen Irritationen, welche Sinngenerierungen für soziale Anschlussprozesse bzw. Nicht-Anschlussprozesse ausschlaggebend sind. Welche externen Anlässe werden für diese funktional (vgl. Luhmann 2002b, 46)? Welche psychische Irritation oder auch Strukturalität »triggert«36 inklusive Prozesse, welche exklusive Prozesse im Sinne des kommunikativen Anschlusses bzw. Nicht-Anschlusses (vgl. Fuchs 2012c, 6)? So geht es in der wissenschaftlichen Beobachtung des psychischen Anschlusses darum, welche Wahrnehmungen und Gedanken zu welcher kommunikativen Ausrichtung geführt haben. Folgende Grafik veranschaulicht die Ausrichtung der wissenschaftlichen Beobachtung vor dem Hintergrund der wechselseitig zur Verfügung gestellten Komplexität psychischer und sozialer Systeme (vgl. Grafik 3 / 3.3): Grafik 3 / 3 .3: Fragestellungen im Rahmen der wissenschaftlichen Beobachtung in Bezug auf soziale und psychische Anschlussund Nicht-Anschlussoptionen

Um die oben problematisierten Differenzen unterschiedlich psychisch und sozial anschließender Systeme reduzieren zu können, erscheint ein Erhebungsverfahren sinnvoll, welches ermöglicht, auf Anschlüsse beider Systeme hin-beobachten zu können: Das Interview. Das Interview als Erhebungsmethode vor dem Hintergrund der Deutung auf psychische und soziale Anschlussoptionen Das Interview, wie es im Rahmen dieser Erhebung gestaltet wird (vgl. Kapitel 4.1.1.3 und 4.1.3.2), regt als Umweltangebot einen sinnhaften kommunikativen Anschluss an, der sich an der Fragestellung der Arbeit ausrichtet. Über die Beobachtung der kommunikativen Anschlüsse der Kinder, die sich innerhalb der Interviews emergieren, werden Deutungsmöglichkeiten für die wissenschaftliche Beobachtungsposition erwartet, vor welchem Sinnhorizont kindliche Kommunikation an andere Kinder anschließt. Die wissenschaftliche Beobachtungsposition lässt sich dabei durch die folgende Konkretisierung der Fragestellung präzisieren:37 Aus welcher kommunikativen Ereignishaftigkeit (vgl. Nassehi 1997, 150) heraus (als die Deutung 36 | Triggern ist hier im Sinne von anregen oder begünstigen zu verstehen und verweist auf die Unmöglichkeit der Durchgriffskausalität (vgl. Fuchs 2012c, 6). 37 | An dieser Stelle konkretisieren sich die beobachtungsleitenden Fragen aus Kapitel 2.7 und werden methodologisch eingebunden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

auf einen sozialen Anschluss) werden Kinder als Mitteilende phänomenologisiert (als die Deutung auf einen psychischen Anschluss) und damit als solche adressiert (als die sich dadurch bildende Zuschreibung oder auch Konstruktion sozialer Adressen), die etwas zu sagen haben, denen ausreichend passende Eigenkomplexität zugeschrieben wird? Beziehungsweise im Kontext von Exklusion: Aus welcher kommunikativen Ereignishaftigkeit heraus ist dieses nicht hin-beobachtbar bzw. lässt sich auf eine Problemkonstruktion, bestimmte Exklusion oder einen Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion hin-deuten? Diese Möglichkeit stellt eine Erweiterung der wissenschaftlichen Beobachtungsoptionen und damit der Deutungsoptionen auf Sinnverweise dar, da nicht nur der kommunikative Anschluss in Bezug auf seine sinnbezogenen Anschlüsse hin-beobachtbar ist (wie beispielsweise innerhalb einer beobachteten Interaktionssituation von Kindern), sondern auch ein (möglicher) die Kommunikation irritierender psychischer Sinnbezug. Bei anderen Erhebungsverfahren wird das nicht in diesem Umfang gesehen, da über das Interview der Auswahlhorizont, vor dem angeschlossen bzw. nicht angeschlossen wird, (anteilig) mit thematisiert wird. Die Notwendigkeit, die wissenschaftlich beobachteten Sinnbezüge dennoch wiederum durch andere Beobachtungsperspektiven gegenzubeobachten, wurde dargestellt. Als starke Einschränkung wird dabei gesehen, dass die Kommunikation über die Kommunikation nicht die Kommunikation selbst abbildet. Das heißt, das, was hier wissenschaftlich hin-beobachtet wird, kann nicht als das interpretiert werden, was sich im Interaktionssystem »zwischen den Kindern« wirklich ereignet. An anderer Stelle wurde jedoch schon darauf hingewiesen, dass die operationale Geschlossenheit autopoietischer Systeme diese Möglichkeit auch aus anderen Perspektiven nicht erlaubt (vgl. beispielsweise Kapitel 3.2.1). Mit Hilfe einer letzten Unterscheidung zwischen operativem und beobachtendem Verstehen wird dieses Problem aufgegriffen und die hier dargestellte Möglichkeit der Beobachtung von kommunikativen Anschlüssen begrifflich differenziert. Zudem werden die damit einhergehenden besonderen Ansprüche verdeutlicht. Operatives und beobachtendes Verstehen als Differenzierungs­ möglichkeit im Kontext wissenschaftlichen Beobachtens Nassehi unterscheidet zwischen operativem und beobachtendem Verstehen (vgl. Nassehi 1997, 150) Er stellt dar: Das operative Verstehen beschreibt die operative Anschlussbedingung als basale Selbstreferenz sozialer Systeme, als Differenz zwischen Information und Mitteilung (vgl. Nassehi 1997, 141). Das beobachtende Verstehen stellt nach Nassehi zum einen eine eigene System / Umwelt-Differenz her (vgl. Nassehi 1997, 142). Zum anderen beobachtet es darüber hinaus die Beobachtung der System / Umwelt-Differenz eines anderen Systems (vgl. ebd.).38 Dadurch leistet es eine besonders anspruchsvolle Art der Beobachtung (vgl. Nassehi 1997, 141), die Nassehi als doppeltes re-entry beschreibt, da das beobachtende Verstehen sich sowohl auf die eigene System / Umwelt-Differenz als auch auf die System / Umwelt-Differenz als Gegenbeobachtung des operativen Verstehens eines anderen 38 | Das beobachtende Verstehen soll dabei nicht dahingehend missverstanden werden, dass es die »fremde« System /  U mwelt-Differenz in die eigene Unterscheidungsleistung einfügt (vgl. Nassehi 1997, 142). »Wie jede andere Beobachtung ist selbstverständlich auch das verstehende Beobachten ein unaufhebbar systemrelativer Vorgang« (ebd.).

3.  Methodologische Überlegungen

Systems bezieht (vgl. Nassehi 1997, 142). Indem es diese andere System / UmweltDifferenz beobachtet und mit dem eigenen Beobachtungsstandpunkt in Beziehung setzt bzw. von diesem unterscheidet, begibt es sich auf die Beobachtungsebene zweiter Ordnung, die Beobachtung von Beobachtungen. Das beobachtende Verstehen setzt insofern eine Reflexivität von System / Umwelt-Unterscheidungen voraus (vgl. ebd.).39 »Der Zusammenhang der beiden Gesichtspunkte operativen und beobachtenden Verstehens besteht darin, daß das beobachtende Verstehen die operativen Verstehensakte des Textes selbst beobachtet. Das beobachtende Verstehen beobachtet, wie ein Text sich durch operative Verstehensakte entfaltet und so Strukturen und Prozesse seiner selbst erzeugt. Es geht dabei um den Aspekt der Selbstreferenz des Textes, d. h. derjenigen Strukturen, die der Text als zeitlich geordnetes Geflecht sinnhafter Verweisungen ausbildet« (Nassehi 1997, 151).40 Übertragen auf diese Arbeit ermöglicht die Ebene des beobachtenden Verstehens, die Selektionsprozesse eines Textes (»fremde« System / Umwelt-Unterscheidung, in dieser Arbeit differenziert in Form von Sinnverweisen, die Äußerungen von Kindern zugeschrieben werden) vor dem Hintergrund einer Fragestellung (»eigene« System / Umwelt-Unterscheidung der wissenschaftlichen Beobachtung, in dieser Arbeit durch den über die Fragestellung konstruierten Sinnbezug) zu beobachten. Das beobachtende Verstehen ermöglicht damit Interpretationsversuche auf psychische und soziale Unterscheidungsleistungen in der hier intendierten Form unter Bezugnahme auf systemtheoretische Überlegungen (vgl. Nassehi 1997, 141). Orientiert am Begriff des beobachtenden Verstehens soll in Verbindung mit dem in Kapitel 3.2.2 eingeführten Begriff des wissenschaftlichen Beobachtens in dieser Arbeit orientiert an Nassehi (vgl. ebd., 152) als wissenschaftliches Verstehen bezeichnet werden, was innerhalb des aufgespannten wissenschaftlichen Sinnbezuges (vgl. Fragestellung Kapitel 2.7) als Anschluss an die wissenschaftliche Beobachtungsperspektive (vgl. Kapitel 3.2.2) über die Auswertungsschritte interpretiert wird (vgl. Kapitel  5).41 Das heißt, in der Unterscheidung zwischen den kommunikativen Anschlüssen der Kinder an die Interviewfragen (operatives Verstehen) und den Anschlüssen in Bezug auf die Fragestellung (beobachtendes Verstehen) 39 | Dabei geht Nassehi nicht davon aus, dass es ein systemspezifisches Privileg für Verstehen gibt (vgl. ebd.). »Sowohl psychische als auch soziale Systeme können verstehen, und zwar jeweils psychische und soziale Systeme« (Nassehi 1997, 142-143). Ebenso geht er davon aus, dass beide Sinnsysteme in der Lage sind, die hier beschriebene Form des beobachtenden Verstehens auszuführen (vgl. Nassehi 1997, 141). 40 | Dabei weist auch Nassehi darauf hin, dass auch das beobachtende Verstehen ein systemrelativer Vorgang ist: »Freilich wird nicht die fremde System / U mwelt-Differenz in das verstehende System eingeführt, was ja eine Operation des Systems in seiner Umwelt bedeuten würde« (Nassehi 1997, 142). 41 | Nassehi beschreibt, dass beim wissenschaftlichen Verstehen nicht nur »fremde« Beobachtungen neben »eigenen« System / U mwelt-Unterscheidungen berücksichtigt werden, sondern eine reflexive Einstellung zum eigenen Verstehensprozess hergestellt wird (vgl. Nassehi 1997, 143). In den Kapiteln 6 und 7, in denen die in diesem Forschungsdesign vorgeschlagenen Unterscheidungsoptionen wiederum gegenbeobachtet werden, wird diese Ebene eingenommen. Als wissenschaftliches Verstehen wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch auch der oben beschriebene Anschluss bezeichnet.

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werden Differenzbildungen bezeichnet (oder auch generiert), als wissenschaftliches Verstehen. Über das wissenschaftliche Verstehen werden somit Interpretationsvorschläge hinsichtlich sozialen und psychischen Operierens in Bezug auf die Fragestellung möglich.42 Das wissenschaftliche Verstehen, als hin-beobachtbarer Anschluss an wissenschaftlich konstruierten Sinn, stellt damit eine Verbindung zwischen empirischem Material, theoretischem Bezug und der Fragestellung der Arbeit her. Abschließend sollen diese Beobachtungsebenen als Schritte im Auswertungsverfahren im Überblick grafisch dargestellt werden (vgl. Grafi k 4 / 3.3): Grafik 4 / 3.3: Schritte im Prozess des wissenschaftlichen Beobachtens

In der konkreten Erarbeitung der Auswertungsmethode wird diese Beobachtungsstruktur wieder aufgegriffen und in Form von Auswertungsschritten umgesetzt (vgl. Kapitel  4.2). Im Übergang zum forschungsmethodischen Vorgehen werden jedoch zunächst im folgenden Kapitel Beobachtungen aus der Beobachtungsposition der empirischen Forschung dargelegt und das konkrete Erhebungsverfahren dieser Arbeit entwickelt (vgl. Kapitel 4.1). Was weitestgehend unberücksichtigt bleiben muss, ist das Nichtgesagte, soweit es nicht wissenschaftlich als nonverbale Äußerung verstanden und entsprechend markiert wird. Insofern kann dem Vorschlag Luhmanns hier nicht entsprochen werden, zu berücksichtigen, dass der soziale Anschluss häufig durch die Mitreflexion des Nichtgesagten bestimmt ist (vgl. Kapitel 3.2.3). Für dessen Berücksichtigung werden weitere methodologische Überlegungen für erforderlich gehalten. So bleibt an dieser Stelle nur, das Beobachtete, auf das wissenschaftlich gedeutet wird, in Bezug auf seine Ausrichtung hin zu bewerten.

42 | So lässt sich hier auch auf einen eigenen wissenschaftlichen Sinngenerierungsprozess deuten.

4. Forschungsmethodisches Vorgehen

»[…] wenn man wissen will, welche Relevanz für welches System, muß man das soziale System beobachten und nicht den Lebensvollzug oder die Bewußtseinsereignisse als solche.« L uhmann 2008, 30

Dieses Kapitel dient dem Zweck, ein konkretes Forschungsdesign zu entwickeln, das zu Daten führt, die im Rahmen der hier fokussierten Fragestellung relevante und verantwortbare Ergebnisse ermöglichen und die mit den in Kapitel  3 dargestellten theoretischen Ausführungen kompatibel sind. Dafür wird an dieser Stelle der Versuch unternommen, Methoden der empirischen Sozialforschung mit systemtheoretischen Überlegungen zu verbinden. So werden die Leser_innen eingeladen, zwischen den unterschiedlichen theoretischen Bezügen Verbindungen aufzubauen, um das hier intendierte Forschungsvorhaben zu verfolgen. In Kapitel 3.2.2 wurden zwei Bereiche dargestellt, die als systemrelativ in der Verbindung zwischen Theorie und Empirie zu bezeichnen sind: die Kommunikation in der Erhebungssituation zwischen Interviewerin und Interviewten und die Äußerungen der Kinder über ihre Interaktion mit anderen Kindern als Material, das wissenschaftlich gedeutet werden soll. In Kapitel 4.1 geht es um die Auseinandersetzung mit der Kommunikation in der Erhebungssituation, dem ersten Bereich. Hier soll erarbeitet werden, welches Kommunikationsangebot innerhalb der Erhebungssituation »Interview« im Alter früher Kindheit und im Kontext von Behinderung erfolgen muss, damit sich dem sozialen System ausreichend psychische Eigenkomplexität repräsentiert, um einen kommunikativen Anschluss anzuregen, der wissenschaftlich in Bezug auf die Fragestellung beobachten werden kann. Eingeleitet wird dieses Kapitel durch eine Darstellung der Beobachtungen entsprechender qualitativer Forschungsvorhaben. An dieser Stelle sollen publizierte Erfahrungen mit dieser spezifischen Interaktionssituation genutzt werden. Es geht hier darum: Wie beobachtet die empirische Sozialforschung kommunikative Anschlüsse im Kontext von Forschungsvorhaben und welche Forschungsmethoden hält sie für funktional im Alter früher Kindheit und im Kontext von Behinderung? Im Sinne der systemtheoretischen Orientierung werden die dort dargestellten Positionen als mögliche Passungen gedeutet, über die soziale Anschlussoperationen innerhalb der Forschungsvorhaben aus der Beobachtung der jeweiligen Wissenschaftler_innen möglich sind. Diese Beobachtungen

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

berücksichtigend wird das Sampling bestimmt und die konkrete Erhebungsmethode entwickelt. Abschließend wird das Vorgehen ausgewertet.1 In Kapitel 4.2 geht es um den zweiten Bereich, die Auswertung der erhobenen Daten. Hier ist die Erarbeitung eines Auswertungsverfahrens, über das Äußerungen von Kindern bezogen auf die Fragestellung beobachtet und gedeutet werden können, zentral. Somit stellt sich an der Stelle die Anforderung, wie empirische Daten systemtheoretisch beobachtet und interpretiert werden können, wie die in Kapitel 3.3 erarbeitete wissenschaftliche Beobachtung konkret umzusetzen ist. Die auf dieser Grundlage generierten Ergebnisse der Erhebung werden in Kapitel 5 dargestellt und ausgewertet. Das auswertungsmethodische Vorgehen wiederum wird in Kapitel 6 bewertet. Für beide Kapitel gilt, dass das hier dargelegte Vorgehen im Forschungsprozess über Rückkopplungsschleifen gestaltet ist, die im Rahmen der Darstellung zum Zwecke der Veranschaulichung nicht transparent gemacht werden können (vgl. Flick 1995, 148).

4.1 D as E rhebungsverfahren In diesem Kapitel wird der einleitend dargestellte Diskurs über qualitative Forschung (vgl. Kapitel  1) spezifiziert. So soll an dieser Stelle der aktuelle Stand im Bereich des Forschens im Alter früher Kindheit und unter Bedingungen adressierter Behinderung dargelegt werden, sofern er für die Entwicklung des Forschungsdesigns der Arbeit von Bedeutung ist. In Kapitel 3.3 wurde sich aus systemtheoretischer Sicht mit dem Interview als Erhebungsmethode auseinandergesetzt. Hier wird geprüft, inwiefern es mit den hier fokussierten Beobachtungsperspektiven empirischer Forscher_innen kompatibel ist (vgl. Kapitel 4.1.1). Daran schließt die Vorstellung des Samplings (vgl. Kapitel 4.1.2) und die Erarbeitung der konkreten Erhebungsmethode an (vgl. Kapitel  4.1.3). Zu Gunsten einer besseren Lesbarkeit erfolgt in diesen Teilen des 4. Kapitels überwiegend eine sprachliche Anpassung entsprechend der Beobachtungsperspektive der zitierten Autor_innen an den traditionellen Beobachtungsbegriff mit seinem Bezug auf Subjekte.2 Zudem wird in Kapitel  4.1.1 Behinderung nicht durchgehend als zugeschriebenes Adressenfragment deklariert, da diese Bezeichnung in der Regel von Forscher_innen nicht gewählt wird und hier deren Formulierungen ein großes Gewicht einnehmen.3 Dies wird damit begründet, dass hier der Anschluss an die qualitative Sozialforschung gesucht wird, um den empirischen Teil der Arbeit zu legitimieren.

1 | Aufgrund der Fragestellung der Arbeit wird die Auswertung der Erhebung wie bereits dargestellt in Kapitel 4.1 integriert. 2 | In der Darstellung der Auswertungsmethode sowie innerhalb des auswertungsmethodischen Vorgehens wird die Orientierung am systemtheoretischen Beobachtungsbegriff wieder aufgenommen. 3 | In Kapitel 2.4 wurde erläutert, dass aus systemtheoretischer Sicht Behinderung nicht einer Person zuzuschreiben ist, sondern an dieser lediglich hin-beobachtet wird. Wenn hier auf adressierte Behinderung, als Kürzel (a. B.), verwiesen wird, soll damit diese Perspektive veranschaulicht werden.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

4.1.1 Der empirische Zugang Für die Darstellung der Erfahrungen der qualitativen Forschung im Bereich früher Kindheit und im Kontext adressierter Behinderung wird zunächst jeweils ein kurzer Einblick in den aktuellen Diskurs gegeben, bevor das Interview als Erhebungsmethode differenziert dargestellt wird.

4.1.1.1 Forschung im Alter früher Kindheit Orientiert an Mey kann Kindheitsforschung dem Altersbereich zwischen dem 3. und 14. Lebensjahr zugeordnet werden (vgl. Mey 2011, 3). Frühe Kindheit bezieht sich nach Schneider und Lindenberger auf das Alter zwischen dem dritten und dem sechsten Lebensjahr (vgl. Schneider, Lindenberger 2012)4 bzw. der Bereich institutioneller frühkindlicher Bildung auf den Elementarbereich (vgl. Heimlich 2013, 10). Kindheitsforschung setzt sich interdisziplinär mit sehr verschiedenen Aspekten von Kindheit und kindlicher Entwicklung über unterschiedliche Forschungsdesigns auseinander. Sie reichen von entwicklungspsychologischen, pädiatrischen und soziologischen bis hin zu erziehungswissenschaftlichen Betrachtungsweisen und sind innerhalb der einzelnen Fachgebiete theoretisch sehr unterschiedlich ausgerichtet (vgl. Heinzel 1997, 396-398; Bamler, Werner, Wustmann 2010, 32). »Die ›neue‹ sozial- und erziehungswissenschaftliche Kindheitsforschung seit Anfang der 1980er Jahre trennt bewusst zwischen ›Kind‹ und ›Kindheit‹. Wenn von der Erforschung von Kindern gesprochen wird, dann geht es um einzelne Kinder oder Gruppen von Kindern« (Heinzel 2010, 707). Wenn sich auf Kindheit bezogen wird, geht es um ein aus einer Erwachsenenperspektive soziokulturell definiertes Konstrukt, das sich bedingt durch gesellschaftliche und kulturelle Bezüge und unterschiedlich ausgerichtete Fachdiskurse fortwährend modifiziert und weiterentwickelt. Beispielhaft hierfür ist, dass in diesen Forschungszusammenhängen nicht mehr von »dem Kind« ausgegangen wird (vgl. Bamler, Werner, Wustmann 2010, 82). Im Rahmen dieser Arbeit geht es um die Erforschung kommunikativer Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse, die über Äußerungen von Kindern beobachtet werden, und nicht um Ereignisse im Kontext von Kindheit oder Kindheitsforschung (vgl. Kapitel 2.7). So wird die hier intendierte Forschung dem Bereich der Erziehungswissenschaften zugeordnet. In Bezug auf Kindheitsforschung kann u. a. auf Honig (1999), Scholz und Ruhl (2001) und Grunert und Krüger (2006) verwiesen werden. Prengel, Friebertshäuser und Langer vermerken, dass im Bereich der empirischen Forschung in den Erziehungswissenschaften »[…] eine Dominanz und Magie der großen Zahlen […]« zu beobachten ist: »[…] quantitative Forschungsvorhaben, die repräsentative Befunde und verallgemeinerbare Ergebnisse versprechen, werden vielerorts favorisiert« (Prengel, Friebertshäuser, Langer 2010, 34). Für den 4 | Schneider und Lindenberger nehmen folgende Einteilung vor, der sich in dieser Arbeit angeschlossen wird: vorgeburtliche Entwicklung und früheste Kindheit (0-2 Jahre); frühe Kindheit (3-6 Jahre); mittlere und späte Kindheit (6-11 Jahre); Jugend (12-19 Jahre) (vgl. Schneider, Lindenberger 2012). Daran anschließend erfolgen verschiedene Phasen des Erwachsenenalters. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass Kindheit nicht zu allen Zeiten und innerhalb aller Kulturen gleich konstruiert wurde und wird (vgl. beispielsweise Reich 2008; Bamler, Werner, Wustmann 2010, 12).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Bereich der frühpädagogischen Forschung fasst Cloos in Bezug auf Fried und Roux zusammen, dass dieser Forschungsbereich sich noch als Randposition abzeichnet, mit deutlich lückenhaftem Wissensstand, desolater Forschungsinfrastruktur und geringen Forschungskapazitäten (vgl. Cloos 2010, 475). Dabei sind empirische Forschungsvorhaben stark unterrepräsentiert. Erst durch »[…] die neuere Bildungsdebatte in Nachfolge der großen internationalen Leistungsvergleichsstudien, unterstützt durch den Bologna-Prozess und den Ausbau von frühpädagogischen Hochschulstudiengängen […]« (ebd.) werden vermehrt entsprechende Forschungsaktivitäten beobachtbar.5 Innerhalb dieser zeichnen sich nach Cloos angesichts des noch nicht ausgearbeiteten frühpädagogischen Forschungsprofils noch keine klaren Konturen oder allgemeine Trends ab (vgl. Cloos 2010, 476-477). Erkennbar ist dabei nach seiner Analyse, dass erst vereinzelt qualitative Forschungsansätze zu finden sind (vgl. Cloos 2010, 477). So lassen sich nur wenige Zugänge und publizierte Studien finden, die im Rahmen des hier geplanten qualitativen Forschungsvorhabens von Bedeutung sind. Zudem kann kein zusammenfassendes Bild dieses Bereichs für das Alter früher Kindheit skizziert werden.6 Jedoch wird deutlich, dass Kinder pädagogisch immer mehr als eigenständige gesellschaftliche Gruppe anerkannt (vgl. Mey 2011, 3) und als Expert_innen ihrer eigenen Lebenswelt gesehen werden (vgl. Behnken, Zinnecker 2001, 16; Lange, Mierendorf 2009, 185-186 und 191-192; Bamler, Werner, Wustmann 2010, 32). »Kindern wird zunehmend die Rolle von biographischen Akteuren oder Subjekten zuerkannt« (Behnken, Zinnecker 2001, 19). Forschungsmethodisch findet diese Perspektive in den Erziehungswissenschaften jedoch noch keine adäquate Entsprechung (vgl. Schäfer 2008; Behr 2009, 146; Cloos 2010, 477). Insgesamt ist die kindliche Perspektive in der Forschungslandschaft noch unterrepräsentiert (vgl. Kapitel 1). Besonders stark zeigt sich dieses Defizit hinsichtlich elementarpädagogischer Bildungseinrichtungen.7 In Deutschland dominieren bisher Beobachtungsverfahren innerhalb dieser Altersgruppe (vgl. Kreuzer, Ytterhus 2008).8 So gelten in der Kindheitsforschung für dieses Alter freie Beobachtungen als die Schlüsselmethode, da über diesen Weg die Sprachbarriere kompensierbar scheint und komplexe 5 | Haderlein problematisiert jedoch, dass in Deutschland die meisten Lehrstühle für Pädagogik der frühen Kindheit an Fachhochschulen angesiedelt sind. Hier stehen im Vergleich zu Universitäten weniger materielle und zeitliche Ressourcen für Forschungsvorhaben zur Verfügung (vgl. Haderlein 2008, 317). 6 | Behr gibt in ihrer Pilotstudie zu Aspekten inklusiver Qualität in Kindertageseinrichtungen aus Sicht 4- bis 6-jähriger Kinder mit und ohne besondere Bedürfnisse einen umfangreichen Überblick über den aktuellen Stand der Kindheitsforschung (vgl. Behr 2009, 146-161). An dieser Stelle kann darauf verwiesen werden. 7 | So gibt es beispielsweise kaum Studien über Aussagen von Kindern zu ihren Vorstellungen von Wirklichkeit bezogen auf eine inklusiv organisierte Kindergruppe. Die empirische Studie über Aspekte inklusiver Qualität in Kindertageseinrichtungen aus Sicht 4- bis 6-jähriger Kinder mit und ohne besondere Bedürfnisse von Behr aus Deutschland (vgl. Behr 2009) und die Studie von Ytterhus aus Norwegen (vgl. Ytterhus 2008), auf die schon in der Einleitung Bezug genommen wurde, heben sich an dieser Stelle als außergewöhnlich hervor. 8 | Beispielhaft kann hier die Beobachtungsstudie von Kreuzer angeführt werden (vgl. Kreuzer 2008a, 169-188).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Interaktionsmuster und Handlungsbezüge im lebensweltlichen Kontext beschrieben werden können (vgl. Mey 2011, 7). Der teilnehmenden Beobachtung wird dabei Priorität eingeräumt, da sie die Situation im Kontext zu erschließen vermag, im Gegensatz zur Videoaufzeichnung (vgl. ebd.). Zudem sind non-direktive Verfahren wie beispielsweise Kinderzeichnungen oder Fotos im Einsatz (vgl. Mey 2011, 9-10). Darüber hinaus werden häufig Erwachsene zu Kindern befragt und weniger Kinder selbst (vgl. Behr 2009, 146; Cloos 2010, 478). Behnken und Zinnert stellen die Perspektive auf Kinder aus der Sicht von Professionellen als Dreiecksbeziehung dar, zwischen erinnertem, empirischem und erwachsen gewordenem Kind (Behnken und Zinnert 2001, 26). Sie weisen damit auf die Perspektiven hin, Kindsein vor dem Hintergrund der eigenen Kindheit zu konstruieren, und problematisieren insbesondere einen verklärten Blick auf Vergangenes (vgl. Behnken, Zinnert 2001, 2627). Vergleichbar gibt Mey zu bedenken, »[…] inwieweit Aussagen von Erwachsenen über Kinder und Kindheit, überhaupt Aussagen aus einer kindlichen Perspektive sind / sein können und eben nicht nur Aussagen über Kinder von erwachsenen Forschenden« (Mey 2005, 176) auf der Grundlage ihrer Sinnbildungsprozesse. Ebenso merkt Heinzel an, dass sich die Perspektiven von Kindern und Erwachsenen unterscheiden und die Denk- und Verhaltensformen von Kindern Erwachsenen fremd und aus ihrer Perspektive nicht (mehr) zugänglich sind (vgl. Heinzel 1997, 399). In Forscher_innenkreisen entsteht dadurch zunehmend die Forderung, Kinder aktiv in den Forschungsprozess einzubeziehen. So appelliert beispielsweise Fuhs, ihre Perspektive innerhalb des Forschungsdesigns zu berücksichtigen (vgl. Fuhs 2007, 78). Ebenso resümiert Heimlich in seiner Auseinandersetzung um Qualitätsentwicklung im Bereich der Integration / Inklusion in Kindertagesstätten, dass die Aussagen durch die Erfassung der kindlichen Perspektive abgesichert werden sollten (vgl. Heimlich 2012, 112). Nentwig-Gesemann bewertet es für die Weiterentwicklung der erziehungswissenschaftlichen Kindheitsforschung als zentral, die Berücksichtigung der Kinderperspektive methodologisch zu entwickeln und umzusetzen (vgl. Nentwig-Gesemann 2008, 254). Eine entsprechende Ausrichtung innerhalb des Forschungsprozesses steht aus ihrer Sicht erst in den Anfängen (vgl. ebd.). Diese Forderungen sind getragen von rechtlichen Grundlagen (UN-Kinderrechtskonvention und Kinder- und Jugendhilfeschutzgesetzt) (vgl. Mey 2005, 175; Behr 2009, 147-148). Besonders bedeutsam ist hier der Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention (1990 von Deutschland ratifiziert und 1992 in Kraft getreten). Er weist auf die partizipativen Rechte des Kindes hin: »Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife […]« (UN Kinderrechtskonvention 1989, Artikel 12 [1]). Grundsätzlich geht Mey davon aus, dass alle sozialwissenschaftlichen Methoden auch in der Forschung mit Kindern eingesetzt werden können, jedoch dem »Gegenstand« (also dem Kind) entsprechend adaptiert und modifiziert werden müssen (vgl. Mey 2011, 11). Nach Heinzel liegt, wegen der dargestellten unterschiedlichen Perspektiven zwischen Kindern und Erwachsenen, die Entscheidung für qualitative Methoden in der Forschung mit Kindern nahe (vgl. Heinzel 1997, 399). Aus der Perspektive der qualitativen Sozialforschung gelten nach Mey Interviews als besonders geeignete Methode, »[…] um die Themensetzung der Befragten nach-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

vollziehen und die ›Sicht des Subjekts‹ angemessen erheben zu können, da Interviews als – mehr oder weniger – offene Verfahren an die Strukturierungsleistungen und Interessenslagen der Befragten anschließen« (Mey 2011, 4). Auch Fuhs bezeichnet das qualitative Interview in der Erforschung der Kindheit, vergleichbar der Erwachsenenforschung, als »Königsweg« (Fuhs 2000, 87 orientiert an Lamnek). In Forscher_innenkreisen wird das Alter, von dem ab Kinder zu interviewen sind, jedoch kontrovers diskutiert. So divergieren die Aussagen zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr (vgl. Behr 2009, 150; Bamler, Werner, Wustmann 2010, 78-79). Trautmann gibt zu bedenken, dass Kinder unter dem sechsten Lebensjahr noch nicht die mentale Repräsentationsfähigkeit besitzen, zwischen dem eigenen Erleben und dem eines anderen zu unterscheiden, und ihre Sprache noch nicht souverän gebrauchen (vgl. Trautmann 2010, 60-62). Heinzel konnte in einer Umfrage mit Expert_innen für Kindheitsforschung feststellen, dass aufgrund der sprachlichen Probleme und aus entwicklungspsychologischen Erwägungen Kinder unter fünf Jahren von den angesprochenen Wissenschaftler_innen noch nicht befragt wurden (vgl. Heinzel 1997, 401). Nach ihrer Recherche können Kinder aus entwicklungspsychologischer Sicht schon sehr früh Aussagen über ihre Wahrnehmung zu ihrer Umwelt kommunizieren, sie sind nach Heinzel jedoch noch nicht in der Lage, diese Wahrnehmung zu reflektieren (vgl. Heinzel 1997, 401-402). Im Bezug auf den Expert_innenbegriff lässt sich anführen, dass, wird dieser weiter gefasst, er sich auch auf Alltagswissen beziehen lässt. Somit qualifiziert er Kinder für Aussagen über ihr Erleben und ihre Situation (vgl. Heinzel 2000, 27; Fuhs 2007, 72; Trautmann 2010, 80) (vgl. Kapitel 4.1.2).9 Aus der Perspektive des aktuellen Diskurses der Kindheitsforscher_innen und in Bezug auf die hier relevante Forschungsfrage kann davon ausgegangen werden, dass ein Zugang zur kindlichen Wahrnehmung und zum kindlichen Erleben über eine Gesprächssituation für möglich gehalten wird, jedoch differenziert analysiert werden muss, worauf hin über die Äußerungen der Kinder gedeutet werden kann und wie der forschungsmethodische Zugang zu entwickeln ist. Entscheidend für den Erfolg der Datenerhebung über ein Interview im Alter früher Kindheit scheint zu sein, welche Ziele mit der Fragestellung verfolgt werden. In dem hier intendierten Forschungsvorhaben geht es nicht darum, dass Kinder ihre reflektierten Wahrnehmungen mitteilen. Intendiert ist an dieser Stelle ein Zugang zu Verweisen auf Sinnbildungsprozesse über kindliche Äußerungen. Durch die Studie von Heinzel wurde deutlich, dass Kinder hierzu hoch motiviert Auskünfte geben (vgl. Heinzel 1997, 406). In der zusammenfassenden Betrachtung der Beobachtungspositionen des hier skizzierten Diskurses wird das qualitative Forschungsdesign unter Berücksichtigung der Perspektive des Kindes über ein qualitatives Interview auch vor dem Hintergrund der empirischen Kindheitsforschung, neben der dargelegten systemtheo9 | Aus einer simplifizierten systemtheoretischen Perspektive lässt sich schlussfolgern: Wenn Kinder als Mitteilungshandelnde über Kommunikation in der Interaktion Sinn verteilen und Psychen über Kommunikation irritierbar sind (vgl. Kapitel 2.2.3 und 2.2.4), sind Aussagen von Kindern über solche Situationen als Experten_innenaussagen zu betrachten, die genau darüber Auskunft geben, inwiefern »sie« in der Interaktion mit anderen Kindern die dort produzierte Kommunikation als Irritation bewerten (vgl. Kapitel 3.3).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

retischen Perspektive, für geeignet erachtet, zu der in dieser Arbeit aufgespannten Fragestellung maßgebliche Daten anzubieten. Zusätzlich wurde deutlich, dass die kindliche Perspektive als zentral für die Weiterentwicklung der erziehungswissenschaftlichen Forschung im Bereich der frühen Kindheit bewertet wird und damit das hier geplante Vorgehen auch innerhalb des aktuellen empirischen Forschungsdiskurses als wissenschaftlich bedeutsam zu bewerten ist. Bevor das Interview als Erhebungsverfahren in Kapitel  4.1.1.3 differenzierter ausgearbeitet wird, soll zunächst noch die zweite für diese Arbeit relevante Beobachterperspektive eröffnet werden: Forschung im Kontext adressierter Behinderung.

4.1.1.2 Forschung im Kontext adressierter Behinderung Terfloth und Janz fassen u. a. in Bezug auf Buchner und Koenig10 zusammen, dass innerhalb der Forschung im Kontext von Behinderung in Deutschland ein deutlicher Schwerpunkt in Bezug auf nicht-empirische Forschung zu erkennen ist (vgl. Terfloth, Janz 2009, 9-10). Innerhalb der empirischen Forschungsdesigns wird auch hier, vergleichbar mit den Forschungsdesigns in der Kindheitsforschung, die Forschung »[…] fast durchgehend als Forschung über statt Forschung mit behinderten Menschen […]« (Buchner, Koenig 2011, 7) durchgeführt. So wird auch hier primär mittels beobachtungsbasierter Verfahren, Interviews mit Dritten und Dokumentenanalyse geforscht (vgl. Kulig, Theunissen 2010, 540). Dies trifft auch auf empirische Forschung in Kontext von Integration und Inklusion zu (vgl. Buchner 2012, 301). »Der Blickwinkel von behinderten Personen blieb in der Regel ausgespart« (Buchner 2012, 301.)11 Sorge schlussfolgert, dass die Mehrzahl der Wissenschaftler_innen davon ausgehen, dass Menschen, die als »geistig behindert« bezeichnet werden »[…] kaum oder gar nicht in der Lage sind, sich selbst zu reflektieren und Aussagen über ihre Wahrnehmung zu machen« (Sorge 2010, 16).12 Dabei zeigen Erfahrungen innerhalb der Befragungen Dritter über Menschen mit Behinderung, »[…] dass die Einschätzungen verschiedener Befragter zu einem Menschen mit Behinderung oft erheblich voneinander abweichen, trotz guter Kenntnisse aller befragten Personen hinsichtlich des betroffenen Menschen« (Kulig, Theunissen 2010, 539). Palmowski und Heuwinkel kommen zu ähnlichen Ergebnissen in ihrer Auseinandersetzung mit den Perspektiven auf die Konstruktionen von Behinderung und Normalität / A ndersartigkeit (vgl. Palmowski, Heuwinkel 2010).13 10 | Terfloth und Janz beziehen sich hier auf eine Zeitschriftenanalyse von Buchner und Koenig, die ergab, dass von 510 analysierten Artikeln zur geistigen Behinderung in Sonder- und Heilpädagogischen Fachzeitschriften in den Jahrgängen 1996-2006 20 % der Artikel empirisch und 78 % der Artikel nicht empirisch basiert waren (vgl. Terfloth, Janz 2009, 9). 11 | Die Recherche von Grob-Paeprer und Podlesch führt zu vergleichbaren Ergebnissen (vgl. Grob-Paeprer, Podlesch 2000, 265). 12 | Die Forschungsvorhaben von Sorge (2009), Palmowski und Heuwinkel (2010) stellen Beispiele dar, die auf eine Wende hindeuten. Weitere Ausnahmen werden in Kapitel 4.1.3.1 vorgestellt. Hinsichtlich Publikationen, die Wirklichkeiten von Menschen mit adressierter Behinderung darstellen, die weiter zurückliegen, sei u. a. verwiesen auf Palmowski und Heuwinkel (vgl. Palmowski, Heuwinkel 2010, 173). 13 | Ein besonders problematisches Beispiel stellt hier das durch Koenig, Buchner, Kremsner und Eichinger skizzierte Forschungsvorhaben zweier Sozialwissenschaftler_innen in ei-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Im Forschungskontext wird häufig versucht, über eine Methodentriangulation die Daten zu differenzieren und die Interpretationen so stärker der »Realität« des Erforschten anzupassen. Jedoch fordern »[…] unter dem Stichwort der ›Disability Studies‹ Betroffenenverbände in zunehmendem Maße eine Neuausrichtung von heilpädagogischer Forschung zugunsten einer strikten Betroffenenperspektive« (Kuhlig, Theunissen 2010, 535).14 In Inklusionsforscher_innenkreisen15 entsteht ebenfalls vermehrt der Anspruch (vergleichbar dem Bereich der Kindheitsforschung), Menschen mit adressierter Behinderung an Forschungsvorhaben aktiv zu beteiligen. Auch diese Positionen sind getragen von rechtlichen Grundlagen. Als in diesem Sinne unterstützend kann die UN-BRK angeführt werden, in der in Artikel 3 das Recht auf Selbstbestimmung und die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und die Einbeziehung in die Gesellschaft explizit formuliert werden (vgl. Netzwerkartikel 3 2009, 10). Das bedeutet für das hier im Fokus stehende Funktionssystem Wissenschaft die Möglichkeit eines entsprechenden kommunikativen Anschlusses. Darüber hinaus scheint der Artikel 7 Absatz 3 aus der UN-BRK für Kinder mit adressierter Behinderung im besonderen Maße bedeutsam. In diesem heißt es: »Die Vertragsstaaten gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen das Recht haben, ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegenheiten gleichberechtigt mit anderen Kindern frei zu äußern, wobei ihre Meinung angemessen und entsprechend ihrem Alter und ihrer Reife berücksichtigt wird, und behinderungsgerechte sowie altersgemäße Hilfe Assistenz zu erhalten, damit sie dieses Recht verwirklichen können« (Netzwerkartikel 3 2009, 13). In der Forschung unter aktiver Beteiligung von Menschen mit adressierter Behinderung differenzieren sich verschiedene Begriffe heraus. Es wird hier zwischen emanzipatorischen, partizipativen und inklusiven Vorgehen unterschieden (vgl. Buchner, Koenig 2011, 4-6; Buchner, Koenig, Schuppener 2011, 5-6).16 Koenig, Buchner, Kremsner und Eichinger führen orientiert an Gilbert die Unterschiede zwischen partizipativen und emanzipatorischen Forschungsansätzen wie folgt zusammen (vgl. Koenig, Buchner, Kremsner, Eichinger 2010, 179):17

nem Wohnheim in Hampshire dar, welches gravierend auf eine veränderte Sicht auf Behinderung einwirkte (vgl. Koenig, Buchner, Kremsner, Eichinger 2010, 177). 14 | Schuppener verdeutlicht in ihren Ausführungen, inwiefern sich eine partizipative Forschung auf die Identitätsentwicklung und das Selbstbild des Menschen auswirken kann (vgl. Schuppener 2009, 305-316). 15 | An dieser Stelle wird sich auf ein Netzwerk von Wissenschaftler_innen aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich und der Schweiz) bezogen, die sich seit 26 Jahren einmal jährlich zu einer mehrtägigen Tagung treffen, um sich im Kontext von Integration und Inklusion auseinanderzusetzen. 16 | Schuppener fasst die jüngsten Entwicklungen, welche vorrangig in den USA unter den Begriffen »Participatory Research« und »Inclusive Research« zu finden sind, zusammen (vgl. Schuppener 2009, 312-313). 17 | An dieser Stelle muss auf eine differenzierte Darstellung der diesbezüglichen Forschungsausrichtungen verzichtet werden. Die im Literaturverzeichnis von den Autoren Buchner, Koenig, Kremsner und Schuppener angegebenen Literaturverweise ermöglichen einen vertieften Einblick.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 1 / 4 .1.1.2: Unterschiede zwischen Partizipatorischer und Emanzipatorischer Forschung (vgl. Gilbert 2004) Partizipatorische Forschung Methodologie Primär phänomenologisch (Erforschung der Erfahrungen der Forschungsteilnehmer-Innen), zumeist qualitative Methoden

Emanzipatorische Forschung Forschung als politisches Handeln, sowohl qualitative als auch quantitative Methoden

Ideen­ theoretische Ausrichtung

Nicht vorgegeben, zumeist verortet innerhalb des Normalisierungsdiskurses oder des Sozialen Modells von Behinderung, Beförderung positiver Bilder von Menschen mit Behinderung

Klare Übernahme des Sozialen Modells von Behinderung, Forschung wird nur durchgeführt, wenn es einen praktischen Nutzen für Menschen mit Behinderung hat

Kontrolle

ForscherInnen arbeiten partnerschaftlich mit Menschen mit Behinderungen v.a. in der Phase der Datenaufnahme

Menschen mit Behinderungen haben Kontrolle über alle Aspekte des Forschungs­projekts – von der Formulierung der Forschungsfrage bis zur Dissemination

Rolle der ForscherIn

Die Expertise eines / einer Experten / Expertin wird gegenseitig geteilt, manchmal auch eine beratende bzw. unterstützende Funktion

Die Expertise von nicht behinderten ForscherInnen wird zur Verfügung gestellt

Themen

Themen, die für Menschen mit Behinderung relevant sind

Erforschung und Identifizierung geeigneter Handlungs­strategien für Veränderungs­prozesse

Rechenschaftspflicht

Gegenüber Fördergebern und der Akademia

Gegenüber Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen

Quelle: Koenig, Buchner, Kremsner, Eichinger 2010, 179.

Die Bezeichnung »Inklusive Forschung« wird als Sammelbegriff verstanden, unter dem sich verschiedene Formen der Einbeziehung von Menschen mit adressierten Lernschwierigkeiten in der Forschung fassen lassen (vgl. Koenig, Buchner, Kremsner, Eichinger 2010, 179-180). »›Inklusive Forschung‹ ist ein Begriff, der sich auf eine Bandbreite an Forschungszugängen bezieht, die traditionell als ›partizipatorisch‹ oder ›emanzipatorisch‹ umschrieben wurden, und im weiteren Sinn auf Forschung, in der Menschen mit intellektueller Behinderung weiter einbezogen sind als bloß als Forschungssubjekte oder Teilnehmer(innen)« (Walmsley in Buchner, Koenig, Schuppener 2011, 7 in der Übersetzung durch Buchner, Koenig und Schuppener).18 Goeke und Terfloth leiten ihre Bezeichnung eines inklusiven Forschungsprozesses vom systemtheoretischen Inklusionsbegriff nach Luhmann ab. Sie erläutern: »Inklusive Forschung bedeutet demnach die Teilhabe an forschungsrelevanter Kommunikation« (Goeke, Terfloth 2006, 47). So geht es für sie darum, 18 | Buchner, Koenig und Schuppener stellen die von Walmsley und Johnson aufgestellten Kriterien für inklusive Forschung in ihrem Artikel dar. Aus Kapazitätsgründen muss an dieser Stelle darauf verwiesen werden (vgl. Buchner, Koenig und Schuppener 2011, 7).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

inwiefern im Rahmen wissenschaftlicher Kommunikation ein Individuum als Person behandelt wird (vgl. ebd.). In dieser Arbeit wird sich dieser Begriffsbestimmung angeschlossen, da sie sich an der theoretischen Ausrichtung dieser Arbeit orientiert. In welchem Umfang eine inklusive Forschung im Bezug auf ein gesamtes Forschungsvorhaben stattfindet und herstellbar ist, also wie weit die Kommunikation der Menschen mit adressierter Behinderung in das forschungsmethodische Vorgehen eindringt, um dem Anspruch eines inklusiven Forschungsvorhabens zu entsprechen, wird in Kreisen der Inklusionsforscher_innen kontrovers diskutiert (vgl. Terfloth, Janz 2009, 12; Schuppener 2009, 314; Buchner 2012, 300-303). Im deutschsprachigen Raum ist es kaum verbreitet, den Forschungsprozess selbst inklusiv zu gestalten (vgl. Goeke, Terfloth 2006, 43). So bestehen gegenüber einer partizipativen Forschung, innerhalb derer Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in den gesamten Forschungsprozess einbezogen werden, also »[…] aktiv in unterschiedlichen Rollen an allen Phasen […]« (Buchner, Koenig 2011, 1) beteiligt werden, auch bei Inklusionsforscher_innen deutliche Ressentiments (vgl. Buchner 2012, 301). Es zeichnen sich hier u. a. Widersprüche und Bedenken hinsichtlich der Gleichwertigkeit innerhalb des Forschungsprozesses (vgl. Curdt 2012, 156), der Abstimmung theoretischer Rahmenmodelle und der Aufrechterhaltung sowie Gewährleistung der Gütekriterien qualitativer Forschung ab (vgl. Buchner, Koenig 2011, 4).19 Koenig, Buchner, Kremsner und Eichinger verdeutlichten durch das Projekt einer inklusiven Lehrveranstaltung an der Universität Wien, dass sich für die Realisierung eines inklusiven Forschungsprojektes das gegenseitige Rollenverständnis verändern muss (vgl. Koenig, Buchner, Kremsner, Eichinger 2010, 182188). Goeke und Terfloth problematisieren für das wissenschaftliche Arbeiten, dass der Forschungsprozess nicht mehr im Vorhinein durchgängig planbar ist, »[…] da er sich verstärkt an den Bedürfnissen verschiedener Beteiligten orientiert und eine permanente Evaluation der einzelnen Arbeitsschritte beinhaltet« (Goeke, Terfloth 2006, 49). Darüber hinaus verändern sich die Verantwortung und die Macht über den Verlauf des Forschungsprojektes. Dieses stellt sich dann als Herausforderung dar, wenn einzelne Personen das Forschungsprojekt zu ihrer persönlichen Qualifizierung nutzen möchten und andere nicht (vgl. ebd.). Sie kommen zu dem Schluss der Notwendigkeit eines Moderators, welcher nicht in den inhaltlichen Forschungsprozess involviert ist, sondern nur in den kommunikativen Prozess (vgl. Goeke, Terfloth 2006, 50).20 In Bezug auf Kinder erläutert Heinzel, dass selbst eine partiell-inklusive Forschung kaum erfolgt: »[…] Kinder mit geistigen oder sprachlichen Behinderungen werden selten mündlich befragt« (Heinzel 2000, 27 orientiert an Beller, und Grob19 | Es kann an dieser Stelle nicht auf diese aktuell sehr kontrovers geführte Diskussion eingegangen werden, da die Schwerpunktsetzung dieser Arbeit etwas anderes vorschreibt. So kann hier nur beispielhaft auf die Literatur von Buchner und Koenig für den deutschsprachigen Raum verwiesen werden (Buchner, Koenig 2011). 20 | Wie aktuell jedoch eine entsprechende Forschungsausrichtung einzuschätzen ist, zeigt sich u. a. über das am 12.06.2015 in Berlin gegründete Aktionsbündnis Teilhabeforschung. Für weitere Informationen, z. B. über die Gründungserklärung und die Statuten des Aktionsbündnisses, kann auf folgende Seite verwiesen werden: http://www.dvfr.de/servicebe reich/veranstaltungskalender/150612-aktionsbuendnis-teilhabeforschung  /.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Paeprer, Podlesch 2000). So auch Seitz: »Inklusionspädagogische Ansätze partizipativer Forschung werden hingegen bislang lediglich bezogen auf Erwachsene diskutiert« (Seitz 2009, 72 orientiert an Flieger 2003 und Goeke, Terfloth 2006; darüber hinaus: vgl. Schuppener 2009, 315). Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in die jüngsten Ansätze kindorientierter qualitativer Forschung bisher kaum einbezogen und sind somit als Forschungspartner_innen unterrepräsentiert (vgl. Seitz 2009, 72). Jedoch wird eine inklusive, partizipative, kindorientierte Forschung als »Schlüssel für die Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen inklusiven Pädagogik und Didaktik« (Seitz 2009, 73) verstanden. Sie schließt an eine dialogische Haltung (vgl. Palmowski, Jakob 2001, 450-455) der Heil- und Sonderpädagogik an und ist damit ihre inhaltlich schlüssige Konsequenz. So kann hinsichtlich Personen, die als behindert adressiert werden, ebenso wie in Bezug auf Menschen im Alter früher Kindheit zusammengefasst werden, dass die empirische Erhebung über ein Interview für möglich gehalten wird, sich aber als ein weitestgehend unerprobtes, jedoch zukunftsweisendes Vorgehen darstellt, das eine Überprüfung der Forschungsmethoden erfordert. Fuhs prophezeit: »Der nötige Aufwand ist aber gerechtfertigt, da Interviews mit Kindern den Forschenden die Welt der Kinder in einer Art und Weise erschließen, wie sie sonst Erwachsenen nicht zugänglich wäre« (Fuhs 2000, 100). Wie sich hier zeigt, trifft dieses insbesondere auf Kinder mit adressierter Behinderung zu. Dass dies gelingen kann, darauf verweisen vereinzelte entsprechend erfolgreich umgesetzte Forschungsvorhaben.21 Das hier entwickelnde Forschungsvorhaben wird orientiert am systemtheoretischen Inklusionsbegriff als ein partiell-inklusives definiert. Im Rahmen dieser Arbeit werden Kinder mit und ohne adressierte Behinderung im Alter zwischen 5 und 6 Jahren für kommunikativ relevant erachtet in Bezug auf die Forschungsfrage, inwiefern andere Kinder für sie kommunikativ relevant sind oder nicht. Sie werden orientiert an einem erweiterten Expertenbegriff als Experten ihrer Interaktionssituation verstanden.22 Folgerichtig wird es in der Auswertung der empirischen Erhebung darum gehen, sich ihren Konstruktionen zu nähern, nach ihren Sinnbildungsprozessen zu fragen, um diese für die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu dokumentieren und im Kontext der Fragestellung auszuwerten.23 Hinsichtlich dieser Bereiche sind sie »inkludiert«. Eine Beteiligung bei der Erarbeitung des gesamten Forschungsdesigns wird jedoch aufgrund des Alters der Beteiligten nicht realisiert. Hier sind die beteiligten Kinder »exkludiert« und kommunikativ nicht relevant, auch wenn es für dieses Alter vorstellbar wäre, zu einer inhaltlichen Ausrichtung der Fragstellungen über Gespräche mit Kindern zu gelangen und sie darüber hinaus über eine Darstellung der Ergebnisse in die Auswertung einzube21 | Exemplarisch kann hier die Pilotstudie von Behr hervorgehoben werden, in die in einer Integrationsgruppe eines Münchener Kindergartens auch zwei Kinder einbezogen wurden, die als Kinder mit besonderen Bedürfnissen deklariert sind (vgl. Behr 2009, 187). 22 | Neben dem engen Expert_innenbegriff, der sich auf den Bereich des kulturellen Wissens bezieht, gibt es in den Sozialwissenschaften auch einen Expert_innenbegriff, der sich auf Alltagswissen bezieht (vgl. Fuhs 2007, 72). 23 | Dass die Äußerungen im Rahmen des Auswertungsprozesses dann über wissenschaftliches Verstehen interpretiert und keine »Fälle« konstruiert werden, wurde in Kapitel 3.3 bereits vorgestellt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

ziehen. Solche bisher unerprobten Wege zu beschreiten wäre sehr erkenntnisreich, sprengt jedoch den hier möglichen Rahmen. Als Nächstes erfolgt nun eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Interview als Erhebungsmethode.

4.1.1.3 Das Inter view als Erhebungsmethode »Aufgabe der Kindheitsforschung ist es, über verschiedene Ansätze herauszufinden, wie Kinder ihre Welt erleben und gestalten.« B amler , W erner , W ustmann 2010, 23

Ein Interview ist nach Friedrichs in Bezug auf Scheuch »[…] ein planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Reaktionen veranlaßt werden soll« (Friedrichs 1990, 207 in Bezug auf Scheuch). Innerhalb eines qualitativen Interviews ist dabei eine offene Gesprächstechnik kennzeichnend, innerhalb derer den Befragten die Möglichkeit gegeben wird, ihre eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse selbst zu artikulieren (vgl. Heinzel 1997, 402). Wie in den Kapiteln 4.1.1.1 und 4.1.1.2 dargestellt, gibt es erst wenige Erfahrungen mit qualitativen Forschungsansätzen im Alter früher Kindheit bei Kindern mit und ohne adressierter Behinderung und kaum Erfahrungen im Rahmen der Datenerhebung über Interviews mit Kindern aus dem Elementarbereich. Die Umsetzung wissenschaftlicher Forschungsgespräche mit Kindern gestaltet sich nach Fuhs in der methodischen Umsetzung noch schwierig (vgl. Fuhs 2000, 89). Auf die Notwendigkeit eines solchen Forschungsvorhabens wurde jedoch bereits hingewiesen (vgl. Kapitel 4.1.1.1 und 4.1.1.2). Hier werden nun Erfahrungen mit Interviews zusammengetragen, die für die Auswahl der gewählten Erhebungsmethode und deren Gestaltung relevant erscheinen und insofern Anregungen für das konkrete Vorgehen bieten. Darüber hinaus werden wesentliche Aspekte des aktuellen Diskurses in Bezug auf diese Erhebungsmethode für das Alter früher Kindheit und im Kontext adressierter Behinderung vorgestellt. Das Interview in der Kindheitsforschung Als Ausgangspunkt der Interviews mit Kindern können die Arbeiten von Piaget angeführt werden (vgl. Mey 2005, 157; Trautmann 2010, 71).24 Piaget hat primär über die klinische Methode Interviews geführt. Bei diesem Verfahren ist laut Mey lediglich die erste Frage vorgegeben, die weiteren ergeben sich »ad hoc« aus den Antworten und Konstruktionen des Kindes (vgl. Mey 2011, 4). Diese Methode wird überwiegend in der Psychologie eingesetzt. Nach Mey in Bezug auf Scholz genügt sie nicht mehr den Anforderungen der neuen Kindheitsforschung, da sie sich in der Bewertung zu stark an der Perspektive des Erwachsenen ausrichtet und die kindlichen Repräsentationsformen und Eigenlogiken weitgehend unberücksichtigt bleiben (vgl. Mey 2005, 157; Trautmann 2010, 72). 24 | Behr weist darauf hin, dass schon im 18. Jahrhundert durch Rousseau die Kinderperspektive berücksichtigt wurde. Entsprechend kann hier auf Behr hinsichtlich der historischen Bedeutung der Kinderperspektive verwiesen werden (vgl. Behr 2009).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

In der erziehungswissenschaftlichen Forschung kommen ganz verschiedene Interviewformen zum Einsatz. Für einen umfassenden Überblick kann an dieser Stelle u. a. auf Bortz und Döring (2006), Hopf (2008), Trautmann (2010) sowie auf Mey (2011) verwiesen werden. Grundlegend kann zwischen sehr offenen narrativen Formen, die auf der Grundlage einer Eingangsfrage oder weniger Impulsfragen arbeiten und die den Gesprächsverlauf kaum lenken, und stark strukturierten und standardisierten Formen, die auf vorformulierte Fragen festgelegt sind, unterschieden werden (Bortz, Döring 2006, 237-239). »Zwischen diesen beiden Extremen, dem standardisierten und dem nichtstandardisierten Interview, befinden sich Interviewformen mit teils offenen, teils geschlossenen Fragen und mit unterschiedlicher Standardisierung der Interviewdurchführung – die sog. halb- oder teilstandardisierten Interviews« (Bortz, Döring 2006, 239). Heinzel belegt, dass Interviews grundsätzlich für Kinder von verschiedenen Expert_innen als geeignetes methodisches Instrument angesehen werden, »[…] um die alltägliche Lebenswelt von Kindern aus ihrer Sicht erfassen zu können« (Heinzel 1997, 410). In der Forschung mit jüngeren Kindern besteht jedoch weitestgehend Konsens darüber, dass die narrative Kompetenz bei ihnen noch nicht vorhanden ist und der Erwachsene eine systematische Mehrarbeit leisten muss, um die interaktive Bewältigung der Erzählaufgaben zu gewährleisten (vgl. Grunert, Krüger 2006, 40; Trautmann 2010, 75; Mey 2011, 4). Nach Grunert und Krüger wurden bei Kindern unter zehn Jahren noch keine narrativen Interviews durchgeführt, »[…] da angenommen wird, dass diese aus entwicklungspsychologischen Gründen kaum ihre eigene Biographie als Ganzes erfassen und darstellen können« (Grunert, Krüger 2006, 40). Kritisch angeführt wird in der Methodendiskussion der Forscher_innen darüber hinaus die Vorannahme, »[…] Kinder könnten nicht (hinreichend) erzählen, sie könnten keine Raum-Zeit-Konfigurationen erkennen und nicht zwischen Realitäts- und Irrealitätsebenen (Fiktionen) unterscheiden. Zu solchen Unterstellungen gehört weiter, dass es Kindern an Kontextwissen mangele, das erforderlich sei, um sie als ›Biographen‹ ihrer Lebensgeschichte anzusprechen« (Mey 2011, 11). Mey stellt in Frage, dass hier fachliche Erwägungen meinungsbildend sind. Er befürchtet, dass sich an dieser Stelle unreflektiert »Alltagswissen« auf das Forschungsverhalten auswirke (vgl. ebd.).25 Vergleichbar merkt Heinzel kritisch an, dass es zu einem romantischen Blick auf die Äußerungen der Kinder kommen kann und eigene Kindheitserfahrungen die Interpretationen möglicherweise beeinflussen (vgl. Heinzel 2010, 713).26 Entscheidend erscheint bei der Erarbeitung der Erhebungsmethode, einen Erzählrahmen vorzugeben, der sich flexibel auf die jeweilige Interviewsituation anpassen lässt. So haben sich in den vergangenen Jahren unterschiedlichste Formen der teilstandardisierten Interviews etabliert (vgl. beispielsweise Lamnek 1995; Heinzel 1997; Fuhs 2007; Hopf 2008; Trautmann 2010). In Bezug auf die hier intendierte Zielgruppe werden Formen präferiert, welche als fokussierte Interviews semi- oder partiell strukturiert sind (vgl. Heinzel 1997, 402; Mey 2005, 159) oder 25 | »Da Forschende immer auch Erwachsene sind, die als Forschende in ihrem Forschungsalltag leben und in ihrem Alltag als Nicht-Forschende handeln, ist es notwendig, kritisch gegen solche Vorurteile zu sein, damit Forschung nicht lediglich (vermeintliches) Alltagswissen reproduziert und darüber hinausreichende Erkenntnisse verhindert« (Mey 2011, 11). 26 | In Kapitel 3.3 wurde die Beobachtungsperspektive entsprechend kritisch reflektiert.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

thematisch ausgerichtete Formen vorgeschlagen, die sich beispielsweise am Tagesablauf orientieren (vgl. Grunert, Krüger 2006, 40). In Rahmen dieser Arbeit wird sich an der Erhebungsmethode des Leitfadeninterviews ausgerichtet. Das Leitfadeninterview scheint nach Trautmann in der Arbeit mit Kindern hervorragend geeignet (vgl. Trautmann 2010, 74). Es bietet dem Gesprächsablauf durch vorbereitete Fragestellungen ein Gerüst als für dieses Alter notwendig erachtete Strukturhilfe an (vorbereitete Inszenierung) bei ausreichender Variabilität, sich in der Formulierung der Fragen bzw. der Möglichkeit ihrer Umstellung oder Reduzierung dem Gesprächsverlauf und Gesprächspartner_innen anzupassen und das Interview entsprechend zu modifizieren (tolerierte Abweichungen). »Das bedeutet, es kann sowohl zu prinzipiell offenen, wie auch zu halboffenen Erkundigungen kommen, die nur durch einzelne Vorgaben strukturiert werden« (Trautmann 2010, 73-74). So kann das Kind je nach Interesse und Kompetenz den Verlauf der Interviewsituation mitbestimmen. Der Ertrag einer Erhebung durch ein Leitfadeninterview kann als unstandardisierte Antworten auf individuell auf den Gesprächspartner angepasste Fragen oder Gesprächsimpulse beschrieben werden (vgl. ebd.). Darüber hinaus ermöglicht das Leitfadeninterview weitere Spezifizierungen in der Ausrichtung, die dem hiesigen inklusiven Vorgehen entgegenkommen. Sie werden in der weiteren Auseinandersetzung mit der Erhebungssituation bedeutsam (vgl. Kapitel 4.1.3). Für die methodische Entscheidung im Rahmen der Datenerhebung spielt es nach Fuhs eine Rolle, welches Erinnerungsvermögen bei Kindern entwicklungspsychologisch vorausgesetzt werden kann (vgl. Fuhs 2007, 78). Fuhs problematisiert, dass durch das Erzählen im Rahmen der Interviews die vergangene Wirklichkeit nicht wahrheitsgemäß, sondern in erinnerter Form und beeinflusst durch sprachliche Möglichkeiten wiedergegeben wird. Er rät deshalb zeitnah und dicht an Lebenswelterfahrungen orientiert zu interviewen (vgl. Fuhs 2007, 68). Auch wenn es in dieser Arbeit nicht um die Abbildungen von Wirklichkeiten geht (vgl. Kapitel 3.2.2), wird dieser Aspekt in die Datenerhebung einbezogen (vgl. Kapitel 4.1.3). Fuhs empfiehlt die thematisierten Zeitspannen umso kürzer zu halten, je jünger die Kinder sind (vgl. Fuhs 2007, 79), und schlägt fünf verschiedene Interviewformen vor, orientiert am Alter der Kinder und ihrer zunehmenden Erinnerungsleistung (vgl. Fuhs 2000, 95-100):27 • situationsnahes Interview: bezieht sich auf das unmittelbare Erinnern • Sequenz-Interview: bezieht sich auf das Erinnern von Tagesabläufen oder nimmt Bezug auf spezifische Sequenzen • lebensweltliches Interview: Erinnerungen an Ereignisse im gegenwärtigen Alltag • biographisches Interview: Erinnerungen bezogen auf einen längeren Zeitraum der Lebenswelt • symbolisches Interview: Die subjektive Welt des Kindes drückt sich hier in Symbolform aus

27 | Für eine differenzierte Darstellung der einzelnen Interviewformen wird hier auf die Literatur von Fuhs verwiesen (vgl. Fuhs 2000, 95-100).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Unter Berücksichtigung der Vorschläge von Fuhs erscheint aufgrund des jungen Alters der interviewten Kinder für das anzuwendende Vorgehen die Herstellung der Unmittelbarkeit zur erlebten Situation wesentlich. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen auch Lipski (vgl. Lipski 2000, 82) in Bezug auf den Erfahrungsbereich der Kinder und Kreuzer (vgl. Kreuzer 2008a, 186) in Bezug auf die Erlebnisse. Somit werden sich die Interviewfragen in der hier durchgeführten Erhebung sowohl auf den unmittelbaren Anschluss an ein Erlebnis als auch auf erinnerte Gegenwart des alltäglichen Lebens beziehen (Interviewform: situationsnahes Interview und lebensweltliches Interview). Gemäß der Analyse von Fuhs scheint es für die hier ausgewählte Altersgruppe schwer, zeitliche Strukturen zu erinnern. Insofern ist für die hiesige Fragestellung wesentlich, sich grundsätzlich auch auf Vergangenes, das unterschiedliche Abstände fasst, beziehen zu können, um einen größeren Erfahrungsbereich einzubeziehen, diesen jedoch nicht vorzugeben. Der Bezug auf eine vorgegebene Zeitstruktur (wie beispielsweise einen Tagesablauf oder einen Wochenablauf) ist hier entsprechend nicht angedacht.28 Die Rahmung sowie der Erzählanlass werden nach Fuhs (vgl. Fuhs 2004, 7) und Heinzel (vgl. Heinzel 2000, 28) als zentral bewertet, damit Kinder sich verbal mitteilen. Ein Buch, Bild, eine Zeichnung, Filme, Begehung von Orten, sprachliche Hinweise auf Geschehnisse u. ä. können nach Fuhs die Funktion einer Gedächtnishilfe erfüllen, die bei jüngeren Kindern hilfreich erscheint (vgl. Fuhs 2000, 95). Mey merkt jedoch kritisch an, darauf zu achten, welchen »Impact« dieses Vorgehen in sich birgt. So kann es sein, dass die Kinder die Hilfsmittel als Spielanlass sehen und die Interviewsituation beeinträchtigt wird (vgl. Mey 2005, 162). Grundsätzlich wird das Antwortverhalten der Kinder als kontextabhängig bewertet (vgl. Lipski 2000, 83). Ausgehend von diesen Vorerfahrungen scheint es sinnvoll, diesbezüglich innerhalb von Pretests Erfahrungen zu sammeln (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Nach Kreuzer ist für Forschungsfragen in Bezug auf die soziale Struktur von Bedeutung, dass die interviewten Kinder seit wenigstens einem Jahr in der zu erforschenden sozialen Struktur Erfahrungen gesammelt haben (vgl. Kreuzer 2008a, 175).29 Für die Kommunikation in der Erhebungssituation scheint wesentlich, dass es ein wirkliches Interesse an den Erzählungen der Kinder gibt (vgl. Trautmann 2010, 74). So muss es im systemtheoretischen Sinne um unbeantwortbare Fragen30 gehen, damit eine intrinsische Motivation aufgebaut werden kann.31 Nach Mey erscheint es wichtig, die Instruktionen innerhalb der Interviewsituation so zu gestalten, dass die Kinder einen adäquaten Einblick in das Vorhaben gewinnen können 28 | In Kapitel 2.2.2 wurde die Zeit als eine Dimension von Sinn dargestellt. In Kapitel 4.2.2.2 wird dieser Bezug wieder aufgegriffen und seine Berücksichtigung im Auswertungsverfahren vorgestellt. 29 | Dieser Zeitraum wurde entsprechend bei der Auswahl der interviewten Kinder berücksichtigt und war bei allen Kindern gegeben (vgl. Kapitel 4.1.2.2). 30 | Unbeantwortbare Fragen sind nach von Foerster Fragen, auf die der Fragende nicht schon die »richtige« Antwort im Kopf hat. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Erhebung sollte diese Voraussetzung erfüllt sein, da sich im anderen Falle die empirische Erhebung erübrigte. 31 | Diese Voraussetzung kann jedoch nicht als spezifisch in der Forschung mit Kindern gesehen werden, sondern trifft auf jede Kommunikation zu.

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und somit in ihrer Art der Beteiligung ernst genommen werden (vgl. Fuhs 2000, 92; Mey 2005, 159 u. 161).32 In der Einführung der Kinder in die Interviewsituation und ihre Ausgestaltung wird dieser Aspekt entsprechend berücksichtigt (vgl. Kapitel 4.1.3). Heinzel problematisiert das hierarchische Beziehungsverhältnis in der Erhebungssituation und merkt an, dass die Erziehungserfahrungen der Kinder mit Erwachsenen sich beeinträchtigend auf die Erhebungssituation auswirken können (vgl. Heinzel 2000, 25-26; Heinzel 2010, 710). »Kinder neigen in Anlehnung an Schulerfahrungen dazu anzunehmen, sie müßten im Interview fehlerfreie Antworten geben« (Heinzel 2000, 29). Auch wenn die hier interviewten Kinder noch keine Schulerfahrungen sammeln konnten, ist von Alltagserfahrungen auszugehen, in denen die Kinder in ihrer Wahrnehmung von Situationen durch Erwachsene korrigiert wurden. So ist eine aufmerksame Haltung des Interviewenden gegenüber dem Dilemma der sozialen »Erwünschtheit« von Antworten angezeigt (vgl. Lange, Mierendorff 2009, 198). Wichtig erscheint für die Interviewsituation, die Kompetenzen und Wahrnehmungen der Kinder als spezifische anzuerkennen und ihre Perspektive als eine wertzuschätzen, die aus ihrer Position heraus Sinn macht und richtig ist. Im Kontext des theoretischen Bezugs dieser Arbeit stellt diese Annahme eine theoretische Säule dar und ist somit selbstverständlich. Frageformen, die aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung stammen, räumen den Äußerungen der Interviewten diesen hohen Stellenwert ein und reduzieren die der Interviewerin so weit als möglich (vgl. Sorge 2010, 101). In der Erarbeitung der konkreten Erhebungsmethode wird auf sie Bezug genommen (vgl. Kapitel 4.1.3). Zur Kompensation der Erfahrungen mit Erwachsenen in Erziehungssituationen werden in Interviewsituationen mit Kindern auch (Hand-)Puppen als Stellvertreterin der Interviewpartnerin eingesetzt (vgl. Trautmann 2010, 76-77). Kritisch wird hier zu bedenken gegeben, dass die Interaktion zwischen Puppe und Kind ins Fantastische abrutschen könnten. Zudem bedarf es einer professionellen Schulung seitens der Interviewerin, um mehrdimensional agieren zu können und beide Rollen sicher und konstant auszufüllen (vgl. Trautmann 2010, 77). Im Rahmen dieser Arbeit wird daher Abstand von dieser Form der Interviewführung genommen. Der besonderen Aufmerksamkeit bedarf nach der Einschätzung von Heinzel neben dem schon dargestellten Zugang zum Kind (über Rahmung und Gesprächsanlass) die Gestaltung einer empathischen Verbalisierung der Bedürfnisse und Gefühle des Kindes in der Erhebungssituation unter Berücksichtigung von Gesten, Mimik und die das Interview begleitenden Handlungen (vgl. Heinzel 2000, 26).33 Trautmann merkt hier kritisch an, dass seiner Erfahrung nach (orientiert an einer Videoauswertung) ein »neutraler« Interviewstil bei Kindern eher dazu führt, dass sie sich ernst genommen fühlen, als ein »weicher« Interviewstil (vgl. Trautmann 2010, 85-86). Er rät dazu, den Kindern freundlich, bestimmt und respektvoll entgegenzutreten (vgl. Trautmann 2010, 86). Beide Perspektiven scheinen bedeutsam. 32 | In der Vorstellung partizipativer und inklusiver Forschungsansätze wird dieser Aspekt wieder aufgegriffen. 33 | In der hier vorgeschlagenen Dokumentation ist durch die Datenfixierung per Videoaufzeichnung dieser Aspekt entsprechend berücksichtigt, um ihn nicht nur in der Erhebungssituation, sondern auch in der Auswertung berücksichtigen zu können.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle, dass Trautmann seine Erhebung mit Schulkindern durchgeführt hat, an dieser Stelle jedoch fünf- und sechsjährige Kinder interviewt werden, die zum Teil bedingt durch Entwicklungsretardierungen oder stark irritierende Erfahrungen im Entwicklungsverlauf sozial-emotional auf einem anderen Entwicklungsstand beobachtet werden. So werden in der hiesigen Erhebung die Erfahrungen berücksichtigt mit der Ergänzung, die Formulierungen und den Interviewstil innerhalb der Erhebungssituation entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes anzupassen. Dieses erfordert ausreichend Flexibilität in der Vorgehensweise, die jedoch durch das leitfadenorientierte Vorgehen gegeben ist. Des Weiteren sind die Auswahl des Ortes, an dem die Erhebung stattfindet, und die Dauer des Interviews auf die Zielgruppe einzustellen (vgl. Heinzel 2010, 711). Der Ort sollte vertraut sein und frei von Störungen (vgl. Heinzel 1997, 405). Die Länge des Interviews sollte den Aufmerksamkeitsspannen der Kinder angepasst sein. Pausen sollten eingeplant sein und entsprechendes Pausenmaterial bereitgestellt werden. Trautmann beschreibt verschiedene Phasen innerhalb eines Interviews (vgl. Trautmann 2010, 69-71). Zu berücksichtigen sind hier das Vertrautwerden mit der Situation (Begrüßungs- und Anwärmphase), das intensive Einlassen auf die Erhebungssituation, um die intendierten Inhalte zu bearbeiten (Arbeitsphasen mit Vertiefungs- und Erweiterungsphasen), bei Bedarf das Einarbeiten von Richtungswechseln oder neuen Fokussierungen (Richtungswechsel oder Scheidewegphasen), um beim Thema zu bleiben, das Berücksichtigen von Pausen und Erholungsphasen (Auftauch- und Erholungsphasen), um die Konzentrationsfähigkeit auf beiden Seiten halten zu können, und eine gute Überleitung aus dem Interview in die Alltagssituation zurück. Trautmann rät auch, Kinder durchaus über Reizworte zu provozieren, um den Spannungsbogen zu halten. Hier ist jedoch äußerste Professionalität gefordert, um Kinder nicht zu verschrecken und zu blockieren (vgl. Trautmann 2010, 70). Da diese hier nicht vorausgesetzt werden kann, werden bewusste Provokationen nicht eingesetzt. Die Datenerhebung sollte durch eine Person durchgeführt werden, die verantwortlich in den Forschungsprozess involviert ist, um inhaltlich flexibel auf die Äußerungen des Interviewpartners reagieren zu können (vgl. Hopf 2008, 358). Darüber hinaus scheint eine Alltagskompetenz34 in der Gesprächsführung bedeutsam (vgl. ebd.). Im Falle dieser Arbeit wird die Datenerhebung von der Forscherin selbst durchgeführt. Durch ihre langjährige Berufserfahrung als Heilpädagogin in der Arbeit mit Kindern mit und ohne adressierte Behinderung im Alter früher Kindheit ist diese Voraussetzung erfüllt. Das Interview im Kontext adressierter Behinderung »Menschen mit geistiger Behinderung wurde die Kompetenz zur aktiven Mitwirkung in Forschungsprozessen lange Zeit abgesprochen« (Seifert 2009, 73). In diesem Abschnitt werden Zugänge skizziert, über die es innerhalb wissenschaftlicher Arbeiten möglich war, empirische Erhebungen unter der aktiven Teilnahme von Menschen mit adressierten Lernschwierigkeiten oder geistiger Behinderung

34 | Hopf differenziert problematische Gesprächsverläufe, auf die an dieser Stelle verwiesen wird (vgl. Hopf 2008, 358-360).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

durchzuführen. Zudem werden Probleme erläutert, die in die Überlegungen des hiesigen Forschungsdesigns einfließen. In dieser Arbeit wird keine Auswahl der Interviewten hinsichtlich der Art und Schwere der adressierten Behinderung getroffen (vgl. Kapitel 4.1.2.2). Einzige Voraussetzung der Teilnahme ist, dass die Kinder sich innerhalb der Interaktionssituation Interview mitteilen können. Ihre Mitteilungen können auch aus Einwortsätzen oder körperlichen Zeichen bestehen, solange es der Forscherin gelingt, sie in Bezug auf die Fragestellung der Arbeit zu beobachten und nachvollziehbar in den Forschungskontext einzubeziehen. »Interviews setzen auch bei diesem Personenkreis die Fähigkeit zur Kommunikation (in verbaler oder anderer Form) und grundlegende kognitive Fähigkeiten (Fähigkeit zum Verstehen und Differenzieren von Inhalten) voraus« (Kulig, Theunissen 2010, 538). Seifert bestätigt diese Einschätzung, indem sie ebenfalls die Datenerhebung bei Menschen, »[…] die nicht oder kaum für sich selbst sprechen können« problematisiert (Seifert 2009, 74). Schuppener erweitert die Möglichkeit des verbalsprachlichen Interviews über selbstentwickelte Fragebögen mit Piktogrammen und nonverbale Selbstbeschreibungen über Bilder (vgl. Schuppener 2009, 314). Aus systemtheoretischer Sicht muss der Versuch, einen objektiven Beobachtungsstandpunkt zu bestimmen, der beurteilen kann, welche kommunikativen und kognitiven Voraussetzungen notwendig für eine erfolgreiche Teilnahme an einem Interview sind, in Frage gestellt werden (vgl. Kapitel 3.3.2 und 3.3.3). So wird sich hier explizit auf die wissenschaftliche Beobachtungsperspektive als Bezugspunkt bezogen (vgl. Kapitel 3.2). Grundsätzlich gelten Interviews als möglicher Zugangsweg in der Datenerhebung eines inklusiven Forschungsvorhabens. Koenig und Buchner arbeiten beispielsweise über narrative Interviews im Rahmen der Generierung von Lebensgeschichten innerhalb eines partizipativen Forschungsvorhabens mit erwachsenen Menschen mit adressierter Behinderung. »Narrative Methoden sind ein Weg, die Perspektiven und Erfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten einzufangen« (Koenig, Buchner 2011, 146). Dabei ist für sie von Bedeutung, von der Kompetenz ihrer Interviewpartner_innen auszugehen. Diese Annahme schließt an die aus systemtheoretischer Perspektive beschriebene notwendige Voraussetzung für soziale Operationen an, ausreichend psychische Eigenkomplexität potentiellen Mitteilungshandelnden zuzuschreiben. »Unter der Voraussetzung der jeweiligen Annahme der größtmöglichen sprachlichen Kompetenz des Interviewpartners bzw. der Interviewpartnerin, kann in narrativen Befragungen der Person ausgiebig Raum gegeben werden, die Erzählung selbst zu strukturieren und von ihren Erlebnissen zu berichten« (Koenig, Buchner 2011, 146). Unter diesen Voraussetzungen kommt es ihrer Beobachtung nach nicht zu pauschalen Ja-Antworten, die nach der Erfahrung von Kulig und Theunissen häufig bei Menschen mit Lernschwierigkeiten erkennbar werden, ohne dass sich im Kontext der Interviewsituation ein inhaltlicher Bezug zur Frage zeigt (vgl. Kulig, Theunissen 2010, 538). Nach Buchner und Koenig ist dieses Antwortverhalten zudem, u. a. in Bezug auf die Studien von Rapley, in Zusammenhang mit den kommunikativen Anschlüssen des Interviewenden zu bewerten. Rapley arbeitete heraus, dass das Antwortverhalten mehr im Zusammenhang mit der Frageform des Interviewenden, als mit den Sinnbezügen des Interviewten steht (vgl. ebd.). Buchner und Koenig veranschaulichen: »Er konnte eindrucksvoll nachweisen, dass die Interviewsitua-

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

tionen von einer asymmetrischen Machtsituation geprägt waren, in denen durch zum Teil wiederholte und nachbohrende Fragestellungen die dem Interviewer genehme Antwort schließlich gegeben wurde« (Buchner, Koenig 2011, 2). Im Hinblick auf das hier geplante Vorhaben wird dieser Aspekt im besonderen Maße berücksichtigt. U. a. über die Orientierung an systemischen Fragestellungen wird ein methodischer Ansatz gewählt, der die Wertschätzung gegenüber den Aussagen der Interviewpartner_innen zu vermitteln versucht (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Als ein Beispiel für erfolgreiche Interviewsituationen kann die Erhebung von Puhr erwähnt werden. Puhr forscht über initiierte narrativ-episodische Interviews, in die auch Menschen mit Lernschwierigkeiten involviert sind, über die Herstellung von biographischen Porträts (vgl. Puhr 2009, 18). Kuhlig und Theunissen bestätigen diese Möglichkeit. »Für alle […] Menschen mit Lernschwierigkeiten stellen qualitative Interviewverfahren eine der wenigen Möglichkeiten dar, Einblick in ihre persönlichen Einstellungen und Werturteile zu gewinnen, da standardisierte Befragungen (quantitativer Art) aufgrund der großen Heterogenität des Personenkreises nicht oder nur in sehr eingeschränkter Form möglich sind« (Kulig, Theunissen 2010, 538). Neben der Erhebungsmethode ist die inhaltliche Ausrichtung des Forschungsvorhabens bedeutsam. So ist zentral, dass die Forschungsfrage und das Thema oder die Problemstellung für den Menschen mit adressierter Behinderung von Bedeutung sind und dessen Interesse innerhalb des Forschungsvorhabens eine Rolle spielt und / oder dieses vorantreibt (orientiert an Walmsley, Johnson 2003, 6435). Diese Ausrichtung ist jedoch nicht als behinderungsspezifisch zu bezeichnen. Sie trifft auf alle an einem Forschungsvorhaben Beteiligten zu und sollte somit bei jedem Forschungsvorhaben beachtet werden. Die besondere Bedeutung des kommunikativen Anschlusses für Kinder mit und ohne adressierte Behinderung wurde in Kapitel 1 dargelegt.36 Koenig, Postek und Stadler-Vida haben die Erfahrung gemacht, dass darüber hinaus die Durchführung der Interviews an einem durch die Interviewpartner_innen bestimmbaren Ort und Zeitpunkt die Möglichkeit zur Teilnahme erhöhte (vgl. Koenig, Postek, Stadler-Vida 2012, o. S.). Darüber hinaus wurde das leitfadengestützte Interview in einer Einzelsituation als niedrigschwelliger eingeschätzt als eine Erhebungssituation innerhalb einer Fokusgruppe (vgl. ebd.). Diese erweist sich auch in der Erhebung von Behr (vgl. Behr 2009, 214), Sorge (vgl. Sorge 2010, 11 und 100-102) und Palmowski37 (vgl. Schlote 2010, 252) als günstig. So wird hier 35 | An dieser Stelle sind nicht alle Aspekte, die von Walmsley und Johnson benannt werden, aufgeführt, da bei ihnen ein anderes Verständnis eines inklusiven Forschungsprozesses besteht, als er in Kapitel 4.1.1 für dieses Forschungsvorhaben definiert wurde. Die hier dargestellten Aspekte stellen jedoch eine relevante Bereicherung für die hier geplante Erhebung dar. 36 | Vor diesem Hintergrund erscheinen zusätzliche Informationen z. B. biographische Kenntnisse oder andere »objektivere« Datenquellen) nötig, um Sinnbezüge der Interviewten aus der Beobachtungsposition der Forscherin heraus erkennen und rekonstruieren zu können. 37 | Schlote erläutert das Vorhaben von Palmowski, innerhalb dessen u. a. 9 Schüler einer Förderschule für Menschen mit adressierter geistiger Behinderung Aussagen über Normalität und Behinderung im Rahmen eines Interviews machen.

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von vornherein von Gruppeninterviews Abstand genommen und das Interview in der Einzelsituation gewählt. Grundsätzlich scheint der Zugang zu Menschen mit adressierter Behinderung, die Kennenlernphase und damit das Finden von Interviewpartner_innen u. a. durch Zwänge innerhalb von Institutionen, in denen die Menschen oft leben, erschwert (vgl. Kulig, Theunissen 2010, 538). Im Rahmen dieser Arbeit ist der Zugang zu den Interviewpartner_innen über die Forscherin selbst gegeben, die in der Einrichtung, in der sie forscht, als Heilpädagogin arbeitet (vgl. Kapitel 4.1.2.3). Als besonders bedeutsam wurde bereits die Verwendung systemisch-konstruktivistisch orientierter Fragestellungen vorgestellt (vgl. Sorge 2009, 53-69). In Kapitel 4.1.3 wird beschrieben, inwiefern diese in der Kommunikation mit Kindern mit und ohne adressierte Behinderung im Rahmen dieses Forschungsvorhabens in ein Passungsverhältnis gebracht werden können. Grundsätzlich ist die Auswahl der gesprochenen Worte, die Satzlänge, der Bezug auf Kontextbedingungen, die Anzahl der Sätze auf die einzelnen Kinder individuell anzupassen und somit eine gemeinsame Kommunikationskultur zu erarbeiten (vgl. Goeke, Terfloth 2006, 48). Schuppener empfiehlt den Gebrauch der »einfachen Sprache« (vgl. Schuppener 2009, 314). Grob-Paeprer und Podlesch berichten von dem erfolgreichen Einsatz von Visualisierungshilfen (in Form von Fotos, Wetterkarten oder Holzklötzen) (vgl. Grob-Paeprer, Podlesch 2000, 268). Vergleichbar positive Erfahrungen macht auch Behr mit dem Einsatz von Emotions-, Bild- und Fotokarten (vgl. Behr 2009, 191-215). Im Rahmen des Pretests (vgl. Kapitel 4.1.3.1) werden diese Kommunikationshilfen entsprechend erprobt, um hier eine geeignete Form der Unterstützung anzubieten. Bevor das für die konkrete Erhebung erarbeitet wird, erfolgt eine genauere Bestimmung des Samplings.

4.1.2 Das Sampling Hafen weist darauf hin, dass die Systemreferenz in einer empiriegeleiteten Beobachtung entscheidend ist, da sich Inklusion und Exklusion in Bezug auf ein spezifisches Adressenfragment im Anschluss an unterschiedliche soziale Systeme sehr verschieden darstellen können (vgl. Hafen 2011a, 87-88). So skizziert er beispielhaft: »Das Adressenmerkmal ›Ausländer‹ oder ›Albaner‹ beeinflusst die Inklusionschancen in eine Kirche anders, als die Inklusionsmöglichkeiten in das politische System oder in eine Arbeitsorganisation« (Hafen 2011a, 88). In diesem Kapitel wird dargestellt, hinsichtlich welcher Systemreferenz die hier im Fokus stehende Interaktion beobachtet wird. An dieser Stelle wird das Sampling bestimmt, bevor im darauf folgenden Kapitel 4.1.3 die konkrete Gestaltung der empirischen Erhebung erfolgt. Die Auseinandersetzungen in dieser Arbeit leiten sich u. a. von dem im Artikel 24, Abs. 1 der UN-BRK formulierten inklusiven Bildungsrecht ab (vgl. Kapitel  1). So sind hier Organisationen zu betrachten, die einen Bildungsauftrag zu erfüllen haben (vgl. Kapitel  1).38 Es wurde bereits dargestellt, dass es an dieser Stelle um 38 | Auch wenn es sich in der UN-BRK nicht um ein einklagbares Recht handelt (vgl. Albers 2011, 29), so verpflichten sich doch alle Vertragsstaaten zur schrittweisen Realisierung der dort genannten Bestimmungen im nationalen Recht über entsprechende Ländergesetze (vgl. Albers 2011, 26).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

kommunikative Relevanz von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen geht (vgl. Kapitel 1 und 2.7).39 Entsprechend steht eine spezifische Interaktion, die unter den Regeln einer Organisation als soziales System stattfindet, im Fokus, »[…] das sich vom Typus zufälliger, ungeplanter und durch Anwesenheit begrenzter ›Interaktionssysteme‹ unterscheidet« (Kreuzer 2008a, 171), wie es sich beispielsweise auf einem öffentlichen Spielplatz bilden kann, da an sie Ansprüche in Bezug auf ihre Mitgliedschaft erhoben werden können.40 Im Rahmen dieser Arbeit geht es jedoch nicht um Organisationen als soziales System. Es erfolgt an dieser Stelle folgerichtig auch keine Auseinandersetzung darüber, inwiefern Mitgliedschaften Auswirkungen auf inklusive Bildungsprozesse haben. Wie dargelegt, geht es hier um die Interaktion unter Anwesenheit als kleinste Einheit des sozialen Systems. Dennoch wird auf Organisationen dahingehend Bezug genommen, dass die Erhebung der empirischen Daten unter den Kontextbedingungen einer Organisation erfolgt.41 Dieses wird wie folgt begründet: • Wie einleitend erläutert, werden elementarpädagogische Einrichtungen, auf deren Teilhabe es für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch gibt, als erste Bildungseinrichtung zunehmend intensiv genutzt (vgl. König 2012, 152). • Ebenso wurde in Kapitel 1 dargestellt, dass elementarpädagogische Einrichtungen wenig auf Selektion ausgerichtet sind und sich dadurch ein Interaktionssystem beobachten lässt, das »[…] einen relativ großen und wenig vorneweg und personenunabhängig geregelten Spielraum für kontingente, d. h. mögliche, aber nicht notwendige, Interaktionen bietet […]« (Kreuzer 2008a, 172). • Je nach Konzeption der einzelnen Einrichtung ist es möglich, innerhalb der Organisation Kindertagesstätte42 Kindern Interaktionssysteme anzubieten, in 39 | Die Kriterien, welche dazu führen, dass hier Behinderungen Kindern zugeschrieben werden, folgt an dieser Stelle der Einteilung der Einrichtung, die, formal begründet (s. u.), Kinder als Menschen mit und ohne heilpädagogischen Förderbedarf, orientiert am SGB IX §2 (vgl. Kapitel 1), unterscheidet. Diese individuenzentrierte Ausrichtung entspricht nicht den systemtheoretischen Begriffskonzepten (vgl. Kapitel 2.4). Da auf der Systemebene der Organisation und der Funktionssysteme der Gesellschaft jedoch am personengebundenen Behinderungsbegriff angeschlossen wird und damit die Zuteilung (heilpädagogischer) Ressourcen verbunden ist (vgl. SGB IX §55 und §56, SGB XII §53 und UN-BRK Artikel 1), erlangt sie in dieser Arbeit Bedeutung (vgl. Kapitel 1). 40 | An dieser Stelle wird sich auf den systemtheoretischen Organisationsbegriff bezogen, bei dem sich die Teilhabe an Organisationen über Mitgliedschaft bestimmt (vgl. Wetzel 2004, 130). Kindertagesstätten werden hier als Organisationen betrachtet (vgl. Kreuzer 2008a, 172). 41 | Die Daten sind dabei nicht nur im Allgemeinen vor dem Hintergrund der hier ausgewählten Bildungsinstitution Kindertagesstätte als sozialem System zu bewerten, sondern stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Interaktionen und Sinnbildungsprozessen, die in dieser speziellen KiTa angeregt werden. 42 | Der Begriff Kindertagesstätte steht hier stellvertretend für alle elementarpädagogischen Einrichtungen und schließt Kindergärten und vergleichbare Einrichtungen ein. An einigen Stellen der Arbeit, primär innerhalb des empirischen Bezugs, wird sie auch als »KiTa«

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denen Kinder mit und ohne adressierte Behinderung kommunizieren. Diese Möglichkeit hat sich deutschlandweit von 1998 bis 2009 nahezu verdoppelt (vgl. König 2012, 148). Aufgrund dessen scheint es auch aus dieser Perspektive besonders bedeutsam, hier die Interaktionsprozesse differenzierter zu beobachten. Da für die Fragestellung dieser Forschungsarbeit wiederholte Erfahrungen mit dem beschriebenen Interaktionssystem wesentlich sind, wird hier auf eine Einrichtung Bezug genommen, in der seit über 25 Jahren diese Kommunikationsbedingungen für Kinder bestehen: Die Heilpädagogische Integrationseinrichtung KiTa Nortorf. Diese wird im Folgenden vorgestellt.

4.1.2.1 Einrichtungsporträt Die empirische Erhebung erfolgt in der Heilpädagogischen Integrationseinrichtung KiTa Nortorf (KiTa Nortorf oder KiTa). Die KiTa Nortorf befindet sich in einer kleinen Stadt des Kreises Rendsburg-Eckernförde in Schleswig-Holstein. Nortorf erstreckt sich über eine Fläche von 1.276,7454 ha, hat ca. 6250 Einwohner_innen und ist Mittelpunkt eines Umlandes von ca. 20 Gemeinden (vgl. Homepage der Stadt Nortorf: http://www.amt-nortorfer-land.de/unsere-gemeinden/nortorf.html). In Nortorf werden verschiedene Bildungsinstitutionen bereitgestellt, bestehend aus drei elementarpädagogischen Einrichtungen, einer Grundschule, einer Gemeinschaftsschule (offene Ganztagsschule) und zwei Förderzentren (Schwerpunkt Lernen und geistige Entwicklung). Die KiTa Nortorf, eine Einrichtung des Diakonie-Hilfswerkes Schleswig-Holstein, ist eine der drei elementarpädagogischen Einrichtungen. Sie ist aus der Initiative von Eltern behinderter und nicht behinderter Kinder entstanden.43 Seit 1986 bietet sie ein Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder mit und ohne Behinderung an (vgl. Konzeption der KiTa Nortorf 2013, 3).44 Seit 1989 / 90 wird dieses Angebot durch eine heilpädagogische Tagesgruppe für 10-12 schulpflichtige Kinder ergänzt, die im Rahmen der Hilfen zur Erziehung durch das Jugendamt bewilligt werden. Darüber hinaus ist die KiTa Nortorf seit 2004 / 2005 auch im Bereich der ambulanten heilpädagogischen Hilfen (gemäß SGB XII in Verb. SGB IX) tätig. In diesem Rahmen arbeiten die heilpädagogischen Fachkräfte der Einrichtung über individuell mit dem Jugendamt / der Eingliederungshilfe verbezeichnet. Dieses Kürzel ist innerhalb der Einrichtung entstanden, in der die empirische Erhebung durchgeführt wurde. 43 | Um eine bessere Lesbarkeit des Textes anzubieten, werden im Rahmen des Einrichtungsporträts die Begriffe der KiTa für Kinder mit und ohne adressierte Behinderung und die Unterscheidung der angebotenen Plätze genutzt (vgl. 4.1.2). 44 | Das Einzugsgebiet der KiTa Nortorf für Kinder mit und ohne Behinderungen unterscheidet sich. »Obwohl inzwischen entsprechend der gesetzlichen Anforderungen integrative Angebote in einigen Regelkindergärten aufgebaut wurden, ist der Bedarf an Integrationsplätzen für Kinder mit Behinderungen noch immer deutlich größer. So sehen wir uns weiterhin in der Verantwortung, behinderte bzw. von Behinderung bedrohte Kinder aus dem ehemaligen Einzugsbereichs des Sonderkindergartens aufzunehmen. Die Kinder ohne Behinderung kommen aus der Stadt Nortorf und dem Amtsbereich Amt Nortorfer Land« (KiTa Nortorf 2009, 40).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

einbarte Fachleistungsstunden in Kindergärten / K indertagesstätten, vereinzelt in Schulen oder im Rahmen von Frühförderung in Familien vor Ort. Seit 2011 wird das Angebot der KiTa durch zunächst eine und seit 2013 eine zweite U3 Gruppe für 1- bis 3-jährige Kinder mit je 10 Plätzen ergänzt. Die Auswahl dieser Einrichtung erfolgte aus folgenden Gründen: Die KiTa Nortorf stellt eine für Schleswig-Holstein exponierte Einrichtung dar, da sie seit ihrer Gründung eine gleichzeitige Anerkennung als Regel- und Sonderkindergarten hat (vgl. Konzeption der KiTa 2013, 3). In die KiTa kann jedes Kind aufgenommen werden, unabhängig vom adressierten Schweregrad oder der Komplexität seiner zugeschriebenen Behinderung, Retardierung, Schädigung oder Verhaltensauffälligkeit. Die Gruppenstruktur ist dabei in Bezug auf diese Zuschreibungen heterogen ausgerichtet. Beispielhaft dafür ist, dass es in der Regel in jeder Gruppe Kinder gibt, die dem Personenkreis der Menschen mit adressierter Schwerstmehrfachbehinderung zugeordnet werden. Darüber hinaus entstehen gruppenübergreifend verschiedene Begegnungsmöglichkeiten durch wöchentlich stattfindende gruppenübergreifende Projekte. Der pädagogische Alltag und die heilpädagogische Förderung sind für alle Kinder so organisiert, dass fast ausschließlich in gemeinsamen Räumlichkeiten in unterschiedlichen Gruppenzusammensetzungen agiert wird. Als originär heilpädagogisch definierte Angebote (wie beispielsweise das heilpädagogische Reiten und Schwimmen oder Psychomotorik) erfolgen primär in heterogener Gruppenstruktur, bezogen auf das Adressenfragment behindert / nicht behindert. So operiert das soziale System vor dem Hintergrund einer Umwelt, die für die Fragestellung der Arbeit ausreichend Komplexität aufweist. Die beobachtbaren kommunikativen Anschlussoptionen gestalten sich hinsichtlich des Adressenfragmentes Behinderung zusammenfassend betrachtet sehr facettenreich. Dadurch stellen die Kinder dieser Einrichtung sich als legitime »Zeitzeugen / Vertreter«, für die »Kultur« dar, die an dieser Stelle analysiert werden soll (vgl. Fuhs 2007, 63). Im Folgenden sollen die Eckdaten des Elementarbereichs der KiTa Nortorf näher vorgestellt werden.45 Pädagogische Ausrichtung Ausgangspunkt der pädagogischen Ausrichtung der KiTa Nortorf waren bei ihrer Gründung die Praxismodelle gemeinsamer Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder in Kindertagesheimen in Bremen (vgl. Feuser 1987) und die wissenschaftliche Begleitung durch die Universität Bremen über Prof. Dr. Georg Feuser und Heike Meyer (vgl. Konzeption der KiTa Nortorf 2013, 3). Orientiert an der tätigkeitstheoretischen Ausrichtung hat sich ein Alltag in der KiTa etabliert, in dem alle Situationen des täglichen Lebens als Lern- und Bildungssituationen verstanden werden und entsprechend gestaltet sind. So ist beispielsweise das selbst zubereitete gemeinsame Frühstück ebenso zentral und fest in den Tagesablauf integriert, differenziert strukturiert und pädagogisch durchdacht wie gemeinsame Einkäufe auf dem Wochenmarkt, der Besuch des Schwimmbades, inhaltliche Projekte oder das Spielen im Bewegungsraum.

45 | Für eine umfangreiche Darstellung der Heilpädagogischen Integrationseinrichtung KiTa Nortorf wird auf die Konzeption der Einrichtung verwiesen (vgl. KiTa Nortorf. Heilpädagogische Integrationseinrichtung 2013).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Aktuelle pädagogische Diskurse um Qualität, Teilhabe, Inklusion und Bildung, die sich auch in den 2004 entwickelten Bildungsleitlinien für elementarpädagogische Einrichtungen des Landes Schleswig-Holstein wiederfinden, haben die Pädagogik der KiTa über die Jahre stetig weiterentwickelt und modifiziert. So wurde die Konzeption der Einrichtung mehrfach ergänzt, erweitert und umgeschrieben (vgl. Konzeption der KiTa 2013, 4). Gruppenstruktur Zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten sind 60 Kindergartenplätze im Regelbereich und 32 Plätze im teilstationären Bereich in 6 Stammgruppen aufgeteilt. 1-2 Kinder des Regelbereiches stellen Kinder mit ambulantem heilpädagogischem Förderbedarf dar. Die Plätze des teilstationären Bereiches sind ergänzend mit 3 Überhangplätzen ausgestattet. So kann davon ausgegangen werden, dass 10 bis 12 Kinder dem Regelbereich und 6 bis 9 Kinder den Bereichen teilstationärer oder ambulanter heilpädagogischer Förderung zugeordnet werden. Über die genaue Gruppenzusammensetzung zum Zeitpunkt der Erhebung wird in Kapitel 4.1.3.2 informiert. Durch die besondere Betriebserlaubnis der KiTa Nortorf (als Regel- und Sondereinrichtung) befinden sich in den einzelnen Stammgruppen prozentual viele Kinder mit heilpädagogischem Förderbedarf und daran orientiert mehr Personal in den Gruppen.46 Die Kinder sind zwischen 7:00 und 17:00 Uhr in der Einrichtung, mit einer Kernzeit zwischen 8:00 und 14:00 Uhr (vgl. Konzeption der KiTa 2013, 47). Personelle Bedingungen Das pädagogische Team jeder Gruppe ist multiprofessionell zusammengesetzt. Es besteht zum Zeitpunkt der Erhebung aus jeweils einer / m staatlich anerkannten Erzieher_in  /  Heilerzieher_in, einer  /  m Erzieher_in mit Zusatzausbildung oder Heilpädagog_in_en bzw. Diplom-Heilpädagog_in_en, einer / m weiteren Erzieher_in, Kinderpfleger_in oder Sozialpädagogischen Assistent_in_en, ein bis zwei BFD / FSJ oder Praktikant_innen und Angestellte im Erziehungsdienst.47 Für die fachliche Vorbereitung der Arbeit und Reflexion steht den Teams ein Besprechungswesen zur Verfügung, das regelmäßige Gespräche in unterschiedlicher fachlicher Zusammensetzung ermöglicht. So können sich Kolleg_innen mit gleichen und unterschiedlichen Qualifikationen und Aufgabenfeldern austauschen und beraten. Darüber hinaus prüft die Einrichtung die Qualität ihrer Arbeit über 46 | Diese Gruppenzusammensetzung stellt sich zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten als modellhaft dar. Nach dem Schleswig-Holsteinischen KiTa-Gesetz und den bestehenden Mindestverordnungen besteht in der Regel eine integrativ arbeitende Kindergartengruppe aus 11 Kindern, die dem Regelbereich zugeordnet werden, und 4 Kindern mit anerkanntem teilstationärem Förderbedarf. Zudem gibt es noch die Form der Einzelintegration, bei der ein Kind mit teilstationärem Förderbedarf unter Veränderung der Gruppengröße in eine Regelkindergartengruppe integriert wird. Bei einer ambulanten heilpädagogischen Förderung werden die Rahmenbedingen der Gruppe nicht verändert. Zu den bundesweiten gesetzlichen Grundlagen der Kindertagesstätten sei an dieser Stelle auf den Überblick von Albers verwiesen (vgl. Albers 2011, 30-31). 47 | Je nach Betreuungs- und Förderbedarf der einzelnen Kinder der Gruppen arbeiten die verschiedenen Teammitglieder in Teilzeitform.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

die Umsetzung des GAB-Verfahrens.48 Ergänzt werden alle pädagogischen Teams durch Logopäd_innen und Physiotherapeut_innen, die wöchentlich als externe Fachkräfte kassenärztliche Therapien innerhalb der Räumlichkeiten der KiTa anbieten und somit einen regelmäßigen interdisziplinären Austausch ermöglichen. Bei besonderem Beratungsbedarf kommen Kolleg_innen aus Förderzentren mit besonderen Spezialkenntnissen (z. B. für Sinnesbehinderungen oder AutismusSpektrums-Störungen) oder andere Fachkräfte (z. B. Mitarbeitende des Kinderschutzzentrums) zusätzlich in die Einrichtung. Für die Überleitung in die Schule besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Grundschule und den verschiedenen Förderzentren Nortorfs und Umgebung. Für diagnostische Zwecke oder zur Ergänzung der Förderplanung wird mit verschiedenen pädiatrischen Zentren und psychotherapeutischen Praxen innerhalb Schleswig-Holsteins und Hamburgs zusammengearbeitet. Räumliche Umgebung Die Kinder des Elementarbereichs der KiTa Nortorf werden in 6 Gruppeneinheiten in einem ebenerdigen barrierefreien Haus betreut und gefördert. Jede Gruppeneinheit besteht aus einem Gruppenraum mit integrierter Küche und verschiedenen Funktionsbereichen, angrenzendem Badezimmer und ein bis zwei Nebenräumen. Die Materialausstattung und Gestaltung der Räume erfolgen individuell durch die Teams und orientieren sich an den Erfordernissen der einzelnen Kinder der Gruppe. Jedem Gruppenraum zugeordnet ist ein kleiner abgegrenzter individuell gestalteter Außenspielbereich. Dieser wird ergänzt durch ein ca. 2000 qm großes Außengelände mit verschiedenen Spielgeräten und -bereichen, das allen Gruppen zur Verfügung steht. In 8 km Entfernung zur Einrichtung ist ein privates Waldstück nutzbar. In diesem finden naturkundliche Projekte statt. Darüber hinaus besitzt die Einrichtung ein eigenes Pferd, das von allen Gruppen für Reit- und Pflegeangebote genutzt wird. Ergänzend fährt jede Gruppe regelmäßig in ein öffentliches Schwimmbad der benachbarten Großstadt. Nach der Vorstellung der Einrichtung, in der die Erhebung erfolgt, wird nun die Zusammensetzung der Interviewgruppe, das Sample, genauer bestimmt.

4.1.2.2 Zusammensetzung des Samples Es geht im Rahmen qualitativer Forschung nicht darum, ob »Fälle«49 repräsentativ für andere Interaktionssysteme sind, sondern darum, ob sie als exemplarisch für die hier relevante Fragestellung betrachtet werden können. Im Rahmen qualitativer Forschung ist nicht eine Stichprobe, sondern ein Sample, eine »Fallsammlung« intendiert, die in diesem Sinne als bedeutsam bewertet werden kann (vgl. Fuhs 2007, 60-61). Entscheidend ist hier die perspektivische Typik, welche in Bezug auf die Ausrichtung des Forschungsvorhabens theoretisch zu begründen ist (vgl. Bohnsack, Marotzki, Meuser 2011, 95). In diesem Sinne gelten grundsätzlich alle 48 | Das GAB-Verfahren (GAB steht für Gesellschaft für Ausbildungsforschung und Berufsentwicklung) ist ein Verfahren für Qualitätssicherung und -entwicklung in pädagogischen und sozialen Einrichtungen (vgl. Brater 2007). 49 | An dieser Stelle soll dafür sensibilisiert werden, dass sich die pädagogische Beobachterperspektive nicht auf Fälle, sondern auf Kinder bezieht. Da es sich hierbei jedoch um einen gängigen Begriff im Forschungskontext handelt, wird er an dieser Stelle verwendet.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Kinder der KiTa Nortorf als kompetent in Bezug auf die Fragestellung, da alle diesbezüglich qualifizierende Erfahrungen machen. Alle Kinder sind in der Lage, kommunikative Anschlüsse von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung zu beobachten und selbst an das kommunikative Angebot, das sich an diesen ausflaggt, anzuschließen. So werden im Rahmen dieser Arbeit alle fünf und sechsjährigen Kinder50 der KiTa in die empirische Erhebung in gleichem Maße einbezogen, unabhängig vom adressierten Förderbedarf oder aktuellen Entwicklungsstand. Entsprechend erfolgt die Erhebung mit Kindern, die sich auf sehr unterschiedlichen Entwicklungsniveaus im Vergleich zur Altersnorm befinden und sich anteilig unter Bedingungen verschiedener adressierter Behinderungen entwickeln und interagieren (das heißt, dass sich die Kindergruppe der Kinder mit adressierter Behinderung über ein sogenanntes unspezifisches Behinderungsbild zusammensetzt). Diese Auswahl stellt keine Stichprobe einer Grundgesamtheit dar.51 Im Rahmen eines qualitativen Forschungsvorhabens ist das jedoch auch nicht erforderlich (s. o.). Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in Bezug auf die Fragestellung weitere Differenzmerkmale (wie beispielsweise Alter, Schicht / Milieu, Gender, Kultur / Ethnie, Disability / Ability, Religion oder Geschlecht) in der Interaktion zum Tragen kommen und die Beobachtungsperspektive beeinflussen. Wie bereits in Kapitel 1 erläutert, können diese Aspekte jedoch nicht im Rahmen der Auswertung berücksichtigt werden. Grundsätzlich soll auch an dieser Stelle noch einmal mitgeteilt werden, dass nur Kinder interviewt werden, die während der Vorstellung des Forschungsvorhabens in den Gruppen oder im Rahmen eines persönlichen Gesprächs Interesse an der Teilnahme an dem Interview zeigen, um der wichtigsten Anforderung an ein Kinderinterview zu entsprechen, dass es den Kindern Spaß macht (vgl. Behr 2009, 152) (vgl. Kapitel 4.1.2.4). Ein selektives Kriterium hinsichtlich der Zusammensetzung der Proband_innengruppe stellt die Voraussetzung dar, dass die interviewten Kinder mindestens seit einem Jahr die KiTa besucht haben müssen, um im Rahmen der Beobachtung auf einen vergleichbaren Erfahrungshorizont zurückgreifen zu können (vgl. Kreuzer 2008a, 175). Des Weiteren können nur jene Kinder interviewt werden, bei denen eine Einwilligung durch die Personensorgeberechtigten vorliegt (vgl. Kapitel 4.1.2.4). Darüber hinaus muss im Rahmen der Erhebung berücksichtigt werden, dass die Kinder innerhalb einer Interviewsituation als so dialogfähig von der Forscherin beobachtet werden, dass es ihr gelingt, Sinnbezüge in Bezug auf die Fragestellung der Arbeit herzustellen (vgl. Kapitel 4.1.1.3). Da dieses zum Teil nicht vor der Durchführung des Interviews erkennbar ist, kann eine entsprechende Auswahl erst anhand des erhobenen Materials vorgenommen werden. Davon ausgenommen sind Kinder, die über keine Verbalsprache oder kein alternatives Zeichensystem verfügen bzw. bei denen ausgehend von ihren kommunikativen Anschlüssen innerhalb von Alltagssituationen hin-beobachtet wird,

50 | Hinsichtlich der Begründung, die Zusammensetzung der Kinder am Alter zu orientieren, kann auf die Kapitel 4.1.1.3 und 4.1.3.1 und 4.1.3.3 verwiesen werden. 51 | Als beispielhaft kann hier angeführt werden, dass Behinderung als beobachtungsabhängiges Konstrukt vorgestellt wurde und selbst ausgehend von den aktuellen gesetzlich festgeschriebenen Definitionen als sehr heterogen beobachtet wird (vgl. Kreuzer 2008, 2526).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

dass ihr Anschluss an die Fragestellung der Arbeit im Rahmen der hier gewählten Erhebungs- und Auswertungsmethode für die Forschende nicht erkennbar wird.52 Das bestehende Beziehungsverhältnis zwischen den Kindern und der Forschenden und dessen Relevanz für die Forschungsarbeit wird im folgenden Kapitel vorgestellt.

4.1.2.3 Die Forschende im Kontext In Kapitel 4.1.1.3 wurde der Zugang zum Feld53 im Kontext von Behinderung als besonders schwierig dargestellt. Zudem wurde dort die Relevanz kompetenter Gesprächsführung im Alter früher Kindheit erörtert. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit ist der Forschungszugang durch die heilpädagogische Tätigkeit der Forschenden in der Einrichtung gelungen. Die Forschende arbeitet zum Zeitpunkt der Erhebung seit vielen Jahren als Pädagogin in der Institution, in der sie forscht, u. a. in einer der sechs elementarpädagogischen Gruppen. Nach Heinzel ist die Beziehungsdynamik Teil der Konstitutionsbedingung der Forschungssituation. »Fremdheit muss thematisiert und eine Balance zwischen Fremdheit und Vertrautheit hergestellt werden« (Heinzel 2010, 715). So wird es als besonders vorteilhaft eingeschätzt, dass die Forschende den meisten Kindern aus flüchtigen Begegnungen innerhalb der Einrichtung bekannt ist und somit von einer Vertrautheit auszugehen ist, jedoch keine enge Verwobenheit im Alltag besteht. Die meisten Kinder der KiTa Nortorf kennen sie als Erwachsene, der sie auf dem Flur, auf dem Außengelände der Einrichtung oder im Rahmen gruppenübergreifender Projekte begegnen, mit der sie zusammen im Morgenkreis singen oder als Spielpartnerin ihrer Bezugsgruppe. Im folgenden Kapitel wird auf die Doppelfunktion, als Forschende und Heil­ päda­gogin in einer Einrichtung zu arbeiten, hinsichtlich des Umgangs mit Kolleg_innen, Personensorgeberechtigten und Kindern neben weiteren forschungs­ ethischen Aspekten näher eingegangen.

4.1.2.4 Forschungsethische Aspekte In der Heilpädagogik gibt es seit ihrer Etablierung als eigenständiger Zweig in den Erziehungswissenschaften einen Diskurs um ihre ethische Positionierung (vgl. Kuhlig, Theunissen 2010, 535). Nicht zuletzt die »medizinische Forschung am Menschen« in der Zeit des Nationalsozialismus führt bis heute zu einer nicht unbelasteten Perspektive auf Forschung im Kontext von Behinderung (vgl. Terfloth, Janz 2009, 12).54 Hier erfolgt eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Bereiche, die für die hier geplante empirische Erhebung von Bedeutung sind.

52 | Auch an dieser Stelle muss auf Anschlussarbeiten verwiesen werden, die über ein anderes Forschungsdesign arbeiten. 53 | Nach Fuhs wird als Feld in der qualitativen Forschung ein Untersuchungsgebiet bezeichnet, in dem die empirischen Daten erhoben werden (vgl. Fuhs 2007, 61). 54 | Terfloth und Janz weisen explizit auf die Forschungsvorhaben in der Zeit des Nationalsozialismus und den damit im Zusammenhang stehenden durch das US-Militärgericht im Rahmen des Nürnberger Ärzteprozess 1947 erlassenen Nürnberger Kodex hin (vgl. Terfloth, Janz 2009, 12). Da grundsätzliche Ausführungen diesbezüglich den hier möglichen Rahmen sprengen, kann an dieser Stelle nicht auf die allgemeine Diskussion eingegangen werden. An

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

In der Erhebung der hier relevanten Daten werden forschungsethische Aspekte berücksichtigt und die Persönlichkeitsrechte der Befragten nach den bundes- und landesrechtlich geregelten Datenschutzgesetzen sichergestellt. »Der Respekt vor der Person, der Schutz ihrer Privatsphäre und die Minimierung der potentiellen Schädigung durch das Forschungsvorhaben muss Vorrang haben vor dem aus Wissenschaftsperspektive zu maximierenden Erkenntnisinteresse« (Miethe, Gahleitner 2010, 575). Der Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), insbesondere der an dieser Stelle relevante §4 über die Rechte von Proband_innen, wird im Rahmen der Datenerhebung anerkannt und berücksichtigt (vgl. DGfE 2012).55 Trotz dieser gesetzlichen Regelungen wird die konkrete Umsetzung in der Forschungsliteratur kontrovers diskutiert (vgl. Miethe, Gahleitner 2010, 574). Folgende Darstellungen konkretisieren, wie im Rahmen dieser Forschungsarbeit vorgegangen wird. Durch die Anonymisierung der Daten ist gewährleistet, dass eine formale Identifizierung der beteiligten Kinder ausgeschlossen werden kann. Als schwierig wird der Sachverhalt bewertet, dass über den zitierten Wortlaut, die Aussprache oder die Beschreibung besonderer Situationen auf einzelne Kinder Rückschlüsse gezogen werden könnten. An dieser Stelle stellt die Veröffentlichung qualitativer Daten ein größeres Risiko dar als die quantitativer Forschungsvorhaben. »So ist es beispielsweise für quantitative Verfahren, deren Ergebnisse sich im Ende in statistischen Daten widerspiegeln, sehr viel leichter als für qualitative, einer derartigen Forderung nachzukommen« (Miethe 2010, 930-931). Im veröffentlichten Teil der Arbeit werden unterschiedliche Kinder zitiert, um einer Personenkonturierung entgegenzuwirken. Zudem wird gewährleistet, dass kein Kind gegen seinen Willen oder den Willen seines Personensorgeberechtigten in die Erhebung der Daten einbezogen wird. Dafür werden die Kinder, im Rahmen der informierten Einwilligung (vgl. Miethe 2010, 929), in einem Vorgespräch über den Zweck und den Ablauf des Interviews aufgeklärt. Aufgrund des Alters der Probanden ist es wichtig, auch während der Erhebung auf nonverbale Indikatoren für eine mögliche Belastung oder Ablehnung der Interviewsituation zu achten, da Kinder im Alter früher Kindheit und Kinder, die unter den Bedingungen von Behinderung interagieren, diese nicht immer verbal mitteilen oder antizipieren können. Möglicherweise zeigt sich die fehlende Bereitschaft zur Teilnahme bei den Kindern erst innerhalb des Interviews. Entsprechend wird dieses sofort beendet und in Spielsituationen umgelenkt, wenn bei der Forschenden der Eindruck entsteht, dass ein Kind die Interviewsituation nicht mehr wünscht. Darüber hinaus wird insbesondere darauf geachtet, dass es nicht zu einem »Pseudo-consent« kommt (vgl. Miethe, Gahleitner 2010, 575). Der Abbruch des Interviews wird jederzeit ermöglicht. »Personen, die aufgrund ihrer Sprachkompetenz oder verbalen Fähigkeiten kaum in der Lage sind, die Folgen von Untersuchungen einzuschätzen, müssen diese entsprechend detailliert dargelegt werden, da die Zustimmung sonst leicht Gefahr läuft, pro forma zwar vorzuliegen, de facto aber weit entfernt von einem informed consent zu sein« (vgl. Miethe 2010, 929).

dieser Stelle kann nur, aufgrund der Umfänglichkeit des Themas, darauf in dieser Form hingewiesen werden. 55 | Die Form der Anonymisierung ist in Kapitel 4.2.1 dokumentiert.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Die Erziehungsberechtigten werden schriftlich über das Forschungsvorhaben informiert und bei Bedarf über persönliche Gespräche individuell aufgeklärt.56 Nur nach ihrer schriftlichen Einwilligungserklärung werden ihre Kinder in die Erhebung einbezogen. Das erhobene Datenmaterial kann nach Rücksprache mit den Kindern und unter ihrer Teilnahme durch die Eltern eingesehen werden.57 Im Umgang mit dem Erhebungsmaterial wird sich an Bortz und Döring orientiert (vgl. Bortz, Döring 2006, 313).58 Diese geben vor: • Das Interviewmaterial muss verschlossen und für Unbefugte unzugänglich auf bewahrt werden. • Der / die Interviewende sollte über die von ihm / ihr durchgeführten Interviews Stillschweigen bewahren oder Erzählungen zumindest so allgemein halten, dass kein Rückschluss auf die Befragungsperson möglich ist. • Das archivierte Befragungsmaterial sollte nur in Ausnahmefällen längerfristig auf bewahrt werden. Im Rahmen der Erstellung dieser Dissertation wird es nach Fertigstellung und Begutachtung der Arbeit vernichtet. Ergänzend ist darüber zu informieren, dass sich eine besondere Situation in der Erhebungssituation dieser Arbeit dadurch ergibt, dass die Forschende auch als Professionelle in der Einrichtung tätig ist (vgl. Kapitel  4.1.2.3). Um an dieser Stelle nicht in eine »Rollenkonfusion« (Miethe, Gahleitner 2010, 579) zu geraten, werden die Ergebnisse der Interviews ausschließlich im Rahmen der Veröffentlichung den Mitarbeiter_innen (und damit den Kolleg_innen der Einrichtung) mitgeteilt und nicht über persönliche Berichte oder innerhalb von Teamreflexionen oder -besprechungen. Lediglich um die »Verletzungsrisiken im Forschungsprozess« zu berücksichtigen (vgl. Miethe, Gahleitner 2010, 576), werden die pädagogischen Fachkräfte und Eltern nach Auffälligkeiten zum Verhalten der Kinder nach dem Interview befragt. Zudem gibt es eine Überleitung in die Gruppensituation, die mit den interviewten Kindern gemeinsam gestaltet werden, in der ggf. etwas aus der Interviewsituation bedeutsam wird. Jedoch wird auch an dieser Stelle darauf geachtet, dass kein Kind aufgefordert wird, von Einzelheiten zu berichten, wenn es nicht ausdrücklich seinem Verlangen und Bedürfnis entspricht. Wenn erforderlich, wird der Kontakt zu den interviewten Kindern nach dem Interview nochmals unaufdringlich gesucht, um zu erkunden, wie sie das Interview im Nachhinein bewerten.59 Um den Personensorgeberechtigten, Kindern und Mitarbeiter_innen der KiTa Nortorf bei Interesse einen Einblick in den Forschungsprozess und die Ergebnisse der Forschung zu ermöglichen, wird nach Abschluss der Arbeit ein Exemplar in der KiTa Nortorf hinterlegt. Abschließend ist mitzuteilen, dass die Datenerhebung im Sinne der »Prozessethik« (Berger zit. n. Miethe, Gahleitner 2010, 581) orientiert an einer heilpädago56 | Personensorgeberechtigte, denen der Zugang zur Schriftform schwerfällt, werden in einem persönlichen Gespräch mit der Forscherin über das Forschungsvorhaben aufgeklärt. 57 | In der hier durchgeführten Erhebung bat eine Mutter um die Einsicht in das Material. In diesem Fall wurde wie oben beschrieben verfahren. In Kapitel 4.1.3.3 wird dieses Beispiel näher erläutert. 58 | Hinsichtlich der Anonymisierung der Daten wird auf das Kapitel 4.2.1 verwiesen. 59 | In den Kapiteln 4.1.3.1 und 4.1.3.3 wird über diesbezügliche Kontakte informiert.

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gischen Professionalität verantwortungsvoll, wertschätzend, respektvoll gegenüber dem Kind und selbstreflexiv gegenüber dem eigenen Handeln gestaltet wird, um den Kindern die Erhebungssituation als ein positives Gespräch erlebbar werden zu lassen, durch das sie sich als selbstwirksam und bedeutungsvoll erleben. Gerade da es an dieser Stelle um eine Erhebungssituation im Alter früher Kindheit geht, stellt sie sich als besonders sensibel gegenüber schädigenden Einflüssen (vgl. Miethe 2010, 929) dar. Nach der Darstellung dieser grundlegenden forschungsethischen Aspekte des Forschungsvorhabens erfolgt nun die Vorstellung der konkreten Erhebung.

4.1.3 Die Erhebung »Für den Ablauf der Kommunikation genügt es zunächst, daß das Bewußtsein, so gut wie wehrlos, mitmacht.« L uhmann 2001, 120

An dieser Stelle geht es um die konkrete Auseinandersetzung mit der spezifischen Kommunikation in der Situation der Datenerhebung. Die Herausforderung, die sich hier stellt, ist, ein Vorgehen zu erarbeiten, durch das die Kinder mit und ohne adressierte Behinderung sich so differenziert zu ihren Interaktionen mit anderen Kindern mit und ohne adressierte Behinderung äußern, dass diese Anschlüsse als wissenschaftlich relevant im Rahmen der Fragestellung beobachtet werden können (vgl. Kapitel 3.2 und 3.3). In diese Auseinandersetzung sind zwei Perspektiven integriert. Zum einen stellt sich für die Erarbeitung der Erhebungssituation die Frage, über welches kommunikative Angebot (durch die Interviewerin, das Setting etc.) eine Umwelt sozial als so entsprechend komplex beobachtet wird (in Form psychischer Eigenkomplexität), dass Äußerungen von Kindern über Kinder generiert werden, die dem Kontext der Fragestellung zugeordnet werden können (vgl. Kapitel 3.2.2). So geht es hier also darum: Innerhalb welcher Umwelt operieren soziale Systeme im Alter früher Kindheit in einem Passungsverhältnis zur Fragestellung? Zum anderen geht es darum, aus welcher kommunikativen Ereignishaftigkeit heraus Kinder aus der wissenschaftlichen Beobachtungsperspektive über ihre Äußerungen als Mitteilende differenzierbar und damit sozial adressiert / sozial konfiguriert werden, als solche, die etwas zu sagen haben und denen ausreichend passende psychische Eigenkomplexität zugeschrieben wird bzw. nicht zugeschrieben wird, um im Kontext des hier fokussierten Themas etwas Relevantes mitzuteilen. Hierbei geht es um die Auswahl der Proband_innen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es darum geht, folgende Fragen zu beantworten: Durch welches kommunikative Angebot lässt sich innerhalb einer Interviewsituation aus beiden Perspektiven so viel psychische Eigenkomplexität zuschreiben, die es braucht, damit die hier wissenschaftlich relevanten sinnhaften Anschlüsse beobachtbar werden? Wie oder auch wodurch lädt die Interviewsituation Kinder dazu ein, in dem hier intendierten Sinne kommunikativ anzuschließen und Entscheidendes beobachtbar werden zu lassen? Da also die Kommunikation in der Erhebungssituation erst das generiert, was über die Auswertung in Bezug auf die Fragestellung beobachtbar wird (vgl. Kapitel  3.2.2), ist sie in das Ergebnis der Arbeit wesentlich involviert. Aufgrund des-

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sen wird die Erhebung innerhalb dieses Kapitels dargestellt. Dies erfolgt in drei Schritten. Im ersten Schritt wird das, was in Kapitel  4.1.1 für Kommunikationsbzw. Interaktionssituationen von Kindern im Alter früher Kindheit und im Kontext adressierter Behinderung für eine Datenerhebungssituation als passend bewertet und damit als geeignet für eine Interviewsituation beschrieben wurde, für einen Pretest zusammengestellt und über Explorationen im Feld erprobt. Dieser Schritt wird dokumentiert und ausgewertet (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Im zweiten Schritt wird ausgehend von den gesammelten Erfahrungen das konkrete Vorgehen als Erhebungsmethode dieser Arbeit festgelegt und vorgestellt (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Im dritten Schritt werden anteilig jene Aspekte des Vorgehens ausgewertet, die als besonders bedeutsam für weitere Forschungsvorhaben bewertet werden und im Rahmen des Pretests noch nicht thematisiert wurden (vgl. Kapitel 4.1.3.3).60

4.1.3.1 Der Pretest »Wir forschen, weil wir etwas nicht wissen; Teil dieser Unkenntnis ist der Forschungsplan und seine Instrumente.« F riedrichs 1990, 153

Um das geplante Vorgehen in Bezug auf seine Legitimation (Wird das Forschungsziel über das Vorgehen erreicht?), die Erhebungssituation (Ist die Auswahl des Ortes und des Zeitrahmens in Bezug auf die Durchführung angemessen?), die Interviewerin (Kommt es, angeregt durch die Interviewerin, zu Äußerungen im Sinne der Fragestellung?), die Instrumente (Führen die Erzählhilfen zu kommunikativen Anschlüssen im Sinne der Fragestellung?) und das Sample (Sind die interviewten Kinder im Sinne der Fragestellung als Expert_innen zu bewerten?) zu analysieren und seine Funktionalität für die hier intendierte Zielgruppe zu bewerten, ist ein Pretest unabdingbar (vgl. Friedrichs 1990, 153-154 und 221-222). Von Mai 2010 bis Juni 2010 wurden in der KiTa Nortorf zwischen 8:00 und 14:00 Uhr mit elf sechsjährigen Kindern Probeinterviews durchgeführt. Sieben dieser Kinder besuchten die KiTa im Rahmen einer teilstationären Fördermaßnahme (davon zwei Mädchen und fünf Jungen), und vier dieser Kinder waren als Regelkinder in der Einrichtung (davon drei Mädchen und ein Junge).61 In der Durchführung der Interviews wurde sich an den in Kapitel  4.1.1 vorgestellten und als bedeutsam markierten Erfahrungen orientiert. Nicht alle hier schon positiv bewerteten Methoden und Vorgehensweisen werden an dieser Stelle erneut dargestellt. Innerhalb dieses Kapitels werden jene Aspekte des Pretests thematisiert, die für

60 | Wie in Kapitel 4.1.1 deutlich wurde, besteht intensiver Forschungsbedarf in diesem Bereich der qualitativen Forschung mit der hier gewählten Zielgruppe. Aufgrund anderer Schwerpunktsetzung muss auf eine umfangreichere Auswertung der Erhebungsmethode verzichtet werden. Auch an dieser Stelle böten sich Anschlussarbeiten an. Dieser Bedarf wird unter anderem von Heinzel bestätigt (vgl. Heinzel 2010, 716-717). 61 | Wie dargestellt, werden diese Kinder hier als Kinder mit adressierter Behinderung bezeichnet (vgl. Kapitel 2.4). Kinder aus dem Regelbereich werden entsprechend als Kinder ohne adressierte Behinderung deklariert. Die Bezeichnung der verschiedenen Kindergartenplätze orientiert sich auch hier an den Begriffen der KiTa (vgl. 4.1.2).

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die Umsetzung der Erhebung wesentlich erscheinen. Sie stellen die Basis für die Entwicklung der Erhebungsmethode dar (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Die Interviews wurden mehrere Male gesichtet und exemplarisch unter fachlicher Beratung durch die Professoren der Universität Erfurt Prof. Dr. Palmowski und Prof. Dr. Dr. Fuhs analysiert und bewertet. Das Vorgehen wurde daraufhin untersucht, welche kommunikativen Angebote bzw. welche Erzählhilfen innerhalb einer Interviewsituation die Komplexität erreichten, die es Kindern ermöglichte, im Sinne der Fragestellung kommunikativ anzuschließen. Vor diesem Hintergrund wurden sie als passend oder nicht passend bewertet. Im Folgenden werden das Vorgehen und die Bewertung dargestellt. Einführung in die Erhebungssituation Im Pretest wurden die potentiell für ein Interview in Frage kommenden Kinder persönlich angesprochen, nachdem ihre Personensorgeberechtigten über die Arbeit informiert wurden und schriftlich ihr Einverständnis erklärt hatten.62 Die Interviewerin erzählte den Kindern im Rahmen eines Einzelgesprächs, dass sie ein Buch schreiben wolle über die KiTa und dass in dieses Buch auch etwas darüber geschrieben werden solle, was die Kinder in der KiTa mit anderen Kindern machten, was ihnen gut und was ihnen nicht so gut an anderen Kindern gefalle. Die Interviewerin erläuterte, dass sie dafür ein besonderes Gespräch mit den Kindern führen möchte, das Interview heißt. Vor der Durchführung des Interviews wurden die Kinder darüber aufgeklärt, dass das Interview auf Video aufgezeichnet würde und sie sich das Aufgezeichnete im Anschluss ansehen dürften. Zudem wurde ihnen mitgeteilt, dass das Interview beendet würde, wenn sie keine Lust mehr darauf hätten oder ihnen das Gespräch nicht gefallen sollte. Alle angesprochenen Kinder zeigten sich unmittelbar interessiert und waren bereit, an einem Interview teilzunehmen. So wurde diese Art der Einführung in etwas abgewandelter Form in die Erhebung übernommen (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Räumliche Voraussetzungen Die Durchführung des Pretests erfolgte in vier verschiedenen Räumlichkeiten. Diese unterschieden sich durch ihre Nähe zur Bezugsgruppe, ihre Größe, Ausstattung und in ihrer Position innerhalb der Einrichtung. Zunächst wurde der Nebenraum der Bezugsgruppe gewählt, um die größtmögliche Vertrautheit herzustellen (vgl. Lange, Mierendorff 2009, 198). Da die ersten vier unter diesen Bedingungen interviewten Kinder durch Geräusche aus dem Gruppenraum und interessierte andere Kinder, die das Stopp-Signal an der Tür nicht akzeptierten, vom Thema der Fragestellung abgelenkt wurden, fanden die anderen Interviews in zwei anderen Räumlichkeiten der Einrichtung statt. Diese Räume sind den Kindern durch gruppenübergreifende Spielangebote bekannt und vertraut. Der eine Raum dient als Gruppeneinheit der Kinder im Schulalter. Er bot sich für die Durchführung des Interviews an, da er am Vormittag nicht besetzt ist und sich ruhig gelegen am Ende der Einrichtung befindet. Der Raum ist ca. 60 qm groß und mit verschiedenen Spielmaterialien ausgestattet, die in Regalen und Schränken überwiegend sichtbar 62 | Die Vorstellung des Forschungsvorhabens in der Einrichtung, die Einwilligung durch die Eltern und die Anonymisierung der Daten erfolgte nach den in Kapitel 4.1.2.4 vorgestellten Kriterien.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

auf bewahrt werden. Die Stühle und Tische sind der Größe der Schulkinder angepasst. Durch ein abgetrenntes Regal ist ein Bereich etwas abgeschlossen. Innerhalb dieses Bereiches wurde für das Interview ein Tisch aus dem Mobiliar des Elementarbereichs mit entsprechenden Stühlen aufgestellt. Der andere Raum ist der Nebenraum dieser Gruppeneinheit und wird an einigen Tagen der Woche für Einzeloder Kleingruppenangebote von externen Fachkräften genutzt. Dieser Raum ist ebenfalls sehr ruhig gelegen, ca. 12 qm groß und über eine Wand mit einem Regal bestückt, das als Auf bewahrungsort für Materialien dient. In der gegenüberliegenden Ecke stehen ein Tisch und zwei Stühle. Die Wände sind in Pastelltönen gestaltet und frei von Bildern. Als wesentliche Kriterien für die Raumausstattung kann Folgendes aus den Erfahrungen zusammengefasst werden: • ruhige Lage innerhalb der Einrichtung • wenig Ablenkung vom Thema der Fragestellung durch Spielmaterialen, die innerhalb des Settings keine Funktion erfüllen • wenig Ablenkung durch Nebengeräusche oder Unterbrechungen durch Dritte • bekannte Räumlichkeiten, die eine schnelle Orientierung ermöglichen, Vertrautheit ausstrahlen und somit die Konzentration auf das Thema zulassen • klar strukturierter Bereich, der die Interviewsituation markiert und sich von der herkömmlichen und bekannten Nutzung des Raumes abgrenzt Die Erhebungssituation wurde aufgrund dessen in dem hier beschriebenen Gruppenraum der Kinder im schulpflichtigen Alter und einem weiteren Besprechungsraum für Erwachsene durchgeführt, der sich im sehr ruhig gelegenen »Kleinen Haus« der Einrichtung befindet. In diesem »Kleinen Haus« sind nur zwei der insgesamt acht Gruppeneinheiten der Einrichtung untergebracht. Es liegt in 30 Meter Entfernung zum »Großen Haus«. Der hier gewählte »Extraraum« ist ca. 12 qm groß, mit einem Tisch und einem Schrank ausgestattet, über wenige Gegenstände reizreduziert eingerichtet (Tücher auf der Fensterbank und ein Bild) und durch Pastelltöne und eine Blume freundlich gestaltet. Sitzposition Im Pretest wurden zwei verschiedene Sitzpositionen ausprobiert. Bei der einen saßen die Kinder am Tisch. Seitlich zum Kind nahm die Interviewerin ebenfalls am Tisch Platz. Im anderen Fall saßen Kinder und Interviewerin auf dem Fußboden. Um ihnen hier eine gute Orientierung anzubieten, wurden zwei Sitzkissen (ebenfalls seitlich zueinander liegend) angeboten, die die vorgeschlagenen Sitzplätze anzeigten. Durch diese verschiedenen Möglichkeiten sollte erkundet werden, ob eine der beiden Sitzpositionen als geeigneter bewertet werden konnte. Beurteilt wurde, die Kontaktaufnahme mit der Interviewerin, die Atmosphäre des Gesprächsverlaufs, die Konzentration auf das Gespräch, mögliche Ablenkung und allgemein, in welcher Position sich die Kinder wohler zu fühlen schienen. Ausgehend von beiden Sitzpositionen zeigten die Kinder eine gute Orientierung im Raum, eine vergleichbare Sprechfreude und Ausdauer. So war davon auszugehen, dass die Kinder sich in beiden Sitzpositionen wohlfühlten. Auffällig war bei der Position auf dem Fußboden, dass der Blick der Kinder schneller durch den Raum glitt und sie sich zum Teil auf das umliegende Spielzeug bezogen. Die Aufmerksamkeit konnte jedoch in allen Fällen schnell wieder auf das Thema des

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Interviews gelenkt werden. Dennoch schien die Interviewsituation am Tisch etwas übersichtlicher und klarer strukturiert, so dass diese Form für die Erhebungssituation ausgewählt wurde. Erzählhilfen In Kapitel 4.1.1.3 wurden Erzählhilfen bei der Durchführung eines Interviews im Alter früher Kindheit und bei Menschen, die unter Bedingungen adressierter Behinderung leben, als relevante Hilfestellung dargestellt. »Abzuwägen ist zwischen Strategien der Anerkennung und Ermächtigung der Kinder als wichtige Auskunftspersonen auf der einen Seite und der Notwendigkeit, ihnen entsprechende altersspezifische Ressourcen im Hinblick auf Verständlichkeit und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um bestimmte Themenstellungen bearbeiten zu können, auf der anderen Seite« (Lange, Mierendorff 2009, 198). Im Pretest wurde mit zwei verschiedenen Erzählhilfen exploriert, die im Folgenden vorgestellt und bewertet werden: Gruppenraumfotos und Kindersymbole. Als Möglichkeit, einen Erzählanlass zu bieten, kamen im Rahmen von 10 Interviews (bei sechs Kindern mit und bei vier Kindern ohne adressierte Behinderung) Fotos verschiedener Spielbereiche vom Gruppenraum des jeweiligen Kindes zum Einsatz. Sie wurden entweder zu Beginn des Interviews oder innerhalb seines Verlaufes über folgende Sätze eingeführt: »Schau mal, hier sind verschiedene Bereiche deines Gruppenraumes auf den Fotos.«, »Kennst du sie?«, »Kannst du mir zeigen, wo du in der KiTa so gespielt hast?«, »Kannst du mir erzählen, mit welchen Kindern du gespielt hast?«, »Kannst du mir sagen, warum du mit den (genannten) Kindern gerne gespielt hast?«, »Was hat dir dabei gut gefallen?«, »Was hat dir nicht so gut gefallen?« Alle Kinder erzählten orientiert an den Gruppenraumfotos differenziert, was und mit welchen Kindern sie gespielt hatten. Sie teilten mit, was ihnen innerhalb dieser Kontakte gut und was ihnen weniger gut gefiel. Ausgehend von den Gesprächen orientiert an den Fotos ergaben sich bei allen Kindern darüber hinaus Äußerungen über Interaktionen mit Kindern der Gruppe, unabhängig von den auf den Fotos abgebildeten Spielbereichen. Zum Teil verloren sie sich aber auch in der detaillierten Beschreibung dessen, was auf den verschiedenen Fotos zu sehen war. So kann zusammengefasst werden, dass Gruppenraumfotos die Funktion einer Erzählhilfe erfüllen. Kritisch muss, orientiert an Mey (vgl. Kapitel 4.1.1.3), zu bedenken gegeben werden, dass sie einen »Impact« beinhalten. Die abgebildeten Spielbereiche lenken möglicherweise stark das Erinnern auf spezifische Spielsituationen und manipulieren dadurch die Äußerungen der Kinder. Deshalb wurden sie in neun Fällen in Kombination mit Kindersymbolen eingesetzt. Die Kindersymbole (hier auch z. T. Kinderzeichen oder vereinfacht Zeichen genannt) sind allen Kindern als Orientierungshilfen aus dem Alltag bekannt. Sie stellen Abbildungen von Tieren, Spielgegenständen, Fahrzeugen oder Pflanzen dar, die auf ein rundes Schild in der Größe von ca. 4 cm Durchmesser aufgebracht sind. Jedes Kind erhält zu Beginn seiner Zeit in der KiTa ein entsprechendes Zeichen, das sich von denen der anderen Kinder unterscheidet. Die Kindersymbole markieren beispielsweise persönliche Bereiche innerhalb der Einrichtung (bspw. Eigentumsfach in der Garderobe oder den Platz des Zahnputzbechers) und zeigen am Wochenplan an, wann welches Kind an welchem Angebot teilnimmt. Sie werden in der KiTa in jeder Gruppe multifunktional eingesetzt und ermöglichen somit eine Präsenz aller Kinder der Gruppe, unabhängig von ihrer körperlichen Anwesenheit.

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Dadurch sind in der Regel alle Zeichen allen Kindern gut bekannt. So schauen die Kinder beispielsweise auf den Wochenplan und suchen, u. a. orientiert an den vorhandenen Zeichen (und damit der teilnehmenden Kinder), aus, bei welchem Angebot sie gerne mitmachen möchten. Innerhalb von neun Interviews wurden sie in Kombination mit den oben dargestellten Gruppenfotos eingesetzt (bei sechs Kindern mit adressierter Behinderung und bei zwei Kindern ohne adressierte Behinderung). Innerhalb eines Interviews (mit einem Kind ohne adressierte Behinderung) wurden sie als alleiniger Erzählanlass genutzt. Innerhalb aller Durchläufe wurden alle Kindersymbole zur Verfügung gestellt und zu Beginn des Interviews auf dem Tisch oder auf dem Fußboden vor den Kindern ausgebreitet. Daran anschließend wurde das Interview mit der Frage eingeleitet: »Hier sind alle Zeichen (so werden die Kindersymbole in der KiTa genannt) deiner Gruppe. Zeig’ doch bitte mal die Kinder, mit denen du etwas zusammen spielst!« In allen Fällen begannen die Kinder sofort von ihren Interaktionen zu berichten und die Anordnung der Kindersymbole zueinander aktiv zu verändern. Es konnte ein vergleichbar lebendiger Erzählfluss beobachtet werden wie unter Hilfestellung der Gruppenraumfotos. In der Kombination von Kindersymbolen und Gruppenraumfotos war zu beobachten, dass sich die Kinder im Verlauf des Interviews stärker auf die Kindersymbole bezogen. Im Besonderen, wenn sie über ihre Spielkontakte zu anderen Kindern berichteten. Die Kinder richteten ihren Blick stärker auf die Kindersymbole, gruppierten sie zueinander und ordneten sie je nach Erzählung immer wieder neu. Zusammenfassend kann resümiert werden, dass die Kindersymbole als sehr geeignete Erzählhilfe erscheinen. Da sie in der KiTa in verschiedenen Situationen eingesetzt werden, ist nicht davon auszugehen, dass sie für die Kinder einen spezifischen »Impact« transportieren. Stattdessen stellen sie eine Visualisierungshilfe dar, die allen Kindern vertraut ist und dadurch etwas aus ihrer Lebenswirklichkeit mit in die Interviewsituation transportiert. Aufgrund dieser besonderen Eignung wurde entschieden, sie als alleinige Erzählhilfe in der empirischen Erhebung einzusetzen. Erfahrungen mit Interviewleitfadenstrukturen In Kapitel  4.1.1.3 wurde orientiert an der Literaturrecherche dargestellt, dass die narrative Erzählkompetenz im Alter früher Kindheit noch nicht vorhanden ist. Aufgrund dessen wurde im Rahmen des Pretests mit einem differenzierten zweiseitigen Interviewleitfaden gearbeitet, um den Kindern die für einen Gesprächsfluss notwendig erachteten Strukturhilfen anzubieten. Dieser umfasste folgende Themenbereiche: Fragen zu den Spielsituationen der Kinder in Bezug auf andere Kinder, Aufenthalt der Kinder in besonderen Räumlichkeiten innerhalb der Einrichtung in Bezug auf andere Kinder, Präferenzen der Kinder in Bezug auf andere Kinder bei Kleingruppenangeboten, Präferenzen der Kinder in Bezug auf andere Kinder in der Begleitung in Alltagssituationen (Zähneputzen, gemeinsames Essen etc.), Bedeutung der Erwachsenen in Bezug auf das Zusammensein mit anderen Kindern, Definition und Bedeutung von Behinderung, Frage nach Besonderheiten spezifischer Kinder und deren Bewertung, Fragen zur Selbstwahrnehmung der Kinder in Bezug auf ihren Kontakt zu anderen Kindern, Fragen zu Schwierigkeiten in der Interaktion mit anderen Kindern, Fragen zu Freundschaften und zu Situationen, in denen die Kinder sich als ausgeschlossen bewerten.

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Der Leitfaden wurde kombiniert mit einem Kommunikationsangebot, das die kindlichen Aussagen bestätigt, beispielsweise durch ein kurzes »Hm«, »Ja« oder »Aha«, einer kurzen inhaltlichen Wiederholung des Verbalisierten als Spiegelung der Erzählung und systemisch orientierten Fragen (siehe Frageformen). Zusammenfassend kann mitgeteilt werden, dass alle Kinder bereit und in der Lage waren, die Leitfragen als Erzählanlass zu nutzen und sich zu den Fragen zu äußern. Schloss sich dabei eine Frage der nächsten an, so wie es der Leitfaden vorgab, konnten nicht so umfangreiche Äußerungen beobachtet werden wie unter Bedingungen differenzierteren Nachfragens oder aktiven Bestätigens der Äußerungen der Kinder. Die besondere Qualität narrativer Erhebungsmethoden, wie sie durch Koenig und Buchner in der Interviewsituation von Menschen mit Lernschwierigkeiten beschrieben werden (vgl. Kapitel  4.1.1.3), war somit aus der Erhebungssituation mit den Kindern nachvollziehbar. Gerade Kindern mit adressierter Behinderung ermöglichte erst ein »Erzählraum« ausgiebige Stellungnahmen in Bezug auf einzelne Fragen. Innerhalb eines Interviews mit einem Kind mit einer adressierten Schwerstmehrfachbehinderung gelang beispielsweise ein Erzählfluss erst, nachdem sich die Interviewerin stark vom Leitfaden gelöst hatte und sich dem Kind über ein individualisiertes Kommunikationsangebot anbot. So war es innerhalb dieser Interviewsituation möglich, über 24 Minuten Äußerungen des Kindes anzuregen, die sich jedoch nur noch schwer mit der Fragestellung der Arbeit verbinden ließen. Die besondere Herausforderung bei der Formulierung kommunikativer Angebote wird also darin gesehen, den Verlauf des Interviews so anzureichern, dass es zu kommunikativen Anschlüssen der Kinder in Bezug auf die Fragestellung kommt (vgl. Kapitel 3.2.3) und dabei ihren Erzählfluss so wenig wie möglich einzuschränken und zu lenken. Ausgehend von den Erfahrungen des Pretests wurde es als funktional bewertet, den Erzählrahmen durch einen Leitfaden grob zu strukturieren, um den Verlauf des Interviews an der Fragestellung zu orientieren. Diese Struktur sollte jedoch Raum für unvorhergesehene und vertiefende Äußerungen ermöglichen, um die Interviewsituation je nach Verlauf variabel gestalten zu können. An dieser Stelle werden die Frageformen bedeutsam (s. u.). Vor dem Hintergrund der hier dargestellten Erfahrung wurde für die Durchführung der Erhebung der Leitfaden stark reduziert. In Kapitel  4.1.3.2 wird der reduzierte Leitfaden als Version des Erhebungsverfahrens vorgestellt. Für die Durchführung der Erhebung wurde der umfangreichere Leitfaden des Pretests dennoch als hilfreich eingeschätzt. Durch ihn wurde ein Pool an Vertiefungsfragen ausgearbeitet und ein Fundus an Erfahrungen gesammelt, die der Interviewerin nun für die Durchführung des Interviews im Sinne Trautmanns als »Vernetzungsmöglichkeiten« zur Verfügung standen. »Erfahrene Interviewerinnen verzichten meist darauf, Fragen präzise vorzuformulieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Mikroplanung absolviert haben. Vielmehr wissen sie sehr genau die abzufragenden Komponenten und können die Vernetzungsmöglichkeiten im Gespräch unmittelbar aktivieren« (Trautmann 2010, 88). Aufgrund der Reduzierung des Leitfadens erschien das Angebot, ein vom Kind selbstgemaltes Bild als Ausgangspunkt des Interviews zu nutzen (vgl. Fuhs 2000, 95), als sinnvolle Alternative, die freier von einem »Impact« ist als konkrete Fragestellungen. Es wurde deshalb entschieden, diese Möglichkeit im Rahmen der Erhebungsmethode anzubieten.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Frageformen Um die wertschätzende Haltung gegenüber den kindlichen Äußerungen deutlich zu machen, wurde an sie annehmend und bestätigend angeschlossen (vgl. Kapitel 4.1.1.3). Neben der dargestellten Orientierung am Alter und Entwicklungsstand des Kindes wurden Frageformen, die aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung kommen, als Möglichkeit genannt, der Perspektive des Kindes ein besonderes Gewicht zu geben (vgl. Kapitel  4.1.1.3). Im Pretest wurde innerhalb von 10 Interviews mit verflüssigenden, lösungsorientierten und spekulativen Frageformen experimentiert.63 Sie werden im Rahmen dieser Arbeit zum Zwecke der Vereinfachung Differenzierungsfragen genannt. Die Differenzierungsfragen regen Äußerungen in zwei Richtungen an: Zum einen geht es dabei um eine Konkretisierung, zum anderen um die Generierung weiterer Äußerungen in Bezug auf die Fragestellung. Im Pretest erfolgte über verflüssigende und lösungsorientierte Frageformen eine Anregung, die im Gespräch generierten Sinnkonstruktionen differenzierter zu beschreiben oder spezifische Bedeutungen einzelner Situationen zu platzieren. So wurde beispielsweise im Rahmen von verflüssigenden Fragen nach Ausnahmen genannter Beschreibungen gefragt: »War das immer so, oder war das auch mal anders?«, »Wie war das dann?«, »Kannst du das genauer beschreiben?« Hingegen wurden durch lösungsorientierte Fragen erweiterte Sinngenerierungen über eine Konkretisierung der Darstellung angeregt oder speziell nach gelungenen Situationen gefragt: »Wann war es gut?«, »Was hat dir dabei geholfen, dass es gut wurde / du wieder dabei sein konntest?« Über spekulative Frageformen wurde das Nachdenken über Interaktionen angeregt, von denen bis dahin im Verlauf des Interviews noch nichts geäußert wurde, die jedoch für die Fragestellung für relevant erachtet wurden: »Man versetzt den Klienten mit dieser Frageart bspw. in eine ›Als-ob-Situation‹ […]« (Sorge 2009, 64). So wurde beispielsweise gefragt: »War es auch mal so, dass die anderen Kinder gesagt haben: ›Nein, da darf Max (fiktiver Name eines Interviewten) nicht mitmachen!‹?«64 In fast allen Interviews, in denen mit den Differenzierungsfragen experimentiert wurde, erfolgte eine Vertiefung und / oder Spezifizierung der Äußerungen. Pauschalisierte Ja- oder Nein-Antworten, wie sie in Kapitel 4.1.1.3 problematisiert wurden, konnten angeregt durch diese Frageform stark reduziert werden. Ausgehend von dieser positiven Erfahrung wurden sie als Form der »Vernetzungsmöglichkeit« in die Gestaltung des Interviewleitfadens eingebaut. Des Weiteren wurde darauf geachtet, die überwiegende Anzahl der Fragen offen zu gestalteten, um die Äußerungen der Kinder so wenig wie möglich einzuengen oder zu dominieren. Allen interviewten Kindern gelang es, anlässlich dieser offenen Fragen zu antworten. Folglich wurde entschieden, sie als Frageform in den Leitfaden aufzunehmen. 63 | An dieser Stelle kann aufgrund anderer Schwerpunktsetzung dieser Zugang theoretisch nicht näher vertieft werden. Zur weiteren Auseinandersetzung wird auf die Literatur von Palmowski (vgl. Palmowski 2007a, 118-141) oder Sorge (vgl. Sorge 2009) verwiesen. Für diese Arbeit wird eine Selektion systemischer Fragestellungen genutzt, die für den hier intendierten Rahmen als funktional erachtet wird. 64 | Zur weiteren Erläuterung der Möglichkeit, spekulative Fragen im Rahmen qualitativer Sozialforschung zu stellen, sei an dieser Stelle auf die Ausführungen von Sorge verwiesen (vgl. Sorge 2010, 101-102).

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Als abschließende Frage wurde innerhalb von acht Interviews formuliert: »Hab ich noch etwas vergessen zu fragen? Oder möchtest du mich noch etwas fragen?« Diese abschließenden Fragen sollten ergänzend die Wertschätzung gegenüber der kindlichen Perspektive ausdrücken. Zudem wurde hierdurch ein Raum angeboten, bisher nicht Thematisiertes anzusprechen und somit etwas zu erzählen, was aus der Kinderperspektive noch dem Kontext des Themas zugeschrieben wurde, jedoch von der Interviewerin nicht erkannt, benannt oder erfragt wurde. Die Kinder nutzten dieses Angebot in sechs Fällen. Beispielhaft sollen hier zwei Antworten vorgestellt werden: Ein Kind ohne adressierte Behinderung erwiderte auf diese Frage: »Warum ist eigentlich jedes Kind anders geformt?« Daran anknüpfend ergab sich ein Gespräch über die Verschiedenheit von Menschen. Ein anderes Kind mit adressierter Behinderung schloss an die Frage mit folgender Gegenfrage an: »Wie viele Kinder hab ich in meiner Schule?« Im Anschluss daran ergab sich ein Gespräch über die in Aussicht stehende Einschulung des Kindes. Die hier skizzierten Anschlüsse auf die abschließende Frage lassen sich so interpretieren, dass die Kinder innerhalb der Interviewsituation die Interviewerin als mit ausreichend Eigenkomplexität ausgestattet für ihre Sinnbezüge beobachteten, da sie sich mit für sie relevanten Fragen an diese wandten. Darüber hinaus nutzten sie die Möglichkeit, bisher Unausgesprochenes zu thematisieren und mit eigenen Gedanken das Interview zu beenden. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen wurde die hier erprobte abschließende Frage in den Interviewleitfaden aufgenommen. Länge der Interviews und Pausen Innerhalb der Interviews hielten die Kinder ihre Konzentration zwischen 10 und 23 Minuten, bei einer durchschnittlichen Dauer von 18 Minuten. (Die Interviews der Kinder ohne adressierte Behinderung erstreckten sich über eine Spannweite von 17 bis 23 Minuten, die Interviews der Kinder mit adressierter Behinderung über eine Spannweite von 10 und 25 Minuten). Bei allen Kindern ohne adressierte Behinderung und bei fünf Kindern mit adressierter Behinderung konnten innerhalb dieses Zeitraumes alle vorbereiteten Fragen gestellt werden. Bei zwei Kindern mit adressierter Behinderung musste der Leitfaden jedoch modifiziert und verkürzt werden (s. o.). Nach Angabe von Lange und Mierendorff sinkt die Aufmerksamkeit bei Kindern im Grundschulalter im Kinderpanel nach 20 Minuten rapide ab (vgl. Lange, Mierendorff 2009, 197). Da es sich hier um jüngere Kinder handelt und um Kinder, die unter Bedingungen adressierter Behinderung kommunizieren, wird insgesamt die Dauer der Interviews im Pretest als sehr positiv bewertet. Heinzel rät, explizit Pausen in die Interviewsituation einzuplanen (vgl. Kapitel 4.1.1.3), um Erholungsphasen zu ermöglichen. Auch Lange und Mierendorff weisen auf ihren positiven Effekt für eine Verlängerung der Konzentrationsphase der Kinder hin (vgl. Lange, Mierendorff 2009, 197). Im Pretest wurde kein Pausenmaterial angeboten, da zunächst davon ausgegangen wurde, dass auch eine definierte Pause aufgrund der Besonderheit der Interviewsituation auf Kinder diesen Alters keine erholsame Wirkung hat. Für die Durchführung der Erhebung wurde sich nach der Reflexion des Pretests jedoch dazu entschlossen, Stifte und Blätter als Pausenmaterial anzubieten. Anlass dieser Entscheidung waren die starken Differenzen der Interviewzeitspannen zwischen einigen Kindern. Zudem wurde davon ausgegangen, dass durch die Erhöhung der Wahlmöglichkeiten in der Interviewsituation allen Kindern eine intensivere Teilnahme ermöglicht wurde.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Aufzeichnung der Erhebung »Videodaten ermöglichen es, eine begrenzte Menge gleichzeitig auftretender Ereignisse, von denen sich manche im Zeitverlauf aufeinander beziehen, beschleunigt, verlangsamt und wiederholt zu betrachten und zu analysieren« (Herrle, Kade, Nolda 2010, 599). Ebenso wie in Kapitel 4.1.1.3 dargestellt, wurde auch im Pretest deutlich, dass eine Deutung auf nonverbale Mitteilungshandlungen und die Nutzung der Erzählhilfen in der Interviewsituation wesentlich für das auswertungsmethodische Vorgehen werden würden. So erschien die technische Aufzeichnung der Interviews per Videodaten an dieser Stelle sinnvoll und notwendig. Im Folgenden wird sie vorgestellt. Die Aufnahme einer Interviewsituation per Video benötigt die Berücksichtigung folgender Aspekte: Positionierung der Kamera, Wahl des Bildausschnitts und die Kameraführung (vgl. Herrle, Kade, Nolda 2010, 604). Da innerhalb der Aufzeichnung so wenige Irritationen wie möglich erfolgen sollten, wurde sich für die Aufnahme der Interviewsituation über ein Stativ mit festgelegtem Fokus entschieden. Dabei wurde der Fokus im ersten Interview nur auf das interviewte Kind gerichtet. Da jedoch auch die Interviewende wesentlich in die Durchführung des Interviews involviert ist (vgl. Kapitel  3.2.2), wurde der fixierte Ausschnitt in den folgenden Interviews um die Interviewerin, die Erzählhilfen und den Bereich des Tisches erweitert, auf dem die Interviewten mit den Hilfsmitteln agierten. Die Aufnahme erfolgte mit einer digitalen Kamera (Lumix GH1), da sie die erforderlichen Voraussetzungen für eine hochwertige Aufnahme in Ton- und Bildqualität aufweist und die Kompatibilität mit der angewandten digitalen Hardund Software erfüllt. Als vorteilhaft wurde ihre geringe Größe eingeschätzt. So wurden die Kinder in der Aufnahmesituation so wenig wie möglich irritiert. Über den Pretest wurde deutlich, dass die Aufnahmequalität den erforderlichen Anforderungen voll entsprach. Der Einsatz eines zusätzlichen Tonbandgerätes war in dem hier durchgeführten Rahmen eines Einzelinterviews nicht erforderlich. Ausgehend von diesen positiven Ergebnissen wird diese Form der Datenaufzeichnung in die Erhebungssituation übernommen. Zusammenfassende Bewertung des Pretests Ausgehend von den in diesem Kapitel vorgestellten Erfahrungen werden sechsjährige Kinder mit und ohne adressierte Behinderung für die hier fokussierte Fragestellung für geeignet gehalten, relevante Äußerungen zu generieren. Die positiven Interviewverläufe ermutigten dazu, die Erhebung auf fünfjährige Kinder auszuweiten. Im folgenden Kapitel wird diese vorgestellt.

4.1.3.2 Die Durchführung der Erhebung Vorbereitung der Beteiligten Zunächst wurden die Einrichtungsleitung und das pädagogische Team der KiTa Nortorf über das Forschungsvorhaben umfassend aufgeklärt und um ihr Einverständnis und ihre Unterstützung gebeten. Zur Erkundung der persönlichen Daten der Kinder wurden von der Einrichtungsleitung entsprechende Gruppenlisten eingeholt. Darüber hinaus wurden die zuständigen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen in Zusammenarbeit mit den Gruppenleiterinnen aufgefordert, einen vorbereiteten Bogen über Hintergrundinformationen zu allen optional zu interviewenden Kindern auszufüllen (das heißt über alle fünf- und sechsjährigen Kinder,

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die bereits ein Jahr in der Kita waren). In diesem wurden Angaben zum Alter der Kinder, zu der bisherigen Dauer ihres KiTa-Besuchs, zu ihrem Geschlecht und zu ihrem aktuellen Förderbedarf gemacht. Dadurch wurde an dieser Stelle das für die Arbeit relevante Adressenfragment behindert / nicht behindert Kindern zuschreibbar. Da es hier nur um dieses Differenzmerkmal geht, wurde auf andere weniger Bezug genommen (vgl. Kapitel 1).65 Alle Eltern,66 deren Kinder potentiell für ein Interview in Betracht kamen, wurden vorher schriftlich über das Forschungsvorhaben informiert und um ihr Einverständnis gebeten. Ergänzend wurde ein konkretes Kontaktangebot für persönliche Nachfragen und Gespräche gemacht. Fünf Eltern nutzten die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch. Das Interview erfolgte ausschließlich mit Kindern, deren Eltern schriftlich ihr Einverständnis dazu erklärt hatten. Die Kontaktaufnahme der Interviewerin zu den Kindern erfolgte über ihre Teilnahme am gemeinsamen Morgenkreis und / oder am Gruppenfrühstück der entsprechenden Gruppe. Da alle Kinder die Interviewerin aus Alltagsbegegnungen kennen, wurde dieser Zeitrahmen als ausreichend eingeschätzt, eine Vertrauensbasis für die Durchführung eines Interviews aufzubauen und auf mehrtägige Gruppenhospitationen verzichtet (vgl. Kapitel 4.1.2.3). Während ihrer Anwesenheit in der Gruppe erzählte die Interviewerin den Kindern, dass sie ein Buch schreiben wolle und in diesem auch die Erfahrungen der Kinder, die schon lange in der KiTa sind, berücksichtigen möchte und dafür gern ein Gespräch mit den Kindern, die schon fünf und sechs Jahre alt seien, durchführen würde. Je nach Entwicklungsstand des Kindes wurde für das Wort Gespräch auch der Fachbegriff Interview näher erläutert. Innerhalb dieser Gespräche in der Gruppe vor der Durchführung des Interviews kamen auch aktuelle Themen der Kinder zur Sprache, sodass sie als »Warm-up-Phase« bezeichnet werden kann. Einzelnen Kindern, bei denen ausgehend von den Hintergrundinformationen eingeschätzt wurde, dass sie nicht so leicht über die Gruppe ansprechbar seien, wurde das Vorhaben persönlich vorgestellt. Anzahl und Beschreibung der Interviewten Grundsätzlich wurden alle fünf- und sechsjährigen Kinder der KiTa für ein Interview in Betracht gezogen. Zwei Kinder waren aufgrund von Freistellungen von der Schulpflicht noch als siebenjährige Kinder in der KiTa (ein Kind mit und ein Kind ohne adressierte Behinderung). Sie wurden ebenfalls in der Erhebung berücksichtigt. In Kapitel 4.1.2.2 wurde dargestellt, dass den Interviewten so umfassende Verbalsprache oder alternative Zeichensysteme zur Verfügung stehen müssen, dass es der Forscherin gelingt, Äußerungen der Kinder im Kontext der Fragestellung über das hier gewählte Auswertungsverfahren zu interpretieren. Diese Voraussetzung war bei einem siebenjährigen Kind, drei sechsjährigen Kindern und einem fünfjährigen Kind nicht gegeben. Drei weitere sechsjährige Kinder und zwei fünfjährige Kinder waren zum Zeitpunkt der Erhebung aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Einrichtung und konnten daher nicht interviewt werden. Ausgehend 65 | In die Originale konnte unter Berücksichtigung des Personenschutzes von den Prüfern Einsicht genommen werden. Zur Begründung und Definition von Kindern als behindert / n icht behindert wird verwiesen auf das Kapitel 4.1.2. 66 | Eltern werden an dieser Stelle synonym für Personensorgeberechtigte eingesetzt.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

von diesen Kriterien und Voraussetzungen boten sich 41 potentiell relevante Kinder für ein Interview an (19 Kinder mit adressierter Behinderung und 22 Kinder ohne adressierte Behinderung).67 Die unterschiedliche Anzahl der Kinder mit und ohne adressierte Behinderung war durch die Zusammensetzung der Gruppen bedingt (vgl. Kapitel 4.1.2.1).68 Dem dargestellten Vorgehen entsprechend wurden die Mitarbeiter_innen und die Eltern dieser Kinder über das Vorhaben aufgeklärt. Daran anschließend wurden 40 Kinder interviewt, 18 Kinder mit adressierter Behinderung (anteilig 16 Kinder mit teilstationärem und zwei Kinder mit ambulantem heilpädagogischem Förderbedarf) und 22 Kinder ohne adressierte Behinderung. Das Elternteil eines Kindes mit adressierter Behinderung gab nicht sein Einverständnis zur Durchführung des Interviews, da es davon ausging, dass die Interviewsituation für das Kind zu belastend sein würde.69 Ein Kind ohne adressierte Behinderung zeigte kein Interesse und nahm deshalb nicht teil. Die Einwilligung der Eltern dieses Kindes lag vor. Hingegen zeigte ein anderes, bisher nicht berücksichtigtes Kind ohne adressierte Behinderung, das zwei Wochen nach der Durchführung der Interviews fünf Jahre alt wurde und zum Zeitpunkt der Erhebung schon seit zwei Jahren in der Einrichtung war, ein sehr großes Interesse, an einem Interview teilzunehmen. Es wurde nach der Einwilligung seiner Eltern, in die Erhebung einbezogen. Da sein Interview ähnlich verlief wie die der fünf- und sechsjährigen Kinder, wurde es entsprechend in der Auswertung berücksichtigt.70 Von diesen 40 durchgeführten Interviews sind 38 in die Auswertung eingeflossen. Zwei Interviews von Kindern mit adressierter Behinderung konnten nicht berücksichtigt werden. Für die Auswertung des einen Interviews wurde der Forscherin die Einverständniserklärung im Nachhinein wieder entzogen. Die Mutter 67 | In die entsprechenden Gruppenlisten und schriftlichen Einwilligungserklärungen der Eltern konnte unter Berücksichtigung des Personenschutzes von den Prüfern Einsicht genommen werden. 68 | Wie in Kapitel 4.1.2.1 dargestellt, besuchen prozentual viele Kinder mit adressiertem heilpädagogischen Förderbedarf die KiTa Nortorf. Diese Zusammensetzung wird für das Forschungsvorhaben als besonders positiv bewertet (vgl. Kapitel 4.1.2.1). Dennoch war es nicht möglich, anteilig die gleiche Anzahl von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung zu interviewen. Im Rahmen der Auswertung wird dieses Verhältnis entsprechend berücksichtigt (vgl. Kapitel 5, Einleitung). 69 | Bei der Vorstellung des Vorhabens in der Gruppe dieses Kindes zeigte es selbst ein großes Interesse am Interview und bat teilnehmen zu dürfen. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes konnte dem jedoch nicht entsprochen werden. Diese Situation wird als sehr ungünstig bewertet. Für weitere Forschungsvorhaben wird vorgeschlagen, alternativ Interviews in der Gruppe als Gruppenangebot vorzubereiten, für alle Kinder, die ein Interesse an diesem Angebot zeigen, jedoch aus verschiedensten Gründen nicht teilnehmen können. 70 | Darüber hinaus wurde auch jeweils ein Interview mit einem dreijährigen und mit einem weiteren vierjährigen Kind geführt. Beide Kinder zeigten ebenfalls ein besonders starkes Interesse am Interview. Da hier die Altersdifferenz jedoch als zu groß zu den anderen Kindern eingeschätzt wurde, sind diese Interviews in die Auswertung der Arbeit nicht eingeflossen. Ausgehend von diesen positiven Erfahrungen lässt sich jedoch anregen, zu erkunden, inwiefern auch Kinder unterhalb des fünften Lebensjahres über diese Form der Erhebung berücksichtigt werden können.

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begründete es damit, dass sie nach längerem Nachdenken zu viele Ängste in sich spürte, dass Daten ihres Kindes für Dritte erkennbar werden könnten. Sie begründete diese Sorge mit Erfahrungen in ihren eigenen beruflichen Zusammenhängen. Das andere Interview konnte nicht in der Auswertung berücksichtigt werden, da es keine verbalsprachlichen Anteile enthielt. Das Kind hatte während des Interviews ausschließlich über nonverbale Äußerungen und die Veränderung der Anordnung der Kinderzeichen zueinander auf die Interviewfragen geantwortet. Diese kommunikativen Anschlüsse waren jedoch über das hier gewählte auswertungsmethodische Vorgehen nicht als eigenständige Sinnbezüge des Kindes im Kontext der Fragestellung von der Forscherin interpretierbar.71 Zusammensetzung der Gruppen zum Zeitpunkt der Interviews Zum Zeitpunkt der Erhebung stellte sich das Verhältnis von Kindern mit zu Kindern ohne adressierte Behinderung in den Gruppen als 43 % zu 57 % dar. Ebenso wie die unterschiedlich hohe Probandenanzahl der Kinder mit und ohne adressierte Behinderung wurde auch diese Verteilung bei der Auswertung der Daten berücksichtigt (vgl. Kapitel 5, Einleitung). Erhebungszeitraum und Ort Die Erhebung wurde von Mai 2011 bis Juli 2011 zwischen 8:00 und 14:00 Uhr jeweils an einzelnen Tagen in der Woche während des regulären Betriebes in der KiTa Nortorf durchgeführt. Die Interviews fanden in zwei ruhig gelegenen Räumen statt (siehe Kapitel  4.1.3.1). Die Räume wurden für die jeweiligen Tage der Erhebung ausschließlich zu diesem Zweck genutzt. Vorbereitend wurden die Kinderzeichen der jeweiligen Gruppe des interviewten Kindes kreisförmig auf einem Tisch vor dem Sitzplatz des Kindes angeordnet. Seitlich rechts davon stand ein Stuhl, auf dem die Interviewerin Platz nahm. Seitlich links vom Kind lagen mehrere freie Din-A4-Blätter und zwölf verschiedenfarbige Buntstifte als Pausenmaterial bereit. Gegenüberliegend stand das Aufnahmegerät auf einem Stativ. Das symbolgestützte Leitfadeninterview Ausgehend von den Erfahrungen des Pretests wurde sich, wie bereits dargestellt, im Rahmen dieser Forschungsarbeit für die Methode des symbolgestützten Leitfadeninterviews entschieden (vgl. Kapitel 4.1.3.1). In den Kapiteln 3.2.2 und 4.1.1.3 wurde dargestellt, dass es für die Erhebung von entscheidender Bedeutung ist, ob das Kommunikationsangebot der Interviewer_innen innerhalb der Interviewsituation genügend psychische Eigenkomplexität repräsentiert, um einen kommunikativen Anschluss der Kinder orientiert an der intendierten Fragestellung der Arbeit zuzulassen. In diesem Kapitel wird ein Interviewleitfaden vorgestellt, an dem orientiert, ausgehend vom Pretest, für die hier fokussierte Zielgruppe eine entsprechende Zuschreibung erwartet wurde. Der Leitfaden der Erhebung setzte sich aus zwölf zentralen Fragen zusammen. Diese wurden, je nach kommunikativem Anschluss innerhalb des Interviews, durch Differenzierungsfragen (vgl. Kapitel  4.1.3.1) ergänzt. Die zentralen Fragen sollten möglichst in jedes Interview eingebracht werden, um jedes Kind anzure71 | Als angemessen wird hier bewertet, wenn ein eigener Sinnbezug des Kindes für die Forscherin erkennbar wird.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

gen, im Rahmen der für die Fragestellung als bedeutsam erachteten Sinnbezüge kommunikativ anzuschließen. Die optional angebotenen Differenzierungsfragen erweiterten die Anregungen entsprechend. Durch die Kombination von Leitfragen und Differenzierungsfragen ließ sich das kommunikative Angebot in der Interviewsituation je nach Verlauf modifizieren. So war es möglich, je nach Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer, Interesse und inhaltlicher Schwerpunktsetzung des einzelnen Kindes, dieses unterschiedlich komplex und flexibel zu gestalten und dennoch bei allen Kindern für die Fragestellung relevante Sinnbezüge anzuregen. Die Differenzierungsfragen wurden den Kindern so lange und in einem solchen Umfang angeboten, bis hinsichtlich der entsprechenden Leitfrage kein kommunikativer Anschluss mehr erfolgte oder sich nonverbale Anzeichen für eine mögliche Belastung oder Ablehnung der Frage deuten ließen. Als Indikator für ausreichend zur Verfügung gestellte Komplexität in der Erhebungssituation wurde bewertet, dass Kinder an die Interviewfragen kommunikativ anschlossen und Sinnbezüge erkennbar wurden, die über die Angebote der Interviewerin hinausgingen. Im Folgenden werden die Leitfragen vorgestellt. Hinsichtlich der Differenzierungsfragen wird auf das Kapitel 4.1.3.1 verwiesen. Die vorangestellten Erläuterungen veranschaulichen die Zuordnung der jeweiligen Interviewfrage zur Differenz Inklusion / Exklusion (vgl. Kapitel 4.2.2.1). Leitfragen des Interviews Fragen, die anregen, etwas über Anschlüsse und Passungsverhältnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren: 1. Schau mal, hier sind die Zeichen der Kinder deiner Fische-Gruppe (fiktiver Name). Zeig mir doch bitte mal die Kinder, mit denen du in der KiTa etwas zusammen machst. 2. Was hat dir an dem Kind / an den Kindern gut gefallen? Optional: Was hast du mit dem Kind / den Kindern gerne gemacht? Was hast du gerne zusammen mit dem Kind / den Kindern gespielt? Fragen, die anregen, etwas über Nicht-Anschlussprozesse und Nicht-Passungsverhältnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren: 3. War das auch mal anders? Kannst du beschreiben, wie es dann war? Fragen, die anregen, etwas über die Wende zwischen Nicht-Anschluss und Anschluss bzw. Nicht-Passungsverhältnis und Passungsverhältnis wahrzunehmen und zu kommunizieren: 4. Und was hat dann geholfen, dass es wieder besser wurde? Fragen, die anregen, etwas über Nicht-Anschluss und Nicht-Passungsverhältnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren: 5. Gibt es auch Kinder, mit denen es mal nicht so gut war? Wie war es dann?

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Fragen, die anregen, etwas über die Wende zwischen Nicht-Anschluss und Anschluss bzw. Nicht-Passungsverhältnis und Passungsverhältnis wahrzunehmen und zu kommunizieren: 6. War das mit denen auch mal anders? Wie war es dann? Fragen, die anregen, etwas über Nicht-Anschluss und Nicht-Passungsverhältnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren in Bezug auf sich selbst: 7. War das auch mal so, dass Kinder gesagt haben: »Nein, da darf Paula (fiktiver Name) nicht mitmachen?« Fragen, die anregen, etwas über soziale Adressenfragmete wahrzunehmen und zu kommunizieren: 8. Gibt es auch Kinder in deiner Gruppe, die irgendwie anders sind als die anderen Kinder, die irgendwie besonders sind? Fragen, die anregen, etwas über Nicht-Anschluss und Nicht-Passungsverhältnisse bzw. Passungsverhältnisse wahrzunehmen und zu kommunizieren: 9. Wie hat dir das gefallen? 10. Gab es auch etwas, was dir daran gut / nicht so gut gefallen hat? Fragen, die anregen, etwas über die Wende zwischen Nicht-Anschluss und Anschluss bzw. Nicht-Passungsverhältnis und Passungsverhältnis wahrzunehmen und zu kommunizieren: 11. Und was hat dir geholfen, damit es wieder besser wurde, wenn es schwierig war? Offene Abschlussfrage, die ermöglicht zu kommunizieren, was wahrgenommen, aber bisher noch nicht kommuniziert wurde: 12. Jetzt hab ich noch eine letzte Frage an dich: Hab ich noch etwas vergessen zu fragen? Möchtest du mich noch etwas fragen? Ausdruck der Wertschätzung und Dankbarkeit gegenüber dem Kind: Vielen Dank, dass du mitgemacht hast! Aus forschungsethischen Gründen wird davon Abstand genommen, exemplarisch ganze Interviews vorzustellen. Durch den spezifischen Wortlaut oder geschilderte Situationen im Zusammenhang des gesamten Interviews wird eine besondere Gefahr gesehen, dass Rückschlüsse auf einzelne Kinder möglich sind (vgl. Kapitel  4.1.2.4). Um dennoch eine Nähe zum »Material« anzubieten, werden in Kapitel 5 Äußerungen der Interviewpartner_innen exemplarisch zur Veranschaulichung der Interpretation eingebaut. Eine Bewertung der Durchführung des Erhebungsverfahrens erfolgt im folgenden Kapitel.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

4.1.3.3 Die Auswertung der Erhebung Wie schon in Kapitel 4.1.3 dargelegt, wird in der Auswertung der Erhebung nur auf jene Aspekte eingegangen, die sich von den Darstellungen des Pretests unterscheiden, diese ergänzen oder die besonders bedeutsam erscheinen. Kommunikative Anschlussmöglichkeiten der Kinder innerhalb der Interviews orientiert am Alter: Ausgehend von den erfolgreichen Interviews sechsjähriger Kinder auf unterschiedlichem Entwicklungsstand im Pretest wurde entschieden, in der Erhebung auch fünfjährige Kinder zu berücksichtigen (vgl. Kapitel  4.1.3.1). Da sich in der qualitativen Interpretation der Daten nicht am Alter der Kinder orientiert wird, ist in Kapitel 5 nicht erkennbar, in welchem Rahmen entsprechend fünf- und sechsjährige Kinder orientiert an der Fragestellung angeschlossen haben. Um auswerten zu können, inwiefern eine Sinngenerierung hinsichtlich der Fragestellung auch schon bei fünfjährigen Kindern möglich war, soll hier orientiert an der Anzahl ihrer Sinnverweise 72 in Bezug auf die Fragestellung und in Bezug auf die durchschnittliche Dauer der Interviews ein entsprechender Eindruck über einen quantitativen Vergleich zu sechsjährigen Kindern angeboten werden.73 Folgende Ergebnisse lassen sich vorstellen. Quantitativer Vergleich der durchschnittlichen Anzahl der verschiedenen Sinnverweise der Kinder differenziert nach Alter: • • • • • • •

Vierjähriges Kind ohne a. B.74: 55 Sinnverweise (keine Spannweite 75) Fünfjährige Kinder mit a. B.: 52 Sinnverweise (Spannweite 40-88) Fünfjährige Kinder ohne a. B.: 66 Sinnverweise (Spannweite 33-170) Sechsjährige Kinder mit a. B.: 44 Sinnverweise (Spannweite 19-80) Sechsjährige Kinder ohne a. B.: 79 Sinnverweise (Spannweite 18-190) Siebenjähriges Kind mit a. B.: 81 Sinnverweise (keine Spannweite) Siebenjähriges Kind ohne a. B.: 73 Sinnverweise (keine Spannweite)

Quantitativer Vergleich der durchschnittlichen Dauer der Interviews der Kinder differenziert nach Alter, angegeben in Minuten und Sekunden76:

72 | Bei der Auszählung sind Doppelnennungen nicht berücksichtigt (vgl. Kapitel 5, Einleitung). 73 | Die vier- und siebenjährigen Kinder werden hier mit aufgeführt. 74 | Das Kürzel »a. B.« steht für adressierte Behinderung oder von adressierter Behinderung bedroht (vgl. Kapitel 4.2.1 und 4.2.2.1). 75 | »Allgemein ist die Spannweite die Differenz zwischen maximalem und minimalem Wert« (Klammer 2005, 102). An dieser Stelle werden die entsprechenden Eckwerte zur Veranschaulichung dargestellt. 76 | Berücksichtigt werden muss bei den Zeitangaben, dass während der Nutzung des Pausenmaterials die Aufnahme nicht gestoppt wurde. Insofern ermöglichen sie nur einen ungefähren Eindruck. Die Zehntelsekunden wurden bei diesen Darstellungen auf- bzw. abgerundet und entsprechend in den Sekundenangaben berücksichtigt. Das gilt ebenso für die Berechnung der durchschnittlichen Dauer der Interviews.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

• • • • • • •

Vierjähriges Kind ohne a. B.: 13:21 (keine Spannweite) Fünfjährige Kinder mit a. B.: 13:37 (Spannweite 6:34 – 20:58) Fünfjährige Kinder ohne a. B.: 17:48 (Spannweite 9:40 – 32:27) Sechsjährige Kinder mit a. B.: 14:39 (Spannweite 6:45 – 22:20) Sechsjährige Kinder ohne a. B.: 16:43 (Spannweite 5:06 – 52:10) Siebenjähriges Kind mit a. B.: 12:21 (keine Spannweite) Siebenjähriges Kind ohne a. B.: 12:40 (keine Spannweite)

Im Vergleich der Sinnverweise wird erkennbar, dass im Durchschnitt diese bei den sechsjährigen Kindern ohne adressierte Behinderung am facettenreichsten hinbeobachtet wurden. Hingegen zeigt sich bei entsprechenden fünfjährigen Kindern die längste Interviewdauer. Bei Kindern mit adressierter Behinderung sind hingegen vielfältigere Sinnverweise bei Fünfjährigen ausgewertet worden. Hier ist wiederum die Dauer der Interviews bei Sechsjährigen länger. Bei beiden Alters- und Probandengruppen wird dabei sowohl in Bezug auf die Interviewdauer als auch in Bezug auf die Sinnverweise eine markante Streuung der Verteilung deutlich. Im Hinblick auf die hier gestellte Frage, ob auch schon fünfjährige Kinder zu interviewen seien, ist zudem anzuführen, dass in der Gruppe der sechsjährigen Kinder ohne adressierte Behinderung ein Interview die geringste Anzahl an Sinnverweisen und kürzeste Interviewdauer insgesamt anzeigt und dies nicht etwa bei einem fünf- und auch nicht bei dem vierjährigen Kind zu registrieren ist. Zudem ist zu vermerken, dass die höchsten Werte der Sinnverweise bei fünf- und sechsjährigen Kindern mit und ohne adressierte Behinderung jeweils sehr ähnlich sind (88 zu 80 Sinnverweise und 170 zu 190 Sinnverweise); ebenso unterscheidet sich ihre durchschnittliche Anzahl nicht signifikant (52 zu 44 bei Kindern mit adressierter Behinderung und 66 zu 79 bei Kindern ohne adressierte Behinderung). So wird bewertet, dass zwar Differenzen zwischen fünf- und sechsjährigen Kindern und Kindern mit und ohne adressierte Behinderung bestehen, diese jedoch nicht als so wesentlich bewertet werden, dass entsprechende Kinder nicht über dieses Erhebungsverfahren im gleichen Maße zu berücksichtigen sind. Es soll an dieser Stelle nicht tiefer in die statistische Berechnung der Streuungsparameter eingestiegen werden. Wie mehrfach dargestellt wurde, kommt es in dieser Arbeit nicht auf die Quantität der Daten an. Die Repräsentanz des einzelnen Kindes qualifiziert sich nicht über die Menge seiner Sinnverweise oder Dauer des Interviews, sondern über die Mitgliedschaft zu der Gruppe, deren kommunikative Anschlüsse hier näher interpretiert werden sollen, und der Möglichkeit, über das Erhebungsverfahren entsprechend der Fragestellung Sinnbezüge anzubieten, die aus der wissenschaftlichen Beobachtungsposition als passend bewertet werden (vgl. Kapitel 3, 4.1.2 und 5). So können auch nur wenige Sinnverweise, die der qualitativen Feld-Repräsentanz (vgl. Fuhs 2007, 64) entsprechen, ein Kind für diese Erhebung qualifizieren und in der Auswertung entsprechend zum Tragen kommen. Vor diesem Hintergrund wurden Ausnahmen in der Auswertung und Interpretation der Daten ebenso berücksichtigt (vgl. beispielsweise Kapitel 5.2.2, Jodoks(a. B.) Deutung auf Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf nicht altersentsprechendes Spiel) wie Mehrheiten. Davon unabhängig erlauben jedoch die hier angebotenen Vergleichsdaten die Schlussfolgerung, dass sowohl fünf- als auch sechsjährige Kinder mit und ohne adressierte Behinderung in der hier durchgeführten Erhebung in Bezug auf die

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Fragestellung kommunikativ ausreichend anschließen. Vor dem Hintergrund der in Kapitel  4.1.1.3 dargestellten starken Zurückhaltung hinsichtlich des Versuchs, Kinder unter dem sechsten Lebensjahr und Kinder mit adressierter Behinderung zu interviewen, kann ausgehend von den hier vorliegenden Ergebnissen dazu ermutigt werden, die Forschungslücke durch Folgearbeiten weiter zu schließen und entsprechende Kinder zu berücksichtigen. Das Interesse auch drei- und vierjähriger Kinder an dieser Form der Erhebung unterstreicht die Einschätzung und regt dazu an, sich auch noch jüngeren Kindern zuzuwenden (vgl. Kapitel 4.1.3.2). Abschließend wird als besonders positiv bewertet, dass fast alle fünf- und sechsjährigen Kinder interviewt werden konnten, die gerne mitmachen wollten und Kinder nur sehr begrenzt ausgeschlossen werden mussten.77 Einführung und Abschluss der Erhebung, die Sitzposition, das Raumangebot und die Wahl der Aufzeichnungsform: Die Einführung in das Interview über die in Kapitel 4.1.3.1 vorgestellte Form wird auch im Rahmen der Durchführung als erfolgreich bewertet. Bis auf ein Kind signalisierten alle potentiell relevanten Kinder ihr Interesse an einem Interview. Ausgehend von der Vorstellung des Vorhabens in der Gruppe war es über die persönliche Ansprache des jeweiligen Kindes durch die Interviewerin sehr gut möglich, es in den für das Interview vorbereiteten Raum zu geleiten (vgl. Kapitel  4.1.3.2). Dass dieser nicht unmittelbar am Gruppenraum anschloss, stellte für kein Kind ein Problem dar. Der Vorteil eines Extraraumes bestand darin, dass er für das Interview frei verfügbar war. So konnte er zu verschiedenen Zeitpunkten des Tages genutzt werden. Die dadurch mögliche Orientierung am Gruppenablauf und den Spielsituationen der Kinder wird als besonders positiv bewertet, da durch sie aktuelle Gegebenheiten respektiert und berücksichtigt werden können. Die ruhige Lage der ausgewählten zwei Räume (vgl. Kapitel 4.1.3.1) ermöglichte durchgehend eine störungsfreie Durchführung der Interviews. Darüber hinaus konnten sie entsprechend vorbereitet werden, um die Rahmung der Interviewsituation zu gewährleisten. Die über den Pretest festgelegte Sitzposition am Tisch wurde in allen Fällen als geeignet bewertet. Das Setzen an den Tisch markierte den Beginn des Interviews, das Aufstehen von diesem das Ende.78 Nachdem das Kind am Tisch Platz genommen hatte, wurde das Aufnahmegerät eingeschaltet, nach Beendigung des Interviews ausgeschaltet. Entsprechend konnten die Kinder das An- und Ausschalten des Gerätes beobachten. Auch diese Tätigkeit bot sich als Orientierungshilfe an. Erklärungen der Interviewerin ermöglichten den Kindern die Einordnung der Situation. Das Angebot, unmittelbar im Anschluss an das Interview dem jeweiligen Kind Ausschnitte zu zeigen, wurde von allen Kindern genutzt und war über das Display unkompliziert und unmittelbar möglich. Es gewährte den Kindern eine hohe Nachvollziehbarkeit und Teilhabe an der Situation (vgl. Kapitel 4.1.2.4). Die 77 | Die Ausnahmen wurden in Kapitel 4.1.3.2 dargelegt. 78 | Anteilig stand die Interviewerin innerhalb des Interviews vom Stuhl auf und kniete sich am selben Platz auf den Boden nieder, um während des Gesprächs auf eine Augenhöhe mit dem Kind zu gelangen. Diese Position wird als Optimierung der Anordnung zueinander bewertet und für folgende Erhebungssituationen empfohlen. Denn auch wenn sie auf einem Kinderstuhl Platz nimmt, gibt es noch eine merkliche Höhendifferenz.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Dauer der Inaugenscheinnahme durften die Kinder eigenständig bestimmen. In allen Fällen zeigten sie nur wenige Sekunden ein konkretes Interesse an den Aufnahmen. Es schien für sie eher wie eine Art Vergewisserung über das, was zuvor geschehen war. Im Anschluss wurden sie von der Interviewerin in ihre Bezugsgruppe zurück begleitet. Die Interviewerin vergewisserte sich, dass sie an andere Situationen in der Gruppe anschlossen und verabschiedete sich von ihnen. Das Aufnahmegerät bestätigte sich als geeignet (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Einige Kinder richteten zu Beginn und auch während des Interviews ihren Blick darauf. Über das Angebot, dass es möglich sei, sich die Aufnahme nach dem Ende des Interviews noch einmal anzusehen, war es durchgehend möglich, die Aufmerksamkeit wieder auf den Anschluss an die Leitfragen zu richten. An die einleitende Aufforderung »Schau mal, hier sind die Zeichen der Kinder deiner Fische-Gruppe (fiktiver Name). Zeig mir doch bitte mal die Kinder, mit denen du in der KiTa etwas zusammen machst.« schlossen alle unter Hilfestellung der Kindersymbole an. Themenbezogenes Malen eines Bildes Wie in Kapitel 4.1.3.1 dargestellt, wurde in der Erhebung als weitere Form der Erzählhilfe, die freier von einem »Impact« ist als konkrete Fragen oder Kinderzeichen, ausprobiert, ein vom Kind selbstgemaltes Bild als Ausgangspunkt des Interviews zu nutzen (vgl. Fuhs 2000, 95). Durch dieses themenbezogene Malen sollte erkundet werden, inwiefern eine eigene Zeichnung hilfreich sein kann, die hier intendierten Äußerungen zu generieren. Entsprechend wurden die Interviews über folgende Aufforderung eingeleitet: »Ich möchte dich bitten ein Bild von dir und den Kindern zu malen, mit denen du in der KiTa gerne etwas zusammen machst!« Diese Idee wurde innerhalb von fünf Interviews (mit einem Mädchen und einem Jungen mit adressierter Behinderung und zwei Mädchen und einem Jungen ohne adressierte Behinderung) aufgegriffen, aber hinsichtlich weiterer Interviews nicht fortgeführt (davon ausgenommen sind die unten dargestellten Interviews mit den Kindern mit adressiertem selektivem Mutismus). Diese Entscheidung wird orientiert an den Beispielen im Folgenden begründet. Das Mädchen mit adressierter Behinderung ergriff nach der entsprechenden Aufforderung einen Stift und begann wenige Striche zu malen, blickte dann jedoch auf die Kinderzeichen und äußerte Namen der Kinder, mit denen es zusammen spielt (vgl. Transkription Pitti(a. B.)). Daran schlossen sich weitere Äußerungen über gemeinsame Tätigkeiten und Verhaltensweisen an, die diesem Mädchen nicht gut gefallen. Erst nach 3:21 Minuten setzte es das Malen fort. Das Mädchen stellte einen »Klackerschuh« (hochhackiger Damenschuh) dar und teilte mit, dass dieser der Gruppenleiterin gehöre und dass es selbst gerne »Klackerschuhe« trage. Nach dem Gespräch über »Klackerschuhe« wirkte das Mädchen etwas erschöpft und nur noch begrenzt in der Lage, auf die Interviewfragen weiter einzugehen. Der Junge mit adressierter Behinderung entgegnete zunächst, dass er nicht so gut malen könne. Dann teilte er mit, dass er die Aufgabe nicht verstanden habe. Nachdem die Interviewerin diese noch einmal wiederholt hatte, begann er, den Stift in der Hand haltend, zu berichten, mit wem er spielt und mit wem nicht. Zudem stellte er Konflikte dar, von denen er sich abgewandt hatte. Das Gespräch vertiefte sich über 7 Minuten, am Thema der Arbeit orientiert. Der Aufforderung zu malen kam der Junge währenddessen nicht nach. So versuchte die Interviewerin

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

noch einmal das Gespräch auf die Aufforderung zu lenken, ein Bild von ihm und den Kindern, mit denen er etwas zusammen macht, zu malen. Nach einiger Ermutigung ließ sich der Junge schließlich darauf ein, etwas aufzumalen. Er unterbrach das Malen aber immer wieder, problematisierend, dass die Füße nicht so aussähen wie »in echt« und dass er einen Menschen nicht malen könne. Das Gespräch konzentrierte sich im weiteren Verlauf immer stärker auf die grafischen Darstellungen und nicht weiter auf seine Interaktionen mit anderen Kindern. Nach kurzer Zeit brach er das Malen ganz ab und bat, in den Gruppenraum zurückgehen zu dürfen. Dem wurde, nach kurzem Austausch über das Gemalte, entsprochen.79 Das eine Mädchen ohne adressierte Behinderung malte über 5 Minuten ein Kind, mit dem es gern spielt (vgl. Transkription Merle). Dann stöhnte es. Die Interviewerin fragte daraufhin, ob das Malen anstrengend sei. Das Kind erwiderte mit einem Nicken. Die Interviewerin fragte das Kind weiter, ob sie das anders machen sollten, ohne malen. Das Kind antwortete mit einem bestätigenden Nicken. Daraufhin bot die Interviewerin dem Kind an, »einfach so« über die Kinder zu reden, mit denen es gern spielte, und leitete das Gespräch ein. Das Kind begann daraufhin mit der Schilderung eines Erlebnisses und legte seinen Stift zur Seite. Das Malen wurde beendet und das Interview am Leitfaden orientiert begann. Bei dem anderen Mädchen und dem Jungen ohne adressierte Behinderung gestaltete sich der Verlauf ähnlich (vgl. Transkription Kirsten und Michi). Auch sie begannen erst nach dem Abbruch des Malens, bzw. unabhängig vom Bild, mit den Schilderungen von ihren Interaktionen mit anderen Kindern. Ein Beispiel veranschaulicht dies:80 Beispiel Kirsten (Transkription I) Interviewerin: […] Guck mal, ich hab da ein Blatt hingelegt, weil ich 00:00:11-9 dich bitten wollte, ein Bild zu malen von DIR und den Kindern, mit denen du gerne in der Kita etwas zusammen machst. 00:00:26-3 Kirsten: [Richtet Blick auf Zeichen und im Anschluss auf Interviewerin.] 00:00:27-8 Interviewerin: (…) Guck mal, da sind Stifte und da ist ein Blatt und da hab ich die Zeichen der Kinder hingelegt. [Zeigt mit dem Finger auf die jeweiligen Dinge.] 00:00:37-9 Kirsten: [Richtet Blick auf die Gegenstände.] 00:00:40-2 Interviewerin: Mm. Kennst du die Zeichen? 00:00:42-3 Kirsten: [Nickt.] 00:00:44-5 Interviewerin: [Nickt.] Mm. Dann kannst du anfangen. Kirsten: [Nimmt sich einen Stift.] 00:00:55-9 00:00:58-4 Interviewerin: Und ich les dann einfach so lang und wenn du fertig bist, sagst du mir Bescheid. Okay? 79 | Bedingt durch die starke Fixierung auf das Malen wurde mit dem Jungen zu einem späteren Zeitpunkt ein Interview ohne diese Erzählhilfe durchgeführt. In diesem war es ihm möglich, umfangreicher an die Leitfragen anzuschließen (vgl. Transkription Lars(a. B.)). Das hier beschriebene Interview liegt nicht in transkribierter Form vor, da es im Weiteren nicht in die Auswertung eingeflossen ist. 80 | Hinsichtlich der Wiedergabe der Interviews wird auf die Transkriptionsregeln im Kapitel 4.2.1 verwiesen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:01:03-0 00:01:04-0 00:01:08-3 00:01:22-2 00:01:25-0 00:01:26-1 00:01:27-1 00:01:28-1 00:01:36-8

00:01:46-2 00:01:47-2 00:01:48-2 00:01:51-1

00:01:54-3 00:01:55-3

Kirsten: [Nickt.] Interviewerin: Gut. Kirsten: [Führt den Stift zum Blatt und blickt die Interviewerin an.] Interviewerin: Weißt du noch, was ich gesagt hab, oder soll ich das noch mal sagen? Kirsten: [Schüttelt verneinend den Kopf. Richtet Blick für ein bis zwei Sekunden auf die Kinderzeichen.] Interviewerin: Soll ich noch mal sagen? Kirsten: [Schüttelt verneinend den Kopf.] Interviewerin: Nee? Okay. Kirsten: [Blickt viermal im Wechsel auf das Blatt und die Interviewerin. Hält den Stift in der Hand am Blatt. Beginnt jedoch noch nicht mit dem Malen. Richtet im Anschluss erneut Blick für ein bis zwei Sekunden auf die Kinderzeichen.] Interviewerin: Möchtest du, dass ich zuschaue, wenn du malst? Kirsten: [Schüttelt verneinend den Kopf.] Interviewerin: Nicht. Soll ich / (.) Denn les ich lieber, ja? Kirsten: Ich spiel sogar gerne mit Katja und Lasha(a. B.) und Juli(a. B.) und Lessy. [Richtet Blick im Wechsel auf die Interviewerin und die Kinderzeichen.] Interviewerin: Ja? Kirsten: Ich spiel mit viele Kinder gern.

Im weiteren Verlauf vertieft sich das Gespräch über die Spielkontakte zu verschiedenen Kindern. Das Malen wurde von Kirsten erst in Minute 5:24-2 wieder aufgegriffen. Zusammenfassend kann aus den dargestellten Beispielen resümiert werden, dass es nach den hier gemachten Erfahrungen für diese Proband_innengruppe schwierig ist, ein leitfadenorientiertes Gespräch mit der vorgestellten Ausrichtung über eine grafische Darstellung einzuleiten. Das Malen einer Situation zeigte sich hier eher als Hemmnis denn als Unterstützung für Äußerungen zum Forschungsthema. Es wurde infolgedessen Abstand von der Möglichkeit genommen, das themenbezogene Malen eines entsprechenden Bildes in das Interview weiter einzubeziehen. Umgang mit den Erzählhilfen, dem Leitfaden und den Differenzierungsfragen Die Kindersymbole wurden von allen Kindern aktiv an verschiedenen Stellen des Interviews zur Veranschaulichung ihrer Äußerungen genutzt. Ihr Einsatz kann somit als äußerst geeignete Erzählhilfe bewertet werden. Der Leitfaden ermöglichte eine Ausrichtung auf die Fragestellung der Arbeit. Seine Reduktion im Vergleich zum Pretest wird als absolut ausreichend bewertet. Orientiert am Gesprächsverlauf und den Äußerungen der Kinder konnten die einzelnen Fragestellungen vertieft oder weitere Sinnbezüge angeregt werden. So war es sehr gut möglich, kommunikative Anschlüsse von Kindern auf sehr unterschiedlichen Entwicklungsniveaus zum gleichen Thema zu generieren. Dieser Erfolg ermutigt dazu, bei zukünftigen Erhebungen anteilig narrativere Formen

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

der Erhebung zu erproben, um den Sinnbildungsprozessen der Kinder noch mehr Raum zu geben (vgl. Kapitel 4.1.1.2). Ebenso positiv lassen sich im Allgemeinen die Differenzierungsfragen aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung bewerten (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Überwiegend ermöglichten sie, wie schon bei dem Pretest ausgewertet, weiterführende Sinnverweise zu Fragestellungen des Leitfadens. Das führt zu der Einschätzung, dass über das systemische Nachfragen das psychische System aufgefordert wird, weitere Unterscheidungen zu generieren. Folgende Ausschnitte der nachfolgenden Interviews veranschaulichen diese Möglichkeit anhand von lösungsorientierten und verflüssigenden Fragen: Beispiel Lasha(a.B) 00:06:16-7 Lasha(a. B.): (9) Wei- Weißt du was, weißt du was, in Hüpfraum hat Katha(a. B.) auch mich mal von der Leiter geschubst, Kirsten. 00:06:32-2 Interviewerin: Mhm. Kirsten? 00:06:35-3 Lasha(a. B.): Ja, dann hat Katha(a. B.) Kirsten schon mit der Leiter runtergeschubst, auf den Boden. 00:06:40-4 Interviewerin: Mhm. Und was ist dann passiert? 00:06:46-5 Lasha(a. B.): Dann ist Kirsten zu Peter [Erwachsener] gegangen. 00:06:47-0 Interviewerin: Mhm. 00:06:49-0 Lasha(a. B.): Und, und dann hat Peter gesagt: »Wenn du noch einmal Kirsten schubst, denn gehst du sofort raus!« 00:06:53-1 Interviewerin: Mm. Mm. Und was ist dann passiert? 00:06:58-5 Lasha(a. B.): »Oder du gehst in Kuschelraum!« 00:06:59-3 Interviewerin: Mhm. Und was ist dann passiert, Lasha(a. B.)? 00:07:07-1 Lasha(a. B.): Das weiß ich nicht mehr. 00:07:08-2 Interviewerin: Mhm. Und war das immer so, oder war das auch mal anders? 00:07:12-7 Lasha(a. B.): Anders. Interviewerin: War auch mal anders? 00:07:13-6 00:07:15-1 Lasha(a. B.): Ja. 00:07:16-7 Interviewerin: Mhm. Und wie war das dann? 00:07:19-0 Lasha(a. B.): Ka- Katha(a. B.) hat mich meine Hand genommen. 00:07:20-9 Interviewerin: Ah. Okay. Und wie hat dir das gefallen? 00:07:24-3 Lasha(a. B.): Gut. Beispiel Michi 00:02:49-7 Interviewerin: Mm. Und kannst du mir genauer beschreiben, warum du gerne mit Lars(a. B.) spielst? 00:03:01-7 Michi: Nö. Interviewerin: Nö. (…) Mm. Was gefällt dir an Lars(a. B.) denn beson00:03:03-9 ders gut? 00:03:12-7 Michi: Weil ich (..) IHN MAG. 00:03:13-3 Interviewerin: Mm. Mm. (..) Und was macht ihr so zusammen? 00:03:18-5 Michi: Im Hüpfraum spielen, draußen spielen. 00:03:24-2 Interviewerin: Mm. Mm. (..) Und was noch so? 00:03:32-8 Michi: In Hüpfraum und gerne mit Fahrzeugen spielen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Einschränkend ist mitzuteilen, dass es nicht bei allen Kindern gelang, über Differenzierungsfragen diese erhöhte kommunikative Komplexität anzuregen und erweiterte Sinnverweise in Bezug auf die Fragestellung zu generieren. So gab es beispielsweise auch folgende Antworten auf verflüssigende Fragen: »Tja, (…) das ist fast das Gleiche. […] Also kann ich da nichts zu sagen!« (Moritz 00:04:34-4 und 00:04:40-9) – oder Reaktionen, die durch das Umherschauen im Raum oder Stöhnen des Kindes auf einen Nicht-Anschluss verwiesen. Ergänzend ein weiteres Beispiel: Beispiel Jan 00:09:59-0 00:10:03-6 00:10:07-2 00:10:12-8 00:10:16-5 00:10:18-5 00:10:20-2 00:10:21-8

Interviewerin: Mm. Mm. (..) Und und wie ärgern DIE dich? [Zeigt auf die Zeichen, die Jan in der Hand hält.] Jan: Weiß ich nich. Interviewerin: Und wenn du’s wüsstest? Jan: Ähm (..) Ich weiß es ja nich, wenn ich es wüsste, würde ich es erzählen. Interviewerin: Okay. Und manchmal weißt du es auch nicht. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Jan: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Mm. Okay. Jan: Wie lange reden wir schon [senkt den Blick]?

Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde im Verlauf der Erhebung entschieden, dass allen Kindern Differenzierungsfragen angeboten werden, um ihnen die Chance einer vertieften Auseinandersetzung mit einer Frage zu ermöglichen. Diese Frageform wurde jedoch bei Reaktionen, die auf ein Nicht-Passungsverhältnis hindeuteten, an entsprechenden Stellen im Interview nicht wiederholt. In der Fortsetzung solcher Interviews wurden sie bei diesen Kindern aufmerksamer eingesetzt. Über dieses Vorgehen konnte das mit den Differenzierungsfragen verbundene sinngenerierende Potential genutzt werden, ohne einen Abbruch des Interviews zu riskieren. Nutzung des Pausenmaterials Wie in Kapitel 4.1.3.1 erläutert, wurden ausgehend vom Pretest für die Erhebung Stifte und Blätter als Pausenmaterial bereitgestellt. Dieses wurde in sechs Interviews genutzt, von fünf Kindern mit adressierter Behinderung und einem Kind ohne adressierte Behinderung. In fünf Interviews sprachen die Kinder die Interviewerin selbst auf das Pausenmaterial an. So entgegnete beispielsweise Angelika(a. B.) der Interviewerin auf die Frage, wer doofe Sachen sage: »Ich wollt noch malen!« (Angelika(a. B.) 00:05:08-5 bis 00:05:15:-2). Konstanze nahm ausgehend von der Beantwortung der Frage, ob es auch mal so sei, dass andere Kinder sagten, dass sie nicht mitmachen dürfe, Bezug auf das Pausenmaterial: Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:01:26-5 Konstanze: Und wofür ist das? [Zeigt mit dem Finger auf das Pausenmaterial.] 00:01:28-0 Interviewerin: Die Stifte? 00:01:29-0 Konstanze: Ja.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

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Interviewerin: Ach (..) wenn Kinder, mit denen ich ein Interview mache, wenn die eine Pause möchten oder mal Lust haben zu malen, denn können sie ja auch mal malen. Möchtest du gerne mal malen? Konstanze: Ja [nickt]. Ich liebe Malen! Interviewerin: Dann legen wir die Zeichen ein bisschen zur Seite (..) [Interviewerin schiebt die Zeichen zur Seite. Konstanze nimmt sich ein Blatt Papier und die Stifte.]

Innerhalb dieser Interviews konnten die Kinder nach kurzer Zeit des Malens wieder auf Interviewfragen eingehen und ihre Antworten zum Teil vertiefen. Sie setzten dabei das Malen zeitweilig fort. In einem Interview mit einem Kind mit adressierter Behinderung wurde das Malen durch die Interviewerin angeregt. Anlass war, dass das Kind auf die Interviewerin einen erschöpften Eindruck machte, sodass sie durch das Pausenmaterial eine Erholung ermöglichen wollte. Das Kind nahm das Angebot unmittelbar an und begann, ein Bild zu malen. Die Fortsetzung dieses Interviews war jedoch parallel zum Malen des Bildes und auch im Anschluss nicht mehr möglich. Zusammenfassend kann dennoch das freie Malen als Pausenangebot positiv bewertet werden. Es bietet einen alternativen Anschluss zur Kommunikation in der Interviewsituation an, enthält jedoch nicht soviel »Impact«, dass es die Kinder zu stark vom intendierten Thema ablenkt. Im Gegensatz zum themenbezogenen Malen ist es freier einsetzbar und unterstützt dadurch den Bezug auf die Leitfragen (s. o.). Dass das Pausenmaterial nur so gering genutzt wurde, kann als Hinweis gedeutet werden, dass die Erhebungssituation insgesamt den Kindern ausreichend Sinnbezüge anbot und ein hohes Interesse am Thema bestand. Erzählhilfen, Leitfaden und Differenzierungsfragen werden demzufolge als adäquates Angebot bewertet, die Aufmerksamkeit der Kinder zu binden und kommunikative Anschlüsse zu ermöglichen.81 Besonderheiten Interview mit Kindern, die als selektiv mutistisch adressiert werden In der Erhebung wurden zwei Kinder82 mit adressiertem selektivem Mutismus berücksichtigt. Im Gruppenalltag teilen sich diese Kinder verbal nur in ausgewählten Situationen mit. Da beide jedoch Interesse am Interview signalisierten, wurden sie über eine vom üblichen Vorgehen abweichende Form interviewt, die hier kurz vorgestellt werden soll. Innerhalb beider Interviews wurde neben den Kinderzeichen als weiterer Gesprächsanlass hier noch einmal das Malen eines Bildes angeboten. Aus der Gruppensituation war bekannt, dass diese Kinder über selbstgemalte Bilder kommunikativ anschließen. Während der Interviews wurde diese Ausdrucksform jedoch nicht als Unterstützung bewertet, da sie zwar ein Bild malten, sich zu diesem jedoch nicht äußerten. Im weiteren Verlauf markierte eines der Kinder unter Zuhilfenahme eines Stiftes Kinderzeichen und zeigte so entsprechend Kinder an, mit denen es gern etwas zusammen macht. Die Namen der Kinder wurden dabei von der Interviewerin ausgesprochen. Das Kind bestätigte 81 | Jedoch muss auch diese Einschätzung relativiert werden, da das Ergebnis im Zusammenhang mit der Attraktivität des Pausenmaterials zu bewerten ist. 82 | Aus Personenschutzgründen werden die Codenamen dieser Kinder nicht genannt, da ggf. durch die Diagnose Rückschlüsse auf die Kinder gezogen werden können.

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diese. Darüber hinaus wurden ihm hinsichtlich möglicher Spielsituationen oder Verhaltensweisen optional Antworten zur Auswahl angeboten. Auch diese Form war aus dem Gruppenalltag als erfolgreiche Hilfestellung bekannt. Sie regte auch in der Interviewsituation den sinnhaften Anschluss an. Das Kind griff vereinzelt kommunikative Angebote auf und teilte sich von diesen ausgehend über einzelne eigenständig geäußerte Worte mit. Jene Sinnverweise, die von der Forscherin als die des Kindes gedeutet wurden, sind in die Auswertung eingeflossen. Insgesamt wirkte dieses Kind durchgehend an der Fortsetzung des Interviews interessiert, sodass kein Anlass gesehen wurde, die Durchführung des Interviews abzubrechen. Die nonverbalen Äußerungen des anderen Kindes wurden nach kurzer Zeit als Unwohlsein gedeutet. Das Interview mit diesem Kind wurde vorzeitig abgebrochen und ist nicht in die Auswertung eingeflossen.83 Individualisierter Einstieg Ein Mädchen willigte zunächst anlässlich der Frage, ob es mitkommen würde, um das in der Gruppe vorgestellte Interview zu machen, nicht ein. Am nächsten Tag wurde die Interviewerin von der Mutter des Kindes angesprochen. Diese teilte ihr mit, dass ihr Kind ihr von dem Interview erzählt habe und bei ihr der Eindruck entstanden sei, dass es Angst vor dem Interview habe. Die Mutter schlug der Interviewerin vor, ihrem Kind noch einmal genauer zu erklären, worüber sie mit ihm im Rahmen des Interviews reden wolle. Daraufhin stellte die Interviewerin in einer Einzelsituation dem Kind die Interviewfragen dar und wiederholte, dass es das Interview jederzeit auf eigenen Wunsch beenden könne. Zudem zeigte die Interviewerin dem Kind den Raum, in dem die Interviews durchgeführt wurden. Am darauf folgenden Tag beobachtete dieses Kind zunächst, wie ein anderes Kind zu einem Interview ging und nach einiger Zeit wieder zurück in die Gruppe gebracht wurde. Als sich die Interviewerin von dem interviewten Kind verabschiedete, kam es von sich aus strahlend auf die Interviewerin zu und sagte: »Jetzt will ich mit dir ein Interview machen!« Daraufhin ermöglichte die Interviewerin zeitnah seine Durchführung. Es folgte ein Interview über 31:49 Minuten mit 170 Sinnverweisen. Auf die abschießende Frage »Hast du noch eine Frage an mich?«, antwortete das Kind: »Nein. Hab ich nicht. Aber du hast an mich« und forderte die Interviewerin dazu auf, das Interview fortzusetzen (Ronja, Transkription II, 00:11:42-6). Daraufhin griff diese einige Fragen des Leitfadens wieder auf und führte das Interview über 10 Minuten vertiefend fort. Dieses Beispiel wird dargestellt, da es die Bedeutsamkeit des individuellen Einstiegs und die Relevanz des Respekts vor der Entscheidung und dem Tempo des Kindes veranschaulicht (vgl. Kapitel 4.1.2.4).

83 | Als alternative Erhebungsmethode wurde diesem Kind der Gang durch den Gruppenraum angeboten, um ausgehend von bekannten Spielmaterialien und innerhalb bekannter Räumlichkeiten vertrautere Erzählanlässe bereitzustellen. Über ein Audioaufnahmegerät wurde diese Erhebungssituation aufgezeichnet. Jedoch war es auch unter diesen Rahmenbedingungen nicht möglich, Äußerungen des Kindes hinsichtlich der Fragestellung zu erheben. Eine stärkere Individualisierung konnte unter den bestehenden Rahmenbedingungen nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch hier zeigt sich weiterer Forschungsbedarf, beispielweise durch die Erkundung erweiterter Symbolsysteme.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Reaktionen im Anschluss an das Interview Insgesamt war für die Interviewerin wahrnehmbar, dass fast alle Kinder, die sie interviewt hatte, sie an den folgenden Tagen innerhalb von Zufallsbegegnungen in der KiTa anders ansahen. Viele nahmen noch einmal Kontakt zu ihr auf und begegneten ihr sehr zugewandt und interessiert, sodass der Eindruck entstand, dass ihnen die Begegnungen innerhalb des Interviews mit ihr in guter Erinnerung geblieben waren und für sie ein schönes Erlebnis darstellten. Einige Eltern bestätigten dies durch entsprechende Äußerungen ihrer Kinder. Als eine besondere Reaktion auf das Interview soll hier von einem Jungen berichtet werden. Die Mutter dieses Jungen sprach die Interviewerin einen Tag nach dem Interview in der KiTa an und erläuterte, dass er zuhause vom Interview erzählt habe. Es habe ihn beschäftigt, dass es ja »nicht nett sei« [Wortlaut der Mutter], zu sagen, was man an anderen nicht gut fände. Die Mutter deutete die Äußerungen ihres Kindes nach eigenen Aussagen als schlechtes Gewissen. Die Mutter und die Interviewerin einigten sich darauf, dass die Interviewerin den Jungen noch einmal auf das Interview ansprechen solle. In dem Gespräch teilte die Interviewerin dem Jungen mit, dass er ihrer Einschätzung nach gerne sagen dürfe, was ihm an anderen nicht gefalle. Zudem teilte sie ihm mit, dass die Aufzeichnungen nicht als ganzes Gespräch und nicht unter seinem Namen in das Buch hineingelangen würden und die Interviewerin mit niemandem über das spricht, was dort gesagt wurde. Der Junge hatte keine weiteren Fragen, wirkte in dem Gespräch entspannt und äußerte sich nicht weiter.84 An diesem Beispiel wird deutlich, wie sorgsam mit kommunikativen Angeboten dieser Art umgegangen werden muss. Videorückschau mit einer Mutter und ihrem Kind Im Rahmen der Zusammenarbeit mit Eltern soll hier, die Auswertung der Erhebung abschließend, vom Umgang mit dem Wunsch einer Mutter berichtet werden, das mit ihrem Kind durchgeführte Interview ansehen zu können. Nach Rücksprache mit Prof. Dr. Dr. Fuhs wurde hier folgendes Vorgehen entwickelt: Zunächst erzählte die Interviewerin dem Jungen in einem Einzelgespräch, dass seine Mutter gerne das Interview auf Video ansehen würde und fragte ihn, ob das für ihn in Ordnung sei. Sie erläuterte ihm, dass die Darstellung des Interviews jederzeit gestoppt werden könne, sobald er es möchte. Darüber hinaus stellte sie ihm dar, dass er dem auch nicht zustimmen könne und seine Mutter das respektieren würde. Der Junge willigte jedoch ein, und es wurde ein Termin zur gemeinsamen Rückschau mit der Mutter organisiert. Vorbereitend zur Rückschau besprach die Interviewerin mit der Mutter, dass sie keine Zwischenfragen stellen und die Aufnahme nicht kommentieren oder bewerten dürfe. Als Erklärung für diese Vorgaben erläuterte die Interviewerin, dass das Material sensible Daten für ihr Kind darstelle, die nicht zu bewerten seien. Um Nachfragen ihrerseits dennoch Raum zu gewähren, bot sich die Interviewerin als Gesprächspartnerin im Anschluss an die Rückschau in einem Einzelgespräch ohne das Kind an. Während der Rückschau kuschelte sich der Junge eng an seine Mutter, verfolgte aufmerksam die Aufnahme, lächelte oft, aber 84 | Diese Situation veranschaulicht, wie soziale Sinnverweise das Bewusstsein »des Kindes« irritieren können. So kann hier gedeutet werden, dass das Kind von den kommunikativen Anschlüssen überrascht wurde, die es an sich selbst anlässlich der Interviewfragen beobachten konnte und zu welchen Sinngenerierungen diese führten.

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schwieg. Seine Mutter verhielt sich ebenfalls aufmerksam und entsprechend der Vorabsprachen. Als der Junge in seine Gruppe zurückgekehrt war, bat die Mutter die Interviewerin noch um ein kurzes Gespräch. In diesem teilte sie ihr mit, dass sie erstaunt darüber sei, dass ihr Kind nichts über die Handicaps der einzelnen Kinder berichtet habe. Zuhause beschreibe er diese differenziert, beispielsweise welches Kind welchen Assistenzbedarf habe, wenn diese bei ihnen zu Besuch kämen. Zudem habe er ein Mädchen nicht als Freundin benannt, welches häufig bei ihm zu Besuch komme. Sie sei überrascht darüber, welche Prioritäten er im Interview benenne, auch in Bezug auf seine Spielinteressen. Abschließend bedankte sie sich für die Transparenz und versicherte, sich gegenüber ihrem Kind nicht weiter bezüglich des Interviews zu äußern. Der hier aufgezeigte Weg stellt eine Möglichkeit dar, entsprechendes Interesse von Eltern zu berücksichtigen. Für die Mutter schien er eine gute Option gewesen zu sein. Da sich jedoch das Kind während der Rückschau gar nicht äußerte, bleibt offen, inwiefern diese Vorgehensweise auch für dieses als positiv zu bewerten ist. Da das Interview sehr intime Äußerungen des Kindes enthält, die es selbst in einer neuen Situation anders beobachten könnte, wird eine solche Rückschau eher kritisch bewertet und davon abgeraten. Nachdem in diesem Kapitel die Überlegungen zu der empirischen Erhebung ausgeführt wurden, erfolgt im nächsten Kapitel die Vorstellung ihrer konkreten Auswertung.

4.2 D as A uswertungsverfahren »Man kann angesichts der Komplexität der Welt nicht alle Bedingungen der Möglichkeit eines Sachverhalts in den Begriff dieses Sachverhalts aufnehmen; denn damit würde der Begriff jede Kontur und jede theoriebautechnische Verwendbarkeit verlieren.« L uhmann 2002b, 44

In den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 wurde dargelegt, dass in der Auswertung der Daten der sich ausflaggende ereignishafte Anschluss (vgl. Nassehi 1997, 150) sozialer Systeme (die Äußerungen der Kinder85 anlässlich der Interviewfragen) über die wissenschaftliche Beobachtungsposition als beobachtendes Verstehen gegenbeobachtbar ist. Dabei wurden die kommunikativen Anschlüsse als operative Verstehensakte des sozialen Systems differenziert, die mit Hilfe systemtheoretischer Begrifflichkeiten vor dem Hintergrund der Fragestellung als wissenschaftliches Verstehen interpretierbar sind. In Kapitel 3.3 wurde deutlich, dass über die Beobachtung sozialer Operationen als Anschlussselektionen an Interviewfragen neben sozialen Anschlüssen auch Sinnverweise auf psychische Unterscheidungsoptionen hin-deutbar werden, in der Form, in der sich das soziale System ihrer für die 85 | Wie in Kapitel 2.5.3 theoretisch dargelegt, wird sich hier auf die Kinder als Mitteilungshandelnde bezogen. Um eine bessere Lesbarkeit zu ermöglichen, wird dieser wissenschaftliche Deutungskontext als mitgedachter Hintergrund in den folgenden Ausführungen vorausgesetzt und nicht an jeder Stelle der Arbeit erneut angemerkt.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Fortsetzung seiner Operationen bedient (Prozess der Interpenetration). So geht es mit den Worten von Nassehi zusammengefasst darum: »Wie verläuft der selektive Prozeß einer Kommunikation, und welchen Strukturen folgt dieser Prozeß?« (Nassehi 1997, 150). Für das Auswertungsverfahren bedeutet dies, dass zum einen hin-beobachtbar ist, welche psychische Komplexität das soziale System benötigt, um kommunikativ anschließen zu können (Deutung auf Sinngenerierungsprozesse), zum anderen ist es möglich, über den sich ausflaggenden kommunikativen Anschluss soziale Operationen zu berücksichtigen (Deutung auf Sinnverteilung). So kann es in der Beobachtung des empirischen Materials darum gehen, wie sich das generiert, was in der theoretischen Betrachtung im Kontext von Inklusion und Exklusion in Kapitel 2 als bedeutsam beschrieben wurde. Im Kontext von Inklusion wird danach gefragt: Wie konstruieren sich Passungsverhältnisse, um kommunikativ anzuschließen? Welche Sinnbezüge werden aufgebaut? Was erweist sich als funktional für einen Anschluss? Im Kontext von Exklusion wird danach gefragt: Wie stellt sich ein Nicht-Passungsverhältnis her? Was erweist sich als dysfunktional für einen Anschluss? Welche diesbezüglichen Sinnbezüge werden aufgebaut? »Die Frage nach dem Wie und nicht nach dem Was ist folgenreich, denn der Vorrang wird nicht der Ontologie, sondern der Konstruktivität eingeräumt« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 324). In diesem Sinne werden ausgehend von der Analyse und Interpretation der sozialen und psychischen Sinnverweise Thesen bezogen auf die potentielle Ausrichtung des Interaktionssystems im Alter früher Kindheit und den damit einhergehenden inklusiven und exklusiven Prozessen gebildet (vgl. Kapitel  5.5). Die Hypothese ist: Wenn es mehr Wissen darüber gibt, inwiefern sich Kinder mit und ohne adressierte Behinderung als Mitteilungshandelnde erkennen und inwiefern nicht (vgl. Kapitel 5) und wie darauf hin-beobachtet werden kann (vgl. Kapitel 6), wird es möglich, den einleitend als »unterkomplex« problematisierten praktischen Bezug und theoretischen Diskurs im Kontext von Inklusion zu schärfen (vgl. Kapitel 1). Die Deutungen der kindlichen Äußerungen als Ergebnisse der empirischen Erhebung sind dabei als exemplarisch zu verstehen. Sie konkretisieren an dieser Stelle die Orientierung an der Theorie im Auswertungsverfahren und stellen gleichwohl nur ein Interpretationsangebot dar. Im Auswertungsverfahren dient der Beobachtungsbegriff der Systemtheorie mit seinen verschiedenen Beobachtungsebenen als Analysestruktur der erhobenen Daten. Um die Systemrelativität des wissenschaftlichen Beobachtungsvorgangs transparent und kontrollierbar zu gestalten und damit intersubjektive Nachvollziehbarkeit anzubieten (vgl. Kapitel  3.1.1, 3.1.2 und 3.2), ist die Auswertung und Interpretation des empirischen Materials in drei Ebenen unterteilt (vgl. umseitige Grafik 1 / 4 .2): • Erste Auswertungsebene: Transkription der Interviews • Zweite Auswertungsebene: Differenzieren der kindlichen Äußerungen in wissenschaftlich beobachtbare Sinneinheiten und Gegenbeobachtung dieser bezeichneten Unterscheidungen unter Hilfestellung systemtheoretischer Begriffskonzepte • Dritte Auswertungsebene: Erarbeitung von Angeboten zur Fragestellung auf der Grundlage der Interpretation der empirischen Befunde

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Dem systemtheoretischen Beobachtungsbegriff entsprechend wird, wie in Kapitel 3.2.2 bereits angedeutet, die erste Auswertungsebene dem Referieren und der Beobachtungsebene erster Ordnung zugeordnet. Die zweite und dritte Auswertungsebene werden als Beobachtungen von Beobachtungsleistungen verstanden und ereignen sich damit auf der Beobachtungsebene zweiter Ordnung. Grafik 1 / 4.2 86: Das Auswertungsverfahren

In den folgenden Unterkapiteln des Kapitels 4.2 werden die einzelnen Schritte erläutert. Wesentlich für das Verständnis des hier entwickelten Vorgehens ist dabei, dass die in den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 dargestellte operationale Geschlossenheit wissenschaftlicher Sinngenerierungsprozesse immer mitgedacht werden muss. Das heißt, dass innerhalb jedes Auswertungsschrittes jede in diesem Sinne bezeichnete Unterscheidung als Anschluss an den hier aufgespannten wissenschaftlichen Sinnbezug zu sehen ist. So findet auf jeder Auswertungsebene das in Kapitel 3.3 (vgl. Grafi k 4 / 3.3) dargelegte wissenschaftliche Verstehen statt. Grundlegend für die Auswertung sind die systemtheoretischen Begriffskonzepte des zweiten Kapitels, insbesondere die Definitionen der Sinnsysteme, der sozialen Adressen, der Sinndimensionen, von Inklusion und Exklusion sowie das systemtheoretische Verständnis von Beobachtung und Anschlussoperationen der Sinnsysteme an ihre Umwelt.

86 | Die Auswertungen in Bezug auf sich selbst sind in dieser Grafik nicht enthalten, da sie im Auswertungsverfahren eine Sonderstellung einnehmen (vgl. Kapitel 4.2.2.2).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

4.2.1 Erste Auswertungsebene: Referenz auf kindliche Äußerungen »Ein differenztheoretisches Vorgehen hat den Vorteil, von beobachtbaren Sachverhalten ausgehen zu können.« S chleiffer 2012, 102

Auf der ersten Ebene des auswertungsmethodischen Vorgehens werden die per Videoaufnahmen (vgl. Kapitel 4.1.3.1) in der Erhebungssituation gewonnenen Daten transkribiert. Damit wird Bezug genommen auf die Äußerungen der Befragten (und alles, was diesen zugeordnet wird), die hier als ein Etwas durch den Vorgang der Transkription für den Kontext dieser Arbeit erst entstehen (vgl. Langer 2010, 516).87 Da hier fast wie selbstverständlich erscheinende Unterschiede differenziert werden, ist dieser Auswertungsschritt in der systemtheoretischen Betrachtung mit der Beobachtungsform des Referierens vergleichbar (vgl. Kapitel 2.3). Der selbstverständliche Unterschied bezieht sich darauf, dass alle Äußerungen und generierten Handlungen der Kinder so unverfälscht wie möglich in das Transkript übernommen werden. Dennoch werden schon an dieser Stelle erste wissenschaftliche Unterscheidungsleistungen vorgenommen. Sie beziehen sich darauf, ob die verbalen und nonverbalen Äußerungen und Handlungen der Kinder im Kontext dieser wissenschaftlichen Beobachtungsposition relevant sind oder nicht. Diese Unterscheidungsleistung erfolgt ausgerichtet an der Fragestellung der Arbeit auf der Beobachtungsebene erster Ordnung. »Der Beobachter beobachtet durch Anwendung einer Unterscheidung« (Luhmann 2008, 41). Da sie an dieser Stelle noch nicht explizit vor dem Horizont weiterer Möglichkeiten beobachtet werden, sind sie nicht als Beobachtungen der Ebene zweiter Ordnung zu betrachten. Der transkribierte Teil der Äußerungen stellt den Teil dar, auf den im Rahmen der weiteren wissenschaftlichen Beobachtungsleistungen Bezug genommen wird. Er ist nur über eine Reduktion und damit einhergehende Simplifizierung der Äußerungen der Kinder herstellbar (vgl. Kapitel 3.2).88 Diese ist jedoch Bedingung für das weitere Vorgehen. Maßstab ist das begründbare Verhältnis zur Fragestellung (vgl. Flick 1995, 161). Durch die Transkriptionsregeln wird erläutert, welchen Kriterien im Prozess der Simplifizierung gefolgt wird, das heißt, wie die Äußerungen und Handlungen der Kinder für die weitere Auswertung verschriftlicht werden. Sie sollen die Transkription lesbar und die Unterscheidungsleistungen im Forschungsprozess nachvollziehbar machen. Die Überlegungen zu der hier dargestellten ersten Ebene verdeutlichen, dass die Transkription der Äußerungen der Kinder innerhalb des Interviews als erste Selektionsleistung zu betrachten ist und damit als Teil des Forschungsvorganges bewertet wird. Die Transkription stellt eine erste Auswahl dar, indem durch sie etwas als für die Fragestellung Relevantes deklariert wird und etwas anderes nicht. Auch wenn diese Unterscheidung nur zum Teil explizit erfolgt, ist sie schon eine 87 | Von Etwas kann nur durch das Referieren auf Etwas gesprochen werden. 88 | Langer stellt dar, dass diese Selektion nicht nur als eine Reduktion der Daten zu bewerten ist, sondern gleichzeitig komplexitätssteigernd wirkt, da im Vergleich zur realen Kommunikationssituation über die Aufzeichnung im Nachtrag andere Teile des Gesprächs realisiert werden bzw. in die Auswertung einfließen können (vgl. Langer 2010, 516).

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erste Interpretation (vgl. Fuhs 2007, 84; Langer 2010, 515; Kruse 2010, 150). Vor diesem Hintergrund wurde die Transkription von der Forscherin selbst durchgeführt. Bevor auf die Transkription im Kontext der Auswertungsschritte eingegangen wird, soll die Auswahl der Erhebungsmethode an dieser Stelle vor dem Hintergrund der Auswertung vorgestellt und begründet werden. Aus der Perspektive qualitativer Sozialforschung kann vermerkt werden, dass Tonband- und Videoaufzeichnungen als die gebräuchlichsten Medien zur Sicherung der Daten bei Leitfadeninterviews gelten (vgl. Trautmann 2010, 74). Bamler, Werner und Wustmann fordern gerade in der Interviewsituation mit Kindern nonverbale Ausdrucksformen mit aufzuzeichnen, also hier die Aufzeichnung per Video zu wählen (vgl. Bamler, Werner, Wustmann 2010, 110). Langer verdeutlicht: »Beim Transkribieren werden die gesprochenen Worte bzw. Wortfolgen, eventuell auch die lautliche Gestaltung sowie die die Rede begleitenden nicht-sprachlichen Gesten oder Handlungen verschriftet« (Langer 2010, 515-516). Somit ist es möglich, im Rahmen einer Transkription neben den verbalen Aussagen auch Mimik und Gestik und Handlungen mit einzubeziehen, wenn sie dem Kontext der Fragestellung zugeordnet und durch die Aufzeichnungsmethode erkennbar werden. Diese Vorgehensweise deckt sich ebenfalls mit der im Theorieteil dargestellten Möglichkeit (vgl. Kapitel 2.3), auch an nonverbalen Unterscheidungsoperationen sozial anzuschließen, wenn sie entsprechend als Mitteilungshandlungen hin-beobachtet werden. Über die Videoaufzeichnung kann somit auch auf das hin-gedeutet werden, was als nicht Gesagtes in dem Interview für die Fragestellung als bedeutsam erachtet wird. Durch dieses Vorgehen werden die Deutungsmöglichkeiten erweitert. Darüber hinaus ist es für die Auswertung der Interviews entscheidend, das Agieren der Kinder mit den Erzählhilfen zu dokumentieren, um auch deren Gebrauch als Mitteilungshandlung berücksichtigen zu können (vgl. Kapitel  4.1.3.3). Da im Fokus dieser Arbeit jedoch nicht die Interaktion zwischen Interviewerin und Interviewten sowie der Kontext der aufgezeichneten Situation stehen (z. B. die Räumlichkeit, Ereignisse in der Umgebung, Materialien der Umgebung), wird eine videografische Auswertung nur teilweise erfolgen. Die Aufzeichnung per Video in einem Umfang zu erheben, wie es eine Videografie vorsieht, ist aufgrund des Datenumfangs an dieser Stelle nicht möglich.89 Die hier vorgenommene Datenfixierung wird deshalb der Form der Transkription zugeordnet. In diesem Forschungsvorhaben sind jedoch folgende Aspekte berücksichtigt, die über eine reine Transkription verbaler Aussagen hinausgehen: Über die Positionierung der Kamera wird eine Entscheidung für die Möglichkeiten der Deutung getroffen (vgl. 89 | Im Rahmen der erziehungswissenschaftlichen Videografie geht es darüber hinaus u. a. um die Fixierung von Interaktionssituationen einzelner oder mehrerer Personen und Gruppen zueinander, Äußerungsdisplays (z. B. Blicke, Gestik, Mimik etc.), der Relation von verbaler zu nonverbaler Äußerungsebene sowie dem Umgang mit Gegenständen und Nutzungsmöglichkeiten des Raumes (vgl. Herrle, Kade, Nolda 2010, 602). Zudem beinhaltet eine videografische Untersuchung eine spezifische Abstimmung der Datenerhebung, -aufbereitung und -analyse (vgl. Herrle, Kade, Nolda 2010, 602). So wird beispielsweise z. T. mit mehreren Kameras und /  o der der Kombination von Video und Audiotechnik gearbeitet, um verschiedene Perspektiven auf die intendierte Interaktionssituation berücksichtigen zu können. An dieser Stelle ist die Ausrichtung der Auswertung aufgrund einer anderen Schwerpunktsetzung nach den oben vorgestellten Kriterien erfolgt.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Kapitel 4.1.3.1). Des Weiteren werden alle für die Forschungsfrage relevant erscheinenden begleitenden nicht-sprachlichen Gesten und Handlungen in Bezug auf die Symbolkarten und die Interviewende schriftlich dokumentiert (siehe Transkriptionsregeln). Dieses erfolgt über das Transkriptionsprogramm f5 orientiert an den Vorschlägen von Dresing und Pehl (vgl. Dresing, Pehl 2011, 19-21 und 2011a). Die Transkriptionsregeln wurden jedoch für die spezifische Zielgruppe dieser Arbeit weiter entwickelt und ergänzt. Im Folgenden werden die hier geltenden Transkriptionsregeln vorgestellt. Vorab soll noch darüber informiert werden, dass in den Transkriptionen die Kinder mit adressierter Behinderung über ein »(a. B.)« markiert sind. Dieses Kürzel macht deutlich, welche Kinder mit teilstationärem bzw. ambulantem heilpädagogischem Förderbedarf (vgl. Kapitel 4.1.2 und 4.1.2.1) in der Einrichtung sind und steht für adressiert behindert oder von adressierter Behinderung bedroht. Es ist angelehnt an den Vorschlag von Terfloth, Behinderung als Adressenfragment zu verstehen (vgl. Kapitel 2.4). Über dieses Kürzel wird im Rahmen der weiteren Auswertung der Erhebung nachvollziehbar, welche Äußerung unter Bedingungen adressierter Behinderung erfolgten und welche nicht. Darüber hinaus wird differenzierbar, ob sich der wissenschaftlich hin-beobachtete kommunikative Anschluss auf Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung bezieht. Um die Äußerungen der Kinder entsprechend der Fragestellung der Arbeit unterscheiden zu können, wird diese Markierung für bedeutsam erachtet (vgl. Kapitel 4.2.2.3). Die Transkriptionsregeln Für diese Arbeit wurde ein einfaches Transkriptionssystem gewählt, da der Fokus auf dem Inhalt des Gespräches liegt (vgl. Dresing, Pehl 2011, 15). Ausnahmen sind in den Transkriptionsregeln begründet. Unabhängig von der gewählten Transkriptionsform führt Kruse an: »Jede Transkription stellt selbst eine Konstruktion dar« (Kruse 2010, 141). Er geht davon aus, dass schon beim Transkribieren das zu Transkribierende weitgehend interpretiert wird. Wie in der Darstellung der Auswertungsschritte vorgestellt, wird die Transkription orientiert am systemtheoretischen Beobachtungsbegriff dieser Einschätzung entsprechend als Teil der Auswertung bewertet und von der Forscherin selbst vorgenommen. Um jedoch die Übereinstimmung mit den Aufzeichnungen zu erhöhen und den blinden Fleck auch im Rahmen des Transkribierens zu berücksichtigen, wurden alle Transkriptionen am Videomaterial, orientiert am Vorgehen von Dresing und Pehl (vgl. Dresing, Pehl 2011, 31), von der Dipl.-Sozialpädagogin Ingrid Wulf gegenbeobachtet.90 1. Die Tonspuren der Videomitschnitte werden in den Bereichen, die für die Fragestellung relevant sind, wörtlich transkribiert. Eine lautsprachliche Transkription erfolgt nur an Stellen, an denen durch eine wörtliche Transkription inhaltliche Aussagen verloren gingen. Zusammenfassend werden orientiert an der Empfehlung von Flick (vgl. Flick 2008b, 264) jene Aussagen der Befragten dokumentiert, die nicht zur Fragestellung der Arbeit gehören. So beispielsweise, wenn Kinder ausführlich über Erfahrungen mit einem Gewitter berichten, ohne dass dies in einem erkennbaren Zusammenhang mit der Interviewfüh90 | Es wird hier jedoch nicht davon ausgegangen, dass sich der blinde Fleck so aufheben lässt.

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rung steht. Diese Abschnitte sind kursiv gedruckt. Vorhandene Dialekte werden in der Regel möglichst wortgenau ins Hochdeutsche übersetzt. Wenn keine eindeutige Übersetzung möglich ist, wird der Dialekt beibehalten. 2. Wortverschleifungen werden, soweit dies für das Verständnis der inhaltlichen Aussagen notwendig erscheint, transkribiert. Die Satzform wird beibehalten, auch wenn sie syntaktische Fehler beinhaltet, beispielsweise: »Bin ich nach Rutsche gegangen.« Wortfindungsschwierigkeiten und Stottern werden über Bindestriche angezeigt. 3. Wort- und Satzabbrüche werden mit Schrägstrich / dargestellt. Wenn die Satzabbrüche nach dem Wortbeitrag des Gesprächspartners fortgesetzt werden, sind sie durch drei Auslassungspunkte (ohne Klammer) zum Ende und zu Beginn des Wortbeitrages markiert. Diese werden an dieser Stelle nicht in Klammern gesetzt, um sie von der Markierung der Pausen zu unterscheiden. 4. Interpunktion wird zu Gunsten der Lesbarkeit geglättet, das heißt, bei kurzem Senken der Stimme oder uneindeutiger Betonung wird eher ein Punkt als ein Komma gesetzt. 5. Pausen werden durch drei Auslassungspunkte in Klammern entsprechend der Länge von 1 (.) bis 3 (…) Sekunden markiert. Längere Pausen werden als Ziffer in Klammern gekennzeichnet. 6. Zustimmende beziehungsweise bestätigende Lautäußerungen (wie »Mhm«) der Interviewerin oder der Befragten sowie einsilbige Wortäußerungen (wie »äh«) werden transkribiert, da sie als Teil der Kommunikation verstanden werden. Bejahende oder verneinende Antworten, die nonverbal oder durch Stimmlage kommuniziert werden, werden durch Klammern ergänzt, zum Beispiel. »mhm [bejahend]« oder »mhm [verneinend]«, soweit sich die Bedeutung der Aussage der Mitteilung nicht eindeutig aus dem Kontext erschließen lässt. 7. Besonders betonte Wörter oder Äußerungen werden durch Großschreibung gekennzeichnet. 8. Jeder Sprechbeitrag erhält einen eigenen Absatz. Zwischen den Sprechern gibt es eine freie, leere Zeile. Die Zeilen werden nummeriert. An den Anfang des jeweiligen Absatzes werden Zeitmarken eingefügt. Diese bieten jedoch aus technischen Gründen nur eine grobe zeitbezogene Orientierung innerhalb der Transkription an. 9. Emotionale, nonverbale Äußerungen der befragten Person und der Interviewerin, die die Aussage unterstützen oder verdeutlichen (wie etwa Lachen, gesenkter Blick oder Seufzen), werden beim Einsatz in eckigen Klammern notiert. 10. Unverständliche Wörter werden mit [unverständlich] gekennzeichnet. Die Anzahl der vermuteten unverständlichen Wörter wird in der Klammer mitgeteilt [drei Wörter unverständlich]. Längere unverständliche Passagen werden mit der Ursache versehen [unverständlich, Handystörgeräusch] oder [unverständlich, Stimmen im Nebenraum]. Wird ein Wortlaut vermutet, ist er jedoch nicht sicher zu hören, ist das Wort bzw. der Satzteil mit einem Fragezeichen in Klammern gesetzt. Zum Beispiel: [Gartenschlacht?] 11. Störungen werden in Klammern notiert: [10 Sekunden Klingeln des Telefons] 12. Die interviewende Person wird durch »Interviewerin«, die befragte Person durch einen Namen und Doppelpunkt notiert. Um die Datenschutzbedingungen zu gewährleisten, werden die Namen der befragten Kinder und die Namen der Kinder, über die sie reden, durch Codenamen ersetzt. Zudem werden keine

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Geburtsdaten genannt, sondern nur Angaben zum Alter der befragten Kinder gemacht. Ebenso werden alle Gruppennamen und erwachsenen Personen mit einem Codenamen versehen, sodass auch hier die Anonymisierung gegeben ist. Da alle Interviews in der KiTa Nortorf durchgeführt wurden, können ausgehend vom Ort des Interviews keine Rückschlüsse auf einzelne Proband_innen gezogen werden. 13. Handlungen der Personen sowie nonverbale Äußerungen, die für das Verständnis der Situation für erforderlich gehalten werden, sind in eckigen Klammern zu den entsprechenden Redebeiträgen dokumentiert. Da erwartet wird, dass im Rahmen dieser Arbeit auch Körpersprache, Gefühlsäußerungen und Handlungen der Kinder Mitteilungen anzeigen, werden diese in der Transkription in der für die Fragestellung nötigen Komplexität abgebildet und damit im Rahmen der Transkription generiert. Kriterium für die jeweilige Dokumentation von nonverbalen Äußerungen ist die Frage, ob die verbalen Aussagen der Kinder in Bezug auf die Fragestellung durch die Transkription der verbalen Kommunikation nachvollziehbar werden oder inwiefern sie durch die Beschreibung nonverbaler Äußerungen ergänzt werden müssen.91 14. Wenn Kinder die Aussagen anderer Kinder zitieren beziehungsweise sich auf konkrete Aussagen beziehen, werden diese in Anführungszeichen gesetzt. 15. Die Transkription enthält einen Kopfteil mit näheren Informationen zum Kind. An dieser Stelle werden neben dem Alter und dem Geschlecht des Kindes auch der zum Zeitpunkt des Interviews bestehende heilpädagogische Förderbedarf und die bisherige Dauer des Besuchs der Einrichtung mitgeteilt.92 Ebenfalls im Kopfteil werden Angaben zum Ort, Raum, Tag und zur Dauer des Interviews gemacht. Auswertungsrelevante Ereignisse vor, während oder nach dem Interview sowie die Vorbereitung des Kindes auf das Interview werden ebenfalls vermerkt. Bei Unterbrechungen der Aufzeichnung ist die Transkription aus technischen Gründen in verschiedene Teile untergliedert. Diese werden durch römische Ziffern gekennzeichnet (z. B. in Transkription I und Transkription II). Abschließend sei vermerkt, dass durch diese Art der Fixierung von Kommunikation etwas entsteht, was orientiert an der wissenschaftlichen Beobachtungsperspektive (vgl. Kapitel 3.2) als eine wissenschaftliche Konstruktion von Kommunikation bezeichnet werden kann (vgl. Langer 2010, 516). Es wird in die hier relevante Form gebracht, der Kontext wird entsprechend fixiert. Ausgehend von den geführten Interviews liegen 499 Seiten Material als Referenz auf kindliche Äußerungen und damit als Grundlage für die im Folgenden betrachteten weiteren Auswertungsschritte vor.

91 | Aufgrund des Umfangs des Datenmaterials ist diese starke Einschränkung notwendig. 92 | Über alle Kinder existiert ein Bogen über Hintergrundinformationen zu den interviewten Kindern, der von den zuständigen Gruppenleiterinnen und Heilpädagog_innen gemeinsam ausgefüllt wurde. Hier werden neben den oben genannten Angaben auch Informationen zu aktuellen Diagnosen und Einschätzungen zu förderungsrelevanten Besonderheiten im Entwicklungsverlauf mitgeteilt (vgl. Kapitel 4.1.3.2).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

4.2.2 Zweite Auswertungsebene: Deutung unter Hilfestellung systemtheoretischer Begriffskonzepte »Die Geschlossenheit erfordert und ermöglicht ein kon­ struktives Umweltverständnis, das sehr viel reicher ist als alles, was je über direkte Inputs und Outputs vermittelt werden könnte.« L uhmann 2008, 100

Auf der zweiten Auswertungsebene werden die transkribierten Äußerungen93 der Kinder gegenbeobachtet und mit Hilfe systemtheoretischer Begrifflichkeiten orientiert an der Fragestellung differenziert bzw. interpretiert. Unter Hilfestellung dieser Ausrichtung wird hier danach gefragt: Welches Anforderungsprofil stellt die kindliche Kommunikation mit und ohne adressierte Behinderung an den kommunikativen Anschluss (vgl. Kapitel 2.7)?94 Entsprechend werden weitere Auswahlen getroffen, in welchem Zusammenhang die Äußerungen der Kinder wissenschaftlich beobachtet und interpretiert werden. Als Interpretation gilt die Verbindung der Daten der empirischen Erhebung mit (wissenschaftlichen) Theorien (vgl. Fuhs 2007, 89-90). In Kapitel 2.4 wurde dargelegt, dass Kommunikation nicht beobachtbar ist und deshalb Mitteilungshandelnde konstruiert werden, an denen sich der kommunikative Anschluss ausflaggt. Wie in den Kapiteln 3.2.2 und 3.3 hergeleitet, kann jedoch auf dieses Ausflaggen der Kommunikation hin-beobachtet und -gedeutet werden. Das soll innerhalb dieser Auswertungsebene geschehen. Über das beobachtende Verstehen aus der wissenschaftlichen Beobachtungsperspektive (vgl. Kapitel 3.2.2 und 4.2) wird hier differenziert, auf der Grundlage welcher Unterscheidungen Kinder andere Kinder als Mitteilungshandelnde erkennen und bezeichnen und somit an diese sinnhaft anschließen bzw. inwiefern dies nicht erfolgt und sie nicht anschließen. Es geht also darum, welche Unterscheidungen der Kinder, im Kontext von Inklusion und (bestimmter) Exklusion, als beobachtungsleitend bezeichnet werden können (vgl. Nassehi 1997, 151). Die zweite Auswertungsebene vollzieht sich in drei Schritten: Im ersten Schritt werden die Äußerungen der Kinder in wissenschaftlich beobachtbare Sinneinheiten eingeteilt und auf Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und den Optionalen Wechsel hin unterschieden. Im zweiten Schritt werden diese Unterscheidungen orientiert an den Sinndimensionen strukturiert und damit weiter differenziert. Im dritten Schritt werden die an den Sinndimensionen orientiert

93 | »Äußerungen« stehen an dieser Stelle vereinfachend für alle transkribierten verbalen und nonverbalen Mitteilungen sowie Handlungen, denen ein Bedeutungsgehalt durch die Transkription für die Arbeit zugeschrieben wird. 94 | Mit »kindlicher bzw. frühkindlicher Kommunikation« ist entsprechend der Ausführungen in den Kapiteln 2.4 und 3.3 der operative Anschluss des sozialen Systems gemeint, der an Kindern (hier im Alter früher Kindheit) als Mitteilungshandelnden hin-beobachtet wird. Dieser Deutungskontext ist bei den Darstellungen des Auswertungsverfahrens (vgl. Kapitel 4.2) und der Interpretation und Thesenbildung (vgl. Kapitel 5 und 6) durchgehend zu berücksichtigen.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

codierten Äußerungen der Kinder vor dem Horizont des Adressenfragmentes behindert / nicht behindert einander gegenübergestellt (vgl. Grafik 1 / 4 .2). Innerhalb der einzelnen drei Schritte dienen Kategorien bzw. Subkategorien der Datengenerierung und ihrer Systematisierung (vgl. Flick 1995, 163). Sie werden über Codierregeln und einen theoriegeleiteten Codierleitfaden95 differenziert (vgl. Schmidt 2008, 451).96 Entsprechend des Vorgehens in der qualitativen Forschung fungieren Codes des Codierleitfadens als Schlüsselwörter, um Äußerungen der Kinder als für die Forschungsfrage relevante Textstellen zu erkennen und entsprechend einer Kategorie bzw. Subkategorie zuordnen zu können. Unter Verschlüsselung wird die Zuordnung einer als Sinneinheit beobachteten Unterscheidung zu einer Kategorie oder Subkategorie verstanden (vgl. Schmidt 2008, 452). Ziel der Verschlüsselung ist es nach Schmidt, dominante Tendenzen herauszuarbeiten, um diese in der weiteren Auswertung entsprechend zu berücksichtigen (vgl. Schmidt 2008, 453). Die kommunikativen Anschlüsse von Kindern im Alter früher Kindheit mit dem und ohne das Adressenfragment »behindert« gestalten sich äußerst unterschiedlich. Im Rahmen dieser Arbeit sollen deswegen auch weniger dominante Anschlüsse, Nicht-Anschlüsse oder gerade auch der nur schwer beobachtbare Wechsel (vgl. Kapitel 4.2.2.1) zwischen Inklusion und Exklusion in die Darstellung der Ergebnisse und Thesenbildung einfließen, sofern hier Daten für die Fragestellung als besonders bedeutsam erachtet werden. In der näheren Beschreibung der einzelnen Auswertungsschritte dieses Kapitels werden die verschiedenen Kategorien, Subkategorien und die daraus abgeleiteten Codes mit den entsprechend zu verschlüsselnden Sinneinheiten vorgestellt. Die hier thematisierte zweite Auswertungsebene wird, wie oben dargestellt, der Beobachtungsebene zweiter Ordnung zugeordnet, da die Fixierungen und Beobachtungen der ersten Auswertungsebene nun vor dem Horizont anderer Möglichkeiten beobachtet werden (innerhalb dieses Auswertungsschrittes vor dem Hintergrund dreier verschiedener Unterscheidungsoptionen), orientiert an der Fragestellung der Arbeit und ihrer theoretischen Ausrichtung. Insofern wird an die theoretisch dargelegten Überlegungen methodologisch angeschlossen. Dieses Vorgehen ist somit deduktiv ausgerichtet (vgl. Bortz, Döring 2006, 330).97 Innerhalb des zweiten Auswertungsschrittes dieser Auswertungsebene wurden diese Differenzierungen jedoch ausgehend von acht Probedurchläufen aus dem Material heraus ergänzt. Dadurch entwickelt sich zusammenfassend betrachtet eine Mischform, bei der die a priori aufgestellten theoriegeleiteten Vorschläge über die 95 | Nur für die Verschlüsselung der Daten innerhalb des zweiten Auswertungsschrittes wurde ein Codierleitfaden entwickelt. Für die anderen beiden Auswertungsschritte dienen Codierregeln und die Ausführungen zu den Codiereinheiten als Strukturvorgabe. 96 | In dieser Arbeit wird sich bei den Begriffen »Code« und »Codierleitfaden« an der Definition der qualitativen Forschung orientiert (vgl. Schmidt 2008, 451). Codes werden hier nicht im Sinne der systemtheoretischen Definition als binäre Unterscheidung (vgl. Krause 2005, 132-133) verstanden. 97 | In der qualitativen Forschung wird nach Bortz und Döring zwischen einem induktiven und deduktiven Kategoriensystem unterschieden (vgl. Bortz, Döring 2006, 330). Als induktiv wird das auswertungsmethodische Vorgehen definiert, wenn das Kategoriensystem aus dem Material heraus entwickelt wird, als deduktiv, wenn es theoriegeleitet an das Material herangetragen wird (vgl. ebd.).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Durchsicht des Materials induktiv verfeinert werden konnten (vgl. ebd.).98 An den entsprechenden Stellen wird darauf hingewiesen. Unabhängig davon ist es bei jedem Auswertungsschritt möglich, sich am aufgezeichneten Videomaterial »rück-zu-versichern« (vgl. Flick 1995, 162). In der Auswertung wurde diese Möglichkeit durchgehend genutzt. Im Folgenden nun zu den verschiedenen Auswertungsschritten der zweiten Auswertungsebene im Einzelnen.

4.2.2.1 Erster Schritt: Beobachtung orientiert am Differenzschema Inklusion  /   E xklusion Orientiert an der Fragestellung der Arbeit wird an dieser Stelle die Differenz Inklusion / Exklusion beobachtungsleitend. In Kapitel 2.6.1 wurde dargelegt, dass es bei Inklusion und Exklusion in der Interaktion um die Frage geht, wie soziale Adressen gebildet werden und an das Interaktionssystem gekoppelt sind. In diesem Sinne werden im ersten Schritt der zweiten Auswertungsebene die transkribierten Äußerungen der Befragten nach ihrem Anschluss- und Nicht-Anschluss an andere Kinder verschlüsselt.99 Bisher wurde zum Zwecke der leichteren Verstehbarkeit überwiegend von Anschluss bzw. Nicht-Anschluss gesprochen. Wie schon in Kapitel 2.6 dargelegt, können diese jedoch nur als optional verstanden werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit sowie innerhalb des auswertungsmethodischen Vorgehens werden diese folgerichtig auch als optional bezeichnet. Damit soll berücksichtigt werden, dass es sich bei der Deutung auf Anschlüsse bzw. Nicht-Anschlüsse immer um Potentialitäten handelt, die auf die Zukunft ausgerichtet sind (vgl. Hafen 2011a, 77). Darüber hinaus wird durch diese Bezeichnung Kontingenz berücksichtigt und eröffnet, dass Anschlüsse bzw. Nicht-Anschlüsse immer auch anders möglich sind. Zudem sind diese Differenzen, wie in Kapitel 2.6.1 dargestellt, selten in reiner Form anzutreffen. Inklusion und Exklusion wurden dort als zweiseitiges Beobachtungsschema beschrieben. So stellt der Versuch, auf eine dieser beiden Seiten isoliert Bezug zu nehmen, schon eine Simplifizierung dar. Ergänzend konfrontiert ihre temporäre, beobachtungsabhängige und kontextgebundene Beobachtbarkeit mit weiteren Variablen (siehe Kapitel 2.6.1). So nimmt die wissenschaftliche Beobachtungsposition hier eine spezifische von auch anders möglichen Perspektiven ein (vgl. Kapitel 3.2.2 und 3.2.3). Die Bezeichnung »Option« soll somit darauf verweisen, dass potentiell auch andere Anschlüsse bzw. Nicht-Anschlüsse konstruierbar sind bzw. diese zukünftig nicht gesichert in der hier hin-beobachteten Form erfolgen. Als besonders bedeutsam für die Aufrechterhaltung autopoietischen Operierens wurden Wahlmöglichkeiten (vgl. Kapitel 2.5.2) und damit die Veränderbarkeit 98 | Flick weist darauf hin, dass weder implizit noch explizit entwickelte Kategorien in Reinform vorzufinden sind (vgl. Flick 1995, 164-165). 99 | Als Ausgangspunkt und als kommunikatives Angebot für die wissenschaftliche Beobachtung dienen die verbalen Äußerungen der Kinder, ihre Mimik und Gestik und ihr Handeln mit den Erzählhilfen (vgl. Kapitel 4.2.1), soweit sie über den ersten Auswertungsschritt, die Referenz auf kindliche Äußerungen, transkribiert wurden. Hervorgehobene Betonungen und Wiederholungen innerhalb der Äußerungen der Kinder werden als Unterscheidungsleistungen bewertet und berücksichtigt, sofern sie für diesen Auswertungsschritt von Bedeutung sind. In diesem Auswertungsschritt wird das gesamte Transkript berücksichtigt.

4. Forschungsmethodisches Vorgehen

der Ausrichtung von Inklusion auf Exklusion sowie von Exklusion auf Inklusion vorgestellt (vgl. Kapitel 2.6.1). Über den Prozess der Exklusion wurde die Möglichkeit der Komplexitätsreduktion erläutert, die wiederum Anschluss und damit Inklusion eröffnet. So deutet sich an, dass über die Möglichkeit des Wechsels die Komplexitätsverarbeitung orientiert am aktuellen »Schwellenwert« des Systems situativ regulierbar ist. Insofern ist es von besonderem Interesse, Beobachtbares zu differenzieren, das auf eine Begünstigung des Wechsels zwischen kommunikativ relevant und nicht relevant hin-deuten lässt (vgl. Kapitel  2.7). Dieses Deuten auf einen Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion wird innerhalb dieses Auswertungsschrittes als dritte Unterscheidungsoption differenziert. Auch der Wechsel wird ebenso wie Anschlüsse- und Nicht-Anschlüsse als potentiell verstanden und deshalb als »Optionaler Wechsel« bezeichnet. Die drei Unterscheidungen Anschlussoption, Nicht-Anschlussoption und Optionaler Wechsel werden hier als Kategorien behandelt. Darüber werden im ersten Schritt der zweiten Auswertungsebene Äußerungen der Kinder entsprechend bezeichnet und verschlüsselt. Die Grafi k (vgl. 1 / 4.2.2.1) veranschaulicht dies: Grafik 1 / 4.2.2.1: Wissenschaftliche Deutungsoptionen orientiert am Differenzschema Inklusion / Exklusion

Über die im folgenden dargelegten Codierregeln wird vorgestellt, was unter einer Sinneinheit bzw. Codiereinheit zu verstehen ist und woran orientiert die Verschlüsselung der drei Kategorien erfolgt. Codierregeln in Bezug auf die Verschlüsselung der Kategorien In Kapitel 3.2.2 wurde erläutert, dass aus systemtheoretischer Perspektive über den Prozess des wissenschaftlichen Beobachtens erst das hervorgebracht wird, was in den Fokus wissenschaftlicher Beobachtbarkeit gerät. Äußerungen von Kindern innerhalb dieses Auswertungsschrittes entsprechend als solche zu unterscheiden, die einer der drei Kategorien zuzuordnen sind und sie als solche zu bezeichnen, stellt sie in den Sinnkontext, der über die Fragestellung entworfen wurde und macht sie damit anschlussfähig für wissenschaftliches Verstehen in diesem Sinne (vgl. Kapitel 3.3). Entsprechend werden Äußerungen von interviewten Kindern darüber zu einer Sinneinheit, dass an diesen ein Sinnbezug hin-beobachtet wird, der über diesen Auswertungsschritt als Anschluss an die Fragestellung im Kontext einer der differenzierten Kategorien interpretiert wird. Als relevante Codiereinheit wird hier entsprechend beschrieben, was sich einer solchen Sinneinheit zuordnen lässt (vgl. Bortz, Döring 2006, 330). Dabei gilt als kleinste Sinneinheit ein Wort

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

oder ein nonverbales Zeichen, das als kommunikativer Anschluss an eine Interviewfrage entsprechend differenziert wird, und als größte Sinneinheit ein sich homogen darstellender Sinnbezug, der sich als kommunikativer Anschluss an eine Interviewfrage wissenschaftlich deuten lässt. Folgende Beispiele dienen der Veranschaulichung (vgl. Tabelle 1 / 4 .2.2.1 und 2 / 4 .2.2.1). Tabelle 1 / 4 .2.2.1: Große Codiereinheit Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidung

Beispiel Merle 00:11:26-5 Interviewerin: Mhm. Und wie ist das mit den anderen beiden Kindern? Du hattest eben drei Kinder gezeigt, ne, mit denen du nicht so /  00:11:32-5 Merle: [Zeigt mit dem Finger auf zwei Kinderzeichen.] Mit Martin spiel ich manchmal nicht so gerne weil, ähm, Martin und Boris(a. B.), ähm, die spielen immer zusammen was mit Michael und denn bringt mir das nicht so Spaß, weil denn, weil denn sind das immer meistens drei Jungs und nur ein Mädchen / Denn benehm’ se immer manch- manchmal, ah meistens nur ganz wenige Mädchen im Nebenraum (.), und das finde ich denn ganz doof, weil denn woll’n die Jungs immer gegen die Mädchen kämpfen. 00:12:05-2 Interviewerin: Mhm, Mhm. 00:12:07-8 Merle: Und das finde ich denn doof.

Nicht-Anschlussoption: Wenn Anzahl der Jungen gegenüber Anzahl der Mädchen dominiert im Zusammenhang damit, dass Jungen gegen Mädchen kämpfen wollen.

Tabelle 2 / 4 .2.2.1: Kleine Codiereinheiten Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidungen

Beispiel Merle 00:06:23-9 Interviewerin: Und kannst du mir mehr darüber sagen? 00:06:27-4 Merle: Mit Asmus(a. B.) spi- / Asmus(a. B.) äh, geb’ ich immer einen Regenschirm, weil, ähm, weil er spielt immer gerne mit mir und mit einen Regenschirm. 00:06:40-0 Interviewerin: Mhm.

Anschlussoption: Asmus(a. B.) Regenschirm geben. Anschlussoption: Mit Asmus(a. B.) etwas machen, was er gerne spielt. Anschlussoption: Mit Asmus(a. B.) etwas machen, weil er gerne etwas mit Merle tut.

Als Anschlussoption wird verschlüsselt, wenn ausgehend von der hin-beobachteten Unterscheidung darauf hin-gedeutet wird, dass zukünftig weiterer kommunikativer Anschluss an Kinder erfolgt. Das heißt, wenn Äußerungen von Kindern als das Anzeigen einer Relevanzmarkierung oder eines Passungsverhältnisses bewertet werden. Als Nicht-Anschlussoption wird verschlüsselt, wenn ausgehend von der hin-beobachteten Unterscheidung darauf hin-gedeutet wird, dass zukünftig kein weiterer kommunikativer Anschluss an Kinder erfolgt bzw. sich der Anschluss als problemwirksam darstellt. Das heißt, wenn Äußerungen von Kindern als das Anzeigen davon interpretiert werden, dass für sie etwas nicht relevant oder nicht passend ist. Werden Sinnverweise, als ein Wechsel von nicht-passend zu passend hin-gedeutet, werden sie als Optionale Wechsel verschlüsselt.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Neben verbalen Äußerungen werden auch nonverbale Gefühlsäußerungen einbezogen, sofern auf sie über das Transkript hin-deutbar ist und sie eine Anschlussbzw. Nicht-Anschlussoption markieren. »Während der positive Affekt der Freude den Wunsch anzeigt, eine Beziehung unverändert fortzusetzen, signalisieren negative Affekte wie Trauer, Wut, Ärger oder Ekel einen Veränderungswunsch« (Schleiffer 2012, 76).100 Wie in Kapitel  2.2.4 skizziert, orientiert sich systemtheoretisch betrachtet Kommunikation nicht am Konsens. Insofern kann, wie in Kapitel  2.6.2 dargestellt, nicht durch einen hin-beobachteten Dissens auf bestimmte Exklusion geschlossen werden. In der Betrachtung der empirischen Daten wird dieser Aspekt berücksichtigt. So wird in der Beobachtung von problemwirksamen Anschlüssen entsprechend differenziert, ob ausgehend von diesen eher auf eine Anschluss- oder Nicht-Anschlussoption deutbar ist. Werden Äußerungen von Kindern als widersprüchlich bewertet, beispielsweise wenn sich in Bezug auf eine Interviewfrage sowohl Anschlussoptionen als auch Nicht-Anschlussoptionen hin-beobachten lassen, werden beide Optionen entsprechend markiert und in die weitere Auswertung einbezogen.101 Ebenso verhält es sich mit Wiederholungen. Es wird auch hier jede Anschlussoption, Nicht-Anschlussoption und jeder Optionale Wechsel entsprechend verschlüsselt, da davon ausgegangen wird, dass in den Wiederholungen selbst relevante Mitteilungen enthalten sind.102 Die Kategorien sind an dieser Stelle bewusst offen gestaltet, um der Heterogenität der hier beobachteten kommunikativen Anschlüsse gerecht zu werden. Dennoch muss einschränkend mitgeteilt werden, dass nicht alle potentiell mög­ lichen Anschlussoptionen bzw. Nicht-Anschlussoptionen und Optionalen Wechsel markiert werden können, sondern nur auf jene Bezug genommen wird, die im Rahmen der Fragestellung relevant erscheinen. Dass heißt, dass innerhalb dieses Auswertungsschrittes nur jene Optionen als bedeutsam erachtet werden, bei denen über die Äußerung eines Kindes ein Bezug auf ein anderes Kind hin-deutbar ist.103

100 | Gerade im Hinblick auf Kinder, die sich wenig verbalsprachlich äußern, erscheint diese Möglichkeit als sinnvolle Ergänzung. Im nächsten Kapitel wird die Verschlüsselung der Gefühle wieder aufgegriffen. 101 | Palmowski verweist in diesem Zusammenhang auf die auch in diagnostischen Prozessen beobachtbare binäre Logik (vgl. Palmowski 2007, 189). Hier ist damit gemeint, dass häufig zunächst eine Frage im Sinne der Reduktion von Komplexität pauschal beantwortet wird. Im Verlauf des Interviews, u. a. durch die angebotenen kommunikativen Irritationen in Form systemischer Frageformen (vgl. Kapitel 4.1.3.1), ist es jedoch möglich, zu sozialen Differenzierungen zu gelangen, die sich als widersprüchlich zu der ersten Äußerung darstellen. An dieser Stelle sind beide Äußerungen in der Auswertung zu berücksichtigen, da beide als operatives Verstehen des sozialen Systems zu betrachten sind und damit einen hin-beobachteten Anschluss darstellen (vgl. Kapitel 3.3). 102 | In den nächsten beiden Auswertungsschritten wird darauf näher eingegangen. 103 | So ist beispielsweise ausgehend von der Äußerung eines Kindes, dass es mit seinem Vater gerne Holz stapelt, auf einen kommunikativen Anschluss hin-deutbar, der sich auch innerhalb der Interaktion mit Kindern als Anschlussoption deuten ließe. Innerhalb der hier vorgeschlagenen Auswertungsstruktur wird sich jedoch nur auf die Anschlüsse und Nicht-An-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Folgende Beispiele veranschaulichen das methodische Vorgehen dieses Auswertungsschrittes (vgl. Tabelle 3 / 4 .2.2.1 bis 5 / 4 .2.2.1):104 Tabelle 3 / 4 .2.2.1: Als Anschlussoption bezeichnete Unterscheidungen Transkribierte Äußerungen Beispiel Jochen(a. B.) 00:01:25-3 Interviewerin: Und was hat dir da gut gefallen? 00:01:28-0 Jochen(a. B.): Bei Matthias(a. B.), dass wir da Star Wars gespielt / Ich- Assat / Ich hatte mit- mit / Ich meinte, mit allen hab ich immer Star Wars gespielt. Reiko(a. B.), Reiko(a. B.) findet das noch toll. Jan (..) und (4) und ähn Matthias(a. B.) und ich [richtet Blick auf die Kinderzeichen und zeigt mit dem Finger auf die Zeichen der verschiedenen Kinder]. Da- das sind alle, die noch das toll finden [schiebt die Kinderzeichen noch enger in die Mitte des Kreises zusammen]. So und Hinrich(a. B.) kennt Star Wars noch nicht, der find- würd das bestimmt auch toll finden, Hinrich(a. B.). Und Assat und Coni mögen kein Star Wars mehr.

Beobachtete Unterscheidungen

Anschlussoption: Star Wars spielen mit Matthias(a. B.) und allen zuvor genannten Kindern.

Anschlussoption: Unterscheidet Kinder in solche, die Star Wars aktuell gut finden, in der Vergangenheit gut fanden oder zukünftig gut finden werden.

Tabelle 4 / 4 .2.2.1: Als Nicht-Anschlussoption bezeichnete Unterscheidungen Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidungen

Beispiel Jochen(a. B.) 00:02:37-3 Interviewerin: Und gibt es noch was, was dir besonders gut gefällt? 00:02:38-0 Jochen(a. B.): Was ich früher gut fande? 00:02:41-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:02:42-2 Jochen(a. B.): Cars und Bob. Aber jetzt find ich nur noch Star Wars (..), Papa hat uns davon was erzählt.

Nicht-Anschlussoption: Themen außerhalb von Star Wars werden der Vergangenheit zugeordnet. Nicht-Anschlussoption: Cars und Bob. Nicht-Anschlussoption: Themen, die der Vergangenheit zugeordnet werden.

Tabelle 5 / 4 .2.2.1: Als Optionaler Wechsel bezeichnete Unterscheidungen Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidungen

Beispiel Merle 00:10:04-1 Merle: … weil die / Weil einmal musste ich neben Michael zum Frühstück sitzen und dann hat er immer mich geärgert.

schlüsse der Kinder bezogen, die sich auf die Interaktion mit anderen Kindern beziehen. Die Reduktion ist erforderlich, um sich konsequent nach der Fragestellung ausrichten zu können. 104 | Zum Zwecke der besseren Verstehbarkeit werden in den folgenden Beispielen dieses und des folgenden Kapitels nur jene Sinneinheiten verschlüsselt, die der Kategorie bzw. Subkategorie zugeordnet werden, die an der entsprechenden Stelle veranschaulicht werden soll.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 5 / 4 .2.2.1 (Fortsetzung) 00:10:12-2 Interviewerin: Mhm. Und wie hat er das gemacht? 00:10:18-6 Merle: Er hat dann immer, wenn ich ihn was gefragt hab, ob er mir den Brotkorb oder so was geben könnte, hat er gesagt: »Nein, mach ich nicht.« 00:10:24-9 Interviewerin: Mhm. 00:10:26-5 Merle: Und das fand ich denn langsam doof und denn hab ich Melanie [Gruppenleitung] gesagt, dass ich nicht mehr neben Michael sitzen möchte. 00:10:31-8 Interviewerin: Mhm. Und was ist dann passiert? 00:10:36-3 Merle: Dann bin ich weiter neben Doris gerückt, weil Doris saß auch neben mir und dann bin ich, äh, dann saß Michael da und fand das plötzlich auch nicht mehr so toll, ähm, weil ich denn nicht mehr neben ihm saß. 00:10:51-0 Interviewerin: Mhm, Mhm (4). 00:10:58-0 Merle: Da hat er verstanden, dass ich das nicht mag. 00:10:59-4 Interviewerin: Mhm (…). Ist das denn immer so, dass er so ist? 00:11:05-5 Merle: Mm, Mm [verneinend], meistens aber. 00:11:07-7 Interviewerin: Mhm (.). Manchmal ist es anders. 00:11:10-9 Merle: [Nickt.] Mm-Mm. 00:11:11-6 Interviewerin: Mhm. Und wie ist das, wenn das anders ist? 00:11:19-6 Merle: Denn, denn frag ich ihn, ob er mir was gibt und denn gibt er’s mir auch. 00:11:21-5 Interviewerin: Mhm. Und wie findest du das dann? 00:11:25-4 Merle: Gut.

Nicht-Anschlussoption: Bitten am Frühstückstisch nicht folgen bewirkt, dass Gruppenleitung gebeten wird, nicht mehr neben Michael sitzen zu müssen (Bestimmte Exklusion). Optionaler Wechsel: Gruppenleitung wird als eine adressiert, die Wechsel der als negativ bewerteten Situation herbeiführen kann. Optionaler Wechsel: Räumliche Veränderung bewirkt, dass Merle Michael anders wahrnimmt. Anschlussoption: Über veränderte Sitzposition beobachtet Merle Michael als einen, der versteht, was sie möchte. Optionaler Wechsel: Verhalten von Michael wird als unterschiedlich differenziert. Manchmal wird es als störend wahrgenommen und manchmal nicht.

Anschlussoption: Michael gibt Merle das, worum sie bittet.

Das Adressenfragment »Behinderung« wird an dieser Stelle wie folgt berücksichtigt: Grundsätzlich vollzieht sich die Kategorisierung bei allen Interviews nach derselben Verschlüsselung. Durch die in Kapitel  4.2.1 eingeführte Markierung der Kinder mit heilpädagogischem Förderbedarf über ein »(a. B.)« als adressiert behindert, besteht die Möglichkeit, die Interviews der Kinder mit von denen der Kinder ohne adressierte Behinderung zu unterscheiden. Ebenso wird erkennbar, ob Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung sich auf Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung beziehen. Gehen entsprechende Bezüge nicht durch Namensnennung aus den Äußerungen hervor, wird dennoch markiert, ob sich der kommunikative Anschluss auf ein Kind mit oder ohne adressierte Behinderung bezieht. Dafür wird das Kürzel »(a. B.)« durch das Kürzel »(o. a. B.)« für Bezüge

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

auf Kinder ohne adressierte Behinderung ergänzt.105 Auch hier veranschaulichen folgende Beispiele in der Tabelle 6 / 4 .2.2.1 das Vorgehen: Tabelle 6 / 4 .2.2.1: Beispiele für die Berücksichtigung der Adressenfragmente behindert / nicht behindert innerhalb der Verschlüsselung Transkribierte Äußerungen Beispiel Merle 00:06:27-4 Merle: Mit Asmus(a. B.) spi / Asmus(a. B.) äh, geb’ ich immer einen Regenschirm, weil ähm, weil er spielt immer gerne mit mir und mit einen Regenschirm. 00:06:40-0 Interviewerin: Mhm. 00:06:41-0 Merle: … der dreht den immer so gerne. 00:06:42-2 Interviewerin: Mhm. […] 00:07:21-8 Merle: Und sonst mit Anna spiel ich auch gerne. 00:07:22-5 Interviewerin: Mhm. Und was spielt ihr noch so? 00:07:29-3 Merle: Ähm, wir spielen manchmal im Nebenraum. 00:07:30-2 Interviewerin: Mhm. 00:07:31-7 Merle: Bauen wir uns ’ne Höhle und darin spielen wir dann. […] 00:08:14-3 Merle: Und ich finde es toll, wenn Josepha und ich mal zusammen spielen. 00:08:18-0 Interviewerin: Mhm. Und was gefällt dir da besonders gut? 00:08:23-8 Merle: Äh. Weil wir ähm, wir haben immer so viel Spaß, wenn wir zusammen malen und spielen.

Beobachtete Unterscheidungen

Anschlussoptionen: Kindern Hilfestellungen anbieten (a. B.).

Anschlussoption: Zusammen spielen (o. a. B.).

Anschlussoption: Im Nebenraum spielen (o. a. B.). Anschlussoption: Höhle bauen. In der Höhle spielen (o. a. B.).

Anschlussoption: Spaß zusammen haben (o. a. B.). Anschlussoption: Malen und spielen (o. a. B.).

Lässt sich kein konkreter Bezug auf Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung hin-beobachten, wird entsprechend auch keiner markiert: Tabelle 7 / 4 .2.2.1: Beispiele für Verschlüsselungen, in denen auf die Adressenfragmente behindert / nicht behindert nicht hin-beobachtet werden kann Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidungen

Beispiel Merle 00:12:38-4 Merle: Weil das denn ja doof ist, für die Nicht-Anschlussoption: anderen Kinder, weil denen denn weh getan wird. Kindern weh tun.

105 | Da in diesem Auswertungsverfahren nicht auf Kinder gedeutet wird, sondern auf Sinnverweise, ist die Anzahl der Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung, auf die hinsichtlich eines Sinnverweises Bezug genommen wird, nicht von Bedeutung und wird entsprechend nicht markiert (vgl. Kapitel 5).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 7 / 4 .2.2.1 (Fortsetzung) 00:12:42-7 Interviewerin: Mhm, Mhm. Und wie findest du das? 00:12:44-8 Merle: Nicht so gut. Beispiel Angelika(a. B.) 00:03:22-8 Interviewerin: Nein? Und sagst DU mal: »Nein, DU darfst nicht mitspielen.« 00:03:29-8 Angelika(a. B.): Doch, die dürfen mitspielen! 00:03:31-0 Interviewerin: Ja? Anschlussoption: 00:03:32-0 Angelika(a. B.): Alle Kinder. Alle Kinder dürfen mitspielen.

Im nächsten Auswertungsschritt werden die hier hin-beobachteten Unterscheidungen über weitere Differenzierungen des Kategoriensystems orientiert an der Verweisungsstruktur von Sinn, den Sinndimensionen, verschlüsselt. Inwiefern das sinnvoll erscheint und welcher Informationsgehalt darin gesehen wird, erläutert das folgende Kapitel.

4.2.2.2 Zweiter Schritt: Beobachtung orientiert an den Sinndimensionen Was wird unterschieden, wenn an Kindern Differenzierungen im Kontext von Inklusion und Exklusion beobachtet werden? Auf welche Sinnbezüge verweisen Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und der Optionale Wechsel? Die im systemtheoretischen Diskurs in Kapitel  2.2.2 vorgestellten Sinndimensionen dienen im zweiten Schritt der zweiten Auswertungsebene als Strukturhilfe und werden in Form von Subkategorien, als Kategorien weiterer Differenzierung (vgl. Bortz, Döring 2006, 330) über das Material gelegt. Die umseitige Grafik veranschaulicht diesen Schritt (vgl. Grafik 1/4.2.2.2). In Kapitel  2.2.2 wurde dargestellt, dass sich über die Sinndimensionen Sinn als das verbindende Medium des psychischen und des sozialen Systems differenziert. Saake und Nassehi beschreiben sie als zentrale Elemente einer systemtheoretischen Empirie (vgl. Saake, Nassehi 2007, 235). Der Bezug auf die Sinndimensionen erlaubt, die Unterscheidungen des vorhergehenden Auswertungsschrittes weiter zu differenzieren. So können diese feiner unterschieden und im Auswertungsverfahren genauer beobachtet werden. Dieser Gewinn an Informationsgehalt verspricht ein Mehr an Deutungsmöglichkeiten und damit auch eine Steigerung an Handlungsalternativen für die Heilpädagogik.106 In diesem Auswertungsschritt werden alle (wissenschaftlich beobachteten Unterscheidungen der) kindlichen Äußerungen, die im vorhergehenden Auswertungsschritt orientiert am Differenzschema Inklusion / Exklusion in Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und den Optionalen Wechsel differenziert wurden, nun getrennt voneinander, orientiert am Unterscheidungshorizont der jeweiligen Sinndimension, verschlüsselt.

106 | Heilpädagogik steht hier stellvertretend für Sonder-, Behinderten- und auch Inklusions- oder Integrationspädagogik (vgl. Kapitel 1).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 1 / 4.2.2.2107: Wissenschaftliche Deutungsoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Die Codiereinheiten des vorherigen Auswertungsschrittes dienen auch hier als Deutungseinheit. Um besser bestimmen zu können, woran sich die Zuordnung einer Codiereinheit zu einer Subkategorie orientiert, wird ein systemtheoretisch informierter Codierleitfaden entwickelt. Er richtet sich nach den Ausführungen über die Sinndimensionen des Kapitels 2.2.2 aus und ist damit zunächst theoriegeleitet und deduktiv gestaltet: Die folgenden Tabellen 1 / 4.2.2.2 und 2 / 4.2.2.2 stellen diese Ausrichtung in einer Übersicht dar. Tabelle 1 / 4.2.2.2: An den Sinndimensionen orientierte Differenzierungsoptionen in Bezug auf Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen Im Kontext von Inklusion: Verschlüsselung von Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Im Kontext von Exklusion: Verschlüsselung von Nicht-Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Subkategorie: Sachdimension: (Unterscheidungshorizont: dies/anderes)

Subkategorie: Sachdimension: (Unterscheidungshorizont: dies/anderes)

Was wird von den Kindern als kommunikativ relevant erkannt? • Welche Themen sind beobachtbar, zu denen Beiträge formuliert werden? • Worum geht es in Bezug auf Etwas? • Woran flaggt sich der kommunikative Anschluss aus?

Was wird von den Kindern erkannt in Bezug auf ihren kommunikativen NichtAnschluss? • In Bezug worauf wird der Nicht-Anschluss zum Thema gemacht? • An welche Beiträge zu Themen wird nicht angeschlossen? • Was wird als nicht-passend dargestellt? • Wovon wenden sich die Kinder explizit ab? • Inwiefern werden Themen als problemwirksam dargestellt?

107 | Die Subkategorie Raumdimension wird weiter unten vorgestellt. Die Beobachtungen in Bezug auf sich selbst stellen eine besondere Form der Beobachtung dar. Deshalb wird sie hier nicht als Subkategorie bezeichnet. Auch sie wird weiter unten in diesem Kapitel erläutert.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 1 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Subkategorie: Sozialdimension: (Unterscheidungshorizont: Ego / Alter Ego)

Subkategorie: Sozialdimension : (Unterscheidungshorizont: Ego / Alter Ego)

Wer wird von den Kindern als kommunikativ relevant erkannt? • Von wem kommen die für die Kinder relevanten Themen? Wer bestimmt das Thema? Wessen Wissen ist relevant? • Wer ist der Bezugspunkt der Information (Beziehungsrelevanz des Themas)? • Wer thematisiert einen relevanten Beitrag zu einem Thema? • An wem flaggt sich der kommunikative Anschluss aus? • Auf welche Rollen, Personen oder Adressenfragmente wird Bezug genommen?

In Bezug auf wen wird nicht kommunikativ angeschlossen? • In Bezug auf wen wird die Kommunikation abgebrochen? Wessen Wissen ist nicht relevant? An wen wird nicht angeschlossen? • Wer wird nicht als Mitteilungshandelnder expliziert? • Auf welche Rollen, Personen oder Adressenfragmente wird kein Bezug genommen bzw. inwiefern werden sie als problemwirksam dargestellt? • An wessen Beiträge wird nicht angeschlossen?

Subkategorie: Zeitdimension: (Unterscheidungshorizont: vorher / nachher)

Subkategorie: Zeitdimension: (Unterscheidungshorizont: vorher / nachher)

Innerhalb welcher Zeitfenster schließen die Kinder kommunikativ an? • Gibt es Hinweise auf kommunikativ relevante Zeitspannen? • Werden bestimmte Zeitpunkte für relevant erachtet?

Innerhalb welcher Zeitfenster schließen Kinder kommunikativ nicht an? • Gibt es Hinweise auf kommunikativ nicht anschlussfähige Zeitspannen? • Welche Zeitpunkte werden bestimmt exkludiert?

Tabelle 2 / 4 .2.2.2: An den Sinndimensionen orientierte Differenzierungsoptionen in Bezug auf den Optionalen Wechsel Im Kontext des Wechsels zwischen Exklusion und Inklusion: Verschlüsselung des Optionalen Wechsels orientiert an den Sinndimensionen Subkategorie Sachdimension (Unterscheidungshorizont: dies / anderes) In Bezug worauf ist ein Wechsel hin-deutbar? Gibt es relevante Themen oder Beiträge, die als Ausgangspunkt für einen Wechsel beobachtbar sind? Subkategorie Sozialdimension (Unterscheidungshorizont: Ego / A lter Ego) In Bezug auf wen ist auf einen Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss hindeutbar? Wer wird als Bewirker_in / Adressat_in eines Wechsels erkannt? An wem flaggt sich der Wechsel aus? Auf welche Rollen- oder Personenzuschreibungen wird im Kontext eines Wechsels Bezug genommen?

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 2 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Subkategorie Zeitdimension (Unterscheidungshorizont: vorher / nachher) Werden relevante Zeitspannen oder -punkte für den Wechsel hin-beobachtbar?

Wie vorgestellt, wurde dieser Auswertungsschritt über acht Interviews erprobt (vgl. Kapitel 4.2.2). Dabei wurde deutlich, dass sich kindliche Äußerungen häufig auf raumbezogene Aspekte beziehen. Nach Schmidt ist die Offenheit gegenüber dem »Material« in der Entwicklung von Auswertungskategorien entscheidend, auch wenn sich an einem theoretischen Vorverständnis orientiert wird (vgl. Schmidt 2010, 474). So wurde entschieden, den Bezug auf die räumliche Umwelt als einen die Sinndimensionen der Systemtheorie ergänzenden Sinnverweis aufzunehmen, ihn als Subkategorie hinzuzufügen und das Subkategoriensystem dadurch induktiv weiterzuentwickeln. Diese Subkategorie wird hier Raumdimension genannt. Sie markiert, dass explizit eine räumliche Position zu einer anders möglichen räumlichen Position in Beziehung gesetzt wird und dadurch ein für den Anschluss, NichtAnschluss oder den Optionalen Wechsel relevanter Verweis entsteht. Als Unterscheidungshorizont wird vorgeschlagen: hier / dort. Inwiefern die Raumdimension für die Theorieentwicklung von Bedeutung sein könnte, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.108 Hier dient sie zunächst als pragmatische Lösung für eine höhere Differenzierung der Beobachtung und Auswertung des empirischen Materials. Die umseitige Tabelle 3 / 4 .2.2.2 veranschaulicht erste Differenzierungsmöglichkeiten der Raumdimension in Bezug auf Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und den Optionalen Wechsel. Angeregt durch die Interviewfrage: »War das auch mal so, dass die Kinder gesagt haben: ›Nein, da darf Paula109 nicht mitmachen!‹?« beziehen sich einige der kindlichen Äußerungen auch auf Beschreibungen von kommunikativen Nicht-Anschlüssen, Anschlüssen oder Optionalen Wechseln, die die interviewten Kinder in Bezug auf sich selbst beobachtet haben. Durch den Perspektivwechsel können Adressenfragmente hin-beobachtet werden, die der Unperson zuzuordnen sind (vgl. Kapitel  2.4), also wie das interviewte Kind sich selbst differenziert und ob diese Unterscheidungen sich anders darstellen als die Unterscheidungen der anderen Kinder in Bezug auf dieses Kind (Deutung auf Differenzen zwischen Person und Unperson). Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Kinder im Alter früher Kindheit sich bereits auf Beobachtungen von Beobachtungen beziehen (Beobachtungsebene zweiter Ordnung) und welche Bedeutung dieser Möglichkeit im Sinne der Fragestellung zugeschrieben werden kann.

108 | Luhmann hat die Sinndimensionen in Sach-, Zeit- und Sozialdimension unterschieden, ohne Anspruch darauf zu erheben, dass diese Dreierliste vollständig sei (vgl. Fuchs 2013, 142). In »Die Gesellschaft der Gesellschaft« nimmt Luhmann in der Beschreibung der Erzeugung von Sinn Bezug auf Raumverhältnisse (vgl. Luhmann 1997, 48). Ob die Raumdimension eine mögliche Ergänzung darstellen könnte, muss theoretisch an anderer Stelle geprüft werden. 109 | Beispielhaft anonymisierter Name eines interviewten Kindes.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 3 / 4 .2.2.2: Differenzierungsoptionen der Raumdimension in Bezug auf Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und den Optionalen Wechsel Im Kontext von Inklusion: Verschlüsselung von Anschlussoptionen

Im Kontext von Exklusion: Verschlüsselung von NichtAnschlussoptionen

Im Kontext des Wechsels zwischen Exklusion und Inklusion: Verschlüsselung des Optionalen Wechsels

Subkategorie: Raumdimension (Unterscheidungshorizont: hier / dort)

Subkategorie: Raumdimension (Unterscheidungshorizont: hier / dort)

Subkategorie: Raumdimension (Unterscheidungshorizont: hier / dort)

• Welche Bezüge auf den Raum sind beim kommunikativen Anschluss beobachtbar? • Welche räumlichen Bedingungen unterstützen Anschlussoptionen?

• Welche Bezüge auf den • Welche Bezüge auf den Raum sind beim kommuRaum sind bei einem nikativen Nicht-Anschluss Optionalen Wechsel beobbeobachtbar? achtbar? • Welche räumlichen Be• Welche räumlichen Bedingungen unterstützen dingungen unterstützen Nicht-Anschlussoptionen? den Optionalen Wechsel?

Da an dieser Stelle ausgehend von einem Perspektivwechsel des interviewten Kindes Kommunikation wissenschaftlich beobachtet wird, werden diese Äußerungen in einer Extraspalte in Bezug auf alle drei Kategorien verschlüsselt. Durch diese Sonderstellung im Auswertungsverfahren wird sie hier nicht als Subkategorie bezeichnet, noch wurde sie als Kategorie eingeführt. In der Darstellung der Ergebnisse und ihrer Interpretation nimmt sie deshalb ein eigenes Kapitel ein (vgl. Kapitel 5.4). Zur Veranschaulichung wird in der Tabelle 4 / 4 .2.2.2 ein Beispiel eines diesbezüglichen Sinnverweises angeboten. Tabelle 4 / 4 .2.2.2: Sinnverweis als Bezug auf sich selbst Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidung

Beispiel Jodok (a. B.) 00:05:14-9 Jodok(a. B.): (..) Weil er jetzt schon mir einige Male beim Klettern zugeguckt hat und er jetzt schon weiß, dass ich stärker bin, obwohl er immer noch sagt, dass ICH, dass er stärker ist. 00:05:25-7 Interviewerin: Mm.

Hier wird eine Differenz zwischen externer Personenbeschreibung in Bezug auf Jodok(a. B.) und dem, was er sich selbst zuschreibt, deutlich.

Innerhalb der Probeauswertungen wurden ausgehend von den oben vorgeschlagenen theoriegeleiteten Differenzierungen des Codierleitfadens weitere aus dem Material gewonnen, die sich an der Struktur der Sinndimensionen orientieren, jedoch eine noch konkretere Verschlüsselung erlauben. Sie ergänzen die vorgestellten Unterscheidungen der Sinndimensionen. Worum es nun in Bezug auf die einzelnen Sinndimensionen konkret geht, wird im Folgenden erläutert.110

110 | Zu Gunsten der besseren Verstehbarkeit beziehen sich die hier aufgeführten Beispiele nur auf Anschlussoptionen. Verschlüsselungen am Codierleitfaden in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen und den Optionalen Wechsel sind über die beiden weiter unten angebotenen Ankerbeispiele »Anna« und »Jodok(a. B.)« nachvollziehbar. Darüber hinaus werden in

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Die Subkategorie Sachdimension von Sinn Innerhalb der Codes der Subkategorie Sachdimension werden Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse differenziert, die sich auf das beziehen, worum es innerhalb des kommunikativen Anschlusses geht. Sie bezeichnen das »Was«, den Informationsaspekt der Äußerungen. Über die Probeauswertungen haben sich Spielformen111 und Bezüge zum Alltag als geeignet erwiesen, die Sach-Bezüge der Kinder zu strukturieren. So wurden sie über diesen Weg in das Auswertungsverfahren eingeführt. Sie dienen an dieser Stelle als pragmatische Lösung. Folgendes Beispiel von Konstanze (Transkription II) veranschaulicht den Bezug auf die Rolle des Hundes innerhalb eines Rollenspiels (vgl. Tabelle 5 / 4 .2.2.2). Tabelle 5 / 4 .2.2.2: Rollenspielfigur als Beispiel der Differenzierungsoption »Sachdimension von Sinn« Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidung

Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:08:48-1 Konstanze: Weil Karsten(a. B.) ist furchtbar nett. 00:08:50-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und wieso ist der nett? 00:08:55-5 Konstanze: Weiß ich, weiß nicht so genau, warum der nett ist. Find ihn nett. 00:08:57-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Was findest du nett an ihm? Anschlussoption: 00:09:01-5 Konstanze: Ähm. Der (..) ähm ist so ’n Bezug auf die Rolle eines Hundes guter HUND … im Rollenspiel. 00:09:06-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:09:07-5 Konstanze: … wenn wir spielen.

Anhand von Talkes Äußerungen wird ein Verweis auf eine Alltagssituation erkennbar. Sie verdeutlichen den Code »Bezug zum Alltag« (vgl. Tabelle 6 / 4 .2.2.2).

den Beispielen zum Zwecke der Verdeutlichung nur die Optionen markiert, die gerade erläutert werden. 111 | An dieser Stelle wird ein Exkurs in die Entwicklungspsychologie vorgenommen und sich der Darstellung der Entwicklung des Spiels von Oerter bedient (vgl. Oerter 2008, 239249). Dieser unterteilt die Formen des Spiels und ihre Reihenfolge in der Entwicklung in Sensomotorisches Spiel (7.-30. Monat), Informationsspiel / E xplorationsverhalten (Beginn zwischen 9. und 13. Monat), Konstruktionsspiel (ohne Altersangabe), Als-ob-Spiel (ab 12.-13. Monat), Rollenspiel (Anfänge ab dem 3. Lebensjahr, umfangreicher ab dem 4. Lebensjahr beobachtbar) und Regelspiel (eher seltener im Vorschulalter beobachtbar). Einschränkend muss mitgeteilt werden, dass diese Struktur nur eine sehr grobe Orientierung darstellt. So wird sie kulturell bedingt (vgl. Berk 2005, 309) und vor dem Hintergrund sozialer Benachteiligung (vgl. Oerter 2008, 240) unterschiedlich beobachtet. Hier bietet sie jedoch eine Orientierungshilfe in Bezug auf die Sinnverweise von Kindern innerhalb der Sachdimension hinsichtlich ihrer Spielgestaltung.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 6 / 4 .2.2.2: Alltagssituation als Beispiel der Differenzierungsoption »Sachdimension von Sinn« Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidung

Beispiel Talke 00:07:22-2 Interviewerin: Mm. Mm. Und machst du was mit denen zusammen? 00:07:27-2 Talke: Ja. 00:07:29-4 Interviewerin: Mm. Was denn so? 00:07:30-3 Talke: Mit Hansi(a. B.) schaukel ich in Anschlussoption: der Hängematte und Fanny(a. B.) fütter ich. Fanny(a. B.) etwas zu essen geben. 00:07:36-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und wie findest du das so? 00:07:39-9 Talke: Gut.

Die Subkategorie Sozialdimension von Sinn Die Codes der Subkategorie Sozialdimension differenzieren die Anzahl der Kinder, auf die Bezug genommen wird bzw. die als problemwirksam bezeichnet oder bestimmt exkludiert werden, und das in dieser Auswahl gegebene Verhältnis von Kindern mit zu Kindern ohne adressierte Behinderung. Darüber hinaus wird an dieser Stelle zwischen Eigenschafts- und Verhaltensattributen unterschieden.112 Innerhalb der Anschlussoptionen werden ergänzend Attribute in Bezug auf gemeinsames Spiel bzw. gemeinsame Tätigkeit113 und auf Grenzsetzungen und körperliche Unversehrtheit achtend hin-beobachtet. Im Rahmen der Nicht-Anschlussoptionen werden als weitere Attribute analysiert: Attribute, die als Grenzsetzungen missachtend, als körperlich aggressiv und als Beschimpfungen bewertet werden. Die Bezugnahme auf Gefühle wird ebenfalls explizit verschlüsselt (vgl. Kapitel 2.2.3).114 Gefühle werden hier orientiert an Schleiffer unterschieden in negative Gefühle wie Angst, Wut, Ärger, Ekel, Trauer und Scham und das positive Gefühl der Freude. Negative Gefühle werden unter Nicht-Anschlussoptionen, positive unter Anschlussoptionen verschlüsselt (jeweils als Subcodes). Ergänzend wird über die Spalte »Sonstige Bezüge auf Gefühle« die Möglichkeit eröffnet, weitere Deutungsoptionen zu vermerken. Darüber hinaus werden die in Kapitel 2.4 vorgestellten sozialen Adressen bestimmt (Rollen- und Personenzuschreibungen), die im Kontext von Inklusion und Exklusion bedeutsam sind. Im Besonderen werden das Adressenfragment Be-

112 | Die Unterscheidung zwischen Eigenschafts- und Verhaltensattributen und ihre weiteren Differenzierungen wurden aus dem empirischen Material gewonnen. In den Kapiteln 5.1.1 und 5.2.1 wird dargelegt, worauf diesbezüglich hin-beobachtet wurde und ihre Unterscheidung begründet. 113 | Die Beschreibung »gemeinsame Tätigkeit« bezieht sich auf verschiedene Kontexte und Formen des Tätig-Sein-Könnens. 114 | Die Deutung auf Gefühle wird orientiert an der Fragestellung auf die Sozialdimension von Sinn bezogen, da hier der Anschluss an Kinder als Mitteilungshandelnde im Vordergrund steht.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

hinderung und anschlussfähige Problemkonstruktionen berücksichtigt.115 Soziale Adressenfragmente, bei denen auf keine Wertung hin-gedeutet werden kann, werden innerhalb der Anschlussoptionen als nichtbewertete Adressenfragmente verschlüsselt, da sie auf eine Strukturbildung verweisen, die von den interviewten Kindern als ein Etwas beobachtet wurde und damit potentiell mögliche Anschlüsse offeriert. Folgende Beispiele veranschaulichen diese Möglichkeit (vgl. Tabelle 7 / 4 .2.2.2). Tabelle 7 / 4 .2.2.2: Nicht bewertete Adressenfragmente als Differenzierungsoption der Anschlussoptionen an die »Sozialdimension von Sinn« Transkribierte Äußerungen Beispiel Josepha 00:06:45-1 Interviewerin: Gut [nickt]. Okay. (..) Und was macht ihr denn so, wenn ihr was zusammen macht? Asmus(a. B.) und du? 00:06:51-8 Josepha: Asmus(a. B.), der hat, der kann noch nicht so richtig sprechen … 00:06:54-9 Interviewerin: Mm. 00:06:55-1 Josepha: … aber laufen kann der. 00:06:56-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. […] 00:09:35-3 Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. (..) Und (..) Mm. Gibt es auch Kinder in der Schmetterlingsgruppe, die anders sind als andere Kinder? 00:09:47-9 Josepha: Nee, gibt’s nicht. Tom(a. B.) und Jenny(a. B.), die sind nämlich voll ähnlich. 00:09:54-3 Interviewerin: Echt? Erzähl mal. 00:09:57-3 Josepha: Die machen immer genau das Gleiche. 00:09:58-1 Interviewerin: Ja? Was machen die denn? 00:10:00-9 Josepha: Die wollen immer zusammen / die wollen genau nacheinander reiten. 00:10:03-7 Interviewerin: Aha [nickt]. 00:10:05-2 Josepha: Und genau (.) / Und Tom(a. B.) verkleidet sich auch richtig gerne als Prinzessin. 00:10:10-7 Interviewerin: Aha. 00:10:12-7 Josepha: Und Peter(a. B.) auch. 00:10:14-5 Interviewerin: Aha [nickt]. Das ist gleich bei denen. 00:10:17-9 Josepha: Mhm [nickt].

Beobachtete Unterscheidungen

Anschlussoption: Nicht bewertetes Adressenfragment: Noch nicht richtig sprechen können. Anschlussoption: Nicht bewertetes Adressenfragment: Laufen können.

Anschlussoption: Nicht bewertete Adressenfragmente: Kinder sind sich ähnlich. Kinder machen das Gleiche.

Anschlussoption: Kinder, die immer zusammen und nacheinander reiten wollen. Anschlussoption: Tom(a. B.) und Peter (a. B.) verkleiden sich gleich als Prinzessin.

Die Subkategorie Zeitdimension von Sinn Das Hin-Deuten zeitbezogener Differenzbildungen stellt eine besondere Herausforderung dar. Als zentrale Ebene der Sinnsysteme ist die Zeitdimension immer präsent (vgl. Kapitel  2.2.2). All das, was durch die Interviews als Äußerung hin115 | An dieser Stelle soll berücksichtigt werden, dass Kommunikation sich nicht am Konsens orientiert (vgl. Kapitel 2.3).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

beobachtbar ist, bezieht sich auf etwas, das sich in einem systemrelevanten SinnZeit-Fenster ereignet hat (vgl. Kapitel 2.2.2). Aus der hier eingenommenen wissenschaftlichen Beobachtungsposition ist jedoch auf dieses nur sehr ungenau deutbar, da über die Äußerungen der Kinder nicht differenzierbar wird, innerhalb welcher Sequenz ein Anschluss erfolgt ist.116 Im Rahmen der Probeauswertungen haben die Kinder sich nur in wenigen Fällen explizit zu der Relevanz von Zeitbezügen geäußert. Um dennoch hinsichtlich der Fragestellung die Zeitdimension berücksichtigen zu können, muss auch an dieser Stelle die Komplexität wesentlich reduziert werden. So werden hier nur jene Bezüge verschlüsselt, die über die Äußerungen der Kinder ausdrücklich als Verweis auf eine Sinnzeit erkennbar werden. Ist kein Verweis auf einen besonderen Zeitbezug hin-beobachtbar, wird die Dimension nicht verschlüsselt. Folgende Beispiele verdeutlichen einen Bezug auf die Zeitdimension (vgl. Tabelle 8 / 4 .2.2.2). Tabelle 8 / 4 .2.2.2: Differenzierungsoptionen der »Zeitdimension von Sinn« Transkribierte Äußerungen Beispiel Anna 00:26:08-7 Interviewerin: Ja. Wie hast du die kennengelernt? 00:26:12-5 Anna: [Holt tief Luft.] (..) Emma, die kenn ich schon ganz, ganz lange. Die hat ja aber leider auch einen Sprachfehler, mit der komm ich leider nicht in die Klasse. 00:26:17-3 Interviewerin: Mhm. 00:26:18-2 Anna: Aber Susann kenn ich von A. (..) und ähm (.), Emma kenn’ ich schon ganz lange, kenn ich von Jutta [Emmas Mutter]. 00:26:26-3 Interviewerin: [Nickt.] 00:26:28-3 Anna: Kenn ich von meiner Geburt her. Ich bin aber vorher ähm, geboren vor Emma. Und Fee [zeigt auf ein Zeichen] / Bin ich auch vor Fee geboren …

Beobachtete Unterscheidungen

Anschlussoption: Sich ganz lange kennen.

Anschlussoption: Sich von Geburt an kennen.

Da die diesbezüglichen Angaben der Kinder nur sehr vage Deutungen erlauben, wird hier nur eine Unterscheidung vorgeschlagen, über die in dieser Subkategorie verschlüsselt wird: der Bezug auf eine Zeitspanne und der Bezug auf Zeitpunkte. Folgende Beispiele verdeutlichen diesen Schritt (vgl. Tabelle 9 / 4 .2.2.2).

116 | Gerät etwas nicht in eine systemrelevante Zeitspanne, bezieht sich darauf auch keine Äußerung. Infolgedessen kann auf den Nicht-Anschluss, als unbestimmte Exklusion, auch nicht hin-beobachtet werden (vgl. Kapitel 2.6.2).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 9 / 4 .2.2.2: Deutung auf Zeitspannen und Zeitpunkte Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidungen

Beispiel Josepha 00:10:00-9 Josepha: Die wollen immer zusammen / die wollen genau nacheinander reiten.

An dieser Stelle markiert das Adverb »immer« die Zeitspanne, auf die hin das Verhalten innerhalb dieser Äußerung als ein besonderes markiert wird (neben anderen Sinnbezügen die zusätzlich ausgewertet werden).

Beispiel Anna 00:10:43-7 Anna: Michi war früher [schüttelt verneinend den Kopf], aber jetzt ist Michi nicht mehr so schlimm.

Hier wird der Zeitpunkt »früher« als einer markiert, auf den Bezug genommen wird. Zusätz­lich wird über den Bezug zu »jetzt« eine Spanne hinbeobachtbar, innerhalb derer sich das als schlimm bewertete Verhalten verändert hat.

Die Differenzierung der Spielform (s. o.) ermöglicht darüber hinaus einen Bezug auf die Sinnzeit. Über eine entwicklungspsychologisch orientierte Beobachtung der für das Kind relevanten Spielformen kann die Naturzeit in Beziehung gesetzt werden zur systemrelevanten Sinnzeit. So kann hin-beobachtet werden, welche Zeitspanne sich zeigt, auf die das Kind in seinem Spiel Bezug nimmt. Diese Option wird Spiel-Sinnzeit genannt und unter dem Code Zeitspannen verschlüsselt. Die Subkategorie Raumdimension von Sinn Wie oben dargestellt, ist die Subkategorie Raumdimension über die Frage nach der Relevanz räumlicher Differenzierungen im Rahmen der Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und des Optionalen Wechsels codiert. Zur Verdeutlichung auch hier einige Beispiele (vgl. Tabelle 10 / 4 .2.2.2). Tabelle 10 / 4 .2.2.2: Beispiele für Differenzierungsoptionen des Bezugs auf den Raum Transkribierte Äußerungen

Beobachtete Unterscheidungen

Beispiel Carl(a. B.) 00:02:41-4 Carl(a. B.): Und- und im Nebenraum toben.

Anschlussoption: Hier wird Bezug genommen auf den Nebenraum im Kontext von Toben.

Beispiel Anna: 00:01:23-5 Anna: … und auch mit Nanny mal [zeigt auf das Kinderzeichen], ähm, Nanny hat da auch mitgespielt und denn hab’n wir immer unten in der Puppenecke gespielt und das hat mir sehr gut gefallen und mit Peter(a. B.) haben wir immer in den offenen Gruppen [besondere Angebotsform, bei der die Kinder die Räumlichkeiten der gesamten Einrichtung nutzen] hab’n wir ihn immer so rumgeführt …

Anschlussoption: In der Puppenecke spielen. Anschlussoption: In anderen Gruppen spielen. Anschlussoption: Peter(a. B.) in Räumlichkeiten herumführen können.

Im Prozess der Interpretation dieser Subkategorie wurde deutlich, dass es sich anbietet, hier zwischen selbst- und fremdreferenziellen Bezügen auf den Raum

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

zu unterscheiden.117 Worauf dadurch konkret hin-deutbar ist, wird in den Kapiteln 5.1.4, 5.2.4 und 5.3 erläutert. Der Codierleitfaden zur Verschlüsselung der Subkategorien Um die Differenzierung der nun gewonnenen Auswertungsstruktur nutzen zu können, dennoch die wissenschaftliche Beobachtungsposition nicht zu eng auf diese festzulegen und damit das »Prinzip der Offenheit« (vgl. Flick 1995, 164) zu berücksichtigen, wird ein Codierleitfaden vorgeschlagen, der die vorausgehenden Überlegungen berücksichtigt und zusätzlich noch über einen allgemeinen Code »Sonstiges« bei jeder Subkategorie Platz für weitere Verschlüsselung lässt. Entsprechend schreibt Schmidt: »Textstellen in den Interviewtranskripten, die für die Fragestellung interessant sind, jedoch nicht zu den bisher entwickelten Auswertungskategorien passen, können zu einer Erweiterung des Auswertungsleitfadens führen« (Schmidt 2010, 476). Aus dieser Mischform zwischen induktiver und deduktiver Materialgewinnung wurde für die Kategorien Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen folgender Codierleitfaden entwickelt (vgl. Tabelle 11 / 4 .2.2.2):118 Tabelle 11 / 4 .2.2.2: Codierleitfaden in Bezug auf Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen Im Kontext von Inklusion: Verschlüsselung von Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Im Kontext von Exklusion: Verschlüsselung von Nicht-Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Codes der Sachdimension

Codes der Sachdimension

Welche Themen werden als bedeutsam beobachtet? Worum geht es?

Welche Themen werden als nicht bedeutsam oder problemwirksam beobachtet? Worum geht es?

Sensomotorisches Spiel119 Explorationsspiel Konstruktionsspiel Als-ob-Spiel120 Rollenspiel Regelspiel Bezüge zum Alltag Sonstiges

Sensomotorisches Spiel Explorationsspiel Konstruktionsspiel Als-ob-Spiel Rollenspiel Regelspiel Bezüge zum Alltag Sonstiges

117 | An dieser Stelle möchte ich herzlich Frau Prof. Dr. Puhr für das diesbezüglich anregende Gespräch auf der Inklusionsforscher_innentagung 2014, veranstaltet von der GoetheUniversität Frankfurt am Main, danken. 118 | Deduktiv deshalb, da sich überwiegend auf systemtheoretische Beschreibungen der Sinndimensionen gestützt wird; induktiv, weil über die Beobachtung des Materials diese Unterscheidungen konkretisiert wurde. 119 | In dieser Arbeit wurde sich entgegen der Schreibweise von Oerter für die Schreibweise von »sensomotorisch« mit »o« orientiert an Balgo und Sodian entschieden (vgl. Oerter 2008, 239; Balgo 1998, 108; Sodian 2012, 386). 120 | In der Auswertung der Interviews wurde sich in der Unterscheidung des Rollenspiels und des Als-ob-Spiels an der Darstellung der Spielsituation orientiert.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 11 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Wie viele thematisch unterschiedliche Bezüge sind hin-beobachtbar?

Wie viele thematisch unterschiedliche Bezüge sind hin-beobachtbar?

Sonstiges

Sonstiges

Codes der Sozialdimension

Codes der Sozialdimension

Wie viele Kinder werden als relevant markiert?

Wie viele Kinder werden als nicht relevant, bestimmt exkludiert oder problemwirksam markiert?

Wie viele Kinder davon mit und ohne adres- Wie viele Kinder davon mit und ohne adressierte Behinderung? sierte Behinderung? Personenzuschreibungen: Wie werden die Kinder beobachtet (also in Bezug worauf unterschieden und bezeichnet), auf die sich als Mitteilungshandelnde bezogen wird?

Personenzuschreibungen: Wie werden die Kinder beobachtet (also in Bezug worauf unterschieden und bezeichnet), die als problemwirksam differenziert oder bestimmt exkludiert werden?

Attribute im Kontext gemeinsamen Spiels oder gemeinsamer Tätigkeit

Attribute im Kontext gemeinsamen Spiels oder gemeinsamer Tätigkeit

Attribute bezogen auf Grenzsetzungen und Attribute, die als Grenzsetzungen missachtend beobachtet werden körperliche Unversehrtheit achtend Attribute, die als körperlich aggressiv beobachtet werden Attribute, die als Beschimpfungen beobachtet werden Sonstige Verhaltensattribute

Sonstige Verhaltensattribute

Sonstige Eigenschaftsattribute

Sonstige Eigenschaftsattribute

Bezugnahme auf Gefühle Freude Sonstige Bezüge auf Gefühle

Bezugnahme auf Gefühle: Angst, Trauer, Wut, Ärger, Ekel, Scham Sonstige Bezüge auf Gefühle

Rollen und Rollenzuschreibungen

Rollen und Rollenzuschreibungen

Anschlussfähige Problemkonstruktion Nicht bewertete soziale Adressen oder Adressenfragmente Inwiefern wird auf das Adressenfragment Behinderung im Kontext der Anschlussoption Bezug genommen?

Inwiefern wird auf das Adressenfragment Behinderung im Kontext der Nicht-Anschlussoption Bezug genommen?

Sonstiges

Sonstiges

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 11 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Codes der Zeitdimension

Codes der Zeitdimension

Auf welche Zeitspannen wird Bezug genommen?

Welche Zeitspannen werden bestimmt exkludiert oder als problemwirksam differenziert?

Werden bestimmte Zeitpunkte innerhalb des Anschlusses für relevant erachtet? Sonstiges

Werden bestimmte Zeitpunkte bestimmt exkludiert oder als problemwirksam beschrieben? Sonstiges

Codes der Raumdimension

Codes der Raumdimension

Welche Bezüge auf räumliche Differenzen werden im Kontext des Anschlusses als bedeutsam markiert?

Welche Bezüge auf räumliche Differenzen werden im Kontext des Nicht-Anschlusses als bedeutsam markiert?

Sonstiges

Sonstiges

Verschlüsselung der Anschluss­optionen in Bezug auf sich selbst.

Verschlüsselung der Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst.

In Bezug worauf ist aus der Perspektive des In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes auf einen Anschluss anderer Kinder Kindes auf einen Nicht-Anschluss anderer in Bezug auf die eigene Person hin-deutbar? Kinder in Bezug auf die eigene Person hindeutbar? Person / Unperson

Person / Unperson

Sonstiges

Sonstiges

Wie oben dargestellt wird der Codierleitfaden in Bezug auf den Optionalen Wechsel ebenfalls durch die Sinndimensionen differenziert. Innerhalb der Probeauswertungen schienen hier jedoch die unten aufgeführten Codes ausreichend (vgl. Tabelle 12 / 4 .2.2.2). So wird beispielsweise hinsichtlich der Subkategorie Sozialdimension von Sinn vorgeschlagen, ihn nur danach zu strukturieren, in Bezug auf wen ein Wechsel hin-beobachtet wird, welche Verhaltens- oder Eigenschaftsattribute diesen Mitteilungshandelnden zugeschrieben werden und inwiefern auf soziale Adressen Bezug genommen wird. Sollten dennoch Sinneinheiten darüber hinausgehend verschlüsselt werden müssen, besteht auch hier die Möglichkeit, unter dem Code »Sonstiges« entsprechende Beobachtungen zu jeder Sinndimension zu ergänzen. Tabelle 12 / 4 .2.2.2: Codierleitfaden in Bezug auf den Optionalen Wechsel Im Kontext des Wechsels zwischen Exklusion und Inklusion: Verschlüsselung des Optionalen Wechsels orientiert an den Sinndimensionen Codes der Sachdimension In Bezug worauf ist ein Wechsel hin-deutbar? Gibt es relevante Themen oder Beiträge, die als Ausgangspunkt für einen Wechsel beobachtbar sind? Sonstiges

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 12 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Codes der Sozialdimension In Bezug auf wen ist auf einen Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss hindeutbar? Wer wird als Bewirker_in / Adressat_in eines Wechsels erkannt? An wem flaggt sich der Wechsel aus? Deutung auf die soziale Adresse (Rolle oder Person) im Kontext eines Wechsels: Person Rolle Auf welche Verhaltens- oder Eigenschaftsattribute ist innerhalb des Wechsels hin-deutbar? Personenzuschreibungen Rollenzuschreibungen Sonstiges Codes der Zeitdimension Werden relevante Zeitspannen oder -punkte für den Wechsel hin-beobachtbar? Sonstiges Codes der Raumdimension Wird der Bezug auf räumliche Bedingungen als relevant für den Wechsel beobachtet? Sonstiges Verschlüsselung des Optionalen Wechsels in Bezug auf sich selbst In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes, ausgerichtet auf den Anschluss anderer Kinder an es als Mitteilungshandelnden, ein Wechsel hin-beobachtbar? Sonstiges

Codierregeln in Bezug auf die Verschlüsselung der Subkategorien In Kapitel 2.2.2 wurde erläutert, dass die Sinndimensionen eine Melange darstellen und eigentlich nicht zu trennen sind. Zudem wurde aufgezeigt, dass sich eine Sinndimension nur vor dem Horizont einer anderen differenzieren lässt. Eine Verweisungsstruktur, die bei allen hier hin-beobachteten Sinnbezügen aus der wissenschaftlichen Beobachtungsposition mitgeführt wird, ist die Sozialdimension. Es geht entsprechend der Fragestellung an dieser Stelle beispielsweise immer um Sinnverweise von Kindern in Bezug auf andere Kinder als Mitteilungshandelnde. Vor diesem Hintergrund muss für die Auswertung orientiert an den Sinndimensionen auch an dieser Stelle eine Simplifizierung erfolgen und damit ein Informationsverlust in Kauf genommen werden, um die systemtheoretischen Überlegungen auf eine empirische Erhebung beziehen zu können. Denn: Es kann nicht jeder Sinnverweis in seiner Dreisamkeit bzw. Viersamkeit121 (vgl. Kapitel 2.2.2) in der Auswertung an jeder Stelle berücksichtigt werden. So wurde als pragmatische Lösung für diesen Auswertungsschritt entschieden, Textpassagen unter der Sub121 | Durch die Ergänzung der Raumdimension müsste geprüft werden, inwiefern sich auch diese der Melange zurechnen lässt.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

kategorie zu verschlüsseln, deren Ausprägungen am geeignetsten erscheinen. Sollte eine Textpassage für zwei Subkategorien oder Codes besonders prägnant sein, wird diese, entgegen dem Vorgehen von Schmidt, auch mehrfach zugeordnet (vgl. Schmidt 2008, 453). Finden sich in einem Interview keine Textstellen zu einer der Subkategorien, wird das entsprechend vermerkt und in der weiteren Auswertung berücksichtigt. Beziehen sich Sinnverweise als Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen oder Optionale Wechsel wiederholt auf denselben Sach-, Sozial-, Zeit- oder Raumbezug, sind also Wiederholungen beobachtbar, so werden diese durch Unterstreichen hervorgehoben. In diesem Sinne wird als Wiederholung bewertet, wenn ein Bezug auf etwas ausgehend von unterschiedlichen Interviewfragen verschlüsselt wurde. Im weiteren Verlauf der Auswertung kann diese Gewichtung dann berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 5, Einleitung). Die Verschlüsselung erfolgt bei allen durch den vorausgegangenen Auswertungsschritt kategorisierten Sinneinheiten nach denselben Codes. Über die Markierung »(a. B.)« lässt sich auch hier nachvollziehen, inwiefern die einzelnen Auswertungen an Kindern mit oder ohne adressierte Behinderung hin-beobachtet wurden. In der Kopfzeile jeder Auswertung ist das Adressenfragment vermerkt. Darüber hinaus findet das Adressenfragment »Behinderung« an dieser Stelle wie im vorhergehenden Auswertungsschritt insofern Berücksichtigung, als dass über die Markierung »(a. B.)« bzw. »(o. a. B.)« dokumentiert ist, ob sich ein Sinnbezug, der sich an einem interviewten Kind ausflaggt, auf ein Kind mit oder ohne adressierte Behinderung bezieht, sofern über die Äußerungen der interviewten Kinder auf einen Zusammenhang zu entsprechenden Kindern hin-deutbar ist. Ist dieses nicht gegeben, wird er entsprechend nicht als ein solcher verschlüsselt (vgl. Kapitel 4.2.2.1). Werden mehrere Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung in Bezug auf einen Sinnverweis verschlüsselt, wird dies jedoch nicht markiert, da in dieser Arbeit Optionen ausgewertet werden, wie Kinder mit oder ohne adressierte Behinderung aneinander anschließen und nicht die diesbezügliche Häufigkeit (vgl. Kapitel 5, Einleitung). Sinnverweise auf als Person differenzierte Kinder werden jedoch auch als Mehrfachnennung für bedeutsam erachtet, da durch sie zum Beispiel auf Exklusionskumulation deutbar ist. Entsprechende Bezüge sind unter dem Code »Wie viele Kinder werden als relevant markiert?« der Kategorie Sozialdimension verschlüsselt und durch Unterstreichen gekennzeichnet. Zudem wird gesondert codiert, ob sich die Kinder innerhalb der Interviews auf das Adressenfragment »behindert« bezogen und dieses sich als Anschlussoption, Nicht-Anschlussoption oder relevant hinsichtlich des Optionalen Wechsels deuten lässt. Erst im nächsten und letzten Auswertungsschritt dieser Auswertungsebene soll jedoch explizit auf das Adressenfragment »behindert / nicht behindert« hin-beobachtet und es interpretiert werden (vgl. Kapitel  4.2.2.3). Bevor das dortige Vorgehen erläutert wird, veranschaulichen zwei Ankerbeispiele (eines von einem Kind mit und eines von einem Kind ohne adressierte Behinderung) diesen Auswertungsschritt exemplarisch. Sie bilden die in tabellarischer Form zusammengefassten Verschlüsselungen zweier Interviews ab.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 13 / 4 .2.2.2: Ankerbeispiel Anna122 Im Kontext von Inklusion: Verschlüsselung von Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Im Kontext von Exklusion: Verschlüsselung von Nicht-Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Codes der Sachdimension

Codes der Sachdimension

Welche Themen werden als bedeutsam beobachtet? Worum geht es?

Welche Themen werden als nicht bedeutsam oder problemwirksam beobachtet? Worum geht es nicht?

Sensomotorisches Spiel: 1 (1 a. B.; 0 o. a. B.) • Zusammen von etwas hinunterspringen (a. B.).

Sensomotorisches Spiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Explorationsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Explorationsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Konstruktionsspiel: 4 (4 o. a. B.; 0 a. B.) • Puzzle machen (o. a. B.). • Basteln (o. a. B.). • Zusammen Holz holen (o. a. B.). • Wohnung bauen (o. a. B.)

Konstruktionsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Als-ob-Spiel: 1 (1 o. a. B.; 0 a. B.) • Ringreiten spielen (o. a. B.).

Als-ob-Spiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Rollenspiel: 3 (3 o. a. B.; 0 a. B.) • Vater-Mutter-Kind spielen (o. a. B.). • Mit Kuscheltieren spielen (o. a. B.) • Spielen, dass ein Schwein ein Hund ist und eine Katze ein Kaninchen (o. a. B.).

Rollenspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Regelspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Regelspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Bezüge zum Alltag: 9 (4 a. B.; 5 o. a. B.) • Keinen Zucker essen dürfen, wie Anna (a. B.). • In häuslicher Umgebung zusammen spielen (o. a. B.; a. B.). • Sich einer Bezugsgruppe der KiTa zuordnen. • Sich einem Team einer weiteren Gruppe zuordnen. • Zusammen essen (o. a. B.). • Helfen können (o. a. B.). • Zusammen in die Schule kommen (o. a. B.; a. B.).

Bezüge zum Alltag: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

122 | Angaben zur Probandin aus der Kopfzeile der Auswertungstabelle: Verschlüsselung der Sinndimensionen: Anna / 6 /  10 (J. /  M .) / Mädchen; Gruppe: Schmetterlinge / seit 3 / 10 (J. /  M .); KiTa-Platz: Kind ohne adressierte Behinderung.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) • Kind herumführen können (a. B.). • Holz hacken (o. a. B.). Sonstiges: 3 (1 a. B.; 1 o. a. B.) • Zusammen »voll falsch« tanzen wird als witzig beschrieben (a. B.). • Netten Bruder mit a. B. haben und deshalb auf Kind (o. a. B.) nicht böse sein wollen. (Da Anna den Bruder eines Kindes nicht traurig machen will, toleriert sie das schwierige Verhalten eines Kindes.) • Unspezifisch ganz viel zusammen spielen (o. a. B.). Wie viele thematisch unterschiedliche Bezüge sind hin-beobachtbar? 21 (6 a. B.; 14 o. a. B.) Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Wie viele thematisch unterschiedliche Bezüge sind hin-beobachtbar? • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Codes der Sozialdimension

Codes der Sozialdimension

Wie viele Kinder werden als relevant markiert? • 19 Kinder: Merle, Nanny, Boris(a. B.), Sabine, Peter(a. B.), Julia, Doris, Birte, Asmus(a. B.), Frederik(a. B.), Tom(a. B.), Michael, Lars(a. B.), Heiko, Michi, Emma, Fee, Luisa(a. B.), Felicitas.

Wie viele Kinder werden als nicht relevant, bestimmt exkludiert oder problemwirksam markiert? • 13 Kinder: Boris(a. B.), Carl(a. B.), Michael, Martin, Andreas(a. B.), Jenny(a. B.), Tom(a. B.), Jochen(a. B.), Jan, Heiko, Lars(a. B.), Assat, Luisa(a. B.).

Wie viele Kinder davon mit und ohne adres- Wie viele Kinder davon mit und ohne adressierte Behinderung? sierte Behinderung? • 12 Kinder ohne a. B. und 7 Kinder mit • 5 Kinder ohne a. B. und 8 Kinder mit a. B. a. B. Personenzuschreibungen: Wie werden die Personenzuschreibungen: Wie werden die Kinder beobachtet (also in Bezug worauf Kinder beobachtet (also in Bezug worauf unterschieden und bezeichnet), die als prounterschieden und bezeichnet), auf die sich blemwirksam differenziert oder bestimmt als Mitteilungshandelnde bezogen wird? exkludiert werden? Attribute im Kontext gemeinsamen Spiels oder gemeinsamer Tätigkeit: 5 (3 a. B.; 2 o. a. B.) • Witzig tanzen (a. B.). • Zusammen von etwas hinunterspringen (a. B.). • Vater-Mutter-Kind spielen (o. a. B.). • Kind herumführen können (a. B.). • Unspezifisch ganz viel zusammen spielen (o. a. B.).

Attribute im Kontext gemeinsamen Spiels oder gemeinsamer Tätigkeit: 6 (6 a. B.; 1 o. a. B.) Kinder, • die spielen, dass sie groß und erwachsen sind, in Bezug darauf das Spiel dominieren zu wollen (a. B.) • die immer die Hauptrolle spielen wollen (o. a. B.; a. B.) • die andere Kinder nicht über sich selbst bestimmen lassen (a. B.)

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) • die immer über andere Kinder bestimmen wollen (a. B.) • mit denen Anna nie zusammen allein spielen kann (a. B.) • mit denen Anna allgemein nichts machen will (a. B.). Attribute bezogen auf Grenzsetzungen und körperliche Unversehrtheit achtend: 6 (3 a. B.; 4 o. a. B.) Kinder, • denen gegenüber eine Grenze ausgesprochen werden kann (a. B.) • die lieb sind (a. B.; o. a. B.) • die nicht miteinander streiten (o. a. B.; a. B.) • die normal sind in Bezug auf angepasstes Verhalten • die nur manchmal miteinander streiten (o. a. B.) • die immer zusammenhalten (o. a. B.).

Attribute, die als Grenzsetzungen missachtend beobachtet werden: 3 (3 a. B.; 1 o. a. B.) Kinder, • die ganz, ganz frech sind (a. B.) • die verbale Grenzsetzung nicht beachten (o. a. B.; a. B.) • die nicht auf Erwachsene hören (a. B.).

Sonstige Verhaltensattribute: 2 (2 a. B.; 1 o. a. B.) Kinder, • die Naschies abgeben (a. B.; o. a. B.) • die witzig tanzen (a. B.).

Sonstige Verhaltensattribute: 8 (5 a. B.; 5 o. a. B.) Kinder, • die sich auf das als negativ bewertete Verhalten eines anderen Kindes einlassen (a. B.) • die sich streiten (o. a. B.; a. B.) • deren negativ bewertetes Verhalten als »richtig doll« bewertet wird (o. a. B.) • die nichts abgeben (o. a. B.) • die »motzig« sind (a. B.) • die als schlimm beobachtet werden (o. a. B.; a. B.) • die als »böse« beobachtet werden (o. a. B.; a. B.) • die Star Wars vom Bruder abgucken (o. a. B.).

Attribute, die als körperlich aggressiv beobachtet werden: 1 (1 a. B.; 0 o. a. B.) Kinder, • die mit Absicht beißen und hauen, werden als ganz »blöd« bewertet (a. B.). Attribute, die als Beschimpfungen beobachtet werden: 2 (2 a. B.; 2 o. a. B.) Kinder, • die »komische« Wörter / Sachen zu Anna sagen (o. a. B.; a. B.) • die sich mit anderen Kindern zusammenschließen und gegenüber Anna »komische« Sprüche äußern (o. a. B.; a. B.).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Sonstige Eigenschaftsattribute: 8 (6 o. a. B.; 2 a. B.) Kinder, • die eine lustige Stimme haben und als schön klein beobachtet werden (o. a. B.) • die sich einer Bezugsgruppe der KiTa zuordnen lassen • die witzig sind (a. B.) • die gut bekannt sind (o. a. B.) • die lange bekannt sind (o. a. B.) • die nett sind (a. B.; o. a. B.) • die über die Eltern bekannt sind (o. a. B.) • die seit der Geburt bekannt sind (o. a. B.).

Sonstige Eigenschaftsattribute: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Bezugnahme auf Gefühle: 4 (4 o. a. B.; 3 a. B.) Freude: 3 (3 o. a. B.; 2 a. B.) Kinder, • an denen etwas Lustiges beobachtbar wird (Stimme) (o. a. B.) • die Anna toll findet (a. B.; o. a. B.) • die von Anna gemocht werden (o. a. B.; a. B.).

Bezugnahme auf Gefühle: 3 (2 a. B.; 2 o. a. B.) Angst, Trauer, Wut, Ärger, Ekel, Scham: 3 (2 a. B.; 2 o. a. B.) Kinder, • die Anna wütend machen (a. B.; o. a. B.) • die richtig wütend werden können (o. a. B.) • die als wütend beobachtet werden (a. B.).

Sonstige Bezüge auf Gefühle: 1 (1 o. a. B.; 1 a. B.) Kinder, • denen gegenüber Anna nicht böse werden oder sein kann (o. a. B.; a. B.).

Sonstige Bezüge auf Gefühle: 0 ( a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Rollen und Rollenzuschreibungen: 5 (3 Rollen und Rollenzuschreibungen: 1 (1 a. B.; o. a. B.; 3 a. B.) 0 o. a. B.) • Schulkind sein wird als toll bewertet • Team der Jungen (a. B.). (a. B.). • Mädchen sein; in Bezug darauf vom gleichen Geschlecht zu sein. • Jungs nett finden, auch wenn sie als motzig wahrgenommen werden (a. B.; o. a. B.). • Teamer sein (von Anna werden bestimmte Mädchen als Team zusammengefasst). Als Teamer halten Kinder zusammen (o. a. B.). • In einer KiTagruppe sein und einem Team einer anderen Gruppe angehören (a. B.; o. a. B.). Anschlussfähige Problemkonstruktion: 6 (3 o. a. B.; 4 a. B.) • Sich manchmal streiten (o. a. B.). • Kinder an den »Kragen« nehmen können (a. B.).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) • Verbalisieren können, worauf Anna keine Lust hat (a. B.; o. a. B.). • Nicht böse sein können, obwohl sich Kind störend verhält (o. a. B.; a. B.). • Nur ein bisschen schlimm sein. • Kinder, die in für Anna schwierigen Situationen von Zivis abgeholt werden (a. B.). Nicht bewertete soziale Adressen oder Adressenfragmente: 8 (2 o. a. B.; 6 a. B.) • Komische Sprache sprechen (a. B.). • Lustige Stimme haben und »schön« klein sein. (o. a. B.). • Aus Russland kommen (a. B.). • Albanisch sein (o. a. B.). • Keinen Zucker essen dürfen (a. B.). • Sprachfehler haben (a. B.). • Das Gehirn arbeitet nicht so wie das anderer Kinder (a. B.). • Nicht so gut sehen können (a. B.). Inwiefern wird auf das Adressenfragment Behinderung im Kontext der Anschlussoption Bezug genommen? • Keine Verschlüsselung.

Inwiefern wird auf das Adressenfragment Behinderung im Kontext der Nicht-Anschlussoption Bezug genommen? • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 1 (1 o. a. B.; 1 a. B.) • Anna bezieht sich auf 7 Kinder, die sie aus der Projektgruppe kennt (a. B.; o. a. B.).

Sonstiges: 1 (1 o. a. B.; 1 a. B.) • Anna bezieht sich auf 6 Kinder, die sie aus der Projektgruppe kennt (a. B.; o. a. B.).

Codes der Zeitdimension

Codes der Zeitdimension

Auf welche Zeitspannen wird Bezug genommen: 5 (1 a. B.; 4 o. a. B.) • Immer (zusammen spielen; etwas zusammen tun; nicht auf ein Kind böse sein können; zusammen halten) (o. a. B.) (a. B.) • Ganz lange (in Bezug darauf, sich zu kennen) (o. a. B.). • Seit der Geburt (in Bezug darauf, sich zu kennen) (o. a. B.). • Relevante Spiel-Sinnzeit erstreckt sich über eine Spanne von 6 Jahren. Es wird auf alle Spielformen Bezug genommen. • Sich nur manchmal mit einem Kind streiten (o. a. B.) ermöglicht Anschluss.

Welche Zeitspannen werden bestimmt exkludiert oder als problemwirksam differenziert: 2 (2 a. B.; 1 o. a. B.) • Immer (in Bezug darauf, die Hauptrolle spielen zu wollen; über andere Kinder bestimmen wollen; sich auf das als negativ bewertete Verhalten eines anderen Kindes einlassen; komische Wörter zu Anna sagen; sich streiten). (a. B.) (o. a. B.). • Nie (in Bezug darauf, nicht zusammen spielen zu können).(a. B.).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Werden Zeitpunkte innerhalb des Anschlusses für relevant erachtet: 2 (1 a. B.; 2 o. a. B.) • Zusammen (in Bezug darauf, zum selben Zeitpunkt dasselbe zu tun; in die Schule kommen) (a. B.; o. a. B.). • Früher und heute unterscheiden und dadurch die positive Verhaltensveränderung an einem Kind beobachten (o. a. B.).

Werden bestimmte Zeitpunkte bestimmt exkludiert oder als problemwirksam beschrieben: 2 (1 a. B.; 0 o. a. B.) • Ganz oft (zu vielen Zeitpunkten) etwas tun, was Anna negativ bewertet (a. B.) • Zu fünf Zeitpunkten etwas tun, was Anna ärgert.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Codes der Raumdimension

Codes der Raumdimension

Welche Bezüge auf räumliche Differenzen werden im Kontext des Anschlusses als bedeutsam markiert: 8 (3 a. B.; 6 o. a. B.) • Offene Gruppen (Angebotsform, bei der die Kinder alle Räumlichkeiten der KiTa frei nutzen können) (a. B.; o. a. B.). • Im Nebenraum spielen (o. a. B.). • Zu zweit im Nebenraum spielen können. • In häuslicher Umgebung zusammen spielen (o. a. B.). • In häuslicher Umgebung versteht sich Anna besser mit einem Kind als in der KiTa (a. B.). • Aus Konfliktsituation weggehen können (o. a. B.). • Bezüge zu Kindern aus anderen Gruppen (o. a. B.). • Zusammen in die Schule kommen (a. B.; o. a. B.).

Welche Bezüge auf räumliche Differenzen werden im Kontext des Nicht-Anschlusses als bedeutsam markiert: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Verschlüsselung der Anschluss­optionen in Bezug auf sich selbst

Verschlüsselung der Nicht-Anschluss­ optionen in Bezug auf sich selbst

In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes auf einen Anschluss anderer Kinder an die eigene Person hin-deutbar? • Keine Verschlüsselung.

In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes auf einen Nicht-Anschluss anderer Kinder an die eigene Person hin-deutbar? • Wenn Anna anderen Kindern gegenüber in Konfliktsituationen Grenzen setzt. • Im Rahmen eines Streits für diesen verantwortlich gemacht werden (o. a. B.).

Person / Unperson: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Person / Unperson: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Verschlüsselungen insgesamt: 0 (o. a. B.; a. B.)

Verschlüsselungen insgesamt: 2 (1 o. a. B.; 0 a. B.)

Im Kontext des Wechsels zwischen Exklusion und Inklusion: Verschlüsselung des Optionalen Wechsels orientiert an den Sinndimensionen Codes der Sachdimension Verschlüsselungen insgesamt: 0 (o. a. B.; a. B.) In Bezug worauf ist ein Wechsel hin-deutbar? Gibt es relevante Themen oder Beiträge, die als Ausgangspunkt für einen Wechsel beobachtbar sind? • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: • Keine Verschlüsselung. Codes der Sozialdimension Verschlüsselungen insgesamt: 17 (12 o. a. B.; 14 a. B.) In Bezug auf wen ist auf einen Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss hindeutbar? Wer wird als Bewirker_in / Adressat_in eines Wechsels erkannt? An wem flaggt sich der Wechsel aus? Deutung auf die soziale Adresse (Rolle oder Person) im Kontext eines Wechsels: Person: 3 (2 o. a. B.; 1 a. B.) • Einzelne Kinder 3 (1 a. B.; 2 o. a. B.) Rolle: 4 (4 o. a. B.; 4 a. B.) • Zivildienstleistende (a. B.; o. a. B.) • Jungen (a. B.; o. a. B.) • Gruppenleitung (a. B.; o. a. B.) • Erzieher (a. B.; o. a. B.) Auf welche Verhaltens- oder Eigenschaftsattribute ist innerhalb des Wechsels hin-deutbar? Personenzuschreibungen: 3 (1 o. a. B.; 3 a. B.) • Kinder, die in ihrem Verhalten als unterschiedlich beobachtet werden (o. a. B.; a. B.) (zeitweilig als weniger »schlimm« und als nett, lieb und »motzig«). • Kinder, denen gegenüber Grenzsetzungen verbalisiert werden können (a. B.). • Kinder, die sich nach Hilfestellung durch den Erwachsenen nicht mehr störend verhalten (a. B.). Rollenzuschreibungen: 6 (4 o. a. B.; 5 a. B.) • Gruppenleitung wird als eine beobachtet, die etwas mit dem als störend bewerteten Kind machen kann, von dem sich Anna abgewandt hat (a. B.). Im Anschluss kann Anna wieder mit dem Kind spielen. • Gruppenleitung kann Situationen lösen, wenn es großen Ärger mit Kindern gibt (o. a. B.; a. B.). • Jungen: Anna findet Jungen nett und toll, auch wenn sie das »Motzige« an Jungen ablehnt (o. a. B.; a. B.). • Zivildienstleistende führen Veränderung der Situation mit einem als schwierig bewerteten Kind herbei (a. B.). • Erzieher regelt Konfliktsituation so, dass das von Anna als störend bewertete Verhalten einzelner Kinder zukünftig nur noch manchmal beobachtbar wird (a. B.; o. a. B.).

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 13 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) • An den Erzieher wird sich gewandt, wenn das Verhalten der Kinder als richtig schwierig bewertet wird (o. a. B.). Sonstiges 1 (1 o. a. B.; 1 a. B.): • Problemwirksames Verhalten verändern können (a. B.; o. a. B.). Codes der Zeitdimension Verschlüsselungen insgesamt: 3 (3 o. a. B.; 2 a. B.) Werden relevante Zeitspannen oder -punkte für den Wechsel hin-beobachtbar? • Vergangene Zeitpunkte: Verhalten von Michi: früher »schlimm«, heute nicht mehr so »schlimm« (o. a. B.). • Begrenzte Zeitspannen: Kinder, die nur zeitweilig als »schlimm« beobachtet werden (a. B.; o. a. B.). • Begrenzte Zeitspannen: Erzieher Oli kann zeitlich begrenzt mit den als problemwirksam bewerteten Jungen woanders hingehen. Darauf folgend ist Anschluss möglich (o. a. B.; a. B.). Sonstiges: • Keine Verschlüsselung. Codes der Raumdimension Verschlüsselungen insgesamt: 2 (1 o. a. B.; 2 a. B.) Wird der Bezug auf räumliche Bedingungen als relevant für den Wechsel beobachtet? • Die räumliche Trennung von dem als problemwirksam beschriebenen Kind wird als Hilfe differenziert, später wieder mit dem Kind spielen zu können (o. a. B.; a. B.). • Gruppenleitung klärt mit dem als störend bewerteten Kind etwas in einem Extraraum (a. B.). Sonstiges: • Keine Verschlüsselung. Verschlüsselung des Optionalen Wechsels in Bezug auf sich selbst Verschlüsselungen insgesamt: 0 (o. a. B.; a. B.) In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes, ausgerichtet auf den Anschluss anderer Kinder an es als Mitteilungshandelnden, ein Wechsel hin-beobachtbar? • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: • Keine Verschlüsselung.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 14 / 4 .2.2.2: Ankerbeispiel Jodok(a. B.)123 Im Kontext von Inklusion: Verschlüsselung von Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Im Kontext von Exklusion: Verschlüsselung von Nicht-Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen

Codes der Sachdimension Welche Themen werden als bedeutsam beobachtet? Worum geht es?

Codes der Sachdimension Welche Themen werden als nicht bedeutsam oder problemwirksam beobachtet? Worum geht es?

Sensomotorisches Spiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sensomotorisches Spiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Explorationsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Explorationsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Konstruktionsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Konstruktionsspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Als-ob-Spiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Als-ob-Spiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Rollenspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Rollenspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Regelspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Regelspiel: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Bezüge zum Alltag: 4 (3 o. a. B.; 1 a. B.) • Korb reparieren (o. a. B.). • Schere reparieren (o. a. B.). • Stifte anspitzen. • Helfen (o. a. B.; a. B.).

Bezüge zum Alltag: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 9 (6 o. a. B.; 1 a. B.) • Konfliktsituation zwischen zwei Kindern lösen (o. a. B.). • Stärker sein, der Stärkste sein (o. a. B.). • Muskelstärke vergleichen können (o. a. B.). • Gefährlich klettern. • Jodoks Klettervermögen bezeugen (o. a. B.). • Zusammen spielen (nicht spezifiziert) (o. a. B.; a. B.). • Freund / Freundin sein (o. a. B.). • Kindern Recht und Unrecht zusprechen können. • Sich bedanken.

Sonstiges: 9 (2 o. a. B.; 1 a. B.) • Beobachtet werden bei gefährlichen Kletteraktionen. • Wenn andere Kinder sich verletzen. • An gefährlichen Sachen, die Jodok macht, anschließen wollen. Gefährlich klettern wie Jodok. • Nicht mitmachen dürfen. • Zusammen spielen (o. a. B.). • Alter: Zu alt für etwas sein. • Etwas gefällt zu wenig. • Mitmachen bei dem, was Jodok(a. B.) tut (a. B.; o. a. B.). • Als zentral wird formuliert, Kinder nicht gefährden zu wollen.

123 | Angaben zum Probanden aus der Kopfzeile der Auswertungstabelle: Verschlüsselung der Sinndimensionen: Jodok(a. B.) / 5 /  5 (J. /  M .) / Junge; Gruppe: Tiger / seit 1 /  11 (J. / M .); KiTa-Platz: Kind mit adressierter Behinderung

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 14 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Wie viele thematisch unterschiedliche Bezüge sind hin-beobachtbar? • 13 (9 o. a. B.; 2 a. B.)

Wie viele thematisch unterschiedliche Bezüge sind hin-beobachtbar? • 9 (2 o. a. B.; 1 a. B.)

Sonstige: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstige: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Codes der Sozialdimension

Codes der Sozialdimension

Wie viele Kinder werden als relevant markiert? • 6 Kinder: Heidi, Silvia, Achmet, Karsten(a. B.), Talke, Fred.

Wie viele Kinder werden als nicht relevant, bestimmt exkludiert oder problemwirksam markiert? • 8 Kinder: Silvia, Hansi(a. B.), Svenja, Lars(a. B.), Fried, Fanny(a. B.), Charlyn, Marco(a. B.).

Wie viele Kinder davon mit und ohne adres- Wie viele Kinder davon mit und ohne adressierte Behinderung? sierte Behinderung? • 4 Kinder ohne a. B.; 4 Kinder mit a. B. • 5 Kinder ohne a. B.; 1 Kind mit a. B. Personenzuschreibungen: Wie werden die Kinder beobachtet (also in Bezug worauf unterschieden und bezeichnet), auf die sich als Mitteilungshandelnde bezogen wird?

Personenzuschreibungen: Wie werden die Kinder beobachtet (also in Bezug worauf unterschieden und bezeichnet), die als problemwirksam differenziert oder bestimmt exkludiert werden?

Attribute im Kontext gemeinsamen Spiels oder gemeinsamer Tätigkeit: 5 (2 o. a. B.; 1 a. B.) Kinder, • denen Jodok(a. B.) helfen kann (o. a. B.) • mit denen Jodok(a. B.) richtig gerne zusammen spielt (a. B.) • die Jodoks(a. B.) Klettervermögen bezeugen • die Jodoks(a. B.) Stärke bezeugen (o. a. B.) • die sich bei Jodok(a. B.) bedanken.

Attribute im Kontext gemeinsamen Spiels oder gemeinsamer Tätigkeit: 3 (2 o. a. B.; 2 a. B.) Kinder, • die mit Jodok(a. B.) zusammen spielen wollen (o. a. B.) • die Jodok(a. B.) nicht nachmachen können (a. B.) • die mitmachen bei dem, was Jodok(a. B.) tut (a. B.; o. a. B.).

Attribute bezogen auf Grenzsetzungen und Attribute, die als Grenzsetzungen missachkörperliche Unversehrtheit achtend: 0 (a. B.; tend beobachtet werden: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung. o. a. B.) • Keine Verschlüsselung. Attribute, die als körperlich aggressiv beobachtet werden: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung. Attribute, die als Beschimpfungen beobachtet werden: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung. Sonstige Verhaltensattribute: 2 (0 a. B.; 1 o. a. B.) Kinder, • die Jodoks(a. B.) Verhalten positiv bewerten

Sonstige Verhaltensattribute: 3 (0 a. B.; 2 o. a. B.) Kinder, • die Jodok(a. B.) Grenzen setzen

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 14 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) • die verstehen, dass Jodok(a. B.) der Stärks- • die sagen, sie seien stärker als Jodok(a. B.) te ist (o. a. B.). (o. a. B.) • die Jodoks(a. B.) Stärke nicht bezeugen (o. a. B.). Sonstige Eigenschaftsattribute: 2 (0 a. B.; 1 o. a. B.) Kinder, • die schwächer und hilfebedürftig sind, werden als »anders« differenziert, ihnen wird sich zugewandt • die groß sind und viel aushalten können (o. a. B.).

Sonstige Eigenschaftsattribute: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Bezugnahme auf Gefühle: 6 (3 a. B.; 2 o. a. B.) Freude: 4 (3 a. B.; 2 o. a. B.) Kinder, • die Jodok(a. B.) »lieb hat« (o. a. B.; a. B.) • die Jodok(a. B.) besonders gut gefallen (Gut gefallen kann auf Nachfrage nicht differenziert werden.) (o. a. B.; a. B.) • deren Verhalten von Jodok(a. B.) positiv bewerten wird • mit denen Jodok(a. B.) richtig gerne etwas zusammen macht (a. B.).

Bezugnahme auf Gefühle: 1 (1 a. B.; 1 o. a. B.) Angst, Trauer, Wut, Ärger, Ekel, Scham: 0 (a. B.; o. a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstige Bezüge auf Gefühle: 2 (a. B.; o. a. B.) • Etwas wollen. • Zu etwas Lust haben.

Sonstige Bezüge auf Gefühle: 1 (1 a. B.; 1 o. a. B.) Kinder, • die Jodok(a. B.) unspezifisch nicht oder nicht gerne mag (a. B.; o. a. B.).

Rollen und Rollenzuschreibungen: 1 (1 o. a. B.; 1 a. B.) Kinder, • die Freund oder Freundin sind (kann nicht differenziert werden) (o. a. B.; a. B.).

Rollen und Rollenzuschreibungen: 1 (1 a. B.; 0 o. a. B.) • Baby (a. B.). Das bedeutet für Jodok(a. B.), ihn nicht nachmachen zu können.

Anschlussfähige Problemkonstruktion: 2 (2 o. a. B.; 0 a. B.) Kinder, • mit denen er Muskelstärke messen kann (o. a. B.) • die sagen, sie seien stärker als Jodok(a. B.) (o. a. B.). Hier schließt Jodok(a. B.) dadurch an, dass er gegenanredet, sich stark macht und Kinder zum Weinen bringt. Nicht bewertete soziale Adressen oder Adressenfragmente: • Keine Verschlüsselung.

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 14 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Inwiefern wird auf das Adressenfragment Behinderung im Kontext der Anschlussoption Bezug genommen? • Keine Verschlüsselung.

Inwiefern wird auf das Adressenfragment Behinderung im Kontext der Nicht-Anschlussoption Bezug genommen? • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 1 (0 o. a. B.; 0 a. B.) Sonstiges: 1 (0 o. a. B.; 0 a. B.) • Unspezifisch dürfen alle Kinder der • Zusätzlich differenziert Jodok(a. B.) Gruppe, außer Achmet, nicht mitmaunspezifisch jedes Kind als eines, das bei chen. Jodok(a. B.) mitmachen darf. Codes der Zeitdimension

Codes der Zeitdimension

Auf welche Zeitspannen wird Bezug genommen: 2 (0 a. B.; 1 o. a. B.) • Spiel-Sinnzeit: ca. ab 5 Jahre. • Auf ein Kind wird als Freund Bezug genommen, das schon in der Schule ist (o. a. B.). Sinnzeitspanne bezieht sich auf mehrere Wochen bezogen auf Vergangenes.

Welche Zeitspannen werden bestimmt exkludiert oder als problemwirksam differenziert: 2 (0 a. B.; 0 o. a. B.) • Spiel-Sinnzeit: Spiel wird bestimmt exkludiert. Orientiert an den Äußerungen von Jodok(a. B.) wurde hier auf Rollenund Illusionsspiele geschlossen. SpielSinnzeit bis ca. 5 Jahre wird aufgrund dessen als problemwirksam bezeichnet. • Kinder dürfen nie »Nein« sagen, zu dem, was Jodok(a. B.) gerne machen möchte.

Werden bestimmte Zeitpunkte innerhalb des Anschlusses für relevant erachtet: 0 (0 a. B.; 0 o. a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Werden bestimmte Zeitpunkte bestimmt exkludiert oder als problemwirksam beschrieben: 1 (0 a. B.; 0 o. a. B.) • Wenn Jodok(a. B.) sich für etwas zu alt fühlt, ordnet er das Thema oder die Spielform der Vergangenheit zu. Der Zeitpunkt seines potentiellen Interesses liegt hier in der Vergangenheit.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Codes der Raumdimension

Codes der Raumdimension

Welche Bezüge auf räumliche Differenzen werden im Kontext des Anschlusses als bedeutsam markiert: 1 (0 a. B.; 0 o. a. B.) • Klettergerüst im Nebenraum.

Welche Bezüge auf räumliche Differenzen werden im Kontext des Nicht-Anschlusses als bedeutsam markiert: 2 (0 a. B.; 1 o. a. B.) • Das Kind, mit dem Jodok(a. B.) gerne gespielt hat, ist nicht mehr in seiner Gruppe (o. a. B.). • Sich mit gefährlichen Kletteraktionen nicht weit von anderen Kindern entfernen können verhindert, dass er diese unbeobachtet durchführen kann.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 14 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Verschlüsselung der Anschluss­optionen in Bezug auf sich selbst

Verschlüsselung der Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst

In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes auf einen Anschluss anderer Kinder in Bezug auf die eigene Person hindeutbar? • Helfen können (a. B.; o. a. B.). • Stärke von Jodok(a. B.).

In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes auf einen Nicht-Anschluss anderer Kinder in Bezug auf die eigene Person hindeutbar? • Keine Verschlüsselung.

Person / Unperson: • Keine Verschlüsselung.

Person / Unperson: • Wenn Kinder behaupten, sie seien stärker als Jodok(a. B.), obwohl sie dessen Stärke beobachten konnten (Differenz der Personenbeschreibung zwischen Person und Unperson). Jodok(a. B.) differenziert sich als Stärksten, andere Kinder beschreiben Jodok(a. B.) so nicht. (o. a. B.)

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung.

Verschlüsselungen insgesamt: 2 (1 o. a. B.; 1 a. B.)

Verschlüsselungen insgesamt: 1 (1 o. a. B.; 0 a. B.)

Im Kontext des Wechsels zwischen Exklusion und Inklusion: Verschlüsselung des Optionalen Wechsels orientiert an den Sinndimensionen Codes der Sachdimension Verschlüsselungen insgesamt: 1 (1 o. a. B.; 0 a. B.) In Bezug worauf ist ein Wechsel hin-deutbar? Gibt es relevante Themen oder Beiträge, die als Ausgangspunkt für einen Wechsel beobachtbar sind? • Wenn Stärke von Jodok(a. B.) anerkannt wird (o. a. B.). Sonstiges: • Keine Verschlüsselung. Codes der Sozialdimension Verschlüsselungen insgesamt: 2 (2 o. a. B.; 0 a. B.) In Bezug auf wen ist auf einen Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss hindeutbar? Wer wird als Bewirker_in / Adressat_in eines Wechsels erkannt? An wem flaggt sich der Wechsel aus? Deutung auf die soziale Adresse (Rolle oder Person) im Kontext eines Wechsels: Rolle: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung. Person: 1 (1 o. a. B.; 0 a. B.) • Einzelne Kinder (1 o. a. B.; 0 a. B.)

4.  Forschungsmethodisches Vorgehen

Tabelle 14 / 4 .2.2.2 (Fortsetzung) Auf welche Verhaltens- oder Eigenschaftsattribute ist innerhalb des Wechsels hin-deutbar? Personenzuschreibungen: 1 (1 o. a. B.; 0 a. B.) • Kinder, die Jodoks(a. B.) Stärke wahrnehmen und bestätigen (o. a. B.). Rollenzuschreibungen: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: 0 (o. a. B.; a. B.) • Keine Verschlüsselung. Codes der Zeitdimension Verschlüsselungen insgesamt: 0 (o. a. B.; a. B.) Werden relevante Zeitspannen oder -punkte für den Wechsel hin-beobachtbar? • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: • Keine Verschlüsselung. Codes der Raumdimension Verschlüsselungen insgesamt: 0 (o. a. B.; a. B.) Wird der Bezug auf räumliche Bedingungen als relevant für den Wechsel beobachtet? • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: • Keine Verschlüsselung. Verschlüsselung des Optionalen Wechsels in Bezug auf sich selbst Verschlüsselungen insgesamt: 0 (o. a. B.; a. B.) In Bezug worauf ist aus der Perspektive des Kindes, ausgerichtet auf den Anschluss anderer Kinder an es als Mitteilungshandelnden, ein Wechsel hin-beobachtbar? • Keine Verschlüsselung. Sonstiges: • Keine Verschlüsselung.

Über diesen Auswertungsschritt und die hier definierten Subkategorien (Sach-, Sozial-, Zeit- und Raumdimension) entstehen in Verbindung mit den drei Kategorien des vorhergehenden Auswertungsschrittes zwölf Optionen, die Fragestellung der Arbeit zu interpretieren. Werden die bis zu elf Codes je Subkategorie und die bis zu zwei diese Codes zum Teil wiederum differenzierenden Subcodes ergänzt, multiplizieren sich die Unterscheidungsoptionen entsprechend. Zudem weiten die Beobachtungen in Bezug auf sich selbst die Interpretationsmöglichkeiten noch weiter aus. Diese Optionen stehen nun der wissenschaftlichen Beobachtung und deren beobachtendem Verstehen im Hinblick auf die letzte Unterscheidung orientiert am Adressenfragment behindert / nicht behindert zur Verfügung.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

4.2.2.3 Dritter Schritt: Beobachtung orientiert am Adressenfragment behindert  /   n icht behindert An dieser Stelle im Auswertungsverfahren werden die im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Differenzierungen genutzt, um die Daten vor dem Hintergrund des Adressenfragmentes behindert / nicht behindert zu interpretieren. Durch die durchgehende Markierung entsprechender Kinder mit dieser Zuschreibung durch »a. B.« bzw. der Kinder ohne diese durch »o. a. B.« innerhalb aller Auswertungsschritte lief das Adressenfragment als »Hintergrundfolie« durchgehend mit, gerät jedoch erst innerhalb dieses Auswertungsschrittes in einen vergleichenden Fokus. So soll hier danach gefragt werden, inwiefern sich die operative Ausrichtung des sozialen Systems im Kontext von Behinderung unterscheidet (vgl. Kapitel 2.7 und 3.3).124 • Inwiefern schließen Kinder mit und ohne adressierte Behinderung an Kinder mit und ohne adressierte Behinderung an bzw. nicht an? • Inwiefern unterscheiden sich die hin-gedeuteten Bezüge und die Vielfalt der Bezüge auf Sinn bei Kindern mit und ohne adressierte Behinderung? Welche psychischen und sozialen Irritationsmöglichkeiten sind hin-beobachtbar und was bedeuten diese für die Fortsetzung der Interaktion? Sind Unterschiede im Rahmen der hin-gedeuteten Sinngenerierung und Sinnverteilung in Bezug auf das Adressenfragment »behindert« erkennbar? • Was wird über die Beobachtungen in Bezug auf sich selbst interpretierbar? • Darüber hinaus ist von Interesse auszuwerten, inwiefern konkret von Kindern das Adressenfragment »behindert« oder »nicht behindert« differenziert wird und mit welcher Konsequenz für den kommunikativen Anschluss. Lassen sich Zurechnungs- und Erwartungsmuster in Bezug auf das jeweilige Adressenfragment erkennen (vgl. Kapitel 2.4)? Ausgehend von diesem letzten Auswertungsschritt der zweiten Auswertungsebene lässt sich in Verbindung mit den vorausgegangenen Differenzierungen auf die Fragestellung der Arbeit Bezug nehmen (vgl. Kapitel 2.7): Wie (durch welche bezeichneten Unterscheidungen oder Unterschiede) differenzieren Kinder mit und ohne adressierte Behinderung andere Kinder mit und ohne adressierte Behinderung als Mitteilungshandelnde und inwiefern (in Bezug worauf) sind sie füreinander relevant und inwiefern nicht? Was erweist sich bei den jeweiligen Kindern als funktional für die Bildung der sozialen Adresse im Sinne inklusiver Prozesse, im Sinne exklusiver Prozesse und im Sinne eines Wechsels zwischen Inklusion und Exklusion? Das heißt, an dieser Stelle geht es konkret um die Erarbeitung eines

124 | Verwiesen werden soll an dieser Stelle noch einmal auf das Kapitel 2.4, in dem ausgeführt wurde, dass aus systemtheoretischer Sicht Behinderung nicht an »Behinderte« gebunden oder durch sie hervorgebracht wird, sondern als ein soziales Konstrukt zu verstehen ist. Wie in der Einleitung problematisiert, werden im Zusammenhang mit dem Adressenfragment »behindert« unterschiedliche Chancen des Anschlusses an Kommunikation beobachtet. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit darauf hin-beobachtet (vgl. Kapitel 1). Woran orientiert das Adressenfragment Kindern hier zugeschrieben wird, ist in Kapitel 4.1.2 dargelegt.

4. Forschungsmethodisches Vorgehen

Vorschlags zum Anforderungsprofi l frühkindlicher Kommunikation in der Interaktion (vgl. Kapitel 3.3).125 • Welche Beobachtungen von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung an anderen Kindern mit und ohne adressierte Behinderung führen dazu, sich ihnen zuzuwenden? An welche Kommunikation wird angeschlossen? Zu welcher Kommunikation stellt sich ein Passungsverhältnis her? • Welche Beobachtungen von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung an anderen Kindern mit und ohne adressierte Behinderung führen zu Unterbrechungen oder Beendigung der Kommunikation? An welche Kommunikation wird nicht angeschlossen? Zu welcher Kommunikation stellt sich kein Passungsverhältnis her? • Welche Beobachtungen von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung an anderen Kindern mit und ohne adressierte Behinderung führen zu einem Wechsel zwischen kommunikativ relevant und nicht relevant? Dieser Auswertungsschritt stellt die letzte Unterscheidungsoption im Auswertungsverfahren dar. Zur Veranschaulichung auch hier eine Grafi k: Grafik 1 / 4.2.2.3126: Wissenschaftliche Deutungsoptionen orientiert am Adressenfragment behindert / nicht behindert

Welche Möglichkeiten die dritte Auswertungsebene »Vorschläge zur Fragestellung« anbietet, wird im folgenden Kapitel erläutert, das die Darstellung des Auswertungsverfahrens abschließt.

125 | Auf die eingeschränkte Gültigkeit und Übertragbarkeit der Interpretationen wurde an verschiedenen Stellen der Arbeit bereits hingewiesen (vgl. Kapitel 3). Ergänzend wird darauf auch in den nachfolgenden Kapiteln 5, 6 und 7 eingegangen. 126 | Die Beobachtungen in Bezug auf sich selbst sind aufgrund ihrer besonderen Stellung im Auswertungsverfahren auch in dieser Grafik nicht mit aufgeführt (vgl. Kapitel 4.2.2.2).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

4.2.3 Dritte Auswertungsebene: Vorschläge zur Fragestellung Abgeleitet von der Auswertung der empirischen Erhebung unter Hilfestellung systemtheoretischer Begrifflichkeiten werden auf der dritten Auswertungsebene als letzter Schritt im Auswertungsverfahren die empirischen Ergebnisse in Bezug auf die Fragestellung interpretiert und durch Thesen dargelegt. Dieser Schritt ermöglicht die exemplarische Darstellung eines theoriegeleiteten Differenzierungsangebotes für Beobachtungs- und Beschreibungsformen inklusiver und exklusiver Prozesse ausgerichtet auf Kinder im Alter früher Kindheit mit und ohne adressierte Behinderung (vgl. Kapitel 1 und 2.7). Über die Auswertung der Daten auf dieser Ebene sind dadurch zum einen Äußerungen der Kinder im Kontext inklusiver und exklusiver Prozesse interpretierbar. Das erfolgt im Kapitel 5. Zum anderen können die vorgestellten systemtheoretischen Begriffskonzepte nach ihren Möglichkeiten hin-beobachtet werden, genau diese Interpretationsprozesse zu differenzieren, als Versuch der Verallgemeinerung über die Arbeit am Begriff (vgl. Kapitel 1 und 3.1.3). Entsprechende Möglichkeiten werden in Kapitel 6 vorgestellt. Die Frage, inwiefern sich daraus, vor dem Hintergrund des einleitend skizzierten Diskurses um Chancengleichheit, Optionen ergeben, auf Erfolgschancen von Kindern mit und ohne adressierte Behinderung hin-beobachten zu können, an Kommunikation anzuschließen, die die (Welt-)Gesellschaft hervorbringt (vgl. Kapitel  1), wird in der die Arbeit abschließenden Schlussbemerkung wieder aufgegriffen (vgl. Kapitel 7). Auch diese Auswertungsebene wurde, wie in Kapitel 4.2 einleitend dargestellt (vgl. Grafik 1 / 4 .2), der Beobachtungsebene zweiter Ordnung zugeordnet, da hier, ebenso wie auf der zweiten Auswertungsebene, Beobachtungen als bereits getroffene Unterscheidungen unter Hilfestellung weiterer Unterscheidungen bezeichnet werden. Im anschließenden Kapitel 5 erfolgt zunächst eine Einführung in die Interpretation und Darlegung der empirischen Ergebnisse, bevor diese vorgestellt werden.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

»Wer funktional analysiert, erlebt nicht nur, sondern handelt auch.« B aecker 2012, 168

In Kapitel 1 wurde dargestellt, dass aus fachlicher Sicht empfohlen wird, das Differenzschema Inklusion / Exklusion stärker an die kommunikative Operation zurückzubinden (vgl. Nassehi 2004, 331). Es wurde erläutert, dass dafür in der Empirie zu suchen sei, um zu erforschen, wie Inklusion und Exklusion vonstattengeht. Durch die Auswertung der erhobenen Daten über die in Kapitel 4.2 beschriebenen Schritte steht nun ein Datenfundus zur Verfügung, der in diesem Sinne genutzt werden kann und soll. Einführung in die Interpretation und Darlegung der empirischen Ergebnisse In diesem Kapitel werden die ausgewerteten Äußerungen der Kinder im Kontext der Fragestellung der Arbeit, orientiert an den in Kapitel 2 eingeführten systemtheoretischen Begrifflichkeiten, interpretiert. Dieser Schritt stellt das Ergebnis der empirischen Untersuchung dar. Vor diesem Hintergrund wird differenziert, auf welche Sinngenerierung und Sinnverteilung (vgl. Kapitel 3.3 und 4.2) ausgehend von den kindlichen Äußerungen hin-deutbar ist. Entsprechend geht es zum einen darum, welche Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen, Optionalen Wechsel und Bezüge auf sich selbst am kommunikativen Anschluss der Kinder mit und ohne a. B. beobachtet werden.1 Zum anderen wird, meist einleitend in die einzelnen Kapitel, dargestellt, wie viele verschiedene diesbezügliche Sinnverweise generiert werden. Als dritte Betrachtungsmöglichkeit wird ausgewertet, in Bezug auf wen die Sinnbezüge bedeutsam werden. Diese Unterscheidungen wurden getroffen, da durch sie hinsichtlich der Fragestellung verschiedene Deutungsoptionen bestehen.

1 | Um eine bessere Lesbarkeit des Textes anzubieten, wird der Terminus »adressierte Behinderung« in diesem Kapitel wieder durch »a. B.« abgekürzt (vgl. Kapitel 4.2). Innerhalb aller Grafiken in Kapitel 5 wird der Bezug auf Kinder mit und ohne adressierte Behinderung entsprechend durch »a. B.« und »o. a. B.« angezeigt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

In Bezug auf die erste Ausrichtung geht es darum, wie Kinder2 ihre Sinnbezüge in der Interaktion unter Anwesenheit differenzieren. Hier wird auf die verschiedenen Formen von Unterscheidungen hin-beobachtet, also welchen Strukturen der selektive Prozess der Kommunikation folgt.3 In Bezug auf die zweite Ausrichtung wird ausgewertet, wie viele verschiedene Sinnverweise dem kommunikativen Anschluss der Kinder mit und ohne a. B. im Hinblick auf eine Kategorie, eine Subkategorie oder einen Code zur Verfügung stehen. Hier werden also die an Kindern mit und ohne a. B. hin-beobachteten potentiellen Wahlmöglichkeiten interpretiert und miteinander verglichen. Über die dritte Deutungsoption wird beobachtbar, inwiefern sich der kommunikative Anschluss im Hinblick auf das Adressenfragment behindert / nicht behindert unterscheidet, also ob Kinder mit und ohne a. B. in Bezug auf entsprechende Sinnverweise relevant füreinander sind. Aufgrund der daraus entstehenden Vielzahl an Deutungsoptionen werden nicht in Bezug auf jede Verschlüsselungsmöglichkeit alle Ausrichtungen angeboten, sondern Schwerpunkte im Sinne der Fragestellung gesetzt. Da in der Auswertung der Fokus auf die Formen als Möglichkeiten, an unterschiedliche Sinnbezüge anzuschließen bzw. sie als Auswahloptionen zu generieren, gelegt wird (also in welcher Form Anschlüsse bzw. Nicht-Anschlüsse bestehen und inwiefern Kinder mit und ohne a. B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a. B. über diese anschließen), werden bei der Auszählung im Allgemeinen Mehrfachnennungen des einzelnen Kindes nicht berücksichtigt.4 Die Berücksichtigung von Mehrfachnennungen hätte über das hier gewählte Auswertungsverfahren einen Vergleich der Gesamtanzahl der Bezüge auf Sinn (quantitative Betrachtung) angeboten, jedoch die Anzahl der Verweise auf unterschiedliche Sinnbezüge vor dem Hintergrund des Adressenfragmentes behindert / nicht behindert verfälscht wiedergegeben (qualitative Betrachtung), also weniger eine Darstellung der entsprechenden Vielfalt der Sinnoptionen ermöglicht. Die hier beschriebene Vielfalt bezieht sich dabei auf die Auswahloptionen, die an den kommunikativen Anschlüssen der einzelnen Kinder jeweils innerhalb eines Interviews hin-beobachtet 2 | Weiter unten in dieser Einführung wird näher ausgeführt, dass hier, im Sinne des systemtheoretischen Kommunikationsbegriffs, nicht auf Kinder, sondern auf operative Anschlüsse der Sinnsysteme hin-beobachtet wird. Jedoch ist auch die wissenschaftliche Beobachtung auf Zurechnungspunkte angewiesen. In diesem Sinne sind hier die Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. zu verstehen. Sie ermöglichen, auf die Adressenfragmente behindert / n icht behindert hin-zu-beobachten. Vor dem Hintergrund dieses Deutungskontextes sind sowohl die Bezüge auf Kinder, als auch das an ihnen hin-beobachtete Generieren von Sinn einzuordnen. Er ist also nicht dahingehend zu interpretieren, dass »Kinder« Sinnformen generieren oder an soziale Adressen anschließen, auch wenn die operativen Anschlüsse psychischer und sozialer Systeme ihnen zugerechnet werden. 3 | Entsprechend der Codierregeln soll hier noch einmal angeführt werden, dass einige Textpassagen im Rahmen verschiedener Subkategorien oder Codes interpretiert und damit mehrfach verschlüsselt werden (Kapitel 4.2.2.2). In der Interpretation wird darauf partiell hingewiesen. 4 | In Kapitel 4.2.2.2 wurde erläutert, dass Mehrfachnennungen im Auswertungsverfahren durch Unterstreichen markiert, jedoch nicht ausgezählt werden. Indem die verschiedenen ausgewerteten Interviews miteinander verglichen werden, kann interviewübergreifend dieser Aspekt in die Auswertung einbezogen werden.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

wurden.5 In Bezug auf einzelne Codes, für die Mehrfachnennungen bedeutsam erscheinen (z. B. hinsichtlich der Deutung auf als »relevante Person markierte Kinder«), werden sie partiell berücksichtigt. Um überdies die besondere Relevanz einzelner Sinnverweise, die über Mehrfachnennungen interpretierbar ist oder dadurch, dass sie sich interviewübergreifend wiederholen, anzuerkennen und abzubilden, werden Mehrfachnennungen innerhalb der konkreten Interpretationen der einzelnen Codes und der exemplarischen Darstellungen einbezogen.6 Daneben bleibt im Auswertungsverfahren unberücksichtigt, wie viele Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. hinsichtlich eines Sinnverweises innerhalb eines Interviews verschlüsselt wurden, sondern nur, ob sie beobachtbar waren. Auch hier wurde entschieden, den Fokus auf die Markierung von Optionen zu legen, also auf die Möglichkeit des Anschlusses an Kinder mit und ohne a. B. in Bezug auf einen Sinnverweis und nicht auf den Umfang (vgl. Kapitel  4.2.2.2).7 Würden gleiche Sinnverweise doppelt verschlüsselt, wäre auch hier die Deutung auf Wahloptionen hin nicht mehr gegeben. Da in dieser Arbeit der Fokus auf das »Wie« hinsichtlich der Differenzierung von Unterscheidungsleistungen gelegt wird (vgl. Kapitel 3.1.2), wurde diese Entscheidung für alle drei Deutungsoptionen getroffen. Die Deutung auf Varianz erlaubt die Deutung auf potentielle Anschlussoptionen. Insofern werden diesbezüglich breite Verschlüsselungen als besonders bedeutsam für inklusive Prozesse bewertet. Die wichtigsten Ergebnisse in Bezug auf die Fragestellung werden aus Gründen der Übersichtlichkeit am Ende eines jeden Unterkapitels noch einmal zusammengefasst. In Kapitel 5.5 wird eine kapitelübergreifende Betrachtung angeboten, um Aspekte zu berücksichtigen, die erst durch diese vergleichende Perspektive beobachtbar werden. Überdies wird hier resümierenden Überlegungen Raum gege5 | Interviewübergreifend können sich demnach Sinnverweise wiederholen. Das heißt, der über die Grafiken angebotene Vergleich der Bezüge auf Kinder und der Vielfalt von Sinngenerierungsoptionen stellt die ausgezählten Optionen der einzelnen Kinder in zusammengefasster Form dar. 6 | Diese beschränkte Form der Berücksichtigung von Mehrfachnennungen verweist auf weitere Auswertungsoptionen für als relevant erachtete Anschlussarbeiten. Um auf die besondere Relevanz einzelner Sinnverweise und weniger auf Auswahloptionen hin-deuten zu können, wird jedoch über die hier schwerpunktmäßig verschlüsselten verbalen Äußerungen eine stärkere Berücksichtigung u. a. der nonverbalen Ausdrucksformen, Handlungen und der Betonung der Äußerungen für notwendig erachtet. Hierfür bedarf es eines anderen, ebenfalls für sehr relevant erachteten Forschungsdesigns. Um auf Chancengleichheit vor dem Hintergrund von Wahlmöglichkeiten hin-beobachten zu können, wurde in dieser Arbeit dieser Schwerpunkt gesetzt. 7 | Hinsichtlich der Berücksichtigung der Anzahl der Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. betreffend einzelner Sinnverweise muss ebenfalls auf Anschlussarbeiten verwiesen werden. Diese Variable kann durch die Entscheidung für die Deutung auf Vielfalt der Sinnbezüge leider nicht berücksichtigt werden, auch wenn die Option, verschiedene Kinder als Mitteilungshandelnde hinsichtlich eines Sinnbezuges zu adressieren, auch eine Option von Vielfalt des Bezugs auf Sinn darstellt. Um diese Einschränkung etwas zu kompensieren, wird in der Subkategorie »Sozialdimension« über die Verschlüsselungsoptionen als als relevante oder als problemwirksame Person markierte Kinder ausgewertet, wie viele verschiedene Kinder innerhalb eines Interviews generiert wurden bzw. durch Mehrfachnennungen besondere Bedeutung erfuhren.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

ben. Ausgehend von diesen werden Thesen zur empirischen Erhebung dargelegt. Diese verstehen sich als Grundaussagen des Kapitels 5, welche zuvor über dessen einzelne Unterkapitel ausdifferenziert wurden. Exemplarische Beispiele von signifikanten Äußerungen veranschaulichen die Auswertung. Als signifikant gelten Sinnverweise, die Verschlüsselungen repräsentativ darstellen. Darüber hinaus werden Äußerungen berücksichtigt, die besondere Perspektiven oder Ausnahmen sichtbar werden lassen, die für den hier intendierten Diskurs als relevant bewertet werden. Hiermit wird, zumindest anteilig, den gewaltigen Überschüssen des Möglichen Rechnung getragen, die nicht über Mehrheiten erfasst werden, wenn auch der »unmarked space« dadurch nicht markierbar wird (vgl. Kapitel 3.2.3). Dennoch können in Anbetracht der über 2200 ausgewerteten Sinnverweise nicht alle Optionen berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Darüber hinaus soll einschränkend für alle Interpretationen der in diesem gesamten Kapitel  5 hin-gedeuteten Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen, Optionalen Wechsel und Sinnbezüge in Bezug auf sich selbst auch an dieser Stelle noch einmal mitgeteilt werden, dass die Sinnverweise neben dem wissenschaftlichen Deutungskontext auch im unmittelbaren Zusammenhang zum kommunikativen Anschluss an die Interviewsituation stehen (vgl. Kapitel 3.2.2). Diese den Geltungsbereich der Ergebnisse und Interpretationen einschränkende Perspektive muss bei allen folgenden Ausführungen als mitgedachter Hintergrund ebenfalls berücksichtigt werden. Orientiert an der Grundfragestellung gliedert sich die Darstellung des interpretativen Teils dieser Arbeit nach hin-beobachteten Anschlussoptionen, NichtAnschlussoptionen, Optionalen Wechseln und Beobachtungen in Bezug auf sich selbst.8 Für eine Zusammenfassung der Ergebnisse werden diese anteilig in Diagrammen dargestellt. Sie enthalten Prozentangaben.9 Die Prozentangaben beziehen sich jeweils auf alle unter den entsprechenden Codes oder Subcodes verschlüsselten ausgezählten Sinnverweise. Um diese erstellen zu können, wurden die Ergebnisse des Auswertungsschrittes 4.2.2.2 in Excel-Tabellen eingepflegt. Wie in Kapitel 3.1 vermittelt, geht es in der Darlegung dieser Ergebnisse nicht um eine Ausrichtung auf eine statistische Genauigkeit in Bezug auf eine Stichprobe, sondern, orientiert am qualitativen Forschungsdesign, um eine deskriptive vergleichende Darstellung des Datenmaterials, hier von Sinnverweisen (vgl. Kapitel 3.2, 3.3 und 4), orientiert am repräsentativen Sample. In diesem Sinne sind die angebotenen Grafiken zu lesen.10 Aufgrund des qualitativen Forschungsdesigns und der partiell narrativen Erhebungsmethode sind ebenso keine unmittelbaren Vergleichswerte gegeben (vgl. Kapitel 3.1.1 und 4.1.3). Die visualisierten Darstellungen dienen der Orientierung innerhalb des Datenmaterials und ermöglichen eine Verdeutlichung besonderer Gewichtungen. Wie in Kapitel 4.1.3.2 dargelegt, stellen die interviewten Kinder mit und ohne a. B. unterschiedlich große Gruppen dar. Um die ausgewerteten Sinnverweise miteinander vergleichen zu können, werden sie als jeweilige Probandengruppe in Be8 | Die Sinnverweise in Bezug auf sich selbst werden hier über »a.s.s.« abgekürzt. 9 | Die Prozentangaben wurden über das Rechenprogramm von Excel aufgerundet. 10 | Schaubilder verführen leicht zu Festschreibungen. Da in dieser Arbeit aus der Perspektive nicht-linearer Dynamik wissenschaftlich beobachtet wird, werden sie hier nur als Möglichkeit der Komprimierung der Darstellung der erhobenen Ergebnisse genutzt.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

zug auf die Verschlüsselungen zunächst getrennt voneinander ausgewertet und die Ergebnisse meist über Grafiken veranschaulicht. Über den Vergleich der Grafiken sind entsprechend auch die Ergebnisse der Erhebung miteinander vergleichbar. Diese Auswertungsform war nicht in Bezug auf alle relevant erscheinenden Auswertungsoptionen ausreichend. Um beispielsweise die Summe der möglichen Vielfalt an Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen, Optionaler Wechsel oder die Bezüge auf einzelne Verschlüsselungsoptionen der Kinder mit und ohne a. B. miteinander vergleichen zu können (also beispielsweise, wie viele verschiedene Sinnverweise in Bezug auf eine entsprechende Kategorie, Subkategorie oder einen Code bei Kindern mit und ohne a. B. generiert wurden) und dabei die kleinere Probandengruppe nicht anteilig weniger zu berücksichtigen, wurde sie rechnerisch der größeren angeglichen. Die entsprechenden Sinnverweise der Kinder mit a. B. wurden dabei prozentual an die der Kinder ohne a. B. angepasst.11 Stellen, an denen eine solche Angleichung im Auswertungsverfahren erfolgt ist, sind über »(S22)«12 deklariert. Wie oben dargestellt, wird als dritte Deutungsmöglichkeit angeboten, wie vielfältig sich Kinder mit und ohne a. B. auf Kinder mit und ohne a. B. im Hinblick auf eine Verschlüsselungsoption beziehen, also in welchem Facettenreichtum Kinder mit a. B. beispielsweise für Kinder ohne a. B. im Rahmen der ausgewerteten sachbezogenen Sinnverweise relevant sind. Bei diesem Bezug ist die unterschiedliche Verteilung der Anzahl der Kinder mit und ohne a. B. in den Gruppen zu bedenken. Wie in Kapitel 4.1.3.2 vorgestellt, stellt sich das Verhältnis von Kindern ohne und mit a. B. zum Zeitpunkt der Erhebung als anteilig 57 % zu 43 % dar. Dieser Aspekt wird ebenfalls rechnerisch, hier über das Setzen beider Kindergruppen auf 50 %, in der Auswertung der Daten berücksichtigt.13 An entsprechenden Stellen wird durch das Kürzel »57:43« darauf aufmerksam gemacht, dass die Anzahl der Kinder mit und ohne a. B. in den Bezugsgruppen auf rechnerisch 50 % einander angeglichen wurden. An einigen Stellen werden die Auszählungen der Verschlüsselungen zum Vergleich angeboten. Diese Form wurde meist gewählt, wenn es um die Darstellungen nur geringer Mengen von Sinnverweisen geht und dennoch Tendenzen der

11 | Als Ungleichheitsverhältnis zwischen Kindern mit und ohne a. B. stellt sich bei dieser Form der Anpassung dennoch dar, dass bei der Auswertung eine geringere Anzahl von kommunikativen Anschlüssen verschiedener Kinder mit a. B. berücksichtigt werden kann als bei den kommunikativen Anschlüssen der Kinder ohne a. B. 12 | »S22« markiert, dass beide Kindergruppen auf 22 Kinder hochgerechnet wurden. 13 | Die rechnerische Anpassung der ungleichen Verteilung von Kindern mit und ohne a. B. in den Stammgruppen wird an dieser Stelle als besonders schwierig bewertet. Würden Sinnbezüge durch anteilig mehr Kinder mit a. B. generiert, wäre davon auszugehen, dass sich die sozialen Anschlussoptionen anders darstellten. In der Interpretation der Daten wird deshalb hinsichtlich dieser Auswertungsoption nur auf besonders signifikante Unterschiede und ähnliche Verteilungen hin-gedeutet. Die rechnerische Anpassung erfolgt über folgenden Rechenweg in zwei Schritten: Schritt 1:

prozentuale Verschlüsselung prozentuale Verschlüsselung × 50 = Z × 50 = Y und 57(o.a.B.) 43(a.B.)

Schritt 2:

Y Z × 100 = Verteilung a. B. auf 50 % und × 100 = Verteilung o. a. B. auf 50 % Z+Y Z+Y

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Verteilung verdeutlicht werden sollen. Auch diese Stellen sind in der Auswertung entsprechend als solche markiert. Um eine bessere Lesbarkeit der Interpretationen anbieten zu können, wird hier überwiegend Bezug genommen auf die interviewten Kinder als Mitteilungshandelnde (vgl. Kapitel 4.2). Wenn entsprechend von »ihren« Sinnbezügen geschrieben wird, sind damit die an ihnen hin-beobachteten sozialen Anschlüsse gemeint, die, im Sinne der Darstellungen des Kapitels 2.3, als hin-beobachtete Mitteilungshandlungen zu verstehen sind, die sich am kommunikativen Anschluss der Kinder ausflaggen, als Anschluss an ihre Umwelt. Gleiches gilt, wenn über ihre kommunikativen Anschlüsse auf das Generieren von Sinn hin-gedeutet wird. Hierbei handelt es sich um die Option, wie in Kapitel 3.3 hergeleitet, auf Sinnbildungsprozesse (wissenschaftlich) hin-beobachten zu können, die dem sozialen System vom psychischen System als Auswahl von auch anders möglichen Angeboten unterbreitet werden (vgl. Kapitel 3.3). Mit Bezügen auf sich selbst sind Beobachtungen gemeint, über die sich das psychische System auf sich selbst oder auf die »eigene«, das heißt seine unmittelbare körperliche Umwelt bezieht (vgl. Kapitel  2.4). In Kapitel  2.4 wurde unterbreitet, dass darüber Individualität bildbar ist. Im Hinblick auf solche Sinnverweise, vor allem in Kapitel 5.4, wird dieser Deutungskontext nicht durchgehend dargestellt, wenn über hin-beobachtete Mitteilungshandlungen über Äußerungen von Kindern auf entsprechende Bezüge wissenschaftlich gedeutet wird. An Stellen, wo Verbindungen zu systemtheoretischen Überlegungen veranschaulicht werden oder um Bezüge auf psychische und soziale Operationen zu thematisieren, wird jedoch auch auf den Beobachter oder Systeme selbst Bezug genommen (vgl. Kapitel 2.3). Dennoch wird sich in dieser Arbeit nicht auf Kinder als »Fälle« bezogen, auch wenn auf das Adressenfragment »behindert« hin unterschieden wird, sondern wie dargestellt auf Sinnverweise, die über Äußerungen von Kindern hin-beobachtet werden (vgl. Kapitel 3.2.2 und 4.2).14 Ebenso wenig sind die Ergebnisse in dem Sinne zu verstehen, dass sie auf Kinder mit und ohne a. B. konkret übertragbar wären. Intendiert ist, unter Berücksichtigung der hin-beobachteten Sinnverweise der Probandengruppen und der systemtheoretischen Differenzierungsangebote, die Anreicherung von Beobachtungs- und Deutungsmöglichkeiten inklusiver und exklusiver Prozesse im Kontext von Behinderung. Nicht intendiert sind generalisierende Aussagen. Entsprechend wird nicht erwartet, allgemein gültige Beschreibungen zu finden. Vielmehr ist hier beabsichtigt, den Facettenreichtum ihrer Erscheinungsformen abzubilden und besondere Gewichtungen und Relevanzen herauszuarbeiten, als Anregung für Professionelle, Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen in vagen und hochkomplexen Situationen der Praxis zu erkennen (vgl. Kapitel 2.2.1). In diesem Sinne sind die Interpretationsangebote wie eine Art Skizze zu betrachten, die etwas darstellt, das für die Beobachtung und Bewertung ähnlicher Kontexte funktional sein kann. In Kapitel 3.2.2 wurde hergeleitet, dass die Deutungsmöglichkeiten nicht über den Fokus des wissenschaftlich konstruierten Rahmens hinausgehen können. Insofern bezieht sich der Geltungsbereich 14 | Ebenso wurde, wie in Kapitel 3.1.3 dargestellt, Abstand davon genommen, im Nachhinein eine Typenbildung zu generieren und die Beobachtungen in neu konstruierte soziale Adressen zusammenzufügen. Eine Typenbildung erscheint hinsichtlich der hier intendierten Suchbewegungen als Reduktion der Ergebnismöglichkeiten.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

der Interpretationen nicht einmal auf die hier berücksichtigte Probandengruppe, sondern nur auf den in dieser Arbeit aufgespannten wissenschaftlichen Sinnbezug (vgl. Kapitel 3.3). Entsprechend beobachtungsabhängig sind die Deutungen auf die Sinnbezüge sowie die davon abgeleiteten Thesenbildungen zu verstehen. Darüber hinaus: Wenn innerhalb der Darstellung der Ergebnisse weniger Komplexität bei Kindern mit oder bei Kindern ohne a. B. interpretiert wird, ist damit nicht gemeint, dass diese weniger Sinn differenzieren können, sondern, dass weniger Passung in Bezug auf Sinn für den Beobachter an ihrem kommunikativen Anschluss erkennbar wird. An dieser Stelle wird sich auf das Interpenetrationsverhältnis zwischen sozialem und psychischem System bezogen, das Eigenkomplexität zuschreibt (vgl. Kapitel  2.5.1 und 2.6.1). Die Interpretationen dieses Kapitels würden gänzlich missverstanden, wenn die Möglichkeit, Sinn zu verteilen oder Sinn zu bilden, einzelnen Kindern zugeschrieben oder diesbezüglich bessere oder schlechtere Kompetenzen als Wesensmerkmale verstanden würden. In Kapitel 2.4 wurde dies am Beispiel des Begriffs Behinderung dargelegt. Diese Perspektive als mitgedachten Hintergrund bei allen folgenden Interpretationen zu berücksichtigen ist die Voraussetzung dafür, das Deutungsangebot in dem hier intendierten Sinne zu verstehen. Ergänzend: Wenn hier etwas als Gegenstandsbeschreibung oder Ist-Zustand dargestellt wird, dann ist dieses nicht als etwas absolut Gültiges zu verstehen, sondern ist in dem Sinne von: »Wir gehen davon aus« oder »Wir tun so, als ob« gemeint. Es geht also darum, sich auf die Konsequenzen entsprechender Annahmen als Option einzulassen. Die Beobachtungsabhängigkeit und Kontingenz ist dabei entsprechend immer mitzudenken (vgl. Kapitel 2.3 und 3.2). Bei der Darstellung der Auswertung wurde deutlich, dass es den Lesefluss erheblich beeinträchtigt, wenn durchgehend darauf verwiesen wird, dass die Ergebnisse »hin-beobachtete« und »hin-gedeutete« Ergebnisse sind, sie also entsprechend dem systemtheoretischen Beobachtungsbegriff nicht als wirkliche verstanden werden können, sondern nur als hier konstruierte Angebote, als Möglichkeiten (vgl. Kapitel 2.3 und 3, Einleitung und 3.2). Insofern ist beim Lesen entsprechend jede formulierte Beobachtung, jeder dargestellte Sinnverweis und Deutungsvorschlag auch vor diesem Hintergrund zu verstehen. Bevor nun die Interpretation der Daten im Hinblick auf Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen, den Optionalen Wechsel und in Bezug auf sich selbst erfolgt, wird zunächst ein Überblick über die Gesamtverteilung aller Sinnverweise angeboten. Deutung auf die Gesamtverteilung aller Sinnverweise Werden alle von Kindern mit und ohne a. B. anlässlich der Interviews verschlüsselten Sinnverweise addiert, zeigen sich variablere Generierungsoptionen bei Kindern ohne a. B. als bei Kindern mit a. B. (vgl. Grafik 2 / 5).15 Hinsichtlich des Bezugs auf Kinder wird in der Gesamtverteilung deutlich, dass an Kinder mit a. B. etwas vielfältiger sinnhaft angeschlossen wird als an Kinder ohne a. B. (vgl. Grafik 1 / 5). So wird als erster Interpretationsversuch angeboten, dass der kommunikative An15 | Nicht an jeder Stelle in diesem Kapitel kann verdeutlicht werden, dass hier auf die Varianz von Sinnbezügen und Anschlüssen an Kinder gedeutet wird und nicht auf die Häufigkeit. Insofern muss auch dieser Sachverhalt als mitgedachter Hintergrund durchgehend berücksichtigt werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

schluss nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Generierung von Sinn in der Umwelt des Systems steht. Das deutet auf die Autopoiesis der Sinnsysteme hin. Es kann kommunikativ an das Interaktionssystem angeschlossen werden, auch wenn die das soziale System penetrierenden psychischen Systeme nicht im gleichen Maße facettenreich Sinnbezüge generieren. Überdies beobachten die in das Interaktionssystem involvierten psychischen Systeme unabhängig voneinander das kommunikative Angebot des Interaktionssystems und lassen sich darüber unterschiedlich irritieren. Grafik 1 / 5

Grafik 2 / 5

Hinsichtlich der generierten Sinnverweise lässt die Verteilung den herkömmlichen Deutungsversuch, der auf Behinderung hin-beobachtet, zu, dass Kinder mit a. B. nicht so strukturreich in der Lage sind zu bestimmen, inwiefern sie an andere Kinder kommunikativ anschließen und inwiefern nicht, da eine geringere Auswahl an diesbezüglich passenden psychisch angebotenen Sinnbezügen ihren kommunikativen Anschluss anregt. Eine andere Deutungsmöglichkeit besteht darin, dass sich das kommunikative Angebot des Interaktionssystems in der Kindertagesstätte stärker nach den Anschluss- und Nicht-Anschlussmöglichkeiten normorientiert kommunizierender Kinder ausrichtet als nach den Möglichkeiten von Kindern, die von diesen abweichen und als behindert adressiert werden, sodass dadurch grundsätzlich weniger Passung und damit weniger kommunikative Anschlüsse für Kinder mit a. B. möglich und beobachtbar werden.16 Diese Erklärungsversuche lassen sich vor dem Hintergrund der systemtheoretischen Definition von zwischenmenschlicher Interpenetration verstehen. In Kapitel 2.5.1 wurde dargelegt, dass bei dieser besonderen Form der strukturellen Koppelung dem jeweils anderen System systemspezifische operative Eigenkomplexität zugeschrieben werden muss, als Voraussetzung des Anschlusses aneinander. In der weiteren Interpretation der Daten wird diese Option wieder aufgegriffen und eingehender analysiert (vgl. beispielsweise Kapitel 5.2.1). Über eine Differenzierung der Sinnverweise kann nach Passungen, NichtPassungen und dem Optionalen Wechsel hin-beobachtet und die sich darstellende Verteilung weiter unterschieden werden (vgl. Kapitel 4.2.2). Deutungsoptionen auf Kommunikationsstrukturen sowie Bezüge auf Gedanken und Wahrnehmungen können näher bestimmt werden (vgl. Kapitel  3.3). Diese Überlegungen leiten zu dem hier geplanten Vorgehen über, genauer zu analysieren, inwiefern sich die Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. und die an ihnen hin-beobachteten Sinnverweise voneinander unterscheiden und inwiefern nicht. In den folgenden Unterkapiteln 16 | Vergleichbare Überlegungen wurden im Hinblick auf die Interviewsituation in den Kapiteln 3.2.1 und 4.1.1.3 ausgeführt.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

des Kapitels 5 werden diese Aspekte orientiert an den verschiedenen Kategorien, Subkategorien, Codes und Subcodes ausgewertet und interpretiert. Über einen ersten Vergleich der Verschlüsselungen der Kategorien werden allgemeine Präferenzen erkennbar (vgl. Grafik 3 / 5 und 4 / 5): Grafik 3 / 5

Grafik 4 / 5

Sowohl bei Kindern mit als auch bei Kindern ohne a. B. wurden am facettenreichsten Anschlussoptionen hin-beobachtet. Ca. ein Drittel der Sinnverweise wurden jeweils als Nicht-Anschlussoptionen und unter 10 % als Verweise auf den Optionalen Wechsel gedeutet.17 Hinsichtlich der Relevanz von Kindern mit und ohne a. B. für andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde lassen sich daraus noch keine konkreten Interpretationen ableiten. Jedoch deutet dieser erste Überblick darauf hin, dass sowohl bei Kindern mit als auch bei Kindern ohne a. B. sich Sinn am vielfältigsten über Anschlussoptionen generiert. Sie sind damit als besonders zentrale Optionen innerhalb inklusiver Prozesse zu bewerten, da darüber viele Auswahloptionen möglich sind. Darüber hinaus wird erkennbar, dass Kinder mit und ohne a. B. eine ähnliche Verteilung in Bezug auf die Kategorien aufweisen. Zu vermerken ist, dass hinsichtlich des Optionalen Wechsels im Verhältnis die größten Differenzen erkennbar werden. Darüber hinaus zeigen sich bei Kindern mit a. B. im Vergleich mehr Anschlussoptionen. Zusammenfassende Betrachtung in Bezug auf die Gesamtverteilung aller beobachteten Sinnverweise aller Kinder und in Bezug auf die Auswertungskategorien Über die Auswertung der Gesamtverteilung aller Sinnverweise wurde deutlich, dass an Kinder mit a. B. hinsichtlich der von Kindern generierten Sinnverweise mit einer größeren Varianz angeschlossen wird als an Kinder ohne a. B. Dabei zeigte sich, dass Kinder ohne a. B. mehr unterschiedliche Sinnverweise generieren als Kinder mit a. B. Thematisiert wurden in diesem Zusammenhang die Autopoiesis der Sinnsysteme und erste Überlegungen zu Interpenetrationsprozessen im Kontext von Behinderung. In der Verteilung der Sinnverweise zeigte sich, dass sich Kinder mit und ohne a. B. im Rahmen von Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen im Allgemeinen vergleichbar ausrichten. Sie bilden die vielfältigsten Sinnverweise in Be17 | Die Sinnbezüge auf sich selbst nehmen eine besondere Position im Auswertungsverfahren ein und sind deshalb innerhalb dieses Vergleichs nicht mit aufgeführt (vgl. Kapitel 4.2.2.2 und 5.4).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

zug auf Anschlussoptionen. In der genaueren Betrachtung wurde erkennbar, dass Kinder ohne a. B. im Verhältnis facettenreicher Optionale Wechsel generieren und Kinder mit a. B. facettenreicher Anschlussoptionen. Um differenzierter beobachten zu können, worum es in den Bezügen auf Sinn geht, worauf sich die Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen an Kinder mit und ohne a. B. zurückführen lassen und wie diese sich in Bezug auf das Adressenfragment verteilen, werden anhand der hier ausgewerteten Gewichtung der Kategorien innerhalb dieses Kapitels nun die verschiedenen Sinnverweise orientiert an den Sinndimensionen dargestellt und interpretiert. Als Erstes erfolgen die Deutungen auf Anschlussoptionen.

5.1 A nschlussop tionen Aus systemtheoretischer Perspektive wurde dargestellt, dass über die Bildung von Strukturen18 Anschlussoptionen entstehen. Indem sie als Wiederansteuerbarkeiten dienen, stellen sie einen Ausgangspunkt bereit, um Relevantes zu differenzieren und Irritationen in der Umwelt zu erkennen (vgl. Kapitel 2.5.2). Der Auf bau von Strukturen wurde insofern als komplexitätssteigernd für autopoietische Systeme aufgezeigt, als er die Möglichkeit fremdreferenzieller Bezüge erweitert. Terfloth beschreibt in diesem Zusammenhang Strukturen auch als eine Serie von Koppelungsketten, über die Bewusstseinsstrukturen wachsen (vgl. Terfloth 2006, 157). Darüber hinaus wurde erläutert, dass die Bildung von Strukturen eine systemstabilisierende Funktion erfüllt, die im System / Umweltkontakt stärker festlegt, was das System irritiert und was nicht. Kombinationsmöglichkeiten werden darüber als passend, kaum passend oder nicht passend diskriminierbar (vgl. Kapitel 2.5.2). Sie erhöhen damit zum einen die Kompatibilität im System / Umweltkontakt, indem ein Mehr an Anschlussmöglichkeiten erkannt wird, zum anderen können sie jedoch auch entsprechende Optionen minimieren, da die Umwelt in der Form erkannt wird, die den Strukturen entspricht bzw. durch sie bewertet wird (vgl. ebd.). Im Rahmen der Anschlussoptionen gerät das »Mehr« an Optionen verstärkt in den Fokus, innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen ihre selektierenden Auswirkungen (vgl. Kapitel 5.2). In der Interpretation der wissenschaftlich beobachteten Sinnverweise soll hier zunächst ausgeführt werden, wie sich die Gesamtverteilung aller generierten Anschlussoptionen im Vergleich von Kindern mit und ohne a. B. darstellt und mit welcher Varianz sie aufeinander Bezug nehmen. Darüber hinaus werden grobe Tendenzen der Verteilung orientiert an den Sinndimensionen vorgestellt, also wie sich Anschlussoptionen differenzieren, bevor Interpretationen ausgerichtet auf die einzelnen Sinndimensionen erfolgen. Gesamtverteilung der Anschlussoptionen In einem ersten Überblick aller beobachteten Anschlussoptionen wird deutlich, dass die Breite der Sinnbezüge bei Kindern mit a. B. zu der der Kinder ohne a. B. um 14 % differiert (vgl. Grafik 1 / 5.1). Es zeigen sich somit insgesamt weniger ver18 | Auf die dazu als gegenteilig beschriebenen Prozesse wird sich in Kapitel 5.2.1 in der Interpretation von Nicht-Anschlussprozessen bezogen.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

schiedene Anschlussoptionen bei Kindern mit a. B. als bei Kindern ohne a. B. Diese Verteilung stellt sich ähnlich dar wie die der Gesamtverteilung aller Sinnverweise (vgl. Grafi k 2 / 5). In der Betrachtung aller Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. wird erkennbar, dass an Kinder mit und ohne a. B. in der gleichen Breite angeschlossen wird (vgl. Grafi k 2 / 5.1). Werden die Anschlussoptionen weiter nach Kindern mit und ohne a. B. unterschieden, so wird sichtbar, dass anteilig Kinder ohne a. B. zu 54 % von Kindern ohne a. B. und Kinder mit a. B. zu 55 % von Kindern mit a. B. differenziert werden (57:43). Grafik 1 / 5.1

Grafik 2 / 5.1

Um näher bestimmen zu können, worum es den Kindern innerhalb ihres Anschlusses aneinander geht, also ausgehend von welchen Differenzbildungen ein kommunikativer Anschluss erfolgt und worauf diese unterschiedlich priorisierte Verteilung zurückzuführen sein könnte, werden im Folgenden die Anschlussoptionen orientiert an den systemtheoretischen Dimensionen von Sinn dargestellt und interpretiert. Ein erster Überblick bildet ab, dass der kommunikative Anschluss am vielfältigsten ausgerichtet auf die Sozialdimension von Sinn erfolgt (vgl. Grafi k 3 / 5.1).19 Grafik 3 / 5.1

Wird jetzt ergänzend ein Vergleich zwischen Kindern mit und ohne a. B. angestellt, so ist zu verzeichnen, dass diese Verschlüsselung des kommunikativen Anschlus19 | Die Sinnverweise werden unterschieden in Bezüge auf andere Kinder und in Bezüge auf sich selbst. Die Sinnverweise in Bezug auf andere Kinder werden hier orientiert an den Sinndimensionen deklariert. Die Sinnverweise auf sich selbst sind als »Sinnverweise a.s.s.« zusammengefasst (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Sie werden in Kapitel 5.4 interpretiert, jedoch an dieser Stelle mit aufgeführt, um sie im Gesamtzusammenhang aller gedeuteten Anschlussoptionen zu berücksichtigen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

ses nur um 2 % bei Kindern mit a. B. von Kindern ohne a. B. abweicht, das heißt sich nicht wesentlich unterscheidet (vgl. Grafi k 4 / 5.1 und 5 / 5.1). Ebenso wenig zeigen sich diesbezüglich bedeutsam erscheinende Abweichungen innerhalb der Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder mit und Kinder ohne a. B. (vgl. Grafi k 6 / 5.1 und 7 / 5.1).20 Grafik 4 / 5.1

Grafik 5 / 5.1

Grafik 6 / 5.1

Grafik 7 / 5.1

Ausgehend von dieser breiten Verschlüsselung der Sozialdimension kann zusammenfassend formuliert werden, dass sich das frühkindliche Interaktionssystem in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen innerhalb von Anschlussoptionen wesentlich über den selbstreferenziellen Aspekt der Kommunikation differenziert,21 dem, »wie etwas gesagt wird« (vgl. Kapitel 2.2.2), und dass sich dieser Bezug weder in der Sinngenerierung bei Kindern mit und ohne a. B. noch in Bezug auf Kinder mit und ohne a. B. unterscheidet. Hinsichtlich der sehr viel seltener verschlüsselten anderen Sinndimensionen sind die prozentualen Abweichun20 | Abweichungen an dieser Stelle zwischen den Grafiken 4 / 5.1 und 5 / 5.1 von den Grafiken 6 / 5.1 und 7 / 5.1 (zum Beispiel hinsichtlich der Bezüge auf sich selbst) lassen sich dadurch erklären, dass nicht bei jedem Sinnverweis auch auf einzelne Kinder Bezug genommen worden sein muss. 21 | Interessant wäre, die Anschlussoptionen innerhalb der Primar- und Sekundarstufe hinsichtlich ihrer Orientierung an den Sinndimensionen mit dem hier vorliegenden Ergebnis zu vergleichen. Vermutet wird, dass sich hier eine stärkere Ausrichtung auf die Sachdimension beobachten lässt. An dieser Stelle würde sich, gerade hinsichtlich der Möglichkeiten für inklusive Prozesse, für relevant erachtete weitere Forschungsarbeit anschließen.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

gen zum Teil signifi kant (vgl. beispielsweise Verweise auf die Raumdimension von Sinn zwischen der Grafi k 4 / 5.1 und 5 / 5.1). Um interpretieren zu können, worum es bei diesen Bezügen auf die verschiedenen Dimensionen von Sinn geht, sollen sie als Nächstes danach ausgewertet werden, wie sich die ihnen zugeordneten Sinnverweise bei Kindern mit und ohne a. B. abbilden und inwiefern diesbezügliche Anschlüsse an Kinder mit und ohne a. B. erfolgen. Zuvor wird eine erste Zusammenfassung gegeben. Zusammenfassende Betrachtung der Kategorie Anschlussoptionen hinsichtlich der Fragestellung, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde unterscheiden und an sie kommunikativ anschließen In der Gesamtverteilung der Sinnverweise innerhalb der Anschlussoptionen wurde deutlich: Kinder ohne a. B. bilden mehr verschiedene Anschlussoptionen, jedoch wird an Kinder mit und ohne a. B. in der gleichen Varianz angeschlossen. Dabei schließen jeweils Kinder mit a. B. an Kinder mit a. B. und Kinder ohne a. B. an Kinder ohne a. B. vergleichbar leicht dominant variant an. Die Differenzierung der Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen ermöglichte das Einziehen erster Unterscheidungen hinsichtlich der sinnbezogenen Ausrichtung des Anschlusses kindlicher Kommunikation und ihres Bezugs auf Mitteilungshandelnde. Hier ließ sich als besonders prägnant erkennen, dass sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne a. B. am facettenreichsten über die Sozialdimension von Sinn Auswahloptionen herstellen und über diese Dimension in gleicher Breite an Kinder mit und ohne a. B. anschließen. Als erstes Ergebnis wurde dadurch der selbstreferenzielle Aspekt der Kommunikation als besonders bedeutsam für inklusive Prozesse bewertet. Nach diesem groben Überblick sollen die Verweise auf die Sinndimensionen und Bezüge auf Kinder nun differenzierter qualitativ interpretiert werden. Hier wird sich zunächst der Sinndimension gewidmet, die die höchste Verschlüsselung anzeigt, der Sozialdimension. Im Anschluss daran erfolgt entsprechend der prozentualen Verteilung der Sinnverweise die Auswertung der anderen Sinndimensionen.

5.1.1 Anschlussoptionen an die Sozialdimension von Sinn Ebenso wie in der Gesamtverteilung aller Anschlussoptionen generieren innerhalb der Sozialdimension von Sinn Kinder ohne a. B. vielfältiger Sinnverweise als Kinder mit a. B. (vgl. Grafi k 1 / 5.1.1). Zudem ist im gleichen Maße ein als vergleichbar zu bewertender breiter Bezug auf Kinder mit und ohne a. B. erkennbar (vgl. Grafi k 2 / 5.1.1). Grafik 1 / 5.1.1

Grafik 2 / 5.1.1

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 3 / 5.1.1

Grafik 4 / 5.1.1

In der weiteren Spezifizierung der Daten hinsichtlich des Bezugs auf Kinder wird darüber hinaus ebenso wie in der Gesamtverteilung der Anschlussoptionen deutlich, dass Kinder mit a. B. ihren Anschluss etwas facettenreicher in Bezug auf Kinder mit a. B. und Kinder ohne a. B. diesen in Bezug auf Kinder ohne a. B. unterscheiden (vgl. Grafi k 3 / 5.1.1 und 4 / 5.1.1). Bevor die Verschlüsselungen in Bezug auf die Sozialdimension hinsichtlich sinnbezogener Unterscheidungsoptionen ausgewertet werden, um näher bestimmen zu können, worum es innerhalb dieser Anschlussoptionen gehen kann und worauf diese Verteilung möglicherweise zurückzuführen ist, sollen zunächst die Deutungen auf als relevante Person markierte Kinder vorgestellt werden. Deutung auf als »relevante Person markierte Kinder« Werden die generierten Verweise auf die Sozialdimension von Sinn hinsichtlich der Bezüge auf Kinder bei Kindern mit und ohne a. B. miteinander verglichen, zeigt sich, dass sie die gleiche Menge an Kindern als relevante Person markieren (vgl. Grafi k 5 / 5.1.1). So kann gedeutet werden, dass sie anteilig im gleichen Umfang in der Lage sind, einzelne Kinder als Mitteilungshandelnde zu unterscheiden, also diese als solche zu generieren (psychische Anschlussoption) und ihnen für einen kommunikativen Anschluss (soziale Anschlussoption) potentiell die gleiche Anzahl an diesbezüglichen Auswahloptionen zur Verfügung steht.22 Im Vergleich zu der Verschlüsselung aller generierten Sozialverweise (vgl. Grafi k 1 / 5.1.1) kann interpretiert werden, dass hinsichtlich dieses Codes Kinder mit a. B. breiter anschließen und sich diese Option dadurch für sie als besonders günstig bewerten lässt. Grafik 5 / 5.1.1

Über die Beobachtung der Ausnahmen wird erkennbar, dass es sowohl bei Kindern mit als auch bei Kindern ohne a. B. Kinder gibt, die sich nur auf einzelne ande22 | Auch an dieser Stelle muss als Einflussfaktor die Erhebungssituation angeführt werden. Inwiefern dieses Ergebnis z. B. beeinflusst ist durch das Zur-Verfügung-Stellen der Kinderzeichen, müsste eine Vergleichsstudie zeigen.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

re Kinder beziehen, aber auch Kinder, die Sinnbezüge zur ganzen Kindergruppe herstellen. So schließt beispielsweise Michi als Kind ohne a. B. nur an ein anderes Kind und Juli als Kind mit a. B. nur an zwei weitere Kinder an. Dagegen markieren Pitti als Kind mit a. B. und Josepha als Kind ohne a. B. alle Kinder ihrer Bezugsgruppe als kommunikativ relevant.23 Unter »Sonstiges« wurde verschlüsselt, dass einige Kinder sich nicht auf die durch die Kinderzeichen visualisierten Kinder festlegen. Anna bezieht sich beispielsweise auf sieben weitere Kinder aus drei anderen Stammgruppen, neben Heiko und Jan, die jeweils an zwei weitere Kinder aus anderen Gruppen anschließen. In der Gruppe der Kinder mit a. B. nimmt ein Kind auf ein anderes Kind aus einer anderen Gruppe Bezug. So wird an dieser Stelle deutlich, dass Kinder mit und ohne a. B. unterschiedliche Wahloptionen in Bezug auf Kinder aus anderen Gruppen haben. Schließen Kinder mit a. B. vermehrt alle Kinder ihrer Bezugsgruppe als kommunikativ relevant ein, so richtet sich ergänzend dazu der kommunikative Anschluss der Kinder ohne a. B. breiter auch auf Kinder außerhalb dieser Gruppe.24 Diese Option wirkt sich hier jedoch nicht auf die Vielfältigkeit ihrer Anschlussoptionen aus. Innerhalb der Deutung auf als »relevante Person markierte Kinder« differenzieren sowohl leicht dominant Kinder mit a. B. andere Kinder mit a. B. als auch Kinder ohne a. B. andere Kinder ohne a. B. als relevant (vgl. Grafi k 6 / 5.1.1 und 7 / 5.1.1). Grafik 6 / 5.1.1

Grafik 7 / 5.1.1

Hinsichtlich der Präferenzen für Kinder mit und ohne a. B. innerhalb von Mehrfachnennungen bei Kindern mit und ohne a. B. stellt sich die Verteilung ebenso dar, wie die Grafi ken 8 / 5.1.1 und 9 / 5.1.1 veranschaulichen.

23 | Diese Beobachtung wurde unter »Sonstiges« innerhalb der Deutungen auf die Sozialdimension von Sinn verschlüsselt. Sie wird jedoch hier vorgestellt, da sie inhaltlich der Deutung auf als relevante Person markierte Kinder zuzuordnen ist. 24 | Angemerkt werden soll diesbezüglich, dass es beispielsweise für Kinder mit einer adressierten Körperbehinderung von Bedeutung sein kann, die ihnen als von der Norm abweichend zugeschriebene Motorik auch bei anderen Kindern beobachten zu können. Gruppenübergreifende Kontakte erweitern diesbezügliche Möglichkeiten. Auf der Inklusionsforscher_innentagung 2014 wurde dieser Aspekt als eine Position der Disability-Studies von Köbsell angemerkt (mündliche Mitteilung im Rahmen ihres Vortrages »Inklusion aus der Sicht der Disability Studies« auf der 28. Jahrestagung der Integrations- / Inklusionsforscher / innen in deutschsprachigen Ländern »Zur Logik der Widrigkeiten – Theoriefundamente der Inklusion«, veranstaltet von der Goethe-Universität Frankfurt am Main; vgl. Köbsell 2015, 124). Darüber hinaus sind selbstverständlich auch andere Sinnbezüge denkbar, die ein Interesse für Kinder aus anderen Gruppen auch bei Kindern mit a. B. wecken.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 8 / 5.1.1

Grafik 9 / 5.1.1

Um im Sinne des qualitativen Forschungsdesigns näher bestimmen zu können, inwiefern Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder als Mitteilungshandelnde erkennen, also worauf diese Verteilung zurückgeführt werden kann, werden im Weiteren Anschlüsse hinsichtlich ihrer sinnbezogenen Ausrichtung interpretiert. Deutung auf die Verteilung der Codes der Sozialdimension von Sinn Im Folgenden wird ausgewertet, was Kinder mit und ohne a. B. an Kindern unterscheiden, wenn sie andere als Mitteilungshandelnde im Rahmen einer Anschlussoption differenzieren. Über welche Strukturen bildet sich die soziale Adresse, wählen Kinder aus (vgl. Kapitel 2.5.2)? Und entsprechend: Wie werden Kinder bezeichnet, an denen sich ein kommunikativer Anschluss ausflaggt (vgl. Kapitel 2.3)? Auf welche Sinngenerierung, die als Irritation den hier beobachtbaren sozialen Anschluss anregt, kann geschlossen werden (vgl. Kapitel 3.3)? In der Zusammenfassung aller beobachteten sozialen Anschlussoptionen zeigen sich anhand der Grafi ken 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1 diesbezüglich unterschiedlich und ähnlich verteilte Sinnverweise bei Kindern mit und ohne a. B. Bevor die einzelnen Codes bzw. Subcodes näher betrachtet werden, sollen diese zunächst zwischen Bezügen auf die sozialen Adressen Person und Rolle unterschieden werden (vgl. Kapitel 2.4). Den Personenzuschreibungen als individuell attribuierte Einschränkungen Grafik 10 / 5.1.1

Grafik 11 / 5.1.1

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

für Verhaltensmöglichkeiten sind die Codes Attribute in Bezug auf gemeinsame Tätigkeit, Attribute in Bezug auf körperliche Unversehrtheit, sonstige Verhaltensattribute, sonstige Eigenschaftsattribute und nicht bewertete Adressenfragmente zuzuordnen.25 Rollenzuschreibungen als allgemein attribuierte Einschränkungen für Verhaltensmöglichkeiten werden hier über die Definition von Rollen und entsprechende Zuschreibungen dargestellt. Überdies sind Sinnverweise als Bezug auf Gefühle, anschlussfähige Problemkonstruktionen und das Adressenfragment Behinderung verschlüsselt. Unter »Sonstiges« werden darüber hinausgehende Verweise zusammengefasst. In der Aufteilung der Grafiken wird erkennbar, dass beide Kindergruppen deutlich vielgestaltiger über Personen- als über Rollenzuschreibungen anschließen. Bei Kindern mit und ohne a. B. wurden jeweils 60 % aller Anschlussoptionen als Personenzuschreibungen verschlüsselt, dagegen nur 13 % bei Kindern ohne a. B. und 5 % bei Kindern mit a. B. als Rollenzuschreibungen (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). So kann als Teilergebnis der empirischen Erhebung formuliert werden, dass Kommunikation im Alter früher Kindheit differenzierter über individuell als über allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen Sinn generiert. Im Folgenden werden die Verschlüsselungen der einzelnen Codes und Subcodes dargestellt und interpretiert. Zunächst wird sich den Personen- und Rollenzuschreibungen zugewandt, bevor die seltener verschlüsselten Sinnverweise vorgestellt werden. Deutung auf Personenzuschreibungen Die Personenzuschreibungen werden hier entsprechend den Differenzierungen des Codierleitfadens unterschieden und orientiert an dieser Ausrichtung interpretiert. Dem Code »Bezug auf gemeinsame Tätigkeit«, der als Personenzuschreibung am facettenreichsten verschlüsselte wurde, wird sich als Erstes gewidmet. Bezug auf gemeinsame Tätigkeit Sowohl die Kinder mit als auch die Kinder ohne a. B. zeigen innerhalb der Interviews die vielfältigsten Verweise hinsichtlich Personenzuschreibungen in Bezug auf gemeinsame Tätigkeit (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Folgende Beispiele verdeutlichen diese Anschlussoption: Beispiel Jodok(a. B.) 00:01:49-1 Jodok(a. B.): Ja und- und mit den und mit die hier spiel und mit Silvia spiel ich nicht gerne, aber mit Heidi und mit Karsten(a. B.) spiel ich gerne [zeigt auf die entsprechenden Zeichen der Kinder]. 00:01:58-0 Interviewerin: Ja? 00:01:59-5 Jodok(a. B.): Mit Karsten(a. B.) spiel ich richtig gerne.

25 | In Kapitel 2.4 wurde dargelegt, dass Adressenfragmente verschiedene Formen annehmen können und auch als Rollenzuschreibungen beobachtbar werden. Die hier verschlüsselten Äußerungen lassen sich jedoch nicht als allgemein attribuierte interpretieren, sodass sie hier den Personenzuschreibungen zugeordnet werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Jonte 00:15:08-8 Interviewerin: Die sind besonders. Mhm [nickt]. Was ist an denen besonders? 00:15:11-2 Jonte: Mm. Dass sie immer mit mir spielen wollen [lächelt]. Beispiel Katja 00:00:54-3 Interviewerin: Mhm [nickt]. (.) Und was gefällt dir an Kirsten gut? 00:01:15-6 Katja: Mm. (13) Mir gefällt das mit Kirsten, mit den Autos gut zu spielen. Beispiel Juli(a. B.) 00:00:59-2 Interviewerin: Gut. [Nickt.] Was hat dir denn besonders gut gefallen an Kirsten(a. B.) und Pitti(a. B.)? 00:01:05-1 Juli(a. B.): Fahrrad zu fahren. 00:01:06-1 Interviewerin: Fahrrad fahren? 00:01:07-9 Juli(a. B.): [Nickt.] 00:01:09-1 Interviewerin: (.) Und was noch so? Juli(a. B.): (…) [Richtet Blick auf Interviewerin.] Hinterhergefahren. 00:01:15-8 Die Anschlussoptionen an Kinder mit und ohne a. B. hinsichtlich gemeinsamer Tätigkeit wurden insgesamt als vergleichbar breit ausgewertet. An Kinder ohne a. B. wird diesbezüglich zu 49 % und an Kinder mit a. B. zu 51 % (S22) (57:43) angeschlossen. Kinder ohne a. B. beziehen sich dabei zu 56 % auf Kinder ohne a. B. und Kinder mit a. B. zu 57 % auf Kinder mit a. B. (57:43). Diese leichte Dominanz des Bezuges der Kinder mit a. B. auf Kinder mit a. B. und der Kinder ohne a. B. auf Kinder ohne a. B. legt die Interpretation nahe, dass sie hier jeweils am vielfältigsten Sinn generieren können. In der Auswertung der Interviews wird deutlich, dass es für Kinder hinsichtlich dieses Codes primär bedeutsam ist, sich an Synchronisationsmöglichkeiten26 orientieren zu können. Dabei werden jedoch auch entsprechende Sinnbezüge in diesem Sinne als passend beobachtbar, bei denen psychisch verschiedene Komplexitätsniveaus in Bezug auf die Tätigkeit erkennbar sind.27 Am umseitigen Beispiel von Jodok(a. B.) zeigt sich, dass es dem die Kommunikation beobachtenden Kind nicht um eine Eigenkomplexität auf dem höchstmöglichen psychischen Sinngenerierungsniveau gehen muss. So ist für Jodok(a. B.) der kommunikative Anschluss über die Möglichkeit gegeben, andere Kinder als solche zu beobachten, denen er helfen kann.

26 | Wenn im gesamten Kapitel 5 von Synchronisation der Bezüge auf Sinn gesprochen wird, ist damit nicht gemeint, dass sich Sinnsysteme auf »denselben« Sinn beziehen könnten. Das wurde durch ihre operationale Geschlossenheit als nicht möglich in Kapitel 2 ausgeschlossen. An dieser Stelle beschreibt dieser Terminus, dass sich Systeme einander hinsichtlich des Sinnbezugs ausreichend Komplexität zuschreiben, um daran anzuschließen, worum es dem jeweiligen System gerade geht, also es hinsichtlich seiner System / U mwelt-Unterscheidung zu penetrieren. 27 | An dieser Stelle im Auswertungsverfahren wird die autopoietische Operationsweise von Sinnsystemen sehr deutlich.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Beispiel Jodok(a. B.) 00:00:10-7 Interviewerin: Und mich interessiert, mit welchen der Tigerkinder [zeigt mit dem Finger einmal im Kreis der Zeichen herum] du etwas zusammen machst. 00:00:14-4 Jodok(a. B.): [Richtet Blick auf die Kinderzeichen.] Wem ich geholfen hab, mal? 00:00:18-5 Interviewerin: Zum Beispiel. Auch Merle äußert sich entsprechend: Beispiel Merle 00:06:18-6 Interviewerin: Okay. Das sind die Kinder, mit denen du gerne spielst. [Interviewerin zeigt mit dem Finger auf das Blatt Papier, auf das Merle die Kinderzeichen der benannten Kinder gelegt hat.] 00:06:21-5 Merle: Mhm [nickt]. 00:06:23-9 Interviewerin: Und kannst du mir mehr darüber sagen? 00:06:27-4 Merle: Mit Asmus(a. B.) spi- / Asmus(a. B.) äh, geb’ ich immer einen Regenschirm, weil ähm, weil er spielt immer gerne mit mir und mit einen Regenschirm. 00:06:40-0 Interviewerin: Mhm. 00:06:41-0 Merle: … der dreht den immer so gerne. Als elementare Voraussetzung wurde in Kapitel  2.2.4 vorgestellt, dass Kommunikation nur möglich ist, wenn ein Bewusstsein zugerechnet wird, an das angeschlossen werden kann. Durch die hier dargestellten Beispiele wird erkennbar, dass, insofern ein solcher Zuschreibungsprozess erfolgt, Anschlussoptionen konstruiert werden. So äußert Merle: »Mit Asmus(a. B.) spi- / Asmus(a. B.) äh, geb’ ich immer einen Regenschirm, weil ähm, weil er spielt immer gerne mit mir und mit einen Regenschirm« (Merle 00:06:27-4). Indem sie ihm zuschreibt, dass er gerne oder auch nicht gerne mit dem Regenschirm spielen könnte, als Anschluss an ihr Angebot, differenziert sie Unterscheidungsoptionen an ihm, die sich als Zuschreibung psychischer Differenzierungsmöglichkeiten deuten lassen.28 Überdies wurde in Kapitel  2.2.4 thematisiert, dass aus systemtheoretischer Perspektive die Kommunikation explizit durch ein unterschiedliches Verhältnis von Wissen zu Nichtwissen der psychischen Systeme hervorgebracht wird. Die verschlüsselten Anschlussoptionen von Jodok(a. B.) und Merle werden in diesem Sinne auch auf die Zuschreibung verschiedener Tätigkeitsniveaus zurückgeführt. Die Synchronisation der Sinnbezüge ist hier gerade nicht daran gebunden, das Gleiche in Bezug auf die zugeschriebenen Fähig- und Fertigkeiten »tun« zu können. Innerhalb dieser Beispiele wird der Anschluss erst dadurch möglich, dass eine diesbezügliche Differenz von den Kindern beobachtet wird. Vor diesem Hintergrund wird interpretiert, dass es für den kommunikativen Anschluss wesentlich ist, dass Kinder als Mitteilungshandelnde erkannt werden, die im Rahmen aktueller Tätigkeit kommunikativ anschließen, dass dieser 28 | Erkenntniserweiternd wäre, über eine Folgestudie zu erheben, in welchem Umfang an kommunikative Angebote angeschlossen wird, die diese Differenzen hin-deutbar machen, im Vergleich zu jenen, an denen entsprechende Unterschiede nicht beobachtet werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Zuschreibungsprozess jedoch nicht an das Tätig-Sein-Können auf demselben Entwicklungs- oder auch Komplexitätsniveau in Bezug auf die aktuelle Tätigkeit gebunden ist.29 Die folgenden weiteren Deutungen auf Eigenschafts- und Verhaltensattribute erlauben dahingehend weitere Interpretationsmöglichkeiten.30 Bezug auf Eigenschaftsattribute und Verhaltensattribute In Kapitel 2.4 wurden Soziale Adressen als Strukturen (s. o.) bezeichnet, in deren Rahmen Passendes und Unpassendes diskriminiert wird. Die Deutung auf Eigenschafts- und Verhaltensattribute erlaubt die Unterscheidung zwischen individuellen Zuschreibungen, die sich auf ein ganz konkretes Verhalten beziehen, das in spezifischen Situationen an Kindern hin-beobachtet wird (als beobachtetes Verhalten verschlüsselt), und individuellen Zuschreibungen, welche allgemeinere oder auch breitere Beschreibungen von Verhalten zusammenfassen (als Eigenschaftsattribut verschlüsselt).31 Verhaltensattribute werden hier als stärker eingegrenzter Sinnbezug der Kommunikation beobachtet.32 Folgende Beispiele verdeutlichen diese Möglichkeit. Beispiel Matthias(a. B.) 00:01:08-0 Matthias(a. B.): Und Riana(a. B.), die flüster ich immer was ins Ohr, die sagt: »Ja.« [Schiebt das Zeichen von Riana(a. B.) in die Mitte.] 00:01:12-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. Beispiel Anna 00:02:17-9 Interviewerin: Was hat dir daran gut gefallen? 00:02:19-5 Anna: Ähm, einmal war das gut, da ähm (.) war’n wir bei den Fledermäusen und denn hab’n die da getanzt und Peter(a. B.), ähm wollte mittanzen und dann hat er sich ein Tuch genommen und voll falsch getanzt [lacht]. 00:02:32-1 Interviewerin: Mhm. Und das hat dir gut gefallen? 00:02:36-5 Anna: MMM, der war witzig. 29 | In Kapitel 5.1.2 wird dieser Aspekt über die Deutung des Sachbezuges von Sinn im Rahmen von Anschlussoptionen wieder aufgegriffen und weiter vertieft. 30 | Bezüge auf »Tätigkeit« sind von Bezügen auf »Verhalten«, »Eigenschaftsattribute« und »Adressenfragmente« nicht absolut trennscharf zu unterscheiden, da diese auch im Rahmen gemeinsamen Tätig-Seins beobachtet werden können. Die hier vorgeschlagene Codierung wurde durch das empirische Material inspiriert und wird als eine unter anders möglichen verstanden, die es erlaubt, die Äußerungen der Kinder im Hinblick auf Personenzuschreibungen weiter zu differenzieren. Wenn einzelne Äußerungen von Kindern hinsichtlich verschiedener Codes eine starke Ausprägung aufweisen, wurden sie entsprechend der in Kapitel 4.2.2.2 beschrieben Codierregeln doppelt verschlüsselt. 31 | Die hier vorgeschlagene Unterscheidung zwischen der Deutung auf Verhaltens- und Eigenschaftsattribute wurde induktiv gewonnen (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Sie ermöglicht das Einziehen weiterer Differenzen in der Interpretation von Personenzuschreibungen, die im folgenden Text vorgestellt werden. 32 | In Kapitel 2.2.4 wurden Verhaltensmöglichkeiten als Optionen definiert, über die Mitteilungen selektiert und Bezug auf Informationen genommen werden können. Vor diesem Hintergrund ist hier Verhalten zu verstehen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Als Eigenschaftsattribut wurde beispielsweise bewertet, wenn Kinder als nett oder lieb unterschieden wurden. Auch dazu zwei Beispiele: Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:08:39-5 Interviewerin: Und bei Karsten(a. B.), sagst du, Karsten(a. B.) spricht auch nicht. (..) Hast du mit dem etwas zu tun? 00:08:44-2 Konstanze: Ja. (.) Ich sitz gerne neben ihm. 00:08:46-8 Interviewerin: Ja. 00:08:48-1 Konstanze: Weil Karsten(a. B.) ist furchtbar nett. Beispiel Monika 00:01:40-2 Interviewerin: Nein [nickt]. Und (..) kannst du mir sagen, was dir an den Kindern, die du ausgesucht hast, besonders gut gefällt? Monika: Mm. Ronja. 00:01:50-7 00:01:53-4 Interviewerin: Ronja? Und (.) wieso? 00:01:59-7 Monika: Mm. Weil (.) die so lieb ist. In der Betrachtung der Verschlüsselungen dieser Codes stellen sich Anschlussoptionen der Kinder mit und ohne a. B. etwas unterschiedlich dar. Innerhalb der ausgewerteten Äußerungen der Kinder ohne a. B. lässt sich ein kommunikativer Anschluss beobachten, der eine variationsreichere Deutung auf Sinnverweise als Eigenschaftsattribute erlaubt (13 % o. a. B. zu 9 % a. B., vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Die Äußerungen der Kinder mit a. B. lassen sich hingegen mannigfacher als Verweise auf Verhaltensattribute deuten (13 % a. B. zu 6 % o. a. B., vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). So kann zusammengefasst werden, dass die Kommunikation, welche an Kindern mit a. B. beobachtet wird, breiter an Mitteilungshandlungen anschließt, die spezifische Verhaltensweisen differenzieren, und weniger strukturreich an jene, die diese verallgemeinern und sie Personen als Eigenschaftsattribute zuschreiben. Bei Kindern ohne a. B. stellt sich die Variabilität gegenteilig dar. Über die Differenzierungsmöglichkeit sozialer Adressen durch Eigenschafts- und Verhaltensattribute sind folgende Anschlussoptionen erkennbar: Sinnverweise, die sich auf Eigenschaftsattribute beziehen, können breiter auf verschiedene Kontexte übertragen werden und ermöglichen dadurch mehr Anschlussoptionen. Zum Beispiel können darüber Kinder als solche differenziert werden, die körperliche Unversehrtheit in verschiedenen Situationen wahren, da sie kontextübergreifend als lieb bewertet werden (vgl. Beispiel Monika). Das ermöglicht es Beobachtern, die dieses unterscheiden, sich ihnen zuzuwenden. Verhaltensattribute hingegen beziehen sich unmittelbar auf ein Verhalten, das sich als Sinnbezug für Beobachter weniger generalisieren lässt. Daraus resultiert möglicherweise, Kindern unvoreingenommener zu begegnen. Wesentlich erscheint für den kommunikativen Anschluss, sowohl bezogen auf Eigenschaftsattribute als auch auf Verhaltensattribute, dass sie als Passungsoptionen bewertet werden, die Koppelungen zwischen Sinnsystemen anregen, die Anschlussoptionen erweitern. Die im Folgenden vorgestellten nicht bewerteten Adressenfragmente ermöglichen weitere Deutungen auf individuelle Zuschreibungen. Die Adressenfragmente erscheinen dabei noch schematischer als Eigenschaftsattribute.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Bezug auf nicht bewertete Adressenfragmente Als nicht bewertete Adressenfragmente wurden Sinnverweise verschlüsselt, die Personen in verschiedenen Situationen zugeschrieben wurden und als noch stärker kategorisiert interpretierbar sind als die oben unterschiedenen Eigenschaftsattribute. Nicht bewertete Adressenfragmente wurden in den Interviews fast ausschließlich an der Kommunikation der Kinder ohne a. B. beobachtet (vgl. Grafi k 12 / 5.1.1). Diese Verteilung unterstützt die Deutung, dass die Kommunikation der Kinder mit a. B. weniger vielfältig Personenzuschreibungen generalisiert. Dabei beziehen sich 71 % der diesbezüglich generierten Sinnverweise auf Kinder mit und 29 % auf Kinder ohne a. B. (S22) (57:43). Insofern lässt sich erkennen, dass Adressenfragmente an Kindern mit a. B. facettenreicher beobachtet werden. Innerhalb der unterschiedenen Sinnverweise zeichnen sich dabei zwei am häufigsten verschlüsselte Adressenfragmente ab: eine als besonders beobachtete Sprache und ein als besonders beobachtetes, stark schematisiertes Verhalten. Die als besonders beobachtete Sprache wurde dabei ausschließlich in Bezug auf Kinder mit a. B. beobachtet. Grafik 12 / 5.1.1

Als Selektionsmöglichkeiten des sozialen Systems wurden in Kapitel 2.2.4 Information, Mitteilung und Verstehen vorgestellt. Mitteilung wurde dabei als Selektion eingeführt, über die die beobachtete Information differenziert und eine Auswahl von Verstehensmöglichkeiten getroffen wird. In Bezug auf die hier als besonders ausgewertete Sprache kann vor dem Hintergrund dieser Selektionen interpretiert werden, dass Kinder ohne a. B. es deutlich umfassender benennen, wenn Mitteilungsformen von den ihnen bekannten verbalsprachlichen abweichen oder Verhaltensweisen nicht den ihnen bekannten entsprechen. Kinder mit a. B. ermöglichen dagegen ein besonders vielfältiges Hin-Beobachten entsprechender Adressenfragmente, da an ihnen diese Varianz mannigfacher differenzierbar wird. Über die hier verschlüsselten Äußerungen führt das nicht zu ihrer bestimmten Exklusion. Folgende Beispiele von Talke, Mike und Jan veranschaulichen diese Deutungsoptionen: Beispiel Talke 00:06:28-4 Interviewerin: Und gibt es Kinder bei Tiger, die irgendwie ANDERS sind als andere Kinder? 00:06:35-3 Talke: Mm. Ja, Melv(a. B.), der kann noch nicht so gut sprechen und (8). [Atmet zunächst tief aus und richtet im Anschluss Blick auf Interviewerin.]

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

[…] 00:07:03-9 00:07:06-9 00:07:09-7 00:07:13-8 00:07:14-8 00:07:15-8 00:07:22-2 00:07:27-2

Interviewerin: Und gibt’s noch andere Kinder, die besonders sind? Talke: Ja. Hansi(a. B.) und Fanny(a. B.). Interviewerin: Mm [nickt]. Und was ist an denen besonders? Talke: Weil / weil die auch noch nicht reden können. Interviewerin: Mhm [nickt]. Talke: Obwohl Hansi(a. B.) noch (..) ganz groß ist. Interviewerin: Mm. Mm. Und machst du was mit denen zusammen? Talke: Ja.

Beispiel Mike Interviewerin: Okay. Und, und äh, kannst du mir sagen: Gibt es noch 00:12:33-8 andere Kinder, die anders sind in der Fische-Gruppe? 00:12:40-1 Mike: Ja, natürlich: Olaf(a. B.) [atmet stark aus]. 00:12:42-8 Interviewerin: Olaf(a. B.). Wieso ist der anders? 00:12:44-3 Mike: Ähm, der ha- der hat ja so ’ne Störung mit ’ner Sprache, mit der Sprache. 00:12:49-1 Interviewerin: Okay. 00:12:50-5 Mike: Und (.) ich hab das nicht. Interviewerin: Ja. 00:12:52-9 00:12:53-7 Mike: Ich hatte vorher auch mal ’n bisschen gestottert. 00:12:56-7 Interviewerin: Ja. Beispiel Jan 00:10:54-9 00:10:59-5 00:11:01-6 00:11:02-3

00:11:10-3

Interviewerin: Mm. Jan: Und Reiko(a. B.) macht immer »mhm« [lächelt] und deswegen ist der auch krank. Interviewerin: Mm. Jan: (…) Ja ich hab / ich hab [sucht ein Zeichen aus dem Stapel], ich hab Reiko(a. B.) vergessen, den hab ich doch auch zum Geburtstag eingeladen. Interviewerin: Mm.

Das unter diesem Code verschlüsselte als besonders bewertete Verhalten bezieht sich primär auf Spielverhalten oder gemeinsames Tätig-Sein.33 Folgende Beispiele verdeutlichen dies: Beispiel Josepha 00:06:13-7 Josepha: … und Asmus(a. B.), der spielt VIEL viel lieber mit den Schütteleiern. 00:06:18-2 Interviewerin: Ach so. 00:06:19-2 Josepha: … der gießt sich die selber über ’n Kopf. 33 | An dieser Stelle der Auswertung zeigt sich die schon thematisierte enge Verbindung zwischen Personenzuschreibungen und Tätig-Sein. In Abgrenzung zur Verschlüsselung des Codes »Bezug auf gemeinsame Tätigkeit« war für eine Verschlüsselung an dieser Stelle die Ausprägung hinsichtlich stark schematisierter individueller Verhaltensattribute entscheidend.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:06:21-8 00:06:22-8 00:06:23-4 00:06:24-3 00:06:26-5 00:06:29-5

Interviewerin: Ja. Josepha: Obwohl, der ist schon drei [nickt]. Interviewerin: Ja. Josepha: Nee, der ist vier oder fünf. Interviewerin: Ja [nickt]. Und machst du mit dem auch manchmal was? Josepha: Ja.

Beispiel Jonte 00:14:58-9 Interviewerin: Gibt’s keine Kinder, die besonders sind bei den Fledermäusen? Kannst du ja noch mal gucken. [Richtet Blick auf die Kinderzeichen.] 00:15:07-8 Jonte: Doch die. [Zeigt mit dem Finger auf die Zeichen, die sie in die Mitte gelegt hat.] 00:15:08-8 Interviewerin: Die sind besonders. Mhm [nickt]. Was ist an denen besonders? 00:15:11-2 Jonte: Mm. Dass sie immer mit mir spielen wollen [lächelt]. Beispiel Josepha 00:09:35-3 Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. (..) Und (..) Mm. Gibt es auch Kinder in der Schmetterlingsgruppe, die anders sind als andere Kinder? 00:09:47-9 Josepha: Nee, gibt’s nicht. Tom(a. B.) und Jenny(a. B.), die sind nämlich voll ähnlich. 00:09:54-3 Interviewerin: Echt? Erzähl mal. 00:09:57-3 Josepha: Die machen immer genau das Gleiche. 00:09:58-1 Interviewerin: Ja? Was machen die denn? 00:10:00-9 Josepha: Die wollen immer zusammen / die wollen genau nacheinander reiten. Interviewerin: Aha [nickt]. 00:10:03-7 00:10:05-2 Josepha: Und genau (.) / Und Tom(a. B.) verkleidet sich auch richtig gerne als Prinzessin. 00:10:10-7 Interviewerin: Aha. 00:10:12-7 Josepha: Und Peter(a. B.) auch. 00:10:14-5 Interviewerin: Aha [nickt]. Das ist gleich bei denen. 00:10:17-9 Josepha: Mhm [nickt]. 00:10:18-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. Kinder wurden weiter oben in diesem Kapitel als besonders differenzierungsfähig für Personenzuschreibungen beobachtet, die sich auf gemeinsame Tätigkeit beziehen (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Diese Ausrichtung kann durch die vorgestellten Sinnverweise bestätigt werden. Wichtig erscheint auch hier für die Bildung einer sozial relevanten Adresse, wie innerhalb der Deutungsvorschläge auf gemeinsame Tätigkeit, dass ein sinnbezogener Anschluss konstruierbar ist. In Kapitel 2.2.4 wurde deutlich, dass das Erkennen des anderen als Mitteilungshandelnder dafür grundlegend ist. Entsprechend wurde sich auf Schleiffer bezogen, der an der affektiven Protokommunikation beispielhaft veranschaulicht, wie ein solcher Zuschreibungsprozess erfolgt (vgl. Kapitel  2.2.3 und 2.2.4). Er stellt dar, dass darüber, dass körperliche Äußerungen eines Neugeborenen als Mitteilungen

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

verstanden werden, es zu einem Mitteilungshandelnden wird (vgl. Schleiffer 2012, 70). »Reziprok hierzu wird das Neugeborene von seinen Bezugspersonen auch als Adressat für ihre Mitteilungen behandelt« (ebd.). Insofern wird der Zuschreibungs- und Konstruktionsprozess des Beobachters als entscheidend bewertet. Vergleichbar formuliert Simon: »Kommunikation ist also gewissermaßen ein Spiel, das darauf beruht, dass die Teilnehmer sich bei der Interpretation des gegenseitigen Verhaltens Absichten oder Motive unterstellen« (Simon 2006, 92-93). Da hinsichtlich der oben vorgestellten Beispiele ein Anschluss erfolgte, ist davon auszugehen, dass der kindliche Anschluss in diesem Sinne bewertet wurde, trotz der besonderen Adressenfragmente, wie beispielsweise der besonderen Sprache oder der besonderen Form zu spielen. Insofern wurden hier entsprechende Kinder, im Sinne Schleiffers, für die Beobachter über ihre Anschlüsse an das Interaktionssystem zu Mitteilungshandelnden. Darüber hinaus wurde in Kapitel 2.2.4 behauptet, dass auch an wortlose Kommunikation sozial angeschlossen wird. Die dargestellten Interviewausschnitte veranschaulichen auch diese Möglichkeit. So äußert beispielsweise Talke, dass sie etwas mit Kindern zusammen macht, die nicht gut sprechen können (vgl. Talke 00:06:28-4 bis 00:07:27-2). Ergänzend erlauben die aufgeführten Äußerungen der Kinder eine Deutung auf die in Kapitel  2.4 von Luhmann als grundlegend erachtete Selektion der Ja / Nein-Option, über die zwischen Personen und Dingen unterschieden wird. Am Beispiel von Josepha wird anschaulich, dass sie Asmus(a. B.) als jemanden differenziert, der sich für das Spiel mit den Schütteleiern entscheiden kann: »… und Asmus(a. B.), der spielt VIEL viel lieber mit den Schütteleiern« (Josepha 00:06:137). Es wird deutlich, dass Kinder diese Selektion innerhalb der Interviewbeispiele auch ausgehend von nonverbalen Äußerungen vornehmen. So lässt sich interpretieren, dass sie in der Lage sind, auch diese Form des sprachlichen Angebotes als Mitteilungen zu differenzieren. Da wortlose Kommunikation jedoch stark an wechselseitig-reflexives Wahrnehmen gebunden ist, wurde sie als störanfälliger als andere Kommunikation vorgestellt (vgl. Kapitel 2.2.4).34 Inwiefern die Notwendigkeit dieser Voraussetzung ursächlich dafür ist, dass Kinder mit a. B. hier nicht so breit anschließen, könnte durch Folgestudien erforscht werden. Darüber hinausgehend beziehen sich einzelne Verschlüsselungen auf Adressenfragmente wie »Geburtstagskind« oder »ein Kind mit einem besonderen Kinderzeichen«. Zwei Anschlüsse eines Kindes differenzieren zudem körperliche Schädigungen. So beobachtet Anna bei einem Kind, dass »das Gehirn nicht so arbeiten kann« und bei einem anderen, dass »es nicht so gut sieht«. Überdies gibt es einzelne Beobachtungen zu Kindern mit Migrationshintergrund. Als anders wird hier bewertet, dass die Kinder aus Russland kommen, albanisch sind oder dänisch sprechen können. Weitere einzelne Äußerungen schließen daran an, keinen Zucker essen zu dürfen oder in der Gruppe neu zu sein. Diese Sinnbezüge wurden im Rahmen von Anschlussoptionen gedeutet, da der kommunikative Anschluss der Kinder innerhalb der Interviews nicht als problemwirksame Abweichungen des Erwartbaren markiert, sondern als etwas Besonders hervorgehoben wurde. Als weitere Deutungsoption wird davon ausgehend vorgeschlagen, dass besondere 34 | So wird in Kapitel 5.2.1 deutlich, dass Auffälligkeiten in der Verbalsprache auch eine wesentliche Nicht-Anschlussoption darstellen.

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Adressenfragmente, dadurch dass sie sich von dem eigentlich Erwartbaren unterscheiden, die Bildung neuer Strukturen anregen und damit erweiterte Anschlussoptionen eröffnen (vgl. Kapitel 2.5.2).35 Sehr anschaulich sind in diesem Sinne die Anschlüsse von Konstanze: Beispiel Konstanze (Transkription II) Interviewerin: Mich würde noch interessieren, ähm, ob es auch Kin00:05:14-4 der bei den Tigern gibt, die ANDERS sind als andere Kinder? 00:05:21-7 Konstanze: Ja. 00:05:22-8 Interviewerin: Wer ist das? 00:05:25-2 Konstanze: Hansi(a. B.), Fanny(a. B.). Hansi(a. B.), Fanny(a. B.), Lars(a. B.), (4), Jodok(a. B.). [Richtet Blick auf Zeichen.] 00:05:39-0 Interviewerin: (..) Was ist an den Kindern anders? 00:05:41-3 Konstanze: Und und Cassandra(a. B.). 00:05:42-8 Interviewerin: Ja. 00:05:43-7 Konstanze: Und Karsten(a. B.). Interviewerin: Ja. 00:05:45-2 00:05:47-0 Konstanze: Ähm. Hansi(a. B.) kann nicht sprechen. [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:05:48-7 Interviewerin: Ja. 00:05:49-4 Konstanze: Fanny(a. B.) auch nicht. Interviewerin: Ja. 00:05:50-3 00:05:52-0 Konstanze: Und Karsten(a. B.) AUCH nicht. 00:05:53-2 Interviewerin: Ja [nickt]. 00:05:56-0 Konstanze: Das (..) und Cassandra(a. B.) sabbert meistens. 00:05:58-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:00-7 Konstanze: Das ist der Unterschied. [Zieht die Schultern hoch.] 00:06:01-6 Interviewerin: Ja. 00:06:02-5 Konstanze: Und Achmed ist (.), wenn man ihn was fragt, ist er stocksteif-still. 00:06:09-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:13-6 Konstanze: … das ist anders an ihm, als (..) als wir alle. 00:06:16-2 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und wie findest du das? 00:06:21-7 Konstanze: Ähm. [Setzt Malen fort.] Ich finde das einfach toll, weil ähm, es sind nicht alle so wie Achmed. 00:06:24-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:25-7 Konstanze: Und auch nicht alle so wie HANSI(a. B.). 00:06:26-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:27-8 Konstanze: Und es sind auch nicht alle so wie (..), wie ich. 00:06:30-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:32-3 Konstanze: Talke ist anders … 00:06:34-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:36-6 Konstanze: … und meine ganzen Freundinnen sind anders. [Setzt Malen fort.]

35 | Auch diese Interpretationsmöglichkeiten lassen sich auch auf Verhaltens- und Eigenschaftsattribute beziehen (s. o.).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Das als anders Deklarierte wird von Konstanze sowohl auf Abweichungen in der Sprache und die Kontrolle des Speichelflusses als auch auf sie selbst und ihre Freundinnen bezogen und damit zu einer potentiellen Möglichkeit generalisiert, die nicht zu einem Nicht-Anschluss führen muss. Davon ausgehend wird dieses Andere hier nicht als »Strapaze« im Sinne gestörter Koppelung gedeutet (vgl. Kapitel 2.4), sondern als Irritationsmöglichkeit, die ein Management von Komplexität anregt, also als Abweichung, welche die Beobachtungsoptionen generell erweitert. Wesentlich für diese positiv bewertete Option erscheint bei den hier gedeuteten Adressenfragmenten der Anschluss an bekannte und positiv bewertete Sinnverweise. An dieser Stelle lässt sich die Relevanz einer als passend bewerteten Kombination zwischen Selbst- und Fremdreferenz erkennen. Das als anders an den Kindern Differenzierte wird nicht als so fremd oder als so belastend bewertet, dass eine Koppelungsstörung entsteht, die dann dazu führt, dass sich von ihnen abgewandt wird (vgl. Kapitel 2.5.2). Entsprechend unterscheidet Konstanze auch Freundinnen als anders. Über diesen Bezug auf die als positiv bewerteten Freundinnen, die als anders unterschieden werden, und über den Bezug auf sich selbst wird rückbezüglich auch das darüber hinausgehende und in diesem Zusammenhang benannte Andere für den Beobachter zu etwas Positivem. Jedoch kann es sein, dass erst dadurch, dass das Anders-Sein als Möglichkeit an anderen erkannt wurde, Freundinnen und der Bezug auf sich selbst von Konstanze mit diesem Adressenfragment versehen werden konnten, also entsprechende Differenzen konturierbar wurden. Vor diesem Hintergrund lassen sich Adressenfragmente auch über die Unterscheidung Ego / A lter Ego interpretieren. In Kapitel 2.4 wurde vorgestellt, dass sich u. a. über den fremdreferenziellen Bezug das beobachtende System selbst differenziert. Diese wurden als Ego / A lter Ego-Spiegelungen dargestellt. Indem der Beobachter etwas als etwas von sich Differentes als Umwelt unterscheidet, erkennt er das zum System Gehörige. Beispielhaft äußert Konstanze: Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:06:21-7 Konstanze: […] es sind nicht alle so wie Achmed. 00:06:24-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:25-7 Konstanze: Und auch nicht alle so wie HANSI(a. B.). 00:06:26-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:27-8 Konstanze: Und es sind auch nicht alle so wie (..), wie ich. Folgendes Beispiel weist ebenfalls auf diese Möglichkeit hin. Beispiel Moritz 00:06:42-5 Interviewerin: Was gefällt dir an Paul denn gut? 00:06:43-6 Moritz: Paul? 00:06:44-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:46-6 Moritz: Ähm. Der ist (.), der ist immer lustig. Ich eigentlich auch [lacht]. Moritz beobachtet ein Adressenfragment zunächst an Paul und dann an sich selbst. So kann darauf gedeutet werden, dass er Differenzierungen an der Beschreibung von sich selbst durch das Erkennen des Eigenen im Anderen vornimmt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

In Kapitel 2.5.2 wurde dargelegt, dass insbesondere Abweichungen dazu notwendig sind, dass Strukturen erkennbar werden. Diese können Ausgangspunkt werden, etwas in der Umwelt und damit auch im System zu differenzieren. In diesem Sinne kann gedeutet werden: Je mehr unterschiedliche Adressenfragmente für Kinder beobachtbar sind, auf desto mehr potentielle Möglichkeiten kann Bezug genommen werden. Davon ausgehend lässt sich behaupten: Je größer die beobachtbare Vielfalt möglicher Adressenfragmente in der Umwelt des sinngenerierenden Systems ist, desto mehr Verstehensversuche werden angeregt, (im Sinne des sozialen und psychischen Anschlusses) Ego / A lter Ego zu differenzieren. In dieser Hinsicht wird hier auf eine positive Wirkung im Rahmen der Steigerung von Komplexität gedeutet, im Zusammenhang mit einem vielfältigen Angebot, Adressenfragmente zu beobachten und zu bilden.36 Durch den facettenreicheren Bezug auf Kinder mit a. B. hinsichtlich dieses Codes wird vermutet, dass diese die Differenz Ego / A lter Ego mannigfacher beobachtbar machen als Kinder ohne a. B. Durch die umfangreiche Verschlüsselung diesbezüglicher Sinngenerierungsoptionen bei Kindern ohne a. B. (vgl. Grafik 12 / 5.1.1) wird erkennbar, dass diese Kinder besonders facettenreich entsprechende Adressenfragmente benennen und damit auch, was sie anregt und irritiert. Sie reichern entsprechend das soziale System mit Sinnverweisen an. Daraus schlussfolgernd könnte behauptet werden, dass durch die Möglichkeit der wechselseitigen Beobachtbarkeit von Kindern mit und ohne a. B. Personenkonturierung und Differenzierungsprozesse in Bezug auf sich selbst unterstützt werden. In Kapitel  2.1 wurde dargestellt, dass Differenzen zur Umwelt für autopoietische Systeme systembildend und damit systemerhaltend sind, da sie ihre Strukturbildung anregen und insofern die Bildung des Systems ermöglichen. In diesem Sinne tragen, weitreichender betrachtet, dieses Angebot an Komplexität durch die Beobachtbarkeit mannigfacher Adressenfragmente sowie der kommunikative Anschluss an diese zur Aufrechterhaltung und Fortsetzung des Systems bei. Darüber hinaus ist in einer zusammenfassenden Betrachtung der Deutungen auf nicht bewertete Adressenfragmente bezeichnend, dass diese zwar wie genannt wesentlich vielgestaltiger an Kindern mit a. B. als an Kindern ohne a. B. beobachtet wurden, dieses jedoch nicht dazu führte, Kinder als Behinderte zu deklarieren (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Davon ausgehend wird interpretiert, dass das Adressenfragment behindert als Anschlussoption innerhalb des frühkindlichen Interaktionssystems nicht funktional ist. Deutung auf Rollen- und Rollenzuschreibungen In den Grafiken 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1 wird erkennbar, dass Kinder mit und ohne a. B. in Bezug auf allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen, die als Rollen und Rollenzuschreibungen verschlüsselt wurden, sehr verschieden umfassend Sinnverweise bilden. 83 % aller diesbezüglichen Verschlüsselungen wurden an Kindern ohne a. B. und 17 % an Kindern mit a. B. ausgewertet (S22).37 In der näheren Betrachtung der einzelnen Optionen zeigt sich, dass durchgehend ein Sinnbezug auf 36 | Diese Interpretationsmöglichkeiten lassen sich auch auf Verhaltens- und Eigenschaftsattribute beziehen (s. o.). 37 | Auch über diese Verteilung wird der Deutungsversuch untermauert, dass Kinder mit a. B. ihre Beobachtungen weniger umfangreich generalisieren als Kinder ohne a. B.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Jungen / Mädchen und auf Freunde / Peers zu beobachten ist. Die generalisierten Zuschreibungen in Bezug auf das Geschlecht stellen sich dabei sehr schematisch dar, die klassischen Unterscheidungsmerkmale benennend.38 Sie sind über erheblich mehr Sinnverweise verschlüsselt als die Bezüge auf Freunde / Peers. Folgende Beispiele verdeutlichen Bezüge auf Jungen / Mädchen: Beispiel Martin 00:02:18-3 Interviewerin: Mm. Und was gefällt dir an den Kindern besonders gut? Martin: Mm. (..) dass (7) dass sie (..) dass sie soooo, dass sie so schöne 00:02:24-1 Sachen anhaben. 00:02:41-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und was noch so? 00:02:44-7 Martin: Sonst nichts mehr. 00:02:45-9 Interviewerin: Mm. So schöne Sachen anhaben. Welche Sachen gefallen dir denn besonders gut? 00:02:51-2 Martin: Mm. (..) Piraten-T-Shirts. 00:02:54-0 Interviewerin: Okay [nickt]. Und die haben manchmal Piraten-TShirts an? 00:02:58-1 Martin: Ja. Also die Jungs, und (…) sonst nichts. 00:03:02-2 Interviewerin: Mm. Und gibt es auch Sachen, die dir NICHT so gut gefallen? 00:03:08-7 Martin: Ja. 00:03:09-6 Interviewerin: Kannst du mir darüber was sagen? 00:03:10-8 Martin: Kleider. [Lächelt und richtet Blick auf Interviewerin.] 00:03:12-1 Interviewerin: Ja [nickt]? Mm. Kleider gefallen dir nicht so gut. 00:03:15-7 Martin: Genau die / A lso Mädchen gefallen nicht Jungsanzüge, Sachen, die die Jungs mögen und und Jungs machen nicht Mädchensachen. Beispiel Jan 00:02:19-0 00:02:26-5 00:02:29-2 00:02:30-9 00:02:31-5 00:02:34-0

Interviewerin: Ja. Okay. Und weißt du denn noch, was dir gut gefällt an den Mädchen? Jan: (..) Das sie hübsch aussehen [lächelt]. Interviewerin: Mm. Okay. Und die wohl auch? [Zeigt auf ein weiteres Zeichen.] Jan: Mm. Interviewerin: Mm. Und gibt’s noch andere Sachen, die dir gut gefallen? Jan: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.]

Die Beschreibung der Freunde / Peers wird nicht so homogen differenziert. Hier werden Optionen wie Stammgruppe, Projektgruppe, eine Mitgliedschaft in einem Sportverein oder einer Mannschaft anzugehören ebenso genannt wie bester Freund oder beste Freundinnen. Folgende Beispiele veranschaulichen diese Anschlussoptionen der Kinder: 38 | Es kann an dieser Stelle nicht genauer auf die Differenz zwischen Sex und Gender eingegangen werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Ronja (Transkription II) 00:00:57-0 Ronja: Also bei [zeigt mit Finger auf einzelne Zeichen] Kalle, Martin und Leon und Paul. Die spielen meistens immer (.) Pirat und dann sind sie immer eine ganze Mannschaft. [Schiebt die Zeichen zueinander.] 00:01:07-6 Interviewerin: Mm. 00:01:08-6 Ronja: Aber [verschiebt Zeichen auf dem Tisch] (.) eigentlich (..) sind Paul und Martin auch meine Freunde. Beispiel Mike Interviewerin: Moritz hält dich davon ab, dass du mit Susi(a. B.) was 00:14:41-5 machst? 00:14:42-9 Mike: Mhm. Aber das find’ ich auch gut so. 00:14:45-7 Interviewerin: Findest du auch gut so. Okay. Wieso findest du das gut? Mike: Weil- weil- weil wir drei eigentlich immer was zusammen ma00:14:47-2 chen. Beispiel Clemens 00:00:12-6 Interviewerin: Und mich interessiert, mit welchen Kindern du etwas zusammen machst. 00:00:14-6 Clemens: [Richtet Blick auf Zeichen.] Mm. Etwa Sport oder so? [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:00:20-2 Interviewerin: Alles, was dir so einfällt. Was du gerne machst. Was machst du denn gerne? 00:00:26-3 Clemens: Mm. Ju Jutsu. (5) Beim Handball ist ja dann noch Mike. [Zeigt mit Finger auf ein Zeichen.] Beispiel Katja 00:03:49-0 Interviewerin: Mm. Und wieso geht das mit Monique(a. B.) gut? 00:03:52-1 Katja: Weil (..) weil Monique(a. B.) meine schönste Freundin dazu noch ist. 00:04:03-4 Interviewerin: Mm. Und wieso geht das noch gut mit Monique(a. B.)? 00:04:07-2 Katja: Weil (.) weil das meine Freundin ist. 00:04:10-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und gibt es noch andere Sachen, warum das mit Monique(a. B.) gut ist? 00:04:16-7 Katja: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Wird jetzt ein Vergleich zwischen Personen- und Rollenzuschreibungen vorgenommen, so wird erkennbar, dass Rollenzuschreibungen zum einen deutlich seltener hin-beobachtet werden und sich zum anderen im Gegensatz zu den Personenzuschreibungen nur wenig ausdifferenzieren. Anzumerken ist, dass kein Bezug auf Behinderung als Rolle innerhalb eines Interviews verschlüsselt wurde.39 Daraus resultierend wird geschlussfolgert, dass 39 | Im Rahmen dieser Arbeit wurde Behinderung nicht als Rolle, sondern als Adressenfragment eingeführt (vgl. Kapitel 2.4). Da Behinderung aus einer anderen Perspektive auch als Rolle beobachtet werden kann, wurde dieser Vergleich an dieser Stelle vorgenommen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Behinderung auch als allgemein attribuiertes Schema innerhalb von Anschlussoptionen im Alter früher Kindheit nicht von Bedeutung ist, sondern hier Zuschreibungen zu Jungen / Mädchen und Freunden / Peers als zentral zu bewerten sind. Dabei zeigt sich, dass das Erkennen eines Kindes als Mitteilungshandelnder den Beobachtern im Alter früher Kindheit leicht fällt, wenn es den in der Gruppe anerkannten Rollenzuschreibungen von Freunden / Peers und den traditionellen Beschreibungen der gängigsten zwei Geschlechter entspricht.40 Deutung auf Gefühle Wie in Kapitel 2.2.3 dargestellt, werden Gefühle41 nur in der Verbindung mit Sinn psychisch berücksichtigt und im Rahmen von Sozialisationsprozessen sozial codiert. So erscheint es für den kommunikativen Anschluss entscheidend, dass Kinder im Hinblick auf andere Kinder positive Gefühle generieren und negative Gefühle ausschließen, um an sie als Mitteilungshandelnde anzuschließen. Laut Schleiffer ist für eine Anschlussoption vorrangig, inwiefern sich die Äußerungen der Kinder auf Freude hin-beobachten lassen (vgl. Kapitel  2.2.3). Ausgehend von der Beobachtung der kommunikativen Anschlüsse innerhalb der Interviews kann das Gefühl der Freude durch weitere positiv bewertete Unterscheidungen, wie das der Lust auf etwas oder der Bewertung als lustig, ergänzt werden. Folgende Äußerungen veranschaulichen diese Differenzierungen: Beispiel Jodok(a. B.) 00:02:14-2 Interviewerin: Und was gefällt dir gut an denen? 00:02:16-8 Jodok(a. B.): Das kann man nicht beschreiben. 00:02:17-7 Interviewerin: Kannst du nicht? 00:02:18-7 Jodok(a. B.): Nee. 00:02:19-7 Interviewerin: Nee? 00:02:21-1 Jodok(a. B.): Nee. 00:02:22-5 Interviewerin: Mhm. Was magst du an denen denn so gerne? 00:02:26-7 Jodok(a. B.): Kann man auch nicht beschreiben. Man kann an denen nichts beschreiben. Ich hab die einfach nur lieb. Mit denen hab / Die hab’n mir toll gefallen einfach. […] 00:08:05-8 Jodok(a. B.): Ich darf ah, überall mitmachen … Interviewerin: Ja? 00:08:11-4 00:08:12-7 Jodok(a. B.): … wenn ich Lust dazu hab. 00:08:13-9 Interviewerin: Ja? 00:08:14-4 Jodok(a. B.): Ja, ich darf überall mitmachen, wo ich will, wenn ich da Lust zu hab.

40 | An dieser Stelle wird die hohe Relevanz des Genderdiskurses auch für den Bereich der frühen Kindheit sehr deutlich und seine Bedeutung für die Auseinandersetzung mit inklusiven und exklusiven Prozessen. 41 | Die hier codierten und damit an dieser Stelle berücksichtigten Gefühle sind nur jene, die durch Äußerungen der wissenschaftlichen Beobachtung zugänglich wurden. Insofern bezieht sich die Prozentangabe nur auf einen sehr geringen Anteil der den psychischen Anschlussprozess beeinflussenden Differenzierungen (vgl. Kapitel 2.2.3).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Moritz 00:06:33-5 Interviewerin: Okay. Und gibt’s noch andere Sachen, die dich stören an Kindern? 00:06:35-6 Moritz: Nö. Oh, Paul mag ich auch gerne [schiebt ein Zeichen vom Rand zur Mitte]. 00:06:39-2 Interviewerin: Okay. Den kannst du noch dazulegen, wenn du möchtest. 00:06:41-7 Moritz: [Schiebt das Zeichen von Paul in die Mitte des Kreises.] 00:06:42-5 Interviewerin: Was gefällt dir an Paul denn gut? 00:06:43-6 Moritz: Paul? 00:06:44-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:06:46-6 Moritz: Ähm. Der ist (.), der ist immer lustig. Ich eigentlich auch [lacht]. 00:06:51-1 Interviewerin: Ja [lacht]. Und was ist an Paul lustig? 00:06:55-4 Moritz: [Richtet Blick auf Interviewerin.] Der erzählt immer was Witziges. 00:06:56-6 Interviewerin: Echt [nickt]? 00:06:58-3 Moritz: Der macht auch immer witzige Sachen. 00:06:59-5 Interviewerin: Okay. Gut. 00:07:02-0 Moritz: Fast wie bei Clemens. 00:07:03-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:07:05-2 Moritz: Der macht / Clemens macht keine witzigen Sachen, sondern der erzählt nur. 00:07:08-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. Und Paul, der MACHT witzige Sachen. 00:07:10-8 Moritz: [Nickt.] Zudem wurde als Anschlussoption bewertet, wenn Kinder das Empfinden negativer Gefühle im Anschluss an die Kommunikation mit bestimmten Kindern ausschließen. Hier ist folgendes Beispiel exemplarisch. Beispiel Jochen(a. B.) 00:07:06-5 Interviewerin: Die waren eben noch nicht dabei. 00:07:07-9 Jochen(a. B.): DIE- DIE- DIE mit den, DIE hab ich ja nur dazugelegt, weil die mich nichtnerven. Das- das, bedeutet das ja. [Richtet Blick auf die Kinderzeichen der beiden mittigen Reihen.] Hinsichtlich des Anschlusses an positive Gefühle beziehen sich die Kinder auf Kinder mit und ohne a. B. anteilig mit der gleichen Anzahl an Optionen (vgl. Grafi k 13 / 5.1.1). Grafik 13 / 5.1.1

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Die Deutung auf Gefühle soll hier im Zusammenhang mit der Differenz von Erleben und Handeln systemtheoretisch interpretiert werden. Erleben wurde in Kapitel  2.4 als die Möglichkeit eingeführt, dass sich das System Sinnbezüge selbst zurechnet, also als selbstreferenzieller Bezug. Handeln wurde als die Option dargestellt, einen sinnhaften Anschluss anderen zuzurechnen, Mitteilungshandelnde zu kreieren und darüber einen fremdreferenziellen Bezug zu generieren. Gefühle werden an dieser Stelle als Möglichkeit bewertet, dass auf Erleben hin-gedeutet wird. Im Vergleich machen sie (Freude und sonstige Gefühle) bei Kindern mit a. B. 16 % und bei Kindern ohne a. B. 10 % aller Sinngenerierungsoptionen der Sozialdimension aus (vgl. Grafi k 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Vor dem Hintergrund dieses Vergleichs wird erkennbar, dass Kinder mit a. B. Gefühle und damit Erleben als selbstreferenziellen Bezug im Anschluss an andere Kinder im Verhältnis deutlich differenzierter unterscheiden und vielfältiger bilden. Insofern werden sie im Kontext von Behinderung als besonders bedeutsam bewertet. Deutung auf anschlussfähige Problemkonstruktionen Wie in Kapitel 2.2.4 beschrieben, schließt Kommunikation systemtheoretisch betrachtet nicht ausschließlich am Konsens an. Als eine Anschlussoption wurde dargestellt, dem Dissens nachzugehen oder ihn markieren zu wollen. Auch ein Streit wurde in diesem Sinne in der Auswertung der Interviews als Anschlussoption gedeutet. Als letzter Code innerhalb der Subkategorie Sozialdimension sollen nun jene Anschlüsse interpretiert werden, die als anschlussfähige Problemkonstruktionen bewertet wurden. So geht es hier um die Beobachtung des Dissenses, der nicht zu einem Abbruch der Kommunikation führt. Erkenntnisreich ist an dieser Stelle, warum das nicht geschieht, was die Kommunikation am Laufen hält. Insofern soll hier interpretiert werden, worüber die Kommunikation noch anschließt, wenn sich Schwierigkeiten ergeben. Entsprechende Sinnverweise wurden zu 77 % am kommunikativen Anschluss der Kinder ohne a. B. und zu 23 % am kommunikativen Anschluss der Kinder mit a. B. (S22) ausgewertet. Sie machen dabei 9 % aller Sinnverweise der Sozialdimension der Kinder mit a. B. und 14 % der Kinder ohne a. B. aus (vgl. Grafi k 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Der jeweils anteilige Anschluss an Kinder mit und ohne a. B. von Kindern mit und ohne a. B. ist dabei als gleich zu bewerten (vgl. Grafi k 14 / 5.1.1 und 15 / 5.1.1). Grafik 14 / 5.1.1

Grafik 15 / 5.1.1

Im näheren Vergleich der einzelnen Sinnverweise wird erkennbar, dass Kinder sehr unterschiedliche Anschlussoptionen anbieten, problemwirksame Kommunikation »am Laufen« zu halten. Als eine Möglichkeit ist das Gegenanreden zu bewerten. Am Beispiel von Jodok(a. B.) zeigt sich, wie er dadurch den Anschluss an

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Fred trotz des hin-beobachteten Dissenses, der sich nach seiner Beobachtung an Fred ausflaggt, aufrechterhält. Beispiel Jodok(a. B.) 00:05:55-9 Interviewerin: Und wenn Fred sagt, er ist stärker? 00:06:01-5 Jodok(a. B.): Denn sag ich / Rede ich gegen an. 00:06:02-9 Interviewerin: Ja. Und dann? 00:06:04-6 Jodok(a. B.): (..) Redet er wieder gegen an und dann geht ein STREIT los. 00:06:11-1 Interviewerin: Ja. Und dann? 00:06:12-1 Jodok(a. B.): (4) Denn ist der Streit immer weiter. 00:06:17-4 Interviewerin: Mm. 00:06:18-4 Jodok(a. B.): Bis ER ENDLICH VERSTEHT, dass ICH stärker bin. Hier kann darauf gedeutet werden, dass Jodok(a. B.) grundsätzlich davon ausgeht, dass Fred verstehen kann, dass er stärker ist, auch wenn dieser das Gegenteil behauptet. So wird interpretiert, dass sich hier über die Zuschreibung entsprechender Eigenkomplexität sowie das beidseitige Interesse am gemeinsamen Thema die Kommunikation fortsetzt. Ähnliche problemwirksame Anschlüsse wurden innerhalb von ungeklärten Besitzverhältnissen über Fahrzeuge beobachtet oder wenn Kinder zeitgleich dasselbe Fahrzeug fahren wollten. Lars(a. B.) erhält eine problemwirksame Kommunikation dadurch aufrecht, dass er weitere Sinnbezüge herstellt und diese ergänzend der Kommunikation anbietet, sie also mit Komplexität anreichert. Beispiel Lars(a. B.) 00:08:49-7 Lars(a. B.): Weißt du was, manchmal überrede ich auch Leute. Zu Michi hab ich mal gesagt: »Ich schmeiß gleich deine Torwarthandschuhe zu den Delphinen rüber.« Ist er reingelaufen und stand an sein Fach [Lachen] und ich hab mir das Fahrzeug geschnappt und bin sofort weggefahren. 00:09:02-6 Interviewerin: Mhm. 00:09:03-4 Lars(a. B.): Dann ist er mir gleich noch hinterher. [Lachen.] 00:09:05-5 Interviewerin: Mm. Und dann? 00:09:07-6 Lars(a. B.): Bin ich einfach abgesprungen, ist das so weitergefah’n … 00:09:10-8 Interviewerin: Mhm. Lars(a. B.): … ja, und dann ist das so weiter [Lachen] GEFAH’N. 00:09:11-8 Interviewerin: Und dann hatte er das Fahrzeug wieder? 00:09:15-5 00:09:16-2 Lars(a. B.): NEIN. [Lachen.] 00:09:18-4 Interviewerin: Was ist dann passiert? 00:09:23-0 Lars(a. B.): Dann ist es auf einmal auf den Sportplatz aus Versehen. [Hält mit den Händen seinen Mund zu und zieht die Schultern hoch.] Da war’s nun. Dann hat es keiner von uns mehr bekommen. 00:09:26-7 Interviewerin: Oh [Lachen]. 00:09:29-7 Lars(a. B.): Aber denn hat’s mir gleich einer wiedergegeben und wieder los [Lachen]. 00:09:31-0 Interviewerin: Okay. 00:09:32-0 Lars(a. B.): [Lachen.] Witzig ne?

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Am Beispiel von Matthias(a. B.) lässt sich differenzieren, dass er sich als Entscheider der Situation beobachtet, als einer, der Sinndifferenzierungen bestimmen kann und darüber an problemwirksamer Kommunikation »dran bleibt«. Ebenso ist auch hier ein gemeinsames Thema erkennbar. Beide Kinder wollen mit Autos spielen und beobachten sich als solche, die hierzu Beiträge produzieren (vgl. Kapitel 2.2.4). Beispiel Matthias(a. B.) 00:05:33-0 Interviewerin: Worüber streitet ihr euch denn? 00:05:35-7 Matthias(a. B.): Über die Autos, die wir fahren wollen. Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:05:37-5 00:05:39-7 Matthias(a. B.): Er möchte gerne den Lamborghini fahren, ich möchte gern das Cabrio, und er will beide. 00:05:43-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und wie geht das dann weiter? 00:05:48-3 Matthias(a. B.): Dann haben wir gesagt: »Ich, du fährst den Lamborghini und ich fahr den Cabrio.« Als eine weitere Möglichkeit, bei einem Dissens anzuschließen, wurde körperlich aggressives Verhalten beobachtet. Im Rahmen der hier vorgenommenen Erhebung wurde diese Anschlussoption stärker an Kindern mit a. B. beobachtet als an Kindern ohne a. B. In Kapitel 5.2.1 wird deutlich, dass diese Form des Anschlusses im Rahmen vieler Interaktionssituationen zum Abbruch der Kommunikation führt. Hier soll darauf hingewiesen werden, dass körperlich aggressives Verhalten auch als Anschlussoption fungiert. Folgende Beispiele veranschaulichen einen solchen Verlauf: Beispiel Jodok(a. B.) 00:08:16-9 Interviewerin: Und sagen Kinder auch mal »Nein«? 00:08:17-7 Jodok(a. B.): Nee, dass dürfen sie nicht sagen, sonst REDE ICH GEGEN AN. 00:08:22-6 Interviewerin: Mm. 00:08:23-6 Jodok(a. B.): Oder ich, mh, hör einfach wenig darauf. 00:08:25-5 Interviewerin: Mm. Okay. Und was passiert dann, wenn die das sagen? 00:08:30-2 Jodok(a. B.): (..) Wenn die da ein Streit oder so machen, denn drück, dann mach ich die einfach, dann mach ich mich stark und bring die zum Weinen. Beispiel Faust(a. B.) (Transkription II) 00:04:06-5 Faust(a. B.): (7) Die kenn ich / die Kinder sagen, ich bin DOOF und das gefällt mir nicht so gut. Und ich bin doof und ich bin IMMER doof. Clemens hat mich gestern in die, ham mich gestern voll / voll mich wehgetan, ich hab ihn auch wehgetan und denn ham wir noch wehgetat [atmet tief ein]. Sowohl Jodok(a. B.) als auch Faust(a. B.) schildern Situationen, in denen sie an Äußerungen anderer Kinder körperlich anschließen und sich darüber auf den durch diese angebotenen Sinn beziehen. Inwiefern sich diese Form des Anschlusses im

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

weiteren Verlauf für die Beobachter ebenfalls als passend erweisen wird, bleibt offen. Als Letztes soll dargelegt werden, dass auch innerhalb problemwirksamer kommunikativer Anschlüsse, ähnlich wie durch die Beobachtung besonderer Adressenfragmente, Irritationen entstehen, die Strukturbildung anregen (vgl. Kapitel 2.5). Folgende Beispiele wurden in diesem Sinne gedeutet: Beispiel Anna Anna: Boris(a. B.) von den Schmetterlingen? 00:15:13-2 Interviewerin: Ne, kenn ich nicht so gut. Erzähl’ mal. 00:15:15-5 00:15:16-6 Anna: Ähm, der ist, ähm ganz, ganz frech. Also der beißt richtig, der sagt komische Sachen und so zu mir. 00:15:24-3 Interviewerin: Mhm. 00:15:26-8 Anna: Aber er ist ein Schulkind und das ist toll. Und wenn er ein Schulkind ist, müsste er eigentlich auch normal sein und, aber wenn ich mit Boris(a. B.) mal spiele, dann ist es eigentlich, kann ich einfach nicht böse werden. 00:15:40-0 Interviewerin: Mhm. 00:15:43-7 Anna: So ’n ganz bisschen kann ich böse werden. Interviewerin: Mhm, mhm. Erzähl mal, wie ist das dann so? 00:15:46-1 00:15:53-3 Anna: Das kann ich nicht genau beschreiben [richtet Blick auf die Kinderzeichen] … 00:15:54-8 Interviewerin: Mhm. 00:15:55-9 Anna: … ich kann einfach jetzt nur sagen, Boris(a. B.) ist ziemlich motzig und so. Interviewerin: Mhm, aber irgendwas gefällt dir auch gut an dem. 00:15:59-5 00:16:01-2 Anna: Ja. 00:16:03-4 Interviewerin: … hast du gerade gesagt, weil du nicht böse werden kannst. Oder wieso glaubst du, kannst du nicht böse werden? Anna: [Zieht die Schultern hoch.] Weiß nicht. Weil ich Jungs manch00:16:06-5 mal auch ganz schön nett finde, auch wenn sie motzig sind … 00:16:11-1 Interviewerin: Mhm. 00:16:13-2 Anna: … finde ich die manchmal auch ziemlich toll. Beispiel Mike 00:06:07-0 Mike: Manchmal frag ich die auch, warum die so ausflippen. 00:06:08-0 Interviewerin: Mm [nickt]. 00:06:11-9 Mike: Das würd’ mich gern interessieren. Interviewerin: Und was haben sie da gesagt? 00:06:13-1 00:06:14-8 Mike: Weiß ich nich. 00:06:16-4 Interviewerin: Du hast sie gefragt, ne? 00:06:17-7 Mike: Ja und / Sie- sie- sie- sie wissen es gar nicht [lacht]. ÄÄHHH. An den Beispielen von Anna und Mike wird erkennbar, wie trotz der als ungewöhnlich und zum Teil als unpassend beobachteten kommunikativen Angebote differenzierte soziale Sinngenerierung erfolgt. So differenziert Anna, dass sie Jungen toll findet, indem sie an sich beobachtet, dass sie auf Boris(a. B.) nicht böse

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

werden kann, obwohl sich dieser ihr gegenüber aggressiv und »motzig« verhält.42 Mike schließt an das als problemwirksam bewertete »Ausflippen« anderer Kinder darüber an, dass er sich die Frage stellt, warum sie dieses tun, wie sie ihre Sinnbezüge generieren. Folgender Interviewausschnitt von Konstanze veranschaulicht die Möglichkeit des Anschlusses ausgehend von der Beschreibung eines als problemwirksam bewerteten Eigenschaftsattributes. Beispiel Konstanze (Transkription I) Konstanze: Aber (..) trotzdem, Jodok(a. B.) meint, er wär stärker / stär00:17:10-8 ker als ne (..) Tornadowelle. 00:17:15-2 Interviewerin: Mm. 00:17:17-3 Konstanze: … [Schüttelt den Kopf.] Das glaub ich nicht. 00:17:18-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. Konstanze: Und dann hat er doch gesagt / Wollte / Hat sich so auf den 00:17:21-5 Tisch gestemmt [stützt Arme auf dem Stuhl ab], und und äh, wollte mir es beweisen. [Lacht.] 00:17:27-4 Interviewerin: Mm. Und dann? 00:17:30-1 Konstanze: Denn, dann hat er gesagt: »Ich zeig dir gleich, das ich Lene [Erzieherin] hochheben kann.« (.) Dann wollte er Lene vom Stu / Stuhl runterschieben, aber es hat [schüttelt den Kopf] ihn nicht gelungen. 00:17:38-7 Interviewerin: Mm. Hat er nicht geschafft. Mm. 00:17:41-5 Konstanze: Nö. Dann ist Lene aufgestanden und dann hat sie gesagt: »Okay, versuch mal.« Und Jodok(a. B.) hat nicht hingekriegt. [Lacht.] Interviewerin: Und dann? 00:17:47-8 00:17:50-3 Konstanze: Dann sag ich: »Siehst du, Jodok(a. B.). Also, wenn du nicht mal Lene hochheben kannst, kannst du auch nicht stärker als ne Tornadowelle sein.« 00:17:55-1 Interviewerin: Mm. [Nicht zustimmend.] 00:17:57-5 Konstanze: Und dann sagt er: »Kann ich wohl!« Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:17:59-2 00:18:01-6 Konstanze: Dann sag ich: »Upps, äh, (..) ich, äh, geh mal schnell lieber.« 00:18:04-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:18:05-8 Konstanze: Und denn bin ich weggerast. 00:18:06-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und hast du ihm das geglaubt oder hast du ihm das nicht geglaubt? 00:18:09-7 Konstanze: Nein. (..) Wenn der nicht mal Lene hochheben kann, kann er auch nicht stärker als ne Tornadowelle sein. »Nur wenn sich Dissens als Realität oder als Möglichkeit abzeichnet, hat man Anlaß, den Doppelhorizont des Sozialen als im Moment besonders wichtige Ori42 | Die Äußerungen von Anna lassen sich auch als Beobachtungen auf der Beobachtungsebene zweiter Ordnung deuten, da sie hier ihre Unterscheidungen in Bezug auf Jungen beobachtet und dabei diesbezüglich verschiedene Möglichkeiten thematisiert. In Kapitel 5.4 wird auf diese Ebene des Beobachtens hin-gedeutet.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

entierungsdimension einzuschalten […]« (Luhmann 1991, 121). Versucht man, die Interviewszene im Sinne dieses Gedankens zu interpretieren, so kann behauptet werden, dass möglicherweise erst durch die Irritation, die über den kommunikativen Anschluss von Jodok(a. B.) erfolgt, Konstanze konstruiert, was als allgemein gültig gilt und welchen Bestand es hat. Die Äußerungen von Konstanze machen sichtbar, dass sie in der Interaktion mit Jodok(a. B.) im besonderen Maße herausgefordert ist zu prüfen, ob sie sich weiter auf ihre bisherige Einschätzung zur möglichen Körperkraft von Kindern beziehen will oder ob ihr die Berücksichtigung anderer physischer Potentiale zukünftig funktionaler erscheint. Ihre kommunikativen Anschlüsse können als Auseinandersetzung mit Kontingenz interpretiert werden. So lässt sich zusammenfassen, dass Problemkonstruktionen, an die noch ein Anschluss erfolgt und die nicht zu einem Abbruch der Kommunikation führen, potentielle Anschlussmöglichkeiten erweitern und Sinngenerierungsprozesse unterstützen. Sie differenzieren das Bewusstsein und die Herausbildung von Individualität optional, irritablen Adressenfragmenten und unerwartetem Verhalten vergleichbar (s. o.). So kann sich auch Mike dadurch als einer konstruieren, der nicht »ausflippt«, da er sein Verhalten zu dem der anderen Kinder in Beziehung setzt, oder Anna lernt zu erkennen, was ihr an Jungen richtig gut gefällt, da sie sie dennoch mag, obwohl sie sich ihr gegenüber »motzig« verhalten. Deutung auf das Adressenfragment Behinderung In den vorausgegangenen Interpretationen und über die Grafiken 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1 wird deutlich, dass im Rahmen der Anschlussoptionen das Adressenfragment Behinderung nicht über Äußerungen der Kinder differenziert wurde. Sowohl in Bezug auf nicht bewertete Adressenfragmente als auch im Rahmen der Rollenzuschreibungen und anschlussfähigen Problemkonstruktionen wird der Begriff Behinderung von ihnen nicht unterschieden. In Kapitel 5.5 erfolgen über die bisherigen Ausführungen hinausgehende Deutungen. Deutung des Codes »Sonstiges« Unter dem Code »Sonstiges« wurden 10 % bei Kindern mit a. B. und 3 % bei Kindern ohne a. B. aller Sinnverweise der Sozialdimension verschlüsselt (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1). Wie bereits unter der Deutung auf als relevante Person markierte Kinder dargestellt, wurde hier verschlüsselt, dass Kinder mit und ohne a. B. verschieden viele unterschiedliche Präferenzen haben, Kinder als Mitteilungshandelnde zu erkennen, und dadurch für sie anders priorisierte Auswahloptionen entstehen. Dass sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne a. B. zum Teil nicht differenzieren, warum sie ein Kind als Mitteilungshandelnden unterscheiden, an das sie potentiell anschließen, wurde darüber hinaus an dieser Stelle verschlüsselt. Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Sozialdimension hinsichtlich der Fragestellung, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde differenzieren und an sie kommunikativ anschließen Bei der Betrachtung der Sozialdimension von Sinn wurde deutlich, dass Kinder mit und ohne a. B. in Bezug auf die Anzahl der Kinder, die sie als Mitteilungshandelnde erkennen und namentlich benennen, die gleiche Menge an Auswahloptionen differenzieren. Überdies schließen beide Kindergruppen am vielfältigsten

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

über Personenzuschreibungen und weniger facettenreich über Rollenzuschreibungen aneinander an. Auf kein Passungsverhältnis sowohl für Kinder mit als auch für Kinder ohne a. B. wurde in Bezug auf die Rolle des Behinderten hin-gedeutet. Hingegen wurde der Bezug auf die Rollen Jungen / Mädchen für beide Kindergruppen im besonderen Maße als anschlussfähig beobachtet. Ebenso zeigten sowohl Kinder mit a. B. als auch Kinder ohne a. B. in Bezug auf Personenzuschreibungen die vielschichtigste kommunikative Zuwendung hinsichtlich gemeinsamer Tätigkeiten. Hier Kinder als ausreichend eigenkomplex wahrzunehmen, wurde für den kommunikativen Anschluss sowohl der Kinder mit a. B. als auch für den der Kinder ohne a. B. als wesentlich differenziert. Als entscheidend für das Erkennen von Kindern als Mitteilungshandelnde bestätigte sich die in Kapitel 2.2.4 eingeführte grundlegende Selektion der Kommunikation »Ja / Nein«. Überdies wurde in diesem Zusammenhang auf die Differenz Wissen / Nichtwissen als Anschlussoption gedeutet. Als voneinander abweichend wurden Sinnverweise in Bezug auf Personenzuschreibungen beobachtet. Kinder mit a. B. bezogen sich mannigfacher auf konkrete Verhaltensattribute, Kinder ohne a. B. hingegen breiter auf verallgemeinerbare Eigenschaftsattribute, personenbezogene Adressenfragmente, Rollenzuschreibungen und anschlussfähige Problemkonstruktionen. Davon ausgehend wurde interpretiert, dass Kinder ohne a. B. Sinnverweise stärker kategorisieren und sich kommunikativ eher durch Strukturen anregen lassen, die vom Erwartbaren abweichen, als Kinder mit a. B. Für beide Deutungspräferenzen wurde als wesentlich die systemtheoretische Position bestätigt, dass ein sinnbezogener Anschluss vom Beobachter konstruierbar ist, um Kinder als Mitteilungshandelnde zu diskriminieren. Überdies ließen die gedeuteten Sinnverweise sichtbar werden, dass das als anders Deklarierte hier als Anschlussoption Irritationen ermöglicht, die ein Management von Komplexität anregen und Beobachtungsoptionen erweitern. An dieser Stelle wurde auf die Relevanz einer als passend bewerteten Kombination zwischen Selbst- und Fremdreferenz gedeutet. Außerdem zeigten sich Differenzierungsoptionen über die Unterscheidung Ego / A lter Ego. Zu ergänzen ist, dass Kinder mit a. B. variationsreicher Sinn über Gefühlsäußerungen generieren als Kinder ohne a. B., im Vergleich zu ihrer jeweiligen Gesamtverteilung aller Sinnverweise der Sozialdimension. Vor dem Hintergrund der systemtheoretischen Differenz Erleben / Handeln wurde diesbezüglich interpretiert, dass im Kontext von Behinderung der selbstreferenzielle Bezug besonders strukturreich Anschlussoptionen ermöglicht. Als Nächstes wird sich nun der Sinndimension zugewandt, die nach der Sozialdimension am facettenreichsten verschlüsselt wurde, der Sachdimension von Sinn.

5.1.2 Anschlussoptionen an die Sachdimension von Sinn Nach der Darstellung des Bezugspunktes der Kommunikation erfolgen hier Interpretationsvorschläge zum Zweck der Kontakte (vgl. Luhmann 2008, 22). Worum geht es? Wonach richtet sich die Kommunikation aus? Wie vielfältig stellen sich Bezüge auf die Sachdimension als Strukturen für potentielle Anschlussmöglichkeiten dar? Und inwiefern unterscheiden sich hier die Anschlussoptionen der Kinder mit und ohne a. B.? In der Sachdimension von Sinn wird schwerpunktmäßig auf den fremdreferenziellen Aspekt der Kommunikation gedeutet (vgl. Kapitel 2.2.2).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Als Sachdimension wurden 25 % aller Sinnverweise im Rahmen von Anschlussoptionen verschlüsselt (vgl. Grafi k 3 / 5.1). Wird ergänzend ein Vergleich zwischen Kindern mit und ohne a. B. angeführt, so wird deutlich, dass diese Verteilung des kommunikativen Anschlusses sich nur um 2 % bei Kindern mit zu Kindern ohne a. B. unterscheidet (bei Kindern mit a. B. zu 27 % und bei Kindern ohne a. B. zu 25 %) (vgl. Grafi k 4 / 5.1 und 5 / 5.1). Ein unmittelbarer Vergleich aller diesbezüglichen Sinnverweise zeigt eine Verteilung der Sinngenerierungsoptionen von 45 % von Kindern mit a. B. zu 55 % von Kindern ohne a. B. (vgl. Grafi k 1 / 5.1.2). Grafik 1 / 5.1.2

In der Beobachtung des kommunikativen Anschlusses der Kinder mit und ohne a. B. wird auch hier, ähnlich wie bei den Anschlussoptionen an die Sozialdimension von Sinn, erkennbar, dass der Anschluss an Kinder mit a. B. von Kindern mit a. B. und der Anschluss an Kinder ohne a. B. von Kindern ohne a. B. etwas mannigfaltiger gewählt wird (vgl. Grafi k 2 / 5.1.2 und 3 / 5.1.2). Grafik 2 / 5.1.2

Grafik 3 / 5.1.2

Durch die nur sehr leicht ungleiche Verteilung wird interpretierbar, dass es für beide Probandengruppen hinsichtlich ihrer fremdreferenziellen Bezüge funktional ist, auch über einen kommunikativen Anschluss irritiert zu werden, der der jeweils anderen Probandengruppe zuzuordnen ist.43 Um auch hier differenzieren zu können, worum es innerhalb der Anschlüsse an das frühkindliche Interaktionssystem geht, werden im Folgenden die einzelnen Sachverweise der Kinder mit und ohne a. B. nach ihrer inhaltlichen Ausrichtung unterschieden. 43 | Dieser Aspekt ist hier explizit dargestellt, da nicht allen Kindern mit a. B. in Bildungsinstitutionen ein kommunikativer Anschluss an Kinder ohne a. B. möglich ist. Gerade im Hinblick auf den einleitend dargestellten aktuellen Inklusionsdiskurs wird dieses Ergebnis als bedeutsam eingeschätzt. In diesem Zusammenhang scheint die räumliche Zusammenführung von Kindern mit und ohne a. B., wie sie der aktuelle Diskurs um Inklusion forciert, besonders relevant. In Kapitel 5.1.4 wird darauf näher eingegangen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 4 / 5 .1.2

Grafik 5 / 5 .1.2

Die Sinnverweise der Sachdimension sind über drei unterschiedliche Bereiche strukturiert: den Bezug auf Spielformen, den Bezug auf den Alltag und den Bezug auf Sonstiges. Der Bereich der Spielformen fasst die Codes Sensomotorisches Spiel, Konstruktionsspiel, Als-ob-Spiel, Rollenspiel und Regelspiel zusammen. Hinsichtlich der Breite der Anschlussoptionen dieser drei Bereiche zeigen sich weitestgehend Übereinstimmungen bei den Kindern mit und ohne a. B. (vgl. Grafik 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Hier soll mit der Interpretation der Ausrichtung auf Spielformen begonnen werden, bevor sich den anderen Codes zugewandt wird. Deutung auf die Spielformen Der Bezug auf Spielformen macht 50 % bei den Kindern mit a. B. und 48 % bei den Kindern ohne a. B. innerhalb der Sinnverweise der Sachdimension aus (vgl. Grafik 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Als besonders variationsreich wurden das Rollenspiel und das Als-ob-Spiel verschlüsselt. Diese werden zunächst interpretiert, im Anschluss daran die anderen Formen des Spiels. Bezug auf Rollen- und Als-ob-Spiel Wie aus den Grafiken 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2 deutlich wird, wurden die Sinnverweise der Kinder mit a. B. facettenreicher auf das Als-ob-Spiel hin ausgewertet und die der Kinder ohne a. B. auf das Rollenspiel hin. Folgende zwei Beispiele von Alsob-Spielen (das Beispiel Carl(a. B.) und Beispiel Tom(a. B.)) und das Beispiel eines Rollenspiels (Beispiel von Martin) veranschaulichen entsprechend gedeutete Anschlussoptionen: Beispiel Carl(a. B.) 00:01:14-6 Interviewerin: Mit Boris(a. B.) und Andreas(a. B.) machst du gerne was zusammen? Und, Carl(a. B.), was gefällt dir gut daran, wenn du mit denen was zusammen machst? 00:01:22-0 Carl(a. B.): Also irgendwie was ha-ha-ha- sch-sch, mit sch-, mit-mitmit Eisenbahn. 00:01:30-6 Interviewerin: Mit EISENBAHN? 00:01:34-6 Carl(a. B.): Ja. 00:01:35-7 Interviewerin: Mhm. Und was gefällt dir da gut?

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:01:43-3

Carl(a. B.): Mit ein-eine, ich spiel gerne mit den, na mit, mit ein Turm.

Beispiel Tom(a. B.) 00:06:26-2 Interviewerin: Ja, [nickt] und mit Andreas(a. B.). Was spielst du mit Andreas(a. B.) gern? 00:06:32-0 Tom(a. B.): Mit dem Auto, mit dem Boot und mit dem Motorrad. 00:06:35-5 Interviewerin: Okay. Super. 00:06:40-4 Tom(a. B.): Und Asmus(a. B.) … Interviewerin: Und Asmus(a. B.)? 00:06:41-4 00:06:44-0 Tom(a. B.): Ja. 00:06:45-0 Interviewerin: Was spielst du gern mit Asmus(a. B.)? 00:06:49-6 Tom(a. B.): Auto. 00:06:50-1 Interviewerin: Auch Auto? Tom(a. B.): Mit dem Regenschirm … 00:06:51-3 00:06:52-5 Interviewerin: Ja. 00:06:53-5 Tom(a. B.): … und mit dem (..) mit dem Boot. [Richtet Blick auf Interviewerin.] Beispiel Martin 00:04:31-7 Martin: Dann interessiert mich das immer, wer der Chef sein soll. Und das interessiert mich dann immer, dass ein anderer der Chef ist. Und das interessiert mich dann. 00:04:43-5 Interviewerin: Was interessiert dich, bitte? Sag das noch mal. 00:04:45-9 Martin: Dass, wer der Chef sein soll. 00:04:47-5 Interviewerin: Wer der Chef sein soll? 00:04:50-0 Martin: Ja. Interviewerin: Mhm [nickt]. Das interessiert dich? 00:04:51-0 00:04:53-0 Martin: Ja, ’n bisschen. 00:04:54-4 Interviewerin: Und wie regelt ihr das dann? 00:04:58-1 Martin: Also (..), einfach wie es gehen soll. Prrr. [Atmet tief aus.] 00:05:00-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. Wie das so gehen soll, wer der Chef ist? 00:05:03-5 Martin: Mm. 00:05:04-5 Interviewerin: Und was gefällt dir gut? 00:05:07-4 Martin: Mm. Piraten. 00:05:09-3 Interviewerin: Nee, beim Chef-Sein. Möchtest du Chef sein oder nicht so gerne? 00:05:13-4 Martin: Doch, Chef sein so gerne. Interviewerin: Du möchtest so gerne Chef sein. 00:05:14-4 00:05:15-6 Martin: Ja. Das hab ich doch gesagt. Bei Piraten möchte ich gerne der Chef sein. 00:05:21-2 Interviewerin: Ach so [nickt]. Möchtest du immer gerne der Chef sein? 00:05:23-3 Martin: Mm. 00:05:24-3 Interviewerin: Oder möchtest / ist das auch manchmal anders? 00:05:27-5 Martin: Auch manchmal anders.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:05:28-8 00:05:34-4

Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und wie ist das dann? Wenn du nicht der Chef bist? Martin: Gar nicht gut.

In den drei Beispielen lässt sich ausgehend vom kommunikativen Anschluss auf eine unterschiedlich komplexe Ausgestaltung des Fiktionsspiels der Kinder mit und ohne a. B. deuten. Im Kontext inklusiver Prozesse ist relevant, inwiefern sie dennoch über die verschiedenen Spielformen aneinander anschließen. Orientiert an der Auswertung zeigt sich diesbezüglich folgende Verteilung: Grafik 6 / 5.1.2

Grafik 7 / 5.1.2

So wird erkennbar: Sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne a. B. werden dominant in Bezug auf die Spielform genannt, die sie selbst variationsreicher generieren (vgl. Grafi k 6 / 5.1.2 und 7 / 5.1.2). Exemplarisch für einen solchen Sachverweis auf die gleiche Spielform ist das folgende Beispiel von Anna: Beispiel Anna 00:02:57-5 Anna: Ähm, bei Sabine, hab ich ähm, (..), da hab ich äh, mit Sabine hab ich, ähm mal allein im Nebenraum gespielt und daran hat mir gut gefallen, ähm dass ähm, wir da immer so gespielt hab’n mit Kuscheltieren. 00:03:19-2 Interviewerin: Mhm. Und wieso hat dir das gut gefallen? 00:03:23-5 Anna: Weil, ähm da auch, ähm, weil wir gespielt hab’n, ein Schwein ist zum Beispiel ein Hund … 00:03:32-3 Interviewerin: Ja [lächelt und nickt]. 00:03:34-2 Anna: … oder zum Beispiel ’ne Katze ist ’ne Kaninchen. 00:03:36-5 Interviewerin: Okay [lacht]. 00:03:40-4 Anna: [Lacht.] 00:03:42-4 Interviewerin: Und das ging mit Sabine ganz gut. 00:03:44-4 Anna: Ja. 00:03:46-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und gab es noch was? 00:03:47-4 Anna: [Schüttelt verneinend den Kopf.] Mm-Mm. 00:03:49-3 Interviewerin: Okay. Und die anderen Kinder? 00:03:50-9 Anna: [Richtet Blick auf die Kinderzeichen.] Mit Merle hab ich, ähm, ganz viel gespielt, zum Beispiel (.) Mutter-Vater-Kind oder wir sind ganz oft in die offenen Gruppen gegangen … 00:04:03-7 Interviewerin: Mhm 00:04:04-7 Anna: … oder wir haben, als wir zusammen gegessen haben, danach ganz viel gespielt …

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:04:10-5 00:04:11-5

Interviewerin: Mhm Anna: … zum Beispiel Ringreiten oder (.) noch weitere [lacht].

Über die Äußerungen von Anna lässt sich darauf deuten, dass die Sinnbezüge der Kinder, auf die sie sich hier bezieht, ebenso über die Rollenspielebene anschließen. Jedoch lässt sich anhand der Verteilung der Grafiken 6 / 5.1.2 und 7 / 5.1.2 auch erkennen, dass Kinder mit a. B. innerhalb des Rollenspiels an Kinder ohne a. B. zu 41 % anschließen und Kinder ohne a. B. an das Als-ob-Spiel der Kinder mit a. B. anteilig über ebenso vielschichtige Sinnverweise. Im Rahmen der weiteren Analyse inklusiver Prozesse soll nun in den Fokus der Betrachtung geraten, was genau einen Anschluss der Kommunikation aneinander innerhalb dieser Spielformen zwischen Kindern mit und ohne a. B. ermöglicht. An den Beispielen von Konstanze und Dana lässt sich exemplarisch verdeutlichen, inwiefern Kinder ohne a. B. bezüglich ihrer Rollenspiele Kinder mit a. B. als adressabel beobachten: Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:08:48-1 Konstanze: Weil Karsten(a. B.) ist furchtbar nett. 00:08:50-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und wieso ist der nett? 00:08:55-5 Konstanze: Weiß ich, weiß nicht so genau, warum der nett ist. Find ihn nett. 00:08:57-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Was findest du nett an ihm? 00:09:01-5 Konstanze: Ähm. Der (..) ähm ist so ’n guter HUND … 00:09:06-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:09:07-5 Konstanze: … wenn wir spielen. 00:09:08-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:09:10-0 Konstanze: Und mir macht es einfach nichts, wenn Kinder red / nicht reden können. Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:09:13-6 Beispiel Dana 00:07:47-7 Dana: Und mit Lars(a. B.) spiel ich Höhli. Interviewerin: Was spielst du mit ihm? 00:07:51-2 00:07:52-3 Dana: Höhli. 00:07:53-2 Interviewerin: Höhli? 00:07:54-7 Dana: Mm. 00:07:55-5 Interviewerin: Was ist das? 00:07:56-4 Dana: Lars(a. B.) ist Höhli und ich bin seine Prinzessin oder seine kleine Schwester. 00:08:02-9 Interviewerin: Ah ja. Okay. 00:08:06-6 Dana: Und, aber Lars(a. B.) ist dann aus Spaß ein Pferd. Ausgehend von dieser dargestellten Spielszene bleibt offen, mit welcher inhaltlichen Übereinstimmung Lars(a. B.) kommunikativ an das »Höhli-Spiel« anschließt. Wichtig erscheint hier für den kommunikativen Anschluss von Dana an Lars(a. B.), dass er sich aus ihrer Beobachtungsperspektive in die Rolle des Pferdes begibt. Lars(a. B.) muss für sie ausreichend psychische Eigenkomplexität repräsentieren, um die Rolle des Pferdes ausfüllen zu können. Vergleichbar bleibt offen, ob Karsten(a. B.) sich im Spiel mit Konstanze selbst in der Rolle des Hundes beob-

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

achtet, wenn an ihn als »Wau-Wau« angeschlossen wird. Aus Konstanzes Beobachtungsperspektive repräsentiert er ausreichend Passung, um für sie eine Synchronisation ihres aktuellen Sinnbezuges innerhalb des Rollenspiels herzustellen. Die Gestaltung der verschiedenen Rollen basiert möglichweise psychisch auf unterschiedlichen Vorstellungen von den Spielfiguren und der Choreographie. Ein sinnhafter Anschluss innerhalb dieser Spielszenen ist dadurch nicht ausgeschlossen. In Kapitel 2.2.4 wurde hinsichtlich des sozialen Systems entsprechend dargelegt, dass als das Besondere des systemtheoretischen Kommunikationsbegriffes zu bezeichnen ist, dass kommunikativ auch angeschlossen werden kann, wenn nicht bei allen die Kommunikation irritierenden psychischen Systemen das »gleiche« Verstehen gegeben ist (vgl. Kapitel  2.2.4). Über die Beobachtung dieser Spielsequenzen wird die operationale Geschlossenheit autopoietischer Systeme und die Systembezogenheit ihres Anschlusses sehr deutlich (vgl. Kapitel 2.1). So lässt sich als Deutungsvorschlag, ähnlich wie im vorhergehenden Kapitel 5.1.1 (in Bezug auf gemeinsame Tätigkeit im Rahmen der Deutung auf die Sozialdimension von Sinn) formulieren, dass eine Synchronisation hier sachbezogener Sinnbezüge innerhalb von Rollen- und Als-ob-Spielen nicht an Sinngenerierungsmöglichkeiten gebunden ist, die sich auf ein Spielniveau beziehen, auch wenn sich Kinder mit und ohne a. B. jeweils im Rahmen ihres Fiktionsspiels dominant aufeinander beziehen. Als wesentlich wird aus systemtheoretischer Perspektive bewertet, dass Kinder als Mitteilungshandelnde Sachbezüge anbieten, die für die aktuelle Ausrichtung des Beobachters als passend gelten. Bezug auf Konstruktionsspiele Auf Konstruktionsspiele beziehen sich Kinder ohne a. B. zu 15 % und Kinder mit a. B. zu 18 % (vgl. Grafik 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Die Kinder ohne a. B. schließen dabei zu 60 % an Kinder ohne a. B. und zu 40 % an Kinder mit a. B. an und Kinder mit a. B. zu 52 % an Kinder ohne a. B. und zu 48 % an Kinder mit a. B. (57:43). So zeigt sich hier insgesamt ein vielschichtiger Bezug auf Kinder ohne a. B. In der genaueren Beobachtung der Anschlüsse lassen sich zwei Ausrichtungen hinsichtlich dieser Spielform erkennen, die wesentlich erscheinen: Zum einen berichten Kinder vom Anschluss an andere Kinder über gemeinsames Konstruieren. Beispielhaft kann hier folgender Interviewausschnitt vorgestellt werden, in dem Heiko es als Anschlussoption beschreibt, gemeinsam mit Lego zu bauen: Beispiel Heiko 00:02:21-2 Interviewerin: Und was hat dir dabei besonders gut an den beiden Kindern gefallen [zeigt mit Finger auf die Zeichen der Kinder in der Kreismitte]? 00:02:23-0 Heiko: Zu spielen. 00:02:25-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Was konnten die denn gut? 00:02:34-1 Heiko: (..) Lars(a. B.) hat das Raumschiff mal gebaut und Michi hat mal (.) die / Ich und Michi haben denn mal (.) irgendwas anderes gebaut. 00:02:41-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und das war gut mit denen. 00:02:44-4 Heiko: Mhm [nickt]. 00:02:46-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und gab’s noch andere Sachen, die gut waren?

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:02:49-7 00:02:50-5 00:02:55-3

Heiko: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Interviewerin: Mhm [nickt]. Oder was dir besonders gut gefallen hat? Heiko: Das war nur Lego.

Zum anderen werden Konstruktionsspiele als Anschlussoption beobachtbar, indem sich Kinder zunächst nur auf das Material beziehen. Dieser Zugang wird durch folgende Äußerungen anschaulich: Beispiel Carl(a. B.) Interviewerin: Mhm. Und was gefällt dir noch gut? 00:01:35-7 00:01:43-3 Carl(a. B.): Mit ein-eine, ich spiel gerne mit den, na mit, mit ein Turm. Interviewerin: Ja. Und was noch? 00:01:46-1 00:01:51-8 Carl(a. B.): Ähm, ähm (…) mit harten Bauklötzen ein Fußballfeld. 00:02:02-0 Interviewerin: Mhm. Okay. 00:02:05-4 Carl(a. B.): Und mehr weiß ich nicht. Beispiel Jenny(a. B.) 00:06:25-3 Jenny(a. B.): [Unverständliche Antwort aus sechs Wörtern bestehend]. [Steht auf; räumt weitere Schilder in ihre Hand; ein weiteres Schild fällt vom Tisch und wird ebenfalls aufgehoben.] Ups, einer runter. [Drei unverständliche Wörter.] Und die mag ich. Die was malen. [Sammelt weitere Schilder in ihre Hand.] 00:06:40-5 Interviewerin: Die gerne was malen? 00:06:41-3 Jenny(a. B.): [Nickt.] Interviewerin: Die magst du auch? 00:06:45-2 00:06:46-2 Jenny(a. B.): Ja [nickt]. 00:06:47-8 Interviewerin: Wer malt denn was? 00:06:48-6 Jenny(a. B.): Ich. [Räumt die letzten Schilder auf einen Stapel und legt sie auf den Tisch.] Ich. [Nimmt sich die Blätter, welche als Pausenmaterial auf dem Tisch liegen.] Als eine weitere Möglichkeit des Anschlusses aneinander wurde beobachtet, dass Kinder sich bei dem, was sie konstruieren, gegenseitig beobachten können. Auch dazu zwei Beispiele: Beispiel Fee 00:02:16-3 Interviewerin: Mm. Okay. Und kannst du mir sagen, was dir an Emma besonders gut gefällt? 00:02:23-1 Fee: Mm. Die macht immer so selbstgemachte Ketten und das mag ich. 00:02:31-6 Interviewerin: Ja.(..) Und noch andere Sachen ? 00:02:34-1 Fee: Mhm [verneinend]. Beispiel Ronja (Transkription I) 00:01:41-7 Ronja: … geh’n wir auch (..). Also Lara [Erzieherin] schlägt auch mal was vor, wir können auch mal tuschen. 00:01:50-8 Interviewerin: Ja.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:01:51-4 00:01:52-1 00:01:55-3 00:01:57-0 00:01:58-5 00:01:59-0 00:01:59-9 00:02:02-1 00:02:03-4 00:02:04-3 00:02:06-0 00:02:06-8 00:02:14-8 00:02:15-6 00:02:19-0 00:02:25-0 00:02:26-0

Ronja: Ja. Und malen. Interviewerin: Ja. Und was fällt dir da / Was gefällt dir besonders gut? Ronja: Malen. [Lacht.] Interviewerin: Ja? Ronja: … und puzzeln. Interviewerin: Ja? Ronja: Mhm [nickt und lacht]. Interviewerin: Mhm [nickt und lacht]. Okay. Ronja: Ich liebe puzzeln im Moment immer. [Starkes Lachen.] Interviewerin: Echt? Ronja: Mhm [nickt und lacht]. Interviewerin: Echt [lacht]? Machst du das ganz viel? Mm. Okay. Und (..) mit welchem Kind kannst du das ganz besonders gut? Ronja: Malen oder … Interviewerin: Oder beides.? Ronja: (…) Eigentlich (..) finden alle, dass / A lso Monika und Laura, dass ich am schönsten malen kann [lächelt]. Interviewerin: Ja? Ronja: Ja und die Jungs finden, dass ich GANZ schön malen kann.

Am kommunikativen Anschluss von Ronja ist erkennbar, dass sich der Sinnverweis zunächst unabhängig von Kindern, sondern angeregt durch die Erzieherin auf ein Thema bezieht. Der Anschluss an andere Kinder ergibt sich hier darüber, dass diese als ihr Bild beobachtend und positiv bewertend wahrgenommen werden. Vergleichbar schließt Fee an Emma über Emmas Möglichkeiten an, besonders schöne Ketten herstellen zu können. Insofern ist auch ein Anschluss darüber möglich, dass Kinder einander bei der Herstellung ihrer Konstrukte beobachten. Als wesentlich zeigt sich dabei der thematische Bezug, der sich über die Konstrukte beobachten lässt. Im Vergleich zu den oben zitierten »selbstgemachten Ketten« und »schön gemalten Bildern«, die hier neben dem Basteln, Puzzeln und dem Bauen eines Reiterhofes dominant bei Mädchen beobachtet werden können, beziehen sich die Anschlüsse der Jungen vermehrt auf das Bauen von Fahrzeugen, Eisenbahnen, das Konstruieren mit Bauklötzen oder Buddeln von Löchern in den Sand. Über Heikos Äußerungen kann dieses veranschaulicht werden.44 Beispiel Heiko 00:00:52-0 Interviewerin: Mit Lego zu spielen auf jeden Fall. 00:00:53-6 Heiko: Mhm [nickt]. 00:01:01-2 Interviewerin: Das war gut. Mhm [nickt]. Und was habt ihr so mit Lego gemacht? 00:01:03-8 Heiko: Sachen gebaut. 00:01:04-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und was für Sachen so? 00:01:10-0 Heiko: Michi hat ’n Panzer gebaut. 00:01:11-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und noch? (..) Was noch so? 00:01:19-2 Heiko: Und ich hab aus dem Panzer was anderes gebaut. 44 | Auch an dieser Stelle zeigt sich, wie dominant der Genderaspekt sich innerhalb der optionalen Anschlüsse der Kinder auswirkt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:01:20-2 00:01:22-7 00:01:23-2 00:01:25-8 00:01:26-5 00:01:27-5 00:01:29-5 00:01:31-7 00:01:32-7 00:01:35-0

Interviewerin: Was denn? Heiko: ’N geileres Fahrzeug. Interviewerin: Was denn für eines? Heiko: Wo man an den Seiten sitzen kann. Interviewerin: Ja. Heiko: Und nicht in der Mitte. Interviewerin: Ja, okay. [Nickt.] Und (.) hatte das einen Namen, das Fahrzeug? Heiko: [Schüttelt verneinend den Kopf.] Interviewerin: Nicht. [Schüttelt den Kopf.] Das hast du dir selber ausgedacht? Heiko: Mhm [nickt].

Dass sich diese geschlechtsstereotyp erscheinende Ausrichtung jedoch nicht durchgängig hin-deuten lässt, zeigen folgende Äußerungen von Dana: Beispiel Dana Interviewerin: Ja [nickt]. Und kannst du mal so erzählen, was du mit 00:04:45-7 denen so zusammen machst? 00:04:52-0 Dana: Äh, (..) spielen und planschen und spazieren. 00:05:04-0 Interviewerin: Mm. 00:05:08-0 Dana: Und Fotos machen. 00:05:10-6 Interviewerin: Mm. 00:05:13-0 Dana: Und (.) auf ’n Baum klettern. Und ein Baumhaus bauen und sägen und (..) äh (..) trinken und (..) äh (..) mh mit Lego spielen und Karten machen. 00:05:42-5 Interviewerin: Mm. Erkenntnisreich wird sein, ob sich vergleichbare Differenzen zwischen Jungen und Mädchen auch innerhalb des Sachbezuges im Rahmen der Nicht-Anschlussoptionen deuten lassen. Wesentlich erscheint für Anschlussoptionen hinsichtlich konstruktiver Spiele, dass über sie relevante Themen der Kinder zum Ausdruck gebracht werden können. So wird auch hier, wie ebenfalls in Kapitel 5.1.1 ausgewertet, die besondere Bedeutung der in Kapitel 2.2.4 dargestellten Differenz von Thema und Beitrag erkennbar. Beiträge zu Themen werden hier konstruktiv angeboten. In diesem Zusammenhang wurde auch auf die Relevanz des Sich-PräsentierenKönnens hingewiesen. Als diesbezüglicher Deutungsvorschlag wird formuliert, dass es sowohl eine Anschlussoption darstellt, ein Produkt darbieten als auch ein solches anerkennen zu können. Dass hier mannigfaltiger von Kindern mit und ohne a. B. an Kinder ohne a. B. angeschlossen wird, deutet möglichweise darauf hin, dass Sinnbezüge für andere Kinder an ihren Konstruktionen leichter erkennbar sind als an denen der Kinder mit a. B. Es ist jedoch auch möglich, dass Kinder ohne a. B. mehr entsprechende Konstrukte herstellen und aufgrund dessen stärker im Fokus stehen. An sensomotorische Spiele, Regelspiele und Explorationsspiele schließt die beobachtete Kommunikation der Kinder mit und ohne a. B. nicht strukturreich an. Dennoch sollen als Nächstes jene Aspekte thematisiert werden, die im Sinne der Fragestellung bedeutsam erscheinen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Bezug auf Sensomotorisches Spiel Als Sensomotorisches Spiel wurden nur 5 % aller sachbezogenen Anschlussoptionen der Kinder ohne a. B. und 7 % der Kinder mit a. B. verschlüsselt (vgl. Grafik 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Beide Probandengruppen generieren dabei im unmittelbaren Vergleich die gleiche Anzahl an Optionen (S22). Hinsichtlich der Bezüge auf Kinder stellt sich die Verteilung als 38 % auf Kinder ohne a. B. zu 62 % auf Kinder mit a. B. dar (57:43) (S22). So wird deutlich, dass im Vergleich zu der Gesamtverteilung der Sachdimension von Sinn hier der Bezug auf Kinder mit a. B. vielfältiger ist (vgl. Grafik 2 / 5.1.2 und 3 / 5.1.2). Zwischen Kindern, die überwiegend auf der Ebene sensomotorischer Spiele anschließen, und sechsjährigen Kindern, die als normorientiert entwickelt beobachtet werden, lassen sich entwicklungspsychologisch betrachtet die größten Differenzen in Bezug auf diesbezügliche Sachverweise vermuten. Vor dem Hintergrund der Fragestellung soll näher differenziert werden, inwiefern sich dennoch ein kommunikativer Anschluss über Sensomotorisches Spiel gestalten kann. Folgende Interviewbeispiele skizzieren solche Möglichkeiten: Beispiel Merle 00:06:27-4 Merle: Mit Asmus(a. B.) spi- / Asmus(a. B.) äh, geb’ ich immer einen Regenschirm, weilähm, weil er spielt immer gerne mit mir und mit einen Regenschirm. 00:06:40-0 Interviewerin: Mhm. 00:06:41-0 Merle: … der dreht den immer so gerne. 00:06:42-2 Interviewerin: Mhm. Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:22:40-4 Interviewerin: Okay. Und dann seid ihr beide in der Hängematte. 00:22:42-7 Konstanze: Genau. 00:22:43-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und wie ist das dann so? 00:22:46-0 Konstanze: Das find ich toll. 00:22:47-4 Interviewerin: Mm. 00:22:49-8 Konstanze: Weil, dann kann ich mit Hansi(a. B.) zusammen schaukeln. 00:22:51-7 Interviewerin: Ja. 00:22:52-4 Konstanze: Lieder singen und fertig. Die Beispiele lassen sich dahingehend interpretieren, dass Kinder ohne a. B. an basale Spiele der Kinder mit a. B. anschließen und diese innerhalb des dargestellten Kontextes als Mitteilungshandelnde differenzieren. Asmus(a. B.) wird als einer beobachtet, der gern und kompetent den Schirm dreht und Hansi(a. B.) als einer, der schaukeln kann. Über die visuellen oder vestibulären Reize dieser sensomotorischen Angebote hinaus lassen sich jedoch sowohl bei Merle als auch bei Konstanze noch weitere Sinnbezüge erkennen. So teilt beispielsweise Merle mit, dass sie im Spiel mit dem Regenschirm eine helfende Funktion erfüllt und Konstanze, dass sie beim Schaukeln singt. Es wird hier deutlich, dass ihre Bezüge über die sensomotorischen Anschlüsse hinausgehen. Diesbezüglich erweiterte Anschlüsse von Asmus(a. B.) und Hansi(a. B.) bleiben an dieser Stelle offen. Vergleichbar mit dem oben dargelegten Deutungsversuch hinsichtlich der Anschlussoptionen an Rollen- und Als-ob-Spiele könnte auch hier interpretiert werden, dass durch die

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Möglichkeit, das Spiel anzureichern, also ergänzende Sinnbezüge zu konstruieren, ein Anschluss möglich wird. Dass Asmus(a. B.) und Hansi(a. B.) nicht als Mitteilungshandelnde beobachtet werden, die das Gleiche tun, scheint für die Anschlüsse von Merle und Konstanze an dieser Stelle nicht hinderlich. Darüber hinaus könnte sogar behauptet werden, dass vielleicht erst dadurch, dass Hansi(a. B.) und Asmus(a. B.) die beobachteten Sachbezüge anbieten, Merle und Konstanze sensomotorische Spiele in dieser Form wahrnehmen. Überdies ist es möglich, dass Merle erst über ihren Anschluss an das Sensomotorische Spiel von Asmus(a. B.) unterscheidet, dass es darum geht (als fremdreferenzieller Bezug), zu helfen. Konstanze erkennt ggf. in ihrem Bezug auf Hansis(a. B.) Schaukeln die Funktionalität des Vorsingens. An den hier skizzierten Beispielen wird erkennbar, dass gerade die Beobachtung der Verschiedenartigkeit der sinnhaften Anschlüsse dazu führt, dass erweiterte Sinnbezüge erfolgen. Werden diese Optionen im Zusammenhang mit der als polykontextural und polyeventuell verstandenen Umwelt gesehen, so halten unterschiedliche Anschlussmöglichkeiten Sinnangebote, die die Kinder beobachten können, als Erweiterung ihrer operativen Wahlmöglichkeiten und ihres Seins in der Welt bereit. (vgl. Kapitel 2.5).45 So wird interpretiert, dass die Möglichkeiten, Sachbezüge als sinnhaft zu differenzieren, sich erweitern, wenn Kindern Sinnverweise auf unterschiedlichen Spielniveaus (an dieser Stelle entwicklungspsychologisch beobachtet) angeboten werden. Bezug auf Regelspiele Als Anschlussoptionen im Kontext von Regelspielen wurden nur 5 % aller sachbezogenen Sinnverweise an Kindern ohne a. B. und 2 % an Kindern mit a. B. verschlüsselt (vgl. Grafik 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Der Vergleich des Bezugs auf Kinder mit und ohne a. B. macht einen leicht breiteren Anschluss an Kinder mit a. B. deutlich (Verschlüsselung: 42 % an Kinder ohne a. B. zu 58 % an Kinder mit a. B. (57:43) (S22)). Insofern erweist sich auch das Regelspiel als günstige Anschlussoption an Kinder mit a. B., insbesondere für Kinder ohne a. B. (vgl. Grafik 2 / 5.1.2 und 3 / 5.1.2). In der näheren Betrachtung lassen sich die Regelspiele differenzieren in Computer-, Ball-, Gesellschafts- und Kreisspiele. Auffällig ist auch hier, dass sich die themenbezogenen Ausrichtungen sehr geschlechtsspezifisch unterscheiden. Jungen schließen hier ausschließlich über Computer- und Ballspiele an. Hingegen lassen sich bei Mädchen auch Sinnverweise auf Gesellschafts- und Kreisspiele beobachten. Folgende exemplarische Äußerungen von Jan und Luisa(a. B.) verdeutlichen diese Ausrichtungen: Beispiel Jan 00:04:31-8 00:04:33-9 00:04:36-4 00:04:40-7 00:04:45-1

Interviewerin: [Zeigt auf Zeichen.] Das ist Lukka, hast du gesagt, ne? Jan: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] HINRICH(a. B.). Interviewerin: HINRICH(a. B.). Ach so, was gefällt dir an Hin­ rich(a. B.) gut? Jan: Mm. Mit dem kann man gut spiel’n, mit den hab ich auch Ball gespielt. Und das war’s. Interviewerin: Okay.

45 | Auch hier zeigen sich Parallelen zu den Deutungsangeboten des vorherigen Kapitels.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Beispiel Luisa(a. B.) 00:02:00-9 Interviewerin: Und was gefällt dir NOCH gut? 00:02:03-3 Luisa(a. B.): Mhm Pirat SPIELEN UND MORGENKREIS MACHEN und in den Wald gehen Beispiel. Bezug auf Explorationsspiele Im Rahmen des Explorationsspiels wurde nur ein Sinnverweis eines Kindes mit a. B. beobachtet. Auch wenn dieser Anschluss als Einzelverweis dasteht, kann über ihn auf Aspekte hin-gedeutet werden, die bisher unbenannt geblieben sind. Zunächst das Beispiel: Beispiel Faust(a. B.) (Transkription I) 00:04:22-1 Faust(a. B.): … weißt du was? 00:04:23-1 Interviewerin: Ja. 00:04:24-6 Faust(a. B.): Ich hab schon mal, bei Auto schon geschalt. 00:04:28-2 Interviewerin: Ja? Du hast schon mal (..) das Auto geschaltet? 00:04:32-2 Faust(a. B.): Nee, ein Bus. Der Bus. Interviewerin: Ja? 00:04:34-1 00:04:35-6 Faust(a. B.): Der Kitabus. 00:04:36-2 Interviewerin: Du hast mal den Kitabus geschaltet? 00:04:39-6 Faust(a. B.): Ja. 00:04:40-0 Interviewerin: Okay. 00:04:41-8 Faust(a. B.): Und ich ich bin ein ganz guter Schalter. 00:04:45-4 Interviewerin: Mm. 00:04:46-0 Faust(a. B.): Weißt du warum? 00:04:47-5 Interviewerin: Warum? 00:04:49-9 Faust(a. B.): Weil … [Faust(a. B.) flüstert Interviewerin etwas ins Ohr. Mehrere Wörter unverständlich.] Interviewerin: Ja? Martin ist ein guter Schalter mit dir? [Flüsternd.] 00:05:15-4 00:05:16-6 Faust(a. B.): [Nickt.] 00:05:17-3 Interviewerin: Ja? Durfte der auch schon mal schalten? [Flüsternd.] 00:05:21-8 Faust(a. B.): [Nickt.] 00:05:22-6 Interviewerin: Echt? Wow. [Flüsternd.] Über die Äußerungen von Faust(a. B.) lässt sich erkennen, dass es im Rahmen des Sachbezuges wesentlich ist, dass es um etwas geht, was als bedeutsam und wirkmächtig eingeordnet und ebenso von anderen beobachtet wird. In Kapitel 2.6.1 wurde dargestellt, dass es bei der Herstellung von Inklusion darum geht, als jemand in Betracht zu kommen, der zählt. Einen KiTa-Bus zu schalten und dieses Erlebnis mit einem anderen Kind zu teilen, wird hier in diesem Sinne interpretiert. Hier geht es um etwas, was über Faust(a. B.) hinaus von Bedeutung ist und insofern von anderen als kommunikativ relevant bewertet werden kann. Indem Faust(a. B.) hier entsprechend anschließt, wird er zu einem kommunikativ Relevanten. Deutung des Codes »Sonstiges« Als am zweithäufigsten verschlüsselter Code innerhalb der Subkategorie Sachdimension sind unter »Sonstiges« all jene Sinnverweise aufgeführt, die sich nicht auf Spielformen oder den Alltag beziehen. Diesbezüglich wurden je 42 % entspre-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

chender Anschlussoptionen bei Kindern mit und 43 % bei Kindern ohne a. B. beobachtet (vgl. Grafi k 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Hinsichtlich der Bezüge auf Kinder zeigt sich folgende Verteilung: Grafik 8 / 5.1.2

Grafik 9 / 5.1.2

Die Grafi ken 8 / 5.1.2 und 9 / 5.1.2 stellen dar, dass sowohl von Kindern mit a. B. als auch von Kindern ohne a. B. Kinder ohne a. B. anteilig im gleichen Verhältnis leicht variabler verschlüsselt wurden. In der Betrachtung aller diesbezüglichen Sinnverweise zeigt sich, dass hier zum einen sehr facettenreiche Sachbezüge beobachtbar werden und zum anderen sich auf das »Spielen« im Allgemeinen bezogen wird. Zunächst zur erstgenannten Option dieses Codes.46 An Kindern mit a. B. zeigen sich Sinnverweise, die als Demonstrationsmöglichkeiten für körperliche Stärke und Macht (16 Sinnverweise), als Bezug auf das Fahren von Fahrzeugen auf dem Außengelände (8 Sinnverweise) und als Bewegungsspiele (5 Sinnverweise) gedeutet werden. Darüber hinaus beziehen sich einzelne Sinnverweise darauf, etwas abgeben zu können, Themen des Vaters aufzugreifen oder Ausflüge in den Wald zu unternehmen. Bei Kindern ohne a. B. stellen sich variationsreichere Anschlussoptionen an Bewegungsspiele und Spiele auf dem Außengelände der Einrichtung (23 Sinnverweise) dar. Sehr breit wird an das Spielen im Nebenraum angeschlossen (12 Sinnverweise). Hier verweisen nur drei kommunikative Anschlüsse auf einen Bezug auf körperliche Kraft- oder Machtdemonstrationsmöglichkeiten. Über Einzelverweise beziehen sich diese Kinder darüber hinaus auf Bilderbuchbetrachtungen, Körperlängen, Haarfarben, Feste und darauf, etwas »Überraschendes« zu erleben. Durch die unterschiedlichen Sinnverweise wird erkennbar, wie hochgradig spezifisch der Fokus des Beobachters sein kann, fremdreferenzielle Bezüge als relevant zu unterscheiden. Beispielhaft für einen als sehr besonders bewerteten Sachbezug sind folgende Äußerungen von Jodok(a. B.): Beispiel Jodok(a. B.) 00:03:23-2 Interviewerin: Mhm. Mm. Und was machst du gerne in der KiTa, wenn du nicht hilfst? 00:03:28-7 Jodok(a. B.): [Richtet Blick auf die Kinderzeichen.] (5) Ähm, dann (..) frag-frag ich / Fred ist auch mein Fr- / Fred ist mein Freund. 00:03:42-6 Interviewerin: Ja. 00:03:43-6 Jodok(a. B.): … und dann frag ich Fred, ob (.) er (.) Lust / Er sagt immer, er ist stärker als ich, dabei bin ich stärker. Fühl mal meine harte 46 | Die diesbezüglichen Sinnverweise sind ausgezählt. Die ungleiche Probandenzahl wurde entsprechend nicht aneinander angeglichen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:03:58-2 00:03:59-2

00:04:09-2 00:04:10-7 00:04:11-9 00:04:12-9

00:04:30-1 00:04:32-9

Nuss [beugt seinen Arm, spannt seine Muskeln an und hält den Arm in Richtung Interviewerin]. Interviewerin: Oh ja. [Interviewerin fühlt Jodoks(a. B.) Muskeln.] Jodok(a. B.): Und ich bin stärker als Fred und er sagt immer (.), aber er äh, er sagt immer, er ist stärker [zeigt mit der linken Hand auf das Zeichen]. Aber, obwohl ich stärker bin, weil ich mal einen ganzen Tornado aufgehalten hab. Interviewerin: Mhm. Jodok(a. B.): Und (.) … Interviewerin: Mhm. Jodok(a. B.): … deswegen will ich, dass Fred (..) zugucken kann, wie gut, wie toll ich klettern kann. Ich bin / Ich wollte schon mal ab zu Abkürzung / Auf ’m Klettergerüst bin ich, einfach, obwohl da keine Matte vor lag, auf den Fenster gekrabbelt und denn da auf die Treppe rübergeklettert. Interviewerin: Mhm [nickt]. Jodok(a. B.): Ja.

Als zweitgenannte dominante Option wurden unter dem Code »Sonstiges« allgemeine Beschreibungen verschlüsselt. Sowohl Kinder mit a. B. (über 15 Sinnverweise) als auch Kinder ohne a. B. (über 18 Sinnverweise)47 schließen kommunikativ über entsprechende Äußerungen wie »zusammen spielen«, »Sachen zusammen machen« oder »spielen« an die Interviewfragen an. Diese Sinnverweise wurden unter »Sonstiges« verschlüsselt, da sie sich inhaltlich keiner Spielform oder keinem Alltagsbezug zuordnen lassen. Bei beiden Kindergruppen wurde dieser allgemeine Bezug neunmal als Mehrfachnennung verschlüsselt. Bei jedem Kind mit diesem Sinnverweis konkretisiert sich dieser jedoch im Verlauf des Interviews. Als wesentlich für diese Möglichkeit der Konkretisierung wird dabei das kommunikative Angebot in der Interviewsituation bewertet. Folgende Beispiele veranschaulichen dies: Beispiel Fee 00:03:10-6 Fee: Bei Franziska hat mir (.) gut gefallen, dass sie ähm immer mit mir gespielt hat. 00:03:18-6 Interviewerin: Ja. 00:03:20-9 Fee: Und dass wir auch mal zusammen bei IHR gespielt haben. 00:03:23-9 Interviewerin: Ja. Und was hat dir daran so gut gefallen? 00:03:29-2 Mm. Felicitas mag ich einfach … 00:03:32-6 Interviewerin: Mm. 00:03:33-2 Fee: … so gut. Interviewerin: Mm. Und was gefällt dir besonders gut an Felicitas? 00:03:35-1 00:03:42-1 Fee: Mm. Mm. Die Haarfarbe.

47 | Auch diese Sinnverweise sind ausgezählt. Entsprechend wurde auch bei diesen Angaben die ungleichen Probandenzahlen nicht einander angeglichen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Lars(a. B.) 00:03:40-9 Lars(a. B.): Mm, (.) mehr, mehr, mit mehr, mehr spiel, mit mehr’n spiel ich jetzt nicht. Das sind alle, mit denen ich spiel’. [Lars(a. B.) hat die Kinderzeichen der benannten Kinder aus dem Kreis genommen und vor sich gruppiert.] 00:03:49-4 Interviewerin: Mhm. Und kannst du mir das genauer sagen, warum du gerne mit denen spielst? Lars(a. B.): Weil ich sie einfach toll finde. 00:03:55-9 00:03:57-1 Interviewerin: Mm. (..) Und, was genau ist toll an denen? 00:04:06-0 Lars(a. B.): Dass die manchmal lachen über Witze von mir. Zum Beispiel: »Melvin, Melvin fährt mit ’ner Mülltonne über die Straße«, da lachen die sofort. [Lachen.] 00:04:12-7 Interviewerin: Okay. [Lachen.] 00:04:13-5 Lars(a. B.): Das ist ja auch witzig, ne? Interviewerin: Mm. 00:04:14-5 Beispiel Monique(a. B.) 00:02:19-5 Interviewerin: Mm. Okay [nickt]. Und kannst du mir sagen, was dir besonders gut gefallen hat, wenn du mit den Kindern was gemacht hast? 00:02:28-5 Monique(a. B.): Äm. Patrizia, Juli(a. B.), Katja(a. B.), Kirsten, Neo(a. B.). [Zeigt mit dem Finger auf die entsprechenden Zeichen.] 00:02:41-9 Interviewerin: Und was hat dir da besonders gut gefallen? 00:02:43-8 Monique(a. B.): Äm, ich hab mit Katja schon mal gemalt und mit Lasha(a. B.) schon mal bei mir gespielt und ich spiel am Freitag bei Lasha(a. B.) und das find ich auch schön [lächelt]. 00:02:59-3 Interviewerin: Mm. Mm. [Nickt.] Und was noch so? 00:03:05-0 Monique(a. B.): Ähm. Ich hab schon mal mit Lessy gemalt, mit Katja und Kirsten. Interviewerin: Mm (..). Und mit den anderen Kindern so? 00:03:13-9 00:03:17-9 Monique(a. B.): Ähm, mit Katha(a. B.) hab ich schon mal in der Puppenecke gespielt, da war auch Kirsten und Katja, durfte auch mitspielen. [Richtet Blick immer wieder auf die Zeichen der entsprechenden Kinder.] 00:03:30-0 Interviewerin: Mm. Als kleiner Exkurs innerhalb der Auswertung soll anhand dieser exemplarischen Beispiele darauf hingewiesen werden, dass die Frageformen aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung (vgl. Kapitel  4.1.3.3) hier zu einer Generierung weiterer Äußerungen in Bezug auf die Fragestellung geführt haben.48 Über diese Art des Nachfragens werden Sinnsysteme angeregt, das schon Unterschiedene darüber hinausgehend zu unterscheiden. »Denn man kann das, was man bezeichnet, identifizieren, indem man es immer wieder anderen Unterscheidungen aussetzt« (Luhmann 1997, 56). An verschiedenen Stellen der Arbeit 48 | Vergleichbare Anschlussoptionen sind auch in den anderen Kapiteln der Interpretation der empirischen Ergebnisse erkennbar. An dieser Stelle der Auswertung sind sie jedoch besonders gut zu veranschaulichen.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

wurden Auswahlmöglichkeiten schon als günstig für das Herstellen von Passung thematisiert. Hier wird deutlich, dass Kinder ihre Wahlmöglichkeiten über diese Form des kommunikativen Anschlusses erweitern. Da es bei diesen Anregungen jedoch um Anschlussoptionen an die Interviewerin geht, werden sie an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt, sondern erst in Kapitel 5.5 im Rahmen der Überlegungen zur (heilpädagogischen) Arbeit an der sozialen Adresse wieder aufgegriffen. Deutung auf Anschlüsse im Alltag Als Alltagsbezug werden Sinnverweise verstanden, die sich auf täglich wiederkehrende Abläufe oder Strukturelemente des Alltags beziehen wie beispielweise gemeinsame Mahlzeiten. Im Rahmen der Gesamtverteilung wurde er bei Kindern mit a. B. zu 8 % und bei Kindern ohne a. B. zu 9 % verschlüsselt (vgl. Grafi k 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2). Als Erkenntnisgewinn wird beurteilt, dass bei diesem Sinnbezug, im Vergleich zu allen anderen Verschlüsselungen der Sachdimension von Sinn, deutlich am facettenreichsten an Kinder mit a. B. angeschlossen wird, ausgehend von Kindern mit und ohne a. B. (vgl. Grafi k 10 / 5.1.2 und 11 / 5.1.2). Grafik 10 / 5.1.2

Grafik 11 / 5.1.2

So wird erkennbar, dass sich in Alltagssituationen Anschlussoptionen sowohl von Kindern mit als auch von Kindern ohne a. B. in Bezug auf Kinder mit a. B. variationsreicher hin-beobachten lassen als in Bezug auf andere Sachverweise. In der differenzierteren Beobachtung zeigt sich, dass sich sowohl die Anschlüsse der Kinder mit a. B. als auch die der Kinder ohne a. B. mannigfach darauf beziehen, Kindern helfen zu können. Bei Kindern mit a. B. geht es beispielsweise darum, einen Stift anzuspitzen, einen Korb zu reparieren oder einem anderen Kind beim Anziehen zu helfen. Kinder ohne a. B. thematisieren die Unterstützung von Kindern in Versorgungssituationen und die Hilfestellungen bei der Anpassung an Strukturen und Regeln der Gruppe. Die an ihnen hin-beobachtete Kommunikation bezieht sich beispielsweise auf das »Aufpassen« auf Kinder, ihnen etwas zu essen oder zu trinken zu geben, sie herumzuführen oder ihnen etwas zum Spielen anzubieten. Dazu ein Beispiel: Beispiel Talke 00:07:22-2 Interviewerin: Mm. Mm. Und machst du was mit denen zusammen? 00:07:27-2 Talke: Ja. 00:07:29-4 Interviewerin: Mm. Was denn so? 00:07:30-3 Talke: Mit Hansi(a. B.) schaukel ich in der Hängematte und Fanny(a. B.) fütter ich. 00:07:36-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und wie findest du das so? 00:07:39-9 Talke: Gut.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Darüber hinaus wird von Kindern Bezug genommen auf Orte der Begegnung im Alltag. Die Äußerungen von Konstanze und Merle verdeutlichen dies: Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:07:20-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und mit den andern Kindern, die nicht reden? 00:07:25-8 Konstanze: Mit Fanny(a. B.), ähm wenn, wenn Hansi(a. B.) mal wegläuft, lauf ich auch immer hinterher. 00:07:33-1 Interviewerin: Mm. 00:07:38-1 Konstanze: [Malt durchgehend weiter.] Mit Fanny(a. B.) ist das so, ähm, ich mag die einfach und (..) ich (.) ähm sitz ab und zu mal neben ihr und mag sie. […] 00:08:39-5 Interviewerin: Und bei Karsten(a. B.), sagst du, Karsten(a. B.) spricht auch nicht. (..) Hast du mit dem etwas zu tun? 00:08:44-2 Konstanze: Ja. (.) Ich sitz gerne neben ihm. 00:08:46-8 Interviewerin: Ja. 00:08:48-1 Konstanze: Weil Karsten(a. B.) ist furchtbar nett. Beispiel Merle 00:06:43-2 Merle: Und einmal draußen, ähm, hatte Melanie [Erzieherin] zu mir auch gesagt, dass ich auf Asmus(a. B.) aufpassen soll, weil er halt auf den Tisch gekrabbelt ist … 00:06:50-1 Interviewerin: Mhm. 00:06:53-1 Merle: … und er hatte sich da so kopf-rüber hingelegt und dass ich, dass er da nicht runterfällt. 00:07:00-2 Interviewerin: Mhm (..) Und wie hat dir das gefallen? 00:07:04-3 Merle: Gut. 00:07:06-2 Interviewerin: Mhm. Essen, am Tisch sitzen und nicht weglaufen dürfen sind allen Kindern bekannte Situationen oder auch Kontexte des Alltags, die dadurch Synchronisationen der Sinnverweise anregen. Diese Voraussetzung wird für den Anschluss an Kinder mit a. B. als besonders günstig bewertet. Abschließend bleibt zu ergänzen, dass sich einzelne Sinnverweise auf die private Umwelt von Kindern und gemeinsame Erlebnisse innerhalb dieser beziehen. So schließen beispielsweise mehrere Kinder an das gemeinsame Spielen im privaten Kinderzimmer oder an eine Übernachtung bei einem anderen Kind zuhause kommunikativ an. Davon ausgehend wird die Möglichkeit, Sachbezüge außerhalb der KiTa einzubeziehen, die von anderen Kindern als bedeutsam bewertet werden, als eine Erweiterung möglicher Anschlussoptionen an die Kommunikation innerhalb der KiTa interpretiert.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Sachdimension hinsichtlich der Fragestellung, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde differenzieren und an sie kommunikativ anschließen Bei der Betrachtung der Sachdimension von Sinn wurde deutlich, dass Kinder ohne a. B. im leichten Maße breiter sachbezogene Sinnverweise generieren als Kinder mit a. B. Diese Verteilung entspricht der Verteilung in Bezug auf alle Anschlussoptionen. Hinsichtlich des Bezugs auf Kinder wurde ausgewertet, dass Kinder mit a. B. sich sachbezogen leicht facettenreicher auf Kinder mit a. B. und Kinder ohne a. B. auf Kinder ohne a. B. beziehen. In der näheren Ausdifferenzierung der Sachverweise wurde eine vergleichbare Verteilung der Generierung der Sinnbezüge bei Kindern mit und ohne a. B. in Bezug auf Spielformen, den Alltag und allgemeine Beschreibungen von »zusammen spielen« erkennbar. Hinsichtlich des Bezugs auf Kinder wurde deutlich, dass an Kinder mit a. B. kommunikativ breiter in Bezug auf Als-ob-Spiele, Sensomotorisches Spiel, Regelspiele und über den Bezug auf den Alltag angeschlossen wird und an Kinder ohne a. B. in Bezug auf Rollenspiele und Konstruktionsspiele. Als besonders bedeutsam für inklusive Prozesse zwischen Kindern mit und ohne a. B. wurden Rollen-, Als-ob-Spiele und Situationen des Alltags gedeutet. Überdies zeigten sich geschlechtsspezifische Sachbezüge, ausgerichtet auf die gängigen Vorstellungen der Spielpräferenzen von Jungen und Mädchen, für Kinder mit und ohne a. B. als umfangreich anschlussfähig. Unter dem Code »Sonstiges« wurden sehr unterschiedliche Sachbezüge der Kinder mit und ohne a. B. erkennbar. Bei Kindern mit a. B. zeigten sich am facettenreichsten Demonstrationsmöglichkeiten für körperliche Stärke und Macht, bei Kinder ohne a. B. Anschlussoptionen an freie Bewegungsspiele und Spiele auf dem Außengelände der Einrichtung. Ausgehend von verschiedenen Äußerungen wurde beobachtbar, wie Anschlüsse aneinander trotz großer Entwicklungsdifferenzen möglich sind, beispielsweise über das Anerkennen von Bauwerken anderer, die Konfrontation mit besonderen Umgangsweisen mit Gegenständen (Drehen eines Schirms) oder das Ausführen verantwortlicher Tätigkeiten. So zeigte sich, dass Anschlussoptionen nicht daran gebunden sind, dass sich Beobachter (entwicklungspsychologisch gesehen) nach einem Spielniveau ausrichten, das heißt, dass nicht bei allen die Kommunikation irritierenden psychischen Systemen das »gleiche« Verstehen gegeben sein muss. In diesem Zusammenhang wurde auf eine Erweiterung der Möglichkeit gedeutet, Sinnverweise als sachbezogen sinnhaft zu unterscheiden, und ein Bezug zu der als polykontextural verstandenen Umwelt hergestellt. Als Voraussetzung für einen sinnhaften Anschluss wurde jedoch interpretiert, dass der Sachbezug als relevantes Thema vom Beobachter erkannt wird. Hier wurden ein Bezug zu der systemtheoretischen Differenz Thema / Beitrag erkennbar und die Relevanz des Sich-Präsentieren-Könnens bzw. des Erkennens-Könnens des anderen über seinen Beitrag (oder über sein Konstrukt) als jemanden, der zählt. Als besonders hilfreich, um entsprechende Unterscheidungen zu differenzieren, erwiesen sich Frageformen aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung.

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5.1.3 Anschlussoptionen an die Zeitdimension von Sinn Die Zeitdimension wurde hinsichtlich der Gesamtverteilung der Anschlussoptionen mit einem relativ geringen Anteil bei Kindern mit (zu 5 %) und bei Kindern ohne a. B. (zu 6 %) verschlüsselt (vgl. Grafi k 4 / 5.1 und 5 / 5.1). An dieser Stelle soll daran erinnert werden, dass die vorgestellten Prozentangaben stark zu relativieren sind, da alle Sinnverweise in einem Zeitbezug stehen (vgl. Kapitel 2.2.2 und 4.2.2.2). So zeigen sich hier im Auswertungsverfahren deutlich die begrenzten Möglichkeiten der Beobachtung der operativen Ausrichtung autopoietischer Systeme über diese wissenschaftliche Perspektive.49 In Bezug auf alle Zeitverweise stellen die Sinngenerierungsoptionen der Kinder mit a. B. anteilig 37 % und die der Kinder ohne a. B. 63 % dar (S22) (vgl. Grafi k 1 / 5.1.3). So wird wahrnehmbar, dass Kinder ohne a. B. vielfältiger Sinn über Bezüge auf die Zeit unterscheiden als Kinder mit a. B. und dieses Verhältnis im Vergleich zu der Sozial- und Sachdimension noch stärker differiert. Hinsichtlich der Anschlüsse an Kinder wird ebenso ein facettenreicherer Bezug auf Kinder ohne a. B. deutlich (vgl. Grafi k 2 / 5.1.3), entgegen der Gesamtverteilung (vgl. Grafi k 2 / 5.1). Wird weiter zwischen Kindern mit und ohne a. B. unterschieden, zeigt sich, dass Kinder mit a. B. zu 49 % an Kinder ohne a. B. und zu 51 % an Kinder mit a. B. und Kinder ohne a. B. zu 62 % an Kinder ohne a.B und zu 38 % an Kinder mit a. B. anschließen (57:43). So lässt sich interpretieren, dass besonders strukturreich Kinder ohne a. B. andere Kinder ohne a. B. in Bezug auf die Zeitdimension als passend bezeichnen. Kinder mit a. B. schließen hingegen diesbezüglich vergleichbar breit an beide Probandengruppen an. Grafik 1 / 5.1.3

Grafik 2 / 5.1.3

Auch hinsichtlich dieser Sinndimension soll näher betrachtet werden, wie sich diesbezüglicher Sinn generiert.50 Wie in Kapitel 4.2.2.2 vorgeschlagen, wird hier zwischen Zeitpunkten und Zeitspannen unterschieden. Dabei zeigt sich: 84 % al49 | In Kapitel 3.3 wurde dargelegt, worin jedoch die Vorteile dieser Erhebungsmethode gesehen werden und welche Beschränkungen über andere Erhebungsmethoden hinsichtlich der Fragestellung entstanden wären. Verwiesen werden kann vor diesem Hintergrund nur auf die Möglichkeit, jeweils über andere Forschungsdesigns das hier Ausgewertete gegenzubeobachten. 50 | Wie in Kapitel 5 einleitend erläutert, können nicht an jeder Stelle innerhalb der Auswertung alle Deutungsoption berücksichtigt werden. Hier wurde nach der Sichtung der Daten der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Beobachtung auf die Generierung zeitbezogener Sinnverweise gelegt.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

ler Bezüge auf die Zeit beziehen sich auf unterschiedene Zeitspannen, 16 % auf Zeitpunkte (S22). Diese Verteilung stellt sich bei Kindern mit und ohne a. B. ähnlich dar (vgl. Grafik 3 / 5.1.3 und 4 / 5.1.3). Die folgenden Ausführungen erläutern die jeweiligen Sinnverweise im Einzelnen. Grafik 3 / 5 .1.3

Grafik 4 / 5 .1.3

Deutung auf Zeitspannen In Kapitel 2.2.2 wurde zwischen der sogenannten »Sinnzeit« und der »Naturzeit« unterschieden. Die Sinnzeit wurde als nachträgliche Identifizierung eines Ereignisses durch die Zuschreibung von Sinn definiert, die sich auf der Zeitschiene über die rückbezügliche Beobachtung und Bewertung von Ereignissen zeigt. In Kapitel 4.2.2.2 wurde vorgeschlagen, u. a. über die Spielformen der Kinder auf die ihnen zugängliche Sinnzeit zu deuten. Diese Option wird als Erstes vorgestellt, bevor weitere Deutungen erfolgen. Bezug auf die Spiel-Sinnzeit Die Möglichkeit, über Spielformen relevante Sinnzeit zu interpretieren, wird im Auswertungsverfahren als Spiel-Sinnzeit bezeichnet (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Bei dieser Deutungsoption ragt heraus, dass im Rahmen der Interviews 18 Anschlüsse von Kindern mit und 20 Anschlüsse von Kindern ohne a. B. beobachtet wurden, die sich auf eine Spiel-Sinnzeit ab dem 12. Lebensmonat beziehen (S22). In diesem Sinne wurden Anschlüsse an Sensomotorisches Spiel, Als-ob-Spiel oder einfache Konstruktionsspiele verschlüsselt. Die meisten Spiel-Sinnzeitbezüge von Kindern mit und ohne a. B. erstrecken sich über diese Zeitspanne und schließen damit optional an Sinnbezüge an, die bis auf einen Spielentwicklungsstand von einjährigen Kindern zurückreichen. So wird interpretiert, dass sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne a. B. im Allgemeinen ein entsprechend breites Spektrum an Anschlussoptionen hinsichtlich der Spiel-Sinnzeit aufweisen. Die kommunikativen Anschlüsse einiger Kinder machen sichtbar, dass sie ihre Spiel-Sinnzeit über Themen differenzieren, indem sie bestimmte Themen der Vergangenheit zuordnen und damit bestimmt exkludieren, andere hingegen nicht. So äußert beispielsweise Jochen(a. B.), dass er nur an Star Wars anschließt. »Cars« und »Bob der Baumeister« sind für ihn nicht mehr kommunikativ relevant. Folgende seiner Äußerungen machen das deutlich: Beispiel Jochen(a. B.) 00:02:31-5 Interviewerin: Okay, und das gefällt dir besonders gut? 00:02:34-5 Jochen(a. B.): Ja.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:02:37-3 00:02:38-0 00:02:41-9 00:02:42-2

Interviewerin: Und gibt es noch was, was dir besonders gut gefällt? Jochen(a. B.): Was ich früher gut fande? Interviewerin: Mhm [nickt]. Jochen(a. B.): Cars und Bob. Aber jetzt find ich nur noch Star Wars (..), Papa hat uns davon was erzählt.

Insofern markieren ergänzend auch Themen Spiel-Sinnzeitbezüge, neben der Möglichkeit, diese über eine bestimmte Spielform auszudrücken. Überdies konnten partiell über die Spiel-Sinnzeit Sinnverweise beobachtet werden, die, entwicklungspsychologisch betrachtet, sich ausschließlich als Bezüge auf Sinn deuten lassen, die unter dem Lebensalter der Kinder liegen, an denen sie sich ausflaggen. So sind beispielsweise jene in Bezug auf das Fiktionsspiel, die sich an der 6 Jahre und 11 Monate alten Jenny(a. B.) differenzieren lassen, ausschließlich auf eine Spiel-Sinnzeit zu beziehen, die entwicklungspsychologisch Kindern bis zum ca. 4. Lebensjahr zugeschrieben werden. Ihr Spiel lässt sich als »Als-ob-Spiel« deuten, da es noch nicht alle Facetten eines Rollenspiels enthält. Beispiel Jenny(a. B.) 00:01:38-7 Interviewerin: Was spielst du so mit Andreas(a. B.), Jenny(a. B.)? 00:01:41-5 Jenny(a. B.): Puppenwagen. 00:01:42-6 Interviewerin: Mit ’m Puppenwagen? 00:01:44-2 Jenny(a. B.): [Nickt.] 00:01:44-9 Interviewerin: Und was noch so? 00:01:45-9 Jenny(a. B.): [Tippt mit dem Zeigefinger mehrere Male in schneller Folge auf Andreas’(a. B.) Zeichen.] (7) 00:01:53-7 Interviewerin: Mit ’m Puppenwagen [zeigt auf das Schild]. 00:01:56-5 Jenny(a. B.): Puppenwagen. 00:01:57-5 Interviewerin: Mm. Und (..) spielst du noch andere Sachen mit Andreas(a. B.)? 00:02:05-9 Jenny(a. B.): [Zeigt mit dem Zeigefinger auf Martins Zeichen und lacht.] 00:02:06-9 Interviewerin: Mit Martin spielst du noch? 00:02:07-9 Jenny(a. B.): [Nickt.] 00:02:08-8 Interviewerin: Was gefällt dir DA gut? 00:02:11-4 Jenny(a. B.): Weiß ich nicht [schaut auf den Fußboden, verschränkt die Arme vor dem Körper]. 00:02:14-8 Interviewerin: Was spielst du mit Martin? 00:02:17-3 Jenny(a. B.): Mit Puppenwagen. Solch ein hier exemplarisch an Jenny(a. B.) dargelegter eingeschränkter SpielSinnzeitbezug wurde am kommunikativen Anschluss der Kinder ohne a. B. nicht hin-beobachtet. Insofern lassen sich diesbezüglich weniger Wahlmöglichkeiten der Kinder mit a. B. im Vergleich zu denen der Kinder ohne a. B. interpretieren. Bezug auf weitere Sinnverweise im Kontext von Zeitspannen Ergänzend zur Spiel-Sinnzeit werden innerhalb dieser Subkategorie auch Sinnverweise erkennbar, die sich als konkrete Zeitspannen deuten lassen. So wird beispielsweise von Kindern mit und ohne a. B. Bezug genommen auf Kinder, die

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

seit einigen Wochen in der Schule sind oder die zukünftig gern Star Wars spielen wollen. Ein Kind ohne a. B. differenziert eine Zeitspanne von der Geburt bis zur Gegenwart. Die überwiegenden Verweise auf Zeitspannen beziehen sich jedoch auf allgemeine Angaben wie »dauerhaft« und »zeitweilig«.51 Folgende Äußerungen von Kindern ohne a. B. veranschaulichen diese Optionen beispielhaft: Beispiel Monika Monika: Mm. Weil (.) die so lieb ist. 00:01:59-7 00:02:02-0 Interviewerin: Mm [nickt]. Was heißt das denn, dass die so lieb ist? Was ist das? 00:02:04-7 Monika: Äh, (…) weil die immer mit mir (..) Vater-Mutter-Kind spielt und / und ganz viel. Am Beispiel von Monika wird deutlich, dass sie generieren kann, dass sie gerne dauerhaft (immer) Vater-Mutter-Kind spielen möchte. Ebenso äußert sich Martin: Beispiel Martin 00:01:56-2 Interviewerin: Und was gefällt dir da besonders gut? Martin: Mm. Dass wir immer andere ausrauben können. 00:01:58-9 00:02:02-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und was noch so? 00:02:06-7 Martin: Mm. Dass wir (.) dann (..) ähm abfeiern können. 00:02:13-5 Interviewerin: Mm. Und was noch so? 00:02:17-4 Martin: Sonst nichts mehr. […] 00:04:31-7 Martin: Dann interessiert mich das immer, wer der Chef sein soll. Und das interessiert mich dann immer, dass ein anderer der Chef ist. Und das interessiert mich dann. […] 00:05:21-2 Interviewerin: Ach so [nickt]. Möchtest du immer gerne der Chef sein? 00:05:23-3 Martin: Mm. 00:05:24-3 Interviewerin: Oder möchtest / ist das auch manchmal anders? 00:05:27-5 Martin: Auch manchmal anders. 00:05:28-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. (..) Und wie ist das dann? Wenn du nicht der Chef bist? 00:05:34-4 Martin: Gar nicht gut. Dieser positive Bezug auf »immer« lässt sich auch vor dem Hintergrund der Theoriefigur der doppelten Kontingenz deuten. In Kapitel 2.2.1 wurde dargestellt, dass sowohl der soziale als auch der psychische Anschluss bzw. Nicht-Anschluss nicht sicher gegeben ist und immer auch anders als erwartet beobachtet werden kann. Das bringt Herausforderungen mit sich, die der Beobachter bewältigen muss. Orientiert an Vogd wurde dargelegt, dass der Kontingenz über Zurechnungs- und Erwartungsmuster begegnet wird. Hier wird interpretierbar, dass, wenn etwas 51 | Die geringe Verschlüsselung dieser Subkategorie lässt sich auch darauf zurückführen, dass hier häufig Mehrfachnennungen wie beispielsweise »immer« beobachtbar sind und sie dadurch eine geringere Varianz aufweist.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Bestehendes als positiv beobachtet wird, ein erneuter Bezug darauf die mit der Kontingenz verbundenen Herausforderungen reduziert.52 Die als zeitweilig differenzierten Anschlussoptionen beziehen sich auf Passungsoptionen, die nicht dauerhaft angestrebt werden, wenn sie jedoch manchmal oder häufig beobachtet werden, einen Anschluss ermöglichen. Folgende Äußerungen sind hier beispielhaft: Beispiel Ronja (Transkription II) Ronja: Manchmal auch / manchmal möcht ich auch ganz alleine sein 00:16:55-2 und möchte keine (..) grade GAR nichts (..) spielen. Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:06:23-5 Interviewerin: Mm. Das stört dich, wenn die reinkommen? 00:06:25-1 Konstanze: [Nickt.] Ja, weil ich möchte meistens mit Talke alleine spielen. Und da komm ich nicht sehr oft zu. [Schüttelt verneinend den Kopf.] 00:06:29-2 Interviewerin: Nee? 00:06:31-0 Konstanze: Nee. Darüber hinaus gibt es hinsichtlich dieses Codes Sinnverweise, die sich darauf beziehen, dass etwas negativ Bewertetes nicht durchgehend beobachtet wird. Das verdeutlicht folgendes Beispiel: Beispiel Anna 00:06:13-0 Anna: Doris geht auch noch … 00:06:14-5 Interviewerin: Mhm. 00:06:15-5 Anna: … Doris hab ich mich nur manchmal gestritten … 00:06:18-7 Interviewerin: Mhm. Innerhalb zweier Sinnverweise, beobachtet an Josepha und Mike, geht es darum, dass etwas als negativ Bewertetes »nie« eintritt. Beispiel Josepha 00:02:29-4 Interviewerin: Mm. Und ähm was hat dir besonders gut gefallen (.) an den Kindern, die du eben gezeigt hast, wenn du was mit denen zusammen gemacht hast? 00:02:40-7 Josepha: Mm (4). Dass sie sich nie gestritten haben. Beispiel Mike 00:14:47-2 Mike: Weil- weil- weil wir drei eigentlich immer was zusammen machen. 00:14:51-5 Interviewerin: Mm. 00:14:52-7 Mike: Und wir- wir ham ja sehr viel Spaß. Ich langweilige mich eigentlich nie in der KiTa. Aber bald ist es vorbei mit der KiTa hier, ich geh’ ja …

52 | Dass dadurch Kontingenz nicht aufhebbar ist, wurde in Kapitel 2.2.1 verdeutlicht.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Diese sinnzeitlichen Differenzierungsmöglichkeiten werden als Anschlussoptionen gedeutet, da sie Problemwirksames begrenzen oder das als positiv Bewertete »auf Dauer stellen«. Anzumerken ist, dass in dieser Hinsicht überwiegend Bezüge von Kindern ohne a. B. verschlüsselt wurden. Deutung auf Zeitpunkte Wie dargelegt, wurde auf Zeitpunkte nur zu 16 % Bezug genommen (s. o.). Als besonders relevante Zeitpunkte, die Anschlussoptionen begünstigen, wurden Geburtstage und in Aussicht stehende Spiele mit Kindern interpretiert. Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Zeitdimension hinsichtlich der Fragestellung, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde differenzieren und an sie kommunikativ anschließen Einleitend wurde daran erinnert, wie schwierig das wissenschaftliche Beobachten und Verstehen der Zeitdimension von Sinn ist. Dennoch wurde hier der Versuch unternommen, entsprechend markante Aspekte herauszuarbeiten. In der Auswertung der Zeitdimension hinsichtlich potentieller Anschlussoptionen wurde deutlich, dass Kinder ohne a. B. diesbezüglich vielfältigere Sinnverweise generieren als Kinder mit a. B. Insofern stehen Kindern ohne a. B. facettenreichere Differenzierungsmöglichkeiten in Bezug auf die Zeit zur Verfügung als Kindern mit a. B. Überdies wurden in Bezug auf die Zeit Bezüge auf Kinder ohne a. B. deutlich mannigfacher von Kindern ohne a. B. genannt. Über die Unterscheidung zwischen Zeitspanne und Zeitpunkt wurde erkennbar, dass sich der kommunikative Anschluss im Alter früher Kindheit wesentlich strukturreicher auf Zeitspannen bezieht als auf Zeitpunkte. Die Spiel-Sinnzeit bot dabei besonders gut deutbare Bezüge auf Zeitspannen als Verweise auf noch anschlussfähige Spielformen und -themen an. Dadurch wurde u. a. sichtbar, dass Kinder ohne a. B. im leichten Maße breiter Sinnverweise auf Spiele innerhalb von Anschlussoptionen generieren, die Kindern entwicklungspsychologisch ab dem 12. Lebensmonat zugeordnet werden, als Kinder mit a. B. Überdies wurde durch diese Unterscheidungsoption deutlich, dass Kindern mit a. B. eingeschränktere Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Spiel-Sinnzeit zur Verfügung stehen. Darüber hinaus erlaubten der Bezug auf Zeitspannen durch die Unterscheidung zwischen dauerhaft / zeitweilig, vergangen / zukünftig und die Markierung besonderer Zeitspannen weitere sinnzeitliche Differenzierungsoptionen. Gedeutet wurde hier unter anderem auf die Kompensation von Kontingenz, indem etwas als dauerhaft positiv bewertet wird oder etwas negativ Bewertetes als etwas nicht Durchgehendes unterscheidbar ist. Bedeutsame Zeitpunkte wurden bei Kindern mit und ohne a. B. über besondere Ereignisse wie beispielsweise Geburtstage generiert. Zusammenfassend wurden sinnzeitliche Differenzierungsmöglichkeiten als Erweiterung von Anschlussoptionen bewertet, da sie Problemwirksames begrenzen und positiv Bewertetes in den Fokus der Wahrnehmbarkeit bringen. Durch die Verteilung der Verschlüsselung wurde sichtbar, dass Kindern ohne a. B. diesbezüglich mannigfachere Optionen zur Verfügung stehen. Als Nächstes wird auf die die Sinndimensionen der Systemtheorie in dieser Arbeit ergänzende Raumdimension gedeutet.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

5.1.4 Anschlussoptionen an die Raumdimension von Sinn Wie sich in der Probeauswertung von acht Interviews zeigte, werden Anschlussoptionen auch über das Differenzieren der räumlichen Umwelt gebildet. In Kapitel 4.2.2.2 wurde davon ausgehend vorgeschlagen, diese Sinnverweise als Raumdimension zu konzipieren. Wie sich diese ergänzende Sinndimension, die in der Systemtheorie nicht explizit unterschieden wird, orientiert am Datenmaterial beobachten lässt und welche zusätzlichen Deutungsmöglichkeiten sie erlaubt, soll hier, zunächst orientiert an Anschlussoptionen, dargestellt werden. Als Unterscheidungshorizont fungiert die bereits eingeführte Differenz hier / dort. Insgesamt wurden 4 % aller Anschlussoptionen als diesbezügliche Sinnverweise verschlüsselt (vgl. Grafi k 3 / 5.1). Innerhalb dieser wird deutlich, dass Kinder ohne a. B. Raumoptionen anteilig deutlich umfassender als Wahlmöglichkeit unterscheiden und sich hier mehr Möglichkeiten der Differenzierung für sie interpretieren lassen als bei Kindern mit a. B. (vgl. Grafi k 1 / 5.1.4). Zudem wird über die Grafi k 2 / 5.1.4 erkennbar, dass insgesamt ebenso vielfältiger an Kinder ohne a. B. in Bezug auf den Raum angeschlossen wird. Wird hier jedoch zwischen Kindern mit und ohne a. B. unterschieden, zeigt sich, dass Kinder mit a. B. zu 69 % an Kinder ohne a. B. und zu 31 % an Kinder mit a. B. und Kinder ohne a. B. zu 29 % an Kinder ohne a.B und zu 71 % an Kinder mit a. B. anschließen (57:43). So wird erkennbar, dass in Bezug auf den Raum facettenreich Kinder ohne a. B. Kinder mit a. B. und Kinder mit a. B. Kinder ohne a. B. für kommunikativ relevant erachten. Das verweist auf ein besonderes Inklusionspotential der Raumdimension im Kontext des Adressenfragmentes Behinderung. Grafik 1 / 5.1.4

Grafik 2 / 5.1.4

Um auch hier eine differenzierte Interpretation zu ermöglichen, werden die räumlichen Sinnverweise vor dem Hintergrund selbst- und fremdreferenzieller Bezüge interpretiert.53 Zunächst werden jene dargestellt, die primär auf einen fremdreferenziellen Bezug verweisen. Daran anschließend erfolgen Beispiele, die sich als selbstreferenzielle Raumoptionen deuten lassen. Innerhalb beider Ausrichtungen bietet der Körper den Orientierungspunkt im Hinblick darauf, wie die Position zum Raum oder auch die Abständigkeit als Differenz zwischen »Körpern« unterschieden und markiert werden kann (vgl. Balgo 2010, 103).54 53 | Auch in Bezug auf diese Subkategorie, ebenso wie hinsichtlich der Zeitdimension, wurde nach Sichtung der Daten eine Gewichtung zu Gunsten einer differenzierteren Auswertung von potentiellen Sinngenerierungsoptionen vorgenommen. 54 | Auf den Körper als Raum kann hier nicht weiter eingegangen werden. Zur weiteren Vertiefung wird u. a. auf die Literatur von Balgo verwiesen (vgl. Balgo 2010).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Deutung auf fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum Innerhalb der Sinnverweise auf den Raum, die als fremdreferenzielle Bezüge im Kontext von Anschlussoptionen ausgewertet werden, geht es um Räumliches, das als ein »Etwas«, als eine Differenz in der Umwelt als besonders passend bewertet wird. Mannigfach wurden entsprechende kommunikative Anschlüsse der Kinder als Bezüge auf den Nebenraum55 gedeutet. Exemplarisch können hier die Äußerungen von Clemens und Lars(a. B.) vorgestellt werden: Beispiel Clemes 00:01:03-5 Interviewerin: Und was machst du bei den Fischen so? 00:01:06-9 Clemens: Mm. (…) Sehr viel im Nebenraum [lächelt]. 00:01:11-2 Interviewerin: [Lacht.] Okay. Und was gefällt dir da gut? 00:01:16-6 Clemens: Mm. (5) Also, der Nebenraum richtig. Beispiel Lars(a. B.) 00:06:15-7 Interviewerin: Mm. Und gibt’s noch andere Sachen, … 00:06:20-5 Lars(a. B.): Nee, eigentlich nicht. Interviewerin: … die du gerne mit den Kindern machst? 00:06:23-4 00:06:24-4 Lars(a. B.): [Richtet Blick für eine Sekunde auf Zeichen.] Tomke(a. B.), mit dem spiel ich ganz gerne, GANZ GANZ gerne im Hüpfraum und mehr weiß ich jetzt wirklich nicht. Darüber hinaus bezieht sich ein Kind innerhalb seiner Anschlussoption auf die räumlich abgetrennte Puppenecke des Gruppenraumes, ein weiteres auf etwas, das es im KiTa-Bus machen kann, drei weitere Kinder auf das Spielen in der häuslichen Umgebung anderer Kinder und mehrere Kinder auf das Spielen in der Projektgruppe (ein Angebot, in dem ein Teil der Kindergruppe von seiner Stammgruppe räumlich getrennt ist) oder in anderen Gruppenräumen innerhalb der Phase der offenen Gruppen. Weitere Sinnverweise von Kindern beziehen sich auf das Spielen draußen bzw. auf dem Außengelände der KiTa. Auch sie wurden im Kontext fremdreferenzieller Bezüge auf den Raum interpretiert. Folgende Beispiele veranschaulichen diese Möglichkeit. Beispiel Carl(a. B.) 00:03:22-8 Carl(a. B.): Und ähm, mm, sch- spiel’n machen wir gerne draußen in Sandkasten buddeln ein ganz tiefes Loch. Beispiel Moritz 00:02:03-7 Interviewerin: Ja, okay. Du bist ganz oben. Und was machst du noch gerne mit den Kindern? 00:02:09-9 Moritz: Draußen spielen. 00:02:11-1 Interviewerin: Ja. Und was noch so? 00:02:15-7 Moritz: Mit dem / Mm. / Draußen in der Sandkiste spielen? [Richtet Blick auf Interviewerin.] 55 | Der Nebenraum ist ein dem jeweiligen Gruppenraum angegliederter zweiter Raum der Gruppeneinheiten von ca. 15 qm (vgl. Kapitel 4.1.2.1).

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:02:19-9 00:02:22-4

Interviewerin: Mhm [nickt]. Moritz: Und manchmal auch da hinten auf dem Eichhörnchenspielplatz.

Der fremdreferenzielle Bezug auf den Raum kann sich auch auf Abstände zwischen Körpern beziehen. Das Beispiel von Konstanze verdeutlicht diese Option. Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:21:52-6 Interviewerin: Ja. Mm. Okay. Und (..) mit Hansi(a. B.), sagst du, da stört dich auch was. Konstanze: Ja. 00:21:59-3 00:22:00-1 Interviewerin: Was stört dich da denn? Konstanze: Ähm. (..) Wenn der kommt … 00:22:01-3 00:22:04-3 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:22:06-3 Konstanze: … (..) und jemand in der Hängematte sitzt, zum Beispiel ich, denn / der guckt nicht, ob er sich da hinsetzt. 00:22:11-1 Interviewerin: Ja. 00:22:12-7 Konstanze: Der (.) »BUMM« lässt sich einfach plumpsen. 00:22:14-5 Interviewerin: Ja. 00:22:15-5 Konstanze: Und denn muss man sich immer so schnell retten und fällt dann aus der Hängematte raus. 00:22:19-1 Interviewerin: Ja. Mhm [nickt]. 00:22:22-9 Konstanze: Und das ist nicht sehr toll. [Spricht mit gepresster Stimme.] 00:22:24-1 Interviewerin: Mm. (..) Und (.) ist das immer so oder ist das auch mal anders? 00:22:30-5 Konstanze: (..) Ist auch mal anders. Interviewerin: Ja [nickt]. 00:22:31-1 Konstanze: Dann krabbelt man einfach ganz schnell aus der Hänge00:22:33-7 matte, so machen alle das. 00:22:35-1 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:22:36-1 Konstanze: … außer ich. 00:22:37-2 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:22:38-2 Konstanze: Ich bleib einfach sitzen und krabbl nur ein Stück weiter hoch. 00:22:40-4 Interviewerin: Okay. Und dann seid ihr beide in der Hängematte. 00:22:42-7 Konstanze: Genau. 00:22:43-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und wie ist das dann so? 00:22:46-0 Konstanze: Das find ich toll. Indem Konstanze hier die Möglichkeit sieht, die räumlichen Gegebenheiten durch eine Veränderung ihrer Position in der Hängematte zu modifizieren, wird es für sie möglich, mit Hansi(a. B.) in dieser gemeinsam zu schaukeln und somit an seine Handlung anzuschließen. In diesem Sinne wurden auch weitere sieben Sinnverweise56 gedeutet, die sich darauf beziehen, dass Kinder zeitweilig etwas zu zweit 56 | Die hier angegeben Sinnverweise sind ausgezählt. Die ungleiche Probandenzahl wurde entsprechend nicht aneinander angeglichen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

oder allein machen wollen. Auch diese Auswahloption in Bezug auf potentielle Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse kann, neben dem Verweis auf die Zeitdimension, als Verweis auf räumliche Differenzierungsmöglichkeiten interpretiert werden, die einem Anschluss zuträglich ist. Die Äußerungen von Tom(a. B.) veranschaulichen diese Möglichkeit: Beispiel Tom(a. B.) 00:09:34-4 Interviewerin: Was machst du mit Michael gerne? 00:09:35-7 Tom(a. B.): Mm. Rolle machen. Rückwärts in meinem Pool. 00:09:40-5 Interviewerin: Eine Rolle rückwärts in deinem Pool? 00:09:45-4 Tom(a. B.): Jenny(a. B.) raus und Asmus(a. B.). 00:09:47-1 Interviewerin: Die sollen rausgehen? 00:09:48-0 Tom(a. B.): Ja! 00:09:49-8 Interviewerin: Stören die? 00:09:50-0 Tom(a. B.): Ja. 00:09:52-0 Interviewerin: Was machen die? 00:09:54-9 Tom(a. B.): Mit mir [zeigt auf sich] Rückwärts / Vorwärtsrolle und dann Rückwärtsrolle. 00:09:57-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:09:58-1 Tom(a. B.): [Richtet Blick auf Interviewerin, lächelt.] Kann ich. 00:09:59-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:10:01-5 Tom(a. B.): Ganz doll. 00:10:02-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:10:03-9 Tom(a. B.): Mit Michael. Interviewerin: Mm. 00:10:04-1 Tom(a. B.): Nur zu zweit. 00:10:05-1 Tom(a. B.) unterscheidet hier zwischen einem Spiel zu zweit und dem Spiel mit mehreren Kindern und diskriminiert das Spiel zu zweit als für ihn als viabler. Vergleichbar äußert sich Ronja dazu, etwas auch zeitweilig mit einem Kind alleine oder ganz ohne andere Kinder tun zu wollen. Neben dem Sinnverweis auf die Zeitund Sozialdimension kann hier von ihr berücksichtigt werden, dass andere Kinder räumlich nicht immer anwesend sein müssen. Dieses setzt die Möglichkeit der Unterscheidung von räumlichen Grenzen voraus und die Erkenntnis, diese modifizieren zu können. Beispiel Ronja (Transkription II) 00:16:36-6 Interviewerin: Eine Frage hab ich noch, Ronja. Ist das manchmal auch so, dass du sagst, dass Kinder nicht mitmachen dürfen? 00:16:41-2 Ronja: Ja [nickt]. Ähm. Wollen wir auch grade alleine spielen. 00:16:45-6 Interviewerin: Ja. Mhm [nickt]. 00:16:48-2 Ronja: Das ist auch manchmal so. 00:16:49-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und welche Kinder sollen dann nicht so gerne mitmachen? Ronja: Manchmal auch / manchmal möcht ich auch ganz alleine sein 00:16:55-2 und möchte keine (..) grade GAR nichts (..) spielen. 00:17:02-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:17:06-4 Ronja: DAS (..) kann (..) auch MAL sein.

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00:17:08-9 00:17:11-5

00:17:25-4 00:17:32-1 00:17:34-7 00:17:41-9 00:17:48-9 00:17:51-4

00:17:57-1 00:17:59-1 00:18:04-2 00:18:10-0

00:18:20-2 00:18:22-2

00:18:30-7 00:18:33-7 00:18:40-4 00:18:42-4

Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. Ronja: Und das ist denn auch (.) für die andern Kinder doof und manchmal sagt Angelika(a. B.) so: »Darf ich dein Baby sein?«, denn sag ich: »Nein!« – »Darf ich dein Hund sein?« Denn sag ich: »Nein!«, und dann sagt Angelika(a. B.): »Denn bin ich nicht mehr deine Freundin«. Interviewerin: Mm. Und was ist dann? Was machst du dann? Ronja: Dann mach ich einfach nichts, weil ich da grad alleine spielen möchte. Interviewerin: Ja. Mhm [nickt]. Und wie geht das dann weiter? Ronja: Dann (..) geht es (…) so weiter, dass Angelika(a. B.) sich n anderen Hund sucht. Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Ronja: Und dann kann sie halt nicht mehr mit mir spielen und manchmal und Angelika(a. B.) und Lilli, die wollen IMMER was mit mir machen. Interviewerin: Mm. Ronja: Und ich möchte NICHT IMMER was mit den beiden machen. Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Ronja: Und meistens und manchmal sagt Angelika(a. B.) auch, wenn sie schon gesagt hat »Darf ich Dein Baby sein?«  – »Darf ich dein Hund sein?«, wenn ich bei beiden »Nein« gesagt hab, denn sagt sie: »Was kann ich denn sein?«, nur manchmal. Denn sag ich: »Nichts!«. Interviewerin: Mhm [nickt]. Ronja: Und denn sagt sie [atmet tief ein]: »Wenn nicht, denn bin ich nicht mehr deine Freundin!« Und dann (5) muss ICH auch damit leben. Interviewerin: Mm. Ronja: Aber (…) ich muss ihr ja auch sagen, DASS ich grade ALLEINE spielen möchte. Interviewerin: Mm. Ronja: Das muss man ja sagen.

Über Ronjas Äußerungen lässt sich darauf deuten, dass das Markieren-Können einer räumlichen Differenz, die den Nicht-Anschluss an Kommunikation zur Folge hat, als Voraussetzung dafür beobachtet werden kann, im weiteren Verlauf wieder an Kommunikation anschließen zu können.57 Deutung auf selbstreferenzielle Bezüge auf den Raum Als selbstreferenzielle Bezüge auf den Raum werden jene Sinnverweise interpretiert, über die mit Hilfe des Bezugs auf den Raum das »Wie« der Kommunikation markiert wird. Im Rahmen von Anschlussoptionen geht es dabei um erweiterte Wahlmöglichkeiten, Mitteilungshandlungen über die Bezugnahme auf den Raum zu erkennen und zu generieren. Der Körper bietet auch hier einen Orientierungspunkt im Hinblick darauf, dieses Räumliche als Abständigkeit, als eine Differenz 57 | Hier deutet sich ein Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion an. Entsprechende Auswertungen erfolgen in Kapitel 5.3.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

zwischen zwei »Dingen« oder auch »Körpern« zu markieren (vgl. Balgo 2010, 103). Am Beispiel von Merle wird dies erkennbar: Beispiel Merle Merle: … weil die / Weil einmal musste ich neben Michael zum Früh00:10:04-1 stück sitzen und dann hat er immer mich geärgert. 00:10:12-2 Interviewerin: Mhm. Und wie hat er das gemacht? 00:10:18-6 Merle: Er hat dann immer, wenn ich ihn was gefragt hab, ob er mir den Brotkorb oder so was geben könnte, hat er gesagt: »Nein, mach ich nicht.« 00:10:24-9 Interviewerin: Mhm. 00:10:26-5 Merle: Und das fand ich denn langsam doof und denn hab ich Melanie [Gruppenleitung] gesagt, dass ich nicht mehr neben Michael sitzen möchte. 00:10:31-8 Interviewerin: Mhm. Und was ist dann passiert? 00:10:36-3 Merle: Dann bin ich weiter neben Doris gerückt, weil Doris saß auch neben mir und dann bin ich, äh dann saß Michael da und fand das plötzlich auch nicht mehr so toll, ähm weil ich denn nicht mehr neben ihm saß. 00:10:51-0 Interviewerin: Mhm, Mhm (4). 00:10:58-0 Merle: Da hat er verstanden, dass ich das nicht mag. Merle teilt über die Veränderung ihrer Sitzposition am Tisch etwas mit. Sie erkennt die räumliche Nähe zu dem Körper eines anderen Kindes als variabel und nutzt die Möglichkeiten, den Abstand zu verändern, als Anschluss an das kommunikative Angebot dieses Kindes. Auch die Reaktion von Michael wird von ihr über den Bezug auf den Raum gedeutet. Sie interpretiert, dass er durch ihr »Wegrücken« an die zuvor durch sie markierte Grenzsetzung anschließt. Die räumliche Abständigkeit als beeinflussbar zu unterscheiden, kann insofern als eine Erweiterung der Mitteilungsmöglichkeiten innerhalb von Anschlussoptionen differenziert werden. Am Beispiel von Merle wird deutlich, dass der beobachtbare Körper dabei einen relevanten Orientierungspunkt darstellt. Bedeutsam scheint dabei, die über ihn hin-beobachtbaren Mitteilungshandlungen »lesen« zu können. Deutung auf Interaktion unter Anwesenheit als Voraussetzung für den kommunikativen Anschluss Eine weitere Anschlussoption, die sich räumlich gestaltet, lässt sich darüber beobachten, dass Kinder durch die räumliche Nähe erst als solche erkannt werden, an die potentiell angeschlossen werden kann. Zunächst eine entsprechende Äußerung: Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:07:38-1 Konstanze: [Malt durchgehend weiter.] Mit Fanny(a. B.) ist das so, ähm, ich mag die einfach und (..) ich (.) ähm sitz ab und zu mal neben ihr und mag sie. In der Äußerung von Konstanze drückt sich zum einen ein selbstreferenzieller Bezug aus, in dem das Zusammensitzen als positiv bewertet wird. Darüber hi-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

naus kann auch darauf gedeutet werden, dass es innerhalb des Anschlusses an Fanny(a. B.) einfach darum geht, neben ihr zu sitzen. Hier deutet sich ein fremdreferenzieller Bezug an, der sich auf die Relevanz der körperlichen Anwesenheit als Voraussetzung für einen potentiellen Anschluss bezieht. So wird es Konstanze möglich, Fanny(a. B.) als potentielle Mitteilungshandelnde in der Interaktion zu beobachten und zu unterscheiden. In Kapitel 2.6.1 wurde darauf hingewiesen, dass Interaktionssysteme angewiesen sind auf die Beobachtung von Körpern. Es wurde erläutert, dass hier nicht allein Kommunikation ausschlaggebend für den Prozess der Inklusion ist, sondern auch die Möglichkeit der Referenz auf Körper. So wird erkennbar, dass räumliche Nähe zu Körpern, die Kindern mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde zugeordnet werden, eine grundlegende Anschlussbedingung für das Interaktionssystem darstellt und Voraussetzung dafür ist, dass diese Kinder jeweils in der Interaktion in den Fokus kommunikativer Relevanz gelangen.58 Insofern wird diese räumliche Zugänglichkeit im Kontext von Inklusion als grundlegende Voraussetzung bewertet. Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Raumdimension hinsichtlich der Fragestellung, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde differenzieren und an sie kommunikativ anschließen Einleitend wurde erläutert, dass über die Auswertung der Probeinterviews die Raumdimension konzipiert werden konnte. Strukturiert wurden entsprechende Sinnverweise über selbst- und fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum vor dem Unterscheidungshorizont hier / dort. Als fremdreferenzielle Bezüge konnten Verweise auf verschiedene Räume oder Teilbereiche eines Raumes, Abstände zwischen Körpern und die Anzahl der räumlich anwesenden Kinder als Deutung auf ein »Etwas« unterschieden werden. Als selbstreferenzielle Bezüge auf den Raum wurden Sinnverweise differenziert, die über die Deutung auf den Raum anzeigen, wie etwas verstanden werden soll. Ausgehend von mannigfachen Verschlüsselungen wurde resümiert, dass der kommunikative Anschluss durch das Bilden raumbezogener Strukturen differenzierbar und irritierbar ist. Über die Auswertung der Daten orientiert am Adressenfragment behindert wurde erkennbar, dass Kinder ohne a. B. deutlich facettenreicher Sinn als Bezug auf den Raum generieren als Kinder mit a. B. und diesbezüglich mannigfacher Kinder mit a. B. an Kinder ohne a.B und Kinder ohne a. B. an Kinder mit a. B. anschließen. Insofern wurde der Raum als Option als besonders bedeutsam für inklusive Prozesse im Kontext von Behinderung bewertet. Überdies wurde als weiterer Aspekt des Bezuges auf den Raum hin-deutbar, dass Kinder mit und ohne a. B. erst unter der Voraussetzung räumlicher Nähe über die Ebene des Interaktionssystems sinnbezogen aneinander anschließen können. Nach diesen verschiedenen Perspektiven und Deutungsversuchen hinsichtlich der Anschlussoptionen von Kindern mit und ohne a. B. an Kinder mit und ohne a. B. wird sich im nächsten Kapitel den Nicht-Anschlussoptionen zugewandt.

58 | Hier ist ein Anschluss an den allgemeinen Inklusionsdiskurs denkbar, der ebenso auf von Räumen getrennten Gruppen im Kontext von Behinderung Bezug nimmt.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

5.2 N icht-A nschlussop tionen Inklusion und Exklusion wurden in Kapitel 2.6.1 als Ordnungsschema eingeführt. Dabei wurden beide Optionen als relevant für die Aufrechterhaltung der Funktionsweise autopoietischer Systeme bewertet. Exklusion wurde als funktional vorgestellt, um eine Komplexitätsreduktion des Umweltbezuges zu ermöglichen und dadurch die Operativität des Systems zu sichern. Für die Interaktion als Kommunikation unter Anwesenheit wurde dargelegt, dass Exklusion jedoch auch existenzielle Auswirkungen haben kann (vgl. Kapitel 1 und 2.6.1). Insofern ist in diesem Kapitel von Interesse, auszuwerten, in Bezug worauf und wie mannigfach Kinder als Mitteilungshandelnde als nicht relevant oder als so problemwirksam unterschieden werden, dass Beobachter von Anschlüssen absehen und Exklusion für sie funktionaler erscheint. Problematisiert wurde, dass Exklusion nur schwer beobachtbar ist, da an das, was exkludiert wird, kein kommunikativer Anschluss erfolgt. Um dennoch Daten deuten zu können, wurde in Kapitel 2.6.2 die Differenzierung von Nassehi in bestimmte und unbestimmte Exklusion aufgegriffen. Es wurde dargelegt, dass hier bestimmte Exklusion analysiert wird.59 Orientiert an dem, was aus systemtheoretischer Perspektive Exklusionsprozesse unterstützt, wird hier insbesondere darauf hin-beobachtet, inwiefern der Umwelt eine als unpassend bewertete Komplexität zugeschrieben wird.60 Im Kapitel 5.1 wurde an die komplexitätssteigernde Wirkung von Strukturen angeknüpft. Hier gerät somit ihr selektierender Aspekt in den Vordergrund. Darüber hinaus wurden prozesshafte Verläufe als selektivitätsverstärkend und Exklusion begünstigend vorgestellt (vgl. Kapitel 2.5.2). Entsprechend geht es hier darum, Nicht-Passungsverhältnisse im Hinblick auf ihre Bedeutsamkeit für bestimmte Exklusion von Kindern mit und ohne a. B. in der Interaktion zu interpretieren. Das heißt welche Irritationen oder auch Sinnverweise als dysfunktional für kommunikative Anschlüsse von Kindern bewertet werden und inwiefern davon ausgehend Kinder als Mitteilungshandelnde, an denen sich diese ausflaggen, nicht adressiert werden. Auch für diese Ausrichtung scheint es aus systemtheoretischer Sicht hilfreich, so-

59 | Inwiefern Irritationen, die dem Adressenfragment Behinderung zugeschrieben werden, im besonderen Maße zu unbestimmter Exklusion führen, konnte durch die Erhebungsmethode dieser Arbeit nicht differenziert werden. Darauf wurde an verschiedenen Stellen bereits hingewiesen. Gerade vor dem Hintergrund der in Kapitel 2.5.2 als besonders problemwirksam dargestellten Normabweichungen im Bereich der Bedingungen für Kommunikation sind hier ggf. noch andere Ergebnisse zu generieren, als es die Datenerhebung des Interviews möglich gemacht hat. Videoanalysen oder Beobachtungen bieten der wissenschaftlichen Beobachtung hier beispielsweise eine andere Perspektive an. So kann an dieser Stelle nur auf weitere Forschungsarbeit verwiesen werden. Da jede Perspektive sich jedoch mit einer begrenzten Auswahl von Möglichkeiten beschäftigt (vgl. Kapitel 3.2), wird die hier gewählte nicht als minder bedeutsam bewertet, sondern als ein Angebot neben auch anders möglichen gesehen. 60 | Besonders bedeutsam erscheint an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass es hier nicht darum geht, einzelnen Kindern weniger oder unpassende Komplexität zuzuschreiben (vgl. Kapitel 5, Einleitung), sondern Nicht-Passungsoptionen auszuwerten, die sich an ihrem kommunikativen Anschluss ausflaggen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

ziale Bezüge auf Mitteilungshandelnde und das Generieren von Sinn genauer zu differenzieren. Ebenso wie hinsichtlich der Anschlussoptionen werden einführend in dieses Kapitel zunächst grobe Tendenzen dargelegt, wie sich Nicht-Anschlussoptionen unter Berücksichtigung des Adressenfragmentes Behinderung verteilen und an den Sinndimensionen differenzieren, bevor sie in Bezug auf die verschiedenen Dimensionen von Sinn in den darauf folgenden Unterkapiteln genauer unterschieden werden. Gesamtverteilung der Nicht-Anschlussoptionen Die Gesamtverteilung zeigt, dass Kinder mit a. B. auch innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen wie innerhalb der Anschlussoptionen (vgl. Grafi k 1 / 5.1) weniger verschiedene Sinnverweise generieren als Kinder ohne a. B. Die Sinngenerierungsoptionen differieren um 20 % (vgl. Grafi k 1 / 5.2). Auch hier kann ein Bezug zu den einleitend dargestellten Interpretationsvorschlägen hergestellt werden (vgl. Einleitung zu Kapitel 5, Ausführungen zu Grafi k 2 / 5). Hinsichtlich der Bezüge auf Kinder wurde ausgewertet, dass Kinder mit a. B. von Kindern über eine etwas höhere Mannigfaltigkeit von 6 % bestimmt exkludiert werden (vgl. Grafi k 2 / 5.2). In der näheren Betrachtung wird deutlich, dass anteilig in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen Kinder ohne a. B. zu 48 % von Kindern mit a. B. und zu 46 % von Kindern ohne a. B. und Kinder mit a. B. zu 52 % von Kindern mit a. B. und zu 54 % von Kindern ohne a. B. fast in der gleichen Verteilung differenziert werden (57:43). So lässt sich zusammenfassen, dass innerhalb von Nicht-Anschlussoptionen im leichten Maße vielfältiger an Kinder mit a. B. von Kindern mit und ohne a. B. angeschlossen wird, wohingegen Kinder ohne a. B. strukturreicher Nicht-Passungsverhältnisse generieren. Grafik 1 / 5.2

Grafik 2 / 5.2

Grafik 3 / 5.2

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Wird zunächst im Überblick betrachtet, wie sich die ausgewerteten Nicht-Anschlussoptionen orientiert an den Sinndimensionen verteilen, wird deutlich, dass sich hier, ebenso wie innerhalb der Anschlussoptionen, der Bezug auf die Sozialdimension von Sinn am facettenreichsten darstellt (vgl. Grafik 3 / 5.2). Die Vielfalt ihrer Nuancierung steigert sich hier noch um 12 % (vgl. Grafik 3 / 5.1). Entsprechend bedeutsam erscheint es auch hier, den selbstreferenziellen Aspekt der Kommunikation näher zu differenzieren. Über die weitere Unterscheidung der generierten Sinnverweise zwischen Kindern mit und ohne a. B. wird erkennbar, dass bei Kindern mit a. B. im Vergleich zu Kindern ohne a. B. der Bezug auf die Sozialdimension um 10 % differiert (vgl. Grafik 4 / 5.2 und 5 / 5.2). Darüber hinaus unterscheidet sich signifikant die Varianz der Bezüge auf die Raum- und Zeitdimension von Sinn.61 Grafik 4 / 5 .2

Grafik 5 / 5 .2

Werden die Nicht-Anschlussoptionen hinsichtlich ihrer Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. verglichen, so zeigt sich eine ebenso hohe Deutungsvielfalt der Sozialdimension wie hinsichtlich der generierten Sinnverweise, die sich hier nicht zwischen Kindern mit und ohne a. B. unterscheiden. Ebensowenig sind an dieser Stelle signifikante Unterschiede in den Verschlüsselungen der anderen Dimensionen von Sinn erkennbar (vgl. Grafik 6 / 5.2 und 7 / 5.2). Grafik 6 / 5 .2

Grafik 7 / 5 .2

61 | Auch an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die Sinnverweise unterschieden werden in Bezüge auf andere und in Bezüge auf sich selbst. Die Sinnverweise in Bezug auf sich selbst im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen werden in Kapitel 5.4 interpretiert. Sie sind jedoch ebenso wie in Kapitel 5.1 zur Veranschaulichung der Gesamtverteilung in dieser Grafik berücksichtigt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

So kann zusammenfassend interpretiert werden, dass in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen der selbstreferenzielle Anteil der Kommunikation als noch zentraler zu bewerten ist als innerhalb der Anschlussoptionen, besonders für Kinder mit a. B. Darüber hinaus zeigt sich im Vergleich zu den Anschlussoptionen hier anteilig ein vielfältigerer Bezug auf die Sinnverweise auf sich selbst. Hingegen tritt die Sachdimension noch mehr in den Hintergrund (vgl. Grafik 3 / 5.1 und 3 / 5.2). Zeit- und Raumverweise wurden anteilig vergleichbar strukturreich generiert. An dieser Stelle soll nicht tiefer auf den Vergleich der hin-gedeuteten Sinnverweise eingegangen werden. Das erfolgt hinsichtlich der verschiedenen Sub-Kategorien in Kapitel 5.5. Im Weiteren wird zunächst interpretiert, worum es in Bezug auf den Nicht-Anschluss innerhalb der einzelnen Sinndimensionen geht und inwiefern Kinder mit und ohne a. B. hier adressiert werden. Zuvor erfolgt eine erste Zusammenfassung der bisherigen Auswertung. Zusammenfassende Betrachtung der Kategorie Nicht-Anschlussoptionen hinsichtlich der Fragestellung, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als problemwirksam bewerten bzw. ihren kommunikativen Anschluss als Nicht-Passungsverhältnis unterscheiden Innerhalb der Verweise auf die verschiedenen Dimensionen von Sinn in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen wurden bei Kindern mit und ohne a. B. weitestgehend Übereinstimmungen erkennbar. Jeweils sehr strukturreich waren diesbezügliche Sinnverweise als Sozialdimension von Sinn besonders bei Kindern mit a. B. erkennbar. Insofern wurde innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen der selbstreferenzielle Aspekt der Kommunikation als besonders bedeutsam und als noch zentraler bewertet als hinsichtlich der Anschlussoptionen. In ihrem Bezug auf Kinder wurden Kinder mit a. B. sowohl von Kindern mit als auch von Kindern ohne a. B. leicht mannigfaltiger als problemwirksam differenziert als Kinder ohne a. B. Dabei generieren Kinder ohne a. B. mehr verschiedene entsprechende Sinnverweise als Kinder mit a. B. Inwiefern Kinder mit a. B. als besonders durch bestimmte Exklusion gefährdet zu beobachten sind, soll im Weiteren interpretiert werden. Darüber hinaus wird näher differenziert, worauf sich die Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der verschiedenen Dimensionen von Sinn im Einzelnen beziehen und worauf möglicherweise der vielfältigere Bezug auf Kinder mit a. B. zurückzuführen ist. Ebenso wie in Kapitel 5.1 wird mit der Sinndimension begonnen, auf die innerhalb der Auswertung anteilig am variationsreichsten hin-gedeutet wurde: der Sozialdimension von Sinn.

5.2.1 Nicht-Anschlussoptionen an die Sozialdimension von Sinn In diesem Kapitel wird interpretiert, ausgehend von welchen Eigenschaftsattributen, Handlungen oder Gefühlen Kinder sich von Kindern als Mitteilungshandelnde abwenden. Entsprechend geht es um Deutungszuweisungen, die sich auf soziale Adressen richten und zu deren bestimmten Exklusion führen. Einleitend wird auch hier (wie in Kapitel  5.1.1) ein Überblick über entsprechend generierte Sinnverweise der Kinder mit und ohne a. B. gegeben und in zusammengefasster Form der Bezug der Kinder mit und ohne a. B. aufeinander dargestellt. Mit der daran anschließenden Deutung wird näher differenziert, wodurch diese Verteilung bedingt sein kann.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Hinsichtlich der Gesamtverteilung aller Sinnverweise stellt die Sozialdimension von Sinn 75 % aller optionalen Sinnverweise dar (vgl. Grafi k 3 / 5.2). Sie ist dadurch als sehr zentrale Sinndimension der Nicht-Anschlussoptionen zu bewerten. Im Vergleich der Summe aller entsprechend generierten Verweise der Kinder mit und ohne a. B. zeigt sich eine etwas strukturreichere Verschlüsselung bei Kindern ohne a. B. (vgl. Grafi k 1 / 5.2.1). Hier bildet sich ein ähnliches Verhältnis wie in der Gesamtverteilung der Nicht-Anschlussoptionen ab (vgl. Grafi k 1 / 5.2). Ebenso vergleichbar mit der Gesamtverteilung wurden die Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder leicht vielfältiger an Kindern mit a. B. verschlüsselt (vgl. Grafi k 2 / 5.2.1 und 2 / 5.2). Grafik 1 / 5.2.1

Grafik 2 / 5.2.1

In der weiteren Differenzierung des Bezugs auf Kinder wird ähnlich wie in der Auswertung der Gesamtverteilung der Nicht-Anschlussoptionen deutlich, dass sich Kinder mit a. B. fast in gleicher Breite auf Kinder mit und ohne a. B. beziehen, Kinder ohne a. B. jedoch diesbezüglich im leichten Maße mannigfacher an Kinder mit a. B. kommunikativ anschließen. Durch die abgebildeten Grafi ken 3 / 5.1.1 und 4 / 5.1.1 werden diese Bezüge erkennbar. Grafik 3 / 5.2.1

Grafik 4 / 5.2.1

Die Verschlüsselungen der als Person markierten Kinder stellen weitere Facetten im Rahmen der Nicht-Anschlussoptionen dar. Deutung auf als »problemwirksame Person markierte Kinder« Im Bezug auf die Anzahl der Kinder, die Kinder mit und ohne a. B. als nicht relevante oder problemwirksame Mitteilungshandelnde erkennen und namentlich (bzw. per Kinderzeichen) zuordnen, differenzieren Kinder mit und ohne a. B. als gleich zu bewertende Summen an Sinnbezügen (vgl. Grafi k 5 / 5.2.1) ähnlich wie innerhalb der Anschlussoptionen (vgl. Grafi k 5 / 5.1.1). Wird ergänzend ein Bezug zur Gesamtverteilung aller generierten Nicht-Anschlussoptionen (vgl. Grafi k 1 / 5.2) und zu allen diesbezüg-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 5 / 5.2.1

lichen Sinnverweisen der Sozialdimension (vgl. Grafi k 1 / 5.2.1) hergestellt, erlaubt dieses Ergebnis die Deutung, dass Sinnverweise der Kinder mit a. B. sich auch hinsichtlich der Nicht-Anschlussoptionen besonders strukturreich auf als Person markierte Kinder beziehen. Wird näher unterschieden, an wem sich die Nicht-Anschlussoptionen ausflaggen, zeigt sich an den dargebotenen Grafi ken 6 / 5.2.1 und 7 / 5.2.1 ein als gleich zu bewertender Bezug auf Kinder mit und ohne a. B. bei Kindern ohne a. B. und ein vielfältigerer Bezug auf Kinder ohne a. B. bei Kindern mit a. B. Grafik 6 / 5.2.1

Grafik 7 / 5.2.1

So wird deutlich, entgegen der Gesamtverteilung der Bezüge auf Kinder, dass Kinder mit a. B. hier als Person etwas geringer als problemwirksam unterschieden werden (vgl. Grafi k 2 / 5.2 mit Grafi k 6 / 5.2.1 und 7 / 5.2.1).62 In Kapitel 2.6.1 wurde es für soziale Adressen als besonders problematisch bewertet, wenn sich Exklusion in Bezug auf sie summiert. Davon ausgehend wurden an dieser Stelle ergänzend Mehrfachnennungen von Kindern in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen in den Fokus genommen. Dadurch wird erkennbar, dass, obwohl sich die Verschlüsselungen an namentlich benannten Kindern ohne a. B. im Vergleich zu denen mit a. B. im Kontext des Nicht-Anschlusses vielfältiger beobachten lassen, über Mehrfachnennungen jene mit a. B. deutlich breiter als problemwirksam von Kindern mit und ohne a. B. unterschieden werden (vgl. Grafi k 8 / 5.2.1 und 9 / 5.2.1). Kinder mit a. B. werden dadurch als im besonderen Maße durch Exklusionskumulation gefährdet bewertet. Um genauer differenzieren zu können, ausgehend von welchen Unterscheidungen sich von Kindern abgewandt wird und worauf die hier vorgestellten Präferenzen zurückzuführen sein könnten, sollen die Sinnverweise der Sozialdimension als Nächstes orientiert am Codierleitfaden näher bestimmt werden. 62 | An anderer Stelle wurde bereits angeregt, über andere Erhebungsverfahren auch Deutungsversuche auf unbestimmte Exklusion zu berücksichtigen. Das wird auch im Hinblick auf diesen Code für sinnvoll erachtet.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 8 / 5.2.1

Grafik 9 / 5.2.1

Deutung auf die Verteilung der Codes der Sozialdimension von Sinn Wie in Kapitel 5.1.1 werden hier gleichermaßen die Codes der Sozialdimension anteilig allgemein und individuell attribuierten Verhaltenszuschreibungen zugeordnet (vgl. Kapitel 2.4). Als Personenzuschreibungen werden in diesem Kapitel Attribute bezogen auf Spiel oder Tätigkeiten, die Missachtung von Grenzsetzungen, körperliche Aggressivität, Beschimpfung, sonstige Verhaltensattribute und sonstige Eigenschaftsattribute verschlüsselt. Allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen werden auch hier, wie in Kapitel 5.1.1, als Rollen und Rollenzuschreibungen codiert. Überdies werden noch Sinnverweise als Bezug auf Gefühle und die Relevanz des Adressenfragmentes Behinderung differenziert. Unter »Sonstiges« werden darüber hinausgehende Verweise zusammengefasst. Die Verteilung aller Sinnverweise in Bezug auf die Sozialdimension stellt sich bei Kindern mit und ohne a. B., veranschaulicht über die Grafi ken 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1, folgendermaßen dar: Grafik 10 / 5.2.1

Grafik 11 / 5.2.1

Zunächst wird sich den Codes zugewandt, die als Personenzuschreibungen am umfangreichsten verschlüsselt wurden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Deutungen auf Personenzuschreibungen Sowohl die Kinder mit als auch die Kinder ohne a. B. beziehen sich im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen mit fast drei Viertel ihrer sozialen Sinnverweise (Kinder mit a. B. zu 74 % und Kinder ohne a. B. zu 72 %) auf individuell attribuierte Verhaltenszuschreibungen. So wird gedeutet, dass diese auch im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen (wie innerhalb von Anschlussoptionen) im Alter früher Kindheit strukturreicher erkannt werden und von ihnen mehr Verweisungen ausgehen, die als Nicht-Passungsverhältnis bewertet werden, als von allgemein attribuierten Verhaltenszuschreibungen. Personenzuschreibungen werden hier zunächst vor dem Hintergrund der systemtheoretischen Überlegungen interpretiert, die als exklusive Prozesse begünstigend beschrieben wurden: Zuschreibung von nicht passender psychischer Eigenkomplexität und prozesshafte Verläufe (vgl. Kapitel  2.5.1, 2.5.2 und 2.6.1). Bezug auf Zurechnung nicht passender Komplexität »Je höher die Komplexität eines Systems, desto schärfer ist häufig die Selektion anhand deren Strukturen und Prozesse« (Terfloth orientiert an Fuchs 2006, 110). Hieraus könnte geschlossen werden: Je spezialisierter sich der sinnhafte Anschluss generiert, desto eingeschränkter sind seine Anschlussmöglichkeiten. Innerhalb der Daten lässt sich eine solche problemwirksame Komplexität63 beispielsweise bezogen auf Personenzuschreibungen beobachten, die als nicht passend in Bezug auf Spiel oder Tätigkeit bewertet werden. Bestimmt exkludiert werden hier Kinder, an denen keine entsprechenden Mitteilungshandlungen beobachtet werden.64 Die Äußerungen von Jochen(a. B.) veranschaulichen dies: Beispiel Jochen (a. B.) Jochen(a. B.): [Richtet Blick auf die Kinderzeichen.] (15) Mm, die- die 00:03:17-6 mochten vorher, die- die, da, die wie, äh, die, wir mögen Star Wars [legt drei der Zeichen, welche bereits in der Mitte zusammengefasst wurden in den unteren Teil der Mitte in eine Reihe]. Die [legt weitere vier Zeichen aus der Mitte über die untere Reihe ebenfalls reihenförmig zusammen] spiel’n andere Sachen gern. 00:03:40-4 Interviewerin: Ja [nickt]. Und was spielst du mit denen gerne [zeigt mit dem Finger auf die vier Zeichen]? 00:03:45-7 Jochen(a. B.): Star Wars als die vorher, noch, ich, weißt du, warum ich Star Wars so gern, weil Papa mich das erzählt hat. 00:03:54-4 Interviewerin: Ach so [nickt]. Okay. Und, ähm, gibt das auch Kinder, mit denen es nicht so schön war in der KiTa? 00:04:04-4 Jochen(a. B.): [Richtet Blick auf die Kinderzeichen im äußeren Kreis.] Mit … 63 | An dieser Stelle soll noch einmal daran erinnert werden, dass höhere oder geringere Komplexität nicht einzelnen Kindern zugeschrieben und als Wesensmerkmale verstanden werden (vgl. Kapitel 5). 64 | An dieser Stelle wird die Verbindung der Sinndimensionen besonders deutlich und damit die Schwierigkeit, sich in der Interpretation der Daten nur auf eine Dimension von Sinn zu beziehen. Wie in Kapitel 4.2.2.2 und einleitend in Kapitel 5 dargelegt, werden aufgrund dessen anteilig Textpassagen mehrfach verschlüsselt.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:04:07-8 00:04:09-0

00:04:24-9 00:04:30-0

Interviewerin: Wo dich etwas gestört hat? Jochen(a. B.): Riana(a. B.), die, die hat mich gar nicht gestört. Hin­ rich(a. B.) hat mich auch gar nicht gestört. Hi- Hinrich(a. B.), Hin­ rich(a. B.) brauch eigentlich gar nicht hier, weil Hinrich(a. B.) weiß noch gar nichts was das Spiel. Interviewerin: Mhm. Was braucht Hinrich(a. B.) nicht? Jochen(a. B.): Äh, Hinrich(a. B.) weißt du, vielleicht kommt Hin­ rich(a. B.) zu Star Wars oder zu die Seite [schiebt das Zeichen von Hinrich(a. B.) zwischen den beiden ausgewählten Gruppen in der Mitte hin und her]. Also. Ich glaube, Hinrich(a. B.) kommt zu die [legt Hinrichs(a. B.) Schild zu der unteren Reihe der Kinder, die sich für Star Wars interessieren].

Jochen(a. B.) differenziert in diesem Beispiel zwischen Kindern, mit denen er Star Wars spielen kann und mit denen dieses Spiel nicht möglich ist. Von entsprechenden Anschlussoptionen ist abhängig, ob er etwas mit den Kindern zusammen macht oder nicht. In den zwei folgenden Beispielen kann auf Nicht-Anschlussoptionen im Zusammenhang mit nicht passender Komplexität gedeutet werden, die dadurch zugeschrieben wird, dass der kommunikative Anschluss der Kinder an immer dasselbe Spiel bzw. dieselbe Spielfigur erfolgt. Beispiel Clemens 00:04:52-2 Interviewerin: Ja. Okay. Und gibt es auch Kinder, wo du Sachen NICHT so gut findest? 00:04:58-2 Clemens: Mm. 00:05:00-9 Interviewerin: Wo was NICHT so gut ist? 00:05:04-0 Clemens: (…) Ja, nämlich, dass (..) sie schlechte Spiele haben. 00:05:08-1 Interviewerin: Schlechte Spiele? 00:05:10-9 Clemens: Ja. 00:05:12-0 Interviewerin: Mm. 00:05:14-0 Clemens: Also Martin macht doch nur Piraten mit (.) den anderen. 00:05:17-7 Interviewerin: Ja. (…) Und das gefällt dir dann nicht so gut. 00:05:24-8 Clemens: Ja. Immer nur dasselbe zu spielen. Beispiel Ronja (Transkription I) 00:06:15-6 Ronja: Und manchmal, da will Laura sogar auch gar nicht mit / mit uns spiel’n, NUR weil wir / NUR weil (..) wir nicht abwechseln mit den Hund / (…) will Lili / Laura gar nich mit uns spiel’n. [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:06:24-9 Interviewerin: Nee? 00:06:25-3 Ronja: … nich mehr. 00:06:26-3 Interviewerin: Nee? 00:06:27-6 Ronja: Nee. 00:06:29-0 Interviewerin: Mm. 00:06:31-2 Ronja: Denn sagt sie: »Entweder ich bin der Hund oder (..) oder (.) wir spiel’n nicht mehr!« [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:06:37-8 Interviewerin: Mm.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:06:38-6 00:06:39-0 00:06:39-9 00:06:43-3 00:06:46-3

Ronja: Das’ ganz doof. Interviewerin: Mhm [nickt]. Ronja: Dann müssen Monika und ich eben damit leben. [Zuckt die Schultern.] Interviewerin: Mm. Und dann? Ronja: Und dann, ist das halt so, DASS Monika und ich was alleine machen müssen, ohne Laura.

Folgende Äußerungen von Anna werden dahingehend interpretiert, dass sie nicht an Jenny(a. B.) als »Große« und »Erwachsene« anschließen kann, da ihr die Rolle nicht als passend erscheint und sich für Anna dadurch kein Zugang zu dem von Jennys(a. B.) angebotenen kommunikativen Angebot erschließt. Beispiel Anna 00:06:36-0 Anna: Ähm, Jenny(a. B.), die ähm hat immer so gespielt, dass sie groß und erwachsen ist und das fand ich nicht so gut. 00:06:47-8 Interviewerin: Das was? 00:06:48-8 Anna: Die hat immer über Tom(a. B.) und so bestimmt. 00:06:49-3 Interviewerin: Ach so, okay. 00:06:51-6 Anna: Und dann, ähm, hat sie immer so gespielt, dass sie die Hauptrolle spielt … 00:06:55-3 Interviewerin: Ach so. 00:06:56-3 Anna: … und das finde ich nicht so gut [schüttelt verneinend den Kopf]. […] 00:07:21-1 Interviewerin: Mhm. War das bei Jenny(a. B.) denn immer so oder war das auch mal anders? 00:07:26-7 Anna: Mm-Mm [schüttelt verneinend den Kopf], eigentlich immer so. 00:07:27-8 Interviewerin: Mhm. 00:07:30-2 Anna: Ich konnte nie mit Jenny(a. B.) spielen. Als vergleichbare Nicht-Anschlussoption wird im folgenden Beispiel das »Nachplappern« von Smilla(a. B.) bewertet, mit der Matthias(a. B.) deshalb nichts zusammen macht. Beispiel Matthias(a. B.) 00:01:15-7 Matthias(a. B.): Und mit Felicitas mach ich nichts, mit Smilla(a. B.) auch nicht. Mit Fee hab ich Koffer gespielt. [Schiebt das Zeichen von Fee in die Mitte.] […] 00:11:45-2 Matthias(a. B.): Smilla(a. B.), die stört mich, weil sie immer nur / immer wenn ich was erzähl, plappert sie nach. Hinsichtlich dieses Interviewbeispiels lässt sich interpretieren, dass Matthias(a. B.) die kommunikativen Anschlüsse von Smilla(a. B.) als wenig strukturreich beob-

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

achtet und er diese dadurch als unzureichend bewertet.65 Hier zeigt sich, dass sich der Beobachter abwendet, wenn Anschlussoptionen vor dem Horizont seiner Wahlmöglichkeiten als im Wesentlichen gleichbleibend erscheinen. Innerhalb aller hier dargestellten Interviewausschnitte lässt sich ein Problem in der zwischenmenschlichen Interpenetration erkennen. Mitteilungshandlungen werden hier primär dann als problemwirksam bewertet, wenn sie keine passende Kombinationsmöglichkeit hinsichtlich des Sinnbezugs aufweisen, welche für den Beobachter aktuell von Bedeutung ist. In Kapitel 2.2.1 wurde dargelegt, dass mit sinnhaften Operationen Selektionen (des Aktuellen) einhergehen. Diese Sinnbezüge verdeutlichen solche Vorgänge exemplarisch in Bezug auf Rollenspiele. Dabei zeigt sich: Je spezialisierter oder auch festgelegter ein Sinnbezug ist, desto weniger Anschlussoptionen bestehen hinsichtlich hierzu differierender kommunikativer Anschlüsse und als desto weniger eigenkomplex und stärker exklusionsgefährdet erscheinen Kinder, an denen sich solche kommunikativen Anschlüsse ausflaggen (vgl. Kapitel 2.5.2). Diese Spezialisierung lässt sich innerhalb komplexer und weniger komplexer Sachbezüge beobachten. In den Interviews nehmen Kinder mit a.B zu 16 % und Kinder ohne a. B. zu 21 % Bezug auf gemeinsame Tätigkeiten oder auf Spielformen von Kindern, hinsichtlich der generierten Nicht-Anschlussoption (vgl. Grafi k 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). Grafik 12 / 5.2.1

Grafik 13 / 5.2.1

Grafik 14 / 5.2.1

Die Grafi ken 13 / 5.2.1 und 14 / 5.2.1 stellen dar, dass sich facettenreicher problemwirksame Bezüge beobachten lassen bei Kindern ohne a. B. in Bezug auf Kinder mit a. B. und noch deutlicher bei Kindern mit a. B. in Bezug auf Kinder ohne a. B. In der näheren Betrachtung dieses Codes wird erkennbar, dass sich die problemwirksamen Sinnverweise fast ausschließlich auf Als-ob-Spiele und Rollenspiele beziehen. In Kapitel 5.1.2 wurde ausgewertet, dass Kinder mit und ohne a. B. sich signifi kant hinsichtlich ihrer Anschlussoptionen an diese Spielformen unterscheiden. Dort wurde erkennbar, dass jeweils Kinder an andere Kinder im Hinblick auf die Spielform am vielschichtigsten anschließen, die sie selbst am differenziertesten generieren. In Verbindung mit der hier verschlüsselten Verteilung zeigt sich, dass da, wo die meisten Sinnbezüge hin-beobachtet werden, auch die meisten NichtAnschlussoptionen sichtbar werden, möglicherweise, da hier am differenziertesten 65 | Wenn sich im Verlauf der Zeit keine Variationen beobachten lassen, kann aus systemtheoretischer Sicht auch auf das Entstehen von Voraussetzungen für die Bildung einer Krise gedeutet werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

unzureichende Eigenkomplexität vom jeweils anschließenden System selektiert werden kann. Aus dieser Perspektive wird geschlussfolgert, dass dort Problemwirksamkeit oder auch nicht passende Penetration am differenziertesten unterschieden wird, wo der Beobachter aktuell und vorrangig seine Sinnbezüge generiert. Insofern sind Kinder, an denen sich entsprechende Sinnbezüge nicht ausflaggen und denen entsprechender Sinn nicht zugeschrieben wird, als besonders von bestimmter Exklusion bedroht einzuschätzen. Bezug auf einen prozesshaften Verlauf In Kapitel 2.5.2 wurden Prozesse als gegenteilig zu Strukturen vorgestellt. Als bezeichnend für prozesshafte Verläufe wurde dargelegt, dass sie nur auf eine Möglichkeit zusteuern, selektivitätsverstärkend wirken, Anschlussoptionen beschränken und insofern häufig im Kontext von Exklusion beobachtbar werden. Sie engen damit Handlungsoptionen noch stärker ein als die oben dargestellten hoch spezialisierten Strukturen. Über die Probeauswertungen (vgl. Kapitel 4.2.2.2) konnten drei verschiedene Formen unterschieden werden, die als prozesshaft und in diesem Sinne als selektivitätsverstärkend zu bezeichnen sind: Wenn Kinder den kommunikativen Anschluss anderer Kinder an sie als ihre Grenzsetzung missachtend (von Kindern mit a.B zu 8 % und von Kindern ohne a. B. zu 11 % beobachtet), als körperlich aggressiv (von Kindern mit a. B. zu 24 % und von Kindern ohne a. B. zu 16 % beobachtet) oder als Beschimpfung (von Kindern mit und ohne a. B. zu 3 % beobachtet) differenzieren (vgl. Grafi k 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). An den Äußerungen der Kinder wird erkennbar, dass der kommunikative Anschluss bei einem prozesshaften Verlauf abbricht oder zumindest stark abbruchgefährdet ist. Insofern bilden die empirischen Daten das oben skizzierte Exklusionspotential prozesshafter Verläufe ab. Zusammengefasst wurden entsprechende Sinnverweise bei Kindern mit a. B. zu 35 % und bei Kindern ohne a. B. zu 30 % als Nicht-Anschlussoption verschlüsselt. Sie sind also im Verhältnis ihrer jeweiligen Gesamtverteilung bei beiden Kindergruppen vergleichbar strukturreich differenziert. Als Nächstes werden die drei Optionen im Einzelnen mit ihren entsprechenden Bezügen auf Kinder mit und ohne a. B. vorgestellt. Als Grenzsetzungen missachtend werden in leichtem Maße vielfältiger Kinder mit a. B. durch andere Kinder beobachtet (vgl. Grafi k 15 / 5.2.1). Diesem Subcode entsprechend wurde verschlüsselt, wenn »Stopp-Signale« ignoriert, Mitspielverbote übergangen, Spielutensilien entwendet oder körperliche Intimsphären überschritten wurden. Das umseitige Beispiel veranschaulicht eine solche Möglichkeit. Grafik 15 / 5.2.1

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Beispiel Monika 00:03:23-2 Interviewerin: Okay. Dann interessiert mich noch, Monika, ob’s (..) auch Sachen gibt, die dich an anderen Kindern STÖREN. 00:03:31-5 Monika: Ja. 00:03:33-6 Interviewerin: Kannst du mir sagen, was das ist? 00:03:34-9 Monika: Ja, wenn / wenn die / wenn wir / wenn wir, wenn wir ähm Vater-Mutter-Kind mit Ronja und Laura spielen, dann (.) und wenn die Piraten dann kommen, dann, dann ärgern die uns. [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:03:52-8 Interviewerin: Ja [nickt]? Und wie ärgern die? 00:03:56-8 Monika: Ja, die, die sagen (..) ähm doofe Wörter zu uns. 00:04:04-2 Interviewerin: Ja [nickt]. Was denn so zum Beispiel? 00:04:08-3 Monika: Mm. [Verzieht das Gesicht.] (4) Weiß ich nicht. 00:04:13-3 Interviewerin: Mm. Doofe Wörter auf jeden Fall. 00:04:15-5 Monika: [Nickt.] 00:04:16-3 Interviewerin: Und wie geht’s dann weiter? 00:04:17-5 Monika: Immer so weiter. Und die klauen uns noch Sa / Sachen. 00:04:22-3 Interviewerin: Echt? Die klauen euch Sachen? 00:04:24-4 Monika: [Nickt.] 00:04:25-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und was macht ihr dann? 00:04:30-3 Monika: Wir sagen die ganze Zeit: »Stopp!«, aber die hören gar nicht auf. 00:04:33-0 Interviewerin: Und was macht ihr dann? 00:04:35-4 Monika: Wir machen gar nichts. 00:04:37-4 Interviewerin: Mm. Und wie geht es dann weiter? 00:04:40-1 Monika: Immer so weiter. [Richtet Blick auf Interviewerin.] Hier zeigt sich, dass die Auswahloption der Kommunikation durch die spezifischen Sinnbezüge der »Piraten« stark eingeschränkt ist. Das Stopp-Signal von Monika als Grenzsetzung wird nicht beachtet. Monika berichtet, dass auch sie kommunikativ nicht mehr an das Interaktionssystem anschließt. So entgegnet sie den Piraten, die Sachen entwenden und die an ihr »Stopp-Signal« nicht anschließen, »nichts« (vgl. Monika 00:04:35-4). Beschimpfungen als weiterer Code, der Personenzuschreibungen zugeordnet wird, werden von Kindern deutlich facettenreicher an Kindern ohne a. B. beobachtet (vgl. Grafi k 16 / 5.2.1). In diesem Sinne wurden »Schimpfwörter«, »doofe« und »komische« Wörter verschlüsselt. Das nachfolgende Beispiel von Anna veranschaulicht einen solchen Verlauf. Grafik 16 / 5.2.1

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Anna 00:09:53-8 Anna: Und ähm, dann streiten die sich immer so rum und denn, ähm sagen sie immer so komische Wörter zu mir, so wie Anna-Panna und so, das sagen die ganz oft. 00:10:02-9 Interviewerin: Mhm. 00:10:04-6 Anna: … und denn werd’ ich denn richtig wütend drüber. 00:10:05-2 Interviewerin: Mhm, Mhm. 00:10:06-2 Anna: Weil ich mag das nicht, das hab ich schon mal richtig gezeigt, musste ich ihn am Kragen nehmen. 00:10:11-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:10:13-2 Anna: Und denn hab ich gesagt: »NE Lars(a. B.) [schüttelt verneinend den Kopf], da hab ich keine LUST zu!« 00:10:16-6 Interviewerin: Mhm, Mm. Und wie war das dann? 00:10:21-0 Anna: [Holt tief Luft.] Dann hat Lars(a. B.) gesagt, ähm: »Lass mich in Ruhe« und denn hab ich ihn auch in Ruhe gelassen und denn hab ich gesagt: »Aber mach so was nie wieder« und denn hat er es immer wieder gemacht und denn hab ich das Olli [Erzieher] gesagt und der hat das denn geregelt. Innerhalb dieses Beispiels wird erkennbar, wie Anna sich aus dem Kontakt zu Lars(a. B.) zurückzieht, an dem sie Beschimpfungen in Bezug auf sich selbst beobachtet. Anna steigt aus der Kommunikation mit Lars(a. B.) aus und sucht Anschluss an einen anderen Mitteilungshandelnden, in diesem Fall an den Erzieher Olli. Als dritte Form eines prozesshaften Kommunikationsverlaufs wurde im Kontext bestimmter Exklusion ein körperlich aggressiver Anschluss gedeutet. Er wird vielfältiger an Kindern mit a. B. beobachtet (vgl. Grafi k 17 / 5.2.1). Wie in den Grafiken 10 / 5.1.2 und 11 / 5.1.2 dargestellt, markiert dieser Code mit 24 % bei Kindern mit a. B. und 16 % bei Kindern ohne a. B. aller Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der Sozialdimension von Sinn einen sehr wesentlichen Anteil der Sinnverweise dieser Subkategorie. Verschlüsselt wurden hier Sinnverweise, die sich auf aggressive Handlungen gegenüber Kindern und das Zerstören von Gegenständen beziehen. Die Sinnverweise, die in Bezug auf Kinder mit a. B. beobachtet wurden, stellen ausschließlich aggressive Handlungen in Bezug auf andere Kinder dar. Jene, die an Kindern ohne a. B. beobachtet wurden, bezeichnen neben diesen körperlichen Aggressionen auch das Zerstören gebauter Dinge oder Spielutensilien. Als exemplarische Beispiele veranschaulichen die umseitigen Interviewausschnitte von Izzy(a. B.) und Nanny diese Bezüge. Grafik 17 / 5.2.1

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Beispiel Izzy(a. B.) 00:04:02-9 Interviewerin: Wieso magst du Reiko(a. B.) nicht [schüttelt verneinend den Kopf]? 00:04:04-0 Izzy(a. B.): Weil morgen nur, nur, nur den mich, mich mein Ohr ZIEHT [greift mit seiner linken Hand an sein Ohr und zieht daran]. 00:04:12-5 Interviewerin: Okay, Reiko(a. B.) zieht an deinem Ohr? 00:04:14-5 Izzy(a. B.): [Sortiert weiterhin Kinderzeichen aufeinander.] JA. 00:04:15-3 Interviewerin: Mm [nickt]. Und das stört dich [nickt]. 00:04:18-8 Izzy(a. B.): JA. Interviewerin: Mm. 00:04:19-4 Beispiel Nanny 00:02:45-0 Interviewerin: Was ärgert dich denn so an Boris(a. B.), Nanny? [Zeigt mit Finger auf ein Zeichen.] 00:02:47-5 Nanny: Er, er macht mein, meine Höhlen kaputt. 00:02:52-7 Interviewerin: Mm. 00:02:54-1 Nanny: Und er ärgert uns noch. Und er ärgert auch Merle. [Dreht sich zum Spielzeugregal um, das sich hinter ihrem Rücken befindet.] 00:02:57-3 Interviewerin: Mm. Und was macht er dann so, wenn er Merle ärgert? 00:03:03-2 Nanny: Ja, er werft sie mit Kissen ab. 00:03:04-2 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:03:06-3 Nanny: Und alles Mögliche. [Blick geht vom Regal an die Decke.] Interviewerin: Mm. 00:03:07-3 In Kapitel 2.5.1 wurde über den Begriff der strukturellen Koppelung erläutert, dass autopoietische Systeme sich reziprok anregen, die Reaktion auf die Anregung jedoch nicht bestimmbar ist. Wenn autopoietischen Systemen mit Durchgriffskausalität begegnet wird, kann das vom System als Strapaze bewertet werden. Das System scheint in seiner Geschlossenheit gefährdet und stellt seinen Anschluss ein. In Bezug auf Schleiffer wurde ausgeführt, dass eine Wahl grundsätzlich möglich bleiben muss, damit das System bestehen bleiben kann (vgl. Kapitel 2.5.2). In Kapitel 2.4 wurde verdeutlicht, dass der Bezug auf den Körper in der Beobachtung des Individuums unausweichlich ist (vgl. Luhmann 2008, 182). »Das Bewußtsein macht sich, indem es den eigenen Körper beobachtet, dessen System / Umwelt-Differenz zu eigen und kann sich daraufhin, obwohl es nur in sich selbst operiert, in der Welt lokalisieren« (Luhmann 2008, 183). So könnte auch gesagt werden, dass sich das Bewusstsein über den Körper in der (Um-)Welt wiederfindet. Wird diesem Körper über einen als körperlich aggressiv beobachteten kommunikativen Anschluss begegnet und wird dieser als alternativlos gedeutet, so ist das psychische System selbst bedroht und über den bedrohten Körper auch das Sich-Wiederfinden in der (Um-)Welt (vgl. Kapitel 2.4). Entsprechend veranschaulicht Schleiffer diese Verbindung: »Die körperliche Fundierung des Wahrnehmungssystems zeigt sich vor allem an den Gefühlen oder Affekten, die aufkommen, wenn die Autopoiesis des psychischen Systems gefährdet erscheint« (Schleiffer 2012, 56). Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass prozesshafte Sinnverweise, insbesondere jene, die als körperlich aggressive bewertet werden, als besonders relevante und brisante Nicht-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Anschlussoption gedeutet werden können, die im erhöhten Maße zu bestimmter Exklusion beitragen. In Kapitel 2.5.2 wurde die Frage aufgeworfen, ob im Kontext von Behinderung kommunikative Angebote Gefahr laufen, eher als selektivitätsverstärkend beobachtet zu werden. Eine solche Tendenz lässt sich aus der hier dargestellten Verteilung der drei als prozesshaft bewerteten Verstehensversuche ablesen. Das wird wie folgt begründet: Auf Kinder mit a. B. wird hinsichtlich der Codes, die als NichtAnschlussoption umfangreicher verschlüsselt wurden, breiter Bezug genommen. Zudem werden die verschiedenen Verläufe vor dem oben skizzierten Hintergrund als den Anschluss unterschiedlich stark beeinträchtigend bewertet, da sie die Autopoiesis sozialer und psychischer Systeme in verschiedenem Maße gefährden. In diesem Sinne werden der an Kindern mit a. B. als deutlich facettenreicher hin-beobachtete körperlich aggressive Anschluss und der entsprechend an Kindern mit a. B. hin-beobachtete als Grenzsetzungen missachtend bewertete Anschluss als stärker exklusionsgefährdend eingeschätzt als die vielfältiger an Kindern ohne a. B. unterschiedenen Beschimpfungen. Bezug auf sonstige Verhaltensattribute Unter »sonstige Verhaltensattribute« werden all jene Sinnverweise zusammengefasst, die sich den anderen hier vorgeschlagenen Personenzuschreibungen nicht zuordnen lassen und sich auf ein konkretes Verhalten beziehen.66 Entsprechende Verweise wurden von Kindern mit a. B. zu 23 % und von Kindern ohne a. B. zu 15 % verschlüsselt (vgl. Grafi k 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). Insofern stellen sie einen wesentlichen Anteil der potentiellen Nicht-Anschlussoptionen dar. Der Bezug der Kinder auf Kinder mit und ohne a. B. verteilt sich dabei sehr ausgewogen (vgl. Grafi k 18 / 5.2.1 bis 20 / 5.2.1). Grafik 18 / 5.2.1

Grafik 19 / 5.2.1

Grafik 20 / 5.2.1

In der näheren Betrachtung der einzelnen Sinnverweise kann hier auf die Problemwirksamkeit bei der Konfrontation mit Kontingenz gedeutet werden (vgl. Kapitel 2.3). Deutlich wird dies daran, dass Kinder beispielsweise Kommunikation als negativ markieren, die sie als nicht verstehbar oder als anders als erwartet beschreiben. Entsprechend wurde verschlüsselt, wenn der kommunikative Anschluss anderer Kinder als »Rumgequatsche«, »Schummelei«, »zickig« oder »störend« bewertet 66 | An dieser Stelle wird sich an der in Kapitel 5.1.1 eingeführten induktiv gewonnenen Unterscheidung zwischen Deutungen auf Eigenschafts- und Verhaltensattribute orientiert.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

wurde bzw. die Mitteilungshandlungen der Kinder als »sich nicht beruhigen könnend«, »ärgerlich«, »streitbar« oder etwas »Blödes« tuend unterschieden wurden. In diesem Zusammenhang lässt sich auch hier auf die in Kapitel 2.4 vorgestellte und schon im Zusammenhang mit Durchgriffskausalität gedeutete Strapaze verweisen. Folgende Interviewbeispiele veranschaulichen diese Option: Beispiel Ronja (Transkription I) Ronja: Also (5) [nimmt Zeichen in beide Hände] hier mit Susi(a. B.) 00:10:03-7 ist fast immer alles doof. Dann schreit sie SOFORT los. 00:10:14-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:10:15-6 Ronja: Das ist doof. [Hantiert mit mehreren Zeichen.] 00:10:19-6 Interviewerin: Mm. Wieso schreit Susi(a. B.) sofort? 00:10:21-0 Ronja: Weiß ich ja auch nicht. 00:10:22-2 Interviewerin: Mm. Beispiel Paul 00:08:37-2 Interviewerin: Wie ärgern die dich denn? (.) Wie ärgern die dich denn? 00:08:42-6 Paul: Die sagen immer alles. Die sagen immer: »Keine Piraten!« Und… / Obwohl die auch Piraten wollen. 00:08:46-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:08:49-5 Paul: Die schummeln mich nur an. Darüber hinaus deuten Kinder als von ihnen abweichend beobachtete Bezeichnungen und Bewertungen von Unterscheidungen anderer Kinder als Nicht-Passung. Folgende Äußerungen von Lars(a. B.) veranschaulichen diese Möglichkeit. Sie wird in diesem Sinne als problemwirksam bewertet: Beispiel Lars(a. B.) 00:01:46-9 Lars(a. B.): Ich spiel schon mal mit Michi. Das hier ist mein Zeichen. Hups. [Legt die Zeichen von Michi und sich selbst vor sich. Sein Zeichen fällt vom Tisch. Lars(a. B.) hebt es auf.] Hier. Ich spiel ganz gerne mit Michi. 00:01:57-7 Interviewerin: Mhm. Lars(a. B.): HEIKO, mit DEN nicht so. 00:01:59-2 00:02:01-6 Interviewerin: Mm. 00:02:02-6 Lars(a. B.): Mm. 00:02:03-6 Interviewerin: Warum spielst du mit dem nicht so gerne? 00:02:06-6 Lars(a. B.): Naja, weil er ’ne Petze ist. 00:02:07-4 Interviewerin: Aha. 00:02:09-1 Lars(a. B.): Ja. 00:02:10-2 Interviewerin: Was, was heißt das? Was macht er dann? 00:02:12-4 Lars(a. B.): Der, der sagt immer alles, wenn ich, wenn ich ihn hier so, wenn ich ihn einmal so antick [beugt sich nach vorne und berührt die Interviewerin am Arm], geht er zu dem Erwachsenen und sagt, dass ich ihn richtig gehauen HAB. 00:02:23-4 Interviewerin: Mhm. 00:02:24-4 Lars(a. B.): Das finde ich auch nicht so toll.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:02:25-7 00:02:26-7 […] 00:06:54-2

00:06:55-5

00:07:01-2 00:07:05-5 00:07:06-4

Interviewerin: Mhm. Lars(a. B.): Eigentlich spiel ich nur gerne mit Michi. Interviewerin: Und kannst du mir beschreiben, was dir an denen nicht so gut gefällt? [Zeigt mit dem Finger auf die Zeichen, die Lars(a. B.) als die Kinder zusammengeführt hat, mit denen er nicht gerne etwas macht.] Lars(a. B.): Ah. [Legt ein Zeichen zu der Ansammlung der Kinder, mit denen er gerne spielt.] Ahm, Heiko, da gefällt mir nicht so gut, dass er gleich ausrastet, wenn ich nur bei ihm so mach [berührt mit dem Finger die Hand der Interviewerin]. Interviewerin: Mm. Lars(a. B.): Dann schlägt er mich richtig. [Verschränkt die Hände vor sich auf dem Tisch und legt den Kopf darauf und schaut nach unten.] Interviewerin: Mm.

In Kapitel 2.3 wurde vorgestellt, dass es über die Beobachtungsebene zweiter Ordnung möglich ist, die Unterscheidungen der Beobachtungsebene erster Ordnung gegenzubeobachten und damit dessen Standortgebundenheit zu berücksichtigen. Kontingenz wird darüber nachvollziehbar bzw. kann berücksichtigt werden. Die hier verschlüsselten kommunikativen Anschlüsse verweisen nicht auf diese Möglichkeit und wirken dadurch krisenanfälliger.67 Bezug auf Sonstige Eigenschaftsattribute Die Deutung auf Eigenschaftsattribute ergänzt die vorangegangenen Verschlüsselungen der Verhaltensattribute. Hier werden vergleichbar denen in Kapitel 5.1.1, Beobachtungen zusammengefasst, die als allgemeinere Beschreibungen von Verhalten interpretiert wurden. Eigenschaftsattribute, werden sie als nicht passend bewertet, können auch als problemwirksame Adressenfragmente bezeichnet werden, die Anschlussoptionen minimieren.68 Anlässlich der Interviewfragen wurden diesbezügliche Zuschreibungen nur ausgehend von Äußerungen von Kindern ohne a. B. verschlüsselt (vgl. Grafik 10 / 5.2.1 und Grafik 11 / 5.2.1). Sie machen hier 6 % ihrer generierten Nicht-Anschlussoptionen aus und beziehen sich im Wesentlichen auf Kinder mit a. B. (vgl. Grafik 21 / 5.2.1).69 In Bezug auf die hier fokussierte Ausrichtung auf das Adressenfragment Behinderung wurden Auffälligkeiten im Speichelfluss und insbesondere in der Verbalsprache als problemwirksam gedeutet. Bei der Darlegung der Begriffskonzepte der Systemtheorie wurde thematisiert, dass 67 | Inwiefern Kinder im Alter früher Kindheit an die Beobachtungsebene zweiter Ordnung anschließen können, wird im Rahmen der Interpretationen der Sinnverweise in Bezug auf sich selbst in Kapitel 5.4 thematisiert. 68 | Adressenfragmente wurden in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen nicht explizit verschlüsselt, da sich hier weitestgehend Überschneidungen zu den Eigenschaftsattributen zeigten. 69 | Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass diesbezügliche Sinnverweise zu 86 % in Bezug auf Jungen und 14 % auf Mädchen verschlüsselt wurden. Auch dieses Ergebnis der Auswertung verweist auf die Notwendigkeit, den Genderaspekt in weiteren Forschungsarbeiten zu vertiefen und den bestehenden Diskurs zu berücksichtigen.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 21 / 5.2.1

Sprache die strukturelle Koppelung zwischen dem psychischen und sozialen System ermöglicht (vgl. Kapitel 2.5.1). Es wurde problematisiert, dass das Fehlen von verbaler Sprache als besonders herausfordernd für den Anschluss psychischer Systeme an soziale Systeme bewertet wird (vgl. Kapitel 2.2.3). In Kapitel 5.1.1 konnte ausgewertet werden, dass sozial relevante Mitteilungshandlungen auch nonverbal beobachtbar sind. Hier zeigen sich Grenzen von Anschlussmöglichkeiten an das Medium Sinn, wenn Verbalsprache als Form der angebotenen Kommunikation nicht unterschieden wird, als nicht hinreichend bewertet wird oder sich nicht in der bekannten Form darbietet. Folgende Interviewausschnitte stellen exemplarische Beispiele dar: Beispiel Clemens 00:10:51-2 Clemens: Nein [schüttelt den Kopf]. Aber (..) Susi(a. B.) (.), die, das nervt auch manchmal, wenn / Also die kann nicht so richtig wie wir sprechen, deswegen nervt es. 00:11:11-2 Interviewerin: Ja. (..) Das nervt, dass die nicht so richtig sprechen kann? 00:11:17-5 Clemens: Ja. [Atmet schwer aus.] 00:11:18-7 Interviewerin: Und was machst du dann? 00:11:22-0 Clemens: (…) Mm. (8) Wir lassen sie nur in Ruhe. Beispiel Jan 00:10:39-1

00:10:45-2 00:10:46-2 00:10:54-9 00:10:59-5 […] 00:11:20-2 00:11:27-6 00:11:30-0 00:11:32-0

Jan: Mm. (..) Orla(a. B.) [anonymisierter Name eines Kindes, welches im vergangenen Jahr eingeschult wurde] hatta / hatta mal die Wurzeln [zeigt auf ein Zeichen, auf welchem eine Wurzel abgebildet ist] … Interviewerin: Mm. Jan: … die / die, die / die is auch krank, deswegen kann die gar nich so gut reden, obwohl die schon ein Schulkind is. Interviewerin: Mm. Jan: Und Reiko(a. B.) macht immer »mhm« [lächelt] und deswegen ist der auch krank. Interviewerin: Okay. [Lacht.] Und wie findest du das, dass die Kinder anders sind? Jan: (..) Nicht gut [spricht leise]. Interviewerin: Mm. Jan: Reiko(a. B.) mag ich zwar aber, aber / aber Orla(a. B.) mag ich nicht.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Moritz 00:05:17-5 Moritz: Susi(a. B.). 00:05:18-8 Interviewerin: Ja [nickt]. 00:05:20-3 Moritz: Die meckert immer so. 00:05:21-3 Interviewerin: Okay [nickt]. Wie, wie ist das dann so, wenn sie meckert? 00:05:27-4 Moritz: Die kann noch nicht richtig sprechen. 00:05:28-6 Interviewerin: Ja [nickt]. Okay. 00:05:30-1 Moritz: Deshalb ist das blöd. Am folgenden Beispiel von Mike lassen sich Irritationen durch Besonderheiten im Speichelfluss veranschaulichen: Beispiel Mike 00:11:44-9 Interviewerin: Okay. Gut. Und ähm, kannst du mir sagen, gibt es auch Kinder bei den Fischen, die anders sind als andere Kinder? 00:11:52-9 Mike: Ja. Interviewerin: Wer denn? 00:11:53-7 00:11:54-7 Mike: Josef(a. B.), der sabbert ja immer so RUM. 00:11:58-3 Interviewerin: Mhm. 00:12:00-3 Mike: UHÄ [streckt seine Zuge raus und verzieht das Gesicht]. UHHB. Interviewerin: Mm. 00:12:02-1 An Kindern ohne a. B. wird als problemwirksames Eigenschaftsattribut »klein sein« und »Kleider tragen« beobachtet. Worauf verweisen diese verschiedenen Sinnbezüge? Ein Interpretationsvorschlag besteht darin, sie als notwendige Selektionsprozesse des Beobachters zu verstehen. In diesem Sinne könnte darauf gedeutet werden, dass Zurechnungs- und Erwartungsmuster psychischer und sozialer Systeme in dem, was sie beobachten, keine Entsprechung finden. Dadurch ist die Synchronisation zwischen psychischem und sozialem Sinnbezug, und damit der Prozess der Interpenetration, so stark erschwert, dass die Beobachtungen selbst als Strapaze erscheinen, so dass sich von den Kindern abgewandt wird, an denen sich diese ausflaggen. Kinder sprechen anders als erwartet, verteilen Körperflüssigkeiten da, wo es für andere nicht gewohnt ist,70 tragen andere Kleidung, als sie an der körperlichen Umwelt des psychischen Systems beobachtet wird etc. Ergänzend soll darauf hingewiesen werden, dass Kindern, die Erfahrungen mit Sprachverzögerungen oder -störungen in Bezug auf sich selbst haben, diese bei anderen Kindern nicht zwangsläufig als weniger problemwirksam erscheint. Insofern wird nicht vermutet, dass allein über die Beobachtung von besonderen Eigenschaftsattributen an sich selbst diese weniger als unpassend bewertet wer-

70 | Wenn Kinder als »sabbernd« beobachtet werden, kann das auch im Zusammenhang mit einer Grenzüberschreitung in Bezug auf den Körper gedeutet werden (s. o.: körperlich aggressiver Anschluss). Hier scheint es hilfreich, über die Arbeit an der sozialen Adresse entsprechend anzuregen, dass solche Eigenschaftsattribute nicht als prozesshaft und unveränderbar beobachtet werden.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

den, wenn sie an anderen Kindern beobachtet werden.71 Die Äußerungen von Mike stellen diese Einschätzung beispielhaft dar.72 Beispiel Mike Interviewerin: Okay. Und, und äh, kannst du mir sagen: Gibt es noch 00:12:33-8 andere Kinder, dieanders sind in der Fische-Gruppe? 00:12:40-1 Mike: Ja, natürlich: Olaf(a. B.) [atmet stark aus]. 00:12:42-8 Interviewerin: Olaf(a. B.). Wieso ist der anders? 00:12:44-3 Mike: Ähm, der ha- der hat ja so ’ne Störung mit ’ner Sprache, mit der Sprache. 00:12:49-1 Interviewerin: Okay. 00:12:50-5 Mike: Und (.) ich hab das nicht. 00:12:52-9 Interviewerin: Ja. 00:12:53-7 Mike: Ich hatte vorher auch mal ’n bisschen gestottert. 00:12:56-7 Interviewerin: Ja. Mike: Bei, bei- bei mei’m Papa war- war das ganz schlimm. Der hatte 00:12:57-1 so ’ne richtig (..) große Störung. Da- da- damit muss, mussten sie ins Krankenhaus, zum Arzt. 00:13:07-6 Interviewerin: Mm. 00:13:08-6 Mike: Oh-je, ne. Interviewerin: Mm [nickt]. 00:13:09-8 00:13:10-7 Mike: Das findet Papa nicht so toll. 00:13:11-6 Interviewerin: Mhm. 00:13:13-6 Mike: Jetzt in der Kindheit. Und Mama hatte das gar nicht. Mama (.) / Meine Oma wo- wohnt in Berlin [Codename]. Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:13:19-4 […] Interviewerin: Mm. Mike, mich interessiert noch, gibt es NOCH an00:13:56-9 dere Kinder, die anders sind? 00:14:00-7 Mike: [Atmet tief ein.] 00:14:03-9 Interviewerin: Von denen wir noch nichts gehört haben? 00:14:04-4 Mike: Susi(a. B.). Interviewerin: Ja. Und wieso ist Susi(a. B.) anders? 00:14:07-3 00:14:09-0 Mike: Die kann noch nicht so richtig sprechen, glaub ich. Die versteht sie immer nicht, weil sie immer so: »WÄÄÄÄHHHHWÄÄÄÄÄHHH« … 00:14:14-0 Interviewerin: Ja. 00:14:15-9 Mike: … oder was weiß ich da, was die da spricht. Vielleicht hat, vielleicht hat sie auch einfach so ne andere Sprache. 00:14:21-6 Interviewerin: Ja. Und machst du manchmal was mit Susi(a. B.)? 00:14:23-6 Mike: Nö, nicht so richtig. 00:14:25-8 Interviewerin: Mm.

71 | Hinsichtlich der Deutungsoptionen auf sich selbst wird auf das Kapitel 2.4 und die Einleitung des Kapitels 5 verwiesen. 72 | Auch dieser Aspekt könnte im Inklusionsdiskurs hinsichtlich der Zusammensetzung von Kindergruppen berücksichtigt werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Deutung auf das Adressenfragment Behinderung Innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen wurde am kommunikativen Anschluss keines Kindes ein Selektionsprozess beobachtet, der das Adressenfragment Behinderung stabilisiert. Es wurde zwar deutlich, dass anteilig Sinnverweise erkennbar werden, die sich normorientiert beobachtet von denen unterscheiden, die der Norm zugeschrieben werden. In diesem Zusammenhang wurde das Adressenfragment behindert selbst jedoch von Kindern nicht unterschieden. Das kann darauf zurückgeführt werden, dass sich alternative Differenzierungsmöglichkeiten im Kontext von Exklusion hier als bedeutsamer oder auch funktionaler erweisen, Nicht-Passungsverhältnisse zu differenzieren. Der systemtheoretische Sozialisationsbegriff wurde als einer vorgestellt, der Sozialisation als Selbstbildungsprozess des psychischen Systems versteht, anlässlich von Kommunikationen in der Umwelt (vgl. Kapitel  2.5.1). So kann darauf gedeutet werden, dass über die kommunikativen Angebote durch die als behindert adressierten Kinder nicht das Adressenfragment selbst in den Fokus gerät, sondern andere Unterscheidungen (wie sie exemplarisch innerhalb der verschiedenen Kapitel in dieser Arbeit vorgestellt werden). Die Konfrontation mit spezifischer, als behindert adressierter Kommunikation wird hier als Einflussfaktor bewertet, über den dieser Bildungsprozess angeregt wird (vgl. Kapitel 5.5). Inwiefern Bezüge auf dieses Adressenfragment von Kindern in einer anderen Umwelt anders beobachtet werden (beispielsweise innerhalb von sogenannten Regeleinrichtungen, die nur von Kindern ohne adressierte Behinderung besucht werden dürfen), müssten Vergleichsstudien zeigen.73 Deutung auf Rollen und Rollenzuschreibungen Rollen oder Rollenzuschreibungen wurden an Kindern mit a. B. zu 3 % und an Kindern ohne a. B. zu 8 % in Bezug auf alle Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der Sozialdimension verschlüsselt (vgl. Grafi k 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). So zeigt sich, dass allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen auch im Rahmen des Nicht-Anschlusses (wie innerhalb der Anschlussoptionen) nicht als besonders wirkmächtig bewertet werden können und sich am kommunikativen Anschluss der Kinder ohne a. B. facettenreicher darbieten als bei dem der Kinder mit a. B. Die Sinnverweise der Kinder mit und ohne a. B. zeigen diesbezüglich einen etwas vielfältigeren Bezug auf Kinder mit a. B. (vgl. Grafi k 22 / 5.2.1). Grafik 22 / 5.2.1

73 | So weist beispielsweise Köbsell darauf hin, dass das Wort »Behinderung« in der Schule von Kindern immer wieder ins Klassenzimmer getragen wird (vgl. Köbsell 2015, 125).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

In der näheren Betrachtung wird deutlich, dass strukturreich Rollenzuschreibungen von Jungen als problemwirksam gedeutet werden. Dabei werden Jungen ausschließlich von Mädchen attribuiert als »Quatsch machend«, »gegen Mädchen kämpfen wollend«, »hinterhältig«, »Mädchen ärgernd«, »wild« und in verschiedener Form als sich gegenüber Mädchen grenzüberschreitend verhaltend. Darüber hinaus werden allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen wie »Kleine«, »Baby« und »nicht Freund« als problemwirksam deklariert. Hier lässt sich interpretieren, dass diese Rollen darauf verweisen, dass ein Sinnbezug erschwert bzw. dieser als nicht passend bewertet wird. Folgendes Beispiel veranschaulicht diese Möglichkeit. Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:06:59-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Kannst du das genauer beschreiben, was dir nicht so gut gefällt? Konstanze: Ähm. Wenn, wenn die Kleinen uns ärgern. 00:07:05-4 00:07:07-5 Interviewerin: Mm. Wie ärgern die euch denn? 00:07:08-7 Konstanze: Weil im Ärgern sind sie prima. 00:07:09-6 Interviewerin: Ja. Was ist denn für dich ärgern? 00:07:13-6 Konstanze: Die kommen … Interviewerin: Mm. 00:07:15-4 00:07:16-4 Konstanze: … und dann ärgern sie uns [zieht die Schultern hoch]. 00:07:17-3 Interviewerin: Wie ärgern sie dich denn? 00:07:20-5 Konstanze: Die ärgern uns, gehen rein, nehmen paar Sachen weg, machen die Hälfte beim Rausgehen kaputt … An den Äußerungen von Michi und Jodok(a. B.) kann auf einen Mangel an Penetrationsmöglichkeiten hin-gedeutet werden, in Bezug auf die »Sache«, um die es den Kindern gerade geht. Beispiel Michi 00:04:12-0 Interviewerin: Mm. (..) Und was gefällt dir da nicht so gut? 00:04:22-5 Michi: Weil zu kleiner sind. 00:04:23-7 Interviewerin: Mm. (.) Und wie ist das dann, wenn die kleiner sind? 00:04:31-0 Michi: Na ja, denn kann man nicht Polizisten spielen. 00:04:35-2 Interviewerin: Mm. 00:04:40-9 Michi: Deswegen. 00:04:41-9 Interviewerin: Mm. (..) Und gibt’s noch was anderes, was dich stört? 00:04:47-3 Michi: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Beispiel Jodok(a. B.) 00:11:33-2 Jodok(a. B.): UND Lars(a. B.) darf nicht mitmachen [zeigt mit seinem Ellenbogen auf Lars’(a. B.) Zeichen]. Und Fried darf nicht mitmachen [zeigt mit seinem Zeigefinger auf Frieds Zeichen] und Fanny(a. B.) ja sowieso nicht [zeigt mit dem Finger auf Fannys(a. B.) Zeichen]. 00:11:41-5 Interviewerin: Wieso Fanny(a. B.) sowieso nicht? 00:11:43-1 Jodok(a. B.): Weil Fanny(a. B.) ja, ein Baby ist die. Weil die kann noch nicht mal mir nachmachen. 00:11:48-3 Interviewerin: Mm.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Die Rolle »Mädchen« wurde nur ausgehend von der Äußerung eines Jungen konkret als Nicht-Anschlussoption ausgewertet, der Mädchen als laut und kreischend unterscheidet. Die Äußerungen zweier weiterer Jungen beziehen sich ohne nähere Differenzierungen verallgemeinernd auf das »Mädchen-Sein« an sich, welches von ihnen negativ bewertet wird. Ebenso wenig wird die Nicht-Anschlussoption der Deklarierung »nicht Freund« sein von Kindern konkretisiert. Deutlich wird durch die Verschlüsselungen dieses Codes, dass der Genderaspekt auch hier ein besonderes Gewicht einnimmt und sich, ähnlich wie innerhalb der Anschlussoptionen, an klassischen Rollenzuschreibungen orientiert. Wie bereits dargestellt, kann dieser Aspekt im Rahmen der hier aufgespannten Fragestellung nicht weiter verfolgt werden. So muss auch hier auf weitere Forschungsarbeit verwiesen werden. Ausgehend von dieser Verteilung kann jedoch problematisiert werden, dass der Anschluss von Mädchen an die als wild und grenzüberschreitend differenzierten Jungen ein besonderes Exklusionspotential darstellt. In Bezug auf die Verschlüsselung »Baby« und »Kleine« wird auf die Überlegungen zu »Sonstigen Eigenschaftsattributen« in diesem Kapitel verwiesen. Deutung auf Gefühle Hinsichtlich der Interpretationen von Gefühlen soll sich auch hier, wie in Kapitel 5.1.1, orientiert am Kapitel 2.2.3 auf Schleiffer bezogen werden. Gefühlen wird von ihm eine systemschützende Funktion zugeschrieben. Eine besondere Bedeutung erlangen dabei negative Gefühle (vgl. Schleiffer 2012, 57). »Gefühle, die am Körper wahrnehmbar sind, lassen die Wahrnehmungsinhalte informativ werden. Sie erleichtern dem psychischen System die Entscheidung, wie es weiterzumachen hat, ob es die Aufmerksamkeit von dem wahrgenommenen Gegenstand wieder abzieht oder sich mit ihm weiterhin beschäftigt« (ebd.). Er unterscheidet hier zwischen Angst, Wut, Ärger, Ekel, Trauer und Scham (vgl. ebd.). In Kapitel 2.2.3 wurden Wahrnehmungen evolutionär als der Sprache vorausgehend eingeordnet. Sind diese jedoch nicht so klar zuzuordnen, können sie die genannte Schutzfunktion kaum erfüllen, da sie der Psyche keine differenzierten Selektionsmöglichkeiten anbieten. Sie sind in diesem Fall auch sozialen Operationen weniger zugänglich. In der Auswertung der Interviews wurde zwischen Sinnverweisen, die sich auf diese Gefühle beziehen lassen, und jenen, die als unspezifische negative körperliche Wahrnehmungen interpretiert werden können, unterschieden. Zunächst erfolgt jedoch die Darstellung des Bezugs auf Kinder im Kontext von negativen Gefühlen. Hinsichtlich der Sinnverweise, die als negative Gefühle gedeutet wurden, wurde auf Kinder mit a. B. von Kindern im leichten Maße vielfältiger Bezug genommen (vgl. Grafik 23 / 5.2.1). Dabei generierten Kinder mit und ohne a. B. vergleichbar mannigfach solche Sinnbezüge innerhalb ihrer jeweiligen Gesamtverteilung (vgl. Grafik 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1).

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 23 / 5.2.1

In der näheren Betrachtung zeigt sich, dass Gefühle im Kontext der Nicht-Anschlussoptionen überwiegend als Ärger und Wut verschlüsselt wurden. Nur wenige Sinnverweise wurden als Trauer interpretiert und nur ein Sinnverweis als Ekel unterschieden. Auf Scham wurde nicht gedeutet. Allgemeinere als negativ interpretierte Wahrnehmungen wurden unter »sonstige Gefühle« verschlüsselt. Äußerungen wie »Unlust«, »nicht mögen«, »nicht gut gefallen«, »störend«, »doof«, »blöd« oder »ohne Spaß« wurden entsprechend ausgewertet. Die Verteilung in diesem Sinne verweist auf unterschiedliche Ausprägungen der Nicht-Anschlussoptionen bei Kindern mit und ohne a. B. Die Grafi ken 24 / 5.2.1 und 25 / 5.2.1 verdeutlichen dies. Grafik 24 / 5.2.1

Grafik 25 / 5.2.1

Sie lassen erkennen, dass von Kindern ohne a. B. Gefühle sprachlich vielfältiger über die durch Schleiffer vorgeschlagenen Grundgefühle differenziert werden, als es am diesbezüglich kommunikativen Anschluss der Kinder mit a. B. beobachtet wurde. Folgende Beispiele veranschaulichen die Unterschiede: Beispiel Anna 00:09:53-8 Anna: Und ähm, dann streiten die sich immer so rum und denn, ähm sagen sie immer so komische Wörter zu mir, so wie Anna-Panna und so, das sagen die ganz oft. 00:10:02-9 Interviewerin: Mhm. 00:10:04-6 Anna: … und denn werd’ ich denn richtig wütend drüber. 00:10:05-2 Interviewerin: Mhm, Mhm. Anna differenziert verbal sehr genau und kann verdeutlichen, dass sie etwas wütend macht und was es ist. Sie ist in der Lage, die Äußerungen qualitativ zu beurteilen und bezeichnet sie als »komische Wörter«.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Jodok(a. B.) 00:12:01-2 Interviewerin: Mm. Talke ist deine Freundin. Mm. Und warum dürfen die nichtmitmachen [zeigt mit dem Finger auf die Kinderzeichen, welche in die Mitte sortiert wurden]? 00:12:07-2 Jodok(a. B.): Weil ich die nicht so gerne mag. 00:12:09-5 Interviewerin: Mm. Kannst du das beschreiben, was dir nicht gefällt an denen? Jodok(a. B.): Mm, mag die einfach nicht. 00:12:12-8 00:12:15-6 Interviewerin: Mm. Und an den anderen, die du dahinten gezeigt hast [zeigt auf die Kinderzeichen, welche nicht in die Mitte gelegt wurden, aber von Jodok(a. B.) auch als Kinder bezeichnet wurden, die er nicht mag], an Fried zum Beispiel? 00:12:24-3 Jodok(a. B.): [Richtet Blick auf diese Kinderzeichen und tippt mit dem Finger auf einige Zeichen.] Mag ich auch alle nicht! 00:12:26-2 Interviewerin: Kannst du beschreiben wieso? 00:12:28-3 Jodok(a. B.): Nee, KANN ICH alle nicht. 00:12:30-5 Interviewerin: Mm. 00:12:31-5 Jodok(a. B.): Und, mit DU, wenn du nicht mehr gegenanredest, hab ich keine Lust mehr auf ein Interview! Die an Jodok(a. B.) beobachtbare Kommunikation differenziert nicht im Sinne Schleiffers vorgeschlagener Unterscheidungen. Sie erklärt nicht, warum er die deklarierten Kinder nicht gern mag. Auch in der Beobachtung des kommunikativen Anschlusses von Faust(a. B.) lässt sich an dieser Stelle des Interviews nicht erkennen, worauf sich die Bewertung des Nicht-Nett-Seins bezieht. Beispiel Faust(a. B.) (Transkription I) Faust(a. B.): Und (..) die [schiebt zwei Zeichen zusammen] Moritz (..), 00:03:55-0 Clemens und Mike. [Führt drittes Zeichen dazu.] 00:04:03-0 Interviewerin: Ja. 00:04:04-7 Faust(a. B.): Die beide nicht nett. 00:04:06-6 Interviewerin: Und wie ist das dann so? (..) Was machen die dann? 00:04:15-0 Faust(a. B.): (…) Ähm (..) weiß nicht. (..) Moritz (5). [Führt die Zeichen der drei genannten Kinder auf einen Haufen zusammen und hält sie in der Hand.] Weißt du … 00:04:20-0 Interviewerin: Ja. 00:04:22-1 Faust(a. B.): … weißt du was? 00:04:23-1 Interviewerin: Ja. 00:04:24-6 Faust(a. B.): Ich hab schon mal, bei Auto schon geschalt. Sowohl Faust(a. B.) als auch Jodok(a. B.) schließen im Verlauf des Interviews nicht an weitere Differenzierungsfragen in Bezug auf negative Gefühle kommunikativ an, sondern es wird das Generieren alternativer Sinnbezüge hin-beobachtbar. Dadurch bleibt möglicherweise auch das als unangenehm Empfundene für die psychischen Operationen weniger facettenreich unterschieden und weitere kommunikative Anschlüsse daran sind strapaziöser. Anna hingegen kann, neben einer präzisen Beschreibung des Gefühls auch ein spezifisches Mitteilungshandeln hin-beobachten, das sie negativ bewertet. So wird hier die Möglichkeit erkennbar,

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

über die Differenzierung von Gefühlen auch einen Wechsel vom selbstreferenziellen zum fremdreferenziellen Bezug vorzunehmen. Hier zeigt sich: Je genauer Kinder in der Lage sind, Gefühle zu selektieren und zu spezifischen Sinnbezügen in Beziehung zu setzen, desto mehr differenziert sich auch das, was sie negativ bewerten und damit der Bezug zur Umwelt (als fremdreferenzieller Bezug). Durch diese Spezifizierung lassen sich die das System gefährdenden Irritationen vielfältiger beschreiben und übernehmen dadurch optional umfangreicher im Sinne Schleiffers eine Schutzfunktion. Als unterstützend wird auch hier ein Mehr an Bezeichnungsmöglichkeit gesehen, also die Möglichkeit, verschiedene Gefühle über verbale Unterscheidungen zu differenzieren, an die kommunikative Anschlüsse erfolgen. So wird deutlich, dass auch aus dieser Perspektive weniger mannigfache Ausdrucksmöglichkeiten, wie sie hier an Kindern mit a. B. interpretiert wurden, in der Interaktion unter Anwesenheit zu weniger Anschlussoptionen führen. Deutung des Codes »Sonstiges« Unter »Sonstiges« sind jene Sinnbezüge zusammengefasst, die sich nicht auf die anderen Codes beziehen lassen, jedoch im Rahmen der Fragestellung als bedeutsam erachtet werden. 10 % aller Nicht-Anschlussoptionen der Kinder mit a. B. und 6 % entsprechender Verweise der Kinder ohne a. B. wurden in diesem Sinne verschlüsselt (vgl. Grafik 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). Sowohl innerhalb der Sinnverweise der Kinder mit a. B. als auch innerhalb der Sinnverweise der Kinder ohne a. B. ist hier als signifikant deutbar, dass Kinder den Nicht-Anschluss nicht spezifizieren können bzw. ihn auf alle Kinder beziehen. Diese Nicht-Anschlussoption wird exemplarisch an den Äußerungen von Luisa(a. B.), Jodok(a. B.) und Heiko verdeutlicht: Beispiel Luisa(a. B.) 00:02:25-3 Interviewerin: Weißt du nicht. Okay. Und ist das auch mal so, dass dir Sachen nicht so gut gefallen an den Kindern? Luisa(a. B.): DIE, die kratzen mich, hauen und beißen und treten mir 00:02:31-3 auf den Füßen. 00:02:38-1 Interviewerin: Wer macht das? 00:02:39-1 Luisa(a. B.): Angelika(a. B.) Beispiel, CAROLA(a. B.) Beispiel. 00:02:43-5 Interviewerin: Mhm. 00:02:44-5 Luisa(a. B.): Und Ronja nicht und Josef(a. B.). 00:02:47-8 Interviewerin: Mhm. 00:02:50-2 Luisa(a. B.): Carola(a. B.) auch nicht. 00:02:52-2 Interviewerin: Mhm. 00:02:53-2 Luisa(a. B.): Und ich auch nicht. Ich beiß mich ja überhaupt nicht selbst. Otto [anonymisierter Bruder von Luisa(a. B.)] beißt mich auch. 00:02:56-0 Interviewerin: Mhm. Luisa(a. B.): Und ALLE. 00:02:57-8 Beispiel Jodok(a. B.) 00:10:56-9 Interviewerin: Oder gibt es noch andere Kinder, wo du sagst, die dürfen [schüttelt verneinend den Kopf] nicht mitmachen, (.) das gefällt mir nicht! 00:11:03-1 Jodok(a. B.): Ja, gibt’s. Jedes anderes Kind.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Heiko 00:03:50-3 Interviewerin: Mm. (..) Und gab’s auch Kinder, mit denen du nicht so gerne gespielt hast? 00:03:56-5 Heiko: Alle, die da liegen. [Zeigt mit Finger auf die Zeichen des Kreises.] 00:03:57-7 Interviewerin: Ja. 00:03:59-7 Heiko: Außer das. [Zeigt mit Finger auf ein Zeichen und lacht.] 00:04:00-5 Interviewerin: Was / wer ist das? [Lacht.] 00:04:01-8 Heiko: Ich. [Lacht.] Entsprechend der vorangegangenen Deutungsangebote in diesem Kapitel wird auch hier problematisiert: Je weniger sich der kommunikative Nicht-Anschluss auf Strukturen als Angebot zur Sinngenerierung beziehen kann, desto weniger Differenzierungsfähigkeiten stehen zur Verfügung, diesen einzugrenzen, und desto eher werden Nicht-Passungsoptionen generalisiert. Insofern lässt sich hier, vergleichbar mit der Deutung auf »negative« Gefühle, postulieren: Je bestimmter die Nicht-Anschlussoptionen beschrieben werden können, desto mehr Sinnbezüge befinden sich außerhalb des Nicht-Anschlusses und sind als potentielle Anschlussoptionen erkennbar. Da stark generalisierte Nicht-Anschlussoptionen bei Kindern mit a. B. vielfältiger verschlüsselt wurden, lässt sich hier auf weniger Anschlussoptionen deuten. Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Sozialdimension hinsichtlich der Fragestellung, inwiefern Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde als problemwirksam bewerten bzw. ihren kommunikativen Anschluss als Nicht-Passungsverhältnis unterscheiden In der Verteilung der Sinnverweise der Sozialdimension in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen wurde deutlich, dass Kinder ohne a. B. vielfältiger Sinnbezüge unterscheiden als Kinder mit a. B. Dabei wird auf Kinder mit a. B. leicht mannigfacher Bezug genommen. Diese Ausrichtung entspricht der Gesamtverteilung aller Nicht-Anschlussoptionen und der Gesamtverteilung aller Sinnbezüge. Hinsichtlich der Differenzierung der als problemwirksame Person markierten Kinder zeigen Kinder mit und ohne a. B. die gleiche Varianz. So wurde auch in Bezug auf nicht Nicht-Anschlussoptionen, wie in Kapitel 5.1.1 hinsichtlich der Anschlussoptionen, erkennbar, dass es Kindern mit a. B. besonders gut gelingt, Sinnverweise als Deutung auf Personen zu generieren. Die weitere Auswertung der Daten ließ erkennen, dass sich Kinder mit und ohne a. B. über Mehrfachnennungen deutlich breiter auf Kinder mit a. B. beziehen. So wurde interpretiert, dass ein besonderes Gefährdungspotential in Bezug auf Kinder mit a. B. darin besteht, dass sich Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf sie generalisieren und es zu einer Exklusionskumulation kommt. Da ausgewertet wurde, dass Kinder mit und ohne a. B. primär über individuell attribuierte Verhaltenszuschreibungen (Personenzuschreibungen) Nicht-Anschlussoptionen differenzieren, wurde diese Beobachtung als Anschlussoptionen im besonderen Maße gefährdend bewertet. In der konkreten Interpretation der Verschlüsselungen der Nicht-Anschlussoptionen waren Aspekte zentral, die in den Kapiteln 2.5 und 2.6 als problemwirk-

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

sam für Anschlussprozesse eingeführt wurden: Zuschreibung von nicht passender psychischer Eigenkomplexität und prozesshafte Verläufe. Es konnte herausgearbeitet werden, dass Nicht-Passung Kindern sehr vielschichtig in Bezug auf nicht erkennbare Anschlüsse an gemeinsame Tätigkeit zugeschrieben wird. Ebenso facettenreich und in diesem Sinne als problemwirksam wurde interpretiert, wenn Attribute den Zurechnungs- und Erwartungsmustern von Beobachtern nicht entsprechen oder der Anschluss von Kindern als nicht ausreichend komplex bewertet wurde, primär in Bezug auf die Spiele oder Tätigkeiten, bei denen diese selbst eine hohe Spezialisierung aufwiesen. Prozesshafte Verläufe waren darüber hinaus als ein besonderes Exklusionsrisiko erkennbar. Neben der Option, Grenzsetzungen zu missachten und verbal zu beschimpfen, wurden insbesondere körperlich aggressive Anschlüsse, deutlich am mannigfachsten von Kindern mit a. B., als diesbezüglich problemwirksam markiert. Beobachtet wurden diese dabei ebenfalls am facettenreichsten an Kindern mit a. B. Unter Bezugnahme auf die Systemtheorie wurde an dieser Stelle auf Durchgriffskausalität gedeutet, die die Operationen autopoietischer Systeme stark einschränkt und damit ihren Fortbestand gefährdet. Insofern wurde darauf gedeutet, dass im Kontext von Behinderung kommunikative Angebote Gefahr laufen, eher als selektivitätsverstärkend beobachtet zu werden. Überdies zeigte sich innerhalb dieses Kapitels die Konfrontation mit Kontingenz als Nicht-Anschlussoption und Strapaze. In diesem Sinne wurde beispielsweise unerwartetes oder nicht verstehbares Verhalten, von dem sich abgewandt wurde, interpretiert. Ergänzend ist zu nennen, dass besonders vielgestaltig zugeschriebene geschlechtsstereotype Verhaltensattribute und Erscheinungsbilder von Jungen und Mädchen vom jeweils anderen Geschlecht als problemwirksam bewertet wurden. Das als typisch bewertete wilde und grenzüberschreitende Verhalten von Jungen wurde beispielsweise im besonderen Maße am kommunikativen Anschluss der Mädchen als problemwirksam verschlüsselt. Das Adressenfragment Behinderung wurde nicht als funktional von Kindern im Alter früher Kindheit unterschieden, um Nicht-Anschlussoptionen an das Interaktionssystem zu differenzieren. Ebenso wenig wurde im Rahmen der Deutung auf Rollen die Differenz behindert / nicht behindert hier verschlüsselt. Dieses Auswertungsergebnis wurde vor dem Hintergrund des systemtheoretischen Sozialisationsbegriffs auf das tägliche kommunikative Angebot der als behindert adressierten Kinder zurückgeführt. Jedoch wurden vielfältiger am kommunikativen Anschluss der Kinder mit a. B. die von Kindern als problemwirksam bewerteten Eigenschaftsattribute erkannt als an dem der Kinder ohne a. B., insbesondere Auffälligkeiten in der Verbalsprache. Deutlich wurden an dieser Stelle Grenzen von Anschlussmöglichkeiten vor dem Hintergrund der strukturellen Koppelung von psychischem und sozialem System. Im Kontext negativer Gefühle wurde der Bezug auf Kinder mit und ohne a. B. fast in gleicher Varianz hin-beobachtet. Darüber hinaus war erkennbar, dass sie diesbezüglichen Sinn vergleichbar mannigfach generieren. Jedoch wurde deutlich: Kinder ohne a. B. benennen negative Gefühle stärker orientiert an den gängigen Grundgefühlen. Es wurde interpretiert, dass sie dadurch besser in der Lage sind, Nicht-Passungsverhältnisse entsprechend sprachlich zu differenzieren als Kinder mit a. B. und eingeschätzt, dass das ihre Anschlussoptionen im Vergleich zu Kindern mit a. B. erhöht.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Als Nächstes soll die Sachdimension von Sinn in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen ausgewertet werden.

5.2.2 Nicht-Anschlussoptionen an die Sachdimension von Sinn Worum geht es in der Kommunikation nicht? Woran wird nicht angeschlossen? Welche fremdreferenziellen Bezüge lassen sich als nicht passend oder problemwirksam deuten? Was ist nicht relevant? In der Gesamtverteilung aller Nicht-Anschlussoptionen der Kinder mit und ohne a. B. wurden 5 % aller Sinnverweise als Sachdimension gedeutet (vgl. Grafi k 3 / 5.2), übertragen auf die Probandengruppen 5 % bei Kindern ohne a. B. und 6 % bei Kindern mit a. B. (vgl. Grafi k 4 / 5.2 und 5 / 5.2). So zeigt sich hier im Vergleich zur Sozialdimension eine wesentlich seltenere Verschlüsselung. Davon ausgehend stellt sich der fremdreferenzielle Aspekt im Rahmen des Nicht-Anschlusses als wenig ausdifferenziert dar.74 Der Bezug der Kinder mit und ohne a. B. auf Kinder mit und ohne a. B. verdeutlicht, dass im sehr leichten Maße mannigfacher diesbezüglich an Kinder ohne a. B. angeschlossen wird (vgl. Grafi k 1 / 5.2.2). Grafik 1 / 5.2.2

Grafik 2 / 5.2.2

Grafik 3 / 5.2.2

Über die weitere Differenzierung des Bezugs der Kinder mit und ohne a. B. wird erkennbar, dass vielfältiger Kinder mit a. B. Kinder ohne a. B. sachbezogen als problemwirksam bewerten als Kinder ohne a. B. Kinder mit a. B. (vgl. Grafi k 2 / 5.2.2 und 3 / 5.2.2). Es ist also nicht zu verzeichnen, dass nicht relevante inhaltliche Bezüge facettenreicher an Kindern mit a. B. beobachtet werden, sondern dass ein besonderer Fokus im Kontext von Inklusion auf Sachverweise der Kinder ohne a. B. hinsichtlich der Anschlussoptionen für Kinder mit a. B. zu legen ist.75 Hinsichtlich der Generierung von sachbezogenen Nicht-Anschlussoptionen zeigt sich eine leicht höhere Variabilität über die Verschlüsselung der Sinnverweise bei Kindern ohne a. B. (vgl. Grafi k 4 / 5.2.2).

74 | Anzumerken ist hier, dass als problemwirksam bewertetes Mitteilungshandeln entscheidend über Bezüge auf gemeinsames Spiel oder gemeinsame Tätigkeit von Kindern mit und ohne a. B. erkannt wird (vgl. Kapitel 5.2.1). 75 | Als erkenntnisreich wird auch hier die schon erwähnte Berücksichtigung unbestimmter Exklusion, beispielsweise über Videoanalysen, bewertet.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 4 / 5.2.2

Um genauer darauf deuten zu können, worum es in der Interaktion unter Beteiligung der einzelnen Probandengruppen explizit nicht geht, sollen auch in Bezug auf sachbezogene Nicht-Anschlussoptionen die Sinnverweise, wie es in Kapitel 5.1.2 erfolgte, weiter unterschieden werden. Im Vergleich ihrer Verteilung hinsichtlich des Bezuges auf Spielformen, Alltag oder Sonstiges gibt es Unterschiede bei Kindern mit und ohne a. B., die sich folgendermaßen abbilden lassen (vgl. Grafi k 5 / 5.2.2 und 6 / 5.2.2): Grafik 5 / 5.2.2

Grafik 6 / 5.2.2

Signifi kant ist, dass bei Kindern mit und ohne a. B. am facettenreichsten Sinnverweise auf Sonstiges, also als Bezug auf etwas anderes als auf Spielformen oder den Alltag, bestimmt exkludiert werden und sich die Nicht-Anschlussoptionen der Kinder ohne a. B. stärker über die hier vorgeschlagenen Unterscheidungen ausdifferenzieren als die der Kinder mit a. B. Im vorherigen Kapitel 5.2.1 wurden ebenso bei Kindern ohne a. B. eine höhere Vielfalt an Unterscheidungsoptionen z. B. hinsichtlich der Differenzierung von Gefühlen beobachtbar (vgl. Grafi k 24 / 5.2.1 und 25 / 5.2.1). Entsprechend dem dort angebotenen Interpretationsversuch ist auch hier darauf deutbar, dass sich durch eine facettenreichere sachbezogene Differenzierungsmöglichkeit das Problemwirksame in der Interaktion stärker eingrenzen lässt und darüber die generellen Anschlussoptionen im Hinblick auf andere Sinnbezüge steigen. In Bezug auf die Sachdimension bewirkt diese Option jedoch möglicherweise auch, mehr diesbezügliche Verweise als solche zu erkennen, die auszuschließen sind, wodurch sich generell Anschlussoptionen reduzieren würden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Im Weiteren sollen die Sinnverweise konkreter dargestellt werden. Im Vergleich der einzelnen Verschlüsselungen der Sachdimension wurde deutlich, dass auch hier eine Interpretation unter Hilfestellung übergeordneter Aspekte, die im Rahmen der Auswertung deutlich wurden, sinnvoll ist, um aufzuzeigen, worum es in der Generierung diesbezüglicher Nicht-Anschlüsse gehen kann. An dieser Stelle wird unterschieden in Deutung auf hoch spezialisiertes oder stark festgelegtes Spiel, Deutung auf nicht altersentsprechendes Spiel, Deutung auf prozesshafte Spielverläufe und in weitere Beobachtungen. Die Unterscheidungen werden im Folgenden ausgeführt.76 Deutung auf hoch spezialisiertes oder stark festgelegtes Spiel In Bezug auf die Sachdimension wurde ausgewertet, dass Kinder wiederholt dann nicht weiter anschließen, wenn Sinnverweise als immer gleich bewertet werden. In diesem Sinne unterscheiden Kinder Anschlüsse, die sich auf hoch spezialisiertes oder stark festgelegtes Spiel beziehen. Entsprechende Verschlüsselungen wurden in Bezug auf »Star Wars«, »Piraten« oder »Wikinger«-Spiele beobachtet. Im vorherigen Kapitel wurden diese Sinnverweise in Bezug auf Mitteilungshandlungen vor dem Hintergrund möglicher Zuschreibungen von nicht ausreichend passender Eigenkomplexität interpretiert, kommunikativ anschlussfähig an die Themen zu sein, um die es dem Beobachter geht. Hinsichtlich der Sachdimension von Sinn, angelehnt an das Kapitel  2.2.4, können diese Nicht-Anschlussoptionen auch im Zusammenhang mit der Differenz von Thema und Beitrag beobachtet werden.77 Zwei Beispiele veranschaulichen diesen Deutungsversuch: Beispiel Clemens 00:05:00-9 Interviewerin: Wo was NICHT so gut ist? 00:05:04-0 Clemens: (…) Ja, nämlich, dass (..) sie schlechte Spiele haben. 00:05:08-1 Interviewerin: Schlechte Spiele? 00:05:10-9 Clemens: Ja. 00:05:12-0 Interviewerin: Mm. Clemens: Also Martin macht doch nur Piraten mit (.) den anderen. 00:05:14-0 Interviewerin: Ja. (…) Und das gefällt dir dann nicht so gut. 00:05:17-7 00:05:24-8 Clemens: Ja. Immer nur dasselbe zu spielen. 00:05:27-2 Interviewerin: (..) Ja. (..) Mm. (4) Und gibt’s noch andere Sachen, die dir nicht so gut gefallen? 00:05:41-3 Clemens: Mm. (…) Sonst (..) nein. Beispiel Josepha 00:03:41-8 Josepha: Die Jungs hier, die spielen auch dauernd Star Wars. Interviewerin: Mm. Hier bei denen in der Eichhörnchengruppe? 00:03:43-2 00:03:45-9 Josepha: Ja. 76 | Aufgrund der geringen Verschlüsselung dieser Subkategorie und der sehr ähnlichen Verschlüsselungen der sachbezogenen Nicht-Anschlussoptionen bei Kindern mit und ohne a. B., wird es hier nicht für erforderlich gehalten, die einzelnen Bezüge zwischen Kindern mit und ohne a. B. zu differenzieren. 77 | Entsprechend der Codierregeln werden auch hier zum Teil Textpassagen in Bezug auf zwei verschiedene Subcodes verschlüsselt und interpretiert (vgl. Kapitel 4.2.2.2).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:03:46-5 00:03:47-9 00:03:51-5 00:03:57-4

Interviewerin: Mm. Und wie gefällt dir das? Josepha: Langweilig. Interviewerin: Mm. Langweilig. Und (..) wieso findest du das langweilig? Josepha: Weil die immer sich prügeln und auf den Kopf haun und immer das Gleiche.

Sowohl Clemens als auch Josepha markieren die Wiederholungen und die inhaltliche Ausrichtung der anderen Kinder als langweilig oder schlecht. Entsprechend wird hier darauf gedeutet, dass nicht ausreichend attraktive Beiträge für sie erkennbar werden, in Bezug auf Themen, die sie interessieren. Darüber hinaus lässt sich interpretieren, dass für sie zu wenig Variabilität oder auch Kombinationsmöglichkeiten (vgl. Kapitel  2.5.2) in Bezug auf Sachverweise erkennbar sind. So merken Clemens und Josepha an, dass es immer nur um dasselbe bzw. Gleiche geht (vgl. Clemens 00:05:24-8 und Josepha 00:03:57-4). Dadurch kann unter Berücksichtigung der Zeitdimension ergänzt werden: Wenn ein Thema für den Beobachter zu lange andauert oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes für diesen zu wenig neue Beiträge angeboten werden und es dadurch keinen Informationsgewinn gibt, lässt sich der Sinnbezug als Strapaze deuten (vgl. Luhmann 1997, 40).78 In diesem Sinne können entsprechend beobachtete Sachverweise auch als strapaziös bezeichnet werden. Anzumerken ist, dass innerhalb der hier durchgeführten Erhebung kein Sachverweis markiert wurde, in Bezug auf den die Kinder auf ein Zuviel an Komplexität hinweisen, obwohl sich innerhalb problemwirksamer Sachbezüge Kinder mit a. B. dominant auf Kinder ohne a. B. beziehen (vgl. Grafik 2 / 5.2.2). So zeigt sich, dass im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen Spiele weniger als zu umfangreich oder schwer erschließbar bewertet werden. Eher wenden sich Beobachter von Sachverweisen ab, die ihnen als strukturarm erscheinen. Entscheidend für diese Bewertung scheint, eine starke Fixierung auf einen Inhalt nicht nachvollziehen zu können oder wenn sie wenig informativ wirkt.79 Deutung auf nicht altersentsprechendes Spiel Darüber hinaus bezeichnen Kinder Sachbezüge als nicht passend, die sie für sich nicht mehr als altersentsprechend bewerten. Diesbezüglich wurden sehr verschiedene Äußerungen verschlüsselt, primär an Kindern mit a. B. Jodok(a. B.) schließt beispielsweise Spielen als Sachbezug grundsätzlich aus, da er sich dafür als zu alt bezeichnet. Beispiel Jodok(a. B.) 00:02:35-7 Interviewerin: Ach so. Kannst du mir denn beschreiben, was du mit denen zusammen spielst? 00:02:40-6 Jodok(a. B.): (…) Ich helfe denen eigentlich nur und nicht spielen.

78 | Hier wird die Verbindung der Sinndimensionen im Auswertungsverfahren besonders deutlich (vgl. Interpretation des Beispiels von Clemens in Kapitel 5.2.1 und 5.2.2). 79 | Auch hier wäre bedeutsam, über andere Erhebungsmethoden unbestimmte Exklusion berücksichtigen zu können.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:02:44-3 00:02:47-1 00:02:54-7 00:03:00-2 00:03:01-3

Interviewerin: Ach so [nickt]. Gibt es auch Kinder, mit denen du spielst? Jodok(a. B.): Eigentlich nicht. Ich helf’ gern. Ich bin zu alt, um schon spielen zu können, ich helf’ lieber. Interviewerin: Ach so. Okay. Was gefällt dir am Helfen denn so gut? Jodok(a. B.): Dass man gut hilft. Interviewerin: Ja.

Jochen(a. B.) bezieht sich im Rahmen einer solchen Bewertung auf Spiele, die er der Vergangenheit zuordnet. Beispiel Jochen(a. B.) Interviewerin: Und gibt es noch was, was dir besonders gut gefällt? 00:02:37-3 00:02:38-0 Jochen(a. B.): Was ich früher gut fande? 00:02:41-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:02:42-2 Jochen(a. B.): Cars und Bob. Aber jetzt find ich nur noch Star Wars (..), Papa hat uns davon was erzählt. Lars(a. B.) deutet es als problemwirksam, wenn er bei der Nutzung eines Fahrzeugs beobachtet wird, das er nicht als seinem Alter entsprechend einordnet: Beispiel Lars(a. B.) 00:08:19-2 Lars(a. B.): Ja das ist so, Fahrzeug hat so zwei Hebel hier, … 00:08:20-0 Interviewerin: Ja. 00:08:21-0 Lars(a. B.): … vier Räder und da muss man treten, in die Pedale und das ist das einzige, das ich fahr’n kann. 00:08:27-0 Interviewerin: Mm. 00:08:29-3 Lars(a. B.): Mit Laufrädern ist mir das zu peinlich. 00:08:30-0 Interviewerin: Mm. 00:08:31-3 Lars(a. B.): Bin auch schon sechs Jahre. Das Fahr, das Fahrzeug das ist silber, silber und hinten rot. Mein Lieblingsfahrzeug deshalb. Innerhalb eines Sinnverweises wird als Nicht-Anschlussoption das vom Sachbezug ausgehende Gefährdungspotential differenziert. Dieser Bezug stellt in der Erhebung eine Ausnahme dar. Da er in einer besonderen Weise die hier thematisierte Verbindung zwischen der Deutung auf Alter und Sachdimension veranschaulicht, werden die entsprechend gedeuteten Äußerungen vorgestellt.80 Beispiel Jodok(a. B.) 00:06:42-5 Interviewerin: Und wenn du nicht hilfst? 00:06:43-9 Jodok(a. B.): Dann klettere ich ganz / Dann kletter ich ganz gefährlich und / (…) Und keiner soll zugucken, weil das jeder nachmacht und das darf keiner, weil sonst kann der sich ganz doll verletzen. Wenn ich auf der Sprossenwand ganz gefährlich kletter, dann ist es die Ge-

80 | Darüber hinaus zeigt sich hier auch ein enger Bezug zur Raumdimension (vgl. Kapitel 5.2.4).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:07:10-7 00:07:14-8

00:07:22-7 00:07:24-7 00:07:26-0 00:07:27-9 00:07:32-8 00:07:37-0 00:07:37-9 00:07:41-0 00:07:42-5 00:07:46-9

fahr, er kann, der-der Kopf kann von ihn in den Lücken hängenbleiben. Interviewerin: Mm. Jodok(a. B.): Und wenn ich (..) auf den, auf den Klettergerüst richtig doll kletter, denn ist ja Gefahr, von den Klettergerüst drauf und dann ist die Gefahr, man kann da runterfallen und zwar von den ganz hohen Schweren. Interviewerin: Mm. Jodok(a. B.): Und weißt du, wie? Interviewerin: Mm. Jodok(a. B.): Wenn ich mich da zum Beispiel einmal / Wenn ich mich da raufsetze oder runterspringe. Interviewerin: Mm, Mm. (..) Dann kann so was passieren? Jodok(a. B.): Ja. Interviewerin: Mm. Jodok(a. B.): Aber ich kann das, aber kein anderer leider. Interviewerin: Mm. Und deswegen darf dir keiner zuschauen. Jodok(a. B.): Ja, weil er das nachmachen will und dann hat er sich ganz doll verletzt.

Insofern lässt sich als Nicht-Anschlussoption interpretieren, wenn Kinder Sachbezüge als für ihr Alter oder das der anderen Kinder als unangemessen bewerten. Deutlich wird durch die hier dargestellten Beispiele, dass die Bewertungen der Kinder sich dabei nicht mit dem decken müssen, was aus der Perspektive der Professionellen als altersangemessen oder altersunangemessen gilt. Deutung auf prozesshafte Spielverläufe In Kapitel 5.2.1 wurde schon auf prozesshafte Verläufe Bezug genommen. Das soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Jedoch kann hier darauf hingewiesen werden, dass sich auch Sachbezüge als prozesshaft beobachten lassen. Wie dieses erfolgt, zeigen folgende Äußerungen von Ronja und Paul exemplarisch: Beispiel Ronja (Transkription II) 00:03:31-3 Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. Und ham wir noch was vergessen? 00:03:38-4 Ronja: Ja? 00:03:40-8 Interviewerin: Was nicht so gut war. Was dir nicht so gut gefällt? 00:03:42-8 Ronja: Ja. [Richtet Blick auf Zeichen.] 00:03:45-0 Interviewerin: Was noch? 00:03:48-0 Ronja: Was mir nicht so gut gefällt? 00:03:49-0 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:03:50-8 Ronja: Wenn Clemens(a. B.) und Moritz (..), die machen grad Strafkarten. 00:03:57-4 Interviewerin: Okay. Ronja: Das ist auch doof. 00:03:58-7 00:03:59-4 Interviewerin: Ja.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Paul 00:05:21-7 Paul: Äh, Halwa gibt es nur beim Wikinger. Aber wir wolln keine Halwa haben, weil sonst ist das gemein, weil wir haben immer / weil der sagt immer die Richtung an. Halwa. 00:05:33-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:05:34-4 Paul: Faxe, der sagt, der, der bestimmt immer und Halwa, der sagt immer die Richtung an. Das ist doch gemein, ne? [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:05:47-0 Interviewerin: Mm. [Nickt.] 00:05:48-2 Paul: Das ist blöd. Innerhalb dieser Interviewausschnitte erwirken Rollenspielfiguren, auf die sich die Kinder beziehen, oder Symbole wie Strafkarten eine Selektivitätsverstärkung. Sie engen weitere Anschlussoptionen ein und werden deshalb hier als prozesshaft interpretiert. Wie die Äußerungen der Kinder verdeutlichen, wird diese Form des Sachbezugs von ihnen als problemwirksam bewertet, sodass diesbezügliche Sinnverweise als Nicht-Anschlussoption gedeutet werden. Weitere Beobachtungen Unter dem Code »Sonstiges« lassen sich sachbezogene Sinnverweise erkennen, auf die im vorausgehenden Kapitel bereits eingegangen wurde. Sie regen dort dargelegte Deutungsvorschläge an, die an dieser Stelle nicht wiederholt werden sollen, verweisen hier jedoch auf die Problemwirksamkeit des fremdreferenziellen Bezugs. In diesem Sinne wurden hier Rollenzuschreibungen zu Mädchen und Jungen sowie geschlechtsspezifische Themen (es werden beispielsweise Mädchenkleider von Jungen und das, woran Jungen Interesse zeigen, von Mädchen als problemwirksam bewertet), Grenzüberschreitungen (»Prügelkram« oder Kämpfen wird bestimmt exkludiert) oder nicht spezifizierte negative Bewertungen (etwas gefällt zu wenig) verschlüsselt. Die Sachverweise der Kinder mit a. B. wurden hinsichtlich dieses Deutungsangebotes sehr mannigfach unterschieden (vgl. Grafik 6 / 5.2.2). Entsprechend aufmerksam ist im Kontext von Behinderung auf Sachbezüge als Nicht-Anschlussoption zu achten, die sich außerhalb konkreter Spielformen oder direkter Bezüge auf den Alltag finden lassen, bzw. weniger von Kindern in diesem Sinne konkretisierbar sind. Beispielhaft für einen hier verschlüsselten problemwirksamen Sachbezug, der zu einem Nicht-Anschluss geführt hat und im Zusammenhang mit der Deutung auf das Geschlecht gesehen wird, ist folgender Interviewausschnitt: Beispiel Merle 00:15:38-6 Merle: Und das finden wir denn irgendwann doof, dass die unseren Turm kaputt machen und denn, äh, denn hol’n wir halt einen Erwachsenen und einer passt denn auf unsere Türme auf, … 00:15:48-1 Interviewerin: Mhm. Merle: … die wir gebaut haben. Aber das kann man halt nicht verhin00:15:49-3 dern, dass die Jungs das machen. [Zieht die Schultern hoch.] 00:15:54-3 Interviewerin: Mhm. Und wie geht das dann weiter?

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:15:58-8

00:16:10-0 00:16:13-6 00:16:17-8 00:16:24-2 00:16:30-4 00:16:33-8

Merle: [Zieht die Schultern hoch.] Dann versuchen Josepha und ich uns immer ’n bisschen abzulenken und wenn wir dann malen, denn lenken wir uns wirklich ab, denn passiert das nicht mehr, denn geh’n die Jungs auch woanders hin. Interviewerin: Mhm. Und dann? Merle: Und dann sind wir ganz zufrieden, weil die Jungs dann, äh, auch weg sind. Interviewerin: Mhm, Mhm. Und was passiert dann mit dem Turm? Merle: Mit dem Turm, den eh räum wir denn, den räum wir denn einfach ein und mal, machen denn was anderes. Interviewerin: Mhm. Und wie findest du das? Merle: Mm, wenn wir was anderes machen ganz gut, weil die Jungs uns denn nicht hinterhergeh’n, weil die Jungs, die mögen nicht so gerne malen.

Merles Äußerungen machen anschaulich, dass ihre sachbezogenen Präferenzen in Abhängigkeit zu dem stehen, was Jungen nicht gern mögen. So sind innerhalb dieses Beispiels Themen im Anschluss an das Spiel mit ihrer Freundin für sie nicht anschlussfähig, die für Jungen interessant sein könnten. Nicht-Anschlussoptionen hinsichtlich der Sachdimension von Sinn können somit auch im engen Zusammenhang zu problemwirksamen Bewertungen der Sozialdimension stehen. Hier wird erkennbar, wie sich problemwirksame Deutungen des Mitteilungsaspektes der Kommunikation fremdreferenziell auswirken. So zeigt sich auch hier die Verwobenheit der Sinndimensionen. Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Sachdimension hinsichtlich der Fragestellung, inwiefern Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als problemwirksame Mitteilungshandelnde bewerten bzw. ihren kommunikativen Anschluss als Nicht-Passungsverhältnis unterscheiden Die Sachdimension von Sinn wurde mit 5 % im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen nur sehr gering verschlüsselt. Dabei wurde mit einer leicht höheren Varianz, von Kindern mit a. B. deutlicher als von Kindern ohne a. B., auf Kinder ohne a. B. verwiesen. Zudem generieren Kinder ohne a. B. etwas facettenreicher sachbezogene Nicht-Anschlussoptionen als Kinder mit a. B. In der Interpretation der Sinnverweise zeigte sich, dass Wiederholungen oder Sachbezüge, die als unterkomplex oder nicht passend im Bezug auf das, worum es dem Beobachter gerade geht, bewertet werden, als problemwirksam zu bezeichnen sind. Beispielsweise wurden Sinnverweise, die auf zu wenige Kombinationsmöglichkeiten und zu wenig Informationsgewinn innerhalb einer bestimmten Zeitspanne hindeuten, von Kindern als langweilig unterschieden. In diesem Zusammenhang kam die Deutungsdifferenz Thema / Beitrag zum Tragen. Überdies wurde erkennbar, dass primär Kinder mit a. B. es als problemwirksam markieren, wenn sie Sachverweise als für ihr Alter unangemessen bewerten. Darüber hinaus wurde als Nicht-Anschlussoption ausgewertet, wenn der Sachbezug an Mitteilungshandelnden als prozesshaft beobachtet wurde, z. B. durch die Verhaltensvorgabe von Spielfiguren, wenn über Spielthemen körperliche Aggressionen beobachtbar wurden, in Form geschlechtsspezifischer Themen (jeweils vom

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

anderen Geschlecht) oder Sachbezüge, die allgemein nicht gefielen (Deutung auf nicht spezifizierte negative Bewertungen in Bezug auf etwas). Zu viel Komplexität wurde weder von Kindern mit noch von Kindern ohne a. B. als Nicht-Anschlussoption differenziert. Als Nächstes wird sich der Zeitdimension von Sinn in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen zugewandt.

5.2.3 Nicht-Anschlussoptionen an die Zeitdimension von Sinn Grundsätzlich gilt auch an dieser Stelle, dass eine starke Simplifizierung vorgenommen werden musste, um auf Zeitverweise im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen deuten zu können. Hier werden nur entsprechende Bezüge ausgewertet, die konkret über kindliche Äußerungen differenzierbar waren. Es findet also innerhalb dieses Kapitels, ebenso wie im Kapitel 5.1.3, eine starke Reduktion der Berücksichtigung der Zeitdimension im Auswertungsverfahren statt. Überdies ist im Hinblick auf diese Sinndimension anzumerken, dass viele diesbezügliche Sinnverweise als Mehrfachnennungen verschlüsselt wurden, die bei dem hier gewählten Auswertungsverfahren jedoch nur anteilig erkennbar und berücksichtigt werden. Innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen wurden Verweise auf die Zeitdimension insgesamt zu 6 % verschlüsselt (vgl. Grafi k 3 / 5.2). Bei Kindern ohne a. B. machen sie 8 % und bei Kindern mit a. B. 3 % der Gesamtverteilung aus (vgl. Grafi k 4 / 5.2 und 5 / 5.2). Im unmittelbaren Vergleich, veranschaulicht über die Grafi k 1 / 5.2.3, wird ebenso erkennbar, dass Kinder ohne a. B. deutlich vielschichtiger entsprechende zeitbezogene Differenzierungen generieren als Kinder mit a. B. Die Grafi k zeigt eine Verteilung von anteilig 80 % (der Kinder ohne a. B.) zu 20 % (der Kinder mit a. B.) (S22). Hinsichtlich der Bezüge auf Kinder wurden Kinder mit a. B. vielfältiger verschlüsselt (vgl. Grafi k 2 / 5.2.3). So ist deutbar, dass Kinder mit a. B. markant facettenreicher in Bezug auf die Zeit als problemwirksam bewertet werden, jedoch entsprechende Sinnverweise mit sehr geringer Varianz differenzieren. Grafik 1 / 5.2.3

Grafik 2 / 5.2.3

Auch diese Subkategorie soll näher im Hinblick auf ihre konkreten Sinnverweise betrachtet werden. Bei der Unterscheidung von Zeitpunkten, Zeitspannen und »Sonstigem« zeigt sich, dass auch innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen, wie bei der Deutung der Anschlussoptionen, Zeitspannen am vielfältigsten verschlüsselt wurden (vgl. Grafi k 3 / 5.2.3 und 4 / 5.2.3). Auf sie wird als Erstes eingegangen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 3 / 5 .2.3

Grafik 4 / 5 .2.3

Deutung auf Zeitspannen Innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen wurden bei Kindern ohne a. B. mannigfach die Zeitspannen »immer« und »durchgehend« gedeutet. Ihre besondere Relevanz wurde durch Mehrfachnennungen in verschiedenen Interviews erkennbar. Die Kinder beziehen sich dabei auf negativ bewertete Verhaltensweisen, Eigenschaftsattribute oder problemwirksame Sach- und Raumbezüge. Beispielhaft verdeutlichen dies die folgenden Äußerungen von Talke und Moritz:81 Beispiel Talke 00:04:53-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und (..) gibt es auch Sachen, die dich stören an Kindern? 00:05:04-6 Talke: Nein. 00:05:05-4 Interviewerin: Die du nicht gut findest? 00:05:06-7 Talke: Ich mag nicht, wenn Karsten(a. B.) uns immer ärgert. Beispiel Moritz 00:04:41-0 Interviewerin: […] Gibt es auch Kinder, an denen dir etwas nicht so gut gefällt? 00:04:52-2 Moritz: (…) Ja. Aber die sind hier außen. [Zeigt mit dem Finger auf den äußeren Kreis der Zeichen.] 00:04:56-9 Interviewerin: Ja. Kannst du mir darüber etwas sagen? 00:04:58-7 Moritz: Mm [nickt]. Ähm, (.) Carola(a. B.) find ich immer doof! Interviewerin: Ja [nickt]? 00:05:03-5 00:05:04-0 Moritz: [Nickt.] Interviewerin: (..) Kannst du sagen, warum? 00:05:05-0 00:05:09-5 Moritz: Die schubst meistens, wenn man ihr / wenn man sie mal anfässt. 00:05:14-0 Interviewerin: Ah ja. Okay. (…) Und noch andere Sachen, die doof sind? 00:05:17-5 Moritz: Susi(a. B.). 00:05:18-8 Interviewerin: Ja [nickt]. 00:05:20-3 Moritz: Die meckert immer so.

81 | Exemplarisch können hier die Interpretationen zu Moritz’ Äußerungen in Bezug auf sonstige Eigenschaftsattribute aus dem Kapitel 5.2.1 angeführt werden.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Darüber hinaus wurden vereinzelt als problemwirksame Zeitsinnbezüge verschlüsselt, wenn die Zeitspanne für etwas, was Kinder gerne tun möchten, als zu kurz bewertet wird (bestimmte Spiele zu spielen oder bestimmte Kinder zu sehen) und immer etwas getan werden muss (zum Beispiel kleinen Kindern Hilfestellungen geben) oder geschieht (Unterbrechungen beim Spielen), was bedingt durch die Zeitspanne dann als nicht mehr passend bewertet wird. Die Sinnverweise der Kinder mit a. B. beziehen sich innerhalb dieser Subkategorie primär auf als dauerhaft beobachtetes negativ bewertetes Verhalten im Kontext gemeinsamer Tätigkeiten. Sie beschreiben, dass andere Kinder dauerhaft etwas machen oder nicht machen dürfen, was das interviewte Kind nicht wünscht (z. B. dürfen andere Kinder nie »Nein« sagen zu dem, was das interviewte Kind gerne tun möchte). Folgendes Beispiel von Matthias(a. B.) ist hierfür exemplarisch: Beispiel Matthias(a. B.) Interviewerin: Mit denen gefällt dir das nicht so gut? Was gefällt dir 00:04:05-3 da nicht so gut? 00:04:11-7 Matthias(a. B.): Er will immer Obi Wan sein und Tarek(a. B.) will immer nur mit mir schlafen spielen und das mag ich nicht. 00:04:19-3 Interviewerin: Mhm [nickt]. Mhm [nickt]. Und (..) ist das immer so oder ist das auch mal anders? 00:04:26-9 Matthias(a. B.): Nein, das ist immer so. […] 00:05:20-2 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und gibt es noch andere Sachen, wenn du mit Kindern was machst, die dir nicht so gut gefallen? 00:05:26-7 Matthias(a. B.): Mit Hinrich(a. B.) hab ich meistens Streit. [Richtet seinen Finger auf das Zeichen.] 00:05:29-6 Interviewerin: Wieso hast du mit dem Streit? 00:05:31-2 Matthias(a. B.): Keine Ahnung. 00:05:33-0 Interviewerin: Worüber streitet ihr euch denn? Matthias(a. B.): Über die Autos, die wir fahren wollen. 00:05:35-7 00:05:37-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. Matthias(a. B.): Er möchte gerne den Lamborghini fahren, ich möch00:05:39-7 te gern das Cabrio, und er will beide. Entsprechend der Ausführungen des Kapitels 5.2.2, in dem Strapazen aufgezeigt wurden, die von stark festgelegten Spielstrukturen ausgehen können, wird innerhalb dieser Subkategorie erkennbar, dass Sinnverweise möglicherweise auch erst dadurch als nicht-passend bewertet werden, dass sie über einen vom Beobachter als zu lang bewerteten Zeitraum andauern. Das deutet auf die besondere Problemwirksamkeit der als gleichbleibend beobachteten Sinnbezüge hin. Dass hier mannigfacher Bezüge auf Kinder mit a. B. verschlüsselt wurden (vgl. Grafik 2 / 5.2.3), macht darauf aufmerksam, dass sie im erhöhten Maße gefährdet sind, in diesem Sinne als problemwirksamer beobachtet und dadurch bestimmt exkludiert zu werden. Ein Sinnverweis des Kindes Jodok(a. B.) hebt sich aus den anderen hervor. Er bezieht sich auf die Spiel-Sinnzeit.82 Jodok(a. B.) beobachtet sich als zu alt, um über 82 | Hinsichtlich umfangreicherer Deutungen auf Spiel-Sinnzeitbezüge muss auf das Kapitel 5.1.3 verwiesen werden.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Spielformen allgemein an andere Kinder anzuschließen.83 Entsprechend seiner Äußerung werden von ihm alle Spiel-Sinnzeitbezüge bestimmt exkludiert, da er sie der Vergangenheit zuordnet. Er stellt mit dieser Nicht-Anschlussoption eine Ausnahme dar. Aufgrund dessen soll sie hier vorgestellt werden. Sie veranschaulicht die Bandbreite der Möglichkeiten, Spiel-Sinnbezüge im Kontext bestimmter Exklusion zu generieren. Beispiel Jodok(a. B.) 00:02:35-7 Interviewerin: Ach so. Kannst du mir denn beschreiben, was du mit denen zusammen spielst? 00:02:40-6 Jodok(a. B.): (…) Ich helfe denen eigentlich nur und nicht spielen. 00:02:44-3 Interviewerin: Ach so [nickt]. Gibt es auch Kinder, mit denen du spielst? 00:02:47-1 Jodok(a. B.): Eigentlich nicht. Ich helf’ gern. Ich bin zu alt, um schon spielen zu können, ich helf’ lieber. Deutung auf Zeitpunkte Die als problemwirksam bewerteten Zeitpunkte beziehen sich darauf, nicht schnell genug (also nicht zum richtigen Zeitpunkt) auf dem Außengelände sein zu können und daher nicht das einzige für ein Kind mögliche Fahrzeug zu bekommen, über das diesem ein Anschluss an die Spielsituationen mit den anderen Kindern möglich erscheint oder zum gleichen Zeitpunkt mit anderen Kindern in einer Räumlichkeit sein zu müssen, die diese Kinder nicht gern mit den entsprechenden Kindern teilen möchten, sowie darauf, zu bestimmten Zeitpunkten von bestimmten Kindern geärgert oder bestimmt exkludiert zu werden. Über diese zeitlichen Differenzierungsmöglichkeiten lassen sich die Nicht-Anschlussoptionen eingrenzen. So ist es den Kindern möglich zu unterscheiden, dass das als negativ Bewertete nicht immer so ist, sondern nur innerhalb bestimmter Zusammenhänge. Zeitpunkte zu differenzieren, auch innerhalb von Nicht-Anschlussoptionen, ermöglicht somit, Strukturreichtum aufzubauen und Anschlussoptionen zu erhöhen. Kinder ohne a. B. verweisen hier auf einen deutlich höheren Facettenreichtum als Kinder mit a. B. Deutung des Codes »Sonstiges« Der einzige unter Sonstiges verschlüsselte Sinnverweis, hin-beobachtet an einem Kind mit a. B., stellt keine signifikante Ergänzung der Deutungsoptionen dar.84

83 | Im Kapitel 5.2.2 wurde dieses Beispiel bereits im Hinblick auf die Sachdimension von Sinn interpretiert. Auch an dieser Stelle zeigt sich in der Auswertung die Möglichkeit, Textpassagen hinsichtlich verschiedener Sinnverweise zu deuten (vgl. Codierregeln in Kapitel 4.2.2.2). 84 | Der unter Sonstiges verschlüsselte Sinnverweis des Kindes mit a. B. beschreibt negativ bewertetes Verhalten anderer Kinder, das sich auf der Zeitebene nicht eindeutig zuordnen lässt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Zeitdimension hinsichtlich der Fragestellung, inwiefern Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als problemwirksame Mitteilungshandelnde bewerten bzw. ihren kommunikativen Anschluss als Nicht-Passungsverhältnis unterscheiden Einleitend wurde auch in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen darauf hingewiesen, dass eine starke Simplifizierung vorgenommen werden musste, um auf Zeitver­ weise im hier intendierten Sinne deuten zu können. In der Betrachtung zeitbezogener Sinnverweise wurde erkennbar, dass Zeitspannen wie »immer« oder »durchgehend« wesentlich häufiger als problemwirksam von Kindern angeführt werden als entsprechend bewertete Zeitpunkte. Unterschieden wurden zeitbezogene Sinnverweise im Zusammenhang mit problemwirksamen Sach-, Sozial- und Raumverweisen.85 In Bezug auf Zeitspannen zeigte sich anteilig, dass sie erst dadurch, dass entsprechende Sinnverweise von Kindern als zu lang bewertet werden, zu Nicht-Anschlussoption werden. So wurde deutlich, dass Nicht-Anschlussoptionen, die innerhalb langer Zeitspannen von Kindern beobachtbar sind, als ein besonderes Exklusionspotential bewertet werden können. Überdies deutet das auf die besondere Problemwirksamkeit der als gleichbleibend beobachteten Sinnbezüge hin. Hingegen wurde das DifferenzierenKönnen von nicht passenden Zeitpunkten als Chance erkannt, problemwirksame Sinn-Zeitbezüge einzugrenzen und darüber Unpassendes auf konkrete Sinnbezüge zu beschränken. In der Auswertung der Daten wurde verschlüsselt: Kinder ohne a. B. generieren wesentlich vielfältiger zeitbezogene Sinnverweise innerhalb ihrer Nicht-Anschlussoptionen als Kinder mit a. B. Dabei wird sich auf Kinder mit a. B. deutlich mannigfacher im Rahmen dieser Subkategorie bezogen. Kinder mit a. B. wurden dadurch im erhöhten Maße als exklusionsgefährdet bewertet. Als Letztes wird sich auch im Rahmen der Nicht-Anschlussoptionen der Raumdimension von Sinn zugewandt.

5.2.4 Nicht-Anschlussoptionen an die Raumdimension von Sinn Was lässt sich in Bezug auf den Raum als nicht passend bewerten? Inwiefern werden Äußerungen von Kindern mit und ohne a. B. innerhalb von Nicht-Anschlussoptionen als Bezüge auf die Raumdimension interpretierbar? Innerhalb dieses Kapitels wird erprobt, ob diese ergänzende Sinndimension auch für Nicht-Anschlussoptionen erweiterte Deutungsmöglichkeiten erlaubt. 3 % aller Sinnverweise der Nicht-Anschlussoptionen wurden als Bezüge auf den Raum verschlüsselt (vgl. Grafik 3 / 5.2). Sie machen dabei anteilig bei Kindern ohne a. B. 4 % und bei Kindern mit a. B. 1 % aus (vgl. Grafik 4 / 5.2 und 5 / 5.2). Im Vergleich zeigt sich hier eine Verteilung von anteilig 88 % der Kinder ohne a. B. zu 12 % der Kinder mit a. B. (vgl. Grafik 1 / 5.2.4). Insofern wird auch im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen auf den Raum deutlich, dass Kinder ohne a. B. wesentlich facettenreicher diesbezügliche Sinnverweise generieren als Kinder mit a. B.

85 | Das verdeutlicht, dass der Zeitbezug auch hinsichtlich der Nicht-Anschlussoptionen ohne die Referenz auf ein Etwas nicht möglich ist (vgl. Kapitel 2.2.2).

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Der Bezug auf Kinder mit und ohne a. B. weist dabei auf einen mannigfacheren Anschluss an Kinder mit a. B. hin (vgl. Grafi k 2 / 5.2.4). Grafik 1 / 5.2.4

Grafik 2 / 5.2.4

Dieser Überblick erlaubt, auch in Bezug auf den Raum, Kinder mit a. B. als besonders exklusionsgefährdet zu bezeichnen, da sie weniger vielfältig Problemwirksames differenzieren, jedoch an sie über mehr entsprechende verschiedene Verweise angeschlossen wird. Die in Kapitel  5.1.4 eingeführten selbst- und fremdreferenziellen Bezüge auf den Raum sollen auch hier genutzt werden, um näher zu unterscheiden, inwiefern diese Sinnbezüge als problemwirksam bewertet werden. Aufgrund der geringen Verschlüsselung werden hier keine prozentualen Angaben gemacht, sondern repräsentative Sinnverweise vorgestellt. Deutung auf fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum Fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum werden im Kontext von Nicht-Anschlussoptionen als Sinnverweise hin-beobachtbar, wenn auf »Etwas« verwiesen wird, das als System / Umwelt-Differenz im Hinblick auf Räumliches von Kindern als nicht passend oder problemwirksam bewertet wird. In diesem Sinne wurde beispielsweise verschlüsselt, wenn Kinder als solche beobachtet wurden, die anderen Kindern folgten, obwohl diese es nicht wünschten. Die Äußerungen von Paul veranschaulichen diese Möglichkeit: Beispiel Paul 00:07:17-6 Paul: Der will immer mit mir spielen und jetzt hat er genug davon und will auch mal alleine. Aber dann geht er mir trotzdem immer nach. 00:07:28-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:07:30-4 Paul: Das find ich auch blöd. 00:07:31-5 Interviewerin: Mm. Das findest du auch blöd? 00:07:34-6 Paul: Mm. Und wenn mir immer einer nachgeht, das find ich besonders blöd. Am Beispiel von Mike zeigt sich, dass eine Uneinschätzbarkeit in Bezug auf die Abständigkeit der Körper anderer Kinder zum eigenen Körper als problemwirksamer räumlicher Sinnverweis deutbar ist.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Mike 00:04:29-9 Mike: Äh, ja da / Ich mag nicht so gerne, dass Moritz und Clemens immer so ausflippen. 00:04:36-6 Interviewerin: Mm. 00:04:37-3 Mike: Wenn die, da steh so [wendet sich von Interviewerin ab und bewegt die Arme hoch und runter]. Hm, wenn ich gerade da in der Nähe bin, dann / Deswegen, des, deswegen zieh’ ich mich so ’n bisschen zurück und so [wendet sich wieder der Interviewerin zu und rückt auf dem Stuhl hin und her]. Heiko stellt den Anschluss an ein anderes Kind als nicht möglich dar, wenn die Erwachsenen die Anzahl der Kinder, die den Hüpfraum zur gleichen Zeit nutzen dürfen, festlegen. Da sich Heiko auf diesen Raum als Anschlussoption bezieht, wirken die raumbezogenen Vorgaben beschränkend und dadurch als Nicht-Anschlussoption in Bezug auf Kinder als Mitteilungshandelnde, die über die festgelegte Zahl hinausgeht. Beispiel Heiko 00:04:15-5 Heiko: Mit Peter hab ich manchmal gespielt. 00:04:16-2 Interviewerin: Ja. [Nickt.] Und wann war das so, dass du mit Peter gespielt hast? 00:04:20-8 Heiko: Auch im Hüpfraum. Interviewerin: Ja. [Nickt.] Okay. 00:04:21-7 00:04:25-8 Heiko: Als es noch so war, als fünf Kinder … 00:04:28-3 Interviewerin: Ja. [Nickt.] 00:04:29-8 Heiko: … da sind ich mit [zeigt mit Finger auf Zeichen in der Mitte] die hier rein und denn mit Peter und Tim auch noch mit rein. Interviewerin: Ja. Okay. 00:04:33-2 00:04:36-2 Heiko: Aber jetzt ist es ja nicht mehr so. 00:04:37-5 Interviewerin: Nee. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Jetzt darf man nur noch mit weniger Kindern da rein, ne. 00:04:41-8 Heiko: Mit zu / zu dritt. Am folgenden Beispiel von Clemens wird deutlich, dass die räumliche Zusammenführung von Kindern hier keinen Anschluss an die Spielsituation erwirkt, sondern sich in diesem Fall eher als problemwirksam deuten lässt. Susi(a. B.) wird von Clemens und seinen Freunden bestimmt exkludiert. Dieses ist auch dadurch nicht aufhebbar, dass ein Erwachsener die Kinder räumlich zusammenbringt. Beispiel Clemens 00:08:30-8 Interviewerin: Mhm [nickt]. Oder sagst DU auch manchmal: »Nein, du darfst jetzt nicht mitmachen!«? 00:08:40-8 Clemens: Mm [nickt]. Wenn wir alleine im Nebenraum spielen wollen (..) dann ja [nickt]. 00:08:46-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und welche Kinder stören dann? 00:08:53-0 Clemens: Mm. Also, am meisten, nur, also, am / meistens ist dort mhm (.) Susi(a. B.) vor uns drin. 00:09:05-0 Interviewerin: Ja [nickt].

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:09:06-3

00:09:25-2 00:09:31-2 00:09:34-5 00:09:37-0

00:09:50-8 00:09:51-9 00:09:53-1 00:09:56-1

Clemens: Und wenn wir dann spielen, denn nervt sie. Und wenn denn wir grade spielen, dass ne Moritz dort ist, und Moritz nur mal kurz runtergegangen ist, so was gezeigt ist, und dann hoch möchte, ist Susi(a. B.) schon da drauf. Das nervt [schüttelt den Kopf]. Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Clemens: Und bei den andern ist es AUCH immer so. Interviewerin: Ja. Clemens: Deswegen mhm machen wir / holen nur drei drin sind, niemanden rein. Aber wenn ein Erwachsener kommt, dann (..) lassen sie ihn rein. Interviewerin: Mhm [nickt]. Clemens: Und die anderen auch. Interviewerin: Und wie ist das dann? Clemens: Dann können wir nichts spielen irgendwas, (..) aber sonst (..) nichts.

Konstanze beobachtet, dass sie mitspielende Kinder verliert, wenn sie bedingt durch Störungen ihren Spielort wechseln muss. Hier wirkt eine Veränderung in der Umwelt in Bezug auf den Raum als Nicht-Anschlussoption: Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:20:44-7 Konstanze: Mm. Dann (.) kommt er rein, macht so laute Musik, das, das finden wir nicht toll. 00:20:50-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:20:53-4 Konstanze: Ähm. Dann, dann müssen wir uns einen anderen Platz zum Spielen suchen. Wenn wir einen andern Platz suchen, verlieren wir die Hälfte unserer Mitspieler. 00:20:59-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Okay. Ausgehend von diesen Problembeschreibungen wird erkennbar, dass Einwirkungen von Kindern oder Erwachsenen auf räumliche Gegebenheiten grundsätzlich Anschlussoptionen einschränken und zu bestimmten Exklusionsprozessen führen können, wenn Kinder diese als nicht passend bewerten. Darüber hinaus wird für einen sinnhaften Anschluss an Kinder als Mitteilungshandelnde als problemwirksam differenziert, wenn Kinder für andere Kinder in den Räumlichkeiten, in denen sie sich aufhalten, nicht mehr wahrnehmbar sind. Auch dazu ein Beispiel zur Veranschaulichung: Beispiel Josepha 00:07:06-1 Interviewerin: Mhm [nickt]. (.) Und wie gefällt dir das? 00:07:10-8 Josepha: Auch gut. 00:07:12-8 Interviewerin: Ja. Und (..) mit Doris? [Zeigt mit Finger auf das zweite Zeichen, das nicht den Kindern zugeordnet ist, die gerne im Nebenraum spielen.] 00:07:19-2 Josepha: Die will nur das [zwei Worte unverständlich] abgeholt. 00:07:21-8 Interviewerin: Ach so. Dann seht ihr euch gar nicht so viel? 00:07:26-0 Josepha: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] 00:07:27-5 Interviewerin: Mm.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:07:30-8 00:07:31-4 00:07:32-2 00:07:33-1 00:07:34-3 00:07:36-5 00:07:42-4 00:07:46-6 00:07:48-0

Josepha: Ich hab Doris nur ein halbes Jahr gesehen. [Nebengeräusche im Flur.] Interviewerin: Ach so. Josepha: Weil ich im Projekt bin. Interviewerin: Ja. Okay. Josepha: Ich komm die ja nie besuchen. Interviewerin: Ja. Okay. Josepha: Und Doris muss immer, weil die noch / hab die hier frei. Hat ihr großer Bruder frei, denn hat sie auch frei. Interviewerin: Ja. Josepha: Und irgendwie denn. Guck mal da. [Zeigt mit dem Finger in Richtung des Fensters.]

An den Äußerungen von Josepha zeigt sich, dass in der Interaktion die raumbezogene körperliche Anwesenheit notwendig ist, um kommunikativ anschließen zu können. Entsprechend wurde in Kapitel  2.2.4 das Interaktionssystem als ein soziales System vorgestellt, in dem die wechselseitige Wahrnehmbarkeit von Mitteilungshandelnden Bedingung ist.86 So ist interpretierbar, dass, wenn die Voraussetzung der räumlichen Anwesenheit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist, Anschlussoptionen reduziert bzw. gar nicht möglich sind. An Kindern mit und ohne a. B., deren Körper nicht in Räumen beobachtbar werden, die ebensolchen Kindern zugänglich sind, erfolgt als Mitteilungshandelnde kein Anschluss (vgl. Kapitel 5.1.4). Gleichwohl wird an den oben wiedergegebenen Äußerungen von Clemens exemplarisch erkennbar, dass durch diese Option der kommunikative Anschluss nicht bestimmbar ist. Deutung auf selbstreferenzielle Bezüge auf den Raum Als selbstreferenzieller Bezug auf den Raum wird auch hier wie in Kapitel  5.1.4 gedeutet, wenn sich ein entsprechender Verweis als Mitteilungsaspekt der Kommunikation beobachten lässt. Auf eine Nicht-Anschlussoption in diesem Sinne wurde verschlüsselt, wenn kommunikative Anschlüsse von Kindern als solche unterschieden werden, die versuchen, Sinnverweise über räumliche Optionen mitzuteilen und das von anderen Kindern als problemwirksam bewertet wird. Innerhalb der Interviews wurden wiederholt in diesem Sinne Nicht-Anschlussoptionen beobachtet, in dessen Rahmen Kinder als solche unterschieden werden, die räumliche Grenzsetzungen oder Präferenzen anderer Kinder missachten bzw. sich über den Bezug auf den Raum durchzusetzen versuchen. Folgender Interviewausschnitt verdeutlicht dies: Beispiel Fee 00:12:34-4 Interviewerin: Weil du sagst, das geht noch. Gibt’s denn Kinder, wo das ganz doof ist? 00:12:40-1 Fee: Na ja, Matthias(a. B.). 00:12:41-3 Interviewerin: Bei Matthias(a. B.)? 86 | Auf die besondere Bedeutung der Möglichkeit der Beobachtung von Körpern und der Relevanz des aktuellen Inklusionsdiskurses auch in seiner bestehenden Form wurde bereits hingewiesen. Verwiesen werden kann hier u. a. auf das Kapitel 5.1.4.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:12:43-0 00:12:44-2 00:12:47-7 00:12:57-8 00:13:00-0 00:13:02-5 00:13:05-4

Fee: Mm. Interviewerin: Was ist da ganz doof? Fee: Mm. Wenn ich spiele, sagt er: »Darf ich mitspielen?« Ich so: »Mhm« [verneinend], dann bleibt er aber trotzdem drinne. Interviewerin: Mm. (…) Dann hört er nicht auf das, was du sagst? Fee: Mm. Interviewerin: Mhm [nickt]. Das findest du ganz doof? (…) Fee: Mhm [nickt].

Fee erkennt, dass Matthias(a. B.) nicht an sie anschließt, da er den Raum nicht auf ihren Wunsch verlässt. Hier wird deutlich, wie Exklusionsprozesse funktional werden, wenn Kinder räumlich markierte Grenzen negieren bzw. den darüber möglichen Mitteilungsaspekt nicht erkennen. Überdies wird auch hier ersichtlich, dass der räumliche Anschluss nicht gleichbedeutend mit dem sinnhaften Anschluss zu sehen ist. Zusammenfassende Betrachtung der Subkategorie Raumdimension hinsichtlich der Fragestellung, inwiefern Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder mit und ohne a. B. als problemwirksame Mitteilungshandelnde bewerten bzw. ihren kommunikativen Anschluss als Nicht-Passungsverhältnis unterscheiden Auch im Hinblick auf Nicht-Anschlussoptionen wurde auf den Raum als eine die Sinndimensionen der Systemtheorie ergänzende Dimension vor dem Unterscheidungshorizont hier / dort gedeutet. Entsprechende Sinnverweise wurden hier zu 3 % verschlüsselt. Als signifikant stellte sich dar, dass an Kindern ohne a. B. sehr viel facettenreicher Bezüge auf räumliche Differenzierungsmöglichkeiten als Nicht-Anschlussoption hin-beobachtet wurden als an Kindern mit a. B., dass in Bezug auf den Raum Kinder jedoch mannigfacher an Kinder mit a. B. anschließen. Kinder mit a. B. wurden davon ausgehend als besonders exklusionsgefährdet bewertet, da sie weniger vielfältig nicht-passende Raumoptionen unterscheiden, sie jedoch in Bezug auf diese Option breiter als problemwirksam beobachtet werden. Die Unterscheidung zwischen fremd- und selbstreferenziellen Bezügen auf den Raum ermöglichte auch innerhalb dieses Kapitels eine differenzierte Betrachtung. Als fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum konnten unpassende räumliche Optionen, die Uneinschätzbarkeit in Bezug auf Abstände der Körper anderer Kinder zum »eigenen« Körper, unerwünschte räumliche Nähe zu Kindern bzw. ihr Nicht-Anwesend-Sein-Können innerhalb präferierter oder gegebener Räume, über die aktuell an Kinder als Mitteilungshandelnde angeschlossen wird, differenziert werden. Als selbstreferenzieller Bezug auf den Raum wurde interpretiert, wenn Kinder ihre Sinnbezüge über den Raum, beispielsweise durch die Missachtung räumlicher Grenzsetzung, durchzusetzen versuchen bzw. den darüber angebotenen Mitteilungsaspekt nicht beachten und andere Kinder sich deshalb von ihnen abwenden. Nach den Interpretationen der Anschlussoptionen in Kapitel 5.1 und der NichtAnschlussoptionen in Kapitel 5.2 wird sich im folgenden Kapitel dem Hin-Deuten auf einen Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss zugewandt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

5.3 O p tionaler W echsel Wie in Kapitel  2.6.1 erläutert, sind weder Inklusion noch Exklusion isoliert vorzufinden, da jeder Anschlussprozess voraussetzt, dass an etwas anderes nicht angeschlossen werden kann. Insofern wurden sowohl Inklusion als auch Exklusion und damit ihre Kombination als funktional für die Fortsetzung der Operationen autopoietischer Systeme bewertet. Inklusion / Exklusion wurde innerhalb der theoretischen Rahmung der Arbeit als binäres Schema eingeführt, das sich jedoch über das re-entry als dimensionales Beobachtungsverhältnis darstellt und auch als Kontinuum bezeichnen lässt. Wie in Kapitel 4.2.2.1 hergeleitet, sind diese Überlegungen in die Auswertungsmethode eingeflossen. Das Deuten auf einen Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion wurde dort als Kategorie kreiert, um ihrem dimensionalen Verhältnis gerecht zu werden und auf Modifikation hin beobachten zu können. Dieser Wechsel soll hier interpretiert werden. Dieser Teil der Arbeit wird gerade für die professionelle Inklusionsarbeit als wesentlich erachtet.87 Indem ein Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion als Option für den Beobachter erkennbar wird, erscheint das Differenzierte in der Umwelt nicht mehr als absolut, es wird als kontingent beobachtbar und damit seine »Position« im Kontext von Inklusion und Exklusion veränderbar.88 »Für professionelle Adressenarbeit im Kontext (geistiger) Behinderung kann gelten, dass deren Erfolg davon abhängt, ob an die Unterscheidungen eines Systems angeknüpft werden kann, die zuvor Interpenetration erschwert haben« (Terfloth 2006, 176).89 In der Interpretation des Optionalen Wechsels geht es vor dem Hintergrund der Fragestellung genau darum, ausgehend von Nicht-Passungen auf Optionen für einen Wechsel hin zu Passungen zu deuten. Darüber hinaus stehen an dieser Stelle Sinnverweise im Fokus, die sich auf die Sozialdimension von Sinn beziehen, also inwiefern sich in Bezug auf Mitteilungshandelnde auf einen solchen Wechsel hin-deuten lässt. Entsprechend richtet sich das Kapitel folgendermaßen aus: Was hilft innerhalb von Sinngenerierungsprozessen, Problemwirksames nicht als unveränderbar, sondern als kontingent, als auch anders möglich in Bezug auf den Anschluss an Kinder als Mitteilungshandelnde zu unterscheiden? Welche strukturellen Voraussetzungen begünstigen Wechsel? Was wird als entscheidend bewertet, damit Kinder mit und ohne a. B. Wechsel unterscheiden? Aus welchen Differenzierungsmöglichkeiten gehen sie hervor? In der Auswertung dieser Deutungsoption wurde erkennbar, dass die Unterscheidung, auf welche Dimension von Sinn sich der Wechsel bezieht, noch schwerer beobachtbar ist als hinsichtlich der Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen bzw. dass eine solche Deutung fast nicht möglich ist (vgl. Kapitel 4.2.2.2). 87 | Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass es hier nur um erste Suchbewegungen gehen kann. Auch an dieser Stelle wird ein Bedarf für weitere Forschungsarbeit gesehen. 88 | In Kapitel 5.2.1 wurde im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen auf Kontingenz gedeutet. Hier werden Möglichkeiten beobachtbar, unter welchen Bedingungen die Deutung auf Kontingenz zu Anschlussoptionen führt. 89 | In Kapitel 5.5 werden erste Überlegungen für eine entsprechend ausgerichtete professionelle Adressenarbeit entwickelt. An dieser Stelle erfolgt zunächst die Interpretation der empirischen Erhebung.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Einen Wechsel differenzieren zu können, setzt voraus, zwei Sinnverweise miteinander in Beziehung zu setzen. So ist beispielsweise ein Verweis auf die Sinnzeit innerhalb aller Optionalen Wechsel gegeben. Die Sinnverweise, auf die hier Bezug genommen wird, befinden sich immer in einem zeitlichen Abstand zueinander, denn nur dadurch können sie als verschiedene erkannt werden. Nur dadurch ist es möglich, eine Verbindung zwischen mindestens zwei verschiedenen Sinnverweisen, die zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten generiert wurden, herzustellen. Entsprechend ist auch nur so auf das Erkennen von Kontingenz deutbar. Zunächst sollen auch hinsichtlich dieser Kategorie die Gesamtverteilung der Generierung von Sinn und die entsprechenden Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. dargestellt werden, bevor eine Auswertung orientiert an den Sinndimensionen erfolgt. Die auch hier angebotene zusammenfassende Betrachtung berücksichtigt die Ausführungen in Bezug auf alle Sinndimensionen. Sie schließt dieses Kapitel ab.90 Die Verteilung der kommunikativen Anschlüsse der Kinder mit und ohne a. B., von denen ausgehend auf einen Optionalen Wechsel gedeutet wurde, ist in ihrer Varianz sehr ungleichgewichtig (vgl. Grafi k 1 / 5.3). Kinder ohne a. B. generieren sehr viel strukturreicher die Möglichkeit, zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss zu wechseln, als Kinder mit a. B. Hinsichtlich des Bezugs auf Kinder mit und ohne a. B. zeigen sich mannigfaltigere Verweise auf Kinder mit a. B. (vgl. Grafi k 2 / 5.3). Dieses Ergebnis könnte so interpretiert werden, dass Kinder mit a. B. mehr Anlässe bieten, einen Wechsel herbeizuführen, jedoch auch, dass sich an ihrem Anschluss leichter ein Wechsel hin-beobachten lässt. Daraus ließe sich ableiten, dass Kinder mit a. B., an denen sich etwas als problemwirksam Bewertetes ausflaggt, von Kindern facettenreicher als solche differenziert werden, bei denen diese NichtAnschlussoptionen veränderbar sind als Kinder ohne a. B. Inwiefern das auch dadurch bedingt sein kann, dass an ihnen etwas mehr verschiedene Nicht-Anschlussoptionen generiert werden, müssen Folgestudien zeigen (vgl. Grafi k 2 / 5.2). Grafik 1 / 5.3

Grafik 2 / 5.3

Auch in Bezug auf diese Kategorie soll orientiert an den Sinndimensionen interpretiert werden, wie Kinder Unterscheidungen differenzieren. Die umseitige Darstellung der Gesamtverteilung der Sinnverweise bietet auch hier einen Überblick an, hinsichtlich welcher Sinndimension Optionen für einen Wechsel verschlüsselt wurden (vgl. Grafi k 3 / 5.3). Dabei wird erkennbar, dass auch in diesem Zusammenhang auf die Sozialdimension von Sinn in hoher Variabilität gedeutet wurde und 90 | Aufgrund des geringeren Umfangs ist dieses Kapitel im Gegensatz zu den vorhergehenden nicht in Unterkapitel gegliedert.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

sie somit hier ebenso wie innerhalb der Interpretationen der anderen Kategorien eine zentrale Position einnimmt. Insofern wird auch hier mit der Auswertung entsprechender Verweise begonnen, bevor sich den anderen Dimensionen von Sinn zugewandt wird. Grafik 3 / 5 .3

Da der Optionale Wechsel nur 3 % der Verschlüsselungen der Kinder mit a. B. und 9 % der Kinder ohne a. B. im Rahmen der Gesamtverteilung ausmacht (vgl. Grafik 3 / 5 und 4 / 5), werden in diesem Kapitel nur sehr vereinzelt prozentuale Angaben über die Verteilungen angeboten und primär die Ergebnisse in ausgezählter oder zusammengefasster Form vorgestellt. Die Sinnverweise in Bezug auf sich selbst werden auch hinsichtlich dieser Kategorie (vgl. Kapitel 5.1 und 5.2) in Kapitel 5.4 vorgestellt und interpretiert. Der Optionale Wechsel in Bezug auf die Sozialdimension von Sinn Sinnverweise in Bezug auf die Sozialdimension von Sinn innerhalb des Optionalen Wechsels werden anteilig von Kindern mit a. B. zu 18 % und von Kindern ohne a. B. zu 82 % generiert (S22). Um näher differenzieren zu können, worum es bei diesen Anschlüssen geht, wird hier zwischen Bezügen auf die soziale Adresse Rolle91 und die soziale Adresse Person unterschieden (vgl. Kapitel 4.2.2.2). Insgesamt wurden dabei Bezüge auf Rollen zu 54 % und Bezüge auf Personen zu 46 % verschlüsselt (S22). Anhand der umseitigen Grafiken 4 / 5.3 und 5 / 5.3 wird deutlich, dass sich Kinder mit a. B. vielfältiger auf individuell attribuierte Verhaltenszuschreibungen (Deutung auf Personen) beziehen, hingegen Kinder ohne a. B. einen mannigfacheren Bezug auf allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen (Deutung auf Rollen) nehmen. Im Folgenden werden die Verschlüsselungen der beiden Optionen näher vorgestellt.

91 | Klärend für die Verschlüsselung der sozialen Adresse Rolle muss hier angemerkt werden, dass innerhalb dieses Kapitels alle Bezüge auf Erwachsene als Bezüge auf Rollen verschlüsselt wurden, sowohl wenn sich auf sie über ihre Namen als auch wenn sich auf sie über die Bezeichnung »Erwachsener«, »Erzieher« oder »Zivi« bezogen wurde. Die hier dargelegten Ergebnisse sind dementsprechend besonders vage, da nicht immer ganz eindeutig aus dem Kontext nachvollziehbar wird, ob die Kinder auf die Rolle oder die Person hin unterscheiden.

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Grafik 4 / 5.3

Grafik 5 / 5.3

Bezug auf die soziale Adresse Rolle In der Differenzierung der Rollen nehmen die Kinder fast ausschließlich auf Erwachsene Bezug. Dabei werden Erwachsene in Gruppenleitungsfunktion und Zivildienstleistende von ihnen am häufigsten im Kontext des Optionalen Wechsels als relevant adressiert.92 In der näheren Betrachtung der Rollenzuschreibung lässt sich als wesentlich erkennen, dass Erwachsenen die Möglichkeit zugeschrieben wird, problemwirksames Verhalten, das an Kindern beobachtet wird, zu beeinflussen. So geht es innerhalb des Bezugs von Kindern auf sie ausschließlich um grenzüberschreitendes Verhalten anderer Kinder, das über den Anschluss Erwachsener am Interaktionssystem als veränderbar bewertet wird. Die interviewten Kinder stellen die Situation unter Anschluss des Erwachsenen als kontingent dar, mit der Option auf einen Wechsel von bestimmter Exklusion zur Inklusion. Folgendes Beispiel ist dafür exemplarisch: Beispiel Anna 00:10:13-2 Anna: Und denn hab ich gesagt: »NE Lars(a. B.) [schüttelt verneinend den Kopf], da hab ich keine LUST zu!« 00:10:16-6 Interviewerin: Mhm, Mm. Und wie war das dann? 00:10:21-0 Anna: [Holt tief Luft.] Dann hat Lars(a. B.) gesagt, ähm: »Lass mich in Ruhe« und denn hab ich ihn auch in Ruhe gelassen und denn hab ich gesagt: »Aber mach so was nie wieder« und denn hat er es immer wieder gemacht und denn hab ich das Olli [Erzieher] gesagt und der hat das denn geregelt. 00:10:31-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und wie ist das jetzt? 00:10:34-8 Anna: Jetzt macht er das nur noch manchmal. 00:10:37-6 Interviewerin: Mhm. Annas Äußerungen lassen sich dahingehend deuten, dass sie erst durch den Anschluss des Erziehers Olli an das Interaktionssystem an Lars(a. B.) eine Anschlussveränderung wahrnimmt, die sie nicht mehr ausschließlich als problemwirksam bewertet. Im folgenden Beispiel von Monique(a. B.) wird erkennbar, dass sie an 92 | Diese Verteilung könnte auch im Hinblick auf die Zeitdimension gedeutet werden. Auch hier eröffnen sich an diese Arbeit anschließende Fragestellungen, zum Beispiel inwiefern sich die Dauer und der Kontext, innerhalb dessen sich Kinder und Professionelle beobachten, auf die Penetrationsmöglichkeiten auswirken. Diese Fragestellung ist insofern relevant, als dass Heilpädagog_innen im Rahmen ambulanter und teilstationärer Fördermaßnahmen unterschiedliche Zeitkontingente für ihre Arbeit zur Verfügung stehen.

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problemwirksame Kommunikation, die sie an anderen Kindern beobachtet, nur mit der Unterstützung der Gruppenleitung Ulla anschließt. Auch hier scheint wesentlich, dass Ulla von Monique(a. B.) als eine erkannt wird, die anders als die Kinder Moniques Sinnbezug irritieren kann. Entsprechend bewertet auch sie ihre kommunikativen Anschlussoptionen an andere Kinder unter der Anwesenheit und Begleitung der Erwachsenen als aussichtsreicher. Beispiel Monique(a. B.) 00:07:54-4 Monique(a. B.): Die haben mich denn geschubst … 00:07:57-7 Interviewerin: Mm. 00:07:58-7 Monique(a. B.): … und gehauen. [Gesenkter Blick, gesenkte Stimme.] 00:07:59-7 Interviewerin: Mm. Erzähl mal. 00:08:02-5 Monique(a. B.): Das fand ich nicht schön. [Richtet den Blick zunächst auf die Zeichen und dann zur Seite.] 00:08:08-5 Interviewerin: Mm. Und wer war das? 00:08:12-2 Monique(a. B.): Ähm, schon mal Juli(a. B.) … 00:08:17-0 Interviewerin: Mm 00:08:20-0 Monique(a. B.): … und KATJA und Kirsten [richtet Blick auf Zeichen] … Interviewerin: Mm. 00:08:27-1 00:08:28-1 Monique(a. B.): … und Lasha(a. B.) und Katha(a. B.). 00:08:31-0 Interviewerin: Mm. 00:08:32-5 Monique(a. B.): Das fand ich nicht schön. 00:08:33-5 Interviewerin: Mm. Und was hast du dann gemacht? 00:08:34-7 Monique(a. B.): Ähm, hab ich Ulla [Gruppenleiterin] Bescheid gesagt. Interviewerin: Mm. 00:08:37-1 00:08:38-1 Monique(a. B.): ’N Erwachsener gesagt. 00:08:39-3 Interviewerin: Und was ist dann passiert? Monique(a. B.): Dann hab ich gesagt: »Stopp, hör auf!« 00:08:43-3 00:08:45-4 Interviewerin: Mm. Und was ist dann passiert? 00:08:50-4 Monique(a. B.): Dann haben die mich einfach geschubst. 00:08:53-7 Interviewerin: Mm. (…) Und dann? 00:09:01-9 Monique(a. B.): Denn hat Ulla gesagt: »Das musst du nicht machen.« 00:09:05-8 Interviewerin: Mm. Und dann? 00:09:10-5 Monique(a. B.): Dann hab ich gesagt: »Stopp!« 00:09:14-2 Interviewerin: Mm. Monique(a. B.): »Das mag ich nicht!« [Richtet Blick zur Seite von den 00:09:15-2 Zeichen abgewandt.] 00:09:18-8 Interviewerin: Mm. (..) Und was ist dann passiert? 00:09:26-6 Monique(a. B.): Denn hat kein, denn hat das einer verstanden und hat keiner ge / nichts gemacht. [Gesenkter Blick, gesenkte Stimme.] 00:09:31-1 Interviewerin: Mm. 00:09:32-1 Monique(a. B.): Denn hab ich einfach weitergespielt. 00:09:35-6 Interviewerin: Mm. Und wie war das dann? 00:09:36-5 Monique(a. B.): Denn war das wieder in Ordnung.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Davon ausgehend wird interpretiert, dass ein Wechsel von (bestimmter) Exklusion zu Inklusion dadurch unterstützt wird, dass Beobachter zwischen den Anschlussmöglichkeiten, die sie Kindern und Erwachsenen zuschreiben, differenzieren können. Überdies müssen Erwachsene als soziale Adresse erkannt werden, die mit anderen sozialen Operationen problemwirksamen Situationen begegnen, also das Interaktionssystem »anders« penetrieren als Kinder.93 Da hier an der Kommunikation der Kinder mit a. B. sehr viel weniger Optionen als Anschluss an Erwachsene gedeutet wurden als an der der Kinder ohne a. B., ist davon auszugehen, dass ihnen weniger Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen, so einen Wechsel zu beeinflussen. Die Wirkung, die ein solcher Anschluss des Erwachsenen haben kann, lässt sich, orientiert an den Äußerungen von Konstanze, auch vor dem Hintergrund notwendiger Komplexitätsreduktion verstehen (vgl. Kapitel  2.5.2). Zunächst das Beispiel: Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:07:46-5 Konstanze: Dann haben wir »Stopp« gesagt, sie haben weitergemacht. 00:07:47-6 Interviewerin: Ja. (.) Und dann? Konstanze: Dann hat sich immer ein Großer eingemischt. 00:07:53-5 00:07:54-5 Interviewerin: Ja. Und wie war das dann? 00:07:56-7 Konstanze: Das war irgendwie beruhigend. Hä [atmet tief aus]. 00:07:58-4 Interviewerin: Ja. 00:07:59-7 Konstanze: Dann müssen wir uns ja nicht mehr alleine durchkämpfen. 00:08:00-8 Interviewerin: Ja. Und was ist dann passiert? 00:08:05-7 Konstanze: Dann konnten wir immer ruhig weiterspielen. An verschiedenen Stellen dieser Arbeit wurde erläutert, dass Schwierigkeiten in der Koppelung zwischen psychischen und sozialen Systemen als Strapaze erlebt werden können (vgl. u. a. Kapitel 2.4 und 2.5.2), die zwischenmenschliche Interpenetrationsprozesse erschweren oder verhindern. An die Komplexität des Erwachsenen anschließen zu können, wird von Konstanze als beruhigend beschrieben. Indem sie darstellt, dass sie den »Großen« in problemwirksamen Situationen, durch die sie sich »durchkämpfen« muss, als Unterstützung erlebt, lässt sich interpretieren, dass sie ihm (bzw. den sich an ihn ausflaggenden sozialen Anschlüssen) Penetrationsmöglichkeiten zuschreibt, die eine soziale Resonanz erwirken, die von ihren abweichen und die sie als für sich funktional erlebt. Diese Beschreibung konkretisiert die vorausgegangenen Überlegungen im Hinblick auf die Irritationsmöglichkeiten der Erwachsenen für Kinder. Im Zusammenhang mit dem Anschluss an Erwachsene innerhalb des Optionalen Wechsels wurden am mannigfaltigsten Verweise auf Kinder mit a. B. verschlüsselt (vgl. Grafik 6 / 5.3). Dieses Ergebnis deckt sich mit der in Kapitel  2.4 93 | Kinder, die in Strukturen aufwachsen, in denen bei Erwachsenen nicht gesichert eine höhere Handlungskompetenz beobachtbar ist, machen diese Erfahrung ggf. eingeschränkter und erkennen dadurch Erwachsene nur bedingt als solche mit diesen erweiterten Möglichkeiten.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

thematisierten Schwierigkeit, im Kontext von Behinderung eine Synchronisation zwischen psychischem und sozialem System herzustellen. Als zentral wurde hervorgehoben, inwiefern Anschlussprozesse an das soziale System erwartungsgemäß gelingen. In Kapitel  5.2.1 wurden entsprechende Nicht-Passungsoptionen beispielhaft dargelegt. Insofern erscheint es für die Unterstützung des Wechsels von bestimmter Exklusion zur Inklusion für Kinder mit a. B. besonders bedeutsam, dem Interaktionssystem unterstützend die »Simplifizierungskompetenz« (oder auch die Penetrationsmöglichkeiten) des Erwachsenen anzubieten (hier im Sinne erweiterter Möglichkeiten zu verstehen, Passungsangebote hinsichtlich verschiedener kommunikativer Anschlussbedingungen zu transformieren), damit Psychen und Körper nicht bestimmt exkludiert werden und / oder ihnen eine Behinderung zugeschrieben wird. Grafik 6 / 5.3

Ergänzend zu dem Bezug auf Erwachsene wurden über jeweils einen Sinnverweis »Jungen« und »Kleine« als Rollenbeschreibung verschlüsselt. Als den Wechsel begünstigend wurde hier ausgewertet, dass »Jungen« und »Kleinen« unterschiedliche kommunikative Anschlussoptionen zugeschrieben werden. Bezug auf die soziale Adresse Person In der Deutung auf Personen im Zusammenhang mit einem Wechsel von bestimmter Exklusion zur Inklusion wurden durchgehend Personenzuschreibungen verschlüsselt, die das Handeln von Kindern als unterschiedlich möglich differenzieren. Das Beispiel von Konstanze verdeutlicht dies: Beispiel Konstanze (Transkription I) 00:20:44-7 Konstanze: Mm. Dann (.) kommt er rein, macht so laute Musik, das, das finden wir nicht toll. 00:20:50-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. 00:20:53-4 Konstanze: Ähm. Dann, dann müssen wir uns einen anderen Platz zum Spielen suchen. Wenn wir einen andern Platz suchen, verlieren wir die Hälfte unserer Mitspieler. 00:20:59-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Okay. 00:21:02-8 Konstanze: Und das passiert meistens nur wegen Jodok(a. B.). 00:21:06-2 Interviewerin: Und ist das immer so oder ist das auch mal anders mit Jodok(a. B.)? 00:21:10-2 Konstanze: Mm. Ja, auch mal anders. Der kommt (..) und sagt: »Darf ich euer Radio sein?« 00:21:15-5 Interviewerin: Mhm [nickt].

5. Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:21:16-5

Konstanze: Dann sag ich: »Ja!« und dreh / und mach ein Licht an und dann singt er das.

In diesem Interviewausschnitt wird erkennbar, dass Konstanze dadurch, dass sie den Anschluss von Jodok(a. B.) an ihr Spiel als auch anders möglich wahrnimmt (Jodok(a. B.) kommt nicht nur ungefragt in ihr Spiel hinein, sondern erkundigt sich, ob er das Radio sein darf), sie das zuvor als negativ bewertete Verhalten nicht als das ausschließlich mögliche dieses Kindes unterscheidet. Dadurch ist für sie ein Wechsel von bestimmter Exklusion zur Inklusion in Bezug auf sein Sinnangebot (Musik zu machen) generierbar. Überdies zeigt sich hier die Option, in dem in Kapitel  2.2.1 dargestellten Sinne, zum Ausgangpunkt zurückzukehren und einen anderen Weg zu wählen. Konstanze ist in der Lage, an die Ausgangssituation (Jodok(a. B.) macht Musik) unterschiedlich anzuschließen. Diese Potenzialität wird hier als funktional für ihre Erweiterung von Anschlussmöglichkeiten an Jodok(a. B.) bewertet. In der Verteilung der verschlüsselten Verweise auf Kinder mit und ohne a. B. wird deutlich, dass auch hier am strukturreichsten Kinder mit a. B. als solche erkannt werden, die entsprechend unterschiedlich anschließen (vgl. Grafi k 7 / 5.3).94 Grafik 7 / 5.3

Da im Rahmen der Nicht-Anschlussoptionen hinsichtlich der Sozialdimension von Sinn Kinder mit a. B. leicht vielfältiger verschlüsselt wurden (vgl. Grafi k 3 / 5.2.1 und 4 / 5.2.1), wird es für inklusive Prozesse als besonders wichtig angesehen, dass sie als solche erkannt werden, bei denen ein potentieller Wechsel des Sinnbezuges möglich ist. Im Hinblick darauf wird die hier abgebildete Verteilung als sehr positiv bewertet. Der Optionale Wechsel in Bezug auf die Zeitdimension von Sinn Einleitend in dieses Kapitel wurde erläutert, dass alle Verweise dieser Kategorie in einem Sinn-Zeitbezug stehen. Hier bildet die Verschlüsselung von 11 % entsprechender Sinngenerierungsoptionen (vgl. Grafi k 3 / 5.3) nur jene ab, bei denen dieser Bezug im Vordergrund steht. Wie bedeutsam diese Option ist, veranschaulichen folgende Beispiele von Jonte, Anna und Ronja:

94 | Zu bedenken ist, dass nur sehr wenige Sinnverweise der Kinder mit a. B. für diesen Vergleich zur Verfügung stehen.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Beispiel Jonte 00:09:39-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. (…) Und ist das immer so, oder ist das auch manchmal anders? Bei dem Kind. 00:09:45-9 Jonte: Manchmal anders. 00:09:47-2 Interviewerin: Mm. Und wie ist das dann so? 00:09:52-0 Jonte: Denn macht der / denn / denn stört er uns gar nicht. In den Äußerungen von Jonte wird erkennbar, dass sie den Anschluss des Kindes, auf das sie sich hier bezieht, hinsichtlich verschiedener Zeitpunkte unterschiedlich wahrnimmt. Das ermöglicht ihr einen Wechsel zwischen Anschluss und NichtAnschluss. Da sie das Kind, um das es hier geht, zeitweilig als nicht störend beobachtet, wird geschlussfolgert, dass Jonte unter bestimmten Bedingungen ein Anschluss an dieses möglich ist. Ebenso lässt sich der kommunikative Anschluss von Anna an das Handeln von Michi im Zusammenhang mit der Differenzierung verschiedener Zeitpunkte deuten. Beispiel Anna 00:10:38-6 Anna: Aber jetzt ist Heiko der Schlimmste geworden, … 00:10:40-0 Interviewerin: Ja? 00:10:41-1 Anna: … Michi eigentlich nicht mehr [schüttelt verneinend den Kopf]. 00:10:42-3 Interviewerin: Okay. 00:10:43-7 Anna: Michi war früher [schüttelt verneinend den Kopf], aber jetzt ist Michi nicht mehr so schlimm. Anna differenziert zwischen früher und heute und unterscheidet daran orientiert das Verhalten von Michi als verschieden. Das folgende Beispiel von Ronja zeigt, dass sie die Zeitpunkte nicht näher bestimmen kann, jedoch über den Bezug auf die Sinnzeit in der Lage ist, Verhalten zu unterscheiden. Beispiel Ronja (Transkription I) 00:05:08-0 Ronja: Das ist immer doof. 00:05:09-8 Mm. Mhm [nickt]. 00:05:10-9 Ronja: [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:05:13-4 Interviewerin: Mhm [nickt]. Das war doof dann, ne. 00:05:14-0 Ronja: Mm. 00:05:14-9 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und ist das immer so oder ist das auch mal anders? 00:05:18-7 Ronja: Das ist auch mal anders. 00:05:21-4 Interviewerin: Ja. Und wie ist das dann so? 00:05:25-9 Ronja: [Atmet schwer ein und aus.] Ganz gut [nickt], … 00:05:26-6 Interviewerin: Ja [nickt]. 00:05:27-6 Ronja: … wenn die dann gleich drauf hören. [Richtet Blick auf Interviewerin.] 00:05:32-2 Interviewerin: Das passiert auch manchmal. 00:05:33-7 Ronja: Ja. 00:05:34-7 Interviewerin: Mhm [nickt]. (…) Und kannst du da noch mehr drüber sagen, …

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:05:36-6 00:05:38-0 00:05:39-5 00:05:40-6 00:05:43-4 00:05:45-8 00:05:49-3

Ronja: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf.] Interviewerin: … wie ist das dann so, wenn die auf dich hören? Ronja: Mhm. [Schüttelt verneinend den Kopf und lehnt sich im Stuhl zurück.] Nein. Nein. Interviewerin: Gab es das schon mal? Ronja: Ja [seufzt und nickt]. Das gab es schon mal. Interviewerin: Mhm [nickt]. Wie war das dann? Ronja: Toll.

So kann als Ergebnis formuliert werden: Verhalten von Kindern als zeitabhängig differenzieren zu können, steigert die Optionen für einen Wechsel zwischen NichtAnschluss und Anschluss.95 Der Optionale Wechsel in Bezug auf die Raumdimension von Sinn Auch in der Deutung auf den Raum werden hilfreiche Differenzierungsmöglichkeiten beobachtbar, Optionen für einen Wechsel zu erkennen. Sie wurden hier zu 8 % der Gesamtverteilung der Sinnverweise (vgl. Grafik 3 / 5.3) ausschließlich am kommunikativen Anschluss der Kinder ohne a.B verschlüsselt. Folgende Beispiele stellen diesbezügliche Möglichkeiten exemplarisch dar: Beispiel Mike 00:05:08-1 Mike: Und dann (..) / Das wär’s eigentlich. 00:05:12-9 Interviewerin: Mm. Und wie geht das dann weiter, wenn die so was machen? 00:05:17-5 Mike: Ähm. 00:05:18-5 Interviewerin: Was passiert dann? 00:05:19-2 Mike: Die geh’n in Nebenraum, aber wenn die grad im Nebenraum sind, denn geh’n sie in den (Kuschelraum?). Interviewerin: Mm [nickt]. 00:05:23-1 00:05:24-1 Mike: Oder, oder werden auf die Hochebene getragen. 00:05:28-8 Interviewerin: Mm. Mm [nickt]. Und was passiert dann? Mike: Dann, dann soll’n sie sich da oben mal auswüten. 00:05:31-2 00:05:36-6 Interviewerin: Mm. Und dann? 00:05:39-6 Mike: Ähm kann ich wieder mit denen spiel’n. 00:05:41-0 Interviewerin: Mm. 00:05:42-2 Mike: Und dann is’ auch gut. Interviewerin: Mm. Und spielst du dann auch wieder mit denen? 00:05:43-4 00:05:44-7 Mike: Ja. […] 00:05:45-1 Interviewerin: Mm. 00:05:46-1 Mike: Zum Beispiel Moritz hä- hatte mich auch mal weh getan oder so. Ich- ich hab ihn erst mal austoben lassen und dann hab ich wieder mit ihm gespielt und / 

95 | Dass dennoch auch auf Strapazen hin-gedeutet werden kann, wenn Kinder als unterschiedlich beobachtet werden, soll damit nicht ausgeschlossen werden. Entsprechende Interpretationen wurden beispielsweise in Kapitel 5.2.1 vorgestellt.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Mike ist es möglich, problemwirksames Verhalten von Kindern bestimmten Räumen zuzuordnen. Kinder »wüten« sich auf der Hochebene »aus«. In dieser Situation werden sie von Mike bestimmt exkludiert. Er begibt sich dann an einen anderen Ort. Im Anschluss daran kann Mike wieder mit ihnen spielen. Dieser Sinnverweis wird hier als fremdreferenzieller Bezug auf den Raum interpretiert. Am Beispiel von Merle zeigt sich, dass sie einen Anschluss an das Verhalten der Jungen dadurch erwirken kann, dass sie verschiedene Raumoptionen nutzt.96 Beispiel Merle 00:15:28-2 Merle: Dann geh’n wir einfach trotzdem noch mal auf ne andere Stelle und bau’n da ’n Turm. Aber die Jungs bleiben immer bei unseren kaputtgestürmten Turm. 00:15:37-5 Interviewerin: Mm-Mm. 00:15:38-6 Merle: Und das finden wir denn irgendwann doof, dass die unseren Turm kaputt machen und denn, äh, denn hol’n wir halt einen Erwachsenen und einer passt denn auf unsere Türme auf, … 00:15:48-1 Interviewerin: Mhm. Merle: … die wir gebaut haben. Aber das kann man halt nicht verhin00:15:49-3 dern, dass die Jungs das machen. [Zieht die Schultern hoch.] 00:15:54-3 Interviewerin: Mhm. Und wie geht das dann wieder? 00:15:58-8 Merle: [Zieht die Schultern hoch.] Dann versuchen Josepha und ich uns immer ’n bisschen abzulenken und wenn wir dann malen, denn lenken wir uns wirklich ab, denn passiert das nicht mehr, denn geh’n die Jungs auch woanders hin. Innerhalb dieses Beispiels wird erkennbar, wie Merle ihre eigene Wirkmächtigkeit in Bezug auf das problemwirksame Verhalten der Jungen über eine Veränderung ihrer Position im Raum erlebt. Hierüber ist es ihr möglich, einen Anschluss der Jungen an ihre Grenzsetzung zu erreichen. Dieser Verweis kann als selbstreferenzieller Bezug auf den Raum gedeutet werden. So wird als Ergebnis formuliert, dass selbst- und fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum für Beobachter funktional sind, Optionen für einen Wechsel zu differenzieren. Der Optionale Wechsel in Bezug auf die Sachdimension von Sinn Als Bezug auf die Sachdimension von Sinn, zu 5 % verschlüsselt (vgl. Grafik 3 / 5.3), wurde interpretiert, wenn ein Wechsel dadurch möglich wird, dass Kinder auf unterschiedliche Themen Bezug nehmen bzw. sie diese Möglichkeit anderen Kindern zuschreiben. So stellt beispielsweise die Beobachtung, dass Kinder an anderen Kindern verschiedene Spielinteressen erkennen, eine Option für einen Wechsel dar. Diesbezüglich wurden insgesamt acht Sinnverweise verschlüsselt, sieben von Kindern ohne a. B. und einer eines Kindes mit a. B.97 Folgendes Beispiel dient der Veranschaulichung: 96 | Dieses Beispiel wurde bereits in Kapitel 5.2.2 mit dem Bezug auf die Sachdimension von Sinn interpretiert. An dieser Stelle steht der Verweis auf den Raum im Vordergrund (vgl. Codierregeln hinsichtlich Mehrfachverschlüsselungen in Kapitel 4.2.2.2). 97 | Die hier angegeben Sinnverweise sind ausgezählt. Die ungleiche Probandenzahl wurde entsprechend nicht aneinander angeglichen.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Beispiel Jan: 00:07:15-4 00:07:16-1 00:07:18-6 00:07:20-2

Interviewerin: Lars(a. B.) ist dein bester Freund, hast du gesagt. Jan: Ja, Lars(a. B.). Interviewerin: Lars(a. B.). Und was gefällt dir an Lars(a. B.) so gut? Jan: Mm. Vorher mocht ich ihm noch gar nicht mit ihm, aber jetzt mag ich / äh, er bringt immer Lego und Star Wars mit [klatscht in die Hände] und [drei Wörter unverständlich] hat er heute auch mitgebracht.

Die Äußerungen von Jan deuten darauf hin, dass er Lars(a. B.) erst dadurch, dass dieser Lego und Star Wars-Spielutensilien mitbringt, als Freund erkennt. Indem er diesen Wechsel benennt, ist davon auszugehen, dass der kommunikative Anschluss vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Möglichkeiten getroffen wird. Fee differenziert, dass ihre Möglichkeit, mit Matthias zu spielen, damit im Zusammenhang steht, dass sie an ein bestimmtes Thema anschließt. Beispiel Fee 00:08:28-1 Interviewerin: Mm. Und spielst du manchmal auch mit Matthias(a. B.)? 00:08:32-1 Fee: Ja. 00:08:34-9 Interviewerin: Und was spielt ihr dann so? 00:08:36-8 Fee: Mm. Phhh. [Stößt Luft aus.] Star Wars (..) spielt er mit mir. [Richtet den Blick nach unten auf ihre Finger und spricht leise.] 00:08:47-7 Interviewerin: Mm. Star Wars spielt er manchmal mit dir. Mm. 00:08:49-7 Fee: Mm. 00:08:50-4 Interviewerin: Da spielst du dann auch mit. 00:08:51-7 Fee: Mm. 00:08:52-5 Interviewerin: Mm. Okay. Und manchmal sagt er, du darfst nicht mitmachen und manchmal darfst du mitmachen? 00:09:00-4 Fee: Mm. Ihre Äußerungen lassen sich so interpretieren, dass, wenn sie sich nicht auf das Thema Star Wars einlässt, ein Anschluss an Matthias nicht möglich ist. Somit generiert sie Optionen für einen Wechsel über den Sachverweis. Durch die verschiedenen Äußerungen der Kinder wird erkennbar, dass frühkindliche Kommunikation dahingehend penetrierbar ist, unterschiedliche Sachbezüge für ihren Anschluss zu berücksichtigen und psychisch verschiedene kommunikative Anschlüsse wahrzunehmen. Auch diese Möglichkeit kann als Deutung auf Kontingenz interpretiert werden. Zusammenfassende Betrachtung der Kategorie Optionaler Wechsel Über den Optionalen Wechsel wird differenzierbar, dass ein Sinnbezug nicht absolut besteht, sondern in Bezug auf Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen veränderbar und damit an die aktuellen Voraussetzungen eines operierenden Systems anpassbar ist. Über ihn wird auf Kontingenz deutbar. An der Kommunikation der Kinder ohne a. B. wurde innerhalb der Interviews wesentlich strukturreicher der Bezug auf einen Wechsel ausgewertet als an der

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Kommunikation der Kinder mit a. B. Dabei wurde deutlich, dass an Kinder mit a. B. diesbezüglich mannigfacher angeschlossen wird. Die Sozialdimension von Sinn wurde hier vergleichbar facettenreich verschlüsselt wie in Bezug auf die anderen Kategorien. Jedoch wurde problematisiert, dass es hinsichtlich dieser Kategorie noch schwieriger ist, auf eine Dimension von Sinn zu deuten. In der zusammenfassenden Betrachtung dieser Kategorie zeigte sich, dass alle hier verschlüsselten Sinnverweise etwas gemeinsam haben. Sie beschreiben Verläufe innerhalb von Interaktionen, in denen sich das Prozesshafte reduziert und Strukturreichtum aufgebaut wird. Orientiert an den einzelnen Äußerungen stellte sich diese Erweiterung unterschiedlich dar. Es wurden jedoch immer Alternativen zu den als problemwirksam gedeuteten Verweisen auf Sinn sichtbar. Davon ausgehend kann behauptet werden, dass sich über den Optionalen Wechsel die für die Fortsetzung der Autopoiesis notwendigen Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf mehr Strukturreichtum erweitern (vgl. Kapitel 2.5.2). Ein Mehr an Strukturreichtum führt zu einem Mehr an Deutungsmöglichkeiten. Er verweist auf Auswahloptionen im Kontext von Inklusion und Exklusion. In diesem Sinne wird Kontingenz hier positiv bewertet. Orientiert an den Sinndimensionen wurden folgende Auswertungen als unterstützend interpretiert, Optionen auf einen Wechsel zu erkennen: Als besonders bedeutsam im Rahmen des Wechsels wurde die Rolle des Erwachsenen als Soziale Adresse gedeutet. Als diesbezüglich funktional wurde die Möglichkeit beobachtet, diesem mehr passende Komplexität und Handlungsoptionen zuzuschreiben, problemwirksame Situationen im für Kinder positiven Sinne zu beeinflussen oder zu ermöglichen, dass Kinder sich selbst innerhalb ihrer kommunikativen Anschlüsse an andere Kinder als erfolgreicher beobachten. In diesem Sinne Erwachsene zu erkennen, wurde für die Nutzung dieser Möglichkeit als wesentlich bewertet, die bei Kindern mit a. B. als sehr viel geringer ausdifferenziert ausgewertet wurde als bei Kindern ohne a. B. Dabei wurde in Bezug auf Kinder mit a. B. an den kommunikativen Anschluss des Erwachsenen deutlich vielfältiger angeschlossen. In diesem Zusammenhang wurde angemerkt, dass möglicherweise zur Synchronisation von Sinnbezügen im Kontext von Behinderung die Komplexität des Erwachsenen als »Simplifizierungskompetenz« im besonderen Maße erforderlich ist, damit Psychen und Körpern keine Behinderung zugeschrieben wird. In diesem Zusammenhang wurde auf die Theoriefigur der zwischenmenschlichen Interpenetration Bezug genommen. Innerhalb der Deutungen, die sich auf die Person hinsichtlich des Optionalen Wechsels beziehen, wurde als hilfreich thematisiert, deren kommunikativen Anschluss als unterschiedlich möglich differenzieren zu können. Ebenso unterstützte die Möglichkeit von Kindern, auf verschiedene Zeitpunkte, Raumoptionen oder Themen Bezug zu nehmen, die Chance, Sinnbezüge, die sich an Kindern als Mitteilungshandelnden ausflaggen, als unterschiedlich zu erkennen und darüber einen Wechsel zu generieren. Das frühkindliche Interaktionssystem wurde hier als soziales System beobachtet, dem über einzelne Sinnverweise entsprechend komplexe psychische Sinnverweise angeboten werden. In der letzten Auswertungskategorie wird auf diese Möglichkeit explizit hinbeobachtet. Sie interpretiert kindliche Äußerungen in Bezug auf sich selbst.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

5.4 S innverweise in B ezug auf sich selbst Durch folgende Interviewfragen wurden Sinngenerierungen und kommunikative Anschlüsse in Bezug auf sich selbst angeregt: »War das auch mal so, dass die Kinder gesagt haben: ›Nein, da darf Paula (fiktiver Name des interviewten Kindes) nicht mitmachen!‹?«, »Was hast du dann gemacht?«, »Und was glaubst du, wieso war das so?« Diese Ausrichtung weicht von der Fragestellung der Arbeit ab, da es hier nicht darum geht, wie Kinder andere Kinder als Mitteilungshandelnde beobachten, sondern wie sie Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst differenzieren.98 Wie in Kapitel 4.2.2.2 dargestellt, wurden sie angeboten, um diese Perspektive im Auswertungsverfahren zu berücksichtigen und um zu erkunden, ob Deutungen auf die Differenz von Person / Unperson möglich sind.99 Überdies ist von Erkenntnisinteresse, ob sich Äußerungen von Kindern als Beobachtungen der Beobachtungsebene zweiter Ordnung auswerten lassen und welche Relevanz ihr im Sinne der Fragestellung zugeschrieben werden kann. Die Struktur dieses Kapitels orientiert sich an den Kategorien der Arbeit. Ein Abschnitt über die Deutungsoptionen hinsichtlich der Differenz Person / Unperson ergänzt sie. Eine zusammenfassende Betrachtung schließt auch dieses Kapitel ab. Einleitend wird eine Darstellung der Gesamtverteilung angeboten.100 Gesamtverteilung der Sinnverweise in Bezug auf sich selbst Sinnverweise in Bezug auf sich selbst machen innerhalb der Gesamtverteilung 11 % aller Nicht-Anschlussoptionen, 2 % aller Anschlussoptionen und 9 % aller Optionalen Wechsel aus (vgl. Grafik 3 / 5.1, 3 / 5.2 und 3 / 5.3).101 Besonders prägnant ist die große Vielfalt diesbezüglicher Nicht-Anschlussoptionen vor dem Hintergrund der Gesamtverteilung (vgl. Grafik 3 / 5 und 4 / 5). Die nachfolgende Grafik 1 / 5.4 veranschaulicht diese Gewichtung in Bezug auf die konkreten Verschlüsselungen. Vorrangig wird die ungleiche Verteilung in einen Zusammenhang mit der Interviewfrage gestellt, die Sinnbezüge hinsichtlich NichtAnschlussoptionen angeregt hat.102 Ergänzend lässt sich an dieser Stelle darauf deuten, dass das, was sich als widerständig zeigt, umfangreicher erinnert wird und 98 | Hinsichtlich der Deutungsoptionen auf sich selbst wird auf das Kapitel 2.4 und die Einleitung des Kapitels 5 verwiesen. 99 | Wie in Kapitel 2.4 erläutert, ist das Deuten auf die Unperson aus systemtheoretischer Sicht nicht möglich, da an sie kommunikativ nicht angeschlossen werden kann (vgl. Kapitel 2.4). Gedeutet wird hier als Verweis auf die Unperson, wenn Differenzen zwischen dem, was den Kindern zugeschrieben wird, und dem, was Kinder sich selbst zuschreiben, interpretiert werden. Dass damit eine Simplifizierung der Theoriefigur vorgenommen wird, muss auch an dieser Stelle in Kauf genommen werden, um diese Unterscheidung berücksichtigen zu können. 100 | Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wurde daher dieses Kapitel weniger differenziert und umfangreich über grafische Darstellungen ausgewertet. Es wird sich hier auf die exemplarische Darstellung der wesentlichen Ergebnisse beschränkt. 101 | Unter Sonstiges wurden hier keine für die Fragestellung relevanten Ergebnisse ausgewertet. 102 | Da in der Gesamtverteilung dominant Anschlussoptionen interpretiert wurden (vgl. Grafik 3 /  5 und 4 /  5), wird hier gut erkennbar, inwiefern das kommunikative Angebot inner-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

die Strukturbildung stärker anregt als anderes (vgl. Interpretationen der Kapitel 2.5 und 5.1.1). Grafik 1 / 5.4

Zunächst wird sich im Folgenden den Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst zugewandt. Deutung auf Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst Sinnverweise, die sich auf sich selbst beziehen, generieren Kinder mit und ohne a. B. innerhalb der Anschlussoptionen anteilig fast in gleicher Vielfalt (vgl. Grafi k 2 / 5.4). Terfloth merkt an, dass im Kontext der Adressenkonstruktion von (geistiger) Behinderung Schwierigkeiten in der Selbstbeobachtung auftreten (vgl. Terfloth 2006, 168). Orientiert an der hier ausgewerteten Verteilung kann das grundsätzlich nicht bestätigt werden. An dieser Stelle lassen sich keine wesentlichen Unterschiede in der Verschlüsselung zwischen den Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst und der Gesamtverteilung aller Sinnverweise der Kinder mit und ohne a. B. erkennen (vgl. Grafi k 2 / 5.4 und 2 / 5). Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass nicht allen interviewten Kindern mit a. B. eine geistige Behinderung adressiert wird (vgl. Kapitel  4.1.2.2) und im Vergleich zur Gesamtverteilung nur wenige Äußerungen von Kindern entsprechend verschlüsselt wurden. Insofern lädt dieses Ergebnis im Hinblick auf die Anmerkung von Terfloth zu weiteren Erkundungen ein. Grafik 2 / 5.4

In der näheren Betrachtung der einzelnen Sinnverweise stellen sich die Anschlussoptionen der Kinder mit und ohne a. B. in Bezug auf sich selbst folgendermaßen dar: Kinder mit a. B. äußern, dass sie einen Anschluss anderer Kinder an ihre Perhalb der Interviewsituation den kommunikativen Anschluss und das Ergebnis der wissenschaftlichen Erhebung beeinflussen kann (vgl. Kapitel 3.2.2).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

son beobachten, wenn diese mit ihnen spielen können, sie selbst Star Wars mögen, sie selbst als stärker als andere Kinder wahrgenommen werden, sie selbst Kindern helfen können oder lustig sind. Kinder ohne a. B. ergänzen zu diesen Sinnverweisen noch, dass sie einen Anschluss an sie selbst darauf zurückführen, dass ihre Bilder als schön bewertet werden, sie Fußball spielen können, lieb fragen, groß sind oder von anderen Kindern gemocht werden. Diese Sinnbezüge finden sich auch innerhalb der Verweise auf Sinn wieder, die hinsichtlich der Sach- und Sozialdimension als Anschlussoptionen in Bezug auf andere Kinder ausgewertet wurden (vgl. Kapitel  5.1.1 und 5.1.2). So wird als Ergebnis formuliert, dass Kinder das an sich als Anschlussoption differenzieren, was sie auch an anderen als passenden Sinnbezug für einen kommunikativen Anschluss unterscheiden. Auch hier, wie in der Interpretation hinsichtlich der Adressenfragmente in Kapitel 5.1.1, kann eine Verbindung zur Theoriefigur Ego / A lter Ego hergestellt werden. Das psychische System differenziert sich in der Selbstbeobachtung unter Bezugnahme auf das, was es an anderen Kindern als Mitteilungshandelnden (hier als positiv) beobachtet hat. Folgende Äußerungen veranschaulichen diese Überlegung: Beispiel Moritz 00:03:36-0 Moritz: [Nickt.] Mit Martin kann man sehr gut spielen. 00:03:39-0 Interviewerin: Ja? Wie ist das denn so? 00:03:43-8 Moritz: Der mag immer gern mit mir spielen. 00:03:44-8 Interviewerin: Ja. Okay. 00:03:46-6 Moritz: Er möchte immer mit mir Fußball, äh Kalle möchte immer mit mir Fußball spielen. 00:03:50-9 Interviewerin: Ja [nickt]. Moritz: Wenn ich das möchte. 00:03:53-2 00:03:54-3 Interviewerin: Ja. Und wie gefällt dir das? 00:03:56-5 Moritz: GUT [nickt]. Ich bin / ähm, ich spiel ja selber Fußball, genauso wie Kalle. [Dreht die Zeichen des äußeren Kreises.] Darüber hinaus wurden kommunikative Anschlüsse von Kindern als Sinnverweise innerhalb dieser Subkategorie verschlüsselt, aus denen hervorgeht, dass sie beobachten, wie sie von anderen Kindern beobachtet werden. So lässt sich die Äußerung von Moritz »Der mag immer gern mit mir spielen« (Moritz 00:03:43-8) so interpretieren, dass er an Kalle beobachtet, dass dieser ihn als guten Spielpartner bewertet. Seine Beobachtungen beziehen sich entsprechend auf das Differenzieren von Unterscheidungen, die er an anderen beobachtet. Beispielsweise beobachtet er an Kalle: »Er möchte immer mit mir Fußball, äh Kalle möchte immer mit mir Fußball spielen« (Moritz 00:03:46-6). »Wenn ich das möchte« (Moritz 00:03:53-2). Überdies erkennt Moritz Beobachtungen als Unterscheidungen eines operierenden Systems, die sich von anderen auch möglichen Beobachtungen unterscheiden, obwohl er diese aktuell an dem anderen Kind nicht beobachten kann (z. B. dass Kalle auch nicht gerne mit ihm Fußball spielen könnte, obwohl Moritz das möchte). Folglich lassen sich die hier analysierten Sinnverweise als Beobachtungen von Beobachtungen, also als Beobachtungen der Beobachtungsebene zweiter Ordnung hin-deuten (vgl. Kapitel  2.3). Insofern kann festgehalten werden, dass die kindliche Kommunikation optional von einem psychischen Sinngenerierungsangebot penetriert wird, das es erlaubt, dass Beobachtungen auf andere Möglichkeiten hin-

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

beobachtet werden (zum Beispiel in Bezug darauf, wie andere Systeme es selbst beobachten könnten), auch wenn an diese im aktuell relevanten Sinnbezug kein kommunikativer Anschluss erfolgt. Davon ausgehend wird interpretiert, dass es Beobachtern im Alter früher Kindheit grundsätzlich möglich ist, sich über die Beobachtungsebene zweiter Ordnung zu orientieren. Deutung auf Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst Sinnverweise in Bezug auf sich selbst wurden innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen mannigfaltiger an Kindern ohne a. B. als an Kindern mit a. B. verschlüsselt. Dabei zeigt sich hier im Vergleich zu den Anschlussoptionen ein noch stärkerer Unterschied (vgl. Grafi k 2 / 5.4 und 3 / 5.4). Davon ausgehend lässt sich hin-deuten, dass Kinder ohne a. B. strukturreicher differenzieren, warum andere Kinder nicht an sie anschließen. Diese erweiterten Unterscheidungsoptionen werden für potentielle Anschlussoptionen als funktional bewertet. Um interpretieren zu können, auf welcher Grundlage Kinder diese Form des Sinnbezugs unterscheiden und um zu erläutern, was daran als günstig bzw. ungünstig für inklusive Prozesse bewertet wird, werden auch hier ihre Äußerungen näher betrachtet. Grafik 3 / 5.4

Aus folgenden Sinnverweisen, die Kinder an anderen Kindern in Bezug auf sich selbst beobachten, leiten Kinder mit a. B. ab, dass sie von anderen Kindern bestimmt exkludiert werden: Wenn andere Kinder das Spiel mit ihnen verweigern, sie als »doof« deklariert werden, wenn sie mit sechs Jahren noch nicht Fahrrad fahren können, es Streit um die Besitzverhältnisse von Spielsachen gibt oder wenn sie in der altershomogenen Projektgruppe zusammenkommen. Bei der Mehrheit dieser Sinnverweise lässt sich ein Bezug auf eine Abweichung von der Altersnorm erkennen. Lashas(a. B.) Äußerungen können das veranschaulichen. Sie bezieht sich in dem folgenden Beispiel auf Erfahrungen mit einem Kind aus ihrer Bezugsgruppe innerhalb eines besonderen Angebotes, in dem Kinder in homogener Altersstruktur zusammenkommen (Projektgruppe). Wie aus einer anderen Äußerung des Interviews deutlich wird, spielt sie außerhalb der Projektgruppe mit dem Kind, das sie hier nennt. Beispiel Lasha(a. B.) 00:07:57-0 Lasha(a. B.): [Führt den Zeigefinger der rechten Hand um ein vor sich liegendes Kinderzeichen und richtet ihre Augen darauf.] Dass Monique(a. B.) nicht mehr im Projekt [besonderes Angebot für die zukünftigen Schulkinder], nicht mehr mit mir spielen wollte.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:07:58-1 00:08:03-4

Interviewerin: Mhm. Und wann war das so? Lasha(a. B.): Als ich im Projekt war.

Lasha(a. B.) stellt dar, dass sie Erfahrungen mit bestimmter Exklusion innerhalb der Projektgruppenstruktur macht. Ausgehend von diesen Sinnverweisen wird angeregt, besonders aufmerksam homogene Gruppenstrukturen dahingehend zu beobachten, inwiefern sie zu normorientierten Vergleichen zwischen Kindern führen, die Abweichungen von dieser Norm als problemwirksam bewerten. Kindern ohne a. B. äußern diesbezüglich, dass andere Kinder sie innerhalb eines bestimmten Rollenspiels, in Bezug auf ihr Geschlecht oder ihr Alter, in Bezug auf begrenzte Zeiträume, auf bestimmte Spielkonstellationen, auf Hobbys, auf Bereiche im Gruppenraum, auf spezifisches Verhalten oder auf ein Bedürfnis nach Ruhephasen bestimmt exkludieren. Im Gegensatz zu den Kindern mit a. B. ist hier kein Vergleich zur Altersnorm beobachtbar. In der zusammenfassenden Betrachtung lässt sich am kommunikativen Anschluss der Kinder ohne a. B. mehr Unterschiedliches und damit mehr Strukturreichtum erkennen, Situationen bestimmter Exklusion in Bezug auf sich selbst sozial zu differenzieren. Ebenso wie in den Kapiteln 5.2.1 und 5.3 wird hier darauf gedeutet, dass infolgedessen für Kinder ohne a. B. mehr Optionen bestehen, Nicht-Passungsverhältnisse in Bezug auf sie selbst einzugrenzen und sich damit einhergehend für sie die Breite potentieller Anschlussoptionen erweitert. Über die Differenzierung dessen, was konkret an ihnen als problemwirksam bewertet wird, können sie davon abweichende Sinnbezüge erkennen. Als Beispiel in diesem Sinne wird hier ein Interviewausschnitt von Konstanze den Äußerungen von Faust(a. B.) gegenübergestellt. Beispiel Konstanze (Transkription II) 00:00:00-0 Interviewerin: Konstanze, ist das auch mal so, dass andere Kinder sagen: »Nein, da darf Konstanze nicht mitmachen.« Konstanze: (..) Ja. 00:00:23-3 00:00:25-7 Interviewerin: Kannst du mir darüber was erzählen? 00:00:27-2 Konstanze: Mm. Ähm. Bei Heidi und Charlyn(a. B.) ist das meistens so. 00:00:32-9 Interviewerin: Ja [nickt]. 00:00:34-2 Konstanze: Wenn die mit ihren Pferden spielen. 00:00:35-9 Interviewerin: Ja. 00:00:36-6 Konstanze: Weil, dann darf ich nicht mitspielen und dann sagen die: »Nein, die haben wir jetzt.« [Spricht in hoher Stimme.] 00:00:39-6 Interviewerin: Mhm [nickt]. Okay. Und was passiert dann? 00:00:49-2 Konstanze: Das / [Zieht die Schultern hoch.] Dann geh ich einfach wieder weg. 00:00:50-5 Interviewerin: Mhm [nickt]. Und wie ist das so für dich? 00:00:54-0 Konstanze: Das (.) ist mir klar, dass die Kleinen auch mal gern allein spielen wollen. 00:00:57-5 Interviewerin: Mm. Was machst du dann? 00:01:00-0 Konstanze: Dann setze ich mich / Dann geh ich auf Toilette und dann spiel ich irgendwas. Frag Talke, ob wir zusammen was spielen wollen. Wenn die »Nein« sagt, dann male ich eben bisschen was.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:01:08-7 00:01:10-6 00:01:11-9 00:01:15-8 00:01:18-7 00:01:19-7

Interviewerin: Mhm [nickt]. Mm. Konstanze: Pack das in mein Fach und fertig. Interviewerin: Und wie geht das dann weiter? Konstanze: Mm. (..) Ähm. Dann fragt Talke, dann kommt Fred, sagt: »Talke hat dich gerufen.« Interviewerin: Mm. Konstanze: Und dann holt er mich und dann will er was mit mir spielen.

Die Äußerungen von Konstanze verweisen auf verschiedene Unterscheidungsoptionen. Konstanze ist in der Lage, die an sie adressierte bestimmte Exklusion durch andere Kinder auf ein bestimmtes Spiel und darauf, dass kleine Kinder gern unter sich spielen möchten, zu beschränken. Zudem kann sie sich auf der Sachebene (fremdreferenziell) neu ausrichten, alternativ auch Talke für ihr Spiel als relevant erkennen oder zeitweilig allein malen. Im Vergleich dazu lässt sich folgender Interviewausschnitt von Faust(a. B.) so deuten, dass er keine alternativen Anschlüsse bildet, als Moritz ihn bestimmt exkludiert. Er drückt sein Bedauern aus, indem er ihn als »Scheißer« deklariert, ist jedoch nicht in der Lage, zu verbalisieren, warum dieser nicht mit ihm spielen mag bzw. andere Sinnbezüge zu generieren. Seine sozialen Unterscheidungen stellen sich im Vergleich zu Konstanzes als weniger facettenreich dar. Darüber hinaus deuten sie auf einen prozesshaften Verlauf hin (vgl. Kapitel 5.2.1). Das Beispiel: Beispiel Faust(a. B.) (Transkription II) 00:01:20-4 Interviewerin: Okay. So. Schau mal. [Zeigt mit Finger auf ein Zeichen.] Schau dir noch mal die Zeichen an. Ist das manchmal so, dass ein Kind sagt: »Faust(a. B.) darf nicht mitmachen?« Faust(a. B.): Ja. [Richtet Blick auf Zeichen.] Beispiel Ronja und Mike 00:01:31-6 will mich nicht mitlassen. [Führt die beiden Zeichen in der Hand zusammen.] Interviewerin: Mm. 00:01:41-4 00:01:44-2 Faust(a. B.): Und Moritz [Richtet Blick auf Zeichen.] 00:01:46-6 Interviewerin: Sollen wir die noch mal so hinlegen? [Schiebt die Zeichen näher zu Faust(a. B.) heran.] 00:01:49-4 Faust(a. B.): Moritz, Moritz will mich nicht mitlassen … 00:01:50-8 Interviewerin: Mm. 00:01:52-6 Faust(a. B.): Du blöder Scheißer, Moritz dann. 00:01:59-3 Interviewerin: Moritz ist ’n Scheißer? Faust(a. B.): Ja. 00:02:00-5 00:02:01-7 Interviewerin: Wieso denn? 00:02:05-8 Faust(a. B.): Weil Moritz nervt mich auch manchmal. 00:02:06-2 Interviewerin: Moritz nervt dich manchmal? 00:02:09-2 Faust(a. B.): Nee, Moritz nervt mad / ma / manchmal. Manch (..) 00:02:14-9 Interviewerin: Erzähl mal, wie ist das dann? 00:02:20-0 Faust(a. B.): Ich weiß, Moritz sagt dann: »Du weißt nicht, wo wir toben bisschen.« Und bitte nicht so [zwei Worte unverständlich]. 00:02:29-4 Interviewerin: Moritz sagt, du sollst nicht toben?

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

00:02:37-3

00:02:42-8 00:02:44-6

00:03:13-2 00:03:15-2 00:03:16-0 00:03:17-0 00:03:18-3 00:03:20-3 00:03:21-4 00:03:22-5

Faust(a. B.): Nein. Moritz, du kannst bitte dich einmal bisschen beruhigen, ruhig sein. War / haben die anderen Kinder haut gehaut / gehaut / gehaut /  Interviewerin: Mm. Faust(a. B.): Denn ham die andern Kinder gesagt: »Lass das, du blöder Moritz!« Und dann ham Moritz gesagt, [mehrere Worte unverständlich] und dann mag er mit mir nicht spielen … Interviewerin: Mm. Faust(a. B.): … und dann ist das Pech, dann. Interviewerin: Mhm [nickt]. Ist das dann Pech? Faust(a. B.): Ja. Interviewerin: Mm. Faust(a. B.): Dann ist das richtig (..) Scheiße. [Führt mehrere Zeichen in der Hand herum.] Interviewerin: Mhm [nickt]. Faust(a. B.): Guck mal, Moritz ham / hat ein M, ein O, ein (.), ein (..) Waschkäfer …

An den folgenden Äußerungen von Jan wird erkennbar, wie es zu einem Abbruch des kommunikativen Anschlusses kommen kann, wenn Kinder an den Nicht-Anschluss anderer Kinder an sie selbst nicht anschließen. Beispiel Jan 00:08:50-9 00:08:55-7 00:08:57-9 00:09:02-4

00:09:14-8 00:09:15-9 00:09:17-5 00:09:18-8 00:09:26-8 00:09:32-6 00:09:34-6 00:09:39-9 00:09:41-3 00:09:43-3

00:09:55-2

Interviewerin: Dass Kinder manchmal zu dir sagen, dass du da nicht mitmachen darfst? Jan: Mm. [Lächelt.] Interviewerin: Ja? [Nickt.] (..) Erzähl mal. Jan: Jonte war’s, alles Lukka das [schiebt Zeichen hin und her auf Tisch] das, ähm he das war / die stell ich jetzt / das war / das / das war / die alln [legt 4 Karten in eine Reihe, senkt seinen Blick, Stimme fällt ab]. Interviewerin: Die sagen das manchmal? Jan: Ja. [Blickt mit gesenkter Kopfhaltung auf die Zeichen.] Interviewerin: Mm. Kannst du die Namen noch mal sagen? Jan: Felicitas, Fee, (..) Jonte und Lukka. [Nimmt die 4 Karten in die Hand]. Das sind alles nur Mädchen. Interviewerin: Ach so. Und warum ist das so, dass die (..) nicht wollen, dass du mitmachst? Jan: (…) Weiß ich nicht. [Führt die 4 Zeichen zu einem Stapel zusammen und hebt diesen über seinen Kopf.] Interviewerin: Mm. (..) Und was machst du dann, wenn die das sagen? Jan: Gar nichts [spielt mit den Zeichen in seinen Händen]. Interviewerin: Mm. Jan: Mama hat mich aber erklärt, dass ich einfach sag, dass / das /  he / (..) dass das egal ist, und dann geh ich einfach weg, we- wenn, -enn welche mich ärgern … Interviewerin: Mm.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

00:09:56-8 00:09:59-0 00:10:03-6

Jan: … beschweren sie / sich noch viel doller [lächelt]. Interviewerin: Mm. Mm. (..) Und und wie ärgern DIE dich? [Zeigt auf die Zeichen, die Jan in der Hand hält.] Jan: Weiß ich nich.

Demzufolge wird interpretiert, dass es der Erweiterung von Anschlussoptionen zuträglich ist, wenn Kinder den Nicht-Anschluss anderer Kinder an sie selbst nicht nur als einen solchen erkennen, sondern auch Erklärungen konstruieren können, warum das so ist. Dadurch sind sie in der Lage, diese einzugrenzen und ggf. alternative Sinnbezüge zu bilden. Ihre Auswahloptionen erweitern sich. Auch hier zeigt sich, dass sich darüber prozesshafte Verläufe reduzieren, ähnlich wie dies bei den Deutungen auf Optionen für einen Wechsel in der zusammenfassenden Betrachtung vorgestellt wurde (vgl. Kapitel 5.3). Ergänzend wird über die hier aufgeführten Beispiele deutlich, dass auch innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen von Kindern Beobachtungen beobachtet werden und diese vor dem Hintergrund auch anders möglicher Beobachtungen erkannt werden. So lässt sich beispielsweise in der Äußerung von Konstanze: »Das (.) ist mir klar, dass die Kleinen auch mal gern allein spielen wollen« (Konstanze 00:00:54-0) deuten, dass sie einbezieht, dass »die Kleinen« in anderen Situationen, wenn diese nicht allein spielen wollen, Konstanze anders beobachten, beispielsweise als adäquate Spielpartnerin, auch wenn sie darüber aktuell keine Aussagen machen. Über die Beobachtungsebene zweiter Ordnung wird es auch hier möglich, Kontingenz zu berücksichtigen. Kontingenz einbeziehen zu können, wurde schon an verschiedenen Stellen dieser Arbeit als Erweiterungsmöglichkeit für Anschlussoptionen interpretiert und damit als inklusive Prozesse unterstützend bewertet (vgl. u. a. Kapitel 5.3). Deutung auf den Optionalen Wechsel in Bezug auf sich selbst Auch hinsichtlich des Optionalen Wechsels wurden Beobachtungen in Bezug auf sich selbst interpretiert. Bei dieser Deutungsoption geht es darum, inwiefern aus der Perspektive der Kinder, ausgerichtet auf den Anschluss anderer Kinder an sie als Mitteilungshandelnde, ein Wechsel beobachtbar ist. Die Grafi k 4 / 5.4 bildet ab, dass diesbezüglich Kinder ohne a. B. facettenreicher Sinnbezüge generieren. Grafik 4 / 5.4

Vor dem Hintergrund der Deutungsvorschläge des vorangegangenen Abschnittes wird ebenso die Option, sich selbst als einen Wechsel veranlassend zu erkennen, als besonders unterstützend dafür interpretiert, Passungsoptionen herzustellen. Das soll am Beispiel von Monique(a. B.) verdeutlicht werden. Zunächst das Beispiel:

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Beispiel Monique(a. B.) 00:09:46-7 Monique(a. B.): Denn hab ich auch schon mal gesehen, ein Kind hat schon mal ein andern Kind gekniffen und gehauen und in den Haaren gezogen. [Gesenkter Blick, gesenkte Stimme.] 00:10:03-3 Interviewerin: Mm. 00:10:04-3 Monique(a. B.): Wenn das passiert [zögert] ist, hab ich immer gesehen, das hat ein KIND gemacht. Interviewerin: Mhm [nickt]. Und was ist dann passiert? 00:10:10-8 00:10:13-8 Monique(a. B.): Denn war das, hat das Kind »Stopp« gesagt und denn war das in Ordnung und hat keiner, keiner nichts gemacht. 00:10:26-6 Interviewerin: Mm. Hat das Stopp-Sagen geholfen? 00:10:29-0 Monique(a. B.): Mm, denn war das in Ordnung. 00:10:32-2 Interviewerin: Mm. 00:10:33-5 Monique(a. B.): Denn hat, wenn- wenn ein Erwachsener ma kurz weg war und keiner, kein Erwachsener da war, hat, waren zwei Kinder äh, drei Kinder in der Gruppe bei den Eichhörnchen und denn war ICH da und zwei andere Kinder drin, da, und denn hatte das andere Kind das Kind geschubst oder gehauen und denn war ICH da und hab das GESEHEN und denn hab ich »NEIN« gesagt und denn, denn hab ich das auch gesehen und denn hab ich »Stopp« gesagt, »Das musst du nicht machen!«. Interviewerin: Mm. Und was ist dann passiert? 00:11:15-6 00:11:17-8 Monique(a. B.): Denn hab ich gesagt, ähm zu dem Kind gesagt, der das Kind gehauen hat, hab ich gesagt: »Ist das jetzt in Ordnung?« Und da hat das Kind »Ja« gesagt. Monique(a. B.) beschreibt, dass sie dadurch, dass sie »Stopp« sagt, einen Wechsel im Verhalten des Kindes von problemwirksamem Verhalten zu nicht problemwirksamem Verhalten erwirken kann. Sie differenziert darüber erweiterte Anschlussoptionen. Da sie sich selbst als jemanden erkennt, der diese Umweltveränderung herbeiführt, erweitert sie ihre Möglichkeiten, ihre Umwelt im für sie günstigen Sinne durch den Bezug auf das an sich selbst beobachtete Handeln zu beeinflussen. Wie die Grafik 4 / 5.4 abbildet, wurde in dieser Hinsicht an Kindern ohne a. B. mehr Unterscheidungsvielfalt interpretiert, sodass ihnen diesbezüglich mannigfachere Optionen zur Verfügung stehen. Inklusive und exklusive Prozesse können dadurch von Kindern ohne a. B. variabler den aktuellen Bedingungen des Beobachters angepasst werden. Diese erweiterten Wahlmöglichkeiten begünstigen die Anschlussoptionen der Kinder ohne a. B. vor denen der Kinder mit a. B. (vgl. zusammenfassende Betrachtung des Kapitels 5.3). Deutung auf die Differenz Person / Unperson Personen werden aus systemtheoretischer Perspektive als soziale Adressen verstanden, die über Zuschreibungsprozesse vom Interaktionssystem gebildet werden (vgl. Kapitel 2.4). Das systemtheoretische Verständnis von der Unperson stellt das psychische Absetzen gegenüber diesen externen Beobachtungspositionen dar. In der Auswertung der Interviews wurden zwei Sinnverweise von zwei Kindern mit a. B. im Rahmen von Nicht-Anschlussoptionen verschlüsselt, die eine Deutung auf

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

diese Differenz erlauben.103 Sie sollen hier trotz ihrer geringen Anzahl als besondere Option vorgestellt werden. Zunächst das erste Beispiel: Beispiel Lars(a. B.) 00:02:12-4 Lars(a. B.): Der, der sagt immer alles, wenn ich, wenn ich ihn hier so, wenn ich ihn einmal so antick [beugt sich nach vorne und berührt die Interviewerin am Arm], geht er zu dem Erwachsenen und sagt, dass ich ihn richtig gehauen HAB. Lars(a. B.) unterscheidet seinen Körperkontakt mit einem anderen Kind als different zu dessen Bezeichnung. Das andere Kind definiert die körperliche Berührung aus seiner Perspektive als »Hauen«. Lars(a. B.) stellt sie als »Anticken« dar. Lars(a. B.) konstruiert sich selbst als anders, als das andere Kind ihn beschreibt, da er Körperberührungen, die von ihm ausgehen, anders als dieses unterscheidet und bewertet. Er ist aus seiner Beobachtungsposition keiner, der »haut«, sondern einer, der »antickt«. Insofern wird hin-deutbar, das hier Unterschiede beobachtet werden zwischen dem, was Lars(a. B.) als Person zugeschrieben wird, und dem, was sich davon psychisch absetzt. Die Differenz Person / Unperson wird erkennbar. Das zweite Bespiel: Beispiel Jodok(a. B.) 00:03:43-6 Jodok(a. B.): … und dann frag ich Fred, ob (.) er (.) Lust / Er sagt immer, er ist stärker als ich, dabei bin ich stärker. Fühl mal meine harte Nuss [beugt seinen Arm, spannt seine Muskeln an und hält den Arm in Richtung Interviewerin]. 00:03:58-2 Interviewerin: Oh ja [Interviewerin fühlt Jodoks(a. B.) Muskeln]. 00:03:59-2 Jodok(a. B.): Und ich bin stärker als Fred und er sagt immer (.), aber er äh, er sagt immer, er ist stärker [zeigt mit der linken Hand auf das Zeichen]. Aber, obwohl ich stärker bin, weil ich mal einen ganzen Tornado aufgehalten hab. 00:04:09-2 Interviewerin: Mhm. 00:04:10-7 Jodok(a. B.): Und (.) … 00:04:11-9 Interviewerin: Mhm. 00:04:12-9 Jodok(a. B.): … deswegen will ich, dass Fred (..) zugucken kann, wie gut, wie toll ich klettern kann. Ich bin / Ich wollte schon mal ab zu Abkürzung / Auf ’m Klettergerüst bin ich, einfach, obwohl da keine Matte vor lag, auf den Fenster gekrabbelt und denn da auf die Treppe rübergeklettert. Auch in diesem Beispiel zeigen sich Unterschiede zwischen der Personenbeschreibung und den Deutungsoptionen auf die Unperson. Hier wird erkennbar, dass sie 103 | In Kapitel 2.4 wurde die Unperson als »lautloses Absetzen« des psychischen Systems von Personenzuschreibungen dargestellt. Da sich hier auf Äußerungen von Lars(a. B.) und Jodok(a. B.) bezogen wird, ist auch an dieser Stelle eine Simplifizierung im Rahmen des Auswertungsprozesses erkennbar, die jedoch Interpretationsangebote erlaubt, die nicht unberücksichtigt bleiben sollten. Da es sich bei dieser Art der Beobachtung um Beobachtungen in Bezug auf sich selbst handelt, werden sie in diesem Kapitel thematisiert.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

im besonderen Maße zu einer Person- bzw. Unperson-Konturierung beitragen. Jodok(a. B.) beobachtet sich als stärkstes Kind seiner Gruppe. Indem Fred ihm widerspricht und sich selbst als stärker bezeichnet, differenziert Jodok(a. B.), woran andere Kinder seine Stärke beobachten könnten, beispielsweise an seiner »harten Nuss« oder daran, dass er gut klettern kann. Diese Unterscheidungen bildet er möglicherweise nur heraus, da er sich als different zu dem ihm durch andere Kinder zugeschriebenen Eigenschaftattribut, dass er schwächer sei, beobachtet. Erst dadurch generiert er Differenzierungsmöglichkeiten, über die er diese körperliche Stärke beobachten bzw. sie beobachtbar machen kann. In Kapitel 2.4 wurde hergeleitet, dass sich das Individuum aus der Differenz zwischen Person und Unperson bildet. So kann interpretiert werden, dass die Konturierung des Individuums durch die Beobachtung solcher Differenzen angeregt wird.104 Welche Konsequenzen das für inklusive und exklusive Prozesse hat, kann hier nicht beantwortet werden. Innerhalb beider Beispiele wird deutlich, dass kommunikative Anschlüsse möglich sind, auch wenn Personenzuschreibungen abgelehnt werden. Zusammenfassende Betrachtung der Kategorie Sinnverweise in Bezug auf sich selbst Beobachtungen in Bezug auf sich selbst wurden wesentlich vielschichtiger über Nicht-Anschlussoptionen als über Anschlussoptionen oder den Optionalen Wechsel hin-beobachtet. Diese Unterschiede wurden hier vorrangig in einen Zusammenhang mit dem kommunikativen Angebot der Interviewsituation gebracht. In der Auswertung der Sinnverweise in Bezug auf sich selbst wurde deutlich, dass Kinder ohne a. B. im leichten Maße facettenreicher diesbezügliche Anschlussoptionen generieren als Kinder mit a. B. Über deren nähere Betrachtung zeigte sich, dass Kinder mit und ohne a. B. die Sinnverweise in Bezug auf sich selbst als passend differenzieren, die sie auch an anderen Kindern als Anschlussoption bewerten (vgl. Kapitel 5.1). An dieser Stelle wurde eine Verbindung zur Theoriefigur Ego / A lter Ego hergestellt. In der Auswertung der Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf sich selbst wurde erkennbar, dass Kinder ohne a. B. hier deutlich vielschichtiger Sinnbezüge als Kinder mit a. B. generieren. Sie sind damit in der Lage, über mehr verschiedene Unterscheidungen zu benennen, warum andere Kinder nicht an sie anschließen. Diese erweiterten Unterscheidungsoptionen wurden für potentielle Anschlussoptionen als funktional bewertet und damit als erhöhte Chance für inklusive Prozesse interpretiert. In der näheren Auswertung war erkennbar, dass Kinder mit a. B. hinsichtlich der Nicht-Anschlussoptionen als Sinnverweise in Bezug auf sich selbst dominant Abweichungen von der Altersnorm differenzieren. Kinder ohne a. B. generieren diese nicht, sondern andere, welche aus der wissenschaftlichen Beobachtungsposition heraus als stärker eingegrenzt bewertet werden. Sie erscheinen dadurch vielfältiger in der Lage, den Nicht-Anschluss an sich selbst zu beschränken. Davon ausgehend wurde interpretiert, dass Kinder ohne a. B. facettenreicher 104 | Darüber hinaus lässt sich auch hier eine Beobachtung auf der Beobachtungsebene zweiter Ordnung erkennen. Jodok(a. B.) berücksichtigt in seinen Überlegungen, dass Fred ihn auch anders beobachten könnte, als er es aktuell tut. Insofern berücksichtigt er hier weitere Beobachtungsmöglichkeiten von Fred, die er ihm zuschreibt, obwohl er diese aktuell an ihm nicht erkennen kann.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

in der Lage sind, über ihren kommunikativen Anschluss alternative Sinnbezüge herzustellen und damit ihre Anschlussoptionen zu erweitern als Kinder mit a. B. Als Erweiterung von Wahlmöglichkeiten wurden des Weiteren Beobachtungen an sich selbst über den Bezug auf den Optionalen Wechsel gedeutet. Im Rahmen dieser Option differenzieren Kinder, dass sie über den Bezug auf Handlungen, die sie an sich beobachten, einen Wechsel im Verhalten anderer Kinder anregen können. An Kindern ohne a. B. wurden auch in dieser Hinsicht vielfältigere Unterscheidungsoptionen hin-beobachtet als an Kindern mit a. B. Insofern wurde gedeutet, dass Kinder ohne a. B. sich den aktuellen Bedingungen des Beobachters variationsreicher anpassen können, was als inklusive Prozesse unterstützend bewertet wurde. Hinsichtlich der Deutung auf die Differenz Person / Unperson wurde an zwei Beispielen von Kindern mit a. B. erkennbar, wie unterschiedliche Beschreibungen der körperlichen Umwelt, die sie auf sich selbst beziehen, die Generierung des Individuums anreichern. Übergreifend wurde über die Auswertung dieser Kategorie deutlich, dass Bewusstseinssysteme im Alter früher Kindheit optional in der Lage sind, Sinnverweise vor dem Horizont verschiedener Möglichkeiten als unterschiedlich zu differenzieren – also das soziale System über das Generieren von Sinn aus der Beobachtungsebene zweiter Ordnung zu penetrieren. Im Sinne der Erweiterung der Auswahloptionen wurde das für inklusive Prozesse als sehr funktional bewertet. Nach den vorangegangenen kategorienbezogenen Auswertungen erfolgen eine das Kapitel  5 abschließende kategorienübergreifende resümierende Betrachtung, deren Interpretation und die Thesenbildung in Bezug auf die empirische Erhebung.

5.5 R esümierende B e tr achtung der empirischen E rgebnisse und Thesenbildung »Die Texte der Systemtheorie sind Beiträge zur empirischen Forschung, indem sie einerseits Metadaten an neuen Gegenständen erproben, die sich an anderen Gegenständen bereits bewährt haben, und andererseits damit Beschreibungen erzeugen, die sich von bereits vorliegenden Beschreibungen unterscheiden.« B aecker 2012, 162

Unter Hilfestellung systemtheoretischer Unterscheidungen wurden im gesamten Kapitel 5 Daten der in Kapitel 4 vorgestellten empirischen Erhebung wissenschaftlich beobachtet und interpretiert. Die bisherigen Darstellungen geben wesentliche Aspekte der Ergebnisse des empirischen Teils der Forschungsarbeit wieder. Sie bieten Beobachtungs-, Beschreibungs- und Deutungsangebote an, wie Kinder mit und ohne a. B. andere Kinder als Mitteilungshandelnde differenzieren, inwiefern sie füreinander kommunikativ relevant bzw. nicht relevant sind und worauf sie sich hinsichtlich eines Wechsels zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss be-

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

ziehen.105 An dieser Stelle sollen die Ausführungen resümierend betrachtet und ausgewertet werden, um sie noch um jene Aspekte zu ergänzen, die erst im Vergleich der einzelnen Unterkapitel miteinander deutlich werden. Davon ausgehend werden Thesen zu den Ergebnissen des empirischen Teils der Arbeit generiert und Überlegungen zur (heilpädagogischen) Arbeit an der sozialen Adresse als praxeologische Impulse unterbreitet.106 Die Strukturierung dieses Kapitels orientiert sich an den verschiedenen einleitend in Kapitel 5 dargestellten Formen, Sinnverweise zu beobachten: Bezüge auf Kinder, das Generieren von Sinn, die Orientierung an der Verweisungsstruktur von Sinn und die Adressenfragmente behindert / nicht behindert. Kategorienübergreifender Vergleich der empirischen Ergebnisse hinsichtlich der Vielfalt von Sinngenerierungsoptionen und der Varianz der Bezüge auf Kinder In der Gesamtverteilung aller Sinnverweise wird deutlich, dass an Kinder mit a. B. kommunikativ vielfältiger sinnhaft angeschlossen wird als an Kinder ohne a. B., sich hingegen an Kindern ohne a. B. ein facettenreicheres Generieren von Sinn beobachten lässt (vgl. Grafik 1 / 5 und 2 / 5). In Bezug auf die einzelnen Kategorien wird erkennbar, dass sich diesbezügliche Differenzen im Vergleich zwischen Anschluss-, Nicht-Anschlussoptionen und dem Optionalen Wechsel immer mehr steigern. Folgendes Verhältnis wurde hinsichtlich der verschiedenen Kategorien ausgewertet: Verteilung hinsichtlich der Sinngenerierungsoptionen: • Anschlussoptionen: o. a. B. 57 % zu a. B. 43 % (vgl. Grafik 1 / 5.1) • Nicht-Anschlussoptionen: o. a. B. 60 % zu a. B. 40 % (vgl. Grafik 1 / 5.2) • Optionaler Wechsel: o. a. B. 82 % zu a. B. 18 % (vgl. Grafik 1 / 5.3) Verteilung hinsichtlich der Bezüge auf Kinder: • Anschlussoptionen: o. a. B. 50 % zu a. B. 50 % (vgl. Grafik 2 / 5.1) • Nicht-Anschlussoptionen: o. a. B. 47 % zu a. B. 53 % (vgl. Grafik 2 / 5.2) • Optionaler Wechsel: o. a. B. 41 % zu a. B. 59 % (vgl. Grafik 2 / 5.3) Wird diese Verschlüsselung vor dem Hintergrund systemtheoretischer Begriffskonzepte beobachtet, so sind die Verweise auf das Generieren von Sinn als psychische Operationen und die Verweise der Bezüge auf Kinder als soziale Operationen hin-deutbar (vgl. Kapitel 3.3). In Kapitel 2.4 wurde erläutert, dass soziale Adressen 105 | An dieser Stelle soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass zum Zwecke der besseren Lesbarkeit hier Bezug genommen wird auf Kinder, wenn die sich an ihnen ausflaggenden Mitteilungshandlungen als soziale und psychische Sinnverweise gedeutet werden. Dieser Deutungskontext wurde einleitend in das Kapitel 5 dargelegt. Für die Begründung der Zuordnung der Adressenfragmente behindert /  n icht behindert kann auf das Kapitel 4.1.2 verwiesen werden. 106 | Dass die Thesen nicht als allgemein gültige Beschreibungen zu verstehen sind, sondern als Deutungsangebote auf der Grundlage der hier durchgeführten Auswertung, wurde einleitend in das Kapitel 5 bereits dargelegt.

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als Strukturen bezeichnet werden, die aus sozialen Operationen hervorgehen. Insofern wurde im Rahmen dieser Arbeit die kommunikative Relevanzmarkierung von Kindern als Mitteilungshandelnde als soziale Operation interpretiert (vgl. Kapitel 3.3). Wie in Kapitel 3.3 dargelegt, lässt sich herleiten, dass über die Erhebungsmethode Interview auf psychisch hervorgebrachte Sinnformen hin-gedeutet werden kann als Sinn, der psychisch gebildet wurde und auf den dadurch sozial Bezug genommen werden kann, der also sozialen Operationen optional zur Verfügung steht (Prozess der Interpenetration). Davon ausgehend wurden hier die Differenzierungsoptionen, aus denen soziale Adressierung hervorgeht, psychischen Anschlussoptionen zugeordnet. Diese Entscheidungen sollen nicht dahingehend missverstanden werden, dass sich das soziale System nur auf die Sozialdimension von Sinn bezieht und psychische Operationen diese Dimension von Sinn nicht ebenfalls differenzieren (vgl. Kapitel 2.2.2). Die oben abgebildete Verteilung der Vielfalt der Sinnbezüge zeigt zum einen, wie einleitend in das Kapitel 5 schon genannt, die operationale Geschlossenheit autopoietischer Systeme (und damit ihre eigenständigen Anschlusspräferenzen und -optionen). Wird dieses Verhältnis vor dem Hintergrund des Modells der zwischenmenschlichen Interpenetration betrachtet, wird zum anderen interpretierbar, dass das Verhältnis des facettenreichen Bezugs auf Sinn, hinsichtlich der Adressierung von Kindern mit und ohne a.B. und der Sinngenerierungsoptionen, sich besonders innerhalb problemwirksamer Situationen und der Initiierung eines Wechsels von Exklusion zu Inklusion ergänzt. Daraus wird folgende These abgeleitet: These 1 / 5 Kinder mit a. B. bieten Beobachtern mehr Irritationen an, variabel an Sinn sozial anzuschließen, und Kinder ohne a. B. ermöglichen Beobachtern, Sinn vielfältiger zu generieren. Diese unterschiedlichen Angebote regen zwischenmenschliche Interpenetrationsprozesse an, besonders im Rahmen problemwirksamer Situationen oder in Bezug auf einen Wechsel von bestimmter Exklusion zur Inklusion. In Kapitel  2.5.2 wurde die Synchronisation der Sinnbezüge als entscheidend für den Anschluss sozialer und psychischer Systeme aneinander aufgezeigt. In der weiteren kategorienübergreifenden Betrachtung wird zusammengefasst, wie sich diese bezüglich der Kinder mit und ohne a. B. darstellen und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. Kategorienübergreifende Betrachtung der empirischen Ergebnisse hinsichtlich der Verweisungsstruktur von Sinn Im Folgenden wird zusammengetragen, welche wesentlichen Sinngenerierungspräferenzen am kommunikativen Anschluss der Kinder mit und ohne a. B. kapitelübergreifend beobachtet wurden. In der Betrachtung der konkreten Verweisungsstruktur von Sinn zeigen sich viele Parallelen zwischen Kindern mit und ohne a. B., andere Kinder als Mitteilungshandelnde zu unterscheiden und an sie anzuschließen bzw. nicht anzuschließen. Diese werden zunächst dargelegt.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Sowohl innerhalb der Anschlussoptionen als auch der Nicht-Anschlussoptionen107 wurde bei Kindern mit und ohne a. B. eine besonders vielfältige Differenzierung der Sozialdimension von Sinn ausgewertet (vgl. Grafik 4 / 5.1 bis 7 / 5.1 und Grafik 4 / 5.2 bis 7 / 5.2). Dass daraus die besondere Bedeutung des Mitteilungsaspekts der Kommunikation hergeleitet werden kann, wurde an verschiedenen Stellen bereits thematisiert. Ergänzend ist anzumerken, dass der differenzierte Bezug auf den Mitteilungsaspekt darauf verweist, dass es im Alter früher Kindheit wesentlich um das Erleben geht, also darum, wie ein kommunikativer Anschluss sich gestaltet (vgl. Kapitel 2.4).108 Dabei wurden sowohl am kommunikativen Anschluss der Kinder mit a. B. als auch an dem der Kinder ohne a. B. zwei Optionen als besonders problemwirksam beobachtbar: prozesshafte Verläufe und nicht passende Komplexität. In Kapitel 5.2.1 wurden beispielsweise als nicht passende Komplexität Sinnbezüge auf spezifische Rollenvorstellungen von Spielfiguren differenziert oder wenn Spielabläufe als immer gleich bewertet wurden. Als prozesshafte Verläufe können hier exemplarisch die Formen des sozialen Anschlusses genannt werden, die als Grenzsetzung missachtend, körperlich aggressiv oder Beschimpfung bezeichnet wurden (vgl. Kapitel 5.2.1). Insofern kann in Bezug auf beide Kindergruppen bestätigt werden, dass Selektivitätsverstärkung oder ein als nicht funktional bewertetes strukturelles Angebot im Kontext von Exklusion beobachtbar wird. Darüber hinaus bezogen sich Kinder mit und ohne a. B. sowohl innerhalb von Anschlussoptionen (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1) als auch innerhalb von Nicht-Anschlussoptionen (vgl. Grafik 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1) strukturreicher auf individuell attribuierte Verhaltenszuschreibungen als auf allgemein attribuierte Verhaltenszuschreibungen. So ist davon auszugehen, dass Rollenzuschreibungen im Alter früher Kindheit im Allgemeinen weniger nuancenreich konstruiert werden als Personenzuschreibungen. Eine Ausnahme stellt hier kategorienübergreifend der Bezug auf das Geschlecht Jungen und Mädchen dar. Kinder mit und ohne a. B. nahmen auf dieses sowohl hinsichtlich der Sozial- als auch hinsichtlich der Sachdimension von Sinn im Rahmen von Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen vielfältig Bezug. Insofern wird die Berücksichtigung des Genderdiskurses im Bereich der frühen Kindheit für Kinder mit und ohne a. B. als besonders bedeutsam bewertet.109 Die Sachdimension von Sinn wurde bei Kindern mit und ohne a. B. sowohl innerhalb der Anschluss- als auch innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen ver107 | Die Verteilung hinsichtlich der Kategorien Anschluss-, Nicht-Anschlussoption und Optionaler Wechsel wurde bereits einleitend in das Kapitel 5 im Zusammenhang betrachtet. Das soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden. 108 | Als erkenntnisreich wird in diesem Zusammenhang bewertet, dass Schleiffer, wie bereits dargestellt, die Mitteilungsebene entwicklungspsychologisch vor der Informationsebene platziert (vgl. Kapitel 2.2.3). Insofern wäre es bedeutsam, wie schon an anderer Stelle angeregt, über Folgestudien zu prüfen, inwiefern sich diese Gewichtung als spezifisch für die Altersgruppe darstellt. So könnte eine Vergleichsstudie zeigen, ob dieser dominante Bezug auch noch in der Schule beobachtbar ist oder ob in dieser Organisation bedingt durch die andere Bedeutung von Themen und Beiträgen eine andere Gewichtung zu vermerken ist. Zudem könnten sich die hier ausgewerteten Ergebnisse von einer anderen elementarpädagogischen Institution ebenfalls unterscheiden. 109 | Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese Auswertung deutlich die Relevanz entsprechender Forschungsansätze unterstützt.

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gleichbar weniger breit verschlüsselt (vgl. Grafik 4 / 5.1 und 5 / 5.1 sowie Grafik 4 / 5.2 und 5 / 5.2). Hinsichtlich der Sozialdimension von Sinn wurde jedoch ausgewertet, dass sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne a. B. bezüglich ihres kommunikativen Anschlusses bzw. im Rahmen ihres Nicht-Anschlusses strukturreich darauf hin-beobachten, ob andere Kinder im Hinblick auf gemeinsame Tätigkeit ausreichende bzw. unzureichende Eigenkomplexität repräsentieren (vgl. Grafik 10 / 5.1.1 und 11 / 5.1.1 sowie Grafik 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). Insofern ist auch der Bezug auf das Thema für die Relevanzmarkierung von Mitteilungshandelnden als wesentlich zu bezeichnen.110 Bei Kindern mit und ohne a. B. wurden hier das Fiktions- und das Konstruktionsspiel für Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen im Vergleich zu den anderen Spielformen, wie beispielsweise dem Regelspiel, variationsreicher verschlüsselt. Sie sind damit als entsprechend bedeutsam zu bewerten (vgl. Grafik 4 / 5.1.2 und 5 / 5.1.2 sowie Grafik 5 / 5.2.2 und 6 / 5.2.2). Darüber hinaus wurde von Kindern mit als auch von Kindern ohne a. B. facettenreicher auf Zeitspannen innerhalb von Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen verwiesen, auch wenn sie diese unterschiedlich breit definieren, als auf Zeitpunkte (vgl. Grafik 3 / 5.1.3 und 4 / 5.1.3 sowie Grafik 3 / 5.2.3 und 4 / 5.2.3). Überdies wurden die fremd- und selbstreferenziellen Bezüge auf den Raum bei Kindern mit und ohne a. B. als relevante Sinnverweise unterschieden, jedoch, wie in Bezug auf die Zeitdimension von Sinn, jeweils in einer sehr stark voneinander abweichenden Varianz (vgl. Grafik 1 / 5.1.4 und 1 / 5.2.4). Als kapitelübergreifend different ist anzumerken, dass sich Kinder mit a. B. sowohl hinsichtlich der Anschluss- als auch der Nicht-Anschlussoptionen im Vergleich mannigfacher auf als Person markierte Kinder, spezifisches Verhalten und Gefühlsäußerungen bezogen. Hingegen wurde an Kindern ohne a. B. eine höhere Vielschichtigkeit in Bezug auf Adressenfragmente, Eigenschaftsattribute, anschlussfähige Problemkonstruktionen und Rollenzuschreibungen beobachtet. Ausgehend von den überwiegenden Übereinstimmungen der Verschlüsselung bei Kindern mit und ohne a. B. hinsichtlich des Generierens von Sinn wird folgende These abgeleitet:111 These 2 / 5 Kinder mit und ohne a. B. zeigen deutlich mehr Übereinstimmungen als Unterschiede in ihrer sinnbezogenen Ausrichtung im Rahmen von Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen. Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich die hohe Bedeutung der Sozialdimension von Sinn für alle Kinder. Insofern bestehen mannigfache Inklusionsoptionen zwischen Kindern mit und ohne a. B.

110 | Hier wird in den empirischen Daten deutlich, was im Theorieteil der Arbeit mit struktureller Koppelung zwischen psychischem und sozialem System beschrieben wurde (vgl. Kapitel 2.5.1): Kindern wird darüber mehr Eigenkomplexität zugeschrieben, dass an ihnen im Hinblick darauf, worum es gerade geht (hier Fiktions- oder Konstruktionsspiele), Sinnverweise beobachtet werden. In Abhängigkeit dazu erfolgen die Zuschreibung passender psychischer Eigenkomplexität und der kommunikative Anschluss. 111 | Bezüglich der weiteren Ausdifferenzierung des Vergleichs der Generierung von Sinn innerhalb der einzelnen Codes muss auf die vorhergehenden Kapitel 5.1 und 5.2 verwiesen werden.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Ergänzend zu diesen Ausführungen sollen im Folgenden Aspekte in Bezug auf das Adressenfragment Behinderung zusammengefasst werden, die durch weitere kapitelübergreifende Differenzierungen deutlich werden. Herausragendes im Kontext des Adressenfragments Behinderung vor dem Hintergrund einer kategorienübergreifenden Betrachtung Zunächst einmal kann mitgeteilt werden, dass kein Kind innerhalb irgendeiner Kategorie den Begriff Behinderung als Adressenfragment nutzte. So wurden beispielsweise »Sprachstörungen« von Kindern als eine besondere Sprache differenziert (vgl. Kapitel 5.1.1) und Schwierigkeiten in der Penetration, auch wenn diese als Nicht-Anschlussoption gedeutet wurden, als individuelles Verhaltensattribut unterschieden (vgl. Kapitel 5.2.1). Diese Beobachtungen an Kindern führten jedoch nicht im Sinne Wetzels zu einer Verfestigung dieser zu Behinderten (vgl. Kapitel 2.4), auch wenn sie primär an Kindern mit a. B. beobachtet wurden. Als ein allgemeines Ergebnis der Datenerhebung kann entsprechend zusammengefasst werden: Kommunikationsangebote, die durch eine an der Entwicklungsnorm orientierten Beobachtungsperspektive von Professionellen zu einer Adressierung von Behinderung der Kinder führen, an denen diese beobachtet werden, werden durch Interaktionssysteme im Alter früher Kindheit nicht so bezeichnet, und davon ausgehend werden Kinder entsprechend nicht so differenziert und bestimmt exkludiert (vgl. Grafik 10 / 5.2.1 und 11 / 5.2.1). Als These wird davon ausgehend formuliert: These 3 / 5 Das Adressenfragment Behinderung ist für Kinder mit und ohne a. B. im Alter früher Kindheit innerhalb des Interaktionssystems im Kontext von Inklusion und Exklusion nicht funktional. Im Weiteren gelangen zunächst Bezüge auf Kinder mit und ohne a. B. und damit Sinnverteilungspräferenzen des kommunikativen Anschlusses im Hinblick auf Mitteilungshandelnde in den Fokus der kapitelübergreifenden Betrachtung. Innerhalb der Anschlussoptionen bezogen sich Kinder mit a. B. mannigfacher auf als relevante Person markierte Kinder mit a. B. und Kinder ohne a. B. auf als relevante Person markierte Kinder ohne a. B. (vgl. Grafik 6 / 5.1.1 bis 9 / 5.1.1). In Kapitel 5.1 wurde jedoch deutlich, dass vielfältige Sinnzuschreibungsmöglichkeiten aufgebaut werden können, die, trotz zum Teil großer Differenzen im (normorientiert beobachteten) Entwicklungsstand, einen Anschluss an Kommunikation ermöglichen. Wie facettenreich sich Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde hinsichtlich von Passungen beobachten, zeigte sich innerhalb der Verschlüsselungen der Anschlussoptionen. Kinder ohne a. B. bezogen sich diesbezüglich zu 46 % hinsichtlich ihrer Sozialverweise, zu 47 % ihrer Sachverweise, zu 38 % ihrer Zeitverweise und zu 71 % ihrer Raumverweise auf Kinder mit a. B. und Kinder mit a. B. zu 45 % hinsichtlich ihrer Sozialverweise, zu 46 % ihrer Sachverweise, zu 49 % ihrer Zeitverweise und zu 69 % ihrer Raumverweise auf Kinder ohne a. B.112 Diese Potentialität wird 112 | Ausgehend von dieser Verteilung muss für Kinder mit und ohne a. B. problematisiert werden, dass sie unter den Bedingungen institutioneller Separation mittels sogenannter homogener Gruppenstrukturen (beispielsweise durch sogenannter heilpädagogische Kleingruppen oder sogenannter Regelgruppen) ausschließlich durch jenes Penetrationsangebot

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im Zusammenhang mit den täglich vorhandenen kommunikativen Angeboten für die an dieser Erhebung beteiligten Bewusstseinssysteme gedeutet und lässt sich vor dem Hintergrund der konditionierten Koproduktion verstehen (vgl. Kapitel 2.5.1).113 Entsprechend weist Luhmann darauf hin: »Wenn die Kommunikation laufend in spezifischer Weise irritiert wird, entstehen eingeübte Formen des Umgangs mit solchen Störungen« (Luhmann 2008, 33).114 Für diese erweiterten Anschlussprozesse erscheint das Postulat von Fuchs bedeutsam, dass einmal Sinncodiertes nicht mehr sinnfrei wahrgenommen werden kann (vgl. Kapitel 2.5.1). Beispielhaft zu nennen ist die in Kapitel 5.1.1 dargelegte Anschlussoption »Drehen des Schirmes«. In Kapitel  2.2.4 wurde hergeleitet, dass das soziale System über seinen Anschluss und Nicht-Anschluss Bezugsmöglichkeiten auf Sinn selektiert. Insofern könnte behauptet werden: Je vielschichtiger sich Mitteilungshandlungen u. a. durch verschiedene Formen, sie zu äußern, gestalten, desto mehr Sinnbildungsprozesse werden angeregt (vgl. Kapitel 5.1.1). Denn: »Alles muss durch das schmale Nadelöhr der Kommunikation geleitet werden« (Luhmann 2011, 119). Davon abgeleitet werden Interaktionssysteme mit diesen vielfältigen sozialen Anschlussmöglichkeiten für alle psychischen Systeme als relevant erachtet, um den Auf bau von Strukturen so reichhaltig anregen zu können, wie er für sie durch die hier ausgewerteten Bezüge aufeinander bedeutsam erscheint.115 So lässt sich als vierte These formulieren: These 4 / 5 Kinder mit a. B. stellen für Kinder ohne a. B. und Kinder ohne a. B. für Kinder mit a. B. hinsichtlich des Anschlusses an facettenreiche Sinnverweise eine äußerst relevante Umwelt dar.

irritiert werden, das in dieser Erhebung für sie nur ca. die Hälfte des von ihnen präferierten kommunikativen Angebotes darstellt. Ihnen die andere Hälfte durch sogenannte institutionelle Sonderbedingungen vorzuenthalten, kann als starke Reduktion möglicher und von ihnen gewählter Differenzierungen bewertet werden. Vor diesem Hintergrund sind strukturelle Bedingungen in Frage zu stellen, die diese Anschlussoptionen verhindern. Ergänzt werden kann an dieser Stelle, dass Kinder im Rahmen von Sinnverweisen in Bezug auf sich selbst Erfahrungen von bestimmter Exklusion mehrheitlich in Bezug auf Abweichungen von der Altersnorm schilderten (vgl. Kapitel 5.4). Davon ausgehend lässt sich auf ein besonderes Exklusionsrisiko im Kontext homogener Gruppenstrukturen hin-deuten. 113 | Hier wird ein besonders enger Zusammenhang zum Sampling gesehen, da die interviewten Kinder in der KiTa Nortorf eine besondere Vielfalt bezüglich der Formen von Kommunikation alltäglich beobachten können (vgl. Kapitel 4.1.3.1). Dazu passt, dass hinsichtlich potentieller Anschlussoptionen Bezüge auf den Alltag an Kindern mit a. B. mannigfach hinbeobachtet wurden (vgl. Grafik 10 / 5.1.2 und 11 /  5.1.2). 114 | Störungen sind hier nicht negativ zu interpretieren, sondern können auch als besondere Anregungen gedacht werden. 115 | Anhand der Verschlüsselungen der Kinder mit und ohne a. B. wurde deutlich, dass über ihren Anschluss aneinander (mehr) Optionen bestehen, Verschiedenheit zu erkennen. Damit erhöht sich ggf. auch ihre Chance eines breiteren Anschlusses an die (Welt-)Gesellschaft (vgl. Kapitel 1 und 2.5). Dass darüber hinaus der Anschluss der Kinder ohne a. B. an Kinder ohne a. B. und der der Kinder mit a. B. an Kinder mit a. B. bedeutsam ist, wurde bereits aufgezeigt (vgl. Kapitel 5.1.1).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

Als besonders vorteilhaft für Anschlussoptionen wurde interpretiert, wenn Kinder als Unterscheidende und positive Irritationen Auslösende erkannt werden und ihnen hinsichtlich aktuell relevanter Tätigkeiten anderer Kinder ausreichend passende Eigenkomplexität zugeschrieben wird. In diesem Zusammenhang wurde auf die grundlegendste Selektion der Kommunikation als Ja / Nein-Fassung hingewiesen und die sich darüber bildende bzw. hin-beobachtbare Sinnzuweisung (vgl. Kapitel 5.1.1). In der näheren Betrachtung einzelner Sinnverweise wurde an vielen Stellen erkennbar, wie das von der Norm abweichende, von Professionellen als behindert adressierte kommunikative Angebot116 über sein Anders-Sein die Varianz möglicher Sinnbezüge erhöht, fremdreferenzielle Bezüge anregt und damit die daran anschließenden Systeme mit Sinn anreichert (vgl. beispielsweise Deutung auf nichtbewertete Adressenfragmente Grafik 12 / 5.1.1).117 Dazu ergänzend wurde in Kapitel  2.5.2 dargelegt, wie gerade anhand von Störungen viable Strukturen erkennbar werden. In Kapitel 5.1.1 zeigte sich, wie diese die Bildung von Ego / A lter Ego-Strukturen anregen. Das unterstützt die Annahme, dass sich Personenkonturierung und Individualität durch Ungewöhnliches, Widersprüchliches und Konflikthaftes eher bilden als durch Bekanntes oder Gleiches. Vergleichbar formuliert Luhmann: »Man kann die Hypothese aufstellen, daß die Abweichung stärker individualisiert als die Konformität, einfach deshalb, weil das konforme Verhalten mühelos mit der Erwartung läuft, während das Abweichen gegen die Erwartung durchgesetzt, oft mit Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet werden muß und dadurch höheren Aufmerksamkeitswert hat« (Luhmann 2008, 84). Diese Überlegungen decken sich mit der These 1 / 5, in der postuliert wird, dass Kinder mit a. B. Beobachtern mehr Irritationen anbieten, an Sinn variabel anzuschließen, als Kinder ohne a. B. Trotz dieser Anschlussoptionen zwischen Kindern mit und ohne a. B. sind einige Verschlüsselungen hervorzuheben, die auf ein besonderes Exklusionsrisiko für Kinder mit a. B. verweisen. Als in diesem Sinne besonders bedeutsam wird bewertet, dass Kinder mit a. B. als problemwirksame Person markierte Kinder in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen im Rahmen von Mehrfachnennungen deutlich dominant von Kindern mit und ohne a. B. verschlüsselt wurden. Ebenso, dass zwei Codes innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen markant strukturreicher in Bezug auf Kinder mit a. B. ausgewertet wurden, auf die Kinder mit und ohne a. B. sehr mannigfach im Rahmen von problemwirksamen Personenzuschreibungen Bezug nahmen: körperlich aggressive kommunikative Anschlüsse und das Attribut, Grenzsetzungen zu missachten. Zudem bezogen sich achtzig Prozent der als spezifische Eigenschaftsattribute gedeuteten Sinnverweise im Rahmen von NichtAnschlussoptionen auf Kinder mit a. B. An dieser Stelle wurden Auffälligkeiten insbesondere in der Verbalsprache, entgegen obiger Verschlüsselung, als mannig116 | Hiermit sind die kommunikativen Angebote der Kinder mit a. B. gemeint. 117 | Zur Veranschaulichung der Notwendigkeit der Anpassung autopoietischer Systeme an eine sich verändernde Umwelt soll an dieser Stelle noch einmal Vogd zitiert werden: »Obgleich sie ihren eigenen Funktionsbezug setzen und in diesem Sinne auch die Störungen aus der Umwelt selbst verwalten, verändert sich ihre Struktur und damit ihre Funktion mit jeder Störung, auf die sie reagieren. Systeme verändern ihre Strukturen über die Zeit, behalten ihre Identität als System nur, indem sie sich verändern« (Vogd 2007, 300). Insofern sind entsprechende Anlässe als systemerhaltend zu bewerten.

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fache Nicht-Passungsoption erkennbar (vgl. Kapitel 5.2.1). Darüber hinaus wurde im Rahmen problemwirksamer Raumbezüge und als unpassend lang gewerteter Zeitspannen deutlich facettenreicher auf Kinder mit a. B. verwiesen. In der zusammenfassenden Betrachtung lässt sich dadurch auf ein erhöhtes Risiko der Exklusionskumulation im Kontext von Behinderung hin-deuten, wie sie in dieser Arbeit einleitend problematisiert wurde (vgl. Kapitel 1). Als Erschwernis des Anschlusses der Kinder mit a. B. an Kinder ohne a. B. lässt sich ergänzen, dass Anschlüsse an Kinder ohne a. B. an sie als Mitteilungshandelnde hinsichtlich des Codes Spiel oder gemeinsame Tätigkeit von Kindern mit a. B. vielschichtiger als problemwirksam bewertet wurden als von Kindern ohne a. B. (vgl. Grafik 14 / 5.2.1). Eine vergleichbare Verteilung der Nicht-Anschlussoptionen zeigte sich bei der Sachdimension von Sinn (vgl. Grafik 2 / 5.2.2). Hinsichtlich der Sinngenerierungsoptionen sind im Kontext von Behinderung kapitelübergreifend als Exklusionsprozesse begünstigend folgende Verschlüsselungen hervorzuheben: In Bezug auf Optionen, zwischen Anschluss und Nicht-Anschlussoptionen zu wechseln, wird erkennbar, dass an Kindern mit a. B. erheblich strukturärmer diesbezügliche Sinnverweise ausgewertet wurden. Sie machen hier anteilig nur 18 % aller verschlüsselten Sinngenerierungsoptionen aus (vgl. Grafik 1 / 5.3). Insofern wurde interpretiert, dass Kinder mit a. B. nicht so vielgestaltig in der Lage sind, problemwirksame Anschlüsse als kontingent zu erkennen und alternative Sinnbezüge zu entwickeln (vgl. Kapitel 5.3). Überdies differenzierten sie weniger Varianz hinsichtlich Optionen des Wechsels in Bezug auf Handeln, das sie an sich selbst beobachteten (vgl. Grafik 4 / 5.4). Das minimierte ihre Auswahloptionen und damit potentielle Anschlussoptionen im Vergleich zu Kindern ohne a. B., über die als Nicht-Anschlussoption verschlüsselten Sinnverweise hinaus. Zudem generierten Kinder ohne a. B. deutlich vielfältiger und spezifischer Nicht-Anschlussoptionen anderer Kinder an sie selbst als Kinder mit a. B. (vgl. Kapitel  5.4). Dadurch sind Kinder ohne a. B. strukturreicher in der Lage, Nicht-Anschlussoptionen zu erkennen und sich alternativ auszurichten, als Kinder mit a. B.118 Dass mannigfacher von Kindern ohne a. B. Problemkonstruktionen als Anschlussoption bewertet wurden (vgl. Kapitel 5.1.1), könnte ebenfalls als Erweiterung ihrer Passungsoptionen gedeutet werden, die sich von denjenigen der Kinder mit a. B. markant unterscheiden, da darüber interpretierbar wird, dass Kinder ohne a. B. facettenreicher anschließen, wenn es schwierig wird. Fasst man die Betrachtung von Sinnverteilungs- und Sinngenerierungsoptionen zusammen, so ist zu ergänzen, dass Kinder mit a. B. durch Kinder mit a. B. in besonderem Maße als von bestimmter Exklusion bedroht zu bewerten sind. Wie in Kapitel 5.2 dargestellt, unterschieden Kinder mit a. B. an Kindern mit a. B. problem-

118 | Ob darüber hinaus die variationsreichere Möglichkeit der Kinder ohne a. B., Sinnverweise als Nicht-Anschlussoption zu unterscheiden, dazu führt, dass sie weniger Sinnverweise unbestimmt exkludieren und ihnen darüber mehr Anschlussoptionen zu Verfügung stehen, müssen Folgestudien zeigen. Dafür spricht, dass an bestimmter Exklusion ein kommunikativer Anschluss erfolgen kann, über den die Option des Wechsels hin zu einem Anschluss besteht, im Gegensatz zur unbestimmten Exklusion.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

wirksame Sinnverweise etwas facettenreicher.119 Sie waren jedoch weniger mannigfach als Kinder ohne a. B. in der Lage, diese zu modifizieren (vgl. Kapitel 5.3). Die verschiedenen hier als problemwirksam interpretierten zwischenmenschlichen Interpenetrationsoptionen verweisen auf Grenzen von Irritationsmöglichkeiten im Kontext von Behinderung. Das führt zu folgender Thesenbildung: These 5 / 5 Die kommunikativen Anschlüsse der Kinder mit a. B. werden mannigfacher hinsichtlich der die Operationen sozialer und psychischer Systeme stark strapazierenden Sinnverweise von Kindern mit und ohne a. B. unterschieden als die der Kinder ohne a. B. Überdies werden die an ihnen hin-beobachteten Sinngenerierungsoptionen als weniger facettenreich und Bezüge auf Mitteilungshandelnde als weniger modifizierbar bewertet. Die Gefahr zur Exklusionskumulation ist dadurch deutlich breiter im Zusammenhang mit dem Adressenfragment Behinderung zu sehen. Im Weiteren sollen die Auswertungen der Sinndimensionen im Zusammenhang betrachtet werden, um allgemeine Schlussfolgerungen ableiten zu können, bevor Anregungen für die Arbeit an der sozialen Adresse als Ausblick vorgeschlagen werden. Kategorienübergreifende Spezif ik hinsichtlich der Sinndimensionen In der Interpretation der kindlichen Äußerungen wird in der kapitelübergreifenden Betrachtung deutlich, dass fast durchgehend nicht bestimmte einzelne Sinnverweise für sich als passend oder unpassend bewertet werden können, sondern bedeutsam ist, wie sie im Kontext der anderen Dimensionen von Sinn zueinander erscheinen. Das heißt, die Deutung auf eine bestimmte Kombination des Bezugs auf die Sach-, Zeit-, Sozial- und Raumdimension führt zu ihrer Inklusion oder (bestimmten) Exklusion. Deutlich wird dieses beispielsweise im Vergleich der Codes »anschlussfähige Problemkonstruktionen«, die als Anschlussoption ausgewertet, und »problemwirksame Personenzuschreibungen«, die als Nicht-Anschlussoption gedeutet wurden. So wurde in Kapitel  5.1.1 im Rahmen einer Anschlussoption unterschieden, dass Kinder sich um ein Fahrzeug streiten. In dieser Kategorie wurden hinsichtlich solcher Beispiele neben den Differenzen im Bezug auf das Verhalten des Kindes als Mitteilungshandlung (Sozialbezug) ein gemeinsames Thema (Sachbezug), ein bezüglich des Redetempos adäquater kommunikativer Anschluss (Zeitbezug) und eine Abständigkeit (Raumbezug) erkennbar, die den Anderen als potentiell Anschlussfähigen noch in den Fokus der Aufmerksamkeit bringen. Diese Bezüge ermöglichten auf der Ebene des Interaktionssystems weitere Anschlüsse. In Kapitel 5.2.1 wurden ebenso Konfliktsituationen unterschieden (vgl. beispielsweise »Grenzsetzungen missachten« oder »Beschimpfungen«). Bei diesen war auf eine ausreichend passende Synchronisation auf allen Ebenen von Sinn jedoch nicht hin-deutbar. Als Unterschied lässt sich erkennen, dass beispielsweise der Anschluss an den Sachbezug nicht mehr möglich war, da ein Kind sich 119 | So beziehen sich beispielsweise Kinder mit a. B. facettenreicher auf Kinder mit a. B. als auf Kinder ohne a. B. im Rahmen aller Nicht-Anschlussoptionen der Sozialdimension von Sinn (vgl. Grafik 4 / 5.2.1).

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nicht mehr äußerte und somit Beiträge als Anschlussangebot an das Thema, um das es gerade ging, vom Interaktionssystem nicht mehr differenzierbar waren. So lässt sich hier eine fehlende Synchronisation zwischen Sozial- und Sachdimension interpretieren. Oder es wurde darauf gedeutet, dass der sich am Kind ausflaggende Anschluss zu langsam (Zeitdimension) war und dadurch nicht mehr als Bezug auf das aktuell relevante Thema erkannt wurde. In einem anderen Fall dauerte der als problemwirksam gedeutete Sinnbezug dem Beobachter zu lange an (vgl. Kapitel 5.2.3). In Kapitel 2.2.2 wurde dargelegt, dass die Sinndimensionen nicht isoliert auftreten. Das wird durch diese Vergleiche deutlich. Vor diesem Hintergrund wird es als sinnvoll erachtet, das besondere Verhältnis der einzelnen Sinnverweise zueinander bei der Analyse und Interpretation inklusiver und exklusiver Prozesse immer mit zu berücksichtigen, auch wenn der Fokus auf eine Dimension von Sinn gerichtet ist. Die Bedeutsamkeit der jeweiligen Dimensionen von Sinn füreinander kann dabei hinsichtlich eines Sinnbezuges sehr unterschiedlich sein. Dazu zwei Beispiele: Innerhalb der Äußerungen von Fee wurde in ihrem Anschluss an Matthias(a. B.) ausgewertet, dass sie Beiträge zum Thema Star Wars produziert, um an ihn anschließen zu können, obwohl sie das Thema selbst nicht so stark interessiert (vgl. Kapitel 5.3). Hier zeigte sich eine vorrangige Ausrichtung auf die Sozialdimension, da für Fee im Vordergrund stand, von Matthias(a. B.) als Mitteilungshandelnde erkannt zu werden. Ein anderes Beispiel verdeutlicht, dass Kinder bei für sie spannenden Themen bereit sind, auf Beiträge länger zu warten als bei jenen, die sie aktuell weniger interessieren. So war es beispielsweise Monika möglich, den Bezug zu ihrem Mutter-Vater-Kind-Spiel für einen gewissen Zeitraum aufrechtzuerhalten, obwohl Anschlüsse anderer Kinder an das Thema stark verzögert wurden, da wiederum andere Kinder Gegenstände entwendeten (vgl. Kapitel 5.2.1). Innerhalb dieses Bezugs trägt die Sachdimension von Sinn. Auch hier wird deutlich, dass bei jedem Anschluss gleichzeitig umfangreiche und hoch individualisierte Prozesse der Exklusion als Möglichkeit der Komplexitätsreduktion und Anschlussselektion stattfinden. So wird als weiteres Ergebnis der Auswertung der empirischen Daten orientiert an den Sinndimensionen erkennbar, dass bestimmte Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen jeweils andere ausschließen und auch festlegen. In diesem Sinne differenziert beispielsweise jeder Anschluss an ein Thema damit den gleichzeitigen Nicht-Anschluss an viele andere. Innerhalb der empirischen Daten ist das beispielsweise an den Äußerungen der Kinder in Bezug auf Rollen- und Alsob-Spiele hin-beobachtbar (vgl. Kapitel 5.1.1). Ausgehend von diesen Überlegungen wird als sechste These entwickelt: These 6 / 5 Kinder mit und ohne a. B. gewichten kontextbezogen einzelne Sinnverweise unterschiedlich als Anschluss- oder Nicht-Anschlussoption. Daraus ergibt sich: Die Sinndimensionen sind als Verweisungsstrukturen zu denken, die sich wechselseitig beeinflussen und anteilig einen unterschiedlich dominanten Einfluss auf die Bildung der aktuell relevanten Form von Sinn innerhalb des frühkindlichen Interaktionssystems haben. In der zusammenfassenden Betrachtung erscheint es sinnvoll, die verschiedenen Dimensionen von Sinn als mehr oder weniger bedeutsam im Moment des An-

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

schlusses zu bewerten und sich an folgender Frage zu orientieren: Nach welcher priorisierten Verteilung der Sinnbezüge richten sich das psychische und das soziale System aktuell aus?120 Im Rahmen des Optionalen Wechsels wurde erkennbar, dass die Möglichkeit, zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss innerhalb einer Situation zu wechseln, wesentlich ist, um der hochspezifischen Operationsweise autopoietischer Systeme gerecht zu werden (vgl. Kapitel 5.3). Insofern kann die theoretisch dargelegte Relevanz bekräftigt werden, dass sich die Komplexitätsverarbeitung am aktuellen »Schwellenwert« des Systems (sich fremdreferenziell auszurichten) situativ regulieren kann (vgl. Kapitel 4.2.2.1). In Kapitel 2.2.1 wurde diese Wahlmöglichkeit entsprechend als Sicherheitsfunktion der Sinnsysteme vorgestellt, sich an eine sich verändernde Umwelt anzupassen.121 In der Interpretation der empirischen Daten wurde diese Möglichkeit der Generierung von Auswahloptionen u. a. als konstruktiver Umgang mit Kontingenz bewertet (vgl. Kapitel  5.3). Davon ausgehend wird als ein weiteres Ergebnis der systemtheoretischen Beobachtung der Äußerungen der Kinder die besondere Bedeutung der Möglichkeit des Optionalen Wechsels genannt. Das führt zu der These: These 7 / 5 Optionen, zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss wechseln zu können, erweisen sich als grundlegend für zwischenmenschliche Interpenetrationsprozesse. Insofern werden Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Sinnbezuges für die Aufrechterhaltung des frühkindlichen Interaktionssystems als zentral bewertet. Im Folgenden soll es jetzt darum gehen, wie die vorangegangenen Ergebnisse in praxeologische Überlegungen einfließen können. Überlegungen zur (heilpädagogischen) Arbeit an der sozialen Adresse Bevor allgemeine Vorschläge für eine Orientierung Professioneller dargelegt werden, werden drei übergeordnete Aspekte skizziert, die für die praxeologischen Überlegungen maßgeblich sind. Erstens: Inklusion und Exklusion wurden in Kapitel 2.6.1 als zweiseitiges (Beobachtungs-) Schema eingeführt. An verschiedenen Stellen dieser Arbeit wurde für Anwesende eines Interaktionssystems Exklusion jedoch problematisiert, insbesondere Exklusionskumulation (vgl. beispielsweise Kapitel 1, 2.6.1 und 5.2.1). Insofern ist im Rahmen der praxeologischen Überlegungen im Hinblick auf Exklusion sowohl auf deren Funktionalität für autopoietische Systeme als auch auf deren Gefährdung für Individuen zu achten.

120 | Auch wenn in Kapitel 5 die Verteilung der hier als dominant gedeuteten Sinnverweise im Verhältnis zueinander vorgestellt wird, könnten sich Folgearbeiten damit beschäftigen, Äußerungen von Kindern innerhalb eines Anschlusses jeweils hinsichtlich ihrer Verweise auf alle Dimensionen von Sinn orientiert auszuwerten, um noch differenzierter auf dieses Dominanzverhältnis hin-beobachten zu können. 121 | Der Bezug auf den Optionalen Wechsel ebenso wie die kontextbezogene Gewichtung einzelner Sinnverweise ermöglichen Anschlüsse an den Diskurs um Selbstbestimmung (vgl. UN-BRK in Netzwerk Artikel 3 2009, 10).

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Zweitens: In Kapitel 2.4 wurde dargelegt, dass die soziale Adresse kommunikativ hervorgebracht wird und über sie Mitteilungshandelnde als relevant oder nicht relevant unterschieden werden. Ebenso wurde deutlich, dass auf die Generierung dieser Adresse (als Sinnbildungsprozess) kein Zugriff möglich ist. Wie in Kapitel 2.2.3 dargestellt, ist der Zugang zum Bewusstseinssystem nicht linear kausal möglich (vgl. Terfloth 2006, 164). Infolgedessen müssen sich die Anregungen für Praxisbezüge auf soziale Operationen beziehen. Entsprechend postuliert Fuchs: »Inklusionsarbeit ist immer: Kommunikationsarbeit an den sozialen Strukturen der Adressabilität, an Rolle und Person, unter der Bedingung der Unmöglichkeit von Durchgriffskausalität, also der Notwendigkeit, Auslösekausalitäten gleichsam so ›einzurichten‹, daß sie Strukturänderungen ›triggern‹, die Inklusion im Falle prozeßhaft verlaufender Exklusion restituieren« (Fuchs 2012c, 6). Vor diesem Hintergrund wird auch hier professionelle Inklusionsarbeit der Arbeit an der sozialen Adresse zugeordnet. Drittens: In den empirischen Daten zeigt sich, was in Kapitel 2.6.1 bereits dargestellt wurde: dass die Bedingungen, als kommunikativ relevant erkannt zu werden, sich situativ, je nach kommunikativem Kontext sehr unterschiedlich darstellen und damit Exklusion und Inklusion nicht generell bestimmbar oder gar anzuregen sind (vgl.Balgo 2013, 15122). In diesem Sinne wurde festgestellt, dass die empirischen Ergebnisse als exemplarisch zu verstehen sind und nicht auf zukünftige Interaktionssituationen zu übertragen sind. Dadurch sind aus ihnen auch keine konkreten Handlungsschritte ableitbar. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sollen hier als Anregungen für die professionelle Inklusionsarbeit allgemeine Aspekte zusammengetragen werden, die aus der Verbindung zwischen systemtheoretischer Orientierung und empirischer Erhebung hilfreich erscheinen, eine Festschreibung von Nicht-Anschlussoptionen zu verhindern oder, in Anlehnung an Hafen, in Bezug auf die Konstruktion sozialer Adressen Inklusionsfähigkeit zu erhöhen und Exklusionsbedrohung zu minimieren (vgl. Kapitel 2.6.2). In diesem Sinne rät auch Fuchs, »[…] mögliche oder schon vollzogene Generalisierung von prozeßhaften Exklusionen zu verhindern, abzumildern, die Erwartbarkeit von (re-inklusiven) Anschlüssen zu steigern – in Hinsicht auf jene (hier nicht im Sinne Heideggers zu verstehende) drohende oder schon eingetretene Ruinanz« (Fuchs 2012c, 4). Zunächst kann die besondere Relevanz des kommunikativen Anschlusses des Erwachsenen an das hier im Fokus stehende Interaktionssystem genannt werden. Innerhalb der Beobachtungen zu Optionen für einen Wechsel zwischen Inklusion und Exklusion wurde deutlich, dass Erwachsenen diesbezüglich von Kindern besondere Möglichkeiten zugesprochen werden (vgl. Kapitel  5.3). Entsprechende Auswertungen weisen darauf hin, dass die an ihnen (den Erwachsenen) beobachtbaren kommunikativen Anschlüsse wesentliche Irritationen hinsichtlich eines Wechsels zwischen Inklusion und Exklusion anregen können, beispielsweise darüber, dass der kommunikative Anschluss des Erwachsenen als beruhigend bewertet wird. Über ihn wurde auf Komplexitätsreduktion in strapaziösen Situationen gedeutet, besonders im Kontext des Adressenfragmentes Behinderung (vgl. Grafik 122 | Balgo bezieht sich hier auf ein unveröffentlichtes Manuskript von Fuchs (o. J.): Behinderung im Paradigmenwechsel – Lähmende Paradoxie oder echte Chance? Vortrag in Karlsruhe, ReHa-Südwest.

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

6 / 5.3). Darüber hinaus wurde in Kapitel 5.1.2 aufgezeigt, dass sich Sinnbezüge von Kindern differenzieren und sich vielfältigere Auswahloptionen hin-deuten lassen, wenn Erwachsene an ihre Äußerungen beispielsweise über Frageformen aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung anschließen. Hier wirkten sie anregend auf die Generierung weiterer Passungen. Insofern wird das Zur-Verfügung-Stellen von Penetrationsmöglichkeiten des Erwachsenen und die darüber gegebenen kommunikativen Angebote an das kindliche Interaktionssystem innerhalb professioneller Inklusionsarbeit als Möglichkeit der Bereitstellung fördernder Faktoren für Inklusion gesehen (vgl. Kapitel  2.6.1). In diesem Sinne werden Professionelle von Fuchs auch als Irritationsmanager bezeichnet.123 Ihre einleitend aufgezeigte Relevanz als Mittler kann damit bestätigt werden (vgl. Kapitel  1).124 Davon ausgehend wird als These in Bezug auf die Überlegungen zur (heilpädagogischen) Arbeit an der sozialen Adresse formuliert: These 8 / 5 Der kommunikative Anschluss an Erwachsene kann für frühkindliche Interaktionssysteme, insbesondere im Kontext von Behinderung, eine Synchronisierungsfunktion haben, als Bereitstellung fördernder Bedingungen für Inklusion. Doch worüber könnten wiederum Erwachsene als Professionelle angeregt werden, in diesem Sinne auf das kindliche Interaktionssystem zu wirken? Wie können sie die soziale Komplexität, die entsteht, wenn Kinder mit und ohne a. B. einander irritieren, wie oben dargestellt, so simplifizieren, dass sie auf Kinder mit und ohne a. B. anregend wirkt? Im Rahmen dieser Arbeit steht die Bedeutung des kommunikativen Anschlusses des Erwachsenen nicht im Vordergrund.125 Folgende Fragestellungen, die aus den vorangegangenen Beobachtungen und Überlegungen abgeleitet werden, sollen trotzdem als erste Impulse dienen, diesbezügliche Sinngenerierungs- und Sinnverteilungsoptionen anzuregen. Sie sind sehr allgemein ausgerichtet, denn, wie dargestellt, ist der direkte Transfer von Sinnbezügen in ein System nicht möglich und vielfach beeinflusst (vgl. u. a. Kontingenz in Kapitel 2.2.1, Polykontexturalität und Polyeventualität in Kapitel 2.3 und 2.5.1). • Über folgende Fragestellungen kann angeregt werden, orientiert an den Sinndimensionen aktuelle Bedeutsamkeiten für Anschlussoptionen zu analysieren: Auf welche Sinnbezüge lässt sich hin-deuten, durch die der kommunikative 123 | Vorschlag von Fuchs im Rahmen eines Gastvortrages in der Lehrveranstaltung von Balgo »Systemtheoretische Grundlagen der Heilpädagogik« an der Hochschule für Heilpädagogik in Hannover 2012. 124 | In Kapitel 5.3 wurde deutlich, dass Kinder mit a. B. den Erwachsenen diesbezüglich sehr viel weniger adressieren und dadurch die durch ihn mögliche »Mittlerkompetenz« weniger beanspruchen. Dabei wurde an ihn innerhalb des Optionalen Wechsels dominant angeschlossen, von Kindern mit und ohne a. B. in Bezug auf Kinder mit a. B. Insofern ist diesbezüglich auf ein erhöhtes Exklusionspotential der Kinder mit a. B. zu deuten. In diesem Zusammenhang wird der Einfluss struktureller und personeller Bedingungen in elementarpädagogischen Einrichtungen auf inklusive Prozesse sehr deutlich. 125 | Die Auseinandersetzung mit einer solchen Ausrichtung könnte sich dieser Arbeit anschließen.

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Anschluss irritiert worden ist? Wie lassen sich diese Sinnbezüge als Dimensionen von Sinn denken? Ist anteilig ein besonders dominanter Einfluss einzelner Dimensionen von Sinn auf die Bildung der aktuell relevanten Form von Sinn erkennbar?126 Diese Fragestellungen ermöglichen Differenzierungen einer als dysfunktional bewerteten Komplexität eines Systems in Bezug auf Anschlussoptionen an die Umwelt: Welche Anschlussoptionen und welche Nicht-Anschlussoptionen werden hinsichtlich des System / Umwelt-Kontaktes orientiert an den Sinndimensionen als bedeutsam bewertet? Inwiefern erscheinen Sinnbezüge des Systems vor diesem Hintergrund für Anschlussoptionen an die Umwelt als dysfunktional? Hinsichtlich der Anregung der Erweiterung von Auswahloptionen könnten diese Fragen durch folgende ergänzt werden: Wie kann eine Verteilung und Generierung von Sinn angeregt werden, der kommunikativ relevant ist? Welche Penetration kann aufgebaut werden hinsichtlich der Sinnbezüge, um die es aktuell geht?127 Werden Sinnverweise als problemwirksam bewertet, kann sich nach einer Veränderung der Anschlussoptionen ausgerichtet und ein Wechsel angeregt werden. Hier könnte sich folgende Fragestellung als hilfreich erweisen: Auf welche Optionen für potentielle Wechsel ist hin-deutbar?128 Im Sinne des Äquivalenzfunktionalismus (vgl. Fuchs 2011, 99) kann sich die Ausrichtung jedoch auch dem Lösungsversuch zuwenden: Für welches Problem kann der hin-beobachtete Sinnbezug, auf den über den kommunikativen Anschluss bzw. Nicht-Anschluss gedeutet wurde, eine Lösung sein? Lassen sich äquivalente Sinnbezüge als Lösungsversuche im Sinne einer Erweiterung der Anschlussmöglichkeiten anregen, die als weniger problemwirksam bewertet werden?129

Ausgehend von diesen Vorschlägen werden Möglichkeiten erkennbar, praxeologische Schlussfolgerungen aus der Verbindung zwischen empirischen Daten und 126 | Hinsichtlich der heilpädagogischen Praxis, die sich auf Kinder bezieht, könnte dies bedeuten, sich partizipativ auszurichten. Demgemäß könnte die Frage dahingehend konkretisiert werden: Inwiefern werden unterschiedliche Präferenzen von Kindern, sich sinnbezogen zu orientieren, als Irritationsmöglichkeit vom frühkindlichen Interaktionssystem berücksichtigt? 127 | Dieser Gedanke orientiert sich an der Frage von Fuchs, wie Kinder zu relevanten »Lärmmachern« des Interaktionssystems werden können, hinsichtlich von Zurechnungsmöglichkeiten auf sinnbezogenes Handeln (vgl. Fuchs 2002, 4). 128 | Schleiffer betont, dass eine Wahl grundsätzlich möglich bleiben muss, damit das System bestehen bleiben kann (vgl. Schleiffer 2012, 63). Erst über die Wahlmöglichkeit werden Sinnverweise in der Umwelt als Sinnoptionen erkennbar. Insofern wird erst über die Wahlmöglichkeit Sinn generierbar. So könnte man auch sagen, dass das System aus der Wahlmöglichkeit hervorgeht. Je mehr »Alternativität« und damit Wahlmöglichkeiten jetzt dem System zur Verfügung stehen, desto mehr Anschlussoptionen und damit (Über-)Lebens- oder auch Seinsoptionen hat es. 129 | Diese Fragestellung orientiert sich an der funktionalen Analyse der Systemtheorie (vgl. Luhmann 1997, 49) (vgl. Kapitel 3.1.2).

5.  Darstellung und Interpretation der empirischen Ergebnisse mit Thesenbildung

systemtheoretischen Überlegungen abzuleiten. Die Beobachtungsperspektive Professioneller wird hier dahingehend angeregt, Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen nicht als unveränderbar, sondern als kontingent zu unterscheiden und in diesem Sinne das frühkindliche Interaktionssystem auf Erweiterung von Synchronisationsmöglichkeiten hin zu irritieren. Die in den Kapiteln 5.1, 5.2, 5.3 und 5.4 ausgewerteten Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und Optionalen Wechsel werden für entsprechende Deutungsversuche als hilfreich erachtet. Nach dieser resümierenden Betrachtung und Interpretation der empirischen Daten und dem Ausblick auf Möglichkeiten der sozialen Adressenarbeit wird im Kapitel 6 der theoretische Bezug auf die Systemtheorie in Verbindung mit der empirischen Erhebung ausgewertet.

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6. Versuch der Verallgemeinerung und Ausblick mit Thesenbildung »Wer kontingent setzt, formuliert eine Zumutung. Und wer daher in diesem Stil beobachtet, verletzt.« B aecker 2012, 168

Einleitend wurde die Frage gestellt, ob es über die systemtheoretischen Begriffskonzepte möglich ist, Prozesse der Inklusion und Exklusion differenzierter zu beschreiben, um innerhalb des aktuellen pädagogischen Diskurses um Inklusion auf mehr Präzision und damit einhergehend auf mehr Beobachtungsmöglichkeiten zurückgreifen zu können. Entsprechende Unterscheidungen und Bezeichnungen wurden in Kapitel 2 angeboten. Aber als wie funktional beweisen sie sich nun in Bezug auf ein empirisches Forschungsvorhaben, das dem frühkindlichen Bildungsbereich zugeordnet wird? Über eine danach ausgerichtete Interpretation der Äußerungen von Kindern mit und ohne a. B. hinsichtlich ihrer Begegnungen mit Kindern mit und ohne a. B. in einer Kindertagesstätte wurden in Kapitel  5 Deutungsvorschläge unterbreitet. An dieser Stelle erfolgen ihre Analyse und Bewertung als verallgemeinernde Überlegungen, als Arbeit am Begriff (vgl. dritter Schwerpunkt der Arbeit, dargestellt in Kapitel 1). Folgende Fragestellungen fassen die Ausrichtung dieses Kapitels zusammen: Inwiefern erweisen sich die Begriffe der Systemtheorie als hilfreich, Beobachtungsmöglichkeiten inklusiver und exklusiver Prozesse anzureichern? Lässt sich ein Gewinn durch diese Betrachtungsweise verzeichnen? Inwiefern werden die systemtheoretischen Begrifflichkeiten als nicht ausreichend oder besonders herausfordernd eingeschätzt? Und inwiefern regen Äußerungen von Kindern im Alter früher Kindheit die systemtheoretischen Differenzierungen an oder erweitern sie (vgl. Kapitel 3.1.3)? Als Orientierungsstruktur dieser Form der Betrachtung dienen die Auswertungsebenen der Arbeit mit ihren verschiedenen Auswertungsschritten (vgl. Kapitel 4.2). Einleitend werden von diesen unabhängige Aspekte reflektiert. Mit einer abschließenden Betrachtung sowie einem Ausblick endet dieses Kapitel. Wesentliche Ergebnisse bezüglich der verschiedenen Deutungsoptionen werden über Thesen zusammengefasst. Hinsichtlich der Tragweite der hier vorgestellten Überlegungen muss betont werden, dass nicht intendiert ist, die Systemtheorie weiterzuentwickeln. Sie ist empirisch nicht beweisbar (vgl. John, Henkel, Rückert-John 2010, 325). Aber sie kann in Bezug auf ihre Plausibilität und Funktionalität hin beobachtet werden.

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Entsprechend konstatieren John, Henkel und Rückert-John: »Empirie ist ein Teil der Praxis der Theorie. Erst daran beweist sie ihre Praktikabilität« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 322). In diesem Sinne bieten die Ergebnisse auch Impulse für weitere Theoriearbeit an. Allgemeine Anmerkungen Als durchgehende Herausforderung im Auswertungsverfahren stellte sich dar, die abstrakte Ebene der systemtheoretischen Unterscheidungen für die Interpretation der empirischen Daten zu simplifizieren. Beispielhaft zu nennen ist hier, dass im pädagogischen Kontext immer Bezug genommen wird auf Menschen, die aus systemtheoretischer Sicht nicht als Analyseeinheit gelten (vgl. Kapitel 2.4 und 3.3). Jedoch ist auch nicht zu erwarten, »[…] dass Theorie als eine Praxis der Auslegung selbst geschaffener Probleme mit der außerwissenschaftlichen Praxis korreliert« (John, Henkel, Rückert-John 2010, 323). Hilfreich war hinsichtlich dieses Problems, zum Zwecke der Fokussierung der Schwerpunktsetzung, verschiedene Auswertungsebenen als Auswertungsstruktur zu konzipieren und die Beobachtungsebenen zu nutzen (vgl. Kapitel 4.2). Darüber hinaus ermöglichte die Definition der wissenschaftlichen Beobachtungsposition (vgl. Kapitel 3.2.2) einen Standpunkt, von dem ausgehend auf Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und Optionale Wechsel hin-gedeutet werden konnte (vgl. Kapitel 3.3). Dadurch wurde kompensiert, dass jede Operation eines autopoietischen Systems nicht einsehbar (operational geschlossen) und damit jeder Anschluss bzw. Nicht-Anschluss unberechenbar (kontingent) ist und sich immer auch anders darstellen kann, als er ausgehend von den dargelegten wissenschaftlichen Überlegungen hier beobachtet wurde und schlüssig erschien. Dass diese wissenschaftliche Perspektive als eigenständige Beobachtungsposition über ihren Standpunkt immer nur als Vorschlag und Darlegung einer Möglichkeit von vielen zu verstehen ist, wurde damit berücksichtigt und innerhalb der verschiedenen Kapitel durchgehend verdeutlicht. So lassen sich die dargebotenen Verstehensversuche Beobachtungsebenen und -positionen zuordnen und laden dadurch explizit zur Gegenbeobachtung durch andere Perspektiven und Unterscheidungen ein (vgl. Kapitel 3.3). Im Folgenden werden die hier relevant gewordenen Differenzierungsmöglichkeiten im Einzelnen interpretiert und bewertet. Referenz auf kindliche Äußerungen Äußerungen von Kindern im Alter früher Kindheit mit und ohne a. B. können als ausreichend komplex für eine systemtheoretische Interpretation bewertet werden (vgl. ergänzend Kapitel 4.1.3.3). Wie in Kapitel 5 gezeigt, ermöglichen sie das HinBeobachten von Sinngenerierungs- und Sinnverteilungsprozessen, durch die wiederum die Relevanz sozialer Adressen hinsichtlich inklusiver und (bestimmter) exklusiver Prozesse deutbar wird. Darüber hinaus wurde primär in Kapitel 5.4 erkennbar, dass einzelne Äußerungen sogar einen Bezug auf die Beobachtungsebene zweiter Ordnung erlauben.1 Insofern kann auch nach der Auswertung und Inter1 | Hierüber lässt sich die in Kapitel 4.1.1.1 dargestellte Einschätzung von Trautmann relativieren, dass Kinder unter dem sechsten Lebensjahr noch nicht die mentale Repräsentationsfähigkeit besitzen, zwischen dem eigenen Erleben und dem eines anderen zu unterscheiden, und ihre Sprache noch nicht souverän verwenden. Nach der Auswertung der kindlichen Äuße-

6.  Versuch der Verallgemeinerung und Ausblick mit Thesenbildung

pretation der Daten resümiert werden, dass sich die kommunikativen Anschlüsse, die sich an fünf- und sechsjährigen Kindern mit und ohne a. B. hin-beobachten lassen, für das hier gewählte Forschungsdesign als legitim erweisen (vgl. Kapitel  4.1.3.2). Als hilfreich, diesbezügliche Sinngenerierungsprozesse anzuregen, wurden Frageformen aus dem Methodenspektrum der systemischen Therapie und Beratung ausgewertet (vgl. Kapitel 4.1.3 und 5.1.2). So wird als These entwickelt: These 1 / 6 Sinngenerierungs- und Sinnverteilungsoptionen sind als psychische und soziale Anschlüsse an Äußerungen von fünf- und sechsjährigen Kindern mit und ohne a. B. über eine wissenschaftliche Beobachtungsposition hin-beobachtbar. Deutungsmöglichkeiten orientiert am Beobachtungsschema Inklusion / Exklusion In der Einleitung wurde der Diskurs um Inklusion dargestellt (vgl. Kapitel 1). Dieser berücksichtigt in seinen Bezügen kaum Exklusion (vgl. Kreuzer 2008, 31).2 Aus systemtheoretischer Sicht wird Exklusion im Kontext von Inklusion immer mitgedacht. Als das Besondere dieser Betrachtungsweise wurde deutlich, dass Exklusion systemtheoretisch gesehen nicht generell als negativ bewertet wird, sondern als ebenso funktional wie Inklusion, um autopoietisches Operieren zu ermöglichen und die Fortsetzungsmöglichkeiten autopoietischer Systeme aufrechtzuerhalten (vgl. Kapitel 2.6).3 Das zeichnet diese Betrachtungsweise vor anderen aus. Entsprechend wurden Inklusion und Exklusion in Kapitel 2.6 als zweiwertiges Beobachtungsschema vorgestellt. Schon dadurch ist der aktuelle Diskurs um Inklusion mit dem einleitend problematisierten unterkomplexen Verständnis von Inklusion wesentlich mit Differenzierungsmöglichkeiten anzureichern. Im ersten Auswertungsschritt der zweiten Auswertungsebene zeigte sich, dass Inklusion und (bestimmte) Exklusion über die Unterscheidung von Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen am empirischen Material wissenschaftlich hin-beobachtbar sind (vgl. Kapitel 4.2.2.1). Insofern formuliert diese Arbeit Wege, sich sowohl mit Passungsverhältnissen als auch mit dem Scheitern des Anschlusses (mit Nicht-Passungsverhältnissen) auseinanderzusetzen. Die von Nassehi vorgeschlagene Differenzierung zwischen bestimmter und unbestimmter Exklusion stellt sich dafür als bedeutsam dar (vgl. Kapitel 2.6.2 und 5.2). Über den zweiten und dritten Schritt der zweiten Auswertungsebene wurde auf weitere Differenzierungsangebote der Systemtheorie voneinander getrennt hin-beobachtet (vgl. Kapitel 4.2.2). Darüber war es möglich, relevante Aspekte im Kontext von Inklusion und Exklusion, die in Kapitel 2.5 eingeführt wurden, gezielt rungen ist seine Empfehlung in Frage zu stellen, Kinder erst nach dem Schuleintritt als Probanden für ein Interview ins Auge zu fassen (vgl. Trautmann 2010, 62). Zur weiteren Vertiefung kann auf die Ausführungen von Bischof-Köhler über Theory of Mind verwiesen werden, in denen sie darlegt, dass bereits Kinder ab dem Alter von 4 Jahren in der Lage sind, Theory of Mind in vielerlei Hinsicht zu leisten (vgl. Bischof-Köhler 2011, 325-379). 2 | So weist beispielsweise Kreuzer darauf hin, dass es wenig wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Scheitern von Kontakten gibt (vgl. Kreuzer 2008, 31). 3 | In welcher Hinsicht auch aus systemtheoretischer Sicht Exklusion negativ bewertet wird, ist ebenfalls in Kapitel 2.6 dargelegt.

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zu interpretieren. Beispielhaft dafür können das Differenzieren sozialer Adressen hinsichtlich der unterschiedlichen Bedeutung von Rollen- und Personenzuschreibungen, die Problemwirksamkeit prozesshafter Verläufe, das Differenzieren von Strukturen als Kombinationsmöglichkeiten, die Relevanz der Synchronisation von Sinnbezügen, die Zurechnung auf Komplexität und die Analyse von Strapazen genannt werden. Die entsprechend in Kapitel 5 dargebotenen Sinnverweise können Professionelle anregen, Passungsverhältnisse und Nicht-Passungsverhältnisse und damit auch Formen von Strapazen für Sinnsysteme in vagen und hochkomplexen Situationen der Pädagogik zu erkennen. Insofern wird die Berücksichtigung der Funktionalität von Nicht-Anschlussoptionen (Exklusion) neben der von Anschlussoptionen (Inklusion) als eine wesentliche Bereicherung der »Arbeit am Begriff« bewertet. Als klärend, wenn auch einschränkend für den Geltungsbereich der vorgestellten Ergebnisse, soll an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, dass auf unbestimmte Exklusion im Rahmen dieser Arbeit nicht gedeutet wurde. Diese Form der Exklusion konnte durch das gewählte Erhebungs- und Auswertungsverfahren nicht ermittelt und interpretiert werden (vgl. Kapitel 5.2). Wie dargestellt, geht Nassehi davon aus, dass in jeder sozialen Operation sowohl bestimmte als auch unbestimmte Negation vorhanden ist (vgl. Kapitel 2.6.2). Vergleichbar wurde orientiert an Luhmann darauf hingewiesen, dass ein Bezug auf Sinn immer Ausgeschlossenes voraussetzt (vgl. Kapitel 2.3 und 3.2.3), auf das sich in dieser Arbeit nicht bezogen wurde (vgl. Kapitel 3.3). Somit bleibt ein wesentlicher Teil, der für inklusive und exklusive Prozesse bedeutsam ist, hier unerkannt und unbenannt, ein »unmarked space«. Inwiefern dieses Unerschlossene über weitere Beobachtungsperspektiven, beispielsweise durch ein anderes Forschungsdesign, das anhand von Videoanalysen stärker non-verbale Äußerungen berücksichtigt, erkennbar wird, könnten anschließende Forschungsprojekte zeigen. Dass dieser unerschlossene Teil für die Fragestellung der Arbeit als wesentlich zu bewerten ist, wird beispielhaft daran deutlich, dass selbst Wissenschaftler_innen in der heil- und sonderpädagogischen Forschung im Kontext von adressierter Behinderung überwiegend Menschen mit adressierter Behinderung für kommunikativ nicht relevant erachten (vgl. Kapitel 4.1.1.2). Die theoretisch dargelegte, für die Fortsetzung autopoietischen Operierens besonders entscheidende Option, zwischen Anschluss- und Nicht-Anschluss zu wechseln (vgl. Kapitel 2.5.2 und 2.6.1), wurde hingegen über die Deutung auf den Optionalen Wechsel möglich. Im Rahmen der Interpretation des empirischen Materials konnten seine Relevanz bestätigt und diesbezügliche Beobachtungsmöglichkeiten weiter differenziert werden (vgl. Kapitel 5.3). Darüber hinaus regte diese Option an, in der professionellen Adressenarbeit die Perspektive auf Kontingenz zu richten (vgl. Kapitel 5.5). Vor diesem Hintergrund wird als These aufgestellt: These 2 / 6 Die Möglichkeit, neben inklusiven auch (bestimmte) exklusive Prozesse einzubeziehen und auf einen Wechsel zwischen Inklusion und (bestimmter) Exklusion hin-beobachten zu können, konturiert die Unterscheidungsoptionen innerhalb des aktuell geführten Inklusionsdiskurses wesentlich.

6.  Versuch der Verallgemeinerung und Ausblick mit Thesenbildung

Deutungsmöglichkeiten orientiert an den Sinndimensionen In den Kapiteln 2.2.2 und 5.5 wurde bereits auf die besondere Bedeutung der Sinndimensionen füreinander hingewiesen. Es wurde aufgezeigt, dass auf eine einzelne Dimension von Sinn nur bei starker Reduktion der systemtheoretischen Differenzierungsmöglichkeiten hin-deutbar ist. Im Auswertungsverfahren stellte diese Reduktion die größte Gefahr dar, mit den wissenschaftlichen Deutungsversuchen den Sinnbezügen der sozialen und psychischen Systeme nicht zu entsprechen. Sich vor diesem Hintergrund innerhalb der verschiedenen Auswertungsschritte immer wieder auf pragmatische Lösungen einzulassen und die damit verbundenen Simplifizierungen zu verantworten, wurde durchgehend als Herausforderung erlebt. Die hier vorgeschlagene Lösung, einem Sinnverweis mehrere Subkategorien zuzuordnen, wenn eine Äußerung eine entsprechende Ausprägung hatte, wurde an mehreren Stellen genutzt und wird als Möglichkeit der Minimierung dieses Problems bewertet. In Kapitel 5.5 wurden hinsichtlich der Arbeit an der sozialen Adresse Fragestellungen für die Deutung auf die Dimensionen von Sinn entwickelt. Es wurde vorgeschlagen, sie als Verweisungsstruktur von Sinn zu begreifen, mit anteilig unterschiedlich dominantem Einfluss auf die Bildung der aktuell relevanten Form von Sinn. Neben dieser praxisbezogenen Anregung repräsentiert sie die Möglichkeit, über die Verbindung zwischen systemtheoretischen Begrifflichkeiten und empirischen Daten den Beobachtungsfokus zu spezifizieren. Wie in Kapitel  4.2.2.2 dargelegt, wurde ebenso die Struktur des Codierleitfadens durch Beobachtungen aus dem Material ergänzt. Diese Möglichkeit der Mischform zwischen deduktiver und induktiver Vorgehensweise erwies sich als hilfreicher Weg, Sinnbezüge zu unterscheiden, sie schärfer zu fassen und detaillierter zu interpretieren. Als beispielhaft können hier die Codes »Grenzsetzungen missachtend«, »Beschimpfungen« und »körperlich aggressiver kommunikativer Anschluss« in Bezug auf Personenzuschreibungen innerhalb von Nicht-Anschlussoptionen angeführt werden. Durch diese Unterscheidung war es möglich, die deduktiv vorgeschlagenen Deutungsoptionen auf die Sozialdimension von Sinn kontextbezogener (ausgerichtet auf Interaktionen in Kindertagesstätten) hinsichtlich ihres Exklusionspotentials für Kinder mit und ohne a. B. zu interpretieren als ohne diese Ergänzung aus dem Material (vgl. Kapitel 5.2.1). Das führt zu folgender These: These 3 / 6 Die Sinndimensionen stellen für das Hin-Beobachten auf Inklusion und (bestimmte) Exklusion eine hilfreiche Differenzierungsstruktur dar. Es ist möglich, sie durch Beobachtung eines Interaktionssystems zu konkretisieren und sie funktional betrachtet im Hinblick auf aktuelle Sinnbezüge zu gewichten. Darüber hinaus kann die ebenfalls induktiv gewonnene Subkategorie »Raumdimension« als relevante Erweiterung bewertet werden (vgl. Kapitel 5.1.4 und 5.2.4). In der Interpretation der Daten wurde erkennbar, dass über sie Bezeichnungen möglich werden, die sich von denen der anderen Sinndimensionen unterscheiden. Der in Kapitel 4.2.2.2 vorgeschlagene Unterscheidungshorizont hier / dort erwies sich dafür als gute Orientierung. Luhmann schreibt, dass sich Raumverhältnisse nicht allein auf Sprache zurückführen lassen. Der Körper als Orientierungspunkt,

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der immer ein beobachteter ist (vgl. Balgo 2010, 102), scheint hier eine zentrale Bedeutung zu erlangen. In der Auswertung und Interpretation der Daten zeigten sich selbst- und fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum als Möglichkeit, sich potentiellen Funktionen der Raumverweise anzunähern. Über selbstreferenzielle Bezüge auf den Raum war es beispielsweise möglich, Mitteilungshandlungen dem Interaktionssystem unter Zuhilfenahme des Körpers strukturreicher darzubieten (vgl. Beispiel Merle in Kapitel 5.1.4). Über fremdreferenzielle Bezüge auf den Raum konnte die Umwelt mannigfacher differenziert werden (vgl. Verweise auf verschiedene Räumlichkeiten in der Einrichtung und der Abstände von Körpern zueinander in Kapitel  5.1.4). Überdies geriet die Anwesenheit bzw. Abwesenheit von Körpern in den Fokus der Betrachtung. Für die zwischenmenschliche Interpenetration ist die Referenz auf den Körper und somit seine Anwesenheit in erreichbaren Räumen Voraussetzung (vgl. Kapitel  2.5.1). In der Auswertung der Daten wurde deutlich, dass die ungleiche Verteilung der Probandengruppen in der Institution KiTa die Sinnverteilungs- und Sinngenerierungsoptionen der Kinder mit a. B. im Verhältnis zu Kindern ohne a. B. schmälert (vgl. Kapitel 5, Einleitung). U. a. darüber wurde erkennbar, dass ihre diesbezüglichen Chancen der Inklusion und Exklusion nicht gleich »verteilt« sind. Davon ausgehend wurde in Kapitel 5.1.4 die Raumdimension als besonders bedeutsam für inklusive Prozesse im Kontext von Behinderung bezeichnet. Zusammenfassend wird die Raumdimension (zunächst vorläufig), ausgehend von den hier skizzierten Verweisungsstrukturen, als eine aus dem empirischen Material gewonnene relevante Ergänzung der bestehenden systemtheoretischen Differenzierungsmöglichkeiten von Sinn bewertet. Ihre Theoriekonsistenz ist jedoch über Folgearbeiten zu prüfen. In Bezug auf den Raum wird als These formuliert: These 4 / 6 Die Raumdimension wird in der Beobachtung und Interpretation eines frühkindlichen Interaktionssystems als relevante Ergänzung zur Sach-, Sozial- und Zeitdimension aufgefasst, um inklusive und (bestimmte) exklusive Prozesse zu differenzieren. Auf die Zeitdimension zu deuten, wurde bereits in den Kapiteln 4.2.2.2, 5.1.3 und 5.2.3 als besonders schwierig beschrieben. Über die Codes Zeitspanne und Zeitpunkte sowie über die Beobachtung der Spiel-Sinnzeit wurde der Versuch unternommen, dennoch entsprechende Sinnverweise zu differenzieren. Davon ausgehend konnten einige bedeutsame Aspekte hinsichtlich inklusiver und exklusiver Prozesse herausgearbeitet werden. Beispielhaft zu nennen ist hier, dass sowohl Kinder mit als auch Kinder ohne a. B. in Bezug auf die Spiel-Sinnzeit auf Zeitspannen Bezug nehmen, die bis auf den Spielentwicklungsstand eines einjährigen Kindes zurückreichen. Über einen Vergleich der Verschlüsselungen konnte aufgezeigt werden, dass an Kindern mit a. B. diesbezüglich weniger mannigfach Sinnzeitbezüge hin-beobachtet wurden als an Kindern ohne a. B. Da die Zeitdimension im systemtheoretischen Diskurs als die zentrale Sinndimension bewertet wird (vgl. Kapitel 2.2.2), sie jedoch im Auswertungsverfahren anhand der generierten Daten den geringsten Umfang einnahm, scheint es erforderlich, sich über ein anderes

6.  Versuch der Verallgemeinerung und Ausblick mit Thesenbildung

Forschungsdesign dieser besonderen Dimension noch einmal explizit zu widmen.4 Darüber hinaus wurde einleitend in dieses Kapitel vorgestellt, dass Mehrfachnennungen von Kindern bei der hier beabsichtigten Deutung auf Varianz überwiegend nicht berücksichtigt werden konnten. Vor dem Horizont der Sinnzeit erlangen sie jedoch Bedeutung. Auch hierauf ist über Anschlussarbeiten verstärkt einzugehen. Vor diesem Hintergrund werden an dieser Stelle Grenzen hinsichtlich des hier gewählten Erhebungs- und Auswertungsverfahrens erkennbar und als Ergebnis festgehalten. Deutungsmöglichkeiten durch die Unterscheidung sozialer und psychischer Anschlussoptionen Inklusive und exklusive Prozesse über psychische und soziale Anschlussoptionen bzw. Nicht-Anschlussoptionen differenzieren zu können, wurde im methodologischen Teil der Arbeit als eine wesentliche systemtheoretische Unterscheidungsmöglichkeit eingeführt (vgl. Kapitel  3.3). Über den systemtheoretischen Beobachtungsbegriff und unter Berücksichtigung der daran orientierten wissenschaftlichen Beobachtungsposition (als beobachtendes Verstehen), die das wissenschaftliche Hin-Beobachten auf Sinnverweise erlaubt, war es möglich, psychisches und soziales Verstehen (als operative Anschlüsse) trotz der operationalen Geschlossenheit sozialer und psychischer Systeme zu deuten. In der Auswertung der Daten wurde das durch die Unterscheidung zwischen »Bezügen auf Kinder« (als sozialer Sinnverweis) und dem »Generieren von Sinnbezügen« (als psychischer Sinnverweis) umgesetzt (vgl. Kapitel 5, Einleitung). Wie sich im gesamten Kapitel 5 zeigt, wurden dadurch noch weitere Unterscheidungsoptionen im Hinblick auf Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen möglich. Exemplarisch zu nennen sind hier die an Kindern mit und ohne a. B. zum Teil unterschiedlich ausgewerteten Möglichkeiten, Sinn vielfältig zu generieren und an sie als Mitteilungshandelnde variationsreich anzuschließen (vgl. Kapitel  5.5 These 1 / 5). So konnte durch diese Deutungsunterscheidung beispielsweise mehrfach hin-beobachtet werden, dass vergleichbar breit Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde in Bezug auf einen Sinnverweis unterschieden werden, sich jedoch der an ihnen hin-beobachtete Strukturreichtum in der Bildung des entsprechenden Sinnverweises unterscheidet (vgl. Interpretation der Rollen und Rollenzuschreibungen in Kapitel 5.2.1). Darüber hinaus konnten Sinnverweise differenziert werden, die von Kindern mit und ohne a. B. vergleichbar mannigfach generiert wurden, bei denen jedoch an Kinder mit und ohne a. B. unterschiedlich breit angeschlossen wurde (vgl. Deutung auf Anschlüsse im Alltag in Kapitel 5.1.2). Ebenso wurde darauf gedeutet, dass beide Optionen differieren. So wurde beispielsweise beobachtbar, dass in Bezug auf einen Code Kinder ohne a. B. vielfältiger Sinnverweise generieren, an Kinder mit a. B. jedoch mannigfacher angeschlossen wurde. Die Verschlüsselungen des Optionalen Wechsels stellen eine solche Möglichkeit dar (vgl. Grafik 1 / 5.3 und 2 / 5.3). Entsprechend wird folgende These formuliert:

4 | Vermutet wird, dass auch hier beispielsweise Beobachtungs- oder Videoanalysen eine wissenschaftliche Beobachtungsperspektive ermöglichen, die die in dieser Arbeit eingenommene Perspektive anreichert und entsprechend das Forschungsergebnis ergänzt.

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These 5 / 6 Die Möglichkeit, auf soziale und psychische Anschluss- bzw. Nicht-Anschlussoptionen getrennt voneinander deuten zu können, berücksichtigt die operationale Geschlossenheit autopoietischer Systeme im Auswertungsverfahren und ermöglicht Interpretationsoptionen der für inklusive und exklusive Prozesse relevanten zwischenmenschlichen Interpenetrationsprozesse. Deutungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund des Adressenfragmentes Behinderung Für die Deutung auf das Adressenfragment Behinderung musste die Differenz behindert / nicht behindert eingezogen werden. Die entsprechende Adressierung der Kinder über »a. B.«, orientiert an den Zuschreibungen als behindert oder von Behinderung bedroht innerhalb der KiTa, ermöglichte eine solche Unterscheidung im Auswertungsverfahren. Einmal mehr wurde damit ein Zugang konstruiert, der innerhalb vieler Diskurse als unumstößliche Realität erscheint, Behinderung an Personen festzuschreiben und damit ein Angebot bereitzustellen, sie als wesensmäßig bestimmbare Entitäten aufzufassen (vgl. Balgo 2010, 115) und im Sinne einer Zwei-Gruppen-Theorie zu denken (vgl. Boban, Hinz 2004, 3), auch wenn hier nicht auf Personen, sondern auf Äußerungen hin-gedeutet wurde. Mit der Bezeichnung »adressierte Behinderung« und der Differenzierung von Adressenfragmenten (vgl. Kapitel  2.4) wurde der Versuch unternommen, diese Markierung als Konstruktionsprozess zu deklarieren und damit durchgängig die Beobachterperspektive einzubeziehen, die diese hervorbringt, entsprechend der systemtheoretischen Perspektive, Behinderung als Ergebnis gestörter Koppelung zu begreifen, die im Zwang zur Selbstsimplifizierung der Kommunikation hin-beobachtet und Handelnden zugeschrieben wird, jedoch nicht in diesen zu finden ist (vgl. Kapitel 2.4). Dieser Definitionsvorschlag wird ebenfalls als Differenzierungsangebot für den Inklusionsdiskurs bewertet (vgl. Kapitel 1). Über die Adressierung der Kinder als Kinder mit und ohne a. B. war es jedoch möglich, Behinderung als Fragment der sozialen Adresse ins Auswertungsverfahren einzubeziehen (vgl. Kapitel 4.2.2.3), es im Kontext von Inklusion und Exklusion zu berücksichtigen und zu interpretieren. Hinsichtlich einzelner Sinnbezüge wurden dadurch spezifische Passungs- und Nicht-Passungsoptionen erkennbar, die für Anschlussoptionen und Nicht-Anschlussoptionen als bedeutsam und für professionelle Adressenarbeit als relevant bewertet werden. Jedoch wurde auch deutlich, dass das Adressenfragment Behinderung selbst für Kinder nicht als hilfreiche Kategorie bezeichnet werden kann. Es wurde dargestellt, dass es in keiner Kategorie verschlüsselt wurde. Entsprechend soll hier der Vorschlag von Fuchs aufgegriffen werden, Behinderung »um-zu-beobachten« bzw. zu »de-ontologisieren« (vgl. Fuchs 2012f, 52) und stärker, wie in dieser Arbeit angeregt, konkrete Sinnbezüge als Optionen für soziale Anschlüsse und Nicht-Anschlüsse in den Blick zu nehmen (vgl. Kapitel 2.5.1). So wird vorgeschlagen, sich grundsätzlicher, wie in dieser Arbeit erfolgt, danach auszurichten, was als Nicht-Passungsverhältnis, Barriere oder auch Strapaze im Rahmen des Nicht-Anschlusses bewertet wird und was als Passungsverhältnis einen

6.  Versuch der Verallgemeinerung und Ausblick mit Thesenbildung

Anschluss ermöglicht bzw. was zu einer Wende zwischen Inklusion und Exklusion führt.5 Daraus lässt sich folgende These ableiten: These 6 / 6 Der systemtheoretische Inklusions-  /  Exklusionsbegriff verweist als Beobachtungsschema nicht auf das Adressenfragment behindert, sondern auf Passungsund Nicht-Passungsoptionen im Hinblick auf den kommunikativen Anschluss an soziale Adressen. Um Behinderung im Auswertungsverfahren zu berücksichtigen, muss sie explizit Kindern zugeschrieben werden. Diese Notwendigkeit sensibilisiert für den Konstruktionsprozess, der mit dieser Zuschreibung einhergeht, und für die Generierung dieser Differenz. Zudem werden andere Unterscheidungsoptionen angeregt. Ausblick In dieser Arbeit wurde der Versuch unternommen, ein empirisches Forschungsvorhaben mit den Differenzierungsangeboten systemtheoretischer Begrifflichkeiten als Arbeit am Begriff auszuwerten und zu interpretieren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass diesbezüglich vielfältige Ergebnisse zur Verfügung stehen. Dabei haben sich das empirische Material und die bestehenden systemtheoretischen Begriffe gegenseitig angeregt. Es ist deutlich geworden, dass über systemtheoretische Unterscheidungsvorschläge hinsichtlich inklusiver und (bestimmt) exklusiver Prozesse differenzierte Deutungsoptionen bestehen, inwiefern Kinder mit und ohne a. B. füreinander kommunikativ relevant sind und sich auf sie als »Sagende«, »Lärmerzeugende«, »Sinngenerierende« bezogen wird bzw. inwiefern nicht (vgl. Kapitel  1, 2.2.3 und 2.4). Das Angebot, psychische und soziale Anschlüsse als eigenständige Optionen in dieser Hinsicht zu berücksichtigen, also sowohl auf die Sinngenerierung als auch auf den kommunikativen Anschluss hin beobachten zu können (vgl. Kapitel  3.3) und dabei jeweils die verschiedenen Dimensionen von Sinn als relevante Variablen einer Verweisungsstruktur mit verschiedenen Unterscheidungsoptionen zu begreifen (vgl. Kapitel 4.2.2.2), stellt eine Auswahl von Beobachtungs- und Interpretationsmöglichkeiten bereit, die für die hochkomplexe Praxis als funktional bewertet wird. Diesbezügliche Möglichkeiten wurden exemplarisch in Kapitel  5 dargelegt. Als wie zentral dabei genau diese Möglichkeit des kommunikativen Anschlusses bzw. seiner Zuschreibung und die davon ausgehende Deutung auf ausreichend passende psychische Eigenkomplexität hinsichtlich des aktuell relevanten Sinnbezugs für Sinnsysteme zu bewerten sind, zeigte sich durch diesen Zugang 5 | Auch auf der Jahrestagung der Inklusionsforscher_innen 2014, veranstaltet von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, wurde deutlich, dass der Barrierebegriff nicht ausreichend definiert ist. Krönig weist auf seine Konstruktionsabhängigkeit hin: »Barrieren sind als kontingent und konkretisiert erfahrene Widrigkeiten, die sich nur in Situation, d. h. im Lichte subjektiver Entwürfe zeigen und gleichwohl der Spontaneität dieser Entwürfe in nicht feststellbarem Umfang entgehen« (zur Verfügung gestellter Arbeitsbegriff von Barriere von Krönig, vorgestellt auf der Jahrestagung der Inklusionsforscher_innen 2014 in Frankfurt am Main; vgl. Krönig 2015, 40-50). Das stützt den hier formulierten Vorschlag, sich stärker mit dem zu beschäftigen, wie systembezogen Prozesse der Inklusion und Exklusion beobachtet werden.

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durchgehend und damit auch die Relevanz des Interpenetrationsverhältnisses zwischen psychischem und sozialem System. Zudem wurde die im höchsten Maße beobachterabhängige und situationsgebundene Bedeutung von Inklusion und Exklusion erkennbar und damit, wie wenig festlegbar, bestimmbar und »entscheidbar« (vgl. Kapitel 2) inklusive und exklusive Prozesse sind.6 Gleichwohl konnten ausgehend von dem hier gewählten Vorgehen Anregungen für die (heilpädagogische) Praxis als Arbeit an der sozialen Adresse vorgeschlagen werden (vgl. Kapitel 5.5). In der zusammenfassenden Betrachtung wird der hier vorgenommene Versuch, inklusive und exklusive Prozesse in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen über systemtheoretische Begriffskonzepte zu beobachten, zu verstehen und anzuregen als (eine) gangbare und bedeutsame Möglichkeit im aktuellen Diskurs um Inklusion gesehen.7 Über die systemtheoretischen Differenzierungsangebote konnte die Komplexität empirischer Daten (und damit auch Prozesse in der heilpädagogischen Praxis) so reduziert werden, dass es möglich wurde, ein Erhebungs- und Auswertungsverfahren zu konzipieren, über das sich auf soziale Relevanz (und damit auf inklusive und exklusive Prozesse) hin-deuten lässt. Insofern wird hinsichtlich der eingangs gestellten Frage (vgl. Kapitel 1) die These aufgestellt: These 7 / 6 Die systemtheoretischen Begriffskonzepte erweisen sich als funktional, um ein Beobachtungs- und Auswertungsverfahren zu konzipieren, das das Hin-Deuten auf inklusive und exklusive Prozesse ermöglicht und den Transfer zu einer empirischen Studie zu vollziehen. Insofern reichern sie den Diskurs um Inklusion und die (heilpädagogische) Praxis mit wesentlichen Differenzierungsmöglichkeiten an. Sich im Weiteren den anderen Ebenen von Sozialsystemen (Organisationen und Funktionssystemen der Gesellschaft) hinsichtlich potentieller Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen der sich an Kindern mit und ohne Behinderung ausflaggenden Sinnbezüge zuzuwenden und die diesbezügliche Relevanz ihres kommunikativen Anschlusses wissenschaftlich zu beobachten, wird als konsequente Weiterentwicklung des hier begonnenen Vorgehens betrachtet und für sinnvoll und notwendig erachtet. Denn: »Inklusion bedeutet, daß alle Funktionskontexte für alle Teilnehmer des gesellschaftlichen Lebens zugänglich gemacht werden […]« (Luhmann 1986, 160). Abschließend wird die in diese Arbeit einleitende Frage nach den Beobachtungs- und Anregungsmöglichkeiten auf Erfolgschancen des Anschlusses an Kom­ munikation vor dem Hintergrund der vorangegangenen Auswertung wieder aufgegriffen.

6 | So wird verstehbar, warum der aktuelle Diskurs um Inklusion so umfangreich, kontrovers und breit geführt werden muss und weit über den Bezug auf das Adressenfragment behindert  /   n icht behindert hinausgeht. 7 | Dass das hier Erarbeitete dabei nur als ein Zwischenschritt zu bewerten ist, verdeutlichen u. a. die an vielen Stellen aufgezeigten eingeschränkten Beobachtungsperspektiven und die Verweise auf für erforderlich gehaltene weitere Forschungsarbeiten.

7. Schlussbemerkung »Jeder darf im Prinzip alles wissen, und die Kriterien für Wahrheit / F alschheit werden auf intersubjektive Bewährung abgestellt.« L uhmann 1986, 160

Einleitend wurde anlässlich des aktuellen Diskurses um Inklusion die Frage aufgeworfen, wie sich im Kontext von Behinderung auf Erfolgschancen des Anschlusses an Kommunikation hin-beobachten lässt, die die (Welt-)Gesellschaft hervorbringt und die von allen damit potentiell beobachtbar und entsprechend relevant ist (vgl. Weisser 2010, 32 in Kapitel 1). Es wurde vorgeschlagen, diese Möglichkeiten, orientiert an den systemtheoretischen Differenzierungsangeboten, an einem empirischen Forschungsvorhaben in Bezug auf Interaktionen, die an Kindern im Alter früher Kindheit in einer Kindertagesstätte hin-beobachtet wurden, zu erproben. Durch die systemtheoretische Perspektive wurde deutlich, dass das im Fokus des öffentlichen Diskurses stehende räumliche Zusammensein, also der Einschluss, eine Eingangsvoraussetzung darstellt, dass an die Kommunikation sich wechselseitig wahrnehmender Kinder mit und ohne a. B. angeschlossen wird (vgl. Kapitel 5.1.4), dass jedoch das Erkennen dieser Kinder als relevant für einen kommunikativen Anschluss weit mehr voraussetzt als die räumliche Nähe zu ihren Körpern. Neben dem Einschluss ihrer Körper erwies sich hierfür der Anschluss an Sinn als zentral, womit insbesondere psychische und soziale Operationen in den Fokus der wissenschaftlichen Analyse gerieten. Davon ausgehend erfolgte der Versuch, unter Berücksichtigung der Perspektive, die Kindern zugerechnet wird, exemplarisch Bedeutsamkeiten für sinnspezifische Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen zu differenzieren. In Kapitel  5 wurden diesbezüglich verschiedene soziale, sachliche, zeitliche und raumbezogene Unterscheidungsmöglichkeiten vorgestellt, wie Kinder mit und ohne a. B. für Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde als wichtig bewertet und für die Generierung bzw. als Verteiler_innen von Sinnbezügen erkennbar werden. Ebenso konnte bezeichnet werden, inwiefern sie Mitteilungshandlungen als irrelevant oder strapaziös bewerten, das heißt, wovon sie sich abwenden. Entsprechend der theoretisch dargelegten Unberechenbarkeit und Kontingenz autopoietischen Operierens, hat sich in der Auswertung der empirischen Daten bestätigt, dass nicht ein einziger Weg zu finden ist, über den Sinnsysteme im Sinne inklusiver Prozesse aneinander anschließen oder über den diese Systeme problemwirksame Sinnangebote in ihrer Umwelt durch Exklusionsprozesse kompensieren. Solche Bewertungen wurden als äußerst systemspezifisch funktional beobachtet.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Unter Berücksichtigung dieser Vagheit sind Wahlmöglichkeiten der Bezüge auf Sinn als besonders günstige Optionen in den Fokus gelangt, die es ermöglichen, eine Erweiterung von Passungsoptionen und damit Inklusion anzuregen. Ausgehend von diesen Ergebnissen könnte sich die Beobachtung von Erfolgschancen des Anschlusses an das Interaktionssystem darauf beziehen, ob und in welchem Maße psychisch und sozial Sinnbezüge wählbar sind und ob ein Wechsel zwischen Anschluss und Nicht-Anschluss vor dem Hintergrund dessen, worum es dem Beobachter aktuell geht, möglich ist. Im Hinblick darauf, soziale Systeme (und damit potentiell auch psychische) irritieren zu können, also kommunikativ relevant zu sein, wurde als bedeutsam herausgearbeitet, als aktuell wichtige soziale Adresse bezeichnet zu werden. Somit ist die Zuschreibung entsprechender Relevanz für Kinder mit und ohne a. B. als Mitteilungshandelnde im Kontext von Chancengleichheit ebenso zentral, wie die Möglichkeit, sie innerhalb des Interaktionssystems durch ihre körperliche Anwesenheit überhaupt als solche zu erkennen. Es wurde hier deutlich: Auch darauf ist hin-deutbar. Demzufolge könnte sich die professionelle (heilpädagogische) Arbeit1 in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen danach ausrichten, in diesem Sinne anregend zu wirken, also die größtmöglichen Auswahloptionen hinsichtlich sozialer und psychischer Anschluss- und Nichtanschlussmöglichkeiten am Interaktionssystem in den Blick zu nehmen und darüber hinaus die Bedeutung der sozialen Adresse zu berücksichtigen. Durch die in den vorherigen Kapiteln dargelegten Differenzierungen von Passungs- und Nicht-Passungsoptionen lassen sich neue System / Umwelt-Unterscheidungen (vgl. Kapitel  1) kreieren, die dafür hilfreich sind. Gleiches gilt für die Feststellung, dass Prozesse der Exklusion Inklusion erst ermöglichen und insofern Komplexitätsreduktion und Grenzen von Synchronisationsmöglichkeiten anerkannt, respektiert und berücksichtigt werden müssen. Diese Ergebnisse im aktuellen Bildungsdiskurs um Inklusion hinsichtlich des Adressenfragmentes Behinderung in der theoretischen und praktischen Arbeit zu nutzen, wird im Rahmen der eingangs für notwendig erklärten Veränderungsprozesse im Hinblick auf Chancengleichheit und im Hinblick auf die Notwendigkeit der Präzisierung des Inklusionsbegriffes als bedeutsam bewertet. Überdies entspricht dieser Fokus der dargestellten Funktion der Heilpädagogik, die Teilhabe für Kinder mit adressierter Behinderung als Mitteilungshandelnde zu erweitern. Aus den vorangegangenen Überlegungen lässt sich als These formulieren: These 1 / 7 Für Erfolgschancen des Anschlusses an Interaktionssysteme ist es für Sinnsysteme zentral, aus Sinnbezügen wählen zu können und von der sie umgebenden Umwelt als relevant erkannt zu werden. Als in diesem Sinne anregend wird in Bezug auf den pädagogischen Kontext bewertet, wenn Professionelle in den Blick nehmen, wonach sich soziale und psychische Systeme hinsichtlich ihres Bezugs auf Sinn aktuell ausrichten und inwiefern für sie passende Anschlussoptionen bestehen. Neben der Relevanz, verschiedene Optionen zu haben, sich auf Sinn zu beziehen, erlangt die Möglichkeit, zwischen Anschluss- und Nicht-Anschluss-

1 | Die professionelle (heilpädagogische) Arbeit steht auch hier stellvertretend für Sonder-, Behinderten- und auch Inklusions- oder Integrationspädagogik (vgl. Kapitel 1).

7. Schlussbemerkung

optionen zu wechseln, eine zentrale Bedeutung. Die räumliche Anwesenheit von Kindern mit und ohne a. B. stellt dabei die Voraussetzung dafür dar, dass sie als soziale Adressen für das Interaktionssystem beobachtbar werden. Entscheidend für inklusive und exklusive Prozesse und damit für die Chance, die (Welt-)Gesellschaft mit zu definieren, ist jedoch, inwiefern sie als relevante oder nicht relevante Mitteilungshandelnde beobachtet werden. Unter Beachtung dessen, dass viele Möglichkeiten durch den in dieser Arbeit eingenommenen Beobachterfokus nicht erkannt werden konnten und von daher unberücksichtigt bleiben mussten, wird der Gewinn für die (Heil-)Pädagogik darin gesehen, Wege dargelegt zu haben, wie Beobachtungs- und Deutungsmöglichkeiten für Anschluss- und Nicht-Anschlussoptionen unter Hilfestellung systemtheoretischer Begriffskonzepte bei Beteiligung einer Perspektive, die Kindern adressiert wird, zu erarbeiten sind. Ob sich dabei das hier erarbeitete Differenzierungsangebot als ausreichend erweist, ist jeweils im konkreten theoretischen und praktischen Bezug zu prüfen. In diesem Sinne den Leser_innen ein Angebot unterbreitet zu haben, das ermöglicht, Unterscheidungs-, Bezeichnungs- und Handlungsoptionen für den Umgang mit der Komplexität von Interaktionssystemen zu entwickeln, das für die Erweiterung von Sinngenerierungs- und Sinnverteilungsprozessen hinsichtlich inklusiver Prozesse in der theoretischen oder praktischen Arbeit zu nutzen ist, kann als das Ergebnis der hier vorliegenden Ausführungen betrachtet werden. Dass sich damit einhergehend Verantwortungsbereiche für Professionelle konkretisieren, ist ein mit dieser Arbeit verbundener Wunsch.

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Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Weisser, Jan (2010): Operation und Klassenkampf – oder was hat Politik mit Behinderung zu tun? In: Balgo, Rolf (Hrsg.) (2010): Systemtheorie – eine hilfreiche Perspektive für Behinderung, Gesundheit und Soziales? Dokumentation der Fachtagung »Systemtheorie – eine hilfreiche Perspektive für Behinderung, Gesundheit und Soziales?« der Abteilung Heilpädagogik, Fakultät V – Diakonie, Gesundheit und Soziales der Fachhochschule Hannover vom 29.-30.10.2009. Hannover: Blumhardt Verlag, S. 26-36. Werning, Rolf (2011): Inklusion  – ein systemischer Zugang. In: Jäpelt, Birgit; Schildberg, Henriette (Hrsg.) (2011): Wi(e)der die Erfahrung. Zum Stand der Kunst systemischer Pädagogik. Dortmund: borgmann Verlag, S. 53-59. Wetzel, Ralf (2004): Eine Widerspenstige und keine Zähmung. Systemtheoretische Beiträge zu einer Theorie der Behinderung. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme Verlag. Wetzel, Ralf (2007): Behinderung, Organisation, Theorie. Eine überfällige Konfrontation in systemtheoretischer Spielart. In: Heilpädagogik online 03 / 07. Online: http://www.sonderpaedagoge.de/hpo/archiv/jg6.htm#wetzel (Zugriff am 03.03.2010). Wetzel, Ralf (2010): Die Tücke der Inklusion. Ein Blick auf systemtheoretische Hintergründe des »inklusiven« Umgangs mit Behinderung. Referat zur Tagung »Inklusion – ein Weg zu mehr Chancengleichheit im Bildungssystem?« München, den 11.02.2010. Online: http://videoonline.edu.lmu.de/de/node/853 (Zugriff am 10.11.2011). Wirth, Jan V. (2014): Behinderung beginnt nicht im Kopf! Online: http://www. systeams.org/index.php/blog-categories/blog-quisque-gravida-purus-vitae/108behinderung-beginnt-in-der-kommunikation (Zugriff am 04.05.2014). Wittgenstein, Ludwig (1963): Tractatus logico-philosophicus Logisch-philosophische Abhandlungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Wocken, Hans (2010): »Über Widersacher der Inklusion und ihre Gegenreden« In: APuZ. Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage der Wochenzeitschrift Das Parlament. 23 / 2010, S.  25-31. Ytterhus, Borgunn (2008): »Das Kinderkollektiv« – Eine Analyse der sozialen Position und Teilnahme von behinderten Kindern in der Gleichaltrigengruppe. In: Kreuzer, Max (2008): Beteiligung von Kindern mit einer Behinderung in integrativen Gruppen – 200 Stunden Beobachtung im Alltag. In: Kreuzer, Max; Ytterhus, Borgunn (Hrsg.) (2008): „Dabeisein ist nicht alles“. Inklusion und Zusammenleben im Kindergarten. München: Reinhardt Verlag, S. 112-131.

Grafiken

Zur besseren Orientierung wurde die Nummerierung der Grafiken den Kapiteln angepasst.

Grafiken zum forschungsmethodischen Vorgehen Grafik 1 / 3.3 Grafik 2 / 3.3 Grafik 3 / 3.3

Grafik 4 / 3.3

Koppelung psychischer und sozialer Systeme in der Sinnfigur | 125 Mitteilungshandelnde im Kontext sozialer und psychischer Operationen | 125 Fragestellungen im Rahmen der wissenschaftlichen Beobachtung in Bezug auf soziale und psychische Anschlussund Nicht-Anschlussoptionen | 127 Schritte im Prozess des wissenschaftlichen Beobachtens | 130

Grafiken in Bezug auf das Auswertungsverfahren Grafik 1 / 4 .2 Grafik 1 / 4 .2.2.1 Grafik 1 / 4 .2.2.2 Grafik 1 / 4 .2.2.3

Das Auswertungsverfahren | 188 Wissenschaftliche Deutungs­optionen orientiert am Differenzschema Inklusion / Exklusion | 197 Wissenschaftliche Deutungsoptionen orientiert an den Sinndimensionen | 204 Wissenschaftliche Deutungsoptionen orientiert am Adressenfragment behindert / nicht behindert | 233

Grafiken zur Gesamtverteilung der Sinnver weise Grafik 1 / 5 Grafik 2 / 5 Grafik 3 / 5 Grafik 4 / 5

Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. innerhalb aller hingedeuteten Sinnverweise (S22) (57:43) | 242 Anzahl aller generierten Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. (S22) im Vergleich | 242 Verteilung aller Sinnverweise der Kinder ohne a.B. | 243 Verteilung aller Sinnverweise der Kinder mit a.B. | 243

Grafiken hinsichtlich der Gesamtauswertung der Anschlussoptionen Grafik 1 / 5.1 Grafik 2 / 5.1

Verteilung aller generierten Anschlussoptionen der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 245 Verteilung aller Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 245

428

Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 3 / 5.1 Grafik 4 / 5.1 Grafik 5 / 5.1 Grafik 6 / 5.1 Grafik 7 / 5.1

Anschlussoptionen aller Kinder orientiert an den Sinndimensionen (S22) | 245 Verteilung der Sinngenerierung innerhalb der Anschlussoptionen der Kinder mit a.B. | 246 Verteilung der Sinngenerierung innerhalb der Anschlussoptionen der Kinder ohne a.B. | 246 Alle Anschlüsse in Bezug auf Kinder mit a.B. (S22) | 246 Alle Anschlüsse in Bezug auf Kinder ohne a.B. (S22) | 246

Grafiken in Bezug auf Anschlussoptionen über die Sozialdimension von Sinn Grafik 1 / 5.1.1 Grafik 2 / 5.1.1 Grafik 3 / 5.1.1 Grafik 4 / 5.1.1 Grafik 5 / 5.1.1 Grafik 6 / 5.1.1 Grafik 7 / 5.1.1 Grafik 8 / 5.1.1

Grafik 9 / 5.1.1

Grafik 10 / 5.1.1 Grafik 11 / 5.1.1 Grafik 12 / 5.1.1 Grafik 13 / 5.1.1 Grafik 14 / 5.1.1 Grafik 15 / 5.1.1

Generierte Anschlussoptionen innerhalb der Sozialdimension der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 247 Anschlussoptionen innerhalb der Sozialdimension in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 247 Anschlussoptionen Sozialdimension der Kinder ohne a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 248 Anschlussoptionen Sozialdimension der Kindern mit a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 248 Vergleich der Anzahl der als relevant generierten Kinder von Kindern mit und ohne a.B. (S22) | 248 Anschlussoptionen an als »relevante Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. von Kindern ohne a.B. (57:43) | 249 Anschlussoptionen an als »relevante Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. von Kindern mit a.B. (57:43) | 249 Mehrfachnennungen bei Kindern ohne a.B. in Bezug auf »als relevante Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. (57:43) | 250 Mehrfachnennungen bei Kindern mit a.B. in Bezug auf »als relevante Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. (57:43) | 250 Anschlussoptionen Sozialdimension der Kinder mit a.B. | 250 Anschlussoptionen Sozialdimension der Kinder ohne a.B. | 250 Vielfalt der generierten Adressenfragmente der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 256 Bezugnahme auf Kinder mit und ohne a.B. im Kontext positiver Gefühle (S22) (57:43) | 266 Anschlussfähige Problemkonstruktion der Kinder ohne a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 267 Anschlussfähige Problemkonstruktion der Kinder mit a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 267

Grafiken in Bezug auf Anschlussoptionen über die Sachdimension von Sinn Grafik 1 / 5.1.2

Verteilung der generierten Verweise auf die Sachdimension der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 274

Grafiken

Grafik 2 / 5.1.2 Grafik 3 / 5.1.2 Grafik 4 / 5.1.2 Grafik 5 / 5.1.2 Grafik 6 / 5.1.2 Grafik 7 / 5.1.2 Grafik 8 / 5.1.2 Grafik 9 / 5.1.2 Grafik 10 / 5.1.2 Grafik 11 / 5.1.2

Sachverweise der Kinder ohne a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 274 Sachverweise der Kinder mit a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 274 Alle Sachverweise der Kinder ohne a.B. | 275 Alle Sachverweise der Kinder mit a.B. | 275 Anschlüsse der Kinder ohne a.B. innerhalb des Rollenspiels an Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 277 Anschlüsse der Kinder mit a.B. innerhalb des Als-ob-Spiels an Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 277 Bezüge der Kinder mit a.B. auf Kinder mit und ohne a.B. unter dem Code Sonstiges (57:43) | 286 Bezüge der Kinder ohne a.B. auf Kinder mit und ohne a.B. unter dem Code Sonstiges (57:43) | 286 Anschlussoption Alltag der Kinder ohne a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 289 Anschlussoption Alltag der Kinder mit a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 289

Grafiken in Bezug auf Anschlussoptionen über die Zeitdimension von Sinn Grafik 1 / 5.1.3 Grafik 2 / 5.1.3 Grafik 3 / 5.1.3 Grafik 4 / 5.1.3

Generierte Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. hinsichtlich der Zeitdimension (S22) | 292 Bezüge auf Kinder mit und ohne a.B. hinsichtlich der Zeitdimension (S22) (57:43) | 292 Differenzierung der Verschlüsselungen der Zeitdimension von Sinn der Kinder ohne a.B. | 293 Differenzierung der Verschlüsselungen der Zeitdimension von Sinn der Kinder mit a.B. | 293

Grafiken in Bezug auf Anschlussoptionen über die Raumdimension von Sinn Grafik 1 / 5.1.4 Grafik 2 / 5.1.4

Generierte Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. hinsichtlich der Raumdimension (S22) | 298 Bezüge auf Kinder mit und ohne a.B. hinsichtlich der Raumdimension (S22) (57:43) | 298

Grafiken hinsichtlich der Gesamtauswertung der NichtAnschlussoptionen Grafik 1 / 5.2 Grafik 2 / 5.2 Grafik 3 / 5.2 Grafik 4 / 5.2 Grafik 5 / 5.2

Verteilung aller generierten Nicht-Anschlussoptionen der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 306 Verteilung aller Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 306 Nicht-Anschlussoptionen aller Kinder orientiert an den Sinndimensionen (S22) | 306 Generierte Nicht-Anschlussoptionen der Kinder ohne a.B. | 307 Generierte Nicht-Anschlussoptionen der Kinder mit a.B. | 307

429

430

Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 6 / 5.2 Grafik 7 / 5.2

Alle Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder ohne a.B. (S22) | 307 Alle Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder mit a.B. (S22) | 307

Grafiken in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen über die Sozialdimension von Sinn Grafik 1 / 5.2.1 Grafik 2 / 5.2.1 Grafik 3 / 5.2.1 Grafik 4 / 5.2.1 Grafik 5 / 5.2.1

Grafik 6 / 5.2.1 Grafik 7 / 5.2.1 Grafik 8 / 5.2.1

Grafik 9 / 5.2.1

Grafik 10 / 5.2.1 Grafik 11 / 5.2.1 Grafik 12 / 5.2.1 Grafik 13 / 5.2.1

Grafik 14 / 5.2.1

Grafik 15 / 5.2.1

Grafik 16 / 5.2.1 Grafik 17 / 5.2.1

Generierte Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der Sozialdimension der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 309 Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der Sozialdimension in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 309 Sinnverweise Nicht-Anschlussoptionen der Kinder mit a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 309 Sinnverweise Nicht-Anschlussoptionen der Kinder ohne a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 309 Vergleich der Anzahl der als problemwirksam markierten Kinder von Kindern mit und ohne a.B. im Vergleich (S22)  | 310 Als »problemwirksame Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. verschlüsselt an Kindern ohne a.B. (57:43) | 310 Als »problemwirksame Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. verschlüsselt an Kindern mit a.B. (57:43) | 310 Mehrfachnennungen der Kinder ohne a.B. in Bezug auf als »problemwirksame Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. (57:43) | 311 Mehrfachnennungen der Kinder mit a.B. in Bezug auf als »problemwirksame Person markierte Kinder« mit und ohne a.B. (57:43) | 311 Verteilung aller Nicht-Anschlussoptionen der Sozialdimension der Kinder mit a.B. | 311 Verteilung aller Nicht-Anschlussoptionen der Sozialdimension der Kinder ohne a.B. | 311 Nicht-Anschlussoptionen aller Kinder an Kinder mit und ohne a.B. bezogen auf Spiel oder gem. Tätigkeit (S22) (57:43) | 315 Nicht-Anschlussoptionen der Kinder ohne a.B. an Kinder mit und ohne a.B. bezogen auf Spiel oder gem. Tätigkeit (57:43) | 315 Nicht-Anschlussoptionen der Kinder mit a.B. an Kinder mit und ohne a.B. bezogen auf Spiel oder gem. Tätigkeit (57:43) | 315 Nicht-Anschlussoption verschlüsselt als Grenzsetzung missachtend in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 316 Nicht-Anschlussoption verschlüsselt als Beschimpfung in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 317 Nicht-Anschlussoption verschlüsselt als körperlich aggressiv in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 318

Grafiken

Grafik 18 / 5.2.1 Grafik 19 / 5.2.1 Grafik 20 / 5.2.1 Grafik 21 / 5.2.1

Grafik 22 / 5.2.1

Grafik 23 / 5.2.1 Grafik 24 / 5.2.1 Grafik 25 / 5.2.1

Sonstige Verhaltensweisen in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 320 Sonstige Verhaltensweisen in Bezug auf alle Kinder beobachtet an Kindern mit a.B. (57:43) | 320 Sonstige Verhaltensweise in Bezug auf alle Kinder beobachtet an Kindern ohne a.B. (57:43) | 320 Sonstige Eigenschaftsattribute als Nicht-Anschlussoption beobachtet an Kindern ohne a.B. in Bezug auf alle Kinder (57:43) | 323 Verteilung der Sinnverweise hinsichtlich Rollen und Rollenbeschreibungen in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 326 Bezugnahme auf Kinder mit und ohne a.B. im Kontext negativer Gefühle (S22) (57:43) | 329 Sinnverweise in Bezug auf Gefühle der Kinder mit a.B. | 329 Sinnverweise in Bezug auf Gefühle der Kinder ohne a.B. | 329

Grafiken in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen über die Sachdimension von Sinn Grafik 1 / 5.2.2 Grafik 2 / 5.2.2 Grafik 3 / 5.2.2 Grafik 4 / 5.2.2 Grafik 5 / 5.2.2 Grafik 6 / 5.2.2

Nicht-Anschlussoptionen der Sachdimension in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (S22) (57:43) | 334 Nicht-Anschlussoptionen der Sachdimension der Kinder mit a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 334 Nicht-Anschlussoptionen der Sachdimension der Kinder ohne a.B. in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. (57:43) | 334 Vergleich der sachbezogenen Generierungen von Sinn innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen (S22) | 335 Verteilung der Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der Sachdimension beobachtet an Kindern ohne a.B. | 335 Verteilung der Nicht-Anschlussoptionen innerhalb der Sachdimension beobachtet an Kindern mit a.B. | 335

Grafiken in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen über die Zeitdimension von Sinn Grafik 1 / 5.2.3 Grafik 2 / 5.2.3 Grafik 3 / 5.2.3 Grafik 4 / 5.2.3

Generierte Nicht-Anschlussoptionen hinsichtlich der Zeitdimension der Kinder mit und ohne a.B. (S22) | 342 Nicht-Anschlussoptionen in Bezug auf Kinder mit und ohne a.B. hinsichtlich der Zeitdimension (S22) (57:43) | 342 Differenzierungen der Zeitdimension von Sinn der Kinder ohne a.B. | 343 Differenzierungen der Zeitdimension von Sinn der Kinder mit a.B. | 343

Grafiken in Bezug auf Nicht-Anschlussoptionen über die Raumdimension von Sinn Grafik 1 / 5.2.4

Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. in Bezug auf den Raum (S22) | 347

431

432

Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Grafik 2 / 5.2.4

Bezüge auf Kinder mit und ohne a.B. innerhalb der Raumdimension (S22) (57:43) | 347

Grafiken hinsichtlich der Sinnver weise in Bezug auf den Optionalen Wechsel Grafik 1 / 5.3 Grafik 2 / 5.3 Grafik 3 / 5.3 Grafik 4 / 5.3 Grafik 5 / 5.3 Grafik 6 / 5.3 Grafik 7 / 5.3

Sinngenerierungen in Bezug auf den Optionalen Wechsel beobachtet an Kindern mit und ohne a.B. (S22) | 353 Bezüge auf Kinder mit und ohne a.B. innerhalb des Optionalen Wechsels (S22) (57:43) | 353 Optionaler Wechsel Verteilung der Sinnverweise (S22) | 354 Sinnverweise in Bezug auf soziale Adressen innerhalb des Optionalen Wechsels der Kinder ohne a.B. | 355 Sinnverweise in Bezug auf soziale Adressen innerhalb des Optionalen Wechsels der Kinder mit a.B. | 355 Anschlüsse an Kinder mit und ohne a.B. innerhalb des Bezugs auf Erwachsene (S22) (57:43) | 358 Anschlüsse an Kinder mit und ohne a.B. innerhalb des Bezugs auf Personen (S22) (57:43) | 359

Grafiken hinsichtlich der Sinnver weise in Bezug auf sich selbst Grafik 1 / 5.4 Grafik 2 / 5.4

Grafik 3 / 5.4

Grafik 4 / 5.4

Sinnverweise in Bezug auf sich selbst im Vergleich der Kategorien (S22) | 366 Vergleich der Verteilung aller generierten Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. in Bezug auf sich selbst innerhalb der Anschlussoptionen (S22) | 366 Vergleich der Verteilung aller generierten Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. in Bezug auf sich selbst innerhalb der Nicht-Anschlussoptionen (S22) | 368 Generierte Sinnverweise der Kinder mit und ohne a.B. hinsichtlich des Optionalen Wechsels in Bezug auf sich selbst (S22) | 372

Tabellen

Tabelle 1 / 4 .1.1.2

Unterschiede zwischen Partizipatorischer und Emanzipatorischer Forschung (vgl. Gilbert 2004) | 139 Tabelle 1 / 4 .2.2.1 Große Codiereinheit | 198 Tabelle 2 / 4 .2.2.1 Kleine Codiereinheiten | 198 Tabelle 3 / 4 .2.2.1 Als Anschlussoption bezeichnete Unterscheidungen | 200 Tabelle 4 / 4 .2.2.1 Als Nicht-Anschlussoption bezeichnete Unterscheidungen | 200 Tabelle 5 / 4 .2.2.1 Als Optionaler Wechsel bezeichnete Unterscheidungen | 200 Tabelle 6 / 4 .2.2.1 Beispiele für die Berücksichtigung der Adressenfragmente behindert / nicht behindert innerhalb der Verschlüsselung | 202 Tabelle 7 / 4 .2.2.1 Beispiele für Verschlüsselungen, in denen auf die Adressenfragmente behindert / nicht behindert nicht hinbeobachtet werden kann | 202 Tabelle 1 / 4 .2.2.2 An den Sinndimensionen orientierte Differenzierungsoptionen in Bezug auf Anschluss- und NichtAnschlussoptionen | 204 Tabelle 2 / 4 .2.2.2 An den Sinndimensionen orientierte Differenzierungsoptionen in Bezug auf den Optionalen Wechsel | 205 Tabelle 3 / 4 .2.2.2 Differenzierungsoptionen der Raumdimension in Bezug auf Anschlussoptionen, Nicht-Anschlussoptionen und den Optionalen Wechsel | 207 Tabelle 4 / 4 .2.2.2 Sinnverweis als Bezug auf sich selbst | 207 Tabelle 5 / 4 .2.2.2 Rollenspielfigur als Beispiel der Differenzierungsoption »Sachdimension von Sinn« | 208 Tabelle 6 / 4 .2.2.2 Alltagssituation als Beispiel der Differenzierungsoption »Sachdimension von Sinn« | 209 Tabelle 7 / 4 .2.2.2 Nicht bewertete Adressenfragmente als Differenzierungsoption der Anschlussoptionen an die »Sozialdimension von Sinn« | 210 Tabelle 8 / 4 .2.2.2 Differenzierungsoptionen der »Zeitdimension von Sinn« | 211 Tabelle 9 / 4 .2.2.2 Deutung auf Zeitspannen und Zeitpunkte | 212 Tabelle 10 / 4 .2.2.2 Beispiele für Differenzierungsoptionen des Bezugs auf den Raum | 212

434

Inklusion und E xklusion in der Interaktion

Tabelle 11 / 4 .2.2.2 Codierleitfaden in Bezug auf Anschlussoptionen und NichtAnschlussoptionen | 213 Tabelle 12 / 4 .2.2.2 Codierleitfaden in Bezug auf den Optionalen Wechsel | 215 Tabelle 13 / 4 .2.2.2 Ankerbeispiel Anna | 218 Tabelle 14 / 4 .2.2.2 Ankerbeispiel Jodok(a. B.) | 226

Abkürzungen

a. B. / (a. B.)

mit adressierter Behinderung ((a. B.) wird unmittelbar an den Namen der so adressierten Kinder angehängt) Sinnverweise der Kinder in Bezug auf sich selbst ass bzw. beziehungsweise das heißt d. h. ebd. ebenda etc. et cetera gem. gemeinsam ggf. gegebenenfalls Peter Fuchs Institut für Allgemeine Theorie der Sinnsysteme iATS KiTa Kindertagesstätte (S22) Markierung der Angleichung der unterschiedlich großen Gruppen von interviewten Kindern mit und ohne a. B. auf einheitlich 22 Kinder ohne adressierte Behinderung o. a. B. / (o. a. B.) o. J. ohne Jahresangabe o. S. ohne Seitenangabe siebe oben s. o. sog. sogenannt s. u. siehe unten u. a. unter anderem Übereinkommen der Vereinten Nationen (engl. United UN-BRK Nations) über die Rechte der Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention) vgl. vergleiche z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil Markierung der Angleichung der Anzahl der Kinder mit und (57:43) ohne a. B. in den Stammgruppen auf rechnerisch 50 %

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