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German Pages 170 [176] Year 1916
Naturbilder und andere Dichtungen
Naturbilder und andere Dichtungen von
Hans Baer
Straßburg V e r l a g v o n K a r l J. T r ü b n e r 1915
Alle Recbte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten
Hof- und Universitätsbuchdruckerei C. A. Wagner, Freiburg i. Br.
Begleitwort. In seinem letzterschienenen Buch „Betrachtungen über Metaphysik und Kunst" äußert sich Baer — nachdem er im letzten Abschnitt über die Entwicklung der inneren und äußeren Form in der Kunst sich ausgesprochen — folgendermaßen: „Erst in solcher abgeklärterer Zeit tritt in der Kunst deutlicher ein Streben hervor, der E m p f i n d u n g durch N a t u r b i l d e r Ausdruck zu verleihen. Der Natur in einer vielleicht ungeahnt innigen Weise entstammt, bedeutet dies für den Menschen eine gewisse Selbsterkenntnis des Gefühls; sein Gefühlsleben findet sich in den Vorgängen der Natur wieder. Die hieraus entspringende N a t u r l y r i k kann aber nicht als Landschaftsmalerei bezeichnet werden, als ob sie dabei auf das Gebiet der Malerei übergriffe und mit ihr wetteifern wolle, sondern sie ist Darstellung von Zuständen und Vorgängen des psychischen Lebens im Bilde der Natur." Von tiefer Liebe, reichem Verständnis und feiner Beobachtung für die Natur beseelt, — Eigenschaften, die bei Baer schon in frühester Jugend auffallend hervortraten, — reiften dieselben mit den J a h r e n immer mehr aus, und einten sich innig und unzer-
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trennlich seinen eigenen Empfindungen und Lebensanschauungen. Wie nun als Frucht ernster Forschung seine eigene Kunstrichtung erstand, so erblühten in Mußestunden und auf Spaziergängen seine Dichtungen; auch diese ganz persönlich eigenartig und frei in der Form. Es fanden sich nach seinem Tode eine größere Anzahl Dichtungen vor, die in Zyklen eingeteilt sind; der letzte ist „Naturbilder" betitelt, und entspricht ganz dem von ihm ausgesprochenen Gedanken, mit dem ist dies Begleitwort eingeleitet. Ein gleicher Ton durchweht alle Dichtungen, nämlich das innige Empfinden mit der geliebten und verstandenen Natur. Wir glauben darum, auch die „Naturbilder" richtiger einzuführen, wenn wir sie nicht allein herausgeben, sondern eine Auswahl aus den verschiedenen Zyklen — von den ersten Jugendgedichten an bis zu den Naturbildern — ihnen anfügen, und auf diese Weise den Dichter, mit seinen eigenen Schöpfungen, uns seinen Werdegang künden lassen. Den Dichtungen beigelegt fand sich ein loses Blatt „Technik der Dichtkunst" betitelt, das wir hier in seinem Wortlaut folgen lassen. „Es schweben mir drei Formen der poetischen Grundgestaltung vor: Rhythmus, Parallelismus membrorum und Reim, nach ihrem Werte angeordnet. Von diesen kann der Parallelismus zunächst nicht in die Betrachtung gezogen werden; sein Wesen ist durchaus eigentümlich.
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Den Reim hat die Antike, wenn überhaupt, jedenfalls nicht in ihren großen Kunstwerken angewandt. Es ist dennoch ein wertvolles Vermögen der deutschen Sprache, denselben gefällig verwenden zu können. Weit, sehr weit, bleibt aber sein Wert hinter dem, des alle reine hohe Poesie mit sicherer, alles einender Bewegung durchziehenden Rhythmus zurück. Aus einer gesetzmäßigen Wiederkehr von Rhythmen und Reimen entstehen Strophen, deren Wert aus ihren Elementen entspringt; es wird ein Reimganzes, an Wert, einer rhythmischen Einheit nachstehen. Unter rhythmischer Einheit ist eine rein rhythmische Strophe zu verstehen, die den Reim entbehrt, während einem Reimganzen selbstredend der Rhythmus nicht fehlen darf, aber alle rhythmischen Zeilen von derselben Art sind. Die rein rhythmische Strophe wird dagegen rhythmische Verschiedenheiten zeigen, die nach einer Regel wiederkehren. Außerdem wird in der mannigfaltigsten Art, die Vereinigung beider gebildet."
Naturbilder.
Ja, nun faß ich's — solcher Fährte warst du richtig auf der Spur: Merkst du nicht an allem Leben einen Drang zum Ew'gen n u r ?
H a a s B a e r , Dichtungen.
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Daß wir in vielen Jahrmillionen entsprossen dieser Erde Schoß, daß wir geboren durch Äonen, was ist des Wunders da so groß? Entfielen wir aus unbekannten Fernen vollendet in dies fremde Land, wie wären unsrer Mutter Erde wir dann so eng- und blutverwandt? Und brauchte es nicht Ewigkeiten die uns von ihrer Art entwöhnt, daß wir in manchen Weltfluchtzeiten uns fühlen ihr so feind und f r e m d ? Daß alles Glück der Erdentage ertrüge dieses Menschenherz, daß solche Stärke ihm erwachsen, zu tragen allen ihren Schmerz.
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Natur. Und hat mich auch des Lebens Strenge an Buch und Stube festgebannt, ist immer doch mein Blick von neuem du Herrliche, zu dir gewandt; du lockst mit Wiesen, Bach und Hügel, mit Wassern, Himmel, Luft mich an, hast mir's mit Blumen, Glanz und Klängen, mit Färb und Schimmer angetan!
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Bäume erblühen im Frühling, und Sträucher begrünen sich Jahr für J a h r ; aber eine betrübte Seele hat nicht Frühling noch Herbst.
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Ungeduld. Von dunkelgrünem Buchs wäscht lauer Regen den Schnee, schwellender, grüner-umhaucht die Knospen in den grauen Himmel blicken. Der schwarzen Amsel hellglucksender Ruf durchflattert häufiger die Gärten. Ungeduldig sehnen wir uns südlicher, herzenssüdlicher, suchen in schmutzig-trüben, tropfenden Straßen jene großen blinkenden Fenster, dahinter blühende Sterne liebreicheren Himmels bunt leuchten und duften — — —
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Ein Zeichen. Zerfließender Schnee auf Dächern und Straßen, der Rauch am Kamine niedergeblasen. Die Wetterhaube veilchenbläulich-grau schwebt höher und heller und rings um das winterliche Land strebt Klarheit sich hindurchzuringen: ein leuchtend heiter Frühlingsfriedensband will seidig-blau ringsum sich schlingen.
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Frühlingsahnung. Milchig-kalter Vorfrühlingsabend schwebt auf der Stadt; an ferner Bergstraße aufglitzernde Lichterkette. Bläulich-dämmernden Himmels Florgehänge, mit kargen Sternchen durchwebt, wie kleines flimmerndes Bienenvolk. Hell über dunkles Hausdach segelt des Mondes schmale leichte Barke, oder fällt ein erstes bleichgoldenes Frühlingsblütenblatt, leuchtend, taumelnd nieder, unter dem Summen der silbernen Bienen
Frühlingsrauschen in Waldeshäupten, in grünem Weben die jungen Tannen; in Laubnestern liegt noch Schnee gebettet
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Erste Veilchen. Naßgrauer Frühlingsmorgen. Auf meinem Schreibtisch ein Veilchenstock duftgießend. Aus violetten Kelchen, so tiefdunkelblau, entrecken sich die vielen Köpfchen dem Veilchengrün: sie suchen den Frühling — — durch meine Augen blicken sie in mein Herz und — welken —
Geburtstagsblumen. Die kleinen blauen Veilchen duften still hervor, erzählen mir vom Frühling und Süden in's Ohr. — Die blauen Köpfchen mit den grünen Häubchen stehn frisch im Glase — aber draußen schneit es. — —
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9. III. 1908. Ein Frühlingstag herrlich und froh! Und sehnsüchtig schwankender Forst mit knospendem Leben — entgegentrotzt herzhaftem Sturmesbrausen! Bildnis der Seele — — im Sturme erwachsend, harrend, aufschließender Sonnenruhe. —
Frühlingszueignung. Im Garten erstes Drossellied; die Primeln hinter den warmen Scheiben gezackte gelbe Blütenränder treiben. Über Land und Höh'n zieht mächtig Frühlingswehn, durchschüttert und nimmt mich hin: Daß ich von neu dein eigen bin!
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Seelenschwung. Im dunkel-wankenden Bergforst wühlt Sturmesringen; in Sternen spielt ein Glimmer herauf, ein Flimmer weht durch das kalte Dunkel. Vom Fenster betrachtet ein Blick das Gefunkel: Eine Seele wollte sich schwingen über Tal und Berg in die Ferne hin — Ferne hin — Im kalten Dunkel die Sterne blühn, der Sturm im ächzenden Bergforst ringt, ein Nebel die Weiten verschlingt Eine Seele fühlt: sie kann nicht entfliehn. —
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Lenz. Und schwebende Sterne an Zweig und Ast, und Sonnenglast auf Blütenlast, und Glockenton von Ferne. Und friedlich Tal im Sonnenstrahl und durchs Gefild der Fluß so mild — — und mein Herz so wild, so überwild in meiner Brust: Ach Lenz — ach Lust! s&
S«
Da erwacht der Gedank' an längstvergangene Zeiten, wenn der Schwalben Geschar am heiteren Himmel dahinzieht, hin und wiederkehrend, mit gelleschwirrenden Stimmen.
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Heimkehr. Noch hängt in Haar und Kleid dein Duft, im Aug dein Sonnenblinken — wie herrlich, aus Natur und Luft den Frühling einzutrinken! Die Felder atmen Schollenruch, Natur in Liedern, Glanz und Tropfen ein aufgeschlagen Hymnenbuch, drin les' ich mit Herzeklopfen — —
Daheim. Nach sonniger Wand'rung durch Vorfrühlingslande, fand ich traulich Heim und liebe Bekannte. Und sieh, zwei Blüten schon, — eine grüne und weiße — nahm ich mit auf die Rückreise!
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Erwartung. Der Eichen dürre Blätterhände krümmen sich von ihren Zweigen, die schon lockre Knospen zeigen. Der immergrünen Föhren Dach webt sonnig am reinen Himmel. Am kahlen Rebhang zittert von gelben Träubchen ein Haselstrauch: im Frühlingshauch ahn' ich Bienen — —
Von der Mauer. Durch der schwanken Trauerweide Frühlingsweben dämmert der kleine dunkle Parksee; die immergrünen Fichten und Cypressen stehn dicht daneben: ein Rotkehlchen zwitschert in knospender Kirschbaumhöh — — —
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Frühling. Von meinem Fenster seh ich in knospende Fülle! Die Kastanien sprengen die Hülle — — die jungen Linden stehn grün umhaucht, und alles in Morgenduft getaucht — — der Himmelsplan so hoch, so weit! Und der Sonne sanftes Auge blickt in diese blaue Heiterkeit
Sonnenwarm. Auf lichten bunten Schwingen zieht Frühling schon in's Land, Schneeglöckchen weiß sich schlingen in dunkles Veilchenband; und am und den
schmächt'ger Birke Weben blauen Himmelsplan — — sonnenwarmes Leben Rebenhang hinan.
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Ein Tag. Am wo und die
Berg jenes alte Stift heute, die Schafherde weidete — — die frischbestellten Acker dabei, frühlingwebende Bergkette mit den weißgrauen Birken. Und vorm Fenster jetzt der rosenrotstreifige Himmel in grünlichen Dämmer sinken — — und gegen den hellen Lichtplan die erste Lenzfledermaus zitternd — — und jener goldbronzene Schmetterling heute der meinen Weg hintanzte über Gras und Moos — — —
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Frühlingsanblick. Sieh, wie jene stillen Auen sanfte Blumendecken lüpfen! Wie die muntern Sonnenstrahlen in die kleinen Kelche hüpfen! Und im nahen Walde trillert's, und es reckt sich grün hervor — — lauschend steht der junge Faulbaum, jedes Blatt ein grünes Ohr. Von den glatten Weidengerten krümmt sich gelbes Träubchen knospend, und Insektenvölkchen summen, ihres Honigweines kostend; jedes zieht beglückt von dannen, gelb in Pollenstaub gehüllt — holdes Drängen jene Hallen liebesglücklich überfüllt — Sieh, in diese Pracht versunken lieg ich selig jetzt so da — und mir ist als wie ich einstmals Dich zum ersten Male sah! —
H i d s B a e r , Dichtungen.
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Ode. An A p h r o d i t e — G a l a t h e a .
Wie du blinkest, herrliche Aphrodite, an des Abends zauberischem Duftgezelte! Über tränentriefender Auen Fliese flimmert dein Licht. Steige nieder, strahlende hehre Göttin, deines Glanzes nimmer versiegende Quelle tränke die Dürstenden, die auf der dunklen Erde nach dir schmachten! Mich doch laß am Rand deines Muschelthrones, wenn das Meer der brausenden Leidenschaften du mit göttlicher Ruhe sanft übergleitest, selig zerschmettern! Oder gib, daß fürder nicht mehr vereinsamt flack're dieses Herzens zehrende Flamme; daB vereint in inniger Lohe dir steige doppeltes Opfer!
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Heit'rer Duft der braunblühenden Pappel schwimmt in den ersten hellen Frühlingslüften.
Frühlingshymne. Frühlingstaube, schillerbunte, wiegt in schwankem Knospenbaum, schimmert auf vom Wiesengrunde zarter Anemonen Runde Sternenkranz am Waldessaum, zwischen welkem Laube. Erstes grünes Flatterband weht von unsren Hüten, und wir Wintermüden wandern in das Märchenland, und von Kelch und Knospenhand trinken wir Erquickung: endlich schwer nach Haus gewandt reichlicher Beglückung.
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Wie Schwalben
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Klar und blaß, rötlich am Horizont hin leuchtend, glänzt der Abend von fernen Höh'n über blühende Fliederbüsche in mein Fenster. Erstmals schwimmen wieder die feinen dunklen Schwalbensilhouetten im reinen Abendäther, mit schrillem Ruf — Einer Schwalbe gleich möchte ich Fittiche mich zu entschwingen den Niederungen zu reinen Höh'n; meinen Weg zu wandeln leicht — wie Schwalben
Entmutigt. Schon wieder zu Boden geschmettert! Und dein Ruf, dein Schmerzensruf — ach, nur Verse! — Wanken denn ewig die Throne, klimmt der Fuß schon nicht sicher h i n a n ? ! Frühling durchweht die kalte Natur, durch schwarze Epheusilhouette zittert zu mir späte blasse G l u t : gebroch'nen Rosen gleich sinkt sie hinab so noch bebet ein Kuß auf den Lippen, zittert die Träne im Aug'. Wie ein Hauch streicht's vorüber mir, wie ein Sturmwind schüttert's in mir, tobt der Frühling in mir. Grausam ist seine Kraft, die mich wegtreibt, den Entmutigten weitertreibt! Wohin n u r ? ! Wanket doch Alles und bricht! — — Ach meine Seele, welcher Ferne zu steuert dein Boot silberumglänzt in die Frühlingsnacht?
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Frühe. Das erste Licht springt über zarte Wipfel den Berg hinan, die goldne Wetterfahne glänzt hoch droben. Die fernen Häuser dämmern aus dem Dunst hervor. Der Himmel nun so blau hinabgebogen: zu einem blauen Tag ein blaues Tor.
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Auf hoher Bergwiese bin ich gewesen und habe dir Enzianen gelesen und viele andere Blümlein voll Gold und Tau, Geliebte, schau!
Blumenstrauß. Die roten Ranunkeln, die im Glase funkeln, und die grünherzigen goldgelben, und die weißen Nelken — dürfen alle nicht welken! Die sollen immer so stehen bleiben und mir den Frühling in die Seele schreiben *
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Nach sonnig durchwandertem Frühlingstag, in der Ferne duftig umhauchte Berge, über noch-braunen Waldhügel, steigt des Mondes blaßrote Riesenscheibe.
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Spätabend. In rosa Streifen zieht der Abend über den blaßblauen Himmel hin; zum Kranz der weißlich überhauchten dunkelvioletten Höh'n dämmert des Horizontes leichtes Grün; und an der Klamm, an den stillen Lehnen, steigt schon die Nacht — sinken die Tränen.
Luna. Ihre lichten Silbernetze knüpfend, Luna schwebt heran hebt des Herzens träum'risch Sehnen auf zu ihrer stillen Bahn — und des Herzens träum'risch Sehnen zieht sie sanft zu sich hinan — ihre Silbernetze knüpfend, wandelt Luna lichte Bahn.
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Frühlingsbild. Durch schwanken Hain ein würzig-frischer Zug; über glänzende Wipfel des jungen Buch streicht Krähen-Ruf und dunkler Flug. Geruch der nahen Ackerscholle frischbestellt. — Zur Ferne leicht mit Silberschleier verhängt, der rötlich-knospenden Waldkuppen Schar sich drängt. Des Himmels heiterblasses Zelt aus violen-grauem Dunstwall aufgehellt; über kahler Heide grünbraunfleckige Matten webt goldumzitterter Pappeln schmächtiger Schatten. *
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Tauchen deine Sehnsüchte nicht auf wie Fische an frühlingswarme Wasserfläche?
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Ein Sommertag. Buntes Regen: flatternde Bänder, Winterstrohmänner, aber auch grüne Kränze und frohe Blumenbukette — so zieht die Kette jubelnder Frühlingskinder vorüber — es weicht der Winter! Mit Farben erfüllen sie trübe, kahle Räume; im ersten stillen, heimlich lebendigen Keime erwacht der Sommer. — Wie w i r erwachen werden! Und von uns schütteln quälende Träume, und Hand in Hand über die blühende Erde entgegeneilen dem strahlenden Sommer! —
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Dort. Wo die Brück', hölzern gedeckt, über den weidenumschmiegten Fluß führt, zur trauten Hütte — der lieblich, blumengefüllt der Garten sich anlehnt, sonnüberstrahlt!
Ein Maitag. Im Schatten jungen Eichlaubs rastend, seh' ich der nahen Waldhöh'n frisches Maigrün zum strahlendblauen weißwolkigen Himmel steigen: Ein leichter weißer Falter mit roten Tupfen und schwarzen Stricheln möcht' ich über die jungen Wipfel hintanzen und den Saft der aufspringenden Knospen trinken, mich hoch in den Lüften wiegen, den Wolken nahe —
Sommer. Es haucht die Flur, und Düfte springen aus jedem Kelch in sanftem Strahl: und viel ambrosische Fontänen ergießen sich im Sonnensaal. Da blaut ein Sehnen, stilles Sinnen, so wie Campanula so tief — und ich vergaß, daß still da drinnen manch schwere alte Wunde schlief.
Mittag. Schon leuchten im jungen Laube der Kastanien Balsamkerzen, und aller blühenden Bäume bunte Sehnsucht erwacht. Schön ist's in satten Sonnenbränden auf sonnenheißem Steine liegend — eidechsengleich sich selber schillernd und entschlüpfend zudringlichen Händen 1 Aus dunklen Löchern und Stuben hervordrängendes Leben; über allem Dumpfen und Trüben triumphierend — das Leben! —
Liebesboote. So selig können nur Akazien sein! J a , deine Liebe macht mich träumen: Ganz sommerstill und duftend rein anhängen weiße Trauben jenen Bäumen ein leichtes Schiffchen jede Blüte, von Honighauch das Segel geschwellt, entsteuert es meinem Gemüte zu dir, in die Welt — —
Einsam. Jungen Laubes lichte Schattenflecke liegen auf noch unbeschrieb'nem Sand; hoher Wiesengräserfluten hängend, duftdurchschlungen blaues Salbeiband. In des Sonnenschimmers leisem Beben zittert dir kein heimlich Ahnungswort. Durch der Weiden leicht Gehänge, bei des bleichen Gaisblatts süßem Duft — keines Blickes, keiner Hand Bewegung, die dich traulich zu sich ruft. —
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Gefangenschaft. Hinter hohe Kapuzinerkressen hab' ich weltentrückt mich eingegittert; hinter scharlachtiefe Feuerschlünde, hinter bläulichdunkle Blätterschilde: wo mich nicht der Brand des Tages senget, wo mich nicht der Staub der Straße lästigt. Denn sie schützen mich mit kühlen Schilden, denn sie laben mich mit ihrem Balsam. Nur Insektenvölker steigen sinnend In der grünen Dämm'rung auf und nieder Also trag' ich meine Lasten stille — —
leichter hinter solchen Gittern. *
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Wie ich an dem Fenster meine Blumen zog, und blühen sehe aus bescheid'ner Saat, heg' ich in der Seele manchen Wunsch, doch nicht so freundlich blüht der Hoffnung hier die Tat.
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Überall. Sieh ich tanze auf den Hängematten lichter Sommerfäden — oder glaubst du, daß ich wandle unter jener dunklen Weide, die japanisch-gern-willkürlich ihrer feinumriss'nen schmalen Blättchen Silber, auf den Sandweg streute — auf der Bronze-Welle gleite späten Stromes weicher Fluren? — — Überall wo du geweilet such ich deiner Liebe Spuren, deines Blickes Diamanten. *
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Sonnendurchwärmt! Wenn das Rosenlaub Mittagsschatten an die Mauer wirft, und die Reben, traubenselig breitblättrig — träumen. —
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Planera kiaki. Schwach hebt sich ein grüner japanischer Traum, in dem zahllose Vöglein sich wiegen, auf und nieder — die Vöglein singen keine Lieder — du merkst es kaum wie sich die dünnen Zweiglein biegen. Nun trillert fern im schattigen Bereiche eine Amselkehle — ich verhehle auf meiner Bank mich den Sonnenstrahlen, die sich durchs grüne Dunkel stahlen.
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Die Natur betrachtend, und doch in sie hineingemischt, — ein Blütenzweig —
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Friede. Hehre Feierstunde — wenn des Abends dunkle Wimper schläfernd niederfiel. Wenn der Wälder Schattenrisse gegen blasse Sternen-Runde reglos stehen, nächtig-kühl: Und befriedend sinkt der Landschaft Ruhe auf der Seele leidenschaftlich Spiel — —
Beim Einbruch der Nacht. Der Abendwölkchen lichte Falter schaukeln, schweben um Himmelssaumes blühende Pfirsichhecken — — mit Maßlieb und Enzian bestecken sich jenseits die blassen Auen — — wie mit metallisch dunkler Pfauen gewalt'ge Räder, sich die Weiten schimmernd flecken. Die Landschaft, still durchschritten, ruht in weißer Flut. — — —
Hans Baer,
Dichtungen.
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Am späten Abend. Eine müde weiße Rose blättert sich der blasse Tag; auf das Wunsch- und Hoffnungslose sinkt der Dämmrung Flügelschlag. Und als bleiche Wasserrose schwimmt Selene auf dem Fluß — deutsam Bild, wie auch das Große in die Tiefe steigen muß.
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Auf Sommers abgepflückten Hängen ruht letzter warmer Sonnenhauch.
Trüber Tag. Und gelbe Blätterfahnen wehn. Ein Dunst kriecht über die Stadt; der Fluß schleicht grau und glatt. Über verblich'nen Bergwald und Höh'n dichte Nebel gehn —
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Aufstieg. Der Boden dampft, blattlos Gezweig tauschwer sich neigt, ich steige mählich hügelauf, so hin, und sinne — wie sich Gedanke und Empfindung lieblich eint, und ob ich bald des B e r g e s Höh' e r k l i m m e ! Und sieh, ganz plötzlich, unverhofft vor meinem Blick da breitet mächtig sich der Plan der Weiten
—
geschäft'ge Stadt liegt schattenhaft ganz fern zurück, und dunkler Wald begrenzt am Horizont die Seiten. Drei junge weiße Birken stehen bei mir dicht, statt Blätter, Perlentropfen daran flimmern, die Weiten deckt ein Nebel geisterhaft, und licht durchbrochen von des Abendgoldes Glimmern. So ließest auch du gold'ne Wo Ort und Zwielicht bist du der Erinnerung
Spur einst zurück m i r ! Begebenheit erhellet, dauernder Goldglanz.
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Herbst. Und wieder zieht dein Farbenschleier sich über alle Lauben hin, sie stehn im lichtsten Liebesfeuer und grollen im dunkelsten Karmin. Tautriefend blasse Dahlien beugen zur Erde welkend sich hinab so bist du auch den sanften Blumen, nicht meinen Wünschen nur, ein Grab!
Himmelsbild. Und wieder seh ich die Wolken stehn, So fahl und duftig, violen schön, dahinter der Himmel so rein gezogen — es wandern die ersten Abendwogen! Und sieh, noch ins Tal die flimmernden Strahlen springen, die den ganzen Tag sich im Nebel verfingen.
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Abglanz. Spätbesonnte Herbstestage: welch Gedräng aus Laubverstecken! Kleines Käfervolk behende, schwarzbeglänzte Flügeldecken! Wie sich dann der Blick verbreitet über brache Felderebne, greift an schwarze Tannenschranken, fühlt er freier sich erweitet, bis die fernesten Bezirke noch in sein Bereich geraten, und zu jenen Felsgebirgen ihn die heitern Flügel tragen — — Von den späten kleinen dunklen Glockenblumen sammP ich auf den abgemähten Wiesen
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Luftfahrer. Spätnachmittag in herbstlich-heitrem L i c h t e : Auf sanftem Plan sich heben zu der Fichte der B u c h ' und Eichen sonnenduftge Höh'n. Stille ruhn auf grünem Waldesschimmer — segelspannend immer, immer hinzuziehn im hellen Sonnenblinken: Glücklich Schönheitstraumversinken!
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Wehmütig zartes Goldlaub frostkrankes — — Sinkest hinab zur Erde, prächtig noch einmal, eh' du vergehst.
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Versenkung. Aus schwarzen starren Kronen sichelt der Mond grell, wie aus dunklen Riffen; der Fluß schwimmt bronzerot noch bespiegelt, und fern das Gerassel von Kettenschiffen. Bergan schleppt weißer Nebelbrodem glanzschwarzen Schlangen-Stamm und Äste feuchtend. Wie große Sonnenlichter leuchtend, drehn letzte gelbe Ahornblätter sich zum Boden. Von kahler brauner Höh übers Tal sich schwingend, spannt eine Seele Flügel in die Luft: blühend-hell wie Maiduft schwimmt ein Nebel im Tal; leiser Strahl springt heran in silbernen Funken — still versunken ruht eine Seele im Tal — im Tal.
Des Teiches graue Fläche klingt von leisen Tropfen — —• —
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Erlöschen. Tief hängen graue Wolkenpfühle in die Ebne. Sturmgewühle schleicht im Herbstwald. Über den Dächern, in den Weiten zerklafft der Dunstkreis in einen breiten rosenfarb'nen Flammenspalt. Ein Zug geht kalt. Das Licht glimmt immer schwächer — über die Dächer lugt ein Blick voll Mißgeschick — suchend nach Glück — da — ein Schimmer, ein Strich — der Raum erblich.
Durch die angehauchte triefende Fensterscheibe zittert bronzerot bleichender Schein, mit wirren dunklen Armen langen die Bäume hinauf in blasses Himmels-Rein —
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Spiegelbild. Die Lampe spiegelt sich im Fenster, an dem die Regentropfen niedertriefen. Der Baum mit schwarzen Schattenarmen geistert, von Schimmer hinterrücks beleuchtet, an der dunklen Scheibe. Wind fährt durch den Baum, er bläst ans Fenster — — Dies Tönen läßt in meinem Herzen wiederklingen vieles Sehnen — die Regentropfen die ans Fenster klopfen, bedeuten Tränen. —
Doch. Ein letzter reiner Sonnenschimmer so spät, so schön, glänzt in mein hohes Zimmer — Ein sanfter Flimmer aus deinem Lose durchbricht dies trübe Hoffnungslose — — Aus deinen Sorgen kannst du vieles Glück noch geben denen, die mit dir treuen Herzens leben.
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Fremde. Ziehst du, an dem Berg hinwandelnd, abends deine Straße heimwärts, sickern durch gekrauste Wolken letzte Glutkarfunkelblicke, leise aufwärts durch die zarten dunstgespannten Segel dämmernd. Bläulich schimmernd Fächermeer dir zu F ü ß e n ; aus dem Nebel blitzen Lichter, wachsend, balde Stern an Sternen blühender Teppich. Doch dein Auge pflückt und küsset keinen dieser hellen Flimmer.
Still für sich. Nur gelbes G r a s umsäumt die Fluren; die altgeborstene Cypresse kauert bei Büschen, die wie lebende Figuren im Dämmerlichte stehn. Vom Himmel rinnt endlose sprüh'nde Nässe und hängt an kahle Zweige Trän' an Träne. Das ganze Bild umschauert Totenblässe — Der Nebel fließt in träumenden Konturen —
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Wahrzeichen. Ein Tag.
I. Die Lichter flimmern noch — es ist schon Tag; Doch kaum die Augen ich erheben mag zum Firmament, wo keine Sonne brennt. Nur Wolken hängen an dem Himmelsbogen, daß kaum das ferne Haus man kennt, das an dem dunklen Berge lehnt, von ihren Nebeln schon umzogen. Das Licht zerstreut schwimmt durch die grauen feuchten Wogen in diese trübe, triste Düsterheit. — — II. Die Lichter brennen wieder n e u ; die Dunkelheit kam rasch herbei, die Wolken sind nur schattenhafter noch geworden. Und jenseits von dem fernen Haus geht nun ein heller Schimmer aus, ein ferner heller Schimmer — —• und meinen Blick, der in den Finsternissen nirgends haften kann, zieht dieser helle ferne Schimmer mächtig an im Norden.
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III. Und doch die Nacht schleicht still ins Land — ich glaubte sie hinweggebannt als ich bei diesen immergrünen Bäumen wandelte — an ihre Nebel muß ich wieder mich gewöhnen, mein Auge ins Gestaltenlose greift, der Berg schon graue Hülle überstreift. Und nur am Hange jenes ferne Haus steckt wieder mir sein Lichtlein aus, zu dem im Geist so oft ich wandelte — — IV. Nun liegt der Berg so bläulich dämmrig, — ein Bild melodischer Sommernacht — und Sternenlicht durch blasse Himmelswölbung bricht. Unsicher-düstre Giebel ragen bei mir dicht. Und in den kalten Winternebelschein stimmt nun mein fernes Haus mit seinem trauten Lichtlein ein: — und durch den Dämmer schwebt es leise und so — — wie Liebesweise — — —
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Abend. Seh' ich durch die Fensterscheibe nun des Teiches milden Spiegel durch die kahlen Äste tauchen; — jüngst erst raubt* ein frostig Hauchen ihre grünen Laubgehänge — Schwäne gleiten auf der Fläche tags, und in den Nächten flimmern flücht'ge Lichter hin und wieder.
Müde. Der braune Hain mit Birken weiß bestämmt, schleicht trüb zur öden Talesmulde hin vom Sturm des letzten Hauptschmucks schon entkämmt, und legt des dürren Laubes müden Kranz am Fuß des Hanges auf die Matten nieder, die graubereift in kaltem Nebelglanz noch bergen still die bunten Frühlingslieder — Des halberstorb'nen Baches Murmeltraum lullt zwischen Haselreis und Erlenbaum. — —
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So wie den herbstlichen Bäumen die Blätter zur Erde entfallen, also schwindet der Wunsch, sinket die Hoffnung mir.
Herbst. Nun mußt auch du dich ruhen meine Seele — Wohin du sonst die kühnen Flüge breitetest dringt nicht dein Blick mehr; nur stumpfes Grau schleicht durch die kahlen Kronen. Um deine schweren Schwingen treibt buntes Laub sein Spiel — und sinkt — — und — stirbt — — — Nun mußt auch du dich ruhen meine Seele ruhn und — sterben — —
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Einsamer Stand. Die Haubenlerche läuft im Sand und schreit; wie öde liegt das Land so weit, so weit — Und zwischen leere Pappelstangen mit dunklen Armen die Föhren langen, und hängen tief zum Weg herab. Hier rast ich, sinnend festgebannt — in Nebel ruht die Welt fernab. Des Himmels Leuchten will schon ganz entweichen, da — von der Stadt, die ersten Schimmer reichen.
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Brandung. Wie goldne Chrysanthemen glänzen die Fenster von den Höhen dort herüber, und prangen in den leichten Nebelkränzen, die in des Parks entlaubten Kronen hängen. Doch schon ihr Schimmer bleicht, wird trüber, da teilt verallgewaltigt sich das Licht; sein Strahlen läßt sich nicht mehr dämmen, und zu des Balkons weißen Gittern schwemmen Lichtwogen an — verzittern wieder im tiefen Teichrevier des Parkes. — In heitrer Dämmrung dicht darüber stehn lange weiße Wolkenbalken.
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Ein Gang. Später Garten, dämmrig gelb beleuchtet, Schneefeld duckt sich auf die tote Au, Hälmchen stecken in des Schnees Silbergrau; und die schwarzen Kronen schneegefeuchtet, heben sich vom Himmel haargenau. Reglos bleibt das starre Bild bestehn. Eine einsam-trauernde Urne zwingt mich noch zurückzusehn: an des Weihers blindem Eise stehn mit leeren Reisern die Viburne, daran klettert eine kleine blaue Meise — — und mein Blick gerät ins Weiße, Weiße —
Hans Baer,
Dichtungen.
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Mehr und mehr. In der Bäume finstre Zinken Will ein letzter Sonnenglutblick sinken. Wolkenwellensäume blinken nippend am bleichenden Flammenmeer. Schneebeladen, drückend, sinkend, seh ich graues Wolkenheer ferne Horizonte trinkend — — und die Weiten dunkeln mehr und mehr
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Schneefall. Von dem dämmrig-weißen Schneehang j e n e s Hügels funkeln Lichter feurig-bunter Edelsteine. Rufe von den Kinderschlitten, heller Glockenklang der Pferde weich in tiefem Samt versinkend. Dunkler Garten schwerbeladen — aus dem fliehenden Schneegewölbe glänzt des Mondes Silberblende, legt der B ü s c h e blauen Schatten, starrer Bäume Spinnenhände, auf die toten bleichen Matten — —
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Seelenwinter. Ganz leise, wie des Schnees Singen, der eisgekrönt im dürren Laube rauschet, dem Ohre tönt, das träumrisch lauschet — — ersterbend so dies Hin- und Überbringen, dies zaubersüße Klingen der Seelenmelodien, wenn sie erschütternd ziehn von Seel' zu Seele hin — — Der traute Weg nun verweht, die Flächen beschneet, Blümlein all abgemäht — —
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(w ^ ± y _ zu lesen in der Art der Jonicusa minore.)
Hinter Schneegezäun rote Scheibe sinkt, Schnee und Eis erblinkt in Selenens Schein. Auf der Fläche hin, wie es Dämmrung wird und im Nebellicht blasser Schimmer flirrt — — sanfte Bogen ziehn: Wie bewegt sich da kühn das Herz hinan, leicht als wie im Traum wird die Lebensbahn.
Winterlust. Noch Gold genug, so sprach die Sonne, und kleckste einen breiten Strich auf's Schneegelände hin, daß Wonne uns Menschenkinder dort umschlich. — So saßen wir auf unsern Schlitten, und standen auf den Skys bereit, und jeglicher mit hellen Blicken sog ein die goldne Heiterkeit.
Eingeschneit. Vogelflüge ziehn überm Wald; sie scheinen still zu stehn. Flocken, ganz vereinzelt, eisig wehn — Bahnsignale glühn an dem langen Schienengleise. Plötzlich, durch das endlos Weiße braust ein Zug — ferne — leise —
Eine Stunde. Aus silberner Kanne gieß ich den Tee — langsam wirbelt aus der Tasse der Rauch Erinnerung steigt auf: Da war es nicht so winterfeuerbeschienen als du ihn mir schenktest? Nicht draußen und drinnen so späte trübe Mienen. Nur die Flocken, die wanken, sind weiße Gedanken, so wie sie damals bei dir in meine Seele sanken — — —
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Frage. Süd und West, aus welchem schönen Lande bringt ihr in Dezembertagen Kundschaft? Sonnenglanz und Himmels blauend Wehn könnt es hier, wie könnt es jetzt erstehn? Nehmt ihr meiner Seele Flügelbreiten auf in eurer Strömung frischen Zug? Soll sich Aug' und Herz erweiten neuer Hoffnung —• — neuem T r u g ? —
Noch Winter. Ein rosa Streif zieht über den toten Bergwald, — der Schnee liegt so graukalt — die Wipfel der Bäume glühn wie Rosen; auch am Himmel ist ein sanftes Licht ergossen. Es dämmert über der trüben Stadt durch Wolken-Grau so bläulich matt: ein zaghaft schüchtern Frühlingslicht so fernher fern in die Seele bricht. — —
An die Schönheit. (Von Max Klinger.)
Schmerzlich heben wir die Sehnsuchtsblicke aus der Niederungen Alltagstrübe durch des finstren Dustes karge Lücke, jäh erfaßt von mächt'ger Höhenliebe, auf zur Schönheit, der Gebenedeiten. — J a wir steigen, fliehn aus düstren Banden wir Entzückten, Sonnenzugewandten! Rein, entledigt aller Niedrigkeiten, sinken, aus der Asche wir erstanden, hüllenlos, wir Selig-Eingeweihten, an der Göttin Thron und ihrer Herrlichkeiten.
Aus dem Zyklus
Die ersten Glöcklein.
Es ist gar stürmisch in der Welt, und ein hellflammend Lichtlein gerät gar leichtlich drinn' ins Flackern, und nach allen Seiten geblasen verschwendet's seine Kräfte, daß sie unbemerkt übertriefen, und brennt gar schnell darnieder.
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Mein Ahne, sagt man, war ein Glockengießer, und mir im Innern fühl ich deutlich streben noch dieses Glockengießerideal.
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Sternblümlein. Es steht bei den Sternen ein Blümelein, das möcht so gerne ich finden, es hat zwei schöne Augelein, gar tief und nicht zu ergründen. Und wenn ich einmal dies Blümlein seh, dann pflückt' ich's grausam nicht ab; ich senkte nur mein unendlich Weh in seine Augen hinab.
Durch die Blume. In Garten einst lüstet mich's zu gehn, da wuchsen Rosen und Veilchen, die rankten und dufteten gar so schön, des blieb ich bei ihnen ein Weilchen. Und wie ich so stand, da summt's mich ein; ein Röslein aber geschwinde bewegte seine Zweiglein fein, umrankte mich im Winde. Und wie ich erwacht, da hielt es mich, das Schönste von allen Schönen, und stach so tief und schmerziglich, und wollte so viele Tränen.
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Volkslied. Die grüne Linde beweget die Zweige im Mondenschein, und deunter schlummert ein Buhle in Liebchens Armen ein. Sein Lieb mit ihren der Mond andächtig
ihn träumend anblicket Augen schön — — und die bleichen Sterne niedersehn.
Es küßt des Buhlen Lippen die wundersanfte Maid — — und die alte Linde träumet von Lieb und Seligkeit.
Nachthimmel. Überall ist Schweigen, und zu dunklen Höh'n nebelgrau will steigen rings ein Auferstehn. Und den Sinn auf kühlen Schwingen hebet's hin, Sternenlichter-Lilien matt im Nebel blühn.
Im Quell. Lustig sprang in der Silberquelle hell ein Kiesel mit Blitzesschnelle, immer trieb ihn des Sprudels Wallen, — wie hats Spielen dem Steinchen gefallen ha ha ha ad. lib. (Cadenza). Sieh, ein Falter kam geflogen zierlich fein, in leichtem Bogen, labt sich an des Bronnens Kühle, schaute zu dem Wellenspiele. Steinchen sprang rasch auf und nieder, es verschwand und kehrte wieder, und der bunte Schmetterling dacht: wie leicht ist doch das Ding! Stürzt sich rasch zur Murmelquelle und geriet in ihre Welle. Ja, da hat er bald erkannt wie es mit dem Ding bewandt. Ängstlich rudert er zum Rande, fliehet hin zum sichern Strande, trocknet sich auf Blumen sacht. Aber's Steinchen hat gelacht wie's den nassen Falter sah! ha ha ha ad. lib. (Cadenza). Hans Baer,
Dichtungen.
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Zu einem Schlüsselkorb. Den Schlüsselkorb, der für den Haushalt ziemet, des Heimes Mutter zu der Ordnung dienet, sollst du von mir mit bestem Wunsch erhalten, mögst in dem Hause dein mit regem Fleiße walten. Denn wo die Wohnung fein gepfleget stehet, ein jeder gern und ehrfurchtsvoll vorübergehet; er achtet erstlich auf den gutgehaltenen Bau, doch denkt er wohl, welch tugendhafte zücht'ge Frau muss dieses reinliche Gebäude bergen? Denn was des Menschen wahres Sinnen sei, das merkest du an seiner Hände Werken.
Des Tones Dauer. Mächtig schwinget der Ton, glänzet gleich einer Krön; webend jetzt fliehet sein Glanz, sein ist die Macht nun ganz. Tönen durchzittert die Luft, gleich wie aus tiefster Gruft, schwindend schwächt sich der Schwall, und verklinget im All — —
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Schwermutsvoll. Vom bleichen Wasser steigen verträumte Schatten auf, ein Mühlrad dreht zu Zeiten sich mit des Mühlbachs Lauf. Und schöpft aus Tiefen hebend» erinnerungenreich, auch meine Seele träumend aus ihrem Totenreich.
Im Winter. Dort im Kamin da glüht's so licht — — du blickest hin und redest nicht. Was dir die Gluten wohl sagen mögen, beginnt ihr Fluten dein Herz zu bewegen?
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Im Brunnen. Es war ein Brunnen der war so tief, daß unten im Bronnen ein Sternlein schlief. Und wie ich das Sternlein gar lieb gewann, da saß ich manch Stündlein und sann, und sann. Und wie meine Liebe es auf könnt' nicht heben, da mußt ich der Tiefe hinunter sie geben und wie bei dem Sterne da unten sie war, da kamen mir gerne die Tränen klar.
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Himmelsleiter. Himmelsleiter, stilles Blümlein blickst so gut mich immer an, führtest doch zu meinem Sternlein du mich einmal nur hinan. Wollt' dir eine Perle weinen in den schönen Kelch hinein, ließest mich nur einmal träumen in des Sternleins Silberschein. *
Da war's am Abend, die Wolken strichen vorbei, und stilles Fragen entstieg immer neu. Die Wolken verwehten, die Fragen erstarben, die Nacht mit den öden erloschenen Farben hüllte mich ein.
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Ach, nirgends find ich meine Ruh, mir ziehen die Wolken alle stumm vorüber — — ich schau dem stillen Treiben zu, blick bald zum Himmel, bald zur Erde nieder. Zu mir spricht nichts aus der Natur, denn was in ihr begeistert — — lebet in meinem eignen Herzen nur, wenn es auch leicht mir flieht, entschwebet. Ja, die Natur sie lebet nur in mir, mein eigner Geist versteht sie mir zu bilden; denn was den andern äußerliche Zier, das sprießt und lebt in meines Herzens Gründen. Ein der auf vor
einziger und glücklicher Moment zaubert mir des Weltreichs ganze Schöne lebend wunderlichem Pergament meine trunk'ne lebenslust'ge Seele.
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Da ziehn die Silberfäden vieler Bäche nach einem endlosgrünen Hoffnungsgrund, und Blumen aller Farben und Gepräge, die küssen sich mit honigsüßem Mund. Es ziehen auf die schwarzen Wetterwolken und brauen in der tiefen Finsternis der Blitze viele, feurigheiß und golden, so rasch wie wütend gift'ger Schlangenbiß. Und wenn sie dann durch meine Seele ziehen, Ermattung wie Gewitterregen kommt, dann schwingt sich durch den Kampf den schauerlichen, ein Regenbogen der sich lieblich sonnt. Er bricht hervor aus meines Herzens Wolken, zieht durch mein Auge seine Farben hin, und wo die kühnen Bogen ruhen sollten, da scheinen auch die Sonnenstrahlen hin.
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Märchen. Dämmern will's — und aus dem Teiche steigen schon die nächt'gen Unken, stimmen ihre Totenweise ganz in Träumerei versunken. Und es dehnt das öde Quaken sich zum jammervollen Rufen — zu dem Herzen banger Klagen steigt's auf riesenhaften Stufen. Dabei aber sitzet ein Wesen ganz still, das Köpfchen es stützet, und heißet — Idyll.
Nacht Es war mir so graus und ließ mich nicht schlafen — — da ging ich hinaus wo die Winde blasen; da fand ich die Bäume in finsteren Reihen, d'rum tanzten die Träume den Ringel-Reihen.
Liebeswellen. Junge Paare seh ich gehen, die sich fest umschlungen halten, und die Rosenbäume stehen an den Wegen, da sie wandeln. Wellen träumen dort vorüber, wo der Weg sich senkt zum Ufer, und die Paare steigen nieder, küssend Jüngling sich und Jungfer. Und ich staun ob dem Getriebe, seh das rätselvolle Handeln werden wir einst, meine Liebe, auch durch jene Rosen wandeln? Wann betret ich diese Stellen, diese seelenvollen Stunden, — — oder bin in jenen Wellen ich am Ende schon versunken? —
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Gesellschaft. Und mir schien, in einem Berge sei ich grausam eingeschlossen, und das ganze Teufelswerke hätt' der Teufel zugeschlossen, und ich könnt's nicht eher öffnen bis ich selbst ein Teufel worden; doch den Berg mir zu eröffnen ich versuchte aller Orten, und mir ist's am Schluß gelungen, ohne daß der Teufel mich bezwungen.
Im Saale brennen die Lüster, man schwatzet, kichert und spricht, und aus dem vielen Geflüster vernehm' ihr Stimmlein ich nicht. Nun wird man leiser und schweiget, der Künstler sitzt schon bereit — und suchend die Augen ich neige hinunter zum Saale so weit. die und den die
Leuchter, die flimmern so helle, finden mit ihrem Licht Künstler, die Hörer, die Schwelle, Liebste — sie finden sie nicht.
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Langeweile. Die und ihr und
Nacht kommt wieder mit dunklem Schritt wandelt die Gassen hinab, Mantel über die Dächer glitt hängt vor den Fenstern herab.
und sieht man hinaus, so sieht man nichts als den Mantel den dunkelgrauen, und reget dazwischen wie Mondschein sich's, dann schreien die Katzen und miauen. *
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Wo die liebsten Blumen wachsen, weiden auch die größten Kälber, und die allerschlimmsten Katzen bergen Nachtigallenwälder. Wüßt' die Kälber ich zu jagen und den Katzen fein zu schmeicheln, würd' die Nachtigall mir schlagen, und ich fänd' mein liebes Veilchen.
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Sturm. Scharf entfährt dem dunklen Meere, drinn' die Sterne einsam stehn, Silberwind —
und Pfeifenchöre
schrill mit ihm vorüberwehn! Ha, wie das die Lippen schneidet, in den Ohren klingelnd schwirrt! — Und das Herz, das ewig leidet, immer, immer ruhiger wird.
St
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Von den ersten Sonnenstrahlen pflück ich einen Frühlingsstrauß, und auf lichten Wolkenbahnen send ich ihn zu deinem Haus. Durch dein Fenster soll er glänzen, ganz in goldnen Rosen blühn — und aus allen Blütenkelchen fühlst du meine Liebe ziehn.
Ich hab dich gebeten zu kommen zu den Linden kahl und stumm, dort hab ich dich nicht gefunden, mein Liebchen, sag mir warum? Die Linden stehn einsam und blattlos und kämest du Liebchen mein, dann zöge ein neuer Frühling von Liebe bei ihnen ein.
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Wie die kleinen Sommerfliegen zittern still im Sonnenlicht, zitternd meine Tränen liegen, eh' die Hoffnung ganz erlischt. In mir singt so schmerzensmüd eine alte Melodei, und mir ist, als ob das Lied eine einz'ge Träne sei.
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Ach, ich dachte mir das Leben allzu einfach — — wie verworren seh ich's jetzt entgegenkommen! Dennoch war's im Grunde richtig, denn es bleibet sonst wie heut, immer nur ein Menschenleben bis in alle Ewigkeit.
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Noch ist des Vergessens süße Wehmut nicht auf mein Herz gesunken. — — Doch über die Berge und über die Täler kommt leise das liebliche Abendrot.
Aus dem Zyklus
Liebesklage.
Gießet eure alten Flammen immerfort ihr Lieder aus, die mir aus dem Herzen kamen, wie ein Feuerblumenstrauß.
Hins Baer,
Dichtungen.
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Violen färbt sich der weite Plan -violen der Himmel, und himmelan steigt meine Sehnsucht nach dir, G e l i e b t e !
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