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German Pages 213 [216] Year 1987
Marketing Management 9 Herausgegeben von Günther Haedrich in Zusammenarbeit mit Edgar Kreilkamp und Alfred Kuß
Alfred Kuß
Information und Kaufentscheidung Methoden und Ergebnisse empirischer Konsumentenforschung
W Walter de Gruyter DE G Berlin • New York 1987
Dr. Alfred Kuß Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing, an der Femuniversität Hagen D-5800 Hagen 1 Dieses Buch enthält 27 Abbildungen und 2 Tabellen.
CIP- Kur^titelaufnähme
der Deutschen
Bibliothek
Kuss, Alfred: Information und Kaufentscheidung : Methoden u. Ergebnisse empir. Konsumentenforschung / Alfred Kuss. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1987. (Marketing-Management ; 10) ISBN 3-11-010478-4 NE: GT
Copyright © 1987 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin. Bindung: D. Mikolai, Berlin. Einbandentwurf: Dirk Ullrich, Berlin
Vorwort
Seit Beginn der 70er Jahre hat der Informationsverarbeitungsansatz bei der Untersuchung von Kaufentscheidungen eine starke — wenn nicht dominierende — Stellung bekommen. Nach einer anfanglich beinahe stürmischen Entwicklung kommt das Forschungsgebiet jetzt etwas zur Ruhe, obwohl der gegenwärtige Erkenntnisstand noch immer recht unvollkommen ist. Eine Aufgabe des vorliegenden Buches besteht darin, diesen Stand zusammenfassend und ordnend wiederzugeben und dabei auch Lücken und Entwicklungsmöglichkeiten zu identifizieren. Daneben hat das Buch den Zweck, den Transfer der entwickelten theoretischen Konzepte und empirischen Forschungsmethoden in die Marktforschungspraxis zu erleichtern. Unabhängig von der Komplexität des hier behandelten Forschungsgebiets hat sich der Autor — seiner Ausbildung in den letzten zehn Jahren entsprechend — um Einfachheit, Kürze und Klarheit der Darstellung bemüht. Mißerfolge in dieser Hinsicht sind nicht auf Eigenheiten des Themas zurückzuführen, sondern dem Verfasser anzulasten. Dieses Buch wäre nicht zustande gekommen ohne den Einfluß von Günther Haedrich und Jack Jacoby. Beiden hat der Verfasser viel zu verdanken, weil sie seine fachliche und persönliche Entwicklung zunächst als Lehrer und jetzt als Freunde entscheidend geprägt haben. Daneben sollen auch die vielfältigen Anregungen und motivierenden Hilfestellungen von Herbert Büning und Burkhard Strümpel dankbar gewürdigt werden. Berlin, im Frühjahr 1987
Alfred Kuß
Inhalt
Einleitung 1
Grundlegung
1.1
Kaufentscheidung und menschliches Problemlösungsverhalten Problemlösung und Entscheidung Wesen und Arten der Kaufentscheidung Ökonomische Basis-Entscheidungen der Konsumenten . . . Kaufentscheidungen des Konsumenten im Zusammenhang betrachtet Typologien der Kaufentscheidung Kaufentscheidungsprozeß und Information Der Prozeßcharakter kognitiver Kaufentscheidungen . . . . Eigenschaften kognitiver Kaufentscheidungen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses Die Informationsaufnahme im Informationsverarbeitungssystem des Konsumenten Zur Bedeutung der Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen Gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte: Implikationen für die Verbraucherpolitik Einzelwirtschaftliche Gesichtspunkte: Ansatzpunkte für Marketing-Entscheidungen Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung . . . .
1.1.1 1.1.2 1.1.2.1 1.1.2.2 1.1.2.3 1.2 1.2.1 1.2.1.1 1.2.1.2 1.2.1.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 2
Methoden der empirischen Forschung zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
2.1 2.1.1
Methodologische Überlegungen Ein (einfaches) Grundmodell der empirischen Konsumentenforschung Anforderungen an empirische Forschungsmethoden Die gängigen Untersuchungsmethoden Befragungen
2.1.2 2.2 2.2.1
VIII
Inhalt
2.2.2 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.3.4 2.2.3.5 2.2.4
Input-Output-Untersuchungen Prozeßverfolgungstechniken Überblick Information Display Matrix Blickregistrierungsverfahren Verbale Protokolle Würdigung der Prozeßverfolgungstechniken Sonstige Forschungsmethoden
3
Ergebnisse empirischer Forschung zur Informationsaufnahme 123
3.1
3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.3
Einflußfaktoren der Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen Systematisierung der Einflußfaktoren Die einzelnen Einflußfaktoren Person Aufgabe Situation Informationsangebot Problembezug Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung . . . . Wahlheuristiken Überblick Schlüsse von der Informationsaufnahme auf die Anwendung von Wahlheuristiken Wirkungen der Informationsaufnahme auf andere kognitive Variable Ungewißheit Informationsspeicherung Informationsaufnahme und Entscheidungsqualität Zum Begriff Entscheidungsqualität Die Information-Overload-Kontroverse Eine empirische Untersuchung
4
Zusammenfassung
3.1.1 3.1.2 3.1.2.1 3.1.2.2 3.1.2.3 3.1.2.4 3.1.2.5 3.2 3.2.1 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.2
Anhang: Beschreibung empirischer Studien Literaturverzeichnis Sachverzeichnis
70 73 73 76 99 106 118 120
123 123 127 127 132 136 140 147 149 149 149 153 156 156 160 164 164 166 167 177 181 185 203
Einleitung
Im Laufe der letzten zwanzig Jahre hat sich Marketing zu einem der wesentlichen Teilgebiete auch der deutschsprachigen Betriebswirtschaftslehre entwickelt. Einzelne Autoren (vgl. z. B. Raffee 1974) sehen im Marketingansatz sogar eine der Grundkonzeptionen der gesamten Betriebswirtschaftslehre. Angesichts der mit dem Marketing verbundenen Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten auf den Absatzmarkt wundert es nicht, daß das ökonomisch relevante Verhalten von Konsumenten zunehmendes Interesse bei Marketingforschung und -praxis gefunden hat. Einige Beispiele mögen das deutlich gestiegene Interesse am Konsumentenverhalten illustrieren. Eine Auswertung der in den ersten vierzig Jahrgängen des Journal of Marketing (1936 — 1976) veröffentlichten Artikel zeigte für den Anteil der dem Konsumentenverhalten gewidmeten eine sehr deutliche Steigerung seit Beginn der 60er Jahre (vgl. Grether 1976). Eine neuere wesentlich breiter angelegte Untersuchung von Helgeson/Kluge/Mager/Taylor (1984), die auf der Auswertung von 15000 (!) seit 1951 in den führenden Publikationsorganen der amerikanischen Marketingwissenschaft erschienenen Aufsätzen beruhte, bestätigte diesen Trend. Es war ein starkes absolutes (Anzahl der Artikel) und relatives (Anteil der Artikel an der gesamten Marketingliteratur) Anwachsen der Zahl von Arbeiten zum Konsumentenverhalten zu beobachten. Eine Auflistung derjenigen Autoren des Marketingbereichs, die am häufigsten zitiert werden, was ja als ein Kriterium für die Relevanz (oder Akzeptanz?) wissenschaftlicher Arbeit gilt, zeigt zahlreiche Konsumentenforscher auf den ,ersten Plätzen' (vgl. Myers/Massy/Greyser 1980, S. 187). So eng manchem Betriebswirt das Gebiet Konsumentenverhalten auch erscheinen mag , so vielfaltig sind — angesichts der Komplexität menschlichen Verhaltens nicht überraschend — seine Spezialgebiete. Helgeson et al. (1984) identifizieren 37 „Hauptthemen" innerhalb dieses Forschungsfeldes. Für ihre Literaturzusammenstellungen verwendeten Kassarjian/Orsini (1980) 140 und Langston (1984) 65 Einzelthemen zur systematischen Einordnung der einschlägigen Veröffentlichungen. Bei einer solchen thematischen Vielfalt kann man auch innerhalb des Forschungsgebiets be-
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Einleitung
stimmte Schwerpunkte und Trends erkennen. Beide eben genannten Literaturzusammenstellungen weisen das Thema Informationsaufnahme und -Verarbeitung als einen der Schwerpunkte der Konsumentenforschung der letzten zehn Jahre aus. Die Auswertung von Helgeson et al. (1984) zeigt ein immer noch stark wachsendes Interesse an diesem Teilgebiet. Dafür sind offenbar zwei Gründe ausschlaggebend. Einerseits spiegelt sich in diesem Trend eine entsprechende Entwicklung der psychologischen Forschung wider, die die Konsumentenforschung natürlich stark beeinflußt. Andererseits scheint sich der Informationsverarbeitungsansatz für die Beschreibung und Erklärung sehr unterschiedlicher Aspekte des Konsumentenverhaltens besonders zu eignen. Beispielsweise kann man unschwer Phänomene wie die Konfrontation mit Werbung, den Vergleich von Marken, die Sammlung von Produkterfahrungen, Gespräche mit Verkäufern oder das Zustandekommen von Gruppenentscheidungen in Kategorien der Informationsaufnahme und -Verarbeitung erfassen. Das vorliegende Buch ist — wie der Untertitel andeutet — aus der Sicht des empirischen Forschers geschrieben. Das ist ein wesentlicher Grund für die Konzentration der Betrachtungen auf die Informationsaufnahme. Diese ist, da sie meist mit physischen oder verbalen Aktivitäten verbunden ist, der empirischen Forschung besser zugänglich als die weitgehend verdeckt ablaufende Informationsverarbeitung. Wegen der engen Verzahnung beider Teilbereiche kann der zuletzt genannte Aspekt allerdings nicht völlig ausgeklammert werden. Aus der Sicht des Marketingpraktikers wie der des Marketingwissenschaftlers ist unter den vielfältigen Verhaltensweisen des Konsumenten aus naheliegenden Gründen die Kaufentscheidung von besonderem Interesse. Eine Verknüpfung beider Sichtweisen führte zu dem hier behandelten Thema. Bei der Behandlung des Themas wird in drei Schritten vorgegangen. Zunächst wird versucht, den Untersuchungsgegenstand theoretisch darzustellen. Wegen dessen Komplexität sind schon hier Vereinfachungen und Vergröberungen unvermeidlich. Bewußt werden auch gelegentlich alternative Sichtweisen vorgestellt, um anzudeuten, daß man in vieler Hinsicht von ,eindeutigen Lösungen' und herrschender Lehre' noch weit entfernt ist. Im Zusammenhang mit der theoretischen Grundlegung ergibt sich die Eingrenzung des Anwendungsbereichs des hier diskutierten Teils der Informationsaufnahmeforschung. Zwischen theoretischen Ansätzen und Ergebnissen empirischer Forschung stehen — wie in der Realität — die entsprechenden Methoden. Gerade weil in der jüngsten Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein in dem
Einleitung
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Forschungsgebiet bemerkenswerte methodische Fortschritte erkennbar sind, soll hier eine recht detaillierte Zusammenfassung dieser Entwicklungen erfolgen. Dieser Teil erfordert einen knappen methodologischen Rahmen. Eine kurze Diskussion älterer Forschungsmethoden dient als Hintergrund für die Behandlung des aktuellen Standes. Den dritten und abschließenden Teil der Arbeit bildet eine Aufarbeitung der Ergebnisse empirischer Forschung zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen. Dabei kommen zwei Betrachtungsweisen zur Geltung: Welche Faktoren beeinflussen die Informationsaufnahme? Wie beeinflußt die Informationsaufnahme andere Teile und Ergebnisse von Kaufentscheidungsprozessen? Im Zusammenhang mit der zweiten Fragestellung ist auch auf einige Aspekte der Informationsverarbeitung einzugehen. Bei der Diskussion der empirischen Befunde ist mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen, da sich hier Probleme der Konzeptualisierung mit Problemen der angewandten Forschungsmethoden verbinden können. Insbesondere in diesem dritten Teil der Arbeit wird sich der Eindruck eines unfertigen, lückenhaften Forschungsgebietes einstellen. Dieser Eindruck ist erwünscht, da er nach Einschätzung des Verfassers der Realität entspricht.
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1.1 1.1.1
Grundlegung
Kaufentscheidung und menschliches Problemlösungsverhalten Problemlösung und Entscheidung
In der Betriebswirtschaftslehre hat seit etwa Mitte der sechziger Jahre der entscheidungsorientierte Ansatz eine erhebliche wenn nicht zentrale Bedeutung erhalten. „ ,Entscheidungsorientiert' nennt sich dieser Ansatz, weil in erster Linie die den ausführenden Tätigkeiten vorgelagerten Prozesse des Auswählens oder Entscheidens das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre bilden. Dieses Vorgehen geht auf die Tatsache zurück, daß letztlich jede ausführende Tätigkeit — in Betriebswirtschaften ebenso wie in anderen Organisationen — aus irgendeiner Entscheidung resultiert. Die Betrachtung erfordert naturgemäß einen weitgefaßten Entscheidungsbegriff, der rationale Entscheidungen ebenso einschließt wie Zufallsentscheidungen. Es ist demgemäß keine Tätigkeit denkbar, die nicht vorab Gegenstand einer Entscheidung war. Der entscheidungsorientierte Ansatz beschränkt sich indessen nicht nur auf den unmittelbaren Wahlakt; vielmehr bezieht er sämtliche mit einer Wahlhandlung verbundenen Aktivitäten in die Überlegung ein: das Problemerkennen ebenso wie die Alternativensuche und -auswahl, deren Durchsetzung und Kontrolle. Eine entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre analysiert somit die spezifischen Verhaltensweisen der in Betriebswirtschaften tätigen Wirtschaftssubjekte. Diese auf das menschliche Verhalten ausgerichtete Konzeption sieht Betriebswirtschaften als Sozialsysteme, d. h. als Mehrheiten von Personen, zwischen denen — bedingt durch die Arbeitsteiligkeit — vielfältige Beziehungen bestehen. Das Entscheidungsverhalten der Mitglieder einer Betriebswirtschaft läßt sich nur unter Berücksichtigung solcher Beziehungen sowie der externen und individuellen Einflüsse erfassen. Dies erfordert ein begriffliches Instrumentarium, das ohne Rückgriff auf Erkenntnisse anderer sozialwissenschaftlicher
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Grundlegung
Disziplinen wie z. B. Psychologie, Sozialpsychologie oder Politologie kaum zu entwickeln ist. Eine in diesem Sinne entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre ist daher notwendigerweise interdisziplinär angelegt." (Heinen 1978 b, S. 25/26) Ebenso wie für die Gestaltung der innerbetrieblichen Abläufe den entsprechenden Entscheidungen eine Schlüsselrolle zukommt, haben für den dauerhaften Erfolg von Unternehmen die Entscheidungen der potentiellen Kunden über Kauf bzw. Nichtkauf, Markenwahl etc. zentrale Bedeutung (vgl. Heinen 1972). Wenn man von einer Entscheidung spricht, kann man sowohl den Prozeß, der zur Auswahl aus Alternativen führt, als auch das Ergebnis dieses Prozesses („Die Entscheidung lautet: . . .") meinen. Für eine gestaltungsorientierte Betriebswirtschaftslehre (vgl. Raffee 1974, S. 94 ff.) ist natürlich die erstgenannte (prozeßorientierte) Betrachtungsweise maßgeblich, da vor allem sie Ansätze zur Beeinflussung und gegebenenfalls Verbesserung von Entscheidungen bietet. Will man sich dabei — wie Heinen vorschlägt — eines interdisziplinären Ansatzes bedienen und die relevanten Ergebnisse der psychologischen Forschung heranziehen, so zeigt sich, daß diese dort dem Teilgebiet Problemlösung bzw. Problemlösungsprozesse zugerechnet werden (vgl. Kirsch 1970, S. 70). Es gilt also zunächst zu klären, inwieweit sich die Begriffe Problemlösung und Entscheidung überschneiden bzw. ob sie gar identisch sind. „Eine Person ist mit einem Problem konfrontiert, wenn sie etwas wünscht und nicht sofort weiß, welche Folge von Handlungen sie vornehmen muß, um es zu erreichen. Das erstrebte Objekt kann sehr konkret (ein Apfel zum Verzehr) oder abstrakt (ein eleganter Beweis eines Satzes) sein. Es kann spezifisch (dieser Apfel dort drüben) oder ziemlich allgemein (irgendetwas, um den Hunger zu stillen) sein. Es kann ein physischer Gegenstand (ein Apfel) oder eine Menge von Symbolen (der Beweis eines Satzes) sein. Die Maßnahmen zur Erreichung der gewünschten Ergebnisse umfassen physische Aktivitäten (gehen, greifen, schreiben), Wahrnehmungsaktivitäten (sehen, hören) und rein geistige Tätigkeiten (Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Symbole, Erinnerung an einen Anblick)." (Newell/Simon 1972, S. 72; die Übersetzung erfolgte wie bei allen folgenden Zitaten aus der englischsprachigen Literatur durch den Verfasser).
Einige wichtige Charakteristika des Problemlösers seien im folgenden zusammengestellt (vgl. Jacoby o. J. und Abschnitt 1.2.1.3.2 dieses Buches): 1. Problemloser kann eine Einzelperson oder eine Gruppe von Personen (z. B. ein Gremium) sein. Fälle, in denen Maschinen Probleme lösen (z. B. Berechnung eines Tourenplans durch einen Computer), sollen hier ausgeklammert werden.
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2. Der Problemloser muß wahrnehmen, daß eine Diskrepanz zwischen einem gegebenen und einem gewünschten Zustand existiert, und er muß motiviert sein, diese Diskrepanz zu überwinden. 3. Zur Problemlösung werden Informationen benutzt. 4. Der Problemloser verfügt über Ressourcen (Langzeitgedächtnis, Zugriff zu externen Informationen etc.). 5. Der Problemloser ist unvollkommen in Hinsicht auf Auswahl, Verständnis, Beurteilung, Zusammenfügung und Speicherung von Informationen bzw. Erinnerung an früher gespeicherte Informationen. 6. Die Aufnahme und Verarbeitung neuer Informationen im Problemlösungsprozeß kann durch Eigenschaften des Problemlösers (z. B. Erwartungen) beeinflußt werden. 7. Der Problemloser hat eine beschränkte Verarbeitungskapazität (Kurzzeitgedächtnis bzw. „Arbeitsspeicher"). 8. Problemloser können sich im Hinblick auf relevante Eigenschaften wie z. B. Intelligenz, Kreativität, Dogmatismus unterscheiden. 9. Bei der Problemlösung können Gesichtspunkte eine Rolle spielen, die dem Problemloser nicht bewußt sind (z. B. gewisse Antipathien). Das menschliche Problemlösungsverhalten stellt sich also als ein Prozeß dar, der mit kognitiven Aktivitäten (Wahrnehmen, Lernen, Nutzung des Gedächtnisses etc.) verbunden ist, aber keineswegs zu optimalen oder intersubjektiv einheitlichen Ergebnissen führen muß. Wie bei Newell/Simon schon angedeutet, können Probleme äußerst verschiedenartig sein. Beispielsweise unterscheiden Lindsay/Norman (1981, S. 409) zwischen gut definierten Problemen mit einem einem klar abgesteckten Ziel („Welches ist der kürzeste Weg von A nach BP") und unvollständig definierten Problemen („Kaufen Sie sich etwas Schönes"). Es kann Routine-Probleme und völlig neuartige Probleme geben. Probleme können einzeln (Suche eines Weges) oder in Verbindung mit anderen (Zusammenstellung eines Menüs und der passenden Weine) auftreten. Im Zusammenhang dieser Schrift sind zwei Problemarten von besonderem Interesse. — Bewertungs-Probleme: Hier geht es vor allem darum, zu einer Beurteilung von Gegenständen, Personen, Meinungen etc. zu kommen, Alternativen zu vergleichen und Einstellungen zu bilden. — Auswahl-Probleme: In diesen Fällen gilt es, auf der Basis von Beurteilungen aus einer größeren Zahl von Möglichkeiten eine Alternative oder eine Teilmenge von Alternativen auszuwählen.
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Grundlegung
Dieser letzte Problemtyp entspricht genau dem, was man unter einer Entscheidung versteht (vgl. z.B. Lindsay/Norman 1981, S. 425). Allerdings sind keineswegs alle menschlichen Entscheidungen das Ergebnis von Problemlösungsprozessen. Häufig fallen Entscheidungen völlig gewohnheitsmäßig, impulsiv oder zufallig. In Abschnitt 1.1.2.3 wird darauf noch näher einzugehen sein.
Die Auswahl-Probleme stellen also gewissermaßen die Schnittmenge von Problemlösungen und Entscheidungen dar. Abbildung 1 illustriert diesen Zusammenhang.
1.1.2
Wesen und Arten der Kaufentscheidung
1.1.2.1
Ökonomische Basis-Entscheidungen der Konsumenten
Im Hinblick auf seine Einkommensverwendung steht der Konsument zunächst vor der Frage, welcher Anteil für die verschiedensten Arten des Konsums verwendet und welcher Teil gespart werden soll. Auch die Verminderung bestehender Sparguthaben und die Kreditaufnahme lassen sich als Verwendung früherer bzw. zukünftiger Einkommen in diesen Problemzusammenhang einordnen. Diese Grundfrage — Konsum oder Sparen — hat natürlich die MakroÖkonomen seit langem ausgiebig beschäftigt, da die gesamtwirtschaftlichen Konsum- und Sparquoten weitreichende Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft haben. Übersichten über einschlägige theoretische Ansätze und empirische Ergebnisse finden sich u.a. bei Crockett (1977), Ferber (1973b) und Rosenstiel/Ewald (1979a): Die Hypothese von Keynes
Keynes geht von einem recht stabilen Anteil des Konsums am Einkommen aus. Wegen einer vermuteten „Trägheit" des Konsumenten bei der Anpas-
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sung an langfristige Einkommensänderungen wird eine wachsende (sinkende) Sparquote bei steigendem (sinkendem) Einkommen angenommen. Die relative Einkommenshypothese Nach dieser Hypothese hängt der Anteil gesparten Geldes stärker von der relativen Position in der Einkommensverteilung einer Gesellschaft als von der absoluten Einkommenshöhe ab. Der Grund dafür könnte in den sozialen Einflüssen auf individuelle Konsumnormen liegen. Die permanente Einkommenshypothese Die Bezugsgröße einer Konsum- bzw. Sparquote ist hier nicht mehr das gegenwärtige absolute oder relative Einkommen, sondern ein langfristiges (individuelles) Durchschnittseinkommen. Dem entspricht die Beobachtung, daß der Konsum von kurzfristigen Einkommensschwankungen relativ unabhängig ist. Versuche der empirischen Bestätigung dieser recht mechanistischen Hypothesen haben bislang zu uneinheitlichen Ergebnissen geführt. Einen ganz anderen Weg geht Katona (1960, 1975). Indem er ökonomische und psychologische Variable (Konsumentenstimmungen) im Zusammenhang analysiert, kommt er zu weniger einfachen, aber die reale Situation häufig besser beschreibenden Aussagen (vgl. dazu auch Strümpel/Katona 1983). Aus mehr oder weniger gelungenen Analysen von Konsum- und Sparquoten und ihrer Determinanten auf gesamtwirtschaftlicher Ebene läßt sich aber für die Untersuchung entsprechender individueller Entscheidungen noch nicht viel entnehmen. Gerade auch Katona (1980, S. 51 ff.) hebt hervor, daß ,makropsychologische' Aussagen nicht auf die individuelle Ebene übertragbar sein müssen. Als analoges Beispiel sei auf die makroökonomische Beziehung I = S (Ersparnis gleich Investition) verwiesen, die natürlich auf der Mikroebene nicht gilt. Auch aus vielen Problemen der Datenanalyse ist bekannt, daß eine Disaggregation von Daten — also ein Übergang von einer Makro- auf eine Mikroebene — meist zu einem geringeren Anteil der durch unabhängige Variable erklärten Varianz einer abhängigen Variablen führt (vgl. z.B. Küchler 1979, S. 37f.). Trotz der zahlreichen volkswirtschaftlichen Arbeiten zur Frage .Konsum oder Sparen' ist man also für Aussagen über das diesbezügliche Verhalten von Individuen oder Haushalten auf mikroökonomische Untersuchungen angewiesen. Eine neuere Literaturübersicht von Olshavsky und Granbois (1979) zeigt allerdings, daß sowohl in theoretischer als auch in empirischer Hinsicht der Erkenntnisstand außerordentlich unbefriedigend ist (vgl. dazu auch Davis 1977). Man muß sich deshalb wie Kroeber-Riel (1980, S. 365)
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Grundlegung
mit einigen plausiblen Überlegungen zur Budgetaufteilung in Haushalten begnügen. Es läßt sich vermuten, daß die Teilbeträge des Einkommens, die gespart bzw. zur Tilgung von Krediten verwendet werden und damit nicht mehr zum Konsum zur Verfügung stehen, über längere Zeiträume relativ konstant sind. Das liegt vor allem daran, daß hier oft vertragliche oder vertragsähnliche Verhältnisse gegeben sind: Prämiensparverträge, Daueraufträge auf Sparkonten, Bausparverträge, Kreditverträge, Hypotheken etc. Diesen liegen meist selten auftretende sorgfältig erwogene Entscheidungen zu Grunde. Zwischen derartigen Entscheidungen stellt also — wenn man von Einkommensänderungen absieht — der zum Konsum zur Verfügung stehende Betrag eine in etwa gleichbleibende Größe dar. Ähnlich ist die Situation bei der Verwendung vorhandener Sparguthaben. Hier wird meist eine einzelne Entscheidung getroffen (Anschaffung eines Autos, Eigenheimes etc.), ohne daß der laufende Konsum davon wesentlich berührt wird. Entscheidungen des Konsumenten über den Anteil des zu konsumierenden Einkommens treten also offenbar recht selten auf. Zwischen diesen Basisentscheidungen bieten neuere Formen des Konsumentenkredits (Dispositionskredit, Kreditkarten) hier allerdings etwas Spielraum. Wenn der Entschluß, einen bestimmten Betrag zu sparen, gefaßt ist, sind anschließend Entscheidungen über die Anlageform (Sparvertrag, Aktien etc.) und die konkrete Anlage (Welche Bank? Welche Aktie?) zu treffen. Diese Entscheidungen ähneln anderen Konsumentenentscheidungen (z. B. Auswahl eines Autos), können also mit diesen gemeinsam diskutiert werden. Der nächste Teil dieser Betrachtungen gilt der Aufteilung des zum Konsum zur Verfügung stehenden Einkommens. Ganz allgemein gesprochen, geht es hier um den Erwerb von Gütern (Lebensmittel, Bekleidung etc.), Dienstleistungen (Transport, Unterhaltung etc.) und Rechten (Versicherungsschutz, Nutzung einer Wohnung etc.). Obwohl auch zu diesem Allokationsproblem kaum empirische Untersuchungen vorliegen (vgl. Olshavsky-Granbois 1979), existiert die Vermutung, daß hier ebenfalls nur relativ wenige ,echte' Entscheidungen getroffen werden. Dabei spielen vor allem folgende Gesichtspunkte eine Rolle: — Bestimmte Mindestausgaben, z. B. für Ernährung, Kleidung und Wohnung, können nicht vermieden werden, schränken den Entscheidungsspielraum also von vornherein ein. — Verschiedene Güter sind zwar nicht lebensnotwendig, gehören in bestimmten Kulturkreisen aber heute zum selbstverständlichen Lebens-
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Standard. Beispielsweise wird hierzulande kaum ein Haushalt eine besondere Entscheidung treffen, ob er einen Kühlschrank braucht oder nicht. — Einzelne Entscheidungen (z. B. der Abschluß eines Miet- oder Versicherungsvertrages, der Kauf eines Autos) ziehen für die Folgezeit mehr oder weniger festgelegte Ausgaben nach sich. — Ein Großteil der Käufe u. a. von Lebens- und Genußmitteln ist stark gewohnheitsgeprägt, ist also nicht das Ergebnis immer wieder neuer Entscheidungen. Zum Beispiel wird kaum ein echter Raucher jeden Monat größere Entscheidungsprozesse in Gang setzen, um festzulegen, welchen Anteil seines Budgets er für Tabakwaren ausgibt. Das beträchtliche Defizit an empirischer Forschung im Hinblick auf Grundentscheidungen zur Budgetaufteilung ist möglicherweise auch dadurch begründet, daß deren Determinanten häufig äußerst komplex und schlecht beobachtbar sind. Hier können Sozialisation, ökonomische Bedingungen, Bezugsgruppen, situative Faktoren u. v. a. eine Rolle spielen. Die schon stark vereinfachende Schematisierung, mit deren Hilfe Ferber (1973 a) den Entscheidungszusammenhang der Budgetaufteilung darstellt, illustriert die Komplexität des Problems (vgl. Abbildung 2). Wenn eine Budgetaufteilung zumindest teilweise festliegt, muß (bzw. müssen) in einem letzten Schritt aus vergleichbaren Alternativen eine — in Sonderfallen auch mehrere (vgl. McAlister 1979) — ausgewählt werden. Es gilt jetzt also, sich für eine Kaffeemarke, eine Wohnung, ein Verkehrsmittel etc. zu entscheiden. Wind (1977) weist daraufhin, daß in Einzelfallen die Reihenfolge von Produktgruppen- und Markenwahl auch umgekehrt sein kann. Beispielsweise könnte man die Absicht haben, Süßigkeiten der Firma X zu kaufen und erst danach überlegen, ob man Pralinen oder Tafelschokolade wählt. Nach diesem Überblick über ökonomische Entscheidungen von Verbrauchern kann jetzt präzisiert werden, was hier unter Kaufentscheidungen verstanden werden soll. Der Begriff ,Kauf' wird relativ weit gefaßt. Wir bezeichnen als Kauf den freiwilligen Austausch von Geld gegen Güter, Dienstleistungen, Rechte und Vermögenswerte durch Personen, Personengruppen und Organisationen. Eingeschlossen in diese Definition ist also z.B. der Abschluß von Miet- und Versicherungsverträgen, der Erwerb von Flugtickets, der Erwerb von Aktien. Ausgeschlossen sind Leistungen, die man unentgeltlich erhält oder unfreiwillig gegen Entgelt in Anspruch nimmt (z. B. Leistungen der Stadtreinigung). Mit einem Kauf im hier angegebenen Sinne muß keineswegs immer der Erwerb von Eigentumsrechten verbunden sein.
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Grundlegung
Abbildung 2: Entscheidungszusammenhang bei der Budgetaufteilung in Haushalten (Ferber 1973 a, S. 31)
Kaufentscheidung und menschliches Problemlösungsverhalten
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Die in dieser Schrift weiter zu diskutierenden Kaufentscheidungen beziehen sich auf die Auswahl zwischen Alternativen, die im Hinblick auf die für den Entscheidenden relevanten Eigenschaften vergleichbar sind. Die vorgelagerten Allokationsstufen (vgl. Abbildung 3) werden nicht weiter erörtert. Abgesehen von der eher pragmatisch begründeten Notwendigkeit, den Untersuchungsgegenstand des vorliegenden Buches zu begrenzen, sind zwei Gründe für diese Einschränkung ausschlaggebend: — Produktgruppenentscheidungen sind weitaus komplexer als die Markenwahl innerhalb einer Produktgruppe. Das liegt vor allem daran, daß bei ersteren die Zahl der Alternativen praktisch unbegrenzt groß ist und diese Alternativen untereinander schlecht vergleichbar sind (vgl. Chaffee/McLeod 1973 und Bettman 1979 a, S. 313 f.). — Im Hinblick auf die Anwendung von Ergebnissen der Konsumentenforschung für das Marketing ist die letzte Entscheidungsstufe (vgl. Abbildung 3) am interessantesten, da Marketingaktivitäten eher auf die Konkurrenz zwischen ähnlichen Marken bezogen sind als auf grundlegende Konsumentscheidungen. 1.1.2.2 1.1.2.2.1
Kaufentscheidungen des Konsumenten im Zusammenhang betrachtet Die einzelne Kaufentscheidung im Zusammenhang anderer Kaufentscheidungen
Bisher ist festgestellt worden, daß als Kaufentscheidung die Auswahl unter vergleichbaren Alternativen, d. h. innerhalb einer Produktkategorie, verstanden wird. Die einzelne Entscheidung kann aber auf unterschiedliche Weise mit anderen Kaufentscheidungen im Zusammenhang stehen. Innerhalb einer Produktgruppe kann die Auswahl einer Marke Einfluß auf andere Markenwahl-Entscheidungen haben, da ja der Einkauf nicht auf eine einzelne Alternative beschränkt sein muß. Wind (1977) verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf das Bedürfnis nach Abwechslung und unterschiedliche geschmackliche Präferenzen von Haushaltsmitgliedern. McAlister (1979) diskutiert in einer gründlichen Untersuchung Kaufsituationen, in denen der Konsument versucht, eine ausgewogene Mischung von Produkten einer Kategorie zusammenzustellen. Als Beispiele werden Käufe von Zeitungen/Zeitschriften, Schallplatten und Spirituosen für eine Hausbar genannt. Eine aus der Sicht der anbietenden Unternehmen besonders wichtige und wohl nicht zuletzt deshalb schon vielfach untersuchte Frage ist die nach
Kaufentseheidung und menschliches Problemlösungsverhalten
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der Konstanz von Kaufentscheidungen im Zeitablauf (Markentreue). Bei vielen Gütern, insbesondere Gütern des täglichen Bedarfs, wiederholen sich Kaufsituationen teilweise recht häufig. Für den dauerhaften Markterfolg der Anbieter sind natürlich Wiederholungskäufe der eigenen Marke von zentraler Bedeutung. Schon die Tatsache, daß Jacoby/Chestnut (1978) in ihrer zusammenfassenden Untersuchung zur Markentreue 53 (!) verschiedene Definitionen dieses Konzepts in der Literatur identifiziert haben, deutet an, wie schwierig es ist, generelle Aussagen über Interdependenzen gleichartiger Kaufentscheidungen im Zeitablauf zu machen. Offenbar existieren auch Zusammenhänge zwischen Kaufentscheidungen in verschiedenen Produktgruppen. Natürlich ist hier zunächst an wechselseitige Beeinflussungen über die Budget-Allokation zu denken. Daneben existieren anscheinend bei Konsumenten teilweise bestimmte Verhaltensmuster wie z. B. die Neigung zu Handelsmarken, Neigung zu teuren Marken oder Nutzung von Sonderangeboten, die bei verschiedenartigen Käufen wirksam werden (vgl. Wind 1977). Böcker (1975) hat mit der Kaufverbundanalyse das methodische Instrumentarium für entsprechende empirische Untersuchungen vorgestellt, die in der Zukunft voraussichtlich noch durch die Ausbreitung der Scanner-Technologie im Handel (vgl. Simon/Kucher/Sebastian 1982) erleichtert werden. Einige inhaltliche Ergebnisse zu Verhaltensmustern verschiedener sozialer Schichten beim Kauf stellt Kroeber-Riel (1980, S. 518 ff.) zusammen. 1.1.2.2.2
Der Konsument im sozialen Zusammenhang
Die soziale Schicht und die Bezugsgruppen des Konsumenten beeinflussen in vielfaltiger Weise sein Verhalten. Umfassende Diskussionen dieser Aspekte finden sich in führenden Lehrbüchern des Gebiets: Assael (1981), Engel/Blackwell (1982), Kroeber-Riel (1980) und Zaltman/Wallendorf (1979). Gesichtspunkte, die im Zusammenhang mit der Informationsaufnahme stehen, werden in anderen Abschnitten dieser Schrift erörtert. An dieser Stelle soll lediglich auf Entscheidungen in Familien/Haushalten näher eingegangen werden. Davis (1977, S. 73) illustriert die Bedeutung derartiger Entscheidungen auf anschauliche Weise: „Wichtige Arten von Konsumausgaben wie die für Lebensmittel, Wohnung und Transportmittel dienen oft einer gemeinsamen Nutzung. Ein Ehemann kauft vielleicht einen Kombiwagen, weil er seine vier Kinder transportieren muß, obwohl er starke Präferenzen für Sportwagen hat. Ehemänner tragen Krawatten, Unterwäsche und Socken, jedoch werden diese Sachen häufig von den Ehefrauen eingekauft. Eine Hausfrau trifft Produkt- und Markenentscheidungen in gewissem
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Ausmaß auf Grund von Wünschen von Familienmitgliedern und ihrer Einschätzung, was diese mögen oder nicht und was ,gut für sie ist'. Sogar Präferenzen für individuell konsumierte Güter werden wahrscheinlich durch Reaktionen von Familienmitgliedern beeinflußt — z. B. ,Ach Mama! In diesem Kleid siehst Du aber dick aus.' oder ,Ich mag den Duft dieses Pfeifentabaks.'. Die Menge von Produkten, die eine Einzelperson ausschließlich für individuellen Verbraucht kauft, repräsentiert sicher einen sehr kleinen Teil der gesamten Konsumausgaben."
Entscheidungen von Konsumenten im Familienverbund sind nicht nur durch häufige und starke wechselseitige Beeinflussungen gekennzeichnet, vielmehr findet man auch oft gemeinsame Entscheidungen von Eheleuten teilweise auch unter Beteiligung von Kindern. Sheth (1974 a) erläutert in seiner Theorie der Kaufentscheidungen von Familien einige Faktoren, die die Gemeinsamkeit bei der Entscheidungsfindung begünstigen (vgl. dazu auch Assael 1981, S. 343 ff.): — — — — — —
Zugehörigkeit zur Mittelschicht Schwache Rollenfestlegung innerhalb der Familie Relativ frühe Phase im Familienlebenszyklus Hohes wahrgenommenes Risiko der Entscheidung Große Wichtigkeit des Kaufs Geringer Zeitdruck
Einen Überblick zum Stand der empirischen Forschung in diesem Gebiet geben Davis (1977) und Meffert/Dahlhoff (1980). Gemeinsame Kaufentscheidungen innerhalb von Familien weisen gewisse Ähnlichkeiten zu organisationalem Beschaffungsverhalten (z. B. von Firmen, Behörden, Vereinen) auf, das meist durch eine Beteiligung von mehreren Personen gekennzeichnet ist (vgl. Backhaus 1982, S. 39). Wind (1978) charakterisiert die besonderen Schwierigkeiten bei der empirischen Untersuchung von Gruppen-Entscheidungen durch drei Gesichtspunkte: — Konzeptualisierungsprobleme bei der Entwicklung von Variablen und Hypothesen, die sich auf Gruppen und nicht auf Individuen beziehen. — Methodische Probleme bei der Analyse zusammenhängender Daten von mehreren Personen. — Größerer Aufwand bei der Erhebung und Analyse von Daten für mehrere Personen. Weiterhin schlägt er vor, Konzepte und Methoden aus dem Bereich des organisationalen Beschaffungsverhaltens auf entsprechende Probleme des Konsumentenverhaltens anzuwenden. Eine Realisierung dieses Vorschlags ist aber bisher nicht erkennbar. Insbesondere zum Hauptgegenstand der weiteren Diskussion, der Informationsaufnahme in Kaufentscheidungspro-
Kaufentscheidung und menschliches Problemlösungsverhalten
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zessen, liegt im Hinblick auf Gruppenentscheidungen bisher nur wenig empirisches Material vor. Zu den Ausnahmen gehören die Untersuchungen von Park (1982) und Rudd/Kohout (1983). Die wichtigen einschlägigen Untersuchungsmethoden sind auch kaum auf Gruppenprozesse übertragen worden. Die weiteren Betrachtungen sollen deshalb auf individuelle Kaufentscheidungen beschränkt bleiben, was nicht ausschließt, daß diese von anderen Personen beeinflußt werden. Auf weitere Analogien zwischen Kaufentscheidungen für Konsum- und Investitionsgüter macht Lehmann (1979, S. 692 f.) aufmerksam. Offenbar gibt es auch beim industriellen Einkauf Situationen, die Konsumentenentscheidungen ähneln, indem beispielsweise eine Einzelperson im Unternehmen mehr oder weniger routinemäßig Kaufentscheidungen für Güter relativ geringen Wertes (Büromaterial etc.) trifft. Insofern bringt die Beschränkung auf die Untersuchung invidueller Entscheidungen zwar eine Schwerpunktbildung im Konsumentenbereich mit sich, schließt aber keineswegs andere Kaufentscheidungen völlig aus. 1.1.2.3 1.1.2.3.1
Typologien der Kaufentscheidung Wichtige Ansätze im Überblick
Im Abschnitt 1.1.2.1 sind die im Rahmen dieser Schrift behandelten Kaufentscheidungen als Auswahl aus vergleichbaren Alternativen definiert worden. Im vorigen Abschnitt ist die Betrachtung auf individuelle Entscheidungen eingeschränkt worden. Gerade die Auswahl von Alternativen (z. B. Marken) durch Individuen ist seit langem eines der Kerngebiete der Konsumentenforschung. Insofern verwundert es nicht, daß für diese Art von Entscheidungen verschiedene Typologien entwickelt worden sind. Die wichtigsten sollen hier überblicksartig dargestellt und im nächsten Abschnitt kurz diskutiert werden.
Der Ansatz von Katona und Howard\Sheth Schon um 1950 hat George Katona im Rahmen seiner grundlegenden Arbeit zu einer verhaltenswissenschaftlichen Fundierung der ökonomischen Theorie, die zehn Jahre später auch in deutscher Sprache erschien, zwei Arten von (Kauf-)Entscheidungen definiert (Katona 1960, S. 57): „Echte Entscheidungen werden nur gelegentlich getroffen. Sie erfordern die Wahrnehmung einer neuen Situation und die Lösung des durch sie geschaffenen Problems; sie führen dazu, auf eine Situation in einer neuen Art und Weise zu reagieren.
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Grundlegung
Habituelles Verhalten stellt im Gegensatz dazu das übliche oder alltägliche Verhalten dar. Man tut das, was man vorher in einer ähnlichen Situation auch schon getan hat. Ob wir in diesem Zusammenhang noch das Wort .Entscheidung' gebrauchen sollten, ist im Grunde unwesentlich. Es kommt vielmehr vor allem darauf an, zu erkennen, daß der psychologische Prozeß in diesem Fall ganz anders verläuft als bei einer echten Entscheidung. Routineverhalten oder die Anwendung von Faustregeln sind brauchbare Begriffe zur Umschreibung dieser zweiten Verhaltensform." In ihrer Theorie des Konsumentenverhaltens haben Howard/Sheth (1969) einen dritten Typ von Entscheidungen definiert, der gewissermaßen zwischen den beiden genannten einzuordnen ist: .Limitierte Entscheidungen'. Dabei liegen meist schon Erfahrungen mit ähnlichen Situationen vor, und die Entscheidungskriterien sind klar definiert. Die Auswahl aus den zur Verfügung stehenden Alternativen muß auf der Grundlage dieser Kriterien aber noch getroffen werden. Später hat Howard (1977, S. 8 ff.) am Beispiel des Prodüktlebenszyklus von Pulverkaffee diese drei Typen von Kaufentscheidungen im Zusammenhang diskutiert. In den 40er Jahren, als das damals völlig neuartige Produkt eingeführt worden ist, haben die Konsumenten viele Informationen für die Entscheidung, ob sie Pulverkaffee kaufen sollen, benötigt. Entsprechend langwierig war der Entscheidungsprozeß (echte Entscheidung bzw. extensive Kaufentscheidung). Nach der Einführung weiterer Marken in den 50er Jahren vereinfachte sich das Problem. Die Konsumenten verfügten bereits über Produkterfahrungen und hatten Entscheidungskriterien entwickelt, die nur noch auf die neu hinzukommenden Marken angewandt werden mußten. Geringerer Informationsbedarf und verkürzte Entscheidungszeiten waren die Konsequenz (limitierte oder vereinfachte Kaufentscheidung). In der letzten Phase, beginnend in den 60er Jahren, hat sich bei den Käufern auch Markenvertrautheit entwickelt. Vor dem Kauf des Produkts werden kaum noch neue Informationen benötigt, die Entscheidungszeit wird minimal. Häufig entsteht auch Markentreue (habituelles Verhalten bzw. gewohnheitsmäßige Kaufentscheidung). Dieses Beispiel illustriert auch, daß die bisher genannten drei Typen von Kaufentscheidungen auch Phasen eines Lernprozesses beim Konsumenten charakterisieren können. Bisher wurde vorausgesetzt, daß beim Konsumenten ein Bedürfnis (z. B. Erwerb von Kaffee) vorliegt, bevor er eine Entscheidung trifft. Zumindest in der Marketing-Literatur findet aber seit längerem (vgl. die bei Weinberg/ Gottwald 1982 angegebene Literatur) eine vierte Art von Käufen Beach-
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tung, die sogenannten Impulskäufe. „Impulskäufe lassen sich durch ein rasches Handeln erkennen. Sie sind ungeplant, werden gedanklich kaum kontrolliert, unterliegen einer starken Reizsituation und zeichnen sich meist durch eine emotionale Aufladung aus. Man kann annehmen, daß Impulskäufe besonders häufig auftreten, wenn ausgeprägte Bedürfnisse (zumindest latent) vorliegen, der Konsument durch Reize stark stimuliert wird und keine situativen Hemmnisse die spontane, kognitiv gering gesteuerte Kaufentscheidung beeinträchtigen." (Weinberg 1981, S. 14). Beispielsweise können Impulskäufe durch Reize wie Displays oder Sonderplazierungen ausgelöst werden. Kroeber-Riel (1980, S. 310 ff.) und Weinberg (1981, S. 12 ff.) entwerfen ein einheitliches Konzept zur Charakterisierung der vier genannten Typen von Kaufentscheidungen: Extensive Entscheidung. starke kognitive Kontrolle Limitierte Entscheidung
beschränkte kognitive Kontrolle
Habitualisierte Entscheidung
geringe kognitive Kontrolle
Impulsive Entscheidung
geringe kognitive Kontrolle, starker Einfluß von Reizen und Emotionen
Der Ansatz von Bettman\Zins Bettman und Zins (1977) unterscheiden Kaufentscheidungen danach, ob sie durch direkte Anwendung im Gedächtnis des Konsumenten gespeicherter Regeln und Heuristiken oder durch Regeln und Heuristiken, die vom Konsumenten im jeweiligen Entscheidungsprozeß entwickelt (konstruiert) werden, zustande kommen. Den ersten Fall kann man sich so vorstellen, daß bei Bedarf aus einem Speicher fertig entwickelte und sofort anwendbare Regeln abgerufen werden können, ähnlich wie ein Computerprogramm Unterprogramme verwendet. Zwei Arten von gespeicherten Regeln werden unterschieden. Zum einen kann es sich um eine vorherbestimmte Wahl („Kaufe Marke A") handeln. Zum anderen kann man bereits Heuristiken anwenden, die aber noch weiterer Verarbeitung bedürfen. Beispielsweise könnte die Regel „Kaufe die billigste Marke" angewandt werden, die noch nicht festlegt, welche Marke erworben wird. Man spricht hier auch von einer analytischen Umsetzung von Entscheidungsregeln. Beide Arten von Anwendungen gespeicherter Regeln sind im wesentlichen eine konkretere Beschreibung von Kaufgewohnheiten.
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Grundlegung
Den Gegenpol bildet der konstruktive Mechanismus. „Die Heuristiken werden konstruiert unter Benut2ung von Fragmenten oder Elementen von Regeln, die im Gedächtnis gespeichert sind. Als derartige Fragmente kommen in Frage Einschätzungen von Alternativen, Bewertungen, einfache Teilmengen der Einschätzungen betreffenden Daumenregeln (z. B. ,Vergleiche diese Produkte im Hinblick auf Eigenschaft A, um festzustellen, ob sie sich stark unterscheiden.'), Regeln zur Zusammenfassung von Einschätzungen (z. B. ,Zähle im Hinblick auf wieviele Eigenschaften Alternative X die beste ist.' oder ,Bilde den Durchschnitt von Bewertungen.'), Regeln für die Zuordnung von Gewichten (z. B. .Gewichte den Preis hoch, wenn die Leistungsfähigkeit aller Marken vergleichbar ist.') oder vielleicht sogar Rechenregeln." (Bettman/Zins 1977, S. 76). Derartige Elemente werden vom Konsumenten zur Zeit der anstehenden Entscheidung zu einer Heuristik zusammengefügt. Mit diesem zeitlichen Bezug ist eine Abhängigkeit der verwendeten — oder besser gesagt, entstehenden — Heuristik von situativen Faktoren, insbesondere den zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen verbunden. Konstruktive Mechanismen werden vor allem bei schwierigen und/oder neuartigen Entscheidungen angewandt. Der Ansät^ von Sheth\Raju Sheth und Raju (1979) unterscheiden vier verschiedene Wahlmechanismen, die sie als situationskontrolliert, meinungskontrolliert, gewohnheitskontrolliert und neugierkontrolliert bezeichnen. Beim situationskontrollierten Wahlmechanismus geht man davon aus, „daß der Konsument eine allein durch die motivationalen Einflüsse der situationalen Stimuli gesteuerte Wahl zwischen mehreren Alternativen z. B. im Produkt- oder Markenbereich trifft, ohne dabei Vergleiche auf der kognitiven Ebene zwischen seinen Alternativen vorzunehmen. . . . Letztendlich erfordert der situationskontrollierte Wahlmechanismus nur eine bipolare Wahl gegenüber einer Produktklasse oder Produktmarke in der Art einer Kauf- oder Nichtkauf-Reaktion." (Sheth/Raju 1979, S. 149). Diese Art von Kaufentscheidungen entspricht offenbar recht genau den schon erwähnten Impulskäufen.
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Bei einem meinungskontrollierten Wahlmechanismus unterstellt man einen eher rational geprägten Entscheidungsprozeß, bei dem der Konsument in einer stark kognitiv gesteuerten Weise eine Auswahl aus mehreren Alternativen trifft, indem er sich eine Meinung zum Nutzen dieser Alternativen im Hinblick auf seine Bedürfnisse bildet. Auch hier wird eine Analogie — in diesem Fall zu den .echten bzw. extensiven Entscheidungen' — deutlich. Nun überrascht es nicht mehr, daß die dritte Kategorie, das gewohnheitskontrollierte Wahlverhalten, den habituellen Entscheidungen stark ähnelt. Da ein solches Verhalten nach Sheth/Raju auf Grund von positiven Erfahrungen mit einem Produkt in der Vergangenheit zustande kommt, unterstellen sie, daß auch hier nur eine bipolare Wahl zwischen der gewohnten und allen anderen Alternativen stattfindet. Ursache für den neugierkontrollierten Wahlmechanismus sind verbreitete Phänomene wie Neugier, Forschungsdrang und Suche nach Abwechslung. Der Konsument entscheidet sich also nicht auf Grund einer Nutzenabwägung für alle Alternativen, sondern wegen einer möglicherweise durchaus planmäßigen einseitigen Motivation, etwas Neues zu kaufen. Sheth und Raju gehen auch hier von einer bipolaren Entscheidung — Kauf der neuartigen Alternative oder nicht — aus. Der Involvement- Ansat^
Das Involvement-Konstrukt wurde im Bereich der Kommunikationsforschung eingeführt und hat sich inzwischen zu einem der zentralen Erklärungsansätze der Konsumentenforschung entwickelt. Ausgangspunkt war ein Aufsatz von Krugman (1965) zur Wirkung der Fensehwerbung, der erst Jahre später in der Werbeforschung gebührende Beachtung gefunden hat (vgl. Ray 1973). In den 70er Jahren sind dann Theorie und Meßmethoden weiterentwickelt worden (vgl. z.B. Maloney/Silverman 1979); eine Ausweitung des Involvement-Konstrukts über Anwendungen in der Werbeforschung hinaus wurde vorgenommen. Neuerdings verwenden führende Lehrbücher zum Konsumenten verhalten (Assael 1981, Engel/Blackwell 1982) dieses Konzept als Schlüsselkriterium für die Beschreibung und Analyse von Kaufentscheidungsprozessen. Krugman (1965) setzte bei einer widersprüchlich erscheinenden Beobachtung an: Während bei Messungen der Einflüsse von Werbung bei Individuen meist nur relativ schwache Einstellungs- und Verhaltenswirkungen beobachtbar waren, zeigten die aggregierten Daten (z. B. Marktanteile) in der Regel deutliche Abhängigkeiten von der Werbeintensität. Dies gab zu
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Grundlegung
Zweifeln an der bis dahin einheitlich vertretenen Vorstellung Anlaß, daß Kontakt zur Werbung beim Konsumenten Lernprozesse verursacht, die wiederum zu Einstellungs- und (Kauf-)Verhaltensänderungen führen. Diese Lernhierarchie setzt allerdings aktive, bewußte Auseinandersetzung der Konsumenten mit den Werbebotschaften (High Involvement) voraus. Offenbar gibt es zahlreiche Situationen bzw. Formen der Werbung, bei denen diese Voraussetzung nicht zutrifft. Die Konsumenten sind in diesen Fällen an der Werbung nicht interessiert, sind nicht davon betroffen (Low Involvement) und werden eher .berieselt'. „Das heißt, daß sehr wenig Abwehrmöglichkeiten gegen die Botschaften bestehen. Obwohl Fernsehspots möglicherweise nicht direkt Einstellungen verändern, können sie nach häufiger Wiederholung Verschiebungen in der kognitiven Struktur ermöglichen. Konsumenten können eher in der Lage sein, sich an den Namen oder den Zweck eines Produkts zu erinnern. Wenn sie das nächste Mal in einer Kaufsituation sind, kommt ihnen dieser Name in den Sinn, sie kaufen und die Einstellungen verändern sich nachträglich auf Grund der Erfahrungen mit dem Produkt." (Ray 1973, S. 152). Beide Hierarchien der Werbewirkung sind in Abbildung 4 zusammenfassend dargestellt. Eine Übersicht über das Gebiet gibt Bleicker (1983); einige wichtige Arbeiten sind bei Maloney/Silverman (1979) gesammelt. Natürlich war es naheliegend, den Grundgedanken des InvolvementAnsatzes, daß die Informationsverarbeitung wesentlich von der Relevanz einer Botschaft für den Konsumenten abhängt, auch auf andere Bereiche des Konsumentenverhaltens zu übertragen, was dann gegen Ende der 70er Jahre auch geschah. Zunächst ging es um Involvement im Hinblick auf verschiedene Produktgruppen (vgl. z. B. Bloch 1981), inzwischen wird Involvement als eines der wichtigsten Kriterien zur Beschreibung und Kategorisierung von Kaufentscheidungsprozessen verwandt. „High-Involvement-Käufe sind Käufe, die für den Konsumenten wichtig sind. Solche Käufe stehen in enger Verbindung zu Persönlichkeit und Selbsteinschätzung des Konsumenten. Sie enthalten ein gewisses Risiko für den Konsumenten — finanzielles Risiko (teure Güter), soziales Risiko (Produkte, die im Hinblick auf Bezugsgruppen wichtig sind) oder psychologisches Risiko (die falsche Entscheidung kann Sorge oder Angst verursachen). In solchen Fällen lohnt es sich für den Konsumenten, seine Zeit und Energie für sorgfältiges Abwägen der Produktalternativen zu verwenden. Deshalb wird ein komplexer Entscheidungsprozeß eher bei High-Involvement-Käufen auftreten. Low-Involvement-Käufe entsprechen Käufen, die für den Konsumenten nicht wichtig sind. Finanzielle, soziale und psychologische Risiken sind bei weitem nicht so groß. In solchen Fällen ist es möglicherweise nicht sinnvoll, Zeit und Energie
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Abbildung 4: Hierarchien der Werbewirkung (nach Ray 1974, S. 149)
für die Beschaffung von Informationen über Marken und die Betrachtung einer großen Zahl von Alternativen einzusetzen. Deshalb bringen Low-InvolvementKäufe im allgemeinen begrenzte Entscheidungsprozesse mit sich." (Assael 1981, S. 11)
Der Ansatz von Olshavsky Der jüngste Versuch, eine Typologie der Kaufentscheidungen zu entwickeln, stammt von Olshavsky (1983). In das Zentrum umfassenderer Überlegungen zum Kaufentscheidungsprozeß stellt er das Problem der Präferenzbildung gegenüber Alternativen. Er unterscheidet vier Fälle, die in einem Flußdiagramm (Abbildung 5) zusammenfassend dargestellt werden.
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Abbildung 5: Schema von Olshavsky (1983)
Grundlegung
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Zunächst kann es vorkommen, daß gar keine Präferenzbildung stattfindet, da man bestimmte Verhaltensweisen (z. B. Wahl bestimmter Marken) schon teilweise sehr früh gelernt hat. Hier ist beispielsweise an in der Kindheit beginnende Prozesse der Geschmacksbildung zu denken. Durch Übernahme des Verhaltens von Eltern, Geschwistern, Lehrern etc. bzw. durch deren Instruktionen können Präferenzen langfristig festgelegt sein, so daß in einzelnen Wahlsituationen eine Präferenzbildung überflüssig ist (vgl. Ward 1974). Wenn man nicht auf vorhandene Präferenzen zurückgreifen kann, fragt es sich, ob man die Präferenzbildung selbst vornehmen muß oder andere .delegieren' kann. Die letztere Vorgehensweise kann in vier verschiedenen Formen stattfinden. Der Käufer kann — — — —
einer Empfehlung folgen, sich an Gruppennormen anpassen, andere imitieren oder einem Wunsch anderer nachkommen.
Derartige Phänomene sind aus dem Zusammenhang von Untersuchungen über Meinungsführer oder Bezugsgruppen seit längerem bekannt. Führt der Käufer die Präferenzbildung selbst durch, so kann er an Stelle einer umfassenden Aufnahme und Verarbeitung vielfältiger Informationen über alle Alternativen auf bestimmte , Surrogate' einer detaillierten Bewertung von Alternativen zurückgreifen. Das setzt voraus, daß der Konsument von einer zuverlässigen Beziehung zwischen diesen Schlüsselinformationen und der ganzheitlichen Bewertung ausgehen kann. Beispiele für häufig genutzte Schlüsselinformationen sind Preis (als Qualitätsindikator), Markenname, Herkunftsland, Image des Herstellers, Produktdesign und Garantiezeit. Der typische Fall besteht wohl darin, daß mehrere derartige Informationen zur Präferenzbildung genutzt werden (vgl. Olson 1977). Die vierte und letzte Form der Präferenzbildung sei nach Olshavsky als ,Entscheidungsprozeß im engeren Sinne' bezeichnet. Hier geht es darum, für eine größere Zahl von Alternativen relativ komplexe Bewertungen vorzunehmen, die auf Informationen über möglichst alle für den Konsumenten relevanten Produkteigenschaften basieren. 1.1.2.3.2
Diskussion der Typologien
Im vorigen Abschnitt sind fünf Typologien individueller Kaufentscheidungen vorgestellt worden. Die Beschreibung hat schon angedeutet, daß es
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Grundlegung
(vorläufig?) kaum möglich sein wird, damit dem Phänomen .Kaufentscheidung' in seiner ganzen Komplexität und Vielfalt gerecht zu werden. Deshalb soll hier auch nicht der Versuch gemacht werden, eine sechste (bessere?) Typologie zu entwickeln, zumal das für den Argumentationszusammenhang dieses Buches auch nicht nötig ist. Vielmehr sollen die Verschiedenartigkeiten und Ähnlichkeiten der vorgestellten Ansätze genutzt werden, um die Teilmenge von Kaufentscheidungen zu beschreiben, der die weiteren Betrachtungen gelten. Natürlich springen Ähnlichkeiten wie die zwischen .habituellem Verhalten' bei Katona/Howard/Sheth und ,gewohnheitskontrolliertem Wahlverhalten' bei Sheth/Raju sofort ins Auge. Andererseits werden auch unterschiedliche Aspekte angesprochen: Bettman/Zins z. B. konzentrieren sich auf die kognitiven Prozesse, die beim Kaufentscheid ablaufen, während Olshavsky Formen der Präferenzbildung durch externe Faktoren einbezieht. Auf zwei weitere Gesichtspunkte sei noch hingewiesen. Zumindest zwei der Ansätze, nämlich der von Katona/Howard/Sheth und das InvolvementKonzept, lassen eine Modifizierung im Hinblick auf die Beschreibung einer größeren Vielfalt von Entscheidungen zu. In beiden Fällen kann man sich leicht ein Kontinuum vorstellen, das von starker bis zu geringer kognitiver Kontrolle bzw. von hohem bis zu niedrigem Involvement reicht. Weiterhin enthalten einige der Typologien neben der Darstellung unterschiedlicher Arten von Kaufentscheidungen auch Angaben über deren (vermutete) Ursachen. Deshalb werden einige dieser Gesichtspunkte bei der Diskussion der Einflußfaktoren der Informationsaufnahme (Kapitel 3) eine Rolle spielen. Eine Übersicht der diskutierten Typologien findet sich in Abbildung 6. Auf den in Abschnit 1.1.1 erörterten Zusammenhang von Problemlösung und Entscheidung muß hier noch einmal zurückgegriffen werden. Als Kennzeichen von Problemlösungen wurde dort u. a. ein gewisses Maß an Informationsaufnahme und -Verarbeitung beim Problemloser vorausgesetzt. Weiterhin wurde eine Auswahl aus Alternativen als Entscheidung definiert. Eine Behandlung der Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen muß sich also auf solche Fälle konzentrieren, die auch Problemlösungen sind, in denen also Informationen über zumindest einige der Alternativen aufgenommen (und verarbeitet) werden. Damit ist übrigens noch nicht gesagt, daß diese Informationen von außen kommen müssen. Es gibt sicher viele Prozesse, in denen die notwendigen Informationen nur einem internen Speicher (Gedächtnis) entnommen werden.
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Kaufentscheidung und menschliches Problemlösungsverhalten
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1000, bundesweit Stichprobenausschöpfung 100 % etc., etc.
Wenn so hohe Maßstäbe angelegt werden, die in personeller, finanzieller und zeitlicher Hinsicht die Möglichkeiten empirischer Forscher meist sprengen, würde man wohl nicht nur jede Weiterarbeit in dem Gebiet ersticken, sondern könnte auch fast die gesamten bisher vorliegenden Untersuchungen dem Reißwolf übergeben. Offenbar muß man hier Kompromisse machen, Fehler und Einschränkungen der Aussagemöglichkeiten in Kauf nehmen. Einen interessanten Versuch, aufbauend auf vielen (mehr oder weniger unzulänglichen) Einzeluntersuchungen zu weiterreichenden (generellen) Ergebnissen zu kommen, stellt die Meta-Analyse dar. Darunter versteht man die quantitative Zusammenfassung der Ergebnisse (auch methodisch) verschiedener Untersuchungen zu einem Thema (vgl. z. B. Glass/McGraw/Smith 1981). Leider gibt es für die ,Grauzone der empirischen Forschung', also das Ausmaß an Fehlern, das man noch für akzeptabel hält, kaum theoretisch fundierte Anhaltspunkte. Im Gegenteil wird das Problem noch unübersichtlicher durch opportunistisches Verhalten von Forschern, die immer den gerade in ihrer Untersuchung gefundenen Wert für Cronbach's Alpha für ,noch ausreichend' oder die Ausschöpfungsrate ihrer Stichprobe für zufriedenstellend' erklären. Bei der folgenden Diskussion der Untersuchungsmethoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen werden die hier skizzierten Gesichtspunkte der internen und externen Validität entscheidende Kriterien darstellen. Den Maßstab bildet dabei die im ersten Kapitel entwickelte Konzeptualisierung des Kaufentscheidungsprozesses. Andererseits sollen
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
aber auch forschungspraktische Erwägungen, wie vor allem der mit bestimmten Methoden verbundene Aufwand, berücksichtigt werden.
2.2 2.2.1
Die gängigen Untersuchungsmethoden Befragungen
Seit langem ist die Befragung als eine der gängigsten Methoden der empirischen Sozial- und Wirtschaftsforschung etabliert. Babbie (1973, S. 42) stuft sogar Karl Marx (u. a.) als Umfrageforscher ein, weil dieser im Jahre 1880 an 25000 französische Arbeiter Fragebögen verschickte, über deren Beantwortung allerdings nichts bekannt wurde. „Heutzutage basiert die sozialwissenschaftliche Forschung hauptsächlich auf Interviews und Fragebögen." (Webb et al. 1981, S. 1). Schätzungen für den Anteil von Befragungen an der verhaltenswissenschaftlichen Forschung gehen bis zu etwa 85 % (vgl. Jacoby 1978). Die Übersicht von Newman (1977) zur externen Informationssuche von Konsumenten bestätigt die dominierende Rolle der Befragung auch für ältere Untersuchungen des hier hauptsächlich interessierenden Forschungsgebiets. Daß die Befragungsverfahren eine so bedeutende Stellung im Vergleich zu anderen Forschungsmethoden haben, verwundert nicht. Sie gelten als — — — — —
relativ kostengünstig, auf vielfältige Themen anwendbar, relativ leicht durchführbar (??), bei großen Stichproben einsetzbar und für Untersuchungsgegenstände unabhängig vom Meßzeitpunkt anwendbar.
Es existiert sehr viel Literatur zu dieser Methode, was einerseits deren Bedeutung unterstreicht, andererseits aber auf vielfältige Probleme bei ihrer Anwendung hinweist. Hier ist nicht der Ort, um die vielfältigen Fehlermöglichkeiten bei Befragungen zu diskutieren. Dazu sei auf die zusammenfassenden Darstellungen von Sudman/Bradburn (1974), Johnson (1976), Bradburn/Sudman (1980), Peterson/Kerin (1981), Schuman/Presser (1981) und Sudman/Bradburn (1983) verwiesen. Zur Illustration dieser Fehlermöglichkeiten sollen aber drei (extreme) Beispiele genannt werden: Wind und Lerner (1979) haben Daten einer Befragung von Teilnehmern eines Haushalts-Panels analysiert. Dabei haben 48 % der Befragten eine
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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Margarinemarke als ihre meistgekaufte bezeichnet, die sie in den davor liegenden sechs Monaten nie gekauft hatten. Schuman/Presser (1981, S. 56 ff.) fanden selbst für dichotome Antwortmöglichkeiten bei Vertauschung von deren Reihenfolge im Fragebogen meist signifikante Unterschiede der Antwortverteilungen. Bradburn/Sudman (1980, S. 21) berichten, daß durch unterschiedliche Frageformen höchst unterschiedliche Mengenangaben der Befragten zu ihrem durchschnittlichen Bierkonsum zustande kamen (von 131 bis 320 Büchsen pro Jahr). Derartige Ergebnisse lassen natürlich ein gewisses Mißtrauen hinsichtlich der Validität von Befragungen aufkeimen. Offenbar müssen verbale Angaben über Meinungen, Käufe, Absichten etc. keineswegs mit den tatsächlichen Meinungen, Käufen, Absichten etc. übereinstimmen. Erschwerend kommt hinzu, daß unabhängig von den spezifischen Validitätsproblemen der Befragung — wie im vorigen Abschnitt erläutert — die Verwendung möglichst unterschiedlicher Methoden zur Messung eines Konstrukts wünschenswert ist. „Wir beklagen das Übergewicht einer einzigen fehlerbehafteten Methode. . . . Aber der Haupteinwand ist der, daß sie (die Befragungen, Anm. d. Verf.) allein benutzt werden. Keine Forschungsmethode ist ohne Verzerrungen. Interviews und Fragebögen müssen durch Methoden ergänzt werden, die die gleichen sozialwissenschaftlichen Variablen messen, aber andere methodische Schwächen haben." (Webb et al. 1981, S. 1) Cannell/Oksenberg/Converse (1977) haben einige für verbale Messungen von Konsumentenverhalten offenbar allgemeingültige systematische Einflußfaktoren für Ergebnisverzerrungen bestätigt: — Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen einem Ereignis (z. B. einem Kauf) und dem Interview läßt die Genauigkeit der Angaben über dieses Ereignis deutlich nach. — Je unbedeutender ein Ereignis ist, desto ungenauer sind auch die Angaben darüber. — Angaben werden oft in einer .sozial wünschenswerten' Weise verzerrt. — Selbst bei den gleichen Personen ist das Ausmaß der Ungenauigkeit bezüglich verschiedener Befragungsthemen unterschiedlich. Offenbar können Befragungen, die die Informationsaufnahme bei weit zurückliegenden (,Als Sie vor fünf Jahren Ihr Auto kauften, welche Informationen . . . ' ) und/oder relativ unwichtigen Entscheidungen (,Als Sie vor zwei Wochen eine Flasche Wein kauften, . . . ' ) betreffen, mit erheblichen Fehlern behaftet sein. In einigen Fällen (,Wenn Sie Babynah-
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
rung kaufen, achten Sie da auf den Nährwert und die Bekömmlichkeit?') können auch soziale Normen systematisch verzerrend wirken. Wenn man an die in Abschnitt 1.2.1.3.3 umrissenen Dimensionen der externen Informationsaufnahme von Konsumenten (Alternativen, Eigenschaften, Quellen, Einzelinformationen, Reihenfolge) zurückdenkt, erkennt man sofort, daß sich bei derart komplexen Vorgängen die eben angesprochenen Probleme der Exaktheit von Angaben über vergangene Käufe mit besonderer Schärfe stellen. Vielleicht wird es einem in Einzelfallen gelingen, die betrachteten Alternativen, Eigenschaften und Informationsquellen wiederzugeben. Kaum vorstellbar ist allerdings die Erinnerung an alle verwendeten Einzelinformationen und vor allem an die entsprechende Reihenfolge, die ja für Aussagen hinsichtlich der Informationsverarbeitung eine wichtige Rolle spielt. Ein Ausweichen auf Befragungen bezüglich zukünftiger oder hypothetischer Kaufentscheidungen könnte vielleicht das Erinnerungsproblem lösen, würde aber andere mindestens ebenso gewichtige Fragen nach der Validität der Methode aufwerfen. Die bisher erläuterten weitreichenden Zweifel an der Validität von Befragungen haben sich in einer speziell auf die Informationssuche beim Kaufentscheid bezogenen Untersuchung von Newman/Lockeman (1975) eindrucksvoll bestätigt. Ganz im Sinne von Campbell/Fiske (1959, vgl. auch Abschnitt 2.1.2 dieser Schrift) wurden verschiedenartige Indikatoren für die Messung der Informationsaufnahme von Frauen beim Schuhkauf verwendet. Zwei davon basierten auf Beobachtungen beim Kauf selbst, vier auf Befragungen wenige Tage nach dem Kauf. Die Korrelationen der Meßwerte aus der Beobachtung mit denen aus der Befragung ergaben mit Koeffizienten (Pearson) zwischen —.12 (!) und + . 1 2 ein ziemlich vernichtendes Resultat für die Konvergenzvalidität mindestens einer der verwendeten Methoden. Ende der 70er Jahre hat sich die Auseinandersetzung um die Eignung verbaler Meßmethoden für die empirische Entscheidungsforschung erheblich zugespitzt. Ausgelöst durch einen Aufsatz von Nisbett und Wilson (1977), dessen Titel „Mehr erzählen als wir wissen können: Verbale Angaben über geistige Prozesse" schon die Position der Autoren verrät, sind vor allem von Anwendern verbaler Methoden entsprechende Repliken, theoretische Begründungen für die Eignung verbaler Messungen sowie Versuche der empirischen Validierung publiziert worden. Hier sind vor allem die Arbeiten von Ericsson/Simon (1980), Rip (1980), Simon (1980), Smith/Miller (1978), Weitz/Wright (1979) und Wright/Rip (1980 b) zu nennen.
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Nisbett und Wilson behaupteten auf der Basis einer umfassenden Literaturauswertung, daß kognitive Prozesse höherer Ordnung nicht vollständig von der betreffenden Person selbst beobachtet und dementsprechend auch nicht berichtet werden können. Dagegen begründen Ericsson/Simon (1980) und Simon (1980) ausgehend vom menschlichen Informationsverarbeitungsmodell (siehe Abschnitt 1.2.1.3.2), daß eine gleichzeitige Verbalisierung von Prozessen im Kurzzeitspeicher zu validen Ergebnissen führt, vorausgesetzt, daß diese Prozesse schon auf einer verbalen Ebene stattfinden (und nicht z. B. in Form ,bildlichen' oder mathematischen Denkens). Bei Befragungen hinsichtlich zurückliegender kognitiver Prozesse ist die Situation dagegen völlig anders. Abgesehen von dem Sonderfall, daß der zeitliche Abstand im Sekundenbereich liegt und die relevanten Informationen noch imKurzzeitspeicher sind, müßte eine Speicherung dieser Prozesse im Langzeitgedächtnis erfolgt sein, um (über Erinnerung) verbale Berichte darüber zu ermöglichen. Wegen der in Abschnitt 1.2.1.3.2 beschriebenen Beschränkungen der menschlichen Informationsverarbeitung erscheint eine vollständige Speicherung schnell ablaufender und teilweise komplexer Informationsaufnahme und -Verarbeitungsprozesse als extrem unwahrscheinlich. Entsprechende Befragungen müssen in der Regel zu zumindest unvollständigen Ergebnissen führen. Erschwerend kommt hinzu, daß Teile von Entscheidungsprozessen unbewußt ablaufen können und damit einer Verbalisierung kaum zugänglich sind. Nisbett/Wilson (1977) und Ericsson/Simon (1980) stimmen darin überein, daß eine Fehlermöglichkeit in der , Substitution' tatsächlich nicht beobachteter bzw. erinnerter kognitiver Prozesse durch plausible oder sozial wünschenswerte Prozesse auf Seiten der Auskunftsperson besteht. Das leitet über zum Problem der ,forcierten Aufmerksamkeit', das in der Informationsaufnahmeforschung mit Hilfe der Befragung dadurch auftreten kann, daß Listen, Antwortkategorien etc. mit möglicherweise genutzten Informationsarten vorgegeben werden, was zu überhöhten Nennungszahlen führen kann. Schließlich sei noch hervorgehoben, daß Befragungsverfahren dem Prozeßcharakter von Kaufentscheidungen nicht gerecht werden. Auch wenn Befragungen zu mehreren Zeitpunkten (,vorher — nachher') vorgenommen werden, lassen sich damit höchstens Zwischenabschnitte des Informationsaufnahmeprozesses untersuchen. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, daß eine (statische) Methode nicht mit der (dynamischen) Konzeptualisierung übereinstimmt. Von daher bestehen Zweifel an der Validität entsprechender Messungen.
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
Bedenken gegen die E i g n u n g verbaler Meßmethoden für die Informationsverarbeitungsforschung sind schon relativ früh geäußert worden, allerdings zunächst folgenlos geblieben, da bis vor etwa zehn Jahren kaum Alternativen zu diesen Methoden sichtbar waren. Besonders deutlich werden diese Vorbehalte bei Chaffee/McLeod (1973, S. 403): „Seit Freud die vielen Arten aufgezeigt hat, in denen Menschen sich selbst und andere täuschen, gab es natürlich schon immer Abneigung gegen die Akzeptanz von Introspektion und anderen verbalen Angaben als valide Daten für die Verhaltensforschung. Es ist nicht nur so, daß wir beschönigen, rationalisieren oder uns selbst verteidigen; schlimmer ist, daß wir das bewußt tun. Es ist auch vollkommen vernünftig anzunehmen, daß andere dasselbe tun. Welches Vertrauen können wir in Daten setzen, die auf dem Bericht einer Person über ihr eigenes Denken oder Verhalten beruhen? Es zeigt sich, daß wir als Forscher viel Vertrauen in solche Daten setzen müssen — ungeachtet unserer eigenen Zweifel und der Freudschen Theorie. Der Grund für dieses Vertrauen liegt nicht in entsprechenden Beweisen, sondern in der Notwendigkeit. Es gibt für viele Zwecke keine brauchbare Alternative. Wenn wir wissen wollen, ob eine Person eine Markenwahl oder eine Produktklassenwahl getroffen hat, ist es oft notwendig, sie zu fragen. Wenn wir wissen wollen, welche alternativen Marken oder Produkte jemand in Betracht gezogen hat, müssen wir ihn auch darüber befragen. Wenn wir wissen wollen, im Hinblick auf welche Attribute er Objekte verglichen hat, müssen wir ihn wieder fragen. Tatsächlich kann fast jede Annahme, für die wir bisher eine empirische Überprüfung vorgeschlagen haben, mit direkter Befragung untersucht werden — und gewöhnlich mit keinem anderen Mittel." Glücklicherweise hat sich hier die L a g e insofern etwas verändert, als in letzter Zeit gerade für die hier diskutierten Probleme alternative Meßmethoden entwickelt worden sind. Die Diskussion dieser Methoden — der sogenannten Prozeßverfolgungstechniken — bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels. Z u v o r soll aber noch kurz auf eine andere eher traditionelle Methode eingegangen werden.
2.2.2
Input-Output-Untersuchungen
Eine weitere vor allem in den frühen 70er Jahren verbreitete Forschungsmethode wird hier als Input-Output-Ansatz (vgl. Aschenbrenner 1980) bezeichnet. Diese Benennung rührt daher, daß den Versuchspersonen bestimmte Informationen über jede Alternative vorgegeben werden (Input) und dann ein Gesamturteil über jede Alternative abverlangt wird (Output). Wenn man bestimmte Modelle der Informationsverarbeitung unterstellt,
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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z. B. ein lineares, kann man die relative Bedeutung der Einzelinformationen für das Gesamturteil schätzen. Die skizzierte Vorgehensweise sei an Hand einer Untersuchung von Slovic/ Fleissner/Bauman (1972) illustriert. Analysiert wurde dabei die Informationsnutzung bei der Einschätzung der Entwicklung von Börsenkursen durch 18 Börsenmakler. Dazu wurden für 64 .künstliche Aktien' jeweils acht Informationen über relevante dichotome Variable generiert. Jede Versuchsperson erhielt ein Heft mit diesen 64 .Informationsbriefen', die etwa folgendes Aussehen hatten: Aktiengesellschaft Nr. 22 Aktienpreis-Gewinn-Relation: Gut Gewinn pro Aktie, Jahrestrend: Abwärts usw. Zu jeder Aktie mußten die Versuchspersonen auf einer Neuner-Skala angeben, welche Kursentwicklung sie bei der jeweiligen Datenkonstellation erwarten. Diese Erwartungen stellten die abhängige Variable dar. Unabhängige Variable in der durchgeführten Varianzanalyse waren die acht dichotomen Variablen mit Eigenschaften der Aktien. Mit diesem Design konnte ermittelt werden, welche der acht Informationsarten einen signifikanten Beitrag beim Zustandekommens der Kurserwartungen leisten und welche Anteile der Varianz der abhängigen Variablen sie erklären. Man erhält also Angaben über die Informationsnutzung der Versuchspersonen. Dieser Grundansatz ist, teilweise in wesentlich komplexerer Form (Interaktionseffekte, Verwendung alternativer Informationsverarbeitungsmodelle, Nichtlinearität), auf recht unterschiedliche Problemstellungen vor allem aus den Bereichen Konsumentenverhalten, Management und Medizin angewandt worden. Übersichten geben Slovic/Lichtenstein (1971) und Scott/ Wright (1976). Auf der gleichen Idee basieren auch Entscheidungsmodelle, die unter dem Stichwort ,Bootstrapping' in die Literatur eingegangen sind (vgl. Bowman 1963; Kunreuther 1969; Heeler/Kearney/Mehaffey 1973 und Ebert/Kruse 1978). Dabei zeigte sich, daß Entscheidungen mit Hilfe solcher Modelle oft im Durchschnitt besser als die der ursprünglich beobachteten Manager waren, da die Modelle das Entscheidungsverhalten der Manager zwar abbilden, aber Irrtümer und Fehleinschätzungen in der einzelnen Situation eher vermeiden. So elegant der Ansatz auch erscheinen mag, hilft er doch wenig bei einer validen Messung der Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozes-
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
sen. Das liegt vor allem an der mangelnden Übereinstimmung zu der hauptsächlich in den Abschnitten 1.2.1.1 und 1.2.1.3.3 vorgenommenen Konzeptualisierung: — Über die Reihenfolge der Informationsaufnahme können keine Angaben gemacht werden. Der Prozeßcharakter der Entscheidung wird also nicht berücksichtigt. — Der Selektivität der Informationsverarbeitung wird in keiner Weise entsprochen. Im Gegenteil wird die Art und Anzahl der Alternativen, Eigenschaften und Informationsquellen den Versuchspersonen vorgegeben. Ob die angebotenen Informationen auch die für die Versuchsperson relevanten sind, bleibt offen. Die Ergebnisse von Input-OutputAnalysen lassen auch keine Unterscheidung zu zwischen Informationen, die beachtet wurden, aber ein geringes Gewicht haben, und Informationen, die nicht beachtet wurden. — Bei Input-Output-Untersuchungen wird meist eine Vielzahl von Bewertungen vorgenommen, keine Auswahl aus Alternativen ( = Entscheidung). — Es muß ein bestimmtes Modell — z. B. das linear kompensatorische Modell (siehe Abschnitt 3.2.1.1) — der Informationsverarbeitung vorausgesetzt bzw. auf Grund der Datenlage ausgewählt werden, um eine Parameterschätzung zu ermöglichen. Daneben spielen Gesichtspunkte, die mit der auf dem linearen Modell beruhenden Datenanalyse zu tun haben, eine Rolle: — Die Annahme intervallskalierter normalverteilter Daten, insbesondere bei der abhängigen (Bewertungs-)Variablen, kann manchmal etwas kühn sein. Als Beispiel sei auf die von Slovic/Fleissner/Bauman (1972) verwendete Neuner-Skala verwiesen. — Bei ,echten' Alternativen kann das Problem der Multikollinearität bei den unabhängigen Variablen auftreten. Deswegen werden häufig konstruierte Alternativen verwendet, deren Eigenschaften untereinander nicht korreliert sind. — Die Zahl der berücksichtigten Informationsarten ( = unabhängigen Variablen) muß meist relativ klein gehalten werden, da sonst — insbesondere bei der Berücksichtigung von Interaktionseffekten — die Zahl der von jeder Versuchsperson vorzunehmenden Gesamtbewertungen der unterschiedlichen Eigenschaftskombinationen zu groß wird. Slovic/ Fleissner/Bauman (1972) z.B. haben, obwohl sie nur acht dichotome unabhängige Variable verwenden, durch ein spezielles Untersuchungs-
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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design die Zahl der Bewertungen jeder Versuchsperson von 256 auf immer noch 64 reduziert. Auch Input-Output-Untersuchungen können also im Hinblick auf die Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen nicht befriedigen.
2.2.3
Prozeßverfolgungstechniken
2.2.3.1
Überblick
Anschließend sollen die drei heute gängigen Verfahren der empirischen Forschung zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen diskutiert werden, bei denen einige der Mängel der soeben skizzierten traditionelleren Techniken vermieden werden. Der Oberbegriff Prozeßverfolgungstechniken deutet schon an, daß die Informationsaufnahme nicht nach oder vor, sondern während eines Kaufentscheidungsprozesses beoachtet wird. Allerdings handelt es sich dabei wegen der aufwendigen Untersuchungsmethoden meist um simulierte Prozesse, die man in einer Laborsituation aber recht gut realen Kaufentscheidungen anpassen kann (z. B. durch Verwendung ,echter' Alternativen). Zunächst seien die drei methodischen Ansätze knapp umrissen (vgl. dazu Aschenbrenner 1979; Chestnut/Jacoby 1978 und Svenson 1979): Information Display
Matrix
Die Information Display Matrix knüpft direkt an die Entscheidungsmatrix (vgl. Abschnitt 1.2.1.3.1) an. Das Informationsangebot in einer Entscheidungssituation wird durch eine zweidimensionale Matrix mit Alternativen und Attributen, die auch um eine dritte Dimension, die Informationsquellen, erweitert werden kann, dargestellt. Jedes Feld der Matrix enthält die durch Zeile und Spalte festgelegte Information, die von der Versuchsperson — je nach technischer Ausgestaltung — abgerufen oder entnommen werden kann. Art, Menge und Reihenfolge der Informationsaufnahme steht der Versuchsperson völlig frei, wird aber für Auswertungszwecke selbstverständlich protokolliert. Blickregistrierungsverfahren Bei Blickregistrierungsverfahren wird meist eine Spezialbrille verwendet, die den Verlauf der Blicke der Versuchsperson (meist auf Videorecorder) aufzeichnet. Wo das Auge kurzzeitig haften bleibt (.Fixation'), kann eine Information aufgenommen werden. Die Aufzeichnung von Art, Menge
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
und Reihenfolge der Fixationen liefert also eine Beschreibung der Informationsaufnahme. Verbale
Protokolle
Verbale Protokolle — auch bezeichnet als Methode des lauten Denkens — unterscheiden sich von den schon diskutierten Befragungsverfahren dadurch, daß während des Entscheidungsprozesses von der Versuchsperson (möglichst) alle verwendeten Informationen, Schlußfolgerungen, Zwischenentscheidungen etc. laut ausgesprochen und aufgezeichnet werden. Die (allerdings mühsame) Auswertung eines solchen Protokolls liefert ein recht umfassendes Bild des Entscheidungsprozesses. Wenn man jetzt wieder die Beziehung zur Konzeptualisierung von Kaufentscheidungsprozessen herstellt, fallt zunächst auf, daß — bei entsprechender Untersuchungsanlage — mit jeder der drei Methoden die Informationsaufnahme im Hinblick auf alle im Abschnitt 1.2.1.3.3 genannten Dimensionen beobachtet werden kann. Hinsichtlich der in Abschnitt 1.2.1.1 erläuterten Eigenschaften von Kaufentscheidungsprozessen kann man sowohl die Beachtung des Prozeßcharakters als auch der Selektivität der Informationsaufnahme bei der Messung als gegeben ansehen. Zumindest die beiden erstgenannten Methoden können auch unbewußtes Verhalten erfassen, da sie auf nicht verbalen Messungen basieren. Bleibt noch der Gesichtspunkt, daß Kaufentscheidungen mit Konsequenzen (z. B. finanzieller Art) verbunden sind. Dadurch, daß man versucht, in der Untersuchungssituation die simulierten Kaufentscheidungen mit möglichst realistischen Konsequenzen zu verbinden, soll der Versuchsperson eine Motivation gegeben werden, die der modellierten Kaufsituation weitgehend entspricht. Dieses Problem ist von den verwendeten Meßmethoden unabhängig. Es gilt vielmehr, die Rahmenbedingungen der Untersuchung angemessen zu gestalten. Die vielfaltigen Mögüchkeiten dazu können hier nicht umfassend dargestellt, aber an Hand einiger Beispiele illustriert werden: — Jacoby/Sheluga/Hoyer/Nelson (1978) haben bei einer Untersuchung zu Entscheidungen über Lebensversicherungen die Höhe der Teilnahmeprämien für die Versuchspersonen (zwischen $6.00 und $27.00) von deren Entscheidungsqualität abhängig gemacht, d. h. je kostengünstiger der ausgewählte Versicherungsvertrag war, desto höher war die Bezahlung der Versuchspersonen. — Bei einer Studie zum Lebensmittelkauf von Jacoby/Chestnut/Silberman (1977) erhielten die Versuchspersonen Gutscheine für die von ihnen
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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jeweils gewählte Marke, damit die Markenwahlentscheidung auch realistische Konsequenzen hat. — Den Teilnehmern einer Untersuchung zum Aktienkauf von Jacoby/ Kuß/Mazursky/Troutman (1983; 1985; siehe auch Anhang I) wurde angekündigt, daß derjenige, der die Aktien mit der höchsten Kurssteigerung auswählt — der also die besten Entscheidungen trifft —, einen Preis von $ 500, — erhält sowie als Gewinner dieses Wettbewerbs in Fachzeitschriften für Börsenanalytiker vorgestellt wird. Das sollte die Teilnehmer der Untersuchung, gut verdienende ,echte' Börsenanalytiker, angemessen motivieren und führte übrigens dazu, daß einer von ihnen (der .Gewinner') 6.5 Stunden vor dem Bildschirmgerät verbrachte, um die Aufgabe zu lösen. Schon jetzt ist auf zwei Probleme und Beschränkungen hinzuweisen, die allen drei Methoden gemein ist. Die Verfahren sind praktisch nur auf optische Informationsaufnahme (Texte, Bilder, Muster von Produkten) anwendbar. Das ist aber keine wesentliche Einschränkung, da der weitaus größte Teil aller verwendeten Informationen über das optische System aufgenommen werden. Entsprechende Schätzungen (vgl. Bernhard 1983) liegen bei etwa 85 %. Für Untersuchungszwecke läßt sich darüber hinaus in vielen Fällen ein großer Teil akustischer Informationen in optische übertragen. Weiterhin sind mit dem Vorteil, reichhaltige Prozeßdaten zu gewinnen, Probleme im Hinblick auf die Datenanalyse verbunden. Die gängigen statistischen Verfahren sind meist auf Cross-Section-Daten oder auf Intervallskalierung bei Prozeßdaten (Zeitreihen) ausgerichtet. Für die Analyse der hier anfallenden ,nominalskalierten Zeitreihen' ungleicher Länge aus kleinen Stichproben mit jeweils nur einer beschränkten Zahl aufgenommener Informationen gibt es kaum Verfahren, die dem Prozeßcharakter dieser Daten gerecht werden. Insofern müssen bei allen drei Verfahren die spezifischen Möglichkeiten der Datenanalyse diskutiert werden. Dabei wird sich zeigen, daß die diesbezügliche Entwicklung von einem Reifestadium noch weit entfernt ist. Abschließend noch eine Bemerkung zum Ziel der folgenden Methodendiskussion. Dabei werden gelegentlich Verfahren verglichen, Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Im Sinne der in Abschnitt 2.1.2 angestellten Überlegungen geht es aber nicht darum, ,die geeignetste Methode' auszuwählen. Im Gegenteil wird es als Vorteil angesehen, daß alternative Meßmethoden für gleiche Konstrukte zur Verfügung stehen. Es gilt lediglich, die jeweiligen Fehlermöglichkeiten dieser Methoden zu erkennen.
Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
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2.2.3.2
Information Display Matrix
2.2.3.2.1
Datenerhebung
Entwicklung Die Information Display Matrix (IDM) wurde fast gleichzeitig und unabhängig voneinander von Jacoby und seinen Studenten (vgl. Jacoby 1975) und Payne (1976 a, b) in die Konsumentenforschung eingeführt. Schon früher hatte es in anderen Gebieten ähnliche Versuche zur Beobachtung des Informationsverhaltens gegeben (vgl. z. B. Hammond et al. 1966), die aber wieder in Vergessenheit gerieten. Am Anfang — etwa zu Beginn der 70er Jahre — standen die Untersuchungen zur Information-OverloadHypothese (Jacoby/Speller/Berning 1974 und Jacoby/Speller/Kohn 1974), auf die später noch genauer eingegangen wird. Im wesentlichen ging es dabei darum, zu überprüfen, ob mit zunehmender Informationsmenge die Entscheidungen von Konsumenten — wie vielfach vermutet — ,besser' werden. Es zeigte sich im Gegenteil, daß die Entscheidungsqualität zwar zunächst mit zunehmender Informationsmenge stieg, dann aber bei weiter zunehmender Zahl von Informationen zurückging, was durch Informationsüberlastung erklärt wurde. Diese Studien waren experimentell angelegt, dergestalt daß verschiedene Gruppen von Versuchspersonen mit verschiedenen jeweils festgelegten Informationsmengen (8 bis 72 bzw. 16 bis 256 Einzelinformationen) konfrontiert wurden und dann die abhängige Variable (Entscheidungsqualität) gemessen wurde. Aus den Erfahrungen mit diesen Untersuchungen erwuchs der Gedanke, den Prozeß der Informationsaufnahme mit Hilfe einer IDM realistischer zu simulieren, was dann 1973 (publiziert 1977 von Jacoby/Szybillo/BusatoSchach) erstmalig durchgeführt wurde. Die IDM wurde in technischer Hinsicht vielfältig variiert und weiterentwickelt. Sie stellt heute die wohl meistverwendete Methode des Forschungsgebiets dar. Technik Nachdem zunächst IDM's auf Plexiglasscheiben dargestellt wurden, bei denen die Informationen durch Klebestreifen verdeckt waren, die von den Versuchspersonen zeilenweise ( = attributweise) oder für jedes Feld einzeln entfernt werden konnten (vgl. Jacoby/Szybillo/Busato-Schach 1977), entwickelte sich schnell das Information Display Board zur lange Zeit — möglicherweise bis heute — dominierenden Technik. Dabei handelt es sich um Tafeln, Kästen oder Regale, die mit Fächern versehen sind, von denen jedes einem Feld der Matrix entspricht. Beschreibungen unterschied-
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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licher Formen von Display Boards finden sich u. a. bei Jacoby/Chestnut/ Weigl/Fisher (1976), Jacoby/Sheluga/Hoyer/Nelson (1978) und Gerdts et al. (1979). Jedes Fach enthält verdeckt mehrere Kärtchen mit der diesem Feld entsprechenden Information, beispielsweise in der Spalte .Alternative D' und der Zeile ,Eigenschaft: Preis' die Information ,Alternative D kostet 7.20 DM'. Die Versuchspersonen können beliebig viele Kärtchen (auch wiederholt die gleichen) in beliebiger Reihenfolge entnehmen, lesen und ablegen. Dieser Vorgang kann auf einfache Weise, z. B. durch die Reihenfolge abgelegter Informationskarten, protokolliert werden. Wenn die Versuchsperson meint, genügend Informationen für eine Entscheidung zu haben, kann sie den Prozeß beenden. Soll eine dritte Dimension ,Informationsquelle' einbezogen werden, muß für jede Quelle eine separate Informationstafel angeboten werden. Eine zumindest handwerklich und finanziell weniger aufwendige Variante der bisher erläuterten Technik besteht darin, für jede Alternative einen Schreibblock vorzubereiten, bei dem die oberen jeweils kürzer als die darunter liegenden Seiten sind. Auf dem überstehenden Teil jeder Seite steht der Name einer Eigenschaft (z. B. ,Preis'), auf dem durch die darüber liegende Seite verdeckten Teil die entsprechende Information. Diese Form der IDM geht auf Robert Chestnut zurück und wird von Jacoby/Hoyer et al. (1981) und Raffee/Jacoby et al. (1979) detaillierter beschrieben. Inzwischen ist es durch die Ausbreitung von Microcomputern möglich geworden, wesentlich komfortablere und flexiblere Formen der IDM anzuwenden. Dabei wird die Matrix, die zum Informationsabruf dient, auf dem Bildschirm präsentiert. Die Versuchsperson kann durch Eingaben auf der Tastatur, durch einen Lichtgriffel, durch einfaches Berühren der entsprechenden Stelle eines Spezial-Bildschirms oder durch Positionierung des Cursors mit einem Joystick oder einer ,Maus' die gewünschte Information abrufen, beliebig lange betrachten und dann wieder die AuswahlMatrix anfordern oder eine Entscheidung treffen. Die Protokollierung wird vom Rechner in einer für die weitere Auswertung geeigneten Form vorgenommen. Bei entsprechender Programmierung bietet diese Technik Möglichkeiten zur leichten und schnellen Neueingabe oder Änderung einer Informationsmatrix. Durch Randomisierung von Alternativen und Eigenschaften können Reihenfolgeeffekte vermieden werden. Diese Technik (mit Lichtgriffel) wurde vom Verfasser für die im Anhang beschriebenen Untersuchungen ,NSF 6' und , Entscheidungen von Börsenanalytikern' realisiert. Sie bildet den Bezugspunkt für die weitere Diskussion der IDMMethode.
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
Zuvor noch eine Anmerkung zu Gemeinsamkeiten der verschiedenen Spielarten der Information Display Matrix: Die unterschiedlichen Techniken sind fast ausschließlich in Laboruntersuchungen eingesetzt worden. Uber Ausnahmen berichten lediglich Holbrook/Maier (1978), die im Rahmen einer Fragebogenuntersuchung (n = 100) eine IDM ähnlich der anfangs erwähnten ,Plexiglas-Variante' verwendet haben, und Kaas/Hofacker (1983), die in einer Felduntersuchung (n = 360) eine Mischform von IDM und verbalem Protokoll eingesetzt haben, auf die noch eingegangen wird. Möglichkeiten Zur Illustration des Anwendungsspektrums von Information Display Matrizen sollen hier einige Variationen und Erweiterungen der soeben vorgestellten ,Basis-Technik' beschrieben werden (vgl. dazu auch Jacoby o. J.), die in Einzelfallen schon realisiert worden sind, zumindest aber mit den gegenwärtig oder in nächster Zukunft verfügbaren technischen Mitteln realisierbar sind. Bei der Vielzahl der Möglichkeiten muß sich der Verfasser hier auf einen Ausschnitt beschränken. Flexible
Matrix
Im Rahmen der Diskussion von Befragungsverfahren (Abschnitt 2.2.1.2) ist das Problem der ,forcierten Aufmerksamkeit' (.Achten Sie beim Lebensmittelkauf darauf, ob die Produkte gesundheitsschädlich sind?') angesprochen worden. Durch das Informationsangebot in einer Standard-IDM können hier ähnliche Probleme auftreten. Dem kann man begegnen, indem man keine Matrix vorgibt, sondern eine Art Datenbank zur Verfügung stellt, aus der im Rahmen eines freien Interviews zwischen Versuchsleiter und Auskunftsperson die für eine .individuelle Matrix' benötigten Eigenschaften und Alternativen zusammengestellt werden können. Erst danach kann die Versuchsperson in der üblichen Weise ihren Kaufentscheidungsprozeß simulieren. Ein erster Schritt zu einer Flexibilisierung der Matrix ist vom Verfasser für die NSF6-Studie (siehe Anhang) realisiert worden. Dabei konnten die Versuchspersonen ihre Aufgabe dadurch vereinfachen, daß sie nicht benötigte Alternativen und Eigenschaften im Laufe des Informationsaufnahmeprozesses aus der Matrix entfernen konnten. Bei dieser Untersuchung ist davon allerdings wenig Gebrauch gemacht worden. häufende Messung ,abhängiger'
Variabler
Im ersten Kapitel dieser Schrift ist die Informationsaufnahme in den Kaufentscheidungsprozeß eingeordnet worden. Unterschiedliche Konzep-
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Die gängigen Untersuchungsmethoden
tualisierungen lenkten das Augenmerk auf unterschiedliche Aspekte des Entscheidungsprozesses, beispielsweise die Änderung von Einstellungen oder die Entwicklung des .evoked set'. Die Auswirkung von Informationen auf die Veränderung derartiger abhängiger Variablen konnte bisher nur in einer statischen Weise gemessen werden. Eine relativ leicht zu realisierende Variante der computergesteuerten IDM erlaubt es, nach jeder Aufnahme einer Informationseinheit eine Messung der jeweils interessierenden abhängigen Variablen vorzunehmen und damit den Prozeß ihrer Veränderung zu beobachten. In der Untersuchung NSF6 (siehe Anhang) ist als abhängige Variable die Entwicklung der Ungewißheit über die geeignetste Alternative betrachtet worden. Nach jeder Information erschien auf dem Bildschirm eine graphische Skala, auf der die Versuchsperson mit einem Lichtstift die Position, die ihrer augenblicklichen Ungewißheit entsprach, kennzeichnen sollte. Die Analyse dieser Prozeßdaten ergab — wie in Abschnitt 1.2.1.3.1 schon erwähnt — deutliche Abweichungen vom theoretisch vermuteten Verlauf der Ungewißheitsreduktion. Auch pragmatische Fragestellungen wie die nach den Informationen, die zu besonders großen Einstellungsänderungen oder zur Elimination bestimmter Alternativen führen, lassen sich auf ähnliche Weise untersuchen. Natürlich stellt sich dabei die Frage, inwieweit diese zusätzlichen Messungen den gesamten Prozeß der Informationsaufnahme beeinflussen und weniger realistisch machen. Zur Überprüfung dieses Gesichtspunktes wurden die Versuchspersonen in der NSF6-Studie per Zufall zwei Gruppen — mit und ohne Messung der abhängigen Variablen — zugeordnet. Ein Vergleich von Merkmalen des Suchprozesses beider Gruppen ergab eine (fast schon beängstigend) hohe Übereinstimmung, was der erwähnten Befürchtung widersprach. Simulation von Beschränkungen bei der
Informationsbeschaffung
In der Realität ist die Informationsbeschaffung oftmals nicht durch einfachen Abruf relativ mühelos zu erledigen, sondern mit Zeitaufwand und/ oder Kosten verbunden. Informationskosten lassen sich einigermaßen realitätsnah berücksichtigen, indem man der Versuchsperson für jede verwendete Information eine gewisse Summe von ihrem Honorar abzieht, wobei man diese Beträge bei unterschiedlich schwer zu beschaffenden Informationen variieren kann. Der Zeitaufwand ist durch programmierte Verzögerungen bei der Informationspräsentation simulierbar. Beispielsweise können Packungsinformationen sofort auf dem Bildschirm erscheinen, während Auskünfte, die man nur beim Besuch einer Verbraucherzen-
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
trale erhält, erst nach 30 Sekunden Wartezeit präsentiert werden. Zeitliche Beschränkungen des Prozesses der Informationsaufnahme insgesamt lassen sich natürlich besonders einfach simulieren (vgl. Knappe 1981). Felduntersuchungen
mit der Information Display
Matrix
Wie schon erwähnt, ist die IDM bisher fast ausschließlich in Laboruntersuchungen angewandt worden. Die Miniaturisierung von Computern und deren sinkende Preise erleichtern es schon jetzt, diese als transportable IDMs' einzusetzen, und ermöglichen damit die Datenerhebung in Haushalten, Supermärkten etc. Daneben ist zu beachten, daß sich Bildschirmgeräte mit Informationsabfragemöglichkeiten an Arbeitsplätzen und eventuell auch in Haushalten ausbreiten. Hier können u. U. reale Informationsaufnahmeprozesse protokolliert und ausgewertet werden. Damit ist übrigens auch wieder die Verbindung zu einem relevanten Anwendungsgebiet der Informationsaufnahmeforschung, nämlich der Gestaltung von computergestützten Informationssystemen, hergestellt. Computersteuerung
externer
Geräte
Die Möglichkeiten der Informationspräsentation sind bei Microcomputern in der Regel auf Texte, Zahlen und einfache Graphiken beschränkt. Die Steuerung von Diaprojektoren und Videorecordern durch den Microcomputer, auf dem die IDM implementiert ist, bietet schon weiterreichenden Spielraum für bildliche Darstellungen. Die fortschrittlichste Entwicklung in dieser Richtung dürfte die Kopplung eines Computers mit einem Bildplattenspieler (extrem schneller Zugriff!) sein, wie sie am MIT in Form eines ,bildlichen Stadtplans' von Aspen (Colorado) zur Erforschung des räumlichen Lernen realisiert worden ist (vgl. Hooper 1981). Dazu wurden auf allen Straßen in kurzen (räumlichen) Abständen zahlreiche Photos aufgenommen. Diese Bilder wurden in einer sinnvoll geordneten Weise auf einer Bildplatte (max. Kapazität: 54000 Einzelbilder) gespeichert. Die Versuchsperson kann über Steuerknüppel, Handregler o. ä. Richtung und Geschwindigkeit eines .Gangs' durch die Stadt angeben. Diese Signale werden von einem Computer interpretiert, der auch die entsprechenden Einzelbilder von der Platte abruft und auf einem Bildschirm präsentiert. Der Computer übernimmt auch die vollständige Protokollierung des ,beschrittenen Weges'. Diese Anordnung läßt sich (gedanklich) leicht auf Kaufsituationen, beispielsweise den Gang durch einen Supermarkt, übertragen. Dabei ist es auch möglich, kurze Filmsequenzen, die Produktdemonstrationen durch
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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Verkäufer o. ä. wiedergeben, sowie akustische Informationen einzublenden. Mit optischen und akustischen Wahrnehmungen hätte man dann etwa 95 % der gesamten menschlichen Informationsaufnahme abgedeckt (vgl. Bernhard 1983). Bei der Realisierung derartiger Techniken könnte man Kaufprozesse so realistisch simulieren, daß man wohl kaum noch von einer Weiterentwicklung der Information Display Matrix, sondern eher von einer qualitativ neuen Methode sprechen müßte. Allerdings ist anzumerken, daß hier — ähnlich wie bei den zuvor beschriebenen Entwicklungsmöglichkeiten auch — die Datenanalyse äußerst komplex werden kann. Beschränkungen Nach diesem Ausflug in (mögliche) Zukunftsentwicklungen der IDM soll die Diskussion auf dem Boden der gegenwärtigen Tatsachen, wie sie die einfachen computergestützten Versionen darstellen, fortgesetzt werden. Zunächst ist in Anlehnung an Jacoby (o. J.) auf einige Beschränkungen der Einsatzmöglichkeiten von IDM's hinzuweisen. Die Information Display Matrix ist offenbar zur Erfassung u. a. folg. Faktoren weniger geeignet: — Unbewußter oder beiläufiger Informations-Input, wie z. B. bei (LowInvolvement-) Werbung geschehen kann. — Aktive Informationssuche, die mit Initiative, Kreativität etc. verbunden ist. — Vage Phänomene, z. B. bestimmte Imagefaktoren wie .sympathisch' oder ,modern'. — Dynamische Veränderungen des Informationsangebots z. B. in Verhandlungssituationen. — Emotionale und soziale Einflüsse in Entscheidungssituationen. — Konkrete Produkterfahrungen z. B. durch eine Probefahrt beim Autokauf. Bei der Bildschirmgröße der heute üblichen Geräte muß man sich meist auf Matrizen mit max. ca. 20 Eigenschaften und 15 Alternativen beschränken. Größere IDM's sind schwer darzustellen und für die Versuchsperson weniger übersichtlich und schwieriger zu handhaben. Diese Beschränkung gilt für die älteren Formen der IDM (Tafeln) natürlich nicht. Validität Im Hinblick auf die Validität der IDM-Methode werden in der Literatur fast übereinstimmend einige Einwände vorgebracht (vgl. Arch/Bettman/
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
Kakkar 1978; Bettman 1979 a, S. 197; Bleicker 1983, S. 75 ff. und Kaas/ Hofacker 1983), die hier zusammengestellt werden sollen. Der erste Gesichtspunkt bezieht sich auf die Matrix-Form der Informationspräsentation, die ein alternativen- oder attributweises Vorgehen gleich leicht macht. In der Realität dominiert dagegen das alternativenweise Informationsangebot, z. B. in Form von Packungsinformationen oder Werbung für eine Marke. Ausnahmen bilden vor allem die (matrixweisen) Ergebnisdarstellungen der Stiftung Warentest. Die Vermutung eines deutlichen Zusammenhangs zwischen Präsentationsform und Reihenfolge der Informationsaufnahme wurde in den beiden von Bettman/Kakkar (1977) dargestellten Untersuchungen klar bestätigt. Bezüglich einer Erleichterung oder Erschwerung der Informationsaufnahme im Vergleich zu realen Prozessen gibt es zwei gegenläufige' Argumente. Einerseits kann eine Erleichterung darin bestehen, daß Informationen nicht mehr oder minder mühsam beschafft werden müssen, sondern schon umfassend und wohlgeordnet angeboten werden. Andererseits ist der Informationsabruf in der Regel aufwendiger als bei der üblichen Betrachtung von Informationen am Regal, in einer Anzeige etc. In den Experimenten von van Raaij (1976, 1977, 1980) hat sich der letztgenannte Einfluß insofern bestätigt, als die gleichen Versuchspersonen beim gleichen Problem unter Verwendung einer IDM deutlich weniger Informationen nutzten als bei der Anwendung eines Blickregistrierungsverfahrens. In Verbindung damit zeigte sich ein weiterer Effekt, auf den hinsichtlich der Validität von IDM's häufig kritisch hingewiesen wird. Das Verfahren behindert offenbar die in der Realität gängige wiederholte Aufnahme gleicher Informationen. Während sonst die Informationsumgebung gewissermaßen als externer Speicher genutzt wird, ist das bei der IDM nicht so leicht möglich, da immer wieder erneute Abrufe der Informationen erfolgen müssen. Die bei der Information Display Matrix streng sequentielle Informationsaufnahme läßt auch keine simultane Vorgehensweise zu, die beispielsweise so aussehen kann, daß man eine Packungsaufschrift liest und gleichzeitig einen Gesamteindruck von der Packung erhält. Ein letzter gewichtiger Einwand gegen die Validität von IDM-Untersuchungen besteht darin, daß es sich — wie allerdings bei den anderen beiden Prozeßverfolgungstechniken auch — um eine ,aufdringliche' Methode handelt (vgl. dazu Sechrest/Phillips 1979). Der Versuchsperson ist also meist voll bewußt, daß ihr Informationsnachfrageverhalten Gegenstand der Untersuchung ist. Dementsprechend sind Anpassungen an ein ,erwünschtes' Verhalten zu befürchten.
Die gängigen Untersuchungsmethoden
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Inzwischen sind einige Versuche einer generellen Validitätsüberprüfung der Information Display Matrix unternommen worden. Jacoby/Chestnut/ Hoyer/Sheluga/Donahue (1978) untersuchten die Konvergenz-Validität von IDM-Daten im Vergleich zu entsprechenden Befragungsergebnissen. Bei verschiedenen Datensätzen wurde für jede Informationsart die Korrelation zwischen ihrer Nutzung bei Anwendung der IDM und korrespondierenden verbalen Angaben berechnet. Für die verschiedenen Einzeluntersuchungen ergaben sich Medianwerte dieser Korrelationen zwischen 0.22 und 0.33, was man als (nicht überwältigende) Bestätigung ansehen kann. Ein Vergleich der Entscheidungsergebnisse bei beiden Methoden, also gewissermaßen der jeweiligen .Marktanteile' der gewählten Marken, ergab Korrelationen zwischen 0.48 und 0.98. Lehmann und Moore (1980 b) fanden in Regressionsrechnungen mit der Zahl aus der IDM abgerufener Einzelinformationen als abhängiger Variabler und vier (unabhängigen) Dummy-Variablen, die jeweils für durch Befragung gemessenes Informationsverhalten standen, multiple Korrelationskoeffizienten zwischen 0.18 und 0.60. Eine umfassendere Zusammenstellung von Überprüfungen der Konvergenz-Validität von Information Display Matrizen mit insgesamt positivem Ergebnis findet sich bei Kaas/Hofacker (1983). Weitere Überprüfungen galten der nomologischen Validität. In den Untersuchungen von Holbrock/Maier (1978) und Sheluga/Jaccard/Jacoby (1979) bestätigte sich der theoretisch erwartete positive Zusammenhang zwischen der Wichtigkeit einer Eigenschaft und der Nutzungshäufigkeit entsprechender Elemente der IDM. Die umfassendste Studie zur nomologischen Validität stammt von Lehmann/Moore (1980 a). In einer recht aufwendigen Langzeituntersuchung mit Anwendungen der IDM in mehreren simulierten Kaufsituationen, die über sechs Wochen verteilt waren, überprüften sie folgende aus Theorie und früheren Untersuchungen abgeleitete Hypothesen: — Bei einer Folge gleichartiger Entscheidungen sinkt die Informationsnachfrage. — Bei mehreren gleichartigen Entscheidungen werden ähnliche ,Muster' der Informationsnachfrage beobachtet. — Deutliche Änderungen der Entscheidungssituation (z. B. kurzfristige Preisänderungen, neue Marken) führen zu kurzfristigen Änderungen des InformationsVerhaltens. — Die Verwendung aussagekräftiger Markennamen führt zu geringerer Informationsnachfrage.
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
Die Hypothesen wurden weitgehend bestätigt, was insgesamt ein sehr positives Ergebnis hinsichtlich der Validität von Information Display Matrizen ist. Auch einige Ergebnisse von Green/Mitchell /Staelin (1977) kann man in diesem Sinne interpretieren. Überprüfungen der Réhabilitât und Generalisierbarkeit von IDM-Ergebnissen sind bisher relativ selten. Jacoby/Chestnut/Hoyer/Sheluga/Donahue (1978) fanden insgesamt günstige Werte für die Test-Retest- und Alternative-Forms-Reliabilität (vgl. Peter 1979). Die gleichen Autoren stellten auch eine relativ hohe Konsistenz von Merkmalen der Informationsaufnahme über mehrere sehr unterschiedliche Entscheidungen fest. Ein entsprechendes Ergebnis hatte auch die NSF2-Studie (siehe Anhang). Maßzahlen für die Menge genutzter Informationen und die Reihenfolge ihrer Aufnahme waren bei den gleichen Versuchspersonen über zwei sehr verschiedenartige Entscheidungen (Auswahl von Empfängnisverhütungsmitteln und Kauf von Autoreifen) verglichen worden. Es ergaben sich fast durchgehend hochsignifikante Korrelationen. Der weiterreichende Versuch, die Generalisierbarkeit von Ergebnissen durch einen interkulturellen Vergleich zu überprüfen (Jacoby/Hoyer/Raffee/Hefner/Chestnut 1981), führte zu eher enttäuschenden Ergebnissen. 2.2.3.2.2
Datenanalyse
Wie schon erwähnt, bereitet die Analyse von Prozeßdaten niedrigen Meßniveaus besondere Probleme. Relativ einfach ist noch die Entwicklung von (statischen) Maßzahlen für Art und Menge der genutzten Informationen. Dem Prozeßcharakter der IDM-Methode wird man aber nur gerecht, wenn man auch die Vorgehens weise/Strategie der Versuchspersonen bei der Informationsaufnahme durch entsprechende Kennzahlen oder Zuordnung zu bestimmten Kategorien (Mustern) abbilden kann. Erst in jüngster Zeit sind Ansätze entwickelt worden, die eine gewissermaßen dynamische Analyse von IDM-Daten erlauben. Zunächst zu den einfachen Meßzahlen, die hauptsächlich auf Jacoby/ Chestnut/Weigl/Fisher (1976) und Payne (1976 a, b) zurückgehen. Die meisten dieser Kennzahlen lassen sich sowohl zur Beschreibung des einzelnen Falles als auch durch Verdichtung (Mittelwert, Median, Varianz etc.) eines ganzen Datensatzes verwenden. Die gebräuchlichsten Maßzahlen sind folgende: (1) Anzahl der genutzten Einzelinformationen insgesamt (2) Anzahl der genutzten Einzelinformationen ohne Berücksichtigung wiederholt betrachteter
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(3) Anzahl mindestens einmal betrachteter Alternativen (4) Anzahl mindestens einmal betrachteter Eigenschaften (5) Anteil der genutzten Einzelinformationen an der Gesamtheit der angebotenen Informationen (Zahl der Alternativen x Zahl der Eigenschaften) (6) Anteil der genutzten Einzelinformationen bezogen auf die ,Submatrix' Die Submatrix ist durch die mindestens einmal,berührten' Alternativen (3) und Eigenschaften (4) charakterisiert. Diese Kennzahl gibt schon Anhaltspunkte für den Suchprozeß, da ein hoher Wert in der Regel für eine systematische Informationsaufnahme steht. (7) Anzahl der genutzten Einzelinformationen über eine bestimmte Eigenschaft (8) Anzahl der genutzten Einzelinformationen über eine bestimmte Alternative (9) Varianz der Anzahl genutzter Einzelinformationen bei verschiedenen Alternativen (vgl. Payne 1976 b). Dieser Wert kann ebenfalls schon einiges über den gesamten Suchprozeß aussagen, da bei geringer Varianz die Suche bei allen betrachteten Alternativen ähnlich intensiv war (und umgekehrt). (10) Anteil der genutzten Informationen über eine bestimmte Eigenschaft an der Gesamtzahl genutzter Informationen (11) Anteil der genutzten Informationen über eine bestimmte Alternative an der Gesamtzahl genutzter Informationen (12) Anteil der Versuchspersonen, die eine bestimmte Eigenschaft mindestens einmal betrachten (13) Anteil der Versuchspersonen, die eine bestimmte Alternative mindestens einmal betrachten (14) Mittlerer Rangplatz der Zugriffe zu einer Eigenschaft im gesamten Informationsaufnahmeprozeß. Diese Maßzahl gibt Hinweise auf die Reihenfolge der Informationsnachfrage und wird auch als Indikator für die Bedeutung, die eine Versuchsperson dieser Eigenschaft zumißt, gewertet (vgl. Queich 1979 a). Derartige Maßzahlen können u. U. bei der Untersuchung praktischer Problemstellungen schon ausreichend sein. Man kann ihnen beispielsweise entnehmen, welche konkurrierenden Marken am meisten mit der eigenen verglichen werden oder welches die am stärksten beachteten Eigenschaften in der Produktkategorie sind, was beispielsweise Hinweise für Produktpolitik und Werbung liefern kann.
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Methoden zur Informationsaufnahme in Kaufentscheidungsprozessen
Dem Reichtum der mit einer Information Display Matrix erhobenen Daten wird man damit aber nicht gerecht. Gerade für Aussagen über Entscheidungsprozesse bedarf es analytischer Methoden, die dem Prozeßcharakter der Daten entsprechen. Der grundlegende und bis vor kurzem fast ausschließlich verfolgte Ansatz dazu stammt von Robert Chestnut (vgl. Jacoby/Jaccard et al. 1983, Fußnote 3) und wird als Transitionsanalyse bezeichnet. Dabei werden jeweils zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Zugriffe zu Einzelinformationen betrachtet. Bei einer zweidimensionalen Matrix (Eigenschaften (z. B. Preise) x Alternativen (z. B. Marken)) können vier verschiedenartige Ubergänge (Transitionen) von einem Schritt zum nächsten auftreten: Typ 1: Gleiche Alternative und gleiche Eigenschaft in den Schritten n und n + 1, also sofortige Wiederholung der gleichen Informationsabfrage Typ 2: Gleiche Alternative, aber verschiedene Eigenschaften bei den Schritten n und n + 1 Typ 3: Verschiedene Alternativen, aber gleiche Eigenschaft bei den Schritten n und n + 1 Typ 4: Verschiedene Alternativen und verschiedene Eigenschaften bei den Schritten n und n + 1 In einem Informationsaufnahmeprozeß mit N Schritten treten insgesamt (N-l) derartige Transitionen auf. Die Berechnung von Anteilen der einzelnen Typen an der gesamten Informationsaufnahme einer Versuchsperson und gegebenenfalls die Aggregation dieser Anteilswerte über mehrere/alle Versuchspersonen führt zu (groben) Aussagen über den Prozeßverlauf, beispielsweise über die Bedeutung alternativen- oder attributweisen Vorgehens. Der allgemeinere, aber in empirischen Untersuchungen kaum zu findende Fall einer dreidimensionalen Matrix (Eigenschaften x Alternativen x Informationsquellen) sei hier der Vollständigkeit halber in Anlehnung an Hoyer/Jacoby (1983) kurz skizziert. In der folgenden Übersicht sind die sich in diesem Fall ergebenden acht Arten von Transitionen dargestellt (G = gleich; V — verschieden). Die ersten vier Transitionen entsprechen also den schon bekannten. Die weiteren Betrachtungen sollen jetzt wieder dem gängigen zweidimensionalen Fall gelten. Zur knappen Charakterisierung ganzer Suchprozesse sind von Bettman/ Jacoby (1975) und Payne (1976 a) Indizes entwickelt worden, die auf den eben beschriebenen Transitionstypen basieren (vgl. dazu auch die
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Die gängigen Untersuchungsmethoden
Transitionstyp
Quelle
Alternative
Eigenschaft
1 2 3 4 5 6 7 8
G G G G V V V V
G G V V G G V V
G V G V G V G V
Zusammenfassung bei Weinberg/Schulte-Frankenfeld 1983). Der Index von Payne ist definiert als I =
SB - SA SB + SA
- 1 < I