Elektronenspinresonanz und andere spektroskopische Methoden in Biologie und Medizin [Reprint 2021 ed.] 9783112535486, 9783112535479


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German Pages 448 [449] Year 1974

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Elektronenspinresonanz und andere spektroskopische Methoden in Biologie und Medizin [Reprint 2021 ed.]
 9783112535486, 9783112535479

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S. J . W Y A R D Elektronenspinresonanz und andere spektroskopische Methoden in Biologie und Medizin

S.J.WYARD

ELEKTRONENSPINRESONANZ UND ANDERE SPEKTROSKOPISGHE METHODEN IN BIOLOGIE UND MEDIZIN In deutscher Sprache herausgegeben von Dr.sc.nat.GÜNTER L A S S M A N N , Berlin und

Dr.sc.nat. W E R N E R D A M E R A U , Berlin

Mit 142 Abbildungen und 36 Tabellen

A K A D E M I E - V E R L A G 19 7 3



B E R L I N

T i t e l des Originalwerkes: Solid S t a t e B i o p h y s i c s McGraw-Hill B o o k Company, N e w Y o r k Aus dem Englischen übersetzt von D r . sc. n a t . G ü n t e r L a ß m a n n , B e r l i n und D r . sc. n a t . W e r n e r D a m e r a u , B e r l i n

Erschienen im Akademie -Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3 — 4 Copyright der deutschen Ausgabe 1973 by Akademie - Verlag Lizenznummer: 202 • 100/507/73 Schutzumschlag und Einband: Ludwig Schünke Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 5949 • ES 18 G 1 EDV-Nummer: 7«1 627 5 Printed in the German Democratic Republic

Vorwort des englischen Herausgebers An Büchern, die die Anwendung von neu entwickelten physikalischen Techniken auf Probleme in der Medizin und Biologie beschreiben, besteht ein dauernder Mangel. Dieses Buch stellt einen Versuch dar, diesen Mangel auf einem sich rasch entwickelnden Gebiet zu beheben. Die ausgewählten Themen sind miteinander im Zusammenhang zu sehen, da jede Technik einige Grundzüge mit den anderen Techniken gemeinsam hat, auch wenn diese noch nicht durch eine allgemein akzeptierte Bezeichnung definiert sind. Aus diesen Gründen war eine der schwierigsten Aufgaben bei der Zusammenstellung dès Buches die Wahl des Titels. ,,Festkörperbiophysik" wurde gewählt, weil die meisten Techniken in Festkörperphysiklaboratorien benutzt werden und Festkörperphysikern bekannt sind. Die Themen bewegen sich jedoch auf einem Grenzgebiet zwischen herkömmlichen Disziplinen, und Überschneidungen sind unvermeidlich, so daß die Physik unter Einschluß der Chemie verstanden werden muß und „Festkörper" so zu verstehen ist, daß Flüssigkeiten davon nicht ausgeschlossen sind. Ein korrekterer Titel wäre „Angewandte Festkörperphysik", der das vorliegende Buch von einem möglichen Gegenstück mit dem Titel „Theoretische Festkörperphysik" unterscheidet, in dem Gedanken der Festkörperphysik — nämlich die Ausweitung der Quantenmechanik auf vielatomige Systeme — auf die noch viel komplexeren biologischen Systeme angewendet würden. Mit dem Buch war vorgesehen, den Ansprüchen in erster Linie von Graduierten und Forschungsstudenten entgegenzukommen. Es ist zu hoffen, daß dieses Buch auch Wissenschaftlern von Nutzen ist, die auf dem Gebiet der medizinischen Forschung, Biologie, Biochemie und Biophysik bereits Erfahrung haben und zu wissen wünschen, was bei der Anwendung dieser neuen Techniken auf ihre eigenen Probleme bereits getan worden ist und was getan werden könnte. Um dem Studierenden ein authentisches Bild von der sich entwickelnden Forschung zu vermitteln, wurden die Autoren unter denen ausgesucht, die zu den beschriebenen Themen einen eigenen Beitrag geleistet haben. In dem gesamten Buch wurde der Versuch gemacht, Aspekte zu vermeiden, die lediglich Zeitströmungen darstellen oder geradezu spekulativ sind, und sich auf echte Tatsachen zu konzentrieren. Das Buch ist ein Kompromiß zwischen etwa einem Lehrbuch, einer Literaturübersicht und einer Originalmitteilung, wobei es einige der guten Aspekte von allen drei vereint. Jeder Autor wurde gebeten, zu seinem Thema eine Einführung und kurze Übersicht sowie danach einen etwas eingehenderen Bericht über seine neueren eigenen Forschungsarbeiten zu schreiben und schließlich auf Möglichkeiten für zukünftige Arbeiten hinzuweisen. Die Einführungen sind nicht so ausführlich, wie sie für ein Lehrbuch erforderlich wären, da das Buch sonst viel zu

V

lang geworden wäre. Für einen Neuling mit normalem naturwissenschaftlichem Grundwissen sollten die Einführungen jedoch jedes Thema verständlich machen. Die Übersichten sind meist nicht so vollständig, daß sie jede Arbeit zu diesem Thema umfassen. Sie schließen aber alle Arbeiten ein, die nach der Meinung der Autoren für ein Verständnis der Problematik wesentlich sind, und werden durch recht viele Literaturhinweise zum weiteren Nachlesen vervollständigt. Mehr als die Hälfte des Buches ist der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie gewidmet, wobei jede größere Anwendung dieser Methode in Medizin und Biologie mit Ausnahme von Enzymreaktionen und Photosynthèse behandelt wird. Enzymreaktionen wurden weggelassen, weil während der Zusammenstellung dieses Buches eine ausgezeichnete Übersicht von B E I N E R T und P A I . M E R (im Text zitiert) erschienen ist. Auf die Photosynthese wurde nicht eingegangen, weil trotz einiger hundert Arbeiten über ESR und Photosynthese offensichtlich nicht gezeigt werden konnte, welche Rolle (wenn überhaupt) die mittels ESR nachgewiesenen freien Radikale beim PhotosyntheseVorgang spielen. Einzelne Kapitel geben eine einfache Einführung in die ESR für Neulinge auf diesem Gebiet (Kapitel 1) und eine Zusammenfassung von speziellen Techniken, die für die biologische und medizinische Anwendung von Nutzen sein könnten (Kapitel 2). Die anderen Themen — dielektrische Messungen, Mößbauereffekt und Laser — werden jeweils in einem einzigen Kapitel behandelt, was — wie wir meinen — jedoch ausreichend ist. SYDNEY J .

VI

WYARD

Yorwort der deutschen Herausgeber Die moderne Forschung auf dem Gebiet der Molekularbiologie ist im zunehmenden Maße durch den Einsatz und die Kombination unterschiedlicher Spektroskopie zweige gekennzeichnet. Aus diesem Grunde besteht ein echtes Bedürfnis nach einem Buch, das einerseits den Biologen upd Medizinern eine schnelle Einarbeitung in neue Techniken ermöglicht und andererseits dem methodisch erfahrenen Physiker und Chemiker das Erschließen neuer Einsatzgebiete erleichtert. Dem englischen Herausgeber gebührt das Verdienst, diese Lücke rechtzeitig erkannt und in einer originellen und zweckmäßigen Form ausgefüllt zu haben. Weit über die Hälfte des Buches beschäftigt sich mit der ESR-Spektroskopie. Das ist sicherlich kein Zufall und findet unseres Erachtens seine Berechtigung darin, daß gerade die ESR auch heute noch in ihrer Bedeutung für die biologische Anwendung vielfach unterschätzt wird. Wenn die deutsche Herausgabe zu einem breiteren Verständnis der vielfältigen biologischen Anwendungsmöglichkeiten der ESRSpektroskopie beitragen kann, wäre ein wesentlicher Zweck der deutschen Übersetzung bereits erreicht. Eine inhaltliche Besonderheit des Buches besteht darin, daß sich die biologische Anwendung der ESR ausschließlich auf freie Radikale — sowohl durch Bestrahlung erzeugte als auch natürlich auftretende — bezieht. Das Buch wendet sich in erster Linie an in der biologischen Grundlagenforschung tätige Physiker, Chemiker, Biologen, Mediziner und Forschungsstudenten, dürfte aber auch für den an der Applikation interessierten HF-Spektroskopiker, Molekülphysiker und Festkörperphysiker von Nutzen sein. Die deutschen Herausgeber waren bemüht, den Aufbau des Buches beizubehalten. Die schnelle Entwicklung auf diesem Gebiet erforderte jedoch die Berücksichtigung einer Reihe einschlägiger Arbeiten, die seit der Drucklegung der englischen Ausgabe erschienen sind. Diese in „Anmerkungen der deutschen Herausgeber" angegebenen Literaturzitate, die am Schluß jedes Kapitels als „Ergänzende Literatur" ausgewiesen sind, können nicht in jeder Hinsicht als vollständig angesehen werden, ermöglichen aber dem Leser den Zugang zu weiterer Literatur. Besonderes Augenmerk wurde dabei der sowjetischen Fachliteratur geschenkt. Hinzugekommen ist ferner ein Anhang, in dem zwei biologisch bedeutsame ESRTechniken dargestellt werden, die bei der Herausgabe der englischen Fassung noch nicht berücksichtigt wurden. Es handelt sich um die Spinmarkierung von Biopolymeren und die Untersuchung kurzlebiger freier Radikale im Durchflußsystem in flüssiger Phase. Schließlich wurde in der deutschen Ausgabe der Buchtitel geändert, weil der englische Originaltitel „Solid State Biophysics" zu Mißverständnissen führen VII

könnte und das Hauptanliegen des Buches nicht hinreichend erkennen läßt. Ein großer Teil der ESR-Untersuchungen an biologischen Objekten wurde tatsächlich an festen Proben durchgeführt. Das lag im wesentlichen daran, daß man nach physikalisch definierten Modellen für die entsprechende Verbindung oder den betreffenden Prozeß suchte und die gebildeten freien Radikale im festen Zustand auf Grund ihrer höheren Stabilität viel bequemer zu untersuchen sind als in der amorph-flüssigen Phase natürlicher biologischer Objekte. Wie in Anhang I und II des Buches gezeigt wird, sind in den letzten Jahren jedoch Methoden entwickelt worden, mit deren Hilfe kurzlebige biologisch interessante Radikale sowie Biopolymere auch in ihrer natürlichen physiologischen Umgebung mit der ESR untersucht werden können. Die deutschen Herausgeber möchten an dieser Stelle den Herren Dr. Ulbricht, Zentralinstitut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR, und Dr. sc. nat. R. Fischer, Zentralinstitut für Optik und Spektroskopie der Akademie der Wissenschaften der DDR, für helfende Diskussionen und Hinweise sowie Herrn Abel vom Akademie-Verlag für die verständnisvolle Unterstützung bei der Herausgabe des Buches danken. G . L A S S M A N N , W . DAMERATT

VIII

Inhalt 1.

Elektronenspinresonanz-Spektroskopie, v o n S. J. WYABD

1

1.1. 1.1.1. 1.1.2. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.2.5. 1.2.6. 1.2.7. 1.2.8. 1.2.9. 1.3. 1.4. 1.5. 1.6.

Einleitung Ziel Überblick Theoretische Grundlagen Resonanzbedingung Absorption von Mikrowellenleistung Sättigung Allgemeine Betrachtungen zum Spektrum g-Faktor Hyperfeinaufspaltung Linienbreite ESR in Flüssigkeiten Radikalpaare und Radikalanhäufungen (Cluster) Spektrometeraufbau Empfindlichkeit Sättigungsmessungen Literatur

1 1 1 4 4 6 9 12 14 16 20 23 24 27 31 34 37

2.

Doppelresonanzverfahren bei der biologischen Anwendung der magnetischen Resonanz, von J . M. BAKER

39

2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. 2.7. 2.8. 2.9.

Einführung Hyperfeinstruktur Linienbreite und Linienstruktur ENDOR in Festkörpern ENDOR in Flüssigkeiten Kerndoppelresonanz (Dynamische Kernpolarisation) Experimentelle Einzelheiten Schlußfolgerungen Literatur

39 39 45 46 49 51 53 54 55

3. 3.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4. 3.2.5.

Elektronenspinresonanz-Untersuchungen des Strahlenschadens in biologischem Material, von S. J. WYABD u n d J. B. COOK

57

Einführung Radikalausbeuten Allgemeines Meßtechnik Fehlerquellen Meßgenauigkeit Ergebnisse und Diskussionen

57 61 61 61 62 66 66

IX

3.2.6. 3.3. 3.3.1. 3.3.2. 3.3.3. 3.3.4. 3.4. 3.4.1. 3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.5. 3.6.

Dosiseffektkurve Strahlenschaden in DNS und ihren Bestandteilen Einführung Radikalausbeuten in bestrahlter DNS Identifizierung der Radikale in bestrahlter DNS Andere ESR-Untersuchungen an D N S ESR von bestrahlten Geweben und Organismen Einführung Eingefrorene Proben Gefriergetrocknete Proben Natürliche trockene Proben Schlußfolgerungen und Ausblick Literatur

67 68 68 72 76 82 84 84 85 86 86 91 92

4.

Elektronenspinresonanz-Untersuchung des Strahlenschadens in organischen Einkristallen, von J . B. COOK und S. J . W Y A K D

97

4.1. 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. 4.3.5. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.4.5. 4.4.6. 4.4.7. 4.4.8. 4.4.9. 4.5. 4.5.1. 4.5.2. 4.5.3. 4.5.4. 4.5.5. 4.6.

Einführung Theorie Ursache der HyperfeinWechsel Wirkung Spin-Hamiltonoperator Isotrope Hyperfeinwechselwirkung Anisotrope Hyperfeinwechselwirkung Vorteile von Einkristalluntersuchungen Meßtechniken und Spektreninterpretation Meßtechniken Bestimmung der Elemente eines Hfs-Kopplungstensors Bestimmung der Elemente eines g-Tensors Lageaufspaltung Trennung überlagerter Hyperfeinstrukturen Überblick über bisherige Untersuchungen Hyperfeinwechselwirkung mit «-Protonen Hyperfeinwechselwirkung mit /S-Protonen Hyperfeinwechselwirkung mit y-Protonen Hyperfeinwechselwirkung mit dem Stickstoffkern Hyperfeinwechselwirkung mit dem Kohlenstoffkern Spektroskopischer Aufspaltungsfaktor Übergänge 2. Ordnung Deuterierungseffekte Strahlenschaden in ungesättigten Verbindungen Elektronenspinresonanz eines -/-bestrahlten Cytosin-Einkristalls Experimentelles Beschreibung der Spektren Radikaltyp A Radikaltyp B Schlußfolgerungen Literatur

5.

Elektronenspinresonanz von Radikalen in bestrahlten Wasserstoff-Sauerstoff-Systemen im festen Zustand, von T. E.

5.1. 5.2. 5.3.

X

97 99 99 100 101 102 103 103 103 105 106 107 108 110 111 116 121 122 124 126 128 129 130 131 132 134 141 142 143 145

GUNTER

149

Einführung 149 Zur Strahlenchemie wäßriger Lösungen und der Rolle, der ESR 149 Verwendung eingefrorener wäßriger Lösungen bei ESR-Untersuchungen . 152

L

5.4. 5.4.1. 5.4.2. 5.5. 5.6. 5.7. 5.8. 5.9.

ESR-Untersuchungen an bestrahlten Säuren und Basen Das Wasserstoff atom Das solvatisierte Elektron OH-Radikale in bestrahltem Eis und in kristallinen Hydraten Das bestrahlte H 2 0 2 —H 2 0-System ESR-Messung von Strahlenausbeuten Schlußbemerkungen Literatur

6.

ESR-Untersuchungen über Mechanismen des Strahlenschadens und seiner Reparatur in festen biologischen Systemen, von T. HENBIXSEN 189

6.1. 6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.2.4. 6.3. 6.3.1. 6.3.2. 6.3.3. 6.3.4. 6.3.5. 6.4.

Einleitung Elektronenstruktur von Proteinmolekülen Allgemeine Bemerkungen Peptidbindung Das dreidimensionale Proteinmolekül Schlußfolgerungen Mechanismen der Energiewanderung in Proteinen Allgemeine Bemerkungen Elektronenleitung über Wasserstoffbrücken Intramolekulare Wanderung von Strahlenenergie Intermolekulare Wanderung von Strahlenenergie Schlußfolgerungen Mechanismen für Enzyminaktivierung und Strahlenschutz im Festkörper Allgemeine Bemerkungen Inaktivierungsmechanismen Strahlenschutz im festen Zustand Schlußfolgerungen Literatur

6.4.1. 6.4.2. 6.4.3. 6.4.4. 6.5.

155 155 159 163 180 185 185 186

189 190 190 191 193 195 196 196 196 199 204 210 211 211 211 220 221 222

7.

Biologische freie Radikale und Melanine, von M. S. BLOIS JR

225

7.1. 7.2. 7.3. 7.4. 7.5. 7.6. 7.7.

Einleitung Ort der Melaninsynthese Physikalisch-chemische Eigenschaften Biosynthese von Melanin Schlußfolgerungen Ergänzung Literatur

225 226 227 235 240 241 241

8. 8.1. 8.2. 8.2.1. 8.2.2. 8.2.3. 8.2.4. 8.2.5. 8.2.6. 8.3. 8.3.1. 8.3.2.

Einige medizinische Anwendungen der ESR-Spektroskopie, v o n S . J . WYARD

243

Einleitung Meßtechniken Einleitung Gefriertrocknungstechnik Frischgewebetechnik Einfriertechnik Gegenüberstellung der drei Techniken Interpretation der Spektren ESR lebender Gewebe Normale Gewebe Krebs

243 244 244 244 247 250 252 252 255 255 258

XI

8.3.3. 8.4. 8.4.1. 8.4.2. 8.5. 9.

Gelbsucht Andere medizinische Anwendungen der E S R Karzinogene Tranquilizer Literatur

264 265 265 268 270

Untersuchung biologischer Moleküle mit dielektrischen Methoden, v o n E . H . GRAUT

273

9.1. 9.2. 9.3. 9.4. 9.4.1. 9.4.2. 9.4.3. 9.5. 9.6. 9.7.

Einleitung 273 Dielektrische Theorie 273 Apparaturen und Meßtechniken 280 Dielektrische Eigenschaften einiger biologisch interessanter Moleküle . . . 287 Wasser 287 Aminosäuren, Peptide und Proteine 289 Nucleinsäuren 296 Quasimikroskopische Strukturen von biologischem Interesse 297 Schlußwort 298 Literatur 298

10.

Die Anwendung der Mößbauer-Spektroskopie zur Untersuchung des Eisens in Hämproteiden, von J . E . MALING und M . W E I S S B L U T H

10.1. 10.2. 10.3. 10.4. 10.4.1. 10.4.2. 10.4.3. 10.5. 10.5.1. 10.5.2. 10.5.3. 10.5.4. 10.6. 10.7.

Einführung Rückstoßfreie Emission und Absorption von y-Strahlen Gerät und Absorber Hyperfeinstruktur Elektrische Monopolwechselwirkung Elektrische Quadrupolwechselwirkung Magnetische Dipolwechselwirkung Mößbauer-Spektren von Hämproteiden Einleitung Experimentelle Methoden Versuchsergebnisse Diskussion Schlußfolgerungen Literatur

11.

L a s e r , von R . C. SMITH

341

11.1. 11.2. 11.2.1. 11.2.2. 11.2.3. 11.2.4. 11.3. 11.3.1. 11.3.2. 11.4. 11.4.1. 11.4.2. 11.4.3. 11.4.4. 11.4.5.

Einführung Laser > Grundlagen Laseranordnungen Lasermaterial Nichtlineare Optik Instrumentierung Energieübertragung Dosimetrie Reaktion der Strahlung mit Materie Lineare Absorption Zweiphotonen-Absorption Thermische Wirkungen Photochemische Wirkungen Stoßwellen

341 342 342 346 352 356 361 361 364 365 366 366 367 368 369

XII

.

.

301

301 302 306 310 310 314 318 322 322 323 327 : 331 336 337

11.4.6. 11.5. 11.5.1. 11.5.2. 11.5.3. 11.5.4. 11.5.5. 11.5.6. 11.5.7. 11.6. 11.7.

Dielektrischer Durchschlag Anwendung in Medizin und Biologie Zellchirurgie Augenchirurgie Laserskalpell Hautchirurgie Krebs Freie Radikale Sicherheitsvorkehrungen Schlußbemerkungen Literatur

369 370 370 370 371 372 372 374 375 375 376

Anhang I

ESR-Untersuchungen von Biopolymeren mit Hilfe der Spinmarkierung, v o n G . LASSMANN

379

1.

Einleitung und Prinzip

381

2. 2.1. 2.2.

Chemische Eigenschaften von Spinmarkern Nitroxid-Spinmarker Markierungsarten

382 383 383

3. 3.1. 3.1.1. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.3. 3.2.4.

Physikalische Eigenschaften von Spinmarkern Spin-Hamiltonopera]tor von Spinmarkern Spektrenparameter orientierter Nitroxidradikale Linienform von Nitroxidradikalen Grenzfälle starker und schwacher Immobilisierung Korrelationszeit gebundener Spinmarker Bestimmung von r aus Spektrenparametern Einfluß des Spinaustauschs auf die Linienform

385 385 385 387 387 389 390 392

4. 4.1. 4.1.1. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.1.5. 4.1.6. 4.1.7. 4.1.8. 4.1.9. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.4. 4.5.

Anwendung der Spinmarkierung zur Untersuchung biologischer Strukturen Proteine Hämproteide Poly-L-lysin Rinderserumalbumin a-Chymotrypsin Alkoholdehydrogenase (ADH) Kreatinkinase Haptene (Antikörper) Ribonuclease Muskelproteine Nucleinsäuren Membranen und Membransysteme Membranmodelle Membranen in vitro Membranen in vivo Schlußwort Literatur

393 393 393 394 394 395 395 396 396 396 396 396 397 397 398 399 399 400

Anhang II

ESR-Untersuchungen an kurzlebigen freien Radikalen biologisch interessanter Verbindungen in wäßriger Lösung. Anwendung von Durchflußverfahren, von W . DAMERAU

405

1.

Einleitung

407

2. 2.1.

Exerimentelle Durchführung von Durchflußmessungen Durchflußanordnung :

408 408

XIII

2.2. 2.3.

Verwendete Lösungen und Konzentrationen Versuche zur Kinetik kurzlebiger Radikale

409 410

3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7.

Untersuchung kurzlebiger Radikale einiger biologisch interessanter Verbindungen Radikalbildung in Aminosäuren und Oligopeptiden Radikalbildung in Nucleinsäurekomponenten Radikalbildung in Phosphorsäureestern Radikalbildung in Carbonsäuren und verschiedenen anderen Verbindungen Durchflußuntersuchungen an Radikalen aus enzymatischen Reaktionen . . Schlußfolgerungen und Ausblick Literatur

411 412 416 416 417 421 426 427

12.

Sachregister

431

XIV

1 S. J . WYARD

1.

Elektronenspinresonanz-Spektroskopie

1.1.

Einleitung

1.1.1.

Ziel

Dieses Kapitel ist für den Neuling auf dem Gebiet der Elektronenspin resonanzSpektroskopie geschrieben, und zwar sowohl für den Physiker oder Chemiker als auch Biologen oder experimentell arbeitenden Mediziner, und seine Aufgabe besteht darin, den Neuling an einen Punkt heranzubringen, von dem aus er anderen Kapiteln folgen kann, die sich mit dem gleichen Thema beschäftigen (Kapitel 2—8). Das Herangehen ist eher praktisch als theoretisch und unterstreicht jene Aspekte des Themas, die bis jetzt die breitesten biologischen und medizinischen Anwendungen gehabt haben. So werden feste Substanzproben mehr als Flüssigkeiten in Betracht gezogen und freie Radikale stärker als paramagnetische Ionen. Besondere Aufmerksamkeit wird Methoden zur Bestimmung der in einer Probe vorhandenen Anzahl freier Radikale sowie der Identifizierung von Radikalen anhand ihrer Spektren geschenkt.

1.1.2.

Überblick

Die Elektronenspinresonanz-Spektroskopie ist eine Form der Absorptionsspektroskopie, die mit der bekannteren optischen, UV- und IR-Spektroskopie einige Grundzüge gemeinsam hat. In allen Fällen wird elektromagnetische Strahlung durch die Probe geschickt, und man mißt die Frequenzen, bei denen eine maximale Absorption auftritt. Aus den Quantenenergien der absorbierten Photonen schließt man dann mit. Hilfe der bekannten Gleichung hv = E2-El

(1.1)

auf die Energieniveaus in der Probe. Das besondere Merkmal der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie besteht darin, daß die Absorption stattfindet, wenn die Probe einem Magnetfeld ausgesetzt wird. Das bedeutet, daß die Absorption mit dem Vorhandensein magnetischer Dipole in der Probe zusammenhängt. Es ist wohlbekannt, daß viele Atomkerne ein eigenes magnetisches Moment besitzen, das zusammen mit dem zugehörigen Drehimpuls mit der Bezeichnung „Spin" umschrieben wird. Elektronen besitzen 1

ebenfalls ein eigenes magnetisches Moment und einen Drehimpuls, und zusätzlich gibt es gewöhnlich ein magnetisches Moment, das mit der Bahnbewegung des Elektrons zusammenhängt. Alle diese magnetischen Momente können zu einer magnetischen Resonanz Anlaß geben. Ein wichtiger Unterschied ist der, daß das magnetische Kernmoment, das von Kern zu Kern unterschiedlich ist, etwa lOOOmal kleiner ist als das magnetische Moment des Elektrons. Das hat zu zwei Zweigen der magnetischen Resonanz geführt: Kernmagnetische Resonanz (NMR) und Elektronenspinresonanz (ESR). Sowohl die angewendeten Techniken als auch die erhaltenen Ergebnisse sind in beiden Spektroskopiezweigen ziemlich verschieden. Mit der NMR werden wir uns hier nicht beschäftigen. Vieles von den theoretischen Grundlagen ist jedoch beiden Zweigen gemeinsam, und in der Tat ist es das Vorhandensein von Kernspins, was die ESR so interessant und wertvoll werden läßt. Obwohl Elektronen überall vorhanden sind und alle einen Spin besitzen, ist es doch wohlbekannt, daß die meisten Stoffe diamagnetisch sind, und zwar deshalb, weil die Elektronen paarweise auftreten, so daß als Summe kein magnetisches Moment auftritt. Diamagnetische Stoffe geben kein Spektrum, und das ist ein großer Vorteil in der ESR-Spektroskopie, da eine zeitraubende Vorbereitung und Reinigung der Probe oft nicht erforderlich ist. Paramagnetische Verunreinigungen in der Probe oder im Probenbehältnis oder einer entsprechenden Vorrichtung können jedoch Spektren ergeben, die zu Verwechslungen führen können und deshalb vermieden werden sollten. Damit ein Stoff ein ESR-Spektrum liefert, müssen darin ungepaarte Elektronen vorhanden sein. Stoffe, die ungepaarte Elektronen enthalten, gliedern sich in zwei große Kategorien: 1. paramagnetische Ionen aus den Übergangsgruppen des Periodensystems mit zum Teil gefüllten Elektronenschalen, 2. freie Radikale und Radikalionen, bei denen das ungepaarte Elektron ein Valenzelektron ist, das normalerweise an einer chemischen Bindung beteiligt ist. Sowohl paramagnetische Ionen als auch freie Radikale sind in biologischem Material vorhanden oder können darin erzeugt werden. Sie sind beide mit Hilfe der magnetischen Resonanz untersucht worden. Bis jetzt ist den freien Radikalen beträchtlich größere Aufmerksamkeit geschenkt worden und in diesem Kapitel werden wir uns hauptsächlich auf diese konzentrieren. Der Vollständigkeit halber sollten wir auch Moleküle im Triplettzustand, Leitungselektronen und charge transfer-Komplexe erwähnen, die alle ESR-Spektren liefern können. Historisch gesehen entwickelte sich zuerst die paramagnetische Resonanz von Übergangsmetallgruppen, die ZAVOISKY (1945) zuerst beobachtete. 1 Als einige Jahre später freie Radikale in chemischen und biologischen Systemen untersucht wurden, übernahm man die für paramagnetische Salze entwickelte Theorie und Technik, paßte sie an und baute sie aus, so weit das erforderlich war. Viele der 1

2

Arnn. der dt. Hrsg.: An historischer Stätte, der Staatlichen Lenin-Universität in Kasan, wo 1944 die ESR entdeckt wurde, fand 25 Jahre danach eine Jubiläumskonferenz über magnetische Resonanz statt, an der namhafte Wissenschaftler teilnahmen, die die Entwicklung dieser Methode maßgeblich gestaltet haben. Der Tagungsband (Proc. of the Nat. Jubilee Conference on Paramagnetic Resonance, Kasan 1971) vermittelt ein eindrucksvolles Bild, wie sich die ESR (aber auch die NMR) in theoretischer Hinsicht und in ihrer Anwendung entwickelt haben.

Arbeiten über paramagnetische Salze wurden im Clarendon Laboratory in Oxford durchgeführt, wo diese Thematik allgemein als paramagnetische Resonanz bezeichnet wurde. Einige Autoren verwenden die Bezeichnung „Elektronenparamagnetische Resonanz" (EPR), um sie von der „Kernmagnetischen Resonanz" (NMR) zu unterscheiden. Der Gebrauch der Bezeichnung ESR scheint jetzt immer üblicher zu werden, und wir werden in diesem Buch an dieser Bezeichnung festhalten. Die Bezeichnung ESR ist für freie Radikale sicherlich gerechtfertigt, da — wie wir sehen werden — das magnetische Moment fast gänzlich auf den Elektronenspin zurückgeht und die Bahnbewegung einen sehr geringen Beitrag leistet. Im Rahmen eines einzigen Kapitels können wir nur eine vereinfachte Darstellung der ESR geben. Zur weiteren Vertiefung gibt es sehr viele Übersichtsartikel und einige wenige Lehrbücher. Trotzdem erschien bis jetzt noch kein umfassendes Buch über die ESR. Die beste Monographie ist nach Ansicht des Verfassers die von P A K E (1962), die auf die Theorie der paramagnetischen Resonanz im einzelnen eingeht, über die experimentellen Techniken oder Anwendungen der Methode jedoch wenig aussagt. Dieses Buch kann durch die von BLOTS et al. (1961) herausgegebene Zusammenstellung von Arbeiten über die Anwendung in biologischen Systemen sowie durch das Buch von INGE AM (1958), das für den experimentell Arbeitenden viele Informationen von praktischem Nutzen enthält, vervollständigt werden. Außerdem gibt es zwei sehr gute Bücher über NMR von A N D R E W (1958) und von ABRAGAM (1961). Diese umfassen fast das gleiche Gebiet (das zweite Buch noch weit eingehender als das erste) und enthalten beide vieles, was auch für die ESR anwendbar ist. Schließlich sollte man sich den sehr sachverständigen Übersichtsartikel von B L E A N E Y und STEVENS (1953) ansehen, und zwar nicht nur aus historischen Gründen. 1

1

Anm. der dt. Hrsg.: In den letzten 5 Jahren hat sich die Situation hinsichtlich zusammenhängender ESR-Darstellungen grundlegend verändert. Es sind zahlreiche gute Monographien erschienen, die entweder der Anwendung der ESR oder der experimentellen Technik einschließlich der Erleichterung der Auswertung der Spektren gewidmet sind. Bei der chemischen Anwendung der ESR sind die Monographien von AYSCOUGH ( 1 9 6 7 ) sowie von CARRINGTON und MCLACHLAN ( 1 9 6 7 ) und BLUMENFELD et al. ( 1 9 6 6 ) hervorzuheben, die Lehrbuchcharakter tragen und den Entwicklungsstand auf diesem Gebiet umfassend wiedergeben. Über freie Radikale existieren Monographien speziell über Radikalionen organischer Verbindungen (GERSON, 1 9 6 7 ; SCHEFELER und STEGMANN, 1 9 6 9 ; K A I S E E und K E V A N , 1 9 6 8 [hochauflösende E S R ] ) und anorganischer Verbindungen ( A T K I N S und SYMMONS, 1 9 6 7 ) , sowie Übersichtsartikel insbesondere über kurzlebige freie Radikale ( N O R M A N und GILBERT, 1 9 6 7 ; GESKE, 1967).

Neben zwei ausführlichen Darstellungen der ESR-Meßtechnik von POOLE ( 1 9 6 7 ) und von A L G E R ( 1 9 6 7 ) ist auf eine ESR-Spektrensammlung in Atlasform von B I E L S K I und GEBICKI ( 1 9 6 7 ) hinzuweisen. Bei der Spektrenauswertung haben sich eine Sammlung simulierter Hfs'Muster mit unterschiedlicher Auflösung ( L E B E D E V und TICHOMIROVA, 1 9 6 2 ; 1 9 6 4 ) sowie ein Tabellenwerk mit ESR-Daten über freie Radikale (FISCHER, 1965) sehr bewährt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß die Computeranalyse von ESR-Spektren eine immer größere Rolle zu spielen beginnt. Entsprechende Ansätze dazu gibt es bereits seit einiger Zeit (JOHNSON und H E C H T , 1 9 6 5 ; S W A L E N und G L A D N E Y , 1 9 6 4 ) . Im Zuge der stärkeren Automatisierung von Analysenmeßmethoden sind in jüngster Zeit ausführliche 2

Wyard

3

1.2.

Theoretische Grundlagen

1.2.1.

Resonanzbedingung

Beginnen wir auf möglichst einfache Weise. Die potenzielle Energie eines magnetischen Dipols beträgt bei Einbringung in ein homogenes Magnetfeld E = — pH.

(1.2)

Wir betrachten nun das, was als „freies Elektron" bekannt ist, d. h. ein ungepaartes Elektron, das nur durch das äußere Magnetfeld beeinflußt wird und dessen magnetisches Moment ausschließlich auf seinen Spin ohne jeden Beitrag aus irgendeiner Bahnbewegung zurückzuführen ist. Aus der Quantentheorie wissen wir, daß das Elektron einen Spin -i- hat und daß es bei Einbringung in ein äußeres Magnetfeld Jt mit seinem magnetischen Moment ¡us entweder parallel oder antiparallel zur Feldrichtung ausgerichtet wird. Die entsprechenden magnetischen Quantenzahlen sind m = — -!- und m = + . Wenn außerdem in der Ebene senkrecht zum Zi Zi festen Magnetfeld H ein zirkulär polarisiertes Magnetfeld einwirkt, sind Übergänge möglich, bei denen sich m um ¿ 1 ändert. Im ESR-Jargon sagt man, daß der Elektronenspin im Magnetfeld „umgeklappt" wird. Die Bedingung für diese Erscheinung besteht darin, daß die Quantenenergie des Photons, die das zirkulär polarisierte Magnetfeld bewirkt, gleich der Energiedifferenz der beiden Zustände — nämlich 2 ¡isH — sein muß. Das magnetische Spinmoment des Elektrons ist sowohl aus der Theorie ( S O M M E R E I E L D , 1957) als auch aus dem Experiment ( W I L K I N S O N und C E A N E , 1963) als 1 , 0 0 1 1 5 9 6 ( 8 bekannt, worin ß das Bohrsche eh Magneton oder ist. Für ein freies Elektron können deshalb Übergänge bei 4 7Z 7TB C

h-v = 2,00232 ßH

(1.3)

auftreten. In Gl. (1.3) ist h das Plancksche Wirkungsquantum mit 6,6256 • 10 -27 erg • sec und ß beträgt 9,2732 • 10~21 erg/G ( C O H E N und Du M O N D , 1965). Gl. (1.3) zeigt, daß die Absorption von elektromagnetischer Strahlung in diesem Falle eine 1

A r b e i t e n z u d i e s e m T h e m a e r s c h i e n e n , s o v o n D o w s i N G ( 1 9 7 0 ) ; BUCKMASTER e t al. ( 1 9 7 1 ) ; PORCHET u n d GÜNTHARD ( 1 9 7 0 ) u n d TAYLOR u n d BRAY ( 1 9 7 0 ) .

Auch über das stark angewachsene Gebiet der biologischen Anwendungen der ESR gibt es Monographien, die das im vorliegenden Buch behandelte Gebiet der ESR an biologisch wichtigen Radikalen ergänzen. Der Tagungsband "Magnetic Resonance in Biological Systems" (EHRENBERG et al., 1967) gibt einen Überblick über Entwicklungen in der NMRund ESR-Anwendung auf biologische Probleme. Das Buch von SCHOFFA (1964) gibt den Stand der biologischen ESR-Anwendung bis 1963 wieder und bezieht sich besonders auf biologische Eisen- und Kupferkomplexe. Eine zusammenhängende Darstellung der ESR-Ergebnisse an bestrahlten Proteinen ist k ü r z l i c h e r s c h i e n e n (KAJUSCHIN e t a l . , 1 9 7 0 ) .

4

Resonanzerscheinung ist, da sie bei einer bestimmten Frequenz auftritt. Sie zeigt weiter, daß Resonanz für jeden beliebigen Wert des äußeren Magnetfeldes auftreten wird und die Resonanzfrequenz dem Magnetfeld proportional ist. Dieser Sachverhalt wird durch Abb. 1.1 veranschaulicht.

Abb. 1.1: a) Ausrichtung des Elektronenspins in einem Magnetfeld, b) Energieniveaus für den Spin — (E = ± fi s H).

Durch Einsetzen der Werte für die Konstanten ß und h in 61. (1.3) erhalten wir v = 2,8025 H.

(1.4)

Darin ist v in MHz und H in 6auß anzugeben. Die ESR ist bei einer ganzen Reihe von Frequenzen durchgeführt worden, jedoch werden aus später zu diskutierenden praktischen 6ründen und in Hinblick auf die Empfindlichkeit Messungen zumeist bei etwa 9000 MHz mit einem entsprechenden Magnetfeld von 3200 6 durchgeführt. Bis jetzt haben wir den idealisierten Fall eines freien Elektrons betrachtet. Tatsächlich wird das freie Elektron Teil eines Atoms, Ions oder Radikals sein oder irgendwie in einem Festkörper eingeschlossen sein, so daß es außer dem äußeren Magnetfeld noch anderen Kräften ausgesetzt ist. Das hat eine Verschiebung der Resonanzstelle zur Folge. Die Resonanzbedingung wird jetzt hv = gßH

(1.5)

geschrieben. Darin wird g „spektroskopischer Aufspaltungsfaktor" oder einfach gr-Faktor genannt. Der ¡/-Faktor darf nicht mit dem Lande-Aufspaltungsfaktor für freie Atome verwechselt werden, sondern ist lediglich ein empirischer Term, der durch die 61. (1.5) definiert wird. Der gr-Faktor für ein freies Elektron wird ge geschrieben (genaugenommen sind ß und g negativ, jedoch folgen wir der üblichen Praxis und verwenden den Absolutbetrag dieser Werte). Tatsächlich gibt es 6ründe, warum die Resonanz nicht an einer scharf abgegrenzten Stelle erfolgt, so wie das die 61eichungen (1.3), (1.4) und (1.5) besagen, sondern über einen Bereich von Frequenzen verbreitert ist und eine glockenförmige Ab2*

5

sorptionskurve mit einer bestimmten Linienbreite ergibt. Lmienbreiten variieren in der E S R sehr stark und werden später diskutiert. Wir stellen hier nur fest, daß die Linien — obwohl sie manchmal so breit sind, daß keine Resonanz beobachtet werden kann — sehr oft genügend schmal sind, um gut aufgelöste Linien zu erhalten. Der g-Faktor wird dann aus der Frequenz in der Mitte der Resonanz bestimmt. 1.2.2.

Absorption von Mikr>owellenleistung

Die Quantentheorie der Strahlung besagt, daß bei den Frequenzen, mit denen wir uns befassen, die spontane Emission vernachlässigbar ist und Absorption und angeregte Emission entsprechend den Energieübergängen nach oben oder unten gleich wahrscheinlich sind. Eine resultierende Strahlungsabsorption muß daher von der Differenz der Besetzungszahlen der Spins (ungepaarten Elektronen) in den beiden Zuständen abhängen. Beim Ausbleiben einer Strahlung werden die Besetzungszahlen durch die Boltzmann-Statistik bestimmt, d. h. die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in einem Zustand mit der Energie E anl—E\ zutreffen, ist proportional zu exp I

1, wobei k die Boltzmann-Konstante

und T die absolute Temperatur sind. Wenn wir über Elektronen sprechen, die einen Spin

haben und voneinander nicht zu unterscheiden sind und ansonsten 4

der Fermi-Dirac-Statistik gehorchen, müssen wir vorher die Anwendung der Boltzmann-Statistik rechtfertigen. Der Grund dafür ist der, daß wir uns in Wirklichkeit mit den Atomen, Ionen oder Radikalen beschäftigen, zu denen die Elektronen gehören. Trotzdem ist es vorteilhaft, anschaulich von den Elektronen zu sprechen, da die Resonanz fast ausschließlich auf deren Spin zurückzuführen ist. Obwohl sie miteinander identisch sind, sitzen diese Teilchen an bestimmten Stellen im Probenmateria.1 und sind deshalb durch ihre Lage unterscheidbar. Unter der Voraussetzung, daß die Wechselwirkungsenergie zwischen den magnetischen Dipolen genügend klein ist (und das ist bei Radikalen und paramagnetischen Ionen bei gewöhnlichen Temperaturen der Fall), ist die Anwendung der BoltzmannStatistik korrekt. Für eine weitere Diskussion dieser Frage wird auf ein Standardwerk über statistische Mechanik verwiesen, z. B. auf das von D A V I D S O N (1962). Ausnahmen von der Boltzmann-Statistik treten beispielsweise beim Ferromagnetismus oder bei Leitungselektronen auf. Solche Fälle können auch in biologischem Material auftreten, und die Anwendung der falschen Statistik kann zu Irrtümern führen. Wenn der Fall betrachtet wird, daß die Boltzmann-Statistik anwendbar ist und es genau zwei Energieniveaus gibt, erhalten wir für die Besetzungsdifferenz N_ - N+ _ - e~" Hl kT N_ + N+ ~ + e^W ' Darin sind 2V_ und N+ die Anzahl von Spins in der Probe im unteren und oberen Energieniveau. Schreibt m a n N = ¿V_ + N+ für die Gesamtzahl der ungepaarten Elektronen und n = N_ — N+ für die Besetzungsdifferenz zwischen den beiden 6

Niveaus, so bekommen wir n =

U.7, n

Das Verhältnis — wird „Polarisation" genannt. Um einen Eindruck von der Größe der Polarisation zu gewinnen, setzen wir die Werte der Konstanten ein und finden, daß bei Zimmertemperatur kT = 4,14 • 10~14 erg ist, während für Elektronenspins in einem Feld von 3200 G ¡u,H = 2,96 • 10"17 erg ist. Da ^

eine kleine Zahl ist, können wir die

IC -L

Gleichungen (1.6) und (1.7) durch Reihenentwicklung der Exponentialfunktion und Vernachlässigung der höheren Terme vereinfachen. Es ergibt sich daraus n

=

kT

(1.8) '

2 kT

y

Selbst bei 4,2 °K — das ist die niedrigste normalerweise in der ESR angewendete Temperatur — ist der Wert für y ^ - noch genügend klein (0,051 für ElektronenfC i spins in einem Feld von 3200 G), damit Gl. (1.8) eine gute Näherung bleibt. In diesem Falle beträgt der Fehler bei Verwendung der Gl. (1.8) 1%0, was bei einer ESR-Messung praktisch nicht nachweisbar ist. Wir haben gesehen, daß die resultierende Strahlungsabsorption von der Besetzungsdifferenz der beiden Niveaus abhängt. Gl. (1.8) zeigt, daß — wenn alles andere gleich bleibt — die Absorption vergrößert und die Empfindlichkeit verbessert werden kann, wenn man zu höheren Magnetfeldern und tieferen Probentemperaturen übergeht. Die Probentemperatur wird jedoch gewöhnlich nach anderen Gesichtspunkten gewählt. An der Empfindlichkeit sind viele andere Faktoren beteiligt, die später diskutiert werden. Die Durchführung von Messungen über einen Bereich von Temperaturen liefert eine Methode zur Unterscheidung zwischen einerseits freien Radikalen und paramagnetischen Ionen, für die die Absorption proportional T i s t , und andererseits Leitungselektronen und ferromagnetischen Proben, für die die Absorption temperaturunabhängig ist. An dieser Stelle sollte der Ausdruck für die statische magnetische Suszeptibilität Xo aufgeschrieben werden, die definiert ist als das magnetische Moment der Probe dividiert durch das erzeugende Feld. Jedes der überschüssigen Elektronen im unteren Energieniveau hat ein eigenes magnetisches Moment in Richtung des angelegten Feldes (die anderen Elektronen heben das gegenseitig auf), so daß nach 2 Gl. (1.8) das resultierende magnetische Moment M = nfi = Nu H— und M ' N ß2 . lst" *>=H=TT

tC i

W

Die Abhängigkeit von %0 von T in Gl. (1.9) folgt dem wohlbekannten Curieschen Gesetz. 7

Wir vermerken hier, daß Messungen der magnetischen Suszeptibilität, die sehr empfindlich sein können, eine andere Methode zur Bestimmung von N darstellen, d. h. der Anzahl ungepaarter Elektronen in der Probe. Das bedeutet eine nützliche Alternative zur Bestimmung von N mittels der ESR-Methode, insbesondere wenn die Absorptionslinien so breit sind, daß die E S R nicht angewendet werden kann. Die von der Probe absorbierte Leistung hängt von der Geschwindigkeit ab, mit der die Spins durch die elektromagnetische Strahlung zwischen den beiden Energieniveaus umgeklappt werden. Wir müssen der Tatsache Rechnung tragen, daß die Energieniveaus und damit die Absorptionslinie eine bestimmte Breite haben. Das wird durch Einführung der Linienformfunktion f(v — v0) getan. Die Linienformoo funktion ist normiert, so daß j f(v — v0)dv — 1 ist. Sie hat einen maximalen o

Abb. 1.2: Linienformfunktion einer ESR-Absorptionslinie (Av wird bei halber maximaler Höhe gemessen).

Wert bei der Resonanzfrequenz v0, und für Linien mit der gleichen Form ist der Maximalwert umgekehrt proportional zur Linienbreite Av (Abbildung 1.2). Zwei Linienformen, denen sich die Absorptionslinie im allgemeinen annähert, sind die durch die Gleichungen (1.32) und (1.33) beschriebene Gauß- und LorentzForm. Für diese beträgt das Produkt aus maximaler Absorption und Linienbreite /In 2\_L 2 2 ( ) 2 bzw. —. Aus der Strahlungstheorie folgt dann (für eine vollständige \ n } 71 1 yv Diskussion vgl. ABRAGAM [1961]), daß für einen Spin — die Ubergangswahrscheinlichkeiten infolge von Strahlung pro Zeiteinheit P 1 / 2 ^_ 1 / 2 = P _ 1 / M / i = P =

f(v - v0)

(1.10)

sind, worin H 1 die Amplitude eines linear polarisierten Hochfrequenz- bzw. magnetischen Mikrowellenfeldes ist, das in einer Ebene senkrecht zum äußeren Feld H0 oszilliert, und worin y das gyromagnetische Verhältnis darstellt, das gleich der Kreisfrequenz bei Resonanz dividiert durch das äußere Magnetfeld ist. Für einen freien Spin folgt aus den Gleichungen (1.3) und (1.4) =

8

9e-e = 2 • m •c

og

1()7 r a d

G_x

In Abschnitt 1.2.1. sagten wir, daß die Übergänge durch ein zirkulär polarisiertes Magnetfeld bewirkt werden. Im allgemeinen werden linear oszillierende Felder benutzt; sie entsprechen zwei zirkulären Feldern mit jeweils der Amplitude

j j

¿t

die in entgegengesetzten Richtungen rotieren. Bei der Erzeugung von Übergängen ist nur eines dieser zirkulären Felder wirksam. In der Literatur gibt es einige Unstimmigkeit, da einige H1 für die Amplitude des linearen Feldes und andere Hl für die Amplitude des zirkulären Feldes benutzen. Ein Übergang zum oberen Niveau absorbiert ein Energiequant hv, ein Übergang zum unteren Niveau emittiert ein Quant hv. Die resultierende Absorption von Leistung ist daher das Produkt von hv mit den Ausdrücken in (J..10) und (1.8),

Hierin ist unter Verwendung der Resonanzbedingung hv0 für gßH eingesetzt. Aus GL (1.12) ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen. Erstens ist die absorbierte maximale Leistung umgekehrt proportional zur Linienbreite und nur wenig aboo hängig von der Linienform. Zweitens ist J Adv oder die Fläche unter der Abo 2v 2\ 1 /Nh sorptionslinie gleich —— y2 • H^ • I ° I und der Anzahl N der Spins pro10 \ ¿i tC -L f portional, unabhängig davon, wie Linienform und Linienbreite aussehen. Dieses Ergebnis ist jedoch nur für freie Spins bewiesen und bedarf in anderen Fällen einer Modifizierung (vgl. Kapitel 3., Abschnitt 3.2.3. A). In makroskopischer Sicht kann die Probe so betrachtet werden, als wenn sie eine komplexe magnetische Suszeptibilität % = %' — i x ' besitzt. Die von der Probe absorbierte Leistung ist dann n • v • • Hf. Setzt man diesen Ausdruck mit der rechten Seite von Gl. (1.12) gleich und verwendet man den Ausdruck für %0 aus Gl. (1.9), so erhalten wir X" = Y Xof(v~VoW Der Maximalwert von x " in der Linienmitte beträgt Xo(~r\>

(1.13) dies gilt exakt für

eine Lorentz-Linienform und annähernd für andere Linienformen (vgl. Gl. (1.32) bis (1.35)). Wir führen an dieser Stelle an, daß es möglich ist, die Resonanz auch mit Hilfe der Dispersion nachzuweisen, da die Absorption immer von Dispersion begleitet ist. Das wird in der ESR selten getan; man beschäftigt sich mit der Dispersion gewöhnlich nur insofern, als daß man sie vermeidet, damit nicht die Form der Absorptionslinie verzerrt wird. 1.2.3.

Sättigung

Bis jetzt haben wir die in der Probe vorhandenen Spins als frei in dem Sinne betrachtet, daß sie nur in Wechselwirkung mit dem Magnetfeld und mit der Mikrowellenstrahlung stehen. Wenn das wirklich der Fall wäre, würde der Einfluß der 9

Mikrowellenstrahlung bewirken, daß sich die Besetzungen in den beiden Energieniveaus ausgleichen, und wenn das geschehen wäre, würde die Absorption beendet sein. Tatsächlich gibt es aber immer Wege, durch die die Spins von einem Energieniveau ins andere ohne Mitwirkung der Mikrowellenstrahlung überwechseln können. Prozesse, durch die die Spinbesetzungen nach einer Störung in den Zustand ihres thermischen Gleichgewichts zurückkehren, werden Relaxationsprozesse genannt (die Existenz von Relaxationsprozessen war bereits in der Feststellung in Abschnitt 1.2.2. enthalten, wonach ohne Strahlung die Besetzungen durch die Boltzmann-Statistik bestimmt werden). Der Prozeß, bei dem die von den Spins aus der Mikrowellenstrahlung absorbierte Energie an den Rest der Probe abgegeben wird, wird als Spin-Gitter-Relaxation bezeichnet. Wir beschäftigen uns hier nicht mit dem Mechanismus dieses Prozesses, aber wir müssen wissen, wie die Relaxation die Absorptionslinie beeinflußt. Darüber hinaus können Relaxationsmessungen bei der Identifizierung des paramagnetischen Teilchens, das das ungepaarte Elektron enthält, eine Hilfe sein. Nehmen wir an, daß bei Abwesenheit von Mikrowellenstrahlung die Wahrscheinlichkeiten für den Übergang zwischen den beiden Niveaus pro Zeiteinheit W+ für einen Übergang ins obere Niveau und W_ für einen Übergang ins untere Niveau sind. Im Gleichgewicht ist die Anzahl der Übergänge ins höhere bzw. niedrigere Niveau gleich: (1.14)

Nev. • W. = Nei+ • W+.

Man nehme nun an, daß sich das System vom thermischen Gleichgewicht entfernt hat, so daß N+ und N_ nicht durch die Boltzmann-Bedingung bestimmt werden. Um die Geschwindigkeit zu finden, mit der das Gleichgewicht wiederhergestellt wird, setzen wir unter Verwendung der Gl. (1.4) (±71 — = 2 N+ • W+ - 2 N_ • W dt = (2N + - 2N e q + ) W+ -

(2iV_ - 2N e q _) W_.

(1.15)

Der Faktor 2 kommt daher, weil jeder Übergang einen Spin von einem Niveau zum anderen überführt. Wenn wir W =

-j- W+) für die mittlere ÜberZi gangswahrscheinlichkeit schreiben und uns daran erinnern, daß die Gesamtzahl der Spins konstant bleibt, dann erhalten wir Q 7t — = 2 W(neg-n). (1.16) Daraus folgt nach Integration n-net=

(n0-neq)e-2Wt.

(1.17)

Das Spinsystem nähert sich also dem Gleichgewicht exponentiell mit einer Zeitkonstante

• Das ist z. B . der Fall, wenn das Magnetfeld H an- oder abgeschal-

tet wird. Die Zeitkonstante 10

wird Spin-Gitter-Relaxationszeit Tx genannt.

Wir betrachten nun die Probe, die sich im Magnetfeld befindet und Mikrowellenstrahlung absorbiert. Dieses ändert die Gleichgewichtsbedingungen, so daß aus Gl. (1.16)

d 7t wird. Wenn das Gleichgewicht erreicht ist, wird -j— = 0 neuen Bedingungen wird die Besetzungsdifferenz

und unter diesen (1.19)

1 + 2 PTl Mit dem Wert für P aus Gleichung (1.10) erhalten wir n, n

1

(1.20)

1

71 Das Verhältnis — wird mit Z beschrieben und Sättigungsfaktor eq

(PAKE,

1962)

n

genannt. Für große //¡-Werte wird Z klein und die Probe wird dann als „gesättigt" bezeichnet. Die Gl. (1.20) zeigt, daß die Sättigung bei der Resonanzfrequenz am größten ist, was sich in einer Verbreiterung der Absorptionslinie bemerkbar macht. Durch die Definition von

[/ (v — v0)]max als T2 (da die LinienZi formfunktion normiert ist, ist die Linienbreite ein Maß für T2), folgt für den Sättigungsfaktor in der Linienmitte: £« =

1 +Ty'H1*T1Tt



(1.21)

Später wird gezeigt, daß das Absorptionssignal proportional zu Z0H1 ist. Steigt die Mikrowellenleistung von Null an, so erreicht das Absorptionssignal ein Maximum und nimmt dann wieder ab. Für die Leistung, die durch die Probe absorbiert werden kann, gibt es eine Grenze, die durch die Geschwindigkeit bestimmt wird, mit der die Spins die Leistung an die Probe als Ganzes abgeben können, d. h. durch die Spin-Gitter-Relaxationszeit. Das Signaimaximum wird durch Differenzieren des Ausdrucks für Z0Hj gefunden und tritt bei Hi =

j-

(1-22)

auf. In der ESR hält man jedoch die Leistung zwecks Vermeidung der Sättigung im allgemeinen genügend niedrig, und vermeidet so eine Linienform Verzerrung. 11

E s muß betont werden, daß das in diesem Abschnitt diskutierte Sättigungsverhalten ein etwas idealisierter Fall ist, der in der Praxis selten angetroffen wird. Hierauf wird später noch einmal eingegangen. 1.2.4.

Allgemeine Betrachtungen zum Spektrum

Bis jetzt haben wir ein ungepaartes Elektron betrachtet, das durch ein äußeres festes Magnetfeld und ein oszillierendes Magnetfeld beeinflußt wird und mit dem Gitter Energie austauschen kann, aber sonst frei ist. In diesem Falle würde das Spektrum aus einer einzigen Linie bei g = 2,00232 bestehen und die einzige Information, die wir erhalten würden, wäre die Anzahl von Spins in der Probe und die Spin-GitterRelaxationszeit. Glücklicherweise ist das Spektrum fast immer komplizierter, und die Information, die daraus erhalten werden kann, ist entsprechend größer. Wenn wir uns dem Problem von rein theoretischen Gesichtspunkten aus zu nähern hätten, würden wir das ungepaarte Elektron so betrachten, als wenn es sich in manchen Spezies, wie z. B . in einem freien Radikal oder paramagnetischen Ion, auf einer Bahn bewegt und in seiner Position durch Kräfte zwischen dem Elektron und seinen Nachbarn gehalten wird (dabei wird jetzt angenommen, daß es sich um eine feste Probe handelt). Entsprechend den Methoden der Quantenmechanik würden wir den Hamiltonoperator durch Aneinanderreihen von Termen aller elektrischen und magnetischen Wechselwirkungen mit den ungepaarten Elektronen, z. B . mit den Kernen, mit den Elektronenspins und -bahnen, mit den im Probenmaterial vorhandenen elektrischen Feldern und mit den äußeren (festen oder oszillierenden) Magnetfeldern niederschreiben. Aus dem Hamiltonoperator würden wir die Frequenzen erhalten, bei denen die Absorption auftritt, und außerdem die Übergangswahrscheinlichkeiten. Dieser Versuch würde nicht weit führen, teils weil der Hamiltonoperator zu kompliziert wäre und teils weil viele der benötigten Konstanten, die Eigenschaften des Probenmaterials darstellen, nicht bekannt sind. E i n sehr erfolgversprechendes Verfahren besteht darin, einen „effektiven Spin-Hamiltonoperator" aufzuschreiben, in dem nur solche Terme auftreten, die für die Vorhersage der Spektrenform wichtig sind, und wo die Konstanten in einer halbempirischen Form auftreten. Wenn das Spektrum durch den Hamiltonoperator gut beschrieben wird, kann man diese Konstanten daraus ableiten. Dadurch kann ein Großteil der in dem Spektrum enthaltenen Information durch einige wenige Konstanten beschrieben werden, und man kann anhand dieser Konstanten hoffen, das freie Radikal damit zu identifizieren (falls es nicht bekannt ist) und Informationen zu erhalten über die Bahn, in dem sich das ungepaarte Elektron bewegt, und über die Wechselwirkung des freien Radikals mit den anderen Molekülen der Probe. Für den Spin-Hamiltonoperator sind mehrere Ausdrücke entwickelt worden, die in der in Abschnitt 1.1. angeführten Literatur beschrieben sind. Alle sind für bestimmte paramagnetische Salze abgeleitet worden, jedoch erwiesen sich einige von ihnen für freie Radikale, mit denen wir uns in diesem Kapitel vornehmlich beschäftigen, als geeignet. Wenn man einen Hamiltonoperator wählt, der dem Spektrum angepaßt ist, sucht man sich natürlich die einfachste Form aus, die den Hauptmerkmalen des Spektrums Rechnung trägt, und führt Komplizierungen wie Effekte 2. Ordnung oder sogenannte verbotene Übergänge nur dann ein, wenn das für notwendig erachtet wird. Der Hamiltonoperator wird in Kapitel 4 eingehender diskutiert.

12

Allgemein zu beobachtende Grundzüge eines ESR-Spektrums sind a) eine als gFaktor-Änderung bekannte Verschiebung der Lage des Resonanzzentrums von g = 2,00232, b) eine als Hyperfeinaufspaltung bekannte Aufspaltung der Linie in eine Anzahl von Komponenten, die symmetrisch zum Zentrum angeordnet sind, und c) Veränderungen der Linienbreite und Linienform. Spektren von freien Radikalen unterscheiden sich von Spektren paramagnetischer Ionen in zweierlei Hinsicht. Erstens ist die gr-Faktor-Änderung klein und im allgemeinen kleiner als 1 %, während bei paramagnetischen Ionen g-Werte von 6 und größer nicht ungewöhnlich sind. Zweitens fehlt eine „Feinstruktur", die nur in Ionen mit einem Spin größer als

auftreten kann. Die Merkmale a), b) und c) werden wir ¿i der Reihe nach im einzelnen diskutieren, wobei wir versuchen werden, vom physikalischen Gesichtspunkt aus einen Einblick in diese Effekte zu geben und nur so viel Theorie anzugeben, daß sie f ü r das Verständnis der wesentlichen experimentellen Ergebnisse ausreicht. Vorher sind noch zwei allgemeine Feststellungen zu treffen. Die erste Feststellung besteht darin, daß die Merkmale des Spektrums f ü r gewöhnlich abhängig sind von der Richtung zwischen dem angelegten Magnetfeld und einem Achsensystem, das in dem Radikal oder in der Matrix, in der das Radikal eingebettet ist, fixiert ist. Wenn das Radikal oder die Matrix gegenüber der Magnetfeldrichtung gedreht wird, so verschiebt sich das ganze Spektrum im allgemeinen in seiner Frequenz, die Komponenten laufen zusammen oder auseinander und die Linienbreite ändert sich. Wenn die Radikale wie in einem Pulver oder in einer polykristallinen Probe eine zufällige Orientierung besitzen, so hat das zum Resultat, daß die Einzelheiten im Spektrum gewöhnlich verschmiert werden und sich eine schlecht aufgelöste Linie ergibt, aus der man nicht viel mehr als die Anzahl vorhandener Spins ableiten kann. Von dieser Regel gibt es Ausnahmen, und im Kapitel 5. und 6. werden Fälle diskutiert, wo anhand polykristalliner Proben umfangreiche Informationen erhalten wurden. Es bleibt allerdings wahr, d a ß man für eine gute Auflösung Einkristalle benötigt und daß man in polykristallinen Proben selten die paramagnetischen Zentren identifizieren kann, die zu dem Spektrum Anlaß geben. Anders sieht es bei flüssigen Proben aus, die später diskutiert werden. Die zweite Feststellung ist die, daß das ESR-Spektrum und die Konstanten im Spin-Hamiltonoperator nicht nur von dem Ion oder Radikal abhängen, sondern auch von der Matrix, in der dieses eingebettet ist. Natürlich erschwert das die Identifizierung eines unbekannten Radikals anhand seines ESR-Spektrums. Wie wir sehen werden, gibt es aber glücklicherweise eine Anzahl allgemeiner Regeln, die die Identifizierung in vielen Fällen ermöglichen. Der für die Beschreibung von ESR-Spektren freier Radikale meistbenutzte effektive Spin-Hamiltonoperator kann wie folgt geschrieben werden: §=ßS-g-H

+ S-Ä-I.

(1.23)

Darin sind g und A Tensoren 2. Stufe. Der erste Term beschreibt die Wechselwirkung zwischen Elektron und Magnetfeld und liefert den ^-Faktor. Der zweite Term beschreibt die Wechselwirkung zwischen Elektron und Kern und gibt die Hyperfeinaufspaltung an. 13

1.2.5.

g-Faktor

Für ein freies Elektron wäre der Wert für g in Gleichung (1.23) eine Konstante (2,00232). Das Experiment zeigt jedoch, daß der 2(0)9ßy

(f

* )

17

Werte für s-Orbitale verschiedener Kerne erhältlich sind. Ebenso kann die anisotrope Aufspaltung für ^-Orbitale berechnet werden. Sie enthält den Richtungsterm (3 cos 2 0 — 1), worin 0 der Winkel zwischen Magnetfeld und Hauptachse des Radikals ist. Die Kombination der beiden Aufspaltungen ergibt einen symmetrischen Tensor. Die Tensorelemente können aus experimentellen Messungen der Hyperfeinaufspaltungskonstante bestimmt werden, wobei die isotropen und anisotropen Terme für sich allein sowie die Richtungen der Hauptachsen in bezug auf die kristallfesten Achsen erhalten werden (die Durchführung wird in Kapitel 4. diskutiert). Diese können mit den berechneten Werten verglichen werden, so daß sie den Anteil an p- und -s-Charakter für die beteiligten Kerne liefern. Da die Wellenfunktionen für freie Radikale im allgemeinen nicht bekannt sind, sondern erst aus ESR-Messungen bestimmt werden, reicht der Wert der Hyperfeinaufspaltungskonstante gewöhnlich nicht zur Identifizierung eines Radikals aus. Für den Wert der Hyperfeinaufspaltungskonstante gibt es jetzt jedoch genügend Vergleichsdaten, um sie zu einer nützlichen Hilfe bei der Identifizierung werden zu lassen. Das Problem wird auch durch den „Matrixeffekt" kompliziert, d. h. durch den Umstand, daß bei einem gegebenen Radikal die Hyperfeinaufspaltung bei unterschiedlicher Matrix verschieden ist, da die Wellenfunktionen dadurch beeinflußt werden. So bestimmten JEN et al. (1958) die Hyperfeinaufspaltungskonstanten von Wasserstoff- und Stickstoffatomen, die in einer festen Matrix von festem H 2 , Ar, N 2 oder CH 4 eingeschlossen waren. B e i Wasserstoffatomen, wo die Wellenfunktion ausschließlich s-Charakter hat, lagen die Aufspaltungskonstanten alle innerhalb 0 , 6 6 % des für ein freies Atom berechneten Wertes. Bei Stickstoffatomen, wo die Wellenfunktionen hauptsächlich ^-Charakter tragen, wurden dagegen Abweichungen vom für ein freies Atom berechneten Wert von fast 3 0 % gefunden. Schließlich sollen zwei Effekte erwähnt werden, die manchmal das einfache Bild, das wir jetzt betrachtet haben, komplizieren. Wir haben stillschweigend angenommen, daß bei der Absorption eines Mikrowellenphotons das ungepaarte Elektron umklappt, die Kerne davon jedo.ch nicht betroffen sind. Das ist gewöhnlich auch der Fall. E s ist jedoch möglich, daß ein absorbiertes Photon gleichzeitig ein Elektron und einen Kern umklappt. Ein solcher Vorgang wird manchmal „verbotener Übergang" genannt, da die Wahrscheinlichkeit seines Auftretens normalerweise viel kleiner ist als die von „erlaubten Übergängen", die wir bis jetzt diskutiert haben. Trotzdem können unter geeigneten Bedingungen verbotene Übergänge beobachtet werden, die das Auftreten zusätzlicher Linien im Spektrum bewirken. Auf diesen Punkt wird nochmals in Kapitel 4 eingegangen. Der zweite Punkt ist der, daß unsere Annahme, wonach die Aufspaltung von der Feldstärke unabhängig ist, nicht mehr korrekt ist, wenn die in Gauß ausgedrückte HyperfeinaufSpaltung (die Umrechnung der Frequenz in Gauß folgt aus Gl. (1.4)) mit dem äußeren Magnetfeld vergleichbar wird. Die Energieniveaus müssen aus dem Spin-Hamiltonoperator berechnet werden, und die Lösung wird durch die Breit-Rabi-Formel geliefert ( B R E I T und R A B I , 1931; N A F E und N E L S O N , 1948). Wenn bei der üblichen Feldstärke von 3 0 0 0 G gearbeitet wird, ist die Näherung mit Ausnahme für das Wasserstoffatom, das eine Hyperfeinaufspaltung von 508 G aufweist, hinreichend genau. Als Beispiel für eine Hyperfeinaufspaltung zeigt Abb. 1.3 das Spektrum des

18

Peroxylamindisulfonations ÖN(S0 3 ) 2 2_ in Lösung (das Spektrum ist als 1. Ableitung geschrieben, vgl. Abschnitt 1.2.7. und Abb. 1.4)1. Das ungepaarte Elektron ist hauptsächlich am Sauerstoffatom lokalisiert, hat jedoch eine geringe Wechselwirkung mit dem Stickstoffkern, die eine Hyperfeinaufspaltung von 13 G bewirkt. Die schnelle Brownsche Bewegung des Ions in der Lösung mittelt die anisotropen

.SO, ON SO,

v =

9500MHz

la)

13,0 0

13,0 G

Abb. 1.3: Absorptionsspektren von Peroxylamindisulfonat in Lösung, 1. Ableitung, (a) bei 9500 MHz, (b) bei 280 MHz aufgenommen.

Anteile von ¡/-Faktor und Hyperfeinaufspaltung aus (Abschnitt 1.2.8.) und ist für das einfache und gut aufgelöste Spektrum verantwortlich. Das Spektrum in Abbildung 1.3 a wurde bei einer Frequenz von 9000 MHz aufgenommen, wo die „Hochfeldnäherung" gleicher Aufspaltungen hinreichend genau ist. Abbildung 1.3 b zeigt das Spektrum der gleichen Probe bei 280 MHz, wo die Aufspaltungen 1

3

Anm. der dt. Hrsg.: Lösungen von Kaliumperoxylamindisulfonat (auch als Kaliumnitrosodisulfonat oder Fremysches Salz bezeichnet) werden wegen der geringen Linienbreite der Hfs-Komponenten (0,3 G), der konstanten Hfs-Kopplung von 13,00 G und der relativ einfachen Herstellungsmöglichkeit vielfach als Standard für die Feldeichung und gnß(He+H0l

gßn0

gnßlH,-H0] + -2

H 1 3 A b b . 2.1 : E n e r g i e n i v e a u s e i n e s S y s t e m s m i t S = — u n d I = — bei k o n s t a n t e m F e l d H0 m i t d e n e r l a u b t e n E S R - Ü b e r g ä n g e n . ^ ^

41

Energieniveaus. Es existieren ferner vier Niveaus für

(Sz) — ——, jedoch in £

umgekehrter Reihenfolge, weil eine Umkehr des Elektronenspins die Richtung von He umkehrt und wir angenommen haben, daß He > H0 gilt. Für ESRÜbergänge gelten die Auswahlregeln = + 1 , AIZ = 0, so daß es vier (allgemein 21 + 1) erlaubte Übergänge gibt. Die Aufspaltung der ESR-Linie in (21 + 1) Komponenten kennen wir als Hyperfeinstruktur. Obgleich es prinzipiell möglich ist, ein ESR-Spektrum als Funktion der Frequenz bei festgehaltenem äußeren Magnetfeld H0 aufzunehmen, ist es üblich, die Frequenz festzuhalten und das Magnetfeld zu variieren. I n Abb. 2.2 sind die Energieniveaus für das obige

H

1 3 Abb. 2.2: Energieniveaus eines Systems mit S = — und I = — als Funktion des Feldes H mit den erlaubten ESR-Übergängen. ^ ^

42

Beispiel als Funktion des Magnetfeldes H 0 sowie die aus 4-Linien bestehende Hyperfeinstruktur für eine konstante Mikrowellenfrequenz dargestellt. Die Linien haben in erster Näherung gleichen Abstand. Die Aufspaltung der ESR-Linien in 2 7 + 1 Komponenten kann in Form des vom Kern hervorgerufenen Feldes H„ betrachtet werden. Die Resonanzbedingung für die ESR lautet (2.8)

H • V •= G • ß • H.

H besteht jedoch aus zwei Komponenten, dem angelegten Feld H0 und dem Feld Hn1. Es gibt 2 7 + 1 unterschiedliche Werte für H„ entsprechend den unterschiedlichen (7j)-Werten und somit existieren 2 7 + 1 unterschiedliche H0-Werte, für die Gl. (2.8) erfüllt werden kann.

J

\J

V

A2

Abb. 2.3: Theoretische Hyperfeinstruktur eines Elektrons, das mit drei Kernen |zwei mit I = 4 - und einem Kern mit 7 = 1

in Wechselwirkung steht.

Häufig befindet sich das Elektron in einem Orbital, in dem es mit mehreren Kernen in Wechselwirkung steht. Das unpaarige Elektron kann in einem Molekül z. B. mit einigen seiner Kerne in Wechselwirkung treten, weil es sich in einem Molekülorbital bewegt, das diese Kerne umschließt (VAKIAN ASSOCIATES, 1960 b). Auch in einem paramagnetischen Salz befinden sich die Elektronen eines paramagnetischen Ions gewöhnlich in Wechselwirkung mit verschiedenen Ligandenk e r n e n (GRTFFITH e t a l . , 1 9 5 3 ; OWEN, 1 9 5 5 ; OWEN u n d THOBNLEY, 1966). J e d e r

Kern verursacht seine eigene Hyperfeinstruktur; die Hyperfeinkomponenten eines Kernes werden durch diejenigen aller anderen Kerne weiter aufgespalten. I n der Gl. (2.8) muß deshalb H = H0 + HN über alle Kerne summiert werden. Abb. 2.3 zeigt beispielsweise die Hyperfeinstruktur für die Wechselwirkung mit drei Kernen, von denen Nr. 1 und 3 den Spin I —

und Nr. 2 den Spin 7 = 1

haben. I n dieser Abbildung haben wir die Hyperfeinaufspaltung in Form des Parameters A des Spin-Hamiltonoperators angegeben, der gewöhnlich in der ESR-Literatur zur Beschreibung der Wechselwirkung verwendet wird. Manchmal sind einige Kerne, die sich mit einem Elektron in Wechselwirkung befinden, äquivalent, wie z. B. die drei Protonen einer Methylgruppe. Das Proton Anm. des Autors: Genauer gesagt bedeutet das die Komponente in _ff 0 -Richtung. Da H0 / / „ gilt, ergibt die zu H0 senkrechte Komponente von H„ einen nur geringen Beitrag zur Größe von H 0 + H„. 43

hat den Spin / = — und die Hyperfeinstruktur umfaßt zwei Linien. Abb. 2.4 (a) £

zeigt die Hyperfeinstruktur, die von der Wechselwirkung mit nur einem der Protonen herrührt. Die Wechselwirkung mit dem zweiten Proton spaltet jede dieser Komponenten jeweils in eine Zwei-Komponenten-Hyperfeinstruktur. Da der Linienabstand für jedes Proton derselbe ist, fallen die zwei mittleren Linien zusammen und führen zu dem in Abb. 2.4 (b) gezeigten Schema. Die

H

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(c)

r"'

Abb. 2.4: Hyperfeinstruktur für (a) ein Proton, (b) zwei äquivalente Protonen und (c) drei äquivalente Protonen.

Wechselwirkung mit dem dritten Proton spaltet jede Linie in Abb. 2.4 (b) wiederum in zwei Komponenten auf. Die gleiche Aufspaltung bewirkt auch hier ein Zusammenfallen von Linien, was zu dem in Abb. 2.4 (c) dargestellten Schema führt. Diese Konstruktion kann bis zur Ableitung der Hyperfeinstrukturmuster für eine beliebige Anzahl (n) äquivalenter Protonen fortgesetzt werden. Die Linien sind stets äquidistant, wobei der Linienabstand der Hyperfeinaufspaltung eines einzelnen Protons entspricht. Die Intensitäten der Linien verhalten sich — von einer Seite des Spektrums bis zur anderen — wie die Binomialkoeffizienten [ J, wobei r von 0 bis n läuft. ' 44

2.3.

Linienbreite und Linienstruktur

Auch wenn sich das Elektron auf einem Orbital befindet, das keine benachbarten Kerne umschließt, ermöglicht das Dipolfeld eine Wechselwirkung mit diesen Kernen. Weiter entfernte Kerne zeigen geringere Wechselwirkung, so daß der Abstand der Hyperfeinlinien kleiner ist. Auch bei größeren Abständen gibt es mehrere äquivalente Kerne, wodurch die Hyperfeinstrukturen mehr Linien enthalten. Mitunter geht bei hinreichend großem Abstand die Hyperfeinstruktur in der Linienbreite unter, manchmal verschwindet sogar die Struktur von den nächsten Kernen in der Linienbreite. ESR-Linien, die eine große Zahl unaufgelöster Hyperfeinkomponenten enthalten, sind häufig anzutreffen und werden als „inhomogen verbreitert" bezeichnet (POBTIS, 1953). Jede Komponente der unaufgelösten Struktur entspricht der Resonanz eines Elektrons bei einem unterschiedlichen Feld H und stammt deshalb von einem anderen Atom in der Probe. Wäre die ESR eines dieser Atome beobachtbar, ergäbe sie eine viel schärfere Linie als die gemeinsame ESR-Linie aller dieser Atome. Manchmal sind jedoch wegen anderer Mechanismen der Linien VERBREITERUNG, wie z. B. schnelle Spin-Gitter-Relaxation oder schnelle Rotationsfluktuation in Flüssigkeiten, die ESR-Linien der einzelnen Atome nicht schmäler als die gemeinsame ESR-Linie aller Atome. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Vielzahl unaufgelöster schmaler Linien. Dieser Linientyp wird deshalb als „homogen verb r e i t e r t " b e z e i c h n e t (POBTIS, 1953).

Häufig besteht der Wunsch, die Hyperfeinstruktur, aus der sich eine inhomogen verbreiterte Linie zusammensetzt, aufzulösen. Das ist bei Anwendung der herkömmlichen ESR nicht möglich, weil die Hyperfeinkomponenten nicht aufgelöst sind. Bei Anwendung des ENDOR-Verfahrens ist eine solche Auflösung jedoch häufig zu erreichen. Die ESR- und ENDOR-Spektren von Flüssigkeiten und Festkörpern sind ziemlich unterschiedlich und sollen deshalb zweckmäßigerweise getrennt diskutiert werden. In einem Einkristall sind die paramagnetischen Ionen gewöhnlich gleich orientiert, so daß man eine Anisotropie der Hyperfeinstruktur durch Richtungsänderung des angelegten Feldes H 0 untersuchen kann. In einem polykristallinen Festkörper werden alle Richtungen von H0 relativ zu den Kristallachsen zugleich beobachtet, so daß man ein gemitteltes Spektrum erhält. Die isotropen Anteile ergeben ein Spektrum, das dem eines Einkristalls ähnelt, jedoch eine Linienbreite aufweist, die den anisotropen Anteilen entspricht. Aus diesem Grund wurden nur wenig ESR-Untersuchungen an Pulvern durchgeführt. 1 Die Linien sind gewöhnlich viel zu breit, um viele Informationen zu liefern. Die Verhältnisse in einer Flüssigkeit ähneln denen in einem Pulver, indem die Orientierung der unterschied1

Anm. der dt. Hrsg.: Diese Feststellung trifft nur bedingt zu. Wegen der Schwierigkeit, von biologisch interessanten Substanzen Einkristalle von ausreichender Größe zu züchten, sind sehr viele ESR-Untersuchungen lediglich an Pulvern vorgenommen worden. Für Untersuchungen an Gemischen verschiedener Verbindungen (vgl. 6. Kapitel) muß ohnehin auf die Züchtung von Einkristallen verzichtet werden. Tatsache ist allerdings, daß die Verwendung von Einkristallen wegen der daran zu erhaltenden größeren Information vorgezogen wird, wenn es die Herstellung geeigneter Kristalle gestattet.

45

liehen Moleküle oder paramagnetischen Komplexe willkürlich ist. Sie sind aber insofern davon verschieden, als die Moleküle einer ungeordneten Brownschen Rotationsbewegung unterliegen. Wenn diese Bewegung schnell genug ist, wird die ESR-Linie schmäler (PAKE, 1962b). Als Kriterium für die Bewegungsverschmälerung (motional narrowing) gilt folgendes: Die Korrelationsfrequenz der Rotation vc muß größer sein als die anisotrope Verbreiterung Av (in Frequenzeinheiten), (Avf wobei für die beobachtete Linienbreite öv ~ gilt. Dadurch wird der ve Verbreiterungseffekt der anisotropen Hyperfeinstruktur herausgemittelt, so daß nur noch die isotrope Komponente der Hyperfeinstruktur zu den Linienpositionen beiträgt. Aus diesem Grund neigen ESR-Linien in Flüssigkeiten zu homogener Verbreiterung, während die Linien in den meisten Festkörpern inhomogen verbreitert sind. Die Behandlung des ENDOR-Verfahrens ist deshalb für diese beiden Fälle recht unterschiedlich.

2.4.

ENDOR in Festkörpern

Da das ENDOR-Verfahren zuerst an Festkörpern entwickelt wurde, und die meisten bisherigen Experimente an Festkörpern ausgeführt wurden, werden wir diesen Fall zuerst behandeln. Wir werden das von F E H E E entwickelte Verfahren erläutern. I n Abb. 2 . 5 ist das zugehörige System mit S =

und I = — einschließlich seiner Energieniveaus A ¿i und Übergänge dargestellt. Die E S R beobachtet die Übergänge a und b, und wenn diese aufgelöst sind, kann A durch die Bestimmung von A H gemessen werden. Man kann aber auch A durch Beobachtung der Übergänge c und d bestimmen, für die A Sz = 0 und A Iz = ± 1 gilt. Diese Übergänge entsprechen der NMR im Feld HJ bei der Frequenz v -- ——^ = . Sie sind normalerweise zu c ^ h 2h schwach für einen Nachweis. Das liegt nicht daran, daß es schwierig wäre, diese Übergänge zu induzieren, sondern vielmehr daran, daß die Nachweisempfindlichkeit niedrig ist und weil zur Gewährleistung schmaler Linien verdünntes Material (10 18 Spins/ml) verwendet wird. Diese Übergänge können durch ein Doppelresonanzverfahren, das die Grundlage für E N D O R ist, nachgewiesen werden. Die Intensität z. B . der ESR-Linie a hängt von der relativen Besetzung der Niveaus 1 und 4 ab. Regt man einen der beiden Übergänge c oder d an, dann werden die Besetzungen von 1 bzw. 4 gestört und die Größe des ESR-Signals ändert sich. Um diesen Effekt zu beobachten, läßt man das Magnetfeld H 0 und die Mikrowellenfrequenz konstant und sucht nach ENDOR-Linien, indem man die 1

Anm. des Autors: Genau genommen muß der Ausdruck (2.7) berücksichtigt werden, so daß der'Übergang c in einem Feld He + H0 und der Übergang d im Feld He — H0 und somit bei verschiedenen Frequenzen erfolgen. Daraus können die Werte von He und fi„ berechnet werden.

46

Frequenz eines zweiten Hochfrequenzfeldes an der Probe so lange ändert, bis sich die Größe des ESR-Signals ändert. Der Vorteil von ENDOR gegenüber der ESR in Festkörpern liegt in der viel geringeren Linienbreite. Da man bei einer festen Frequenz v0 und bei festem Magnetfeld H0 arbeitet, unterliegen lediglich jene Atome der ESR-Resonanzbedingung, die ein Gesamtfeld H erfahren, so daß hv0 = g-ß-H

= g-ß(H0

+ ZH„)

(2.9)

gilt. Dabei ist über alle Kerne zu summieren. Nur eine der unaufgelösten Hyper-

Abb. 2.5: Energieniveaus für ein System mit

S = — und I = — Die 2 2 Niveaus wurden mit + + etc. bezeichnet, wobei das erste Vorzeichen für (Sz) und das zweite für ].

(4.2)

Dabei bedeuten y das gyromagnetische Verhältnis für den Kern, gK den Kerng-Faktor und r den mittleren Abstand zwischen dem ungepaarten Elektron und dem Kern. Die Eigenwerte von Ê' sind die Hauptwerte von A und die isotropen und anisotropen Anteile dieses Tensors entsprechen dem ersten bzw. zweiten Term der Gl. 4.2. 4.2.3.

Isotrope Hyperfeinwechselwirkung

Wie durch den Faktor y>2 (0) angezeigt wird, ergibt der erste Term in Gl. 4.2 nur dann eine HyperfeinaufSpaltung, wenn eine endliche Wahrscheinlichkeit dafür existiert, das unpaarige Elektron am Ort des wechselwirkenden Kernes anzutreffen. Aus diesem Grund wird die isotrope Wechselwirkung gewöhnlich als Kontakt* oder Fermi-Wechselwirkung (FERMI, 1930) bezeichnet. Somit werden nur Elektronen in atomaren «-Orbitalen eine isotrope Wechselwirkung erfahren. Gleichfalls besitzen nur " O tœ O ^S o" — H o o" o" o o OS •rt O

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1964) als negativ angenommen. Eine gewisse Delokalisierung der Spindichte des ungepaarten Elektrons im 7t-System vom Kohlenstoff in Richtung zum Hydroxylsauerstoff ergibt eine kleine negative Spindichte an einem Proton in oder in der Nähe der Knotenebene des Orbitals des ungepaarten Elektrons. Im Fall des wasserfreien Lithiumglycolats (POOLEY und WHIFFEN, 1961 b) ist die Hydroxylgruppe aus der Radikalebene herausgedreht und die direkte Spinpolarisation erzeugt eine positive Spindichte am Proton, was eine ziemlich große positive Kopplung ergibt. Ein Hydroxylproton befindet sich im allgemeinen in größerer Nähe zum Radikalkohlenstoff als ein /S-Proton in einem Bruchstück vom Typ . I >C—C—H^. Die Dipol-Dipol-Wechselwirkung ist deshalb größer und die resulI tierenden Anisotropien sind stärker. 1 Schließlich findet man auch ^-Protonen in Radikalen vom Typ >C—N—H^ mit einem Stickstoff als Zwischenatom. Das ^-Proton steht in ganz ähnlicher Weise mit dem ungepaarten Elektron in Wechselwirkung wie ein /?-Proton mit einem Kohlenstoff als Zwischenatom. 2 Die Aufspaltung durch den Stickstoff liegt jedoch häufig in derselben Größenordnung wie die Aufspaltung des /?-Protons, wodurch das Spektrum komplizierter wird und quantitative Messungen schwieriger auszuführen sind. 4.4.3.

Hyperfeinwechselwirkung mit y-Protonen

Ein y-Proton befindet sich drei Bindungen vom Radikalatom entfernt und würde . I I in Radikalen vom Typ >C—C—C—H^ auftreten. Versuche, y-ProtonenkoppI i lungen in dem aus Glutarsäure entstehenden Radikal HOOC—CH ä —CH 2 —CH— 1

Anm. der dt. Hrsg.: Die Größe der isotropen OH-Protonenkopplung liegt bei 2—3 G und A N D E R S O N , 1 9 6 5 ) . Falls das OH—/S-Proton der einzige Partner der Hyperfeinwechselwirkung ist, kann diese geringe Kopplung sogar im polykristallinen Zustand, z. B. am Radikal HOOC—C(OH)—COOH in bestrahlter Mesoxalsäure (DAMERATT, LASSMANN und LÖHS, 1968) nachgewiesen werden. Anm. der dt. Hrsg.: Auch die Anisotropien der NH-/}-Protonen von etwa 3 G sind gering und mit denen der CH-/?-Protonen vergleichbar. Die anisotropen Hauptwerte der NH-/9Protonenkopplung lassen sich deshalb experimentell nur sehr schwer bestimmen, da sie mit der Linienbreite vergleichbar sind. Hauptwerte für NH-jS-Protonen werden u. a. von (RAO

2

K O H I N u n d N A D E A U ( 1 9 6 6 ) , H E D B E R G u n d EHRENBERG ( 1 9 6 8 ) u n d LASSMANN u n d D A M E R A U (1971A, 1971B)

angegeben.

121

C O O H ( H O R S F I E L D , MOETON und W H I F F E N , 1961a) sowie in dem in bestrahlter Adipinsäure gefundenen Radikal H O O C - C H 2 - C H 2 - C H 2 - C H - C O O H (MORTON und H O R S F I E L D , 1961b) nachzuweisen, schlugen fehl. Daraus wurde geschlossen, daß die Kopplung kleiner ist als die Linienbreite von ca. 3,2 G. Mit Sauerstoff als Zwischenatom wird jedoch ein Teil der Spindichte des ungepaarten Elektrons aus dem 2p- Orbital des Radikalkohlenstoffs delokalisiert, so daß bis zu 25% am benachbarten Atom auftreten kann. Das führt zu y-Protonenkopplungen, wie sie in den Radikalen H O O C — C H 2 — 0 — C H — C O O H in Diglykolsäure ( K U R I T A , 1962) und H 3 C — 0 — C H — C 0 0 ~ in Kaliummethoxyacetat ( H O R S F I E L D und MORTON, 1962) nachgewiesen wurden. Die isotrope Aufspaltung beträgt 4,3 bzw. 2,1 G. Eine ähnliche Wirkung wird mit Schwefel als einem der Zwischenatome beobachtet. So fanden K U R I T A und G O R D Y (1961b) am Radikal H O O C — C H 2 — S — C H — C O O H in bestrahlter Thiodiglykolsäure eine isotrope y-Protonenkopplung von 5,4 G.

4.4.4.

Hyperiemwechselwirkung mit dem Stickstoffkern

Ein unpaariges Elektron, das sich infolge einer Strahlenwirkung an einem Stickstoffatom befindet, ist hauptsächlich in einem 2p-0rbital dieses Kernes lokalisiert. Der 14N-Kern besitzt den Spin 1 = 1 und deshalb ergibt die Wechselwirkung zwischen seinem magnetischen Moment und dem magnetischen Moment des unpaarigen Elektrons ein ESR-Spektrum mit drei gleichgroßen äquidistanten Linien. In Tab. 4.4 sind die isotropen und anisotropen Anteile der Hyperfeinwechselwirkungen für einige ^-Radikale mit einem 14N-Zentralkern verzeichnet. Theoretische Untersuchungen (MCLACHLAN et al., 1960; F s A E N K E L , 1962) zeigten, daß die isotrope Wechselwirkung positiv ist. Aus der Größe der isotropen Wechselwirkung kann der s-Charakter des Orbitals des unpaarigen Elektrons bestimmt werden. Wenn das Elektron ein reines «-Orbital besetzt, wird eine Aufspaltung von 550 G beobachtet. Einer isotropen Kopplung von beispielsweise 16,1 G entspricht dann ein s-Charakter von 3%. Die anisotrope Hyperfeinwechselwirkung kann theoretisch wie folgt beschrieben werden ( F R O S C H und F O L E Y , 1952; Z E L D E S et al., 1960): B0 (3 cos2 0 — 1) • Q.

(4.24)

Dabei ist o die Spindichte im 2p-Orbital des Stickstoffatoms, 0 der Winkel zwischen dem angelegten Feld und der Richtung des 2p-Orbitals und B0 eine Konstante, die für Stickstoff 17,2 G beträgt. Somit zeigt der diagonalisierte Kopplungstensor, der die Wechselwirkung zwischen dem Stickstoffkern und einem ungepaarten Elektron in einem 2p-Orbital dieses Kernes beschreibt, axiale Symmetrie. Die Kopplung parallel zur Orbitalrichtung beträgt +2_B 0 , die in der Radikalebene—B0. Die in Tab. 4.4 dargestellten experimentellen Werte stimmen ziemlich gut mit diesem Modell überein. So konnte u. a. in allen Fällen gezeigt werden, daß die große positive anisotrope Wechselwirkung in der Richtung senkrecht zur Radikalebene auftritt. Die negativen Tensorelemente zeigen allerdings unterschiedlich starke Abweichungen von der erwarteten axialen Symmetrie. Messungen an den 122

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123

Radikalen H N — S 0 3 - in Kaliumsulfamat ( R O W L A N D S , 1962) und H 2 N—S0 3 _ in Sulfaminsäure ( R O W L A N D S und W H I F F E N , 1962) bei 77 °K haben gezeigt, daß bei tiefen Temperaturen der Tensor eine axialsymmetrische Form annimmt. Schließlich sind auch Kopplungen von Stickstoffatomen, die dem Radikalkohlenstoff benachbart sind, nachgewiesen worden. Die direkte Dipol-Dipol-Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Moment des 14 N-Kernes und dem unpaarigen Spin am Kohlenstoff gibt Anlaß zu einer geringen Anisotropie der Kopplung. Die isotrope Hyperfeinwechselwirkung ist wahrscheinlich negativ und stammt von der am Stickstoff induzierten negativen Spindichte, die vermittels Spinpolarisation der >C—N-Bindung aus der hohen Spindichte am Kohlenstoffatom der CN-Bindung entsteht. Diese sich überlagernden Wirkungen ergeben eine Aufspaltung von 4,3 G und tragen bei den meisten Spektren gewöhnlich nur zur Linienbreite bei1. ^ Der 15 N-Kern besitzt den Kernspin I — — und das resultierende ESR-Spektrum Li

bei der Wechselwirkung mit einem unpaarigen Elektron besteht aus einem Dublett. Diese Dublettaufspaltung unterscheidet sich von der Triplettaufspaltung des 14 N-Kerns. Die Isotopensubstitution mit 15 N kann somit zur Beobachtung von Kopplungen eines bestimmten Stickstoffatoms verwendet werden. W E I N E B und K O S K E (1963) haben diese Technik näher untersucht.

4.4.5.

Der

12

Hyperfeinwechselwirkung mit dem Kohlenstoffkern C-Kern besitzt keinen Spin und ist deshalb mit einem ESR-Spektrometer

nicht nachweisbar. Der

13

C-Kern dagegen hat den Spin I — - i und gibt bei der £'

Wechselwirkung mit einem ungepaarten Elektron ein Zweilinienspektrum. Sein natürliches Vorkommen beträgt jedoch nur 1,1%, so daß ein solches Spektrum in bestrahlten organischen Einkristallen selten beobachtet wird. Ein unpaariges Elektron, das an einem 13 C-Kern lokalisiert ist, verhält sich ganz ähnlich wie eines, das sich an einem 14 N-Kern befindet und im vorigen Abschnitt beschrieben wurde. Die isotrope Kopplung ist positiv ( M C L A C H L A N et al., 1 9 6 0 ; F R A E N K E L , 1 9 6 2 ; D E B O E R und M A C K O R , 1 9 6 3 ) . Ein unpaariges Elektron, das in einem ¿'-Orbital eines 13 C-Kernes lokalisiert ist, ergibt eine Aufspaltung von 1117 G. Die anisotrope Hyperfeinwechselwirkung wird in Form der Gl. 4.24 mit der Konstante B0 — 32,5 G beschrieben. Tab. 4.5 zeigt 13 C-Hyperfeinwechselwirkungen, die in organischen Einkristallen beobachtet wurden. Wie man sieht, entsprechen die Wechselwirkungen ziemlich gut den erwarteten Werten. Eine 13 C-Kopplung wurde experimentell zuerst von M C C O N N E L L und F E S S E N D E N ( 1 9 5 9 ) am Radikal HC

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lungstensor wegen der geringen Intensität der 13 C-Linien nicht bestimmt werden. C O L E und H E L L E R ( 1 9 6 1 ) haben deshalb Malonsäurekristalle präpariert, die in der Methylenposition zu 39% mit 13 C angereichert waren. Sie erhielten gut aufgelöste Spektren und konnten eine vollständige Analyse der Kopplung durchführen. G H O S H und W H I F F E N ( 1 9 5 8 , 1 9 5 9 ) nahmen in ihren ersten Arbeiten über die Strahlenschädigung in Glycin an, daß die strahleninduzierten Radikale NH 2 und +

H 3 N—CH—COO - wären. W E I N E R und K O S K I (1963) haben diese Interpretation angezweifelt und geschlossen, daß es sich um die Radikale N H 4 und H 2 C—COO~ handeln muß. M O E T O N (1964b) hat schließlich durch Verwendung von Glycin, das am Zentralkohlenstoffatom zu 55% mit 13 C angereichert war, nachgewiesen, daß beide Radikale eine große anisotrope Kopplung zum 13 C-Kern zeigen. Weder NH 2 nach N H 4 würde eine solche Kopplung zeigen, so daß als Radikale tatsäch+

lieh nur H 3 N—CH—COO - und H 2 C — C 0 0 - in Frage kommen. Diese unterschiedliche Interpretation der Strahlenschädigung in Glycin zeigt die Schwierigkeit bei der Identifizierung von Radikalen, die selbst dann noch vorhanden ist, wenn diese Radikale in einem Einkristall orientiert sind.

4.4.6.

Spektroskopischer Aufspaltungsfaktor

Der spektroskopische Aufspaltungsfaktor oder gr-Faktor ist ein Maß für den Beitrag des Elektronenspins und seiner Bewegung zu seinem Gesamtdrehimpuls und besitzt für einen völlig freien Spin einen Wert von 2,0023. Die Relativitätskorrektur bedingt eine geringe Abweichung von 2,000. Streng genommen müßte man dem ¡/-Faktor ein negatives Vorzeichen geben, da das gyromagnetische Verhältnis des Elektrons negativ ist. Der gewöhnlich zitierte Wert stellt jedoch den Absolutbetrag dar, was im vorliegenden Text zu beachten ist. Abweichungen vom Wert des freien Spins sind bei ji-Radikalen mit Spin-Bahn-Wechselwirkungen zwischen dem Grundzustand und dem angeregten Zustand des Radikals verbunden und wurden von M C C O N N E L L und R O B E R T S O N (1957) theoretisch behandelt. gr-Faktoränderungen sind richtungsabhängig und erfordern zur vollständigen Analyse bei Einkristalluntersuchungen einen Tensor. Messungen in der Radikalebene ergeben g - F a k t o r e n , die größer als 2,0023 sind. Die Größe der Verschiebung hängt von der Spin-Bahn-Koppelkonstante desjenigen Atoms ab, das eine merkliche Spindichte des ungepaarten Elektrons aufweist. Der o < N O © ci

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s « o G H und GOH> während bei schweren Partikeln auch G H O, berücksichtigt werden muß (ALLEN, 1961). Die Versuchsergebnisse von strahlenchemischen Ausbeuteexperimenten hegen gewöhnlich in Form von Ausbeuten für stabile molekulare Spezies und Ionenkomplexe (falls bestimmte Ionen zur Lösung hinzugegeben werden) vor. Es werden Reaktionsmechanismen unter Einbeziehung von Radikalen als Intermediärstufen postuliert und Radikalausbeuten berechnet. Ein einfaches Beispiel dafür liefert die Betrachtung der Reaktionen, wie sie in einem Fricke-Dosimeter ablaufen. Man gibt FeS0 4 in eine saure Lösung, in der atmosphärischer Sauerstoff gelöst ist. Die Lösung wird dann z. B. mit 60 Co-y-Strahlen bestrahlt. Man nimmt an, daß bei der Bestrahlung H 2 0 irgendwie in H und OH zerlegt wird 1 . Da H 2 und H 2 0 2 durch Kombination von H bzw. OH mit gleichen Radikalen gebildet werden, ergibt sich aus Gründen der Massenerhaltung die Beziehung G h + 2 G H J = G O H + 2G„,o2

(5.1)

Fe 3 + kann in Lösimg wegen seiner starken Absorption bei 305 nm im ultravioletten Bereich beobachtet und seine Konzentration durch Vergleich mit einem Standard gemessen werden. 1

Anm. d. Autors: Die hier verwendete Darstellung basiert auf Ausbeutegleichungen, die von entwickelt wurden und auf Ausbeutewerten, die von A L L E N und R O T H SCHILD ( 1 9 5 7 ) und von A L L E N ( 1 9 6 1 ) in einer ausführlichen Behandlung der strahlenchemischen Oxydation von Fe 2 + mitgeteilt wurden.

DAINTOST ( 1 9 5 9 )

150

Wir postulieren dann, daß folgende Reaktionen in der bestrahlten Lösung ablaufen Fe 2+ + OH FeOH 2+ (5.2) Fe 2+ + H 2 0 2 -> FeOH 2+ + OH

(5.3)

und Fe 2 + + H + H0 2 + -> Fe3+ + H 2 0 2 .

(5.4)

Man beachte, daß in saurer Lösung infolge atmosphärischen Sauerstoffs H + + 0 2 = H0 2 + güt. Dann gilt G Fe 3+ - G o h + 2G H j 0 i + 3 G h

(5.5)

oder GFe3+ = 2G H l + 4 G h und G

H

= 1 (G3/e - 2G H i )•

Wir wollen den experimentell gemessenen Wert von 1957, 1961) u n d

(5.6)

GHA = 0 , 4 5

(5.7) GPE3+

= 15,5

(ALLEN,

(ALLEN, 1 9 5 7 ; HOCHANADEL u n d L I N D , 1956)

unserem Beispiel zugrunde legen. Dann beträgt G H =

in

(15,5 — 0,9) = 3,65.

Zur Ergänzung der obigen Ergebnisse ist es erwünscht, die Existenz der angenommenen freien Radikale unmittelbar physikalisch zu belegen. Die Elektronenspinresonanz (ESR) stellt ein ausgezeichnetes experimentelles Werkzeug zur Radikalidentifizierung dar. Freie Radikale sind — ihrer genauen Definition entsprechend — molekulare oder atomare Spezies mit einer ungeraden Anzahl von Elektronen. Da sie demnach ein unpaariges Elektron enthalten müssen, sind freie Radikale stets paramagnetisch. Die ESR spricht nur auf paramagnetische Spezies an und wird nur geringfügig durch die nichtmagnetischen Moleküle in der Probe beeinflußt. Die ESR erlaubt die Bestimmung unterschiedlicher Daten über freie Radikale. Es ist möglich, Radikaltypen anhand ihrer ESR-Spektren spezifisch zu erkennen. Das gelingt dann, wenn die Anzahl und die relativen Intensitäten der Linien durch die Kenntnis der Hyperfein Wechselwirkungen vorausgesagt werden können. (Das einfachste Beispiel hierfür ist ein System mit dem Spin

und mit einem ¿t

einzelnen Proton. Da jedes Zeeman-Niveau durch die Wechselwirkung mit dem Proton in zwei Hyperfeinniveaus aufgespalten wird und weil Übergänge, bei denen das Protonenmoment umklappt, verboten sind, gibt es nur zwei erlaubte Absorptionslinien zwischen den vier Zuständen und es resultiert ein Dublett als ESRSpektrum). Ungeachtet dessen, ob das Radikal aus seinem Spektrum identifiziert werden kann oder nicht, ist eine Bestimmung der Spinkonzentration durch Berechnung der Fläche unter seiner Absorptionskurve und Vergleich dieses Wertes mit dem eines Standards bekannter Spinkonzentration möglich. Aus der Spinkonzentration kann die strahlenchemische Ausbeute für das Radikal berechnet werden. 151

5.3.

Verwendung eingefrorener wäßriger Lösungen bei ESR-Untersuchungen

Die Mehrzahl der Arbeiten an bestrahlten Wasserstoff-Sauerstoff-Systemen wurden bei der Temperatur des flüssigen Stickstoffs (77 °K) und eine kleinere Anzahl bei der Temperatur des flüssigen Heliums (4,2 °K) durchgeführt. Um zu erkennen, warum die ESR-Arbeiten an freien Radikalen in wäßrigen Lösungen gewöhnlich bei tiefen Temperaturen ausgeführt wurden, sollen zunächst die Probleme betrachtet werden, die bei Verwendung der ESR-Technik zum Studium der in flüssigem Wasser bei 300 °K erzeugten Radikale auftreten. Das erste große Problem bei flüssigem Wasser als Untersuchungsobjekt für strahleninduzierte freie Radikale stellt die Lebensdauer der Radikale dar. Ob-

O Richtung des Elektronenstrahls

Abb. 5.1: Bechteck-H 101 -Resonator.

gleich die genaue Lebensdauer der interessierenden Radikale (z. B. OH, H, HO a und e~q) bei 300 °K in wäßriger Lösung unbekannt ist, wird die Größenordnung bei etwa einer Mikrosekunde vermutet. Im wäßrigen System "muß deshalb entweder eine stationäre Radikalkonzentration durch kontinuierliche Bestrahlung aufrechterhalten werden oder die Radikale müssen unmittelbar nach einem starken Strahlungsimpuls vermittels einer elektronischen Torschaltung studiert werden. 152

Das zweite Problem beim wäßrigen System besteht in den hohen dielektrischen Verlusten der Probe im Mikrowellengebiet. Wegen der „Belastung" des für den ESR-Nachweis üblicherweise verwendeten Mikrowellenresonators, ist die Größe der verwendeten Probe beträchtlich verringert. Deshalb nehmen auch die Nachweisschwierigkeiten stark zu. Eine ausführliche Betrachtung dieses Problems findet man in einer Arbeit von S T O O D L E Y (1963). Betrachten wir das Problem, wie es in einer typischen Versuchsordnung am Beispiel eines H l o r Rechteckresonators auftritt. I n diesem Resonator wird die Probe am Boden lokalisiert (wie in Abb. 5.1 gezeigt), wo das elektrische Mikrowellenfeld gering, das magnetische Mikrowellenfeld aber stark ist. U m zu ermitteln, wie sehr die Probengröße durch dielektrische Verluste beschränkt wird, benutzen wir die Ergebnisse von F E H E R (1957). F E H E R konnte zeigen, daß man eine maximale Signalspannung aus einem ESR-Resonator mit einer verlustbehafteten Probe erhalten kann, wenn die Mikrowellenleistung, die durch dielektrische Verluste verlorengeht, halb so groß ist wie die in den Resonatorwänden umgesetzte Mikrowellenleistung. Durch diese Bedingung wird die Probengröße bestimmt, die man für die maximale Nachweisempfindlichkeit bei einer wäßrigen Probe wählen muß. Gleichungen für das elektrische und magnetische Feld des H 101 Resonators wurden von M O R E N O (1958) angegeben und können wie folgt geschrieben werden: _ tua _ . nx . nz E„ = — B0 sm — • sm — • cos cot nvc a c EX = EZ = 0 7t OC

7Z %

CL

C

Hz = —B0 cos — - sin — • sin cot

(5.8)

„ ha , nx nz Hx = ß0 — sin — • cos — • sm cot n a c Hy ~ 0 . Da im stationären Zustand die im Resonator gespeicherte Energie zeitlich konstant ist, können die Berechnungen vereinfacht werden, indem man die Zeit so wählt, daß sich möglichst einfache Ausdrücke ergeben. Da die Mikrowellenenergie durch

8

n'J

(.E2 +

H*)dV

gegeben ist, wobei d V das Volumenelement des Resonators darstellt, folgt für die im Resonator gespeicherte Energie: ( — V ^ f d V jsm 2 ^ • sin 2 = \nvcJ on J ( a c J 8n

4

(füV. \nvc/

(5.9) 153

Die vom Dielektrikum verbrauchte Leistung beträgt: £ 87i J

Probe

K \nvc)

2

J

fdV

Probe

jsin 2 — • sin2 — 1 [ a cJ

Aus F B H E E ' S Bedingung für die Belastung eines Resonators folgt für die optimale Probendicke zx die Beziehung toe" Iwa\2 nabc /z1\3 1 1 abcw /t»a\2 "8jr" 6 \ c ) = ~ 2 Sn 4Q0(2TT)

' '

'

(Die vom Dielektrikum verbrauchte Leistung ist gleich der halben Leistung, die von den Wandströmen verbraucht wird). Darin bedeuten: vc die Lichtgeschwindigkeit; k die Amplitude des Wellenvektors; tu die Mikrowellen-Kreisfrequenz; a, b und c die Resonatorabmessungen und e" der Imaginärteil der Dielektrizitätskonstanten. Als Beispiel nehmen wir eine Mikrowellenfrequenz von 9,5 GHz und eine Temperatur von 300 °K an. Setzt man für a = 2,285 cm, b = 1,143 cm, c = 2,53 cm sowie aus Angaben von C O L L I E et al. (1948a, 1948b) e" = 32 ein und nimmt eine Güte des unbelasteten Resonators von 7500 an, so gilt:

bzw. für die Probendicke folgt: zt = 1,55 • 10"2 cm. Zur Einschätzung, wie groß die Dosisleistung der Strahlung sein muß, um eine nachweisbare Anzahl von Radikalen in einer so kleinen Probe zu erzeugen, wollen wir folgende Annahmen machen: 1. 2. 3. 4.

Die Strahlung stammt von einem 6 MeV-Elektronenstrahl, die interessierenden Radikale besitzen eine Lebensdauer von 10~6 sec, die Strahlungsausbeute für die interessierenden Radikale beträgt 3, 1014 Radikale können von einem ESR-Spektrometer für diesen Typ wäßriger Proben noch nachgewiesen werden. Von jedem der 6 MeV-Elektronen erwartet man eine Energieabgabe an die Probe von ¿1^ = ^ 0 ( 1 - ^ . ) , (5.13) wobei [i der Abbremskoeffizient von Wasser für 6 MeV-Elektronen bedeutet und E0 die Anfangsenergie des Strahls (6 MeV) darstellt, fi kann aus Angaben von E V A N S (1955) zu 2,05 cm- 1 berechnet werden. 154

Deshalb gilt: AE = 6 {1 - exp (2,05 • 1,55 • 10"2)} = 0,192 MeV. Eine Ausbeute von 3 bedeutet, daß annähernd 33 eV zur Erzeugung eines Radikals erforderlich sind. Der Elektronenstrahl wird unter diesen Umständen 192 • 103 = 5,78 • 103 Radikale pro Elektron erzeugen. Wenn dann die Lebensoo dauer eines Radikals mit einer Mikrosekunde angenommen wird, beträgt der zur Erzeugung einer stationären Konzentration von 1014 Radikalen erforderliche Elektronenstrahl-Strom •

1014

Elektronen

5,78 • 103

ß sec

,| „„ 7JJ '

. 1Q16

Elektronen sec

oder 2,77 • ICH Ampere. Das bedeutet, daß man ein sehr schwaches Signal von freien Radikalen in flüssigem Wasser nachweisen könnte, wenn ein starker Strahlstrom (von 6 MeVElektronen) von etwa 3 mA verwendet wird. Auf Grund von Problemen wie der elektronischen Störung des ESR-Spektrometers durch die Strahlungsquelle, der Wasserdampf-Bedämpfung des Resonators etc., ist dieser Wert wahrscheinlich noch als zu optimistisch geschätzt zu betrachten. Die ESR an Radikalen in bestrahltem flüssigem Wasser stellt deshalb eine mögliche, jedoch sehr schwierige Untersuchung dar (vgl. Anhang II). Es ist wesentlich einfacher, eingefrorene Proben bei der Temperatur der flüssigen Luft oder darunter zu studieren. Bei diesen Temperaturen ist die Lebensdauer von Radikalen für mindestens einige der interessierenden Radikale extrem lang (Monate oder länger). Zusätzlich nimmt der Imaginärteil der Dielektrizitätskonstanten von H 2 0 mit der Temperatur "beträchtlich ab, so daß viel größere Proben verwendet werden können. Ein anderer Zugang zu diesem Problem besteht in der Untersuchung freier Radikale, die in der Gasphase erzeugt wurden, wobei allein durch den größeren Abstand der Radikale ihre Lebensdauer beträchtlich verlängert wird. Zur Untersuchung werden diese Radikale gewöhnlich an einer Kühlfalle kondensiert und somit gesammelt. Im folgenden werden Beispiele für jedes dieser Untersuchungsverfahren an eingefrorenen und gasförmigen Proben beschrieben. 5.4.

ESR-Untersuchungen an bestrahlten Säuren und Basen

5.4.1.

Das Wasserstoffatom

Das erste freie Radikal, das in einer bestrahlten eingefrorenen wäßrigen Lösung mit der ESR-Technik identifiziert wurde, war atomarer Wasserstoff (LIVINGSTON et al., 1954, 1956). Bei den verwendeten Proben handelt es sich um eingefrorene saure Lösungen von HC104, H 2 S0 4 und H 3 P0 4 , die mit 60Co-y-Strahlen bei 77 °K bestrahlt und in einem 23 GHz-ESR-Spektrometer gemessen wurden. Die so 155

erhaltenen Spektren zeigten bei g — 2 eine breite Struktur, die aus einer schmalen und einer breiten Linie bestand, sowie ein Dublett mit einer viel größeren Aufspaltung von 505,4 G, dessen Zentrum sehr nahe beim (/-Faktor des freien Elektrons lag. Wenn diese sauren Lösungen deuteriert waren (Austausch der Protonen durch Deuterium), resultierte anstatt des Dubletts mit großer Aufspaltung ein Triplett. In Abb. 5.2 ist das ESR-Spektrum für H 2 S0 4 wiedergegeben (die hier gezeigten 0,U5 m H2SOt

Abb. 5.2: ESR-Spektrum einer röntgenbestrahlten H2S04-Lösung (Bestrahlung und Messung bei 77 °K, Dosis 5 • 105 rad).

S p e k t r e n w u r d e n v o n HENBIKSEN (1964) im X - B a n d bei 7 7 ° K a u f g e n o m m e n ) .

Das Dublett wurde einem Wasserstoffatom zugeordnet, erstens wegen der Spektrenänderung vom Dublett zum Triplett beim Austausch eines Protons

K )

durch ein Deuteron (7 = 1) und zweitens, weil die beobachtete Aufspaltung mit den aus Atomstrahl- und NMR-Experimenten ermittelten Werten für das magnetische Moment des Protons und Deuterons gut übereinstimmt. Der Hamiltonoperator der Hyperfeinwechselwirkung kann wie folgt geschrieben werden: ^

_

=

T

(J^l

+

T

S*6{r) o

(5.14)

wobei fi s den Operator des magnetischen Moments des Elektrons, fij den Operator des Kernmoments und r den Radiusvektor vom Kern zum Elektron bedeuten. Man kann zeigen, daß aus Symmetriegründen der Dipol-Dipol-Anteil der obigen Wechselwirkung keinen Beitrag zur Aufspaltung liefert, wenn er mit der l.sWellenfunktion des Wasserstoffatoms als Gewichtsfunktion über den gesamten Raum gemittelt wird. Wegen der Diracschen Deltafunktion trifft dies jedoch für den Fermi-Segre-Term bei der obigen Wechselwirkung nicht zu. 156

Die ls-Wasserstoffwellenfunktion kann wie folgt geschrieben werden:

wobei der Bohrsche Radius für die ls-Schale a0 = 0,529 • 10 -8 cm ist. Betrachtet man die Zeeman-Wechselwirkung, so kann man den effektiven SpinHamiltonoperator f ü r das System des atomaren Wasserstoffs folgendermaßen angeben: fchfs = gß(S-H)

- ^

(¿-j

(i-J

4gßys

h(S • I)

(5.16)

dabei bedeuten g = gr-Faktor des freien Elektrons = 2,0023 ß = Bohrsches Magneton = 9,27 • 10"21 erg/G y H = Gyromagnetisches Verhältnis des Protons = 2,79 Kernmagnetonen.

4,258 • 2 7t MHz/kG

oder

Die Resonanzbedingung für das Dublett folgt unmittelbar aus der oben angegebenen Energiedifferenz zwischen den Zuständen mit

m3 =

¿t

und m s = — -!-: ¿i

hv + gßH -A-zgßyHhmi, od o

(5.17)

wobei m j die Komponente des Kernspins längs der z-Achse, in deren Richtung der Elektronenspin quantisiert ist, darstellt und m, der Komponente des Elektronenspins längs der z-Achse entspricht. Die Lagen der Dublettlinien im Feld erhält man, indem man f ü r rtij die Werte i -j- annimmt. Es gilt dann: £

HV ± H

oder

± =

T]^)

GßHYH

(5.18)

gß 3

«o3

Nach dem Einsetzen der Werte in die obige Gleichung findet m a n : 8 4,258 • 10« (G • seo)"1 • 6,625 • 1Q-» erg • sec T (0,529)3- 10-« cm»

=

507

da

(G)

~

erg m*

Dieses Problem kann so dargestellt werden, daß man einer HyperfeinaufSpaltung von 505,4 G ein Protonenmoment von 2,784 Kernmagnetonen zuordnet. L I V I N G S T O N et al. haben eine Aufspaltung zwischen der Mittellinie und den beiden Seitenlinien im Triplett des Deuteriumatoms von etwa 77,5 G gemessen. Das bedeutet einen mittleren Abstand der äußeren Linien von 155 G. 157

Die zu erwartende Aufspaltung für das Deuteriumatom erhält man durch Einsetzen von yD = 0 , 8 5 7 Kernmagnetonen = 0,655 • 2jt MHz/G sowie 7 = 1 und raj = 1, 0, —1 in die obige Gl. (5.17). Die Position der Linien für das Deuteriumatom folgt dann nach Gl. (5.18) ganz ähnlich wie für das Proton: hv +

8

1

m, — (gßyDh)

—3 ,59 A

7,30A

o Wasserstoff O Sauerstoff

~0-0

o OH- Lage mit aufgebrochenen Wasserstoff brücken

Ó

A b b . 5.8: Eisgitter u n d OH-Lage i m Eisgitter.

eine einfache hexagonale Symmetrie aufweisen würde. Die hexagonale Symmetrie d e r R a u m g r u p p e v o n E i s ist j e d o c h 2 ) ^ - 0 6 / m m m (BAENES, 1929; u n d LEVY, 1957) (vgl. A b b . 5.8).

PETERSON

Die von MCMILLAN et al. angegebene Radikalachse bildet mit einer der Richtungen der ursprünglichen Wasserstoffbrücken einen Winkel von 90° und mit den sechs anderen ursprünglichen Richtungen der Wasserstoffbrücken einen Winkel von 19°. Es sollte eigentlich wahrscheinlicher sein, daß das OH-Radikal im Eis parallel zu einer Richtung der ursprünglichen Wasserstoffbrücken orientiert ist, weil das Radikal in dieser Orientierung durch die Wasserstoffbrücke an seinem O r t festgehalten und somit stabilisiert wird. Es gibt im Eisgitter sieben Richtungen der Wasserstoffbrücken. Eine davon, nämlich die parallel zur optischen Achse, kommt doppelt so oft vor wie jede der anderen sechs. 167

Um zu zeigen, welches ESR-Spektrum für das OH-Radikal im Eis-Einkristall zu erwarten ist, muß man die Theorie dieses Radikals ausführlich behandeln. Die Strukturform des hexagonalen Eises ist die in Abb. 5.8 gezeigte TridymitStruktur. D i e Gitterdimensionen wurden v o n LONSDALE (1958) zu

a = 4,523 Ä

und c = 7,367 Ä angegeben. Der Abstand O—H—0 oder Abstand der Sauerstoffatome längs der optischen Achse beträgt 2,760 Ä, der Abstand O—H oder Abstand eines Sauerstoffatoms von einem seiner zwei Wasserstoffatome beträgt bei 0°C 0,98 Ä. Jedes Sauerstoffatom kann für sich betrachtet als Zentrum eines Tetraeders angesehen werden. Die Ecken des Tetraeders sind andere Sauerstoffatome. Die Protonen, die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen jedem Sauerstoff und seinen vier nächsten Nachbarsauerstoffatomen ausbilden, sind so angeordnet, daß es zwei Protonen mit einem Abstand von 0,98 Ä von jedem Sauerstoff gibt und zwei andere Protonen, die 1,78 Ä von jedem Sauerstoff entfernt sind. A u s den A r b e i t e n v o n PAULING (1939), LENNARD-JONES und POPLE (1951) sowie SCHNEIDER (1955) ist es möglich, ein B i l d der Wasserstoffbrückenbindung als

eine Bindung mit im wesentlichen elektrostatischer Natur zu konstruieren. Die A r b e i t v o n COTTLSON und DANIELSON (1954) f ü h r t zu d e m Schluß, daß ein solches

elektrostatisches Bild der Wasserstoffbrückenbindung, Abweichungen von nur wenigen Prozent bei der g-Faktor-Berechnung ergibt, wenn man die Bindung des OH-Radikals im Eisgitter (Abb. 5.8) über Wasserstoff brücken beschreibt. Es folgt eine Beschreibung einer H20-Dissoziation, bei der OH-Radikale gebildet werden. Wir nehmen an, daß das H20-Molekül einer Dissoziation durch einen SAMUEL-MAGEE- oder LEA-PLATZMAN-Prozeß unterworfen wird. Zur Zeit der Bildung des OH-Radikals verläßt entweder ein Proton oder ein Wasserstoffatom den unmittelbaren Ort der Dissoziation. Die Mehrzahl der OH-Radikale wird dann durch Wasserstoffbrückenbindungen an dem Ort des H 2 0 stabilisiert, an dem das OH-Radikal gebildet wurde. Da gezeigt wurde, daß die Natur der Bindung in erster Linie ionisch ist, ist es naheliegend, die Kristallfeldtheorie anzuwenden. Diese wurde zuerst von STEVENS (1952) entwickelt und in d e m B u c h v o n JUDD (1963) zur B e s t i m m u n g des g-

Tensors für OH-Radikale im Eis herangezogen. Der elektronische Grundzustand des OH-Radikals ist zu 2/7| bestimmt worden. Als erster angeregter Zustand wurde ein ^-Zustand, der um 3 • 104 cm -1 oberhalb des Grundzustandes liegt, ermittelt. Es ist wichtig festzustellen, daß in einer Arbeit von DOUSMANIS et al. (1955) und RADFORD (1961, 1962) die W e l l e n f u n k t i o n des OH-Grundzustandes

einfach als Wellenfunktion für ein System mit der Bahnquantenzahl 1 betrachtet werden kann. Diese zeigt ferner eine Symmetrie um ein Symmetriezentrum längs der Molekülachse. Das ermöglicht eine Beschreibung der ,,Wasserstoffbrücken"-Wechselwirkung von OH im Eis in Form eines starken Anteils mit der Symmetrie C3v, der der Stärke von drei Wasserstoffbrückenbindungen entspricht und eines schwächeren Anteils mit der Symmetrie av infolge der Verzerrung, die durch aufgebrochene Bindungen hervorgerufen wird. Diese zwei Symmetrien definieren die x-, y- und z-Richtungen für ein gegebenes Radikal in folgender Weise: Die C3-Achse der C'3lJ-SymmctrieWechselwirkung bestimmt die z-Richtung, die parallel zur OHMolekülachse verläuft. Die av-Symmetrie verursacht eine Orientierung des rc-Orbi168

tals des ungepaarten Elektrons in einer Vorzugsrichtung, die als »-Richtung definiert wird. Da die Größe des H 2 0 + OH

(5.40)

OH-Radikale erzeugen, die dann durch eine Reaktion gemäß Gl. 5.39 schließlich H0 2 ergeben. Das allen bestrahlten H202-Gläsern nach der Temperierung auf 140 °K gemeinsame Spektrum wird dem H0 2 -Radikal zugeordnet. Folgende Gründe sprechen dafür: (a) Dieses Spektrum wird durch UV-Strahlung erzeugt, von der bekannt ist, daß sie H 2 0 2 in zwei OH-Radikale zerlegt. Das Spektrum gehört deshalb zu OH oder einem daraus abgeleiteten Radikal. (b) In flüssigen Lösungen wurde gezeigt, daß OH mit H 2 0 2 reagiert und nach Gl. 5.39 H0 2 liefert. (c) Messungen an polykristallinen H 2 0 2 —H 2 0-Proben, bei denen die Kristallachsen in einer Vorzugsrichtung eingefroren sind, haben ergeben, daß die Symmetrieachse des beobachteten Radikals parallel zur O—O-Orientierung im H202-Molekül ausgerichtet ist (SMITH und W Y A B D , 1961c). Mittels optischer Spektroskopie konnten am bestrahlten H 2 0 2 -System keine OH-Absorptionsbanden nachgewiesen werden (SMITH und W Y A B D , 1961b). Dies kann als zusätzliche Stütze dafür dienen, daß der in bestrahltem H 2 0 2 mittels ESR beobachtete Radikaltyp nicht OH, sondern das aus OH-Radikalen entstehende Radikal H0 2 ist. Däs Spektrum, das in glasigen H 2 0 2 -Proben nach Temperierung auf 150 CK zu sehen ist, wird dem Radikal H 0 3 zugeschrieben, das durch die Reaktion OH + 0.'2

HO

(5.41)

gebildet wird. 183

Das bestrahlte H 2 0 2 -System zeigt einige recht interessante Gesichtspunkte, die man gewöhnlich in Systemen mit freien Radikalen nicht findet. Im Fall der UVbestrahlten Proben, wo H 2 0 2 unmittelbar in Paare von OH-Radikalen zerfällt, kann insbesondere ein Paar von H0 2 -Radikalen mit einem Abstand von weniger als 4 Ä erzeugt werden. Die Strahlenausbeute für H 2 0 2 ist im Vergleich zur Gesamtzahl der gebildeten Radikale ziemlich hoch und erreicht einen G-Wert (Radikalzahl pro 100 eY absorbierter Strahlungsenergie) von G = 10 bei 77 °K. Im Vergleich dazu erhält man z. B. für das OH-Radikal im Eis unter vergleichbaren Bedingungen einen G-Wert von G = 0,6. Die beobachtete lokale Konzentration ist größer als aus der willkürlichen Verteilung der Radikale zu erwarten wäre. Dieser Sachverhalt gibt sich experimentell auf zweierlei Weise zu erkennen: Erstens äußert sich die hohe lokale Spinkonzentration als ein Spektrum mit breiten Linien, wie es auch aus der Spin-Spin-Wechselwirkung zu erwarten ist. Messungen der Linienbreite erlauben deshalb die Bestimmung der Radikalkonzentration (WYABD, 1965). Zweitens kann eine starke Spin-Spin-Wechselwirkung Effekte hervorbringen, die mit den in verdünnten ferromagnetischen Materialien beobachteten sog. „Paarzuständen" (pair states) verwandt sind. Um diese Verbindungen zu erkennen, wollen wir eine Störungswechselwirkung in Form einer Spin-Spin-Wechselwirkung betrachten: E

nahe)

^

^(8i-St).

(5.42)

Wir wollen nicht der Frage nachgehen, ob dieser Ausdruck von Austauschtermen im Fall des Ferromagnetismus oder von der Dipol-Dipol-Wechselwirkung herrührt. Die folgenden Beweise resultieren aus der Störungstheorie erster Ordnung, wenn sowohl die vollständige Form der Dipol-Dipol-Wechselwirkung als auch eine Wechselwirkung des obigen Typs in Rechnung gestellt wird. S; und S j sind Spinquantenzahlen für den i-ten und ?-ten Spin. Betrachtet man n' als Anzahl der Spins in der Nähe des i-ten Spins und macht die vereinfachende Annahme, daß jeder von diesen einen Wechselwirkungskoeffizienten Jij = J hat, dann kann man die obige Gl. 5.24 folgendermaßen umschreiben: n' HStör =

-g

1(8 "

(5.43)

Dies gilt für jeden Spin, wobei 8 die Spinquantenzahl für den interessierenden Spin ist und 8' diejenige seiner benachbarten Spins darstellt. (S • S') kann dann folgendermaßen geschrieben werden: (5.44) wobei 8+' und SJ die üblichen Operatoren S+ = Sx + iS, S. —= S "xX-

iSt

und 8t die z-Komponente des Spinoperators darstellt. 184

Die Spin-Wellenfunktionen „-0rbitale des Kohlenstoffs und des Sauerstoffs dargestellt sind, sowie das freie Elektronenpaar am Stickstoff stehen senkrecht auf dieser Ebene. 192

Die Elektronenverteilung der Peptidgruppe und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen werden in der nachfolgenden Behandlung verwendet werden. Zu bemerken ist, daß — historisch gesehen — diese Schlußfolgerungen zuerst aus experimentellen Arbeiten abgeleitet wurden ( C O B E Y und P A U L I N G , 1953; P A U L I N G und C O B E Y , 1951a, b).

6.2.3.

Das dreidimensionale Proteinmolekül

Wenn die Peptidkette völlig gestreckt ist, erhalten wir eine sich wiederholende Länge von 7,27 Ä (Abb 6.2). Trotz der Tatsache, daß die Peptidgruppe in einer Ebene liegt, gibt es eine Möglichkeit zur Rotation am asymmetrischen Kohlenstoffatom, wodurch eine Faltung der Peptidkette verursacht wird. Diese Faltung wird gewöhnlich als Sekundärstruktur des Proteinmoleküls bezeichnet. In ihren bahnbrechenden Arbeiten verwendeten P A U L I N G und C O K E Y (PATJLING und C O B E Y , 1951a, b; C O B E Y und P A U L I N G , 1953) Röntgenbeugungsmethoden und untersuchten die Faltung von synthetisierten Polypeptiden, in denen alle Seitengruppen (Ri in Abb. 6.2) identisch waren. Auf Grund von Röntgenbeugungsaufnahmen wurden die Polypeptide nach einer ÖL- und einer /?-Struktur unterteilt. Die /^-Struktur ist die einfachere und besteht aus parallelen Peptidketten, die durch Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden (Struktur in Abb. 6.3 unten). Diese Struktur bildet manchmal ein Blatt, das gefaltet werden kann. Die «-Struktur stellt eine Helix dar. Wenn wir uns vor Augen halten, daß die Peptidgruppe planar ist und die Länge der Wasserstoffbrückenbindung rund 2,8 Ä beträgt, dann gibt es für die Konstruktion einer Helix nur wenige Möglichkeiten. P A U L I N G und C O B E Y geben zwei Typen an: eine Helix mit 3,7 Resten pro Windung und eine andere mit 5,1 Resten pro Windung. In nativen Proteinen ist nur die erstere, gewöhnlich als «-Helix bezeichnete Form gefunden worden. Zwischen der.«- und /J-Struktur gibt es einen wichtigen Unterschied, der für die folgende Diskussion des Energietransfers von Bedeutung sein könnte: in der «-Struktur sind die Wasserstoffbrücken parallel zur Helix und halten Aminosäuren innerhalb derselben Peptidkette zusammen (Abb. 6.3), während in der /^-Struktur Wasserstoffbrücken zwischen verschiedenen Ketten auftreten. Die zusätzliche Faltung der Peptidketten im dreidimensionalen Raum stellt die Tertiär struktur der Proteine dar. Die Stabilisierung der Tertiärstruktur ist auf —S—S-Brücken, Wasserstoff brücken, hydrophobe Bindungen, elektrostatische Kräfte zwischen positiv und negativ geladenen Gruppen und Van der WaalsKräfte zurückzuführen. Die aussagekräftigste Technik für die Untersuchung der Tertiärstruktur ist die Röntgenbeugung. Die ersten Röntgenbeugungsaufnahmen von Proteinen wurden bereits vor 25 Jahren gemacht, jedoch konnten wegen der Kompliziertheit dieser Beugungsmuster relativ wenige Informationen über die Struktur erhalten werden. Neue Möglichkeiten wurden dagegen 1953 eröffnet, als P E R U T Z ( G R E E N et al., 1954) begann, an bestimmten Stellen des Proteinmoleküls schwere Atome wie z.B. Quecksilber einzubauen. Diese modifizierten Proteine gaben andere Beugungsmuster als normale Proteine und es wurde möglich, den isomorphen Ersatz 193

methodisch anzuwenden und damit die entsprechenden Phasenbeziehungen der Reflexionen zu bestimmen. E s ist bekannt, daß die mühsame, aber brillante Arbeit von K E N D B E W und P E B U T Z (KEÍTDEBW e t a l . , 1 9 5 8 ; K E N D B E W e t a l . , 1 9 6 0 ; PEBTJTZ e t a l . , 1 9 6 0 ;

MUIBHEAD

und P E B T J T Z , 1 9 6 3 ) zu ausgezeichneten Bildern für das Myoglobin- und Hämoglobinmolekül geführt hat. So gibt es für das Myoglobin Daten mit einer Auflösung bis herab zu 2 Á, und man kann daraus ableiten, daß etwa 75% der 152 Aminosäuren acht verschiedene a-Helices ausbilden. Für das Hämoglobin haben M U I B H E A D und P E B T J T Z ( 1 9 6 3 ) gezeigt, daß sich die Struktur während der Um-

Abb. 6.2: Abmessungen der völlig gestreckten Peptidkette. Die beiden durch gestrichelte Linien gekennzeichneten Rechtecke stellen zwei parallele Peptidebenen dar. In einer echten Peptidkette sind diese Ebenen gewöhnlich nicht koplanar (nach PAULENG und COREY, 1951 a,b).

194

Wandlung von der reduzierten zur oxydierten Form ändert. Bei der reduzierten Form sind die beiden /3-Peptidketten etwas auseinandergerückt, so daß der Abstand zwischen den beiden Hämgruppen auf rund 7 Ä zunimmt.

Abb. 6.3: Die beiden Typen der Faltung von Peptidketten. Die obere Abbildung zeigt die a-Helixstruktur, in der die Wasserstoffbrücken Bindungen innerhalb derselben Kette ausbilden, während sie in der /^-Struktur (untere Abbildung) verschiedene Peptidketten zusammenhalten. 6.2.4.

Schlußfolgerungen

Über die Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur von Proteinen gibt es jetzt wertvolle Informationen, und es sollte in nächster Zukunft möglich sein, die Kenntnis der Struktur mit der Aufklärung von Strahlenschäden zu korrelieren. Über die Elektronenstruktur von Proteinmolekülen wissen wir bis jetzt nur verhältnismäßig wenig. Es wurde vorstehend erwähnt, daß die Peptidgruppen kleine Systeme mit vier delokalisierten jt-Elektronen bilden. Außerdem gibt es vier Aminosäuren mit aromatischen Seitenketten, nämlich Phenylalanin, Histidin, Tyrosin und Tryptophan. Diese Gruppen bilden zusammen mit den Peptidbindungen kleine Inseln von 7i-Elektronenstrukturen in einem sonst gesättigten System. Ein erster Versuch zur Beschreibung der Elektronenverteilung in den gesättigten Systemen wurde von DEL RE et al. (1963) unternommen. Für die Beschreibung der N-H

(+) 0

enthalten, wodurch eine gewisse Leitung entlang dieser Bindung erfolgt. In Abb. 6.4 wird der Versuch gemacht, diese Leitungskanäle zu veranschaulichen. In der Helixstruktur verlaufen die Kanäle parallel zur Helix, während sie in der /^-Struktur von einer Peptidkette zur anderen führen. 196

Die erste theoretische Behandlung der Möglichkeit einer Elektronenleitung entlang der Wasserstoff brücke wurde von E V A N S und G E R G E L Y ( 1 9 4 9 ) mit Hilfe der LCAO-Methode vorgenommen. Sie benutzten bekannte Parameter für die Peptidbindung, mußten aber ein unbekanntes Austauschintegral einführen. Ihre Berechnungen führten zu dem Schluß, daß in den Proteinen Energiebänder existieren und die Energiedifferenz zwischen dem höchsten gefüllten und niedrigsten leeren Band annähernd 3 eV beträgt. In einer Reihe von Untersuchungen ( B A X T E R , 1 9 4 3 ; B R I L L O U I N , 1 9 6 2 ; C A R D E W und E L E Y , 1 9 5 9 ; E L E Y , 1 9 6 2 ; G A R R E T T , 1 9 5 9 ; K I N G und M E D L E Y , 1 9 4 9 ) wurde gezeigt, daß die Elektronenleitung Proteinen der Halbleiterformel 6 (T) — Qo E X P {E¡k T) folgt, worin Q (T) der Widerstand als Funktion der Temperatur und E die scheinbare Aktivierungsenergie ist. Die beobachteten Aktivierungsenergien für feste Proteine scheinen in den Bereich von 1 — 3 eV ( B A X T E R , 1 9 4 3 ; C A R D E W und E L E Y , 1 9 5 9 ; G A R R E T T , 1 9 5 9 ; K I N G und M E D L E Y , 1 9 4 9 ) zu fallen, was dem von E V A N S und G E R G E L Y berechneten theoretischen Wert für die Elektronenleitung längs der Wasserstoff brücken erstaunlich nahekommt. B L U M E N F E L D und K A L M A N S O N (1958a, b, 1961) untersuchten mit der ESR die Bildung freier Radikale in Proteinen. Sie berichteten, daß die Radikalausbeute in nativen Proteinen einige Größenordnungen kleiner ist als in den entsprechenden Aminosäurekomponenten. Weiter wiesen sie darauf hin, daß nach Hitzedenaturierung der Proteine in Lösung und anschließender Bestrahlung im trockenen Zustand die Radikalausbeute zunahm und mit der Radikalausbeute in den einzelnen Aminosäuren vergleichbar wurde. Die Erklärung dieser Autoren für ihre Befunde ist sehr interessant. So äußerten sie den Gedanken, daß das Wasserstoffbrückensystem gewisse Möglichkeiten zur Leitung von Elektronen von einer Peptidgruppe zur anderen zu besitzen scheint (vgl. Abb. 6.4). Sie nahmen an, daß die ESR-Spektren positive Löcher darstellen, die durch Ionisierungsprozesse gebildet wurden. Als Schlußfolgerung wurde angenommen, daß in nativen Proteinen die durch Ionisierungsprozesse herausgeschlagenen Elektronen in das System der Leitungsbänder eintreten, im Innern der Proteine zu den positiven Löchern wandern und dann rekombinieren, so daß kein ESR-Signal beobachtet wird. Weiter wurde angenommen, daß dieses Netz von Wasserstoff brücken durch die Hitzebehandlung der Proteine in Lösung zerstört wird, so daß die Elektronen innerhalb der Proteinmoleküle nicht mehr wandern können. Eine große Anzahl von ESR-Untersuchungen, die in anderen Laboratorien durchgeführt wurden ( H E N R I K S E N , 1963; H E N R I K S E N et al., 1963a; H U N T et al., 1962; H U N T und W I L L I A M S , 1964; M Ü L L E R , 1963; O R M E R O D und A L E X A N D E R , 1962), zeigten jedoch, daß bei Bestrahlung von festen Proteinen im Vakuum bei Zimmertemperatur die Radikalausbeute — gemessen als G-Wert (Anzahl Radikale pro 100 eV absorbierter Strahlungsenergie) — sich im Bereich von 1,0—7,0 bewegt, was in der gleichen Größenordnung wie bei den einzelnen Aminosäurenkomponenten liegt. Weiter zeigten in unserem Laboratorium vorgenommene Untersuchungen (HENR I K S E N , 1963 a), daß nach Hitzedenaturierung von Proteinen in Lösung keine drastischen Änderungen in der Radikalausbeute auftreten. Das bedeutet, daß die Ergebnisse von B L U M E N F E L D und K A L M A N S O N von den Ergebnissen anderer 14*

197

Arbeitsgruppen völlig verschieden sind. Für diese Unterschiede kann keine Erklärung geliefert werden. Es sollte darauf hingewiesen werden, daß Radikale in Proteinen sehr viel sauerstoffempfindlicher zu sein scheinen als Radikale in Aminosäuren. Daher besteht die Möglichkeit, daß bei den Versuchen von B L T J M E K F E L D und K A L M A N S O N zufällig Sauerstoff vorhanden war und der Sauerstoffeffekt sich bei nativen und denaturierten Proteinen sehr stark unterscheidet. Die Schlußfolgerung aus den genannten Versuchen und Diskussionen ist, daß es von der ESR her keinen Beweis für eine Elektronenwanderung entlang der Wasserstoffbrücke gibt. Diese Schlußfolgerung könnte im Hinblick auf die Halbleitereigenschaften von Proteinen von einigem Interesse sein. In den Leitfähig/ R-CH

\

\ HC-R

R-CH

\

HC-R

/

/

/

R-CH \

R-CH \

\ HC-R

R-CH

/ N \

C=»

ur -D

R-CH

\ HC-R

/

\

HC-R /

H

0 Abb. 6.4: Veranschaulichung der angenommenen Leitungskanäle in Proteinen, die durch die Elektronenwanderung entlang der Wasserstoffbrücken gebildet werden.

198

keitsuntersuchungen, die Aktivierungsenergien von der gleichen Größenordnung wie die berechneten Werte von EVANS und G E R G E L Y ergaben, wurde eine Unterstützung für das Modell einer Elektronenleitung entlang der Wasserstoffbrücken gesehen. Einige andere experimentelle und theoretische Untersuchungen scheinen jedoch mit diesem Mechanismus unvereinbar zu sein. So wurde gefunden (DAVIS, etal., 1 9 6 0 ; E L E Y , 1 9 6 2 ; P E E R S E N und O R E , 1 9 6 4 ; R I E H L , 1 9 5 7 ; R O S E N B E R G , 1 9 6 2 ) , daß die Aktivierungsenergien stark vom Wassergehalt in den Proteinen sowie vom Zusatz geringer Farbstoffmengen abhängen. Diese Beobachtungen haben zu Spekulationen über eine Elektronen- oder Ionenleitung geführt. In neuerer Zeit wendeten SUARD etal. ( 1 9 6 1 ) in einer theoretischen Arbeit die SCF-Methode zur Berechnung der Elektronenzustände in Proteinen an. Sie fanden, daß die Energielücke zwischen dem höchsten gefüllten und dem niedrigsten leeren Band etwa 5 eV statt der von E V A N S und G E R G E L Y berechneten 3 eV beträgt. Diese große Energiedifferenz scheint deshalb das Modell einer echten elektronischen Leitfähigkeit entlang der Wasserstoff brücken auszuschließen. Wir sollten jedoch daran denken, daß diese Berechnungen an idealisierten Systemen vorgenommen wurden, ohne daß Verunreinigungen, absorbiertes Wasser usw. in Betracht gezogen wurden.

6.3.3.

Intramolekulare Wanderung von Strahlenenergie

Die ESR-Untersuchungen an festen Proteinen haben gezeigt, daß es eine Art von Energietransfer von einem Teil eines Proteinmoleküls zu einem anderen Teil gibt. Die für diesen Transport vorgeschlagenen Mechanismen schließen sowohl eine intramolekulare als auch eine intermolekulare Wanderung von Strahlenenergie ein. Für eine eingehendere Diskussion dieser beiden Möglichkeiten wollen wir kurz die wichtigsten experimentellen Beobachtungen zusammenfassen. Es wurde bereits in G O R D Y S erster Arbeit ( G O R D Y et al., 1955) darauf verwiesen, daß bei Bestrahlung von Proteinen bei Zimmertemperatur im Vakuum nur zwei Haupttypen der Resonanz beobachtet wurden. In Abb. 6.5a wird ein typisches Beispiel für Proteinspektren wiedergegeben. Trypsin wurde bei Zimmertemperatur mit 6,5 MeV-Elektronen bestrahlt und danach die 1. Ableitung der ESR-Absorption aufgenommen. Das Spektrum besteht aus einem Dublett, das sehr empfindlich auf Mikrowellensättigung reagiert, und einer überlagerten breiten Resonanz. Das ESR-Signal mit der breiten Resonanzlinie weist eine starke Anisotropie auf. Da diese Resonanz der ESR-Absorption von polykristallinen Schwefelverbindungen, wie Cystein, Cystin, Cysteamin u. a., gleicht, schrieben G O R D Y und S H I E L D S (1958) diese Resonanz einem Schwefelradikal zu, bei dem das ungepaarte Elektron hauptsächlich am Schwefelatom im Cysteinrest lokalisiert ist.Organische Schwefelradikale dieses Typs sind in bestrahlten Einkristallen von Cystein dihydrochlorid (KURITA und GORDY, 1961) untersucht worden. Es wurde gefunden, daß die drei gr-Faktor-Hauptwerte voneinander verschieden sind und die Werte gx = 2,003, g2 = 2,025 und g3 = 2,053 besitzen. K N E U B Ü H L (1960) hat die Linienform einer polykristallinen Probe, die ein Radikal mit drei verschiedenen ¿/-Faktoren enthält, theoretisch berechnet. Danach entsprechen die Hauptwerte 199

den Maxima und dem Nulldurchgang der 1. Ableitung. Das bedeutet, daß bei Spektren von polykristallinen Proben — wie an dem Spektrum in Abb. 6.5 (HENEIKSEN, 1 9 6 2 ) — eine grobe Abschätzung der ¿/-Faktoren möglich ist. Für Trypsin wurden zwei der g-Faktor-Hauptwerte bestimmt, während der dritte durch das Dublett verdeckt ist. Da die Werte in Abb. 6.5 in ausgezeichneter Übereinstimmung mit den Ergebnissen an organischen Schwefelradikalen sind, schließen wir, daß die breite Resonanzlinie in den Spektren von Proteinen auf Schwefelradikale zurückzuführen ist.

Abb. 6.5: ESR-Spektrum eines bestrahlten Proteins. Trypsin wurde im Vakuum bei Zimmertemperatur mit 6,5 MeV-Blektronen bestrahlt und die 1. Ableitung des Absorptionsspektrums mit einem 9,5 GHz-Spektrometer aufgenommen. Die Mikrowellenfrequenz wurde mit einem Wellenmesser, das Magnetfeld mit einem Protonenresonanzfeldmesser bestimmt. Die Maxima und der Nulldurchgang der 1. Ableitung geben die g-Faktor-Hauptwerte des Schwefelradikals an.

Der ¡/-Faktor für das Dublett liegt im Falle des Trypsins bei 2,0028 (vgl. Abb. 6.5). Für andere Proteine sind etwas andere Werte erhalten worden, aber die Abweichung ist gering. Die Aufspaltung zwischen den beiden Linien beträgt rund 17 G . In GOBDYS erster Arbeit (GOBDY et al., 1955; GORDY und SHIELDS, 1958) wurde angenommen, daß das Dublett auf ein Radikal zurückgeht, in dem das ungepaarte Elektron an einem an der Wasserstoffbrücke beteiligten Sauerstoffatom lokalisiert ist, und daß das ungepaarte Elektron mit dem Proton in Wechselwirkung treten kann. Diese Interpretation wurde auch von anderen Arbeitsgruppen vertreten (BLTTMENFELD und KALMAJTSON, 1958a, b, 1961; PULATOWA et al., 1961). Untersuchungen an bestrahlten Dipeptiden und Polypeptiden (Box et al., 1 9 6 3 ; DBEW u n d GOBDY, 1 9 6 3 ; GOBDY u n d SHIELDS, 1 9 6 0 ; KATAYAMA u n d GOBDY,

1961; L I N lind MCDOWELL, 1961; MIYAGAWA et al., 1960) haben jedoch zu dem Schluß geführt, daß das Dublett einem Radikal zugeschrieben werden kann, in dem das ungepaarte Elektron hauptsächlich in einem n- Orbital an einem tx200

Kohlenstoffatom im Proteingerüst lokalisiert ist:

\C/ II O

H I

O II

N

\C/°\N/ I I R

H

Wichtige Beweise für diese Interpretation sind folgende: a) I m polykristallinen Zustand gleichen die Spektren bestrahlter Dipeptide, wie Glycylglycin und Acetylglycin, dem Proteindublett. Sowohl der (/-Faktor als auch die HyperfeinaufSpaltung sind gleich. Bei Bestrahlung von Einkristallen dieser Dipeptide können die ESR-Spektren in befriedigender Weise durch die Annahme des folgenden Radikals erklärt werden: H O

\cAoA ii O

i H

Die g-Faktor-IIauptwerte sind unterschiedlich, aber die Abweichung ist klein und als Mittelwert wurde 2 , 0 0 3 2 erhalten ( K A T A Y A M A und G O K D Y , ' 1 9 6 1 ; M I Y A G A W A et al., 1 9 6 0 ) . Die Dublettaufspaltung ändert sich mit der Kristallorientierung. Diese Änderung kann durch die Annahme einer Hyperfeinwechselwirkung erklärt werden, die der für ein Fragment > C H von M C C O I O T E L L und S T R A T H D E E ( 1 9 5 9 ) berechneten Hyperfeinwechselwirkung gleicht und die aus einem Fermi-Kontakt-Term von 18 G und einem anisotropen Dipol-Dipol-Term besteht. G O R D Y und Mitarbeiter nahmen eine Spindichte am Kohlenstoffatom von rund 70% des Gesamtwertes an. Im Hinblick auf die Proteine bedeutet das wahrscheinlich, daß das Elektron delokalisiert ist und sein Orbital auch die anliegenden Peptidgruppen einschließt. b) In Proteinen, wie z. B. Seide,, kann eine gewisse Orientierung wie in Einkristallen erreicht werden. In einer ESR-Arbeit über orientierte Seide fanden G O E D Y und S H I E L D S ( 1 9 6 0 ) , daß die Ergebnisse durch die Annahme eines Radikals im Proteingerüst erklärt werden können. Sie benutzten einen Fermi-KontaktTerm von 1 7 G und einen anisotropen Term, der dem von M C C O K N E L L und S T R A T H D E E berechneten gleicht. Dadurch war eine Berechnung der Form des Dubletts für parallel und senkrecht zum Magnetfeld orientierte Seidenfäden möglich. Die gute Übereinstimmung zwischen berechneten und beobachteten Spektren unterstützt stark die Annahme eines im Proteingerüst auftretenden Radikals. Offenbar kann dieses Radikal an jedem Aminosäurerest durch Abspaltung der Seitenkette gebildet werden. Da in Glycin nur ein Wasserstoffatom entfernt zu werden braucht, wurde angenommen, daß dies der wahrscheinlichste Ort für das 201

ungepaarte Elektron ist. Diese Annahme wurde durch einen Versuch unterstützt, in dem eine Reihe von Proteinen bestrahlt wurde. Unter der Annahme, daß für die Bildung von Proteinradikalen Cystein- und Glycinreste von besonderer Wichtigkeit sind, sollte der Umfang der Bildung des Schwefelradikals und des Dubletts irgendwie vom Gehalt an Cystein- und Glycinresten abhängen. Tatsächlich wurde eine gute Korrelation zwischen der Stärke der Absorption durch das Schwefelradikal und dem Verhältnis von Halbcystinresten zu Glycinresten beobachtet ( H E N R I K S E N et al., 1963a).

Abb. 6.6: ESR-Spektrum von Trypsin nach Bestrahlung und Messung bei 77 °K. Nach der ersten Messung (obere Abbildung) wurde die Probe für 5 Min. auf Zimmertemperatur erwärmt und dann erneut bei 77 °K gemessen. Die gestrichelte Kurve wurde bei höherer Verstärkung aufgenommen. Die relative Spektrometerempfindlichkeit ist jeweils durch die Rechtecke auf der linken Seite veranschaulicht.

In einer Untersuchung an Polyaminosäuren fanden D R E W und G O R D Y (1963), daß für etwa die Hälfte dieser Substanzen die Zimmertemperaturspektren freien Radikalen zugeordnet werden können, die durch Abtrennung eines H-Atoms vom «-Kohlenstoff der Peptidkette gebildet wurden. Für die anderen Polyaminosäuren wurde ein Seitenkettenradikal angenommen. Es ist der Hinweis interessant, daß für die Aminosäuren Glycin, Sarkosin, Leucin und Glutaminsäure die Hauptresonanz aus einem Düblett mit einer Aufspaltung von rund 18 G bestand. In Hinblick auf Proteine scheinen diese Ergebnisse zu besagen, daß wir bei der Dis202

kussion des Gerüstradikals auch einige der anderen Aminosäurereste in Betracht zu ziehen haben ( P A T T E N und G O R D Y , 1 9 6 4 ) . Die Schlußfolgerung aus der vorausgegangenen Diskussion ist die, daß bei Bestrahlung und Untersuchung von Proteinen bei Zimmertemperatur nur eine sehr begrenzte Anzahl von Radikalstellen möglich ist. Da die Energieabsorption zu Anfang überall im Molekül stattfindet, würde das bedeuten, daß die absorbierte Strahlenenergie irgendwie zu diesen spezifischen Stellen wandern muß. Informationen über diese Wanderung können in Versuchen erhalten werden, die bei tiefen Temperaturen durchgeführt werden. So wurde relativ früh entdeckt, daß nach Bestrahlung bei 77 °K die ESR-Spektren von den Zimmertemperaturspektren völlig verschieden sind ( H E N R I K S E N et al., 1963a; P A T T E N und G O R D Y , 1961). Für Trypsin wird das in Abb. 6.6 veranschaulicht. Die nach Bestrahlung bei 77 °K beobachteten Proteinspektren haben gewöhnlich eine geringe Hyperfeinstruktur und bestehen im wesentlichen aus einer breiten Einzellinie mit einem g-Faktor von annähernd 2,006—2,008. Wenn die Proben anschließend auf höhere Temperaturen erhitzt und wieder bei 77 °K gemessen werden, sind Spektrenveränderungen zu beobachten, die auf das Auftreten sekundärer Radikalreaktionen hinweisen. Unser Wissen über diese Reaktionen ist sehr begrenzt. Aus den Spektren können jedoch einige Anhaltspunkte gewonnen werden. So nimmt die Gesamtzahl der Radikale bei diesen Reaktionen gewöhnlich ab ( H E N R I K S E N , 1962; H E N R I K S E N et al., 1963a). Zweitens scheinen bei tiefen Temperaturen nur wenige oder keine Schwefelradikale des vorstehend diskutierten Typs vorhanden zu sein. So lange die Temperatur nicht ca. 280 °K überschreitet, werden diese Schwefelradikale ziemlich langsam gebildet. Anhand dieser verhältnismäßig wenigen experimentellen Daten wollen wir versuchen, die Mechanismen für die Bildung sekundärer Proteinradikale und schließlich die Mechanismen für die Wanderung von Strahlenenergie zu diskutieren. G O R D Y und Mitarbeiter ( G O R D Y und MIYAGAWA, 1 9 6 0 ; P A T T E N und G O R D Y , 1961) haben eine intramolekulare Wanderung von Elektronen vorgeschlagen. So nehmen sie an, daß die Bildung von Sekundärradikalen in zwei getrennten Phasen verläuft. Die erste Phase umfaßt die statistisch verteilte Bildung von Elektronenlöchern durch die Ionisierungsprozesse. Von den Tieftemperaturspektren (Abb. 6.6) wird angenommen, daß sie diese erste Phase wiedergeben. Für die zweite Phase wird angenommen, daß das Elektron oder Elektronenloch im Proteinmolekül zu spezifischen Einfangstellen („trapping sites") wandert. An diesen Stellen werden durch Abtrennung eines Atoms, wie z. B. des Wasserstoffatoms, neue Radikale gebildet. Von der Wanderung selbst wird angenommen, daß sie entlang des Proteingerüsts über das asymmetrische Kohlenstoffatom durch Hyperkonjugation von einer Peptidgruppe zur anderen verläuft (vgl. Abb. 6.7). Wenn diese Wanderung eintritt, so wird sie dann optimal stattfinden, wenn die beiden Ebenen parallel sind. Mit steigender Temperatur nehmen die Molekülbewegungen und Verdrehungen der Ebenen zu, so daß eine stärkere Wanderung anzunehmen ist. Diese Elektronen Wanderung im Proteinmolekül, die sich von der oben erwähnten Wanderung über die Wasserstoffbrücken unterscheidet, wurde auch von ATJOENSTEIN et al. (1964) als Beitrag zur Strahleninaktivierung fester Enzyme (vgl. weiter unten) angenommen. Diese Autoren meinen, daß die Temperaturabhängigkeit der Wanderung eine Aktivierungsenergie von etwa 2,2 kcal/Mol. aufweist. 203

Proteingerüstes schließt die Wanderung von Ladungen von einer Peptidebene zur anderen über das asymmetrische Kohlenstoffatom ein.

6.3.4.

Intermolekulare Wanderung von Strahlenenergie

Auf Grund unserer ESR-Ergebnisse wurde für die Bildung von Proteinradikalen eine andere Hypothese vorgeschlagen, die einen intermolekularen Transport von Strahlenenergie einschließt (HENRIKSEN, 1962; HENRIKSEN und P I H L , 1961; HENRIKSEN et al., 1963a; vgl. auch Abb. 6.13). Bei dieser Hypothese wird angenommen, daß die anfangs gebildeten ESR-Zentren eine Mischung verschiedenartiger Spezies darstellen, d. h. positive und negative Ionen, die durch Ionisierungsprozesse gebildet wurden, sowie durch Bruch chemischer Bindungen entstandene Radikalfragmente. Für die zweite Phase wird angenommen, daß diese Radikale in Sekundärreaktionen untereinander oder mit benachbarten intakten Molekülen oder mit anderen Gruppen im selben Molekül zu Sekundärradikalen führen. Bei Anwendung dieser Hypothese auf Proteine sollten wir zuerst eine Mischung von Radikalen beobachten (Abb. 6.6). Diese Radikale werden dann reagieren und die beiden Radikaltypen bilden, die bei Zimmertemperatur festgestellt werden (Abb. 6.5). Insofern ist es bis zu diesem Punkt nicht möglich, diese Hypothese von GORDYS Theorie einer intramolekularen Wanderung zu unterscheiden. Jedoch sollte es nach diesem Modell möglich sein, die Sekundärreaktionen (Schritt II, Abb. 6.13) zu beeinflussen und sie beispielsweise durch Zusatz von Fremdstoffen zum Protein teilweise zu unterdrücken. Für solche Mischungen könnten wir erwarten, daß einige der im Proteinmolekül anfangs gebildeten Radikale mit der hinzugesetzten Substanz reagieren, so daß das ungepaarte Elektron auf dieses Molekül übertragen wird oder auch umgekehrt. Als Folge sollten wir in molekula204

ren Mischungen einen Summationseffekt erwarten, d. h. durch Zusatz bestimmter Substanzen zum Protein wird ein Schutz eintreten, während in anderen Fällen eine Sensibilisierung stattfinden wird. Molekulare Mischungen von Proteinen und niedermolekularen Verbindungen sind von verschiedenen Gruppen untersucht worden (GORDY und MIYAGAWA, 1960; HENRIKSEN e t a l . , 1 9 6 3 ; L I B B Y e t a l . , 1 9 6 1 ; OBMEBOD u n d ALEXANDER,

1962,

1963; PIHL und SANNER, 1964). Die Mischungen werden gewöhnlich durch Mischen und nachfolgende Gefriertrocknung von Lösungen der entsprechenden Substanzen 77° K

295°K

Abb. 6.8: Einfluß der Wärmebehandlung auf das qualitative Spektrum einer Mischung von GAPDH (90 Gew.-%) und R S H (10 Gew.-%). Die festen Proben wurden bei 77 ° K röntgenbestrahlt und die Spektren vor und nach der Erwärmung bis auf 295 ° K ebenfalls bei 77 ° K aufgenommen. Zum Vergleich sind die entsprechenden Spektren der analog behandelten Einzelkomponenten angeführt (nach HENRIKSEN et al., 1963b).

hergestellt. Die Bestrahlung wird bei einer Temperatur durchgeführt, die genügend niedrig ist, um die meisten Sekundärreaktionen zu vermeiden. Anschließend wird die Mischung wärmebehandelt, und die Sekundärreaktionen werden E S R spektroskopisch verfolgt. Ein typisches Beispiel für einen solchen Versuch ist in Abb. 6.8 wiedergegeben. Das Enzym Glyceraldehyd-3-phosphatdehydrogenase (GAPDH) ist mit dem Thiol Cysteamin (RSH) gemischt, das als Strahlenschutzstoff in vivo bekannt ist. Die Substanzen wurden entweder einzeln oder in Mischungen mit 90 Gew.-% Enzym und 10 Gew.-% Thiol bestrahlt. Die Bestrahlungstemperatur betrug 77 °K und alle ESR-Messungen wurden bei dieser Temperatur durchgeführt. Dadurch ist gesichert, daß die beobachteten qualitativen Spektrenänderungen auf sekundäre Radikalreaktionen zurückzuführen sind. Nach der ersten Messung wurden die Proben für einige Minuten auf Zimmertemperatur erwärmt. Wie Abb. 6.8 zeigt, sind die Spektren der beiden Komponenten bei 77 °K sehr ähnlich. Während ein Erwärmen auf 295 °K praktisch keine Änderung 205

im Spektrum von GADPH gibt, ändert sich das Spektrum von R S H völlig und liefert ein typisches Schwefelspektrum, d. h. es werden Schwefelradikale gebildet. Wärmebehandlung der Mischung führte ebenfalls zur Bildung von Schwefelradikalen. Dieser Befund läßt die Frage aufkommen, ob das Auftreten von Schwefelradikalen in der Mischung auf die in R S H induzierten Schwefelradikale zurückgeführt werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage ist die Berechnung der Absolutkonzentration der gebildeten Schwefelradikale notwendig.

o 80

L—-r~ 160

i

2U0 Temperatur

L:

t 320

i

i WO

[°K]

Abb. 6.9: Radikalausbeute in einer Mischung von GAPDH (90 Gew.-%) und RSH (10 Gew.-%) als Funktion der Erwärmungstemperatur. Die Bedingungen sind dieselben wie in Abb. 6.8. Die Anzahl der Schwefelradikale wurde aus der Spektrenanalyse erhalten. Die ausgezogene Linie stellt die erwartete Gesamtausbeute an Schwefelradikalen in der Mischung unter der Annahme dar, daß sie gleich dem gewogenen Mittel der Schwefelradikalausbeuten der beiden einzeln bestrahlten Mischungskomponenten ist. Die beiden punktierten Linien geben die Bestrahlungstemperatur und Zimmertemperatur an. Nach HENEIKSEN et al. (1963b).

In Abb. 6.9 ist die Gesamtausbeute an Radikalen in der Mischung als Funktion der Aufheiztemperatur aufgetragen. Die aus der Spektrenanalyse erhaltene Ausbeute an Schwefelradikalen ist ebenfalls angegeben. Diese Analyse ist einfach, da der Hauptteil der Schwefelresonanz im Vergleich zur ESR-Absorption der meisten KohlenWasserstoffradikale bei niedrigem Magnetfeld liegt (HENRIKSEH, 1962). Für die Ausführung dieser Analyse wurde die Schwefelresonanz von bestrahltem Cystein benutzt. Die gestrichelte Linie in Abb. 6.9 stellt die erwartete Anzahl von Schwefelradikalen dar, die auf Grund der in R S H allein gebildeten Schwefelradikale berechnet wurde. Es folgt daraus, daß die Anzahl der in der Mischung tatsächlich gebildeten Schwefelradikale etwa vier- bis fünfmal höher als erwartet ist. Folglich müssen die beiden Mischungskomponenten irgendwie reagieren, damit die Bildung von Schwefelradikalen erhöht wird. Ähnliche Befunde wie diese sind für eine Reihe 206

anderer molekularer Mischungen erhalten worden ( H E N R I K S E N et al., 1963 b). In allen Fällen ist die Anzahl der Schwefelradikale größer als die Anzahl der Schwefelradikale, die in den beiden Einzelkomponenten durch Bestrahlung allein gebildet wird. Da die in bestrahlten Proteinen beobachtete Schwefelresonanz von der Resonanz von RSH nicht zu unterscheiden ist, kann anhand der genannten Versuche nicht entschieden werden, ob sich die zusätzlichen ungepaarten Spins an Schwefelatomen im Thiol, im Protein (GAPDH enthält 8 SH-Gruppen pro Molekulargewicht 105) oder in beiden Substanzen befinden. Die einleuchtendste Erklärung scheint zu sein, daß die Wechselwirkungen zwischen den beiden Mischungskomponenten zu einem Transfer ungepaarter Spins vom Proteinmolekül zum Schwefel des zugesetzten Thiols führen. Zur Klärung dieser Fragestellung müssen wir uns einen eingehenderen Einblick in die Struktur des Schwefelradikals und dessen ESR-Spektrum verschaffen. In einer Arbeit an einem Einkristall von Cystindihydrochlorid nahmen K T J R I T A und G O K D Y ( 1 9 6 1 ) an, daß der ungepaarte Spin des Schwefelradikals H

I

R-C-S-

I

H

sich in einem ^-Orbital befindet, an dem im wesentlichen ein 3p-Orbital des Schwefels beteiligt ist. Weiter wurde angenommen, daß bis zu einem gewissen Ausmaß Konfigurationen beitragen, bei denen sich das ungepaarte Elektron in nichtbindenden sp2-Hybridorbitalen oder in einem bindenden ct-Orbital befindet. Diese Konfigurationsmischung führt zur Anisotropie des ¡/-Faktors ( P R Y C E , 1950). Der ji-Charakter des Schwefel-3p-Orbitals bewirkt eine isotrope Wechselwirkung des ungepaarten Elektrons mit den Protonen der dem Schwefel benachbarten CH2-Gruppe. Bei Wechselwirkung des ungepaarten Elektrons mit beiden Protonen würden im allgemeinsten Fall vier Hyperfeinstrukturlinien auftreten. Durch eine äquivalente Wechselwirkung entsteht ein Triplett. Wenn jedoch die Rotation der CH2-Gruppe behindert ist, kann eines der beiden Protonen hinsichtlich der Wechselwirkung mit dem ungepaarten Elektron in eine begünstigte Lage geraten, so daß nur ein Dublett auftritt. Für das Schwefelradikal scheint der letztere-Fall vorzuliegen. Für einen Einkristall wird deshalb ein Dublett mit einer Aufspaltung von 9 G festgestellt, während bei polykristallinen Proben diese Hyperfeinstruktur bei Zimmertemperatur verschmiert ist. Bei Meßtemperaturen unterhalb 160 °K wird jedoch auch für polykristalline Proben eine Aufspaltung beobachtet. Wie in Abb. 6.10 für die Messung von Cystein bei 77 °K gezeigt wird, tritt in der Mitte der ESR-Absorption ein Dublett auf. Schwefelradikale des Typs R—CH2—S', die auch Proteinschwefelradikale einschließen, scheinen also eine temperaturabhängige Hyperfeinaufspaltung aufzuweisen. Wird eine Verbindung verwendet, in der die Wasserstoffatome am Kohlenstoffatom in Nachbarschaft zum Schwefelatom durch andere Gruppen substituiert sind, sollte sich daher diese Hyperfeinstruktur ändern. In Übereinstimmung mit dieser Annahme wird für Penicillamin, in dem die H-Atome durch Methylgruppen ersetzt sind (Abb. 6.10), 207

kein Dublett beobachtet. Dieser Befund bedeutet, daß bei Verwendung niedermolekularer Thiole in den molekularen Mischungen die Schwefelradikale des Thiols von den Schwefelradikalen im Protein unterschieden werden können. CYSTEIN

PENIOILLAMIN

Abb. 6.10: ESR-Spektren von Cystein und Penioillamin. Die Proben wurden bei Zimmertemperatur bestrahlt und die Spektren bei 295°K (obere Spektren) und 77 °K aufgenommen. Die bei 77 °K festgestellte Dublettaufspaltung bei Cystein ist unterhalb 160°K beobachtbar und die Auflösung nimmt mit abnehmender Temperatur zu. Die in Proteinen gebildeten Schwefelradikale weisen eine ESR-Absorption mit einer temperaturabhängigen Hfs auf, die der von Cystein ähnlich ist.

In Abb. 6.11 sind die Ergebnisse für eine Mischung von Rinderserumalbumin (90%) + Penioillamin (10%) wiedergegeben. Die Ergebnisse zeigen, daß in dieser Mischung die Mehrzahl der ungepaarten Spins möglicherweise am Schwefelatom des Penicillamins lokalisiert wird. Durch Berechnung der Gesamtanzahl von ESRZentren in der Mischung anhand der vor der Hitzebehandlung gemachten Beobachtungen wurde gefunden, daß diese Zahl gleich der Summe der in den beiden einzeln bestrahlten Komponenten induzierten ESR-Zentren ist ( H E N R I K S E N et al., 1963b). Die Ergebnisse für eine Reihe von Mischungen aus Rinderserumalbumin und RSH sind in Abb. 6.12 wiedergegeben. Es scheint, daß die Ausbeute für die Mischung gleich oder wenig größer ist als das gewogene Mittel der Ausbeute in den beiden Komponenten. Diese Ergebnisse zeigen, daß bei 77 °K in beiden Komponenten ESR-Zentren gebildet werden und das zugesetzte Thiol bei dieser Temperatur einen vernachlässigbaren Einfluß hat. Die anschließende Hitzebehandlung führt zu einem Spintransfer vom Protein zum zugesetzten Thiol. Da die molekularen Mischungen durch Vermischen der Lösungen der beiden Kom208

ponenten und Gefriertrocknung erhalten wurden, mußte festgestellt werden, ob die Thiole an die Proteine gebunden werden. Das wurde an Mischungen von Proteinen mit 35 S-markiertem Cysteamin geprüft. Die gefriergetrocknete Mischung

Abb. 6 . 1 1 : Einfluß der Hitzebehandlung auf die qualitativen ESR-Spektren einer Mischung von Rinderserumalbumin (90 Gew.-%) und Penicillamin (10 Gew.-%). Die Bedingungen sind wie in Abb. 6.8. Das untere Spektrum ist unmittelbar mit dem in C gezeigten vergleichbar (entnommen bei HENRIKSEN et al., 1963b).

wurde erneut in Wasser gelöst und die proteingebundene Radioaktivität gemessen (HENRIKSEN et al., 1963b). Die Ergebnisse zeigten, daß der Transfer von ungepaarten Spins fast ausschließlich RSH betraf, das nicht kovalent an das Protein gebunden war. 209

RSH

'/.

Abb. 6.12: Radikalausbeute von Rinderserumalbumin-RSH-Mischungen bei 77 °K in Abhängigkeit von ihrer Zusammensetzung. Die Mischungen mit zunehmendem RSH-Gehalt wurden bei 77 ° K bestrahlt und vor jeder Wärmebehandlung bei dieser Temperatur gemessen (nach HENRIKSEN et al., 1963b).

6.3.5.

Schlußfolgerungen

Die ESR-Untersuchungen an festen Proteinen haben eindeutig gezeigt, daß die bei Zimmertemperatur nachgewiesenen Radikale nicht die durch ionisierende Strahlung gebildeten Primärradikale sind. Für die Bildung der Sekundärradikale wurde sowohl ein intra- als auch ein intermolekularer Mechanismus diskutiert. Die genannten Versuche an molekularen Mischungen zeigen, daß der intermolekulare Mechanismus für den Transport von Strahlungsenergie in einem Feststoffsystem auftreten kann. Das schließt jedoch nicht GORDYS Hypothese einer intramolekularen Elektronenwanderung oder einen anderen Typ intramolekularer Umwandlung aus. Die Schlußfolgerung ist die, daß die experimentelle Information zu gering ist, um zu entscheiden, ob die Sekundärradikale durch einen intermolekularen Mechanismus oder eine Art intramolekulare Umwandlung oder durch beide Arten von Vorgängen gebildet werden. Hinsichtlich der Erlangung weiterer Informationen über die primär gebildeten ESR-Zentren und über die der Bildung von Sekundärradikalen vorausgehenden Prozesse (Schritt I und I I in Abb. 6.13) wäre es von großem Interesse, Untersuchungen an bei tiefer Temperatur bestrahlten und nachfolgend wärmebehandelten Einkristallen durchzuführen. Über einen ersten Versuch in dieser Richtung

wurde von AKASAKA et al. (1964) und B o x und FREUND (1964) berichtet. Beide

Arbeitsgruppen bestrahlten Einkristalle von Cystindihydrochlorid bei 77 ° K . AKASAKA et al. schlössen, daß die wohlbekannten Schwefelradikale in einer zweistufigen intramolekularen Umwandlung aus dem Primärradikal entstehen, für das ein Cystinmolekül mit einer ionisierten S—S-Brücke angenommen wurde. 210

6.4.

Mechanismen für Enzyminaktivierung und Strahlenschatz im Festkörper

6.4.1.

Allgemeine Bemerkungen

Trotz einer großen Anzahl von Bestrahlungsexperimenten an festen Enzymen haben wir sehr wenig Informationen über die Mechanismen des Verlustes von Enzymaktivität. Wir wissen, daß die Strahlenempfindlichkeit durch Zusatz anderer Stoffe zu festen Proteinen verändert werden kann (ALEXANDER und T O M S , 1 9 5 8 ; B E A A M S , 1 9 6 0 ; B R A A M S e t a l . , 1 9 5 8 ; B R U S T AD, 1 9 6 1 ; B U T L E R R O B I N S , 1 9 6 2 ; NORMAN u n d GINOZA, 1 9 5 8 ; P I H L u n d S A N N E R , 1 9 6 3 ;

und

WILSON,

1 9 6 3 ) . Zur Auslösung irgendeines Effekts müssen die Zusatzstoffe jedoch bereits während der Bestrahlung in dem System vorhanden sein. Das scheint also zu bedeuten, daß der Schlüssel zum Verständnis der Wirkung von Strahlenschutzstoffen bei den physikalisch-chemischen Primärprozessen liegt. Unser Ziel ist deshalb die Untersuchung von solchen Prozessen, bei denen die Konzentrierung von Strahlenenergie für die Zerstörung des aktiven Zentrums des Enzymmoleküls ausreicht. Weiter gilt es nachzuweisen, in welcher Phase und in welchem Umfang die Schutzstoffe in diese Prozesse eingreifen. In der folgenden Diskussion wollen wir versuchen, einige der für die Strahleninaktivierung fester Enzyme vorgeschlagenen Mechanismen und insbesondere den Zusammenhang zwischen der Bildung freier Radikale und dem biologischen Schaden zu diskutieren.

6.4.2. A.

Inaktivierungsmechanismen

Treffertheorie

Für viele Jahre wurde zur Beschreibung der Strahleninaktivierung fester Enzyme die bekannte Treffertheorie benutzt (hinsichtlich einer allgemeinen Behandlung der Treffertheorie vgl. z . B . L E A , 1 9 4 7 ; T I M O F E E F F - R E S S O V S K Y und Z I M M E R , 1 9 4 7 ; Z I M M E R , 1 9 6 1 ) . Das Verdienst dieser Theorie war, daß sie Möglichkeiten zur Bestimmung von Dimensionen, wie des Volumens und des Querschnitts, des bestrahlten Objekts eröffnete. Es wurde angenommen, daß an dem tatsächlichen Target ein Treffer oder eine Absorption stattfinden muß. Für den Fall von Enzymen wurde allgemein angenommen, daß das Enzym stets inaktiviert wird, wenn eine primäre Ionisierung im Molekül selbst auftritt. In vielen Versuchen mit schnellen ionisierenden Partikeln wurde zwischen den nach dieser Hypothese berechneten Targetdimensionen und den nach anderen Methoden bestimmten Dimensionen gute Übereinstimmung erhalten ( D O L P H I N und HUTCHINSON, 1 9 6 0 ; O R E , 1 9 5 7 ; P O L L A R D e t a l . , 1 9 5 5 ; POLLARD u n d W H I T E M O R E ,

1957).

In der Treffertheorie wird das primäre Absorptionsereignis direkt mit dem beobachtbaren biologischen Schaden in Zusammenhang gebracht und es werden keine Versuche zur Beschreibung gebildeter Zwischenstufen oder früher Sekundärreaktionen gemacht. Es wird angenommen, daß die für den biologischen Schaden verantwortliche Strahlenwirkung an der Treffer stelle, d. h. am Target selbst, auftritt. Die oben erwähnten Versuche, die eindeutig die Möglichkeit der Wanderung von Strahlenenergie in einem biologischen System beweisen, und ins15

Wyard

211

besondere die Untersuchungen, in denen gezeigt wurde, daß in molekularen Mischungen die Strahlenempfindlichkeit verändert werden kann, scheinen deshalb mit der Treffertheorie in ihrer ursprünglichen Form schwer vereinbar. Ferner wurde gefunden, daß die Enzyminaktivierung von der Bestrahlungstemperatur abhängt ( B R U S T A D , 1 9 6 4 ; P O L L A R D et al., 1 9 5 2 ; S E T L O W , 1 9 5 2 ) . Da angenommen wird, daß das primäre Absorptionsereignis von der Targettemperatur unabhängig ist, kann das als ein Temperatureinfluß auf die frühen Sekundärreaktionen gedeutet werden. Mit den jetzt zugänglichen physiko-chemischen Methoden zur Untersuchung von Zwischenstufen, wie ESR-Spektroskopie, Thermolumineszenz und Blitzlichtphotolyse, scheint es deshalb möglich, einen weiteren Schritt zu tun und die alte Treffertheorie zu erweitern oder einige andere Modelle einzuführen. B. Mechanismus nach Augenstein, Brustad und Mason Die erste systematische Untersuchung über den Einfluß der Bestrahlungstemperatur auf die Inaktivierung fester Enzyme wurde von B R U S T A D (1964) veröffentlicht. Im Temperaturbereich zwischen 10—420 °K wurde Trypsin mit schweren geladenen Teilchen bestrahlt. Nach der Bestrahlung wurden die Proben auf Zimmertemperatur gebracht, in Wasser gelöst und die Enzymaktivität bestimmt. Da die Inaktivierungskurven für Trypsin in bezug auf die Bestrahlungsdosis exponentiell verläuft, kann der für die Strahlenempfindlichkeit verwendete Parameter entweder der Kehrwert der D 37 -Dosis (diese Dosis entspricht der Inaktivierung von 63% der Enzymmoleküle, d. h. 37% Restaktivität) oder der scheinbare Wirkungsquerschnitt der Inaktivierung sein. B R U S T A D fand, daß der scheinbare Wirkungsquerschnitt der Inaktivierung bis 100 °K von der Bestrahlungstemperatur unabhängig ist. Oberhalb dieser Grenze nimmt mit steigender Temperatur der Wirkungsquerschnitt zu. Die Gesamtänderung zwischen dem Tieftemperaturbereich und Zimmertemperatur hegt in der Größenordnung eines Faktors 2 bis 3 (ein Beispiel dafür ist in Abb. 6.17 gezeigt). Die Ergebnisse wurden in einem Arrhenius-Diagramm aufgetragen, um zu sehen, ob der Temperatureinfluß in geeigneter Weise durch eine Summe von Exponentialfunktionen folgender Art beschrieben werden kann: Y t = E Yi0 • exp

(-EilkT)

Darin ist Y T die Strahlenausbeute bei der Bestrahlungstemperatur T. Der Parameter Eit der aus der Steigung der Geraden im Arrhenius-Diagramm zu erhalten ist, kann als die Aktivierungsenergie des zugrunde liegenden Prozesses interpretiert werden. Es wurde gefunden, daß die Ergebnisse hinreichend mit einer Summe von drei Geraden beschrieben werden können, deren _E;-Werte E1 = 0, E2 = 1000 cal/Mol und E3 = 3 0 0 0 - 5 0 0 0 cal/Mol sind (vgl. auch Tab. 6.1). Hauptsächlich auf Grund dieser Ergebnisse schlugen A U G E N S T E I H et al. (1964) für die Enzyminaktivierung einen neuen Mechanismus vor. Diese Autoren meldeten ernste Bedenken gegen die Gültigkeit der Ionisierungstheorie an und wiesen darauf hin, daß bei Zimmertemperatur nichtionisierende Anregungen wichtiger sein könnten. Die Inaktivierung wird als vollständig angenommen, wenn von der Absorptionsstelle genügend Strahlungsenergie zur sogenannten „kritischen Stelle" im Enzymmolekül transportiert worden ist. Hier besteht der wichtige Schritt in 212

Tab. 6.1: Scheinbare Aktivierungsenergien für Prozesse, die zur Bildung von Sekundärradikalen und zum Verlust an Enzymaktivität führen®) Verbindung

Strahlungsart

Messung

Ex E2 [cal/Mol]

E3

Lysozym

4

He-Ionen -He-Ionen b ) 12 C-Ionen 4 He-Ionen 12 C-Ionen 12 C-Ionent>) 40 Ar-Ionen 40 Ar-Ionen")

Radikale Radikale Radikale Radikale Radikale Radikale Radikale Radikale

0 0 0 0 0 0 0 0

1 000 1 000 1000 950 950 1150 1 300 800

5000 4000 4000 3 600 3300 — 3100

2

Inaktivierung Inaktivierung Inaktivierung Inaktivierung Inaktivierung Inaktivierung

0 0 0 0 0 0

1 350 1350 1100 1150 1 050 1 300

4 700 5200 3400 4200 3800 3700

Trypsin

Trypsin

4

D-Ionen He-Ionen "B-Ionen 12 C-Ionen 20 Ne-Ionen 40 Ar-Ionen 4

a) Die Angaben für die Inaktivierung wurden den Untersuchungen von BBTJSTAD (1964) entnommen. b) Diese Untersuchungen beziehen sich auf Messungen an Proben, die zwischen Bestrahlung und Messung 2 Tage bei 295 °K aufbewahrt wurden.

den Sekundärreaktionen, und die Autoren schlugen eine Reihe von Prozessen f ü r den Transport von Strahlungsenergie in festen Proteinen vor. Sie nehmen an, d a ß Zwischenstufen wie Ladungen (Elektronen oder Elektronenlöcher) und Excitonen in den Proteinen wandern können. Für die Ladungswanderung wird kein Mechanismus angegeben, mit Ausnahme eines Modells, das mit G O R D Y S Hypothese identisch ist, wonach Elektronen über das asymmetrische Kohlenstoffatom a m Proteingerüst entlangwandern können ( P A T T E N und G O R D Y , 1 9 6 1 ) . Da unser Wissen über die Wanderung von Ladungen und Excitonen in Proteinen noch sehr begrenzt ist, soll hier nicht versucht werden, die Wahrscheinlichkeit der vorgeschlagenen Prozesse zu diskutieren. Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, daß eine experimentelle Überprüfung der vorgeschlagenen Mechanismen äußerst schwierig sein wird. Außerdem scheinen A U G E N S T E I N et al. die Rolle freier Radikale beim Strahlenenergietransfer und bei der Inaktivierung zu ignorieren. C.

Radikalmechanismus

In den vorangegangenen Abschnitten haben wir die Typen von sekundären Radikalen in Proteinen sowie die für ihre Bildung vorgeschlagenen Mechanismen diskutiert. Nun ist von generellem Interesse, die Beziehung zwischen diesen Radikalen und dem zu beobachtenden biologischen Schaden zu untersuchen. Für den Fall wäßriger Lösungen wird allgemein angenommen, daß die chemische Schädigung hauptsächlich durch strahleninduzierte freie Radikale hervorgerufen wird. Das h a t gewiß zu der Annahme geführt, daß der Strahlenschaden in festen biolo15*

213

gischen Systemen ebenfalls völlig oder teilweise durch freie Radikale bewirkt wird (BRAAMS, 1963; EHRETetal., 1960; H E N R I K S E N e t al., 1 9 6 3 A ; H U N T u n d W I L L I A M S ,

und K A L E T A , 1960). Bis jetzt haben wir jedoch nur wenig Beweise für diese Annahme. Im folgenden werden wir versuchen, einen Radikalmechanismus für die Strahleninaktivierung fester Enzyme zu formulieren, und daran anschließend über einige neuere Untersuchungen berichten, die diese Hypothese zu unterstützen scheinen. BRAAMS versuchte in einer Arbeit (1963) einen Radikalmechanismus für den Strahlenschaden in Festkörpern eingehender zu skizzieren. Er nahm an, daß der erste Schritt eine Dissoziation des Makromoleküls in ein großes und in ein kleines Radikalbruchstück darstellt: 1964; POWERS

MR{

M- + Bi-.

M- ist als ein großes, relativ stabiles Proteinradikal anzusehen, während i?,- ein kleines diffundierbares Radikalbruchstück und zwar sehr oft ein Wasserstoffatom ist. Für die nächste Phase wird angenommen, daß M- mit seiner Umgebung reagieren kann und zur Vernetzung und/oder zu modifizierten Proteinmolekülen führt. Das Bruchstück Rj wird als sehr reaktiv angenommen und kann über intermolekulare Reaktionen mit anderen Proteinmolekülen reagieren. Wenn nun andere Substanzen wie SH-Verbindungen als Strahlenschutzstoffe vorhanden sind, kann das reaktive Bruchstück auch mit diesen Stoffen reagieren. BRAAMS nimmt, deshalb an, daß für den Fall, daß alle diese Bruchstücke mit den zugesetzten SHVerbindungen reagieren, die Strahlenempfindlichkeit des Makromoleküls um den Faktor 2 verringert ist, was in der gleichen Größenordnung wie der experimentelle Befund hegt. Nach BRAAMS Modell werden die Proteinradikale nur durch den Bruch chemischer Bindungen gebildet, und das Modell scheint durch Ionisierungsprozesse gebildete Radikalionen nicht einzuschließen. Außerdem wird die Möglichkeit außerachtgelassen, daß auch das große Proteinradikal M• mit der zugesetzten SH-Verbindung reagieren kann. Auf der Grundlage von Untersuchungen, in denen gezeigt wurde, daß vor der Bildung von sekundären Proteinradikalen eine Reihe von Reaktionen stattfindet, sowie auf der Grundlage von Untersuchungen, in denen ein intermolekularer Transfer ungepaarter Spins nachgewiesen wurde, wird hier ein erweiterter Radikalmechanismus vorgeschlagen. Dieser Mechanismus, der mit dem von BRAAMS angeregten bestimmte Grundzüge gemeinsam hat, ist in Abb. 6.13 veranschaulicht. Es wird angenommen, daß die Strahleninaktivierung fester Enzyme das Endresultat einer Folge von Ereignissen ist, in der freie Radikale als kurzlebige Zwischenstufen auftreten. Der Hauptgedanke besteht darin, daß die ersten Prozesse beim Inaktivierungsmechanismus dieselben sind, die auch zur Bildung der sekundären Proteinradikale führen. Diese Radikale (in Abb. 6.13 mit Schritt I I I bezeichnet) sind anschließend, wenn die Enzyme noch im festen Zustand sind oder aber zur Aktivitätsbestimmung in wäßrige Lösung gebracht werden, an neuen Reaktionen beteiligt. Entsprechend dem Modell in Abb. 6.13 wird angenommen, daß diese Reaktionen zum biologischen Schaden führen. Das hier vorgeschlagene Radikalmodell kann durch Versuche überprüft werden, in denen die Bildung von Sekundärradikalen (Schritt I I I in Abb. 6.13) mit dem an Hand des Enzymaktivitätsverlustes gemessenen biologischen Schaden (Schritt V) in Zusammenhang gebracht wird. 214

D. Experimentelle

Unterstützung des

Radikalmechanismus

Die ersten Versuche zur Korrelierung der Bildung freier Radikale mit der Enzymi n a k t i v i e r u n g w u r d e n v o n HUNT e t a l . ( 1 9 6 2 ) u n d HUNT u n d WILLIAMS

(1964)

durchgeführt. Sie versuchten, die Anzahl von in Ribonuclease gebildeten Radikalen mit dem Verlust an Enzymaktivität direkt in Zusammenhang zu bringen. Da sie fanden, daß die Radikalausbeute in der gleichen Größenordnung wie die Strahlung

Zwischenstufen

Endwirkung

Abb. 6.13: Darstellung eines Mechanismus für den Strahlenschaden und seine Reparatur im festen Zustand. Es wird angenommen, daß der bei Schritt V beobachtete biologische Endeffekt das Ergebnis einer Folge von Ereignissen ist, in der freie Radikale als Zwischenstufen eine Rolle spielen. Der Hauptgedanke ist der, daß die ersten Prozesse im Mechanismus der Enzyminaktivierung dieselben sind wie jene, die zur Bildung sekundärer Proteinradikale führen.

Inaktivierungsausbeute liegt, schlössen sie, daß ein großer Teil des biologischen Schadens auf Radikale zurückgeführt werden kann. Der interessanteste Teil ihrer Arbeit im Hinblick auf den Radikalmechanismus ist jedoch eine Untersuchung des Sauerstoffeffektes. Es war bereits vorher erwähnt worden, daß die in Proteinen gebildeten Radikale sehr oft sauerstoffempfindlich zu sein scheinen, was zu großen qualitativen und quantitativen Veränderungen der ESR-Spektren führen kann. Über die Reaktionen, die bei Zutritt von Sauerstoff eintreten, gibt es sehr wenig Informationen, jedoch kann folgendes Reaktionsschema vorgeschlagen werden: R- + 0 2 —i- R 0 0 - —nichtradikalische Verbindungen. Es wurde angenommen, daß das kurzlebige Peroxidradikal zu einer Einzellinie Anlaß gibt. DREW und GORDY (1963) wiesen darauf hin, daß für den Fall, daß die zweite Reaktion schneller als die erste verläuft, ein Zerfall ohne Spektrenänderungen festzustellen ist. Wenn dagegen der letztere Prozeß langsam verläuft, muß sich das ESR-Spektrum in eine Einzellinie verwandeln und langsam verschwinden. Für die meisten Proteine können wir einen Ablauf zwischen diesen beiden Grenzfällen erwarten. In Abb. 6.14 und 6.15 sind zwei Beispiele für den Sauerstoffeffekt angegeben. Im Falle von Lysozym wird zusammen mit beträchtlichen qualitativen 215

Veränderungen ein starker Abfall der Radikalkonzentration beobachtet. Interessant ist die Feststellung, daß die Dublettresonanz, die auf Proteingerüstradikale zurückzuführen ist, sauerstoffempfindlicher als die Absorption der Schwefelradikale ist. Im Falle des Trypsins (Abb. 6.15) wurde die Probe im Vakuum bestrahlt und drei Tage lang bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Das

Abb. 6 . 1 4 : Einfluß von Sauerstoff auf das ESR-Spektrum von Lysozym. Das Enzym wurde bei Zimmertemperatur im Vakuum mit 6,5 MeV-Elektronen bestrahlt. Alle Messungen wurden bei Zimmertemperatur durchgeführt. Nach der ersten Messung wurde die Probe an der Luft geöffnet. Die relative Spektrometerempfindlichkeit ist durch die Rechtecke an der linken Seite charakterisiert.

sollte gewährleisten, daß die meisten Reaktionen des Schrittes I I abgeschlossen sind, bevor die Probe an der Luft geöffnet wurde. Es zeigt sich, daß die Radikalkonzentration im Verlauf weniger Stunden um den Faktor 4—5 abnimmt. In den Untersuchungen von H U N T und Mitarbeitern (HUNT et al., 1962; H U N T und WILLIAMS, 1964) an Ribonuclease wurde gefunden, daß Sauerstoff sowohl das ESR-Spektrum als auch die als Enzymaktivitätsverlust bestimmte Strahlenempfindlichkeit verändert. Diese Autoren nahmen an, daß die Schwefelradikale zur Bildung von SH-Gruppen führen, und da die Ausbeute an SH-Gruppen als vom Sauerstoff unabhängig festgestellt wurde, schlössen sie, daß die Teilnahme der Schwefelradikale am Sauerstoffeffekt unwahrscheinlich ist. Weiter nahmen sie an, daß die Radikale mit dem ESR-Dublett bei Reaktion mit Sauerstoff zur 216

Inaktivierung führen. Auf Grund dieser Annahme berechneten sie — unter Benutzung der beobachteten Dosiseffektkurve für die Radikalkonzentration im Vakuum — die für die Nachbehandlung mit Sauerstoff zu erwartende Inaktivierungskurve (Auftragung des Enzymaktivitätsverlustes gegen die Dosis)-. Die erhaltene gute Übereinstimmung zwischen der berechneten und der experimen-

^

20

o LS

0

i

i 120

i

l.

0

i

i 120

i

i 2U0

i

i 360

Minuten

Abb. 6.15: Einfluß von Sauerstoff auf die Radikalzahl in Trypsin. Die Probe wurde drei Tage bei Zimmertemperatur im Vakuum aufbewahrt, bevor sie an der Luft geöffnet wurde.

tellen Inaktivierungskurve in einem bestimmten Dosisbereich scheint den Radikalmechanismus zu unterstützen. Eine direkte Korrelation in der Weise, daß je ein Sekundärradikal mit der Inaktivierung von je einem Makromolekül im Zusammenhang steht, ist nach Ansicht des Autors (HENRIKSEN) ungewiß und kann zu erheblichen Irrtümern führen. Der Grund dafür ist der, daß die quantitative Bestimmung der Radikalkonzentration noch große Schwierigkeiten bereitet (Kapitel 3., Abschnitt 3.2.). Außerdem können Parameter wie die Stabilität von Radikalen, das Vakuum in der Probe, gebundenes Wasser usw. ebenfalls Unsicherheiten bewirken. Im folgenden soll über zwei unterschiedliche Untersuchungen berichtet werden, in denen versucht wurde, die bei einer direkten Gegenüberstellung von Radikalausbeute und Enzyminaktivierung auftretenden Schwierigkeiten zu überwinden. Der Hauptgedanke bei diesen Versuchen bestand darin, die physikalischen Bedingungen der Reaktionen, die vor der Bildung von Sekundärradikalen ablaufen (d. h. Schritt I und I I in Abb. 6.13), zu verändern. Von dieser Veränderung wurden Änderungen in der Ausbeute an Sekundärradikalen und entsprechend dem Modell in Abb. 6.13 ähnliche Änderungen in der Inaktivierungsausbeute erwartet. Bei dem ersten Experiment wurde die räumliche Verteilung der Energieabsorption 217

durch Anwendung von Strahlung unterschiedlichen Bremsvermögens verändert. Die Ergebnisse f ü r das E n z y m Trypsin sind in Abb. 6.16 wiedergegeben. Das E n z y m wurde im festen Zustand mit 6,5 MeV-Elektronen sowie einer großen Vielfalt an schweren Ionen, wie Helium-, Lithium-, Bor-, Kohlenstoff-, Sauerstoff-, Fluor-, Neon-, Silicium- u n d Argonionen, bestrahlt. Die durch den G-Wert ausgedrückte Radikalausbeute wurde als Funktion der Eindringtiefe der Strahlung aufgetragen. Als Parameter zur Messung der Inaktivierung wurde der Kehrwert

1

1

10

I

10? Bremsvermögen

I

[

103 MeVg-icm?J

I

10 4

Abb. 6.16: Strahleneinwirkung auf festes Trypsin, gemessen als Enzymaktivitätsverlust (Angaben von BRUSTAD, 1964) sowie durch die Bildung von Sekundärradikalen, in Abhängigkeit von der Bremsenergie der Strahlung. Die Inaktivierungskurve für festes Trypsin ist in bezug auf die Strahlendosis exponentiell. Der für die Inaktivierung benutzte Parameter ist der Kehrwert der D 37 -Dosis. In dieser Abbildung sind die Originalangaben neu berechnet und zwecks Auftragung im gleichen Maßstab wie die Radikaldaten in relativen Einheiten angegeben. Der flache Teil der Kurve wird durch den Wert 2,5 wiedergegeben.

der Z)37-Dosis benutzt. Die aus den Untersuchungen von B R U S T A D (1964) entnommenen D a t e n f ü r die Inaktivierung wurden neu berechnet, u n d bei Auftragung im selben Maßstab, wie er f ü r die Meßpunkte der Radikale verwendet wurde, ergab sich f ü r das Plateau der Kurve ein W e r t von 2,5. Die Form der beiden K u r v e n ist dieselbe. Die Ausbeuten sind bis etwa 200 MeY g _ 1 cm 2 konstant und nehmen dann ab. Die Gesamtänderung in dem hier untersuchten LET-Bereich h a t einen F a k t o r von r u n d 2,4. Bei dem anderen durchgeführten Korrelationsversuch wurde die Bestrahlungstemperatur verändert. Verwendet wurde wieder Trypsin, f ü r das in Abb. 6.17 ein Beispiel gezeigt ist. Festes Trypsin wurde bei verschiedenen Temperaturen mit schnellen Kohlenstoffionen bestrahlt. Die Angaben für Radikale beziehen sich 218

auf Messungen, die nach der Aufbewahrung der Proben für 20 Min. bei Zimmertemperatur durchgeführt wurden. Diese Behandlung stellt sicher, daß die meisten Sekundärreaktionen (Schritt II) abgeschlossen und in den Proben nur noch Sekundärradikale vorhanden sind. Bei beiden Arten der Messung wurde der Mittelwert der Meßpunkte unterhalb 100 °K gleich 1,0 gesetzt. Die Ausbeuten sind bis 120 °K konstant und beginnen dann zuzunehmen. Die Gesamtdifferenz zwischen 77 °K und Zimmertemperatur weist für beide Arten der Messung etwa den Faktor 2,1 auf. 3,0 • Radikalausbeute * Wirkungsquerschnitt

2,5

Ü

2,0

"g

1,5

5

1,0

für Onaktivierung

0,5

40

80

120

160 200 2U0 Bestrahlungstemperatur

280 [°K]

320

360

Abb. 6.17: Einfluß der Bestrahlungstemperatur auf die Bildung von Sekundärradikalen und den Enzymaktivitätsverlust von Trypsin. Das Enzym wurde im festen Zustand im Vakuum mit schnellen Kohlenstoffatomen bestrahlt. Der Parameter für die Inaktivierung (Angaben von BRUSTAD, 1964) ist der scheinbare Wirkungsquerschnitt der Inaktivierung. Der Mittelwert der Meßpunkte unterhalb 100°K ist gleich 1,0 gesetzt.

Bei Auftragung der Sekundärradikalausbeute in einem Arrhenius-Diagramm erhält man die in Abb. 6.18 gezeigten Kurven. Mit dieser Auftragung sollte festgestellt werden, ob auch die Radikalmeßpunkte wie die Daten für die Inaktivierung (vgl. weiter vorstehend) durch eine Summe von Geraden beschrieben werden können. Es zeigt sich, daß die experimentellen Kurven in Abb. 6.18 in gezeigter Weise durch die Summe von drei Geraden darstellbar sind. Folglich kann eine quantitative Korrelation zwischen der Bildung von Sekundärradikalen und dem Enzymaktivitätsverlust aus dem Vergleich der scheinbaren Aktivierungsenergien erhalten werden. Die bisher ermittelten Ergebnisse sind in Tab. 6.1 wiedergegeben. Obwohl die Radikaldaten in den scheinbaren Aktivierungsenergien viel größere Abweichungen aufweisen, scheint zwischen den beiden Arten der Messung eine bemerkenswert gute Korrelation zu bestehen. Es darf deshalb angenommen werden, daß für die beiden beobachteten Effekte dieselben Prozesse verantwortlich sind. 219

reziproke Bestrahlungstemperatur 11000/T Kl Abb. 6.18: Die Ausbeute an Sekundärradikalen in festem Trypsin als Funktion des Kehrwertes der Bestrahlungstemperatur. Das feste Enzym wurde bei verschiedenen Temperaturen mit Helium-, Kohlenstoff- und Argonatomen bestrahlt. Nach der Bestrahlung wurden die Proben vor der ESR-Messung 20 Min. bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Die Dosis war für alle mit einem bestimmten Ionentyp bestrahlten Proben gleich. Die Kurven wurden als Summe von Geraden analysiert, aus deren Steigung die in Tab. 6.1 wiedergegebenen scheinbaren Aktivierungsenergien erhalten wurden.

6.4.3.

Strahlenschutz im festen Zustand

Von Interesse ist eine Diskussion, welche Bedeutung die Radikalhypothese in bezug auf den Wirkungsmechanismus von Strahlenschutzstoffen in festen biologischen Systemen hat. Die Tatsache, daß die ursprünglich in einem Proteinmolekül gebildeten ESR-Zentren anschließend auf eine niedermolekulare Schwefelverbindung übertragen werden, kann als Schutz gegen die Bildung sekundärer Proteinradikale betrachtet werden. Nach dem in Abb. 6.13 umrissenen Modell 220

würde das bedeuten, daß auch ein Schutz gegen den biologischen Schaden erhalten wird. Es scheint deshalb möglich, die vielen Strahlenschutzexperimente ( B R A A M S , 1 9 6 0 ; BRAAMS e t a l . , 1 9 5 8 ; B R U S T AD, 1 9 6 1 ; B U T L E R u n d R O B I N S , 1 9 6 2 ;

NORMAN

und G I N O Z A , 1 9 5 8 ; P I H L und S A N N E R , 1 9 6 3 ; W I L S O N , 1 9 5 9 ) als partielle Unterbrechung der Radikalreaktionen des Schrittes I I (Abb. 6.13) zu beschreiben. Das würde bedeuten, daß die Sekundärradikalreaktionen den Schlüssel zum Verständnis des Schutzmechanismus im Festkörper darstellen. Leider ist über diese Reaktionen nur sehr wenig bekannt. Eine Möglichkeit wäre ein Wasserstofftransfer in der Reaktion. P- + RSH -> P H + RS-, worin P- ein großes Proteinradikal oder ein kleineres Proteinbruchstück ist (vgl. auch B R A A M S , 1 9 6 3 ) 1 . Eine direkte Unterstützung für den Wasserstofftransfer wurde in neuerer Zeit durch S A N N E R ( 1 9 6 5 ) mit einigen Untersuchungen an Mischungen von Trypsin und Pyridincoenzymen geliefert. So fand er, daß die reduzierten Coenzyme Trypsin in einem größeren Umfang gegen die Inaktivierung schützen als die oxydierten Coenzyme. Es wurde auch erwähnt, daß eine hinzugesetzte Verbindung die Möglichkeit zur direkten Verteilung von Anregungsenergie verstärken kann ( A U G E N S T E I N et al., 1 9 6 4 ; S A N N E R , 1 9 6 5 ) . Da wir für einen solchen Mechanismus bisher jedoch noch kein experimentelles Material haben, soll er hier nicht weiter diskutiert werden.

6.4.4.

Schlußfolgerungen

Im Verlauf dieser Darlegungen ist darauf hingewiesen worden, daß wir von den grundlegenden Mechanismen des Strahlenschadens und seiner Reparatur im festen Zustand bisher wenig Kenntnis haben. Da wir aber jetzt über Techniken verfügen, die uns die Untersuchung strahleninduzierter Zwischenstufen gestatten, eröffnet sich die Möglichkeit, in diese Mechanismen tiefer einzudringen. Einige der Arbeitsmodelle für die Enzymaktivierung im festen Zustand sind diskutiert worden und für den Radikalmechanismus wurden einige experimentelle Unterstützungen angegeben. Bei dem Enzym Trypsin wurde zwischen der Bildung von Sekundärradikalen und dem Verlust an Enzymaktivität eine gute Korrelation gefunden. Zusätzliche Unterstützung für dieses Modell ergibt sich aus den oben erwähnten Strahlenschutzversuchen. Wenn wir dieses Modell jedoch näher betrachten, so stellen wir fest, daß die erhältliche Information noch große Lücken aufweist. So wissen wir beispielsweise, daß eine Anzahl von ursprünglichen ESR1

Anm. der dt. Hrsg.: Dafür sprechen auch ESR-Untersuchungen von NICOLATT und D E R (1970), die in flüssiger, wäßriger Lösung mit Hilfe der Durchflußtechnik durchgeführt wurden. Diese Autoren stellten fest, daß aus Glucose oder Coffein entstandene freie Radikale durch Reaktion mit Cystein oder Cysteamin als Folge eines Wasserstofftransfers in diamagnetische Verbindungen umgewandelt werden (sehr wahrscheinlich in die Ausgangs Verbindungen Glucose bzw. Coffein), während die Thiolverbindungen in Radikale vom Typ R—S- übergehen. Die Wasserstoffübertragung durch Sulfhydrylverbindungen und das Auftreten von Radikalen des Typs R—S- konnte auch von ADAMS et al. (1968) mit Hilfe pulsradiolytischer Methoden gezeigt werden. TINGER

221

Zentren bei den Sekundärreaktionen des Schrittes II (vgl. Abb. 6.13) verschwindet. Es sollte daher die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß die so gebildeten nichtradikalischen Produkte ihrerseits zur Inaktivierung des Moleküls führen können. Eine andere Fragestellung, über die mehr Informationen erforderlich sind, betrifft die Stabilität der Sekundärradikale. Daher sollte der Einfluß von Gasen, wie 0 2 , NO, H 2 usw., auf die Sekundärradikale während und nach der Bestrahlung sowie auf die Enzymaktivität eingehender untersucht werden. Ein sehr wichtiger Punkt, der in diesem Kapitel nicht diskutiert wurde, ist der, was in dem Enzymmolekül nach seiner Inaktivierung tatsächlich geschehen ist. So wissen wir nicht, ob die Enzyme als Ergebnis von chemischen Veränderungen am aktiven Zentrum oder durch physikalische Veränderungen in der Tertiärstruktur des Moleküls inaktiviert werden. Es kann durchaus sein, daß die Enzyme durch mehrere verschiedenartige Mechanismen inaktiviert werden und die in dieser Arbeit untersuchten Sekundärradikale die Inaktivierung nur zu einem Teil bedingen. 6.5. AKASAKA,

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224

7 M . S . BLOIS J r .

7.

Biologische freie Radikale und Melanine

7.1.

Einleitung

Die Melanine gehören zu den relativ wenigen medizinisch interessanten Stoffen biologischen Ursprungs, die Eigenschaften aufweisen, die in geeigneter Weise durch den Begriff „Festkörper" beschrieben werden können. Der Name „Melanin" stammt vom griechischen Wort „melas", d. h. schwarz, und enthält keinen chemischen Hinweis, sondern beschreibt lediglich ein braunes oder schwarzes Pigment biologischer Herkunft. Solche Pigmente sind in der Welt der Lebewesen überall verbreitet, und die vergleichende biochemische Fragestellung, ob verschiedene Arten unterschiedliche Melanintypen aufweisen, wird gegenwärtig eingehend untersucht. Da bisher keine Melaninprobe vollständig und eindeutig chemisch charakterisiert wurde (SWAJT, 1963), ist es vielleicht am sichersten vorerst anzunehmen, daß es verschiedene Arten natürlicher Melanine geben kann. Außerdem sollte nachdrücklich unterstrichen werden, daß das Wort „Melanin" selbst bei Verwendung im Singular sich notwendigerweise auf eine Klasse von Substanzen bezieht. Während Melanin offenbar in allen phylogenetischen Ebenen von den Pilzen bis zum Menschen gefunden wird, tritt es in den höheren Organismen nur in spezialisierten Zellen und Geweben auf. Beim Menschen ist es in der Haut und im Haar, im Retinapigment, im Epithel und in der Iris der Augen, im Nebennierenmark, in der Epiphyse und wahrscheinlich in der Substantia nigra des Gehirns vorhanden. Selbst innerhalb einer einzigen Art ist es nicht sicher, ob das in dem einen Gewebe festgestellte Melanin mit dem Melanin in einem anderen Gewebe identisch ist, und tatsächlich wird vermutet, daß keine Identität vorhanden ist. Interessant ist, daß die oben aufgezählten Gewebe alle ektodermalen Ursprungs sind. Die auffallenden Ähnlichkeiten zwischen der Melaninbildung in Melanozyten und bestimmten biochemischen Prozessen in Nervengeweben wird weiter unten betrachtet. Das vorhandene Wissen über natürliche Melanine stammt zum großen Teil von Untersuchungen an dem Pigment aus dem Tintensack von Tintenfischen oder aus Melanomgewebe, d. h. einem Gewebe, das auf dem Wachstum und der Anhäufung neoplastischer Melanozyten beruht. Neuere Untersuchungen von NICOLATTS und seiner Arbeitsgruppe (1964) wurden auf eine Vielzahl von Melaninpigmenten aus Pflanzen und Insekten ausgedehnt. Danach scheinen die chemischen Unterschiede der Pigmente eine phylogenetische Grundlage zu besitzen. 225

7.2.

Ort der Melaninsynthese

In höheren Formen einschließlich des Menschen wird das Melanin anscheinend in einer einzigen spezialisierten Zellart gebildet, nämlich in den Melanozyten, die neuralen Ursprungs sind (für Amphibien wurde das von DE SHANE (1938) und für höhere Tierarten von anderen Arbeitsgruppen gezeigt) und während der embryonalen Entwicklung an ihre Bestimmungsorte im Körper wandern. Mittels Elektronenmikroskopie wurde in den letzten Jahren in den Melanozyten eine eigentümliche, als Melanosom bekannte Organelle nachgewiesen, in der die Melaninsynthese abläuft. Abb. 7.1 veranschaulicht die allgemeine Morphologie desMelano-

soms während der verschiedenen Stadien der Melaninbildung. In den ersten Stadien besteht das Melanosom hauptsächlich aus einer Proteinmembranmatrix, an der das Melaninpolymere gebildet wird. Zumindest ein Teil dieses Proteins liefert die für die Melaninbiosynthese notwendige Enzymaktivität. Es kann angenommen werden, daß nach der Synthese dieser Matrix die Melaninvorstufen in das Melanosom diffundieren und in das Polymere eingebaut werden. Nach der Bildung des Polymeren wird die Proteinmatrix möglicherweise verdeckt, bis schließlich für die Umwandlung weiterer Vorstufen keine katalytischen Stellen mehr verfügbar sind und die Melaninbildung abgeschlossen ist. Die entsprechenden Stadien der Melaninbildung sind leicht in Elektronenmikroskopieaufnahmen zu erkennen (Abb. 7.2). Diese völlig melanisierte Organelle stellt also ein kleines Teilchen dar, das einen Durchmesser von 1 Mikron oder weniger hat und aus mit Protein vermischtem Melaninpolymerem besteht. Durch die Melanozyte kann dieses Teilchen als Melaninkörnchen in die Epithelzellen der Epidermis, in einen 226

Abb. 7.2: Elektronenmikroskopische Abbildung eines Teils einer Retinamelanozyte eines 14 Wochen alten menschlichen Embryos mit verschiedenen Melanisierungsstadien (nach A . BREATHNACH).

sich bildenden Haarschaft oder in den Tintensack eines Tintenfisches ausgestoßen werden. Dieses unlösliche hochmolekulare Melanoproteinteilchen stellt die zur Untersuchung gelangende natürliche Melaninprobe dar.

7.3.

Physikalisch-chemische Eigenschaften

Röntgenbeugungsaufnahmen an natürlichen Melaninen gaben keine Hinweise für eine Periodizität oder Kristallinität. Da die Körnchen nicht löslich sind, war die Herstellung von Fasern zwecks Erreichung einer Ausrichtung bisher nicht möglich. Wenn die Körnchen mit K B r gemischt werden und für die Verwendung in der Absorptionsspektroskopie zu Plättchen gepreßt werden, lassen sich im UV- und nahen IR-Bereich keine Absorptionsbanden feststellen (Abb. 7.3 und 7.4). Bei Eintritt in den IR-Bereich tritt eine Reihe breiter Absorptionsbanden auf (Abb. 7.5), die den Banden vieler, sonst sehr unterschiedlicher Substanzen recht ähnlich sind. So sind beispielsweise die natürlichen Tintenfischmelanine und das durch Autoxydation von Catechin hergestellte synthetische Polymere in dieser Hinsicht sehr ähnlich, obwohl sie chemisch natürlich ganz 16

Wyard

227

unterschiedlich sind. Diese Ähnlichkeiten müssen deshalb in gemeinsamen elektronischen Eigenschaften begründet sein, die jedoch nicht direkt die Elementarzusammensetzung oder Einzelheiten der chemischen Struktur widerspiegeln. Da diese Melaninkörnchen hochmolekular sind, können sie unter biologischen Bedingungen bestenfalls kolloidale Lösungen bilden. Für die Herstellung echter Lösungen wäre zuerst eine Hydrolyse primärer Bindungen notwendig. Eine vollständige Hydrolyse und Solubilisierung von Melaninen ist bisher noch nicht erreicht worden, obwohl bei der Behandlung natürlicher Melanine mit solchen

2000

U000

6000 8000 Wellenlänge. rii

10000

12000

Abb. 7.3: Absorptionsspektren im U V und sichtbaren Bereich von (1) in 300 mg K B r dispergiertem 0,1 mg Tintenfischmelanin im Vergleich zu (2) 0,3 mg Holzkohle und (3) 0,1 mg Graphit, die in gleicher Weise mit K B r gemischt wurden.

1,0 0,8 3

0,6 -A

0A 0,2 _L_

H000

16000

18000

20000

_L 22000

2 W00

Wellenlänge CA] Abb. 7.4: Absorptionsspektren im nahen I R von (1) 2 mg Tintenfischmelanin in 300 mg K B r . (2) und (3) sind die gleichen Proben wie in Abb. 7.3.

228

Lösungsmitteln wie Dimethylformamid oder Dimethylsulfoxid eine gewisse Menge an niedermolekularem Material dispergiert wird. Wegen der Schwierigkeit der Herstellung echter Melaninlösungen kann die chemische Untersuchung von Melanin nur indirekt erfolgen. Chemische Abbaumethoden wie die Elementaranalyse sind auf Melanine bereits vor der Jahrhundertwende angewendet worden, jedoch konnte lediglich geschlossen werden, daß es sich um ein stickstoffhaltiges Polymeres handelt. Die Beteiligung von Enzymen an der Melaninsynthese wurde ziemlich früh erkannt. 1 8 9 5 berichteten B O U B Q U E L O T und B E R T R A N D über die Isolierung eines

Abb. 7.5: IR-Absorptionsspektren von (1) Tintenfischmelanin, (2) zu Melanin autoxydiertem Catechin, (3) zu Melanin autoxydiertem L-Dopa, (4) autoxydiertem Hydrochinonpolymerem, (5) Graphit und (6) Holzkohle (alle Proben in KBr-Tabletten).

Enzyms aus Pilzen, das Tyrosin in Melanin umwandelt. Dieses Enzym wurde Tyrosinase genannt und später in allen Pflanzen- und Tierstämmen nachgewiesen. Seit 1925 wurde diese Umwandlung von R A P E R (1928) untersucht, und der letzte Schritt der Synthese wurde später von M A S O N (1948) beschrieben. Dieser RaperMason-Weg der Melaninsynthese ist in Abb. 7.6 wiedergegeben. Einige der Zwischenstufen der Raper-Mason-Synthese sind niemals isoliert worden, und auf ihr kurzlebiges Auftreten ist aus den absorptionsspektroskopischen Ergebnissen geschlossen worden. Dieses Syntheseschema gibt keinen Hinweis auf die chemische Struktur des Pigmentmaterials. Von Zeit zu Zeit sind einige mögliche Strukturen angeregt worden, von denen einige in Abb. 7.7 wiedergegeben sind. Allgemein wurde angenommen, daß Melanin außerordentlich stark konjugiert ist, worauf die tiefschwarze Farbe beruht. Bis in neuere Zeit wurden jedoch keine chemischen Strukturbestimmungen durchgeführt. 1954 bestand die allgemeine Auffassung über Melanin darin, daß diese Pigmente chemisch als hochpolymere konjugierte Indolchinonpolymere anzusehen sind. Aus direkten Versuchen gab es keinen IFI*

229

Hinweis auf die Bindungsanordnung, durch die die Monomereinheiten zusammengehalten werden. 1 9 5 4 erschien eine Arbeit von C O M M O N E R , T O W N S E N D und P A K E , in der über die Beobachtung von ESR-Signalen von natürlichem Melanin berichtet wurde. Sie vermuteten, daß der Paramagnetismus auf freie Radikale zurückzuführen ist, die in dem Pigmentmaterial (in ihrem Falle Melanin aus Froscheiern) eingeschlossen sind. Ihre Hypothese wurde durch Befunde von F R A E N K E L et al. ( 1 9 5 4 ) Leucodopachrom Dopach rom

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Abb. 7.6: Raper-Mason-Weg der Melaninbiosynthese.

Abb. 7.7: Hypothetische Strukturen für Melanin auf Grund der Kondensation von Indochinon-(5.6) in der Raper-Mason-Svnthese.

230

glaubhaft gemacht, die mittels E S R erstmals das Auftreten von in einem Festkörper (Polymethacrylat) eingeschlossenen freien Radikalen nachwiesen. In unseren ersten Untersuchungen an Semichinonradikalen (ADAMS et al., 1958) hatten wir festgestellt, daß am Ende der Oxydation des eingesetzten Chinols die Lösungen dunkel waren und ein unlösliches Material enthielten, das einen permanenten Paramagnetismus aufwies. Die Autoxydation von Phenolverbindungen führt unvermeidlich zur Bildung melaninähnlicher, hochmolekularer, unlöslicher polymerer Stoffe. Die ESR-Absorption dieser Polymere ist ganz allgemein durch das Auftreten einer einzelnen, gewöhnlich strukturlosen Absorptionslinie bei g = 2 und einen permanenten Paramagnetismus gekennzeichnet. In späteren Untersuchungen an Semichinonradikalen wurde eine systematische Korrelation des ^-Faktors mit der Molekülstruktur des Radikals gezeigt (BLOIS et al., 1961) und gefunden, daß solche Moleküle, die eine größere Delokalisation des ungepaarten Elektrons aufweisen, geringere ^-Faktoren besitzen. Die Untersuchung natürlicher Melanine zeigte jedoch, daß die beobachteten ¡/-Faktoren mehr den ^-Faktoren der Monomeren oder Dimeren entsprechen. Das Konzept, daß Melanine sehr stark konjugiert sind, stammte also nicht von Messungen des «/-Faktors freier Radikale. In bezug auf die Polymerstruktur von Melanin standen zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Wenn Melanin hoch konjugiert ist, sollten die ESR-Spektren keine Hyperfeinstruktur zeigen (die Anzahl wechselwirkender paramagnetischer Kerne wäre groß und das Spektrum zu kompliziert, als daß es aufgelöst werden könnte) und der Niere > Herz) für Gewebe, die von beiden Arbeitsgruppen untersucht wurden, die gleiche. Vermutlich wurden die von COMMONER et al. untersuchten Proben nach der Gefriertrocknung der Luft ausgesetzt (das geht aus der Arbeit nicht hervor), so daß in beiden Versuchsreihen die gleichen Radikale festgestellt wurden. Der Sauerstoffeinfluß wurde außerdem von MOROZOVA und B L U M E N F E L D ( 1 9 6 0 ) untersucht, die Leber und Milz von Ratten verwendeten. Sie erhielten ebenfalls Spektren mit einer ¡7-Faktoranisotropie, jedoch einen geringeren Sauerstoffeffekt. Wurden die Proben ohne vorheriges Einfrieren getrocknet, so blieb der Sauerstoffeffekt fast oder völlig aus. Diese Autoren nehmen deshalb an, daß das von M I Y A GAWA et al. beschriebene scheinbare Fehlen eines Spektrums im Vakuum auf das schnelle Einfrieren vor der Lyophilisierung sowie auf ein wenig empfindliches Spektrometer zurückzuführen ist. Die von MOROZOVA und B L U M E N F E L D festgestellte Radikalkonzentration in Rattenleber betrug 1 — 2,5 • 10 17 Spins/g Trockengewicht und kam dem von COMMONER et al. ( 1 9 5 4 ) an lyophilisierter Mäuseleber ermittelten Wert von 2 • 10 17 Spins/g Trockengewicht sehr nahe. Ein etwas anderer Sauerstoffeffekt wurde von L I O N et al. ( 1 9 6 1 ) beobachtet, der mit Bakterien arbeitete. Lyophilisierte und im Vakuum gemessene Escherichia coZi-Zellen lieferten ein schwaches oder gar kein ESR-Spektrum, während nach Sauerstoffzutritt innerhalb weniger Stunden ein Spektrum auftrat. Im Gegensatz zu den Versuchen an Tiergeweben blieb das Spektrum nach der Sauerstoffentfernung stabil. Die Radikalkonzentration betrug 2 • 10 16 Spins/g Trockengewicht und war damit zehnmal kleiner als in Tiergeweben. Ähnliche Ergebnisse wurden von D I M M I C K et al. ( 1 9 6 1 ) an anderen Bakterien, an Serratia marcescens, Sarcina lutea und Micrococcus radiodurans, erhalten, obwohl hier die Signalgröße bei Sauerstoff zutritt nur um den Faktor 2—3 zunahm und die maximale Radikalkonzentration etwa 10 15 Spins/g Trockengewicht betrug. Nach erneuter Evakuierung der Probe nahm das Signal an Intensität nicht ab. Ein neuerer Versuch zur Identifizierung freier Radikale in lyophilisierten Geweben 246

wurde von K A L M A N S O N et al. ( 1 9 6 5 ) unternommen. Diese Autoren verglichen lyophilisierte Gewebe mit Modellsystemen, die aus verschiedenen an Cellulose und Proteinen adsorbierten Chinonen, Phenolen und heteroaromatischen Verbindungen bestanden, die in Lösung Semichinonradikale bilden können. Das ESRSpektrum war in allen Fällen das gleiche. Wenn evakuierte Proben feuchtem Sauerstoff ausgesetzt wurden, nahm das Signal um das Fünffache auf ein Maximum zu und fiel dann wieder ab. Interessant ist, daß das Signalmaximum unabhängig vom Feuchtigkeitsgehalt des Sauerstoffs immer dann auftrat, wenn der Wassergehalt der Probe entsprechend dem „normal gebundenen Wasser" etwa 5% betrug. Ersatz des Sauerstoffs durch Argon verringerte in leicht angefeuchteten Proben die Radikalkonzentration um den Faktor 2—3, während nachfolgender Austausch gegen Sauerstoff die Konzentration wieder fast auf den früheren Wert brachte. Die Kinetik der Konzentrationszunahme bzw. -abnahme war für die lyophilisierten Gewebe und die Modellsysteme praktisch identisch. Die Autoren schlössen in Übereinstimmung mit der Annahme von C O M M O N E R et al., daß die freien Radikale in lyophilisierten Geweben von Cofaktoren von Enzymen, wie Flavinen, Naphthochinonen, Ascorbinsäure, Ubichinonen, Phenolen und Pflanzenflavonen, stammen und diese Verbindungen in einer oxydierten Form vorliegen. Ein im Gegensatz zu den Ergebnissen von C O M M O N E R et al. ( 1 9 5 4 ) stehender Befund war, daß mehrstündiges Kochen von Geweben vor der Lyophilisierung das ESR-Spektrum nicht zum Verschwinden bringt. Aus diesen Untersuchungen geht hervor, daß es bei der Gefriertrocknungstechnik viele Unsicherheitsfaktoren gibt, so daß die Anwendung anderer Techniken wünschenswert ist. 8.2.3.

Frischgewebetechnik

Bei dieser von C O M M O N E R et al. (1956) eingeführten Technik werden die zu untersuchenden Organe den Tieren so schnell wie möglich entnommen und auf zerstoßenem Eis aufbewahrt. Gefrorene Proben wurden 3—4 Wochen auf Trockeneis gelagert, ohne daß irgendwelche Änderungen in der Radikalkonzentration auftraten. Nach Bedarf werden etwa 0,5 mm dicke Gewebeschnitte angefertigt, von denen etwa 50 mg (Frischgewicht) in einer ESR-Flachzelle in einer 5%igen Glucoselösung oder in einer Salzlösung suspendiert werden. Die Spektren werden gewöhnlich bei Zimmertemperatur mit einem hochempfindlichen 9 GHz-Spektrometer aufgenommen. Die größte Schwierigkeit bei dieser Technik ist die Erzielung eines geeigneten Signal/Rausch-Verhältnisses. Über die optimale Konstruktion des Resonators und der darin verwendeten Meßzelle sind umfangreiche Diskussionen geführt worden ( C O M M O N E R et al., 1956; C O M M O N E R und T E R N B E R G , 1961; C O O K und M A L L A R D , 1963; S T O O D L E Y , 1963a, b; W I L M S H U B S T , 1963; C O M M O N E R , 1965; H O R S F I E L D , 1966). Von S T O O D L E Y wurde gezeigt, daß für Mikrowellenspektrometer (3 GHz und mehr) mit wäßrigen Lösungen optimale Empfindlichkeit erreicht wird, wenn ein jff 102 -Rechteckresonator (seine Länge entspricht einer Wellenlänge.) und eine Flachzelle benutzt werden, wobei die Flachzelle 0,31 mm dick ist und bei 9 GHz ein Volumen von 0,072 ml besitzt. Ähnliche Berechnungen wie die von S T O O D L E Y sind in Abschnitt 5.3 im 5. Kapitel angeführt. Mit einem 247

größeren Resonator nimmt die optimale Probendicke langsam zu (für einen 15 Wellenlängen langen Resonator liegt die Zunahme aber noch unter 1 mm), jedoch nimmt die Empfindlichkeit mit der Zunahme der Resonatorlänge stetig ab. Einige Autoren haben jedoch bei biologischen Proben 1 mm starke Zellen zusammen mit mehreren Wellenlängen langen Resonatoren benutzt und behaupten, daß die Vorteile der größeren Geräumigkeit der Zelle und der weniger kritischen Justierung der Zelle im Resonator den Empfindlichkeitsverlust überkompensieren. S T O O D L E Y zeigte auch, daß nach der Festlegung der optimalen Größe von Zelle und Resonator die Empfindlichkeit innerhalb des Mikrowellenbereichs mit der Frequenz zunimmt. Die Empfindlichkeitsänderung ist gering, und zwischen den praktischen Grenzen von 3 und 37,5 GHz beträgt die Zunahme nur etwa den Faktor 4,3. Außerdem wird die Zelle bei höheren Frequenzen sehr flach, was die Verwendung für biologische Gewebe erschwert. Bei optimalen Abmessungen von Zelle und Resonator kann die Empfindlichkeit für eine wäßrige Probe bei 9 GHz unter Standardbedingungen (Mikrowellenleistung 1 mW, Zeitkonstante 1 sec) zu 4 • 1013 AH Spins/ml (6 • 10-8 AH • Mol) berechnet werden. Hierfür wird eine Empfindlichkeit von 5 • 1011 • AH Spins für eine punktförmige Probe (vgl. 1. Kapitel, Abschnitt 1.4.) angenommen und die Empfindlichkeitsverringerung als Folge der Probengröße und des dielektrischen Verlustes von Wasser in Betracht gezogen. AH beträgt für biologische Gewebe etwa 10 G, so daß die minimal nachweisbare Konzentration 4 • 1014 Radikale/ml beträgt. Da die Radikalkonzentration vieler frischer Gewebe in der Größenordnung von 6 • 1014 Radikale/ml (in manchen Proben auch beträchtlich darunter) liegt, wird die Empfindlichkeit zu einem Problem. Da die Radikale in Lösung nicht so leicht zu sättigen sind, kann aber die Leistung erhöht werden. Auch ist eine Vergrößerung der Zeitkonstante möglich, und mit einem genügend stabilen Spektrometer kann die Zeitkonstante bis auf 100 sec erhöht werden ( H O R S F I E L D , 1966). Einige Autoren hielten die Zeitkonstante klein und summierten eine Anzahl wiederholter Spektrendurchgänge auf einem Vielkanalanalysator ( V I T H A Y A T H I L et al., 1965; M A L L A B D und K E N T , 1966). Dadurch kann die Empfindlichkeit um zwei Größenordnungen verbessert werden, was für alle Gewebe ausreichend ist. Voraussetzung ist, daß die Empfindlichkeit nicht durch andere Faktoren, wie die Instabilität des Spektrometers, oder durch paramagnetische Verunreinigungen in der Zelle oder im Resonator verringert wird. Die Analyse von S T O O D L E Y gilt nicht für Spektrometer, die bei niedrigeren Frequenzen arbeiten, da hier ganz andere Zellen und Resonatoren verwendet werden. Bei 2 8 0 MHz erhielten H I L L und W Y A R D ( 1 9 6 7 ) mit einer wäßrigen Probe von 10 ml eine Empfindlichkeit von 1,5 • 1014 AH Radikale/ml, die also im Vergleich zu 9 GHz um den Faktor 4 geringer ist. Spektrometern, die bei niedrigeren Frequenzen arbeiten, ist bisher, weniger Aufmerksamkeit geschenkt worden, so daß ihre Empfindlichkeit für wäßrige Proben möglicherweise auf die Empfindlichkeit von Spektrometern, die bei höheren Frequenzen arbeiten, gebracht werden kann. Ein möglicher Vorteil der Messung bei niedrigeren Frequenzen bestände in einer leichten Durchmischung mit Sauerstoff während der Messung. Bei hohen Frequenzen kann das in den engen Meßzellen nicht durchgeführt werden, so daß alle bisher an Frischgeweben vorgenommenen Messungen im wesentlichen unter anaeroben Bedingungen ausgeführt wurden. Spektren von Frischgeweben bestehen im allgemeinen aus einer Einzellinie bei 248

g = 2 (vgl. Abb. 8.2). Die Breite zwischen den Extrema der 1. Ableitung beträgt 1 4 G ( M A L L A K D und K E N T , 1 9 6 6 ) . In diesen Proben kann die Dipolverbreiterung durch die Protonen der Wassermoleküle mit 6—10 G zur Linienbreite beitragen ( W Y A B D , 1 9 6 5 ) , so daß die Spektren infolge dieser Verbreiterung den Spektren lyophilisierter Gewebe sehr ähnlich sind und wahrscheinlich von den gleichen Radikalen stammen. Die Konzentrationen sind in Frischgeweben jedoch viel geringer. So ergab die Gefriertechnik für Mäuseleber 4,5 • 10 18 Radikale/g Frischgewebe ( C O M M O N E K et al., 1 9 5 4 ) , während die Frischgewebetechnik 2 , 7 • 1 0 1 5 Radikale/g Frischgewebe erbrachte ( C O M M O N E B und T E K N B E R G , 1 9 6 1 ) , was rund zwanzigmal weniger ist. Nebenniere

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Abb. 8.2: ESR-Spektren von frischen Meerschweinchengeweben. Jedes Spektrum stellt die Überlagerung von 3 — 6 aufeinanderfolgenden Aufzeichnungen d a r ( n a c h COMMONBR u n d T E R N B E R G ( 1 9 6 1 ) ) .

249

ESR-Spektren von frischen Geweben sind nicht von Spektren zu unterscheiden, die von freien Radikalen aus enzymatischen Redoxsystemen stammen, wie z. B . von Succinatdehydrogenase, /J-Hydroxybutyratdehydrogenase und Cytochromreductase oder Mitochondrien, die diese Enzymsysteme enthalten. Darüber hinaus stimmt die relative Intensität der ESR-Spektren mit der bekannten Verteilung von Mitochondrien in Säugetiergeweben überein (COMMONER und T E R N BERG, 1961). Es gibt deshalb wenig Zweifel daran, daß diese Spektren von Semichinonradikalen stammen, die mit enzymatischen Redoxsystemen zusammenhängen. Zwischen der Temperaturabhängigkeit der ESR-Intensität frischer Gewebe und der Spektrenintensität von Mitochondrien oder aus Mitochondrien isolierter Enzyme gibt es gewisse Unterschiede, jedoch ist die Intensität der ESR-Absorption proportional der Gleichgewichtskonzentration solcher in oxydierter, radikalischer Form vorliegenden Cofaktoren von Enzymen und hängt deshalb von einer Reihe von Parametern ab, die sich wahrscheinlich in intakten Geweben und isolierten Systemen voneinander unterscheiden. Die unterschiedliche Intensität von Spektren frischer Gewebe und lyophilisierter Proben kann in ähnlicher Weise auf den Gefriertrocknungsprozeß zurückzuführen sein, der einen größeren Teil der Enzymcofaktoren in die Radikalform überführt. 8.2.4.

Einfriertechnik

Die Spektrometerempfindlichkeit reicht für diese Technik aus, da sie in der gleichen Größenordnung wie für trockene Proben liegt. Bei Messungen bei 77 °K tritt entsprechend dem Boltzmann-Faktor sogar ein Gewinn an Empfindlichkeit um den Faktor 4 ein, obwohl dieser Faktor wegen des kleineren Probe Volumens als Folge der Anordnung in einem Dewargefäß wieder kompensiert werden kann. T R U B Y und GOLDZIEHER (1958) konnten jedoch Proben in einer Größe von 1,7 g verwenden. Bei Tiergeweben besteht das Spektrum bei 9 GHz aus einer von freien Radikalen stammenden Linie mit einem (/-Faktor in der Nähe von 2 und einer Linienbreite zwischen den Extrema der 1 . Ableitung von 1 4 G ( K E R K U T et al., 1 9 6 1 ) . Das entspricht den Werten frischer Gewebe, und analog geht ein großer Teil der Linienbreite auf in der Probe vorhandenes Wasser zurück. Mit dieser Technik sind nur sehr wenige Bestimmungen der Radikalkonzentration durchgeführt worden. T R U B Y und GOLDZIEHER ( 1 9 5 8 ) fanden aber, daß in Rattenleber die Radikalkonzentration pro Gramm Frischgewicht fünfmal geringer ist als in gefriergetrocknetem Gewebe. Das ist in annähernder Übereinstimmung mit Beobachtungen von COMMONER und T E R N B E R G ( 1 9 6 1 ) , die festgestellt hatten, daß die Spektrenintensität von frischer Meerschweinchenniere bei Temperaturerniedrigung von 36 auf 0°C um den Faktor 2 zunahm und diesen Faktor nach der Einfrierung beibehielt. Vermutlich wird sich die Intensität bei Verringerung der Temperatur des eingefrorenen Gewebes auf 77 °K nicht ändern, so daß das Spektrum auf die gleichen Radikale wie bei der Frischgewebetechnik zurückzuführen ist, auch wenn geringe Konzentrationsunterschiede auftreten können. Es wurde beobachtet, daß die Radikalkonzentration von frisch entnommenem Gewebe während der Aufbewahrung bei Zimmertemperatur in der ersten Stunde um 5 0 % abnimmt ( K E R K U T et al., 1 9 6 1 ) . Bei höheren Temperaturen erfolgt die

250

Abnahme noch schneller, jedoch ist es möglich, das Gewebe in 1—2 Minuten auf 1—5°C und innerhalb 5 Minuten auf 77 ° K abzukühlen (BRENNAN et al., 1965), so daß während dieser Zeit nur ein sehr geringer Radikalzerfall eintreten sollte. In Betracht zu ziehen ist auch, ob diese Technik möglicherweise zu ESR-Spektren von Artefakten führt. BRENNAN et al. (1965) haben die Frage der Schädigung von Geweben durch das Einfrieren untersucht und kommen zu dem Schluß, daß die Schäden minimal sind und die Einfriertechnik tatsächlich die besten Bedingungen für die Untersuchung von ESR-Spektren liefert.

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Abb. 8.3: ESR-Spektren von Tiergeweben bei 77 °K, die einen Sättigungseffekt zeigen (nach SWARTZ und MOLENDA (1965)). Die waagerechten Markierungen stellen die Lage und Breite des Signals des freien Radikals DPPH dar: (a) Leber bei „normaler" Leistung, (b) Leber bei 20 db Dämpfung der „normalen" Leistung, (c) Herz bei „normaler" Leistung, (d) Herz bei 10 db Dämpfung, (e) Herz bei 20 db Dämpfung, (f) Lunge bei „normaler" Leistung, (g) Lunge bei 20 db Dämpfung, (h) Leber bei 10 db Dämpfung, (f) Leber bei 20 db Dämpfung.

Neben der von freien Radikalen herrührenden Linie bei g = 2 ergeben gefrorene Gewebe häufig auch ein breites Spektrum, das auf paramagnetische Metallionen

z u r ü c k z u f ü h r e n ist (Abb. 8.3). SWABTZ u n d MOLENDA (1965) zeigten, d a ß beide

Spektrenanteile durch eine geeignete Einstellung der am Ort der Probe auftretenden Mikrowellenleistung voneinander unterschieden werden können. So wurden die Spektren a und b in Abb. 8.3 von derselben Probe aufgenommen, wobei die Leistung beim Übergang von a zu b um 20 db verringert wurde. Obgleich MALLARD u n d KENT (1966) über Linien bei

g = 2,01

und

g & 4

in

Tumoren berichteten, die sie auf paramagnetische Metallionen zurückführten, so werden paramagnetische Metallionen in frischen Geweben normalerweise nicht beobachtet, was durch die geringere Empfindlichkeit dieser Technik zu erklären ist. Paramagnetische MetalLLonen sind — mit Ausnahme von Blut (Yarian Associates, 1957) — auch nicht in gefriergetrocknetem Material festgestellt worden, obgleich bei entsprechender Suche Spektren von paramagnetischen Metallionen wahrscheinlich auch in anderen lyophilisierten Geweben gefunden werden. Paramagnetische Metallionen sind dagegen in Geweben nachgewiesen worden, 251

die von Natur aus trocken sind, so Kupfer und Mangan in Pflanzenmaterialien (SHIELDS et al., 1956) und Mangan und wahrscheinlich Eisen in Ameisen (KBEBS u n d BENSON, 1965).

8.2.5.

Gegenüberstellung der drei Techniken

Die Schlußfolgerungen der vorangegangenen Abschnitte kann man dahingehend zusammenfassen, daß die Bedingungen der Frischgewebetechnik den normalen Bedingungen, an denen man wahrscheinlich am meisten interessiert ist, am nächsten kommen. Die Messungen werden jedoch unter vornehmlich anaeroben Bedingungen vorgenommen, und interessant wäre der Vergleich mit dem Einfluß von Sauerstoff in der Lösung. Ein Durchmischen der Lösung mit Sauerstoff wäre bei Spektrometern möglich, die bei niedrigeren Frequenzen arbeiten. Man sollte aber daran denken, daß COMMONER und TERNBERG (1961) keinen Unterschied fanden, wenn die Probe kurz vor der Messung mit 0 2 oder N 2 gesättigt wurde. Die Empfindlichkeit ist für die Radikale der meisten Gewebe ausreichend, sie kann jedoch bei einigen Geweben und für paramagnetische Metallionen im allgemeinen zu gering sein. Die Einfriertechnik weist eine beträchtlich größere Empfindlichkeit auf. Obwohl in keinem Laboratorium bisher ein detaillierter Vergleich angestellt wurde, scheint die Radikalkonzentration in schnell eingefrorenen Geweben mit der in Frischgeweben vergleichbar zu sein. Es gibt jedoch Unterschiede, die zwar klein sind, aber trotzdem von Bedeutung sein könnten. So ist die Radikalkonzentration in frischen Tumorgeweben sehr gering und gewöhnlich nicht nachweisbar, während bei Benutzung der Einfriertechnik eine geringe Konzentration eindeutig nachzuweisen ist. Diese Radikalkonzentration beträgt beim Rattenhepatom etwa ein Drittel der Konzentration des entsprechenden normalen Gewebes (TRTTBY und GOLDZIEHER, 1958). Nach der Gefriertrocknungstechnik gibt es zwischen Tumorund normalem Gewebe noch weniger Unterschiede, denn die Radikalkonzentration in einem Mäusehepatom betrug zwei Drittel der Konzentration in Mäuseleber (COMMONER et al., 1954). Für die möglichst genaue Bestimmung von Radikalkonzentrationen ist die Einfriertechnik geeignet, da die Güte des Resonators durch kleine Änderungen in der Größe, Form und Justierung der Probe sehr wenig beeinflußt wird. Notwendig ist diese Technik bei der Untersuchung paramagnetischer Metallionen. Die Gefriertrocknungstechnik hat historische Bedeutung. Jetzt ist sie von geringerem Wert, zum Teil deshalb, weil die erhaltenen Radikalkonzentrationen beträchtlich von den mit den beiden anderen Techniken bestimmten Konzentrationen abweichen, und zum Teil deswegen, weil die Radikalkonzentration sehr stark von den Einzelheiten des Gefriertrocknungsprozesses abhängt. Wegen ihrer großen Empfindlichkeit kann sie aber für eine Voruntersuchung nützlich sein. 8.2.6.

Interpretation der Spektren

Die Interpretation der Spektren ist schwierig, da die Bedingungen für eine gute Auflösung ungünstig sind. Eine Orientierung der Radikale in einer bestimmten Richtung ist nicht möglich, und selbst wenn flüssige Suspensionen benutzt werden 252

können (Frischgewebetechnik), sind die Radikale im allgemeinen an große Proteinmoleküle gebunden, so daß die für die Ausmittlung irgendwelcher Anisotropien erforderliche schnelle Fluktuationsbewegung der Radikale verhindert wird. Darüber hinaus kann in der Probe eine Anzahl verschiedenartiger paramagnetischer Teilchen vorhanden sein. Die Möglichkeit von Artefakten darf nicht übersehen werden. Diese schließen die Verunreinigung mit paramagnetischen oder ferromagnetischen Ionen (BLOIS et al., 1963; MALIN G et al., 1963), die Bildung freier Radikale durch mechanische Schädigung (ULBERT, 1962) und Veränderungen als Folge des Gefriertrocknungsvorganges ein (Varian Associates, 1957). Die Bestimmung der Konzentration an freien Radikalen oder paramagnetischen Metallionen, die für das Zustandekommen des Spektrums verantwortlich sind, ist im Prinzip einfach, und die hierfür verwendeten Techniken sind im 1. und 3. Kapitel behandelt worden. Mit der möglichen Anwesenheit anderer Radikale und Ionen, die nicht nachweisbare Spektren liefern, weil die Linien zu breit sind, sollte jedoch stets gerechnet werden. Für gewöhnlich ist eine Unterscheidung zwischen freien Radikalen und paramagnetischen Metallionen möglich. Das Hauptkriterium besteht darin, daß Radikale Spektren mit (/-Faktoren in der Nähe des Wertes für das freie Elektron (g = 2,00232) besitzen. Die größten Abweichungen (bis zu 3%) treten auf, wenn das ungepaarte Elektron hauptsächlich an einem Sauerstoff- oder Schwefelatom lokalisiert ist. Paramagnetische Metallionen weisen dagegen im allgemeinen große gr-Faktorabweichungen auf, so' z. B. hat Eisen in Proteinen einen ^-Faktor zwischen 1,93 und 6. Einige Metallionen können jedoch eine Linie bei g = 2 ergeben, die irrtümlich einem freien Radikal zugeschrieben werden könnte. Als zweites Kriterium wird deshalb in solchen Fällen die Mikrowellensättigung ausgenutzt. Radikale haben wegen ihrer schwachen Spin-Bahn-Kopplung lange Relaxationszeiten und sind leicht zu sättigen, während paramagnetische Metallionen kurze Relaxationszeiten haben und schwer zu sättigen sind. Dieser Unterschied geht sehr deutlich aus Abb. 8.3 hervor. Die Bedeutung der Sättigung ist nicht in allen ESR-Arbeiten an biologischen Geweben berücksichtigt worden. Natürlich ist es wichtig, bei der Konzentrationsbestimmung eine Sättigung zu vermeiden. Bei der Durchführung von Sättigungsmessungen ist der wichtigste Parameter die Amplitude des magnetischen Mikrowellenfeldes an der Probe, und dieser Parameter hängt von solchen Faktoren wie dem Resonatortyp und der Mikrowellenfrequenz als auch von der Größe der einfallenden Leistung ab (für eine eingehende Behandlung vgl. 1. Kapitel). Darüber hinaus hängt die Relaxationszeit, die das Sättigungsverhalten bedingt, von der Umgebung des Radikals oder Ions ab. Allgemein ist die Relaxationszeit in Flüssigkeiten kürzer als in Festkörpern, und in Festkörpern ist sie bei Zimmertemperatur im allgemeinen kürzer als bei tiefer Temperatur. Wenn die Relaxationszeit sehr kurz ist, wird die ESR-Linie verbreitert (vgl. 1. Kapitel) und ist dann eventuell nicht mehr nachweisbar. Aus diesem Grunde können die Spektren mancher paramagnetischer Metallionen nur bei tiefer Temperatur beobachtet werden. Nach der Unterscheidung zwischen freien Radikalen und paramagnetischen Metallionen wäre der nächste logische Schritt die Identifizierung der einzelnen Spezies. Insbesondere für Radikale in Geweben ist das jedoch nur selten möglich. Die Spektren von paramagnetischen Metallionen in biologischen Proben sind sehr 253

kompliziert. Eine brauchbare Spektrenzusammenstellung, einschließlich für Cu2+, Fe 2+ und Fe3+, Mn2+, Molybdän, Co2+ und Co3+ und Vanadium (V+, V3+ und V 4+ ), erschien in einem Übersichtsartikel von B E I N E B T und PALMER ( 1 9 6 5 ) 1 . Es ergibt sich die Möglichkeit, durch Vergleich mit diesen Spektren paramagnetische Metallionen in Gewebeproben zu identifizieren. Der von Radikalen stammende Teil des Spektrums ist gewöhnlich für alle Gewebe gleich und besteht aus einer strukturlosen Einzellinie, über die keine Identifizierung möglich ist. Sorgfältige gr-Faktor- und Linienbestimmungen sowie die Ermittlung der Linienform könnten zur Unterscheidung der Spektren unterschiedlicher Proben und zur Korrelation mit anderen biologischen Befunden führen. Gelegentlich wurde eine Hyperfeinstruktur beobachtet 2 . Das bedeutet, daß das Spektrum entweder isotrop ist oder daß das Radikal mit einer solchen Geschwindigkeit Fluktuationsbewegungen ausführt, daß die anisotropen Anteile der Hfs-Wechselwirkung und die gr-Faktoranisotropie ausgemittelt werden. Die Bedingung hierfür ist t ZC
Frischgewicht, die in einem durch Buttergelb (4-Dimethylaminoazobenzol) induzierten Leberkarzinom auftrat. In Metastasen dieses Lebertumors entsprach diese Linie sogar einer noch größeren Konzentration, außerdem wurde eine schwächere Linie bei g = 4 festgestellt. Diese Linien wurden weder in normalen Geweben noch in anderen untersuchten Tumoren nachgewiesen. Sie wurden auf paramagnetische Metallionen zurückgeführt (wahrscheinlich Eisen oder Molybdän), und es wurde angenommen, daß diese Metallionen im Tumor wahrscheinlich in einem anderen Bindungszustand auftreten und im Vergleich zu normalen Geweben keine unterschiedliche Konzentration aufweisen. 260

Die genannten ESR-Untersuchungen waren von Interesse, weil sie StoffwechselUnterschiede zwischen Tumor- und normalem Gewebe widerspiegelten. Eine Beobachtung anderer Art wurde dann von V I T H A Y A T H I L et al. ( 1 9 6 5 ) gemacht. Bei diesen Versuchen wurden in Ratten durch Verabreichung einer Diät unter Zusatz eines Karzinogens, wie 4-Dimethylaminoazobenzol (Buttergelb), Thioacetamid oder 2-Acetaminofluoren, Lebertumoren erzeugt. In Abständen von einigen Tagen wurden aus den Versuchsgruppen und aus den mit normaler Diät gefütterten Kontroilgruppen Tiere herausgesucht und unter Benutzung der Frischgewebetechnik ESR-Spektren von Leberproben aufgenommen. Eine Reihe

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Abb. 8.7: ESR-Spektrum eines Neuroblastoms 16 Tage nach Transplantation in weibliche A/JAX-Mäuse (Messung bei 77°K, nach BREUNAS et al. (1965)).

von Spektren ist in Abb. 8.8 wiedergegeben. Bei allen Gruppen, die eine krebserzeugende Diät erhielten, trat eine neue ESR-Linie bei g = 2,035 auf, die vorher in keinem anderen Gewebe beobachtet worden war. Diese Linie, die neben der normalen Linie bei g = 2,005 beobachtet wurde, erschien kurz nach der Diäteinführung, wuchs dann zu einem Maximum an, das in derselben Größenordnung

Diättage

Kontrolle

Buttergelb

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g = g =

2,005

2,035

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2,005

500

Abb. 8.8: Bei 15 °C aufgenommene ESR-Spektren von Rattenleber. Die Spektren auf der linken Seite stammen von Ratten, die mit einer Buttergelbdiät gefüttert wurden, die Spektien auf der rechten Seite von Ratten mit normaler Diät. Die Intensität der verschiedenen Spektren ist nicht direkt vergleichbar. Nach V I T H A Y A T H I L et al. (1965).

wie die normale Linie lag, und verschwand danach wieder. Der Zeitraum zwischen dem Auftreten und Verschwinden des neuen ESR-Signals war proportional der Zeit, die für das Auftreten von Tumoren nach Verabreichung der verschiedenen Karzinogene erforderlich ist. In jedem Falle verschwand die neue Linie, bevor Tumoren auftraten, und war in einem sehr frühen Stadium vorhanden, wenn die histologischen Veränderungen noch minimal und unspezifisch waren, so daß diese ESR-Linie das erste Zeichen für einen heranwachsenden Tumor darstellte. Die Herkunft der neuen Linie ist nicht bekannt. Da sie für die drei verschiedenen 262

Karzinogene die gleiche war, ist es unwahrscheinlich, daß sie von einem aus d e m Karzinogen gebildeten Radikal stammt. Wahrscheinlich rührt sie v o n irgendeiner Komponente in der Zelle her. Diese Untersuchungen sind so ermutigend, daß sie weitere Arbeiten an Tumorgeweben rechtfertigen. 1 Sie zeigen außerdem, daß die ESR-Spektroskopie in diesem Zusammenhang drei Anwendungen haben kann: a) Untersuchung der Stoffwechselunterschiede zwischen Tumor- u n d normalen Geweben, b) Untersuchung des Mechanismus der Tumorbildung, c) Schaffung eines frühen Warnsystems für den Tumornachweis in verdächtigen, jedoch nicht eindeutig malignen Geweben. I n Hinblick auf diese letztere Anwendung berichteten H O D G K I X S O N und C O L E (1965), die Spektren v o n 112 Proben normaler oder maligner Gewebe aus Cervix und Vagina v o n 77 Patientinnen aufnahmen, auf der Jahrestagung des American College of Obstetricians and Gynaecologists, daß „die E S R - B e f u n d e zeigen, daß in Gewebeproben v o n Patientinnen mit atypischen oder vermutlich präkanzerösen Papanicolaou-Abstrichen eine Zunahme der Radikalkonzentration über den Normalwert hinaus zu verzeichnen ist". 1

Anm. der dt. Hrsg.: ESR-Untersuchungen an Tumorgeweben wurden weiter von S A P B I N , et al. (1966a, b), K O Z L O V und D O B R I N A (1966), S A P R I N , M I N E N K O V A et al. (1966, 1967), S A P R I N , N A G L E B et al. (1966), P E T Y A E V und R E S N I K O V (1967) sowie D U C H E S N E et al. (1969, 1970) durchgeführt. D U C H E S N E et al. (1969) erhielten mit der Frischgewebetechnik nach Fütterung von 4-Dimethylaminoazobenzol und 2-Acetaminofluoren (AAF) an Ratten ähnliche Ergebnisse wie V I T H A Y A T H I L et al. (1965), indem nach Verabreichung von AAF die Radikalkonzentration in der Leber anfangs stieg, dann aber mit der Ausbildung des Hepatoms ständig abnahm. Ähnlich beobachteten S A P B I N , K L O C H K O et al. (1966a), die bei ihren Untersuchungen die Gefriertrocknungstechnik benutzten, daß die Entwicklung einer Leukämie in Mäusen mit einem anfänglichen Anstieg der Radikalkonzentration in der Milz begleitet ist und dann nach Durchschreiten eines Maximums die Radikalkonzentration bis zum Tode der Tiere bis auf nicht mehr nachweisbare Werte abfällt. Das Maximum fällt mit den ersten Anzeichen für die Ausbildung einer Leukose zusammen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß die Radikalkonzentration in Leukozyten bei Leukosen zunimmt ( P A V L O V A und L I N V E N S O N , 1965; K L O C H K O et al., 1970). Auch bei der Herausbildung von Aszitessarkom 37 wurde festgestellt, daß die Radikalkonzentration verschiedener Gewebe zunächst zunimmt und später unter den Normalwert absinkt ( S A P R I N , M I N E N K O V A et al., 1966). Die Untersuchung der Radikalkonzentration nach Verabreichung von Tumorstatika (ThioTEPA) an Ratten mit Aszitessarkom 37 und Walker-Karzinosarkom ergab keine eindeutigen Ergebnisse ( S A P R I N , M I N E N K O V A et al., 1967). Dagegen fanden S A P B I N , K L O C H K O et al. (1966b), daß der Radikalgehalt der Milz leukämischer Mäuse durch Verabreichung von Radikalinhibitoren herabgesetzt wird, während gleichzeitig die Milzvergrößerung als Zeichen für die Ausbildung einer Leukose verringert wird. Ähnlich stellten K O Z L O V und D O B R I N A (1966) fest, daß der Radikalinhibitor Acrylamid in Mäusen mit Crocker-Sarkom sowohl das Tumorwachstum als auch die Radikalkonzentration reduziert. Schließlich soll noch erwähnt werden, daß freien Radikalen nicht nur bei der Krebsentstehung, sondern auch bei der Alterung eine Rolle zugesprochen wird ( H A R M A N , 1 9 6 5 , 1 9 6 8 , 1 9 6 9 ) . ESR-Untersuchungen gibt es zu dieser Fragestellung bisher nur wenige. In orientierenden Versuchen an Ratten und Mäusen wurde festgestellt, daß der Radikalgehalt von Leber und Niere mit zunehmendem Alter abnimmt ( D U C H E S N E und V A N D E V O R S T , KLOCHKO

1969).

263

8.3.3.

Gelbsucht

Die Anwendung der ESR auf Gelbsuchterkrankungen geht auf eine empirische Beobachtung von C O M M O N E B und T E R N B E R G (1961) zurück. Diese Autoren hatten eine Anzahl menschlicher Leberproben untersucht, die bei verschiedenen chirurgischen Eingriffen durch Biopsie erhalten worden waren, und festgestellt, daß Proben von Gelbsuchtfällen, die durch Verschluß der Gallengänge hervorgerufen wurden, Spektren lieferten, die etwa dreimal so intensiv wie Spektren normaler

Abb. 8.9: ESR-Spektren von Leberproben von drei Verschlußikteruspatienten im Vergleich zu normaler menschlicher Leber. Die Spektren wurden mit der Frischgewebetechnik aufgenommen (nach COMMONER und TERNBERG (1961)).

264

menschlicher Leber waren. Die Beispiele für diese Spektren in Abb. 8.9 lassen erkennen, daß sie sich von denen der meisten anderen biologischen Gewebe bis auf die Intensität nicht unterscheiden. Dieser ersten Beobachtung folgte ein klinischer Versuch derselben Autoren (TEKNBEBG und COMMONER, 1 9 6 3 ) , der 6 5 Fälle umfaßte, von denen 1 2 Fälle einen Verschlußikterus und 8 Fälle eine nicht durch Verschluß hervorgerufene Gelbsucht darstellten, während die anderen 45 Fälle keine Gelbsucht aufwiesen und als Kontrolle dienten. Für die ESR-Messungen wurden 50 mg Gewebe entnommen, d. h. eine Menge, die durch Nadelbiopsie erhältlich ist. Die Spektrenaufnahme und Bestimmung der Radikalkonzentration erfolgte mit Hilfe der Frischgewebetechnik. Bei den nicht an Gelbsucht erkrankten Patienten schwankten die Konzentrationen zwischen 1,3 • 1015 und 6,0 • 1015 Radikale/«/ Frischgewicht (Mittelwert 3 • 1015), was der in der Leber von Versuchstieren gefundenen Konzentration entspricht. Bei den Patienten mit einer Gelbsucht, die nicht durch einen Verschluß bedingt war, schwankten die Konzentrationen zwischen 0 und 7,2 • 1015 Radikale/^ Frischgewicht (Mittelwert 2,9 • 1015) und kamen damit der Konzentration bei den nicht an Gelbsucht Erkrankten sehr nahe. Bei Verschlußikterus betrug die Konzentration 4,8 • 1015 bis 25,8 • 1015 Radikale/«/ Frischgewicht und mit Ausnahme zweier nicht eindeutiger Fälle waren die Radikalkonzentrationen in der Leber von Verschlußikteruspatienten höher als bei allen anderen Patienten. Bei dieser Versuchsreihe wurde eine Operation ausgeführt, da die Ursache der Gelbsucht unbekannt war. Die Diagnose wurde durch die Operation bestätigt. Die ESR-Messungen hatten bei 18 von 20 Fällen eine richtige Unterscheidung getroffen und bei den beiden anderen Fällen einen unsicheren Verdacht ergeben. Da die gegenwärtig verwendeten Methoden der klinischen Diagnostik nicht immer in der Lage sind, eine richtige Differentialdiagnose der Gelbsucht zu liefern, scheint ESR-Untersuchungen als Labortest ein beträchtlicher Wert zuzukommen. 8.4.

Andere medizinische Anwendungen der ESR

Dieser Abschnitt ist ein kurzer Überblick über ESR-Untersuchungen an biologisch aktiven Verbindungen, die ebenfalls eine medizinische Anwendung finden könnten. Die Ergebnisse haben aber meist spekulativen Charakter oder bedürfen einer weiteren Überprüfung. 8.4.1.

Karzinogene

Bereits vor vielen Jahren wurden Vermutungen geäußert, daß bestimmte chemische Verbindungen karzinogen wirken, weil sie in Radikalform auftreten können ( K E K S L E R et al., 1942). ESR-Spektren von freien Radikalen, die aus chemischen Karzinogenen entstehen, können auf verschiedene Art erhalten werden ( L I P K I N et al., 1953; K O N und B L O I S , 1958).1 Das Interesse an freien Radikalen als mög1

A n m . der d t . H r s g . : Vgl. a u c h NAGATA e t al. (1966, 1967), RONDIA e t al. (1967) u n d BORTJ-

KAEVA et al. (1969). Am interessantesten ist von diesen Untersuchungen die Arbeit von NAGATA et al. (1967). Diese Autoren stellten fest, daß die Kanzerogene 3.4-Benzpyren und

265

licher K r e b s u r s a c h e hält weiter a n (INGRAM, 1958; SZENT-GYÖRGYI et al., 1960),

obwohl es für diese Hypothese keinen direkten Beweis gibt. 1 Eine karzinogene Substanz, an der eine ganze Reihe von ESR-Untersuchungen durchgeführt wurden, ist Tabakrauch. LYONS et al. (1958) leiteten Tabakrauch durch ein in flüssigen Sauerstoff eintauchendes Rohr und erhielten ein hellgelbes Kondensat, das ein ESR-Spektrum mit einer Intensität entsprechend 1015 Radikale/gr zeigte. Durch Erwärmen des Kondensats auf 60 °C für etwa 5 Minuten, Abkühlung und erneute Spektrenaufnahme wurde nachgewiesen, daß die meisten Radikale relativ instabil waren, während etwa ein Sechstel der in einer Teerkomponente enthaltenen Radikale sich als sehr stabil erwies. Beobachtungen von WYABD (1960) an Tabakrauchteer zeigten, daß die freien Radikale in festen Partikeln enthalten sind und wahrscheinlich Verkohlungsprodukte darstellen. Auch LYONS et al. berichteten, daß die Konzentration an stabilen Radikalen in Ruß, der bekanntlich ebenfalls krebserregend wirkt, etwa hundertmal größer als in Zigarettenrauch ist. MABSDEN u n d C O Ü I N S (1963) w i e d e r h o l t e n d i e M e s s u n g e n v o n LYONS e t a l . u n d

erhielten ähnliche Ergebnisse. Sie beobachteten, daß die Radikalkonzentration im Rauch je nach Tabaktyp unterschiedlich ist und mit der «-Partikelaktivität im Tabak parallel läuft. Sie nahmen deshalb an, daß die «-Strahlung in den Tabakblättern als Ursache der Radikalbildung eine Alternative zur Pyrolyse darstellt. Zwei neuere Untersuchungen haben auf die Radikale im Tabakrauch weitere Aufmerksamkeit gelenkt. FOBBES und ROBINSON (1967) entdeckten, daß bestimmte polyaromatische Kohlenwasserstoffe nach dem Erhitzen über ihren Schmelzpunkt hinaus sehr gut aufgelöste ESR-Spektren geben. Abb. 8.10 zeigt ein solches Spektrum, das von 3.4-Benzpyren nach dem Erhitzen im Vakuum auf 197 °C stammt. Zutritt von Luft zu der erhitzten Verbindung gibt zu einem anderen Spektrum Anlaß, und weder das eine noch das andere Spektrum ist mit den Spektren des Benzpyrenanion- oder Benzpyrenkationradikals identisch. Da das als Karzinogen bekannte 3.4-Benzpyren im Tabakrauchkondensat enthalten ist und die krebserregende Wirkung des Kondensats größer als das seiner Bestandteile ist, vermuten die Autoren, daß die gesteigerte karzinogene Wirkung

1

3-MethylchoIanthren bei Inkubation mit Hauthomogenaten oder bestimmten Proteinen Radikale bilden (nicht jedoch mit D N S oder RNS), während einige nichtkanzerogene Verbindungen wie Pyren oder Phenanthren unter gleichen Bedingungen zu keiner ESRAbsorption führen. Anm. der dt. Hrsg.: SZENT-GYÖROYI et al. (1960) hatten in ESR-Untersuchungen festgestellt, daß eine Reihe karzinogener polycyclischer Kohlenwasserstoffe und aromatischer Amine als starke Elektronendonatoren mit Elektronenakzeptoren paramagnetische Molekülkomplexe bilden. Sie nahmen deshalb an, daß die kanzerogene Wirkung dieser Substanzen mit ihrer Fähigkeit zur Bildung starker Elektronen-Donator-Akzeptor-(EDA)Komplexe und der Abgabe eines Elektrons verknüpft ist, während nichtkarzinogene Verbindungen diese Eigenschaft nicht aufweisen. Ahnliche Annahmen wurden auch von ALLISON und NASH (1963) sowie SIDORIK et al. (1965) geäußert. Dagegen wurde von DAMERATT (1966) in ESR- und spektrophotometrischen Untersuchungen an karzinogenen und nichtkarzinogenen Derivaten des 4-Dimethylaminoazobenzol (Buttergelb) gezeigt, daß auch nichtkarzinogene Verbindungen solche Komplexe bilden und das Auftreten ungepaarter Spins in diesen Komplexen nicht für die biologische Wirksamkeit der untersuchten Verbindungen charakteristisch ist.

266

auf reaktive Radikale zurückzuführen sein könnte, die u. a. das in Abb. 8.10 •wiedergegebene Spektrum liefern und durch Erhitzen gebildet werden. ROWLANDS et al. (1967) blies Zigarettenrauch direkt in frisch herausoperierte Kaninchenlungen. Das Lungengewebe wurde dann schnell homogenisiert und mit der Einfriertechnik untersucht, wobei das in Abb. 8.11 gezeigte Spektrum aufgenommen wurde. Das Spektrum weist drei Linien auf, die einer breiteren, offenbar von einem anderen paramagnetischen Typ stammenden Linie über-

Abb. 8.10: ESR-Spektrum von 3.4-Benzpyren nach dem Erhitzen im Vakuum auf 197°C (nach FORBES und ROBINSON (1967)). Ho i

26 6

1

IBI Abb. 8.11: ESR-Spektrum von Kaninchenlunge nach dem Inhalieren von Zigarettenrauch (6 Zigaretten, Spektrum A) im Vergleich zu normaler Lunge (B). Die Spektren wurden bei 77°K aufgenommen (nach ROWLANDS et al. (1967)).

267

lagert sind. Das aus drei Linien bestehende Spektrum erinnert an das Triplett, das von BRENNAN et al. in bestimmten Tumorgeweben beobachtet wurde (vgl. Abb. 8 . 6 und 8 . 7 ) . Die Bildung freier Radikale durch Verkohlung organischer Stoffe im allgemeinen ist vielfach untersucht worden (INGRAM, 1958). Lebensmittel bilden hiervon keine Ausnahme, und in üblichen Nahrungsmitteln wie geröstetem Brot sind freie Radikale in hoher Konzentration vorhanden (WYABD, 1960). Ob das irgendwelche medizinische Bedeutung hat, ist zur Zeit noch nicht abzusehen. 8.4.2.

Tranquilizer

i Tranquilizer, die wie Chlorpromazin Phenothiazinderivate darstellen, können leicht in Semichinonradikale überführt werden, die dann mit der E S R nachgewiesen und quantitativ bestimmt werden können.1 Dieser Befund ist zu einer Methode für den Nachweis der Tranquilizerkonzentration im Blut von Patienten ausgebaut worden (PIETTE et al., 1964). Obwohl viele Untersuchungen über die Tranquilizerkonzentration im Urin durchgeführt worden waren, war über die Konzentration im Blut wenig bekannt und bereits existierende Nachweismethoden erwiesen sich in diesem Falle als ungeeignet. Durch Zentrifugieren aus Blut-

Abb. 18.12: ESR-Spektrum eines tranquilizerhaltigen Serums (Dosis 1600 mg CPZ). (A) ohne Belichtung, (B) bei Belichtung; ri(|£I PIETTE et al. (1964)).

proben erhaltenes Serum wurde in eine im ESR-Resonator befindliche Quarzflachzelle eingebracht und dort mit einer 200 Watt-UV-Lampe bestrahlt. Die Anwesenheit des Pharmakons gibt sich durch das in Abb. 8.12 gezeigte Spektrum zu erkennen, das etwa 5 G breit ist und bei g = 2,0053 liegt. Nach dem Abschalten der UV-Lampe verschwindet das Spektrum rasch. Die Radikalkonzentration in der Probe kann durch Doppelintegration des Sraktrums erhalten werden. Diese Methode ist zur Überwachung von Änderungen^® harmakonkonzentration gut geeignet, obwohl die Absolutbestimmung der Konzentration schwierig 1

Anm. der dt. Hrsg.: Hochaufgelöste ESR-Spektren von Radikalkationen von Promazin und Chlorpromazin (CPZ) wurden von FENNER und MÖCKEL (1969) erhalten.

268

50 GHz

Meßtechnik

Brückenmethoden

Koaxialleiter

Hohlleiter

Freiraumtechniken

Die Brückenmethoden sind im Prinzip sehr einfach, erfordern aber zur Erreichung hoher Genauigkeit eine sehr sorgfältige Handhabung, da störende Effekte 2. Ordnung auftreten. Die Impedanz, die der Brücke angeboten wird, besteht aus einer dielektrischen Zelle, die die zu untersuchende Flüssigkeit enthält. Die Real- und 280

Imaginärteile werden in der üblichen Weise bestimmt. Die Impedanz wird ausgedrückt durch Z =

1 .— , 1 IR + icoc

A

(9.15) v '

worin R der Wirkwiderstand des Kondensators und c die Gesamtkapazität ist. Ist die Kapazität in Luft c0, so sind e' = c/C0 und e" ~ 1 ¡R.

(9.16)

Die Dielektrizitätskonstante wird direkt bestimmt, jedoch erfordert die Beziehung zwischen R und dem dielektrischen Verlust die Ermittlung eines Umrechnungsfaktors oder einer „Zellenkonstante" für die dielektrische Zelle. Das kann mit einer Lösung bekannter Leitfähigkeit, wie z. B. einer KCl-Lösung, geschehen. Ungünstigerweise schließt die gemessene Gesamtkapazität einen von der Elektrodenpolarisierung herrührenden Term, einen weiteren Term für die Streukapazität und einen induktiven Term ein. Die Elektrodenpolarisierung ist bei niedriger Frequenz für Flüssigkeiten mit hoher Leitfähigkeit von Bedeutung, und in diese Kategorie fallen alle biologisch interessanten Flüssigkeiten. Außerdem ist bei biologischen Flüssigkeiten bei niedrigen Frequenzen der Wider standsstrom sehr viel größer als der kapazitive Strom, was eine genaue Messung erschwert. Die Elektrodenpolarisierung kann durch Messungen der Kondensatorkapazität bestimmt werden, wenn dieser einen Elektrolyten enthält, dessen Dielektrizitätskonstante in dem untersuchten Bereich von der Frequenz unabhängig ist. Jede Kapazitätsänderung mit der Frequenz ist dann auf eine Elektrodenpolarisierung zurückzuführen, die bestimmt und zur korrekten Messung von Flüssigkeiten mit unbekannten dielektrischen Eigenschaften benutzt werden kann. Natürlich ist eine Anpassung des Standards an die Leitfähigkeit der zu untersuchenden Flüssigkeit notwendig. Durch Vergrößerung des Elektrodenabstandes oder Ablagerung von Platinschwarz auf den Elektroden kann die Elektrodenpolarisierung auf ein Minimum reduziert werden. Das letztere Verfahren kann jedoch zu einer lokalen Erwärmung in der Nähe der Elektroden führen, und die Experten sind sich über deren Zulässigkeit nicht einig. Einige Autoren verwenden eine Zelle, deren Elektrodenabstand mit Hilfe einer Mikrometerschraube verändert werden kann, so daß die Elektrodenpolarisierung durch Einstellung verschiedener Abstände leicht korrigiert werden kann. Als grober Hinweis auf die Stärke der Elektrodenpolarisierung kann eine 6%ige wäßrige Serumalbuminlösung in einer mittelgroßen Prüfzelle bei Frequenzen bis ca. 10 kHz untersucht werden, bis die Elektrodenpolarisierung auf einen vernachlässigbaren Anteil absinkt. Wie bereits erwähnt, ist außerdem eine sehr sorgfältige Justierung der reaktiven Komponenten in der Brücke notwendig, so daß Brückenmessungen bei niedrigen Frequenzen zur Erzielung guter Ergebnisse ziemlich viel Mühe bereiten. Eine geeignete Brücke ist von S C H W A N und S I T T E L (1953) entwickelt worden. I m Hochfrequenzgebiet (1 kHz—1 MHz) wird die Situation viel einfacher, so daß gewöhnlich die Verwendung einer handelsüblichen Brücke möglich ist. Oberhalb von etwa 1 MHz nehmen jedoch die Streukapazitäten und Streuinduktivitäten an Bedeutung zu. Zwar ist es möglich, eine bis 250 MHz brauchbare Brücke zu 281

kaufen, doch bleibt die Hauptschwierigkeit die Konstruktion der Zelle. Zur Verringerung der Streukapazität auf ein Minimum können die Zuleitungen zur Zelle direkt an die Brücke angeschraubt werden. Die Induktivität kann durch sorgfältigen Aufbau der Zelle auf ein Minimum verringert werden. Auch bei Beachtung aller dieser Vorsichtsmaßnahmen zeigt die Erfahrung, daß Brückenmethoden für Frequenzen oberhalb von etwa 200 MHz nicht mehr verwendet werden können. Hinsichtlich der Einzelheiten von Brückenmethoden zur Messung biologischer Proben wird der Leser auf die Arbeiten von R O S E N ( 1 9 6 3 ) und SCHWAN und S I T T E L ( 1 9 5 3 ) verwiesen. Im Bereich zwischen 100 MHz und 3 GHz können mit Erfolg Koaxialkabel oder Paralleldrahtleitungen benutzt werden. Die Techniken zur Bestimmung von E und e" umfassen Messungen der Probe selbst, die Untersuchung der Reflexion an

Abb. 9 . 3 : Blockdiagramm für eine Apparatur mit Koaxialleitungen.

der Probe und die Aufnahme einer Resonanzkurve. Bei Flüssigkeiten mit starken oder mittleren Verlusten führt die zweite Methode zu geringer Genauigkeit, so daß zwischen der ersten und der dritten Methode entschieden werden muß. Aus Platzgründen kann nur eine dieser Techniken beschrieben werden, und zwar die erstere Methode, da diese vom Autor benutzt wurde (GRANT, 1965b; AARON und GRANT, 1963; BTTCHANAN und GRANT, 1955). Im Prinzip besteht die Methode darin, daß die zu untersuchende Flüssigkeit in eine kurzgeschlossene Koaxialleitung eingebracht und die resultierende stehende Welle mit einer verschiebbaren Sonde gemessen wird, die aus dem inneren Leiter herausragt. I n Abb. 9.3 ist das Blockschaltbild, in Abb. 9.4 die Probenzelle wiedergegeben. Eine eingehendere Beschreibung wird nach der Betrachtung der theoretischen Aspekte gegeben. Ist die Feldstärke am Kurzschluß E 0 , so ist der elektrische Vektor im Abstand x vom Kurzschluß gegeben durch E = E0{ev 282

- er**),

(9.17)

woraus sich [E\2 ~ g o j 2 [cm/sec]

Mensch A Mensch A Mensch A+D+F+S Kaninchen — Pferd — — Pferd — Ratte — Ratte — Ratte Ratte -

Mensch A Kaninchen — Kaninchen — Ratte Ratte A Mensch

3. HbCOe)

6. MetHbCN

Typt»

Mensch



Ratte Mensch Ratte

A

Mensch Mensch Mensch

A A A





s s s c s

C C

c s s s s 0 p R R

s s c p

s

p p p

297 250 —

0,010

0,005 0,005 0,005

0,000 + 0,005 0,000+0,010

n,i Hil

0,000 0,003

0,040 + +0,033 0,037 0,036 + 0,036 + 0,034 +

0,010 0,005 0,005 0,005

0,200 + 0,005 0,200 + 0,010 ~0,03 0,122 0,130 0,140 325

Tab. 10.3: (Fortsetzung) Protein1'

Art

Mensch Mensch MetHbCN" Ratte 7. MetHbOH" Ratte

Typb)

Pro- Temp. Isomerieben- [°K] Verschiebung«1' form0' [cm/sec]

A A

s •s s

297 253 195

keine Resonanz nachweisbar 0,000 0,130 -0,003 ±0,005 0,139 ± 0 , 0 0 5

s s

195 77

-0,002 -0,00

0,157 0,19

P s

297 195

+0,006 ± 0 , 0 1 0 -0,005 ±0,005

0,201 ± 0,010 0,230 ± 0 , 0 0 5

297 298 228 77

+0,010 ± 0 , 0 1 0 -0,010 ±0,002 -0,010 -0,004

0,206 ± 0 , 0 1 0 0,196 ± 0 , 0 0 2 0,202 0,204

— —

8. MetHbN3e) MetHbNj"

Mensch Ratte

9. MetMbe) MetMbh'

Pottwal Pottwal Pottwal Pottwal

A —

Quadrupolaufspaltung [cm/sec]

-

p p p p

10. Fe(II)cytochrom c e)

Pferd

Herz

p

297

+0,032 ± 0 , 0 1 0

1,127 ± 0 , 0 1 0

11. Fe(III)cytochrom c e)

Pferd

Herz

p p

297 77

+0,005 +0,007±0,005

0,201 0,205 ±0,007

— — —

Verbindungen mit der Vorsilbe „met" sind Fe(III)-Verbindungen, alle anderen Fe(II)Komplexe b ) Hämoglobin A ist normales menschliches Hämoglobin, die anderen Typen stellen Mutanten dar (C. BAGLIONI, 1963) C) C = rote Blutzellen, R = Retikulozyten, S = wäßrige Lösungen mit 30% Gew.-% Protein, P = lyophilisierte Pulver d ' Isomerieverschiebungen mit 67Co in Palladium als Bezugssubstanz e ) Diese Arbeitsgruppe " Angaben von LANG und MABSHALL (1966) «' Angaben von GONSER und GRANT (1965) h ) Angaben von CAUGHEY et al. (1966)

a)

erhalten. Pottwal-MetHb wurde von den Mann Research Laboratories als salzfreies lyophilisiertes Pulver geliefert. Die drei MetHb-Derivate wurden aus MetHb nach den Methoden von KEILIN und HARTREE (1951) und Metmyoglobin aus MetMb nach STKYER et al. (1964) hergestellt.

Bei den Hämproteidversuchen, bei denen die Resonanz äußerst schwach war (~1%), erwies sich die Prüfung auf Resonanzen als wichtig, die als Folge von Eisenverunreinigungen in den neben dem Absorber im Strahlengang befindlichen Materialien auftreten können. Außer dem Durchtritt durch die Probe passierte das y-Strahlenbündel eine Reihe von Mylarfenstern mit einer Dicke von insgesamt 0,17—0,24 mm Dicke und ein 0,12 mm dickes Berylliumfenster. Bei Versuchen, in denen die Probe in ein Kühlmittel eingetaucht war, durchquerte der Strahl neben dem Fenstermaterial bei Versuchen mit flüssigem Stickstoff 0,2 cm Kühlmittel und bei Versuchen mit flüssigem Helium bis zu 1,5 cm Kühl-

326

mittel. Auch ohne Probe wurde immer eine schwache Absorptionslinie beobachtet, die 0,1% vom Vollausschlag betrug, 0,04 cm/sec breit war und keine Isomerieverschiebung aufwies. 10.5.3.

Versuchsergebnisse

Oxyhämoglobin [Hb0 2 (Fe 2+ )] wurde in unterschiedlichen Formen untersucht: normales menschliches Oxyhämoglobin (Typ A) in roten Blutzellen und in Lösung, Mutantenoxyhämoglobin (Typ S + D - 5 1 % , Typ A + F - 4 9 % ; BAGLIONI, 1963) in roten Blutzellen, Kaninchenoxyhämoglobin in Retikulozyten und Rattenoxyhämoglobin in Zellen und eingefrorener Lösung. Die Mößbauer-Spektren bestehen in jedem Falle aus einem symmetrischen Dublett, dessen QuadrupolaufSpaltung und Isomeriever Schiebung von der Probenform und dem Typ bzw. der Herkunft des Proteins unabhängig sind. Die Intensität der Spektren nimmt entsprechend dem Debye-Waller-Faktor mit abnehmender Temperatur zu. GONSER u n d GRANT (1965) fanden f ü r den Debye-Waller-Faktor bei Oxyhämo-

globin bei 5°K einen Wert von 0,83. Für die QuadrupolaufSpaltung wurde eine Temperaturabhängigkeit gefunden (GONSER und GBANT, 1965; LANG und MARSHALL, 1966). Das Vorzeichen der Quadrupolaufspaltung ist negativ (LANG und MARSHALL, 1966). Da Oxyhämoglobin diamagnetisch ist (S = 0), ist bei tiefen Temperaturen keine magnetische Hyperfeinstruktur vorhanden. Desoxyhämoglobin [Hb(Fe 2+ )] wurde in mehreren unterschiedlichen Formen und verschiedenen Arten verwendet: normales menschliches Desoxyhämoglobin als lyophilisiertes Pulver und eingefrorene Lösung, Zellen mit menschlichem Mutantenhämoglobin sowie Zellen und eingefrorene Lösungen mit Ratten- und Kaninchendesoxyhämoglobin. Die Spektren von Desoxyhämoglobin bestehen unabhängig von Art und Form aus einem symmetrischen Dublett, dessen Aufspaltung geringfügig temperaturabhängig ist. Ein Beispiel dafür ist in Abb. 10.7 b gegeben. Das Spektrum hat im Vergleich zu H b 0 2 eine starke positive Isomerieverschiebung sowie eine etwas größere Quadrupolaufspaltung und eine Linienbreite, die bis zu 4 °K herab von der Temperatur unabhängig ist. Bei Kohlenmonoxidhämoglobin [HbCO(Fe2+)] wurde normales menschliches HbCO sowie Kaninchen- und Ratten-HbCO in eingefrorener Lösung untersucht. Es wurde ein symmetrisches Dublett festgestellt, dessen Aufspaltung und isomere Verschiebung von der Temperatur und der Herkunft unabhängig sind. Die isomere Verschiebung ist annähernd die von Oxyhämoglobin, während dagegen die Quadrupolaufspaltung im Vergleich zu Oxyhämoglobin um einen Faktor 5,5 kleiner ist. Die Linienbreiten sind temperaturunabhängig. Ein Beispiel für ein HbCO-Spektrum ist in Abb. 10.7 c gegeben. Bei Methämoglobin [MetHb(Fe3+)] und Metmyoglobin [MetMb(Fe3+)] wurden Proben von Kaninchen-, Hunde-, Pferde- und Schweine-Methämoglobin sowie menschliches und denaturiertes Methämoglobin und gemischtes Mutantenhämoglobin (F + S) als lyophilisiertes Pulver verwendet. Menschen- und RattenMethämoglobin wurden als eingefrorene Lösungen eingesetzt, Pottwal-Metmyoglobin als lyophilisiertes Pulver. Isomerverschiebungen und Quadrupolauf Spaltungen waren annähernd dieselben wie bei Oxyhämoglobin und von Art, Typ und Hydratisierung unabhängig. 327

Im Unterschied zu den Fe 2+ -Derivaten werden bei den Spektren von Methämoglobin und Metmyoglobin bei tiefen Temperaturen merkliche Veränderungen beobachtet. Abb. 10.8 veranschaulicht die Auswirkung der Temperaturerniedrigung auf die Spektren von lyophilisiertem pulverförmigem Methämoglobin. Dasselbe Verhalten wird für Methämoglobin in Lösung berichtet (LANG und MARSHALL, 1966). Das Auftreten einer Asymmetrie in den Spektren sowohl der Lösungen als auch der Pulver ist von einer ungleichen, temperaturabhängigen Verbreiterung der beiden Quadrupoldublettkomponenten begleitet. Die Berechnung der Komponentenflächen für Hämoglobin- und Myoglobinspektren ergab, daß MetHb (P) •

a)



••

297°K

1,0

dl 50°K 1,0

e) 19° K

1,0

I—I

-0,3

L

-0,2

-0,1

0

Dopplergeschwindigkeit

0,1

0,2

0,3

Jcm/sl

Abb. 10.8: Mößbauer-Spektren von menschlichem Methämoglobin (lyophilisiertes Pulver) bei (a) 29 °K, (b) 88 °K, (c) 80 °K, (d) 50 °K und (e) 19 °K.

328

diese Flächen gleich sind. LANG und MABSHALL (1966) wiesen bei 4 ° K das Auftreten einer aufgelösten magnetischen Hyperfeinstruktur nach. Methämoglobinfluorid [MetHbF(Fe 3 + )] wurde als eingefrorene Lösung und als trockenes Pulver untersucht. Die Spektren der Lösungen zeigten bei 195°, 77°, 4° und 1,2 °K das Vorliegen einer unaufgelösten Hyperfeinstruktur (LANG und MABSHALL, 1966). MetHbF ist in Lösung ein high-spin-Komplex (Tab. 10.4), und zur Erklärung des Spektrums bei 77 °K war es notwendig, Anteile von den drei Kramers-Dübletts zu berücksichtigen. Durch Anwendung eines starken Magnetfeldes waren diese Autoren in der Lage, die Spin-Gitter-Relaxationszeit bei 4 ° K hinreichend zu erhöhen, so daß eine magnetische Hyperfeinstruktur mit 6 Linien MetHbCN (P)

.>\.-V

....

0,5

• •• • •





a) 298'K

1,0 J

L

J

L

0

0,5

-2

Q.



-

1,0

bl 253°K

0 0,5

1,0 1,5 -

c) 77° K

_J

L

r .. •• •.•.. •• 0,5

;



— ••

d) 1,0

J -0,3

L -0,2

-0,1 0 0,1 0,2 Dopplergeschwindigkeit Um /s 1

J

0,3

I

Abb. 10.9: Mößbauer-Spektren von menschlichem Methämoglobincyanid (lyophilisiertes Pulver) bei (a) 298 °K, (b) 2 5 3 °K, (c) 77 ° K und (d) 4,2 °K.

329

völlig aufgelöst werden konnte. Das Pulver Spektrum ähnelt den Spektren von Pulvern und Lösungen von Methämoglobin und Metmyoglobin. Methämoglobincyanid [MetHbCN(Fe 3+ )] wurde als eingefrorene Lösung und als trockenes Pulver verwendet. Die Isomerieverschiebung war in jedem Fall die gleiche wie bei Methämoglobin. Die Quadrupolaufspaltung betrug in jedem Fall 2 — von der des Methämoglobins. Das Spektrum des Cyanidkomplexes weist «5 dieselbe Verbreiterung und Asymmetrie auf wie das Spektrum von Methämoglobin bei der Temperatur des flüssigen Stickstoffs (als Folge der magnetischen Hyperfeinwechselwirkung). Bei 4°K ist dagegen die magnetische Hyperfeinstruktur viel besser aufgelöst als bei Methämoglobin ( L A N G und M A B S H A L L , 1966). Das Spektrum von trockenem Methämoglobinpulver zeigt im wesentlichen dasselbe Verhalten wie die Lösungsspektren (Abb. 10.9), und zwar einschließlich der gut aufgelösten Struktur bei 4°K (Abb. 10.10). Die Auflösung des Pulverspektrums MetHbCN IP) r = i,2'K 0

-i

s-

o,s

1.0

-1,5

-1,0

-0,5

0 0,5 Dopplergeschwindigkeit Ccrn/sl

1,0

1,5

Abb. 10.10: Mößbauer-Spektren von menschlichem Methämoglobin (lyophilisiertes Pulver) bei 4,2 °K. Der Geschwindigkeitsbereich beträgt + 1 , 5 cm/sec, die Eisenkonzentration 2,2 Gew.-%.

ist gering, da die Probe nur natürlich vorkommendes 57 Fe enthält. Die wesentlichen Merkmale des Pulverspektrum? stimmen aber gut mit denen des Lösungsspektrums von L A N G und M A B S H A L L überein. Methämoglobinazid [MetHbN 3 (Fe 3+ )] wurde als eingefrorene Lösung und als trockenes Pulver untersucht. Die Isomerieverschiebung ist in beiden Fällen dieselbe wie beim Methämoglobin. Die Quadrupolaufspaltung des Pulverspektrums ist dieselbe wie beim Methämoglobin, ist aber etwas größer als beim Spektrum der eingefrorenen Lösung. Bei 4°K weist das Spektrum des Methämoglobinazids in Lösung eine aufgelöste magnetische Hyperfeinstruktur auf ( L A N G und M A B S H A L L , 1966). Cytochrom c aus Pferdeherzen wurde sowohl in oxydierter als auch in reduzierter Form als trockenes Pulver untersucht. Das Spektrum von Ferricytochrom c ist mit dem von Methämoglobin identisch (Abb. 10.11a). Dagegen liefert Ferrocytochrom c ein anderes Spektrum als Hämoglobin (Abb. 10.11b). Die Quadrupolaufspaltung ist um rund 40% geringer und ähnelt der von MetHbCN, während die Isomerieverschiebung zwischen der von H b 0 2 und H b liegt (Tab. 10.3). 330

Orientierende U n t e r s u c h u n g e n bei tiefen T e m p e r a t u r e n zeigten, d a ß das S p e k t r u m von Ferricytochrom c ähnlich wie beim Methämoglobin v e r b r e i t e r t wird, w ä h r e n d die Linienbreite im S p e k t r u m von F e r r o c y t o c h r o m c t e m p e r a t u r u n a b h ä n g i g ist u n d in dieser Hinsicht dem S p e k t r u m von Fe(II)-Hämoglobinderivaten gleicht. Cytochrom •

i? -

a! Fe_

1,0

297'K) •

•••••

• •

,

tmi

_J

ö • -3 o h .

c (P,

L



'

1,0

-

2,0

b)

-J -0,3•

FelTl)

I -0,2

I -0,1

L 0

Dopplergeschwindigkeit

0,1

0,2

0,3

Ccm/sl

Abb. 10.11: Mößbauer-Spektren von Pferdeherz-Cytochrom c (lyophilisiertes Pulver) bei 297 °K: (a) Fe(II)-Form, (b) re(III)-I'orm.

10.5.4.

Diskussion

Aus der Analyse der verschiedenen M ö ß b a u e r - D a t e n in T a b . 10.3 k ö n n e n einige allgemeine Schlußfolgerungen gezogen werden. 1. Trotz der Unterschiede in der Aminosäurezusammensetzung sind die Spektren unabhängig davon, v o n welcher Tierart das Hämoglobin s t a m m t . Auch verschiedene T y p e n von menschlichem Hämoglobin, die sich in ihrem physiologischen Verhalten s t a r k voreinander unterschieden, liefern das gleiche Mößbauer-Spektrum. 2. Wie die Ähnlichkeit der S p e k t r e n v o n Methämoglobin, Metmyoglobin u n d oxydiertem Cytochrom c zeigt, h a t die Anzahl von Untereinheiten pro Molekül keinen E i n f l u ß auf das S p e k t r u m . 3. Natives u n d denaturiertes Methämoglobin liefern das gleiche S p e k t r u m . U n t e r der Annahme, d a ß die D e n a t u r i e r u n g die T e r t i ä r s t r u k t u r des Proteins v e r ä n d e r t , zeigen diese B e f u n d e , d a ß die Mößbauer-Spektren von der T e r t i ä r s t r u k t u r u n a b h ä n g i g sind. Diese Ergebnisse können als Hinweis d a f ü r 331

dienen, daß die Mößbauer-Absorption in den untersuchten Hämproteinen eine elektronische Umgebung widerspiegelt, die für alle diese Moleküle die gleiche ist. Das bedeutet, daß es bei der Interpretation der verschiedenen Mößbauer-Spektren wahrscheinlich gerechtfertigt ist, Faktoren wie die Aminosäurezusammensetzung und Tertiärstruktur zu vernachlässigen und die Interpretation ausschließlich auf die Eigenschaften der Hämgruppe (zusammen mit den 5. und 6. Liganden) zu begründen. Die asymmetrische Verbreiterung der Spektren der Fe(III)-Derivate MetHb, MetMb, MetHbCN und Fe(III)-Cytochrom c bei Temperaturerniedrigung auf die Temperatur des flüssigen Stickstoffs ist auf das Auftreten einer magnetischen Hyperfeinwechselwirkung zurückzuführen. Ähnliche Asymmetrien, die in den Quadrupoldubletts von Zinn (GOLDANSKÜ et al., 1964), anderen eisenorganischen Verbindungen außer Hämoglobin (KING et al., 1964) und Desoxyhämoglobin (GONSER und GRANT, 1965) beobachtet wurden, sind einem anisotropen DebyeWaller-Faktor zugeschrieben worden. Ein anisotroper Debye-Waller-Faktor müßte zu einem Unterschied in den integralen Intensitäten der beiden Komponenten des Quadrupoldubletts sowie zu einer Verringerung der Anisotropie mit abnehmender Temperatur führen (bez. einer Behandlung dieses Effekts vgl. WERTHEIM, 1964). Dieser Mechanismus kann den in den obengenannten Verbindungen beobachteten Effekt in keiner Weise erklären. Dieser Effekt stellt nämlich mit 10% Fehlern ausschließlich die Verbreiterung nur der einen Komponente dar, und die Verbreiterung nimmt mit abnehmender Temperatur zu, bis bei ausreichend tiefer Temperatur in den meisten Fällen eine magnetische Hyperfeinstruktur sichtbar wird. Eine Erörterung der magnetischen Hyperfeinwechselwirkung findet m a n bei WERTHEIM (1964), WICKMAN (1964), BLUME ( 1 9 6 5 ) , LANG und MARSHALL ( 1 9 6 6 ) und BRADFORD u n d MARSHALL (1966).

Die meisten der untersuchten Hämproteide haben Isomerieverschiebungen zwischen 0 und ±0,015 cm/sec. Das schließt Fe(III)-Derivate (MetHb, MetMb, MetHbF, MetHbN3, MetHbCN und oxydiertes Cytochrom c) ebenso wie Fe(II)Derivate (HbCO und HbOa) ein. Lediglich Desoxyhämoglobin und reduziertes Cytochrom c liegen außerhalb des genannten Bereichs. Diese Verbindungen haben bei den tiefsten Temperaturen Isomerieverschiebungen von +0,085 bzw. +0,032 cm/sec. Alle untersuchten Verbindungen weisen eine Quadrupolwechselwirkung auf, die bei der Mehrzahl der Derivate groß und erstaunlich konstant ist. Die Quadrupolaufspaltungen der meisten Derivate unterscheiden sich nur um 15—20% voneinander. Die einzigen Ausnahmen bilden MetHbCN und redu2 ziertes Cytochrom c mit Aufspaltungen, die etwa — des durchschnittlichen Wertes o der Mehrzahl der Verbindungen betragen. HbCO hat eine sehr kleine QuadrupolaufSpaltung, nämlich nur

des Wertes der meisten anderen Verbindungen. 5

Von Nutzen erscheint ein Versuch, die Mößbauer-Spektren der verschiedenen Verbindungen im Sinne der in Abschnitt 10.4. diskutierten theoretischen Vorstellungen zu interpretieren, auch wenn zugegeben werden muß, daß diese Vorstellungen stark vereinfacht sind. Nichtsdestoweniger sind solche Interpretationen notwendig, um zu zeigen, in welcher Richtung eine Verfeinerung der theoretischen Grundlagen erforderlich ist. Zur Veranschaulichung sind die Daten der Tab. 10.3 332

in der Abb. 10.12 als Isomerieverschiebungen (I. S.) gegen die Quadrupolaufspaltungen (Q. S.) aufgetragen. Aus Abb. 10.12 ist ersichtlich, daß die meisten Verbindungen in einen der folgenden drei Bereiche fallen: a) große I. S. und große Q. S., b) kleine I. S. und große Q.. S., c) kleine I. S. und kleine Q. S. a) Im Bereich mit großer I. S. und großer Q. S. gibt es nur eine Verbindung, nämlich das Desoxyhämoglobin. Die aus Tab. 10.2 abgeleitete Voraussage ist die, daß Hämoglobin in gleichweicher Form — ob als Pulver, in Lösung oder in Zellen

0

i

i

0,1

i

i

i

0,2 Quadrupolaufspaltung [cm/s]

J

0,3

i

Abb. 10.12: Auftragung der Isomerieverschiebung gegen die Quadrupolaufspaltung für die Daten der Tab. 10.3 (M: diese Arbeitsgruppe, Mittelwerte; G: GONSER und GRANT, 1965; L : LAUG und MARSHALL, 1966; C: CAUGHEY et al., 1966). Die Zahlen entsprechen denen in Tab. 10.4: (1) Hb0 2 , (2) Hb, (3) HbCO, (4) MetHb, (5) MetHbF, (6) MetHbCN, (7) MetHbOH, (8) MetHbN3, (9) MetMb, (10) (Fe(II)-Cytochrom c, (11) Fe(III)-Cytochrom c.

— in Übereinstimmung mit der üblichen chemischen Zuordnung eine Fe(II)-highspin-Verbindung (S = 2) ist. Dagegen unterscheiden die Daten für die magnetische Suszeptibilität (Tab. 10.4) sehr klar zwischen Lösungen und Pulvern: die ersteren entsprechen high-spin-Komplexen, während die letzteren eine Suszeptibilität besitzen, die einem mittleren Wert für den Spin entspricht (8 = 1). Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob die Pulver, so wie das beim Methämoglobinhydroxid zu sein scheint (GEOKGE et al., 1964), eine Mischung von high-spin- und low-spinVerbindungen darstellen, ist nicht bekannt. Das Fehlen einer magnetischen Hyperfeinwechselwirkung ist mit der Beschreibung der Verbindung als Fe(II)-Verbindung (entweder high-spin oder low-spin) nicht unvereinbar. b) Im Bereich mit kleiner I. S. und großer Q. S. liegen die meisten der untersuchten Verbindungen, einschließlich Hb0 2 , MetHb, MetHbF, MetHbOH, MetHbN3, MetMb und Fe(III)-Cytochrom c. Nach Tab. 10.2 sollten diese Derivate 333

Tab. 10.4: Effektivwert Bohrscher Magnetonen für Hämoglobinderivate und Cytochrom c Protein

Form a)

Hydratisierung in Gew.-%

nett pro Häm

Literatur*1*

Hb0 3 HbCO Hb

S S s

MetHb

s

0 0 5,5 3,0 5,8;5,6; 5,8 6,0 5,0 4,0 2,7;3,0 5,9;5,8

1 1 1 5 2, 3,5 5 5 5 5,4

s

100 100 100 0 100 45 32 21 0 100 0 100 —

3,1

s

100

2,5

p

p p p p

s

MetHbF

p

MetHbN3

p

MetHb CN

p

Mb MetMb Fe(II)-Cytochrom c

s s s p

Fe(III)-Cytochrom c A)

s

p



100 100 100 0 100 0

4,5 2,4

1,9

5,5 5,5; 5,9; 5,7

0,8 2,7

2,8

4,1

2,3 4 3 4 2,3 4 7 3, 7,8

6 6 6 6

S = Lösung, P = Pulver

> (1) PAULING u n d CORYELL ( 1 9 3 6 ) , (2) CORYELL e t al. ( 1 9 3 7 ) , ( 3 ) SCHELER e t al. ( 1 9 5 7 ) , (4) SCHOFFA e t a l . ( 1 9 5 9 ) , ( 5 ) HAVEMAHN u n d HABERDITZL ( 1 9 5 9 ) , (6) LUMRY e t al. ( 1 9 6 2 ) , ( 7 ) TAYLOR ( 1 9 3 9 ) , ( 8 ) THEORELL u n d EHRENBERG ( 1 9 5 1 )

B

alle Fe(III)-low-spin-Verbindungen

= -^-j sein und bis zu tiefen Temperaturen

herab keine magnetische Hyperf einWechsel Wirkung aufweisen. Die bei tiefer Temperatur gemessenen Spektren ohne magnetische Hyperfeinstruktur lassen keinen Schluß zu, da das Fehlen der magnetischen Hyperfeinstruktur sowohl mit S = 0 als auch S =

vereinbar ist. Es folgt also, daß die Mößbauer-Daten Zi

und die Suszeptibilitätsdaten scheinbar im Widerspruch zueinander stehen. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß die Suszeptibilitätsmessung das magnetische Moment des Molekülkomplexes als Ganzes bestimmt, während das Mößbauer-Spektrum lediglich auf den lokalen Bereich in Nähe des Eisenatoms zurückzuführen ist. Wie von W E I S S (1964) auf Grund völlig anderer Betrachtungen festgestellt wurde, kann durchaus ein Transfer eines Elektrons vom Fe-Atom zum 0 2 stattfinden. Wenn wir annehmen, daß dieses Elektron aus einer gefüllten L gilt, schwingen und Löcher in die Verstärkungskurve bis herab zum Niveau der Verluste herausschneiden. I n beiden Fällen ist die Reinheit der Frequenz für die einzelnen Moden im wesentlichen eine Funktion des Abstands l zwischen den Spiegeln. Die Schwingungen haben eine Bandbreite, die stets um ein Vielfaches geringer ist als die konventioneller Lichtquellen, so daß man sagt, sie seien zeitlich kohärent. Die' Betrachtung der stehenden Wellen, die in einem Resonator aufrecht erhalten werden, ist hier insofern vereinfacht worden, als die Änderung des Lichtfeldes in den Ebenen senkrecht zur Resonatorachse vernachlässigt wurde. In diesen Ebenen treten ebenfalls Schwingungsmuster mit Knoten und Bäuchen auf. Zur Beschreibung des transversalen Anteils der stehenden Wellen kann die Beugungstheorie herangezogen werden (BOYD u n d GORDON, 1961). Man konstruiert ein Beugungs-

integral zur Beschreibung des Feldes, das der Spiegel St am Spiegel S2 erzeugt und was darauf der Spiegel L (mit L als Verlust des gesamten Resonators) drückt aus, wie schwierig es ist, einen einzelnen Laser zum Schwingen zu bringen. Die Verstärkung G ist proportional zur Besetzungsumkehr, und deshalb ist ein um so stärkeres Pumpen erforderlich, je höher die Verluste sind. Die Pumpleistung, bei der die Schwingungen gerade beginnen, wird als Schwellenwert des Pumpens bezeichnet. Die Verluste stammen von Spiegeln mit einem Reflexionsvermögen < 100%, von unerwünschten Reflexionen an Fenstern und an den Enden der Laserstäbe, von der Streuung der Staubteilchen usw. sowie von abgebeugten Strahlen, die die Spiegel nicht mehr treffen. In einigen Lasern, die für die Verstärkung feste Materialien verwenden, kann die Verstärkung größer als 103 bis 104 werden, wodurch sehr große Verluste ausgeglichen werden können. Verstärkungen von nur wenigen Prozenten erhält man bei Gaslasern, so daß man große Sorgfalt darauf verwenden muß, die Verluste möglichst gering zu halten. Neuerdings gibt es mehrschichtige dielektrische Spiegel mit einem Reflexionsvermögen von mehr als 99%. Die Reflexionsverluste von Fenstern usw. kann man beseitigen, wenn man diese unter dem Brewster-Winkel in den Lichtstrahl setzt. Für in der Einfallsebene polarisiertes Licht treten dann keine Verluste mehr auf. Bei Verwendung von Brewster-Winkel-Fenstern erhält man ferner linear polarisierte Laserstrahlung. 1 Nach der Erörterung der erforderlichen Grundlagen können nun die verschiedenen Laseranordnungen ausführlich betrachtet werden.

11.2.2.

Laseranordnungen

Man unterscheidet fünf verschiedene Arten der Funktionsweise eines Lasers. Vier dieser Anordnungen sind Oszillatoren mit einem Lichtverstärker zwischen zwei Spiegeln. Die fünfte Anordnung, der „Superstrahlungslaser", stellt im wesentlich eine Quelle mit verstärktem Rauschen dar. Die vier Oszillatoren werden zuerst beschrieben und zwar in der Reihenfolge zunehmender Leistung bzw. abnehmender Impulslänge. Beim einfachsten Oszillator erhält man ein Ausgangssignal, solange der Verstärker mit einer Verstärkung arbeitet, die größer ist als die Resonator Verluste. Impulsausgangsleistungen mit viel größeren Spitzenwerten als beim einfachen Laser kann man durch Steuerung der Schwingung mit Hilfe eines Modulators erreichen, der sich im Innern des Resonators befindet. Bei den übrigen drei Oszillatoren werden verschiedene Modulationsschemata verwendet. A.

Kontinuierliches

und gepulstes Pumpen

(YABIV

und

GORDON,

1963)

Wie die elementare Elektronik lehrt, muß eine Welle mit einer Frequenzgenauigkeit von einigen Hz eine Dauer von wenigstens einer Sekunde besitzen. Wird bei Experimenten die zeitliche Kohärenz des Laserlichtes ausgenutzt, dann muß man einen Laser mit kontinuierlicher Ausgangsleistung benutzen. Ein kontinuier1

Anm. der dt. Hrsg.: Über die Lasertheorie sind in den letzten Jahren eine Reihte ausführlicher D a r s t e l l u n g e n erschienen (PAUL, 1 9 6 9 ; HAKEN, 1 9 7 0 ; GEUSIC, 1 9 7 0 ; SIEGMAN, 1 9 7 1 ) .

346

licher Laserbetrieb erfordert ein kontinuierliches Pumpen oberhalb des Schwellenwertes. Unter der Voraussetzung, daß es keine Sättigungseffekte gibt, ist dann die Ausgangsleistung zur überschüssigen Pumpleistung proportional. Aus praktischen Gründen, wie der Kühlung und des Reflexionsvermögens der Spiegel, ist die kontinuierliche Leistung auf einige tausend W a t t begrenzt. Um hohe Leistungen ohne einen übermäßig hohen Durchschnittswert zu erreichen, werden die Laser häufig mit Impulsen von geringer Wiederholungsfrequenz gepumpt. Für solche Laser wird häufig anstatt der Leistung die Impulsenergie angegeben. In einigen solchen Lasern können die Oszillationen instabil sein. Anstatt einer stationären Ausgangsleistung für die Dauer des Pumpens erhält man dann eine Folge kurzer Impulse (COLLINS et al., 1960). Ein Beispiel für eine solche „Relaxationsschwingung" ist in Abb. 11.4 dargestellt.

Abb. 11.4: Instabile Ausgangsleistung eines Lasers, der aus einem Rubinstab und zwei Konkavspiegeln besteht. Der Laser wurde mit einem I m p u l s von 400 ßsec Dauer gepumpt. Die Lichtleistung n i m m t nach unten zu (Abt a s t u n g : 30 /isec/Skalenteil).

B . Gütesteuerung

(Q-switching)

(MISSIO u n d SEEBEB, 1965)

Wenn die Atome eine große Lebensdauer im oberen Laserniveau haben, kann man das Verfahren der Gütesteuerung („Q-switching") verwenden, um hohe Leistungsimpulse zu erhalten. Ein im Resonator befindlicher Unterbrecher unterdrückt die Schwingung, während durch das Pumpen eine hohe Besetzung im oberen Niveau erzeugt wird. Da es keine Rückkopplung gibt, kann die Besetzungsumkehr fii (Verstärkung) viel größer werden als zuvor. Gibt der Unterbrecher den Resonator frei, dann wird ein Resonator mit geringen Verlusten (hoher Gütefaktor Q) einem Verstärker mit hoher Verstärkung angeboten, so daß die Lichtintensität im Innern des Resonators sehr schnell anwächst. Der Ablauf dieses Prozesses ist in Abb. 11.5 dargestellt. Bei einem großen Wert des anfänglichen Inversionsverhältnisses — wird nahezu die gesamte gespeicherte Inverns sion innerhalb weniger Nanosekunden (10~9 sec) in Licht umgewandelt. Der Impuls 21 & 10 nsec. zerfällt danach mit der Dämpfungszeit des Resonators —cL Auf diese Weise können Impulse mit einer Länge von nur 10—20 nsec und Leistungen, die um viele Größenordnungen über dem Wert ohne Gütesteuerung hegen, erzeugt werden. Entsprechend der speziellen Anwendung des Lasers werden verschiedene Unterbrecher benutzt. Die Rotation eines Spiegels stellt eine einfache Methode dar, 347

um die Unterbrecherwirkurig zu realisieren. Bei einem Motor mit einer Drehzahl von 24000 Umdrehungen pro Minute sind die beiden Spiegel nur während einer Dauer von 1 Mikrosekunde bei jeder Umdrehung für die Schwingungen hinreichend parallel. Ein kleiner Laser, der diesen Schaltertyp verwendet, ist auf der Photogeschlossen Resonator Verluste offen

Besetzungs umkehr

V

"s

Licht im Resonator

Austretendes Licht

-21/c

a!

b1

Abb. 11.5: Zeitliche Änderung der Laserschwingung bei (a) Gütesteuerung, (b) PTM, K; bedeutet die Besetzungsumkehr vor Öffnung des Unterbrecher^, ns die Besetzungsumkehr für den Schwellenwert der Schwingung.

graphie in Abb. 1 1 . 6 gezeigt. Der elektrooptische Modulator von K E R R und kann ebenfalls als Unterbrecher verwendet werden und hat überdies den Vorteil einer genau einstellbaren Ausgangsleistung. In einer sehr sinnreichen ^ Anordnung wird ein Farbstoff in Form eines sättigbaren Absorbers als Unterbrecher benutzt. In den Resonator wird eine Zelle mit einer Farbstofflösung einPOCKELS

Abb. 11.6: (a) Kleiner Neodymglas-Laser mit Gütesteuerung, bei dem ein rotierender Reflektor benutzt wird. 1 — Prisma, das auf der Motorachse montiert ist (zur Beibehaltung der Justierung in einer vertikalen Ebene wird ein totalreflektierendes rechtwinkliges Prisma mit horizontaler Ausrichtung seines Scheitels verwendet), 2 — Optische Anordnung für die Steuerung des Prismas, 3 — Verstärkerkopf, 4 — fester Spiegel, 5 — Infrarotfilter (b) Geöffneter Verstärkerkopf, 6 — Laserglasstab, 7 — Blitzröhre.

348

349

gebracht, die das Licht der Laserwellenlänge absorbiert. Die Farbstoffkonzentration wird so eingestellt, daß sich eine nur geringe Durchlässigkeit ergibt. Der Laser wird dann auf eine hohe Besetzungsumkehr gepumpt, ehe die Laserwirkung beginnen kann. Während das erfolgt, werden die Farbstoffmoleküle durch die Absorption von Laserlicht in einen angeregten Zustand gehoben. I n diesem Zustand absorbieren sie die Laserwellenlänge nicht mehr und die Durchlässigkeit der Zelle ist sprunghaft auf 100% gestiegen. C. Impulszeitmodulation

(Pulse transmission

mode, PTM)

(VUYLSTEKE, 1963).

Diese Anordnung stellt eine Modifizierung des oben beschriebenen Verfahrens der Gütesteuerung dar. Man kann einen noch kürzeren Impuls erzeugen, wenn der Lichtaustritt anstatt von einem der Spiegel vom Gütesteuerungsverlust abgezweigt wird. Seine Funktionsweise ist unter Bezugnahme auf einen KerrzellenModulator in Abb. 11.7 schematisch dargestellt. Die Durchgangsrichtung des

Polarisator

Verstärker

Kerr-Zelle

k/U Ausgang

Abb. 11.7: PTM-Laser mit Kerrzelle.

Polarisators wird so eingestellt, daß sie einen Winkel von 45° gegen die optische Achse des

-Blättchens und die Kerrzelle einnimmt. Liegt an der Kerrzelle kein A

elektrisches Feld, so dreht die —-Verzögerung zusammen mit dem Spiegel das vom Polarisator linear polarisierte Licht um 90°. Dieses Licht wird durch den Polarisator vom Resonator zurückgehalten, so daß der Spiegel dadurch blockiert ist. Dieser Unterbrecher kann durch Anlegen einer Spannung an eine Platte der Kerrzelle wieder freigegeben werden. Eine Verzögerung von — — stellt das Gleichgewicht am Polarisator wieder her. Anfangs werden beide Platten der Zelle auf die Spannung gebracht, so daß die Feldstärke zwischen den Platten verschwindet. Die Funktionsweise ist dann so wie in Abb. 11.5 (b) beschrieben. Während der Sperrphase des Unterbrechers wird eine starke Besetzungsinversion hergestellt. Danach wird durch Erdung der einen Platte die 0 f f n u n g des Unterbrechers erzielt und zwischen den beiden totalreflektierenden Spiegeln wird eine normale Schwingung nach dem Gütesteuerungsprinzip aufgebaut. Beim Schwingungsmaximum wird die zweite Elektrode geerdet. Dadurch erzwingt man, daß das gesamte Licht mit Hilfe des Polarisators den Resonator verläßt. Wenn man voraussetzt, daß die Kerrzelle hinreichend schnell geschaltet wird, so wird das 21

gesamte Licht aus dem Laserresonator in einer Laufzeit von emittiert. 350

— c

nsec

D. Modensynchronisation

(Mode locking) (DI DOMENICO, 1964)

Für Laser, die mit einer Anzahl longitudinaler Moden arbeiten, gibt es normalerweise zwischen den verschiedenen Wellen mit unterschiedlichen Frequenzen keine Phasenbeziehung. Man kann jedoch die Phasen dieser Wellen mit Hilfe eines Modulators so festlegen, daß der Resonator bei der Frequenzdifferenz zwischen den Moden "betrieben wird. Auf diese Weise wird ein Spektrum kohärenter Felder erzeugt (Abb. 11.8(a)). Man kann zeigen, daß dieses Spektrum einer

n\c/2i

21/c

a)

bl

Abb. 11.8: Prinzip der Modensynchronisation; (a) Frequenzspektrum, (b) Impulsfolge.

Impulsfolge entspricht, wie sie in Abb. 11.8(b) angegeben ist. (Der umgekehrte Prozeß ist wahrscheinlich vertrauter, bei dem bewiesen wird, daß eine Impuls21 folge mit der Periode — c ein Frequenzspektrum mit Komponenten im Abstand c

— ergibt.) Die wichtigste Eigenschaft dieses Verfahrens besteht darin, daß man 21 21 Lichtimpulse mit einer Breite von nur —— erhält, wobei N die Anzahl der phasenmäßig festgelegten Moden ist. N kann ohne weiteres einen Wert von 100 21 annehmen, so daß mit — = 10~9 sec Impulse mit einer Dauer von 10 -11 sec möglich sind. Solche Impulse wären nur 3 mm lang! Die Modensynchronisation kann auf kontinuierliche und impulsgepumpte Laser und auf Laser mit Gütesteuerung angewendet werden und ergibt wegen der verkürzten Impulslänge eine beträchtliche Erhöhung der Impulsleistung. E.

Superstrahlung

Die Laserverstärkung ist stets von spontaner Emission bei der Wellenlänge des Übergangs begleitet. Tatsächlich sind die Übergänge mit hohen Wirkungsquerschnitten genau diejenigen mit einer kurzen Strahlungslebensdauer. Bei einem Verstärker mit hohem Verstärkungsfaktor kann es eine hinreichende Vergrößerung der spontanen Emission geben, wodurch ein starkes Ausgangssignal erzeugt wird. Dieses verstärkte „Rauschen" besitzt einige Eigenschaften von kohärentem Laserlicht und wird als „SuperStrahlung" (super radiance) bezeichnet. Wenn somit ein Laserverstärker lang und schmal ist, entsteht ein Strahl der Superstrahlung mit einem Streuungswinkel, der durch den Einfallswinkel des Ver351

stärkers gegeben ist. Durch einen Schmalbandverstärker k a n n die spontane Emission ebenfalls verstärkt werden. Wenn die Verstärkung hoch ist, k a n n es eine deutliche Yerschmälerung beim Maximum der Verstärkungskurve geben. Diese Verschmälerung wird durch die Sättigung des Verstärkers begrenzt, Superstrahlung ist bei allen Lasertypen realisiert worden. Die Versuche von R O E S S (1964) an einem mit flüssigem Stickstoff gekühlten Rubinverstärker geben ein anschauliches Bild von den Eigenschaften der Superstrahlung.

11.2.3.

Lasermaterial

A. Gase Versuche haben gezeigt, daß viele Arten von Atomen, Molekülen u n d Ionen in der Gasphase eine Besetzungsumkehr aufweisen, die m a n für eine Laserwirkung ausnutzen kann. Gase sind als Lasermaterial sehr gefragt, da sie einen großen Bereich möglicher Wellenlängen besitzen u n d optisch homogen sind. Die Besetzungsumkehr wird normalerweise durch eine in dem Gas ablaufende elektrische Entladung erzeugt. Es gibt zwei Arten von Gaslasern, die keine E n t l a d u n g zum P u m p e n verwenden. Der Cäsiumlaser wird optisch gepumpt (wie in Abb. 11.1). Beim Photodissoziationslaser t r i t t eine Besetzungsumkehr in einem der bei der Dissoziation gebildeten Radikalprodukte auf. Der bekannteste Gaslaser ( J A V A N , 1961; W H I T E u n d R I G D E N , 1962) verwendet eine Mischung aus Helium- u n d Neonatomen. Eine seiner Emissionswellenlängen liegt bei 0,6328 ¡u. Der Pumpmechanismus zur Erzielung einer Besetzungsumkehr wird folgendermaßen realisiert. Die Elektronen in der Gasentladung regen Heliumatome an u n d bringen sie in einen ihrer beiden metastabilen Zustände. Die Energien der beiden Zustände liegen sehr nahe bei zwei Neonniveaus, so d a ß Energie übertragen werden kann, wenn ein metastabiles Heliumatom mit einem nichtangeregten Neonatom zusammenstößt. E s müssen demnach mehr Heliumatome als Neonatome vorhanden sein. Man arbeitet mit einem Verhältnis von etwa 10:1 u n d einem Gesamtdruck von einigen Torr. Die Ausgangsleistung dieses Lasers ist auf weniger als 1 W a t t im kontinuierlichen Betrieb dadurch beschränkt, daß Elektronen in das untere Laserniveau der Neonatome gepumpt werden. Eine Laserwirkung h a t man auch mit Atomen einer ganzen Anzahl anderer Elemente durch kontinuierliche u n d (oder) gepulste Entladung erhalten. Laser, die Edelgasionen von Neon, Argon, K r y p t o n und Xenon (PAAKANEN, 1966a) verwenden, ergeben im ultravioletten u n d sichtbaren Bereich hohe Leistungen im Dauerbetrieb. Der Argonion-Laser (A+) stellt den am höchsten entwickelten T y p dieser Art dar, bei dem Leistungen bis zu 58 W a t t in einem Wellenlängenbereich von 0,4880 ¡j, bis 0,5145 fi erzielt werden. Zur Erzielung von Schwingungen bei einem einzelnen Übergang wird ein Prisma in den Laserresonator eingesetzt, so daß infolge der Dispersion die Spiegel nur f ü r einen schmalen Wellenlängenbereich parallel sind. Das P u m p e n erfolgt durch Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Ion im Grundzustand und metastabilen Niveau, u n d eine Umkehr wird zwischen Niveau-Paaren aufgebaut, bei denen das untere Niveau eine kürzere Lebensdauer besitzt als das obere. F ü r eine wirksame Funktionsweise sind sehr hohe Stromdichten von 10—100 Ä in einer Röhre m i t 352

einer Bohrung von wenigen Millimetern erforderlich. Bei solchen Strömen wird die innere Oberfläche der Röhre schnell zerstört. Durch eine Konzentrierung des Stromes durch ein Magnetfeld und die Verwendung von Keramik oder Metall als Röhrenmaterial ist dieses Problem jedoch gelöst worden. In Abb. 11.9 ist ein typischer Argonlaser für mittlere Leistungen dargestellt. Durch einfach ionisiertes

Abb. 11.9: Argonionenlaser: 1 — Spiegel und Brewster-Fenster, 2 — Entladungsröhre mit wassergekühlter Hülle, 3 — Kathode.

Neon und doppelt ionisiertes Krypton und Xenon kann man eine kontinuierliche kohärente UV-Strahlung erhalten. Der Neonlaser liefert bei Wellenlängen von 0,3324 fi und 0,3378 ¡x im Dauerbetrieb 30 mW (PAANANEN, 1966b). In Gaslasern kann man mit Hilfe von Molekülen auch den gesamten Infrarotbereich erfassen (GARRETT, 1965). Die Besetzungsumkehr erfolgt dann zwischen verschiedenen Schwingungs- und Rotationsniveaus. Die längste Laserwellenlänge von 676 ¡i stammt von gepulsten Lasern, die Moleküle mit CN-Gruppen enthalten. 676 ¡i bzw. 0,68 mm liegen bereits innerhalb des Mikrowellenbereichs, die Laserleistungen von 1 Watt sind jedoch größer als die von Elektronenröhren verfügbaren Leistungen. Für die Umwandlung von elektrischer Energie in Licht sind sehr hohe Wirkungsgrade möglich ( P A T E L et al., 1965). Es sind ¿ohlendioxidlaser mit einem Wirkungsgrad von 15% und einer kontinuierlichen Leistung bis zu 1100 Watt hergestellt worden. Laserleistungen von dieser Größe führen die „Todesstrahlen" tatsächlich der Realisierung einen Schritt näher. Dieser Laser ergibt entsprechend den verschiedenen Rotationsniveaus eine Anzahl von Wellenlängen bei 10,6 fi. Der Kohlendioxidlaser ist durch Anwendung der Gütesteuerung auf Spitzenleistungen von 50 kW gebracht worden (KOVACS et al., 1966). 353

Bei Gaslasern sind Schwingungen in einzelnen reinen Moden möglich. Dabei erzielt man etwa die Hälfte der verfügbaren Leistung in der niedrigsten Mode B. Optisch gepumpte dielektrische Festkörper Laser dieser Kategorie wurden weitgehend in biologischen und medizinischen Versuchen verwendet, da sie die bei weitem größte Impulsenergie (5000 J ) und Impulsspitzenleistung (10000 MW) abgeben. Sie können auch kontinuierlich betrieben werden, die zu erzielenden Leistungen sind allerdings kleiner als die der Gaslaser. Das Verstärkerelement besteht aus einem durchsichtigen dielektrischen Kristall oder Glas, die zu ca. 1 % mit einem Übergangsmetall oder einem Seltenerdmetall dotiert sind. Die Dotierung wird in den Kristall (oder das Glas) als positives Ion eingebaut. Die Bindung zwischen dem Ion und dem Gitter hat einen starken Einfluß auf das optische Spektrum. Auch hier wurde bei einer großen Anzahl von Kristallen mit unterschiedlichen Dotierungen eine Laserwirkung gefunden, jedoch sind nur zwei davon bis zur wirklichen Nutzung entwickelt worden. Es gibt eine Reihe von Lasern ( J O H N S O N , 1 9 6 4 ) , die Neodym (Nd 3+ ) in Kristallen von Calciumwolframat und Yttriumaluminiumgranate (YAG) und in Gläsern verschiedener Zusammensetzung verwenden. Ihre wichtigste Wellenlänge liegt bei 1,06 fi. Da es'eine Anzahl verschiedener Wirtsgitter für dieses Ion gibt, hat man je nach Anwendungszweck verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Nd 3+ -Glas wird in großen Lasern vielfach benutzt, da es verhältnismäßig billig ist und eine gute optische Qualität besitzt. Nd 3+ -YAG eignet sich bestens für kontinuierliches Pumpen. Nd 3 +-Calciumwolframat stellt einen Kompromiß zwischen Glas und YAG dar. Der zweite weitverbreitete Materialtyp ist rosafarbener Rubin (0,05% Cr3+ in A1203). Rubin wurde im allerersten Laser ( M A I M A N , 1961; M A I M A N et al., 1961) und auch noch einige Jahre danach verwendet, hat aber einen beträchtlichen Nachteil, daß nämlich das untere Laser-Niveau zugleich den Grundzustand darstellt. Es wird deshalb eine viel höhere Pumpleistung benötigt, weil für eine Inversionsumkehr mehr als die Hälfte der Ionen in das Niveau 2 gebracht werden müssen. Rubin wird noch immer in Lasern mit sehr hohen Leistungen verwendet, da dieses Material nicht so leicht beschädigt wird wie Nd 3+ -Glas. Dieser Laser liefert zwei Wellenlängen bei 0,6943 M , und 0,6929 fi, von denen die längere emittiert wird, sofern kein Filter im Resonator benutzt wird. Diese Laser werden mit inkohärentem Licht gepumpt. Die ablaufenden Energieübertragungsprozesse sind dieselben wie für die spontane Fluoreszenzemission aus dem Niveau 2. Gute Materialien haben einen breiten Absorptionsbereich, so daß man weißes Licht zum Pumpen verwenden kann; sie weisen ferner eine große Fluoreszenzquantenausbeute auf. Das Lasermaterial wird normalerweise als zylindrischer Stab geschnitten, auf den das Licht einer zylindrischen Lichtquelle mit Hilfe eines elliptischen zylinderförmigen Reflektors übertragen wird. Für ein kontinuierliches Pumpen besteht die Lampe aus einer kapillarförmigen Entladungsröhre mit Xenon für den Neodymlaser und mit Quecksilber für den Rubinlaser. Zum Aufrechterhalten der Schwingungen benötigt man Lampen mit einer Leistung von 1 kW, so daß sowohl die Lampe als auch der Laser mit Wasser gekühlt werden muß. Die größeren Laser werden im Impulsbetrieb mit Xenonblitzen 354

gepumpt. Eine elektrische Energie zwischen 10 und 10000 J wird in einer Kondensatorbatterie gespeichert und darauf in Zeiten von 100 /xsec bis 10 msec über die Röhre entladen. Es braucht nicht sonderlich betont zu werden, daß eine so große elektrische Energie viel stärkere biologische Wirkungen haben dürfte als irgendein Laser. Bei Festkörperlasern wurden bereits alle Funktionsmoden realisiert. Kontinuierlich gepumpte Nd3+-YAG-Laser ( G E U S I C et al., 1964) ergeben eine Ausgangsleistung von 20 W. Nach Erreichung des thermischen Gleichgewichts erfolgen die Schwingungen in einer einzelnen stabilen Mode. Impulsförmig gepumpte Laser stellen Quellen mit sehr großer Impulsenergie dar. Es wurde über Systeme berichtet, die in einem einzelnen Impuls von 1 msec 5000 J oder sogar noch mehr abgeben. Impulse bis zu 10000 MW (10 GW) innerhalb von 20 nsec sind mit der Technik der Gütesteuerung möglich. Im Hinblick auf eine Beschädigung des Lasers ist Rubin am geeignetsten, jedoch ist selbst ein Rubinstab nach einigen zehn Impulsen dieser Größe unbrauchbar. Vor kurzem ist die Impulszeitmodulation (PTM) in die Laserpraxis eingeführt worden, die Impulse von 3 nsec und 30 MW zuläßt. Noch kürzere Impulse wurden durch Modensynchronisation erzielt. Impulse bis herab zu 2 • 10 - 1 3 sec wurden von S T E T S E B und D E M A B I A (1966) für einen Nd 3+ -Laser mit einem Farbstoff als Modulator angenommen. Ein großes Problem dabei ist allerdings, wie Impulse von nur 10 Mikron Länge gemessen werden sollen. C.

Halbleiter

(REDIKER, 1965)

Diese Gruppe ist für die biologische Anwendung nebensächlich, weil sie nur wenig Leistung und mehr inkohärente Strahlung liefert. Halbleiterlaser werden in vielen Nachrichtenübertragungsanlagen verwendet. Das Risiko von Augenschäden darf auch hier nicht übersehen werden. Der Laserübergang erfolgt zwischen der unteren Grenze des Leitfähigkeitsbandes und der oberen Grenze des Valenzbandes. Die Bandlagen sind abhängig von der Dotierung und der Temperatur, so daß die Laserwellenlänge über einen ziemlich großen Bereich verändert werden kann. Der Laser kann als Diode mit einem p—«-Kontakt 'realisiert und mit einem Strom in Durchlaßrichtung gepumpt werden. Es werden dadurch Elektronen und Löcher im Kontakt erzeugt. Ihre Rekombination ergibt Licht mit einer Wellenlänge entsprechend dem Abstand zwischen den Bändern. Die Abmessungen der Laser sind offenbar die der Kontakte, deren Enden parallel sind und einen Resonator bilden. Da der Querschnitt des Kontaktes nur 5 fi X 100 fi beträgt, ist die Streuung des Strahls sehr stark. Galliumarsenid ist der einzige Halbleiter, der als Laserdiode kommerziell verfügbar ist. Die ermittelte Wellenlänge dieses Halbleiters liegt in Abhängigkeit von der Temperatur zwischen 0,8 fi und 0,9 ¡u. Die Erhitzung des Kontaktes begrenzt die maximale Leistung im Dauerbetrieb bei einer Diodentemperatur von 4,2 °K auf 11 W, während bei Zimmertemperatur bei Impulsen von 50 nsec Dauer 10 W erhalten werden. Halbleiterlaser haben den größten Wirkungsgrad aller Lasertypen, indem bis zu 60% der eingespeisten elektrischen Leistung in Licht umgewandelt werden. Man hat große Halbleiterblöcke mit Licht und Elektronenstrahlen hoher Energie 24

Wyard

355

gepumpt. Als kürzeste Wellenlänge eines Festkörperlasers erhielt man auf diese Weise 0,3291 /*—0,3425 ¡x, und zwar mit Zinksulfid, das mit einem Elektronenstrahl gepumpt wurde (HUBWITZ, 1966).

11.2.4.

Nichtlineare Optik

Da die Emissionswellenlänge bzw. die Frequenz eines Lasers durch die spektralen Übergänge festgelegt ist, benötigt man für jede Wellenlänge ein anderes Verstärkermaterial. Der Bereich optischer Wellenlängen ist sehr groß, so daß es unmöglich ist, für jeden Bereich einen Laser zu finden. In der Elektronik, d. h. der Hochfrequenz- und Mikrowellentechnik, ist man sehr wohl imstande, neue Frequenzen durch Modulation (Seitenbänder), Mischung und Frequenzumsetzung zu erzeugen. Alle diese Prozesse verwenden bestimmte Arten nichtlinearer Bauelemente, wie z. B. eine Diode. Bei den Feldstärken von Hochleistungslasern werden zahlreiche optische Materialien nichtlinear, so daß die obige Technik zur Erweiterung des Frequenzbereiches der kohärenten Strahlung verwendet werden kann. Es gibt zwei Klassen optischer Nichtlinearität, die nichtlineare Polarisierbarkeit und die Raman-Streuung. Die erste kann zur Mischung und Frequenzvervielfachung verwendet werden. Die zweite ähnelt einer Modulation, wobei der Seitenbandabstand einer Molekülschwingung oder einer Rotationsfrequenz entspricht. A. Mischung,

Frequenzvervielfachung,

parametrische Oszillation (FRANKEN und

WABD, 1963)

4?rP beschreibt den durch ein elektrisches Feld hervorDer Ausdruck D = E gerufenen Verschiebungsstrom. P ist die Polarisation, die in einem dielektrischen Medium durch Bewegung von Elektronen und Ionen aufgebaut wird. Wenn man nichtlineare Terme hinzunimmt, kann P folgendermaßen geschrieben werden: P = X1 • E + X2 • E* + Xz • E* + ... Dabei sind X 1 ; X2, X3 • •• Suszeptibilitäten. Bei einem einfallenden Feld E0 sin to t wird die lineare Polarisation P1 = X1 • E0 sin cot mit gleicher Frequenz abgestrahlt. Für P2 gilt jedoch E 2 P 2 = X2 • E02 sin2 mt = X2 • (1 - cos 2eot), ¿i was die Erzeugung der zweiten Harmonischen (der 1. Oberwelle bzw. der doppelten Frequenz) 2 CD bedeutet. Bei zwei erzeugenden eingestrahlten Feldern mit verschiedenen Frequenzen (a>u a>2) kann diese quadratische Polarisierung für eine Mischung benutzt werden, wobei die Summen- (wj + co2) und die Differenzfrequenz ( > O

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Bereich kohärenter Frequenzen ist im roten und nahen infraroten Spektralbereich durch ein geeignetes Raman-Material und einen Rubin- oder Nd 3+ -GasLaser mit Gütesteuerung zugänglich gemacht worden. Molekularer Wasserstoff besitzt eine besonders große Verschiebung (4150 cm -1 ), so daß die zweite Stokessche Linie eines Neodymlasers (MARTIN und THOMAS) im Infrarot bei 8,8 fi liegt. Durch Erzeugung der zweiten Harmonischen und Mischung kann auch ein Wellenlängenbereieh im ultravioletten und sichtbaren Bereich erzeugt werden (MARTIN etal., 1965). In Tab. 11.2 sind die charakteristischen Daten einer Anzahl unterschiedlicher Lasertypen zusammengestellt. 1

11.3.

Instrumentierung

11.3.1.

Energieübertragung

Bis auf den heutigen Tag haben sich nahezu alle Laser-Anwendungen in der Medizin und Biologie mit den Wirkungen (normalerweise Schädigung) beschäftigt, die kohärente Strahlung auf lebende Materie ausübt. Zur Bestrahlung einer äußeren Oberfläche fällt der Laserstrahl dann unmittelbar auf die Oberfläche, wobei die Energiedichte mit Hilfe von Filtern und Linsen geregelt wird. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Benutzung von Durchlässigkeitsfaktoren von Filtern, die bei niedrigen Leistungen bestimmt wurden, für den Laserbetrieb bedenklich ist. Bei Leistungsdichten von Lasern insbesondere mit Gütesteuerung können die Filter gebleicht werden, so daß sie eine unerwartet hohe Durchlässigkeit ergeben. Eine Bestrahlung innerer Oberflächen kann manchmal durch die Verwendung eines aus bestimmten biegsamen Plasten bestehenden Lichtleiters ermöglicht werden. Der Lichtstrahl wird im Innern des polierten Stabes durch Totalreflexion zusammengehalten und kann so um Ecken herum auf die interessierende Fläche gelenkt werden. Wegen ihrer hohen Biegsamkeit bieten sich Faseroptiken an, d. h. Bündel von Fasern mit hohem Brechungsindex, die von einem Material mit niedrigerem Brechungsindex umgeben sind. Allerdings gibt es gegenwärtig kein Material, womit man Energie von mehr als einigen Joule übertragen kann. Größere Materialien können teilweise bestrahlt werden, indem man einen Lichtleiter oder eine Faseroptik ähnlich wie eine Injektionsnadel in das Material einsticht. Eine der wertvollsten Eigenschaften des Laserlichtes ist die Möglichkeit der Fokussierung auf eine sehr kleine Fläche. Diese Eigenschaft stammt von der räumlichen Kohärenz oder der geringen Strahlausbreitung. Die Größe des Brennflecks kann sehr einfach aus der Winkelausbreitung des Laserstrahls berechnet werden. Es gilt: Brennfleckdurchmesser = Brennweite der Linse X Divergenz. Nehmen wir als Beispiel eine Wellenlänge von 0,5 fi, einen Strahldurchmesser von 6 mm und eine aberrationsfreie Linse mit 1 cm Brennweite, so erhält man einen Brennfleck mit dem Durchmesser 104 X 10 -4 = 1 fi. Die Intensitätsverteilung einer TEMooq-Mode über den Fleck besitzt Gaußform. Der von dielektrischen Festkörperlasern mit hoher Energie bzw. Leistung erzeugte Brennfleck weist 1

Anm. der dt. Hrsg.: Eine Monographie über nichtlineare Optik ist kürzlich erschienen (SCHUBERT und WILHELMI, 1971).

361

ebenfalls häufig eine Gaußverteilung auf, infolge des stochastischen Winkeldiagramms der Strahlung haben solche Laser nicht nur eine, sondern mehrere Moden. Da die Strahlstreuung viel stärker ist, beträgt der Brennfleckdurchmesser das hundertfache von dem eines Gaslasers. Natürlich kann die Fleckgröße mit einer Blende an irgendeiner Stelle des optischen Systems verringert werden, was allerdings mit einem Energieverlust verbunden ist. Ein Beispiel für die Anwendung einer Blende wird bei dem im nächsten Abschnitt diskutierten Laser-Mikroskop (Abb. 11.11) gegeben. Bei den Leistungsdichten von Lasern mit Gütesteuerung werden viele optische Materialien beschädigt, insbesondere dann, wenn der Laserstrahl fokussiert wird. Die Durchbruchsfeldstärken einiger gebräuchlicher Materialien sind in Tabelle 11.3 wiedergegeben. Der Durchbruch in diesen speziellen Materialien stammt sehr wahrscheinlich entweder von starken elektrischen Feldern oder Ultraschallfeldern. Die verschiedenen Mechanismen der Schädigung werden in diesem Kapitel noch genauer diskutiert. Die obigen Ausführungen sind auf einen großen Bereich von Laser-Apparaturen anwendbar. In den folgenden drei Abschnitten sollen drei spezielle Geräte beschrieben und an ihnen verschiedene Konstruktionsprinzipien erklärt werden. Tab. 11.3: Durchbruchsfeldstärken optischer Materialien Quarzgut Borsilikatglas Rosafarbener Rubin Luft (Funkenbildung)

A . Lasermikroskop

4,7 • 10 11 W/cm 2 0 , 6 - 4 , 5 • 1010 W/cm 2 10» W/cm 2 1 - 5 - 1010 W/cm 2

(PEPPERS, 1965)

Der gebräuchlichste Weg zur Bestrahlung kleiner Flächen stellt die Einführung des Laserstrahls in die Optik eines Mikroskops dar. Der Hauptvorteil dieser Methode besteht darin, daß für die Untersuchung der Auftreffläche und zur Einstellung des Laserstrahls dasselbe Instrument benutzt werden kann. Diese Technik wurde zuerst von BESSIS und Mitarbeitern zur Zerstörung von Teilen einzelner Zellen angewendet. Abb. 11.11 zeigt das Funktionsbild eines handelsüblichen Geräts. Der Laser wird über einen dichroidischen Spiegel an das Mikroskop gekoppelt und über eine Linse in die Bildebene fokussiert. Der aus vielen Schichten bestehende dichroidische Spiegel besitzt für 0,6943 fi ein starkes Reflexions vermögen, ist aber für die meisten Wellenlängen des sichtbaren Spektrums durchlässig. Jenseits /des Laserspiegels kann deshalb eine Kamera angebracht werden. Ein zweiäugiges Okular kann für die visuelle Beobachtung benutzt werden, wenn sich ein Gleitprisma im Strahlengang befindet. Die Größe des Brennflecks kann durch Änderung der Blendenöffnung zwischen den Linsen Lx und L2 oder durch Verwendung unterschiedlicher Objektive verändert werden. Mit einem 63er-Objektiv kann ein Brennfleck mit einem Durchmesser von 1—8 fx erzeugt werden. Die Laserleistung beträgt 0—500 m J in einem 150 ¿tsec-Impuls. 362

B . Laser-Netzhaut-Photokoagulator

(KOESTER e t a l . , 1 9 6 2 ; KAPANY e t al., 1 9 6 5 )

Die erste klinische Anwendung von Lasern galt der Augenchirurgie. Hierbei kann die Augenlinse zur Fokussierung der Energie auf die Netzhaut dienen. Abb. 11.12 zeigt die Anordnung eines solchen Apparates, der die Funktionen eines Photokoagulators mit der eines Ophthalmoskops in sich vereint. Die Netzhaut kann bei Beleuchtung durch die Lichtquelle Qu über die Linse Lx untersucht werden. Laser und Lichtquelle sind mit dem Auge durch den Spiegel /Sj verbunden. S2 ist ein

Abb. 11.11: Punktionsdiagramm eines Lasermikroskops vom Typ TRG Modell 513.

dichroidischer Spiegel. Zunächst wird ein Bild des Fadenkreuzes zur Einstellung des Treffpunktes des Laserstrahls auf die Netzhaut projiziert. Danach wird das Fadenkreuz ausgeschaltet, so daß der Laserstrahl im Schnittpunkt des Fadenkreuzes ungeschwächt auftreffen kann. Die Größe des fokussierten Flecks kann durch Verschieben der Linse L2 verändert werden. C. Laser-Mikrosonde

(FRANKEN, 1962)

Trifft ein Laserstrahl auf eine kleine Fläche eines Materials, so wird etwas davon verdampft. Läßt man den Dampf durch ein Paar geladener Elektroden strömen, so kann sich ein Lichtbogen ausbilden, dessen Spektrum charakteristisch für die verdampfte Substanz ist. Auf diesem Prinzip beruht die Laser-Mikrosonde. Normalerweise wird für die Bestrahlung und Beobachtung ein Mikroskop ver363

wendet. Man benötigt für eine photographische oder pho.toelektrische Spektroskopie nur 1(H g Material, so daß mit derartig geringen Mengen in erster Iònie eine „in vivo ' ' - Spektroskopie möglich ist. Man kann überdies durch wiederholte Aufnahmen an unterschiedlichen Stellen der Probe eine mikroskopische Karte der atomaren Konzentrationen anfertigen. Patient

Die Mikrosonde ist zur Bestimmung der Konzentration verschiedener Elemente in Zähnen (Schmelz, gesundes und kariöses Dentin, Zahnfüllungen usw., SHERMAN et al., 1965) und Knochen von Hunden und Kindern (LITHWICK et al.) benutzt worden. Die Konzentrationsahgabe kann dazu dienen, physiologische Funktionen zu verfolgen. So wurde z. B. gefunden, daß der Gehalt an Titan in den beiden Gewebearten sich stark voneinander unterscheidet. 11.3.2.

Dosimetrie (NOWAK e t al., 1964)

Quantitative Versuche zur biologischen Wirksamkeit von Laserstrahlung erfordern die genaue Kenntnis der absorbierten Energie, oder aber falls das unbekannt ist, die Kenntnis der auf die Probe einfallenden Energie. Die Energieabsorption ist mit Ausnahme sehr einfacher Systeme schwierig zu bestimmen. Es gibt keine direkte Methode der Dosimetrie wie bei harten Röntgen- oder y364

Strahlen. Als Faustregel gilt, daß komplizierte Materialien bei den üblichen hohen Energiedichten 30—100% der einfallenden Energie absorbieren. Für eine genauere Bestimmung muß man die Energie vor der Absorption messen, womit eine Genauigkeit von 5% erzielt werden kann. Die zu messenden Impulsenergien liegen im Bereich von 10-3—104 J , bei kontinuierlicher Leistung bei 10~2—103 W. Alle diese Energien bzw. Leistungen können kalorimetrisch erfaßt werden. Man kann für mehrere Wellenlängen dasselbe Instrument benutzen, allerdings benötigt man zur Überdeckung des Energiebereichs von 7 Zehnerpotenzen mehr als ein Kalorimeter. Das Problem besteht dabei darin, ein Verdampfen der absorbierenden Oberflächen zu vermeiden, da anderenfalls ein zu niedriger Wert bestimmt wird. Aus diesem Grund wird der Absorber vorzugsweise aus einem polierten Metall hergestellt, so daß bei jeder Reflexion nur wenige Prozent der Laserenergie absorbiert werden. Es gibt zwei geometrische Anordnungen, bei denen das Licht einer großen Anzahl von Reflexionen unterliegt, ehe es verschwindet. Die erste stellt eine dünnwandige Hohlkugel mit einem kleinen Loch dar, in das der Laserstrahl fokussiert wird ( B R U C E und C O L L E T T , 1965). Die zweite ist ein offener Kegel, der bei richtigem Kegelwinkel wie ein Mendenhall-Absorber mit sehr geringer Rückstrahlung wirkt ( K I L L I C K et al., 1966). Bei beiden Kalorimetertypen wird die Temperaturerhöhung mit in Reihe geschalteten Thermoelementen gemessen. Eine Alternativmethode stellt das Flüssigkeitskalorimeter dar ( D Ä M O N und F L Y N N , 1963). Dieses besteht aus einer Zelle mit einer Lösung einer stabilen farbigen Verbindung, die bei der Laserwellenlänge absorbiert. Die Farbstoffkonzentration wird so gewählt, daß die absorbierte Energie ziemlich gleichmäßig über die Zelle verteilt wird. Die Energie kann wiederum aus der Temperaturerhöhung oder aber aus der Volumenzunahme bestimmt werden. Flüssigkeitskalorimeter können selbstverständlich nur für einen begrenzten Wellenlängenbereich verwendet werden. Zusätzlich zu den Schwierigkeiten bei einer sehr kurzen Impulsdauer erwachsen bei der Messung von Leistungen bei Gütesteuerung wegen der Durchbruchsfeldstärke und der Nichtlinearität des Detektors neue Probleme. Das einfachste Verfahren verwendet eine Vakuum-Photodiode zur Aufzeichnung der Impulsform und vergleicht das Integral dieses Signals mit der in einem Kalorimeter gemessenen Energie. Auf diese Weise kann man für Leistungen bis zu 100 MW zufriedenstellende Ergebnisse erhalten. Die Tatsache, daß es zur Zeit keine Geräte allgemeinerer Art für höhere Leistungen gibt, stellt in der Lasertechnologie ein echtes Problem dar. Bei einer vielversprechenden Anordnung wird der Gleichanteil in der nichtlinearen quadratischen Polarisation verwendet ( B A S S et al., 1965). Die Betrachtung der früher angegebenen Gleichungen zeigt, daß in piezoelektrischen Kristallen eine solche „optische Gleichrichtung" möglich ist. Der Lichtverlust ist vernachlässigbar, da das Gerät aus einem durchsichtigen Kristall mit zwei Platten besteht, zwischen denen der Strahl hindurchgeht.

11.4.

Reaktion der Strahlung mit Materie

In diesem Abschnitt sollen die Mechanismen beschrieben werden, durch die das Licht von Stoffen absorbiert wird. Schließlich werden die Wirkungen der Energie auf verschiedene Stoffe dargestellt. 365

11.4.1.

Lineare Absorption

Der bekannteste Mechanismus, durch den Licht in Nichtmetallen absorbiert wird, ist der Übergang eines Moleküls in einen angeregten Zustand. Bei der linearen Absorption wird für jedes angeregte Molekül ein Photon verbraucht. Die Moleküle können ihre Anregungsenergie auf drei verschiedene Arten verlieren: sie können fluoreszieren, sie können in kleinere Moleküle zerfallen, oder die Energie erhöht die Temperatur der Moleküle und ihrer Umgebung. Das Material muß bei starker Absorption einen Absorptionsbereich bei der Laserwellenlänge haben. Die meisten biologischen Objekte streuen das Licht, wodurch die Weglänge für die Absorption noch vergrößert wird. Auf diese Weise können auch schwache Banden und die Ausläufer starker Banden beträchtliche Lichtstärken absorbieren. Die Absorptionswellenlängen für einige biologisch interessante Substanzen sind in Tab. 11.4 angegeben. Tab. 11.4: Absorptionsbanden (in /i) Serumalbumin (Protein) Nucleinsäuren Vitamin A Hämoglobin Netzhaut" Chlorophyll Fleisch Wasser

1,1 >22

Licht kann auch durch freie Elektronen, wie z. B. in Metallen und Plasmen, absorbiert werden. Wie später noch gezeigt wird, können Plasmen an der Oberfläche von Stoffen bei intensiver Beleuchtung und in Laser-Lichtbögen auftreten. Diese Plasmen sind im wesentlichen lichtundurchlässig und stellen ein sehr heißes Plasma ganz ähnlich wie bei bestrahlten Proben dar. Bei den von Lasern erreichten Lichtleistungen kann im angeregten Zustand der Moleküle eine hohe Besetzung aufrechterhalten werden. Gibt es ein weiteres Niveau oberhalb des angeregten Zustandes, so kann eine weitere Anregung durch Absorption eines zweiten Photons auftreten. Auf diese Weise kann ein Infrarotlaser ein Molekül in ein UV-Absorptionsband anheben, so daß als Resultat ein unerwarteter Zerfall des Moleküls eintreten kann. Die Stärke dieser sekundären Absorption ist proportional zum Quadrat der Lichtintensität.

11.4.2.

Zweiphotonen-Absorption ( K l e i n m a n , 1962)

Wie bereits erwähnt, kann sich das normale lineare Absorptionsverhalten im Bereich von Laserleistungen ändern. Bei sehr hohen Leistungsflüssen können zwei Photonen gleichzeitig absorbiert werden, so daß eine Energiedifferenz von der Größe zweier Photonen aufgenommen werden kann. Dieser Effekt wird manchmal 366

durch Einführung eines virtuellen Halbniveaus zwischen den beiden realen Energieniveaus beschrieben. Die Zweiphotonen-Absorption ähnelt dann der Absorption über ein wirklich vorhandenes Niveau. Der grundlegende Unterschied besteht natürlich darin, daß es kein solches Niveau gibt und das Material bei der Laserwellenlänge durchsichtig ist, während es in einem UV-Bereich stark absorbiert. Dieser Effekt ist bei Leistungsdichten von Lasern mit Gütesteuerung sehr wichtig. Für die lineare Absorption gilt d / = — txxläx,

d.h.

/ = I 0 • exp [—«ja;]. Dabei ist I die Lichtintensität, x die lineare Abmessung des Absorbers und a, der Absorptionskoeffizient. Die Zweiphotonen-Absorption steigt mit dem Quadrat der Lichtintensität, so daß d / = —oc212 • da: gilt. Man kann einen effektiven linearen Absorptionskoeffizienten 10-7 sec).

3.2.2.

Korrelationszeit gebundener Spinmarker

Wird die Beweglichkeit .eines Radikals wie bei der Spinmarkierung durch Bindung an ein Makromolekül (T ~ r 3 ) verringert, dann kann der Fall der starken Immobilisierung auch bei Zimmertemperatur in niederviskosen Lösungen eintreten. Hier muß allerdings betont werden, daß das r des gebundenen Markers nicht allein durch die Größe des Makromoleküls bestimmt ist. Auch ein kovalent gebundener Marker kann sich noch relativ zum Makromolekül bewegen. Diese Beweglichkeit in der Nähe der Bindungsstelle am Makromolekül wird zum Beispiel bei Proteinen im wesentlichen durch intermolekulare Bindungen (//-Brücken) zwischen den Polypeptidketten bestimmt, durch die zunehmend höhere Strukturen (räumliche Faltungen und Quartärstrukturen) aufgebaut werden, die die Beweglichkeit des Markers verringern (Abb. 4 ) ( O H N I S H I e t a l . ,

Abb. 4: Modell für die Beweglichkeit eines am Makromolekül (schraffiert) kovalent gebundenen Spinmarkers.

1966). Dieser Sachverhalt führt schließlich dazu, daß sich Konformationsänderungen an Biopolymeren in einer veränderten Rotationsbewegung der Spinmarker äußern, die als Linienformänderung der ESR-Spektren meßbar und mit einer Änderung des r-Wertes quantitativ zu beschreiben sind. Man beobachtet bei gebundenen oder inkorporierten Spinmarkern je nach dem Grad der Beweglichkeit Linienformen, die mehr dem einen oder anderen Grenzfall ähneln. Der Bereich für T, bei dem signifikante Linienformänderungen am Markerspektrum zu beobachten sind, beträgt 10- 7 > r > 10- 11 sec. 26*

389

Markerspektren mit 10 _ s > r > 10 - 1 0 sec sind relativ übersichtlich und werden zum Typ der schwachen Immobilisierung gezählt, während für 10~7 > r > l O 9 sec die stärksten Spektrenänderungen auftreten und die Linienformen sehr kompliziert werden. Das physikalische Problem bei der Spinmarkierung besteht in einer eindeutigen Zuordnung der Korrelationszeit zur betreffenden Linienform. Die Berechnung der Linienform in Abhängigkeit von r durch einen zusätzlichen zeitabhängigen Störungsterm im Spin-Hamiltonoperator stößt auf erhebliche Schwierigkeiten, wenn man den gesamten interessierenden r-Bereich erfassen will. Entsprechende Näherungsrechnungen mit Elektronenrechnern speziell für den Fall der starken Immobilisierung (ITZKOWITZ, 1967; K O R S T et al., 1969; ALEXAJTDROW et al., 1970; K U Z N E T S O V et al., 1971a) haben zum Teil gute Übereinstimmung mit Linienformen experimenteller Spektren ergeben. Unsicherheiten bei solchen Rechnungen rühren daher, daß die Hauptwerte des g- und Hfs-Tensors für den betreffenden Marker merklich von den verschiedenen R und R' abhängen und meistens nicht genau genug bekannt sind. Außerdem beeinflußt auch die Polarität des Lösungsmittels die Kopplungen (POGGI et al., 1970). Die Komponentenbreite ändert sich mit r und liegt zwischen 1,5 und 5 G (ITZKOWITZ, 1967; K U Z N E T S O V et al., 1971a). Bei den Rechnungen wurde der Einfachheit halber die Rotationsfluktuation als isotrop angenommen. Die gestreckte Molekülstruktur z . B . der hydrophoben Marker und die Fixierung eines Markers über eine kovalente Bindung lassen Vorzugsrichtungen für die Rotationsfluktuationen erwarten. Diesbezügliche Einflüsse auf die Linienform wurden in entsprechenden Rechnungen berücksichtigt (KUZNETSOV, 1970; K U Z N E T S O V et al., 1971b).

3.2.3.

Bestimmung von r aus Spektrenparametern

Der Bereich der schwachen Immobilisierung (10 - 9 > r > 10 - 1 1 sec) von Nitro xidradikalen kann näherungsweise mit Hilfe der bereits von MCCONNELL (1956) entwickelten Theorie der Linienform von ESR-Spektren freier Radikale und solvatisierter Übergangsmetallkomplexe in Lösung behandelt werden. Für diese Theorie ist charakteristisch, daß die Linienbreite der Hfs-Komponenten von der Mz-Quantenzahl des Kernspins 1 abhängt. I m Fall der Nitroxidradikale werden die drei Hfs-Linien mit steigendem r unterschiedlich stark verbreitert (Abb. 5). Für die Linienbreite einer Hfs-Komponenten mit 1 = 1 und M = 0, i 1 gilt (HAMILTON et al., 1968):

T^M) =*

++

5 i / 2 ]

To + rs Vy •

-

hb{Ay

+

Dabei bedeuten: r — die isotrope Korrelationszeit, b — die Hfs-Anisotropie, | A y • H | — die ^-Anisotropie und X — alle übrigen Verbreitungseffekte, die nicht von M abhängen. 1

Beim Stickstoffradikal entspricht die Mittellinie M = 0, die Hochfeldlinie M = — 1 und die Linie bei tiefem Feld M = -f1.

390

Diese Näherung gilt unter folgenden Voraussetzungen: 1. Axiale Symmetrie Ax = Av. 2. Fluktuationen müssen isotrop und langsamer als die Larmorfrequenz sein, CO2T2>1, d.h. T > 1 0 - U s e c .

Abb. 5: Linienform für schwache Immobilisierung von Nitroxidmarkern (3 • 10-» > r > 10- 10 see).

Abb. 6: Linienform von Nitroxidmarkern im Übergangsgebiet bei r «s 10~ 8 sec.

391

3. Fall schwacher Immobilisierung liegt vor, b2 t 2 10~ sec als gute N ä h e r u n g verwendet werden, u m aus den Linienbreiten bzw. I n t e n s i t ä t e n der Linien mit M = ± 1 die Korrelationszeit r zu ermitteln. Die Beziehung r [sec] = 6,65 • 10-1" . z J J f f ( + 1) [G] • ( j / / p - [ j

-

*)

mit A H{-\- 1) als W e n d e p u n k t s b r e i t e der Linie M = + 1 u n d / ( ± ) als I n t e n sitäten der ersten Ableitung der beiden Seitenlinien ( K U Z N E T S O V et al., 1 9 7 1 A ) ist f ü r die Auswertung von Marker-Spektren wie in Abb. 5 sehr g u t geeignet. Die oben diskutierten Unsicherheiten bei den Angaben der H a u p t w e r t e gehen auch in den Z a h l e n f a k t o r der r-Formel ein. Auch f ü r Markerspektren im Übergangsgebiet f ü r r > 10 - 9 sec (Abb. 6) u n d f ü r den Fall starker Immobilisierung, wo die obige N ä h e r u n g versagt, ist es wünschenswert, a n h a n d leicht meßbarer S p e k t r e n p a r a m e t e r die Korrelationszeit zu bestimmen. Zu diesem Zweck w u r d e die Lage der bei niedrigem Feld gelegenen K o m p o n e n t e m i t M = + 1 m i t theoretisch berechneten Linienformen in Beziehung gebracht (KUZNETSOV e t a l . , 1971a). E i n e einfache Relation wurde abgeleitet, m i t der insbesondere im Bereich 10 - 7 > r > 10~9 sec, wo diese Linie sich zu niedrigeren Feldern zu verschieben beginnt, die Korrelationszeit berechnet werden k a n n . Mit einem N o m o g r a m m x (r) k a n n r ü b e r =

*

H ( T ) - H { T ^ 0 )

H{r->

oo) -

H(t->0)

ermittelt werden. D a b e i bedeuten H (T - > 0) bzw. H (r oo) die Lage des ersten M a x i m u m s der ersten Ableitung der M = + 1 - L i n i e im Grenzfall schwacher bzw. starker Immobilisierung u n d H(r) die Lage dieser Linie im vorliegenden Fall mittlerer Immobilisierung.

3.2.4.

Einfluß des Spinaustauschs auf die Linienform

Oberhalb einer R a d i k a l k o n z e n t r a t i o n von 10~3 m beginnt die Dipol-DipolWechselwirkung die H f s - K o m p o n e n t e n zu verbreitern, bis diese schließlich zu einer breiten Linie zusammenfallen. I n u n v e r d ü n n t e n reinen flüssigen oder festen Nitroxidradikalen ist der Spinaustausch schließlich so stark, d a ß eine Austauschverschmälerung eintritt u n d analog zum b e k a n n t e n D P P H eine intensive schmale Linie beobachtet wird ( G R I F F I T H et al., 1 9 6 9 ) . Von Nitroxidradikalen sind Biradikale ( R O S A N T Z E V et al., 1965b; R O S A X T Z E V , 1970), aber auch Tri- (NEIMAN et al., 1965) u n d Polymerradikale (ROSANTZEV et al., 1968) synthetisiert worden. I n Biradikalen k a n n ein Spinaustausch s t a t t f i n d e n , wenn die beiden unpaarigen E l e k t r o n e n sich hinreichend n a h e k o m m e n . I s t die Spinaustauschfrequenz / (isotrope H f s - K o p p l u n g ) = 15 G A 4,2 • 107 Hz, so sind die beiden Elektronenspins als isoliert voneinander zu b e t r a c h t e n u n d m a n beobachtet das übliche 1 : 1 : 1 - T r i p l e t t m i t einer A u f s p a l t u n g von 15 G. Bei starkem Spinaustausch ( I ^ > a ) f i n d e t m a n ein 1 : 2 : 3 : 2 : 1 - Q u i n t e t t im A b s t a n d 392

von 7,5 G entsprechend einer Wechselwirkung mit zwei äquivalenten 1 4 N-Kernen ( G L A B U M et al., 1967; LTJCKHURST et al., 1970a, 1970 b). F ü r /SAU treten komplizierte Übergangslinienformen auf, die zur Bestimmung von konformationsbedingten Abstandsänderungen beider Radikalteile des Markers benutzt wurden ( C A L V I N et al., 1969; G O L D F I E L D et al., 1970).

4.

Anwendung der Spinmarkierung zur Untersuchung biologischer Strukturen

Die Anisotropie der Hyperfeinstruktur von Nitroxid-Spinmarkern kann in zweierlei Hinsicht zur Strukturuntersuchung ihrer Umgebung herangezogen werden. Die Anisotropie kann zur direkten Feststellung einer bevorzugten Orientierung der Marker, z. B. in Einkristallen von Proteinen oder in Membranoberflächen, genutzt werden, wenn die Orientierung der Probe im Magnetfeld verändert wird. Zum anderen kann aus der unterschiedlichen Ausmittlung der Anisotropie der Einfluß der statistischen Rotationsbewegung des Markers auf sein ESR-Spektrum in Abhängigkeit von Strukturänderungen in der Nähe der Markierungsstelle am Makromolekül unter natürlichen biologischen Bedingungen beobachtet werden. I m folgenden Teil sollen einige typische Beispiele f ü r die biologische Anwendung der Spinmarkierung kurz erläutert werden, um zu zeigen, welche biologisch interessanten Informationen mit dieser Methode zu erhalten sind.

4.1.

Proteine

4.1.1.

Hämproteide /

Die ersten Untersuchungen an spinmarkierten Proteinen wurden am Hämoglobin durchgeführt, weil über dieses Makromolekül mit Hilfe der Kristallstrukturanalyse bereits eingehende Kenntnisse über höhere Strukturen vorlagen. Ein weiterer Vorzug dieses Proteins lag in seiner guten Kristallisierbarkeit. O H N I S H I et al. (1966) haben Oxyhämoglobin an der ß-93-SH-Gruppe mit einem MaleinimidMarker (6-Ring) kovalent verknüpft und davon Einkristalle gezogen. Die ESRSpektren zeigten, daß der am Protein gebundene Spinmarker eine ganz ähnliche Anisotropie mit vergleichbaren Hauptwerten wie im ungebundenen Fall besitzt. Die Spektren spiegeln die zweifache Symmetrie des Hb-Moleküls wider u n d ergaben, daß die z-Achse des gebundenen Radikals parallel zur Symmetrieachse liegt. Weitere Untersuchungen an Einkristallen von CO- und Methämoglobin, die mit einem Jodacetamidmarker (6-Ring) wiederum an der /3-93-SH-Gruppe markiert waren (MCCONNELL et al., 1968a), dienten dazu, Unterschiede in der Proteinstruktur in der Nähe der /?-93-SH-Gruppe bei verschiedenen Hb-Derivaten nachzuweisen. Obwohl die Einkristallspektren keine signifikanten Unterschiede von CO-Hb und Met-Hb ergaben, konnten beim Vergleich der Markerspektren dieser Derivate in Lösung geringe, aber deutliche Unterschiede in der S t r u k t u r der unmittelbaren Umgebung der /?-93-SH-Gruppe gefunden werden. 393

Die Spinmarkierung gestattet also einen direkten Vergleich der lokalen Proteinstruktur im Kristall und in Lösung (MCCONNELL et al., 1 9 6 7 , 1 9 6 9 ) , ganz analog zur Röntgenstrukturanalyse und KleinWinkelstreuung. Obgleich die Informationsmenge eines Spektrums in Lösung viel geringer ist als die eines Einkristalls, können insbesondere ligandinduzierte Strukturänderungen in Lösung besser untersucht werden. So haben OHNISHI et al. (1968) durch Markierung einzelner /3-Ketten (/3-93-SHmarkierte Untereinheiten) die Ausbildung höherer Strukturen (Quartärstruktur) beim Zusammenlagern von oc-1 und /3-Ketten zum tetrameren Hb in Lösung anhand deutlich stärker immobilisierter Markerspektren beobachtet und sogar den zunehmenden Aufbau bei allmählicher Zugabe von «-Ketten quantitativ erfaßt. Aus der Existenz isosbestischer Punkte in einer Kurvenschar von Linienformen von unterschiedlich 0 2 -beladenem markiertem Hb kann auf zwei und nur zwei definierte Konformationen geschlossen werden. Fehlen solche Punkte, so gibt es Zusammenhänge zwischen der Oxygenierung und allosterischen Konformationsänderungen in der Nähe des Spinmarkers (MCCONNELL et al., 1968b; HAMILTON et al., 1968; Ho et al., 1970). L I C H T E N S T E I N et al. haben 1 9 6 8 mit einer Doppelmarkierung von Hb, einmal über eine kovalente Markierung an der SH-Gruppe und zum anderen über einen Komplex zwischen Histidin und einem Cu-Farbstoff aus der Verbreiterung der Nitroxid-Hfs-Linien einen Abstand zwischen der Histidin- und Cysteingruppe von 12—15 Ä ermittelt. Neuere Arbeiten über spinmarkierte Hämproteide berichten über Cytochrom c (DROTT et al., 1970) und spinmarkiertes Protohäm (ASAKÜEA et al., 1 9 7 1 ) zur Strukturuntersuchung in der Umgebung der Hämgruppe. MOFFAT ( 1 9 7 1 ) untersuchte mit der Röntgendifferenzanalyse die bisher noch offene Fragestellung, inwieweit die Anwesenheit eines Spinmarkers im Hb die Struktur des Hb verändert, und fand relativ gravierende Änderungen der Raumstruktur.

4.1.2.

Poly-L-lysin

In einer der ersten Arbeiten über Spinmarkierung wurde Poly-L-Lysin als Modellsubstanz für Helixstrukturen mit einem Isocyanatmarker (5-Ring) verknüpft (STONE et al., 1965). Bei .pH = 11 existieren helikale Strukturen, was eine Zunahme der Immobilisierung gegenüber der geknäulten Form bei pH = 8 zur Folge hat. Beide Spektren ähneln dem Fall der schwachen Immobilisierung. 4.1.3.

Rinderserumalbumin

SH-markiertes Rinderserumalbumin (Maleinimid-5-Ring) zeigt eine Überlagerung zweier Linienformen für schwache und starke Immobilisierung. Die für spinmarkierte intakte Proteinmoleküle typische Linienform der starken Immobilisierung geht in den Typ der schwachen Immobilisierung über, wenn das Protein bei pH = 2 aufgefaltet wird (GRIFFITH et al., 1966). Ein ähnliches Verhalten zeigt das Markerspektrum, wenn die höheren Strukturen dieses Proteins durch Denaturierungsmittel schrittweise abgebaut werden. Ein Abbau der Tertiär-

394

struktur durch Dioxan ergibt ein x = 2 • 10~9 sec, während der Abbau der Tertiärund Sekundärstruktur durch Harnstoff mit r = 1 • 10~9 sec eine schwächere Immobilisierung des an SH-Gruppen gebundenen Maleinimidmarkers zur Folge h a t ( G R I G O R I A N et al., 1967). Auch der Einfluß einer y-Bestrahlung auf die Struktur von Rinderserumalbumin ist mit der Spinmarkierung untersucht worden ( J U F E R O V et al., 1970).

4.1.4.

«-Chymotrypsin

Bei der Aufklärung der Wirkungsweise von Enzymen interessieren insbesondere solche Prozesse, die mit Konformationsänderungen des Proteinanteils im aktiven Zentrum des Enzyms, d. h. an der Stelle, wo das Substrat umgesetzt wird, verbunden sind. Da häufig die Lokalisierung des aktiven Zentrums eines Enzyms unbekannt ist, bietet sich die Möglichkeit an, einen Spinmarker über das niedermolekulare Substrat in das aktive Zentrum zu bringen. I m Fall des C - C H ( N H 3 ) - C O O -

7

(15°)

6,25

CH2-CH(CH3)-CH(NH3)-COO-

7

(i5°)

22,14 30,45

L-Leucin

CH2-CH(CH3)-CH2-CH(NH3)-COOH

2

21,7

21,7

DL-Isoleucin

CH3-CH-CH(CH3)-CH(NH3)-COOH

2

21,9

19,7

Cystein

•S - C H 2 - CH(NH 3 ) - COOH

1,7

Cystin

• S - C H .- C H ( N H 3 ) - -COOH

1,7

Asparaginsäure

-OOC-CH-CH(NH3)-COO-

8

Serin

DL-Threonin

L-Valin

-OOC-CH2-C(NH2)-COO-

Glutaminsäure "OOC - C H 2 - C H - CH(NH 3 ) - COO" -OOC-CH-CH2-CH(NH3)-COO-OOC-CH2-CH2-C(NH2)-COO-

414

13,88

10

(18°)

21,06 24,47

7,9 22,6

20,3

27,0 23,69

25,9

9 (16°) 20,84 16,71 (17°)

5,5(14°)

5,5(14°) 10 (26)

9,64 21,92 14,59(JS) 22,94(1) 24,00(2) 20,67 22,03 8,95

parameter [G] A

HNH"

«N

®H° H

j-Faktor

Literatur1

5,5 5,40 3,47(1) 3,02(2)

6,6 6,35 6,10

2,00344 2,00341

Ta (1968) P u. Fi (1971), Sm (1970) P u. Fi (1971), Pou (1968)

5,43

7,32

2,0034

P u. Fi (1969)

3,87

5,39

2,0034

Sm (1970)

1,97(1)

3,61 5,07

2,0026 2,0033

Sm (1970) P u. Fi (1969), Pou (1968)

3,59

2,0034

Sm (1970), A u. H (1967), Ta (1968)

3,81

2,0032

P u. Fi (1969)

2,0033

P u. Fi (1969), A u. H (1967)

8,1

1,1

7,74

1,10

Ta (1968)

6,2

Ta (1968) Ta (1968)

7,39

2,0027

P u. Fi (1969), A. u. H (1967), Ta (1968)

2,0026

P u. Fi (1969), A u. H (1967), Ta (1968) Ta (1968) Ta (1968)

2,41(1) 0,69(2)

2,17(1) 0,47(2)

2,0106

Ni u. De (1970)

2,0106

Ni u. De (1970)

3,42

2,0032

P u. Fi (1969), A u. H (1967)

5,37

2,0033

P u. Fi (1969)

5,57

2,0027

P u . Fi (1969)

5,33

2,0033 2,0033

P u. Fi (1969) P u. Fi (1969)

415

Tabelle 1 (Fortsetzung) Verbindung

Radikal

Acetylglycin

C H 3 - C O N H - -CH-COOH CH3-CONH- CH-COO-

2 9,5(17°)

Acetylalanin

C H 3 - C O N H - -C(CH 3 )-COOH

2

Glycylglycin

H3N-CH2-COOH-CH-COOH

2

a

pH/Temp. Aufspaltungs[°C] aH» aHß A H CH » 16,0 17,35

2,71 18,1

16,2

Die Aufspaltungen für das gesamte Radikal beziehen sich auf die Angaben der zuerst genannten Autoren. Die Angaben der an zweiter Stelle genannten Autoren weichen von diesen Werten nur wenig ab (meist Messung bei etwas anderer Temperatur bzw. pH). DieAbkür-

3.2.

Radikalbildung in Nucleinsäurekomponenten

Über die Radikalbildung in Nucleinsäurebausteinen in wäßriger Lösung sind bisher nur wenige Untersuchungen durchgeführt worden (Tab. 2). Im Gegensatz zu Aminosäuren führt die Einwirkung von OH-Radikalen auf Pyrimidinbasen, wie z. B. Thymin, zu einer Addition an eine Doppelbindung, während eine Abspaltung von H-Atomen nicht eintritt (NICOLAU et al., 1969; TANIGTTCHI, 1970). Auch NH 2 -Radikale führen bei diesen Verbindungen nur zur Addition an eine Doppelbindung (DERTINGER und NICOLAU, 1970). Interessant ist, daß die Reaktion von OH mit Thymidin und Uridin zu den gleichen Radikaltypen führt wie bei Thymin bzw. Uracil, d. h. es wird keine Radikalbildung in der Zuckerkomponente dieser Nucleoside festgestellt, obwohl die isolierten Zucker mit OH sehr intensive ESR-Spektren liefern (NORMAN und PRITCHETT, 1967). Analogieschlüsse auf das Verhalten von Nucleinsäuren gegenüber OH-Radikalen sind aus diesen Ergebnissen daher vorläufig noch nicht möglich. Untersuchungen über die Reaktion von Nucleinsäuren mit OH-Radikalen in Lösung liegen noch nicht vor. Dagegen wurde an DNS die Wechselwirkung mit Chlorpromazinradikalionen untersucht, wobei aus Substanzerparnisgründen ein Durchflußsystem bei 8 mm benutzt wurde (OHNISHI und MCCONNELL, 1965). 3.3.

Radikalbildung in Phosphorsäureestern

Eine Reihe von Phosphor- und Phosphonsäureestern besitzt über ihre Cholinesterasehemmwirkung biologische Aktivität, so daß der Mechanismus ihres Abbaus von Interesse ist. Untersuchungen an kurzlebigen Radikalen dieser Verbindungen wurden von LUCKEN (1966) und DAMERAU, LASSMANN und LÖHS (1970,1971 a, b) durchgeführt (Tab. 3 enthält einige der nachgewiesenen Radikale). In diesen Arbeiten konnte gezeigt werden, daß der Angriff von Hydroxylradikalen bei diesen Verbindungen vornehmlich in Nähe von Sauerstoffatomen erfolgt. An dem Insektizid Trichlorphon sowie einigen seiner Derivate wurde außerdem die Reaktion mit Carboxylradikalen (COO~) verfolgt (DAMERAU, LASSMANN und 416

Parameter [G] «,/H,

AJJ

2,1

2,1

1,30

0,49

AH

OH

P-C-CC13 CH30/ I ~ U H

O OH CH30XII I . >P-C-CC12 CH3O/ I H

I

IA

Aus der Temperaturabhängigkeit der Hfs-Parameter (insbesondere der ß-31PKopplungskonstante a-gP) wurden in diesem Falle auch Rückschlüsse auf die Konformation von I a gezogen (Abhängigkeit der Größe von a v o n der Lage der P—C-Bindung zur CCl2-Gruppe) und über die Kopplungskonstanten die Spindichten in Radikalen vom Typ I a ermittelt.

3.4.

Radikalbildung in Carbonsäuren und verschiedenen anderen Verbindungen

Tab. 4 faßt einige Beispiele für Carbonsäuren und andere biologisch interessante Verbindungen zusammen. N O K M A N und P K I T C H E T T (1967) untersuchten das Reaktionsverhalten von Monosacchariden (D-Glucose, D-Galactose, D-Fructose, D-Ribose, L-Arabinose und meso-Inosit) gegenüber OH-Radikalen und stellten fest, daß in einem ersten Reaktionsschritt ein H-Atom aus einem >CH(OH)-Fragment entfernt wird und nachfolgend eine säurekatalysierte HaO-Abspaltung zu Carbonylradikalen erfolgt: -C-Cf \ V /O S/

—H-0

I

.

0=C-C


j o o

3 5 •a



r—I 65 C? e jga Ia o ««e §

M «

§

eo oo

II

HO

CH2OH

0

H^HV0 III

H 2 0-Abspaltung t r i t t offenbar auch bei der Oxydation von Glycerin m i t O H ein (vgl. Tab. 4). Die Untersuchungen von D I X O N et al. (1964) über die radikalische Oxydation von Carbonsäuren haben übrigens gezeigt, daß die Verwendung von Ti 3 +/H 2 0 2 bei p H 1—2 als OH-lieferndes System meist zu den gleichen Radikalen f ü h r t wie die Oxydation mit F e 2 + / H 2 0 2 bei p H 6, bei der ebenfalls OH-Radikale entstehen. Das System T i 3 + / H 2 0 2 ist aus technischen Gründen jedoch leichter einsetzbar. Zu den in Tab. 4 aufgeführten Verbindungen gehört auch das Dimethylsulfoxid (DMSO), f ü r das vielversprechende medizinische Anwendungen gefunden worden sind (BEGEH u n d HAUTHAI, 1968). DMSO bildet mit OH-Radikalen Methyl- u n d Methansulfonylradikale (DAMEBAU et al., 1969). Bei klinischer Anwendung von "H 2 0 2 in Verbindung mit DMSO als Penetrationsvermittler könnten daher im Gewebe mit Hilfe vorhandener Fe 2 +-Ionen Radikale entstehen, die wegen ihrer hohen Reaktivität zu krankhaften Erscheinungen führen. I n Hinblick auf diese Fragestellung durchgeführte Langzeitversuche an R a t t e n zeigten, daß durch s. c. verabreichte DMS0/H 2 0 2 /Ti 3 + -Lösungen reversible entzündliche Prozesse auftreten, während eine kanzerogene Wirkung nicht zu beobachten ist (LÖHS e t al., 1971).

3.5.

Durchflußuntersuchungen an Radikalen aus enzymatischen Reaktionen

Von H A B E R u n d W I L L S T Ä T T E R ( 1 9 3 1 ) und M I C H A E L I S ( 1 9 3 2 ) wurde eine Hypothese entwickelt, wonach viele enzymatische Reaktionen über einen Ein-ElektronTransfer ablaufen. Die Schwierigkeit der Unterscheidung eines solchen Vorganges von Prozessen, die unter Abgabe von zwei Elektronen vor sich gehen, ist von W E S T H E I M E R ( 1 9 5 4 ) diskutiert worden. Es fehlte jedoch nicht an Versuchen, enzymatisch erzeugte Radikale mittels E S R direkt nachzuweisen. Wegen der vermuteten Kurzlebigkeit der Reaktionsprodukte wurde dabei auf bereits existierenden Durchfluß verfahren aufgebaut, und Y A M A Z A K I et al. ( 1 9 6 0 ) haben erstmals Durchflußtechniken in Verbindung mit einem ESR-Spektrometer angewendet (vgl. auch Abschnitt 2). Y A M A Z A K I et al. (1960) sowie YAMAZAKI u n d P I E T T E (1961) untersuchten die Reaktion von H 2 0 2 mit Ascorbinsäure, Hydrochinon, Dihydroxyfumarsäure bzw. Triosereducton in Gegenwart von Meerrettich-Peroxydase (POD, EC 1.11.1.7) sowie Ascorbatoxydase (EC 1.10.3.3). I m Falle der Ascorbinsäure wurden hierbei 10~2 m Ascorbinsäure, 10 - 2 m H 2 0 2 und 5 • 10"8 m P O D bei p H 4,8 eingesetzt, die nach Mischung ein ESR-Spektrum mit einem Dublett von 1,7 G lieferten, das 28*

421

Tabelle 3 : Radikalbildüng in Phosphorsäure- und Phosphonsäureestern Verbindung

Radikal

Erzeugung durch pH

0

Trimethylphosphat

ÓH

1

ÓH

1

ÖH

i - -7

R1R2CHCC12°)

ÔH

1 --4

0 OH L | 1 (CH30)2 > P - C H - C C 1 2

coo-

6 --8

ÖH

1

ÖH

1

ÓH

1

OH

1

COO-

6 --8

(CH30)2 > P - O C H 2 0

Triäthylphosphat

(CJHJO) > P—OCHCH3 Trichlorphon

0.0-Dimethyl-[l -hydroxy-l methyläthyl]-phosphonat

0 OH CHSOX II 1 >P-CH-CCI3 CH3O/

CH2O

0 OH II 1 ,CH3 > p -
P - C < X CH3 0.0-Dimethyl-[l-hydroxyäthyl]phosphonat

0 OH CH 2 0 V II 1 >P-CH-CH3 CH 3 O/ 0 OH II / (CH30)2 > P - C - C H 3

0.0-Dimethyl-[l-methoxy-2.2.2trichloräthyl]-phosphonat

0 OCH3 II 1 (CH30)2 > P—CH—CCLJ

a

b

) Messung bei Zimmertemperatur;

422

) tip bezieht sich auf Fragmente > COP,

a-pß

auf

Aufspaltungsparameter a ) [G] aH« a P b) dp?b)

20,4

17,9

24,4

20,4

°C1*

2 7 2 b

2

CH 2

1

HOOC—CH 2 —C(OH)—COOH )

Citronensäure

CH-COOH I HO-C-COOH + I CH 2 -COOH (I) +

I HO-C-COOH I CH 2 -COOH (II)

H00C-CH2-C(0H)-CH2-C00H

HOOC-CH-C(OH) (COOH)-CH2-COOH

6

Acetaldehyd

CH 3 —CH—OH c )

2

Glycerin

CH2(OH)-CH-CHO

2

'+ (fH 2 - C O - C H 2 O H 1

D-Glucose VCH2OH HO-VV'Ov H

1

D-Ribose

\ OH OH Dimethylsulfoxid

a b

H

CH 3 + C H 3 - S O 2 -

) Gemessen bei Zimmertemperatur. ) Entsteht auch bei p H 6.

424

),

1

anderen Verbindungen durch Einwirkung von OH-Radikalen Aufspaltungsparameter [G] a ) ®H»

«H"

A

g-Faktor HCH°

«H'

DIXON e t al. ( 1 9 6 4 )

21,8 23,1 20,87

22,15

20,41

22,75

FISCHER e t al. (1968)

17,1 10,0 21,4(1) 23,2(11)

Literatur

«HOH

2,0

DIXON e t al. (1964)

2,0

DIXON e t al. (1964) CORVAJA e t al. (1966)

14,7(111)

20,0 16,0

22,2

18,1

2 5 , 6 u. 1,4

DIXON e t al. (1964) 2,0043 2,0042

BULEY e t al. ( 1 9 6 6 )

2,2

0,8

2,0035

NORMAN U. PRITCHETT (1967)

2,0035

NORMAN U. PRITCHETT (1967)

19,6 19,8

37,4

20,0

40,0

22,58

c

0,95

2,00263 2,00499

DAMERAU e t al. (1969)

) Das gleiche Radikal wird bei Einwirkung von OH auf Äthanol beobachtet (DIXON und NORMAN, 1963)

425

auf ein Ascorbinsäureradikal zurückgeführt wurde. Die Autoren schlössen aus kinetischen Untersuchungen an diesem Radikal, daß durch die POD lediglich die Oxydation der Ascorbinsäure zum Radikal katalysiert wird, während die weitere Umwandlung zu Dehydroascorbinsäure über Disproportionierungsvorgänge und ohne Mitwirkung des Enzyms verläuft. Weitere ESR-Untersuchungen mit Durchflußsystemen zeigten, daß Chlorpromazin mit P 0 D / H 2 0 2 in. ein radikalisches Produkt umgewandelt wird (PIETTE et al., 1964) und p-Benzochinon über die Bildung von Semichinonradikalen die Reduktion von Cytochrom c durch Hydrochinon beschleunigt (YAMAZAKI und O H N I S H I , 1966). In eingehenden Untersuchungen von OHNISHI et al. (1969) wurden nach Oxydation von 2-Methyl-l ,4-naphthochinon mittels 10 - 3 m H 2 0 2 in Gegenwart von 1,6 • 10~6 m Peroxydase (Phosphatpuffer, pH 7,5) Semichinonradikale nachgewiesen, die ihrerseits Cytochrom c oder Cytochrom bs reduzieren können. Da bei diesen Radikalen r > ij ist, konnte für die Reaktion der Semichinonradikale mit Cytochrom b5 die Geschwindigkeitskonstante (k — 3 • 10~8 Mol -1 sec -1 ) bestimmt werden. Für die Oxydation der Radikale mit 0 2 sowie für die Reduktion von Cytochrom c durch Ascorbatradikale wurden ebenfalls die Geschwindigkeitskonstanten ermittelt. In der gleichen Arbeit wurde außerdem gezeigt, daß p-Kresol durch H 2 0 2 in Gegenwart von POD in ein langlebiges Phenoxylradikal überführt wird, das mit Ascorbinsäure weiter zu einem kurzlebigen Ascorbatradikal reagiert. Durch POD/ H 2 0 2 gebildete Chlorpromazinradikale liefern mit Ascorbinsäure das bekannte Ascorbatradikal, während Glutathion das Chlorpromazinradikal reduziert (Verschwinden des ESR-Signals dieses Radikals), ohne daß ein entsprechendes radikalisches Produkt des Glutathions nachgewiesen werden konnte. Schließlich wird auf eine Arbeit von IYANAGI und YAMAZAKI ( 1 9 6 9 ) hingewiesen, in der mit Hilfe von Durchflußtechniken ESR-spektroskopisch festgestellt werden konnte, daß Cytochrom 6 5 -Reductase (EC 1 . 6 . 2 . 2 ) und NADPH-Cytochrom c-Reductase die Ein-Elektron-Reduktion von Chinonen katalysieren. 3.6.

Schlußfolgerungen und Ausblick

Durchflußmethoden in Verbindung mit der E S R ermöglichen den Nachweis von Radikalen mit Lebensdauern oberhalb 1 0 ~ S — 1 0 - 4 sec. In der Regel kann mit dieser Technik die Struktur solcher Radikale aufgeklärt und auf das Reaktionsverhalten der Ausgangsverbindungen geschlossen werden. Neben der Charakterisierung der in flüssiger Phase gebildeten Radikale kann die Durchflußmethode auch eine Hilfe bei der Interpretation vergleichbarer Radikale in fester Phase sein, da in niederviskoser Lösung nur der isotrope Anteil der Hfs gemessen wird und wegen der geringeren Linienbreite die Koppelkonstanten genauer bestimmbar sind. Wenngleich die Untersuchung der Zerfallskinetik sehr kurzlebiger Radikale (Lebensdauer < 10 msec) derzeit noch auf Schwierigkeiten stößt, ist auch an diesen Radikalen die Messung schneller Austauschprozesse, wie z. B. Protonierungen, anhand der Hfs-Parameter möglich. Eine Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten der Durchflußtechnik ist von einer schnelleren Signalregistrierung (oszillographisch oder digital, letzteres in 426

Verbindung mit einer Computerauswertung) sowie Spektrenspeicherung zu erwarten. Durch technische Verbesserung der Durchflußtechnik im 8 mm-Bereich könnte eine weitere Verringerung des Substanz Verbrauchs erzielt werden, die für viele biologische Verbindungen dringend erforderlich ist, um den Materialaufwand in erträglichen Grenzen zu halten. Eine wertvolle Ergänzung der Durchflußtechnik bilden die sog. spin-trapTechnik1 (MACKOR et al., 1 9 6 6 ; LAGERCRANTZ und T O B S S E L L , 1 9 6 8 ; J A N Z E N und B L A C K B U R N , 1 9 6 9 ) sowie die CIDNP-Technik ( B A B G O N und F I S C H E R , 1 9 6 7 ; L A W L E R , 1 9 6 7 ) . Die Spin trap-Technik gestattet in manchen Fällen die Aufklärung der Radikalstruktur mit ProbenVolumina von nur wenigen ml. Mit CIDNP (chemical induced dynamic nuclear polarization) sind dagegen die unmittelbaren Folgeprodukte kurzlebiger Radikale über ihre verstärkten NMR-Linien erfaßbar. Die Kombination dieser Untersuchungsmethoden eröffnet gute Erfolgsaussichten und dürfte sich auch für die Anwendung auf biologisch interessante Verbindungen als zweckmäßig erweisen.

3.7.

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Durch Zusatz von Nitrosoverbindungen wie tert.-Butylnitroxid können entstehende Radikale R- von diesen diamagnetischen Verbindungen in einer Reaktion O t R. + (CH3)3C—N -

Ò t (CH'3),C-N-R

abgefangen werden. Die Nitrosoverbindungen wirken also als Radikalfänger (Scavenger), wobei paramagnetische Produkte (Nitroxylradikale) entstehen, aus deren ESR-Spektren auf die Natur des Restes R- und damit auf das abgefangene Radikal R- geschlossen werden kann.

427

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TANIGUCHI, H . ,

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H . HATANO,

H . HASEGAWA

und

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429

12.

Sachregister

Ableitung, zweite 31 Absorption von Mikrowellenleistung 6 Aoetylalanin 416 Acetyl-DL-alanin 120 N-Acetylcystein 413 Acetylglutaminsäure 118 N-Acetylglycin 115, 127, 201, 413, 416 N-Acetylmethionin 117 Aconitase 254 T-Actin 396 Adenin 67, 74, 76 Adenosin 77 Adipinsäure 114, 117 Äpfelsäure 424 Äthylharnstoff 115, 120 Äthylmalonsäure 117 «-Alanin 115,119,120,128,129,131, 291,412 /?-Alanin 291, 413 Alanylglycin 292 Albumin 293, 296 Alkalihalogenide 15 Alkoholdehydrogenase 395 Ameisen 244, 252 Aminobuttersäure 413 «-Aminoisobuttersäure 49, 120 Aminosäuren 66, 67, 131, 289, 412, 413 Amylase 374 L-Arabinose 417 Ascorbatoxydase 254, 421 Ascorbinsäure 236, 269, 421, 426 DL-Asparaginsäure 115, 117 Austauschverschmälerung 22 Azobisisobutyronitril 24 Bakterien 246 Bakteriophagen 90 K-Band 28 Q-Band 28 X-Band 28 Benzoylalanin 110, 132 N-Benzoylalanin 110, 116, 132

Bernsteinsäure 49, 114, 117, 125, 127, 129, 424 Betain 120, 123 Blut 255, 256 Bohrsehes Magneton 4 Boltzmann-Statistik 6, 10, 16 5-Bromdesoxyuridin 77 5-Bromuracil 77, 84, 420 e-Caprolactam 115, 127 N-Carbamylglycin 115 Carbonsäuren 417 Carboxylradikale 416 charge transfer-Komplexe 2 Chloracetyl-DL-alanin 120 Chlorophyll 366 Chlorpromazin 268, 396, 398, 416, 426 a-Chymotrypsin 395 Citronensäure 424 Creatinin 115 Cysteamin 84, 85, 205, 221, 413 Cysteaminoxydase 254 Cystein 131, 199, 207, 208, 221, 413 Cysteindihydrochlorid 199 L-Cystin 117, 199, 210, 413 Cystindihydroehlorid 207 Cytidin 419 3'-Cytidylsäure 77 Cytochrom b 5 -Reductase 426 Cytochrom c 301, 326,330, 332, 333,334, 336, 394, 426 Cytochrom-c-oxydase 254 Cytochrom-c-peroxydase 254 Cytosin 74, 76, 115, 118, 123, 130, 131, 132, 418 Cytosinmonohydrat 77 Debye-Waller-Faktor 305, 308 Desoxyadenosin 77 Desoxyguanosin 77 Desoxyribose 77

431

Diammoniumhydrogenphosphat 123 dielektrisches I n k r e m e n t 290 dielektrische Verluste 29 Dielektrizitätskonstante 273, 287, 297 Diglycin 292 Diglykolsäure 114, 122 Dihydrouracil 132 Diketopiperazin 115, 118, 127 Dimethylglyoxim 97, 123 Dimethylsulfoxid 424 Dipeptide 201 a,