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German Pages [471]
HEGEL-STUDIEN In Verbindung mit Walter Jaeschke und Ludwig Siep herausgegeben von Michael Quante und Birgit Sandkaulen
B A ND 53 | 54
schwerpunkt HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE abhandlungen von Andreas Arndt, Elias Buchetmann,
Thomas Dworschak, Daniel Häuser, Franz Heilgendorff, Susanne Herrmann-Sinai, Christian Hofmann, Jean-François Kervégan, Marco Kleber, Moritz May, Amir Mohseni und Benno Zabel perspektiven der forschung von Ludwig Siep texte und dokumente von Jörg Hüttner und Martin Walter liter aturberichte und kritik Untersuchungen zur klassischen deutschen Philosophie | Editionen | Literatur zu Hegel | Neuerscheinungen zu einzelnen Autoren der klassischen deutschen Philosophie bibliogr aphie Literatur zur Hegel-Forschung
HEGEL-STUDIEN / BAND 53/54
HEGEL-STUDIEN In Verbindung mit Walter Jaeschke und Ludwig Siep
herausgegeben von M I C H A E L Q U A N T E und BIRGIT SANDKAULEN
BAND / Redaktion: Johannes-Georg Schülein
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
© Felix Meiner Verlag, Hamburg . ISSN - Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ und URG ausdrücklich gestatten. Satz: w+p GmbH, Rimpar. Druck und Bindung: Stückle, Ettenheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO , hergestellt aus % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de/hegel-studien
INHALT
Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE UND DAS RECHT JEAN-FRANÇOIS KERVÉGAN Recht und Rechte in Hegels Rechtsphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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ELIAS BUCHETMANN Die Ermordung Kotzebues und Hegels Philosophie des Rechts . . . . . . .
35
DANIEL HÄUSER Verstößt Hegels Verbrecher notwendigerweise gegen das Rechtsgebot? .
63
BENNO ZABEL Die Urteilskraft auf der Bühne des Rechts: Ein anderer Blick auf Hegels Theorie moderner Freiheit . . . . . . . . . . . .
91
SUSANNE HERRMANN-SINAI Hegel on the Difference between Social Normativity and Normativity of Right . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
INDIVIDUALITÄT IN HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE THOMAS DWORSCHAK Das Recht des Individuums und die Substanz der Sittlichkeit . . . . . . . . . 135
6
Inhalt
CHRISTIAN HOFMANN Konkrete Individualität und Integration des Besonderen: Freiheit und Partizipation in Hegels Staat der Bildung . . . . . . . . . . . . . . 165 AMIR MOHSENI Ist der Auftakt in Hegels Rechtsphilosophie individualistisch? . . . . . . . . 191
HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE UND MARX ANDREAS ARNDT Begreifen als Kritik: Anmerkungen zu Hegel und Marx . . . . . . . . . . . . . 209 MORITZ MAY Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag: Über die Kritik des Entäußerungsmodells der Arbeit bei Hegel und Marx 225 FRANZ HEILGENDORFF UND MARCO KLEBER Das Recht der Ökonomie: Die Methode der Rechtsphilosophie und die Hegel-Kritik von Marx . . 251
PERSPEKTIVEN DER FORSCHUNG LUDWIG SIEP Transformationen des objektiven Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
TEXTE UND DOKUMENTE JÖRG HÜTTNER UND MARTIN WALTER Die Eule der Minerva aus vorhegelscher Perspektive: Obereits Avertissement () an Goethe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Inhalt
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LITERATURBERICHTE UND KRITIK A) Untersuchungen zur klassischen deutschen Philosophie Karin Nisenbaum. For the Love of Metaphysics. Nihilism and the Conflict of Reason from Kant to Rosenzweig. (Myriam Bienenstock, Tours) . . . . . . . . . . . 319 Philipp Weber. Kosmos und Subjektivität in der Frühromantik. (Dominik Zink, Trier) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 B) Editionen Johann Georg Hamann. Fliegender Brief. Historisch-kritische Ausgabe. (Daniel Elon, Bochum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Leçons sur la logique et la métaphysique (Heidelberg ). (Victor Béguin, Poitiers) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Georg Wilhelm Friedrich Hegel. La Scienza della Logica. . Logica oggettiva. Libro secondo. L’essenza (). (Guido Frilli, Firenze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Karl Wilhelm Ferdinand Solger. Vorlesungen über Ästhetik. (Holden Kelm, Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 C) Literatur zu Hegel Rafael Aragüés. Das Problem des Absoluten in der Philosophie Hegels. Entwicklungsgeschichtliche und systematische Untersuchungen zur Hegelschen Metaphysik. (Burkhard Nonnenmacher, Tübingen) . . . . . . . . . . . . 335 Georges Bataille. Hegel, der Mensch und die Geschichte. (Malte Fabian Rauch, Lüneburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Bernard Bourgeois. Penser l’histoire du présent avec Hegel. (Christophe Bouton, Bordeaux) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Rebecca Comay, Bart Zantvoort, Hgg. Hegel and Resistance. History, Politics and Dialectics. (Philip Hogh, Oldenburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Katharina Comoth. Natur und das Gesetz der Freiheit. (Andreas Arndt, Berlin) . . . 347 Susan M. Dodd, Neil G. Robertson, eds. Hegel and Canada: Unity of Opposites? (Paolo Livieri, Montreal/Aachen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Félix Duque. Remnants of Hegel. Remains of Ontology, Religion, and Community. (Sergio Montecinos, Bochum/Concepción; Nicole Minkereit, Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Wes Furlotte. The Problem of Nature in Hegel’s Final System. (Johannes-Georg Schülein, Bochum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
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Inhalt
Saša Hrnjez. Tertium datur. Sintesi e mediazione tra criticismo e idealismo speculativo. (Alessandro Esposito, Padova/Heidelberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Walter Jaeschke. Hegels Philosophie. (Thomas Hanke, Münster) . . . . . . . . . . . . . . 363 Armando Manchisi. L’idea del bene in Hegel. Una teoria della normatività pratica. (Agnese di Riccio, New York) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Jamila M. H. Mascat, Sabina Tortorella, eds. Hegel & Sons. Filosofie del riconoscimento. (Eleonora Cugini, Padova) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Christoph Menke. Autonomie und Befreiung. Studien zu Hegel. (Jean-François Kervégan, Paris) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Roberto Morani,. Rileggere Hegel. Tempo, soggetto, negatività, dialettica. (Giovanna Luciano, Padova/Sydney) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Dean Moyar, Hg. The Oxford Handbook of Hegel. (Tim Rojek, Münster) . . . . . 379 Emmanuel Nakamura. Der Maßstab der Kritik des modernen Staates bei Hegel und Marx. (Fernando Huesca, Puebla/Ciudad de México) . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Maik Puzic. Spiritus sive Consuetudo. Überlegungen zu einer Theorie der zweiten Natur bei Hegel. (Jan Müller, Basel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Tim Rojek. Hegels Begriff der Weltgeschichte. Eine wissenschaftstheoretische Studie. (Max Winter, Berlin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Birgit Sandkaulen, Hg. G.W.F. Hegel. Vorlesungen über die Ästhetik. Klassiker Auslegen, Bd. . (Francesco Campana, Padova) . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Ina Schildbach. Armut als Unrecht. Zur Aktualität von Hegels Perspektive auf Selbstverwirklichung, Armut und Sozialstaat. (Emmanuel Nakamura, Campinas) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Lorella Ventura. Hegel in the Arab World. Modernity, Colonialism, and Freedom. (Andreas Giesbert, Bochum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 Klaus Vieweg. Hegel: Der Philosoph der Freiheit. Biographie. (Ermylos Plevrakis, Heidelberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 D) Neuerscheinungen zu einzelnen Autoren der klassischen deutschen Philosophie Michael N. Forster. Herder’s Philosophy. (John H. Zammito, Houston) . . . . . . . . 412 Birgit Sandkaulen. Jacobis Philosophie. Über den Widerspruch zwischen System und Freiheit. (Stefan Schick, Regensburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
Inhalt
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BIBLIOGRAPHIE Literatur zur Hegel-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhandlungen im Berichtszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Bücher im Berichtszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abhandlungen im Berichtszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue Bücher im Berichtszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträge zum Berichtszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423 424 437 445 462 468
Zusammenstellung und Redaktion: SWANTJE BORNHEIM
UND
JOHANNES-GEORG SCHÜLEIN (BOCHUM)
Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
VORWORT DER HERAUSGEBER
Im Jahr warten die Hegel-Studien mit einem Doppelband auf – und das nicht von ungefähr, denn in diesem Jahr gilt es ein Doppeljubiläum zu feiern. Am . August jährt sich Hegels Geburtstag zum . Mal und vor Jahren sind Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts zuerst erschienen, eines seiner bekanntesten, umstrittensten und vermutlich auch einflussreichsten Werke, das in seiner Diagnostik der Moderne im ganzen Spektrum rechtlicher, moralischer, sozialer, ökonomischer und politischer Motive bis heute nichts von seiner Anziehungskraft verloren hat. Das hat sich im Rücklauf auf unseren Call for Papers eindrucksvoll bestätigt, mit dem wir für den Jubiläumsband um Beiträge mit dem thematischen Fokus auf Hegels praktische und politische Philosophie gebeten haben. Wir haben nicht nur eine Vielzahl von Einsendungen erhalten. Die nach positiver Begutachtung ausgewählten Texte haben sich auch gleichsam von selbst zu reich bestückten sachlichen Schwerpunkten zusammengefunden. Im Ergebnis können wir fünf solcher Schwerpunkte präsentieren, die das aktuelle Forschungsinteresse an Hegels Rechtsphilosophie widerspiegeln: „Hegels Rechtsphilosophie und das Recht“, „Individualität in Hegels Rechtsphilosophie“, „Hegels Rechtsphilosophie und Marx“, „Hegels Moral- und Handlungsphilosophie“ sowie „Der Objektive Geist im Kontext von Hegels Philosophie des Geistes“. Mit den beiden zuletzt genannten Schwerpunkten kündigen wir im Übrigen auch schon den nächsten Band der Hegel-Studien für an. Aufgrund der großen Zahl der Einsendungen können wir das Hegel-Jubiläum – gleichsam in Begleitung der vielen Veranstaltungen, die wegen der Corona-Pandemie dieses Jahr leider weltweit ausfallen müssen und ins nächste Jahr verschoben worden sind – um ein weiteres Jahr verlängern. „Perspektiven der Forschung“ zu Transformationen des objektiven Geistes in der Sozialphilosophie der Gegenwart und eine neue Studie zum Motiv der „Eule der Minerva“, die im Vorwort der Grundlinien ihren prominenten Auftritt hat, runden den vorliegenden Doppelband ab, der wie immer natürlich auch einen großen Rezensionsteil und eine aktuelle Bibliographie enthält. Bei aller Freude über das Jubiläum ist jedoch nicht zuletzt auch eine schmerzliche Lücke zu beklagen. Die Rubrik der „Bochumer Hegel-Vorlesungen“ fehlt in Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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VORWORT
DER
HERAUSGEBER
diesem Band, weil Ágnes Heller kurz nach ihrer Hegel-Vorlesung im Juni völlig überraschend verstorben ist und sich das Manuskript ihres Vortrags leider nicht auffinden ließ. Alle, die vor Ort miterleben durften, was sie zum Thema „Hegel oder das Ende der Philosophie“ zu sagen hatte und wie sie mit trennscharfer Analyse, geistsprühender Vitalität und freundschaftlicher Zugewandtheit ein großes Auditorium an der Ruhr-Universität Bochum begeistert hat, werden diese Hegel-Vorlesung und auch die wunderbare Ágnes Heller selbst ganz sicher nicht vergessen, sondern in lebendigster Erinnerung behalten. Berlin und Münster im August Birgit Sandkaulen und Michael Quante
HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE UND DAS RECHT
Jean-François Kervégan RECHT UND RECHTE IN HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE ABSTRACT:
The German word ‘Recht’ which appears in the title of Hegel’s Grundlinien der Philosophie des Rechts is difficult to translate in some languages, such as English. It may stand for both subjective ‘right(s)’ and objective ‘law’. The common translation of ‘Recht’ as ‘right’ is certainly justified, yet it should not entail an understanding of Hegel’s philosophy as simply a rights-based position in Dworkin’s sense. I propose in this paper a nuanced reading firstly by tracing the philosophical history of the concepts ‘subjective right’ and ‘objective law’. A quantitative analysis of Hegel’s usage of the word ‘Recht’ reveals then how he consciously mobilizes the whole range of its meanings. I propose an institionalist approach to Hegel’s philosophy of right: ‘Recht’ functions as a metonymic epitome of legal, social and political institutions in which any one-sided conception of subjectivity or objectivity is overcome. Objective rules, subjective behaviour and attitudes are intertwined in these institutions. It would run contrary to Hegel’s entire philosophy of objective spirit to favour unilaterally the viewpoint of rights over the law (or over duties); therefore, his position is not merely a ‘philosophy of right(s)’.
Die englischsprachigen Übersetzer der Grundlinien der Philosophie des Rechts sind mit einem Problem konfrontiert, das in den romanischen Sprachen nicht besteht: Wie soll das Wort ‚Recht‘ übersetzt werden? In der englischen Sprache kann nämlich dieses Wort, je nach dem Kontext und der genauen Bedeutung, entweder mit ‚right‘ oder mit ‚law‘ übersetzt werden. Zum Beispiel wird ‚das deutsche Recht‘ mit ‚the german law‘ und ‚das internationale Recht‘ mit ‚the international law‘ übersetzt, während ‚das Eigentumsrecht‘ und ‚die Menschenrechte‘ mit ‚the right to property‘ (aber teilweise auch mit ‚the property law‘) und ‚the human rights‘ übersetzt werden. In zahlreichen Fällen ist die Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten schwierig und wird auf Mutmaßungen beruhen. Soll man zum Beispiel das Wort ‚Naturrecht‘ mit ‚natural law‘ oder mit ‚natural right‘ übersetzen? Hier hängt die Wahl vom Kontext und von der eigenen Auffassung des Naturrechts ab… Wie auch immer, die englischsprachigen Übersetzer der Grundlinien haben einstimmig entschieden, ‚Philosophie des Rechts‘ mit ‚Philosophy of Right‘ zu übersetzen (Hegel ; ; ). Diese Entscheidung kann zweifelsohne durch solide Argumente begründet werden. Aber die englischsprachigen ÜberHegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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JEAN-FRANÇOIS KERVÉGAN
setzer und die betreffende Literatur haben diese Option meistens als selbstverständlich betrachtet, als ob sie keiner speziellen Begründung bedürfte. Ebenso haben sie die Übersetzung von ‚Gesetz‘ durch ‚law‘ einstimmig übernommen, obwohl die juristische Fachsprache im Englischen eine Reihe anderer Wörter bevorzugt, um Gesetzgebungsakte im europäischen Sinne zu benennen, wie ‚acts‘, ‚bills‘ oder ‚statutes‘. Das Wort ‚law‘ hat ein viel breiteres Bedeutungsfeld, indem es alle Arten von Rechtsnormen bezeichnet, seien sie parlamentarischer, gerichtlicher oder gemeinrechtlicher Abstammung (common law); es ist daher mit dem französischen Wort ‚le droit‘ oder dem deutschen ‚das Recht‘ semantisch vergleichbar. Unter diesen Bedingungen braucht sicherlich die Übersetzung von ‚Recht‘ mit ‚right‘ eine Begründung, weil sie eine Gesamtdeutung der Rechtsphilosophie Hegels implizit ins Spiel bringt, und zwar diejenige, wonach der Begriff des ‚right‘ oder des subjektiven Rechts den Grundstein jener Lehre ausmacht. In dieser Hinsicht ist die Lehre des objektiven Geistes (um die enzyklopädische Benennung dessen zu benutzten, was die Grundlinien ‚das Recht‘ nennen) deshalb eine Philosophie des (objektiven) Rechts, weil sie eine Philosophie der (subjektiven) Rechte ist. In der Terminologie Ronald Dworkins wäre Hegels Rechtsphilosophie rights-based (Dworkin , ff.). Ich bin der Meinung, dass die Sache etwas komplizierter ist. Anhand einer Reihe von Beispielen kann man feststellen, erstens dass Hegel die semantische Dichte des Wortes ‚Recht‘ keineswegs verkennt, zweitens dass er anhand der in seiner ‚Philosophie des Rechts‘ eingesetzten begrifflichen Strategie manchmal die eine Bedeutung des Wortes, manchmal die andere hervorhebt, manchmal auf mehrere rekurriert. Dazu kommt, dass diese Rechtsphilosophie (bzw. Lehre des objektiven Geistes) ein Teil einer Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften ist, von deren Prinzipien und Begrifflichkeit sie abhängt. Wenn z. B. Hegel schreibt, dass „jede Stufe der Entwicklung der Idee der Freyheit ihr eigenthümliches Recht“ hat (Grundlinien, GW ,: § Anm.), oder wenn er behauptet, dass „das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freyheit“ ist (GW ,: § ), ist nicht eindeutig klar, ob er das Wort ‚Recht‘ mit derselben Bedeutung benutzt, obwohl er in beiden Fällen den engen Zusammenhang der Begriffe von ‚Recht‘ und ‚Freiheit‘ betont. Übrigens sind selbstverständlich unsere Deutungsrichtlinien der Texte Hegels (oder eines anderen Autors!) von unseren eigenen philosophischen Optionen Dworkin unterscheidet dort drei Arten politischer Theorien, und zwar die right-based, duty-based und goal-based theories. Es ist daran zu erinnern, dass die Wendungen ‚Rechtsphilosophie‘ oder ‚Philosophie des Rechts‘ noch ungebräuchlich waren: Die normale Benennung dafür war ‚Naturrecht‘, wie der zweite, traditionellere Titel der Grundlinien, „Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse“, es bezeugt. Unter den wenigen Ausnahmen kann man Theodor von Schmalz’ Handbuch der Rechtsphilosophie () erwähnen.
Recht und Rechte in Hegels Rechtsphilosophie
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abhängig. Berücksichtigen wir die übliche Entgegensetzung der beiden Hauptströmungen der Rechtsphilosophie: Wenn ich ein Anhänger der Naturrechtslehre bin, werde ich den Text der Grundlinien nicht auf dieselbe Weise lesen wie ein Verfechter des Rechtspositivismus oder einer der Varianten desselben; in beiden Fällen werde ich den Text aufgrund meiner eigenen Voraussetzungen deuten, sei es willentlich oder nicht. Meinerseits scheint es mir wünschenswert, über die Alternative ‚Naturrecht oder Rechtspositivismus‘ hinauszugehen. Das Recht als eine historisch veränderliche institutionelle Gestaltung zu betrachten, die sowohl die objektiven Eigenschaften des Rechtssystems als auch die subjektiven Befugnisse der Individuen und sozialen Gruppen zugleich bestimmt, ist vielleicht ein geeignetes Mittel, um den Streit der naturrechtlichen und rechtspositivistischen Lehren zu überwinden. Meine eigene Deutung der Grundlinien beruht auf jener ‚institutionellen‘ Voraussetzung, die hoffentlich dazu beitragen kann, die Frage des Verhältnisses von Recht und Rechten in Hegels Rechtsphilosophie zu klären. Bevor ich dazu komme, möchte ich die Unterscheidung von ‚objektivem‘ und ‚subjektivem‘ Recht kurz untersuchen. I. Objektives Recht und subjektive Rechte Die lexikalische Unterscheidung von Recht ‚im objektiven Sinn‘ und Recht ‚im subjektiven Sinn‘ entsteht im deutschen Sprachraum am Ende des achtzehnten oder zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts (Dubischar , ff.). Gegen ist sie üblich geworden, wie der bekannte englische Jurist und Theoretiker des Rechtspositivismus John Austin nach einem Besuch an verschiedenen deutschen Universitäten es bezeugt. Nachdem er festgestellt hat, dass die deutsche, französische und italienische Sprache dasselbe Wort (‚Recht‘, ‚droit‘, ‚diritto‘) benutzen, um zwei völlig unterschiedliche Sachen zu benennen, und zwar das Recht als „faculty“ und das Recht als „objective order of justice“, bedauert Austin die neuere Benutzung der Redewendungen ‚Recht im objektiven Sinn‘ und ‚Recht im subjektiven Sinn‘ für dasjenige, das die englische Sprache jeweils ‚law‘ und ‚right‘ nennt (Austin , ). Wie Jeremy Bentham feststellte: „Rights are the fruits of the law, and of the law alone. There are no rights without law, no rights contrary to the law, no rights anterior to the law“ (Bentham , ). Während er als treuer Jünger Benthams die Meinung vertritt, dass „every legal right is the creature of a positive law“, betont Austin, dass das Vokabular der ‚subjektiven Rechte‘ die Abhängigkeit der Rechte/rights von ‚the law‘ als einem Befehl des Souveräns auslöscht (Austin , ). Ob man den vereinfachenden Gesetzespositivismus Austins hinnimmt oder nicht, seine Aussagen führen uns zur Kernfrage: Wenn das Herbert Hart hat den ‚Imperativism‘ von Austin heftig kritisiert (siehe Hart , ff.).
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JEAN-FRANÇOIS KERVÉGAN
Bestehen von subjektiven Rechten, a fortiori von ursprünglichen subjektiven Rechten (den ‚unveräußerlichen natürlichen Rechten‘ des Menschen), behauptet wird, ist dann nicht der logische Vorrang von ‚law‘ über ‚right‘, der juristischen Verpflichtungen über die Rechte und Prärogativen der Individuen gefährdet? Wie auch immer, dieses Vokabular hat sich während der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts auf dem Kontinent durchgesetzt, sei es in der deutschen Pandektistik, die eine „voluntaristische“ Deutung des subjektiven Rechts als Willensmacht entwickelt, oder umgekehrt in der Interessenjurisprudenz, die mit Jhering das subjektive Recht als ein „rechtlich geschütztes Interesse“ versteht (Windscheid , ; Jhering , ). So hat im Lauf des neunzehnten Jahrhunderts der Begriff ‚subjektives Recht‘ eine zentrale Stelle in der Rechtsphilosophie und sogar im Selbstbild der nachrevolutionären Gesellschaft erhalten. Ein Hauptgrund dieser zunehmenden Bedeutung der subjektiven Rechte im nachrevolutionären Rechtsdenken ist die nunmehr zentrale Rolle der Freiheit als Wert, aber auch als juristische und politische Kategorie. Die Rechtsphilosophie Kants ist ein gutes Beispiel dafür. Sich auf die französische Erklärung von implizit stützend, nimmt er eine Begründung der subjektiven Grundrechte vor, wodurch sie als „erworbene“, obzwar „natürliche“ (weil nicht zum positiven Recht gehörende) Rechte aus dem einzigen „angeborenen“ Recht, und zwar der Freiheit als einem ‚Recht auf die Rechte‘, deduziert werden: „Freiheit […] ist dieses einzige, ursprüngliche, jedem Mensch, kraft seiner Menschheit zustehende Recht“ (Metaphysik der Sitten, AA VI: ). Solch eine begriffliche Vereinigung aller subjektiven Rechte unter der Schirmherrschaft der Freiheit erlaubt es Kant, eine prägnante Definition zu formulieren: Ein subjektives Recht ist ein „(moralische[s]) Vermögen Andere zu verpflichten“ (AA VI: ). Die Erhebung der subjektiven Rechte zum Rang einer zentralen juristischen Kategorie ist natürlich nicht zufällig. Die juristische Sprache spiegelt eine seit dem Anfang der Neuzeit laufende Entwicklung bloß wider, die am Ende des achtzehnten Jahrhunderts in den Erklärungen der Menschenrechte ihren Höhepunkt erreicht. Selbst wenn wir Michel Villeys These nicht zustimmen, wonach das subjektive Recht ein unglückliches Produkt der ockhamschen nominalistischen Ontologie ist (Villey , ff.; ; ), liegt es auf der Hand, dass dieser Begriff im klassischen römischen Recht keineswegs vorkommt: Das römische jus definiert eine Kapazität zum Rechtshandeln in einem vom Gesetz oder vom Edikt des Prätors bestimmten Rahmen, also eine rechtliche Stellung, nicht eine „Prärogative zugunsten des Berechtigten, worauf er im Prinzip verzichten darf“ – so die Dieses Thema des ‚Rechts auf die Rechte‘ ist bekanntlich von Hannah Arendt im Schlusskapitel des zweiten Teils von The Origins of Totalitarianism übernommen worden. Es sei erlaubt, daran zu erinnern, dass in Kants Vokabular ‚moralisch‘ und ‚rechtlich‘ nicht entgegengesetzt sind; die Moral ist eher die Gattung, wovon Rechtslehre und Ethik (Sittenlehre) die Arten sind.
Recht und Rechte in Hegels Rechtsphilosophie
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Definition des subjektiven Rechts bei einem französischen Rechtsgelehrten (Roubier , ). Es handelt sich nun um einen eindeutig modernen Begriff, dessen Entstehen – zuerst bei Francisco Suarez ([] , I,, § – ), dann bei Hugo Grotius (, I,I, § – ) und selbstverständlich bei Thomas Hobbes ([] ; [] ) – mit demjenigen des ‚Rechtssubjekts‘ zusammenfällt, das selbst zur „Suche nach der Identität“ gehört, woraus die moderne Vorstellung der Subjektivität entsteht (Libéra , ff., ff.). Der Begriff ‚subjektives Recht‘ gehört also zu einer kompletten Umgestaltung des Rechtsgebiets‚ wodurch die Vorstellung des Rechtssubjekts als eines Inhabers von Rechten eine zentrale Stellung erhält, die sie in der vormodernen Rechtskultur nicht besaß. Dieser ‚Rechtsindividualismus‘ ist übrigens mehrdeutig und wurde mehrfach kritisiert, insbesondere seitens der Anhänger einer institutionellen Auffassung des Rechts, wonach das Rechtssubjekt selbst und seine Rechte einen objektiven Institutionsakt voraussetzen (Descombes , ff.). Der Aufstieg der subjektiven Rechte hängt mit gewissen Struktureigenschaften moderner Gesellschaften zusammen, wovon die Erklärungen der Menschenrechte eher das Ergebnis als der Ursprung sind. Max Weber hat den Zusammenhang zwischen einerseits der Bildung eines Rechtsystems, welches die Individuen mit von ihren Eigenschaften und ihrem sozialen Status unabhängigen Befugnissen (Rechten) ausstattet, und andererseits der Wirksamkeit der beiden „grossen rationalisierenden Mächte“, der „Markterweiterung“ und der Beschränkung des „Korporationsrechts“ zugunsten des nunmehr alleinigen Rechtserzeugers, des Staates, betont (Weber , ). Darin liegt ein lehrreiches Paradox: Die Thematik der subjektiven Rechte entsteht parallel zu der Entwicklung des ‚freien Marktes‘, aber auch mit der Stärkung des modernen souveränen Staates, die eine zunehmende Unterwerfung der Subjekte unter eine zentralisierte Macht verursacht, der kein Widerstand entgegenzubringen ist: Das subjectum (Rechtssubjekt) ist auch ein subditum (Untertan)! Foucault hat diesen nexus unterstrichen, wodurch „der Staat von Anfang an individualisierend und totalitär auf einmal war“ (Foucault , ). Niklas Luhmann hat überzeugend gezeigt, dass die bedeutende Stelle der subjektiven Rechte im modernen Rechtssystem mit einem funktionellen Ausdifferenzierungsprozess des gesamten Gesellschaftssystems unmittelbar verknüpft ist. Dieser Prozess hat nämlich eine Umwandlung der Natur der Rechte selbst verursacht. Rechte sind mit keinem sozialen Status, keiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe mehr verknüpft; sie gehören dem Rechtssubjekt als solchem und gewinnen deshalb an Abstraktheit: Sie sind nunmehr Menschen Hobbes hat wohl als erster den Gedanken unveräusslicher subjektiver Rechte formuliert: „There be some rights, which no man can be understood by any words, or other signs, to have abandoned, or transferred“ (Hobbes [] , ).
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JEAN-FRANÇOIS KERVÉGAN
rechte (Luhmann a, ; , – ; b). Provokativ bezeichnet Luhmann die „paradoxe Institution“ der Menschenrechte sogar als einen „Skandal“ (Luhmann ). Das Paradox besteht darin, dass solche Rechte mit keiner Verpflichtung des Rechtsinhabers selbst, sondern nur mit Verpflichtungen Anderer gekoppelt sind. Dem Recht von A entspricht eine Verpflichtung von B, es ist jedoch mit keiner Verpflichtung von A selbst, außer dem Verbot, die Rechte Anderer anzutasten, verknüpft. Im Gegensatz zur älteren Auffassung von jus, die auf einer symmetrischen Logik der Reziprozität von Rechten und Verpflichtungen beruhte, ist das moderne subjektive Recht in einer asymmetrischen Logik der Komplementarität eingerahmt. Weil es „in sich selbst keinen Ausgleich hat“, ist das subjektive Recht „das ungerechte Recht“ (Luhmann , ). Jenseits der polemischen Dimension der Äußerung (Luhmann beabsichtigt, sich von der ‚Religion der Menschenrechte‘ zu distanzieren), hebt Luhmanns Beschreibung eine Struktureigenschaft der subjektiven Rechte hervor, wenn sie als bloße Befugnisse des Individuums als solchen verstanden werden. Die im Falle der Freiheitsrechte naheliegende Entkoppelung von subjektivem Recht und Verpflichtung (welche für Luhmann einer Kolonisierung der Rechtssphäre durch die außerrechtliche Thematik der moralischen Rechte entspricht) verleiht den subjektiven Rechten eine Beweglichkeit, die es ihnen erlaubt, unter veränderten Umständen mobilisiert zu werden. Ein Recht der menschlichen Person ist mit keiner besonderen Rechtslage verknüpft, es ist vielmehr imstande, sich an unendlich verschiedene Kontexte anzupassen. Darin liegt ein Grund des politischen sowie theoretischen Erfolgs der Thematik der subjektiven Rechte, die übrigens gewissen Strukturveränderungen der Gesellschaft entspricht. Retrospektiv kann man behaupten, dass die geschichtlich späte Unterscheidung von objektivem Recht (law) und subjektivem Recht (right) keine bloße lexikalische Schwierigkeit lösen sollte. Ihre wirkliche Bedeutung bestand darin, dass sie den Ausdruck einer völligen Umwandlung des Verständnisses davon war, was ‚das Recht‘ ist. Das Ergebnis dieser Umwandlung war, wenigstens auf der Ebene der herrschenden Vorstellungen, eine Umkehrung der Aussage Benthams: Es gilt nicht mehr, dass a right is a son of the law, sondern vielmehr, dass the law is a son of the rights… II. Die Lage der subjektiven Rechte bei Hegel und den damaligen Juristen Hegel, der eine beachtliche Kenntnis der damaligen rechtlichen Literatur besaß, hat anhand von ihr die neue Unterscheidung von Recht im subjektiven und im objektiven Sinn möglicherweise kennengelernt. Sie ist nämlich bei dem Wegbereiter der historischen Rechtsschule, Gustav Hugo, zu finden, gegen welchen Hegel im Paragraphen der Grundlinien eine scharfe Polemik vorlegt und der selbst
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eine vernichtende Rezension des Buchs veröffentlicht hat (Hugo [] , – ). Die von Hugo selbst als ‚unschicklich‘ betrachtete Unterscheidung wird zum Beispiel am Anfang seiner Juristischen Encyclopädie eingeführt: Nach einer auch in andern Fällen sehr gewöhnlichen Zweydeutigkeit bezeichnet [das Wort ‚Recht‘] bald den Inbegriff von gewissen Wahrheiten, wofür schon im Griechischen nomos, nomothesia, im spätern Latein leges, lex, und in den neuern Sprachen die Verumstaltungen dieses Worts lois, loi, law gebraucht werden, und womit Rechtslehre, Rechtswissenschaft, Rechtsgelehrsamkeit, jurisprudentia sinnverwandt ist; bald ein gewisses Verhältnis, welches den wichtigsten Gegenstand dieser Wahrheiten ausmacht, im Griechischen dikaion, im Englischen right, sinnverwandt mit den deutschen Wörtern Gerechtsame, Gerechtigkeit in diesem Sinne, Befugnis, und den lateinischen potestas, facultas, ein günstiges Rechtsverhältniß, also der Gegensatz, die Freyheit, von einem ungünstigen, einer Pflicht, Schuldigkeit, Verbindlichkeit, für welche im Lateinischen Cicero, nach dem Muster von kathekon (sic), gemacht hatte officium, und wofür im Mittelalter obligatio, debitum gemacht worden ist, da es an einem rechtswissenschaftlichen Kunstworte fehlte und necessitas zu bestimmt ist. Sehr unschicklich nennt man Jenes die objective und Dieses die subjective Bedeutung. (Hugo , § ) Friedrich Carl von Savigny, Kollege und mächtiger Rivale Hegels an der Universität zu Berlin, definiert seinerseits das subjektive Recht als „eine der einzelnen Person zustehende Macht. Diese Macht nennen wir ein Recht dieser Person, gleichbedeutend mit Befugnis: manche nennen es das Recht im subjektiven Sinn“ (Savigny , ).Savigny setzt jedoch sofort hinzu, dass dieses subjektive Recht einer „tieferen Grundlage“ bedarf, die in dem „Rechtsverhältnis“ von Personen innerhalb von einem „Rechtsinstitut“, zum Beispiel dem Eigentum, liegt. Das Rechtsinstitut selbst ist objektiver Natur; sein Sinn ist das unverfügbare Produkt einer kollektiven geschichtlichen Herstellung durch den Volksgeist, dessen Wortführer die Rechtsgelehrten sind. Das objektive Recht, dessen System die Rechtswissenschaft zu konstruieren strebt, ist „die allgemeine Regel, von welchen die einzelnen Rechte beherrscht werden“ (Savigny , ). Gegen die Rechtsanschauung der Erklärungen der Menschenrechte – eine Anschauung, die Dworkin rights-based nennen würde – zieht Savigny ein systematisches, auf dem Begriff des Rechtsinstituts beruhendes Verständnis des Rechts vor, worin die Rechte keine ursprüngliche, sondern eine abgeleitete Bedeutung haben. Hegel, der selbstverständlich die Doppelbedeutung des Wortes ‚Recht‘ nicht ignoriert, hat die Wendungen ‚subjektives Recht‘ oder ‚objektives Recht‘ (oder ähnliche Formulierungen) selten benutzt. Und wenn er es tut, ist es nicht mit der neuen Bedeutung, die die Juristen seiner Zeit diesen Ausdrücken zuschreiben. Zum Beispiel erwähnt Hegel im Paragraphen der Grundlinien „das subjective
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Recht des Selbstbewußtseyns“ (GW ,: § Anm.); damit bezeichnet er das, was er sonst das „Recht des subjectiven Willens“ oder das „Recht der subjectiven Freyheit“ nennt, nämlich die Kapazität des Subjekts, seine eigenen Vorsätze, Absichten und Taten gewissenhaft zu beurteilen (GW ,: §§ , Anm.). Hegel präzisiert, dass dieses „höchste Recht des Subjects“ dem „Recht des Vernünftigen“ jedenfalls untergeordnet werden muss (GW ,: § ). Übrigens gilt dieses ‚Recht des subjektiven Willens‘ innerhalb der bloßen Sphäre der Moralität: Als Selbstprüfungsverfahren der normativen Ansprüche der Subjektivität betrifft es nicht das Rechtssubjekt, die Rechtsperson (GW ,: §§ , ): Es ist also keineswegs ein ‚subjektives Recht‘ im juristischen Sinn, sondern ein moralisches Recht des Subjekts, sein eigener Richter zu sein, d. h. eine Tat als seine Handlung erst anzuerkennen, wenn es sich dazu freiwillig und bewusst verpflichtet hat. Das Subjekt kann übrigens dieses Recht sehr schlecht ausüben: Im Paragraphen der Grundlinien werden die verschiedenen Formen solcher Perversionen der Moralität (Heuchelei, Probabilismus usw.) erbarmungslos kritisiert; wenn das Subjekt sein Recht (seine Autonomie) ausübt, sollte es nämlich nie vergessen, dass dieses Vermögen stets dem „absoluten Rechte der Objectivität“ unterstellt ist (GW ,: § Anm.). Wenn er hingegen das abstrakte Recht (das Privatrecht) betrachtet, betont Hegel seinen rein objektiven Charakter: „[D]as vernünftige Recht“ ist mit der „objective[n] Freyheit“ identisch und soll von der „formelle[n] Freyheit“ und dem „Privatinteresse“ sorgfältig unterschieden werden (Enzyklopädie (), GW : § ). Für Hegel ist das Recht wesentlich die durch Normen und Institutionen objektivierte Freiheit, die sich dadurch gegen die inneren Irrungen der subjektiven Willkür sowie gegen den externen Druck sozialer Entfremdung wehrt. Es stimmt jedoch, dass die Verwirklichung der objektiven, rechtlichen sowie sittlichen Normen stets ein Engagement der subjektiven Gesinnung erfordert. Die Frage des jeweiligen Anteils des Subjektiven und des Objektiven in Hegels Auffassung des Rechts ist also nicht erledigt: Begreift er das objektive Recht (law) aufgrund der subjektiven Rechte (rights), oder betrachtet er umgekehrt das subjektive Recht als eine Wirkung oder mit Benthams Wort als ‚den Sohn des objektiven Rechts‘? III. Objektives Recht und subjektive Rechte bei Hegel: Ein quantitativer Ansatz Wenn wir das Vorkommen des Wortes ‚Recht‘ und seiner lexikalischen Familie (‚rechtlich‘, ‚unrechtlich‘, ‚Unrecht‘ usw.) in den Grundlinien untersuchen, treten drei Fälle auf: Manchmal hat das Wort ausschließlich die Bedeutung des subjektiven Rechts (right), manchmal bezeichnet es unbestreitbar das objektive Recht (law),
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manchmal schließlich scheinen die beiden Bedeutungen sich zu kreuzen oder zu ergänzen. Nehmen wir ein Beispiel des ersten, häufigsten Falls (ungefähr % der Vorkommnisse): „Die Person hat das Recht, in jede Sache ihren Willen zu legen“ (GW ,: § ). Hier handelt es sich selbstverständlich um das Eigentumsrecht als subjektivem Grundrecht der rechtsfähigen Person, „sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit zu geben“ (GW ,: § ). Als „selbstbewußte sonst inhaltslose einfache Beziehung auf sich“ der Subjektivität (GW ,: § ) ist die Person auf die bloße Rechtspersönlichkeit nicht reduzierbar, aber die Rechtsfähigkeit ist ihre objektive Erscheinung: ‚Eine Person zu sein‘, bedeutet vor allem, ein Rechtsinhaber zu sein. Deshalb ist die Persönlichkeit „die selbst abstracte Grundlage des abstracten und daher formellen Rechtes“ (GW ,: § ). Im Allgemeinen, wenn das Wort ‚Recht‘ mit einem Possessivpronomen oder einer ähnlichen Bestimmung verknüpft ist, oder wenn es (mit wenigen Ausnahmen) im Plural benutzt wird, steht natürlich die ‚subjektive‘ Bedeutung (right) im Vordergrund. Dieser Umstand betrifft nicht bloß die Sphäre des Privatrechts, wo die Rechte der Personen und die dadurch entstehenden Verpflichtungen Anderer im Rechtsverkehr betrachtet werden, sondern auch diejenigen der Moralität und der Sittlichkeit, deren Merkmal die Unzertrennlichkeit der Rechte und Pflichten und nicht ihre bloße Komplementarität ist: „In dieser Identität des allgemeinen und besonderen Willen fällt somit Pflicht und Recht in Eins und der Mensch hat durch das Sittliche insofern Rechte, als er Pflichten, und Pflichten insofern er Rechte hat“ (GW ,: § ; siehe auch § ). Es muss also die Frage beantwortet werden, ob Hegels Auffassung des Rechts, insbesondere des Privatrechts, rights-based ist. Untersuchen wir dann ein Beispiel des zweiten Falls (ungefähr % der Vorkommnisse), wenn das Wort ‚Recht‘ das objektive Recht im Allgemeinen (the law) bezeichnet, das heißt eine mehr oder weniger systematische Menge allgemeiner, von der individuellen Willkür unabhängiger Normen, und zwar die Paragraphen und der Grundlinien, die die Notwendigkeit einer Erhebung des Rechts zur allgemeinen Form des Gesetzes geltend machen: Was an sich Recht ist, ist in seinem objectiven Daseyn gesetzt, d.i. durch den Gedanken für das Bewußtseyn bestimmt, und als das was Recht ist und gilt, bekannt, das Gesetz; und das Recht ist durch diese Bestimmung positives Recht überhaupt. […] In dieser Identität des Ansichseyns und des Gesetztseyns, hat nur das als Recht Verbindlichkeit, was Gesetz ist. (GW ,: §§ , ) Die beiden üblichen englischsprachigen Übersetzungen haben das Wort ‚Recht‘ mit right und das Wort ‚Gesetz‘ mit law übersetzt. Diese übrigens völlig annehmbare Entscheidung wirft aber Probleme auf, die Hegels Grundverständnis des Rechts überhaupt betreffen. Mir scheint es kaum fragwürdig, dass die These, dass ‚das Recht‘ dazu bestimmt ist, zur gesetzlichen Form erhoben zu werden, und die
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vehemente Kritik der „ungeheure[n] Verwirrung“ des common law und des Juristenrechts im Paragraphen es erfordern, dass in diesem Kontext das Wort ‚Recht‘ die Bedeutung eines Korpus objektiver Normen hat. Subjektive Rechte sind hier nur insofern betroffen, als das Gesetz, und zwar das positive Gesetz, sie verkündet und garantiert. Ein weiteres Beispiel dieses Vorrangs der ‚objektiven‘ Bedeutung des Wortes ‚Recht‘ findet sich im Paragraphen , wo „das Recht“, als „das an und für sich seyende Allgemeine“ verstanden, dem „Wohl Aller“ entgegengesetzt wird, welches ein „wesentlicher Zweck und Recht der Subjectivität“ ausmacht (GW ,: § ). Hier hat man es mit einer klaren Unterordnung der Rechte unter das Recht als einer objektiven Normenordnung zu tun. Weil sie das Wort ‚Recht‘ durch right übersetzen, sind die englischen Übersetzungen nicht imstande, diesen Kontrast der beiden Bedeutungen des Wortes zu umschreiben, der der Unterscheidung von right und law in der Juristensprache selbstverständlich entspricht. Bei einer relativ bedeutenden Reihe von Vorkommnissen (ungefähr % der Fälle) erhält das Wort ‚Recht‘ beide, ‚subjektive‘ wie ‚objektive‘ Bedeutungen. Zum Beispiel ist am Anfang der Einleitung Folgendes zu lesen: Der Boden des Rechts ist überhaupt das Geistige, und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher frey ist, so dass die Freyheit seine Substanz und Bestimmung ausmacht, und das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freyheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als eine zweyte Natur, ist. (GW ,: § ) Der Hinweis auf den freien Willen als ‚Ausgangspunkt‘ des Rechts scheint auf den ersten Blick einen Vorrang der ‚subjektiven‘ Bedeutung mit sich zu bringen: Das Recht ist vor allem mein Recht, wobei dieses Recht ein unter gewissen Formen ausgedrückter Willensakt ist. Aber die Berücksichtigung des ‚Rechtssystems‘ und seine Charakterisierung als einer ‚zweiten Natur‘ setzt ein ‚objektives‘ Verständnis des Rechts als eines Normensystems ein, dessen scheinbare Naturwüchsigkeit in erster Linie eine Unabhängigkeit von der ‚endlichen‘ Subjektivität der Rechtsakteure bedeutet. Hier, wie in manchen weiteren Fällen, bezeichnet ‚das Recht‘ eine Gesamtheit objektiver Vorschriften und subjektiver Vermögen, deren Verknüpfung jenseits der lexikalischen Mehrdeutigkeit gedacht werden muss. Im Paragraphen der Grundlinien sind zum Beispiel „das Recht an sich, oder der Wille als allgemeiner“ und „das Recht in seiner Existenz, welche eben die Besonderheit des Willens ist“, entgegengesetzt (GW ,: § Anm.). Der doppelte Hinweis auf den Willen regt uns selbstverständlich zur Ansicht an, die ‚subjektive‘ Bedeutung des Wortes stehe in beiden Fällen auf dem Spiel. Hegel würde ‚mein Recht‘, besser gesagt: meinen Rechtsanspruch, und das Recht, bzw. die Rechte der Person, gleichsam überhaupt gegeneinander ausspielen. Eine solche Leseart ist plausibel. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass für Hegel der ‚das Recht‘ begründende
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Wille mit dem ‚subjektiven‘ Willen des Einzelnen nicht zu verwechseln ist: Er ist vielmehr ein „schlechthin objective[r] Wille“, der sich selbst verallgemeinert und sich von dem Willkürlichen in sich distanziert: „[D]er Wille wird sich in diesem Sinne erst durch die Ausführung seiner Zwecke objectiv“ (GW ,: § ). Was uns diese kurze Erkundung lehrt, ist nichts Umwerfendes: Der Text der Grundlinien mobilisiert das ganze Spektrum von Bedeutungen, die das Wort ‚Recht‘ erhalten kann. Solche Beweglichkeit ist umso erforderlicher, als die Grundlinien das Gebrauchsfeld des Wortes stark ausweiten, indem es in Bezug auf irgendwelche Gestaltungen dessen angewendet wird, was die Enzyklopädie den objektiven Geist nennt: „Jede Stufe der Entwicklung der Idee der Freyheit hat ihr eigenthümliches Recht, weil sie das Daseyn der Freyheit in einer ihrer eigenen Bestimmungen ist“ (GW ,: § ). Diese Feststellung aber vervielfältigt eben die Fragen. Was bedeutet nämlich ‚ihr eigentümliches Recht‘? Meint Hegel etwa, jede Stufe des objektiven Geistes habe eine Art von subjektivem Recht zur Existenz? Oder meint er, dass eine jede dieser Stufen ihre eigene Normenordnung genießt? Wahrscheinlich gilt das Eine wie das Andere… Die Fortsetzung desselben Paragraphen beseitigt teilweise die vorige Mehrdeutigkeit. Hegel erklärt nämlich: „[D]ie Moralität, die Sittlichkeit, das Staatsinteresse ist jedes ein eigenthümliches Recht, weil jede dieser Gestaltungen Bestimmung und Daseyn der Freyheit ist“ (GW ,: § Anm.; meine Hervorhebung). Die Verwendung des Verbes ‚sein‘, wo ‚haben‘ zu erwarten wäre, beweist meines Erachtens, dass Hegel das Recht (oder die verschiedenen Sphären von ‚Rechten‘) als ein objektives Normenkorpus hier vorzüglich betrachtet. Selbstverständlich aber entspricht jeder dieser Rechtssphären ein spezifischer Typ von subjektivem Recht und ein bestimmter Träger jenes Rechts, und zwar die Rechte der Rechtsperson, die des moralischen Subjekts, die des Familienmitglieds, die des Akteurs der bürgerlichen Gesellschaft (des ‚bourgeois‘), endlich die des Staatsbürgers. Diese Rechte sind unterschiedlicher Art so wie die sie einrahmenden institutionellen Gestaltungen unterschieden sind. Der einzige Weg, auf dem jene Mehrdeutigkeiten beseitigt werden können, besteht in einer Untersuchung der Gliederung der Begriffe von Recht, Wille und Freiheit. Dazu muss Hegels ‚Philosophie des Rechts und der Rechte‘ in den Kontext seiner Philosophie des Geistes, folglich auch der Logik als der Grundlage seines Systems eingefügt werden.
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IV. Recht, Freiheit, Wille: Das Gedankennetz des objektiven Geistes Die Einleitung der Grundlinien gibt folgende Definition des Rechts: Dies, daß ein Daseyn überhaupt Daseyn des freyen Willens ist, ist das Recht. – Es ist somit überhaupt die Freyheit, als Idee. (GW ,: § ) Sie übernimmt in kürzerer Form die oben schon zitierte Definition aus dem Paragraphen . Indem sie das Recht als die daseiende Äußerung des freien Willens darstellt, der selbst sein ‚Ausgangspunkt‘ ist, verknüpft diese Definition die beiden thick concepts von Wille und Freiheit (Williams , ff.) und assoziiert sie mit der ‚Idee‘. Alles das wird erst verständlich, wenn wir die tiefe Umdeutung berücksichtigen, die jene Begriffe im Denken Hegels erfahren. Auf den ersten Blick weist diese Definition Hegel als Anhänger der Ansicht aus, wonach die sozusagen selbstbestehenden (‚natürlichen‘) Rechte der Individuen die Grundlage der Normen des objektiven Rechts sind. Der zweite Titel der Grundlinien – „Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse“ – liefert jener Ansicht Stoff, da er den klassischen naturrechtlichen Gegensatz zwischen dem Naturrecht, das heißt denjenigen Rechten, mit denen die Einzelnen der Vernunft nach ausgestattet werden sollen, und der staatlichen Institution (der societas civilis im vorhegelschen Sinne), die jene Rechte auf einmal garantiert und von der normativen Ordnung des Rechts als law abhängig macht, wieder aufnimmt. Aber die Anmerkung zum selben Paragraph enthält eine scharfe Kritik einer solchen ‚subjektivistischen‘ Ansicht des Rechts und der daraus entstehenden Folgen für das Verständnis der Begriffe von dem Willen und der Freiheit: Die [kantische] Definition des Rechts enthält die seit Rousseau vornehmlich verbreitete Ansicht, nach welcher der Wille nicht als an und für sich seyender, vernünftiger, der Geist nicht als wahrer Geist, sondern als besonderes Individuum, als Wille des Einzelnen in seiner eigenthümlichen Willkür, die substantielle Grundlage und das Erste seyn soll. Nach diesem einmal angenommenen Princip kann das Vernünftige freylich nur als beschränkend für diese Freyheit sowie auch nicht als immanent Vernünftiges, sondern nur als ein äußeres, formelles Allgemeines herauskommen. Jene Ansicht ist […] ohne allen speculativen Gedanken und von dem philosophischen Begriffe verworfen […]. (GW ,: § Anm.) Gegen Rousseau und Kant, die als Ausgangspunkt der Rechtskonstruktion den einzelnen Willen nehmen und deshalb das objektive Recht (‚das Vernünftige‘) als Über die Bedeutung des merkwürdigen Umstands, dass das Buch Hegels zwei Titel trägt, siehe meine Ausführungen in Hegel ([] , ff.).
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eine wenigstens scheinbare Beschränkung der Freiheit und der subjektiven Rechte der Individuen verstehen, betont Hegel, dass die wahrhafte Grundlage des Rechts nicht der einzelne, sondern der allgemeine, vernünftige, „schlechthin objective“ Wille ist (GW ,: § ), welcher in einem Korpus von Normen niedergelegt ist, die unabhängig von irgendeiner willkürlichen Erklärung sind. Gegen Rousseaus vermutliche Auffassung des volonté générale unterstreicht der Paragraph der Grundlinien die grundlegende Objektivität des vernünftigen Willens als des Prinzips des Rechts: Gegen das Princip des einzelnen Willens ist an den Grundbegriff zu erinnern, daß der objective Wille das an sich in seinem Begriffe Vernünftige ist, ob es von Einzelnen erkannt und von ihrem Belieben gewollt werde oder nicht, – dass das Entgegengesetzte, die Subjectivität der Freyheit, das Wissen und Wollen, das in jenem Prinzip allein festgehalten ist, nur das eine, darum einseitige Moment der Idee des vernünftigen Willens enthält, der diß nur dadurch ist, daß er ebenso an sich, als daß er für sich ist. (GW ,: § Anm.) Der Wille, dessen Dasein das Recht ist (GW ,: § ), ist also keineswegs der Wille des Individuums, der die Idee des vernünftigen Willens verkennen oder sogar bestreiten kann. Um aber kein abstrakt-universeller Wille zu bleiben, benötigt der in „an und für sich seyenden Gesetzen und Einrichtungen“ (GW ,: § ), in Rechtsinstitutionen und Sitten verkörperte vernünftig-objektive Wille die aktive Zustimmung des subjektiven Selbstbewusstseins, die sich durch die ‚subjektive Willensbestimmung‘ manifestiert: Der Wille α) insofern er sich selbst zu seiner Bestimmung hat und so seinem Begriffe gemäß und wahrhaftig ist, ist der schlechthin objective Wille, β) der objective Wille aber, als ohne die unendliche Form des Selbstbewußtseyns, ist der in sein Object oder Zustand, wie er seinem Inhalte nach beschaffen sey, versenkte Wille – der kindliche, sittliche, wie der sclavische, abergläubische usf. γ) Die Objectivität ist endlich die einseitige Form im Gegensatze der subjectiven Willensbestimmung, hiemit die Unmittelbarkeit des Daseyns, als äußerliche Existenz; der Wille wird sich in diesem Sinne erst durch die Ausführung seiner Zwecke objectiv. (GW ,: § ) Diese notwendige Aneignung des universellen Inhalts des objektiven Willens (d. h. der Rechtsnormen im Allgemeinen) durch die einzelne Subjektivität führt zur Überwindung jener unvollständigen Gestalten des subjektiven sowie des objek Bekanntlich mildert Rousseau diese Schlussfolgerung, indem er behauptet, der Sozialvertrag sei in der Tat ein bloßes „échange avantageux“ der natürlichen durch die gesellschaftliche Freiheit (Rousseau [] , ). Seinerseits beweist Kant die Notwendigkeit einer Umwandlung der „provisorischen“ natürlichen Rechte in „peremptorische“, durch die „bürgerliche Verfassung“ garantierte Rechte (Metaphysik der Sitten, AA VI: ).
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tiven Willens zugunsten einer durch ‚sittliche‘ Praxen erlebten normativen Objektivität; solche in der Objektivität der sozialen Welt eingefügte Praxen sind auch deshalb ‚subjektiv‘, weil sie das Gewissen und die normativen Optionen konkreter, obgleich ‚endlicher‘ Subjekte einsetzen. Hegels Umdeutung des Willensbegriffs besteht also nicht nur darin, diesen Begriff zu ‚entsubjektivieren‘; sie zielt eher darauf, ihn von dem Gegensatz von Objektivität und Subjektivität zu befreien und demgemäß die durch die Topik der geistigen Vermögen, insbesondere durch den Gegensatz von voluntas und ratio strukturierte „vormalige Metaphysik über die Seele“, zu beseitigen (Wissenschaft der Logik, GW : ). Der Wille ist kein bloßes ‚geistiges Vermögen‘, das das Subjekt in einer fremden Welt von selbstständigen Dingen und gegen sie ausübt, er ist ein Selbstrealisierungsprozess, ein Sich-zur-Welt-Machen (GW : ). Die Freiheit des Willens liegt eben in seiner Kapazität, von sich selbst Abstand zu nehmen, d. h. sich in die Objektivität einer Welt einzufügen, die dadurch seine Welt wird; sie besteht mit anderen Worten darin, sich zum objektiven Geist zu machen und sich durch diese Übertragung in der Sprache der Notwendigkeit auszudrücken. Dieser Umstand erklärt die ergänzende Wiederaufnahme in der Einleitung der Grundlinien (GW ,: §§ – ) der Darstellung des „praktischen Geistes“, die in der ersten Auflage der Enzyklopädie (GW : §§ – ) die Lehre des subjektiven Geistes abschließt. Hier sind Status und Inhalt der Begriffe des Willens und des freien Willens insbesondere bestimmt sowie die Unterscheidung zwischen dem Willen und weiteren Begriffen derselben Familie, wie zum Beispiel der Willkür (Grundlinien, GW ,: § ). Die Beschreibung des Objektivierungsprozesses des Willens in der Lehre des subjektiven Geistes ist also (in kantischen Worten) die ‚Deduktion‘ des Begriffs des Rechts (d. h. des objektiven Geistes). Dies ist der Grund, weshalb Hegel am Anfang der Einleitung der Grundlinien erklärt: „Der Begriff des Rechts fällt daher seinem Werden nach außerhalb der Wissenschaft des Rechts, seine Deduktion ist hier vorausgesetzt, und er ist als gegeben aufzunehmen.“ (GW ,: § ) Wie die Darstellung der ‚praktischen Idee‘ in der Wissenschaft der Logik es betont, beinhaltet dieser Objektivierungsprozess des Willens eine ‚intellektuelle‘ Komponente. Frei zu wollen, bedeutet nicht zwischen schon gegebenen Möglichkeiten zu wählen; das ist eben das Tun der Willkür, die sich dadurch auf das schlechte Unendliche der Gründe und Gegengründe einlässt; es besteht vielmehr darin, sich
Im Spätwerk hat Kant Hegel den Weg geebnet, indem er den Gegensatz von (praktischer) Vernunft und Willen beseitigt, und den Abstand zwischen Willen und Willkür vergrößert. In der zweiten Auflage () der Enzyklopädie sind die entsprechenden Paragraphen die Paragraphen –. Bekanntlich sind in der dritten Auflage () die zwei ersten Paragraphen der Lehre des objektiven Geistes (§§ –) in die Abteilung „Der subjective Geist“ verschoben worden, wo sie nunmehr die Unterabteilung „Der freye Geist“ der „Psychologie“ ausmachen.
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von jeder partikulären Bestimmung zu befreien und damit seinen eigenen Begriff auf universelle Weise zu realisieren, das heißt (sich) zu denken: Das Selbstbewußtseyn, das seinen Gegenstand, Inhalt und Zweck bis zu dieser Allgemeinheit reinigt und erhebt, thut dieß als das im Willen sich durchsetzende Denken. Hier ist der Punkt, auf welchem es erhellt, daß der Wille nur als denkende Intelligenz wahrhafter, freyer Wille ist. (GW ,: § ) Aber diese Kapazität des freien Willens, sich zum Sein zu bringen, soll nicht als ein bloßes Attribut der endlichen Subjektivität, des ‚Ichs‘, vorgestellt werden. Sie ist keine starre ‚ontologische‘ Eigenschaft, sondern eine Dynamik der Objektivierung. Daher die folgende merkwürdige Äußerung: Die Freiheit sei „die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie haben, sondern sie sind“ (Enzyklopädie (), GW : § ). Überdies ist diese Freiheit des sich in den Gestaltungen des objektiven Geistes (des ‚Rechts‘) objektivierenden Willens ein dialektischer Prozess mittelbarer Konstitution einer keineswegs gegebenen stabilen Identität. Als Beisichsein im Anderen ist die Freiheit als Befreiungsprozess zu beschreiben; und diese Befreiung, wie es in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes steht, setzt eine Konfrontation mit der „ungeheure[n] Macht des Negativen“ voraus: Der Geist muss dem Negativen, dem was ihn und seine Freiheit direkt negiert, „ins Angesicht schau[en]“, um seine eigene Identität zu gewinnen (GW : ). Übrigens bedeutet der Zugang zur Freiheit nicht, dass das Negative, d. h. der Widerstand der Welt, ‚aufgehoben‘ – im Sinne von eliminiert – sei. Erst indem der Geist (hier unter der Gestalt des Willens) sich im Negativen niederlässt, indem er einsieht, dass die Negativität kein fremdes, feindliches Gegebenes, sondern seine eigene Äußerlichkeit zu sich selbst ist, gelangt er zur Freiheit. Die Sphäre des objektiven Geistes ist der eigentliche Boden dieser Auseinandersetzung mit dem Negativen, woraus die Freiheit als „die absolute Negativität des Begriffs als Identität mit sich“ besteht (Enzyklopädie (), GW : § ). Wenn man sich daran erinnert, dass in der Wissenschaft der Logik die Idee als Einheit des subjektiven Begriffs mit der Objektivität als „Subject-Object“ definiert wird (GW : ; siehe auch Enzyklopädie (), GW : §§ , ), versteht man wohl, dass in der Einleitung der Grundlinien das Recht nicht aus bloßer ‚Hegelei‘ als „die Freyheit, als Idee“ dargestellt wird (GW ,: § ); auch nicht Siehe außerdem die beiden Stellen in der Enzyklopädie, die diesen denkenden Charakter des Willens hervorheben: „Dieser Begriff, die Freyheit, ist wesentlich nur als Denken; der Weg des Willens, sich zum objektiven Geiste zu machen, ist, sich zum denkenden Willen zu erheben, – sich den Inhalt zu geben, den er nur als sich denkender haben kann.“ (GW : § ); „Diese allgemeine Bestimmung hat der Wille als seinen Gegenstand und Zweck, indem er sich denkt, diesen seinen Begriff weiß, Wille als freye Intelligenz ist“. (GW : § ). Bekanntlich hat Hegel diese Wendung aus Schellings Darstellung meines Systems der Philosophie übernommen.
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zufällig wird am Anfang der Einleitung der Gegenstand der „philosophischen Rechtswissenschaft“ als „die Idee des Rechts, den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung“ bestimmt (GW ,: § ). Das Recht (der objektive Geist) ist ideell im technisch-logischen Sinne des Wortes, indem es den Gegensatz der subjektiven und objektiven Dimensionen des Geistes und damit denjenigen der beiden (einzelnen-subjektiven und allgemeinen-objektiven) Seiten des Willens überwindet, deren struktureller Widerspruch aufgehoben werden muss (GW ,: § ). Deshalb ist der freie Wille als „Ausgangspunkt“ (§ ) des Rechts und dessen Institutionen „die wahrhafte Idee“, nämlich Subjekt-Objekt (GW ,: § ): Er ist subjektiv, indem die Willensakte von endlichen Subjekten ausgehen, und objektiv, indem diese Akte in einem unverfügbaren Netz von Glauben, Praktiken und Normen eingerahmt sind. V. Recht, Rechte und Pflichten im Kontext von sittlichen Institutionen Der freie Wille, noch bestimmter der „freye Wille, der für sich als freyer Wille ist“, mit anderen Worten „der vernünftige Wille“, ist der Endpunkt des Entwicklungsprozesses des subjektiven Geistes (Enzyklopädie (), GW : § f.). Um seinem Allgemeinheitsanspruch gewachsen zu sein, muss jedoch dieser vernünftige Wille von seiner subjektiven, partikulären Gestalt – der Gestalt meines Willens – abgesondert werden; er muss also „seinen Begriff, die Freyheit, in der äußerlich objektiven Seite […] realisiren“ (GW : § ). Dies ist im Allgemeinen die Leistung des objektiven Geistes als eines Inbegriffs von Gestaltungen (Normen, Praktiken, Glauben, Lebensformen), wodurch die Freiheit einen objektiven, vom subjektiven Belieben unabhängigen Gehalt erhält, der selbst eine subjektive Zustimmung der Individuen dank ihrer ‚sittlichen Gesinnung‘ voraussetzt. Die Gestaltungen des objektiven Geistes, noch bestimmter diejenigen, die das dichte ‚subjekt-objektive‘ Netz der Sittlichkeit ausmachen, sind die Träger jener übrigens nicht erzwingbaren Zustimmung, insoweit sie eine „Einheit des vernünftigen Willens mit dem einzelnen Willen“ nach sich ziehen (GW : § ). Deswegen bleibt der Verweis auf den (zwar objektivierten) Willen auch in der Sphäre des objektiven Geistes unerlässlich, wobei dieser Willensbegriff tiefgreifend umgearbeitet wird.
Parallele Stelle in den Grundlinien, GW ,: §§ – . Eine solche subjektive Zustimmung zu den objektiven allgemeinen Handlungsnormen ist
notwendig differenziert, weil die sittliche Gesinnung (Grundlinien, GW ,: § ) sich in den verschiedenen Sphären der Sittlichkeit unterschiedlich dekliniert: Liebe in der Familie (GW ,: § ), Rechtschaffenheit und Standesehre in der bürgerlichen Gesellschaft (GW ,: § ), ‚Patriotismus‘ als moderne Form der politischen Gesinnung des Staatsbürgers im Staat (GW ,: § ).
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Was folgt in Bezug auf die Position des Rechts und der Rechte aus dieser Neubestimmung des Willens als eines Aufhebungsprozesses des Gegensatzes von Subjektivität und Objektivität? Ist Hegels Rechtskonzeption (der herrschenden Deutung gemäß) rights-based? Ist sie umgekehrt duty-based? Oder versucht sie, dieser Alternative zu entgehen? Die Einleitung zur Abteilung „Der objective Geist“ der Berliner Enzyklopädie hält Elemente zu einer Beantwortung dieser Fragen bereit. Der selbst aus der Aktivität des „unmittelbaren“, „einzelnen“, „endlichen“ subjektiven Willens entstandene objektive Geist (GW : § ) verknüpft zwei sich überkreuzende, miteinander verwickelte Prozesse: die Vereinigung des individuellen und allgemeinen Willens (mit Rousseaus Worten: des ‚volonté particulière‘ und ‚volonté générale‘) einerseits, die Objektivierung der Freiheit andererseits, wodurch diese, „zur Wirklichkeit einer Welt gestaltet, die Form von Nothwendigkeit“ erhält (GW : § ). Deshalb enthält der objektive Geist in seiner gesamten Entwicklung eine subjektive sowie eine objektive Dimension: Er besteht einerseits aus den unpersönlichen normativen Gestaltungen des ‚objektiven Rechts‘ (‚Gesetzen‘ im erweiterten Sinne), andererseits aus den subjektiven Aneignungsformen jener Normativität (den ‚Sitten‘ als in Praktiken verkörpertem, gemeinsamem Glauben) (GW : § ). Wie Montesquieu, dessen „echt philosophischer Standpunkt“ und „tiefer Blick“ in den Grundlinien mehrmals gelobt wird (GW ,: §§ , ), betont also Hegel die notwendige, obgleich nie völlig stabile Komplementarität von Gesetzen und Sitten, von „les lois“ und „l’esprit général, les mœurs et les manières d’une nation“ (Montesquieu [] , Bd. , ). Die Paragraphen und der Grundlinien ergänzend, liefert der Paragraph der Berliner Enzyklopädie wichtige Informationen über die Position der subjektiven Rechte innerhalb der Gesamtstruktur des objektiven Geistes. Zuerst rechtfertigt er die Ausweitung des Rechtsbegriffs, jenseits vom „beschränkte[n] juristische[n] Recht“, auf alle Bestimmungen des objektiven Geistes, solange sie „Bestimmungen der Freyheit“ sind (GW : § ); in diesem extensiven Verständnis beinhaltet ‚das Recht‘ alles das, was sich auf die objektive, institutionalisierte Normativität irgendwie bezieht. Dann wird betont, dass solche Bestimmungen der Freiheit, auch wenn sie die Individuen mit (subjektiven) Rechten ausstatten, in erster Linie als Pflichten wahrgenommen werden, welche von den sozialisierten Individuen unter die Form von Gewohnheiten und Sitten, also von ‚unfreiwilligen‘ Praktiken und Gesinnungen nach und nach verinnerlicht werden. Dies kann zum Beispiel im Raum des Privatrechts nachgewiesen werden, obwohl dieser Bereich sich auf den ersten Blick für ein rights-based Verständnis eignet. Obgleich in der Lehre vom abstrakten Recht der Begriff des subjektiven Rechts Ich lasse hier die dritte von Dworkin als goal-based beschriebene Rechtskonzeption außer Acht, weil ich es für selbstverständlich halte, dass Hegels Lehre der Rechte mit keiner Form von utilitaristischer Rechtsauffassung etwas gemeinsam hat.
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(right) unleugbar als Leitfaden fungiert, wie es sich anhand des Musterbeispiels des Eigentums feststellen lässt, unterstreicht Hegel sofort die Tatsache, dass die Rechte der Rechtsperson mit einer Grundpflicht korreliert sind, die auf eine sehr ‚kantische‘ Weise als das „Rechtsgebot“ dargestellt wird, und zwar: „[S]ey eine Person und respektire die andern als Personen.“ (GW ,: § ). Es ist also die objektive Norm der Persönlichkeit, die jene in den Abschnitten über Eigentum, Vertrag und Unrecht deklinierten subjektiven Rechte erzeugt und rechtfertigt. Das Hauptergebnis des Paragraphen der Enzyklopädie ist übrigens, dass die abstrakte Gegenüberstellung von rights-based und duty-based Rechtsauffassungen beseitigt werden soll, denn „dasselbe, was ein Recht ist, ist auch eine Pflicht, und was eine Pflicht ist, ist auch ein Recht“ (GW : § ). Nur „im Felde der Erscheinung“ werden Rechte und Pflichten nach dem Schema verteilt, wonach das Recht von A mit der Pflicht von B korreliert ist, und umgekehrt. „Dem Begriffe nach“ aber ist jede Art von subjektivem Recht mit Pflichten des Rechtsinhabers selbst gekoppelt. Wenn ich zum Beispiel Eigentümer einer Sache bin, habe ich ein ausschließendes subjektives Recht ( jus utendi et abutendi) auf sie; dieses Recht ist jedoch mit der Pflicht verknüpft, durch Gebrauch, Pflege usw. meinen beharrenden Willen auszudrücken, Eigentümer der Sache zu sein und zu bleiben (Grundlinien, GW ,: § ). Selbst das Eigentumsrecht auf meinen eigenen Leib, welches trotz der defizienten Argumentation seiner Gegner das „absolute Unrecht“ der Sklaverei ausschließt, muss durch eine Selbstaneignungsarbeit, durch die materielle und geistige Bildung meiner Fähigkeiten untermauert werden (GW ,: § ). Kurz gesagt, „der Schein des Unterschieds der Rechte und Pflichten“ soll überwunden werden; er hängt nämlich mit der „Endlichkeit des objectiven Willens“, und zwar mit der in dieser Sphäre beharrenden Diskrepanz zwischen den normativen Bestimmungen und ihren subjektiven Verinnerlichungsformen, zusammen (Enzyklopädie (), GW : § ). Trotz der globalen Konvertierbarkeit von Rechten und Pflichten sieht die Sache in den drei Sphären des objektiven Geistes anders aus, wie es in der Anmerkung zum Paragraphen der Enzyklopädie vermerkt wird. In der Sphäre des abstrakten Rechts herrscht im Großen und Ganzen (‚im Felde der Erscheinung‘ wenigstens) der Standpunkt der subjektiven Rechte, deren Erwerbungs-, Übertragungs- und Wiederherstellungsformen festgestellt werden sollen. In der Sphäre der Moralität hingegen herrscht der Standpunkt der Pflichten; es geht nun darum, die Kluft zwischen der objektiven Norm der Moralität (dem ‚Guten‘ als Korrelat der Pflichten des Subjekts) und dem subjektiven Streben nach Autonomie (dem „Recht des subjectiven Willens“, Grundlinien, GW ,: § ) zu verringern, während die subjektiven Einstellungen entlarvt werden sollen, die im Namen der Umstände, der Reinheit der Absicht usw. die Normübertretung bewusst oder unbewusst zu rechtfertigen versuchen. Erst in der Sphäre der Sittlichkeit wird die These der Übereinstimmung von Rechten und Pflichten völlig nachgewiesen:
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„Der Mensch hat durch das Sittliche insofern Rechte, als er Pflichten, und Pflichten, insofern er Rechte hat“ (GW ,: § ). Sei es in der Familie, in der bürgerlichen Gesellschaft oder im Staat, das Individuum hat nicht nur mit Verpflichtungen Anderer korrelierte Rechte; seine eigenen Rechte verursachen für es selbst Pflichten; ansonsten sind sie keine echten Rechte. Zum Beispiel: Ohne Elternpflichten sind die Elternrechte gegenüber den Kindern nichtig. Erst in der staatlich-politischen Sphäre kann eigentlich die „absolute Identität der Pflicht und des Rechts“ festgestellt werden, weil die horizontale sowie vertikale Natur des politischen Bands als eines Herrschafts- und Mitbürgerschaftsverhältnisses erfordert, „daß meine Verbindlichkeit gegen das Substantielle zugleich das Daseyn meiner besonderen Freyheit, d.i. in ihm Pflicht und Recht in einer und derselben Beziehung vereinigt sind“ (GW ,: § Anm.). Dieser Umstand schließt nicht aus, dass der Inhalt jener Rechte und Pflichten auf differenzierte Weise dekliniert wird; aber wesentlich ist „die persönliche Freyheit des Menschen“ das „Eine Prinzip der Pflicht und des Rechts“ (GW ,: § Anm.). Aus dem Vorigen ergibt sich, dass Hegels Begriffs des Rechts (im breiten Sinne, d. h. als objektiver Geist) die manchmal als unumgänglich betrachtete Alternative zwischen einer rights-based und einer duty-based Rechtsauffassung beseitigt. Je nach dem betroffenen Bereich kann zwar eine der beiden Perspektiven im Vordergrund stehen (die rights-Perspektive im abstrakten Recht, die duty-Perspektive in der Moralität); aber, wie in der Sittlichkeitslehre deutlich wird, sind die beiden Perspektiven nicht nur komplementär, sondern derart untrennbar, dass sie sich in den zitierten Paragraphen (Grundlinien, GW ,: §§ , ) überschneiden. Es muss hier präzisiert werden, dass die Sittlichkeit keine ‚dritte‘ Sphäre neben dem abstrakten Recht und der Moralität ist. Recht und Moralität sind vielmehr ‚abstrakte‘, d. h. nicht abgesonderte Komponenten der sittlichen Totalität; sie sind in dem Sinne ‚gebundene Variablen‘, die erst insofern wirklich werden, als sie innerhalb der konkreten Einheit der Sittlichkeit gegliedert sind. Allein die Sittlichkeit, als „die selbstbewusste Freyheit zur Natur geworden“ (Enzyklopädie (), GW : § ), entspricht nämlich der Definition des objektiven Geistes als der „Freyheit als vorhandene[r] Nothwendigkeit“ (Enzyklopädie (), GW : § ). Deshalb sind die Rechte der Rechtsperson sowie die Pflichten des moralischen Subjekts dem Gesichtspunkt der Sittlichkeit untergeordnet, der den Vorrang der einen sowie der anderen Perspektive explizit zurückweist. Welche Bestimmung des objektiven Geistes ermöglicht eine solche Überwindung des „Schein[s] des Unterschieds der Rechte und Pflichten“ (Enzyklopädie (), GW : § )? Meines Erachtens ist es seine institutionelle Strukturierung, die in der Darstellung der Sittlichkeit völlig deutlich wird. Solange Individuen im Rahmen von Institutionen handeln, sind sie nämlich imstande, ihre Beanspruchung von subjektiven Rechten und die als Pflichten wahrgenommenen normativen Bedingungen ihres Handelns zu versöhnen. Der institutionelle Charakter der
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sittlichen Gestalten (wie z. B. der Familie, der Ehe, des Markts, der ‚Korporation‘ und selbstverständlich des Staates und seiner Behörden) ermöglicht es, den Individuen als Akteuren jener Institutionen (als Familienmitgliedern, Ehemännern bzw. -frauen, Korporationsangehörigen, Staatsbürgern…) einen Komplex von statutarischen Rechten und Pflichten zu verleihen, wovon man weder in naturrechtlicher noch in rechtspositivistischer Hinsicht Rechenschaft geben kann. Was bedeutet nun genau ‚Institution‘ im Kontext der Rechtsphilosophie Hegels (der allerdings zu diesem Vokabular sparsam greift)? Diesem Begriff sollte meines Erachtens ein sehr breites Bedeutungsspektrum zuerkannt werden, wie es bei den späteren ‚institutionalistischen‘ Juristen vorkommen wird. Eine Institution ist ein normatives System, das die Handlungen von Individuen oder Gruppen dauerhaft koordiniert und welches nach expliziten Regeln organisiert werden kann (aber nicht muss). Sie stammt aus keinem ‚natürlichen‘ Ereignis, sondern aus einer „konstitutiven Regel“ sozialer Herkunft (siehe Searle ; ; ). Eine solche Regel kann wirklich (wenn die Institution eine explizite soziale Definition erhält) oder mythisch sein (wenn ihre Stiftung irgendeiner übermenschlichen Autorität zugeschrieben wird). Zu den Institutionen gehören schließlich nicht nur diejenigen, die der französische Jurist Maurice Hauriou als „institutions-personnes“ bezeichnet (wie z. B. Staat, Universität, Heer, Genossenschaften aller Art), d. h. diejenigen, die dank gewisser Struktureigenschaften über eine Form der Individualität verfügen, sondern auch die „institutions-choses“ (wie z. B. Geld, Eigentum, Vertrag), die den Rechtsinstituten im Sinne von Savigny eher entsprechen (Hauriou [] , ff.). Insofern ich diese Frage mehrmals behandelt habe (siehe z. B. Kervégan , ff.), halte ich es für erwiesen, dass die in diesem breitesten Sinne verstandenen Institutionen die ‚Syntax‘ der Lehre des objektiven Geistes ausmachen. In den Grundlinien ist also ‚das Recht‘ die metonymische Benennung eines Inbegriffs rechtlicher, sozialer und politischer Institutionen, die Rechte sowie Pflichten festlegen und innerhalb derer objektive Regeln und subjektive Verhaltensweisen und Gesinnungen sich verflechten. Der gesamten Theorie des objektiven Geistes, d. h. der ‚Rechtsphilosophie‘ im Sinne Hegels, ist es zuwider, den Standpunkt der subjektiven Rechte sowie den der Pflichten einseitig zu bevorzugen; demgemäß ist diese Rechtsphilosophie keine bloße ‚philosophy of right(s)‘. Siglen AA
Immanuel Kant. Gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin, ff.
GW Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
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Elias Buchetmann DIE ERMORDUNG KOTZEBUES UND HEGELS PHILOSOPHIE DES RECHTS
ABSTRACT:
In this article, I argue that the sensational murder of the famous playwright August von Kotzebue by Karl Sand, a student of theology and fraternity member, left its mark on Hegel’s Philosophy of Right. I demonstrate how Hegel incorporated an elaborate discussion of the incident and its background into his work of and reconstruct Hegel’s judgment of Sand’s action, drawing on lecture transcripts and contemporary sources, in particular a publication by his assistant Carové. Especially the remarks on § are clearly the result of Hegel’s thorough engagement with Kotzebue’s murder and the public response to it, as I show with reference to discussions surrounding Jesuit moral philosophy, the notion of ‘the end justifies the means’, and the writings of Fries and de Wette. Kotzebue’s murder thus had a far greater impact on Hegel’s work than is usually recognised and must be seen as a direct context for the composition of the Philosophy of Right.
Vor ziemlich genau zweihundert Jahren, nämlich im Herbst , wurden Georg Wilhelm Friedrich Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts erstmals veröffentlicht. Eigentlich hätte das Buch schon rund ein Jahr früher in Druck gehen sollen, doch verzögerte sich das Unterfangen bekanntlich. Am . Oktober schreibt Hegel an seinen Freund Friedrich Creuzer: „Ich wollte eben anfangen drucken zu lassen, als die Bundestagsbeschlüsse ankamen. Da wir jetzt [wissen,] woran wir mit unserer Zensurfreiheit sind, werde ich jetzt nächstens in Druck geben“ (B II: ). Tatsächlich arbeitete Hegel noch bis zum . Juni , auf welchen die Vorrede datiert ist, an seinem Buch und gab ihm die Form, in der wir es heute kennen. Hierbei drängt sich natürlich die Frage nach Hegels Veränderungen am Manuskript der Grundlinien auf, welche trotz intensiver Auseinandersetzungen über die Akkommodationsthese ein Rätsel geblieben sind. Insbesondere die Vorrede ist als Versuch Hegels gedeutet worden, den Zensor zu beschwichtigen und möglicherweise von einer allzu genauen Lektüre des gesamten Werkes abzuhalten. Allerdings stellt sich ebenso die Frage nach Hegels Bewertung derjenigen Tat, welche den konkreten Anstoß zum Erlass der Karlsbader Beschlüsse gegeben hatte, Zur Erörterung möglicher Gründe für die verspätete Drucklegung der Grundlinien, auch unabhängig von den Zensurbestimmungen der Karlsbader Beschlüsse, siehe Lucas und Rameil (); vgl. GW ,: Editionsbericht. Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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nämlich die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Burschenschaftler Karl Sand. Dieser Frage möchte ich im Folgenden nachgehen und Aufschluss darüber geben, inwiefern sich dieses Ereignis auch inhaltlich auf Hegels Philosophie des Rechts ausgewirkt hat. Es wird argumentiert, dass die Tat Sands tatsächlich deutliche Spuren in Hegels Werk hinterlassen hat. Insbesondere der Abschnitt der ‚Moralität‘, welchen Hegel mit ‚Das Gute und das Gewissen‘ betitelt, spiegelt Hegels Beschäftigung mit der Ermordung Kotzebues deutlich wider. Die hier vertretene These ist also, dass Hegel in dem Zeitraum zwischen der Ankündigung der neuen Zensurbestimmungen im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse im Herbst und der Fertigstellung des Manuskripts der Grundlinien im Juni unter anderem die jüngsten Geschehnisse um Kotzebue und Sand verarbeitete. Nach einer kurzen Schilderung der Umstände von Kotzebues Ermordung sowie ihrer Auswirkungen gliedert sich der vorliegende Aufsatz in zwei Hauptteile. Einerseits soll aufgezeigt werden, dass Hegel die Ermordung Kotzebues im Teil ‚Moralität‘ der Grundlinien direkt verarbeitet. Vornehmlich anhand einer Analyse der Anmerkungen zu § wird aufgezeigt, wie Hegel eine ausführliche Besprechung des Vorfalls und seiner Hintergründe in die Grundlinien aufnahm. Andererseits wird Hegels Urteil über Sands Tat unter Bezugnahme auf Vorlesungsnachschriften, zeitgenössische Quellen und insbesondere eine Schrift seines Assistenten Carovés rekonstruiert. Insgesamt soll gezeigt werden, dass Kotzebues Ermordung weit größere Auswirkungen auf Hegels Philosophie des Rechts hatte, als für gewöhnlich anerkannt wird. I. Das Jahr 1819 Am . März begab sich der Jenaer Theologiestudent und Burschenschaftler Karl Ludwig Sand nach Mannheim, wo er August von Kotzebue zuhause aufsuchte und kurzerhand erstach. Das Motiv seiner Tat – und damit der Fanatismus des Täters – geht aus Sands Abschiedsbrief an seine Familie deutlich hervor, in dem er Kotzebue als „das wahre Sprechwerkzeug für alles Schlechte in unserer Zeit“ bezeichnet (Carové , ). Sand bringt seine Hoffnung auf eine nationale Erneuerung zum Ausdruck, ausgelöst durch die von ihm vollführte „Volksrache“ an dem „bestochenen Verräther“ des Vaterlandes, dem „Schänder und Verführer unseres Volkes“ (Carové , ). All dies ist ohne Kenntnis des zeitgenössischen Hintergrundes schwerlich nachvollziehbar und der Historiker George Williamson () hat maßgeblich dazu beigetragen, diesen herauszuarbeiten. Obwohl heute nur noch wenig bekannt, höchstens etwa für seine Darstellung kleinstädtischer Spießbürgerlichkeit im sprichwörtlich gewordenen ‚Krähwinkel‘ (Kotzebue ), war August von Kotzebue der erfolgreichste deutschsprachige Schriftsteller seiner Zeit. Seine Stücke wurden häufiger gespielt und waren beim
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Publikum beliebter als diejenigen Schillers und Goethes. Zahlreiche Kritiker jedoch – unter ihnen Größen wie August Wilhelm Schlegel ( u. o. J.) und Friedrich Schelling ( u. ) – beschuldigten Kotzebue der Beförderung der Immoralität. Rückblickend schilderte ein Zeitgenosse, wie Kotzebue zunehmend die Stellung einer wahren Hassfigur einnahm: Schon seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts hatte der Ermordete als Theaterdichter die Achtung aller gut gesinnten Deutschen durch seinen ausharrend bösen Willen, auch das Heiligste auf der Bühne herabzuwürdigen, untergraben. Je mehr der hohe und niedrige Pöbel im Anhören der Kotzebue’schen Stücke sich ergözte, desto mehr grollte jeder redliche Denker über die Verdorbenheit und Seichtigkeit des Schriftstellers und seiner Zuhörer. (Jäck , ) Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit war Kotzebue auch aktiv als politischer Publizist und Berichterstatter für den russischen Hof, was ihn zur Zielscheibe für Anschuldigungen von mangelndem Patriotismus machte und ihm den Ruf eines „Spions und Vaterlands-Verräthers“ einbrachte (Jäck , ). Seine ausdrückliche Kritik an der nationalen Bewegung, den Turnvereinen und Burschenschaften verstärkte seine Ablehnung in diesen Kreisen noch zusätzlich. Bezeichnenderweise fand sich Kotzebues Name unter den Autoren, deren Werke beim Wartburgfest von symbolisch verbrannt wurden. Spätestens der Skandal um Kotzebues in verschiedenen Zeitschriften abgedruckten Bulletins an den russischen Zaren (siehe z. B. Luden ) brachte das Fass für Sand zum Überlaufen. Zu Ende desselben Jahres fasste er den Entschluss, Kotzebue zu töten. Aufgrund seiner großen Bekanntheit eignete sich Kotzebue hervorragend als Symbolfigur für die Gebrechen der Zeit, welche Sand und seine Mitstreiter diagnostizierten. Ebenso versicherte eben jene Berühmtheit, dass die Wirkung von Sands Attentat keinesfalls ausbleiben würde. Tatsächlich löste der Mord an Kotzebue ein gewaltiges Echo aus, welches einerseits in der Durchsetzung von politischen Repressionen im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse und andererseits in einer breit geführten öffentlichen Debatte zu den Hintergründen und Folgen von Sands Tat bestand. Selbst über den deutschsprachigen Raum hinaus musste der Tod des Schriftstellers Aufsehen erregen, waren seine Werke doch in zahlreiche Sprachen übersetzt worden (siehe Döring , ff.). Noch im selben Jahr erschienen reihenweise biografische Darstellungen und mindestens acht Schriften mit ‚Kotzebue’s Ermordung‘ im Titel (Döring , ). Ebenso erschienen mehrere Lebensdarstellungen Sands, auch in englischer und französischer Sprache, sowie zahlreiche Abbildungen mit Bezug auf den Tathergang. Hegel seinerseits wurde spätestens durch einen Brief Hermann Friedrich Wilhelm Hinrichs’ vom . März über Kotzebues Ermordung unterrichtet, der den Tathergang prägnant schildert (B II: ). Wenige Tage später berichteten die Zeitungen: „Kotzebue’s tragisches Ende hört nicht auf, der Ge-
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genstand aller Gespräche zu seyn“ (zitiert in Jäck , , Fn.). Sollte ein derartiges Ereignis, das die gesamte deutschsprachige Welt in Aufruhr versetzte, etwa spurlos an einem so aufmerksamen Zeitgenossen, wie Hegel es war, vorübergegangen sein? Die allgemeine Reaktion auf die Ermordung Kotzebues fiel sehr gemischt aus. Spätestens mit seiner Hinrichtung vierzehn Monate nach der Tat, am . Mai , wurde Sand von Vielen zum Märtyrer erklärt. Häufig wurde der Vergleich mit Brutus bemüht, wie etwa in Alexander Puschkins Gedicht ‚Der Dolch‘ von (oder in Anonymus , ). Laut dem rheinischen Publizisten Joseph Görres war die allgemeine Meinung „schnell über das Ereignis einverstanden: Mißbilligung der Handlung bey Billigung der Motive“ (Görres b, ). Dementsprechend sucht man in zeitgenössischen Kommentaren zum Geschehen meist vergeblich nach aufrichtigem Mitleid für das Opfer des Attentats. Das politische Establishment war hingegen nachhaltig erschüttert. Im August fand auf Einladung des österreichischen Kanzlers Clemens Fürst von Metternich eine Ministerkonferenz zu Karlsbad statt. Ihr Ergebnis war die Durchsetzung repressiver Maßnahmen gegen liberale und nationale Strömungen in der Bevölkerung, mit dem Ziel, die öffentliche Ruhe ebenso wie die monarchische Macht zu sichern. Insbesondere die Vorschriften zu Presse und Zensur beschränkten die freie Entwicklung der öffentlichen Meinung und die Universitäten wurden einer bedeutend strengeren Kontrolle seitens der Regierungen unterworfen. Eine sogenannte Central-Untersuchungs-Commission wurde in Mainz eingerichtet, um „revolutionären Umtriebe[n] und demagogischen Verbindungen“ im gesamten Gebiet des Deutschen Bundes nachzuspüren (Beschluß , Art. ). Es folgte eine schwere Zeit, geprägt von allgegenwärtigem Misstrauen, in der selbst mit Denunzierung gerechnet werden musste. Im bereits zitierten Brief an Creuzer beschreibt Hegel auch seine gemischten Gefühle „in diesen ewig unruhevollen Zeiten des Fürchtens und Hoffens“ (B II: ). Eine Karikatur von mit dem Namen Der Denker-Club erlaubt einen bildlichen Einblick in die zeitgenössische Wahrnehmung der Karlsbader Beschlüsse. Um einen Tisch versammelt zeigt sie etliche offensichtlich wohlsituierte Männer, die Maulkörbe tragen. Über ihnen hängt ein Schild, auf dem die in dieser Sitzung zu besprechende Frage geschrieben steht: „Wie lange möchte uns das Denken wohl noch erlaubt bleiben?“ In der Tat wurde während der sogenannten ‚Demagogenverfolgung‘ eine ganze Reihe von Personen mundtot gemacht, unter ihnen einige aus Hegels direktem Umfeld. Professoren wurden ihrer Ämter enthoben und verloren Lehrstühle, Studenten wurden angeklagt und festgenommen. Hegel selbst setzte sich für die Freilassung beziehungsweise das Fallenlassen der
Siehe hierzu z. B. Williamson (); Zamoyski (). Görres (b) schildert bereits ein inquisitorisches Klima.
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Anklage gegen mehrere seiner Schüler ein, jedoch mit durchwachsenem Erfolg. Vor diesem Hintergrund war der Stoff von Hegels Rechtsphilosophie in der Tat „delikat für den Verfasser“, wie es seine Schwiegermutter Susanne von Tucher im November ausdrückte (HBZ: ). Im Januar desselben Jahres hatte ein Korrespondent aus Flensburg, damals Teil des dänischen Königreichs, Hegel sogar angeboten, einen geeigneten Verlag ausfindig zu machen, um so die preußische Zensur zu umgehen (B II: ). Hegel entschied sich jedoch dagegen und sein Werk erschien noch im Herbst in der Nicolaischen Buchhandlung zu Berlin. II. Die Autorität des Gewissens Obwohl Hegel in der Philosophie des Rechts die Ambivalenzen der öffentlichen Meinung hervorhebt und sich kritisch gegenüber uneingeschränkter Pressefreiheit zeigt (§§ – ), war er zweifelsohne ein Gegner der Zensur im Bereich der Wissenschaften, welche „sich überhaupt nicht auf dem Boden des Meynens und subjectiver Ansichten befinden“ und daher „nicht unter die Categorie dessen [fallen], was die öffentliche Meynung ausmacht“ (GW ,: § Anm.). Dementsprechend empfand er es offensichtlich als unangemessen, dass sein Werk überhaupt vom Zensor begutachtet wurde. Obwohl er solch akademische Freiheit forderte, musste sich Hegel als Beamter jedoch in gewissem Maße an die geltenden Regeln halten. In der Vergangenheit erregten diese Umstände einigen Zweifel daran, inwiefern die gedruckten Grundlinien Hegels tatsächliche Ansichten wiedergeben und inwiefern er sich bemühte, die Behörden zu beschwichtigen, indem er seine ursprünglichen Positionen anpasste. Die Vorstellung, dass das Buch bloß ein Ergebnis der Zensur sei (Ilting ), wurde jedoch schnell verworfen (z. B. Horstmann ). Die Tatsache, dass Hegel in den Vorlesungen unverblümter sprach, mag schlichtweg akademischen Konventionen geschuldet sein (siehe Jaeschke , ). Während bestimmte Aspekte in den Vorlesungen expliziter formuliert und näher erklärt werden, bleiben Hegels Grundpositionen weitgehend gleich und sein oben zitierter Kommentar zu den Bundestagsbeschlüssen im Brief an Creuzer unterstützt die These einer Anpassung an das neue Zensurregime kaum. Dagegen gilt die seit jeher umstrittene Vorrede zu den Grundlinien als Versuch Hegels, die Zensoren davon abzuhalten, den weiteren Inhalt seines Buches einer allzu gründlichen Kontrolle zu unterziehen (z. B. Wood , ). Mit Bezug auf dessen Rede beim Wartburgfest attackiert Hegel ausdrücklich seinen langjährigen Siehe z. B. Hegels Brief an das preußische Polizeiministerium vom . Juli , in dem er für Gustav Asverus eintritt (B II: ). Auch Friedrich Förster, Friedrich Wilhelm Carové und Leopold von Henning waren von Kriminalverfahren betroffen.
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beruflichen Erzfeind Jakob Friedrich Fries (), einen Unterstützer der Burschenschaften und zuletzt Professor in Jena. Er verhält sich kaum rücksichtsvoller gegenüber seinem Kollegen Wilhelm de Wette, einem Theologen und Freund von Fries, der fristlos von der Berliner Universität suspendiert worden war. Hegels Erwähnung der „verbrecherischsten Grundsätze“, welche „als Ueberzeugungen mit jenen Gesetzen in gleiche Würde gestellt sind“ (GW ,: ), ist nicht bloß „ein leicht verhüllter Verweis“ auf de Wettes Kondolenzbrief an Sands Mutter (Pinkard , ). Vielmehr ist die Wendung „verbrecherische Grundsätze“ eine direkte Wiedergabe des Urteils des preußischen Königs über de Wettes Brief, wie es zum Beispiel das Weimarer Oppositions-Blatt abdruckte (Rüder , ; vgl. de Wette , f., ). Vor dem Hintergrund der Entlassungen von Fries und de Wette schreibt Hegel Folgendes: „Es ist darum als ein Glück für die Wissenschaft zu achten […] daß es somit zum öffentlichen Bruche gekommen ist“ (GW ,: ). Etliche Rezensenten der Grundlinien verurteilten diesen Angriff als geschmacklos. Abgesehen von der Vorrede greift Hegel die Ermordung Kotzebues und deren Folgen auch an anderer Stelle der Philosophie des Rechts auf. Ein direkter Bezug findet sich in § , in dem sich Hegel mit der „Entäußerung oder Aufopferung“ des Lebens befasst. Hegel stellt fest, dass der Mensch dazu grundsätzlich kein Recht habe – „nur eine sittliche Idee […] hat ein Recht darauf“ (GW ,: § ). Weder das eine noch das andere hatte Hegel in den Vorlesungen der Jahre – konstatiert, sondern ‚Aufopferung‘ bloß im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit eines Staates – und vornehmlich als die Aufgabe eines gesonderten ‚Standes der Tapferkeit‘, also professioneller Soldaten – behandelt, entsprechend den §§ – der Grundlinien. Im Text von heißt es dagegen ausdrücklich, dass der Tod entweder „von außen, als eine Natursache, oder im Dienste der Idee, von fremder Hand empfangen werden muß“ (GW ,: § ). Durch Sands Bekennerschreiben sowie seine am Tatort und im anschließenden Verhör gemachten Äußerungen war eindeutig, dass er durch einen starken Sinn von Aufopferung „für die deutsche Sache“, für Freiheit und Vaterland, angetrieben wurde und dies sprach sich schnell herum (Carové , ; vgl. Jarcke , , ff.). Sein Abschiedsschreiben dokumentiert ausdrücklich seinen Wunsch, „den Tod einzusetzen für das gemeinsame Wohl und unser Aller Streben“ (Carové , ). Der junge Theologe sah seine Tat zweifelsohne als sein vorherbestimmtes Schicksal an. Außerdem war Fries für die Forderung ebensolcher ‚Vaterlandsliebe‘ bis zur ‚Aufopferung‘ für den guten Zweck bekannt, wie unten noch weiter besprochen wird. In Hegels Durchschussexemplar der Grundlinien jedenfalls wird Sand im Kontext des § ausdrücklich als „ein elender Kerl“ erwähnt (GW ,: ). Siehe Hugo (, ); Anonymus (, f.); Riedel (, (Paulus), (Herbart), f. (Zachariae)).
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Insofern Sands Tat als der Ausdruck einer „politisch religiösen Schwärmerei“ galt (Hundt-Radowsky , ; vgl. Jäck , ), ist sie auch in Hegels Erwähnungen von Fanatismus in den Grundlinien impliziert. In § Anm. stellt er zum Beispiel fest, dass „im Politischen wie im Religiösen der Fanatismus der Zertrümmerung aller bestehenden gesellschaftlichen Ordnung, und die Hinwegräumung der einer Ordnung verdächtigen Individuen“ auftritt. „[E]r meynt wohl etwa irgend einen positiven Zustand zu wollen, z. B. den Zustand allgemeiner Gleichheit oder allgemeinen religiösen Lebens“ (GW ,: § Anm.). Wenngleich hier vor allem Erinnerungen an die Französische Revolution mitschwingen, so mussten Hegels Zeitgenossen wohl auch an die Tat Sands denken. In seiner Religionsphilosophie bezeichnet Hegel die „Sandsche Religosität“ übrigens als „vollkommen selbstsüchtige Frömmigkeit“ (GW : ). Sands Übertretung der öffentlichen Gesetze durch seinen Mord und die dadurch bezeugte Anmaßung gegenüber jeglicher Autorität war besonders problematisch für Hegel. Insofern erstaunt es nicht, wenn er im Kontext seiner Kritik an Carl Ludwig von Haller generell Folgendes feststellt: Der Haß des Gesetzes, gesetzlich bestimmten Rechts ist das Schiboleth, an dem sich der Fanatismus, der Schwachsinn, und die Heucheley der guten Absichten offenbaren. (GW ,: § Fn.) Bekanntlich hatte Hegel bereits in der Vorrede sowohl „die Zerstörung der öffentlichen Ordnung und der Staatsgesetze“ als auch den „Haß gegen das Gesetz“ ins Spiel gebracht (GW ,: , ). Auch in § Anm., wo Hegel das Verhältnis von Staat und Religion behandelt, nimmt der Gegensatz von subjektivem Glauben gegenüber objektiven Gesetzen eine bedeutende Rolle ein und Kotzebues Ermordung könnte Hegel dazu veranlasst haben, diese Anmerkungen besonders ausführlich zu gestalten. Bereits in den Vorlesungen des Wintersemesters / konstatiert Hegel, dass das individuelle Gewissen an einem objektiven Maßstab ausgerichtet sein muss und streift kurz die Heuchelei sowie das absolute Böse (GW ,: ). Interessanterweise verwendet Hegel / laut der (sehr spärlichen) Vorlesungsnachschrift noch den Begriff „Recht des Gewissens“ (GW ,: ) für das später sogenannte „Recht des subjectiven Willens“ (GW ,: §§ , ). Vor dem Hintergrund von Sands Tat hätte die Beibehaltung dieses Ausdrucks allerdings zahlreiche Missverständnisse hervorbringen müssen. Insbesondere hat der ganze Abschnitt zu ‚Das Gute und das Gewissen‘, gegenüber den Vorlesungen aus den Jahren vor der Ermordung Kotzebues, eine grundlegende Umgestaltung und Ausweitung erfahren. Umfasste der entspre Während Hegel in den Vorlesungen beide Begriffe variiert, vermeidet er in den gedruckten Grundlinien jedenfalls die Wendung ‚Recht des Gewissens‘.
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chende Abschnitt / bloß vier und / gerade einmal fünf kurze Paragrafen, so nimmt er in der anonymen Nachschrift des Jahres / über fünfzig Seiten ein. In der Druckfassung der Philosophie des Rechts sind die Paragrafen bis dem Thema gewidmet. Während Hegel seine grundsätzlichen Gedanken nicht revidierte, sondern inhaltliche Kontinuitäten bestehen, so nahm der hellsichtige Zeitgenosse den Vorfall zu Mannheim offensichtlich zum Anlass, seine Ansichten weiter auszuführen. In den äußerst polemischen Anmerkungen zu § führt Hegel die in der Vorrede angerissene Diskussion von subjektivistischer Moralität und ihrer verderblichen Konsequenzen aus. Durch sie wurde § zu einem der längsten Paragrafen des Buches überhaupt. Einzigartig ist auch seine gesonderte Erwähnung im Inhaltsverzeichnis des Buches, das normalerweise nur ganze Abschnitte anzeigt. Man könnte beinahe mutmaßen, Hegel habe so die Aufmerksamkeit des Zensors darauf lenken wollen, entsprechend ähnlicher Überlegungen zur Vorrede, oder zumindest seine Leserschaft auf diese besonders aktuelle Stelle seines Buches hinweisen. Wie dem auch sei, beschäftigen sich die genannten Anmerkungen mit Themen, die einen direkten Bezug zur Tat Sands haben. Ihr Titel lautet, „Moralische Formen des Bösen. Heucheley, Probabilismus, gute Absicht, Ueberzeugung, Ironie“ (GW ,: ). Insbesondere im Anschluss an die Phänomenologie des Geistes von gibt der zweite Teil der Grundlinien zur ‚Moralität‘ natürlich Positionen wieder, die Hegel schon seit geraumer Zeit vertrat. Dennoch ist das volle Ausmaß, in dem § Anm. Hegels Auseinandersetzung mit Kotzebues Ermordung und deren öffentlichen Echos darstellt, in der Forschung bisher ungenügend gewürdigt worden. Während gewisse Einzelheiten des Zusammenhangs von § Anm. der Philosophie des Rechts mit der Ermordung Kotzebues bisher unbemerkt blieben, so entging ihre Brisanz den Zeitgenossen Hegels mitnichten. Zwei seiner Korrespondenten erwähnen die Stelle ausdrücklich in ihren Reaktionen auf die Veröffentlichung der Grundlinien. Hinrichs, der Hegel drei Tage nach Kotzebues Ermordung von dem Vorfall berichtet hatte, schreibt in einem Brief vom . Oktober : Vorzüglich hat mich die Anmerkung zu § interessiert, aus welcher mir Ihr Stand in Berlin in Beziehung auf das dortige Wesen recht deutlich geworden, so wie ich erst aus dieser Anmerkung wahrhaftig begriffen habe, was Ironie ist. (B II: ) Hinrichs’ Verweis auf Hegels „Stand in Berlin in Beziehung auf das dortige Wesen“ – er selbst weilte im badischen Heidelberg – kann durchaus als Bezugnahme auf den Fall de Wettes und die Situation unter der preußischen Demagogenverfolgung Den Seiten – des Originals entsprechen in der kritischen Edition GW ,: – . Friedrich Roth verweist in seinem Brief vom . Dezember auf „Seite “ (B II: ).
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gedeutet werden. Auch ein Rezensent der Grundlinien ließ es sich nicht nehmen, explizit auf § Anm. zu verweisen, wie in Kürze besprochen wird. Vorerst soll nun aber der Inhalt dieser bedeutenden Anmerkungen untersucht werden, in denen Hegel verschiedene Formen der Subjektivität identifiziert, angefangen bei der Heuchelei. Zu Beginn spricht Hegel von der Verkehrung des Bösen in Gutes als „letzte abstruseste Form des Bösen“ und „die höchste Spitze der Subjectivität im moralischen Standpunkte“, wobei sich „das Bewußtseyn […] als absolut weiß“ (GW ,: § Anm.). Nach Hegel ist diese Subjektivität „gäng und gebe geworden“, besonders „in unserer Zeit und zwar durch die Philosophie, d. h. eine Seichtigkeit des Gedankens“ (GW ,: § Anm.). Bekanntlich warf Hegel letzteres mit Vorliebe seinem Erzrivalen Fries vor und nannte ihn gar den „Heerführer dieser Seichtigkeit, die sich Philosophiren nennt“ (GW ,: ). Laut Hegel lehrt letztere, „daß das Nichterkennen, das Gemüth und die Begeisterung die wahrhaften Principien des sittlichen Handelns seyen“ (GW ,: § Fn. ). Kotzebues Ermordung hatte soeben eindrücklich demonstriert, wie gefährlich derlei Grundsätze wirklich waren. Insofern müssen wir annehmen, dass Hegel hierin ein wirkliches, schwerwiegendes Problem sah und die Lehren von Fries und de Wette aus Überzeugung bekämpfte und nicht aus Opportunismus oder dem Willen, die preußischen Behörden zu beschwichtigen. Ebenso verwirft Hegel den Probabilismus, den er ausdrücklich als „Gestalt der Heucheley“ bezeichnet, da durch ihn letztendlich „Belieben und Willkühr über gut und böse zum Entscheidenden gemacht wird, und die Sittlichkeit, wie die Religiosität, untergraben ist“ (GW ,: § Anm.). Dieser Effekt wird noch verstärkt in der Vorstellung vom „Wollen des Abstract-Guten“ als genügend für die moralische Güte einer Handlung, welche nicht bloß theologische Autoritäten, sondern „jedes Subject unmittelbar“ zu Entscheidungen über „die Subsumtion eines bestimmten Inhalts unter die allgemeine Bestimmung des Guten“ befugt (GW ,: § Anm.). Diese Lehre der guten Absicht stellt ein offensichtliches Dilemma für die Möglichkeit einer objektiven Moralität dar. Schließlich ermöglicht sie, jede beliebige Handlung als positiv darzustellen und dadurch zu rechtfertigen. An anderer Stelle erklärt Hegel solches Vorgehen für „den unsterblichen Betrug der Methode des Verstandes und seines Räsonnirens“ (GW ,: § Anm.). Einschlägig im Zusammenhang mit der Ermordung Kotzebues ist der folgende Verweis: Mord, aus Haß und Rache, d. i. um das Selbstgefühl seines Rechts, des Rechts überhaupt, und das Gefühl der Schlechtigkeit des andern, seines Unrechtes gegen mich oder gegen Andere, gegen die Welt oder das Volk überhaupt, durch die Vertilgung dieses schlechten Menschen, der das Schlechte selbst in sich hat, womit zum Zwecke der Ausrottung des Schlechten wenigstens ein Beytrag
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geliefert wird, zu befriedigen, sind auf diese Weise, um der positiven Seite ihres Inhalts willen, zur guten Absicht und damit zur guten Handlung gemacht. (GW ,: § Anm.) Für Hegels Zeitgenossen war der Bezug auf Sands Tat an dieser Stelle wohl unübersehbar. Was den weiteren Inhalt der Anmerkungen zum § betrifft, verlangt Hegels Besprechung des „berüchtigte[n] Satz[es]: der Zweck heiligt die Mittel“ besondere Beachtung (GW ,: § Anm.). „Ueber diesen Satz“, so bemerkt Hegel in den Vorlesungen des Jahres /, „ist viel Streit gewesen und noch jetzt“ (GW ,: ). Wie Williamson berichtet, spielte eben jener Satz „eine kritische Rolle im Hauptbericht der Mainzer Zentraluntersuchungskommission, der zuerst abgefasst […] und schließlich der Bundesversammlung übergeben wurde“ (Williamson , ). Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen nach Kotzebues Ermordung wurde er kurzerhand als ‚Grundsatz‘ bezeichnet und stellte einen besonderen Fokus der Ermittlungen dar. Er wurde insbesondere der Gruppe der ‚Unbedingten‘ um den radikalen Jenaer Hochschullehrer Karl Follen zugeschrieben, zu der auch Sand gehört hatte. Während Follens eigentlicher Standpunkt Friesens Gesinnungsethik (siehe hierzu neben der Ethik auch Wissen, Glaube und Ahndung sowie Hubmann ) wohl näher kam, ähnelte die Auslegung der letzteren durch seine Studenten dem ‚berüchtigten Satze‘ stark. Zu guter Letzt verteidigte Sand ihn auch noch während seines Verhörs (Williamson , ). Hegels Besprechung des ‚berüchtigten Satzes‘ ist in den Vorlesungsnachschriften – definitiv nicht bezeugt, er hat sie also erst aus gegebenem Anlass im Jahre / in seine Rechtsphilosophie aufgenommen. Der Gedanke vom Zweck, der die Mittel heilige, hat Hegel zufolge fatale Wirkung: Die subjective Meynung wird endlich ausdrücklich als die Regel des Rechts und der Pflicht ausgesprochen, indem e) die Ueberzeugung, welche etwas für recht hält, es seyn soll, wodurch die sittliche Natur einer Handlung bestimmt werde. (GW ,: § Anm.) Hier bezieht sich Hegel explizit auf Fries, indem er hinzufügt: Solche Lehre hängt unmittelbar mit der öfters erwähnten sich so nennenden Philosophie zusammen, welche die Erkennbarkeit des Wahren […] läugnet. (GW ,: § Anm.) Er verweist sogar auf die „Wirklichkeit“, in der sich erst zeige, „was an jenen Ansichten ist“ (GW ,: § Anm.). In der Tat macht Hegel Fries für die Verbreitung einer subjektivistischen Moralität, nach der es „keine Heucheley und überhaupt kein Böses mehr gebe“ (GW ,: § Anm.), die also keine Grundsätze anerkennt, und damit jener Untergrabung der allgemeinen Sittlichkeit
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verantwortlich, die in Sands Mord an Kotzebue ihren Höhepunkt fand. Unter anderem verwendet Hegel zur Untermauerung seiner Kritik an der Überzeugungslehre auch ein Zitat Jacobis von , welches sich ursprünglich auf den Glaubensübertritt des Grafen Stolberg bezog, allerdings ebenso treffend auf Sand anzuwenden wäre. Es drückt keinerlei Zweifel an der der Handlung zugrundeliegenden Überzeugung aus, weist allerdings scharf jeglichen damit verbundenen Rechtfertigungsanspruch zurück. Hegels Kritik an Fries schließt Tadel an dessen Anhänger de Wette mit ein. In der Tat kann kein Zweifel an Hegels Kenntnis des genauen Wortlauts von de Wettes Trostbrief an Sands Mutter bestehen. Vielmehr kritisiert Hegel ihn im Detail. Der folgende Auszug aus jenem berüchtigten Brief, der infolge des durch ihn ausgelösten Skandals weithin bekannt wurde, mag genügen, um dies zu verdeutlichen. Bloß acht Tage nach Kotzebues Ermordung schrieb de Wette Folgendes: Aber ist von Beurtheilung irgend einer geschehenen Handlung die Rede, so darf man nie das allgemeine Gesetz als Maßstab gebrauchen, sondern die Ueberzeugung und die Beweggründe des Handelnden. […] Der Irrthum wird entschuldigt und gewissermaßen aufgehoben durch die Festigkeit und Lauterkeit der Ueberzeugung, und die Leidenschaft wird geheiligt durch die gute Quelle, aus der sie fließt: daß beides der Fall bei Ihrem frommen und tugendhaften Sohne gewesen, bin ich fest überzeugt. Er war seiner Sache gewiß, er hielt es für Recht, das zu thun, was er gethan, und so hat er Recht gethan. (de Wette , f.) Hegel wiederholt dagegen seinen Vorwurf aus der Vorrede, das Gesetz werde durch den Verlass auf die eigene Überzeugung „zu einem nur äußern Buchstaben, in der That einem leeren Wort heruntergesetzt“ und „die Autorität von Jahrtausenden“ verworfen (GW ,: § Anm.). Er paraphrasiert de Wette, wenn er Folgendes schreibt: Insofern von einem Beurtheilen und Richten der Handlung die Rede wird, ist es vermöge dieses Prinzips nur nach der Absicht und Ueberzeugung des Handelnden, nach seinem Glauben, daß er gerichtet werden solle. (GW ,: § Anm.) Hegel widerspricht diesem von Fries ebenso wie de Wette vertretenen Prinzip vehement, indem er schreibt: „Der Staat kann […] das Gewissen in seiner eigen Schon in seinem Schreiben an den Senat der Berliner Universität vom . Oktober verweist de Wette selbst auf „meinen Brief an die Mutter des Sand, dessen Abschrift bey den Acten der Universität liegt, und meine dem Protokoll beygegebene Erklärung darüber“ (de Wette , ). Außerdem befand sich in Hegels Bibliothek ein Exemplar von de Wettes Anfang veröffentlichter Aktensammlung über seine Entlassung (K ).
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thümlichen Form, d. i. als subjectives Wissen nicht anerkennen“ (GW ,: § Anm.). Ebenso deutlich ist Hegels Bezug auf den Brief de Wettes, wenn er Berufungen auf die Menschlichkeit des Irrens als das Kleinreden von Verbrechen verwirft. Außerdem betont er die Paradoxität, dass die Überzeugung das eine mal „für das Höchste und Heilige erklärt [wird]; und das andremal ist es weiter nichts, um das es sich handelt, als ein Irren, mein Ueberzeugtseyn ein geringfügiges und zufälliges“ (GW ,: § Anm.). Schließlich folgt aus dem Beharren auf subjektiver Überzeugung, dass der Person, die von anderen als kriminell betrachtet wird, recht geschieht, wenn jene danach handeln. Dass de Wette in seinem Trostbrief an Sands Mutter übrigens auch explizit schreibt „der gute Zweck heiligt nicht das ungerechte Mittel“, lässt Hegel völlig außer Acht (de Wette , ). Auch die in § Anm. enthaltene Diskussion jesuitischer Moralphilosophie nahm Hegel erst im Zuge der Verarbeitung von Kotzebues Ermordung in seine Rechtsphilosophie auf. (Selbst in den Vorlesungen von / war sie laut den Nachschriften noch nicht enthalten, obwohl Hegel Kasuistik erwähnt.) Sie kommt nicht von ungefähr, war das Motto ‚der Zweck heiligt die Mittel‘ doch stark mit ihr assoziiert (Williamson , f.). Mit Bezug auf Pascal und Aristoteles verwirft Hegel nachdrücklich den Standpunkt, vormals prominent vertreten von jesuitischen Theologen, wonach Unwissenheit von Schuld befreie und eine Tat bloß nach dem guten oder schlechten Gewissen des Täters zu richten sei. Hegel selbst erklärt in den Vorlesungen / in Hinsicht auf ihre Kasuistik über die Jesuiten: „Man hat ihnen im Practischen und Theoretischen das völlige Verderben der Moralität Schuldgegeben“ (GW ,: ). Im Besonderen hatte der ehemalige Zisterzienser und Bamberger Bibliothekar Heinrich Joachim Jäck unter dem Pseudonym Gottlieb Wahrmund sogenannte Betrachtungen über die römisch-katholische Kirche mit ihren Jesuiten, in besonderer Beziehung auf Kotzebue’s Ermordung durch Sand veröffentlicht. Zumindest den Autor dürfte Hegel gekannt haben, da jener die Redaktion der Bamberger Zeitung im Jahre , also fast unmittelbar vor Hegels Übernahme im Juli , „aushülfsweise“ für einige Monate übernommen hatte (Jäck , ). Jäck betont, dass Sand Theologe war und stellt, wie der Titel seiner Schrift andeutet, eine direkte Verbindung zwischen den Lehren der Jesuiten und Kotzebues Ermordung her. Im letzten Teil der Anmerkungen zu § finden sich Hegels vielbeachtete Äußerungen zur Ironie als der höchsten Form der Subjektivität, welche unten weiter besprochen werden. Hierbei ist die handelnde Person in der Lage, „das Sittlich-objective wohl zu wissen“ und dennoch nach ihrem eigenen Belieben zu handeln (GW ,: § Anm.). Hegel verurteilt „diese absolute Selbstgefälligkeit“ (GW ,: § Anm.). Er kritisiert den Ironiebegriff Friedrich Schlegels vehement und verweist auch auf seine einschlägige Besprechung der ‚schönen Seele‘ in der Phänomenologie des Geistes. An dieser Stelle bietet es sich an, überhaupt
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noch einmal mit Hegel auf seine Besprechung des Gewissens in diesem früheren Werk zu verweisen. Obwohl das hier nicht im Fokus steht, kann Hegels ethische Position in der Rechtsphilosophie durchaus als eine Weiterentwicklung der Phänomenologie verstanden werden. Hatte er dort schon das Problem der moralischen Autorität des Gewissens diagnostiziert, so bot er nun in der Sittlichkeit eine Lösung an. Vielleicht spornte ihn nicht zuletzt die Ermordung Kotzebues dazu an. III. Die Frage der Schuld Nach dieser Darstellung des Eingangs von Kotzebues Ermordung in die Grundlinien soll nun Hegels Beurteilung von Sands Tat herausgearbeitet werden, und zwar insbesondere unter Bezugnahme auf die von Zeitgenossen thematisierte Frage der Schuldzuweisung. Für de Wette selbst war Hegels Angriff auf ihn und Fries unverkennbar. In einem Brief an Friedrich Schleiermacher vom . Dezember schreibt er: Von Hegel liest und hört man schreckliche Dinge. Lies doch die Vorrede zu seiner Staatslehre, worin er gegen mich und Fries spricht. Die Verleumdung kann nicht boshafter auftreten, als es hier geschieht. Und welche Niederträchtigkeit, den Rechtfertiger des K.schen Systems und der Schändung des deutschen Gelehrtenstandes zu machen. Was Fries betrifft, so tut es mir leid, daß auch Du und andre Gutgesinnte ihm Unrecht tun. (HBZ: ) De Wettes Empörung über Hegels Verhalten ist freilich nachvollziehbar, doch lohnt es sich zu hinterfragen, ob seine Vorwürfe zutreffen. Als ‚Rechtfertiger des Karlsbadischen Systems‘ kann Hegel jedenfalls kaum gelten und ebenso wenig als ein Verteidiger Kotzebues. Schon im Jahre hatte er sich bei Schelling über Kotzebues Satire auf Goethe und die Schlegelbrüder mit dem Namen Expectorationen als „eine Skarteke“, gar „eine Diarrhöe“ echauffiert (B I: ). Natürlich war die Verwerfung von Sands Tat keineswegs zwingend mit Bewunderung für Kotzebue verbunden, wie zahlreiche durchaus ambivalente Zeitzeugnisse belegen. Noch Anfang Mai hatte Hegel gemeinsam mit Schleiermacher und de Wette an einem Ausflug der Burschen teilgenommen. Bezeichnenderweise sprach bei dieser Gelegenheit der frühere Anhänger Friesens und Freund Hegels Friedrich Förster „einiges über Kotzebues Tod und endete so: ‚Nicht Sands Lebehoch wollen wir trinken, sondern daß das Böse falle, auch ohne Dolchstoß!‘“ (HBZ: ). Die Reaktion der Anwesenden stellt der Schreiber dieser Zeilen, der Berliner Student Lindenberg, in Briefen an seinen Vater und den Burschenschaftler Maßmann jeweils unterschiedlich dar. An Letzteren schreibt er, dass das Echo vorerst verhalten Siehe hierzu auch Pöggeler ([] ).
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blieb, bald aber ausgelassen gefeiert wurde. Seinem Vater hingegen schildert er Folgendes: Aber der Wein fing schon an laut zu werden; wir alle riefen: „Hoch lebe unser innig geliebter Freund und Bruder, der deutsche Bursche Sand!“ Dann tranken wir […] Auch die Professoren jubelten wie Jünglinge. (HBZ: ) Wie Hegel sich in dieser Situation verhielt, ist nicht bekannt, jedoch kann man ihn sich kaum in der zweiten Fassung des Vorfalls vorstellen. Vielmehr gibt die Einstellung Försters wohl auch Aufschluss über diejenige Hegels. Spätestens de Wettes Trostbrief an Sands Mutter konnte er nicht mehr gutheißen. Gegen Ende des Jahres kam es scheinbar sogar zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen Hegel und Schleiermacher aufgrund des von Hegel geäußerten Verständnisses für die Entlassung de Wettes (B II: ). Während er de Wettes Schicksal guthieß, unterstützte Hegel ihn jedoch persönlich, indem er sich an dem Unterstützungsfonds einiger Berliner Professoren beteiligte (HBZ: ). In den Vorlesungen des Wintersemesters / gestand er dem Staat zwar „das Recht“ zu, bei Verwicklungen von Beamten „über die Beybehaltung des Amtes zu entscheiden“, jedoch nicht ohne hinzuzufügen, dass der Staat im Falle einer Entlassung „dem Individuo immer eine Art von Ersatz schuldig“ sei (GW ,: ; vgl. hierzu GW ,: ). De Wette war in seiner Empörung über Hegels Äußerungen nicht alleine. Der Rechtsgelehrte Gustav Hugo nahm in seiner höchst kritischen Rezension der Philosophie des Rechts vom . April ebenfalls Anstoß an Hegels Darstellung: Von dem Mißbrauche des Satzes, Wer Recht zu thun glaubt, thut (im Gewissen) Recht, wird so sehr gewarnt, als es nach neuern Erfahrungen nöthig ist, und zwar um so mehr, als der Verf. seinen philosophischen Gegnern die Schuld davon beymißt. (Hugo , ) Ironisch fügt er hinzu, dass man Hegel seine eigenen Anschuldigungen der Missachtung der „Autorität von Jahrtausenden“ natürlich nicht vorhalten könne, „denn wo er z. b. das Römische Recht tadelt, da ist ja bey weitem nicht bloße subjective Ueberzeugung mit diesem im Kampfe“ (Hugo , ). (Zu Recht sah Hugo Hegels Werk als Angriff auf seine eigene Disziplin und sich selbst.) Mit den „neuern Erfahrungen“ ist unmissverständlich Kotzebues Ermordung gemeint und für Hugo besteht kein Zweifel, dass Hegel Fries und Konsorten für Sands Attentat verantwortlich hält. Immerhin wurde diese Meinung von einigen führenden Staatsmännern vertreten, denn von offizieller Seite aus galten die Burschenschaften und daher wiederum die Universitäten und vor allem die Anhängerschaften bestimmter Professoren als Keimzellen ‚revolutionärer Umtriebe‘. Bezeichnenderweise schrieb zum Beispiel Metternichs Berater Friedrich Gentz im April das Folgende:
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„Die eigentlichen Täter bleiben Fries, Luden, Oken, Kieser u. a., von denen die Universitäten um jeden Preis gereinigt werden müssen“ (B II: ). Die genannten waren sämtlich national gesinnte Professoren in Jena, wo auch Sand studiert hatte. Schon bald wurde solche Anklage auch öffentlich erhoben, allerdings ohne Namensnennung. Zum Beispiel bezichtigte Ludolph von Beckedorff in seinem Appell An die deutsche Jugend gewisse Universitätslehrer der Verführung der Jugend und forderte, den „Einfluß der Lehrer, ihre Denkart, Richtung, Absicht“ zu prüfen (Beckedorff , ). Diese Einstellung erklärt die Einführung der Karlsbader Beschlüsse. Dahinter verbarg sich wohl wahre Sorge um die Zukunft und nicht bloß reaktionärer Opportunismus. Gegner widersprachen aber derartiger Generalverdächtigung ‚liberaler Schriftsteller‘ (Hundt-Radowsky ) und zogen die offiziellen Verschwörungstheorien schon ins Lächerliche, noch bevor sie ihr volles Ausmaß erreichten (Görres b). Hegel jedenfalls wehrte sich in seiner öffentlichen ‚Erklärung‘ zu Hugos Rezension, die im Mai in der Allgemeinen Literatur-Zeitung erschien, ausdrücklich gegen den Vorwurf, er gebe „seinen philosophischen Gegnern die Schuld“ (Hegel , ). Bissig fügt er außerdem Folgendes hinzu: [D]ieß in die Parenthese geschobene Gewissen wird der Leser ohnedieß als ein Hn. Hugo zugehöriges Verdienst um den Satz erkennen; – welche Bewandtniß es sonst mit einem in die Parenthese gestellten Gewissen habe, darüber konnte Hr. Hugo übrigens in meiner Schrift manche Aufklärung finden. (Hegel , ) Gegen den Verfasser einer in der Allgemeinen Literatur-Zeitung erschienenen Rezension, der Hegels „starke Anzüglichkeit gegen Hn. Fries“ rügte (Anonymus , ), erhob Hegel gar Beschwerde vor dem Preußischen Ministerium des Unterrichts: „Er versicherte, an Fries als Privatmann nicht im Mindesten, nur an seine verderblichen Grundsätze gedacht zu haben“ (Rosenkranz [] , ). Was Schuld als solche angeht, äußert sich Hegel unmissverständlich in § Anm. der Grundlinien: „Das einzelne Subject als solches hat deswegen schlechthin die Schuld seines Bösen“ (GW ,: § Anm.). Die Konsequenzen für sein Verbrechen (in Form seiner Enthauptung im Mai ) hatte Sand daher allein zu tragen, wobei auch auf Hegels Theorie der Strafe im Abschnitt ‚Unrecht‘ der
Bezeichnenderweise verbarg sich Beckedorff auch hinter der anonym veröffentlichten Schrift Gegen die Aktensammlung de Wettes (laut Max Lenz , Verweis in Rogerson , , Fn.). Diese befand sich ebenfalls in Hegels Bibliothek (K ). In diesem Zusammenhang sei auch an E.T.A. Hoffmanns eindrückliche Satire auf den preußischen Polizeidirektor Kamptz alias ‚Knarrpanti‘ im Meister Floh erinnert, der nur stark zensiert erscheinen durfte.
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Grundlinien verwiesen sei. Nach Hegel fängt „die eigentlich Schuld bestimter da an daß ich Schuld an dem, in der That schuld habe in so fern diese in meinem Vorsaz liegt insofern ich es gewollt habe“ [sic] (GW ,: ; vgl. GW ,: § ). An Sands Zurechnungsfähigkeit bestand kein Zweifel – es war allgemein anerkannt, dass er genau wusste, was er tat. Auch zeigte er weder Reue, noch legte er ein Gnadengesuch ein. Unter anderem verwirft Hegel auch explizit die „Leidenschaft“ als Rechtfertigung für das Begehen eines Verbrechens (GW ,: § Anm.). Das hieße nämlich, die Behandlung des Täters als eines rational denkenden und handelnden Menschen zu versäumen, wie Hegel sie im § fordert. Daran, dass Hegel Sands Tat an sich verurteilte, kann wohl kein Zweifel bestehen. Trotzdem beschäftigte sich Hegel natürlich eingehend mit den Hintergründen der Tat. Wie so viele Zeitgenossen wollte er eine Antwort geben auf die Frage, wie es überhaupt erst zu Sands Tat kommen konnte, treffend zum Ausdruck gebracht durch den Titel von Görres’ Schrift Kotzebue und was ihn gemordet (Görres a). An dieser Stelle kommt ein weiter gefasstes Verständnis von Schuld ins Spiel, gibt Hegel in § Anm. doch Folgendes zu bedenken: Jedes einzelne Moment, das sich als Bedingung, Grund, Ursache […] zeigt, und somit das Seinige beygetragen hat, kann angesehen werden, daß es Schuld daran sey oder wenigstens Schuld daran habe. (GW ,: § Anm.) Hegel scheint es jedoch, entgegen dem Eindruck, welchen seine Verwerfung der Lehren Fries’ und des Handelns de Wettes erzeugten, hierbei nicht um die Verantwortung Einzelner zu gehen. Im Folgenden möchte ich die Leserinnen und Leser davon überzeugen, dass Hegel die Ermordung Kotzebues auch als den Ausdruck einer historischen Entwicklung versteht. Zu diesem Zwecke soll zunächst eine Quelle aus Hegels unmittelbarem Umfeld untersucht werden, welche in gewissem Maße Anhaltspunkte zu Hegels Einordnung von Sands Tat zu geben vermag. Eine der zahlreichen Schriften, die Kotzebues Ermordung unmittelbar nach ihrem Geschehen behandelten, war verfasst von Friedrich Wilhelm Carové, der zu dieser Zeit als Hegels Repetent tätig war. Carové war ein führender Kopf der Heidelberger Burschenschaft und Redner auf dem Wartburgfest gewesen (siehe Carové a, b). Noch im August hatte Hegel die Promotion Carovés an der Universität Heidelberg sogar basierend auf seinem Entwurf einer Burschenschafts-Ordnung und Versuch einer Begründung derselben empfohlen. Hierbei verwies er Zu Hegels Begriff von Schuld und Strafe im Allgemeinen siehe jeweils Caspers () und Tunick (). Eine Ausnahme von diesem Konsensus stellt Hundt-Radowsky (, ) dar, welcher Sands Mord als „die Handlung eines wahnsinnigen Fanatikers“ verstanden wissen will. Insofern stimme ich nicht mit Gerald Hubmann (, , vgl. ) überein, demzufolge Hegel eindeutig Fries „die Verantwortung für die Mordtat Sands“ gibt.
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besonders auf die Widerlegung von „Hn Prof. Fries Ansichten“ zum Thema Ehre und Zweikampf (Nicolin , ). In Berlin wurde die offizielle Anstellung Carovés als Assistent Hegels zunächst mangels der Habilitation verweigert. In seiner Schrift Ueber die Ermordung Kotzebue’s, welche das Vorwort auf den . April , also einen Monat nach besagtem Ereignis, datiert, liefert Carové eine dialektische Interpretation des Vorfalls als notwendige Kollision zweier entgegengesetzter Prinzipien. Das gewählte spinozistische Motto – „omnia sub specie aeterni“ – bringt den Anspruch der Schrift zum Ausdruck, den Vorfall einer Untersuchung vom philosophischen Standpunkt aus zu unterziehen (Carové , ). Carovés Hommage an Hegel als „den tiefsten Denker der neuen Zeit“ gibt weiteren Aufschluss über seine Inspirationsquelle (Carové , ). So versteht Carové Sand und Kotzebue als die Repräsentanten zweier entgegengesetzter Extreme, die das gegenwärtige Zeitalter charakterisieren, und begründet die Notwendigkeit ihres Unterganges mit ihrer jeweiligen Einseitigkeit. Seine Kritik der Aufklärung als „sowohl gefühl- als vernunft-lose Richtung“ erinnert an Hegels Darstellung in der Phänomenologie des Geistes (Carové , ). Ihr bestimmendes Prinzip ist laut Carové der „Eigennutz“ und Kotzebue ist ihr „vollendete[r] Stellvertreter“ (Carové , ). In dieser Hinsicht scheint Carové also mit der Einschätzung Sands übereinzustimmen. Sand selbst jedoch verkörpert für Carové ein entgegengesetztes Prinzip, nämlich das des Gefühls, den „Sinn des Unendlichen“ (Carové , ). Dieser wurde nicht zuletzt durch die Philosophie Kants, Fichtes und Schellings genährt und durch die ‚Befreiungskriege‘ erweckt. In diesem Zusammenhang erlaubt sich Carové auch ausdrücklich „einige Bemerkungen über die Lehren des Professor’s Fries in Jena“ (Carové , ). Dessen Reden beim Wartburgfest und seine Ethik hätten die „vielfältigsten Verirrungen und Misverständnisse“ hervorgerufen, indem sie immerfort auf „die Gewalt des Gefühls“, „fromme Begeisterung“, den „Eifer der Vaterlandsliebe“ und sogar selbstlose „Aufopferung“ für den guten Zweck bestanden hätten (Carové , , ). Wie sollte solch kriegerische Rhetorik die Jugend nicht irreführen, fragt Carové. Vorsichtshalber betont er ausdrücklich, dass er Fries nicht persönlich angreifen möchte, sondern seine Schrift „nur als theoretisch gegen die Lehre als gegen das Resultat einer ganzen Geistesrichtung in Deutschland“ gelten solle (Carové , , Fn.). Für Carové jedenfalls steht Sand gegen Kotzebue stellvertretend für den zu überwindenden Gegensatz von jeweils einseitigen „Verstandes-Menschen“ und „Gefühlsmenschen“ (Carové , , ). Von seinem selbstgewählten philosophischen Standpunkt aus stellt Kotzebues Ermordung, dies „wahrhaft tragische Ereignis, welches nicht mit Unrecht jetzt alle Gemüther so tief bewegt“, eine „nothwendige, Crisis in der Epoche des Uebergangs von einer Zeit in eine andere“ dar (Carové , f.).
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Gleichzeitig verurteilt Carové Sands „erscheckliche That“ und bescheinigt dem Täter „Mangel an vernünftiger Erkenntniß“, „verirrte Begeisterung“ und „ungezähmte Schwärmerei“ (Carové , ). Sich selbst zum Richter zu machen und damit seine eigene Meinung über die ewigen Gesetze menschlichen Anstandes zu erheben verwirft er deutlich und betont die absolute Notwendigkeit von „(nur durch Gesetz und Gericht beschränkbare[r]) Freiheit der Rede und Schrift bei unverbrüchlicher Heilighaltung der Personen und des Eigenthums“ (Carové , ). Schließlich bestätige der Erfolg eines Kotzebue lediglich, dass ein dem von ihm verkörperten Prinzip entsprechender Teil der Gesellschaft existiere. Carové war offensichtlich höchst zufrieden mit seiner Darstellung, denn im Kontext der von ihm angestrebten Anstellung als Hegels ‚wissenschaftlicher Mitarbeiter‘ übersandte er dem Bildungsminister Altenstein ein Exemplar seiner Schrift zur Empfehlung, wie Johannes Hoffmeister berichtet (B II: ). Eine Reihe von Zeitgenossen nahm seine Schrift jedoch sehr zu seinen Ungunsten auf. In Anspielung auf Carovés Betitelung als ‚Lizenziat der Rechte‘ schreibt ein Rezensent im vormaligen Journal Kotzebues, dem Literarischen Wochenblatt, Folgendes: „Gott stehe allen denen bei, die mit dem Herrn Carove dereinst als Richter oder Rechtsanwalt in Verhältnisse kommen“ (Hoffmann , ). Ihm ist nicht entgangen, dass Carovés Charakterisierung Sands in vielerlei Hinsicht bedeutend positiver ausfällt als die seines Opfers. Scheinbar teilte Carové die oben beschriebene und weit verbreitete Sichtweise Kotzebues als Immoralisten, während er Sand als zwar fehlgeleitet, jedoch aufrichtig handelnd einschätzte. Jedenfalls verstanden die Anhänger des berühmten Schriftstellers dies als Versuch der „Vertheidigung“ oder „Entschuldigung dieser scheußlichen Mordthat“ (Hoffmann , f.). Unter den zuständigen preußischen Staatsbeamten, die Carové einer eingehenden Untersuchung unterzogen, herrschte hierüber keine Übereinstimmung. Staatsminister Wittgenstein jedoch beharrte auf dieser Ansicht: „Wenn H. Carové in seiner Schrift über die Ermordung des Kotzebue die Tat auch mißbilligt, so preist er doch gewissermaßen den Täter“ (B II: ). Letztendlich wurde daraufhin entschieden, Carové die akademische Laufbahn für immer zu verwehren. Seine Schrift Ueber die Ermordung Kotzebue’s war also äußerst folgenreich für Carové. Angesichts der Tatsache, dass er in enger Beziehung zu Hegel stand, müssen wir davon ausgehen, dass Letzterer diese Schrift kannte. Die polizeiliche Untersuchung Carovés und dessen explizite Erwähnung Hegels in seinem Vorwort, welche selbst der Rezensent des Literarischen Wochenblatts wiedergab (Hoffmann , ), konnte für ihn nur unangenehm sein. Es stellt sich nun die Frage nach Hegels eigenem Standpunkt. Im Folgenden wird gezeigt, dass Hegel die von Carové beanspruchte Langzeitperspektive teilt, aus der er die Hintergründe der Tat beleuchtet. Er diagnostiziert den Subjektivismus als eine breite, langfristige Entwicklung. Dies macht Hegels Verteidigung gegen die oben genannten Anschul-
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digungen zumindest plausibel, auch wenn er sich bis dahin offenbar nicht für persönliche Angriffe auf Fries zu schade war, wie wohlbekannt ist. Überhaupt war Carové mit seiner Interpretation von „Kotzebue’s Katastrophe“, wie es eine Zeitung nannte (zitiert in Jäck , ), wohl nicht gänzlich allein. Auch Görres meinte „eine grauenvolle symbolische Bedeutung in diesem Tode“ zu erkennen und verstand Kotzebue und Sand als Repräsentanten entgegengesetzter Strömungen, verschiedener Zeiten (Görres a, ). Dies stimmt überein mit Jäcks Zitat aus bestimmten ‚öffentlichen Blättern vom Rhein‘, welche bemerkten: „[D]er Geist der neuesten Zeit trat gegen den Geist der eben vergangenen in die Schranken“ (Jäck , ). Dort wird eine Kontinuität postuliert zwischen der Begeisterung für die sogenannten Befreiungskriege gegen Napoleon und der inneren Motivation Sands. Seine Tat wird so letztlich sogar zur „Nationalsache“ (Jäck , ) erhoben, ihr wird eine größere, beinahe welthistorische Bedeutung beigemessen. In gewisser Weise wird die Ermordung Kotzebues somit zur Wasserscheide der modernen Welt stilisiert. An dieser Stelle würde Hegel wohl vehement widersprechen und die historische Bedeutung von Sands Tat relativieren. Dies legt eine Bemerkung aus den Vorlesungen von / nahe, die in Hinblick auf die Huldigung, welche Sand seitens der Bevölkerung erfuhr, signifikant ist: Goethe sagt: die Ermordung Caesars durch Brutus und Cassius sei die dummste That die je gethan worden […] – Es ist die bloße einzelne blanke Handlung das Verbrechen geblieben […] eben weil es ohne Folge war. […] Die Form der römischen Welt ist durch den Tod eines einzelnen Individui, wie Cäsar war, ganz und gar nicht geändert worden. (GW ,: ) Ähnlich dürfte Hegel wohl die Tat des jüngst als ‚Brutus‘ gefeierten Sand beurteilt haben, nämlich als anmaßendes Eingreifen-Wollen eines Einzelnen in den Lauf der Weltgeschichte. Dies bestätigt seine Solger-Rezension von , wo Hegel anerkennend die folgenden Äußerungen Karl Wilhelm Ferdinand Solgers „über die Sand’sche Mordthat und den damit zusammenhängenden Geist“ zitiert: [D]ie stupide Dummheit, durch den Mord des alten Waschlappens das Vaterland retten zu wollen! Der kalte, freche Hochmuth, als kleiner Weltrichter die sogenannten Schlechten abzuurtheilen! Die leere Heuchelei vor sich selbst mit der Religion, oder vielmehr ihren Floskeln, die die größten Greuel heiligen sollen! (GW : ) Auch in Hinsicht auf die Frage der Schuldzuweisung gibt die Rezension von Aufschluss. Dort gibt Hegel zwar mit Genugtuung Solgers Kritik an den Wartburgrednern als „politisch-philosophische[n] Narren“ wieder (GW : ). Doch Solger an seinen Bruder, . April .
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beneidet er Solger offensichtlich darum, sich durch sein „öffentliches Stillschweigen“ zu diesem Thema „böse Anfeindung, Verunglimpfung von serviler Gesinnung u.s.f. erspart“ zu haben (GW : ). Bewusst übergeht Hegel Solgers ausdrückliche Nennung von Schleiermacher, Fries und de Wette, wenn er Solger zur Frage der Verantwortung für Sands Tat zitiert: Ich weiß auch genau, woher Alles kommt. […] doch, wie ich sagte, wir wollen Niemand beschuldigen, als etwa den beliebten Zeitgeist. Schon lange nimmt Alles diese verderbliche Richtung auf das muthwillige Weltverbessern und den leeren Hochmuth, und viele ganz unterschiedliche Lehren haben sie immerfort befördert. (GW : ) Dies scheint höchst bezeichnend für Hegels Auffassung. Während er den „Friesianismus“ (B II: ) scharf kritisiert, macht Hegel ihn doch nicht direkt für Sands Tat verantwortlich. Vielmehr versteht er die Ermordung Kotzebues als den Ausdruck einer ganzen Geistesströmung und damit einer langfristigen Entwicklung. Die Vorlesungsnachschriften konkretisieren letztere an mehreren Stellen. Beispielsweise misst Hegel dort der Lehre Jacobis eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Ansicht, Glaube sei Wissen, bei: Das Wissen des Willens überhaupt, das Gewissen, diese allgemeine Macht, ist zuerst darin ausgesprochen, daß Jacobi sagt daß der Mensch sich in seinem Gewissen als die absolute Macht wisse. (Brief an Fichte.) – / Hier ist ausgesprochen daß alle bestimmten Gebote eben so gut nicht gelten können als sie gelten. Er sagt, es giebt kein absolutes Gebot. (GW ,: ) Das bedeutet also, dass Hegel in der zweiten Fußnote zu § Anm. Jacobi gegen sich selbst zitiert. Auch Fichtes Bestehen auf dem Ich als dem Absoluten wird in Hegels Notizen und den Vorlesungsnachschriften deutlich kritisiert und bekanntlich ist seine Formalismuskritik an Kant nur allzu durchdringend. Besonders deutlich zeigt wohl Hegels Besprechung von Ironie zum Abschluss von § Anm., dass die fehlgeleitete Entwicklung einer subjektivistischen Ethik weit über Fries hinausgeht. Vor allem wird Friedrich Schlegel – Kotzebues erbitterter Gegner – hier noch stärker angeklagt als Fries, und zwar namentlich (GW ,: § Fn. ), steht er doch bei Hegel stellvertretend für die ‚höchste Form der Subjektivität‘. All diese Denker verkörpern jedoch nur Stufen einer allgemeinen Entwicklung. Der Subjektivismus durchdringt nämlich „überhaupt die Philosophie der modernen Zeit“ (GW ,: ).
Solger an Friedrich von Raumer, . April . An dieser Stelle sei auch an Hegels Schrift ‚Glauben und Wissen‘ von erinnert (GW : –
).
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Im positiven Sinne ist dies selbst für Hegel der Fall, schließlich versteht er die ganze Geschichte als Fortschritt des menschlichen Selbstbewusstseins und seine Philosophie als Kulmination aller vorhergehenden Systeme. In seinen Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie charakterisiert Hegel die Lehren Jacobis und Kants als „Philosophien der Subjektivität“ und das gilt ebenso für Fichtes als „Vollendung der Kantischen Philosophie“ (TWA : , ). Friedrich Schlegel und Fries gruppiert Hegel ausdrücklich unter „Auswüchsen der Fichteschen Philosophie“ (TWA : ). Deren Gedanken gehören einerseits der allgemeinen, notwendigen, geschichtlichen Entwicklung an, andererseits lässt Hegel keinen Zweifel an ihrer Einseitigkeit und damit dem Bedürfnis, sie zu überwinden. In Sands Tat ist diese Einseitigkeit ins Extreme gesteigert, sie kann daher wohl als Verirrung oder Perversion der Subjektivität gelten. In § der Grundlinien, wo Hegel ausdrücklich betont, dass „eine moralische Absicht“ „nicht eine unrechtliche Handlung rechtfertigen“ kann, erklärt er in der Anmerkung, dies sei vorzüglich eine der verderbten Maximen unsrer Zeit, die theils aus der Vorkantischen Periode des guten Herzens herstammt, und z. B. die Quintessenz bekannter rührender dramatischer Darstellungen ausmacht. (GW ,: § Anm.) Unter Verweis auf die Anmerkungen zu § erwähnt Hegel hier noch, dass „diese Lehre in gesteigerter Gestalt wieder aufgewärmt“ worden sei (GW ,: § Anm.). Wen er damit vornehmlich meint, ist wohl unverkennbar. Allerdings belegt diese Stelle auch, dass Hegel die Lehren Fries’ bloß als eine der letzten Manifestationen einer hartnäckigen Auffassung ansieht. Die genannte ‚vorkantische Periode‘ verweist, ebenso wie die explizite Zitation in § Anm., auf Hegels frühere Ausführungen in der veröffentlichten Phänomenologie. Bekanntermaßen hatte Hegel bereits dort ‚das Gesetz des Herzens und den Wahnsinn des Eigendünkels‘ (GW : ff.) sowie ‚das Gewissen, die schöne Seele, das Böse und seine Verzeyhung‘ thematisiert (GW : ff.). Zwar beschränkt sich Hegel durch die Erwähnung erfolgreicher ‚Rührspiele‘ nicht auf Kotzebue, sondern ruft auch das Werk August Wilhelm Ifflands in Erinnerung, sowie bestimmte Stücke Schillers – in einer späteren Vorlesung verweist Hegel auf die umstrittene Braut von Messina (GW ,: ) – und des von Hegel viel bewunderten Lessing. Ausdrücklich wird in der dritten Fußnote zu § Anm. Adolph Müllners uraufgeführtes Trauerspiel Die Schuld genannt, welches sich schnell als Publikumserfolg etabliert hatte. Das Problem solcher Stücke sei, dass sie, Hier sei bloß erwähnt, dass die zu Hegels Zeit geläufige Vorstellung der ‚schönen Seele‘ auch in Kotzebues Stücken – etwa dem Welterfolg Menschenhass und Reue – und Fries’ Ethik eine bedeutende Rolle spielt.
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im Gegensatz zur antiken Tragödie, nicht eine Kollision absoluter ethischer Grundsätze thematisieren, sondern „eine Casuistik, die die besonderen Fälle betrachtet“, verlangen (GW ,: ; vgl. GW ,: § Anm.). Besonders brisant erscheint hier eine Ergänzung zu § aus dem Jahr /, in welcher das Werk Kotzebues ausdrücklich erwähnt wird und zwar wie folgt: In den Kotzebueschen Stücken hat immer ein Schuft eine vortreffliche Absicht. Die Empfindungen werden da als ein Herrliches hingestellt und das Recht als das was diesen Eintracht thut. Das Allgemeine das Vernünftige ist darin nicht. (GW ,: ) Ironischerweise klingt das recht genau nach dem Schicksal, das Kotzebue in Gestalt Sands ereilte. Man könnte daraus schlussfolgern, dass Kotzebue letzten Endes Anteil hatte an der allgemeinen Entwicklung, die in seiner Ermordung kulminierte. Die Assoziierung Kotzebues mit der subjektivistischen Strömung legt möglicherweise Hegels Bezeichnung von Fichtes ‚populärem‘ Spätwerk als „eine Philosophie für […] Kotzebue“ nahe (TWA : ). In der Ästhetik verbindet Hegel Kotzebues Werk jedenfalls ausdrücklich mit „Subjectivität“, zumindest im Sinne der „eigenthümliche[n] Weise des gewöhnlichen Bewußtseyns im täglichen, prosaischen Leben“ (GW , ). So gesehen wäre sogar Kotzebue selbst ein Wegbereiter seines eigenen Unterganges gewesen. Letztendlich scheint die Ermordung Kotzebues Hegel als alarmierender Ausdruck des Erfolgszuges einer fehlgeleiteten Moralvorstellung zu gelten, welche das Individuum an die Stelle objektiver Wahrheit setzt. In seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie bemerkt er, diese Ansicht sei „in der allgemeinen Bildung durchgedrungen“ und, in einer weiteren Anspielung auf de Wettes Brief, „ein wahrhaftes Zeichen der Zeit“ (TWA : , ). Hegel sah dies jedoch nicht etwa als die Verantwortung individueller Sittenlehrer wie Fries oder de Wette, sondern als eine geschichtliche Entwicklung, die ihren Lauf, angefangen bei den vorsokratischen Sophisten, über die Kasuistik der Jesuiten hin zur Romantik und sogar zum Idealismus nahm. In Hegels eigener Zeit verbreitete sich diese ‚schädliche‘ Art von Subjektivismus zunehmend allgemeiner in der Gesellschaft, wozu die Theaterspiele Kotzebues wohl einerseits beitrugen und was sie andererseits wiederspiegeln. Schließlich verwendeten Zeitgenossen Begriffe wie „Ifflanderei und Kotzebuerei“, um Tendenzen in der Bevölkerung zu charakteri Die Diskrepanz von Hegels Urteil und dem Anspruch der Dichter verdeutlicht z. B. ein Brief Schillers, in dem er eben Die Braut von Messina als „Tragödie […] im Stil der antiken Stücke“ ankündigt (Schiller , ). De Wette hatte Sands Tat ebenso beschrieben, als „ein schönes Zeichen der Zeit“ (de Wette , ). Zu den Sophisten siehe die Vorrede und Hegels Notizen (GW ,: ; GW ,: ) sowie GW ,: .
Die Ermordung Kotzebues und Hegels Philosophie des Rechts
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sieren (Boisserée , am . Juni ). Hegel selbst schrieb an Franz von Baader mit Bezug auf dessen Anklage des Pietismus: „Den faulen Fleck, an dem unsere Zeit und unser Norden laboriert, haben Sie tüchtig getroffen und ihn sehr glücklich als den religiösen Kotzebuanism bezeichnet“ (B IVb: ). In wahrhaft dialektischer Manier beobachtet Hegel als Reaktion auf die überhandnehmende Aufwertung subjektiven Empfindens ebenso eine Entwicklung „ins andere Extrem“, nämlich das Bedürfnis nach einer rigiden Moral (GW ,: ). In seinen Notizen stellt er ein „Schmachten nach Objectivitaet“ fest, welches beispielsweise durch „Catholisch werden“ erfüllt werden soll (GW ,: ). Die Wiedererstarkung des Katholizismus im frühen . Jahrhundert – prominente Fälle von Konfessionswechseln waren die von Hegel erwähnten Stolberg, Schlegel sowie Haller – diagnostiziert Hegel somit als die Kehrseite der Ausbreitung von Gefühlsphilosophie und Gesinnungsethik. Sands Mord an Kotzebue und die darauffolgenden Reaktionen schienen ebenjene Probleme zu bestätigen, welche Hegel in der Moralphilosophie seiner Vorgänger sowie Rivalen identifiziert hatte und verliehen seiner Rechtsphilosophie höchste Aktualität. Schließlich möchte Hegel den Weg zu einer möglichen Versöhnung aufzeigen, in der sich die Extreme eines bloß abstrakten Guten und einer bloß abstrakten Subjektivität gegenseitig „aufheben und dadurch zu Momenten herabsetzen“ (GW ,: § Anm.). Entgegen einer übertriebenen Betonung der Subjektivität verweist Hegel auf das sittliche Gemeinwesen, während er auf autonome Selbstbestimmung besteht: „Das Sittliche ist subjective Gesinnung aber des an sich seyenden Rechts“ (GW ,: § Anm.). Auch im Positiven ist die Moderne für Hegel ja genau die Epoche, in der das Gewissen in seine Rechte tritt und durch das Recht des subjektiven Willens, durch menschliche Selbstbestimmung verwirklicht wird. So will er das Recht des Gewissens behaupten, allerdings ohne die Grenzen einer objektiven sittlichen Wahrheit zu sprengen. Kotzebues Ermordung lieferte den Zeitgenossen einen offensichtlichen Anstoß für die vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Problem und verlieh Hegels Entwurf der Sittlichkeit höchste Aktualität. IV. Schluss Insgesamt lässt sich feststellen, dass Hegel eine umfassende, vielschichtige und nuancierte Interpretation der Hintergründe von Sands Tat vorlegt. Besonders die Anmerkungen zu § stellen eindeutig das Ergebnis von Hegels eingehender Auseinandersetzung mit der Ermordung Kotzebues sowie ihres öffentlichen Echos dar. Mit ihrem einschlägigen Bezug auf die aktuellen Diskussionen um jesuitische Moralphilosophie und den ‚Grundsatz‘ ebenso wie die Schriften Fries’ und de Wettes müssen sie als konsequente und systematische Aufarbeitung des Vorfalls
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gelten. Insofern war dieses Ereignis äußerst folgenreich für Hegels Werk. Kotzebues Ermordung muss daher nicht bloß aufgrund ihrer äußerlichen Konsequenzen in Form der Zensurbestimmungen, sondern vor allem auf der Inhaltsebene als direkter Entstehungskontext für Teile von Hegels Philosophie des Rechts gelten. Jedenfalls, so hoffe ich gezeigt zu haben, läge uns ohne die Ermordung Kotzebues vor etwas mehr als zweihundert Jahren heute ein anderes Buch vor. Diese Tatsache ist letztlich kaum verwunderlich, bedenkt man die zeitgenössische Bedeutung des Vorfalls sowie die große Aufmerksamkeit, mit der Hegel das Tagesgeschehen verfolgte. Wollte er doch, unabhängig von allen sonstigen Ambitionen, vor allem auch seine Zeit begreifen und begreiflich machen. Das aktuelle Jubiläum scheint ein geeigneter Anlass, Hegel etwas stärker zu ‚vermenschlichen‘ als dies bisweilen geschieht und in Erinnerung zu rufen, dass sowohl Form als auch Inhalt der berühmt-berüchtigten Grundlinien einem unabdinglichen Maß an Kontingenz unterlagen. Dieser Umstand schmälert Hegels Errungenschaften keineswegs, im Gegenteil. Die fortwährende Erforschung und Berücksichtigung der konkreten Entstehungsbedingungen von Hegels Werk ermöglicht nicht nur, die Brisanz seiner Ideen neu wertzuschätzen, sondern auch ihre anhaltende Relevanz und Bezugsmöglichkeiten in der heutigen Zeit neu zu vermessen.* Siglen B
Briefe von und an Hegel. Dritte Auflage. Herausgegeben von Johannes Hoffmeister. Hamburg, .
GW
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
HBZ Hegel in Berichten seiner Zeitgenossen. Herausgegeben von Günther Nicolin. Hamburg, . K
Verzeichniß der von Herrn Dr. Hegel und dem Dr. Herrn Seebeck hinterlassenen BücherSammlungen. Berlin, .
TWA Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von – neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M., ff.
*Für kritische Lektüre danke ich Henning Schuler.
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ELIAS BUCHETMANN
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Daniel Häuser VERSTÖßT HEGELS VERBRECHER NOTWENDIGERWEISE GEGEN DAS RECHTSGEBOT?
ABSTRACT:
Hegel first introduces his concept of crime in the context of his theory of abstract right. While there is substantial disagreement in the literature about how exactly this concept is to be understood, most commentators agree that Hegel’s criminal necessarily violates the underlying normative principle of abstract right, the ‘commandment of right’. I question this consensus and propose an alternative interpretation according to which at least some crimes can arise even if no such violation occurs. I support this proposal by arguing that abstract right is underdetermined with respect to the principles governing the acquisition of property and by arguing that crimes should be understood as conflicts about which further specification of abstract right is to be considered valid. In his discussion of crime and punishment, Hegel therefore implicitly takes up the Kantian claim that property rights in a state of pure private law are only provisional in nature. Finally, I investigate some possible implications of this re-evaluation, in particular with respect to Hegel’s postulation of a ‘right of heroes’.
I. Einleitung Hegels Konzeption des Verbrechens und insbesondere seine an diese anknüpfende Theorie der Strafe gehören zu den meistdiskutierten Aspekten der hegelschen Rechtsphilosophie. Hegel führt den Verbrechensbegriff im ersten Teil seiner Rechtsphilosophie ein, dem abstrakten Recht. Dieses entwickelt Hegel ausgehend vom „Rechtsgebot“ des abstrakten Rechts: „[S]ey eine Person und respectire die anderen als Personen“ (GW ,: § ). Während viele Fragen in Bezug auf Hegels Verbrechensbegriff in der Forschung weiterhin kontrovers diskutiert werden, so besteht über folgende These doch ein grundlegender Konsens: Jedes Verbrechen stelle notwendigerweise einen Bruch des Rechtsgebots dar, der Verbrecher scheitere also prinzipiell daran, dem eigenen Status als Rechtsperson gerecht zu werden oder seine Mitmenschen als solche zu achten. Ziel dieser Arbeit ist es, diesen Forschungskonsens zu hinterfragen und eine Alternativinterpretation der entsprechenden Textstellen anzubieten. Ich habe die Literatur bis ungefähr exemplarisch gesichtet, wobei mir kein gegenteiliger
Beitrag aufgefallen ist. Als Vertreter dieser Lesart des Verbrechensbegriffs seien repräsentativ genannt: Dyde (); Reyburn (); Dulckeit (); Bülow (); Cooper (); Steinberger (); Hösle (); Wood (); Mohseni (); Brooks () und Houlgate ().
Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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DANIEL HÄUSER
Die These, der Verbrecher müsse prinzipiell gegen das zitierte Rechtsgebot verstoßen, wird in der Forschung auf verschiedene Weisen begründet. Die meines Erachtens überzeugendste Begründung betont die theoretische Verwandtschaft dieses Rechtsgebots mit Kants allgemeinem Prinzip des Rechts, das lautet: Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann. (AA VI: ) Dieser Lesart zufolge nimmt Hegel zumindest durch das zweite Konjunkt des Rechtsgebots die Idee Kants auf, eine Handlung sei genau dann rechtmäßig, wenn das ihr zugrundeliegende Prinzip verallgemeinerbar ist, also als allgemeines Gesetz befolgt werden könnte. Die verbrecherische Handlung sei demnach eine, die diesen Test auf Verallgemeinerbarkeit nicht besteht. Der Wille des Verbrechers sei daher notwendigerweise in sich widersprüchlich. Dieser Bestimmung des Verhältnisses zwischen Hegels Rechtsgebot und Kants allgemeinem Rechtsprinzip stimme ich zu. Die Schlussfolgerung, der Verbrecher müsse prinzipiell gegen das Rechtsgebot verstoßen, folgt hieraus allerdings nicht zwingend. Der Grund hierfür liegt in der Unterbestimmtheit des von Kant formulierten Tests für die Rechtmäßigkeit bestimmter Handlungsprinzipien. Verschiedene, miteinander allerdings inkompatible Prinzipien können diesen Test bestehen, wenn sie zwar einzeln als allgemeines Gesetz befolgt werden können, nicht jedoch gleichzeitig. Es kann daher auch zwischen rechtmäßig handelnden Personen zu grundlegenden Konflikten über das geltende Recht kommen. Kant trägt dieser Erkenntnis mit der These Rechnung, im Naturzustand erworbener Besitz könne zwar rechtmäßig sein, begründe aber dennoch nur vorläufige Eigentumsrechte, die erst in einem Zustand öffentlicher Gerechtigkeit allgemeine Verbindlichkeit gewännen. Da verschiedene Prinzipien des Eigentumserwerbs rechtmäßig sein könnten, sei auch der rechtmäßige Besitzerwerb im Naturzustand nur ein unilateraler Ausdruck von Freiheit, der andere nicht binden könne. Auch wenn Hegel, wie Kant, den Eigentumsbegriff an den Anfang seiner rechtsphilosophischen Erörterung stellt, nimmt er diese Redeweise von vorläufigen Eigentumsrechten nicht auf. Stattdessen schlägt dieselbe Erkenntnis sich in Hegels Konzeption des Verbrechens nieder. Hegel versteht Verbrechen als Konflikte um die geltenden Rechtsnormen. Zu solchen Konflikten könne es selbst dann kommen, wenn alle beteiligten Parteien sich rechtmäßig verhalten, weshalb Verbrecher zumindest nicht notwendigerweise gegen das Rechtsgebot verstoßen müssen. Dies ist zumindest die These dieses Aufsatzes.
Siehe Quante (, – ) für die Ausformulierung dieser Interpretation. Für Darstellungen dieser Lesart Kants siehe Kersting (, ) und Kühl (, – ).
Verstößt Hegels Verbrecher notwendigerweise gegen das Rechtsgebot?
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Hegels Argumentation auf diese Weise zu konzeptualisieren ist keine Selbstverständlichkeit. Ich trage im nächsten Abschnitt daher einige Forschungsergebnisse zusammen, die diesen Ansatz plausibilisieren. Anschließend stelle ich kurz Hegels Konzeption des Eigentums und des Vertrags dar. Im vierten Abschnitt gehe ich dann im Detail auf Hegels Theorie des Eigentumserwerbs ein. In Abschnitt fünf stelle ich die Struktur des bürgerlichen Rechtsstreits dar, um – nach einem Exkurs zu Hegels Zwangsbegriff im sechsten Abschnitt – im siebten Abschnitt vor diesem Hintergrund Hegels Konzeption des Verbrechens zu rekonstruieren. Die dort erreichte Lesart kontrastiere ich im achten und neunten Abschnitt mit einigen in der Forschung vertretenen Alternativen. In einem kurzen Fazit gehe ich anschließend auf einige der potenziellen Implikationen dieser Neuinterpretation des Verbrechensbegriffs ein. Um die Untersuchung überschaubar zu halten, habe ich einige Einschränkungen vorgenommen: Als Textgrundlage werde ich nur den veröffentlichten Text der Grundlinien der Philosophie des Rechts auswerten und mich dabei auf Hegels Begriff des Verbrechens im Kontext des abstrakten Rechts beschränken. Zudem werde ich auf eine Darstellung des Betrugs sowie auf eine detaillierte Rekonstruktion der Straftheorie Hegels verzichten. II. Das abstrakte Recht Am Ende der Einleitung zu den Grundlinien definiert Hegel den Begriff des Rechts unter Rückgriff auf den Begriff des freien Willens: Dieß, daß ein Daseyn überhaupt Daseyn des freyen Willens ist, ist das Recht. – Es ist somit überhaupt die Freyheit, als Idee. (GW ,: § ) Dieser Definition vorausgegangen ist die Darstellung seiner Konzeption des freien Willens. Auch wenn Hegel, im Gegensatz zu Kant, in diesem Kontext nicht den Begriff der Autonomie verwendet, so versteht er die Freiheit des Willens doch ebenfalls als Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Hegel identifiziert die Struktur eines Willens, der in einem hinreichend starken Sinne frei ist, sodass sein Dasein Recht sein soll: der „freye Wille, der den freyen Willen will“ (GW ,: § ). Hegel nennt alle Wesen, deren Willen diese Struktur aufweisen, „Personen“ (GW ,: § ), für alle anderen Entitäten führt er später den Begriff „Sachen“ ein (GW ,: § ). Da der Wille sich durch seine Allgemeinheit auszeichne, versteht auch Hegel diese Fähigkeit zur Selbstbestimmung als Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung. Der freie Siehe Winfield () für eine Rekonstruktion dieser Darstellung. Hegel zufolge können nicht nur Individuen, sondern auch Gruppen und Institutionen Personen
des abstrakten Rechts sein (GW ,: § Anm.). In heutiger Terminologie sollte in diesem Zusammenhang von „Personalität“ statt von „Persönlichkeit“ gesprochen werden, ich bleibe aber bei Hegels Begriffsverwendung.
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Wille entscheide sich nie nur für einzelne Handlungen, sondern immer für allgemeine, rational überprüfbare Maximen: Defending human autonomy requires showing how individuals are self-legislators, how they give themselves their own principles, aims, and objects of will. (Westphal, , ) Der von Hegel zu Beginn der Rechtsphilosophie bestimmte Freiheitsbegriff ist also als kantisches Erbe zu verstehen. Im ersten Teil seiner Rechtsphilosophie untersucht Hegel Personen und ihr Verhältnis zueinander zunächst nur unter einem bestimmten Aspekt, nämlich nach dem „abstracten Begriffe“ der Persönlichkeit (GW ,: § ). Diese Betrachtungsweise wird durch die Abstraktion von allen Inhalten des Willens erreicht, sodass nur die allgemeinen, für den freien Willen konstitutiven Strukturen übrig bleiben. Es wird daher von allen Eigenschaften abgesehen, die Personen als Individuen auszeichnen, so beispielsweise von „Begierde, Bedürfnis, Triebe[n], zufällige[m] Belieben, usf.“ (GW ,: § ). Insbesondere schließt dies die Abstraktion von der Fähigkeit einzelner Personen zur moralischen Reflektion und von allen sozialen Rollen ein, die Personen ausfüllen mögen. Diese Beschränkungen werden in den späteren Kapiteln dann nach und nach aufgehoben. Die so erreichte allgemeine Struktur des freien Willens besteht laut Hegel in einer bestimmten Art der Selbstbeziehung, in der die Person sich als „Unendliche, Allgemeine, und Freye weiß“ (GW ,: § ). Hegel betont in diesen Abschnitten mehrfach, dass der Wille der auf diese abstrakte Weise betrachteten Person sich durch seine Allgemeinheit auszeichne, lässt hier aber noch offen, was unter dieser Allgemeinheit zu verstehen ist. Die verschiedenen Aspekte der Allgemeinheit des Willens sollen sich im Laufe der Argumentation dann erst zeigen. Hegel leitet das Rechtsgebot anschließend aus diesem abstrakten Begriff der Persönlichkeit ab: Die Persönlichkeit enthält überhaupt die Rechtsfähigkeit und macht den Begriff und die selbst abstracte Grundlage des abstracten und daher formellen Rechtes aus. Das Rechtsgebot ist daher: sey eine Person und respectire die anderen als Personen. (GW ,: § ) Dem abstrakten Begriffe nach sind alle Personen gleich und ihre Freiheit damit gleichbedeutend und gleich schutzwürdig. Dass Hegel das abstrakte Recht hier in kantischer Terminologie als Formalrecht charakterisiert, spricht ebenfalls dafür, dass Quante (, – ) stellt diesen Punkt besonders heraus. Für eine Bestimmung des abstrakten Begriffs der Persönlichkeit im Rahmen der hegelschen
Logik siehe Quante (). Für eine detaillierte Darstellung dieser Perspektive siehe Patten (, – ). Siehe zur Rolle des Rechtsgebots auch Knowles (, Kap. ).
Verstößt Hegels Verbrecher notwendigerweise gegen das Rechtsgebot?
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Hegel den Anspruch erhebt, mit diesem Rechtsgebot in der Sache mindestens das kantische allgemeine Rechtsprinzip rekonstruiert zu haben. III. Eigentum und Vertrag In der Anmerkung zu dem bereits zitierten § kritisiert Hegel Kant allerdings dafür, dieser habe seinen Rechtsbegriff durch das Rechtsprinzip nur ‚negativ‘ bestimmt, weshalb ihm die ‚positive Bestimmung‘ fehle. Diese scheint Hegel hingegen mit dem ersten Konjunkt des Rechtsgebots geben zu wollen: „sey eine Person“. Dies ist eine etwas merkwürdige Aufforderung, da ein Wille eine bestimmte Struktur entweder erfüllt oder nicht. Hegels Idee scheint zu sein, dass ein ‚Dasein‘ des freien Willens in seinem technischen Sinne eine äußerliche Verwirklichung des freien Willens notwendigerweise voraussetze. Hegel scheint diese These dadurch zu begründen, dass sich die Person erst durch diese äußerliche Verwirklichung als eine bestimmte Person individuiert, statt nur im generischen Sinne Person zu sein: Die Person muss sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit geben, um als Idee zu seyn. (GW ,: § ) Neuhouser hat die Zentralität dieser Passage auf den Punkt gebracht: The thought of an exclusive, external domain of activity that is subject to an individual’s arbitrary will is the central idea behind Hegel’s theory of abstract right, and it is the boundaries of such a domain that the principles of that theory are supposed to define. (Neuhouser , ) Diese äußerliche Sphäre der Freiheit identifiziert Hegel mit dem Eigentum der Person, dem er damit eine zentrale Rolle im Prozess der Verwirklichung der Freiheit zuweist. Hegel meint also gezeigt zu haben, dass jede Person zumindest irgendwelches Eigentum besitzen müsse (GW ,: § ). An dieser Stelle sei angemerkt, dass Hegel auch den Körper einer Person als deren Eigentum begreift (GW ,: § Anm.) und körperliche Angriffe im Kontext des abstrakten Rechts also als Eigentumsdelikte zu werten sind. Nachdem Hegel den Eigentumserwerb als notwendige Bedingung der Verwirklichung der Freiheit der Person identifiziert hat, wendet er sich nun dem zweiten Konjunkt des Rechtsgebots zu: „[R]espectire die anderen als Personen“. Da das Eigentum die Form sei, in der die Person ihr Dasein in der äußeren Welt hat, Hegel formuliert an späterer Stelle expliziter, dass von „[m]ehreren Personen“ im Kontext des abstrakten Rechts streng genommen erst gesprochen werden kann, wenn diese sich durch ihren Besitz als Einzelne bestimmt haben (GW ,: § Anm.).
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bedinge der Respekt für die andere Person zunächst den Respekt ihres Eigentums (GW ,: § ). Eine Art respektvoller Interaktion zwischen Personen seien daher Verträge. Da Hegel ein weitgehend konventionelles Vertragsverständnis vertritt, beschränke ich mich hier auf Hegels zentrale Charakterisierung des Vertrages: Da die beyden contrahirenden Theile als unmittelbare selbstständige Personen sich zueinander verhalten, so geht der Vertrag (α) Von der Willkühr aus; (β) der identische Wille, der durch den Vertrag in das Daseyn tritt, ist nur ein durch sie gesetzter, somit nur gemeinsamer, nicht an und für sich allgemeiner; (γ) der Gegenstad des Vertrags ist eine einzelne äußerliche Sache, denn nur eine solche ist ihrer bloßen Willkühr, sie zu entäußern (§. ff.), unterworfen. (GW ,: § ) (α) und (β) bedürfen keiner ausführlichen Kommentierung. Verträge kommen durch das freiwillige Einverständnis zweier Personen zustande, die hierdurch einen gemeinsamen Willen bilden, der für die Vertragsparteien, und nur für diese, verbindlich ist. Der Respekt vor dem Vertragspartner fordert also die Erfüllung von Verträgen. Von besonderem Interesse ist hingegen Punkt (γ). Hegel schränkt hier die Menge möglicher Verträge auf den Austausch einzelner veräußerlicher Sachen ein. Unveräußerlich sind für Hegel alle Sachen, die „meine eigenste Person und das allgemeine Wesen meines Selbstbewusstseyns“ ausmachen (GW ,: § ). Ich vermute, dass Hegel diese Einschränkung trifft, da jede weitergehende vertragliche Bindung die eigene Freiheit in Zukunft zu weit einschränken würde, sodass „meine Persönlichkeit überhaupt, meine allgemeine Willensfreiheit“ gefährdet wäre (GW ,: § ). IV. Die Unterbestimmtheit des Besitzes Hegel betont, die Notwendigkeit des Eigentums nicht mit dessen Nützlichkeit für die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse begründet zu haben, sondern ausschließlich mit der Rolle des Eigentums als Bedingung der Verwirklichung von Freiheit (GW ,: § Anm.). Hegel ist daher daran gelegen, eine Theorie des Eigentumserwerbs zu entwickeln, die ohne Verweis auf Nützlichkeitsüberlegungen auskommt und stellt daher auch hier den freien Willen in dem Mittelpunkt. Zunächst unterscheidet Hegel zwischen Besitz und Eigentum: Daß Ich etwas in meiner selbst äußeren Gewalt habe, macht den Besitz aus, so wie die besondere Seite, daß Ich etwas aus natürlichem Bedürfnisse, Triebe und der Willkühr zu dem Meinigen mache, das besondere Interesse des Besitzes ist. Die Seite aber, daß Ich als freyer Wille mir im Besitze gegenständlich und hiermit auch erst wirklicher Wille bin, macht das Wahrhafte und Rechtliche darin, die Bestimmung des Eigenthums aus. (GW ,: § )
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Während Hegel mit dem Besitz also lediglich eine äußerliche Beziehung der Gewalt zwischen einer Person und einer Sache bezeichnet, bezeichnet er die auf dem freien Willen fundierte Rechtsbeziehung zu einer Sache als Eigentum. Aufgrund dieser ersten Charakterisierung des Besitzes könnte man meinen, der freie Wille sei für den Eigentumserwerb allein ausschlaggebend, der Besitz der Sache hingegen lediglich eine rechtlich irrelevante äußerliche Manifestation des Willens. Dem widerspricht Hegel explizit: Zum Eigenthum als dem Daseyn der Persönlichkeit ist meine innerliche Vorstellung und Wille, daß etwas mein seyn solle, nicht hinreichend, sondern es wird dazu die Besitzergreifung erfordert. Das Daseyn, welches jenes Wollen hierdurch erhält, schließt die Erkennbarkeit für andere in sich. – Daß die Sache, von der ich Besitz nehmen kann, herrenlos sey, (wie §. .) eine sich von selbst verstehende negative Bedingung, oder bezieht sich vielmehr auf das anticipirte Verhältnis zu andern. (GW ,: § ) Der Wille dazu, Eigentümer einer Sache zu sein, ist also nur der erste Schritt im Prozess des Eigentumserwerbs. In einem zweiten Schritt muss die Person noch Besitz von der Sache ergreifen und zwar so, dass ihr Eigentumsanspruch öffentlich erkennbar wird. Da der Eigentumserwerb an einer Sache den Handlungsspielraum anderer Person einschränkt, leuchtet diese Forderung ein. Die Person, die als erste beide Bedingungen erfüllt, wird dadurch zum Eigentümer der Sache. Da Hegel die Inbesitznahme hier einführt, um die öffentliche Erkennbarkeit von Eigentumsansprüchen zu gewährleisten, verwendet er einen sehr weiten Begriff von Besitz. Spricht er in der zitierten Passage noch von der Gewalt über eine Sache, ist dies in der genaueren Darstellung nur noch einer von drei Modi der Besitznahme: Die Besitznahme ist theils die unmittelbare körperliche Ergreifung, theils die Formirung, theils die bloße Bezeichnung. (GW ,: § ) Was Hegel unter diesen drei Modi versteht, ist bereits durch ihre Benennung hinreichend ersichtlich, seine Bemerkungen zu ihrem jeweiligen Umfang sind hingegen sehr interessant. Hegel erklärt die körperliche Ergreifung zunächst aufgrund der begrenzten körperlichen Fähigkeiten der Person für „höchst eingeschränkt“ und aufgrund ihrer „sinnlichen Seite“ für leicht verständlich. Allerdings könne ihre Reichweite auch erweitert werden: Durch den Zusammenhang, in den ich Etwas mit anderwärts mir schon eigenthümlichen Sachen bringen kann, oder Etwas sonst zufälliger Weise kommt, So beispielsweise Cristi (, ).
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– durch andere Vermittlungen wird der Umfang dieser Besitznahme etwas ausgedehnt. (GW ,: § ) Hierdurch werde aber zunehmend auch weniger eindeutig, welche Relationen zwischen Personen und Sachen noch als körperliche Inbesitznahme zu werten sind. In der Anmerkung zu diesem Abschnitt diskutiert Hegel eine Reihe potenziell kontroverser Fälle, wie „Mineralienlager unter meinem Acker“, Foetura oder „Schätze in oder unter meinem Grundeigenthum“ (GW ,: § Anm.). Manche Fälle dieser Art seien so zu verstehen, dass etwas nur als „Accidens“ einer anderen Sache hinzugekommen sei. In anderen Fällen hingegen stelle ein solcher Zugewinn lediglich „theils leichtere zum Theil ausschließende Möglichkeiten, etwas in Besitz zu nehmen“ dar (GW ,: § Anm.). Während der Zugewinn in Fällen der ersten Art demnach dem Besitz der Person zuzurechnen ist, ist dies in Fällen der zweiten Art explizit nicht der Fall. Besonders interessant ist Hegels Auskunft darüber, wie mit solch fraglichen Fällen umgegangen werden soll: Es sind dieß überhaupt äußerliche Verknüpfungen, die nicht den Begriff und die Lebendigkeit zu ihrem Bande haben. Sie fallen daher dem Verstande für Herbybringung und Abwägung der Gründe und Gegengründe und der positiven Gesetzgebung zur Entscheidung [Herv. D.H.], nach einem Mehr oder Weniger von Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit der Beziehung, anheim. (GW ,: § Anm.) Zunächst soll also versucht werden, durch eine nicht weiter bestimmte Form der Deliberation festzustellen, ob ein bestimmtes Verhältnis als Besitzverhältnis zu werten ist. Gelingt dies nicht, muss diese Frage in letzter Instanz allerdings durch eine Entscheidung beantwortet werden, nämlich durch die Entscheidung für bestimmte positive Gesetze. Die rein philosophische Untersuchung kommt hier an ihre Grenzen. Überraschend ist dies nicht, da Hegel bereits in der Einleitung angekündigt hatte, dass er nicht alle Fragen des Rechts mit philosophischen Mitteln beantworten können würde. In § bestimmt Hegel den Begriff des positiven Rechts nach dessen Form und Inhalt. Der Form nach sei das Recht positiv, sofern es „in einem Staate Gültigkeit“ besitzt. Inhaltlich grenzt Hegel das positive Recht hingegen gegen das „Naturrecht oder das philosophische Recht“ ab (GW ,: § Anm.), wobei er besonders betont, dass jenes von diesem verschieden sein kann, ohne deshalb notwendigerweise im Widerspruch zu ihm zu stehen. Zwei der Gründe, die Hegel hierfür anführt, sind hier besonders relevant: Dem Inhalte nach hat dieß Recht ein positives Element […] β) durch die Nothwendigkeit, daß ein System eines gesetzlichen Rechts die Anwendung des allgemeinen Begriffes auf die besondere von außen sich gebende Beschaffenheit der Gegenstände und Fälle enthalten muß – eine Anwendung, die nicht mehr
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speculatives Denken und Entwicklung des Begriffes, sondern Subsumtion des Verstandes ist; γ) durch die für die Entscheidung in der Wirklichkeit erforderlichen letzten Bestimmungen. (GW ,: § ) Das philosophische Recht, in diesem Fall das abstrakte Recht, gibt also nur einen rechtlichen Rahmen vor, der allerdings der weiteren Spezifizierung durch positive Gesetze bedarf. Hier bringt Hegel damit das erste Mal allgemeine Prinzipien ins Spiel. Ob Hegel in Bezug auf die Formierung eine ähnliche Unterbestimmtheit sieht, ist nicht ganz klar. Seine Auskunft, die Formierung sei „nach der qualitativen Natur der Gegenstände und nach der Verschiedenheit der subjectiven Zwecke unendlich verschieden“, könnte aber so verstanden werden (GW ,: § Anm.). In Bezug auf die Bezeichnung ist Hegel hingegen wieder expliziter und charakterisiert diese als „dem gegenständlichen Umfang und der Bedeutung sehr unbestimmt“ (GW ,: § ). Wir können daher annehmen, dass alle drei Modi der Inbesitznahme der positiven Gesetzgebung Raum lassen. Aufgrund der Rolle der Inbesitznahme im Eigentumserwerb erstreckt sich diese philosophische Unterbestimmtheit unmittelbar auch auf das Eigentum. Es ist daher überraschend, dass Hegel Kants Rede vom provisorischen Eigentum dennoch nicht aufnimmt. Der Grund hierfür liegt meiner Vermutung nach in der bereits erwähnten Kritik an der Negativität des kantischen Rechtsbegriffs. Jeder Eigentumsanspruch ist ein Ausdruck des freien Willens und damit bereits Recht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hegel nicht meint, wer Eigentümer welcher Sachen ist, könne in jedem Fall auf philosophischem Wege bestimmt werden. V. Der bürgerliche Rechtsstreit Nachdem Hegel mit dem Vertrag einvernehmliche Interkationen zwischen Personen thematisiert hat, wendet er sich nun unter der Überschrift Unrecht verschiedenen Arten von Konflikten zu, die zwischen Personen als Eigentümern auftreten können. Die recht abstrakte Beschreibung des Unrechts in §§ – überspringe ich zunächst und komme direkt zur ersten Kategorie des Unrechts, das Hegel als unbefangenes Unrecht bzw. als bürgerlichen Rechtsstreit bezeichnet. Knowles () hat auf diese Konklusion Hegels bereits hingewiesen, allerdings nicht auf die relevanten Textbelege. In der Forschung werden diese Abschnitte, und insbesondere § , teilweise so verstanden, als würde Hegel hier das Unrecht allgemein als Vertragsbruch einführen und damit automatisch auch als Bruch des Rechtsgebots. Brooks hat diese Interpretation im Detail entwickelt (Brooks , – ; , – ; , ), Mohr (, – ) und Cristi (, ) scheinen aber ebenfalls diese These zu vertreten. Ohne die relevanten Passagen hier im Detail auslegen zu können, scheint dies allerdings nicht der Punkt zu sein, auf den Hegel hier hinauswill. Statt auf die Möglichkeit von
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Hegel führt den bürgerlichen Rechtsstreit über den Begriff des Rechtsgrundes ein, der hier zum ersten Mal auftaucht: Die Besitznahme (§. .) und der Vertrag für sich und nach ihren besonderen Arten, zunächst verschiedene Äußerungen und Folgen meines Willens überhaupt, sind, weil der Wille das in sich Allgemeine ist, in Beziehung auf das Anerkennen anderer Rechtsgründe. (GW ,: § ) Rechtsgründe sind also die äußerlichen Tatsachen, die das Eigentum an einer Sache begründen. Da durch Verträge nur Sachen erworben werden können, die irgendwann bereits durch eine Inbesitznahme erworben wurden, beschränke ich mich auf diese fundamentalere Art der Rechtsgründe. Hier macht Hegel einen neuen Aspekt der Allgemeinheit des persönlichen Willens explizit: der Respekt vor der anderen Person verlange die Anerkennung der von ihr vorgebrachten Rechtsgründe. Diese Rechtsgründe können aufgrund ihrer „Äußerlichkeit gegeneinander und Mannichfaltigkeit“ allerdings in Widerspruch zueinander geraten, was zu „RechtsCollisionen“ führt, in denen „jede [Person; D.H.] aus ihrem besonderen Rechtsgrunde die Sache für ihr Eigenthum ansieht“ (GW ,: § ). Da Hegel drei Modi der Besitznahme einführt, sollte es in der Tat möglich sein, dass sich ein und dieselbe Sache gleichzeitig auf verschiedene Weisen im Besitz verschiedener Personen befindet. Hieraus entstehende Konflikte charakterisiert Hegel wie folgt: Diese Collision, in der die Sache aus einem Rechtsgrunde angesprochen wird und welche die Sphäre des bürgerlichen Rechtsstreits ausmacht, enthält die Anerkennung des Rechts als des Allgemeinen und Entscheidenden, so daß die Sache dem gehören soll, der das Recht dazu hat. Der Streit betrifft nur die Subsumption der Sache unter das Eigenthum des einen oder des andern; – ein schlechtweg negatives Urtheil, wo im Prädicate des Meinigen nur das Besondere negirt wird. (GW ,: § ) Ich verstehe diese Auskunft so, dass sich beide Parteien eines bürgerlichen Rechtsstreits einig darüber sind, dass die Person, deren Anspruch durch die gewichtigeren Rechtsgründe gedeckt ist, Eigentümer der Sache sein soll. Vertragsbrüchen hinzuweisen, erklärt er die Möglichkeit des Unrechts in der Anmerkung zu § nämlich durch Verweis auf die bereits erwähnte begrenzte Reichweite von Verträgen: „Diese Besonderheit des Willens für sich aber ist Willkür und Zufälligkeit, die ich im Vertrage nur als Willkür über eine einzelne Sache, nicht als die Willkür und Zufälligkeit des Willens selbst aufgegeben habe.“ Zwar führt Hegel das Unrecht über den Vertrag ein, scheint hierbei aber lediglich darauf hinzuweisen, dass durch Verträge nicht prinzipiell verhindert werden kann, dass es zu Interaktionen zwischen Personen kommt, die durch Konflikt statt durch Konsens geprägt sind. Landaus (, ) ansonsten sehr überzeugende Darstellung scheitert in diesem Punkt an der Verengung des Begriffs des Rechtsgrundes auf Verträge.
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Für die Lösung eines solchen Konflikts wäre daher eine objektive Bewertung aller relevanten Rechtsgründe notwendig. Dazu seien Personen allerdings nicht in der Lage, da der persönliche Wille sich noch nicht „von der Unmittelbarkeit des Interesses“ befreit, und sich den „allgemeinen Willen zum Zweck“ gesetzt habe (GW ,: § ). Erst im Moralitätskapitel wird Hegel eine Willensstruktur entwickeln, die über die hierfür erforderlichen Reflektionsfähigkeiten verfügt. Beide Parteien bleiben also von der Überlegenheit ihrer Rechtsgründe überzeugt, sie fällen daher ein „schlechtweg negatives Urtheil“, indem sie das „Besondere“ im „Prädicate des Meinigen“ negieren. Im bürgerlichen Rechtsstreit werde daher lediglich die „Subsumption“ einer Sache unter das Eigentum des Kontrahenten bestritten, das geltende Recht bleibe jedoch an sich unangetastet. Ein solches Prädikat des Meinigen hat Hegel bisher nur einmal im Kontext der Zusammenfassung seiner Theorie des Eigentumserwerbs erwähnt: Durch die Besitznahme erhält die Sache das Prädicat, die meinige zu seyn, und der Wille hat eine positive Beziehung auf sie. (GW ,: § ) Während wir hier kaum mehr erfahren, als dass dieses Prädikat die Eigentumsbeziehung zwischen einer Person und einer Sache bezeichnet, erfahren wir in § nun, dass dieses Prädikat mehrere „Elemente“ umfasst, also mehrere Stellen besitzt. Das zweite, allgemeine Element dieses Prädikats führt Hegel allerdings erst in seiner Diskussion des Verbrechens ein. In der Forschung wird teilweise die These vertreten, ein bürgerlicher Rechtstreit könne nur dann entstehen, wenn wenigstens eine der beteiligten Parteien gegen das Rechtsgebot verstößt, da wenigstens eine der beteiligten Parteien objektiv im Unrecht sein müsse. Allerdings beschreibt Hegel den bürgerlichen Rechtsstreit konsequent als symmetrischen Konflikt. Zudem wird Hegels letzte Auskunft im Kontext dieser Diskussion häufig übersehen: […] noch ist er [der allgemeine Wille; D.H.] hier als eine solche anerkannte Wirklichkeit bestimmt, gegen welche die Partheyen auf ihre besondere Ansicht und Interesse Verzicht zu thun hätten. (GW ,: § ) Dieser Satz kann so verstanden werden, dass das Gewicht einzelner Rechtsgründe an diesem Punkt der Argumentation noch gar nicht hinreichend bestimmt ist, sodass eine objektive Abwägung der relevanten Gründe von den kontrahierenden Parteien gar nicht erwartet werden kann. Ich sehe daher keinen Grund zu der Ob die beteiligten Personen dieses Urteil wirklich fällen müssen, oder ob dieses nur die Struktur des Konflikts beschreibt, bleibt hier offen. Auf Hegels Urteilslehre werde ich hier nicht weiter eingehen, eine optimale Interpretation sollte diese aber einbeziehen. So beispielsweise Hösle (, , Fn. ), Mohr (, ) und Knowles (, ). Cristi (, ) hat bereits auf diese Interpretationsoption hingewiesen.
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Annahme, beim bürgerlichen Rechtsstreit müsse notwendigerweise eine normative Asymmetrie vorliegen. VI. Der Zwang Hegel definiert Verbrechen als eine Teilmenge von Zwangshandlungen (GW ,: § ), weshalb ich zunächst auf Hegels Zwangsbegriff eingehe. Hegel betont, die Freiheit des persönlichen Willens bedeute, dieser könne an sich zu nichts gezwungen werden: Es kann nur der zu etwas gezwungen werden, der sich zwingen lassen will. (GW ,: § ) Da der freie Wille sein Dasein aber im Eigentum habe, also in der äußeren Welt, könne einer Person dennoch Zwang angetan werden, indem ihr Eigentum gegen ihren Willen missbraucht wird (GW ,: § ). Der Zwang kann im abstrakten Recht also mit dem Eindringen in die Sphäre der Freiheit einer anderen Person gleichgesetzt werden. Für das Verständnis des Verbrechens ist der folgende Abschnitt von zentraler Bedeutung: Weil der Wille, nur insofern er Daseyn hat, Idee oder wirklich frey und das Daseyn, in welches er sich gelegt hat, Seyn der Freyheit ist, so zerstört Gewalt oder Zwang in ihrem Begriff sich unmittelbar selbst, als Aeußerung eines Willens, welche die Aeußerung oder Dasein eines Willens aufhebt. Gewalt oder Zwang ist daher, abstract genommen, unrechtlich. (GW ,: § ) Diese Aussage wird in der Forschung teilweise so verstanden, als sei jede Zwangshandlung, als Angriff auf ein Dasein der Freiheit, prinzipiell ein Verstoß gegen das Rechtsgebot. Diese Lesart übersieht allerdings, dass Hegel hier über den Zwang im Allgemeinen und nicht speziell über das Verbrechen spricht. Da Hegel auch die Strafe als Zwangshandlung definiert, klarerweise aber der Meinung ist, eine gerecht bemessene Strafe befinde sich in Übereinstimmung mit dem Rechtsgebot (GW ,: § ), ist diese Interpretation prima facie unplausibel. In dem zitierten Abschnitt betont Hegel, dass jede Zwangshandlung immer zwei Aspekte aufweise. Auf der einen Seite stelle sie einen Angriff auf das Dasein der Freiheit einer Person dar, auf der anderen Seite ist sie aber selbst auch „Äußerung eines Willens“, und damit selbst ein Dasein der Freiheit. Dieser zweite Aspekt scheint wichtig. Wenn Recht das Dasein freien Willens ist (GW ,: § ), dann kann diese Janusköpfigkeit des Zwangs so verstanden werden, dass der Zwang So explizit Wood (, ). Nisbets Übersetzung des Begriffs ‚unrechtlich‘ als ‚contrary to right‘ legt ebenfalls diese Deutung fest (Hegel [] , § ).
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sich nur pro tanto negativ auf die Verwirklichung des freien Willens auswirkt, alles in allem auf diese aber keine Auswirkung hat. Hegels Charakterisierung des Zwangs als „unrechtlich“ sollte daher nicht im Sinne von widerrechtlich, sondern ganz wörtlich im Sinne von unrechtlich verstanden werden, also als unbedeutend aus der Perspektive der Verwirklichung von Freiheit. Auf diese Unbedeutendheit des Zwangs scheint Hegel mit seiner Rede von der begrifflichen Selbstzerstörung des Zwangs abzuzielen. Diese Unrechtlichkeit des Zwangs erklärt auch, warum Hegel meint, Zwang könne durch Zwang ‚aufgehoben‘ werden. Im Kontext des abstrakten Rechts besteht eine Zwangshandlung immer darin, dass eine Person sich einer fremden Sache gegen den Willen ihres Eigentümers bemächtigt. Holt dieser diese sich in einem zweiten Zwangsakt wieder zurück, so ist damit die Ausgangssituation vollständig widerhergestellt, der erste Zwang also wörtlich ‚aufgehoben‘. Wäre jeder Zwang hingegen widerrechtlich, so wäre in diesem Fall die Endsituation nicht nur schlechter als die Ausgangssituation, sondern auch als die Situation vor der zweiten Zwangsausübung. Auch wenn Zwang nicht an sich widerrechtlich ist, besteht Hegel dennoch auf dem Status des abstrakten Rechts als „Zwangsrecht“ (GW ,: § ) und knüpft damit erneut an Kant an. Die von Hegel an dieser Stelle vertretene These, jede Person sei dazu berechtigt, ihr angetanen Zwang durch zweiten Zwang wieder aufzuheben und dadurch ihr Dasein der Freiheit zu schützen, ist mit der hier entwickelten Interpretation des Zwangs kompatibel. Denn aus der Perspektive jeder einzelnen Person ist jeder Zwang ein Angriff auf ihre Freiheit, der entsprechend beantwortet werden darf, auch wenn sich die beiden Aspekte des Zwangs aus einer neutralen Beobachterperspektive gegenseitig aufwiegen. Diese Perspektivität der Bewertung bestimmter Handlungen wird von Hegel auch durch die Beschreibung des Zwangs in der ersten Person nahegelegt. Das abstrakte Recht sei Zwangsrecht, weil im Zwang „das Dasyn meiner Freyheit“ angegriffen wird (GW ,: § ). Diese Interpretation des Zwangsbegriffs impliziert nicht, der Zwangscharakter einer Handlung sei für die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit dem Rechtsgebot irrelevant. Es ist gut möglich – und ich vermute auch tatsächlich Hegels Position –, dass Zwang zwar keine hinreichende, aber dennoch eine notwendige Bedingung jedes Bruchs des Rechtsgebots ist.
Diese Begriffsverwendung ist etwas idiosynkratisch, aber nicht abwegig (vgl. Grimm und Grimm [] , „Unrecht.“ Def..e.ζ.). Der Begriff ‚unmoralisch‘ weist noch heute diese Ambivalenz auf (vgl. Duden online, „unmoralisch“). Woods (, ) Kritik an Hegels Straftheorie scheint im Kern auf diesen Punkt hinauszulaufen.
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VII. Das Verbrechen Nachdem nun alle notwendigen begrifflichen Ressourcen bereitgestellt sind, führt Hegel im nächsten Abschnitt das Verbrechen ein: Der erste Zwang als Gewalt von dem Freyen ausgeübt, welche das Daseyn der Freyheit in seinem concreten Sinne, das Recht als Recht verletzt, ist Verbrechen, – ein negativ-unendliches Urtheil in seinem vollständigen Sinne (siehe meine Logik IIter B. S. ) durch welches nicht nur das Besondere, die Subsumtion einer Sache unter meinen Willen (§. .), sondern zugleich das Allgemeine, Unendliche im Prädicate des Meinigen, die Rechtsfähigkeit, und zwar ohne die Vermittlung meiner Meynung (wie im Betrug) (§. .), eben so gegen diese negirt wird, – die Sphäre des peinlichen Rechts. (GW ,: § ) Hegel charakterisiert das Verbrechen hier zum einen als frei gewählten ersten Zwang und zum anderen als Verletzung von „Recht als Recht“. Dass die erste dieser Charakterisierungen die Frage, ob der Verbrecher notwendigerweise das Rechtsgebot bricht, nicht entscheidet, wurde bereits gezeigt. Allerdings scheint auch die zweite Charakterisierung zunächst diese Lesart zu stützen. Bei genauerer Analyse eröffnet sich allerdings eine weitere Interpretationsoption, nach der auch diese zweite Charakterisierung des Verbrechens die Frage offenlässt, wie sich die Handlungen des Verbrechers zum Rechtsgebot verhalten. Wie in Abschn. dargelegt, meint Hegel in Bezug auf die Besitznahme, es bedürfe in manchen Fällen positiver Gesetze, um zu entscheiden, ob sich eine Person im Besitz einer bestimmten Sache befindet. Positive Gesetze sollen ihrer Form nach durch ihre Gültigkeit in einem Staat positiv sein (GW ,: § ), von der staatlichen Gesetzgebung war bis zu diesem Punkt der Argumentation allerdings noch nicht die Rede. Wenn Hegel die Freiheit der Person, wie in Abschn. dargestellt, im kantischen Sinne als Autonomie, also als Selbstgesetzgebung auffasst, haben wir in der Person selbst aber bereits eine Institution kennen gelernt, die, wenn nicht der Form, so doch zumindest dem Inhalte nach, positives Recht setzen kann. Wenn jede Person im durch das philosophische Recht vorgegebenen Rahmen das abstrakte Recht auf verschiedene Weisen spezifizieren darf, dann stellt sich die Frage, was passiert, wenn zwei Personen auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage das Eigentum an einer Sache für sich beanspruchen. In solchen Fällen kann eine Handlung, die aus Sicht der einen Person als Inbesitznahme einer herrenlosen Sache erscheint, aus Sicht einer anderen ein Diebstahl sein, und damit ein Verbrechen. Der Verweis auf die zeitlich erste Inbesitznahme oder auf die Forderung, die Freiheit des Anderen zu respektieren, führt an dieser Stelle nicht notwendigerweise weiter, da in solchen Fällen erst die positiven Gesetze bestimmen, wann eine Person sich überhaupt im Besitz einer Sache befindet. Während die eine Person sich zurecht als Opfer eines Verbrechens sieht, kann die andere
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Person daher berechtigterweise der Meinung sein, überhaupt keinen Zwang ausgeübt zu haben. Da Hegel auch das Verbrechen aus der Perspektive des Opfers beschreibt, scheint auch die Verwendung des Begriffs des Verbrechens für Konflikte dieser Art angebracht. Die Möglichkeit derartiger Konflikte zeigt, dass die Grenzen der unterschiedlichen Sphären der Freiheit im Rahmen des abstrakten Rechts noch nicht wohldefiniert sind. Die Frage ist nun, ob derartige Konflikte tatsächlich unter Hegels Begriff des Verbrechens fallen, oder ob „[d]ivergierende Meinungen über das geltende Recht“, wie Mohr (, ) meint, dem bürgerlichen Rechtsstreit zuzuordnen sind. In dem zitierten Abschnitt kontrastiert Hegel das Verbrechen explizit mit dem bürgerlichen Rechtsstreit. Während der letztere lediglich die „Subsumption“ der Sache unter das Eigentum einer Person und damit das besondere Element im Prädikat des Meinigen betreffe, sei der Streitgegenstand des Verbrechens „das Allgemeine, Unendliche im Prädicate des Meinigen, die Rechtsfähigkeit“. Einer verbreiteten Lesart zufolge meint Hegel mit diesem allgemeinen Element des eigentumsdesignierenden Prädikats die Rechtsfähigkeit der Person. Dieser Interpretation zufolge leugnet der Verbrecher also den Status seines Opfers als Rechtsperson und verstößt damit klarerweise gegen das Rechtsgebot. Auch wenn der Text diese Lesart nahelegt, sprechen sachliche Gründe gegen sie. Zum einen wäre es zumindest erklärungsbedürftig, warum das Prädikat, das das Eigentumsverhältnis einer Person zu einer Sache bezeichnet, eine Stelle für die Rechtsfähigkeit dieser Person aufweisen sollte. Zum anderen spricht gegen die Idee, jeder Verbrecher müsse seinem Opfer den Status als Rechtsperson absprechen, schon, dass Hegel dann nichts zu der Kategorie von Konflikten zu sagen hätte, in denen sich Personen fremden Eigentums bemächtigen, ohne deshalb gleich an der Rechtsfähigkeit ihres Opfers zu zweifeln. Ein einfacher Diebstahl wäre demnach kein Verbrechen. Die hier vorgestellte Interpretation legt einen anderen Kandidaten für dieses allgemeine Element im Prädikate des Meinigen nahe, nämlich das positive Recht, relativ zu dem ein Eigentumsverhältnis bestehen soll. Sachlich ist diese Lesart plausibel, da das abstrakte Recht verschiedene Spezifikationen zulässt, es also sinnvoll ist, dass das Prädikat, welches das Eigentum einer Person an einer Sache bezeichnet, die entsprechende Spezifikation miteinbezieht. Da Hegel in § die verschiedenen Formen des Unrechts kontrastiert, scheint mir der Bezug des Wortes „Rechtsfähigkeit“ nicht das Opfer, sondern das Verbrechen als Rechtskonflikt zu sein. Der bürgerliche Rechtsstreit betrifft nur die „Subsumption“ einer Sache unter das Eigentum einer Person, also die Anwendung allgemeiner Eigentumsnormen auf einen konkreten Fall. Der Verbrecher leugnet hingegen die Gültigkeit bestimmter Rechtsnormen. Das Verbrechen ist daher, im Gegensatz zum bürgerli So beispielsweise Mohr (, ); Losurdo (, ); Brooks (, ).
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chen Rechtsstreit, nicht der Lösung durch Rückgriff auf beidseitig akzeptierte Normen fähig. In einem derartigen Konflikt geht es nicht mehr nur darum, wessen Rechtsgründe gewichtiger sind, sondern darum, welche Tatsachen überhaupt Rechtsgründe darstellen. Der folgende Einwand liegt an dieser Stelle nahe: Hat Hegel nicht bereits in der Diskussion des bürgerlichen Rechtsstreits festgestellt, dass der Respekt vor der anderen Person das Anerkennen der von dieser vorgebrachten Rechtsgründe verlangt? Dieser Aspekt der Allgemeinheit des Willens sollte allerdings nicht so verstanden werden, dass jede Person verpflichtet sei, jede von einer anderen Person als Rechtsgrund angeführte Tatsache als solche anzuerkennen. Sie muss einen solchen Anspruch überprüfen dürfen, also fragen dürfen, ob das von der anderen Person angegebene Verhältnis zu einer Sache überhaupt ein Besitzverhältnis ist, da sonst jede noch so abwegige Behauptung einen Eigentumsanspruch begründen könnte. Stattdessen sollte diese These Hegels lediglich so verstanden werden, dass Personen nach allgemein formulierten Normen handeln sollen, sich also nicht dadurch selbst bevorteilen dürfen, dass sie nur Tatsachen über sich als Rechtsgründe anerkennen. Selbst wenn diese Forderung erfüllt ist, bleibt die Möglichkeit bestehen, dass ein und dieselbe Tatsache auf der Grundlage verschiedener Rechtsvorstellungen von einer Person als Rechtsgrund anerkannt wird und von einer anderen nicht. Dabei können sich beide Parteien eines solchen Konflikts allerdings dennoch als vollwertige Rechtspersonen respektieren. Bleibt die Frage nach der Charakterisierung des Verbrechens als Verletzung von ‚Recht als Recht‘. Nach Hegels Festsetzung des Rechtsbegriffs in § darf hier ‚Recht‘ durch ‚Dasein des freien Willens‘ ersetzt werden; der Verbrecher verletzt also ein Dasein des freien Willens als ein Dasein des freien Willens. Die Erklärung dieser Charakterisierung des Rechts ist nun problemlos möglich. Im Kontext des abstrakten Rechts hat der freie Wille sein Dasein im Eigentum. Dabei verwirklicht sich der freie Wille nicht lediglich nach seiner besonderen Seite, durch das Eigentum an bestimmten Sachen, sondern durch das Setzen von Eigentumsnormen auch nach seiner allgemeinen Seite. Diese für den persönlichen Willen bedeutendere allgemeine Seite wird nun im Verbrechen angegriffen. Es kommt also zu Konflikten, in denen das allgemeine Element des Willens einer Person mit dem allgemeinen Element des Willens einer anderen in Konflikt gerät. Auch wenn Hegel an keiner Stelle von Recht in der Pluralform spricht, so zeigt sich im Verbrechen, dass im abstrakten Recht noch kein allgemeines Recht verwirklicht ist, da viele individuelle Rechtsvorstellungen nebeneinander bestehen können. In der ersten Beschreibung des Unrechts hatte Hegel bereits angekündigt, dass sich das Die Ersetzung von „Recht“ an dieser Stelle durch „die Prinzipien des abstrakten Rechts“ o. ä. ist hingegen nicht zulässig, da bereits hier zwischen dem philosophischen Recht und dem positiven Recht unterschieden werden muss.
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Recht im Unrecht als „Besonderes und damit Mannichfaltiges gegen seine an sich seyende Allgemeinheit und Einfachheit“ und damit als „Schein“ erweisen wird (GW ,: § ). Das Verbrechen zeigt, dass an diesem Punkt in der Argumentation noch kein allgemeiner Wille existieren muss beziehungsweise kann. Der freie Wille ist aber an sich allgemein, was im Kontext des abstrakten Rechts durch die Anerkennung allgemein gültiger Eigentumsnormen zum Ausdruck kommt. Im Verbrechen zeigt sich nun aber, dass dieser Anspruch des Willens auf Allgemeingültigkeit noch nicht erfüllt ist, da andere Personen, deren Willen ebenfalls ein Dasein der Freiheit ist, legitimerweise die Gültigkeit anderer Normen behaupten können. Aufgrund der Unterbestimmtheit des philosophischen Rechts ist es allerdings, entgegen Quantes (, ) eingangs thematisierter Darstellung, nicht notwendigerweise der Fall, dass der Wille einer der an einem solchen Konflikt beteiligten Personen interne Widersprüche aufweisen muss. Dieser (enttäuschte) Allgemeingültigkeitsanspruch des Willens ist ein weiterer Aspekt der Allgemeinheit des Willens, den Hegel anhand des Verbrechens herausarbeitet. VIII. Asymmetrische Interpretationen des Verbrechens Das Verbrechen als Konflikt über die gültigen Eigentumsnormen zu konzeptualisieren ist in der Forschung ein durchaus verbreiteter Ansatz. Dennoch werden hieraus nicht die im letzten Abschnitt skizzierten Folgerungen gezogen. Die Schlussfolgerung, Verbrechen seien möglich, selbst wenn alle Personen sich an das Rechtsgebot halten, lässt sich dann vermeiden, wenn gezeigt werden kann, dass in solchen Konflikten bereits immer eine bestimme Spezifikation des abstrakten Rechts einen privilegierten Status genießt. In diesem Abschnitt diskutiere ich einige Ausformulierungen dieser These. Eine gerade in der jüngeren Forschung wieder populäre Interpretation kehrt das hier dargestellte Verhältnis zwischen Eigentum und Verträgen um. Dieser Interpretation zufolge setze der Eigentumserwerb immer schon eine gegenseitige Anerkennung in Form einer vertraglichen Einigung über die gültigen Eigentumsnormen voraus. Ein Verbrechen involviert dieser Lesart zufolge daher immer einen Vertragsbruch. Diese Interpretation ist allerdings mit einer Reihe von Schwierigkeiten konfrontiert. Zunächst legt der Text dieses Verständnis des Verhältnisses von Eigentum und Vertrag nicht nahe. Hegel führt das Eigentum ohne jede Bezugnahme auf Verträge ein und beschreibt Verträge von Anfang an als Austausch von Eigentum und nicht nur von Besitz (GW ,: § ). Hegel macht sehr deutlich, dass dieses Eigentum bereits vor Vertragsschluss bestanden hat, da im Brooks (, ) betont diese These besonders, aber auch Westphal (, ) liest Hegel auf diese Weise.
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Vertrag „jeder mit seinem und des anderen Willen aufhört, Eigenthümer zu seyn, es bleibt und es wird […]“ (GW ,: § ). Schwerer wiegt aber der Einwand, dass Hegel dem Vertrag im Kontext des abstrakten Rechts diese rechtsstiftende Rolle prinzipiell nicht zugesteht. Wie bereits erwähnt, können für Hegel im Vertrag nur einzelne äußerliche Sachen veräußert werden, niemals allgemeine Prinzipien oder Normen (GW ,: § ), worauf Hegel in der Einführung des Unrechts abermals hinweist (GW ,: § Anm.). Hegels Ablehnung des Kontraktualismus (GW ,: § Anm.) zeigt seine Skepsis der Idee gegenüber, ein allgemeiner Wille könne durch den gemeinsamen Willen des Vertrags erreicht werden. Williams (, – ) fasst die These, soziale Konventionen könnten die gültigen Eigentumsnormen bestimmen, daher weiter. Williams zufolge können nicht nur Verträge, sondern beispielsweise auch die Bräuche und Gewohnheiten einer Gesellschaft diese Funktion erfüllen. Den Prozess der gesellschaftlichen Festlegung beschreibt Williams als Prozess der Konvergenz (convergence), der zur Formung eines allgemeinen Willens führt, beziehungsweise einer Situation des allgemeinen „Anerkanntseins“. Unrecht entstehe immer dann, wenn ein Individuum sich über dieses allgemeine „Anerkanntsein“ hinwegsetzt: Wrong arises when an individual breaks, violates, or usurps these arrangements. Wrong consists in the violation of Anerkanntsein. […] The individual regards everyone else as a nullity, while regarding, contract, the universal custom, or law (Anerkanntsein), either as a mere particular that he may set aside – at least in his own case – or as of no importance, thus placing himself above the universal or in violation of it. (Williams , ) Eine solche Bildung eines allgemeinen Willens durch einen gesellschaftlichen Konvergenzprozess ist am Text allerdings schwer nachzuvollziehen. Weder erwähnt Hegel allgemeine Bräuche, noch thematisiert er im abstrakten Recht überhaupt die gesellschaftlichen Umstände. Da Hegel der Mehrheitsmeinung im abstrakten Recht keine besondere Rolle zuweist, ist nicht klar, woher solche Bräuche ihre normative Relevanz gewinnen sollten. Williams rechtfertigt diese starken Thesen durch die Annahme, die Grundlinien sollten als direkte Fortsetzung der Argumentation Hegels in der Phänomenologie verstanden werden und es könnte daher vorausgesetzt werden, die dort beschriebenen ursprünglichen Kämpfe um Anerkennung (struggles for recognition) seien bereits abgeschlossen (Williams , ). Die Plausibilität dieses Ansatzes kann hier nicht diskutiert werden, ich möchte aber auf einige Punkte hinweisen: Zum einen ist keineswegs selbstverständlich, dass die Anerkennung der anderen Person die Anerkennung bestimmter positiver Gesetze miteinschließt. Die hier vertretende These ist ja gerade, dass Personen sich trotz eines Konflikts über das geltende Recht gegenseitig als Personen anerkennen können. Zudem macht diese Interpretation Hegels Argument komplizierter, als es sein müsste, da sie eine der Rechtsphilosophie vorgeordnete
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Phase der Kämpfe um Anerkennung postuliert, die Hegel in den Grundlinien zudem mit keinem Wort erwähnt. Ob diese Interpretation überhaupt konsistent ausformuliert werden kann, ist ebenfalls fraglich, da Williams nicht erklärt, wie zwischen diesen Kämpfen um Anerkennung und den Verbrechen im Sinne des abstrakten Rechts unterschieden werden soll. Im Prozess der Konvergenz auf bestimmte Eigentumsnormen wird es wohl einen Punkt geben müssen, an dem ein und dieselbe Handlung aufhört, Kampfhandlung zu sein, und anfängt, verbrecherisch zu werden. Eine in manchen Punkten ähnliche Interpretation hat zuletzt Maxi Berger vertreten, indem sie auf die historische Gegebenheit bestimmter Eigentumsnormen verweist: Umgekehrt hatte sich aber auch gezeigt, daß das abstrakte Recht vor der Betrachtung seiner gesellschaftlichen Umsetzung nicht widerspruchsfrei zu denken ist: Der Begriff des Eigentums ist auf seine Vorgeschichte verwiesen. Zwar wurden Besitz und Eigentum durch Arbeit vermittelt, aber die dem Arbeitsprozess vorausgesetzte Aneignung der Arbeitsmittel und des Bodens ist ebenso vorausgesetzt wie die Anerkennung des Privateigentums. Beides wird in den Grundlinien nicht mehr reflektiert, sondern als gesetzt betrachtet. (Berger , ) Da Hegel die Widersprüchlichkeit des abstrakten Rechts, die sich in den drei Formen des Unrechts zeige, selbst explizit diagnostiziert (GW ,: § ), kann diese Folgerung nicht überzeugen. Falls Hegel wirklich die Autonomie einzelner Personen an den Anfang seiner Untersuchung stellt, spricht gegen diese Interpretation zudem die Tatsache, dass die historisch vorgefundenen Eigentumsnormen nicht Ausdruck persönlicher Selbstbestimmung sind, ihre Bindungskraft daher erklärungsbedürftig bleibt. Der schwerwiegendste Einwand gegen Interpretationen dieser Art besteht aber darin, dass die innerhalb einer Gesellschaft allgemein akzeptierten Bräuche und Gesetze selbst nicht notwendigerweise den von Hegel im Sittlichkeitskapitel entwickelten Gerechtigkeitsstandards entsprechen. Wie Wood (, f.) zurecht betont, vertritt Hegel, in Abgrenzung zur rechtshistorischen Schule, konsequent die Position, ungerechte Gesetze könnten zu nichts verpflichten. Wood meint daher, die Unterbestimmtheit des abstrakten Rechts könne nur durch die Gesetze eines gerechten Staates aufgelöst werden: The actual content of the rights of persons has to be determined in relation to the entire legal and political structure of the state. […] In Hegel’s view, those who give laws and codify them have the vocation of specifying the content of right precisely. (Wood , ) Die Hauptaufgabe des Staates sei daher, das Naturrecht weiter zu spezifizieren:
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In general, Hegel conceives of ‚natural right‘ (what is ‚in itself right‘) not as something to be contrasted with positive law but rather something to be made determinate by it (PR § R). (Wood , ) In diesem Punkt stimme ich Wood voll und ganz zu. Der grundlegende Unterschied zwischen dieser und der hier dargelegten Interpretation besteht darin, dass Wood implizit davon ausgeht, Hegel würde die Existenz staatlicher Gesetze und ihre normative Verbindlichkeit bei seiner Diskussion des abstrakten Rechts bereits voraussetzen. Wood schließt hieraus, der Verbrecher verstoße bereits im Kontext des abstrakten Rechts immer gegen gerechte Gesetze und damit gegen das Rechtsgebot (Wood , ). Diese Annahme wird in der Literatur nicht nur von Wood getroffen, ist aber erklärungsbedürftig. Zunächst ist den Kommentatoren zuzustimmen, die betonen, dass Hegel an der „wissenschaftlichen Entwicklung der Idee“ und nicht an der „zeitlichen Entwicklung“ der einzelnen Gestalten des Rechts interessiert ist (GW ,: § Anm.). Die in den Grundlinien zuerst entwickelten Rechtsgestalten sollen den später entwickelten zwar begrifflich vorausgesetzt sein, Hegel meint aber nicht, dass beispielsweise das Eigentum daher vor der Familie entstanden sei. Hegel geht daher nicht von der Annahme eines historischen Naturzustands aus. Dies impliziert allerdings nicht, dass alle im Sittlichkeitskapitel entwickelten Institutionen von Hegel bei der Diskussion des abstrakten Rechts bereits vorausgesetzt werden. Hegel scheint das Treffen einer Naturzustandsannahme im Gegenteil explizit zu erlauben, beispielsweise in folgender Bemerkung aus dem Kontext seiner Diskussion des Zwangs: Pädagogischer Zwang, oder Zwang gegen Wildheit und Rohheit ausgeübt, erscheint zwar als erster, nicht auf Vorangehung eines ersten erfolgend. Aber der nur natürliche Wille ist an sich Gewalt gegen die an sich seyende Idee der Freiheit […]. Entweder ist ein sittliches Daseyn in Familie oder Staat schon gesetzt, gegen welche jene Natürlichkeit eine Gewaltthätigkeit ist, oder es ist nur ein Naturzustand, Zustand der Gewalt überhaupt vorhanden, so begründet die Idee gegen diesen ein Heroenrecht. (GW ,: § Anm.) An diesem Punkt der Argumentation, also unmittelbar vor der Einführung des Verbrechens, lässt Hegel also noch offen, ob außer Eigentum und Vertrag bereits weitere Rechtsinstitutionen bestehen. Auf das hier erwähnte Heroenrecht werde ich im nächsten Abschnitt zurückkommen. Zwar nimmt Hegel an einigen Stellen seiner Diskussion des abstrakten Rechts Bezug auf die staatliche Gesetzgebung, qualifiziert diese Bemerkungen in der Regel aber als Erwähnungen von Dingen, die streng genommen nicht ins abstrakte Recht gehören. So beispielsweise in seiner
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Auflistung verschiedener Beispiele für Verbrechen, in der es um die Wiederholung der Struktur des Verbrechens in späteren Systemteilen geht: Das Recht, dessen Verletzung das Verbrechen ist, hat zwar bis hierher nur erst die Gestaltungen, die wir gesehen haben […]. Aber das in diesen Formen Substantielle ist das Allgemeine, das in seiner weiteren Entwicklung und Gestaltung dasselbe bleibt und daher ebenso dessen Verletzung, das Verbrechen, seinem Begriffe nach. Den besonderen, weiter bestimmten Inhalt, z. B. in Meyneid, Staatsverbrechen, Münz-Wechsel-Verfälschung u.s.f. betrifft daher auch die im folgenden § . zu berücksichtigende Bestimmung. (GW ,: § Anm.; Herv. D.H.) Derartige Passagen sind also kein Beleg für die These, der Staat sei hier bereits vorausgesetzt. Selbst wenn staatliche Institutionen hier vorausgesetzt werden könnten, wäre die entscheidende Frage damit noch nicht geklärt, nämlich ob Personen im Kontext des abstrakten Rechts bereits dazu verpflichtet sind, sich an die Gesetze des Staates zu halten. Unstrittig ist, dass Hegel keine anarchistische Position vertritt und im Resultat die Gesetze eines gerechten Staates als verbindlich ansieht (GW ,: § ). Allerdings betrachten wir Personen hier, wie in Abschn. dargelegt, nur ihrem abstrakten Begriffe nach, also nur allgemein als rechtsfähige Person, nicht hingegen als Bürger eines bestimmten Staates, weshalb die Verbindlichkeit staatlicher Gesetze hier erst noch gezeigt werden muss. Durch die Bestimmung der Festlegung bestimmter Eigentumsnormen als Aufgabe des Staates hat Wood dies noch nicht geleistet. Ein sehr klares Argument hierfür wurde bereits von Knowles formuliert, dessen Interpretation der Woods in dieser Hinsicht ähnelt: We emphasized earlier that the will is free when it operates upon itself, by ordering its desires. In a community of persons, this ordering will take two forms. Individuals will appropriate, use and dispose of their property in pursuit of their considered plans and ambitions, and in full recognition of the claims of others to respect. Ordering will take place here at a second, higher level as persons work out a system of rules governing the exact scope of appropriation, use and alienation, and methods and materials of acceptable exchange. […] [Herv. D.H.]. In a primitive way, therefore, men will accept rules governing their status and relations as property holders as expression of their (now ordered) wills. There is no mystery here […]. The citizen is the author of the laws of the sovereign. Part of the reason he is obliged to obey them is that the laws obey the citizens own ordered preferences, an ordering each citizen would accept were he, in a thought experiment, to place himself in a State of Nature. […] When the laws of Aber auch in GW ,: §§ Anm., Anm. u. Anm.
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nature are transformed into the laws of the sovereign, the will of the citizen achieves a positive, determinate expression. (Knowles , ) Wie die hervorgehobene Passage deutlich macht, misst auch Knowles der Unterbestimmtheit des philosophischen Rechts eine zentrale Bedeutung bei. Diese soll durch einen Ordnungsprozess aufgelöst werden, in dem sich Personen auf eine Spezifikation des Eigentumsrechts einigen. Dieses Argument scheint allerdings nicht überzeugend. Zum einen wird dieser zweite Ordnungsprozess von Hegel nicht thematisiert, im Gegensatz zu dem von Knowles ebenfalls erwähnten ersten Ordnungsprozess, den Hegel in der Einleitung als „Reinigung der Triebe“ beschreibt (GW ,: § ). Zum anderen scheint das von Knowles beschriebene Verfahren, nach dem dieser Ordnungsprozess ablaufen und das dessen normative Bindungskraft begründen soll, nicht vielversprechend. Würden alle Personen dadurch, dass sie sich fragen, welche Normen sie im Naturzustand akzeptieren würden, wirklich zu dem gleichen Ergebnis kommen und so eine Einigung erreichen, dann wäre das abstrakte Recht nicht unterbestimmt. Die Verbindlichkeit staatlicher Gesetze auf der Ebene des abstrakten Rechts ist damit noch nicht hinreichend belegt. Ich glaube daher, dass Hegel im abstrakten Recht eine normative Naturzustandsannahme trifft, hier also nur privatrechtliche Normen eine Rolle spielen können. Die Schwierigkeiten, mit denen diese verschiedenen Varianten der Standardlesart des Verbrechens konfrontiert sind, zeigen zumindest, dass die im letzten Abschnitt entwickelte Interpretation nicht nur zulässig ist, sondern tatsächlich eine ernstzunehmende Alternative darstellt. IX. Das Heroenrecht Statt die Verbindlichkeit der staatlichen Gesetzgebung als Prämisse des von Hegel im letzten Teil des abstrakten Rechts entwickelten Arguments zu betrachten, kann die Notwendigkeit einer staatlichen Gesetzgebung umgekehrt auch als eine Konklusion dieses Arguments verstanden werden. Gerade weil das abstrakte Recht Konflikte um die gültigen Eigentumsnormen nicht ausschließen kann, sind staatliche Institutionen notwendig, um den Rahmen zur Einigung über das geltende Recht zu bieten, den Verträge Hegel zufolge nicht bieten können. Da Hegels Straftheorie hier relevant wird, kann ich diese Interpretation an dieser Stelle nur skizzieren. Hegel führt die Strafe im Anschluss an seine Diskussion des Verbrechens unter Rückgriff auf die bereits besprochene These ein, das Verbrechen ließe sich als erster Zwang durch einen zweiten Zwang ‚aufheben‘. Während der Verbrecher durch seine Tat die von Seiten des Opfers akzeptierten Rechtsnormen in Frage stellt, wird ihre Gültigkeit durch die Strafe hingegen neu behauptet:
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Die positive Existenz der Verletzung ist nur als der besondere Wille des Verbrechers. Die Verletzung dieses als eines daseyenden Willens [die Strafe; D.H.] also ist das Aufheben des Verbrechens, das sonst gelten würde, und ist die Wiederherstellung des Rechts. (GW ,: § ) Die Strafe ist gerecht, sofern sie „Wiedervergeltung“ ist, d. h. solange sie dem Verbrechen „nach dem Werthe“ angemessen ist (GW ,: § ). Im Kontext des abstrakten Rechts nimmt die Strafe allerdings die Form der Rache an. Die Rache kann, wie Hegel betont, zwar dem Inhalte nach prinzipiell gerecht sein (GW ,: § ), der Form nach ist sie allerdings nur die Handlung einer Einzelperson: Die Rache wird hierdurch, daß sie als positive Handlung eines besonderen Willens ist, eine neue Verletzung: sie verfällt als dieser Widerspruch in den Progreß ins Unendliche und erbt sich von Geschlechtern zu Geschlechtern ins Unbegrenzte fort. (GW ,: § ) Da der Verbrecher zumindest in manchen Fällen aus seiner Perspektive tatsächlich nichts falsch gemacht hat, so kann er die Rache selbst dann, wenn diese Wiedervergeltung darstellt, nur als Verbrechen gegen sich auffassen, das wiederum geahndet werden muss. Aus der Perspektive des ersten Opfers handelt es sich dabei dann allerdings lediglich um ein weiteres Verbrechen und so weiter. In diesem ewigen Kreislauf der Gewalt kämpfen die Parteien dabei nicht nur um den Besitz bestimmter Sachen, sondern auch um die Anerkennung bestimmter Eigentumsnormen. Diese Struktur sieht Williams’ Kämpfen um Anerkennung durchaus ähnlich, ist im abstrakten Recht aber keineswegs bereits überwunden. Die Standardlesart des Verbrechens scheint hier hingegen zu einem anderen Ergebnis zu kommen, da die gerechte Strafe eines Bruchs des Rechtsgebots de facto keine neue Verletzung darstellen sollte. Da sich derartige Gewaltspiralen entwickeln können, ohne dass wenigstens eine der beteiligten Parteien zumindest einmal gegen das Rechtsgebot verstoßen hat, zeigt sich das abstrakte Recht als prinzipiell ungeeignet, eine allgemeine Verwirklichung der Freiheit zu garantieren. Tatsächlich charakterisiert Hegel den Naturzustand als „Zustand der Gewalt überhaupt“ (GW ,: § Anm.). Gegen diesen bestehe, wie bereits erwähnt, ein Heroenrecht, auf das Hegel nun zurückkommt: Von der Privat-Rache ist die Racheübung der Heroen, abentheuernder Ritter u.s.f. verschieden, die in die Entstehung der Staaten fällt (GW ,: § ). Das Heroenrecht ist also das Recht zur Staatsgründung.
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Ohne Hegels Heroenbegriff hier genauer zu bestimmen, scheint er damit ein Recht des Stärkeren zu postulieren. Dieses sollte allerdings nicht als Recht zur Herrschaft verstanden werden, sondern lediglich als das Recht, eine bestimmte Spezifikation des abstrakten Rechts zu institutionalisieren und damit als Legislative zu fungieren. Hegel bestätigt dies im Kapitel Die Weltgeschichte nochmals, und stellt dabei auch fest, dass dieses Recht nicht nur in Form der Rache, sondern auch in Form des Verbrechens ausgeübt werden darf. Der Heros darf also bereits als Staatsgründer aktiv werden, noch bevor er selbst Opfer eines Verbrechens geworden ist: In gesetzlichen Bestimmungen und in objektiven Institutionen, von der Ehe und dem Ackerbau ausgehend (s. § . . Anm.), hervorzutreten, ist das absolute Recht der Idee, es sey, daß die Form dieser ihrer Verwirklichung als göttliche Gesetzgebung und Wohlthat oder als Gewalt und Unrecht erscheine; – diß Recht ist das Heroenrecht zur Stiftung von Staaten. (GW ,: § ) Der hier entwickelten Interpretation des Verbrechens zufolge bedarf diese These keiner weiteren Rechtfertigung, da manche Handlungen des Heroen, die aus dessen Sicht rechtskonform sind, aus der Sicht anderer verbrecherisch sein können. Zwischen einer proaktiven und einer reaktiven Anwendung des Heroenrechts kann in solchen Fällen daher nicht sinnvoll unterschieden werden. Streng genommen bringt das Heroenrecht also keine besonderen Befugnisse mit sich, schließlich darf jede Person Verstöße gegen die eigene Freiheit ahnden, und bedarf daher auch keiner speziellen Rechtfertigung. Würde jedes Verbrechen allerdings einen Bruch des Rechtsgebot darstellen, das Heroenrecht also ein Recht zum Verstoß gegen das philosophische Recht beinhalten, bliebe Hegel hier eine Rechtfertigung dieser starken These schuldig. Wie bereits dargelegt, kann der Wille nicht gezwungen werden, wenn er sich nicht zwingen lassen will (GW ,: § ). Auch der Heros kann also niemanden dazu zwingen, bestimmte Normen zu akzeptieren. Daher besteht Hegels unmittelbare Antwort auf die Probleme des abstrakten Rechts auch nicht im Heroenrecht, sondern in der Einnahme des „moralischen Standpunkts“ und der hiermit verbundenen Entwicklung des persönlichen zum subjektiven Willen (GW ,: § ). Da der Heros aber die oben beschriebenen Rachezyklen tendenziell gewinnen wird, kann er immerhin starke Anreize dafür setzen, sich mit ihm auf bestimmte Eigentumsnormen zu einigen. Auch wenn das Heroenrecht keine besonderen Kompetenzen einschließt, spricht Hegel von diesem als einem Recht, weil der Heros damit für den weltgeschichtlichen Prozess der Verwirklichung der Freiheit eine wichtige Funktion übernimmt. Da Hegel diese Ideen aber zum ersten Mal am Ende des abstrakten Rechts und aus dem abstrakten Rechts heraus ent Für eine Begriffsbestimmung siehe Senigaglia ().
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wickelt, scheint er diesen Einigungsprozess hier noch nicht vorauszusetzen, sondern die Notwendigkeit eines solchen Prozesses damit zu begründen, dass ohne einen solchen selbst dann ein Zustand der Gewalt droht, wenn niemand an einem solchen ein Interesse hat. X. Fazit Die hier vorgeschlagene Interpretation verdeutlicht allerdings auch eine Spannung in Hegels Konzeption. Wenn das Verbrechen tatsächlich primär als Konflikt über die geltenden Eigentumsnormen bestimmt ist, dann ist schwer einzusehen, warum Hegel das Verbrechen per Definition auch an den Zwangsbegriff knüpft, besonders da Hegel dem Zwang keine prinzipielle Widerrechtlichkeit zuschreibt. Es stellt sich also die Frage, wie ein zwangloser Konflikt um die gültigen Eigentumsnormen oder ein mit Zwangsmitteln ausgetragener bürgerlicher Rechtsstreit zu verstehen sind. Wenn verschiedene Unrechtstypen in erster Linie über ihren Konfliktgegenstand charakterisiert sind, spricht nichts gegen die Sinnhaftigkeit dieser Kategorien. Wenn die Möglichkeit des bürgerlichen Rechtsstreits selbst dann eine Unzulänglichkeit des abstrakten Rechts aufzeigen soll, wenn der entsprechende Konflikt keinen Zwang involviert, warum sollte ein zwangloser Konflikt über das geltende Recht dies nicht ebenfalls leisten können? Umgekehrt erklärt Hegel auch nicht, warum der bürgerliche Rechtsstreit nicht selbst in Zwangshandlungen enden sollte, schließlich sind auch hier beide Parteien wirklich davon überzeugt, alleinige Eigentümer der umstrittenen Sache zu sein. Tatsächlich diskutiert Hegel unmittelbar vor der Einführung der Strafe noch eine Klasse von Fällen, in denen trotz geschehenen Zwangs eine Strafe nicht angebracht sei: Die Verletzung als nur nach dem äußerlichen Daseyn oder Besitze ist ein Uebel, Schaden an irgend einer Weise des Eigenthums oder Vermögens; die Aufhebung der Verletzung als einer Beschädigung ist die civile Genugtuung als Ersatz, insofern ein solcher überhaupt Statt finden kann. (GW ,: § ) In Fällen, in denen eine Verletzung rein äußerlich ist, also nicht das Recht als Recht betreffe, solle demnach die Kompensation des erlittenen Schadens genügen. Eine Klasse von Fällen, auf die dies zutreffen sollte, sind solche, in denen überhaupt kein zugrundeliegender Konflikt besteht. Zertrampelt beispielsweise der Ochse des einen das Feld des anderen, so ist dies im Sinne des abstrakten Rechts zwar als Zwang zu werten, eine Strafe ist hier aber nicht angebracht. Hegel meint also nicht, Verbrechen und Strafe seien die einzigen Erscheinungsformen des Zwangs im abstrakten Recht. Diese Fragen ergeben sich also auch unabhängig von der hier vorgestellten Interpretation, gewinnen durch diese aber an Relevanz. Dass Hegel sich überhaupt genötigt sah, diesen Abschnitt zwischen der Diskussion des Verbrechens und der Diskussion der Strafe einzuschieben, spricht allerdings dafür, dass
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sein Versuch, die verschiedenen im abstrakten Recht möglichen Konflikte und die Rolle des Zwangs in einem einzigen argumentativen Strang zu entwickeln, hier an seine Grenzen stößt. Dennoch kann Hegels Ansatz auch einiges leisten. Zunächst nimmt Hegel die kantische Einsicht auf, dass die unilaterale Besitznahme im Naturzustand, beziehungsweise im rein privatrechtlichen Zustand, andere Personen auch dann nicht notwendigerweise verpflichten kann, wenn die Besitznahme selbst dem Kriterium der Rechtmäßigkeit genügt. Hegel untermauert diese Einsicht, indem er zeigt, dass der Begriff der Inbesitznahme selbst verschiedene Interpretationen zulässt, die selbst dann Eigentumskonflikte zwischen Personen hervorrufen können, wenn beide Personen sich als Person respektieren und sich darauf einigen können, dass der Besitz als Ausdruck des freien Willens Eigentumsansprüche begründet. Von der Möglichkeit derartiger Konflikte ausgehend entwickelt Hegel eine Begründung für die Notwendigkeit und Legitimität staatlicher Institutionen. Wo solche Institutionen nicht bestehen, begründet Hegel auf diese Weise ebenfalls ein Recht, andere Personen zum Eintritt in einen staatlichen Zustand zu zwingen. Schon Kant hatte die These vertreten, Personen dürften einander auch proaktiv, also selbst wenn ihre Rechte noch nicht verletzt wurden, zum Eintritt in einen Zustand öffentlichen Rechts zwingen, solange sie nur in einem potenziellen Kausalverhältnis zueinander stehen. Allerdings wird Kants Argument hierfür nicht immer als sehr befriedigend betrachtet, da Kant zur Begründung dieser These auf die Annahme zurückgreifen muss, dass sich im Naturzustand „Niemand des Seinen wider Gewaltthätigkeit sicher“ sein kann (AA VI: ). Kant scheint hier die Begründungsebene zu wechseln, indem er neben rein rechtlichen Überlegungen über die Kompatibilität der Freiheit verschiedener Personen nach allgemeinen Gesetzen auch Tatsachen darüber miteinbezieht, wie sicher sich Personen ihrer Freiheit in Zukunft sein können. Hegel hingegen gelingt es, unter gewissen Annahmen natürlich, ein rein rechtliches Argument für die These zu liefern, im privatrechtlichen Zustand dürfe immer, notfalls auch mit Gewalt, ein Zustand öffentlichen Rechts angestrebt werden. In anderen Worten funktioniert Hegels Argument selbst dann, wenn sich alle Personen an das Rechtsgebot halten und wissen, dass alle anderen Personen dies auch tun werden, also auch unter stärkeren idealisierenden Annahmen. Hegel schiebt damit jeder romantischen Hoffnung, die Notwendigkeit des Staates könne durch eine moralische Veredelung des Menschen beseitigt werden, einen Riegel vor. Hegel nimmt damit kantische Ideen nicht nur auf, sondern entwickelt diese auch konsequent weiter. Diese letzten Kommentare sind natürlich spekulativ, aber sie deuten auf einige der Forschungsfragen hin, die sich aus dieser Neubewertung des hegelschen Verbrechensbegriffs ergeben.
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Siglen AA
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Benno Zabel DIE URTEILSKRAFT AUF DER BÜHNE DES RECHTS Ein anderer Blick auf Hegels Theorie moderner Freiheit
ABSTRACT:
The concept of judgment does not occupy a particularly prominent place in modern legal philosophy. The concept of political judgment, by contrast, plays a much more significant role. Nonetheless, examining the juridical side of judgment may make us more aware of the links that exist between the political and the legal spheres. In this way one may also see that there is, connected to the idea of judgment, a normative project that rightfully acquires its own reality and concrete form in a universally binding frame of interpretation. It is Hegel’s merit to have spelled out this multi-perspectivity of judgment in a model of right and the administration of justice. At the same time it offers an alternative view of the promise of freedom of modernity.
I. Von der politischen zur rechtlichen Urteilskraft Urteilskraft ist kein exponierter Begriff der modernen Rechtsphilosophie. Das ist mehr als verwunderlich, würde man doch bei einem Begriffsfeld, das für die Legitimation des Rechts und die damit verbundene Gerechtigkeitskultur von so eminenter Bedeutung ist, eine intensivere Auseinandersetzung erwarten (vgl. etwa Dworkin , ). Wenn heute von Urteilskraft, von den Praktiken des Urteilens und Entscheidens die Rede ist, dann geht es vornehmlich um Fragen der Ästhetik und der politischen Theorie (Menke ; Esser , ). Gerade der Blick auf die politische Theorie oder die politische Urteilskraft kann aber durchaus hilfreich sein, um ein vertieftes Verständnis der rechtlichen Dimension zu erlangen. Denn Recht und Politik verweisen wechselseitig aufeinander, sie sind nicht nur Antipoden, sondern komplementäre Konstitutionsbedingungen der Lebenswelt. Vor diesem Hintergrund wird sich zeigen, dass Hegel über ein sehr differenziertes und immer noch anschlussfähiges Konzept verfügt. Beginnen wir mit einem Blick auf die politische Seite, die politische Grammatik der Urteilskraft: Angesprochen ist damit eine Orientierungs- und Entschei Eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Menke () und Möllers (). Interdisziplinäre Debatten finden sich bei Koch () und auch in dem Sammelband von Vismann/Weitin (). Etwas anderes gilt für Fragen der juristischen Hermeneutik und der Rhetorik, vor allem aber für die rechtstheoretischen Argumentations- und Gesetzesauslegungstechnik, vgl. etwa Bung () und Neumann (). Darauf werden wir zurückkommen. Siehe nur die Analysen bei Habermas (); Honneth (); Rawls (). Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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dungskompetenz, die sich, so Hannah Arendt, auf das gesamte soziale Feld, auf die Gesellschaft mit ihren gewordenen und sich ständig verändernden Arrangements bezieht. Praktiken des Urteilens und Entscheidens sollen eine normative Offenheit, eine Dynamik und Verlässlichkeit menschlichen Zusammenlebens ermöglichen. „Das Wort Urteilen“, so Arendt, hat in unserem Sprachgebrauch zwei durchaus voneinander zu scheidende Bedeutungen, die uns doch, wenn wir sprechen, immer durcheinander gehen. Es meint einmal das ordnende Subsumieren des Einzelnen und Partikularen unter etwas Allgemeines und Universales, das regelnde Messen mit Maßstäben, an denen sich das Konkrete auszuweisen hat und an denen über es entschieden wird […]. Urteilen kann aber auch etwas ganz anderes meinen, und zwar immer dann, wenn wir mit etwas konfrontiert werden, was wir noch nie gesehen haben und wofür uns keinerlei Maßstäbe zur Verfügung stehen. Dies Urteilen, das maßstabslos ist, kann sich auf nichts berufen als die Evidenz des Geurteilten selbst, und es hat keine anderen Voraussetzungen als die menschliche Fähigkeit der Urteilskraft, die mit der Fähigkeit zu unterscheiden sehr viel mehr zu tun hat als mit der Fähigkeit zu ordnen und zu subsumieren. (Arendt , ) Arendt hebt hier zwei alternative politische Urteilsformen hervor, eine konservativ-ordnende und eine schöpferisch-gestaltende, und stützt sich dabei auf Kants Unterscheidung in der Kritik der Urteilskraft. Kant hatte bekanntermaßen mit dem Geschmacksurteil eine besondere epistemische Fähigkeit verknüpft und das auf folgende Formel gebracht: Urtheilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine ([…] das Gesetz) gegeben, so ist die Urtheilskraft, welche das Besondere darunter subsumirt […], bestimmend. Ist aber nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urtheilskraft bloß reflectirend. (AA V: ) Arendt ist mit Kant der Überzeugung, dass freies Urteilen ein vernünftiges gerechtes Handeln auch in Gesellschaften ermöglicht, die sich nicht mehr auf ein geschlossenes oder transzendent abgesichertes Weltbild berufen können; deren Leitunterscheidungen, die bisher als Maßstab des Denkens und Handelns dienten, sich wandelten oder temporär versagten. Gleichwohl, so Arendt, sei den Menschen Arendt spricht auch von „Vorurteil“ und „eigentlichem Urteil“ und stellt klar: „Daß Vorurteile eine so außerordentlich große Rolle im alltäglichen Leben und damit in der Politik spielen, braucht man an sich nicht zu beklagen, und man sollte auf keinen Fall versuchen, es zu ändern. Denn ohne Vorurteile kann kein Mensch leben, und zwar nicht nur, weil keines Menschen Klugheit oder Einsicht dazu ausreichen würde, all das neu zu beurteilen, worüber ihm ein Urteil im Laufe seines Lebens abverlangt wird, sondern weil eine solche Vorurteilslosigkeit eine übermenschliche Wachheit erfordern würde.“ (Arendt , )
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ein Urteil darüber, was die Grundregeln des sozialen Lebens sein sollten, zumutbar. Das gelte selbst dann, wenn, wie in der Welt Kafkas, „die Normalität offenbar zu einer Ausnahme geworden ist“ (Arendt , ). Arendt stemmt sich gegen einen selbstgefälligen Nihilismus, gegen eine Entwertung aller Werte mit einer Haltung, die sie „Denken ohne Geländer“ nennt (Arendt , ). Um diesem Denken und Handeln dennoch eine regelgeleitete Form zu geben, setzt Arendt auf das, was Kant als sensus communis bezeichnet hatte. Mobilisiert wird damit ein Beurteilungsvermögen, welches in seiner Reflexion auf die Vorstellungsart jedes andern in Gedanken […] Rücksicht nimmt, um gleichsam an die gesamte Menschenvernunft sein Urtheil zu halten […]. Dieses geschieht nun dadurch, daß man sein Urtheil an anderer, nicht sowohl wirkliche, als vielmehr bloß mögliche Urtheile hält, und sich in die Stelle jedes andern versetzt, indem man […] von den Beschränkungen, die unserer eigenen Beurtheilung zufälliger Weise anhängen, abstrahirt (AA V: f.). Dieser so begründete sensus communis ist keineswegs mit einem wie auch immer verstandenen common sense identisch. Er ist in gewisser Weise sogar das Gegenteil: Es geht nicht darum, akzeptierten Mehrheitsmeinungen per se den Status eines reflektierten Allgemeinurteils zuzusprechen. Der sensus communis ist für Arendt vielmehr eine Art soziale Einbildungskraft, ein „Sondersinn, der uns in die Gemeinschaft einfügt […], weil die Kommunikation, d. h. die Sprache, von ihm abhängt“ (Arendt , ). Mit dieser Rekonstruktion der Urteilskraft als politisches Gestaltungsvermögen insistiert Arendt auf einer Selbstreflexivität moderner Gemeinwesen; auf Gemeinwesen, die Freiheit nicht als etwas Gegebenes und Selbstverständliches ansehen, sondern ebenso wissen, dass Freiheit immer wieder neu gedacht, erkämpft und weiterentwickelt werden muss. Weder Kant noch Arendt haben die Idee der Urteilskraft systematisch mit der rechtlichen Dimension, speziell mit dem juristischen Verfahren in Verbindung gebracht (was rechtliche Bezüge keineswegs ausschließt). Das mag den jeweiligen Erkenntnisinteressen geschuldet gewesen sein. Allerdings ist nicht zu übersehen,
Zum Vergleich die Formulierung Kants aus der Kritik der Urteilskraft: „Hier ist nicht die Rede vom Vermögen des Erkenntnisses, sondern von der Denkungsart, einen zweckmäßigen Gebrauch davon zu machen: welche, so klein auch der Umfang und der Grad sei, wohin die Naturgabe des Menschen reicht, dennoch einen Mann von erweiterter Denkungsart anzeigt, wenn er sich über die subjektiven Privatbedingungen des Urtheils, wozwischen so viele andere wie eingeklammert sind, wegsetzen, und aus einem allgemeinen Standpunkte (den er dadurch nur bestimmen kann, daß er sich in den Standpunkt anderer versetzt) über sein eigenes Urtheil reflektirt.“ (AA V: ) So finden sich in Kants Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre kaum Überlegungen, an anderen Stellen äußerst er sich jedoch zur Fragen der Professionalisierung rechtlicher Urteilskraft wie er sie für den Rechtslehrer oder Richter für notwendig hält (dazu Wieland , ). Bei Arendt
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dass rechtliches Handeln und richterliches Urteilen große Bedeutung für das soziale Zusammenleben haben und dass diese Bedeutung in dem Maße zunimmt, in dem das Recht zum gesellschaftlichen Leitmedium avanciert. Insofern kann die Beschäftigung mit der rechtlichen Dimension auf die enge Verflechtung und auf die Dynamik aufmerksam machen, die zwischen politischer und rechtlicher Sphäre besteht. Sichtbar wird dann aber auch, dass mit der Idee der Urteilskraft ein normatives Projekt verknüpft ist, das im Recht eine eigene Wirklichkeit erhält und durch einen allgemein verbindlichen Deutungsrahmen seine konkrete Form gewinnt. Diese Multiperspektivität der Urteilskraft in einem Modell des Rechts und der Rechtspflege ausbuchstabiert zu haben, ist das Verdienst Hegels. Hegels spekulatives Denken erfasst, wie zu zeigen sein wird, das Recht durch ein Netzwerk von Urteilsformen, durch eine innere Verknüpfung von Logik, Methode und Praxis; als solche sind namentlich das individuelle personale Handeln, die institutionelle Struktur (Gesetz, Verfahren) und das darin zur Geltung kommende Rechtsbewusstsein zu diskutieren. Hegel hat die Spannungen, die das Recht selbst produziert und denen es ausgesetzt ist, durchaus thematisiert, aber sie in einem geordneten Staatswesen für beherrschbar gehalten. An dieser Freiheitsdialektik ist immer wieder Kritik geübt worden. Jedenfalls für die Gegenwart stellt sich die Frage, ob Urteilskraft im Recht neu gedacht werden muss, will man der Fragilität bürgerlicher Gesellschaften gerecht werden. Dem werden wir uns am Ende der Überlegungen widmen. II. Urteil und Gesetz, Rache und Rechtsbewusstsein A. Logik der Urteilsformen und freier Wille Beginnen wir mit einigen Bemerkungen zur Methode: Denn Hegels Philosophie der modernen Welt lässt sich besser verstehen, wenn das Netzwerk der Urteilsformen auf seine logischen Wurzeln (das, was Hegel die Wissenschaft der Logik nennt) zurückbezogen wird. Möglich wäre es insofern, von einer Logik der Urteilsformen zu sprechen. Die Rede von der Logik präzisiert das spekulative Programm, auf dem auch die Rechtsbegründung beruht. Hegel geht davon aus, dass die Wirklichkeit eine Vernunftentwicklung und einen Vernunftanspruch artikuliert, Vernunft also nicht das Andere der Wirklichkeit ist. Überzeugen will er uns aber auch davon, dass dieses Universum der Wirklichkeit durch einen internen dagegen stehen die politische Theorie und die politische Urteilskraft in engem Zusammenhang mit der Begründung eines Rechts auf Rechte. Schnädelbach (, ); Siep (, ); Tugendhat (, ). Dazu etwa Brandom (, ); Kervégan (); Pippin (, ); Quante (, ).
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Selbstdifferenzierungsprozess der geistigen Substanz (als Subjektivität) zu begreifen ist. Anders formuliert, reflektiert wird auf die anerkannten Prinzipien, auf die Formen und Ideen gelungenen menschlichen Zusammenlebens. Hegel unterscheidet dafür zwischen drei Grundtypen der Reflexion, zwischen der Seins-, Wesens- und Begriffslogik (siehe hierzu Stekeler-Weithofer , ). Ziel dieser perspektivischen Analyse ist die Rekonstruktion und, soweit notwendig, die Kritik unserer Kulturtradition, der Wissens- und Wahrheitsansprüche, der eingeübten Praxisformen usw. Für den hier interessierenden Bereich der Rechtsphilosophie betrifft diese Analyse den freien Willen als Grundprinzip des objektiven Geistes. § der Grundlinien umreißt in Hegels spekulativer Sprache das Projekt. „Der Boden des Rechts“, heißt es dort, „ist überhaupt das Geistige und seine nähere Stelle und Ausgangspunkt der Wille, welcher frey ist, so daß die Freyheit seine Substanz und Bestimmung ausmacht und das Rechtssystem das Reich der verwirklichten Freyheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht, als seine zweyte Natur, ist.“ (GW ,: § ) Hegels Bestimmung von Wille und Freiheit weicht erheblich von der philosophischen Tradition ab. Dechiffriert man die spekulative Semantik, so bleiben wichtige begriffliche Einsichten. Dabei ist zu beachten: Die Rede vom (freien) Willen wird schon im Ansatz missverstanden, wenn damit, wie heute üblich, ein atomistisches Fähigkeitenkonzept identifiziert wird. Die Grundstruktur des Willens, wie sie Hegel versteht, artikuliert die praktisch-performative Seite vernünftiger Selbstbestimmung. Wille und Freiheit sind nicht nur analytisch miteinander verknüpft. Der Wille verwirklicht auch das gesamte Reich der Freiheit und stellt für Hegel ein immanentes Bewertungskriterium für Handlungen, Normen und Ansprüche dar (Quante , ). Methodisch verbinden sich damit zwei Standpunkte: der Standpunkt des Individuums (des Subjekts, der Person) und der Standpunkt der sozialen Welt, der Institutionen, der Gesellschaft, des Rechts. Mit dem individuellen Standpunkt soll gezeigt werden, dass (Wahl-)Freiheit notwendig eines Bewusstseins, einer Selbstreferenz bedarf. Das Bewusstsein der Freiheit stellt das Individuum vor eine Vielzahl von Entscheidungsalternativen. In der konkreten Entscheidung tritt, so Hegel, das besondere Individuum in die Welt. Beide Perspektiven stehen in einem ontologischen Abhängigkeitsverhältnis, das begrifflich ausgemittelt werden muss. Gemeint ist hier, dass sich die Autonomie des Individuums immer dann verwirklicht, wenn im Bewusstsein der Wahlfreiheit und unter Berücksichtigung allgemein anerkannter Überzeugungen moralische, rechtliche und politische Entscheidungen getroffen werden. Der Verweis auf die allgemein anerkannten Überzeugungen macht aber bereits deutlich, dass Hegel in der Willenssemantik auch den anderen, den sozialen oder sittlichen Standpunkt berücksichtigen will, genauer, dass er auf den freiheitskonstitutiven Charakter der sozialen Hegel (GW ,: – ); zur Erläuterung Vieweg (, ).
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Welt aufmerksam machen möchte. Als zweite Natur, wie Hegel formuliert, ist das institutionelle Geflecht eine Gestalt vernünftiger Selbstbestimmung, Institutionen sind also immer auch Teil eines geschichtlich und kollektiv begründeten Reflexionsprozesses (das wird uns noch beschäftigen; siehe auch Khurana , ). Gerade deshalb sind Institutionen zwar durch einzelne Individuen oder Gruppen gestalt- und veränderbar. Was Hegel jedoch bestreitet, ist, dass die Legitimation und die Infrastruktur freier Gemeinwesen allein auf individuelle rationale Entscheidungen zurückgeführt werden können. Es ist dieses Selbstbestimmen und dieses Sich-selbst-Verfassen des freien Willens, das uns hilft, Hegels Deutung der Urteilskraft richtig einzuordnen. Denn in diesem Verständnis des Willens zeigt sich zunächst die produktive Verbindung von (logischem) Urteil und Urteilskraft: Die Logik des Urteils insistiert darauf, dass wir um richtige Begriffsverwendungen bemüht sein müssen, weil wir ansonsten unser Handeln gar nicht verstehen. Nicht die Klassifikation oder die Definitionen (also die Urteile des Daseins), sondern die inferentielle Bewertung der Normalfolgen, die Relevanz von Kräften, Ursachen, Dispositionen usw., ermöglicht ein belastbares Wissen über unsere soziale Praxis. Hierbei ist die performativ-subjektive und die praktischallgemeine Perspektive zu unterscheiden. Die Leistung der Urteilskraft besteht nun aber gerade darin, beide Perspektiven zusammenzuschließen und auf die Idee des Guten zu beziehen. Im Gegensatz zu Kant zielt diese Tätigkeit der Urteilskraft nicht allein auf die Form; vielmehr ist menschliches Handeln und Urteilen für Hegel immer als kontext- und kulturpfadabhängig zu begreifen (GW : – ). Zu fragen ist jedoch, inwiefern Urteilskraft mit der Idee des Guten verbunden ist und in welcher Weise das Netzwerk der Urteilsformen die Rechtskultur freier Gemeinwesen repräsentiert. B. Rache, Rechtsbewusstsein und Gesetz Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist das, was wir die Binnendifferenzierung freier Gemeinwesen nennen können (Habermas , ; Möllers a, ). Hegel hat diese Binnendifferenzierung bekanntermaßen anders gedeutet als heutige Demokratiemodelle. Die bis in die Gegenwart kontrovers geführte Debatte um den vermeintlichen oder tatsächlichen Konservatismus, um eine Demokratiefeindlichkeit Hegels usw., soll hier nicht fortgeschrieben werden. Sie „Das objective Sittliche, das an die Stelle des abstracten Guten tritt, ist die durch die Subjectivität als unendliche Form concrete Substanz. Sie setzt daher Unterschiede in sich, welche hiermit durch den Begriff bestimmt sind, und wodurch das Sittliche einen festen Inhalt hat, der für sich nothwendig mit ein über das subjective Meynen und Belieben erhabenes Bestehen ist, die an und für sich seyenden Gesetze und Einrichtungen.“ (GW ,: § ; dazu Zabel , )
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ist inzwischen wenig ergiebig. Aufschlussreicher ist ein Perspektivenwechsel, der in den Blick nimmt, wie Hegel im Rahmen dieser Binnendifferenzierung Rechtsverhältnisse ordnet und auf eine reflexive und institutionelle Begründung verpflichtet. Wenn wir uns die spekulative Willenssemantik bewusst machen, dann wird erkennbar, welchen Plan Hegel mit seiner Binnendifferenzierung des Rechts verfolgt: Wir beginnen, so schreibt er in der Enzyklopädie, mit etwas Abstractem, – nämlich mit dem Begriff des Willens; – schreiten dann zu der in einem äußerlichen Daseyn erfolgenden Verwirklichung des noch abstracten Willens, zur Sphäre des formellen Rechtes fort; – gehen darauf zu dem aus dem äußeren Daseyn in sich reflectirten Willen, dem Gebiete der Moralität über; – und kommen endlich drittens zu dem diese beiden abstracten Momente in sich vereinigenden und darum concreten, sittlichen Willen (GW ,: , Zus. zu § der Enzyklopädie ()). Die Binnendifferenzierung des Rechts ist also nicht in der Art einer selbstreferentiellen Normenordnung konzipiert, wie sie etwa Kelsen () verteidigt hat. Abstraktes Recht, Moralität und Sittlichkeit bezeichnen willensbasierte Organisationsformen, namentlich der Person, des Subjekts, der bürgerlichen Gesellschaft und des Staatsrechts. Sie sind Standpunkte oder Sphären einer Ordnung, aufgrund derer normative Standards (Rechte, Pflichten) zur Geltung gebracht werden. Nun ist es keineswegs so, dass Hegel positiv gesetzte Normen, die Gesetzgebung im Allgemeinen usw. ablehnen würde, das Gegenteil ist der Fall. Hegel beharrt aber darauf, dass normative und insbesondere rechtliche Standards erstens keine einseitigen subjektiven oder objektiven Setzungen markieren, dass sie zweitens unterschiedliche Verwirklichungsgrade der Freiheit repräsentieren, die in einem freien Gemeinwesen zu vermitteln sind, und die drittens nicht nur passiv erduldet werden, sondern aktiv, durch das performative und praktische Handeln der Rechtssubjekte ihre Wirkung entfalten sollten. Wenn wir eingangs von der rechtlichen Urteilskraft, von einem Netzwerk der Urteilsformen gesprochen haben, so können wir das jetzt weiter präzisieren: Urteilskraft ist nichts, was den Rechtssubjekten einfach übergestülpt wird. Rechtliche Urteilskraft verwirklicht sich zwar in den sozialen Strukturen eines Gemeinwesens, in den Institutionen, Gesetzen, Verfahren usw. (Das unterscheidet sie jedenfalls bis zu einem gewissen Grade von der politischen Urteilskraft Arendts.) Aber Urteilskraft agiert auch reflexiv, praktisch und dialektisch. Sie wird durch das Handeln der (professionellen, juristischen) Akteure in Szene gesetzt, gerät in Konflikte und muss ihren Gerechtigkeitsanspruch, also den Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, immer wieder neu unter Beweis stellen. Klärend Kervégan (, ).
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Am Beispiel der Rache können wir die Logik, die Perspektivität und die Eigenart rechtlichen Urteilens verdeutlichen. Rache hat zu jeder Zeit Gesellschaften fasziniert und entzweit. Sie steht, so heißt es immer wieder, für die unterschwellige Verbindung von Recht und Gewalt (Menke , ), für die unauflösbaren Aporien des Rechts – woran uns vor allem die Tragödien erinnern wollen. Sie steht aber auch für ein Urteil, das die Welt in zu Bejahendes und zu Verneinendes teilt, Rache kommuniziert Sinn. Aber was heißt hier Sinn? Nietzsche etwa attestierte der Rache einen Gestus, in dem Affekt und Gerechtigkeit miteinander verschmelzen. Weil aber der Affekt, sei es aus Furcht oder aus Furchtlosigkeit, auf die Zukunft gerichtet ist, kann die Gerechtigkeit der Rache nur als Fiktion einer Zukunft Bedeutung erlangen. Rache ist fiktive Gerechtigkeit (Ruda , ). Die Pointe ist unverkennbar: Im Akt der Rache werden Gewalt und Recht ununterscheidbar. Diejenigen, die Recht, Strafe und Rache dennoch unterschieden, imaginierten nichts anderes als eine „Phantasmagorie der vorweggenommenen zukünftigen Seligkeit“ (Nietzsche , ). Hegel formuliert das Gegenprogramm, d. h. er nähert sich der Rache in rechts- und begriffsanalytischer Weise. Rache, so die These, ist eine Reaktion auf erlittenes Unrecht. Unrecht führt Hegel als einen nach Art und Qualität der Rechtsverletzung graduierbaren Begriff ein, am Ende dieser Skala steht das Verbrechen als negativ unendliches Urteil. Denn wer, so Hegel, „ein Verbrechen begeht […], der negirt nicht bloß, wie im bürgerlichen Rechtsstreit, das besondere Recht eines anderen auf diese bestimmte Sache, sondern das Recht desselben überhaupt“, ja er negiert „das Recht im Allgemeinen“ (GW ,: , Zus. zu § der Enzyklopädie ()). Einzelheiten der Begriffsanalyse brauchen wir hier nicht diskutieren. Der Bezug zum Unrecht und namentlich zum Verbrechen zeigt an, dass in der Rache dem Unrechts-Urteil ein freies Rechtsurteil entgegengesetzt wird. Die Rache hat deshalb für Hegel nicht nur ihre Berechtigung. Soweit sie auf Wiedervergeltung angelegt ist, ist sie sogar gerecht. Allerdings schränkt Hegel diese Bestimmung umgehend ein. Denn der Sache nach ist und bleibt die Rache „die Handlung eines subjectiven Willens […], dessen Gerechtigkeit daher überhaupt zufällig“ ist (GW ,: § ). Das freie Rechtsurteil der Rache ist ein Akt der Willkür, gerade weil das Erreichen der intendierten Gerechtigkeit vom Zufall abhängt. Diese Zufälligkeit ist für Hegel aber vor allem zwei Strukturmomenten geschuldet: der Verschränkung von Affekt (Gefühl, Emotion) und Entscheidung in der Rache und der defizitären Form des Rechtsurteils. In der Rache kommt demnach zum Vorschein, dass das einzelne Individuum eine freie Entscheidung trifft, die sich nicht aus der Unmittelbarkeit der Leidenschaft lösen kann, die vielmehr, wie bei Kleists Michael Kohlhaas, ein unabschließbares Projekt initiiert. Als unabschließbares Projekt setzt Dazu auch Benjamin (, ) und Derrida (). Einzelheiten bei Zabel (, ).
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die Rache einen endlosen Wiederholungs- und Wiederverletzungszwang in Gang. Auch Hegel erkennt darin wie Nietzsche die Signatur der Zukunftsfiktion. Nur deutet er sie anders: Die in der Form des Rechtsurteils kommunizierte Selbstreferentalität des Affekts entwertet im Gegenzug die normative Idee des gerechten Ausgleichs, „sie verfällt als dieser Widerspruch in den Progress ins Unendliche und erbt sich von Geschlechtern zu Geschlechtern fort“ (Zabel , ). Rache ist affektive, d. h. unmögliche Gerechtigkeit. Es ist kein Verdikt, das Hegel über die Rache fällt. Es ist das Resultat einer logischen Urteilsanalyse, bei der die Form (Wiederverletzungszwang) das Ziel (Gerechtigkeit) desavouiert oder doch desavouieren kann. Urteilskraft muss sich deshalb, wenn sie Gerechtigkeit verwirklichen will, eine andere Form geben. Hegels Antwort auf das Rache-Dilemma ist, wie wir wissen, die Aufhebung des Affekts in Form eines wiedervergeltenden und deshalb freien (Straf-)Urteils. Die Bewältigung des Konflikts wird damit von der Zukunftsfiktion auf die Perspektive der Gegenwartsvernunft umgestellt. Strafe will die Deutungshoheit über die Vergangenheit. Denn verwirklichte Freiheit ist nur möglich, wenn der Geltungsanspruch des begangenen Unrechts entkräftet, das widersprüchliche Urteil des Verbrechers an ihn selbst adressiert wird (auf ihn selbst zurückschlägt). Strafe markiert so nicht nur den Widerspruch zwischen Inhalt und Form der Rache, sondern beansprucht auch, diesen Widerspruch im Strafurteil zurückzunehmen (Ruda , ). Aber nicht nur das. Meistens wird übersehen, dass Hegel die Lösung von Rechtskonflikten ausdrücklich einer institutionellen Form überantwortet, der Rechtspflege. Die Rechtspflege wird zur Form der Form, mit ihr wird der Konflikt des abstrakten Rechts vergesellschaftet. Wir kommen darauf an anderer Stelle zurück (Abschnitt III.B). Diese Neucodierung der Konfliktlösung, aber auch die Einbeziehung eines formgebundenen institutionellen Settings haben selbst Voraussetzungen, ohne die Hegels Freiheitstheorie nicht gedacht werden kann: Angesprochen sind das allgemeine Rechtswissen oder Rechtsbewusstsein und das Gesetz. Rechtsbewusstsein und Gesetz sind Ausdruck der hegelschen Willensarchitektur und folglich der Binnendifferenzierung des Rechts. Beide Begriffe werden auch heute als Strukturmomente eines rechtsstaatlich geordneten Gemeinwesens angesehen. Allerdings wird gegen Hegel häufig ein nicht- oder nachmetaphysisches Verständnis des Rechts und des Rechtsstaates in Anschlag gebracht. Rechtsbewusstsein und Gesetz stehen danach im Zentrum eines liberalen Werte- und Normendenkens. Das Werte- und Normendenken der Moderne ist zwar selber aus einer Abwehr szientistischer Deutungen der sozialen Welt hervorgegangen (Schnädelbach ). Es verbindet den demokratischen Gedanken individueller Partizipation mit den
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Prinzipien republikanischer Machtbegrenzung. Nimmt man jedoch Hegels theoretischen Standpunkt ein, scheint das liberale Projekt gleichsam in der Luft zu hängen. Zu fragen wäre dann, woher diese Werte und Normen kommen, warum sie überhaupt Verbindlichkeit für den Einzelnen oder die Gesellschaft erzeugen und auf welcher Grundlage sie im Recht allgemeine (zwangsbewehrte) Geltung beanspruchen können. Hegel agitiert in seiner Zeit, in der das liberale und demokratische Projekt noch in den Anfängen steckt, weder gegen Partizipationsnoch Machtbegrenzungsszenarien, nicht gegen Werte (soweit sie ihn interessieren) und Normen (Buck-Morss ). Aber er hat eine andere Idee von freiheitsbegründender Legitimation. Denn gerade für das Recht und die Kultur der Konfliktlösung gilt, dass sie nur in einem Prozess praktisch performativer und sozialer Selbstreflexivität ihre Wirkung entfalten. In diesem Sinne ist auch die Formulierung in § der Grundlinien zu verstehen, dort heißt es: Die objective Wirklichkeit des Rechts ist, theils für das Bewußtseyn zu seyn, überhaupt gewußt zu werden, theils die Macht der Wirklichkeit zu haben und zu gelten und damit auch als allgemein gültiges gewußt zu werden. (GW ,: § ) Wenn die Rede von der Wirklichkeit des Rechts als einer Gestalt des Selbstbewusstseins, des allgemeinen Rechtswissens, zugleich auf eine praktisch performative und soziale Selbstreflexivität verweist, dann geht es ganz im Sinne des oben schon skizzierten Willenskonzepts um den diskursiven und gestuften Rahmen einer Urteilsgemeinschaft. Der Begriff der Urteilsgemeinschaft soll verdeutlichen, dass moderne Sozial- und Lebensformen Kohärenz nur über aktive, aber durchaus fragile Aushandlungsprozesse erzeugen können. Sie verfügen über sinnstiftende Kraftzentren, gleichzeitig müssen ihre handlungsleitenden Potentiale immer wieder neu erarbeitet, evaluiert und korrigiert werden. Hegels klassischer Begriff dafür lautet Sittlichkeit. Ohne dass wir hier Einzelheiten der Sittlichkeitskonzeption diskutieren können und schon gar nicht die Kontroversen, lässt sich aber festhalten: Hegel führt im Rahmen der Sittlichkeit verschiedene Praktiken und Urteilsformen zusammen. Das betrifft die Begründung kleinster sozialer Zellen als Liebes-, Solidar- und Bildungsgemeinschaften, die Infrastruktur der Marktwirtschaft und der Rechtspflege, die Institutionen der sozialen Fürsorge und öffentlichen Verwaltung in der bürgerlichen Gesellschaft, und es betrifft die Organisation der politischen Verfassung eines freien Gemeinwesens. Insofern sind die Gesellschafts- oder Bürgersubjekte mit ihren propositionalen Einstellungen auf das bezogen, was Hegel das wirkliche Selbstbewusstsein nennt (Rödl ), wir können Pettit (, ); Skinner (, ); zum Freiheitskonzept Constant (, ); Berlin
(, ). Vertiefend etwa McDowell (, ). Statt vieler Honneth (, ); Pippin (, ).
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auch sagen, sie sind bezogen auf die Grundbedingungen menschlichen Zusammenlebens (wenngleich in ganz unterschiedlicher Weise). Für den Bereich des Rechts und die Rechtssubjekte konkretisiert sich diese Einsicht in der Anerkennung eines äußeren Daseins der Freiheit und folglich im Umgang mit den Gesetzen. Hegel fasst das in § Grundlinien zusammen: Was an sich Recht ist, ist in seinem objectiven Daseyn gesetzt, d.i. durch den Gedanken für das Bewußtseyn bestimmt und als das was Recht ist und gilt, bekannt, das Gesetz; und das Recht ist durch diese Bestimmung positives Recht überhaupt […]. Was Recht ist, erhält erst damit, daß es zum Gesetze wird, nicht nur die Form seiner Allgemeinheit, sondern seine wahrhafte Bestimmtheit. (GW ,: § ) Recht als positives Recht begegnet den Subjekten zwar als durch den Gesetzgeber gemachtes, gleichzeitig ist es aber Ausdruck des kollektiven Freiheitswissens (diese Vernunftbestimmung des Gesetzes schränkt Hegel aber mit Blick auf die Zeitgebundenheit jeder positiven Rechtsordnung ein: Zufälligkeiten und Besonderheiten könnten auch dazu führen, dass das, was Gesetz sei, sich in seinem Inhalte noch von dem unterscheide, was an sich Recht sei). Gesetze sind nicht nur Autoritätsbegrenzungs-, sondern zugleich orientierungsleitende Kommunikationsmedien. Gesetze haben mit dem Anspruch der Universalität – der Verallgemeinerbarkeit – aufzutreten. In diesem Sinne werden sie aber selbst zu Repräsentanten einer auf das äußere Dasein bezogenen Urteilsgemeinschaft. Schon Hegel sieht, dass die Legitimität jedes Rechtsstaatsmodells gerade darauf beruht, dass der Staatsgewalt, dem verfassten Gewaltmonopol ein allgemeines Gesetz eingeschrieben ist. Staatsgewalt und Gesetz artikulieren in dieser Konstellation den verbindlichen Freiheitsrahmen; einen Freiheitsrahmen, den wir auch heute meinen, wenn wir von demokratischer Herrschaft sprechen, auch wenn sich die konkrete Organisation von Herrschaft geändert haben mag. In diesem Sinne realisieren Gesetzgebungsorgane Freiheit durch Herrschaft. Denn Gesetze werden erlassen, um die Reichweite von individuellen Rechten und Pflichten zu bestimmen (Möllers b, ). Dagegen können wir von Freiheit vor Herrschaft sprechen, wo die Rechtsprechung in einem speziellen Verfahren die Rechte des Einzelnen gegen die staatliche Gewalt oder auch gegen andere private Akteure durchsetzt. Freiheit und Herrschaft sollen hier in einem offenen Verhältnis und durch ein professionelles Rechtsurteil vermittelt werden. Während also in der Gesetzgebung das Freiheitsanliegen aller Bürger zur Debatte steht, geht es beim judikativen Handeln um das berechtigte Freiheitsanliegen des Einzelnen in einem besonderen Fall. Hegel hat genau das im Blick, wenn er in § der Grundlinien schreibt: Das Recht in der Form des Gesetzes in das Daseyn getreten, ist für sich, steht dem besondern Wollen und Meynen vom Rechte, selbständig gegenüber und hat
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sich als Allgemeines geltend zu machen. Diese Erkenntniß und Verwirklichung des Rechts im besondern Falle, ohne die subjective Empfindung des besondern Interesses, kommt einer öffentlichen Macht, dem Gerichte, zu. (GW ,: § ) Spätestens hier können wir sehen, wie Rechtsbewusstsein und allgemeines Gesetz aufeinander verweisen und inwiefern sie Voraussetzungen einer staatlich organisierten Rechtspflege sind. Rechtspflege ist für Hegel nur dann als eine Freiheitsform denkbar, wenn das Urteil des Gerichts die Einsichten einer gesetzesgegründeten und reflektierten Urteilsgemeinschaft, d. h. das Sprachspiel gebildeter und rechtschaffener Subjekte in sich aufnimmt (Cobben , – ). III. Zur Dramaturgie von Verfahren und Urteil A. Urteilskraft und Staatsgewalt Versuchen wir nach dem Gesagten den Begriff der Urteilskraft noch einmal zu präzisieren: Rechtliche Urteilskraft ist die Fähigkeit zu einem freien Entscheiden, das als individuelles Vernunfturteil nur im Kontext eines allgemeinen Rechtsbewusstseins und in der institutionellen und inferentiellen Form des Rechts angemessen ein- und ausgeübt werden kann. Einmal mehr sei betont, dass damit keine Abwertung des individuellen Urteils per se angestrebt wird, sondern – jedenfalls für Hegel – eine Einbettung partikularen Wissens in die Infrastruktur einer Rechtsordnung, die nicht allein auf individuelle Entscheidungen zurückgeführt werden kann. Ob das für die Gegenwart die einzige Form ist, das Recht und die Konfliktlösung innerhalb freier Gemeinwesen zu denken, werden wir im abschließenden vierten Kapitel erörtern. Für Hegel agieren die Rechtspflege, die Gerichte und nicht zuletzt die professionellen juristischen Akteure auf der Basis eines sittlichen Freiheitskonzepts, allerdings im Koordinatensystem der bürgerlichen Gesellschaft. Das ist im Vergleich zu modernen Demokratien einigermaßen ungewöhnlich. Dort wird die Rechtsprechung als eigenständige Gewalt im Verfassungssystem verortet (Möllers a, ). Nun steht hier nicht das vielfach kritisierte Gewaltengliederungsmodell Hegels zur Debatte (das sich bekanntermaßen auch von demjenigen Kants unterscheidet, siehe AA VI: ). Würden wir die Maßstäbe der heutigen demokratischen Verfassungen zugrunde legen, dann müsste die Judikative als eigenständige Institution des inneren Staatsrechts in Erscheinung treten. Hegel geht einen anderen Weg und weist der
Hegel konzentriert die Struktur der Rechtspflege in den §§ – der Grundlinien.
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Judikative eine Doppelstellung zu. Sie ist selbständige Institution der bürgerlichen Gesellschaft und unselbständiger Teil der Regierungsgewalt. Hegel nutzt insofern eine weite Semantik des Regierens, die nicht nur die uns heute vertraute exekutive Organ- und Verwaltungstätigkeit bezeichnet, sondern auch die gesetzesanwendenden Entscheidungen einschließt. Regieren bedeutet also Umsetzung und konkretisierende Anwendung des politisch-verfassungsgemäßen Willens. Mit dieser Doppelstellung der Judikative als funktional auf die bürgerliche Gesellschaft ausgerichtet und strukturell der Regierungsgewalt zugeordnet, betont Hegel zweierlei: Rechtsprechung hegt die zentrifugalen, freiheitsnegierenden Kräfte ein, die durch den Markt und die atomisierten Interessen der Gesellschaftsbürger generiert werden. Die Judikative bildet damit eine Gegenkraft. Dass diese Gegenkraft wirksam werden kann, verdankt sie jedoch der Rückbindung an die sozialen Ressourcen bürgerschaftlicher und behördlicher Vernunft (GW ,: §§ , ). Insofern ist es aber die Urteilskraft der Richter, die die notwendige Ausmittlung von funktionaler und struktureller Perspektive im Einzelfall leisten soll. B. Das Allgemeine des abstrakten Rechts: die Einzelfallgerechtigkeit 1. Die Dramaturgie des Verfahrens Halten wir fest: Rechtspflege und Rechtsprechung sind Institutionen des Rechtsstaates, die als Gegenkräfte im Rahmen der atomisierten bürgerlichen Gesellschaft normintegrative Wirkung entfalten und zugleich das Freiheitsversprechen der Verfassung verteidigen. Um zu verdeutlichen, in welcher Weise Hegel die Praktiken richterlichen Urteilens rekonstruiert, erscheint es sinnvoll, zwischen der Dramaturgie des gerichtlichen Verfahrens, der äußeren Form, und der Begründung einzelfallgerechter Entscheidungen, der inneren Logik juridischer Urteilskraft, zu differenzieren. Betrachtet man die Dramaturgie des Verfahrens, dann können wir erkennen, dass Hegel die Liberalisierung des Rechts, wie sie sich im . Jahrhundert durchzusetzen beginnt und auf der bis heute die Prinzipien des demokratischen Rechtssystems beruhen, theoretisch verarbeitet (Zabel , ). Ausgangspunkt ist aber (nochmals) die Verortung der juridischen Urteilskraft im Gericht. Das Recht und die Gesetze haben ihre eigenthümliche Wirklichkeit, in der nur sie ohne subjektives Interesse und Leidenschaft der Zweck sind, in Ansehung „Diß Geschäft der Subsumtion überhaupt begreift die Regierungsgewalt in sich, worunter ebenso die richterlichen und polizeylichen Gewalten begriffen sind, welche unmittelbar auf das Besondere der bürgerlichen Gesellschaft Beziehung haben, und das allgemeine Interesse in diesen Zwecken geltend machen“ (GW ,: § ). Zu dieser Debatte und mit einer konzisen Einschätzung Siep (, ). Die hier zugrunde liegende logische Struktur erläutert Vieweg (, ).
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der Erkenntniß des besonderen Falles der Anwendung der Gesetze auf denselben und die Vollstreckung dieses allgemeinen Urtheils an dem Gerichteten. (GW ,: ) Möglich ist diese „eigenthümliche Wirklichkeit“ von Recht und Gesetz allerdings nur durch die Anerkennung einer urteilsleitenden Verfahrensform. Diese urteilsleitende Verfahrensform markiert äußere und unverzichtbare Garantiebedingungen. Dazu gehören für Hegel neben der Unparteilichkeit der richterlichen Verfahrensleitung auch die Mündlichkeit, die Öffentlichkeit und die Nachprüfbarkeit der Gesetzesanwendung (GW ,: ). Wir sehen hier, wie Hegel die bereits erwähnte Einsicht, dass Gesetze einen Freiheitsrahmen bestimmen sollen, der nicht nur Freiheit durch Herrschaft moderiert, sondern ebenso Freiheit vor übergriffiger staatlicher Gewalt verhindert, in die Form des Verfahrens überführt. Jedes Rechtsverfahren hat individuelle Interessen der Beteiligten und gesellschaftliche Interessen angemessen auszugleichen (Hegels Insistieren auf den Garantiebedingungen, auf den Herrschafts- und potentiellen Gewaltphänomenen des Verfahrens, lässt sich auch durch die zeitliche Nähe zum entfesselten Inquisitionsprozess des Ancien Régime erklären (Zabel , )). Zu den Garantiebedingungen gehört schließlich die konkrete gesellschaftliche Teilhabe am Verfahren, die Hegel durch die Geschworenengerichte gewährleisten möchte. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist zudem Hegels Hinweis auf die Erkenntnisform, d. h. die Beweisgebundenheit des Rechts (abgesehen davon, dass sich kaum eine Rechtsphilosophie vor und nach Hegel findet, die sich dazu so substantiell geäußert hat). Die Beweisfrage stellt das Scharnier zwischen der äußeren Verfahrensform, den Garantiebedingungen, und der Einzelfallentscheidung qua richterlicher Urteilskraft dar. Gerade weil die Beweisgebundenheit auch die materielle oder inhaltliche Seite des Rechts adressiert (die Wahrheit des zu beurteilenden Geschehens), zeigen sich an ihr das erste Mal die Spannungen, die durch die normativen Selbstbeschränkungen der Rechtspflege entstehen können. So formuliert Hegel in § Grundlinien: Vor den Gerichten erhält das Recht die Bestimmung, ein erweisbares seyn zu müssen. Der Rechtsgang setzt die Partheyen in den Stand, ihre Beweismittel und Rechtsgründe geltend zu machen, und dem Richter, sich in die Kenntniß der Sache zu setzen. Diese Schritte sind selbst Rechte, ihr Gang muß somit gesetzlich bestimmt seyn, und sie machen auch einen wesentlichen Theil der theoretischen Rechtswissenschaft aus. (GW ,: § ) Ähnlich auch Gans (, ) in seinen Vorlesungen zur hegelschen Rechtsphilosophie: Das Gericht ist eine Behörde, die das Gesetz „ins Leben setzt […]. Das Gericht ist das Dasein des Gesetzes.“ Die Idee der Geschworenengerichte gehört zum Gründungsmythos und Legitimationsnarrativ der postrevolutionären Rechtsstaatsära, vgl. zeitgenössisch Feuerbach ([] ) und Blasius (, ).
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Es gibt keine Wahrheit, gegebenenfalls auch keine Entscheidung um jeden Preis. Das Recht muss sich an die zugänglichen Beweistatsachen halten. Das ist schon deshalb notwendig, weil ansonsten die Herrschaft des Rechts in nackte Gewalt umzuschlagen droht. Müsste doch das Gericht im Zweifel das Wahrheitswissen aus den Beteiligten unter Zwang herausbringen. Es wäre das Ende des Rechts. Aber Hegel sieht eben auch die Grenzen juridischer Gerechtigkeit, denn das Beweisbarkeitserfordernis macht die Berufung auf ein inneres Rechtswissen, einen moralischen Gerechtigkeitsstandard schlicht unmöglich. Dieß kann den Menschen empören, daß er weiß ein Recht zu haben, das ihm, als ein unerweisbares abgesprochen wird. Das Recht aber, das ich habe, muß zugleich ein gesetztes sein, ich muß es darstellen, erweisen können, denn in der Gesellschaft muß das Ansichseiende auch gesetzt sein, äußerlich existiren. (GW ,: ) Form und Formalismus treiben das Recht in ein Paradox (das Hegel so nicht ausbuchstabiert). Denn in dem Maße, in dem die schützenden Formen des Verfahrens rechtliche Freiheit ermöglichen, müssen sie den Gerechtigkeitsanspruch beschränken. Im schlechtesten Fall kann die Berufung auf den Formalismus die juridische Gerechtigkeit sogar massiv untergraben. Dann aber steht die Legitimation des Rechts und der Rechtspflege auf dem Spiel. 2. Richterliche Urteilskraft und Einzelfallgerechtigkeit Gerade für diese Legitimation in Gestalt einzelfallgerechter Entscheidungen soll der Richter sorgen. Wir werden uns zunächst mit der Eigenart des Urteilens und richterlicher Urteilskraft beschäftigen und im Anschluss die Konsequenzen für die konkrete Rechtsentscheidung diskutieren. Dafür werden wir nochmals auf das Strafurteil zurückkommen. Hegel, so die These, bevorzugt ein Konzept richterlichen Urteilens, das die inferentielle Seite der Urteilskraft, d. h. die gemeinsame und allgemein kontrollierte Anwendung von (Rechts-)Begriffen betont. Worauf es Hegel ankommt, wird klarer, wenn wir die einschlägigen Stellen betrachten: Schärfer Eduard Gans (, ): „Weil die Unparteilichkeit des Gerichts den Formalismus fordert, kann jemand, der das größte Recht hat, doch unrecht bekommen und wird verurteilt, wenn die Beweismittel fehlen. Indem so der Rechtsgang Mittel zum Zweck ist und zwischen dem Recht und dem Urteil der Beweis liegt, kann der Prozeß selbst eine Quelle des Unrechts und eine Waffe gegen das Recht werden.“ Hegel will dieses Problem (worauf hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann) auch durch Rückbezug auf die Billigkeit bzw. auf einen Billigkeitsgerichtshof entschärfen (vgl. GW ,: § Anm.). Zum Verhältnis von logischem Urteil und Urteilskraft und dem damit verknüpften normativen Inferentialismus siehe auch schon die vorangegangenen Erläuterungen. Hegel setzt sich damit, was hier nicht vertieft werden kann, von der Natur- und Vermögenssemantik Kants ab. Urteilskraft bezeichnet bei
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Die Reflexion wird gewöhnlicher Weise in subjectivem Sinne genommen, als die Bewegung der Urtheilskraft, die über eine gegebene unmittelbare Vorstellung hinausgeht, und allgemeine Bestimmungen für dieselbe sucht oder damit vergleicht. Kant setzt die reflectirende Urtheilskraft, der bestimmenden Urtheilskraft entgegen […].“ Die Reflexion sei also jedes Mal „das Hinausgehen über ein Unmittelbares zum Allgemeinen. Das Unmittelbare wird theils erst durch diese Beziehung desselben auf sein Allgemeines bestimmt als Besonderes; für sich ist es nur ein Einzelnes, oder ein unmittelbares Seyendes. Theils aber ist das, worauf es bezogen wird, sein Allgemeines, seine Regel, Princip, Gesetz; überhaupt das in sich reflektirte, sich auf sich selbst beziehende, das Wesen oder das Wesentliche. (GW : ) Und weiter heißt es (nun dezidiert gegen Kant gerichtet): Es ist aber hier nicht, weder von der Reflexion des Bewußtseyns, noch von der bestimmteren Reflexion des Verstandes, die das Besondere und Allgemeine zu ihren Bestimmungen hat, sondern von der Reflexion überhaupt die Rede. Jene Reflexion, der Kant das Aufsuchen des Allgemeinen zum gegebenen Besondern zuschreibt, ist, wie erhellt, gleichfalls nur die äußere Reflexion, die sich auf das Unmittelbare als auf ein gegebenes bezieht. (GW : ; Herv. B.Z.) Der Inferentialismus Hegels will nicht bei der subjektiven Reflexion auf das Unmittelbare und Gegebene stehen bleiben (wobei hier offen bleiben kann, ob Hegel tatsächlich eine angemessene Deutung der kantischen Position vorlegt). Ausschlaggebend für jedes reflektierte Urteil ist eine begriffliche Rahmung (die wir netzwerkartig und dynamisch denken müssen). Wir verfügen gerade nicht über einen unbestreitbaren subjektiven Standpunkt, der es uns erlauben würde, von einer Meinung zu einer allgemeinen Überzeugung vorzustoßen. Im Grunde geht es auch hier um das, was Wittgenstein später eine Verständigung im Urteilen genannt hat. Das Allgemeine (in der klassischen logischen Semantik), die Regel, das Prinzip oder das Gesetz verweisen auf ein normativ abgesichertes Regelfolgen- und Sprachspiel, auf eine anerkannte Argumentationsplattform. Gleichzeitig sind Regeln und die verwendete Terminologe (Worte, Definitionen, Topoi) mit kontextbezogenen Differenzierungskriterien, mit allgemeinen Unterscheidungsstandards verbunden und artikulieren auf diese Weise erst eine wirklichkeitsangemessene Inferenzerlaubnis. Darauf zielt Hegel ab, wenn er von der Reflexion überhaupt spricht. Mit anderen Worten, wir sind von vernünftigen begrifflich geglie-
Kant eine naturgegebene Fähigkeit, die aber individuell professionalisiert, d. h. nicht zuletzt durch ‚Beispiele und wirkliche Geschäfte‘ zu einem ‚reifen‘ Vermögen, zu einer ‚gesunden Vernunft‘ entwickelt werden kann (vgl. dazu die Erläuterungen unter I).
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derten Praktiken abhängig, mit ihnen erschließen wir uns die Welt und können sagen, was der Fall ist. Für Rechtspflege und Rechtsprechung bedeutet das: Die Entscheidung darüber, was der Fall ist, ist das Ergebnis vernünftigen Schließens, freier Urteilskraft. Das Gesetz verlangt eine aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfte Überzeugung. Dagegen spricht nicht, dass wir diese Entscheidungskompetenz bis zu einem gewissen Grade erlernen und einüben müssen. Es zeigt viel eher, dass juristisches Handeln – in den Worten Hegels – Rechtschaffenheit und Bildung/ Ausbildung voraussetzt. Gerade der letzte Gedanke ist alles andere als trivial. Denn in dem Maße, in dem sich die Ausbildung und die Arbeit des Rechtsstabes am positiven Gesetz, an der Macht und Omnipräsenz des Gesetzgebers und am (selbstreferentiellen) System der Rechtanwendung orientiert – eine Vorstellung, die sich in der zweiten Hälfte des . Jahrhunderts durchzusetzen beginnt (Prodi , ) –, in dem Maße drohen die politischen Implikationen des Rechtsbegriffs vergessen zu werden. Es ist dann aber gar nicht auszuschließen, dass Jurist_innen zu bloßen Techniker_innen werden und das Recht zuallererst als Instrument der Regulierung und sozialen Disziplinierung mobilisieren. Aus der Kompetenz zum vernünftigen freien Urteilen folgt aber auch, dass ein schematisches Herangehen an Rechtsfragen nur in Ausnahme- oder eindeutigen Fällen zielführend ist. Diese Einsicht Hegels ist der heutigen juristischen Methoden- und Argumentationslehre keineswegs fremd. Ein nur schematisches Herangehen oder ein Primat deduktiven Schließens unterschätze, so heißt es, die Prämissen und semantischen Kontexte juristischen Argumentierens oder ignoriere sie sogar (Bung , ). Damit rückt aber erneut die voraussetzungsreiche Struktur jeder juristischen Begründung in den Blick: Denn erforderlich sei nicht nur der Rückgriff auf die „Vernunftstruktur des Rechts“; notwendig sei vielmehr auch die Beachtung von hermeneutischen, pragmatischen und als gerecht anerkannten Argumentationsstandards (Esser , f.). Die Plausibilität des einzelnen Urteils dürfe daher nicht „durch subjektive Kriterien festgestellt werden […], sondern nur aufgrund einer intersubjektiven Übereinstimmung“ (Perelman , ). Auch wenn Einzelfragen der Methodenlehre umstritten oder nicht geklärt sind, so wird Brandom (, ) und (, ); Stekeler-Weithofer (, ) und bereits Wittgenstein (, , Nr. ); aus historischer und rechtstheoretischer Perspektive Braun (, ). So formuliert es heute § der Strafprozessordnung mit Blick auf die Form der freien Beweiswürdigung. Darauf weist bereits Kant zu Recht hin, wenn er die Urteilskraft als Verstand bezeichnet, „der nicht vor Jahren kommt“ (AA VII: ). Oder wenn er im handschriftlichen Nachlass von einem Vermögen der gereiften Urteilskraft spricht, „dessen Stelle nicht durch eine allgemeine Vorschrift ersetzt werden kann“ (AA XVIII: , Nr. ). Zur Debatte Alexy (); Gabriel und Gröschner (); Hruschka (, ); Luhmann (, ); Müller-Mall (, ); Neumann (, ); Röhl/Röhl (, ); Seibert (, ); Schulz (, ).
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doch eines deutlich: Im Zentrum der Urteilsfindung stehen nicht die Fragen der Subsumtion und Deduktion, sondern inferentielle und rekursive Entscheidungstechniken. Die gängige Rede von der Subsumtion ist deshalb nicht falsch; auch Hegel verwendet den Begriff. Nur muss sich jeder Rechtsanwender im Klaren darüber sein, dass eine richtige Entscheidung weitere meistens nicht offen gelegte Reflexionsschritte einbeziehen muss. Zur Veranschaulichung: Stellt sich für die Richterin die Frage, was genau unter einem gesetzlichen Begriff zu verstehen ist, so wäre es eine unzulässige Verkürzung, diese Frage auf eine formelle Subsumtion zu beschränken. Nur in Fällen, die keine großen Probleme bei der Bewertung des Sachverhalts aufwerfen (deren Problemkern also offenkundig ist), ist das möglich. Ob das Tier, das den Nachbarn gebissen hat, ein Hund oder eine Katze ist, mag in der Tat eine reine Verstandesübung sein. Der Grund hierfür liegt aber in der Eindeutigkeit der sprachlichen Praxis, die dieser Unterscheidung zugrunde liegt. Hier gibt es Richtigkeitsbedingungen, unter die schematisch subsumiert werden kann. Ist diese Praxis aber weniger eindeutig und das ist häufig der Fall, so ist die Beurteilung keineswegs so klar. Was eine ‚fremde Sache‘ im Rahmen der Diebstahlsregelung ist (denn ein Diebstahl liegt nur vor, wenn eine fremde Sache entwendet wurde), ist nicht allein subsumtiv zu begründen, sondern bedarf der genauen Bestimmung des begrifflichen Inhalts des Wortes ‚fremd‘. Und zwar selbst dann, wenn der begriffliche Inhalt des Wortes ‚Sache‘ hinreichend klar sein sollte. Ist beispielsweise ein Gegenstand, der sich im Eigentum zweier Personen befindet, bei Entwendung durch eine dieser Personen deswegen ‚fremd‘, weil sie auch einer anderen gehört? Dass es auf diese Frage eine überzeugende Antwort gibt (er ist fremd, d. h. ein Diebstahl wäre anzunehmen), liegt nicht daran, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine typische Verstandesübung handelt, sondern daran, dass es eine durch Gründe getragene Spruchpraxis gibt, in der sich die Bedeutung des Wortes ‚fremd‘ herausgebildet hat. Fassen wir zusammen: Was der Fall ist und welche juristischen Schlüsse zulässig sind, ergibt sich aus einer Rekonstruktion der empirisch verfügbaren Tatsachen. Die große Herausforderung richterlichen Urteilens besteht vor allem darin, dass die sinnliche Gewissheit, der durch Beweise ermittelte Sachverhalt, auf den Rechtsbegriff gebracht werden muss. Eine subjektive Erkenntnis ist also in eine allgemein anerkennbare Überzeugung zu überführen. Hegel verweist dafür auf das privilegierte Gewissen der Richter. Insofern verknüpft das Urteil eine reflexiv-normative, eine epistemische, eine empirisch-typisierende sowie eine dezisionistische Dimension des Entscheidens. § der Grundlinien formuliert das Gesagte so: Ausführlicher dazu Zabel/Kalla (, ). Hegel argumentiert hier allerdings noch mit Rücksicht auf die Praxis der Geschworenenge-
richte.
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In dem Geschäfte des Rechtsprechens als der Anwendung des Gesetzes auf den einzelnen Fall unterscheiden sich zwey Seiten, erstens die Erkenntniß der Beschaffenheit des Falles nach seiner unmittelbaren Einzelnheit […], zweytens die Subsumtion des Falles unter das Gesetz der Wiederherstellung des Rechts, worunter im Peinlichen die Strafe begriffen ist. (GW ,: § ; Herv. B.Z.) In dem Verweis auf die Strafe als Rechtsurteil bündeln sich alle Fäden der vorangegangenen Analyse. Denn die Bedeutung der Strafe können wir nur verstehen, wenn wir sie als Reflexionsbegriff und Gesamtheit von Urteilsformen auffassen (das hat sie mit allen anderen Rechtsurteilen gemein). D. h. mit der Strafe wird die Tat als Unrecht qualifiziert und ein individueller Tadel ausgesprochen. Verknüpft ist diese Form der Wiedervergeltung – und deshalb geht sie zusätzlich über die Rache hinaus – mit weiteren Differenzierungskriterien: Um den Tadel vollumfänglich begründen zu können, ist es erforderlich, das subjektive Tatwissen zu bejahen. Darüber hinaus dürfen objektive Umstände der Tat, etwa vorangegangene Interessenskonflikte oder sonstige motivationale Drucksituationen keinen Strafausschluss bewirken. Endlich ist das Unrecht, folglich auch der Tadel, mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in Beziehungen zu setzen, wie Hegel in § der Grundlinien formuliert. Gesetze, Verbrechen und rechtliche Urteile sind keine Begriffe, keine Sprach- und Argumentationsmuster, die im luftleeren Raum verortet werden könnten. Ganz im Gegenteil, sie sind Signaturen des (veränderlichen) Freiheitsniveaus moderner Gemeinwesen. Dieses Freiheitsniveau ist aber nichts anderes als eine philosophisch entwickelte Gestalt dessen, was Hegel den freien Willen genannt hat. IV. Responsives Recht und politische Urteilskraft Ist damit alles gesagt? Nicht ganz. Hegels Konzept juridischer Urteilskraft markiert nicht nur den Wirklichkeitsgehalt, sondern auch die Grenzen des Rechts als normatives Orientierungsmedium (siehe Abschnitt II.B). Hegel selbst hat das juristische Recht in den größeren Rahmen eines ‚politischen Rechts‘ gestellt. Recht und vor allem die Rechtspflege werden damit an das Ethos der politischen Verfassung (des Staates als sittliche Idee) zurückgebunden. Es ist zweifelhaft, ob wir heute, in pluralen und hoch ausdifferenzierten Gemeinwesen eine solche starke Verbindung zwischen Recht, Rechtspflege und einem anerkannten Ethos her-
Das betrifft auch den Umgang mit dem Rechtsgefühl, dem Affekt usw. Während aktuelle Debatten diesem Gesichtspunkt wieder stärkere Beachtung schenken wollen, ist dies für Hegel keine Frage des Rechtsurteils.
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stellen können. Andererseits scheint Hegels Auffassung triftig, wonach Rechtspflege und Rechtsprechung auch die Aufgabe haben, die freiheitsnegierenden Kräfte und Konflikte einzuhegen, die durch die partikularen Interessen der Gesellschaftsbürger entstehen und ausagiert werden. Wie können wir mit diesem Dilemma umgehen? Ausgangspunkt kann die Einsicht sein, dass das Recht bei aller Freiheitsstiftungs- und Konfliktlösungsqualität (die ihm Hegel zugesteht) selbst einen fragilen und ambivalenten Kern besitzt. Wir wissen heute, nach einer zweihundertjährigen Geschichte liberalen Rechts, dass das Recht, auch und gerade in seiner staatlichen Form konkrete Interessen, Machtmonopole und Ideologien abbildet oder jedenfalls abbilden kann. Die Idee liberaler Freiheitssicherung hat eine Dialektik in Gang gesetzt, die über das hinausreicht, was ihr auch schon zu Zeiten Hegels attestiert wurde. Das aber heißt, dass auch das Verhältnis von Faktizität und Geltung, von Autonomie und sozialer Regulierung neu gedacht werden muss. So verweist etwa die Normierung und Anwendung der Strafe, Michel Foucault hat uns dafür sensibilisiert, auf ein dichtes Gewebe aus individuellem Freiheitswissen und Rechtesicherung, aus Machtansprüchen und Disziplinierungsinteressen. Das bedeutet nicht, dass auf Gesetzgebung, Rechtsprechung oder Strafe verzichtet werden müsste (oder nach dem gegenwärtigen Stand gesellschaftlicher Verfassungen verzichtet werden könnte). Wir kommen jedoch nicht umhin, auf die strukturellen Dynamiken zu reagieren. Das kann nur skizzenhaft erfolgen: Anknüpfen können wir an das Konzept der Urteilsgemeinschaft (siehe Abschnitt II.B). Stärker als es Hegel getan hat, sollten wir aber auf einem Wechselspiel von rechtlicher und politischer Urteilskraft bestehen. Dieses Wechselspiel ist nach verschiedenen Seiten weiter zu entwickeln. Die eine Seite betrifft die Selbstreflexivität freier Gemeinwesen. Selbstreflexivität ist dann der Ausdruck dafür, dass wir es heute mit einem stark verdichteten Netz institutioneller Praktiken zu tun haben. Der Verrechtlichungsimpuls der Moderne führt aber häufig dazu, Institutionen als nur repressive oder bürokratische ‚Gehäuse‘ zu deuten. Institutionen sind aber nicht nur Behörden oder Einrichtungen der Verfassungsorgane; Verwaltung im engeren Sinne usw. Institutionen sind vor allem in verlässliche Infrastrukturen überführte Wissensspeicher und Lebensformen, Aushandlungs- und Krisenbewältigungskulturen. Sie markieren, wie Rahel Jaeggi formuliert, das Rückgrat des Sozialen (Jaeggi , ). Sie sind Inbegriff dessen, was wir unter Freiheit und Gleichheit verstehen wollen; Medien der Orientierung, die zu keinem Zeitpunkt selbstverständlich, sondern selbst zu gestalten sind. Zu diesen Kulturen gehören Böckenförde (, ); Kervégan (, ); zur Kritik des hegelschen Freiheitsbegriffs Menke (, ). Kritisch dagegen Loick (, ). Siehe Foucault (, ; , ; ); daran anschließend Butler (, ) und Rancière (, ).
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auch Familien, Schulen und Bürgerinitiativen, außerdem Gewerkschaften, Universitäten oder Menschenrechtsorganisationen. Im Begriff der institutionellen Praktiken kreuzen und konfrontieren sich also immer schon rechtliche und politische Standpunkte oder Interessen. Das führt uns zur zweiten Seite des erwähnten Wechselspiels, der Kraft des Politischen. Die Kraft des Politischen, die politische Urteilskraft, macht darauf aufmerksam, dass es eines dezentralen, unterschiedlich artikulierten Reflexionsvermögens bedarf, um die Ordnung des Sozialen erhalten und weiterentwickeln zu können. Wenn wir daher von der Kraft des Politischen reden, dann sind damit emanzipatorische Initiativen, also das, was Hannah Arendt als das eigentliche Politische ansieht, ebenso gemeint wie das Projekt der eher stabilisierenden (nicht konservativen oder gar reaktionären) Verfassungspolitik. Das Politische und die Politik sind zwei Seiten ein und derselben Sache, wir können auch sagen, zwei Dimensionen des freien Gemeinwesens. Die Spannungen, die durch die Selbstreflexivität des Politischen erzeugt und fortgeschrieben werden, können in dem Konzept einer widerständigen Demokratie, einer widerständigen Freiheit zur Geltung gebracht werden. Die Rede von einer neuen Widerständigkeit will dafür sensibilisieren, dass die Verfassungen moderner Gemeinwesen selbst Grund vieler sozialer Probleme sind; und dass es einer Dekonstruktion klassischer liberaler Selbstversicherungen bedarf (was aber zugleich bedeutet, dass wir auch die Kohärenz stiftenden Kompetenzen anerkennen sollten). Wir sollten stärker als bisher sehen, dass die gängige soziale Sprache, die Begriffe, Semantiken und Praktiken Verkrustungen und Legitimationskrisen erzeugen, denken wir an die Sphären der Ökonomie, der Arbeit oder an die Möglichkeiten der politischen Teilhabe (Menke , ). Widerständige Demokratien und widerständige Freiheiten beharren darauf, dass die Moderne wie keine andere Epoche die Umschlagpunkte von Freiheit in Unfreiheit, von Selbstbestimmung in Unterwerfung, von Schutz in Repression kennt. Ein Widerständigkeitsdenken beharrt aber auch darauf, dass es produktive Aporien und Kräfte geben kann (eine auf Einheit und Differenz angelegte Sittlichkeit, wenn man so will), die Blockaden, Konflikte und Widersprüche offenlegen und über sich hinaustreiben. Ein solches Denken integriert nicht nur die staatliche und gesellschaftliche Perspektive im Sinne eines Geflechts wechselseitiger Verantwortlichkeiten. Sie schafft auch Gestaltungsspielräume, die Kritik an sozialen Pathologien und Regressionstendenzen zuallererst möglich machen. Komplettiert wird das Wechselspiel durch die dritte Seite, die Idee eines responsiven Rechts. Responsivität des Rechts verweist auf eine reflektierte juridische Urteilskraft. Denn angesprochen ist damit eine Sensibilität und Offenheit des Rechts für das Nicht-Rechtliche, für soziale und politische Praktiken, die sich dem Zu dieser Debatte Bedorf/Röttgers (). Siehe nur die eben erwähnten Analysen von Foucault.
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Recht entziehen wollen und eigene Freiheitsformen erstreben. Das kann nicht zur Folge haben, dass das Recht seine Eigenrationalität und seine integrativen Kräfte aufzugeben hätte. Wir sollten die Möglichkeiten einer weitgehend moralneutralen Konfliktlösung und einer verfassungsrechtlich garantierte Gewaltengliederung nicht gering schätzen. Und dennoch kann Responsivität dafür sorgen, dass erstens die bestehende Rechtskultur, die Wissenschaft, die Theorien und die Rechtsanwendung, evaluiert, kontrolliert und immer wieder hinterfragt werden. Dass zweitens Wege für gesellschaftliche Interventionen, für soziale Teilhabe eröffnet oder offener gestaltet werden. Und es heißt drittens, dass innerhalb des Rechtsstabes, namentlich bei den Richterinnen und Richtern, ein Bewusstsein dafür vorhanden sein muss, dass die Anwendung von Recht immer auch eine massive Unterwerfung der Subjekte zur Folge hat (was im Strafverfahren nur besonders offensichtlich wird). Rechtsanwendung und Urteilsfindung sind häufig nicht nur Akte juridischer, sondern zugleich politischer Kommunikation. Es erfordert daher, ganz im Sinne Hegels, ein perspektivisches und integratives Rechtsbewusstsein, damit Recht ein Argument der Freiheit sein kann und nicht auf die Seite der Gewalt wechselt. Diese fragile Verbindung von Reflexivität und Pragmatik, von Autonomie und rechtlicher Ordnung muss jede moderne Gesellschaftstheorie beachten und ständig aufs Neue verarbeiten. Hegel hat auch aus seiner Zeit heraus zum Teil abweichende Antworten gegeben. Gerade Begriff und Praxis der Urteilskraft zeigen aber, wie grundsätzlich Hegel das Freiheitsproblem der Moderne analysiert hat – und dass es sich auch heute lohnt, daran anzuknüpfen.
Insofern, nämlich im Sinne einer praktischen Responsivität, gilt es schon für Hegel als ausgemacht, dass „seine Vernunft dem Menschen im Recht entgegenkommen muß“ (Ilting , ).
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Siglen AA
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Susanne Herrmann-Sinai HEGEL ON THE DIFFERENCE BETWEEN SOCIAL NORMATIVITY AND NORMATIVITY OF RIGHT
A B S T R A C T : Hegel’s “Philosophy of Spirit” applies two different notions of ‘social practice’ – one as a condition of possibility for intentional action and another one as the living actuality within which an action is initiated and takes place. Both notions go hand in hand with their own logically distinct form of normativity – social normativity and the normativity of right. Whereas the first one can already be understood from the standpoint of subjective spirit, the second notion is at home in objective spirit or Hegel’s Rechtsphilosophie. Stressing this distinction has consequences not only for a more differentiated account on Hegel’s philosophy of action, but also for an interpretation of ethical life – which should not be equated with the first notion of social practice. In order to mark the importance of ethical life for Hegel’s Rechtsphilosophie, the relevance of objectivity for objective spirit needs to be highlighted, which according to Hegel cannot be derived from a process of inner transformation of changing attitudes of the acting subject towards the norms of her action.
For many readers of Hegel’s philosophy and his philosophy of action in particular, “ethical life” (Sittlichkeit) is one of its central concepts. The passages entitled with this key notion are located in the third part of Hegel’s system (“Philosophy of Spirit”) as outlined in the Encyclopedia under the subsection of “Objective Spirit” as well as in the separately published and more popular book, Outlines of the Philosophy of Right, where Hegel conceives of ethical life as the adequate framework for human agency. In ethical agency, the agent is not only constituted by, but is living within an institutional setting, so that the actuality within which action takes place already embodies the reason according to which she determines herself. To a large degree, such an institutional setting is identical with Hegel’s conception of a ‘modern state’. A controversy exists as to what Hegel actually means by the claim of the state’s role for human freedom. If, for example, Hegel was bound by contemporary ideals of the Prussian Monarchy of his time, how could this reading then be reconciled with expressing a timeless philosophical idea? And are we able to understand agency through these passages at all, if the underlying notion of a state appears obsolete? I shall use both, ‘he’ and ‘she’ as pronouns, typically ‘he’ when talking about agency in subjective spirit and ‘she’ when talking about agency in objective spirit. Cf. de Boer (). Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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Partly triggered by these concerns, there is a widely influential reading that Hegel’s arguments on agency can at least offer insights into the dependence of the individual on its social practice. Understanding ethical life as the notion of ‘social practice’ does not seem to carry quite the same implications as accepting everything about Hegel’s notion of a ‘state’. Yet, it still entails the necessary embeddedness of an individual into a social setting and social norms, as the product of human beings, although not of the individual agent alone. According to this reading, Hegel’s theory of ethical life still offers a theory of freedom. An agent is free by being the member of a social practice and by being bound by the governing norms of that practice. Thus, Hegel conceives of the normativity of ethical life as a social normativity and seems to be able to avoid a mistake he sees in Kant’s philosophy. For Kant, the subject’s self-legislation, although abstractly granting autonomy, rests on an ungrounded acting from ‘duty’, where the notion of ‘duty’ remains oblique. By understanding an agent as always already embedded within a social practice, self-legislation does not start from nowhere or from an abstract notion of being bound by duty, but within a living practice of already established and actualized social norms. However, the notion of ‘social practice’ seems to carry a lot of weight in this narrative. In fact, it plays various different roles, which – if not carefully disentangled – lead to the danger that ‘social practice’ becomes as oblique as Kant’s notion of ‘duty’. For example, is any social practice able to offer the proposed freedom to the agent? And is the mere membership within a practice and habituation into its norms sufficient in order to set an agent free? If the latter is denied, how does Hegel understand the extra step that needs to be taken in order to grant an agent true self-determination and not just a conformist, default acting according to contingently governing social conventions? In his book Autonomie und Befreiung: Studien zu Hegel, Christoph Menke follows the above-sketched interpretation up to a point. He concedes that Hegel conceives of freedom as the acquisition of laws, which become second nature to the agent by habituation into a social practice, governed by these laws. In addition, Menke stresses that the reading of Hegel’s theory of ethical life as a theory of freedom needs This tradition is sometimes called “Left-Hegelianism” (cf. Pippin , ), or “liberal-positivist dogma” (Goodfield , ch. ). The common core of both labels is the attempt to strip Hegel of his metaphysical connotations and make him more accessible to contemporary discussions in political and social philosophy of the th century. Mark Alznauer, who lays out three different readings of objective spirit, calls this approach the “quasi-transcendental” reading, influenced by a tradition springing from Heidegger and Wittgenstein (Alznauer , ). “Der Zusammenhang von Freiheit und Gesetz, der den Begriff der Autonomie ausmacht, findet seine Begründung in der praktischen Relation der Teilnahme an einer Praxis” (Menke , ). PR § : “All that is left to duty, therefore […] is abstract universality, and for its determinate character it has identity without content, or the abstractly positive, the indeterminate.” For this narrative of the relationship between Kant and Hegel, see Laitinen/Mayr/Sandis ().
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to distinguish between the mere habituation (Gewohnheit) of acting according to social norms and the act of appropriation (Aneignung) of these norms from the subject’s point of view. An agent is an ethical agent only if the acting subject takes the reasons for her acting not just as given by the practice, but by making these reasons her own reasons. The agent’s step towards self-determination consists in appropriating these norms as her own. Menke argues that the second step is necessary in order to escape what he calls the “paradox of autonomy”, which emerges from the need to establish a unity between law and freedom. Should Hegel simply claim the habituation of an agent into the laws of an ethical practice, freedom of the agent would remain theoretically unthinkable (Menke , ff.). It would be incompatible with an agent’s freedom, insofar as the mere habituation into a social practice can just as well produce conformist, rule-abiding agents. The self-appropriation as the second step is to be understood as a further act of affirmation by the subject: The social participation of the subject is the medium as well as the Other of autonomy. Therefore, autonomy continues to be dependent on an act of liberation, which itself cannot be an autonomous act. I agree with Menke that Hegel’s theory of normativity cannot be reduced to the second nature of a subject, acquired through mere habituation. However, instead of placing the distinction between mere habituation and self-conscious appropriation within ethical life, I shall propose a reading of Hegel that offers a much more radical account of this distinction. Hegel in fact makes this distinction prior to objective spirit; it is already in subjective spirit, therefore outside ethical life. He thereby draws the distinction between the normativity of social norms – which we learn by habituation in a process that can be understood solely from the perspective of the subject – and the normativity of right, from a logical point of view, as shall be explained below. With this reading, we shall find that a number of points that are usually attributed to ethical life can already be understood as subjective spirit. This poses new questions as to which additional arguments ethical life offers for understanding the ethical agent, who has to be significantly different than what is conceivable of him from a merely subjective point of view. I shall propose that the normativity of right requires objectivity, the world within which an agent acts, to be taken into account in a way that is inconceivable to subjective spirit. Ethical agency thus has to be justified by more than a simple inner transformation of the subject from mere Cf. Menke (, ). Menke (, – ): “Die soziale Teilnahme des Subjekts ist das Medium und das Andere der
Autonomie. Deshalb bleibt die Autonomie angewiesen auf eine Tat der Befreiung, die selbst keine autonome Handlung sein kann.” (Translation by SHS)
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habituation into a social practice to the appropriation of these norms – because this distinction is already embedded in the transition from subjective to objective spirit and thus precedes ethical life. As a consequence of this reading, objectivity is already established for any ethical agent and we therefore need to understand the habituation within ethical life (or ethical habituation) differently from the mere habituation into any social norms. I shall proceed in two steps: First, I shall locate two different notions of ‘social practice’ – one as a condition of possibility for intentional action and another one as the living actuality within which an action is initiated and takes place – in two different sections of Hegel’s Philosophy of Spirit. Both notions go hand in hand with their own logically distinct form of normativity – social normativity and the normativity of right. The second step will mark the difference of the proposed interpretation from the common accounts of reading Hegel’s ethical life as a mere social practice, by stressing the importance of the notion of ‘objectivity’ for objective spirit. As a consequence, we will be able to understand the difference between mere habituation according to social norms and ethical habituation into ethical life which can turn into self-reflective appropriation of laws within ethical life. I. Social Normativity and the Normativity of Right Stressing the importance of social practices for human agency proceeds in two ways. A first line of argument emphasizes that we would not be able to act if we were not socialized into any particular norms of acting. Individual agents do not invent what it means ‘to build a house’, when they are building a house. Rather, they are relying on norms, procedures, and knowledge, on what others before them have taken ‘building a house’ to be. This knowledge is at least to some degree transmitted “empractically”, by learning or by being initiated into the practice of house building. Learning to become a skilled member of such social practice requires some habituation, as Hegel explains as early as his “Anthropology”(cf. EP § ). We might say that within this argument, ‘social practice’ serves as a condition of possibility of individual action. In this scenario, the agent does not need explicit knowledge of the practice, but only of particular norms. It is sufficient that those The interpretation proposed here is driven by the observation that Hegel’s insight into the notion of ‘social practice’ has to take into account the systematic context of his entire “Philosophy of Spirit”. Thus, it is in particular a careful reading of the preceding section to “Objective Spirit” within the Encyclopedia, i. e. “Subjective Spirit”, which will help us to challenge the obliqueness of the notion of ‘social practice’. When taken solely from the Philosophy of Right, by contrast, the illusion can appear as if the topics and problems treated within this publication, stand independently of Hegel’s system. This word is taken from Karl Bühler’s analysis of language learning (cf. Bühler ) and can be read as a predecessor of Gilbert Ryle’s “knowing how” (cf. Stekeler-Weithofer ).
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particular norms which are provided for his individual actions through the social practice he belongs to, should guide him in forming an intention as well as during his acting. Thus, this agent has knowledge of what he wants to do and knowledge of what he is doing. This subjective action is not yet action proper or ethical agency in Hegel’s sense. In fact, it is closer to Kant’s notion of acting through Willkür. Hegel analyzes subjective intentional self-determination under the title of “Subjective Spirit”, most prominently within his “Psychology”. Intention in this context should be read as ‘end’ (Zweck). Hegel also provides a brief summary of these arguments as an introductory note to the Philosophy of Right, where its inclusion could obscure the fact that all of these arguments are established prior to objective spirit. The summary, particularly in §§ – and §§ – where he discusses the “natural will”, is a reminder to the reader what should be presupposed as already understood before encountering the notion of the free will within the Philosophy of Right. A second and more elaborate notion of ‘social practice’ can be found in arguments that focus on knowledge of the agent of what she has done (knowledge of the deed). Here, we are meeting the arguments of objective spirit. When the product of an action manifests itself objectively, two things change: first, the world within which the action takes place needs to be able to accommodate the changes brought forward by the agent in her deed. Second, an agent who knows about the manifestation of her action, has knowledge of the ‘deed’ (in addition to the previous two forms) and, by being a public manifestation, other people are able to refer to the ‘deed’ as the outcome of her action. Hegel not only argues that both aspects are connected, he also argues that action proper can only be understood within this more elaborate setting and that this in turn changes how we have to understand an agent’s self-determination. The subject’s point of view changes from self-determination according to ends (as in the “Psychology”) to a self-determination according to proper intentions, as Hegel will go on to elaborate as Absichten. And whereas subjective action is an intentional self-determination according to social norms governing a subject’s intentions, action proper is a free self-determination according to right, governing subjectivity as well as objectivity.
A term I initially develop in Herrmann-Sinai (a), whereas here I intend to make more explicit the implications of this term for the two types normativity in play. Yeomans’ () interpretation of Hegel’s notion of Willkür almost exclusively refers to these introductory paragraphs of the Philosophy of Right. While the content of these paragraphs is the same as in the “Psychology” and the concept of Willkür can be derived from either description, it can be misleading to consider those arguments as part of objective spirit. What distinguishes the natural will from the truly free will precisely is objectivity – as I argue here –, which subjective spirit (the perspective of Willkür and the natural will) is not able to take into account. This has been argued, for example, by Haase ().
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We shall first describe agency as understood by Hegel in the “Psychology” (subjective action), before we contrast it with action as understood in “Objective Spirit” (action proper). In the “Psychology”, the subject is already a form of spirit able to express a subjective self-determination. The forms available to the subject are forms by which the subject conceives of its own activities as being determined by itself and as determining products which are subjective as well. Hegel explains this by analyzing the arbitrary will (Willkür) as acting on drives (Triebe). The fact that both the drives as well as the result of arbitrary choice are subjective accounts for their label of “immediacy” (EP § ). Intentional actions, thus understood, are immediate insofar as the agent is not able to understand how the means of his action, which are not fully mediated by his own thinking, are able to determine his choices – rather the means are given to the agent from outside. The forms of the subject’s selfunderstanding are thus finite – a limitation only overcome by stepping into objective spirit. What Hegel spells out in this section within the Encyclopedia is what he calls “natural will” in the Philosophy of Right: The will which is free only in itself [an sich] is the immediate or natural will. The determinations of difference which the self-determining concept posits within the will appear in the natural will as an immediately existing content, i. e. as the impulses, desires, inclinations, whereby the will finds itself determined in the course of nature. This content, together with the determinations developed within it, arises from the rationality of the will and so is in itself rational; but, poured out in this way into the mould of immediacy, it still lacks the form of rationality (Vernünftigkeit). It is true that this content has for me the general character of being mine; but this form is still different from the content, and hence the will is still a will finite in character. (PR § ) The natural will is the free will in its formal, that is conceptual guise, which explains its nature as self-determination as such. In self-determination as such, a subject determines himself according to ends. At this stage, it does not matter whether or not these ends are moral or just – in fact, we lack the concepts to even evaluate the ends in these categories. All that matters from the subject’s point of view is that the “content has for me the general character of being mine”. Ends and products of the subject’s activity are ‘inner’ ends and products. In order to determine himself according to ends, a subject has to take these ends as his own reasons for acting. It is Translations of ‘Trieb’ have been ‘drive’, ‘urge’, or ‘impulse’ (Houlgate). While Michael Inwood
in his translation prefers ‘urge’, I think ‘drive’ is still a valid translation, because Hegel makes it very clear that animal drives differ from human drives. Only the latter can possibly be the content of a philosophy of spirit.
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this constraint that constitutes the finitude of subjective spirit. Subjective spirit can only conceive of itself as finite and thus, it is only able to conceive of its ends as finite ends and act in a surrounding consisting of finite things. This surrounding might contain food, houses and other finite subjects, but it cannot contain such things as property, families, an economic system, or a state and its citizens. In contrast to the subjective, finite, formal (PR § ), or natural will, the Philosophy of Right spells out the “will in and for itself which is truly infinite” (PR § ), which is manifest in action proper. Nonetheless, the subjective forms of self-determination provide an extremely rich analysis of intentional action. Notably, reading these passages more closely reveals many links with contemporary debates, which are all too easily overlooked when taking Hegel’s theory of action only from his Philosophy of Right. In subjective spirit, the subject determines itself according to ends, as Hegel explains in his Lectures on the Philosophy of Spirit: “The will [in practical spirit] means nothing else but the end that is active. End and reason are immediately connected; what is rational is an end.” (LPS ) We can understand the phrase “the end that is active” as the subjective intention that – once grasped – continues to govern the subjective process of acting according to the intention. Such an intention as an active end defines the rationality of the subjective process of wanting. My choice of the end ‘to build a house’ governs my action of housebuilding and defines the order and rationality of the process. What is peculiar though, is that Hegel insists at the same time that “[the products of] practical spirit [are] (not yet deed and action, but) enjoyment [Genuss].” Here, he sharply distinguishes his discussion of subjective intentionality from his later discussion of the distinction between “action” (Handlung) and “deed” (Tat), which are part of objective spirit only. Within the “Psychology”, the measure for a successful doing is not the public deed, to which other agents might refer to in their judgements. Instead, it is my subjective take on the chosen end I pursue as well as my judgement whether it is met by what I am doing, which might be implicit only as a feeling of enjoyment or content after my doing. It is not a judgement, however, about what I have done. Subjective spirit does not have the conceptual means to understand ‘objectivity’ – it is only able to grasp the context of its subjective action as a mere ‘externality’. What Hegel is thus offering in his discussion of subjective intentionality is different from his later notions of Absicht and Handlung within objective spirit. Choice and acting on drives is not yet action proper, but subjective action only. We shall now have a closer look at the different forms of subjective action, as this will EP § and also § Zusatz. Cf. Peperzak (). For example in PR § . I use ‘externality’ as a translation of “äußerliche Objektivität” as in EP § .
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help us in understanding the social normativity already present here – prior to ethical life and its logically different normativity. Hegel discusses three stages of subjective action: practical feeling, arbitrary will or choice, and happiness. These three forms are linked to what Hegel calls elsewhere “allness” or “reflective judgments”, which are exemplified by inductive and analogous reasoning, for example. An agent who chooses to pursue certain ends will thus entertain considerations of the form: ‘Building a house was an end that made sense to person X to choose, so building a house is an end that makes sense to choose for myself.’ Or alternatively, we can use an idea introduced by G.E.M. Anscombe, who thought of ‘intentions’ as a particular answer to the question “Why are you doing X?”. Employing this idea, when being asked ‘Why are you building a house?’, the agent might reply perfectly legitimately ‘Because everyone is building a house’ or simply ‘This is what we do around here’. An agent who is subjectively determining himself according to ends, is therefore dependent on a social practice, which predefines the particular ends from which he is able to choose. This social practice – exemplified by ‘we around here’ – does not have to be an ethical social practice. In fact, any custom or convention that is normative for a group of people carries the normativity in question here. The particularity of a practice of housebuilding is bound by external factors, such as climate conditions and the local availability of material. A tent might provide just as much of the needed shelter for certain cultures and conditions as a timber framed building does for another. The formal freedom of such agent is thus dependent on the particular ends that are available to the agent for contingent reasons and therefore limited to his mere choice between those given ends. Such a will is infinite in its form, but finite as to content. The question of whether or not such a particular social practice is ‘ethical’, just or unjust, does not apply here. All that matters in subjective spirit is that this kind of social practice serves as the condition of possibility of subjective choice. It is open to historical or cultural differences and no rational conflict springs from it, as long as an The stages develop in a certain dialectic order, which Hegel explains through inner contradictions. EP § and § more particular and EP § Zusatz. Anscombe (, in particular § ). It is not a coincidence that Hegel parallels this discussion of “practical intelligence” in the “Psychology” with his discussion of language as “theoretical intelligence”. Here, he takes into account the variety of natural languages (cf. DeVries ; Winfield ), which he describes as deriving from “names” (cf. EP § ) for the same concept. The fact that there are many different natural languages does not conflict with the fact that theoretical intelligence needs a language, in order to fully unfold. The link between language and drives also allows us to understand drives as different from mere desires (cf. Herrmann-Sinai a, f.). In EP § Hegel explains how the free will in objective spirit (“actually free will”) is different from practical spirit in that the first is infinite in form and content.
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agent does not get into a situation of experiencing a deeper conflict between various ends that he or she wants to pursue. Not experiencing this deeper conflict – even for contingent reasons – is what defines “happiness” (cf. EP § – ). Thus, happiness (Glückseligkeit) is to some degree a matter of luck (Glück). The reason why the lack of conflict is sufficient to achieve happiness is that happiness requires an agent to merely think the totality of his subjective drives and make decisions as to what drive is relevant now, as against another one that might become relevant at a later point in time. The externality does not need to be and cannot be taken into account by the subject, because it only serves as a not yet fully understood presupposition of acting. Thinking is hereby understood as the capacity of an intelligent subject. In so thinking, the agent can achieve a “universal satisfaction” (EP § ). We shall now compare these findings with Hegel’s passages in “Objective Spirit”. In contrast to the subjective totality of drives in happiness, in “Objective Spirit” the totality of drives becomes a systematic unity, that is governed by the principle of the free will itself – as Hegel explains in the introductory paragraphs of his Philosophy of Right: The truth […] is that the drives should become the rational system of the will’s determinations [Willensbestimmungen]; to grasp them thus in terms of the concept is the content of the science of right. (PR § ) In Hegel’s view, the transition from subjective to objective spirit entails a transition from a mere totality (which can be contingently without conflict) to a systematic unity of drives: the notion of ‘right’. Naturally, this transition entails a different take on normativity, one explained by the logics of both spheres. A totality should be understood in the logic of ‘allness’, seen earlier as indicative of reflective judgements (the social normativity of contingent social practices), whereas a system must be understood in the logic of “genus/species” – the normativity of right. Universality of allness and genus/species universality are distinguished insofar as the latter – constituting the normativity of right – does not legitimate itself solely by the fact, that everyone (or ‘we’) are customarily acting accordingly, due to a contingently, historically grown social practice. If that were the case, then indeed Among the various lines that can be explored between Kant and Hegel, more could be said comparing the notions of ‘happiness’ and ‘right’ between both philosophers, which, however, would go beyond the scope of this article. For a discussion of some of these aspects in Kant, cf. Guyer (). This subjective thinking is to be distinguished from ‘thought’ in the Science of Logic. Goldstein () discusses Hegel’s changing attitude towards an Aristotelian conception of a good life and concludes that Hegel’s own conception of the good life has to be allocated within the Philosophy of Right. Linked with the passages from the “Psychology” about happiness as discussed here, the difference between Hegel and Aristotle is that Hegel is splitting the notion of happiness (subjective spirit) from the notion of the good life (objective spirit). EP § . Hegel himself refers to this distinction in the remark of § in the Philosophy of Right.
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‘right’ would be reduced to being a mere convention. As a consequence, the content of ‘right’ would be merely contingent, which would eliminate the close link between ‘freedom’ and ‘right’ that Hegel reserves for it. According to Hegel, the notion of right contains the contrast between subjectivity and objectivity within itself; it is not a contrast between a self-determining subject and some unconceivable externality. As a consequence of this contrast within right, freedom develops from a merely subjective choice into an object of the subject’s choice and willing. Hegel puts this as follows: The absolute determination, or, if you like, the absolute impulse [Trieb], of the free spirit […] is to make its freedom its object, i. e. to make freedom objective, both in the sense that freedom is to be the rational system of spirit and in the sense that this system is to be the world of immediate actuality […]. In making freedom its object, spirit’s purpose is to be for itself, as Idea, what the will is in itself. The abstract concept of the Idea of the will is in general the free will which wills the free will. (PR § ) Hegel continues this in § : “Right is any existence at all which is the existence [Dasein] of the free will.” The free will comes into existence, because it is the object of the subject’s free will. What is decisive in this argument, however, is that it not only changes what can be willed, it also changes the notion of subjectivity, the selfconception of the agent. The acting and thinking subject of objective spirit conceives of herself in different terms, because she does not justify her acting by means of appealing to norms everyone is following. Her answers to the question ‘Why?’ do not employ terms typical of conventions as indicated by the use of ‘we’ or ‘everyone’. Instead, the agent in objective spirit silences the chain of ‘Why did you do X?’ questions by answering ‘Because it is right to do X’. By giving this answer, the agent refers to and implicitly accepts a ‘rational system’ of permissible and non-permissible actions. Someone who judges an action to be ‘theft’, for example, thereby accepts a legal framework, which classifies particular actions in a system of actions to be right or wrong and also accepts certain consequences of wrongful actions, which are initiated by certain executive institutions. By accepting this implicit system of right in her action, the acting subject determines herself as free. Freedom is thereby not only the form of the subject’s selfdetermination (as in subjective spirit) but also its content. The examples Hegel discusses in objective spirit make this point very clear. They are examples of infringements of rights such as breaking a contract, murder, or arson, rather than infringements of social norms. Action proper thus cannot be simply ‘to build a house’ but rather ought to be read as ‘to acquire property’. Property does not just serve the subjective purpose of shelter. It comes with certain legal responsibilities for the subject, which the subject knows and wills. The agent in objective spirit does not only have subjective practical knowledge of what she is
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doing such as putting brick upon brick in a certain predefined order (or using Hegel’s example – applying a torch to an “isolated square inch of wooden surface”; PR § ) but also universal practical knowledge, which defines what she has done (such as setting fire to the house as a whole and thereby committing an act of arson). Her universal knowledge of arson entails that it is an infringement of right and that she would have to face the legal consequences for it. Spoken from the side of objectivity, a world containing objects such as property is not merely external to subjectivity but is formed by the idea of right, which also governs the subject’s self-determination. Such a world is objectivity. And only within objectivity can freedom be manifested as right; a person’s house as property manifests right in the world objectively, such that the door of that house is not only a piece of wood, but the legal border between private and public. Within objective spirit, a subject determines herself according to right and not just according to finite ends. The normativity of right in objective spirit does not only govern the subject’s drives and those of other finite subjects within the community, it also governs the world within which the subject and other persons are acting. And because the normativity of right governs objectivity, the subject is able to determine herself according to ends, which have an infinite content, i. e. not limited by the subject’s own finitude. With all this in mind, it is helpful to distinguish the German term Absicht when referring to intentions of a subject within objective spirit compared to ‘intentions’ as ends, as in subjective spirit. When Hegel speaks of Absicht, he refers to those intentions, which are formed by a subject who already understands herself as acting within an objectivity that is formed by right. The content of Absicht thus differs from the content of mere subjective intentions, precisely because its universality governs the situation, within which the agent acts, as well as her subjective interest. Both sides are united in the ‘deed’, which is the key term for understanding what Hegel means by ‘action’ within objective spirit. Although we were already able to understand some form of agency from the passages on subjective spirit, it is only in objective spirit that Hegel articulates ‘action proper’. This is to be kept in mind, when he writes within the chapter “Morality”: “The externalization of the subjective or moral will is action.” (PR § R) The fact that Hegel is speaking about a Hegel calls this the “right of intention” (“that the universal quality of the action shall […] be known by the agent, and so shall have lain from the start in his subjective will”) and he pairs it with the “right of objectivity” (“the right of the action to assert itself as known and willed by the subject as a thinker” – both PR § ). To refer to the subject as a thinker has a different connotation though, than simply taking the agent as a virtuous one. EP § R and again PR § . – Hegel already speaks of the “Syllogism of Action”in his Science of Logic (./) in the context of the “Absolute Idea”. Within this occurrence in the Logic, however, there is no mention of Absichten. This is no surprise, as only a finite subject is able to form Absichten, which can only be articulated in the context of “Objective Spirit” (cf. Herrmann-Sinai b).
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subjective will here, must not be taken out of its context in objective spirit. Within objective spirit, a subject’s Absicht can be externalized, precisely because she acts within an objectivity, that is ultimately able to accommodate the action’s outcome, the deed. An agent, who is rational to the degree that she can think this connection, has a moral will and can act freely beyond a mere freedom of choice. Moral action is not defined by leading to subjective happiness as a matter of luck, but by manifesting freedom through conceiving of itself as free. An action is free, if by being the realization of an Absicht, it thereby is a manifestation of right. The universal manifestation of right is thus mediated by the manifestation of Absichten in individual actions, which is a developmental step from the immediacy of subjective actions. The differences between subjective action and action proper we have explored so far, may be summarized: (i) the environment within which the action takes place changes from mere externality to an objectivity, which both provides the subject with situations in which to act and is ultimately able to accommodate the action’s outcome; (ii) the subject’s activity changes from an inner and immediate selfdetermination according to ends to a mediated understanding of self-determination according to Absichten; (iii) the notion of freedom changes from an arbitrary will or freedom of choice to act upon one particular drive or another (formal freedom) to a freedom which can itself become the object and content of the free will. The normativity of right is thus different from the social normativity of norms, because the justification of an action takes into account a system of interdependent permissible and non-permissible actions as well as the institutions which ensure the continuation of this system, governed by the idea of right. This is not to say that the social dimension is absent in objective spirit, but that it comes into view in a way which is quite different from being a condition of possibility of individual action. II. Mere Habituation and Ethical Habituation We can now go back to the reading of ethical life, according to which Hegel seems to claim that an agent is free by being the member of a social practice and by being bound by the governing norms of that practice. With our distinction between the social normativity of subjective spirit on the one hand and the normativity of right in objective spirit on the other, we can now see that the freedom of an agent merely by being the member of a social practice is already the freedom available to subjective spirit. It contains the freedom to determine oneself according to the (contingently) governing social norms. But it lacks the freedom to govern the For a detailed analysis of this see Vieweg ().
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means of acting, due to its immediacy, and hence it lacks power to alter the world, and to produce an outcome as deed. The freedom that ethical life is able to provide thus has to be more complex and more profound than the freedom of mere social normativity and we have explained some of the differences between acting as the realization of an end in subjective action, and action as the realization of an Absicht in objective spirit. There is, however, an additional challenge for our proposed reading of ethical life. What drives interpretations such as Christoph Menke’s is the fact that Hegel stresses the process of habituation of the subject and the acquisition of a second nature within ethical life, such as in PR § : But in simple identity with the actuality of individuals ethical life [das Sittliche] appears as their general mode of conduct, i. e. as custom [Sitte], while the habitual practice of ethical living appears as a second nature which, put in the place of the initial, purely natural will, is the soul of custom permeating it through and through, the significance and the actuality of its existence. It is spirit living and present as a world, and the substance of spirit thus exists now for the first time as spirit. Why would Hegel stress these processes again, if – as according to our proposed reading here – Hegel has already discussed habituation as part of social normativity in subjective spirit? Does this not speak in favor of Menke’s reading, that the difference between habituation and self-conscious appropriation of norms ought to be understood as a step taken within ethical life? In order to understand how habituation re-occurs in ethical life, it is helpful to distinguish between mere habituation (into any social norms) and ethical habituation into the right that governs ethical life. This enables us to see in how far habituation plays a recurring role in ethical life, but one which is still different from mere habituation in subjective spirit. Menke’s reading, to stress the difference between habituation and appropriation thus find itself rightly linked to passages in Hegel. However, with our exploration of mere habituation that is already available for subjective spirit, Menke’s argument also slightly differs from Hegel’s. Mere habituation is already the topic of the “Anthropology”, which describes the process of a gradual liberation from the immediately given content, for example in mechanical memory. Habituation in the context of the “Psychology” meant the immersion into a contingently available social practice, which provides Willkür with options to choose. Here, the form of the will is free, but not its content. By entering the sphere of objective spirit, the content of what can be chosen changes. It is not a contingently available social norm, to which the subject commits, but a free content itself – the normativity of right. The reason why Hegel picks up EP § . For a discussion of the role of memory see Magrì ().
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habituation again when he discusses the complexities of ethical life is that right, governing a society, must not only be abstract or written down in a constitution or legal code. Right, already manifest in subject and object, has to be practically acquired by the society as a whole as well as by the individual ethical agent – through habituation as well as by self-conscious appropriation. An ethical agent does not need to infer intellectually or look up in a book that it is wrong to commit murder. The ethical agent knows that it is wrong, without looking it up. Equally, the normativity of right crucially depends on the fact that the executive power in a state enforces it; crimes are prosecuted and legal action is taken, if necessary. However, habituation alone does not define the content of the norms. The difference between social normativity and normativity of right as regards to their content thus has to be established prior to the way we think of an ethical agent acquiring ethical laws by habituation. Where I thus agree with Menke’s reading is that mere habituation even into the laws of ethical life does not grant freedom or ethical agency. But the disagreement lies in the justification of this insufficiency. Mere habituation is not only insufficient, because the agent needs to take an additional step of self-conscious appropriation of these norms in order to get to a full understanding of self-determination in the first place. The reason why mere habituation does not grant freedom should instead be understood through the different logic of subjective and objective spirit, which explains the difference between mere social norms and the normativity of right in terms of their universality. But the normativity of right cannot be understood from the self-reflective appropriating act of a subject unless the laws, which are appropriated, are laws of right and not just social norms. As our discussion of subjective spirit was able to show, the agent in subjective spirit is already able to conceive of the reasons for his acting as having the “general character of being mine”. However, mere habituation into the social norms as in the practical self-determination of subjective spirit contains various moments of contingency, mere luck, or arbitrariness (EP § ). Not only was the choice to follow this or that drive an arbitrary choice, the content of the will’s determinations was arbitrary too. From the perspective of subjective spirit, it is impossible to decide whether a practical feeling is indeed a religious feeling or merely a sign of my body signaling hunger. It is equally a matter of luck, whether I was been born in the Northern or Southern hemisphere, into a democracy or dictatorship, with a certain gender or into a rich or poor family. It is also contingent whether or not the totality of social norms, which the agent is attempting to think and balance, indeed is a
The argument can be continued for absolute spirit, where the participation in art and religious practices equally require habituation of the artist or religious follower.
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coherent totality. For all these reasons, the free will in subjective spirit is merely formal. If, however, the totality of social norms allows for a coherent balance that is not merely subjective, this might be implicitly a system of the kind Hegel has in mind for his notion of right. But whether or not this is the case cannot be decided within subjective spirit. The concepts available to subjective spirit do not determine how they manifest themselves objectively. The reason why mere habituation into the right of ethical life does not grant freedom (as asserted also by Menke) is that from the perspective of mere habituation, it is logically impossible to decide whether one is habituated into mere social norms or into right, manifesting freedom. So, in order to distinguish these two, an agent needs to overcome his own self-understanding of being a merely well-trained member of a social practice and instead understand himself as an ethical agent within an ethical objectivity – or in Hegel’s words, being a ‘citizen in a just state’. The laws of ethical life thus become transparent as the laws of subjectivity as well as objectivity, not only for the system of right, but also for the individual ethical agent. Consequently, self-conscious appropriation consists not merely in giving the ethical norms the “general character of being mine”. Instead, self-conscious appropriation within ethical life is the result of the subject’s insight into the form and content of the free will as being manifest subjectively as well as objectively within the right of ethical life. III. Ethical Life and the Objectivity of Right It is not a coincidence that Hegel discusses ethical agency and his proper notion of ‘action’ within “Objective Spirit”. By positioning the discussion within this context, Hegel also claims that we can only act within a world which is able to accommodate our actions and deeds and is hospitable to us. Hegel goes beyond Kant not by stressing the importance of the ‘social practice’ for any agent who freely determines himself, but by establishing the notion of ‘objectivity’ in order to understand the world of our action as hospitable to our executed Absichten as deeds. According to Hegel, the agent as understood in subjective spirit cannot exercise action proper, because he does not have an understanding of the world as objectivity. Accordingly, this agent cannot conceive of the product of his action as being part of the world (as the deed). Nevertheless, he is able to determine himself according to his chosen ends and he is guided by social norms This reading of Willkür can also be found in Yeomans (, ): “In the terms of the logic of reflection, this is to view the conditions as presupposed in but not posited by the process of selfdetermining agency.”
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in this process – which is closer to the understanding of ‘intentions’ in contemporary debates. But we must not understand action proper as the mere combination of a subjective agent and a world, conceived as nature, with which he happens to be surrounded. By understanding action proper, our understanding of the world within which action takes place needs to change into objectivity. And both, subjectivity as well as objectivity, are governed not by social norms but by a logically different type of normativity – by ‘right’. The normativity of right is able to grant ethical agency, insofar as it allows the agent to conceive of herself as not only constituted by, but as living within an institutional setting that already embodies the reasons according to which she determines herself. This difference implies an inner transformation of the subject, who freely determines herself. However, to focus solely on the inner change of the subject – the change from acting out of habituation to acting out of self-appropriated reasons – encounters the hazard of explaining objectivity solely through these subjective changes. Hegel argues differently: objectivity cannot be explained by an inner transformation within the subject. Rather, objectivity goes hand in hand with an understanding of an ethical agent as freely determining herself according to right – which is an objective manifestation of the free will – and not just according to social norms. This insight into the normativity of right stretching beyond the subject is what should be understood as triggering the step from ethical habituation to selfconscious appropriation within ethical life. With this insight we are able to develop a richer notion of ethical life, a notion that goes beyond a mere social practice which is already available for subjects determining themselves according to ends. Even if Hegel’s thought looks more accessible when ethical life is being read as ‘social practice’, the objectivity of right still has to be understood as irreducible to the subjective manifestation of right. Consequently, both subjectivity and objectivity remain in tension with each other within objective spirit – a tension only overcome in absolute spirit.
Michael Quante’s () influential reading of the deed as the event caused by an intention does not take into account this double aspect (subjectivity as well as objectivity) that ‘knowledge of the deed’ has to contain, because he seems to reduce the deed in a Davidsonian manner to what can also be described in a naturally caused chain of events. Objectivity means in this interpretation what is explicable in scientific terms. Hegel’s notion of objectivity within objective spirit is different. Stephen Houlgate (, ) develops a very similar objection against Quante and addresses the fact that freedom for Hegel must not be reduced to freedom of choice and “human action is always subject to moral evaluation”, because it is always linked to “right”. Consequently, Menke conceives of the subject as a process: “Das Subjekt ist die Prozedur, die von der einen zur anderen und wieder zur ersten Äußerlichkeit zurückführt.” (Menke , ) Menke’s step beyond the left-Hegelian interpretation may not be as radical as he thinks, since he shares the reading that conceives of a change in the notion of objectivity (being able to speak of a world, that can accommodate our ‘deeds’) by means of changed subjective states.
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Abbreviations EP
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LPS Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Lectures on the Philosophy of Spirit – . Translated by Robert R. Williams, Oxford, . PR Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Outlines of the Philosophy of Right. Translated by Thomas M. Knox. Revised and edited by Stephen Houlgate. Oxford, .
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INDIVIDUALITÄT IN HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE
Thomas Dworschak DAS RECHT DES INDIVIDUUMS UND DIE SUBSTANZ DER SITTLICHKEIT ABSTRACT:
Hegel’s theory of freedom in the Philosophy of Right states that individual freedom is embedded in ethical life and simultaneously maintains that modern ethical life preserves the “right of the subjective will” and the “infinite worth of the individual”. Recent interpretations disagree if he really succeeds in keeping this promise. One important criticism objects that Hegel’s theory of the state and of ethical life ultimately makes individual freedom vacuous by conceiving the ethical domain as ‘substance’ that ‘sublates’ individuality. In defense of Hegel, many scholars have pointed out that Hegel himself presents an anti-ontological reading of ‘substance’ based on the conception of intersubjective acknowledgment. Having summed up the main steps of Hegel’s argument, I analyze the conceptions of ‘substance’ and of ‘sublation’ underlying the criticism of Hegel’s view and its defense, respectively. In the third part of my article I evaluate if the anti-ontological defense succeeds. The main suspicion is that it too easily introduces the standpoint of “absolute spirit” into the Realphilosophie. The latter crucially is signed by the contingent aspects of individual existence. I discuss the role of these aspects for the “paradox of autonomy” (scrutinized by Menke and Khurana) and the development of ethical life, proposing to understand these aspects as moments of ‘nature’ – more precisely, nature of a kind that only rational beings are endowed with. Most of Hegelian philosophy is lacking such a concept of nature. In conclusion, I point out the requirements that a development of this concept must meet.
Hegel entwickelt den Begriff der Freiheit, indem er verbreitete Verständnisse dieses Begriffs verwandelt. Den Kern dieser Verwandlung bildet der Gedanke, Freiheit nicht primär als Vermögen oder Eigenschaft von Individuen zu sehen, sondern als Verhältnis, dessen Boden soziale Praktiken bilden. Wohl muss sich Freiheit in den Handlungen und im Denken von Individuen verwirklichen. Sie lässt sich aber nicht hinreichend erklären, indem man sich auf individuelle Wünsche, Interessen oder Zustände bezieht. Personen verwirklichen Freiheit vielmehr dann, wenn ihr Handeln und Denken so begründet ist, dass es sich auf etwas allgemein als gut Anerkanntes bezieht. Freiheit in diesem umfassenden Sinn bedeutet, dass die in-
Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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dividuellen Momente der Freiheit in der „Sittlichkeit“ – wie Hegel sagt – oder in „sozialer Freiheit“ aufgehoben sind. Nachdem dieses Programm über lange Zeit als antiquiert kritisiert wurde, hat es in den letzten drei bis vier Jahrzehnten wieder großes Interesse geweckt. Das Problem, für dessen Auflösung man sich von Hegel Einsichten verspricht, besteht auf den ersten Blick in der Spannung zwischen der Normativität sozialer Praktiken und dem Anspruch des Individuums auf die Freiheit, sich gegen diese Normen auszusprechen. Dieses Problem behandelt Hegel, indem er individuelle Freiheit als Moment einer über-individuellen Freiheit ausweisen möchte, ohne erstere in letzterer verschwinden zu lassen. Dabei stellt er klar, dass eine Konzeption, die Freiheit allein im Individuum verortet, defizitär sein muss. Ich gebe in Abschnitt I einen Überblick über die bekannten Grundzüge seines Arguments, das vom Begriff des freien Willens zu dem der Sittlichkeit hinführt. Entscheidend ist nun die Frage, wie es gelingen kann, individuelle Freiheit in der Theorie der sittlichen Ordnung zu bewahren. Es ist dabei keineswegs eindeutig, wie Hegels Lösung zu verstehen ist. Damit ist es auch nicht eindeutig, welches Gewicht im Kontext von Hegels gesamter Freiheitstheorie den Stellen zukommt, an denen Hegel die Anerkennung individueller Freiheit formuliert. Dieses Thema betrachte ich aus dem Blickwinkel der Kontroversen in der jüngeren Hegel-Forschung, aus denen ich einen Einwand gegen seine Darlegung (II.A) und eine zur Zeit sehr einflussreiche Antwortstrategie (II.B) herausarbeite, um diese Antwortstrategie abschließend zu hinterfragen (III.). Dabei stehen sich einige Argumentationsfiguren gegenüber, die für die Kritik an Hegel oder für seine Verteidigung grundlegend sind: Der Einwand lautet, dass Hegel die Bedeutung individueller Freiheitsansprüche überzeugend darstellt, aber in seinen Theorien des Staates und der Geschichte wieder in erheblichem Maße zurücknimmt. Ein Grund hierfür ist die zentrale Stellung des Substanzbegriffs. Die Antwort geht davon aus, dass es Hegel gelingt, zu erklären, dass soziale Einbettung und individuelle Autonomie nicht in einem Verhältnis von Über- und Unterordnung zueinander stehen, sondern zwei Seiten derselben Lebensform sind. Ihre Strategie besteht darin, Hegels Anspruch, Ontologie müsse durch Logik überwunden und Substanz als Subjekt gefasst werden, konsequent auf seine Rechtsphilosophie anzuwenden. Für viele Vertreter dieser Antwort ist Anerkennung der Schlüsselbegriff, durch den sich jener Anspruch verwirklichen lasse. Eine wichtige Kritik an dieser Antwort geht davon aus, dass Hegel systematisch aufweist, dass Freiheit unter den Bedingungen der Moderne ein zutiefst paradoxer Begriff ist: Sie wird durch Praxisformen bedingt, die die Verwirklichung von Diese Formulierung hat Frederick Neuhouser (, f.) eingeführt; Axel Honneth räumt ihr in seinem Programm eine zentrale Stelle ein (vgl. Honneth , ).
Das Recht des Individuums und die Substanz der Sittlichkeit
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Freiheit zugleich notwendig hemmen. Um mit diesem Paradox umzugehen, schlage ich vor, auf den von der vorigen Lesart sehr skeptisch betrachteten Begriff der Natur und auf Hegels anthropologische Theorie des „Selbstgefühls“ zurückzugreifen. I. Überblick: Formen der Freiheit bei Hegel A. Die Notwendigkeit individueller Formen der Freiheit Hegel stellt seine Philosophie des Rechts als eine Entwicklung des Begriffs des freien Willens dar. Dieser Begriff ist ein zentrales Moment von Subjektivität (vgl. GW ,: § ). Erst die Rücksichtnahme auf seine Grundbestimmungen erlaubt es Hegel zufolge, die Sphäre praktischer und damit auch sozialer Normativität zu begreifen. Das erste Moment in der Entwicklung des Begriffs des freien Willens umfasst einerseits das Moment der negativen Freiheit. Der Wille ist die Instanz, die alle möglichen Bestimmungen verneint, die ihr von außen entgegentreten (vgl. GW ,: § ). Andererseits hat diese „reine Unbestimmtheit“ kein „Daseyn“. In „das Daseyn überhaupt“ tritt der Wille durch das „Bestimmen und Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts und Gegenstands“ (GW ,: § f.). Dieses „Aufheben der ersten abstracten Negativität“ (GW ,: § Anm.) ist eine Bewegung, die dem ersten Moment bereits innewohnt: Zu wollen heißt, etwas zu wollen (vgl. GW ,: ) und damit, etwas zu bejahen. Was hier bejaht wird, gilt nun nicht als äußerer Sachverhalt, sondern als „ideelle“ Bestimmung (GW ,: § ): Wenn der Wille etwas will, so bezieht er sich in diesem Etwas zugleich auf sich selbst. Es geht ihm um das Etwas nicht als schlechthin Existierendes, sondern eben als das von ihm Gewollte. In dieser Beziehung auf einen Gegenstand ist der Wille kein „vorausgesetztes Subject, oder Substrat“ (GW ,: § Anm.); vielmehr realisiert er sich nur in der Bewegung, Bestimmungen aufzuheben und seine eigenen Bestimmungen zu setzen. Die Analyse verbreiteter Verständnisse dessen, was der Wille will – beispielsweise: tun, was ihm gefällt; Gutes tun; seine Aufgabe erfüllen –, geht daher mit der Analyse der Formen von Selbstbestimmung Hand in Hand. In dieser Analyse ist das Individuum ein Kernthema, und zwar als Subjekt der Willkür sowie als Subjekt der Reflexion auf das, was allgemein als gut gilt. Willkürfreiheit ist eine Form der Freiheit, die Hegel als widersprüchlich und leer kritisiert (s. u., I.B). Dennoch ist sie notwendig für die Entwicklung des Freiheitsbegriffs, denn in ihr erfährt das Individuum, dass es in der Lage ist, überhaupt etwas praktisch zu bestimmen. Die Stufe der Willkürfreiheit erscheint zu Vgl. GW ,: §§ f., . Die Erfahrung seiner selbst als wirksam führt Hegel in GW : §§ –
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nächst als Charakteristikum des „natürliche[n] Wille[ns]“ (GW ,: § ). Dieser tritt jedoch als eine Wahl zwischen natürlichen Trieben und zufälligen Neigungen auf, die ihm als gegeben erscheinen. Eine solche Vorstellung des Wählens ist unzureichend, da der Wille sich in ihr auf die Befriedigung gegebener Triebe reduziert (vgl. GW ,: § ). Demgegenüber kann er so gedacht werden, dass er auch dann etwas zu wollen hat, wenn die Triebe und Neigungen befriedigt sind (vgl. GW ,: § ). Ein so verstandener Wille wählt nicht nur zwischen möglichen Befriedigungen, sondern es ist das Bestimmen selbst, das seinen Begriff ausmacht (vgl. GW ,: §§ – ). Er tritt aus seiner Natürlichkeit heraus. Die Form, in der Menschen einander Willkür zugestehen, ist das formelle oder abstrakte Recht. Auf seiner Grundlage ist ein (Selbst-)Verständnis des Individuums möglich, in dem ihm die Freiheit seiner Willkür nicht als zufällig, sondern als garantiert und anerkannt erscheint. Ein solches Individuum, das grundsätzlich als Träger eines Rechts auf Willkürfreiheit anerkannt ist, erscheint in Hegels Rechtsphilosophie als Person (vgl. GW ,: §§ f.). Die zweite Form individueller Freiheit steht unter dem Titel der Moralität. Für sie ist die Erfahrung entscheidend, den eigenen Willen frei bestimmen zu können (vgl. GW ,: §§ – ). Sie umfasst die Reflexion auf die Motive des Willens sowie auf die Verhältnisse zwischen dem, was faktisch getan wird, und dem, was gewollt wurde. An dieser Stelle ist es wichtig, dass Hegel die Notwendigkeit hervorhebt, die Innenperspektive des (moralischen) Subjekts ernst zu nehmen. Während das formelle Recht ein Recht ist, willkürlich zu wählen, haben wir es hier mit einem Recht zu tun, aus Gründen zu wählen, die das Individuum einsieht und prüft und in denen es sich selbst als vernünftiges Wesen wiederfindet. Hegel spricht zusammenfassend vom „Recht des subjectiven Willens […], daß das, was er als gültig anerkennen soll, von ihm als gut eingesehen werde“. Dieses Recht mache „den Wende- und Mittelpunkt in dem Unterschiede des Alterthums und der modernen Zeit“ aus (GW ,: § Anm.), deren normative Struktur auf dem Gedanken fußt, dass „das Individuum als solches einen unendlichen Werth hat“ (GW : § Anm.; vgl. auch § ). Insgesamt erscheint Selbstbestimmung im Hinblick auf das Individuum als negativ – nicht von außen bestimmt zu werden – und als Setzung von Gründen. Wenn diese Aspekte der Freiheit, auf die Individuen sich berufen können, sich aus der Entfaltung des Begriffs des Willens ergeben, so stellt sich die Frage, wie sie auf die Momente des Triebes und der Begierde zurück. Transformationen dieser Erfahrung auf der Stufe des Geistes diskutiert er in GW : §§ – sowie, diese Erfahrung als Aspekt der Rechtsperson betreffend, in GW ,: §§ – . GW ,: § ; vgl. auch § . Vorbereitet wird diese Formulierung in den §§ und f. („das Recht des Wissens“ im Vorsatz), (das „Recht der Absicht […], daß die allgemeine Qualität der Handlung […] von dem Handelnden gewußt werde, somit schon in seinem subjectiven Willen gelegen habe“), und (zum „Notrecht“).
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sich zu den nicht-individualistisch konzipierten Aspekten der Freiheit verhalten, die seine weitere Entfaltung darstellen. Hegel selbst fordert von diesem Verhältnis, dass soziale Kontexte, die als frei begriffen werden können, keine Komplexe von Selbstverständlichkeiten bilden, die Individuen sich unbefragt aneignen, sondern sich einer vernünftigen Befragung gegenüber als begründet ausweisen können (vgl. GW ,: § ). Das Recht auf diese Reflexion ist der Kern des Rechts des Individuums und daher notwendig für die Möglichkeit sozialer Freiheit. B. Worin bestehen die Defizite rein individuell verstandener Freiheit? Die Freiheit der Willkür und die Freiheit der Reflexion sind Hegel zufolge unvollkommen, wenn man sie isoliert als Grundlagen von Handlungsbegründungen behaupten wollte. Diese Diagnose richtet sich auf zwei Denkfiguren, die die Grundlagen der Unvollkommenheit jener beiden Verständnisse von Freiheit bilden: eine Figur, die Freiheit letztlich in der Verwirklichung eines gegebenen Antriebs sieht, und eine Figur, die das freie Subjekt in einen Gegensatz zu allem Gegebenen stellt. Hegel antwortet auf sie mit einer Kritik der Gegebenheit durch den Begriff der Negativität und einer Kritik der Unbestimmtheit durch den Begriff der Wirklichkeit. Selbstbestimmung fällt in manchen Positionen darauf zurück, etwas, das im Subjekt selbst unmittelbar gegeben zu sein scheint, als Handlungsgrund aufzufassen. Solche ‚Gegebenheiten‘ diskutiert Hegel beispielsweise unter den Titeln der Gewohnheit und Empfindung wie auch des Triebes oder Bedürfnisses. Sie können in weiten Teilen daraufhin befragt werden, wodurch sie vermittelt sind. Hegels Antwort liegt darin, sie prinzipiell als Sedimentationen geistiger Tätigkeiten zu betrachten. Diese Vermittlung tritt jedoch in vielen Fällen nicht ins Bewusstsein, sodass jene ‚Gegebenheiten‘ als Bestandteile der Natur des Subjekts erscheinen. Freies Handeln würde folglich so verstanden, dass es in natürlichen Bestimmungen des Subjekts seinen Grund hat. Selbstbestimmung erscheint als Bestimmung des Handelns durch das Selbst, wobei der Aspekt ignoriert wird, dass dieses Selbst sich wiederum erst zu bestimmen hat. Vor dem Hintergrund des weiten Verständnisses von ‚Natur‘, das hier im Spiel ist, ist dieser Gedankengang eine Kritik naturalisierender Freiheitsverständnisse. Ein solcher Naturalismus im weiten Sinne ist dem menschlichen Handeln darum nicht angemessen, weil er Freiheit letztlich mit Zufälligkeit zusammenfallen lässt. Denkende Subjekte – anders als nicht-vernünftige Subjekte, etwa Tiere – werden von ihren Empfindungen, Trieben oder Bedürfnissen nicht unmittelbar bewegt, sondern sie wissen von ihnen. Daher erfahren sie prinzipiell mehrere sol So in den §§ – und auch , – der Grundlinien; §§ , f., der Enzyklopädie.
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cher Beweggründe als gegenwärtig. Also muss das Subjekt einen Entschluss fassen, welchem Trieb oder Bedürfnis es folgen will. Dieser Entschluss kann aber auf dem Standpunkt, der die Willensfreiheit an die Befriedigung eines ‚natürlichen‘ Impulses knüpft, nur zufällig geschehen. Der Grund für die zweite Figur ist die Erfahrung des Subjekts, dass es nicht durch solche Gegebenheiten determiniert ist. Der Fehler, den Hegel in den Blick nimmt, besteht darin, diese Unbestimmtheit festhalten zu wollen. Dies äußert sich in einer Einstellung, die in allen gegebenen Bestimmungen eine Einschränkung der Freiheit sieht und es darum als Verwirklichung der Freiheit betrachtet, diese Bestimmungen außer Kraft zu setzen. An ihre Stelle treten Bestimmungen durch die Reflexion des Subjekts, auf die der hier kritisierten Position zufolge die Maßstäbe des Handelns zurückgehen sollen. Auch diese Reflexion führt nach Hegel in eine Aporie, indem sie sich entweder auf das Gewissen berufen muss oder auf die „abstracte Allgemeinheit des Guten“ (GW ,: § Anm.; vgl. auch § ). Das Gewissen und das Gute werden als Instanzen suggeriert, an denen gegebene Motivationen oder Handlungen zu messen sind – aber in ihrer Abstraktion sind diese Instanzen der Realität schlechthin inkommensurabel, sodass die Beurteilung eines konkreten Sachverhalts am vorgeblichen Maß des Guten und des Gewissens sich der vernünftigen Einsehbarkeit entzieht (vgl. Neuhouser , ). Es ist für Hegel zwar eine historische Leistung, wenn eine Kultur sich durch die Kraft des Verstandes der Gegensätze zwischen ‚Innen‘ und ‚Außen‘ sowie zwischen Freiheit und Zwang bewusst wird. Ein Merkmal des Zeitgeistes sieht er jedoch darin, diese Gegensätze nicht als Ergebnisse von Erfahrungen zu denken, sondern anzunehmen, sie stünden von vornherein fest (vgl. GW : ). Durch die so fixierten Entgegensetzungen sind Hegel zufolge Selbstverständnisse von Handelnden geprägt, die in der modernen Epoche weite Verbreitung erfahren haben. In ihren Aporien und Widersprüchen ist zugleich vorgezeichnet, wie ein umfassender Begriff der Freiheit verstanden werden muss. Das Ziel kann es dabei nicht sein, einen der als abstrakt kritisierten Aspekte zu verwerfen – ergeben sich diese Aspekte doch aus der Bestimmung des Begriffs des Geistes selbst, der sowohl „Negativität“ als auch wirklich ist (vgl. GW : §§ – ). Vielmehr sollen diese Abstraktionen in eine konkrete Einheit zurückgeführt werden. Diese Einheit, in die die oben diskutierten Begriffe der Freiheit einfließen, muss einem doppelten Anspruch genügen: Sie muss bestimmt sein – in Bezug auf das Handeln bedeutet das, bestimmte Handlungsnormen und damit nicht-willkürliche Maßstäbe für die Erfüllung dieser Normen zu beinhalten –, und diese be Diesen Gedankengang entfaltet Hegel in GW ,: §§ – . Vgl. die Ausführungen zur „Furie des Zerstörens“ in GW ,: § Anm. Letztlich ist dies der
Standpunkt des Bösen: vgl. GW ,: §§ f. und die Kommentierung in Moyar (, – ). Hegel spricht zusammenfassend von Pflichten, Rechten und Gewohnheiten im Sinne allgemeiner Gepflogenheiten (GW : § ; GW ,: §§ – ).
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stimmte Normativität darf nicht in etwas schlechthin Gegebenem liegen. Mit der Konzeption der Sittlichkeit unter den Bedingungen der Moderne versucht Hegel diesen Anspruch zu erfüllen. Sie bildet den Zielpunkt der Reflexion auf die Aporien der Willkürfreiheit und des moralischen Standpunktes und ist in Hegels Darstellung zugleich der Boden, aus dem individuelle Formen der Freiheit überhaupt erst aufkeimen können. C. Moderne Sittlichkeit und das Recht der Objektivität Für Hegel ist es klar, dass die Selbstbestimmung der Vernunft die Grundlage der Normativität in der menschlichen Welt bildet und nicht vorgefundene Bedürfnisse: Es lässt sich zwischen Gesetzmäßigkeiten unterscheiden, die dem Willen äußerlich sind – etwa diejenigen der Mechanik – und Normen, die durch Willen und Vernunft ins Dasein gekommen sind. In den letzteren wird Freiheit „objectiv […] in dem Sinne, daß sie als das vernünftige System seiner [= des „freyen Geistes“] selbst“ gelten können (GW ,: § ). Die Normen eines solchen vernünftigen Systems sind dadurch ausgezeichnet, dass nicht nur ihr Ursprung, sondern auch ihr Gegenstand und Zweck im freien Willen liegt (vgl. GW ,: §§ , ). Alle Verpflichtungen, die aus der Sittlichkeit, aber auch aus dem Bereich des formellen Rechts entspringen, müssen so verstanden werden können, dass sie Freiheit möglich machen. Aus der Perspektive Hegels ergeben sich daraus zwei zentrale Folgerungen: Individuelle Freiheit sieht sich nicht einem Fremden gegenüber, wenn sie es mit diesen Normen zu tun hat. Das praktische Denken des Individuums und seine Freiheit gehören derselben „Substanz“ an wie die Akte des Willens, deren Gesamtheit sich in den objektiv und allgemein gewordenen Normen niedergeschlagen hat. Ein angemessenes Verständnis dieser Normen löst den Dualismus von inneren und äußeren Bestimmungen auf. Die oben skizzierte Kritik der Gegebenheit findet in dieser Folgerung ihre Antwort: Was zunächst gegeben schien, erweist sich als Ergebnis oder Setzung geistiger Tätigkeit. Damit lässt sich auch der Gegensatz von Zwang und Freiheit nicht halten, denn was Zwang schien, hat sich aus der Tätigkeit des freien Willens ergeben und ist Fleisch von seinem Fleische. Zweitens kommt jenen Normen ein „Recht der Objectivität“ (GW ,: § Anm.) zu. Hierin besteht die Antwort auf die Kritik der Unbestimmtheit: Hegel argumentiert, dass ihre Verfassung, die die individuelle Subjektivität übersteigt, gegenüber der Reflexion und Willkür der letzteren geltend zu machen ist. Der erste Maßstab für Handlungen und Handlungsbegründungen liegt in zwar geis GW ,: § f.; den Begriff der Substanz diskutiere ich in Abschnitt II.
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tigen, aber nichtsdestoweniger wirklichen Normen. Diese Wirklichkeit geht der individuellen Reflexion voraus und tritt in einer Diskussion des Freiheitsbegriffs als Forderung an individuelle Subjekte auf. Damit spielt das Recht der Objektivität die Rolle, individueller Freiheit einen Inhalt zu geben, denn vom Standpunkt der Unbestimmtheit aus gesehen kann der freie Wille alles wollen und gutheißen – bis hin zu seiner Verneinung, etwa in der Selbsttötung. Die Forderung, die das Recht der Objektivität an Individuen stellt, zielt vor dem Hintergrund der ausdifferenzierten Konzeption des objektiven Geistes auf die Bildung und durchaus auch auf die Gewöhnung ab, durch die ein Subjekt zum Teilnehmer am sozialen Leben wird. Im besten, aber zugleich grundlegenden Falle wird das Recht der Objektivität dabei nach Hegel überhaupt nicht als Forderung spürbar, sondern wohnt den Individuen von vornherein als „Zutrauen“ in ihre Welt und als intrinsische Motivation inne, dieser Welt gerecht zu werden (vgl. GW ,: §§ – , ). Allerdings hat das Recht der Objektivität sein Gegenstück im „Recht des subjectiven Willens“, „daß das, was er als gültig anerkennen soll, von ihm als gut eingesehen werde“ (GW ,: § ). Dies nennt er „das höchste Recht des Subjects“ (GW ,: § ). Es zeichnet moderne Formen aus, dass sie erstens ihre eigene Wirklichkeit als eine vernünftig gesetzte begreifen und zweitens von einem universalen Begriff des Menschen ausgehen, der jeden Menschen als Träger eines freien Willens und daher von Rechten sowie eines Gewissens anerkennt (vgl. GW ,: §§ , , ; GW : § ). Moderne Praxisformen haben damit jenes Recht des Individuums in sich aufgenommen, die ihm entgegentretenden Forderungen zu reflektieren und prinzipiell in Frage zu stellen. Mit dieser Annahme problematisiert Hegel zugleich die Auflösung des Dualismus zwischen individuell verstandener und ‚sittlich‘ verstandener Freiheit: Solange wir die Redeweise von einem ‚Recht‘ oder von ‚Forderungen‘ verwenden, nehmen wir einen Unterschied zwischen dem an, was individuelle Subjekte von ihrer Lebenswelt, deren Institutionen und Praxisformen fordern, und dem, was diese Welt von den Individuen fordert. Für eine Konzeption der Freiheit, die sowohl das Recht der Objektivität als auch dasjenige des individuellen Subjekts aus sich hervortreibt, ist es entscheidend, wie dieser Unterschied genau beschrieben wird und was aus ihm folgt. „Für das Subject haben die sittliche Substanz, ihre Gesetze und Gewalten […] das Verhältniß, daß sie sind, im höchsten Sinne der Selbstständigkeit, – eine absolute, unendlich festere Autorität und Macht, als das Seyn der Natur.“ (GW ,: § ) Besonders viel Gewicht hat die Rede von „Inhalt“ im Kontrast zur Leerheit, die Hegel der moralischen Reflexion zuschreibt, in der Diskussion des Gewissens in den Grundlinien. Wenn er dort das „wahrhafte“ vom „bösen“ Gewissen unterscheidet, ist es ausschlaggebend, dass ersteres seinen Inhalt aus einem „objective[n] System [der] Grundsätze und Pflichten“ (GW ,: § ) gewinnt, letzteres dagegen die zufällige „Besonderheit selbst zur Bestimmung seines Inhaltes macht“ (GW ,: § Anm.).
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II. Bewahrt Hegels Konzeption der Sittlichkeit das Recht des Individuums? Hegel zielt darauf ab, zu erklären, dass die Erfahrung der Subjekte mit dem Anspruch der Objektivität der vernünftigen Wirklichkeit zur Deckung gebracht werden kann. Dadurch hebt sich die skizzierte Spannung zwischen dem Recht des Individuums und dem Recht der Objektivität auf. Unter der Annahme, dass sich diese Spannung bereits manifestiert hat – und zwar angeleitet von Konzeptionen, die auf Entgegensetzungen wie denjenigen zwischen Freiheit und Notwendigkeit sowie innerer und äußerer Bestimmung beruhen –, erfordert diese Versöhnung einen bestimmten Gang der Reflexion des Subjekts auf sich selbst und auf seine Welt. Für den Gang dieser Reflexion bildet Hegels philosophische Grundkonzeption den Wegweiser. Um zu begreifen, wie wir uns den Weg der Versöhnung vorzustellen haben, müssen wir also diese Grundkonzeption deutlicher beschreiben. An dieser Stelle divergieren die Lesarten. Ich stelle nun einen Einwand dar, der bestreitet, dass Hegel das Recht des Individuums auf zufriedenstellende Weise bewahrt. Dieser Einwand arbeitet an zentralen Stellen mit dem Begriff der Substanz. Danach betrachte ich eine Antwortstrategie auf diesen Einwand, die den Substanzbegriff anders liest. Im Zuge dieser Darstellung gehe ich auf die für Hegel so wichtige logische Figur der Aufhebung ein, die das Verhältnis des Individuums zur Substanz beschreibt, dabei aber ebenfalls auf konkurrierende Weisen interpretiert werden kann. A. Substanz als ontologischer Begriff und das gehaltlose Individuum Der eben genannte Einwand stützt sich darauf, dass in Hegels Lösung der Begriff der Substanz sehr prominent ist. Hegel nennt das „objective Sittliche“ die Substanz, die einen „Kreis der Nothwendigkeit“ bildet, „dessen Momente die sittlichen Mächte sind, welche das Leben der Individuen regieren und in diesen als ihren Accidenzen, ihre Vorstellung, erscheinende Gestalt und Wirklichkeit haben“ (GW ,: §§ f.). Auch im weiteren Verlauf des Textes hebt Hegel vielfach „substantielle“ Normen, Interessen, Beziehungsformen und Ansichten der je eigenen Persönlichkeit von solchen Verständnissen der Subjektivität und der Freiheit ab, die er als abstrakt, willkürlich, nur einzeln oder zufällig beurteilt. Ich benutze diesen Ausdruck, um das Recht der Subjektivität, das ja im engeren Sinne ein Recht der Reflexion ist, und den Anspruch auf Willkürfreiheit zusammenzufassen. Im Sittlichkeits-Kapitel der Grundlinien finden wir explizite Varianten dieser Unterscheidung in den §§ f., f. (zur Ehe), (zur Ehescheidung), (zum Familienvermögen und dem Testament), f. und f. (zur Einführung des Staatsbegriffs), (zur Differenzierung der Privatperson von der Person, die „substantiell“ ist, sofern sie an Institutionen teilnimmt), f. (zur „politischen
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Zwar erkennt der Einwand an, dass Hegel an verschiedenen zentralen Stellen seines Werks erklärt, wir müssten Substanz grundsätzlich als Subjektivität verstehen. Daher bedeutet der Einwand nicht, Hegel ziele darauf ab, individuelle Subjektivität in etwas Nicht-mehr-Subjektives aufzuheben. Aber auch in der als Subjektivität verstandenen Substanz sieht der Einwand eine Art von Monismus bewahrt, der bedeutet, dass die Substanz nicht auf die Individuen rückführbar ist, in denen sie sich manifestiert. Die Subjektivität der Substanz ist über-individuell. Dass sie Subjektivität ist, impliziert nun – gegen Konzeptionen einer Substanz als ‚seiend‘ und unwandelbar – ihre Tätigkeit, sodass sie „Proceß“ ist (GW : § ). Dieser über-individuelle Entwicklungsprozess ist das Movens der Geschichte, die Hegel damit als „That“ „des allgemeinen Geistes“ begreift (GW ,: §§ f.), welcher wiederum die Substanz auf der Stufe ihrer größten Entfaltung ist. In dieser Konzeption liest der Einwand ein teleologisches Moment: Die Substanz ist kein Ergebnis der Geschichte, sondern bewegt sie, sodass sie – anders als in der nachfolgend besprochenen Interpretation – auch nicht auf die geschichtlich gewordenen Praktiken zurückführbar ist, in denen sie sich manifestiert. Aus der Konzeption der Substanz kann man dieser Lesart zufolge das Moment nicht löschen, dass sie – wenn auch auf klärungsbedürftige Weise – ontologisch eigenständig ist. Eine solche Onto-Teleologie sei aber argumentativ längst nicht mehr zu halten. Was bedeutet dieser Substanzgedanke nun für das Projekt, die als abstrakt kritisierten Freiheitskonzeptionen mit der Sittlichkeit zu versöhnen? Wie bereits dargestellt, sind die Grundmomente jener abstrakten Konzeptionen die ‚naturhaften‘, unvermittelt scheinenden Antriebe der Individuen sowie ihre ausgebildete Reflexionsfähigkeit. In ihnen verkörpern sich Aspekte der Subjektivität, die Hegel zufolge den Forderungen der Objektivität nicht einfach unterworfen werden, sondern mit ihnen zusammenstimmen sollen. Von zentraler Bedeutung für dieses Vorhaben ist die Figur der Aufhebung. Ihre Aspekte – etwas () als ungültig zu Gesinnung“), (zur Bestimmung des „allgemeine[n] Interesse[s]“ als Substantialität des Staates), und (zur Begründung der Gewaltenteilung), (zum „amtlichen Berufe“ des Staatsdienstes), , – (zur öffentlichen Meinung), (zur „fürstlichen Gewalt“ als Ausdruck des „substantiellen Willen[s]“), f. (zur Pflicht der Erhaltung des Staates unter Gefährdung des eigenen Lebens), (zu zwischenstaatlichen Beziehungen), (zu den weltgeschichtlich bedeutenden Individuen). Eine andere Bedeutung liegt vor, wo Hegel die Landwirtschaft als Tätigkeit des „substantiell“ genannten Standes klassifiziert (§§ , ). GW : , ; vgl. zum Übergang des Substanzbegriffs der „objectiven Logik“ in den Begriff und die Subjektivität: GW : – ; auch GW ,: § Anm.: „Die Subjectivität ist selbst die absolute Form und die existirende Wirklichkeit der Substanz […]“. Der Einwand, den ich hier skizziere, hat die Kritik an Hegel lange geprägt. In jüngerer Zeit geltend gemacht wird er beispielsweise von Christa Hackenesch (, – , – ), Ludwig Siep (, f.), Christoph Halbig (, f.) und Birgit Sandkaulen (, – ). In den Grundlinien präsentiert Hegel dieses Wort nicht auf dem Silbertablett. Vgl. aber GW : : „Aufheben und das Aufgehobene (das Ideelle) ist einer der wichtigsten Beriffe der Philosophie, eine Grundbestimmung, die schlechthin allenthalben wiederkehrt […]“; und GW : § Anm. Es ist
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setzen, () auf eine höhere Stufe zu heben und () aufzubewahren – sind wohlbekannt. Aber wenn wir in Betracht ziehen, dass ein Verständnis dieser Figur stets ein Vorverständnis von Hegels Grundkonzeption in sich trägt, wird sichtbar, dass die Rede von „Aufhebung“ nur oberflächlich eindeutig ist. Für den Einwand, der Hegel einen ontologisch-teleologischen Grundgedanken zuschreibt, zeigt sich Aufhebung als Prozess, dem die endlichen, ihren beschränkten Standpunkten verhafteten Subjekte letztlich unterliegen. Für die Subjekte, die sich zunächst der Objektivität entgegensetzen, läuft es auf die Erfahrung hinaus, dass sie als „Accidenzen“ – so die Formulierung in § der Grundlinien – „weder eine eigene Subsistenz noch eine eigene Dignität“ haben (Sandkaulen , ). Zum Akzidens wird das Individuum in dem Sinne, dass es sich mitsamt den Formen und Motiven seiner individuellen Freiheit – seinen Wünschen, Interessen, möglichen Absichten und seinem Gewissen – als Produkt der sittlichen Substanz der Moderne erweist, die es bereits als Träger eines „unendlichen Werths“ gesetzt hat. Das Recht des Individuums ist dann von vornherein erfüllt. Es ist in seinem Grund mit dem Recht der Objektivität zusammengefallen, denn in dem letzteren ist „die Eigenwilligkeit und das eigene Gewissen des Einzelnen, das für sich wäre und einen Gegensatz gegen sie [= die „sittliche Substantialität“] machte, verschwunden“ (GW ,: § ). Von diesem Standpunkt aus ist am Individuum nichts mehr erkennbar, das auf vernünftige, interessante oder sinnvolle Weise einen Beitrag zu dieser Substanz leisten könnte, sondern bestenfalls „die Sucht, etwas besonderes zu seyn“ (GW ,: § Anm.). Aufgehoben zu sein bedeutet, dass es als Individuum ungültig gesetzt bzw. unerheblich geworden ist und als Träger des Allgemeinen aufbewahrt. Eine höhere Stufe zu erreichen bedeutet für es, seine Besonderheit loszulassen. Folgt man dieser Lesart, so sieht man sich zu dem Schluss genötigt, dass Hegel zwar mit dem Recht des Individuums ein zentrales Moment moderner Freiheitsverständnisse berücksichtigt – es dann aber wieder entleert. Im Hintergrund dieses Schlusses mag die Frage stehen, wie die Erfahrung eines Individuums aussieht, dem das Recht der Objektivität als Zwang oder Widerstand oder auch als unvernünftig und sinnlos erscheint. Es liegt nahe, hier an Erfahrungen der Frustration, der Verkennung, der Entfremdung oder sogar der Entwürdigung zu denken – Erfahrungen, die man macht, wenn man sich beispielsweise auf ein Tun oder Unterlassen verpflichtet sieht, dessen Begründung man für fadenscheinig,
daher legitim, zu fragen, wie diese „Grundbestimmung“ in dem Problemfeld wirkt, das ich hier diskutiere. Vgl. Hackenesch (, und – ). Die Autorin zeichnet nach, inwiefern das ‚Ich‘ überhaupt Produkt einer Setzung des Begriffs bzw. des allgemeinen Selbstbewusstseins ist, und beurteilt diesen Gedanken der Logik selbst als „metaphysische Setzung“, sofern Hegel das allgemeine Selbstbewusstsein eben substantialistisch denke.
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willkürlich oder bloß traditional hält. Wenn nun das Individuum in der Moderne „unendlichen Wert“ hat, so gerade nicht als Subjekt solcher Erfahrungen, denn sofern es sie von seinem beschränkten Standpunkt aus macht und ihnen vertraut, ist sein „Gewissen […] auf dem Sprunge […], ins Böse umzuschlagen“; „die Schuld seines Bösen“ hat so „schlechthin“ das „einzelne Subject als solches“ (GW ,: § Anm.). Anders gesagt: Aus dem Recht der Objektivität folgen Verpflichtungen mit bestimmten Inhalten; aus dem Recht des Individuums lässt sich jedoch nichts Inhaltliches folgern. Damit, so der Einwand, verspielt Hegel das kritische Potential, das liberal-individualistische Positionen mit subjektiven Rechten verknüpfen, da ja ein normativer Grund für dieses kritische Potential gerade in individuellen Erfahrungen liegt. Hegels Schwäche wäre nun, den letzten Punkt in den Vorwurf der inhaltsleeren Willkür aufzulösen und allein den konformistischen Aspekten der Subjektivität zuzugestehen, sie könnten im Prozess der Aufhebung eine höhere Stufe erreichen. B. Substanz als intersubjektive Tätigkeit In der Literatur zu Hegels praktischer Philosophie begegnet man diesem Einwand nicht selten mit der Erklärung, man könne aus Teilstücken von Hegels Werk eine für die heutige Situation lehrreiche Handlungs- oder Sozialtheorie entfalten, wenn man Fragen der Ontologie oder Geschichtsphilosophie und damit auch den belasteten Substanzbegriff beiseitelässt. Systematisch interessanter sind jedoch Ansätze, die als Antwort auf diesen Einwand die Grundlagen seiner Philosophie in den Blick nehmen, die unter dem Titel einer „Logik“ methodologische mit metaphysisch-ontologisch scheinenden Untersuchungen zusammenführen. Ihnen zufolge sollten wir uns durch diese ‚metaphysische‘ Logik keineswegs in Verlegenheit bringen lassen und sie aus Diskussionen der praktischen Philosophie ausklammern, sondern auf ihrer Grundlage die Irritation durch Konzeptionen wie die der Substanz ausräumen. Das Fundament der Antwort ist es, Substanz (und damit den Geist) als Subjektivität aufzufassen, jedoch mit einem ganz anderen Schwerpunkt als die obige Vgl. Halbig (, – ); nachdrücklich auch Sandkaulen (, ). Mit Blick auf den Begriff der Bildung v. a. in § der Grundlinien stellt sie fest, dass Hegel das in der Phänomenologie prominente Motiv eines Bewusstseins der „Zerrissenheit“, in dem sich Subjekte als besondere erfahren, im späteren Werk als „Beliebigkeit“ „disqualifiziere“. Damit tilge er das kritische Moment von Bildungserfahrungen und richte Bildung nur noch affirmativ auf eine „substantielle Stabilität“ aus, von der er doch wissen müsse, dass sie unter den Bedingungen der Moderne immer prekär bleibt. „Die heutige praktische Philosophie kann von Hegel lernen, aber sie kann ihre Aufgaben nicht mit seinen Mitteln oder auch nur mit einer leichten Modifikation seiner Prämissen und Methoden lösen. Sie muss wesentliche Voraussetzungen […] seines Denkens überwinden […]“ (Siep , ); „[…] weder der Staatsbegriff Hegels noch sein ontologischer Begriff des Geistes scheinen mir heute noch in irgendeiner Weise rehabilitierbar zu sein […]“ (Honneth , ).
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Lesart. Die Logik, die den Kern von Hegels Philosophie ausmacht, müsse konsequent so verstanden werden, dass sie die Metaphysik und Ontologie ersetzt: Zwar nimmt sie deren „Denkformen“ in sich auf, wirft aber die Vorstellung ab, diese seien an „Substrate“ gebunden (GW : ). Alles, was in Hegels Realphilosophie nach Ontologie klingt, sollten wir daher ebenso konsequent logisch interpretieren. Extrem verkürzt dargestellt, ergibt sich aus dem anti-ontologischen Programm der folgende Gedankengang: Kernmoment der Subjektivität ist aus logischer Perspektive der Selbstbezug. Wie ist nun der Selbstbezug der Substanz zu denken? Zum einen im Sinne der Negativität, die Subjektivität auszeichnet: Das, was der Substanz (im Sinne eines Subjekts) angehört, ist kraft ihres eigenen Wirkens von dem unterschieden, was ihr nicht eigen ist. Zum zweiten gehört zum Begriff der Substanz ihre Immanenz in dem, was durch sie realisiert wird, sodass eine Konzeption abzulehnen ist, der zufolge die Substanz der Sittlichkeit ein von der Wirklichkeit getrenntes, sie transzendierendes Wesen wäre (vgl. Neuhouser , ). Die Wirklichkeit, der die sittliche Substanz immanent ist, besteht im Denken, Wollen und Handeln von Personen. Nun kennzeichnet Hegel die Substanz der Sittlichkeit als vernünftig. Für das Denken, Wollen und Handeln von Personen muss das aber unter der von Hegel selbst aufgestellten Voraussetzung des Rechts der Subjektivität (vgl. oben Anm. ) bedeuten: Es realisiert die Substanz der Sittlichkeit im vollen Sinne nur dann, wenn die denkenden, wollenden und handelnden Subjekte die Vernunft der sittlichen Normen, denen sie folgen, einsehen und anerkennen. Jedoch können diese Subjekte nicht bedingungslos und unmittelbar die Kompetenz zur Einsicht und Anerkennung der Vernunft haben, sondern nur unter der Bedingung, von Sittlichkeit getragen zu sein. Für die hier vorgestellte Lesart bedeutet das, dass sie durch intersubjektive Prozesse, in denen sie mit normativen Ansprüchen und Begründungsformen vertraut werden, zu handlungs- und einsichtsfähigen Subjekten geworden sind. Diese Intersubjektivität, die zumeist unter dem Schlagwort der (gegenseitigen) Anerkennung gefasst wird, ist es letztlich, in der der Selbstbezug und die Immanenz der Substanz bestehen. Ihre ontologische Eigenständigkeit entpuppt sich als logische Auszeichnung einer Sphäre der selbstgesetzten Norma Dahingestellt bleiben muss an dieser Stelle noch die Frage, was es denn sein kann, das der Substanz nicht eigen ist. Wenn man Hegel in der Tradition Spinozas liest und dazu seine Bemerkung ernst nimmt, dass die Idee „in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, […] sich als Natur frei aus sich zu entlassen“ (GW : § ), liegt es auf der Zunge, zu antworten: ‚Nichts.‘ Diese Antwort versuche ich in (III.C) zu differenzieren, ohne das Problem freilich erschöpfend behandeln zu können. So etwa bei Pirmin Stekeler-Weithofer (, ; vgl. auch ): „Substanz ist das Bleibende. Aber am Ende ist das einzig Substantielle die von uns gemeinsam geformte bzw. nachvollziehbare Entwicklung des Systems inhaltlichen Verstehens und Wissens […]“; Pippin (, f.); Neuhouser (, ). Vgl. Pippin (, – ) für eine zugespitzte Darstellung dieses Standpunkts; Redding (, f., Kap. ).
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tivität. Da deren Substantialität in nichts anderem als in den etablierten Relationen zwischen den Wesen besteht, die dieser Sphäre angehören und sie zugleich verwirklichen, ergebe es keinen Sinn, Substanz, Geschichte und Beweggründe der Geschichte ‚jenseits‘ dieser Relationen zu verorten. Nimmt man also ernst, dass die Logik den Kern von Hegels Philosophie ausmacht, so werde der oben ausgesprochene Vorwurf der antiquierten Onto-Teleologie hinfällig. Für die in den Grundlinien auffälligen Formulierungen mit den Worten ‚Substanz‘ und ‚substantiell‘ folgt aus diesem Gedankengang, dass man davon ausgehen sollte, die ontologische, von Spinoza her bekannte Kernbedeutung des Substanzbegriffs sei aufgegeben worden. Es ergebe sich ein „‚nonsubstantial‘ concept of ethical ‚substance‘“ (Redding , ). Die Artikulationskraft dieser SubstanzRedeweise liegt vor allem darin, zwei andere Konzeptionen sozialer Normativität fernzuhalten, nämlich die atomistische Reduktion dieser Normativität auf die Interessen von Individuen sowie ihre Reduktion auf natürliche Notwendigkeiten. ‚Substanz‘ so zu verstehen legt es nahe, den Bezug des je einzelnen Individuums auf die sittliche Ordnung anders darzustellen als der zuvor beschriebene Einwand. Orientieren wir uns auch hier an der Figur der Aufhebung mit ihren drei Bedeutungsaspekten. Für die intersubjektiv-logische Lesart ist Aufhebung eine Tätigkeit der beteiligten Individuen, und zwar genauer eine Tätigkeit fortschreitender Selbstreflexion. Ungültig gesetzt werden in ihr Beschränkungen und Fixierungen der individuellen Verständnisse davon, was das Individuum selbst und was seine Welt ist. Aufbewahrt wird das Individuum samt seiner Perspektivität. Dabei transformiert es jedoch sein eigenes Verhältnis zu seinem individuellen Standpunkt: Es Vgl. besonders Pippin (, – ). Neuhouser (, f., f.) betont, dass die Tätigkeit der Individuen, die ja die Voraussetzung für die Realisierung der Sittlichkeit ist, damit keineswegs aus einem Zweck des Ganzen teleologisch abgeleitet sein kann. Das Wesen („essence“) des Ganzen schließt vielmehr die Freiheit der Individuen ein. Die Vorgabe für ein relationales und prozesshaftes Grundverständnis des Willens bzw. des Begriffs, durch das sich der Begriff der Substanz verwandeln muss, macht Hegel in der Wissenschaft der Logik (GW : ) sowie in GW ,: § . – Vgl. zur Bindung der Vernünftigkeit an „relations“, „organization“ und „structure“ Neuhouser (, – ); Pippin (, Kap. ). Im Sinne dieser Lesart muss Hegels oben zitierte Aussage, die Geschichte sei als Tat des Geistes zu begreifen, nach Pippin um die Bestimmung ergänzt werden: „[S]pirit ‚is‘ its activity, rather than an agent ‚who acts‘ […]“ (Pippin , , Anm. ). – Wenn wir die Substanz in normativen Relationen verorten, sollten wir weiterhin denken: Diese Relationen sind nicht mit den einzelnen Akten oder Ausdrücken identisch, durch die die Relationen manifest werden, sondern sie sind der vernünftige Sinn dieser Akte und Ausdrücke, der im Einzelfall verfehlt werden kann. Das Programm der Versöhnung mit der Objektivität richtet sich daher nicht auf die Realität, wie sie sich kontingenterweise zeigt, sondern auf den Sinn, den die Individuen kraft ihrer eigenen Vernünftigkeit zu sehen bzw. zu rekonstruieren imstande sind (vgl. Neuhouser , – ). Redding führt weiter aus, dass ‚Substanz‘ in der Logik und der Phänomenologie durchweg ein vorläufiger, ergänzungsbedürftiger Begriff ist; er kennzeichnet das Wesensdenken, das aber zum Begriffsdenken, d. h. zur subjektiven Logik fortschreiten muss. Diesen Fortschritt müsse man auch bei der Lektüre der Grundlinien berücksichtigen (vgl. Redding , f., – , ).
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entwickelt das Vermögen, diesen Standpunkt nicht mehr als unmittelbar und unbedingt zu nehmen, sondern sich frei zu ihm zu verhalten, ohne ihn aber notwendig ganz aufzugeben. Genau diese kognitive Verwandlung müsse gemeint sein, wenn von der Aufhebung des Individuums in der substantiellen Vernünftigkeit die Rede ist. Nach Hegel bedeutet diese Verwandlung, vom Denken in verständigen Entgegensetzungen zur konkreten Einheit der entgegengesetzten Momente fortzuschreiten. Nun kommt es darauf an, diese Einheit nicht substanzontologisch vorzustellen. An ihrer Stelle finden wir vielmehr ein Netz von Relationen in einer Sphäre selbst hervorgebrachter Normativität, die gänzlich von ihren Teilnehmern getragen wird. Akzidens einer Substanz zu sein übersetzt sich nun dahingehend, in solchen Relationen zu stehen und sich in ihnen zu bewähren. Diese Bewährung hat zwei Seiten: Ein Subjekt steht im vollen Sinne in einer solchen substantiellen Relation nur, wenn es diese Position und die mit ihr verbundenen Verpflichtungen verstanden und für sich angenommen hat. Hier schlägt sich das Recht der Subjektivität nieder. Auf der anderen Seite erfordert diese Position, dass das Subjekt sich so verhält, dass es für alle an dieser Relation Beteiligten erkennbar die entsprechenden Verpflichtungen erfüllt. In den Erfüllungsbedingungen tritt ihm das Recht der Objektivität entgegen. Diese Situation konsequent anti-ontologisch zu lesen hat nun die Seite, dass der Schein verschwindet, die Sittlichkeit sei ontologisch eigenständig. Gerade dieser Schein verleitet zu dem Gedanken, die Sittlichkeit trete der individuellen Freiheit von außen entgegen. Dagegen wurde argumentiert, dass sie Subjekten immanent ist. Jene Lesart hat aber auch die Seite, dass der ontologische Status des Individuums fragwürdig wird. Er muss sich in einen logischen Status überführen lassen. Dies betrifft alle Momente, die dem Individuum auf scheinbar unmittelbare Weise innewohnen. Wir können hierfür auf die beiden kritischen Züge zurückkommen, mit denen Hegel den Grund für seine Konzeption der Sittlichkeit legt (s. hier I.B). In der Diskussion dieser Züge wird deutlicher, wie tiefgreifend die Interpretationsunterschiede und ihre Konsequenzen für das Thema des Verhältnisses von individueller und sozialer Freiheit sind. Die Aufhebung des Individuums in der Sittlichkeit begreift zum einen die Kritik der Gegebenheit durch den Begriff der Negativität in sich. Für eine ontologische Interpretation liegt es nahe, dies als Kritik und Negation der individuellen, beispielsweise gefühlshaften Erfahrung zu lesen – eine Negation, die sich etwa als Verdrängung verständlich machen ließe. Dann wird unklar, was es bedeuten kann, Redding (, f.) weist darauf hin, dass es wieder eine wesenslogische und noch unzureichende Konzeption wäre, Aufhebung mit einem Zunichtemachen gleichzusetzen. Am Rande bemerkt sei, dass Hegel in der Enzyklopädie dieses Verhältnis so ausdrückt, die „Person […] als denkende Intelligenz hör[e] in dieser Gesinnung [= „als ihr eigenes Wesen“ die Sittlichkeit zu wissen] auf Accidenz derselben zu seyn“! (GW : § )
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diese Erfahrung würde zugleich aufbewahrt. In der logischen Sichtweise kann es dagegen hier allein um den Status gehen, den das Subjekt seiner Erfahrung zuschreibt. Vor allem Robert Pippin erklärt, man verkenne Hegels Sozialphilosophie, wenn man sie psychologisch lesen wollte – so, als ginge es in ihr direkt um Zustände der Frustration, der Missachtung oder des Widerstrebens und darum, wie man sie therapieren könnte. Solche Zustände treten nämlich kontingent ein und lassen nicht aus sich heraus erkennen, ob sie einen philosophisch einsehbaren Grund haben oder ob sie „pathologisch“ sind. Die Kritik der Gegebenheit muss diese Kontingenz zum Vorschein bringen – gegen eine Position, die dem gefühlshaften Zustand des Individuums eine unmittelbare Normativität zuerkennen wollte. Daher gilt es, zu fragen, wie dieser Zustand zu verstehen ist. Dies erfordert, ihn zu artikulieren. Als artikulierte werden die psychologischen Zustände oder die zunächst unreflektierten Erfahrungen aufbewahrt (was nicht zuletzt heißt: vor dem Vergessen bewahrt). Zugleich gewinnen sie einen Bezug auf einen Zusammenhang geteilten Wissens über ihre Bedeutung, ihre möglichen Gründe oder ihre legitimen Konsequenzen. Für ungültig erklärt wird somit in dieser Lesart ihre Hypostasierung als Ausdruck einer fundamentalen Instanz im Individuum, die unter den Titeln seiner Natur oder seines Gewissens auftreten kann. Dieser Aspekt der Aufhebung lässt sich als Befreiung von der Fixierung auf die eigenen Leidenschaften oder den eigenen Standpunkt begreifbar machen. Liest man Hegels Kritik des Individualismus aus logisch-intersubjektiver Perspektive, so ergibt sich, dass sowohl diese Instanzen als auch die normative Kraft individueller Erfahrungen nur vermittelt durch intersubjektive Anerkennung wirklich werden: Das Individuum erkennt seine ‚heiligen‘ Rechte wie dasjenige des Gewissens (vgl. GW ,: § ) und seinen „unendlichen Werth“ gerade dann, wenn sie sich verwirklichen, als bedingt – nämlich durch eine Geschichte und einen sozialen Kontext, die die Anerkennung dieses Werts und dieser Rechte hervorgebracht haben und weitertragen. Hiermit klingt Hegels Kritik der Unbestimmtheit durch den Begriff der Wirklichkeit an. Für den Einwand, der eine Substanzontologie als Grundlage von Hegels Philosophie ansieht, scheint aus dieser Kritik zu folgen: Um wirklich zu werden, muss sich das Individuum die substantiellen ‚Vorgaben‘ der Objektivität zu eigen machen. Gerade diese Vorstellung substantieller Vorgaben bestreitet die Sandkaulen (, ) merkt zu Hegels Anthropologie an, dass „bei näherem Hinsehen gar nicht klar ist, was es heißen kann, die Seele“, die der Ort der Gefühle ist, „in den Aufhebungsprozeß des Bewußtseins zu ziehen.“ Ihre Folgerung, Hegel habe mehrere einander widerstreitende Konzeptionen von Subjektivität ‚entdeckt‘, aber nur eine davon verfolgt, greife ich in (III.C) auf. Zum Folgenden vgl. Pippin (, , – , – ). Vgl. GW ,: §§ , ; Neuhouser (, – ); Menke (, – ). Vgl. Honneth (, ); Pippin (, – ); zum Gewissensbegriff in diesem Zusammenhang insbesondere Neuhouser (, – ).
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logisch orientierte Interpretation. Für sie geht es vielmehr darum, die InnenAußen-Entgegensetzung in Selbstverständnissen von Subjekten abzubauen. Das ‚Innere‘ des Individuums ist so zu begreifen, dass es nicht von sich aus wirklich ist, sondern einer äußeren Artikulation bedarf. Das ‚Äußere‘ ist dabei so verfasst, dass es zu dieser Artikulation auffordert und für sie den ‚Stoff‘ bzw. die Inhalte bereitstellt, nämlich geteilte Bedeutungen, die das Individuum aufgreift, anstatt ihnen – hiergegen positioniere Hegel sich ja, indem er das Recht der Subjektivität affirmiert – passiv unterworfen zu sein. Die Wirklichkeit des Individuums muss damit so begriffen werden, dass sie sich über das Individuum hinaus in die intersubjektive Sphäre erstreckt. Am Individuum ist wirklich, was geistige, geteilte Wirklichkeit zum einen noch wird – die Wirklichkeit seiner Erfahrungen bildet sich daran, dass andere auf sie eingehen – und zum anderen schon gewesen ist – indem auch das, was das Individuum für sich empfindet und erfährt, vom Stoff und Inhalt der intersubjektiven Welt getränkt ist. Modern sei Hegels Darstellung, da sie die Sittlichkeit „dünn“ konzipiere, indem sie sich mit inhaltlichen Bestimmungen eines ‚guten Lebens‘ zurückhalte und sich auf basale Auskünfte beschränke, die die Bedeutung familiärer Zusammenhänge sowie der Ausübung eines Berufes betreffen. Fragt man nun, welche Erfahrungen oder Interessen ein Individuum in die Sphäre der geistigen Wirklichkeit einbringen kann, wäre die Antwort: Prinzipiell alle – solange es sie für die Befragung durch die ‚Allgemeinheit‘ der geteilten Bedeutungen zugänglich macht. Genau diese Konzeption bewahre das Recht und den Wert des Individuums, denn die Sittlichkeit bestimmt ihre Inhalte erst durch gegenseitige Anerkennung, statt dass sie bereits vorgängig ‚substantiell‘ feststünden. Ferner ergibt sich aus dieser Auslegung, dass das dem „Recht der Objectivität“ entgegenstehende Individuum nicht unvermittelt in diesem Gegensatz steht, sondern sich erst dorthin gestellt haben muss. Dies tut es, wenn es die konstitutive Rolle der Anderen für die Wirklichkeit seines eigenen Standpunktes und seiner Forderungen leugnet oder wenn es an den eigenen noch unreflektierten Empfindungen und Erfahrungen als Maßstab festhält. Hegel und in seinen Spuren vor allem Axel Honneth () stellen diese Leugnung selbst als Frucht historisch entwickelter Praxisformen dar. Dies müssen dann aber Praxisformen sein, deren Normen eine abstrakte und einseitige Perspektive auf die an ihnen beteiligten Personen sowohl voraussetzen als auch im weiteren Verlauf provozieren. Das Recht des Individuums bedeutet in dieser Lesart das Recht, als Teilnehmer in der Sphäre der praktischen Normativität zu gelten. Dies bedeutet wiederum das Pippin (, f.) hebt hervor, dass diese Form der Verwirklichung, in der ich auf den Anspruch anderer Personen eingehe und meinen Anspruch anerkannt sehe, kategorisch von der Realisierung eines natürlichen Triebes unterschieden ist. Letzterer liegt im Organismus vor. Ansprüche im ersten Sinne können dagegen nur zwischen Personen wirklich werden. Vgl. Neuhouser (, , – ); Pippin (, ).
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Recht, dass die eigenen Äußerungen und Handlungen als Beitrag in dieser Sphäre gezählt werden. Vorbedingung dafür ist, dass eine solche Sphäre schon besteht. Oben wurde der Verdacht artikuliert, das Recht des Individuums würde durch Hegels Substanztheorie entleert und beschränke sich auf das Aussprechen von Forderungen, die ohnehin mit den geltenden Normen konvergieren. Nun lässt sich behaupten, dass dies nicht ausgemacht ist, sondern offen bleibt, denn es kommt nicht auf die Inhalte an, die unter Berufung auf dieses Recht geltend gemacht werden, sondern auf den Anspruch, überhaupt Inhalte geltend machen zu können und auf sie eine vernünftige Antwort zu bekommen. Mit dieser Interpretation ist ein Verständnis von Freiheit verknüpft, demzufolge Freiheit es erfordert, uns selbst, unsere Handlungsgründe und die Welt, in der wir handeln, ent-ontologisiert zu begreifen. Das Recht des Individuums, den Grund seiner Handlung „als gut ein[zu]sehen“ (GW ,: § ), ist das Recht, die Vernünftigkeit einzusehen, und dies wiederum ist das Recht, den Schein der Festigkeit und Unmittelbarkeit in Frage zu stellen. Es ist das Recht der Negativität, die den Geist und damit die Substanz der Sittlichkeit kennzeichnet. C. Fazit – Logik und Realphilosophie Fragen wir uns nun, ob es der zweiten Interpretationsrichtung gelungen ist, die in (II.A) dargestellten Einwände zu beantworten. Ich möchte diese Frage vor allem auf die systematische Überzeugungskraft der Interpretationen beziehen, aber zuvor kurz überlegen, wie wir sie exegetisch beurteilen könnten. In dieser Hinsicht ist es zunächst ein Vorzug der zweiten Lesart, dass sie einen weiten Horizont in den Blick nimmt: Sie deutet die Grundlinien von denjenigen Gedanken aus, die Hegel selbst in der Wissenschaft der Logik und an wichtigen Übergängen in der Enzyklopädie als absolut zentral für jedes philosophische Verstehen kennzeichnet. Damit folgt sie der Maxime, Hegels Werk so zu verstehen, als sei es aus einem Guss entstanden. So lobenswert diese Maxime auch ist – sie allein genügt nicht, um die Zweifel abzuwehren, ob denn dieser eine Guss auch gelungen sei. Varianten dieses Zweifels werden ja in der ersten Lesart laut: Wenn Hegel tatsächlich diesen einen Guss intendiert hatte – was motivierte ihn dann, in den Grundlinien insbesondere in den Abschnitten zur Sittlichkeit, zum Staat und zur Weltgeschichte so häufig und so prägnant von ‚Substanz‘ zu sprechen, obwohl er doch selbst in anderen Werken deutlich gemacht hatte, wie überkommen und missverständlich diese Ausdrucksweise ist? Hätte er nicht aus den Mitteln seiner eigenen Grundlegung der Philosophie eine geeignetere Terminologie entwerfen können? Diese Fragen liegen nahe, sind aber schwierig, sofern sie sich auf die Intention des Autors richten. In diesem Fall werden die Antworten eher Mutmaßungen bleiben. Allerdings können wir die systematischen Hintergründe für jene Zweifel genauer beleuchten,
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indem wir von der Frage ausgehen, wie sich denn die Grundlagenarbeit in den Fassungen der Logik zum realphilosophischen Begreifen der sozialen Welt und der ihr angehörigen Individuen verhält. Die logisch-intersubjektivistische Interpretation bietet einen bestechenden Vorschlag an, dieses Verhältnis als harmonische Einheit zu verstehen: Die Grundlagen des Denkens überhaupt ans Licht zu bringen wäre der Weg, auf dem sich die realweltlichen Individuen selbst aufklären, selbst befreien und mit ihrer Welt versöhnen. Mir scheint jedoch, dass dieser Vorschlag in Kauf nimmt, einige wichtige Momente der realphilosophischen Betrachtung einzuschränken und zu verkürzen. Ich versuche im Folgenden, diese Momente aufzuzeigen, wenn auch nur in skizzenhafter und programmatischer Gestalt. III. Gewordene Unfreiheit, Befreiung und die menschliche Natur Das Grundmotiv für die Probleme, die ich in diesem Abschnitt anspreche, lautet zusammengefasst: Verstellt die Orientierung an der Logik – ob wir sie nun auf Ontologie zurückführen oder als Logik der Subjektivität lesen – nicht den Blick auf die Probleme, die den endlichen Geist kennzeichnen? Denn ihr Zielpunkt ist die Idee, in der Wirklichkeit und erkennender, erfahrener Selbstbezug schlechthin zusammenfallen. Aber die Erfahrung des endlichen Geistes ist von Kontingenzen geprägt, die im strengen Sinne nicht zu begreifen sind. Diese Prägung ist für das Leben endlicher Subjekte wesentlich; niemand anderes als diese trägt aber das Recht des Individuums. Diesem Leben und diesem Recht ist also etwas wesentlich, das seinerseits wesentlich verschieden von der Art von Freiheit ist, die der Idee und der logischen Notwendigkeit zukommt. Es ist fruchtbar, diese Verschiedenheit auszudrücken, indem wir auf die Unterscheidung von Geist und Natur zurückgreifen. Dann können wir das eben genannte Grundmotiv so darstellen: Die Wesen, die die Sphäre des endlichen Geistes bewohnen, sind prinzipiell nicht in der Lage, (ihre) Natur so zu erfahren, dass sie gänzlich von Geist durchdrungen und dessen Eigentum ist. Diese wesentliche Verschiedenheit untergräbt die Vorstellung, Erkenntnis als Einsicht in den Begriff Hierzu vgl. Arndt (, – ), der in Hegels Logik eine „Versöhnungsrhetorik“ wahrnimmt, der keine Erfüllung in der Realphilosophie entsprechen könne. Michael Theunissen (, – ; , – ) mahnt an, Hegels Konzeption des Verhältnisses von Begriff und Realität, von Einzelnem und Allgemeinem zu hinterfragen, denn es beruhe auf dem Modell des Übergriffs bzw. des Einbeziehens in einen Selbstbezug – so aber ginge die Möglichkeit eines dialogischen Zugangs zur Intersubjektivität oder auch zur eigenen Natur verloren, denn in einem solchen ‚Dialog‘ müssten ja das andere Subjekt oder die Natur sich selbstständig aussprechen können. Christoph Menke überführt das Problem, wie wir uns die Erfahrung des endlichen Geistes begreiflich machen können, in die Unterscheidung zwischen „phänomenologischer“ und „genealogischer“ Perspektive, wobei letztere – auch gegen Hegel – „das unauflösbare, unüberwindbare Verhältnis auch des gebildeten Geistes zum Geistlosen“ entfaltet (Menke , ).
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(beispielsweise der Subjektivität und der Sittlichkeit) sei hinreichend, Versöhnung und Befriedigung zu stiften. So trifft auch die Forderung, wir müssten uns von ontologischen Grundvorstellungen oder Mythen des Gegebenen befreien, auf ihre Grenze. Es mag sein, dass Hegel selbst diese Forderung in der Realphilosophie zurückgestellt hat. Er artikuliert sie häufig so, dass man festgewordene Bestimmungen wieder verflüssigen und beweglich halten möge. Dies bezieht er auf die Fixierungen des Verstandesdenkens, die in seinen Augen die Philosophie seiner Zeit beherrschten. Im Feld der sittlichen und staatlichen Institutionen jedoch ist die ‚substantielle‘ Festigkeit für ihn nicht so sehr ein Problem, sondern vielmehr die Voraussetzung, dass das historisch Gewordene und vernünftig Entwickelte sich gegen die festen Verstandesgegensätze erhalten kann. Diese sind nämlich das Werkzeug, mit dem das moderne Räsonieren vernünftige Einheiten zersetzt. Wir haben es also mit verschiedenen Bedeutungsebenen der Festigkeit und der Auflösung oder Verflüssigung zu tun. Dabei ist die sittliche Festigkeit das Bollwerk gegen den vom Verstand gelenkten, individualistischen Starrsinn. Jemand, der philosophisch durchgebildet denkt, mag in der Lage sein, die Flüssigkeit des Begriffs einzusehen und mit ihm umzugehen. Von dieser Kompetenz kann aber die Realphilosophie nicht ausgehen. Darum stellt sie ihre Ordnungen so dar, dass sie gegen die individuelle Reflexion feststehen. Dass aber das reflektierende Denken einen auf diese Weise verdoppelten Status hat, gehört in besonderem Maße zu den Momenten, die das im folgenden zu diskutierende Problem der Unfreiheit in der zweiten Natur motivieren. Was nun den zuvor genannten Vorschlag betrifft, ist es vor dem Hintergrund von Hegels Denken schwierig, den Naturbegriff zu mobilisieren. Auf den ersten Blick drohen wir mit ihm hinter das Projekt einer Philosophie des Geistes und des Sozialen zurückzufallen, die uns von ‚Gegebenem‘ beispielsweise traditionaler, psychischer oder natürlicher Art emanzipieren soll. Daher gilt es, behutsam die Grenzen dieses emanzipatorischen Projekt zu beschreiben, um davon ausgehend einen Naturbegriff zu umreißen, der sich eignet, einen wesentlichen Aspekt desjenigen Wesens zu erfassen, das endlich und geistig ist. Wenn er hierzu geeignet ist, Verpflichtet uns diese Befreiung dazu, den ‚Konstruktivismus‘ zu unterschreiben, auf den die in (II.B) dargestellte Lesart an vielen Stellen hinausläuft? John McDowell () legt Wert darauf, dass diese Alternative unzureichend ist, weil sie von einer schlechten Konzeption von ‚Realismus‘ (oder Ontologie, um den hier häufiger gebrauchten Terminus aufzugreifen) ausgeht. Wie könnte nun eine bessere Konzeption der Realität von normativ wirksamen Momenten aussehen? Wenn ich McDowell recht verstehe, möchte er erklären, dass diese Frage und das Bedürfnis nach einer grundlegenden Konzeption von Normativität durch eine Sorge („anxiety“) motiviert sind, die wir lieber aushalten sollten, statt Begründungsprojekte zu verfolgen (vgl. McDowell , f.). Dass ich diese Frage verfolge, ist nun sicher nicht im Sinne McDowells, auch wenn ich behaupten möchte, dass die anthropologische Figur der „Unergründlichkeit“, die in (III.C) eine Rolle spielen wird, sich durchaus mit der von McDowell affirmierten „groundlessness“ berührt.
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wird er aber jenem emanzipatorischen Projekts angehören, anstatt im Gegensatz zu ihm zu stehen oder in ihm lediglich die dienende Rolle zu spielen, die der zweiten Natur in vielen Darstellungen zukommt. Dabei zeigt sich, dass es eine Schwäche der logisch orientierten Lesart und der Anerkennungstheorien ist, den Anerkennungsstatus individueller Erfahrungen oder Forderungen von der Weise ihres Gegebenseins abzutrennen und letztere damit im Grunde nur als brute fact kennen zu können. A. Unfreiheit in der ‚zweiten Natur‘ Ein wichtiger Ausgangspunkt dafür, die Grenzen der logischen Lesart freien sittlichen Lebens zu beschreiben, ist die „Antinomie der zweiten Natur“ als notwendige und zugleich mangelhafte Verwirklichungsform des Geistes, wie sie Christoph Menke und Thomas Khurana herausgearbeitet haben. Diese Antinomie setzt bei der Annahme an, die Sittlichkeit hebe die Entgegensetzung von inneren und äußeren Bestimmungen auf, indem das Subjekt überzeugt ist, es selbst und seine soziale Welt seien von derselben ‚Substanz‘. Diese Überzeugung tritt sowohl als ursprüngliches ‚Zutrauen‘ wie auch als Resultat von Bildungsprozessen auf. Sie ist oder wird eine Selbstverständlichkeit, die das Subjekt durchdringt. So wird sie seine Gewohnheit und ‚zweite Natur‘. Um die ihr zugedachte Rolle in Hegels System zu spielen, muss Sittlichkeit zu Dispositionen führen, die im Subjekt fest verwurzelt sind, andere Überzeugungen gründen und von erneuter Reflexion unabhängig sind. Solche Dispositionen befreien das Subjekt von der Unbestimmtheit, den Zweifeln oder der Abhängigkeit von idiosynkratischen Antrieben, die die Mängel individuell verstandener Freiheit ausmachen. Bis hierher hat ‚zweite Natur‘ die Rolle inne, den Einheitspunkt des natürlichen und des geistigen Daseins des Menschen zu kennzeichnen. Zugleich – hier setzt die Antinomie an – ist es kritisch zu lesen, dass diese Dispositionen sich fixieren und dadurch ‚Natur‘ werden: Die Wirklichkeit der Sittlichkeit fällt in Gegebenheit zurück, die Vermittlung, die sie hervorgebracht hat, verschwindet aus dem Blickfeld, und die Negativität, die die Tätigkeit des Geistes ausmacht, geht verloren. Die Gefahr, in Konformismus und Unfreiheit umzuschlagen, wohnt der Konzeption der sozialen Freiheit inne. Wenn wir Freiheit aus dem Begriff des Geistes so verstehen, dass sie Negativität und begreifenden Selbstbezug verbindet, stellt sich der Begriff der zweiten Natur zunächst so dar: Wenn zweite Natur Natur ist, dann hört in ihr diese Freiheit auf. Wäre sie aber nicht Natur, so käme diese Freiheit nicht zu ihrer Wirklichkeit. Vgl. zur Differenz zwischen einem harmonisierenden und einem dialektischen bzw. kritischen Verständnis von zweiter Natur v. a. Khurana (, – , f., f.). Vgl. Menke (, – ); Khurana (, – ).
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Eine Philosophie, die auf den Begriff der Freiheit abzielt, braucht einen Weg, mit dieser Antinomie umzugehen. Ein zentraler Gedanke der Antinomie ist es, auf den Gegensatz zwischen Freiheit und Gegebenheit, natürlich scheinender Notwendigkeit oder der Erstarrung von Praktiken und Gewohnheiten hinzuweisen. Zugleich hebt sie hervor, dass Freiheit unwirklich wäre, wenn sie die Gegebenheit lediglich auflöste. Daher ist es notwendig, differenzierter zu untersuchen, was mit ‚Gegebenheit‘ gemeint ist und in welchen Hinsichten sie sich Freiheit entgegensetzt, in welchen hingegen nicht. Die logisch orientierte Lesart legt nahe, diese Unterscheidung daran auszurichten, ob sich das Gegebene durch vernünftige Handlungs- und Denkprozesse konstituiert hat oder nicht. Sie umgeht jedoch das Problem, dass das vernünftig Konstituierte doch wieder intransparent oder als Zwang auftreten kann. Dann stellt sich nämlich die weitere Frage, wie wir es uns denken können, dass Subjekte sich wieder von einer verfestigten zweiten Natur lösen. Diese macht ja zu einem gegebenen Zeitpunkt die Wirklichkeit des Geistes aus, sodass die Auflösung und Befreiung über die bis dahin verwirklichte Vernunft hinausreichen. Wovon kann nun eine solche Befreiung ausgehen? B. Nischen der Befreiung? Eine für die politische Philosophie nicht unwichtige Antwort lautet, dass eine solche Befreiung von einem Bereich außerhalb der verfestigten sozialen Normen ausgeht – vom Bereich des Privatlebens. Hegel unterscheidet allerdings durchweg zwischen Absichten oder Lebensinhalten, die ‚substantiell‘ sind, und solchen, die vom Standpunkt des Geistes aus unerheblich und gleichgültig sind. Wenn diese Unterscheidung mit einer Trennung von Sphären einhergeht, ist unklar, wie diese sich zueinander verhalten. In Hegels Werk sieht es immer wieder so aus, dass private Inhalte seitens der Sittlichkeit toleriert – und ignoriert werden sollen, weil sie, gerade insofern sie der letzteren nicht zugehören, nur „Meynen, und […] Raisonniren aus Gründen“ sind. Sie sind der Objektivität nicht fähig, und wenn sie einen Anspruch auf Objektivität und allgemeine Anerkennung erheben, beurteilt Hegel dies in vielen Fällen als Anmaßung. So gesehen gehört die Befreiung von der zweiten Natur der Sittlichkeit einer Sphäre an, die nur partikulare Gültigkeit hat und ein Bereich der Unwirklichkeit oder der minderen Wirklichkeit ist. Will man die Frage nach der Befreiung aber Vgl. viele der in Anm. angeführten Stellen. GW ,: § Anm.; vgl. zum Folgenden auch Hegels Beurteilung der Meinungsfreiheit (GW
,: §§ – ). Terry Pinkard (, – ) sieht in dieser Sphärentrennung eine Errungenschaft, die Individuen davon entlastet, in einer notwendig fragmentierten Welt nach Erfüllung und „Ganzheit“ zu suchen. Dazu sei freilich eine versöhnliche „Ironie“ nötig, durch die man eine Welt, in der Ent-
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so verstehen, dass sie im starken Sinne auf deren Verwirklichung abzielt, dann muss sie lauten: Wie tritt etwas in die Sphäre „substantieller“ Bedeutungen ein, das ihr zuvor nicht zugehörte, sondern als bloß subjektives Interesse, „Meynen“ oder idiosynkratischer Anspruch galt? Wir haben es hier mit dem Phänomen zu tun, dass eine Meinung oder Erfahrung sich Relevanz gegen eine Praxis erkämpfen muss, die behauptet, jene Meinung oder Erfahrung sei gleichgültig oder sinnlos, weil sie eben ‚nur‘ eine individuelle Unzufriedenheit oder Widerspenstigkeit ausdrücke. Dieser Kampf um Relevanz ist vielen sozialen und politischen Bewegungen der Moderne und der jüngsten Gegenwart gemeinsam – man denke an zahlreiche feministische Anliegen vom Wahlrecht über familienrechtliche Fragen, Abtreibung, Vergewaltigung in der Ehe bis hin zu #MeToo, aber auch an Themen wie Kinderrechte, Anti-Diskriminierung, homosexuelle Partnerschaften, Genderpolitik oder Tierschutz. Diese Anliegen wären eine differenzierte Diskussion wert, die ich hier nicht durchführen kann. Zum Thema der Befreiung von der zweiten Natur gehören sie einerseits in der Hinsicht, dass sie darauf abzielen, mit Selbstverständlichkeiten zu brechen. Solche Selbstverständlichkeiten betreffen beispielsweise die Frage, was normativ daraus folgt, dass ein Wesen ein Tier, ein Ökosystem, ein Embryo oder auch ein Kind ist oder beispielsweise eine bestimmte oder unbestimmte Geschlechtszugehörigkeit hat. In der heutigen angewandten Ethik – denken wir an Umweltethik, Tierethik, Präimplantationsdiagnostik oder Fragen der medizinischen Eingriffe an Minderjährigen – richtet sie sich häufig auf den moralischen Status, von dem aus bestimmte Praktiken als geboten oder verboten (bzw. verbietenswert) beurteilt werden können. Im Vergleich mit Hegel läge es nahe, bei diesem entsprechend über den sittlichen Status nachzudenken. Das scheint mir nach dem bisher Gesagten jedoch bald an Grenzen zu stoßen – was
fremdung unvermeidlich ist, doch als vernünftig anerkennt. Andere Autoren sehen in jener Trennung der Bereiche das Recht des Individuums geschwächt (vgl. etwa Halbig , f.). Albrecht Wellmer führt aus, dass das Recht des Individuums ein Prinzip moderner Staatlichkeit ist, dass es für Hegel aber ein Kategorienfehler wäre, es der Sphäre des Institutionellen zuzurechnen; genau dieses Urteil gelte es zu hinterfragen (vgl. Wellmer , – ). Eine solche Hinterfragung richtet Axel Honneth an dem Gedanken aus, ob Hegel nicht die Sittlichkeit ‚überinstitutionalisiere‘: Von der Sittlichkeit vor allem substantielle Festigkeit zu fordern führe dazu, weniger feste Praxisformen – nämlich diejenigen, die die privaten Interessen prägen – aus dem Feld der Sittlichkeit zu verbannen (Honneth , – ). Hegels Kritik der öffentlichen Meinungsbildung kann hierfür als Symptom gelten. Vgl. Neuhouser (, – ) zur feministischen Kritik der Familie. Sein Thema ist es jedoch eher, zu zeigen, dass Hegels Sittlichkeits-Theorie in der Lage ist, solche Formen der Kritik in sich aufzunehmen, ohne dabei ihre wesentlichen Züge zu verlieren. Es wäre aber nicht weniger wichtig, zu überlegen, was es sowohl mit der Sittlichkeit als auch dem individuellen Bewusstsein macht, wenn Impulse für jene Kritik zuallererst der Privatsphäre zugeschlagen werden und es keinen systematischen Ort in der Sittlichkeit gibt, in dem solche Impulse einen Widerhall finden. Vgl. Khuranas Forderung nach einer „Politik der zweiten Natur“ (Khurana , ), d. h. nach „politische[n] Formen“, die der Ort dafür sind, selbstverständlich gewordene institutionelle bzw. sittliche Ordnungen in Frage zu stellen.
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deutlicher wird, wenn wir bedenken, auf welche Art von Gründen sich jene Kämpfe um Relevanz und Diskussionen um Statusbeurteilungen berufen. Dies kann ich hier nicht erschöpfend darstellen, sodass ich die Überlegung auf die Punkte reduziere, die für das begriffliche Problem dieses Aufsatzes relevant sind. Aus der Perspektive von Anerkennungstheorien stellt das Problem sich so dar: Wie kann etwas, das noch nicht anerkannt ist, einen Grund für seine Forderung vorbringen, überhaupt erst anerkennungswürdig zu werden? Eröffnet die Rede von einem Grund dafür, diesen Anspruch zu erheben, für eine solche Theorie nicht einen Zirkel? Diese Überlegung bildet den zweiten Aspekt, wieso die genannten Anliegen zum Thema der Befreiung von der zweiten Natur gehören. Sie betrifft die Rolle des Gegebenen. Erinnern wir uns an die Kritik der Gegebenheit durch den Begriff der Negativität und die Kritik der Unbestimmtheit durch den Begriff der Wirklichkeit (I.B), mit denen Hegel sich gegen naturalistische Freiheitsverständnisse wandte. Ich möchte vorschlagen, die Gründe in den Kämpfen um Relevanz so zu verstehen, dass sie diese beiden kritischen Züge gegen zweit-natürliche Normen und Praxisformen wenden. Zum einen negieren sie die letzteren, nicht zuletzt, indem sie auf der Selbstbestimmung der Person insistieren, die prinzipiell davon zu unterscheiden ist (Unterscheidung hier als Bedeutung von ‚Negation‘ verstanden), welche Rolle(n) sie in etablierten Praxisformen spielt. (Wenn wir von Embryonen, Ökosystemen und Tieren sprechen, wäre das Argument allerdings zu erweitern.) Zum anderen erscheint diese Selbstbestimmung so, dass sie die Wirklichkeit des Selbst ins Feld führt, und zwar gegen eine Welt, die dieser Wirklichkeit bisher nicht einräumt, ‚substantiell‘ bestimmt zu sein, indem sie sie als Privatangelegenheit, Idiosynkrasie oder Willkür und damit als zufällig beurteilt. Wenn dieser Ansatz weiterführen soll, müssen wir klären, was diese Wirklichkeit ist, die die Selbstbestimmung aufruft, um sich von der Gegebenheit der Praxisformen zu unterscheiden und diese zu kritisieren. Dies ist ein Schlüsselmoment, weil es darum geht zu erklären, was die logisch-intersubjektivistische Lesart übersieht, wenn sie darlegt, dass das Individuum aufgefordert ist, die Hypostasierung seines ‚Inneren‘ aufzuheben und dies als unbestimmt und unwirklich anzuerkennen, solange es sich noch nicht in Anerkennungsbeziehungen bewährt hat. Der Einwand gegen diese Lesart ist, dass sie die Rolle des ‚Gegebenen‘ für den Prozess des Zu-sich-Kommens in der Sphäre des endlichen Geistes unterschätzt. Wie kann dieses ‚Gegebene‘ bestimmt sein, wenn es noch nicht durch Praxisformen hindurchgegangen ist und von ihnen gestaltet wurde?
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C. Das „Selbstgefühl“ und die Natur des Individuums In der Einleitung zu diesem Abschnitt habe ich vorgeschlagen, für dieses Problem die Unterscheidung zwischen Geist und Natur fruchtbar zu machen. Dies läuft darauf hinaus, dass der Anstoß zur Befreiung letztlich von einer Form der natürlichen Konkretheit der Individuen kommt. Dieser Vorschlag stößt sogleich auf die Schwierigkeit, dass Hegels Gebrauch des Naturbegriffs eine solche Funktion kaum zulässt. Birgit Sandkaulen (zum Folgenden: , f., – ) hat allerdings auf eine mögliche Ausnahme aufmerksam gemacht, nämlich auf die Rolle des „Selbstgefühls“ im „Anthropologie“-Abschnitt von Hegels Enzyklopädie. In diesem Abschnitt geht es darum, dass die „Seele“ sich im „Selbstgefühl“ als individuelle Einheit findet. Kern dieses Konzepts ist, dass die Seele eine Bestimmung als ihr zugehörig findet. Dies sind bei weitem nicht nur basale Wahrnehmungen und Antriebe, sondern nach Hegels Merksatz „Alles ist in der Empfindung“ (GW : § ) auch die höheren Stufen und Fähigkeiten des Geistes. Was das Selbstgefühl in sich aufnimmt und wie es dies tut, gibt der Seele einen Charakter, der ihr nicht nur innerlich ist, sondern sich ‚verleiblicht‘ (vgl. GW : §§ , ). Mit einem solchen Charakter tritt ein Individuum ins Leben und in die Netze der Anerkennung ein. Freilich erfährt er im Laufe des Aufwachsens und der Bildung tiefgreifende Modifikationen. Hegel lässt hier aber den Gedanken anklingen (und nach Sandkaulen im Anschluss an seine „Anthropologie“ wieder fallen), dass die „Seele“ gegen die Ansprüche allgemeiner, aus Anerkennungsprozessen hervorgehender Normativität eine eigene und irreduzible Bestimmung einbringt. Diese erscheint aus Sicht des vernünftigen Denkens kontingent und aufhebungsbedürftig – für das als Leib und Seele existierende Individuum hat sie dennoch eine bestimmte Wahrheit (vgl. auch Sandkaulen , – ), von der es sich nicht beliebig distanzieren kann. In (I.B) haben wir Hegels kritischen Gedanken nachvollzogen, dass solche ‚empfundenen‘ Momente nicht die Rolle von Handlungsgründen spielen dürfen; nun aber sind wir aufgefordert, diese Kritik zu korrigieren: Es wäre unzureichend, jene Momente aus den Begründungen freier Handlungen auszuschließen. Gleich, ob man nun die Theorie der sittlichen „Substanz“ ontologisch oder logisch-anerkennungstheoretisch auffasst, drängt sich die Frage auf, ob sie jene Bestimmungen der „Seele“ so aufheben kann, dass sie sie auch aufbewahrt. Mit dieser Frage wird man sich schwer tun, wenn man annimmt, dass Hegels Philosophie des Geistes eine radikale Kritik der Gegebenheit bzw. von Naturalisierungsstrategien ist. ‚Psychologische‘ Argumente haben in ihr ja nichts zu suchen, Vgl. Menkes Programm, dass eine Kritik der zweiten Natur über die „Wiederbelebung, Fortsetzung und Vertiefung der Auseinandersetzung zwischen Geist und innerer Natur“ verlaufen muss (Menke , ).
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sondern gelten als Rückfall. Entscheidend sind dagegen die Beziehungen intersubjektiver Anerkennung. Gelingt es einer individuellen Perspektive nicht, in diesen Beziehungen Ausdruck zu finden, so ist dies ein kontingentes Phänomen radikaler Entfremdung, das als Pathologie nicht mehr im Bereich der vernünftigen Reflexion behandelt werden kann. Vor allem Pippins Interpretation führt diesen Gedanken durch (vgl. Pippin , f., ). Parallel hierzu gilt für Motive, die zunächst gefühlshaft, unartikuliert und unverständlich scheinen, dass sie im Normalfall unproblematisch sind: Man müsse sie ‚einfach‘ verständlich machen („a matter of simply rendering intelligible what at first was not“; Pippin , ; Herv. Th. D.). Hier ist eine sehr flexible und aufnahmefähige Struktur von Anerkennungsbeziehungen vorausgesetzt, für die es naheliegt, das Problem der Erstarrung der zweiten Natur von vornherein für gelöst anzunehmen. Hegels Abgrenzung zwischen substantiell-vernünftigen und trivialen Ansprüchen und Erfahrungen stellt jedoch ihrerseits einen gewissen Anspruch dafür auf, dass jene Motive verständlich werden können: Allzu einfach sollte man sich weder ihre Artikulation noch die Lösung von Entfremdungsproblemen vorstellen. Das spiegelt sich in Hegels anthropologischem Blick auf die Seele wieder. Die Anthropologie stellt mit dem Thema des Selbstgefühls den systematischen Ort dar, der den Grund oder die notwendige Möglichkeit jener Erfahrungen des Leidens und der Entfremdung bildet. Gibt es diesen Ort aber, so gilt für jede subjektive Erfahrung, dass sie Aspekte hat, die nicht im Logisch-Allgemeinen aufgehen können und zugleich mehr sind als rein kontingenter „pre-normative ooze“ (Pippin , ). Für die Bestimmungen des Selbstgefühls, mit denen die negative Freiheit, der Eigensinn und die Willkür eng verbunden sind, muss eine gehaltvolle Theorie der Versöhnung und der Freiheit einen Platz finden (vgl. Wellmer , ), in der sie mehr sind als etwas, das als unwahr zurückbleibt oder seine Wahrheit in einer anderen Form finden muss. Diese Aspekte weiter zu verfolgen erfordert es, einen reduktionistischen Rückfall zu vermeiden – beispielsweise, die konkrete Erfahrung des Selbstgefühls in ein Feld der Naturgesetze zu verschieben und in ihnen Ausdrucksformen bestimmter Triebstrukturen zu sehen. Die Natur, die den Anstoß zur Befreiung gibt, kann aber nicht der Bereich der Naturgesetze sein. Stattdessen müssen wir den Begriff einer Natur ohne Gesetz fassen – einer Natur, die in besonderem Maße einem vernunftfähigen Wesen zukommt, da sie in sich die Negativität und Bodenlosigkeit trägt, die selbst ein Kennzeichen der Vernunft sind. Diese Natur drängt in den Bereich des Verständlichen, Begrifflichen und Anerkennbaren, richtet sich aber nicht nach den Normen dieses Bereichs. Sie ist die Kraft der Vgl. Menke (, ): Ein Wesen, das Vernunft ausbildet, bildet seine „erste Natur“ um – und zwar zu einem „Abgrund der Unbestimmtheit“. Diese Unbestimmtheit ist die Quelle einer befreienden Kraft.
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Negativität, die dazu auffordert, dass wir uns von den Fixierungen der zweiten Natur befreien, und zugleich ihre eigene Verwirklichung darin sucht, dass sie in der Welt des Geistes, dem sie doch als unverständlich entgegentritt, zur Sprache kommt. Wir können sagen, dass sie eine produktive und expressive Natur ist. Eine solche Kraft in den Begriff der Freiheit aufzunehmen ist eine Herausforderung für die logisch-intersubjektive Lesart, da für sie Freiheit nur mit einer Normativität zusammengeht, die nicht von außen kommt: Für ein freies Wesen kann nichts normativ wirksam sein, das nicht begriffen wäre. Dieser Lesart tritt ein Aspekt von Freiheit entgegen, dessen Anspruch von der Rückseite des Begreifens kommt und über das Begreifen hinausreicht. Fassen wir die Natur des Individuums so auf, dass jene Kraft ihr innewohnt, so ist es anregend, von hier aus auf Hegels „absoluten Geist“ zu blicken. Vor allem Khuranas und Menkes Interpretationen betonen, dass es für den Geist auf dieser Stufe essentiell ist, Natur so anzuerkennen, dass sie frei von ihm und seinen Setzungen ist. Absoluter Geist „verweist […] darauf, dass die Freiheit als freie immer wesentlich einen Abstand zu sich behalten muss – einen Abstand, der vielleicht da am schärfsten hervortritt, wo sie von sich selbst ablässt.“ Freiheit geht jetzt über das Begreifen, Bestimmen und Erzeugen hinaus, um ein Seinlassen einzuschließen. Die Antinomie der zweiten Natur löst sich angesichts dieser Überlegungen so auf, dass die Kraft, die uns aus ihr befreit, vom Geist anerkannt wird – aber gerade als eine Kraft, die auf ihre eigene, dem Geist möglicherweise fremde Weise wirkt. Selbstbefreiung geht damit einher, eine befreiende Wirkung anzunehmen, die eine solche nur dadurch sein kann, dass sie von außerhalb des schon Verstandenen kommt – was einschließt, dass wir auch das, was wir selbst gemacht haben und durch unser Tun geworden sind, als fremd erleben können. Der schwierige Punkt für die logisch orientierte Lesart und für Theorien, die intersubjektive Anerkennung als allen geistigen Bestimmungen zugrundeliegend annehmen, liegt darin, dass sie ein solches Außerhalb ausschließen wollen, um jeden Rückfall in hete ‚Anthropologie‘ heißt die Disziplin, die die Frage nach dem Menschen mit besonderer Rücksicht auf seine Natur bearbeitet. Die Anthropologien, die es in der Philosophiegeschichte gibt, fassen den Naturbegriff auf unterschiedliche Weisen. Manche – etwa bei Gehlen – betrachten die Unbestimmtheit der menschlichen Natur als Schwierigkeit, die einer Abhilfe durch die Festigung einer zweiten Natur bedarf. Für das gerade angesprochene Problem schiene es mir dagegen sehr fruchtbar, Ansätze einzubeziehen, die jene Unbestimmtheit nicht als Durchgangsstation oder Mangel darstellen, sondern als Ressource. Ein Kernbegriff solcher Ansätze ist ‚Ausdruck‘. Beispiele für sie sind Christoph Menkes „ästhetische“ und Jonathan Lears „ironische“ Anthropologie (Menke , Lear ) sowie Helmuth Plessners Konzeptionen der exzentrischen Positionalität und der „Unergründlichkeit“ des Menschen (Plessner [] ; [] ), mit denen er lebensphilosophisches und hermeneutisches Denken aufgreift (vgl. Schürmann ). In all diesen Fällen gilt es für menschliches Dasein als konstitutiv, dass es einen „Bruch“ aufweist; vgl. zu diesem Gedanken auch Khurana (, ). Khurana (, ); vgl. auch Menke (, – ). Exegetisch wäre hier weiter nach dem Verhältnis der Grundlinien zu dieser Konzeption des absoluten Geistes zu fragen.
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ronomistische Freiheitstheorien zu vermeiden. Das scheint den Blick auf das zu verkürzen, was Freiheit fordern kann. Der unverkürzte Blick dagegen hat die Aufgabe vor sich, ein genaueres Bild von jenem Freilassen der Natur zu entwerfen – mit einem besonderen Schwerpunkt darauf, was dies für die lebendige Natur der individuellen Person bedeutet. IV. Schluss Wie gelingt es Hegels Theorie der Freiheit, das Recht des Individuums zu bewahren? Ich habe nun drei Richtungen dargestellt, in die sich Antworten auf diese Frage bewegen. Ihr gemeinsamer Zug ist es, dieses Recht im weitesten Sinne als Anspruch auf eine Antwort zu verstehen, die angibt, weshalb ein Individuum etwas als gut anerkennen soll. Dem Einwand zufolge soll das Recht des Individuums befriedigt sein, indem es aus den „an und für sich seyenden Gesetze[n] und Einrichtungen“ (GW ,: § ) eine substantielle Antwort erhält. Dabei muss es in Kauf nehmen, dass diese Antwort sein Fassungsvermögen übersteigt. Der zweiten Lesart zufolge wird das Recht des Individuums befriedigt, indem es als Teilnehmer in einem Prozess des begründeten Fragens und des begründeten Antwortens anerkannt wird. In diesem Prozess hat es das Recht, dass die Antwort, die es erhält, gerechtfertigt wird; und es hat das Recht, selbst als ein Subjekt zu gelten, das sich rechtfertigen kann. Nehmen wir schließlich die in (III.) diskutierten Phänomene ernst, so zeigt sich, dass die zweite Lesart das Recht des Individuums unvollständig darstellt. In jenen Phänomenen liegt nämlich der Grund für einen Anspruch, der nur befriedigt werden kann, wenn das Individuum von der Welt der Objektivität eine Antwort erhält, die über seine vernünftigen Gründe hinausblickt, um die Bodenlosigkeit seiner Natur anzuerkennen. Letztlich liegt jenes Recht darin, jede Antwort abweisen zu können. Es ist ihm eingeschrieben, unbeantwortbar sein zu können. Siglen GW Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
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Christian Hofmann KONKRETE INDIVIDUALITÄT UND INTEGRATION DES BESONDEREN Freiheit und Partizipation in Hegels Staat der Bildung
ABSTRACT:
Hegel was often regarded as an ‘anti-individualist’, for whom the ethical universal is prior to the individual. In contrast, I argue that according to the teleological dynamic of the dialectical concept which aims to actualize freedom, Hegel should rather be understood as a thinker of ‘concrete individuality’. The logical ‘priority’ of the ethical universal is necessary for Hegel to think the social community from the perspective of the speculative concept. According to Hegel’s “Doctrine of the Concept”, the universal itself demands its concretion and individuation. Against this background, in his Elements of the Philosophy of Right Hegel presents the structure of the concrete free will which finally actualizes itself in the sphere of ethical life. This actualization within the sphere of objective spirit takes place in an ongoing process of historical development and ‘education’. Here, the universal must be developed in such a way that it satisfies modern freedom. Institutions are needed, in which the individuals are recognized and where they can participate. The state must be thought as a universal, in which the particular social spheres and the single citizens can unfold themselves freely. Likewise, the single citizen itself is a concrete individual, a human being with particular social and cultural identities. The ‘educated’ state then must be both ‘integrative’ and ‘receptive’ to a plurality of particular forms of life. With this end in mind, I stress the potentials, Hegel’s logic and philosophy of right hold ready for recent debates about the concept of ‘integration’ and a pluralist and ‘open’ society.
In diesem Beitrag argumentiere ich dafür, dass man Hegel als Denker einer ‚konkreten Individualität‘ verstehen sollte. Dies mag vielleicht zunächst verwundern, da Hegel oftmals für seinen ‚Primat des Allgemeinen‘ verschrien (oder je nachdem von anderer Seite aus auch gefeiert) wurde, der ihn gerade als ‚antiindividualistischen‘ Denker erscheinen ließ (vgl. Ottmann , – ). Schließlich heißt es in Hegels Rechtsphilosophie auch, dass die Individuen vor der Allgemeinheit der sittlichen Substanz bloß als „Accidenzen“ erscheinen (GW ,: § ), die dann etwa auch im Kriegsfall zum selbstlosen Opfer aufgefordert sind (vgl. GW .: § ). Karl Popper sieht Hegel im . Jahrhundert bekanntlich als Vordenker des totalitären Staates, sein Schüler Hubert Kiesewetter zeichnet dementsprechend eine Entwicklungslinie „von Hegel zu Hitler“ (Kiesewetter ; vgl. Popper , – ). Solche Interpretationen sind aber nicht bloß einseitig, sondern werden auch dem dialektischen Verhältnis von Allgemeinem und Individualität nicht gerecht, weshalb sie Hegels Intention und erst recht die für uns heute noch in seinem Ansatz liegenden Potentiale völlig verfehlen. Hegel geht es keineswegs um eine abstrakte Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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Unterordnung der Individualität unter die Allgemeinheit, sondern um ein konkretes Verhältnis, welches er in seiner Logik begründet hat. Vor diesem Hintergrund ist etwa der Staat so zu denken, dass er in sich gegliedert ist und dem Besonderen in seiner individuellen Entfaltung gerecht wird; zugleich ist auch das Individuum, der einzelne Bürger oder die Bürgerin, als konkretes zu denken und nicht bloß als abstrakte Besonderheit. Es ist sich selbst in seiner konkreten Identität durch besondere sittliche Verhältnisse und Beziehungen der Anerkennung vermittelt (vgl. auch Sedgwick ). Der späte Hegel hat in seiner Rechtsphilosophie dabei nicht etwa die ‚intersubjektivistischen‘ Ansätze seiner Jenaer Zeit zugunsten eines konservativen Primats des Allgemeinen „verdrängt“, sondern vielmehr den Gedanken der Anerkennung in einem spekulativ-dialektischen Modell institutioneller Sittlichkeit weiterentwickelt. Axel Honneth hat die Grundstruktur von Hegels Rechtsphilosophie in diesem Sinne auf wohlwollende Weise „rekonstruiert“, hält dabei allerdings ein Anknüpfen an Hegels „idealistischen Monismus, in den er seinen dialektischen Begriff des Geistes verankert hat“, heute für „nicht mehr recht vorstellbar“ (Honneth , ). Ohne den „theoretischen Background“ von Hegels Philosophie des Geistes und seiner dialektischen Logik jedoch müssen auch wesentliche Zusammenhänge von Hegels Rechtsphilosophie unberücksichtigt bleiben. Schließlich entspricht es Hegels eigenem Anspruch, „daß das Ganze wie die Ausbildung seiner Glieder auf dem logischen Geiste beruht“ (GW .: ). Da es deshalb lohnenswert erscheint, sich auf diesen „logischen Geist“ einzulassen, gehe ich in meiner Betrachtung zunächst wenigstens kurz auf diesen selbst bzw. näher auf die Grundstruktur von Hegels Begriffslogik (I.) ein, um im Anschluss hieran die Bedeutung der konkreten Individualität in Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts zu entwickeln (II.–V.). Vor diesem Hintergrund werden am Schluss Potentiale aufgezeigt, die Hegels Rechtsphilosophie für gegenwärtige Debatten um den Begriff der Integration und um eine plurale und ‚offene‘ Gesellschaft bereithält (VI.).
Diese These vertraten etwa Theunissen (), Habermas (, ff.) oder Hösle (, f., ff., ff.). Vgl. in diesem Sinne nur etwa Honneth (, – ); Pippin (, ff., ff.). Vgl. Vieweg (, ). Ebenfalls kritisiert Pippin (, hier ) Honneth – dessen Ansatz er ansonsten in „enthusiastischer Solidarität“ verbunden ist – dafür, in seiner Anknüpfung an Hegels Rechtsphilosophie von dessen ‚theoretischer Philosophie‘ bzw. von seiner Logik zu abstrahieren. Nicht eingehen werde ich auf die Bestimmung des Individuums in der Wesenslogik (vgl. hierzu etwa Sandkaulen , – ).
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I. Konkrete Individualität in Hegels Begriffslogik Denken ist tätige Subjektivität. Hegels Logik erhebt deshalb den Anspruch, die Denkbestimmungen nicht bloß als abstrakte zu betrachten, sondern sie zugleich von der absoluten Form denkender Subjektivität her zu verstehen, die sich in ihnen entfaltet und durch die alles Gedachte vermittelt ist. In Überwindung der Dichotomie von Theoretischem und Praktischem erblickt Hegel dabei – wie vor ihm schon Fichte – den Grund des Denkens in der Freiheit. Deshalb ist Hegels Logik „als Theorie von Selbstbestimmung und Freiheit“ zu verstehen (Vieweg , ). Freiheit ist für ihn Grundlage und Zielpunkt alles Denkens und Handelns, sie findet ihren Ausdruck in der Lehre vom Begriff, der sich in der absoluten Idee verwirklicht. Die Begriffslehre ist dabei explizit als „subjektive Logik“ bezeichnet, denn der Begriff bezieht sich auf einen Inhalt immer im „Medium der Subjektivität“ (Hoffmann , ). Mit dieser Form absoluter Subjektivität knüpft Hegel explizit an Kants „ursprünglich-synthetische Einheit der Apperception“ an, also an die „Einheit des: Ich denke, oder des Selbstbewußtseyns“ (GW : ). Der Begriff wird dabei als „das Freie“ gedacht. Er selbst verlangt und bewirkt nach Hegel seine Konkretion, seine Verwirklichung. Er ist in diesem Sinne, mit Aristoteles gesprochen, energeia, nämlich eine „energisch[e]“ Einheit des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen, deren „inneres Telos es ist, […] selbstbewußte Subjektivität […] zu sein“ (Hoffmann , , ). Diese subjektive und energetische Einheit des Begriffs, die – indem der Begriff sich seine Wirklichkeit selbst gibt – als solche noch in die Objektivität und in die Idee aufzuheben ist, realisiert sich über das Moment der Negation. Sie zielt dabei nicht bloß auf das abstrakt Allgemeine, das sich gegen die Besonderheit wendet, sondern auf die durch Vermittlung von Allgemeinheit und Besonderheit hervorgebrachte konkrete Einzelheit, durch die sie ihre Bestimmtheit erfährt. So schreibt Hegel in seiner subjektiven Logik über den ‚allgemeinen Begriff‘: „Es kann aber von dem Allgemeinen nicht ohne die Bestimmtheit, welche näher die Besonderheit und Einzelnheit ist, gesprochen werden; denn es enthält sie in seiner absoluten Negativität an und für sich; die Bestimmtheit wird also nicht von aussen dazu genommen, wenn beym Allgemeinen von ihr gesprochen wird“ (GW : ). Die Bestimmtheit und Besonderheit ist bereits im Allgemeinen enthalten, insofern dieses alle Bestimmtheit gerade von sich auszuschließen versucht. Die Unbestimmtheit ist selbst bereits eine Bestimmung. Als einfache Negation des abstrakt Allgemeinen führt sie auf die Besonderheit, als Negation der Negation auf die „absolute Bestimmtheit oder Einzelnheit und Concretion“ (GW : ). Die konkrete Bestimmung des Allgemeinen zu einer konkreten Allgemeinheit und die Vermittlung und „Reflexion-in-sich“ des Einzelnen gehören hierbei untrennbar zusammen (vgl. GW : ). Hegel Vgl. GW : § ; GW : , . Hierzu weiter auch Fulda (); Krijnen ().
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kann deshalb sagen, dass der Begriff als Einzelheit bereits „als Urtheil gesetzt“ ist (GW : ) – etwa wenn wir von diesem bestimmten Individuum (als Einzelheit) sagen, dass es ein Mensch (und somit etwas Allgemeines) sei. Erst im Schluss aber werden die im Urteil nur erst durch die Kopula verbundenen Extreme als „bestimmte Einheit“ zusammengeführt; für Hegel ist deshalb der Schluss „das Vernünftige“ schlechthin (GW : ). So kann das eben angesprochene Individuum jetzt als „systemische Totalität“ gedacht werden, als „ein sich selbst in die Unterschiede Auseinanderlegen“, das sich schließlich aus diesen Unterschieden heraus wieder mit sich selbst zusammenschließt (Hoffmann , ). Das Individuum ist nicht bloß ein abstraktes Gattungswesen, sondern durch vielfältige besondere Verhältnisse bestimmt, die es zu einer „persönlichen Ganzheit“ oder „autobiographischen Totalität“ machen (Hoffmann , ). Der Einwand, dass die Besonderheit dabei bloß ein der Allgemeinheit einseitig untergeordnetes Moment sei, fasst deren Verhältnis bloß im Sinne einer verstandesmäßigen Subsumtion auf. Hegel hingegen unterscheidet verschiedene Schlussformen, in denen das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen jeweils unterschiedlich bestimmt wird und die in ihrem logischen Zusammenhang zu sehen sind, „der auf der Nothwendigkeit beruht, daß jedes Moment als Begriffsbestimmung selbst das Ganze und der vermittelnde Grund wird“ (GW : § Anm.). Dem Allgemeinen sind dabei die anderen Begriffsbestimmungen nicht einfach untergeordnet; zwar greife es als „freye Macht“ über sein Anderes über, „aber nicht als ein gewaltsames“, wie Hegel schreibt (GW : ). Und: „Wie es die freye Macht genannt worden, so könnte es auch die freye Liebe, und schrankenlose Seeligkeit genannt werden, denn es ist ein Verhalten seiner zu dem Unterschiedenen nur als zu sich selbst; in demselben ist es zu sich selbst zurückgekehrt“ (GW : ). Der Begriff verlangt dabei seine Konkretion, für welche die Besonderheit, ebenso wie die Allgemeinheit und die Einzelheit, notwendige Momente sind. Ein Besonderes und Einzelnes ohne Allgemeines hingegen kann es schon per definitionem nicht geben, sie verweisen notwendigerweise aufeinander (vgl. GW : ). So ist auch etwa der einzelne Mensch nicht bloß abstraktes Individuum, sondern eben ein lebendiger Mensch, der als solcher durch den Allgemeinbegriff ‚Mensch‘ bestimmt ist, ebenso aber auch durch die besonderen vielfältigen Beziehungen zu seinen Mitmenschen, der durch ein bestimmtes kulturelles Umfeld geprägt ist usw. Sein Wissen vollendet sich als konkretes Selbstbewusstsein, das sich als in sich selbst vermittelt weiß und sich dabei auch selbst als Allgemeines erfährt, durch das seine besonderen Bestimmungen vermittelt sind. Durch diese Vermittlung, die Hegel als „Vernunftschluß“ versteht, ist er konkretes Individuum oder Subjekt (GW : § ). Schon der junge Hegel kritisiert ein abstraktes Verstandesdenken, das seinen Gegenstand auf einzelne Bestimmungen reduziert, ohne diesen in seiner kon-
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kreten Individualität zu begreifen. So nennt er in dem kurzen Bamberger Text „Wer denkt abstract?“ von das Beispiel einer Menschenmenge, die in einem verurteilten Mörder nur diesen als Mörder sieht, aber nicht den Menschen als Individuum: „Diß heißt abstract gedacht, in dem Mörder nichts als diß Abstracte, daß er ein Mörder ist, zu sehen, und durch diese einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen an ihm vertilgen“ (GW : ). Während so die Abstraktion „vom Wege des Begriffs abkommt“, ist, wie Hegel in dem begriffslogischen Abschnitt über „das Einzelne“ schreibt, „die von ihr verschmähte Einzelnheit […] die Tiefe, in der der Begriff sich selbst erfaßt, und als Begriff gesetzt ist. […] Leben, Geist, Gott, – so wie den reinen Begriff, – vermag die Abstraction deßwegen nicht zu fassen, weil sie von ihren Erzeugnissen, die Einzelnheit, das Princip der Individualität und Persönlichkeit, abhält, und so zu nichts, als leb- und geistlosen, farb- und gehaltlosen Allgemeinheiten kommt“ (GW : ). Das „Princip der Individualität und Persönlichkeit“ ist also die Einzelheit, die sich nur durch den spekulativen Begriff, nicht aber durch die Abstraktion des Verstandes erfassen lässt. Sie ist als „Konkretion […] das Individuum“, „konkrete Freiheit“ (Spieker , , ). Sogar ist der Begriff selbst, „insofern er zu einer solchen Existenz gediehen ist, welche selbst frey ist“, Hegel zufolge „nichts anderes als Ich oder das reine Selbstbewußtseyn. […] Ich ist der reine Begriff selbst, der als Begriff zum Daseyn gekommen ist“ – der Begriff selbst hat also die Struktur konkreter Individualität. So schreibt Hegel, dass es durch Kants Grundsatz der transzendentalen Einheit der Apperzeption gerechtfertigt sei, „daß, um das zu erkennen, was der Begriff sey, an die Natur des Ich erinnert wird“ (GW : ). Das ‚Ich‘ kann somit selbst auch als Paradebeispiel für den Begriff überhaupt dienen: ‚Ich‘ ist ein Allgemeines, das ein jeder Mensch von sich aussagen kann; es bezeichnet für jeden aber auch etwas Besonderes, das dieser allem anderen (als dem ‚Nicht-Ich‘) entgegenhält, durch das er sich von dem anderen unterscheidet. Darüber hinaus bestimmt sich das Ich aber auch „zu unverwechselbarer Einzelheit, dazu, der Mensch als dieser Mensch zu sein“ (Hoffmann , ) – es ist das einzelne, konkrete Ich, das sich selbst als solches erkennt, das über seine besondere Identität und die Allgemeinheit vermittelt ist und in dem somit die Momente des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen zusammenfallen. Das „Einzelner-Sein“ bezeichnet Thomas Sören Hoffmann vor diesem Hintergrund geradezu als „Telos des Allgemeinen“, in dem sich dessen Selbstbezüglichkeit erst verwirklicht – so wie „nicht die Menschheit als solche einen Begriff von sich selbst“ habe, „sondern nur einzelne Menschen“ (Hoffmann , ). Das Allgemeine verwirklicht sich im GW : . Gemeint ist nicht, dass der Begriff als solcher schon ein ‚Ich‘ ist, denn dies ist er nur, insofern er „zum Daseyn gekommen ist“, Begriff und Ich haben aber die gleiche Struktur (vgl. Jaeschke , f.; Spieker , f.).
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Einzelnen und wird auf diese Weise erst ‚konkrete Allgemeinheit‘; die Einzelheit wird dabei als vermittelte und konkrete gedacht – sie ist konkrete Individualität. In diesem Sinne einer nicht abstrakt isoliert betrachteten, sondern mit der Allgemeinheit und der Besonderheit vermittelten und somit bestimmten konkreten Einzelheit soll der Ausdruck ‚konkrete Individualität‘ im Folgenden verstanden werden. Franz Ungler hat so das Logische bei Hegel überhaupt als sich individuierende Form interpretiert. In diesem Sinne ist Hegels Philosophie sogar wie vielleicht kaum eine andere eine Philosophie des Individuellen – freilich nicht eines abstrakt Individuellen (wie im Solipsismus), sondern eines konkreten, vermittelten Individuellen, in dem sich das Denken und somit die Idee aktualisiert. Diese Grundstruktur einer „Personalität des ‚Logos‘“ (Siep , ) verlangt ihre Verwirklichung nun auch in den Bereichen des Geistes und somit auch in denen des Gesellschaftlichen und Politischen. Sie individuiert sich zunächst im subjektiven Geist, will aber auch auf das gesamte Dasein der objektiven Welt und der zwischenmenschlichen Verhältnisse übergreifen, um in diesen eine Ordnung der Freiheit zu errichten. Hierfür realisiert sie sich als Recht (vgl. GW ,: § ). II. Die konkrete Individualität des freien Willens Den Gedanken der konkreten Individualität macht Hegel in seiner Rechtsphilosophie explizit zur Grundlage: denn in deren Einleitung bestimmt er den „freyen Willen“ als den „Ausgangspunkt“ für die spekulative Betrachtung des Rechtssystems, welches „das Reich der verwirklichten Freyheit“ sei (GW ,: § ). Dieser freie Wille ist als konkreter durch die Begriffsmomente des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen bestimmt (vgl. GW ,: §§ – ). Er enthalte so zunächst „das Element der reinen Unbestimmtheit oder der reinen Reflexion des Ich in sich“, das sich als abstraktes Allgemeines gleichgültig oder auch zerstörerisch gegen alle besonderen Inhalte wende (GW ,: § ). Hegel bezeichnet dieses Moment auch als „die negative oder die Freyheit des Verstandes“, welche die „absolute Möglichkeit“ enthält, „von jeder Bestimmung, in der Ich mich finde, oder die Ich in mich gesetzt habe, abstrahiren zu können“ (GW ,: § Anm.). Ein Wille jedoch, der sich nicht auf konkrete Inhalte festzulegen vermag, bleibt selbst noch unbestimmt und leer. Hegel verweist auf Beispiele des religiösen und politischen Fanatismus, der sich in einer „Furie des Zerstörens“ ausdrücke. Vgl. Ungler (). So müsse auch die absolute Idee selbst, wie Max Gottschlich (Ungler , ) in seiner Einführung zu dieser Habilitationsschrift Unglers (von ) schreibt, als „die konkreteste Gestalt der Individualität des Begriffs“ verstanden werden. Vgl. GW ,: § . Für den religiösen Bereich wird hier als Beispiel „der Fanatismus der indischen reinen Beschauung“ genannt, womit (wie man mit Blick auf die geschichtsphilosophischen Vorlesungen sagen kann) vermutlich die Verehrung des Brahman, als des abstrakt Allgemeinen, gemeint ist,
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Ein solcher Wille bleibt in seiner Unbestimmtheit und Abstraktheit defizitär; gleichwohl ist das hiermit angesprochene Moment der negativen Freiheit die notwendige Grundlage, ohne die alle weitere Entwicklung und Realisierung von Freiheit unmöglich wäre. Die Fähigkeit, sich zum Allgemeinen aufzuschwingen und von allem Endlichen zu abstrahieren, ist für Hegel „das konstitutive Prinzip“ für alles Denken und Handeln (Jaeschke , ). Unendlichkeit kann in diesem Sinne als „Grundstruktur von Subjektivität überhaupt“ verstanden werden (Jaeschke , ). Dabei intendiert sie von sich aus bereits die Entwicklung von einer formal-unendlichen zu einer wahrhaft-unendlichen und somit konkreten Subjektivität – eine Entwicklung, durch die für Hegel schließlich die gesamte Geschichte des Geistes geprägt ist. Auf der Ebene des objektiven Geistes bedarf es hierfür zunächst der Bestimmung und Besonderung des Willens. Dieser bzw. das Ich geht dann über „aus unterschiedsloser Unbestimmtheit zur Unterscheidung, Bestimmen und Setzen einer Bestimmtheit als eines Inhalts und Gegenstands“ (GW ,: § ). Das Ich besondert sich hierdurch selbst und hebt dabei die Einseitigkeit des ersten Moments, des abstrakt Allgemeinen, auf. Denn letzteres war noch „nicht die wahrhafte Unendlichkeit, oder concrete Allgemeinheit, der Begriff, – sondern nur ein Bestimmtes, Einseitiges“ (GW ,: § Anm.). Da aber „die Abstraction von aller Bestimmtheit“ selbst bereits eine Form von Bestimmtheit enthält (die darin besteht, dass sie eben negativ auf die Bestimmtheit bezogen ist), kann Hegel (hier gegen Fichte) betonen, dass das Moment der Besonderung nicht einfach zu dem der Allgemeinheit „hinzukommt“, sondern durch die „immanente Negativität“ des letzteren spekulativ begründet ist (GW ,: § Anm.). Diese „immanente Negativität“ des Begriffs aber realisiert sich erst in der Negation der Negation, d. h. in der „in sich reflectirte[n] und dadurch zur Allgemeinheit zurückgeführte[n] Besonderheit“ (GW ,: § ). Dies ist die Einzelheit im Sinne Hegels, die er hier auch als „Selbstbestimmung des Ich“ bezeichnet (GW ,: § ). Darin ist die Allgemeinheit enthalten, von allen besonderen Inhalten letztlich frei zu sein, diese somit negieren zu können. Zugleich ist der Wille auf dieser Stufe fähig zur Besonderung, aber so, dass er sich in seiner Besonderung nicht verliert, sondern zugleich immer um seine eigene Freiheit weiß. Der insofern konkrete freie Wille vermag somit, im Anderen bei sich selbst zu sein (vgl. auch GW ,: f.): [D]as Concrete und Wahre (und alles Wahre ist concret) ist die Allgemeinheit, welche zum Gegensatze das Besondere hat, das aber durch seine Reflexion in vor dem alle Bestimmung negiert wird (vgl. GW ,: ff.). Die Beschreibung des politischen Fanatismus wiederum passt freilich auf die terreur nach der Französischen Revolution, die in der Phänomenologie in dem Kapitel „Die absolute Freiheit und der Schrecken“ behandelt wird (vgl. GW : – ). Vgl. Jaeschke (, ff.); zur wahrhaften Unendlichkeit auch GW : § .
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sich mit dem Allgemeinen ausgeglichen ist. – Diese Einheit ist die Einzelnheit, aber sie nicht in ihrer Unmittelbarkeit als Eins, wie die Einzelnheit in der Vorstellung ist, sondern nach ihrem Begriffe […] – oder diese Einzelnheit ist eigentlich nichts anders, als der Begriff selbst (GW ,: § Anm.). Dies entspricht freilich der eben dargestellten Grundstruktur, die Hegel in seiner Begriffslogik entwickelt hat. Um aber durch die Besonderung hindurch zur Allgemeinheit zurückzukehren, muss der Wille sich zunächst selbst einen Inhalt geben und sich entschließen, er muss also zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten wählen (vgl. GW ,: §§ – ). Sogleich muss er aber auch die eigene Willkürlichkeit überwinden, sich bilden und somit zur „Allgemeinheit des Denkens“ erheben (GW ,: § ). Untrennbar verbunden mit dem Denken des Allgemeinen in seiner Konsequenz ist die Selbsterkenntnis des Denkenden – auch in praktischer Hinsicht: Denn „der an und für sich seyende Wille hat den Willen selbst als solchen […] zu seinem Gegenstande“ (GW ,: § Anm.). Der Wille wird somit „die sich selbst bestimmende Allgemeinheit […], die Freyheit“ (GW ,: § ) im Sinne der Autonomie. Er ist „der freye Wille, der den freyen Willen will“ (GW ,: § ) – und zwar als gebildeter Wille, der „die Unmittelbarkeit der Natürlichkeit“ (seiner Triebe und Neigungen) „und die Particularität, mit welcher eben so die Natürlichkeit behaftet“, in sich aufgehoben hat (GW ,: § Anm.). Hegel hält sogleich fest, „daß der Wille nur als denkende Intelligenz wahrhafter, freyer Wille ist“ – und es sei dieses Selbstbewusstsein, „als das im Willen sich durchsetzende Denken“, das auch „das Princip des Rechts, der Moralität und aller Sittlichkeit“ ausmache (GW ,: § Anm.). Hieran ist gleich noch zu erinnern. Ein solcher konkreter freier Wille, der sich zur Allgemeinheit des Denkens und der Selbsterkenntnis gebildet hat, ist für Hegel „wahrhaft unendlich“ (GW ,: § ); er ist in aller Besonderung und in allen Verhältnissen immer zugleich „bey sich, weil er sich auf nichts als auf sich selbst bezieht“ (GW ,: § ). Hegel verweist hier explizit auf seine Logik und bezeichnet den Willen auf dieser Stufe als „die in sich concrete und so für sich seyende Allgemeinheit, welche die […] immanente Idee des Selbstbewußtseyns ist; – der Begriff des freyen Willens als das über seinen Gegenstand übergreifende, durch seine Bestimmung hindurchgehende Allgemeine, das in ihr mit sich identisch ist“ (GW ,: § Anm.). Der konkrete freie Wille verliert sich nicht in seinen Beziehungen zu Objekten, sondern greift über diese hinaus; er vermag so als in seiner Tätigkeit übergreifende Subjektivität „den Widerspruch der Subjectivität und Objectivität aufzuheben […] und in der Objectivität zugleich bey sich zu bleiben“ (GW ,: § ). Zur „Einzelnheit“ notiert Hegel selbst handschriftlich an dieser Stelle: „besser: Subject“ (GW ,: ). Genauer auf die enzyklopädische Logik von (vgl. GW : §§ – ).
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Dieser Gedanke des freien Willens als einer selbstbewussten und sich in allen Verhältnissen immer auch auf sich selbst beziehenden konkreten Individualität bildet die Grundlage von Hegels Rechtsphilosophie und damit auch seiner Betrachtung der Institutionen des menschlichen Zusammenlebens. III. Konkrete Individualität und Sittlichkeit Um diese Institutionen zu betrachten, gehen wir nun zunächst direkt zum Begriff der Sittlichkeit über. Man könnte vor dem Hintergrund des bisher Gesagten meinen, dass Hegel die sittlichen Verhältnisse von den menschlichen Individuen her denkt, um erstere von letzteren aus zu ‚konstruieren‘ – wie etwa die neuzeitlichen Theorien des Kontraktualismus von Hobbes bis Fichte. Dies ist freilich nicht der Fall, denn Hegel geht genau umgekehrt vor: von der sittlichen Einheit ausgehend betrachtet er die Individuen erst vor deren Hintergrund und in Relation zu dieser. Da Hegel nicht beim menschlichen Individuum ansetzt, sondern beim sittlichen Allgemeinen, ist ihm wie schon erwähnt ‚Anti-Individualismus‘ vorgeworfen worden. Demgegenüber versuche ich zu zeigen, dass Hegel vielmehr auf eine konkrete Form von Sittlichkeit hin denkt, welche eine freie Entfaltung des Besonderen und Individuellen integriert. Betrachten wir aber zunächst den Begriff des sittlichen Allgemeinen näher: Die Sittlichkeit wird von Hegel als „die Idee der Freyheit“ bestimmt, in der die beiden Seiten des subjektiven Selbstbewusstseins und des objektiv vorhandenen Guten zusammenfallen (GW ,: § ). Hegel bestimmt sie insofern explizit als „Integration“ der Subjektivität des Gewissens und der abstrakten Allgemeinheit des Guten, nämlich als „Integration beyder relativen Totalitäten zur absoluten Identität“ (GW ,: § ). Diese Übereinstimmung des subjektiven Willens mit dem objektiv Guten wurde auf der Ebene der Moralität nur erst gefordert, aber noch nicht verwirklicht. Die Sittlichkeit geht hingegen von vornherein von dieser Übereinstimmung und Einheit aus. Zu unterscheiden sind dabei als Momente „[d]as objective Sittliche“ der „an und für sich seyenden Gesetze und Einrichtungen“ oder Institutionen (GW ,: § ) sowie das „wirkliche[] Selbstbewußtseyn“ des einzelnen Subjekts bzw. Individuums (GW ,: § ). Die sittlichen Verhältnisse und Institutionen sind dem Individuum dabei „nicht ein Fremdes“, sondern es erblickt in diesen vielmehr „das Zeugniß […] von seinem eigenen Wesen, in welchem es sein Selbstgefühl hat“ (GW ,: § ). Vor diesem Hintergrund kann Christoph Menke ‚Sittlichkeit‘ als ‚Autonomie‘ verstehen, die sich in „sozialer Teilhabe“ ausdrückt. Sie sei zu denken als „Teil Vgl. Menke (, – ). Menke geht hier von einem „expressivistischen“ Autonomiebegriff aus, der nicht einen formalen Akt der Selbstgesetzgebung bezeichne, sondern vielmehr ein Urteilen oder
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nahme des Subjekts“ an einer sozialen Praxis und zugleich als „Aneignung dieser Praxis durch das Subjekt“ (Menke , ). Zwar spricht Hegel zu Beginn des Sittlichkeitskapitels durchaus von „sittlichen Mächte[n]“, die über die Individuen „eine absolute, unendliche festere Autorität und Macht, als das Seyn der Natur“ haben, und von einem Verhältnis der „sittlichen Substanz“ zu den Individuen „als ihren Acczidencen“ (GW ,: §§ f.). Doch geht es hier zunächst nur darum, dass mit der Kategorie des Sittlichen überhaupt ein sozialer Raum eröffnet wird, in dem Individuen im Anderen bei sich selbst sein können, da sie in Übereinstimmung mit ihrem „eigenen Wesen“ und somit auch nach „eigenen“ Gesetzen handeln können (vgl. Menke , ). Zu fragen ist also gerade, wie Institutionen beschaffen sein müssen, damit sie den Individuen gerecht werden, sodass diese in ihnen bei sich selbst und „Bürger eines Staats von guten Gesetzen“ sein können (vgl. GW ,: § Anm.). Diese Frage stellt Hegel aber eben nicht bloß vom subjektiven Willen aus (im Sinne der Moralität), sondern auf dem objektiven Boden der Sittlichkeit und somit von der Idee eines vernünftigen Zusammenlebens her. Klaus Vieweg betont, dass die Ebene der Sittlichkeit begriffslogisch als Vernunftschluss zu denken ist. Die substantielle Form der Sittlichkeit entspricht dabei zunächst nur erst dem Schluss des Daseins, der in seiner Einseitigkeit aufzuheben ist, was letztlich im modernen Staat als einem System von drei Schlüssen geschieht. „Sittlichkeit“ könne demnach als „ein sich entfaltendes allgemeines Selbstverständnis der besonderen Einzelnen“ verstanden werden, als „ein vernünftiges Zusammen-Schließen von Subjekten“ (Vieweg , , ), in dem das Verhältnis von Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelheit als Einheit gedacht wird. Die in der Idee anvisierte Übereinstimmung von Subjektivität und Objektivität denkt Hegel zunächst als „Verhältniß-lose Identität“ (GW ,: § Anm.), die einem Leben im Zeichen des Ethos, der zur „Gewohnheit“ oder „zweiten Natur“ gewordenen Orientierung an und Identifikation mit den Normen der allgemeinen „Sitte“, entspricht. Menke betont, dass die Gesetze in einem weiteren Schritt durch das Individuum bewusst angeeignet werden können – so schreibt Hegel selbst, dass sie „in ein durch weitere Reflexion vermitteltes“ Verhältnis übergehen können, „in eine Einsicht durch Gründe“ (GW ,: § Anm.). Dem entspricht, dass auch die sittliche Substanz noch begriffslogisch zu entfalten ist: denn sie „ist die durch die Subjectivität als unendliche Form concrete Substanz. Sie setzt daher Unterschiede in sich, welche hiermit durch den Begriff bestimmt sind“. Der Staat Handeln, in welchem es gelinge, „das eigene Gesetz zum Ausdruck zu bringen“ (Menke , ). Inwieweit Menke mit dieser Deutung auch schon Kant gerecht wird, soll hier nicht diskutiert werden. Für Hegels Sittlichkeitsbegriff scheint sie mir zuzutreffen. Vgl. GW ,: § sowie Hegels handschriftliche Notizen in GW ,: . GW ,: § . Die Bestimmung des Sittlichen als Substanz folgt zunächst „dem spinozanisch inspirierten Modell im Umgang mit dem Individuum“ und es ist zweifellos berechtigt, auf die politischen Gefahren hinzuweisen, die aus einer solchen Identifikation prinzipiell erwachsen können,
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hat dabei „[a]n der Sitte […] seine unmittelbare, und an dem Selbstbewußtseyn des Einzelnen, dem Wissen und Thätigkeit desselben seine vermittelte Existenz“ (GW ,: § ). Er ist somit durchaus auch von Wissen, „Gesinnung“ (GW ,: § ) und Handeln seiner Bürger abhängig, wird aber in seiner allgemeinen Substantialität nicht erst vertraglich durch letztere konstituiert, denn vielmehr ist es nach Hegel umgekehrt diese Substantialität, die den Bürgern als „allgemeiner Wille“ zugrundeliegt. Der Staat ist den Bürgern gegenüber etwas Allgemeines, aber er ist in seiner Beziehung nach außen zugleich selbst ein besonderes Individuum neben anderen (vgl. GW ,: § ), er stellt als besonderer Geist eine bestimmte Hervorbringung des allgemeinen Geistes der Weltgeschichte dar (vgl. GW ,: § ). Der Staat gründet demnach auf einem bestimmten geschichtlich gewachsenen „Volksgeist“ und somit auf partikularer Sittlichkeit. Hegel weist aber gegen die Vertreter der Historischen Rechtsschule zugleich darauf hin, dass der Staat nicht primär von diesen Grundlagen her verstanden werden darf, denn er erhält seine Legitimität letztlich vom Begriff und damit von der Vernunft her (vgl. GW ,: § ). Auch geschichtsphilosophisch gesehen sind die besonderen Geister nur Gestalten des einen allgemeinen Geistes, der auf das Ziel der Verwirklichung von Vernunft und Freiheit hin ausgerichtet ist (vgl. GW ,: §§ ff.). Die Staaten sind deshalb an diesem Ziel zu messen. Sowohl vor diesem geschichtsphilosophischen Hintergrund als auch rein systematisch aus der Entfaltung des freien Willens heraus betrachtet ist es deshalb ein wesentlicher Aspekt von Hegels Begriff der Sittlichkeit, dass in diesen das Moment der Bildung einzieht. Die Bildung schlägt sich nieder im Prinzip der Negativität, das als Entzweiung die sittliche Substanz aufhebt und sie in eine in sich differenziertere Einheit transformiert, die auch dem Recht der Besonderheit gerecht wird. Mit diesem Anspruch ist explizit ein moderner Standpunkt angesprochen, der geschichtlich betrachtet in Hegels eigener Zeit hervortritt: „Das Recht der Besonderheit des Subjects, sich befriedigt zu finden, oder, was dasselbe ist, das Recht der subjectiven Freyheit macht den Wende- und Mittelpunkt in dem Unterschiede des Alterthums und der modernen Zeit“ (GW ,: § Anm.). Dieses moderne Prinzip des „Rechts der Besonderheit“ und der „subjektiven Freyheit“ ist freilich weder zu Hegels Zeiten noch in unserer Zeit abschließend verwirklicht, unabhängig davon muss aber ein vernünftig begründeter moderner Staat (wenn auch nicht in einseitiger Weise) diesem Prinzip gerecht werden – nur dann ist er „die Wirklichkeit der wenn sie auf eine bloße Affirmation und den „Ausfall kritischer Stellungnahme“ hinauslaufen (vgl. Sandkaulen , , ). Jedoch hält der nun zu entfaltende begriffslogische Hintergrund ganz andere Potentiale für die gesellschaftliche und politische Stellung des Individuums bereit, wie ich im Folgenden zu zeigen versuche. Vgl. GW ,: § Anm., sowie GW ,: (Notizen zu § ).
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concreten Freyheit“ (GW .: § ), die der Idee des Staates entspricht. Dieses Verhältnis erläutert Hegel in dem für diesen Zusammenhang einschlägigen § , der deshalb hier nahezu in Gänze zitiert sei: [D]ie concrete Freyheit […] bestehet darin, daß die persönliche Einzelnheit und deren besondere Interessen sowohl ihre vollständige Entwickelung und die Anerkennung ihres Rechts für sich (im Systeme der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft) haben, als sie durch sich selbst in das Interesse des Allgemeinen theils übergehen, theils mit Wissen und Willen dasselbe und zwar als ihren eigenen substantiellen Geist anerkennen und für dasselbe als ihren Endzweck thätig sind, so daß weder das Allgemeine ohne das besondere Interesse, Wissen und Wollen gelte und vollbracht werde, noch daß die Individuen bloß für das letztere als Privatpersonen leben, und nicht zugleich in und für das Allgemeine wollen und eine dieses Zwecks bewußte Wirksamkeit haben. Das Prinzip der modernen Staaten hat diese ungeheure Stärke und Tiefe, das Prinzip der Subjectivität sich zum selbstständigen Extreme der persönlichen Besonderheit vollenden zu lassen, und zugleich es in die substantielle Einheit zurückzuführen und so in ihm selbst diese zu erhalten. (GW ,: § ) In der ‚konkreten Freiheit‘ sind somit Allgemeines, Besonderes und Einzelnes untrennbar miteinander verknüpft. Die Individuen sollen nicht bloß als ‚Privatpersonen‘ leben, sondern auch für das Allgemeine tätig sein, in dem sie schließlich ‚ihren eigenen substantiellen Geist anerkennen‘; zugleich darf die Tätigkeit für das Allgemeine nicht dem besonderen Interesse entgegenstehen, vielmehr sollen auch ‚die persönliche Einzelheit und deren besondere Interessen‘ eine vollständige Entwicklung und Anerkennung erfahren. So lässt sich dann auch die Tätigkeit für das Allgemeine als politisch-republikanische Teilhabe freier Bürger verstehen, die Hegel in § mit dem Gedanken der „Vereinigung“ anspricht, wo es heißt: „die Bestimmung der Individuen ist ein allgemeines Leben zu führen“ (GW ,: § Anm.). Mit Rousseau lässt sich dies als Teilhabe am Prozess der Gesetzgebung verstehen. So besteht die „Vernünftigkeit“ des Staates nach Hegel gerade in der „sich durchdringenden Einheit der Allgemeinheit und der Einzelnheit“ bzw. „in der Einheit der objectiven Freyheit, d.i. des allgemeinen substantiellen Willens und der subjectiven Freiheit als des individuellen Wissens und seines besondere Zwecke suchenden Willens“ (GW ,: § Anm.). Der Pflicht gegenüber dem Allgemeinen muss deshalb zugleich ein Recht des Individuums korrespondieren, Pflicht und Recht sind deshalb „in einer und derselben Beziehung vereinigt“: [D]as Individuum muß in seiner Pflichterfüllung auf irgend eine Weise zugleich sein eigenes Interesse, seine Befriedigung oder Rechnung finden, und ihm [muss] aus seinem Verhältniß im Staat ein Recht erwachsen, wodurch die allgemeine Sache seine eigene besondere Sache wird. Das besondere Interesse soll
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wahrhaft nicht bey Seite gesetzt oder gar unterdrückt sondern mit dem Allgemeinen in Uebereinstimmung gesetzt werden, wodurch es selbst und das Allgemeine erhalten wird (GW ,: § Anm.). Das Individuum enthält dabei immer das „gedoppelte Moment“ sowohl der (abstrakten) Einzelheit als auch der Allgemeinheit in sich: es ist sowohl die ihre eigenen Interessen verfolgende Privatperson als auch die sich mit dem Allgemeinen identifizierende „substantielle Person“ (vgl. GW ,: § ). Individuelles Wohl und Allgemeinwohl sind in diesem Sinne für Hegel untrennbar miteinander verknüpft, der Staat ist „ein Werk des Zusammen-Schließens des allgemeinen Interesses mit den besonderen Interessen der einzelnen Bürger“. Ich werde später noch darauf eingehen, dass die in § angesprochene „vollständige Entwickelung und die Anerkennung“ des Rechts der Besonderheit mit Hegel über Hegels eigene Position hinaus noch weiter zu entfalten ist. Zunächst einmal aber ist nach den Voraussetzungen für die Entfaltung des Rechts der Besonderheit zu fragen. Wie also gelangt überhaupt das Prinzip der Bildung in das sittliche Allgemeine? IV. Das Prinzip der Bildung in der bürgerlichen Gesellschaft Systematisch gesehen ist hier zunächst an die der Sittlichkeit vorangehenden Momente der Begriffsentwicklung des freien Willens zu erinnern, nämlich an das abstrakte Recht und an die Moralität. Wenn Sittlichkeit auch historisch früher ist als diese beiden ihr logisch vorausgehenden Momente, so muss sie doch diese Momente integrieren (also in einem dreifachen Sinne ‚aufheben‘), wenn sie dem modernen Freiheitsbewusstsein gerecht werden will. Zentral für die Stufe des abstrakten Rechts ist die gleiche Freiheit und Anerkennung als Rechtsperson und somit die Forderung: „sey eine Person und respectire die andern als Personen“ (GW ,: § ). Auf der Stufe der Moralität weiß sich die Person zugleich als autonomes Subjekt zu bestimmen, das als solches nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich frei ist. Für Hegel meint daher „[d]er moralische Standpunkt […] das Recht des subjectiven Willens“ (GW ,: § ). Mit ihm erwacht jenes Bewusstsein des „Recht[s] der subjectiven Freyheit“ (GW ,: § Anm.), das seine Anerkennung in allen sozialen Beziehungen und Institutionen fordert. Moderne Sittlichkeit ist deshalb über die Momente des abstrakten Rechts (und somit die Anerkennung des Individuums als Person) und der Moralität (und somit die Anerkennung subjektiver Autonomie) vermittelt. Der Moralität kommt Vieweg (, ); vgl. auch Baumann (); Sedgwick (). Vgl. etwa Deligiorgi (, m. Fn. ); Hofmann (, ); Siep (, – );
Vieweg (, f.).
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dabei eine wesentliche Bildungsfunktion für die Sittlichkeit zu (vgl. Hofmann ). Vor dem Hintergrund der Perspektiven des abstrakten Rechts und der Moralität ergibt sich ein normatives Fundament universeller Anerkennung, das zunächst einmal ähnlich wie in Kants apriorischen Theorien des Vernunftrechts und der Ethik bestimmt zu sein scheint. So ist mit den Begriffen des abstrakten Rechts und der Moralität ein universalistischer Horizont der Anerkennung eröffnet, der auch Hegels Theorie der Sittlichkeit leitet. Jedoch begnügt sich Hegel freilich nicht damit, normative Prinzipien zu postulieren, um diese bloß der bestehenden empirischen Wirklichkeit entgegenzuhalten. Er weist vielmehr darauf hin, dass sich die Bildung aus dem Prinzip der Sittlichkeit selbst heraus entwickeln muss. Diese Entwicklung ist für Hegel der eigentliche Gegenstand der Geschichte des objektiven Geistes und – bezogen nicht bloß auf die Sittlichkeit, sondern im Sinne einer übergreifenden Befreiung zur Selbsterkenntnis – auch der Geschichte des Geistes überhaupt (vgl. GW : §§ , , ). Einen entscheidenden Schub erhält die Bildung des Sittlichen durch die Dynamik der bürgerlichen Gesellschaft, mit der sich für Hegel zugleich das spezifisch moderne Rechtsverständnis durchsetzt, in dessen Rahmen er die Anerkennung des vernunftrechtlichen Prinzips universeller Menschenrechte thematisiert. Deshalb ist nun auf dieses Bildungsprinzip der bürgerlichen Gesellschaft einzugehen. ‚Bildung‘ wird dabei von Hegel insbesondere als ‚Befreiung‘ gedacht, wie auch Menke (, – ) betont. Dabei kann an die begriffslogisch zu fassende Grundstruktur des konkreten freien Willens erinnert werden, wie Hegel sie in der Einleitung der Rechtsphilosophie präsentiert. Denn hier wird beständig auf das unauflösliche Wechselverhältnis des Denkens und der Bildung mit der Freiheit hingewiesen. Das Denken wird dabei explizit als „Thätigkeit“ gefasst (vgl. GW ,: § Anm.), die sich (denkend und handelnd) als konkrete Einzelheit und Subjektivität realisiert (vgl. GW ,: § ) Dieser Bildungsprozess ereignet sich auf der Ebene der Sittlichkeit v. a. auf dem Boden der bürgerlichen Gesellschaft. Denn hier überschreitet das Individuum seine lebensweltliche Herkunft, die es im partikularen Sittlichkeitsraum der Familie empfangen und gelebt hat, und wird mit dem gesellschaftlichen Allgemeinen konfrontiert. Wenn Individuen innerhalb dieser Sphäre ihre Interessen verfolgen wollen, sind sie gezwungen, „ihr Wissen, Wollen und Thun auf allgemeine Weise [zu] bestimmen, und sich zu einem Gliede der Kette dieses Zusammenhanges [zu] machen“ (GW ,: § ). Schon am Ende des Abschnitts zur „Familie“ spricht Hegel von deren „sittliche[n] Auflösung“, die darin bestehe „daß die Kinder zur freyen Persönlichkeit erzogen, in der Volljährigkeit anerkannt werden, als rechtliche Personen“ (GW ,: § ). Die bürgerliche Gesellschaft ist dann die Sittlichkeit Vgl. GW ,: §§ f. (in § findet sich zudem ein Querverweis auf § ).
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in der Form der „Entzweyung“ (GW ,: § ): der auf der Ebene der Familie noch bestehende unmittelbare Zusammenhang der sittlichen Gemeinschaft zerfällt in die Vielheit der besonderen Personen, die zueinander aber in äußerlicher Beziehung stehen und dabei „durch die Form der Allgemeinheit […] vermittelt“ sind (GW ,: § ). Es entsteht ein „System allseitiger Abhängigkeit“, in dem „die Subsistenz und das Wohl des Einzelnen und sein rechtliches Daseyn in die Subsistenz, das Wohl und Recht Aller verflochten“ ist (GW ,: § ). Die Allgemeinheit ist hierbei (als abstraktes Recht, gesellschaftlich-ökonomische Abhängigkeit und Polizei – vgl. nur GW ,: §§ , ) die „Macht“ über die besonderen Individuen, doch hat die Besonderheit (innerhalb des rechtlich und ökonomisch bestimmen Rahmens) zugleich „das Recht sich nach allen Seiten zu entwickeln und zu ergehen“ (GW ,: § ). Die Besonderheit erhält so Raum auch für die „Befriedigung […] zufälliger Willkühr und subjectiven Beliebens“ – Hegel spricht in diesem Zusammenhang von „Ausschweifung“, „Elend“ und „sittlichem Verderben“ und vergleicht dies mit der Zerstörung der substantiellen Sittlichkeit in der griechischen Polis, die schließlich nicht mehr vermocht habe, die sich entfaltende und befreiende Besonderheit zu integrieren (vgl. GW ,: § ). Neben der „Ausschweifung“ sieht Hegel aber eben auch das hier durch die Notwendigkeit (und nicht die Freiheit) bewirkte Moment der Bildung des Besonderen, in der letzteres „sich zur Form der Allgemeinheit erhebe“ (GW ,: § ). Dieser Bildungsprozess wird auf der Ebene der bürgerlichen Gesellschaft Hegel zufolge v. a. durch und als „harte Arbeit“ realisiert, in der sich der Geist in die Wirklichkeit „hinein bildet, sie überwindet und darin sein objectives Daseyn gewinnt“ (GW ,: § Anm.). Durch die Aneignung und Bearbeitung der äußeren Welt, der er „sein Siegel auf[]drückt“, werde der Geist in dieser „einheimisch und bey sich“; zugleich arbeite er seine eigene „Natureinfalt“ ab und erhebe sich von seiner Versenkung in die Besonderheit, in der er bisher durch die Natur, aber auch durch die zur „zweiten Natur“ gewordene substantielle Sittlichkeit bestimmt war, zur „Verständigkeit“ und zur „Form der Allgemeinheit“. Bildung ist demnach untrennbar mit dem Moment der sittlichen Entzweiung oder überhaupt, wie Hegel schon in seiner Jenaer Zeit diagnostiziert, mit dem Phänomen der „Entfremdung“ verbunden (vgl. Sandkaulen ). Sie wird aber zugleich „in ihrer absoluten Bestimmung die Befreyung und die Arbeit der höheren Befreyung“ des Geistes: und zwar sowohl auf der Ebene des sittlichen Ganzen – denn dieses werde „zu der, nicht mehr unmittelbaren, natürlichen, sondern geistigen, eben so zur Gestalt der Allgemeinheit erhobenen unendlich subjectiven Substantialität der Sittlichkeit“ – wie Vgl. GW ,: § Anm. In Hothos Vorlesungsnachschrift (/) findet sich diese Bildung zur Allgemeinheit auf der Ebene der bürgerlichen Gesellschaft auch als „Glättung der Besonderheit, so daß sie sich nach der Natur der Sache […] zu benehmen weiß“, charakterisiert (GW ,: ).
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auch auf der Ebene des subjektiven Willens des Individuums, da letzterer „selbst in sich die Objectivität gewinnt, in der er seinerseits allein würdig und fähig ist, die Wirklichkeit der Idee zu seyn. – Eben so macht zugleich diese Form der Allgemeinheit, zu der sich die Besonderheit verarbeitet und herauf gebildet hat, die Verständigkeit, daß die Besonderheit zum wahrhaften Fürsichseyn der Einzelnheit wird, und indem sie der Allgemeinheit den erfüllenden Inhalt und ihre unendliche Selbstbestimmung giebt, selbst in der Sittlichkeit als unendlich fürsichseyende, freye Subjectivität ist“ (GW ,: § ). Die Bildung betrifft also sowohl die gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen und Verhältnisse als auch die einzelnen Individuen in ihrem jeweiligen Denken und Handeln. Die „freye Subjectivität“ ist Resultat der Bildung, wobei letztere auf der Ebene der bürgerlichen Gesellschaft eben vornehmlich das Werk der äußeren Notwendigkeit ist und somit auf der Ebene des Verstandes verbleibt (vgl. GW ,: §§ , ). Sie bedarf der Ergänzung durch die Moralität, wenn sie wirklich auch die innere Autonomie des Subjekts berühren soll (vgl. Hofmann ). Dennoch ist gerade auch die äußerliche Bildung ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu einer durchgebildeten und in sich konkreten Form der Sittlichkeit. Dies geschieht auf der Ebene der bürgerlichen Gesellschaft durch die Entfaltung und Befriedigung des subjektiven Bedürfnisses nach „äußeren Dingen“, die durch „Thätigkeit und Arbeit“ vermittelt ist (GW ,: § ). Und diese Vermittlung betrifft sowohl die „theoretische Bildung“ durch Kenntnisse, „Beweglichkeit und Schnelligkeit des Vorstellens“ sowie eine Bildung der Sprache als auch die „praktische Bildung“ durch die in der Arbeit erworbene „Gewohnheit der Beschäftigung“ und Geschicklichkeit (GW ,: § ). Die moderne bürgerliche Gesellschaft zeichnet sich zugleich durch ihre Dynamik aus, die „eine ins Unendliche fortgehende Vervielfältigung“ der Bedürfnisse und Mittel erzeugt, sodass diese fortlaufend gesteigert, verfeinert und spezialisiert werden (GW ,: § ). Die Individuen sind in diesem „System der Bedürfnisse“ als Produzierende und Konsumierende aufeinander angewiesen. Ihre wechselseitige Beziehung ist nun ebenfalls durch die Form der Abstraktheit bestimmt und nicht mehr (wie auf der Stufe der Familie oder auch in traditionalen Gemeinschaften) durch die einer unmittelbaren sittlichen Verbundenheit: Die Abstraction, die eine Qualität der Bedürfnisse und der Mittel wird […], wird auch eine Bestimmung der gegenseitigen Beziehung der Individuen auf einander; diese Allgemeinheit als Anerkanntseyn ist das Moment, welches sie in ihrer Vereinzelung und Abstraction zu concreten als gesellschaftlichen Bedürfnissen, Mitteln und Weisen der Befriedigung macht (GW ,: § ). Eng damit verbunden ist „die Forderung der Gleichheit mit den andern“ (GW ,: § ). Denn die bürgerliche Gesellschaft tendiert dazu, die Individuen über den engen Kreis einer sittlichen Herkunftsgemeinschaft herauszuheben und sie zur
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menschlichen Allgemeinheit zu bilden, d. h. zu jener „Allgemeinheit als Anerkanntsein“, die nicht nach familiärer Herkunft, Konfession usw. fragt, sondern eine Anerkennung aller Individuen als gleicher und als „selbstständige Personen“ (GW ,: § ) meint. Und so kann Hegel im Abschnitt über die „Rechtspflege“ in der bürgerlichen Gesellschaft formulieren: Es gehört der Bildung, dem Denken als Bewußtseyn des Einzelnen in Form der Allgemeinheit, daß Ich als allgemeine Person aufgefaßt werde, worin Alle identisch sind. Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener u.s.f. ist, – dieß Bewußtseyn, dem der Gedanke gilt, ist von unendlicher Wichtigkeit (GW ,: § Anm.). Die Anerkennung bleibt auf dieser Ebene noch eine „formell[e]“ (GW ,: § ) und äußerliche. Sie bezieht sich eben nicht auf den Menschen als konkretes Individuum, sondern auf ihn als „allgemeine Person […], worin Alle identisch sind“. Und Hegel nennt zugleich erhebliche Probleme, die im Zuge der sittlichen Entzweiung auf der Ebene der bürgerlichen Gesellschaft ebenfalls zu Tage treten – die Probleme der Armut, des Elends, der arbeitsteiligen, mechanisierten und entfremdeten Arbeit, des Kolonialismus usw., sodass die formelle Befreiung in „eine eben so unendliche Vermehrung der Abhängigkeit und Noth“ (GW ,: § ) umschlägt. Mit der rechtlichen Gleichheit und Anerkennung ist noch nicht das Problem der sozialen Ungleichheit gelöst. Ich gehe hier jedoch nicht auf diese Probleme der bürgerlichen Gesellschaft ein, sondern nehme letztere gleichsam nur von ihrer „Bildungsfunktion“ her in den Blick. So stellt die entzweite Sittlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft für Hegel „einen unabdingbaren Durchgangspunkt“ für die Entfaltung hin zu einer der Idee moderner Freiheit gerecht werdenden Form des Staates dar (Vieweg : f.). Hierfür ist nicht zuletzt entscheidend, dass das universalistische Verständnis des abstrakten Rechts – und mit ihm auch der Gedanke der allgemeinen Menschenrechte und somit der Anerkennung eines jeden Einzelnen als abstraktes Individuum bzw. als Rechtsperson – auf dem Boden der Sittlichkeit etabliert wird: „Es ist […] diese Sphäre des Relativen, als Bildung, selbst, welche dem Rechte das Daseyn giebt, als allgemein anerkanntes, gewußtes und gewolltes zu seyn, und vermittelt durch dieß Gewußt- und Gewolltseyn Gelten und objective Wirklichkeit zu haben“ (GW ,: § ). Aber das Anerkanntsein der Individuen bleibt auf der Ebene des abstrakten Rechts (als Rechtsperson) eben auch noch ein abstraktes. Darüber hinaus gibt sich das Individuum in der bürgerlichen Gesellschaft selbst eine „bestimmte Besonderheit“, indem es einen bestimmten Beruf ergreift, sich durch seine Tätigkeit ent Dass die bürgerliche Gesellschaft aufgrund ihrer Dynamik eine solche Bildungsfunktion besitzt, haben freilich auch Marx und Engels so gesehen, wenn es etwa im Kommunistischen Manifest heißt, dass in der „Bourgeoisepoche“ „[a]lles Ständische und Stehende verdampft“ (MEW : ).
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sprechend bildet und in dieser Rolle anerkannt wird (GW ,: § ). Doch auch diese Form der Anerkennung (als Produzentin, Konsument, Kollegin, Konkurrent usw.) kann das Bedürfnis des Individuums nach sozialer Teilhabe und Bei-sichselbst-sein-im-Anderen noch nicht völlig befriedigen. Dies gelingt nach Hegel – zumindest auf der Ebene des objektiven Geistes – erst im Staat. V. Der Staat der Bildung: ‚Offenheit‘ und ‚Integration‘ Im Staat der Bildung ist die in der Negation der sittlichen Einheit hervorgetretene universelle Anerkennung in die Einheit zurückgeführt. Der moderne Staat ist in diesem Sinne „der als durch die Form der Bildung hindurch gegangene sich wissende und wollende Geist. Der Staat weiß daher, was er will, und weiß es in seiner Allgemeinheit, als Gedachtes“ (GW ,: § ). Als Gedachtes und Allgemeines gründet der Staat auf für alle Bürgerinnen und Bürger geltenden Gesetzen, er ist ein konstitutioneller Rechtsstaat. Dieser steht als Allgemeines „über den besondern Kirchen“ (GW ,: § Anm.). Die Religion sieht Hegel dabei durchaus als „Grundlage“ des Staates, sie sei aber auch „nur Grundlage“ und nicht mehr als dies (GW ,: § Anm.). Die sittliche Substanz, aus der auch der Staat hervorgeht, mag in besonderer Weise durch eine bestimmte Religion geprägt sein, doch kann letztere für den Staat der Bildung nicht mehr die bestimmende Macht darstellen, denn es gehört ebenfalls zur Bildung, dass sich der Staat von der religiös-kirchlichen Einbindung befreit und sich alleine vom Begriff her versteht, also von der Vernunft her. Er ist insofern, wenn man so will, ‚säkular‘ – allerdings in dem Sinne, dass er mit der Religion doch eine gemeinsame Substanz teilt. Hegel spricht dabei immer von einer möglichen Mehrzahl von Religionen, Kirchen oder Konfessionen und er betont, dass sich der gebildete Staat durchaus ‚liberal‘ und tolerant gegenüber den verschiedenen Religionsgemeinschaften verhalten könne: Der in seiner Organisation ausgebildete und darum starke Staat kann sich hierin desto liberaler verhalten, Einzelnheiten, die ihn berührten, ganz übersehen, und selbst Gemeinden (wobey es freylich auf die Anzahl ankommt) in sich aushalten, welche selbst die directen Pflichten gegen ihn religiös nicht anerkennen, indem er nämlich die Mitglieder derselben der bürgerlichen Gesellschaft unter deren Nicht näher eingehen kann ich an dieser Stelle auf die Bedeutung der Korporationen, die für Hegel freilich eine wichtige Vermittlungsfunktion sowohl innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft als auch des Staates sowie im Übergang von der einen zur anderen Sphäre einnehmen (vgl. zu diesen Ellmers/Herrmann ). Vgl. zu diesem komplexen Verhältnis Böckenförde (, hier v. a. ); Arndt/Iber/Kruck ().
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Gesetzen überläßt und mit passiver, etwa durch Verwandlung und Tausch vermittelter, Erfüllung der direkten Pflichten gegen ihn zufrieden ist (GW ,: § Anm.). In einer Fußnote erläutert Hegel, dass mit dem zuletzt angesprochenen Punkt Gemeinschaften wie die der Quäker gemeint sind, welche aus Glaubensgründen die Wehrpflicht verweigern, jedoch bereit sind, im „Tausch“ dafür andere Leistungen zu erbringen. Ebenso verteidigt er an dieser Stelle die in Preußen offiziell erfolgte Anerkennung der Juden als gleichberechtigte Staatsbürger (vgl. GW ,: § Anm., Fn. , ). Der Staat der Bildung kann eine religiöse und kulturelle Vielfalt in sich aushalten, er greift dabei auch nicht in die Angelegenheiten der jeweiligen Gemeinschaften ein, sofern diese nicht das Recht tangieren. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen sich an das Recht halten (wobei der Staat eben in einzelnen Fällen auch tolerant gegenüber Abweichungen aus Glaubens- oder Gewissensgründen sein kann) und sind ihrerseits als Rechtspersonen anzuerkennen. Zugleich sind sie aber mit dem staatlichen Allgemeinen als konkrete Individuen auch über ihre Einbindung in konkrete kommunale und gesellschaftliche Zusammenhänge vermittelt. Sie nehmen am Gesetzgebungsprozess teil, beziehen sich dabei aber nicht als Einzelne unmittelbar auf das staatliche Allgemeine, sondern über die besonderen Sphären ihrer Berufsstände, Korporationen und Gemeinden, an deren Versammlungen sie teilnehmen (vgl. GW ,: §§ – ). So betrachtet Hegel „das ständische Element“ als „vermittelndes Organ“ zwischen der Regierung einerseits und dem aus der Vielheit der Individuen bestehenden Volk andererseits (GW ,: § ). Die Bürger werden nicht als bloßer „Haufen“ oder „formlose Masse“ von Einzelnen politisch integriert, sondern als gegliedert in die besonderen Verhältnisse ihres täglichen Lebens, in denen sie sich selbst ihre konkrete Bestimmung geben. Als konkrete Individuen bilden sie dann innerhalb ihrer besonderen Verhältnisse gemeinsam jeweils „eine lebendige, sich gegenseitig unterrichtende und überzeugende, gemeinsam berathende Versammlung“ (GW ,: § ), die durch diesen Prozess der gemeinsamen Willensbildung an der „Fortbestimmung“ der Gesetze mitwirkt (GW ,: § ). Auf diese Weise wird für Hegel auch der Staat als ganzer „konkret“: „Der concrete Staat ist das in seine besonderen Kreise gegliederte Ganze“ (GW ,: § Anm.). Da jedoch der Staat „ein System von drei Schlüssen“ ist (GW : § Anm.), steht jedes der drei Schlussglieder der Einzelheit, Besonderheit und Allgemeinheit
Vgl. GW ,: §§ – . Charlotte Baumann zufolge zeigen sich gerade durch diese „or-
ganische“ Gliederung des Staates Möglichkeiten, tatsächlich alle Individuen in den Gesetzgebungsprozess einzubeziehen und die Suche nach dem Allgemeinwohl unter Berücksichtigung der besonderen Interessen und als deren harmonische Koordinierung zu gestalten (vgl. Baumann , , ).
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„sowohl als Mitte als auch als Extrem“. So sind nicht nur die einzelnen „Bürgerindividuen“, wie eben beschrieben, über ihre besonderen gesellschaftlichen Sphären mit dem staatlichen Allgemeinen vermittelt (E – B – A); die „Bürgerindividuen“ sind vielmehr auch selbst jeweils die Mitte, die durch ihre konkrete Tätigkeit das staatliche Allgemeine mit dem Besonderen zusammenschließen (A – E – B); und schließlich ist der Staat die Mitte, in der die Einzelnen und das Besondere ihre gesicherte Existenz und die Möglichkeit ihrer freien Entfaltung finden (B – A – E) (vgl. GW : f.). Der Einwand, dass Hegels Rechtsphilosophie selbst dem Anspruch nach einer freien Entfaltung des Besonderen und der Individualität nach heutigen Maßstäben im Einzelnen nicht immer gerecht wird, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. So wäre sein Ansatz, gerade auch im Sinne einer demokratischen Partizipation, noch weiter zu entfalten. Dieser Gedanke einer weiteren Entfaltung ist aber in Hegels Philosophie bereits selbst angelegt, muss also keineswegs von außen an sie herangetragen werden! Denn eine solche weitere Entfaltung drängt sich vor dem Hintergrund von Hegels Begriffslogik, seiner Theorie des konkreten freien Willens, der sich als seiner selbst bewusstes Denken und freies Tätigsein stets neu aktualisiert, sowie der Idee einer die Sittlichkeit transformierenden Bildung geradezu von selbst auf. Bildung im hegelschen Sinne erscheint „erstlich und letztlich“ geradezu als „Königsweg zur politischen Partizipation“ (Sandkaulen , ). Zudem findet der sich unter den geschichtlichen Bedingungen der Sittlichkeit entfaltende Begriff des freien Willens immer neue Formen der Besonderung und der Konkretion, in denen er sich manifestiert. In diesem Sinne betont Vieweg: „Die Dynamik der Schlüsse, ihre Selbstbewegung impliziert, dass die Einheit des Sittlichen nicht im Muster der einfachen Reproduktion zu verstehen ist. Sie beinhaltet auch das im Aufschluss neu Erschlossene“ – „so integriert die moderne Sittlichkeit neue Formationen und Gestalten des Zusammenschließens“, wie etwa neue Formen des Zusammenlebens, des Wirtschaftens oder der politischen Partizipation (Vieweg , ). Die Gesetze und Institutionen müssten dabei immer wieder neu geprüft werden, ob sie mit dem Begriff der Freiheit (noch) übereinstimmen (vgl. Vieweg , ). Somit sei Hegels Konzeption des Sittlichen
Vieweg (, ). Eine ausführliche Analyse der Bestimmung des Staates als „Ganzes von drei Schlüssen“ findet sich in Vieweg (, – ). Man denke etwa an die untergeordnete Stellung der Ehefrau gegenüber ihrem Gatten (vgl. GW: .: §§ u. ), an das Misstrauen gegen die Pressefreiheit (vgl. GW .: § ) oder an das, wenn auch nicht in seiner grundlegenden Vermittlungsfunktion, so doch in seiner konkreten Ausgestaltung in vielerlei Hinsicht „handgreiflich antiquiert[e]“ (Jaeschke , ) Ständemodell. Eine Herausforderung, auf die hier nicht eingegangen werden kann, stellt wohl auch die Rolle des Monarchen, der ‚fürstlichen Gewalt‘, dar, die Hegel als individuelle Entscheidungsinstanz postuliert und dabei freilich ebenfalls logisch begründet.
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immer „zu bereichern, zu konkretisieren, zu aktualisieren“ – und bleibe dennoch in ihren logischen „Grundkonstituentien“ voll gültig (Vieweg , ). In diesem Sinne zeigt sich, dass der sich unter den endlichen Bedingungen des Geistes verwirklichende Begriff (anders als in der Logik selbst) nicht ein für alle Mal abschließend logisch bestimmt ist, sondern sich seine konkrete Bestimmung letztlich immer wieder aufs Neue selbst geben muss. Und dies gilt sowohl für den Staat und seine Institutionen insgesamt wie auch für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger. Man kann geradezu sagen, dass eben diese prinzipielle Offenheit und Unabgeschlossenheit des Individuums der Bestimmung der Menschenwürde (oder auch der ‚Würde des Geistes‘) entspricht. Denn die Würde, so Hoffmann, ist an sich zunächst ein „unbestimmtes Allgemeines“, das erst noch durch ein bestimmtes Individuum und dessen in freier Selbstbestimmung vollzogenes Handeln zu einem konkreten Allgemeinen zu entfalten ist. Dies entspricht wiederum Hegels Theorie des freien Willens, der sich seine konkrete Bestimmung selbst gibt. Und es ist diese Bestimmung des Individuums als eines konkreten und wahrhaft freien Willens, dem ein am Maßstab der Vernunft und somit von der Entfaltung des Begriffs her gedachter Staat und seine Institutionen gerecht werden müssen. Vor diesem Hintergrund kann Hegels Modell des modernen und gebildeten Staates geradezu als ein ‚offenes‘ verstanden werden – wenn auch freilich nicht in der Weise von Poppers ‚offener Gesellschaft‘. Hegel denkt mit der Befreiung des Besonderen und der Individualität auch immer deren Integration in das sittliche Ganze. Diese Integration von Diversität muss für Hegel die begriffslogische Form des Organismus und einer absoluten Subjektivität in einem staatlichen Ganzen annehmen, die insofern „inklusiv“ ist (vgl. Baumann , ). Vor dieser Integrationsaufgabe stehen moderne Staaten, welche die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und des Prinzips der Bildung voraussetzen, deshalb in besonderer Weise. Die immer wieder neu zu vollziehende Selbstbestimmung vollzieht sich in einer konkreten Individualität, die sich, da sie keine bloß abstrakte ist, ihrer Vermitteltheit durch konkrete Institutionen bewusst ist, in denen sie zugleich mit den anderen Individuen vermittelt ist. Indem Hegel dabei die Entwicklung des Besonderen und Einzelnen nie losgelöst vom Allgemeinen her Katerina Deligiorgi (, f.) spricht deshalb von „incomplete individuals“. Vgl. zu dem hiermit angesprochenen Unterschied von Logik und Realphilosophie auch Spieker (, , Fn. ). Vgl. Hoffmann (, etwa ): „[D]er Mensch ist das individuell unter dem Würdeprädikat zu sehende[…]. Personalität […] bezeichnet mit der Würde […] ein ‚konkretes Allgemeines‘, in dem ‚die Menschheit‘ sich uneingeschränkt hier und jetzt findet.“ Die Würde meine dabei zunächst ein „unbestimmtes Allgemeines“, da sie dem Individuum unabhängig von allen besonderen Bestimmungen zukomme (vgl. Hoffmann , ). Sie fordere jedoch zugleich auch ihre Realisierung in der Praxis – und in diesem Sinne gelte: „Die Würde des Menschen ist ein Allgemeines, das doch nur in bestimmter Einzelheit – der der wirklichen Tat – da sein kann“ (Hoffmann , ).
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denkt, ist sein Modell ‚integrativ‘; indem diese Entwicklung niemals abgeschlossen, sondern immer wieder neu zu aktualisieren und konkretisieren ist, ist es zugleich prinzipiell ‚offen‘. VI. Ausblick: Partizipation und Integration Dadurch dass, wie im letzten Abschnitt dargestellt, der hegelsche Staat der Bildung durch die Momente der ‚Offenheit‘ und der ‚Integration‘ charakterisiert ist, werden zugleich dessen Potentiale auch im Hinblick auf gegenwärtige Diskussionen um den Begriff der Integration (vgl. hierzu Spieker/Hofmann ) erkennbar. Das Thema der Integration, im Sinne einer Einbeziehung von migrierten Menschen, wird in Deutschland und anderen Ländern in den letzten Jahren freilich vielfach öffentlich diskutiert. Dabei muss ‚Integration‘ auch in einem weiteren Sinne verstanden werden: sie betrifft letztlich die gesamte Gesellschaft, nämlich deren Zusammenhalt und die Partizipation aller Gesellschaftsmitglieder an dieser. Um ‚integriert‘ zu sein müssen Menschen als konkrete Individuen anerkannt werden und in den sozialen Institutionen bei sich selbst sein können. Diese Einbeziehung der Individuen in die Gemeinschaft stärkt auch wiederum den Zusammenhalt dieser Gemeinschaft selbst. Um einige in diesem Sinne zentrale Punkte aus Hegels Rechtsphilosophie zusammenzufassen: der moderne Staat ist ein Staat der ‚Bildung‘, der auf allgemeinen, für alle Bürgerinnen und Bürger gleichen Gesetzen sowie auf dem Prinzip der universellen Anerkennung eines jeden Menschen als Rechtsperson gründet. Diese Anerkennung ist durch das Recht objektiv zu garantieren, eine Diskriminierung des Individuums aufgrund seiner besonderen Identität ist somit zu verhindern. Dabei kennt der Staat (innerhalb des rechtlichen Rahmens) das Recht des Besonderheit auf freie Entfaltung an; er ist selbst unabhängig von kirchlichen Einflüssen, erkennt Religionsfreiheit an und ist offen für religiöse und kulturelle Pluralität. Insofern verordnet er auch keine allgemeine (und künstlich konstruierte) ‚Leitkultur‘, die selbst wiederum bloß zu einer besonderen Kultur neben anderen würde, sondern er verlangt nur die Einhaltung und Verwirklichung des Rechts. Vgl. Vieweg (, ), der sich auf § bezieht, wo es, wie bereits zitiert, heißt: „Der Mensch gilt so, weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant, Deutscher, Italiener usf. ist […].“ Dabei verweise „das ‚usf.‘ auf die mögliche Einbeziehung weiterer Besonderheiten“ wie „Geschlecht, ethnische Herkunft, Kultur, Religion, Geschichte“. Diesen Gedanken bezieht Vieweg zugleich auf das in Art. , Abs. GG ausgesprochene Diskriminierungsverbot. Eine solche ‚Leitkultur‘ verordnet der hegelsche Staat auch dann nicht, wenn man einbezieht, dass Hegel in seinen letzten Lebensjahren angesichts der damaligen Restaurationsbestrebungen (etwa auch im katholischen Frankreich) von der diesbezüglich ‚liberaleren‘ Haltung der Grundlinien noch einmal abrückt und nun betont, dass die religiösen Gemeinschaften die Sittlichkeit des vernunftbegründeten Staates anerkennen müssen. Sein Plädoyer für die Reformation und einen ‚politischen Protestantismus‘ sind keineswegs als Propagierung einer Staatsreligion zu verstehen, sondern es geht
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Er verwirklicht sich in allgemeinen Institutionen, die partizipationsoffen sind für das Besondere; gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung und Arbeit steht allen Gesellschaftsmitgliedern unabhängig von deren jeweiliger Herkunft offen. Mit Hegel lässt sich also eine universelle, sich auf alle Menschen erstreckende Anerkennung und Ermöglichung von sozialer Partizipation oder Teilhabe begründen (vgl. auch Menke , – ). Zugleich lässt sich mit seinem Ansatz verstehen, dass Menschen zunächst einmal in geschichtlich gewachsenen partikularen Gemeinschaften aufwachsen und in diesen ihre Identitäten und Gewohnheiten (als eine ‚zweite Natur‘) ausbilden. Dies verweist auf die vielfältigen Identitäten eines Menschen, die sich nicht zuletzt in Relation zu seinen sittlichen Verhältnissen und sozialen Rollen (als Familienmitglied, Arbeitnehmer, Bürgerin usw.) ergeben. Das konkrete Individuum steht „in einer spezifischen Gesamtkonstellation von Zugehörigkeit“, in einer „Ganzheit von Partizipationsformen“. Menschen verlangen dabei auch ihre Anerkennung als konkrete Individuen – sie wollen nicht bloß als abstrakte Rechtspersonen, sondern auch in ihrer besonderen Identität anerkannt werden, also in ihrer Andersheit gegeneinander, Unterschiede müssen bestehen bleiben dürfen (vgl. Vieweg , ). Aber diese Vielfalt ist bei Hegel doch zugleich eingebunden in Formen des gemeinsamen Handelns in übergreifenden gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen. Vor diesem Hintergrund lässt sich mit Hegel ein integrativer Staat denken, der die Individuen als Bürgerinnen und Bürger in ihrer jeweiligen Besonderheit und somit Verschiedenheit als Gleiche anerkennt und ihnen Freiheit zur Entfaltung lässt. Hegel liefert somit auch Antworten auf die Frage, wie eine heterogene und durch Migration geprägte Gesellschaft – eine, wie man mit der sozialwissenschaftlichen Forschung sagen kann, durch Diversität geprägte ‚postmigrantische‘ Gesellschaft (vgl. etwa Foroutan ) – als Anerkennungsraum gedacht werden kann. Natürlich kennt Hegel noch nicht die heutigen globalisierten Verhältnisse und eine (auch postkoloniale) globale Migration, doch deuten sich diese Verhältnisse in seiner Betrachtung der bürgerlichen Gesellschaft ebenfalls schon an, wenn es von letzterer heißt, dass diese durch ihre eigene „Dialektik […] über sich hinausgetrieben“ werde (GW ,: § ).
Hegel damit gerade um eine Religion, welche die Unabhängigkeit des Staates von ihr anerkannt (vgl. hierzu Jaeschke , f.; GW : § Anm.). Hier lassen sich von Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft aus auch manche Brücken zur empirischen Forschung schlagen. Wenn z. B. der Sozialwissenschaftler Aladin El-Mafaalani (, – ) anhand von Studien zum Bildungsaufstieg bei Einheimischen, Türkei- sowie Vietnamstämmigen darauf hinweist, dass es bei Aufsteigern aus benachteiligten sozialen Schichten oftmals zu einer bewussten ‚Distanzierung vom Herkunftsmilieu‘ und einer individuellen ‚Habitustransformation‘ komme, lässt sich darin auch der bereits von Hegel erkannte Zusammenhang von Bildung und Entfremdung wiederfinden. Vieweg (, , für einige Beispiele vgl. ).
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Die Integration gelingt noch nicht in abschließender Weise auf der gesellschaftlich-ökonomischen Ebene (etwa über den Arbeitsmarkt), sondern es bedarf auch noch einer republikanisch-politischen Integration als Staatsbürgerin oder Staatsbürger. Erst dann haben alle die Möglichkeit, „ein allgemeines Leben zu führen“ und am Gesetzgebungsprozess teilzuhaben (GW .: § Anm.), wobei sich dies für Hegel gerade auf kommunaler Ebene realisieren muss. Hegel verteidigt in diesem Sinne ausdrücklich die staatsbürgerschaftliche Gleichstellung der Juden in Preußen gegen deren Gegner: das „Geschrey“ dieser Gegner, die u. a. argumentierten, dass die Juden sich einem „fremden Volke“ zugehörig fühlten, habe übersehen, dass die Juden „zu allererst Menschen sind und daß diß nicht nur eine flache, abstracte Qualität ist (§. . Anm.), sondern daß darin liegt, daß durch die zugestandenen bürgerlichen Rechte vielmehr das Selbstgefühl, als rechtliche Personen in der bürgerlichen Gesellschaft zu gelten, und aus dieser unendlichen, von Allem andern freyen Wurzel die verlangte Ausgleichung der Denkungsart und Gesinnung zu Stande kommt“ (GW ,: § Anm., Fn. , ). Hegel argumentiert hier also, allgemein betrachtet, dass rechtliche Anerkennung sowie gesellschaftliche und politische Teilhabe tendenziell eine gewisse Identifikation mit dem Staat hervorbringen können. Dieser Gedanke lässt sich wiederum auf alle „Bürgerindividuen“ (GW : f.) beziehen, egal ob alteingessene oder migrierte. Die Erfahrung von Teilhabe und „Selbstwirksamkeit“ im öffentlichen Raum lässt sich als Erfahrung des Bei-sich-selbst-sein-Könnens-imAnderen verstehen, die wiederum eine Voraussetzung der Identifikation mit dem Ganzen des Staates ist. Hier liegt insofern der Schlüssel zum „Verfassungspatriotismus“ (Jaeschke , ) im hegelschen Sinne. Diesen „Patriotismus“ bezeichnet Hegel auch als „politische Gesinnung“ (GW ,: § ). Sie mache die „subjective Substantialität“ der Idee des Staates aus, im Unterschied zur „objective[n]“ Substantialität des als Organismus betrachteten „politische[n] Staat[es]“, seiner besonderen Verfassung und seiner Institutionen (GW ,: § ). Diese „politische Gesinnung“ sei im wesentlichen ein „Zutrauen“, nämlich „das Bewußtseyn, daß mein substantielles und besonderes Interesse, im Interesse und Zwecke eines Andern (hier des Staates) als im Verhältniß zu mir als Einzelnen bewahrt und enthalten ist, – womit eben dieser unmittelbar kein Anderer für mich ist und Ich in diesem Bewußtseyn frei bin“ (GW ,: § ). Auch hier geht es nicht um die unkritische Affirmation des bloß faktisch Bestehenden, sondern um eine Identifikation des Individuums mit dem Staat als notwendiges Moment der Idee. Diese Identifikation ist erst das „Resultat der im Staate bestehenden Institutionen, als in welchem die Vernünftigkeit wirklich vorhanden ist“ (GW ,: § ) und die deshalb so beschaffen sind, dass Individuen in ihnen bei sich selbst sein können. Dies geschieht durch die Erfahrung von Anerkennung und somit Integration und Partizipation in einem Gemeinwesen, „dessen Verfassung und Institutionen das Recht und die Selbstverwirklichung der Indivi-
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duen zum Zweck haben“ (Siep , ). Es stellt sich die Frage, wie sich der moderne Staat auch über Hegel hinaus in einer solchen Weise denken lässt. Dabei wäre das Recht der Besonderheit – nicht zuletzt auch im Sinne demokratischer Partizipation – noch weiter zu entfalten. Diese weitere Bestimmung ist allerdings, wie ich zu zeigen versucht habe, in Hegels eigener Philosophie bereits angelegt. Siglen GW
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Amir Mohseni IST DER AUFTAKT IN HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE INDIVIDUALISTISCH?
A B S T R A C T : Hegel’s practical philosophy is known for its emphasis on the social aspects of freedom and reason. Yet, in the beginning of his Elements of the Philosophy of Right, Hegel strangely abstracts from any kind of sociality and intersubjectivity. This has caused a discussion about whether Hegel’s practical philosophy starts with an individualistic perspective of law, of morality and of justice. In this article, I attempt to show that, while Hegel has specific reasons for his focus on the particular individual, none of those reasons might convincingly be called individualistic.
Die Kurzversion der korrekten Antwort lautet: Nein, ist er nicht. Dieser Aufsatz bemüht sich um eine ausführlichere Version derselben Antwort. Das Problem ist keineswegs unbekannt: Auch Jahre nach Erscheinen der Grundlinien sind wesentliche Aspekte der Struktur der hegelschen Rechtsphilosophie unklar geblieben. Das betrifft insbesondere die hartnäckig fortexistierende Frage, wieso denn Hegel – der Denker reziproker Anerkennungsverhältnisse, der Denker eines geschichtlich angelegten Freiheitsbegriffs – seine Philosophie des Rechts mit Fokus auf ein ahistorisch konzipiertes, einsames Individuum eröffnet. Große HegelForscher, wie etwa Karl-Heinz Ilting und Michael Theunissen es waren, haben den individualistischen Beginn als didaktische Strategie gedeutet: Hegel wolle im Zuge des Durchgangs durch das Abstrakte Recht aufzeigen, dass die für die Vertragstheorien typischen Subjekte, die sich ja nur auf sich beziehen, als solche für eine Staatsgründung prinzipiell untauglich seien. Die Subjekte des Abstrakten Rechts müssen daher in einer komplexen Entwicklungsgeschichte, die den Gegenstand der Grundlinien ausmache, zu vollwertigen Bürgerinnen und Bürgern eines freiheitlichen Staats erst heranwachsen. In Arbeiten, die weit über die Hegel-Forschung hinaus Anerkennung gefunden haben, haben auch Jeremy Waldron (Waldron , – ) und Axel Honneth (Honneth , ff.) an ein solches Verständnis der Grundlinien direkt angeknüpft. Waldron versteht dabei Hegel als Autor einer „developmental theory“ (Waldron , ), die den Reifeprozess des egoistischen Individuums zum sittlichen Staatsbürger nachzeichne. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass diese Lesart inadäquat ist. Zwar blendet Hegel Sozialität und Geschichte tatsächlich zu Beginn seiner Rechtsphilosophie aus, weil er eine bestimmte Entwicklung zur Darstellung bringen möchte. Es ist dies aber nicht die Entwicklung der Subjekte, sondern die begriffliche EntwickHegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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lung bzw. Explikation des Willensbegriffs. Das versuche ich im zweiten Teil zu zeigen (II.). Bevor dies geschieht, werden die relevanten Textstellen des Beginns der Grundlinien präsentiert, die allererst für die Unklarheiten gesorgt haben (I.). Im dritten und vierten Abschnitt (III./IV.) kann dann noch einmal zu den eröffnenden Paragraphen Hegels zurückgegangen werden, um sie mit Blick auf die hier aufgestellte Fragestellung einer detaillierten Interpretation zu unterziehen. Die entscheidenden Ergebnisse resümiere ich in einem kurzen Fazit. I. Hegels Fokus auf das Individuum Bevor auf die genannten Schwierigkeiten bezüglich der Eröffnung der hegelschen Rechtsphilosophie eingegangen wird, sei auf eine bemerkenswerte historische Tatsache hingewiesen. Bei aller Kritik, die Karl Marx immer wieder gegen Hegel vorzubringen hatte, findet sich in den Vorarbeiten zum Kapital ein interessanter Fall von Zustimmung. Marx hatte sich über einen langen Zeitraum mit der Frage beschäftigt, wie denn in den komplexen Gegenstand einer wissenschaftlichen Kritik der politischen Ökonomie einzusteigen sei. Mit dem Hinweis auf soziale Klassen? Mit der Existenz des Staates? Mit dem Begriff der Lohnarbeit? Oder einfach mit den Tauschpraxen der Individuen? Wie man heute weiß, hat Marx sich in seinem Hauptwerk letztlich dazu entschieden, mit der Analyse der „einzelnen Waare“ (MEGA II,: ) zu beginnen. In jenen Vorarbeiten, die nach seinem Tode als Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie veröffentlicht worden sind, können wir nachlesen, dass Marx sich dabei an Hegel orientiert hat: „Z. B. Hegel fängt die Rechtsphilosophie richtig mit dem Besitz an, als der einfachsten rechtlichen Beziehung des Subjekts.“ (MEGA II,: ) Das, was Marx an dem Beginn der hegelschen Rechtsphilosophie überzeugend findet, ist also gerade die Abstraktion von aller Gesellschaft, aller Kollektivität? Und ist es ein Zufall, dass sich im Anschluss an die Publikation des Kapitals ein sehr ähnlich gelagerter Streit darüber entwickelt hat, ob denn Marx mit seiner Entwicklung von einfachen Austauschverhältnissen zu komplexen Produktions- und Zirkulationsverhältnissen eine historische oder eine bloß systematische Entwicklung betreibt? Falsch interpretiert hat Marx Hegel jedenfalls nicht. Denn lässt man einmal die Paragraphen der „Einleitung“ (§§ – ) in die Grundlinien beiseite, dann eröffnet Hegel seine rechtsphilosophische Theorie folgendermaßen:
Vgl. hierzu Wolf ().
Ist der Auftakt in Hegels Rechtsphilosophie individualistisch?
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Der an und für sich freye Wille, wie er in seinem abstracten Begriffe ist, ist in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit. Nach dieser ist er seine gegen die Realität negative, nur sich abstract auf sich beziehende Wirklichkeit – in sich einzelner Wille eines Subjects. (GW ,: § ) Hegels Fokus auf das Individuum ist also nicht zu bestreiten. Und dass dieser erste Paragraph sofort zur ersten Irritation führt, mag nicht überraschen. Wie kann Hegel von einem Rechtsverhältnis sprechen wollen, wo er nur auf den Willen eines Subjekts blickt? Die Sachlage wird allerdings noch schlimmer. Denn nach einigen einführenden Bestimmungen, die den Rahmen des Abstrakten Rechts abstecken sollen, scheint Hegel den Fokus auf das einzelne Individuum noch zu verschärfen. Nicht genug, dass andere Subjekte unerwähnt bleiben; selbst jenes einzelne Individuum scheint völlig selbstgenügsam konzipiert zu sein: „Das Recht ist zuerst […] die Freyheit […] des abstracten Willens überhaupt oder eben damit einer einzelnen, sich nur zu sich verhaltenden Person.“ (GW ,: § ) Wie kann das bloße Selbstverhältnis einer Person ein Rechtsverhältnis begründen? Auch in den kommenden Paragraphen, in denen Hegel bis zur Bestimmung des Rechts auf Privateigentum vordringt, findet sich keinerlei direkter Verweis auf Interaktionen zwischen mehreren Subjekten – Hegel bleibt bei der Diskussion des Selbstverhältnisses eines einzelnen Subjekts. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise Peter Landau (, f.) bereits der Überzeugung, es trage „Hegels Rechtsphilosophie […] insofern gerade nicht jenen kollektivistischen Charakter, der ihr oft zugeschrieben wurde, sondern ist im Ausgangspunkt individualistisch.“ Michael Theunissen ist in seinem Urteil noch ein wenig konsequenter und nennt Hegels Verfahrensweise „nicht bloß individualistisch, sondern solipsistisch. Nach dem Vorbild herkömmlicher Robinsonaden stellt er den Eigentümer als jemanden dar, der in seiner Welt allein lebt“ (Theunissen , ). Und Karl-Heinz Ilting (, ) sieht das ähnlich: „Hegel […] tut so, als könne ein isoliertes Individuum für sich Eigentümer sein.“ Darum sieht Ilting in Hegels Abstraktem Recht die Darstellung eines besonders gearteten Naturzustands, mit dem schließlich, wenn auch auf unterschiedliche Weise, bereits Hobbes, Rousseau, Locke und Kant gearbeitet haben (Ilting , ). Die eigentliche interpretative Herausforderung besteht nun natürlich darin, Hegels wissenschaftstheoretische bzw. methodologische Gründe für einen solchen Fokus auf das einzelne Subjekt offenzulegen. Theunissen, der den Grundlinien bekanntlich insgesamt „verdrängte Intersubjektivität“ (Theunissen , ) attestiert, wirft darum die Frage auf, Für eine systematische Einordnung der hegelschen Sozialphilosophie in die gegenwärtige Debatte vgl. Quante (Quante , Kap. IV).
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was Hegel dazu berechtigt, […] der ganzen Sphäre [des Abstrakten Rechts; A.M.] Asozialität zu unterstellen. Eine menschenleere, auf die äußere Natur reduzierte Welt hat die Person des Eigentümers ‚als ausschließende Einzelheit‘ vor sich (§ ; vgl. § ). Allein, das hier gemeinte Ausschließen läßt sich gar nicht denken, ohne andere Subjekte mitzudenken. […] Will man Hegel nicht eines groben Denkfehlers bezichtigen, so kann man auf die Frage nur eine Antwort geben: Er stilisiert die negative, ausschließende und gleichgültige Beziehung der Privateigentümer aufeinander zur völligen Beziehungslosigkeit, um so scharf wie möglich herauszuarbeiten, daß die Kontrahenten des Vertrags gar nicht in Besitz der Voraussetzungen für eine Staatsgründung sind. Er will den Kontraktualismus Lügen strafen, indem er den Individuen, die sich im staatsgründenden Vertrag vermeintlich zusammenschließen, die Sozialität abstreitet, deren sie dazu bedürfen. (Theunissen , ) Zunächst einmal betont Theunissen völlig zu Recht, dass Hegels Eröffnung der Grundlinien ungeachtet der Konzentration auf das einzelne Individuum keine kontraktualistische Verfahrensweise darstellt. Die Absicht allerdings, die Theunissen Hegel unterstellt, nämlich aufzeigen zu wollen, dass die dargestellten Individuen für die Staatsgründung zu a-sozial seien, ist nicht die hegelsche. Eine solche Strategie wäre im Übrigen auch wenig überzeugend, da Hegels Argumentation gegen den Kontraktualismus so im schlechten Sinne zirkulär wäre: Wer die Individuen von vorneherein auf eine Weise konzipiert, dass keinerlei Staatsgründung mehr denkbar ist, der hätte nichts gezeigt. Wichtig ist an dieser Stelle, dass sowohl Theunissen als auch Ilting eine einflussreiche Vorstellung von Hegels Verfahrensweise entwickelt haben, die Ilting besonders griffig zum Ausdruck gebracht hat: Man müsse Hegels „Rechtsphilosophie als Phänomenologie des Bewusstseins der Freiheit“ (Ilting ) verstehen – also als idealtypische Lern- und Entwicklungsgeschichte des einzelnen Subjekts, das zunächst nur an seine eigenen Interessen und sein Eigentum denkt, am Schluss aber sich als Staatsbürger zu verstehen gelernt hat. Dieses Verständnis der hegelschen Methode ist im anglo-amerikanischen Raum äußerst wirkmächtig geworden. So bezieht sich etwa Jeremy Waldron (, ) in seiner Auseinandersetzung mit der hegelschen Methode an wesentlichen Stellen auf Ilting. Darum geht Waldron auch von folgendem Bild der Person im Abstrakten Recht aus: The subject […] stands at the beginning of the long and arduous process of education and discipline which Hegel claims is required before final liberation and individuality is achieved. (Waldron , )
Dem schließt sich Walter Mesch (, f.), wenn auch mit Einschränkungen, an.
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An dieses Verständnis hat sich auch Axel Honneth in seinem an Hegel angelegten „Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit“ angeschlossen. Daher sollte klar sein, dass eine adäquate Deutung der hegelschen Gründe für seinen Fokus auf das einzelne Individuum äußerst wichtig ist. II. Hegels Verständnis von Entwicklung Vor dem genannten Hintergrund ist es ratsam, sich Verständnishilfe bei Hegel selbst zu suchen. Und es gibt in der Tat einen vergleichsweise wenig beachteten Paragraphen aus Hegels Enzyklopädie, der äußerst hilfreich ist. Im . Paragraphen, der zur Einleitung des Begriffs des Geistes gehört, liefert Hegel bemerkenswerte Hinweise darauf, warum er die soziale Wirklichkeit so darstellt, wie er sie darstellt. Es ist dies eine der seltenen Stellen, in denen er offenlegt, vor welchen Herausforderungen der Philosoph steht, wenn er den komplexen Zusammenhang des Rechts, der Moral und der Sitte darstellen möchte. Diesen Hinweisen widme ich mich im Folgenden. Hier ist der Wortlaut des genannten Paragraphen: Die concrete Natur des Geistes bringt für die Betrachtung die eigenthümliche Schwierigkeit mit sich, daß die besondern Stufen und Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs nicht zugleich als besondere Existenzen zurückund seinen tiefern Gestaltungen gegenüber bleiben, wie diß in der äußern Natur der Fall ist, wo die Materie und Bewegung ihre freie Existenz als Sonnensystem hat, die Bestimmungen der Sinne auch rückwärts als Eigenschaften der Körper und noch freier als Elemente existiren usf. Die Bestimmungen und Stufen des Geistes dagegen sind wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höhern Entwicklungsstufen. (GW : § ) Der Geist ist nach Hegel offensichtlich als eine ganzheitliche Entität aufzufassen, die nicht aus praktisch isolierbaren Einzelteilen zusammengesetzt ist. Das Konkrete meint bei Hegel – anders als in der alltagssprachlichen Bedeutung – nichts unmittelbar Vorliegendes und von Zusammenhängen Isoliertes, sondern stets eine komplexe Ganzheit. Hegel macht hier auf einen wissenschaftstheoretischen Punkt aufmerksam, indem er auf einen allgemeinen Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der unbelebten Natur auf der einen und Geistigem auf der anderen Seite verweist. Mit Bezug auf die Natur kann die Forschung ihren Gegenstand auf eine Weise isolieren, die bei der Beschäftigung So der Untertitel seines erschienenen Werks über das Recht der Freiheit; zur Bezugnahme auf
Waldron siehe Honneth (, ). Seine Auffassung des ‚Konkreten‘ kommt daher dem lateinischen concrescere (zusammenwachsen, verdichten) nahe.
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mit geistig-sozialen Phänomenen häufig nicht zielführend ist. Die Geologin kann beispielsweise ein bestimmtes, einzelnes Gestein in ihr Labor tragen und unter Zuhilfenahme eines Mikroskops mineralogische Untersuchungen zur Zusammensetzung des Gegenstands anstellen. Die Sozialphilosophin dagegen kann – angenommen, ihr Gegenstand sei das Phänomen ‚Kollegialität‘ – nicht auf dieselbe Weise verfahren. Sie kann, so muss man Hegel verstehen, keine zwei einzelnen Individuen aus ihrer komplexen Sozialität extrahieren und in einem Labor Untersuchungsbedingungen schaffen, die das Phänomen ‚Kollegialität‘ in Isolation beobachtbar machen. Außerhalb des Geflechts sozialer Institutionen sind die Subjekte nicht mehr die Entitäten, die es zu untersuchen gilt. Geistige Sozialität besteht nicht aus Elementen und deren intrinsischen Eigenschaften. Für Hegel sind Verhältnisse der Kollegialität, der Freundschaft, aber auch Rechts-, Familien-, Wirtschaftsverhältnisse etc. nur als „Momente, Zustände, Bestimmungen“ einer Ganzheit sozialer Institutionen adäquat zu begreifen. Was heißt das für den vermeintlich individualistischen Beginn der Grundlinien? Zunächst einmal, dass Hegels Argumentationsstrang, der sich bloß auf die einzelne, „sich nur zu sich verhaltende Person“ (GW ,: § ) konzentriert, keine ahistorische, hypothetische Welt annimmt, die von einem einzigen Subjekt besiedelt ist. Ein solches Gedankenkonstrukt kann in Anbetracht der „Natur des Geistes“ kein sinnvolles Unterfangen sein. Hegel konzipiert darum weder einen Naturzustand noch eine Robinsonade. Als Philosophie des Geistes steht die Rechtsphilosophie vor der Aufgabe, ihren konkreten Gegenstand – die soziale, komplexe Welt freier Individuen – methodisch kontrolliert und nachvollziehbar, d. h. einerseits Schritt für Schritt darzustellen; andererseits muss sie dabei berücksichtigen, dass die „Theile desselben nicht Theile, sondern Glieder, organische Momente sind und deren Isoliren und Für-sich-Bestehen die Krankheit ist“ (GW ,: § Anm.). Hegels Konzentration auf die eine, sich nur zu sich verhaltende Person muss daher als methodisch begründeter Ausschnitt eines Gesamtbilds begriffen werden. Welchen Adäquatheitsbedingungen unterliegt dieses Herausschneiden aus der sozialen Wirklichkeit, das ja sowohl ein Fokussieren als auch ein Ausblenden von etwas ist? Wie glaubt Hegel dafür sorgen zu können, dass seine Darstellung von Rechtsverhältnissen keine willkürliche ist? Zum einen natürlich dadurch, dass er mit dem Willensbegriff den alles organisierenden Begriff des konkreten Gegenstands ‚Recht‘ gefunden zu haben überzeugt ist. Alles organisierend insofern, als Hegel tatsächlich glaubt, er könne die Philosophie des Rechts, d.i. „die Ableitung ihres ganzen Inhalts“, aus „dem einfachen Begriffe“ (GW ,: § Anm.) entwi Unter Elementen verstehe ich hier Einzeldinge, die als voneinander isolierbare Teile eines Ganzen betrachtet werden können, ohne dass mit einer solchen Betrachtungsweise der Bedeutungsgehalt der Teile selbst tangiert wird. Betrachtet man den Staat dagegen als Zusammenkunft voneinander wesentlich unabhängiger Individuen, dann ist „das Ganze daher mehr ein Aggregat als ein Organismus“ (GW ,: § Anm.).
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ckeln. Wie könnte ihm dies, wenn überhaupt, gelingen? Denn Hegel verlangt hier der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Recht‘ einiges ab: Verträge, Korporationen, Märkte, Stände, Legislative, Exekutive, Monarch, Polizei – sämtliche relevanten Phänomene müssen als „Momente, Zustände, Bestimmungen“ der ganzheitlichen Wirklichkeit des einen Willensbegriffs aufgefasst werden. Nun unterscheidet Hegel in dem Paragraphen über die „concrete Natur des Geistes“ nicht bloß die Beschaffenheit von Geist und Natur mit Blick auf die allgemeine Weise, in der sie Gegenstand der „Betrachtung“ werden können, sondern es ist darin auch die Rede von „niedrigeren“ und „höheren“ Bestimmungen zu finden. Jene niedrigeren Bestimmungen des Geistes sind nach Hegel nicht als „besondere Existenzen“ auffindbar, sondern nur als „Momente, Zustände“ der höheren Bestimmungen aufzufassen. Klar ist, dass es um niedrigere und höhere „Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs“ – und für die Rechtsphilosophie heißt das: des Willensbegriffs – geht. Die ‚Entwicklung‘ des Willensbegriffs ist es demnach, die niedrigere und höhere Bestimmungen aufweist. In welchem Sinne ist aber von ‚niedriger‘ und ‚höherer‘ Bestimmung die Rede? Prinzipiell ist es ja nichts Außergewöhnliches, mit Bezug auf ‚Entwicklungen‘ von niedrigen und hohen Stufen zu sprechen. Schaut man sich beispielsweise die Entwicklung von Jagdwerkzeugen an, dann stellt der Holzpfeil sicher eine niedrigere Stufe als das Fischernetz dar. Ob etwas eine niedrige oder hohe Stufe darstellt, hängt nach diesem Bild davon ab, inwieweit die einzelne Entität als mehr oder weniger gelungene Exemplifizierung des vorausgesetzten Begriffs zu verstehen ist. Grundsätzlich teilt Hegel diese Denkweise. Und er hebt eigens hervor, dass eine so verstandene Einordnung – die besser als evaluative Klassifizierung denn als Entwicklung zu bezeichnen wäre – keine zeitliche Stufenleiter zur Darstellung bringt: Der Holzpfeil – um bei dem Beispiel zu bleiben – ist nicht deswegen niedriger einzustufen, weil es historisch bereits vor dem Fischernetz existent war: Das in der Zeit erscheinende Hervortreten […] von Rechtsbestimmungen […] steht außer dem Verhältniß mit der philosophischen Betrachtung, insofern nehmlich die Entwicklung aus historischen Gründen sich nicht selbst verwechselt mit der Entwicklung aus dem Begriffe und die geschichtliche Erklärung und Rechtfertigung nicht zur Bedeutung einer an und für sich gültigen Rechtfertigung ausgedehnt wird. (GW ,: § Anm.) Die Einstufung ist daher eine geltungstheoretische. Offensichtlich versteht Hegel die „Entwicklung aus dem Begriffe“ nicht als Bezeichnung der Veränderung einer Entität in einem zeitlichen Prozess. Hegel meint mit „Entwicklung“ in diesem Kontext das Hervorbringen einer Entität, z. B. einer Theorie. Es können daher zwei verschiedene Bedeutungen von Entwicklung auseinandergehalten werden: In der geläufigsten lebensweltlichen als auch wissenschaftlichen Verwendungsweise be-
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zieht sich „Entwicklung“ auf den Prozess der Veränderung einer raum-zeitlichen Entität, wobei die Aufeinanderfolge und Charakteristik der einzelnen Abschnitte wesentlich auch zeitlich ist (z. B. bei der Rede von der Entwicklung eines Fötus, einer Krankheit etc.). Davon unterschieden ist die Rede von Prozessen der zweckgerichteten Hervorbringung von Entitäten, bei denen die Aufeinanderfolge und Charakteristik der einzelnen Abschnitte sich durch eine rein geltungstheoretische Ordnung ergibt. Denkt man etwa an die Rede von der Entwicklung einer Theorie oder eines Arguments, dann stehen beispielsweise die Prämissen in einem logischen Zusammenhang mit der Konklusion; mit Bezug auf ihren Inhalt stehen die einzelnen Teile des Arguments in keiner zeitlichen Relation. Zwar muss jedes Argument zur Darstellung gebracht, aufgesagt, aufgeschrieben werden etc. Dieser raum-zeitliche Prozess wird hier nicht als Entwicklung bezeichnet. Wenn man etwa davon spricht, dass eine Autorin in ihrem Werk ein Argument entwickelt, dann bezieht man sich nicht auf ein sich im Prozess des Schreibens befindendes Subjekt, sondern auf einen semantischen Zusammenhang der Teile eines theoretischen Konstrukts. Dabei muss die Entwicklung des Begriffs des freien Willens hier gegenstandssensitiv aufgefasst werden: Wenn der Begriff des Willens der Begriff eines Gegenstands ist, der eine „concrete Natur“ (GW : § ) und somit eine organische Struktur hat, dann sind die wesentlichen Abschnitte des Explizierens für Hegel nur dann adäquat, wenn sie nicht – wie das etwa bei Prämissen und Konklusion der Fall ist – die Verknüpfung von Einzelteilen zur Darstellung bringen, sondern stets in jedem Abschnitt den ganzen Gegenstand. Darum behandelt Hegel die wissenschaftliche Darstellung des Willensbegriffs so, als erfasse sie einen organischen Körper, der auf jeder „Entwicklungsstufe“ (GW : § ) stets der ganze Körper ist – so wie auch die Phasen der Embryogenese nicht einzelne Funktionen, sondern stets den ganzen Embryo erfassen. Und das erschwert natürlich das Verständnis des Entwicklungsbegriffs: Hegel versteht ‚Entwicklung‘ als wissenschaftliches Hervorbringen von Propositionen, betreibt dieses Hervorbringen aber so, als ginge es um verschiedene Etappen der Entstehung eines organischen Körpers, der am Schluss der Darstellung nur ans Licht bringt, was zu Beginn der Darstellung bereits in nuce enthalten ist. Für die einzelnen Explikations-Abschnitte bedeutet dies, dass sie als aufeinander aufbauende, einander integrierende Entstehungsschritte des darzustellenden Gegenstands aufzufassen sind – und darum von Hegel in bildlicher Ausdrucksweise als ‚niedrige‘ bzw. ‚hohe‘ Bestimmungen bezeichnet werden. Der Sache nach sind sie als zunehmend inhaltsreichere, intern differenziertere Abschnitte der in der Charakteristik der Entwicklung eines organischen Körpers vorgetragenen Explikation Vgl. hierzu GW ,: § Anm.; außerdem Wolff ().
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des zentralen Begriffs zu verstehen. Und auf der Folie eines solchen Entwicklungsbegriffs muss Hegel auch Folgendes behaupten: Die Bestimmungen in der Entwicklung des Begriffs sind einerseits selbst Begriffe, andererseits, weil der Begriff wesentlich als Idee ist, sind sie in der Form des Daseyns, und die Reihe der sich ergebenden Begriffe ist damit zugleich eine Reihe von Gestaltungen; so sind sie in der Wissenschaft zu betrachten. (GW ,: § ) Vorausgesetzt, dass der Begriff des Willens sich im Stile eines organischen Körpers verändert, dann sind die einzelnen Entstehungsabschnitte nichts anderes als der ganze Begriff in seinen verschiedenen Formen bzw. „Bestimmungen“. Wichtig ist außerdem, dass Hegel über die „Form des Daseyns“ der Bestimmungen spricht – so wie er bereits in jenem . Paragraphen der Enzyklopädie von „besonderen Existenzen“ oder von „Zuständen“ gesprochen hat. Die Rede von ‚Zuständen‘ und ‚Gestaltungen‘ erinnert daran, dass die Grundlinien – obwohl ihre einzelnen Abschnitte keine zeitlich gedachte Aufeinanderfolge darstellen – nicht von der empirischen Wirklichkeit losgelöste theoretische Modelle (wie etwa einen Naturzustand) zum Gegenstand haben, sondern im Zuge der Bestimmungen ihres zentralen Begriffs durchaus auch empirisch wahrnehmbare Verhältnisse benennen – wie etwa die Existenz des Monarchen oder die vertraglich organisierten Tauschpraxen im Rahmen der Bürgerlichen Gesellschaft. Zwei Besonderheiten der hegelschen Verfahrensweise können damit festgehalten werden: Zum einen zeigt sich an dieser Stelle, dass Hegel seine Explikation der einzelnen Bedeutungsmomente des Willensbegriffs stets mit sozialen ‚Gestaltungen‘ verknüpft, die er als notwendige Erscheinungsweise der Begriffsbestimmungen versteht. Einem bestimmten Abschnitt in der Entwicklung des Willensbegriffs entspricht beispielsweise die Gestaltung des Vertrags oder der Familie. Zum anderen – und das ist der eigentliche Punkt, um den es Hegel in jenem . Paragraphen der Enzyklopädie geht – erfassen die Gestaltungen, die den inhaltsärmeren Begriffsbestimmungen entsprechen, soziale Institutionen nur qua gedankliche Ausschnitte einer komplexeren Wirklichkeit, die sich erst bei weiterer Begriffsentwicklung in der Darstellung eröffnet, aber forschungstechnisch bereits gegeben ist: Nur die unmittelbar vor Hegel liegende, gegenwärtige Gesamtheit der berechtigten Ansprüche und Verpflichtungen ist stets der eigentliche Gegenstand seiner Rechtsphilosophie. Vor diesem Hintergrund können wir uns nun noch einmal Hegels vermeintlich individualistischem Auftakt widmen.
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III. ‚In sich einzelner Wille eines Subjekts‘ – Hegels sparsamer Auftakt Schauen wir noch einmal den Beginn der Grundlinien an: Der an und für sich freie Wille, wie er in seinem abstracten Begriffe ist, ist in der Bestimmtheit der Unmittelbarkeit. Nach dieser ist er seine gegen die Realität negative, nur sich abstrakt auf sich beziehende Wirklichkeit – in sich einzelner Wille eines Subjects. (GW ,: § ) Bedenkt man die vorhin zusammengefassten Besonderheiten der hegelschen Darstellungsweise, dann erscheint dieser erste Paragraph der Einleitung in das „Abstrakte Recht“ als nachvollziehbarer Beginn der „Entwicklung“ des Willensbegriffs, die als Explikation im Stile der Narration der Entstehung eines Organismus betrieben wird. Im ersten Satz erwähnt Hegel sofort, was entwickelt wird und auf welcher Stufe der Entwicklung wir uns befinden; anschließend legt er offen, welche Konsequenzen („Nach dieser“) mit dem Umstand verbunden sind, dass der zu verhandelnde Gegenstand hier in einer bestimmten Verfassung („Unmittelbarkeit“) zu betrachten ist. Folgendes ist nun wichtig: Da dieser Beginn die erste oder, wenn man so will, niedrigste Stufe der Entwicklung darstellt, ist klar, dass dasjenige, was hier noch als ganzer Begriff samt seiner bestimmten Daseinsweise präsentiert wird, eigentlich, d. h. in der tatsächlichen Wirklichkeit, wie sie vor Hegel liegt, nur als Moment, Zustand, Bestimmung an den höheren Entwicklungsstufen zu betrachten ist. Das, was wir hier sehen, ist kein fiktives Szenario, sondern ein Ausschnitt aus unserer gegebenen sozialen Wirklichkeit. Hans-Friedrich Fulda () hat in diesem Zusammenhang zu Recht davon gesprochen, dass Hegel hier mit kontrafaktischen Konditionalaussagen operiere. Denn das ist insofern richtig, als es eine Wirklichkeit, wie sie der Begriff in der „Bestimmtheit der Unmittelbarkeit“ darzustellen vorgibt, d. h. eine Welt des einzelnen, „nur sich abstract auf sich“ beziehenden Subjekts, die als ganze Wirklichkeit des Rechts – denn das gilt von jeder Stufe der Entwicklung des Begriffs – aufgeführt wird, nicht gibt – und nie gegeben hat. Im Gesamtbild der Wirklichkeit des Geistes, das sich erst am Schluss der „wissenschaftlichen Entwicklung“ (GW ,: § Anm.) ergibt, ist das einzelne, sich nur auf sich beziehende Subjekt darum zwar nicht völlig verschwunden, sondern eingebettet in selbst noch zu explizierende soziale Zusammenhänge; aber es verliert dort das Prädikat, die gesamte Wirklichkeit des Rechts darzustellen. Was genau aber ist ein „in sich einzelner Wille eines Subjects“? Was ein einzelner Wille ist, scheint auch ohne Hegel klar zu sein: Bei einer Abstimmung zum Beispiel können sich verschiedene, einzelne Willen äußern und im Ergebnis einen allgemeinen Willen zum Ausdruck bringen, der sich möglicherweise von einem gemeinsamen Willen unterscheidet, der bei den Spielerinnen eines Basketball-Teams
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beobachtbar sein kann. Die Schwierigkeit für das Verständnis liegt in der Kombination mit der Wortverbindung ‚in sich‘. Der Unterschied zwischen einem einzelnen und einem ‚in sich‘ einzelnen Willen besteht zwischen den verschiedenen Ebenen, auf denen jeweils Relationen von einem Willen ausgesagt werden können. Auf der externen Ebene kann ein Wille als zu anderen Willen in keiner Beziehung stehend betrachtet und insofern als einzelner Wille bezeichnet werden. Aber auch auf der internen, das Selbstverständnis des wollenden Subjekts betreffenden Ebene kann – ohne Hegel einen idiosynkratischen Sprachstil zu attestieren – der Wille als ‚einzeln‘ bezeichnet werden, wenn unter dem Prädikat ‚einzeln‘ Beziehungslosigkeit verstanden wird. Wird beispielsweise ein Haus einzeln betrachtet, dann wird es beziehungslos zu anderen Häusern zum Gegenstand gemacht. Genau diesen Gehalt des Adjektivs bemüht Hegel hier, um die interne Ebene des Willens eines Subjekts zu qualifizieren. Wenn ein Subjekt sich dadurch auszeichnet, dass es sich über seinen Willen auf sich selbst bezieht, indem es sich von allen seinen konkreten Eigenschaften und der übrigen Realität losgelöst denkt, dann ist dieser Selbstbezug durch Beziehungslosigkeit hergestellt. Das Subjekt bezieht sich über seinen Willen auf sich als von jeder Relation gelöst, d.i. als auf etwas Einzelnes. Im Unterschied dazu könnte man den Willen eines Subjekts, das sich bspw. auf sich als auf ein Mitglied eines Tennisclubs bezieht, als einen in sich vermittelten Selbstbezug herstellend bezeichnen. Den in sich einzelnen Willen bezeichnet Hegel in der Randnotiz zum . Paragraphen darum als „nicht bewegt[] – bezogen auf Anderes – so unmittelbar“ (GW ,: ). Wenn aber, so ließe sich fragen, der Bezug zu anderen Subjekten ausgeblendet ist, sind damit nicht auch Anerkennungsverhältnisse ausgeblendet? Geht es dann nicht doch um ein Individuum, das in gewisse Interaktionsverhältnisse erst noch treten muss? Diese Fragen beantwortet Hegel sofort im anschließenden Paragraphen. Im . Paragraphen lässt er uns wissen, in welchen Hinsichten hier von jenem einzelnen, sich nur zu sich verhaltenden Subjekt die Rede ist. Es ist daher ratsam, auch an dieser Stelle Hegels Wortlaut genau zu betrachten. Dies soll im Folgenden geschehen. IV. Selbstbewusstsein, Anerkennung und Intersubjektivität Das sich nur zu sich verhaltende Individuum ist im Näheren folgendermaßen bestimmt:
Hegel spricht in diesen Fällen häufig von einem in sich reflektierten Willen (vgl. z. B. GW ,: §§ , , , ). Im Kapitel über die Moralität beispielsweise behandelt Hegel Subjekte, die sich über ihren Willen auf sich als im Konflikt zu oder Einklang mit sozialen Werten stehend betrachten.
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Die Allgemeinheit dieses für sich freyen Willens ist die formelle, die selbstbewußte sonst inhaltslose einfache Beziehung auf sich in seiner Einzelnheit, – das Subject ist in so fern Person. In der Persönlichkeit liegt, daß ich als Dieser vollkommen nach allen Seiten (in innerlicher Willkühr, Trieb und Begierde, sowie nach unmittelbarem äußerlichen Daseyn) bestimmte und endliche, doch schlechthin reine Beziehung auf mich bin und in der Endlichkeit mich so als das Unendliche, Allgemeine und Freye weiß. (GW ,: § ) „In so fern“ also ein Subjekt sich durch eine bestimmte Art des Selbstbezugs auszeichnet, wird es von Hegel als „Person“ aufgefasst. Für die Debatte um das Intersubjektivitätsproblem ist es nun entscheidend, dass die Selbstbeziehung der Person hier als „selbstbewußte“ qualifiziert wird. Nur wenn diese Qualifikation adäquat gedeutet wird, kann die Interpretation der hegelschen Argumentationslinie des „Abstrakten Rechts“ überzeugen. Der vermeintliche Widerspruch lässt sich wie folgt formulieren: Wie kann Hegel an dieser Stelle von einem selbstbewussten Subjekt sprechen, wenn er keinen Bezug zu intersubjektiven Anerkennungsverhältnissen herstellt? Um diesen Widerspruch aufzulösen, ist zunächst zu klären, welchen Bedeutungsgehalt von „Selbstbewusstseyn“ Hegel hier abruft. Je nach Kontext kann damit Verschiedenes, z. B. das Prinzip der Wissenschaft und Wirklichkeit überhaupt oder aber etwa auch nur das konkrete, empirische „Bewußtseyn von sich“ (GW ,: § Anm.) gemeint sein. Zum Ratespiel muss die Deutung des hiesigen Gebrauchs von Selbstbewusstsein freilich nicht werden, wenn Hegels Ausführungen zur „Natur des Geistes“ (GW : § ) und der systematischen „Betrachtung“ (GW : § ) des selbigen berücksichtigt werden. Die Philosophie des objektiven Geistes ist hiernach das Resultat der Entwicklung des Subjektiven Geistes – und sie integriert deren Ergebnisse. Der „Prozeß des Anerkennens“ (GW : § ), den Hegel im Zuge der Philosophie des Subjektiven Geistes entwickelt, ist im Rahmen der Grundlinien daher vorausgesetzt: Der Standpunkt des freyen Willens, womit das Recht und die Rechtswissenschaft anfängt, ist über den unwahren Standpunkt, auf welchem der Mensch als Naturwesen und nur als an sich seyender Begriff, der Sclaverey daher fähig ist, schon hinaus. Diese frühere unwahre Erscheinung betrifft den Geist, welcher nur erst auf dem Standpunkte seines Bewußtseyns ist; die Dialektik des Begriffs und des nur erst unmittelbaren Bewußtseyns der Freyheit bewirkt daselbst den Kampf des Anerkennens und das Verhältniß der Herrenschaft und der Knechtschaft […]. (GW ,: § Anm.)
Auf diesen Punkt macht Siep (, ) bereits skizzenhaft aufmerksam. Vgl. hierzu außerdem Fulda (, ).
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Das ‚selbstbewusste‘ Subjekt muss somit aufgefasst werden als ein Individuum, dem Selbstbewusstsein im Sinne des Resultats jenes geschichtlichen Anerkennungsprozesses zukommt. Damit ist dieses Subjekt selbstbewusst qua „Wissen seiner selbst im andern Selbst […]“, d.i. selbstbewusst insofern, „als es im freien Andern sich anerkannt weiß, und diß weiß in sofern es das andere anerkennt und es frei weiß“ (GW : § ). Wenn Hegel in der Anmerkung zu § in den Grundlinien über den Vertrag spricht, macht er es ein weiteres Mal deutlich: Da der Vertrag „ein Verhältniß des objectiven Geistes ist, so ist das Moment der Anerkennung schon in ihm enthalten und vorausgesetzt (vergl. § . Anmerk.).“ Hegel verweist hier also selbst noch einmal auf den . Paragraphen! Es ist daher klar: Er kann sich damit nur auf das Prädikat ‚selbstbewusst‘ beziehen. Es kann vor diesem Hintergrund nicht mehr die Rede davon sein, dass Hegel im Kontext des Abstrakten Rechts ein isoliertes Subjekt auf eine menschenleere, asoziale Welt loslasse. Ein fiktives Subjekt des Naturzustands ist hier ebenso wenig Thema wie ein Subjekt, das sich ein reichhaltiges Bewusstsein der Freiheit oder eine reife Persönlichkeit nach und nach noch erarbeiten muss. Die Subjekte der Rechtsphilosophie erkennen einander als freie Individuen an – wie dies im Einzelnen geschieht und was das jeweils Rechtliche daran ist, ist hier noch nicht expliziert. Ohne dieses gegenseitige Anerkennen jedenfalls ist kein Subjekt zu der Art von Selbstbeziehung fähig, die durch das „reine Denken und Wissen von sich“ (GW ,: § Anm.) charakterisiert ist – die Distanzierungsfähigkeit ist, wenn man so will, grundsätzlich soziogen. Man muss daher davon ausgehen, dass Hegel sich imstande sieht, das, was er hier zu Beginn des „Abstrakten Rechts“ zu zeigen beansprucht, offenbar unter Bezugnahme auf ein einzelnes dieser Subjekte aufzeigen zu können. Als Teilbereich des Gesamtbilds berechtigter Ansprüche fokussiert Hegel das einzelne Subjekt und abstrahiert von der gegebenen Komplexität der übrigen Sozialität: „Alle concrete[n] Zustände vergessen“, notiert er sich an den Rand dieses Paragraphen (GW ,: ). Nun ist für Hegel jedes menschliche Individuum ein Subjekt. Doch „Person und Subject sind verschieden“ (GW ,: ), denn Person ist nur dasjenige Subjekt, das zu der hier thematisierten Selbstbeziehung fähig ist. Es kann daher Subjekte geben, die keine Personen sind – etwa Kinder und geistig Kranke (vgl. GW ,: §§ Anm., , ). Es kann aber keine Personen geben, die nicht auch Subjekte sind. Notwendige Bedingung beider ist, dass sie raumzeitlich individuierte Entitäten sind. In § erwähnt er darum, dass wir „nach unmittelbarem
Im Eigentumsrecht werden Anerkennungsverhältnisse zuerst thematisch. Vgl. hierzu Mohseni
(). – Zur Analyse von Hegels Begriff der Anerkennung insgesamt vgl. Quante (, Kap. ) und Siep (; , – ); zur systematischen Auseinandersetzung mit Hegels Anerkennungsbegriff vgl. Honneth ().
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äußerlichen Daseyn“ bestimmt, ein „Dieser“ sind. Hegel spricht daher auch in § von der „natürliche(n) Existenz“, die die Person „an ihr selbst“ hat. Diese individuelle Inkorporation der reinen Selbstbeziehung unterscheidet die Person von einer bloß mentalen Entität, von einem „sogenannte[n] blosse[n] Begriffe“ (GW ,: ). Gleichwohl ist darum die Person qua Person nichts Individuelles. Denn das, was die Person zur Person macht, ist ja gerade die denkende Loslösung von jeder vorgefundenen Bestimmung, durch welche die Person „ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich“ (GW ,: § Anm.) hat. Was die Personen voneinander unterscheidet, ist ihre raumzeitliche Individuation, von der sie aber gerade abstrahieren, wenn sie jenen abstrakten Selbstbezug herstellen, der sie zu Personen macht. Damit ist nichts anderes gesagt, als dass die Personen als Personen von einander nicht unterschieden sind. Man denke etwa an mein Interesse an einem Museumsbesuch: Ich mache mich auf den Weg, weiß diese Zwecksetzung als freie, prinzipiell wieder fallenzulassende Entscheidung und erhebe implizit den Anspruch, dass meine Entscheidungsfreiheit sich in meinem Weg zum Museum manifestiert hat und als solche – als Manifestation meines freien Willens überhaupt – zu respektieren ist. Indem ich mich aber von dieser und jeder Bestimmung losgelöst denken kann, unterscheide ich mich von einem Kleinkind, betrachte ich mich als Person. Jeder Mensch, der sich auf diese abstrakte Weise denken kann, verfügt über ‚Person-Haftigkeit‘ – Hegel bezeichnet diese Eigenschaft als „Persönlichkeit“: Die Persönlichkeit fängt erst da an, insofern das Subject nicht bloß ein Selbstbewußtseyn überhaupt von sich hat als concretem, auf irgendeine Weise bestimmtem, sondern vielmehr ein Selbstbewußtseyn von sich als vollkommen abstractem Ich, in welchem alle concrete Beschränktheit und Gültigkeit negiert und ungültig ist. (GW ,: § Anm.) Wichtig sind an dieser Stelle zwei Punkte: Hier zeigt sich erstens, dass Hegel den Begriff der Persönlichkeit auf eine Weise gebraucht, die unserem alltäglichen Verständnis entgegengesetzt ist. Persönlichkeit bei Hegel bezieht sich hier nur ausblendend auf die Eigenarten der Subjekte. Zweitens kann man auch an dieser Passage sehen, dass es durchaus weiterhin das Subjekt ist, das hier mit Bezug auf verschiedene Selbst-Betrachtungsweisen beschrieben wird. Man kann nun diese unterschiedlichen Selbstverhältnisse psychogenetisch fassen, indem man beispielsweise darauf hinweist, dass Kinder „an sich Freye“ (GW ,: § ) sind und darum zu jenem abstrakten Selbstbezug noch nicht in der Lage. Man kann die notwendigen Erfahrungsprozesse zur Etablierung eines solchen Selbstverhältnisses auch aus sozialgeschichtlicher Perspektive betrachten: „Individuen und Völker haben noch keine Persönlichkeit, insofern sie noch nicht zu diesem reinen Denken und Wissen von sich gekommen sind.“ (GW ,: § Anm.)
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Die genealogische Perspektive auf das Selbstverhältnis ‚Persönlichkeit‘ hat Hegel aber zu Recht nur in der Anmerkung erwähnt, da sie Missverständnisse provoziert: Die Rechtsphilosophie ist eben nicht als idealtypische Darstellung von Etappen der historischen Entwicklung des Rechts zu begreifen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass Hegel Erfahrungsprozesse von Gesellschaften bei der Frage nach Recht und Gerechtigkeit für irrelevant hält; sie sind hier nur einfach nicht als solche thematisch. Zum anderen denkt Hegel – auf der Ebene der praktischen Philosophie als ganzer – auch nicht, dass wir zunächst unreife Subjekte sind, die als erwachsene Menschen dann zu Personen werden – und sich fortan nur noch als Personen betrachten. Sich selbst als von allen Bestimmungen frei zu denken, ist eine Weise des Selbstbezugs neben anderen; auf seine besondere Stellung komme ich gleich zu sprechen. Kein Staat aber – so muss man Hegel verstehen – würde existieren, wenn wir uns alle selbst nur als Personen betrachten würden (vgl. GW ,: § ). Die Selbstbeziehung des nur „für sich freyen Willens“ ist ein isolierendes Verhältnis, „insofern als es das Anderssein, seine Beziehung und Gemeinschaft mit Anderem aufhebt, sie zurückgestoßen, davon abstrahirt hat“ (GW : ). Es gibt daher soziale Kontexte, in denen wir diesen distanzierenden Selbstbezug aufgeben. Wir gründen beispielsweise eine Familie, „um in ihr nicht als eine Person für sich, sondern als Mitglied zu sein“ (GW ,: § ; vgl. auch §§ f.). In Aufnahme der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs der Person versteht Hegel den abstrakten Selbstbezug als eine ‚Maske‘, die wir auf- und auch wieder absetzen können. Was die besondere Stellung dieses abstrakten Selbstverhältnisses betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass es mit Bezug auf Rechtsverhältnisse auf einer bestimmten Ebene (Eigentums-, Vertrags- und Strafrecht) einen konstitutiven Charakter hat. Eine notwendige Bedingung der Möglichkeit dafür, dass ich einen Rechtsanspruch auf Respektierung meines Willens überhaupt konsistent formulieren kann, ist, dass ich auch anderen Subjekten die Fähigkeit zur Distanzierung von ihren (gegebenenfalls mit den meinen konfligierenden) Ansprüchen zuschreibe: „Die Persönlichkeit enthält überhaupt die Rechtsfähigkeit und macht den Begriff und die Hegel entwickelt im Verlauf der Grundlinien den Begriff der Person aber noch weiter. Vgl. hierzu Siep (, ff.) Vgl. hierzu Quante (, ), der überdies davon überzeugt ist, dass für Hegel „Persönlichkeit die notwendige Bedingung für jede Art von berechtigten Ansprüchen ist.“ (Quante , f.; dagegen anders auf f.). Auf dieser Grundlage ist aber unklar, wie Hegel behaupten kann, dass Kinder „das Recht, aus dem gemeinsamen Familienvermögen ernährt und erzogen zu werden“ (GW ,: § ) haben. Man kann Hegel hier ein Potentialitäts-Argument unterstellen, wonach das Recht der Kinder auf ihre ’Anlage’ zur Persönlichkeit zurückzuführen wäre. Siep (, f.) dagegen sieht das Recht der Kinder bei Hegel auf den Begriff des Lebens gegründet und nicht auf Persönlichkeit. Diese Unklarheit geht freilich auf Hegel selbst zurück, der auf der einen Seite von den Rechten der Kinder spricht, auf der anderen Seite aber in der Tat behauptet, dass „jede Art von Rechten […] nur einer Person“ (GW , : § Anm.) zukommt.
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selbst abstracte Grundlage des abstracten und daher formellen Rechtes aus.“ (GW ,: § ) Das ist daher Hegels sachlicher Grund für den Beginn mit dem Fokus auf ein einzelnes Individuum: die Rechtsfähigkeit. Hegel zeigt auf, dass es Rechtsverhältnisse nur geben kann, wenn Subjekte prinzipiell dazu in der Lage sind, sich von ihren Ansprüchen zu lösen, um den Standpunkt anderer Subjekte einzunehmen. Es ist also die Fähigkeit des Individuums, sich und seine Bedürfnisse zurückzunehmen, die den Beginn der Rechtsphilosophie ausmacht. V. Fazit Die von Hegel herausgearbeitete Rechtsfähigkeit als Kompetenz ist zeitlich keinesfalls bereits vor Familie, Staat und Gesellschaft gegeben. Das wissen selbstverständlich auch Ilting, Theunissen, Waldron und Honneth. Ilting und Theunissen haben völlig richtig gesehen, dass der Start mit dem einzelnen Individuum nicht Hegels letztes Wort sein kann. Sie haben zu Recht angenommen, dass Hegel dem Individuum auf ontologischer Ebene eigentlich keine Vorrangstellung einräumt. Sie irren sich allerdings beide in der Annahme, dass Hegels Darstellung mit dem einzelnen Rechtssubjekt beginnt, um eine Erfahrungsgeschichte des Freiheitsbewusstseins zu erzählen. Auch Waldron und Honneth weisen völlig zu Recht auf den Umstand hin, dass die Verhältnisse des Abstrakten Rechts überwunden werden müssen, um ein adäquates Verständnis von der Komplexität unserer rechtlichen, moralischen und sittlichen Wirklichkeit zu erreichen. Allerdings geht es bei solcher Überwindung eben nicht um die Entwicklungs- oder Lerngeschichte der Individuen – sie ist nicht das leitende Thema der Rechtsphilosophie. Überwunden wird das Abstrakte Recht auf begrifflicher Ebene allein. Ist der Auftakt in Hegels Rechtsphilosophie also individualistisch? Es kommt darauf an, was damit gemeint ist. Wenn damit gemeint ist, dass die Individuen in ontologischer Perspektive grundlegend sind, und ihre Gemeinschaft letztlich reduzierbar ist auf sie, dann lautet die Antwort: nein, ist er nicht. Wenn damit gemeint ist, dass die Individuen in normativer Perspektive grundlegend sind, und ihre Gemeinschaft letztlich als Schutz der Interessen der Einzelnen zu denken ist, dann lautet die Antwort: nein, ist er nicht. Wenn damit gemeint ist, dass sich auf der Grundlage der Interessen der Individuen aus heuristischer Perspektive am besten verstehen lässt, was Recht, Moral und Sitte sind, dann lautet die Antwort: nein, ist er nicht. Wenn damit gemeint sein soll, dass der Beginn mit dem einzelnen Individuum aufzeigen soll, welchen Entwicklungs- oder Lernprozess wir genommen haben bzw. noch (einmal) nehmen sollten, dann lautet die Antwort: nein, ist er nicht.
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Wenn aber damit gemeint sein soll, dass der Beginn mit dem einzelnen Individuum das aus Hegels begrifflicher Perspektive einfachste Element des Rechts herausarbeitet, nämlich die Fähigkeit des Individuums, sich von den eigenen Bedürfnissen zu distanzieren, womit für Hegel gleichzeitig der Anspruch einhergeht, dass andere Subjekte diese Fähigkeit anerkennen, dann lautet die Antwort: ja, das ist er. Allerdings stellt sich dann die Frage, wer uns eigentlich zwingt, hier noch von Individualismus zu sprechen. Siglen GW
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
MEGA Karl Marx und Friedrich Engels. Gesamtausgabe. Herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin, ff.
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HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE UND MARX
Andreas Arndt BEGREIFEN ALS KRITIK Anmerkungen zu Hegel und Marx A B S T R A C T : The young Marx argued that Hegel defended an uncritical view of reality by taking empirical existence to be the truth of the idea. In his reproach, Marx puts the relationship between logic and ‘Realphilosophie’ in Hegel’s philosophy into question. According to him, Hegel subjects society and the state to a logical schematism instead of grasping them in their own logic. – In this paper, I examine Marx’s reproach and argue that Hegel does by no means suggest an affirmative view of reality. In particular, his view of the dialectical method can be understood as critical, also in the sense that Marx had in mind. At the same time, however, ambiguities and ambivalences remain in Hegel’s work. At decisive points in the Philosophy of Right, and partly also in the Lectures on the Philosophy of Right, the critical function of the dialectical method appears to be weak. Hegel’s method remains thus ambiguous with regard to the possibilities and also the necessities of a critique of reality, especially with regard to the institutionalization of social and political conflicts.
Im Nachwort zur zweiten Auflage des ersten Bandes des Kapital schreibt Marx : In ihrer mystificirten Form ward die Dialektik deutsche Mode, weil sie das Bestehende zu verklären schien. In ihrer rationellen Gestalt ist sie dem Bürgerthum und seinen doktrinären Wortführern ein Aergerniß und ein Greuel, weil sie in dem positiven Verständniß des Bestehenden zugleich auch das Verständniß seiner Negation, seines nothwendigen Untergangs einschließt, jede gewordne Form im Flusse der Bewegung, also auch nach ihrer vergänglichen Seite auffaßt, sich durch nichts imponiren läßt, ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär ist. (MEGA II,: ) Mit diesen Formulierungen will Marx im Kontext des Nachworts deutlich machen, worin der Gegensatz seiner dialektischen Methode zu derjenigen Hegels
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besteht. Diese Abgrenzung ist nicht eindeutig und wirft Fragen auf. Auf der einen Seite heißt es, dass die hegelsche Dialektik das Bestehende zu verklären schien; dies lässt sich als Distanzierung von der durch Rudolf Haym in Umlauf gebrachten Akkomodationsthese – Hegel habe sich dem preußischen Staat angedient – verstehen, die auch in den Reihen der Sozialdemokratie verbreitet war und die Marx noch ausdrücklich zurückgewiesen hatte. Auf der anderen Seite lässt Marx keinen Zweifel, dass Hegel die Dialektik mystifiziert habe (vgl. dazu Arndt ). Erst in ihrer rationellen Gestalt sei sie kritisch und revolutionär. Zumindest wird Hegel damit der Vorwurf gemacht, die kritischen Konsequenzen seiner dialektischen Methode nicht überblickt und ihrer Aneignung zur Verklärung des Bestehenden durch seinen Mystizismus Vorschub geleistet zu haben. In Bezug auf die Grundlinien der Philosophie des Rechts hatte der junge Marx die These vertreten, Hegel gerate notwendig zu einer unkritischen Auffassung des Bestehenden, indem er „unkritischerweise eine empirische Existenz als die wirkliche Wahrheit der Idee“ nehme; seine Philosophie sei durch ein „Umschlagen von Empirie in Spekulation und Spekulation in Empirie“ charakterisiert (MEW : ). Hinter diesem Vorwurf steht die Annahme, es gehe Hegel nicht um „die Logik der Sache, sondern die Sache der Logik […]. Die Logik dient nicht zum Beweis des Staats, sondern der Staat dient zum Beweis der Logik“ (MEW : ). Zentral für den Vorwurf des unkritischen Empirismus ist demnach das von Marx angenommene Verhältnis von Logik und Realphilosophie bei Hegel; nach seiner Auffassung unterwirft Hegel seine Darstellung von Gesellschaft und Staat einem logischen Schematismus, statt sie in ihrer Eigenlogik zu erfassen. Diese These soll im Folgenden überprüft werden, wobei sich zeigen wird, dass Hegel zwar keineswegs eine affirmative Auffassung des Bestehenden nahelegt und insbesondre seine Auffassung der Methode sich als kritisch, durchaus auch in dem von Marx gemeinten Sinne, verstehen lässt. Zugleich aber bleiben Undeutlichkeiten und Ambivalenzen. An entscheidenden Stellen der Grundlinien der Philo „Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegel’schen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegentheil“ (MEGA II,: ). Vgl. Haym (, ): „Der preußische Staat […] war eingetreten in die Periode der Restauration. […] Das Hegel’sche System wurde zur wissenschaftlichen Behausung des Geistes der preußischen Restauration.“ Auch Wilhelm Liebknecht, einer der führenden Köpfe der deutschen Sozialdemokratie, meinte in diesem Sinne, Hegel sei „Entdecker und Verherrlicher der königlich preußischen Staatsidee“. Er ließ dies in der Anmerkung zu einem Aufsatz von Friedrich Engels drucken, was Engels in Rage brachte: „Dieses Vieh […] – dieser Ignorant hat die Unverschämtheit, einen Kerl wie Hegel mit dem Wort: ‚Preuß‘ abfertigen zu wollen“. Karl Marx sekundierte: „Ich hatte ihm [Liebknecht] geschrieben, wenn er über Hegel nur den alten […] Dreck zu wiederholen wisse, so solle er doch lieber das Maul halten.“ (Engels an Marx, . Mai , MEW : ; Marx an Engels, . Mai , MEW : ) „Die gewöhnliche Empirie hat nicht ihren eigenen Geist, sondern einen fremden zum Gesetz, wogegen die wirkliche Idee nicht aus ihr selbst entwickelte Wirklichkeit, sondern die gewöhnliche Empirie zum Dasein hat“ (MEW : ).
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sophie des Rechts und zum Teil auch in den Vorlesungen zur Rechtsphilosophie stellt Hegel die kritische Funktion seiner Methode zurück und bleibt damit zumindest uneindeutig hinsichtlich der Möglichkeiten und ggf. auch Notwendigkeiten einer Kritik des Bestehenden und der Institutionalisierung von gesellschaftlichen und politischen Konflikten. Dies ist im Folgenden Gegenstand des ersten Teils der Ausführungen (I.). – Hinsichtlich der in der Wissenschaft der Logik entwickelten Methode ist im Anschluss daran zu zeigen, dass die absolute Idee als absolute Methode zugleich normativer Bezugspunkt des Begreifens der Realität ist und dieses Begreifen daher ein kritisches Verhältnis zur Realität notwendig einschließt. Zugleich bleibt jedoch das Verhältnis der Logik zur Realphilosophie in methodologischer Hinsicht unterbestimmt (II.). – Das gilt jedoch auch für Marx, der die kritische Bedeutung der absoluten Idee unterschätzt und dazu tendiert, die Differenz von Logik und Realphilosophie einzuebnen. Im Vergleich der von Marx in Anspruch genommenen Methode mit den Auffassungen Hegels ist daher schließlich zu zeigen, wieweit und auf welcher Grundlage sie übereinstimmen (III.). I. Die Grundlinien der Philosophie des Rechts sind nach Hegels Auskunft der Versuch, den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen. Als philosophische Schrift muß sie am entferntesten davon seyn, einen Staat, wie er seyn soll, construiren zu sollen; die Belehrung, die in ihr liegen kann, kann nicht darauf gehen, den Staat zu belehren, wie er seyn soll, sondern vielmehr, wie er, das sittliche Universum, erkannt werden soll (GW ,: ). Auf den ersten Blick ist damit gesagt, dass das Begreifen von jeder Kritik der gegebenen staatlichen Realität Abstand zu nehmen habe; kritisiert werden kann offenbar nur eine unzulängliche Art und Weise des Begreifens selbst und hierüber, wie zu begreifen sei, habe die Philosophie durchaus zu belehren. Beides ist jedoch, worauf Walter Jaeschke hingewiesen hat, nicht zu trennen, denn Hegel setzt einen „in ‚selbstbewußte Vernunft‘ und ‚vorhandene Vernunft‘ gedoppelten oder auch in sich differenzierten Vernunftbegriff voraus“ (Jaeschke , ). In der „Vorrede“ zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts kommt diese Doppelung schlagend in dem oft missverstandenen und darum berüchtigten Diktum zum Ausdruck: „Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, ist vernünftig.“ (GW ,: ) Der Sache nach geht es hier um das Verhältnis der Wissenschaft der Logik und näher der absoluten Idee als Inbegriff der Vernunft zur Realität. Entgegen geläufigen Missverständnissen, als wolle Hegel alles, was existiert, in seinem So-Sein für vernünftig erklären, ist mit Nachdruck daran zu erinnern, dass Realität und Wirklichkeit, wie es auch viele Interpreten betont haben, nicht gleichzusetzen
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sind. Dies ergibt sich schon aus der Wissenschaft der Logik, wo die Kategorie der Realität in die Logik des Daseins fällt und letztlich das endliche und damit noch äußerliche Verhältnis von etwas und Anderem bezeichnet. Die Kategorie der Wirklichkeit dagegen fällt in die Logik des Wesens und bezeichnet eine Modalität des Absoluten im Übergang zum Begriff. Im Unterschied zur bloß daseienden Realität oder Existenz ist die Wirklichkeit, wie es im § der Enzyklopädie () heißt, „die unmittelbar gewordene Einheit des Wesens und der Existenz, oder des Innern und des Aeußern“ (GW : ). Anders gesagt: Wirklich ist eine Realität, wenn und insoweit sie dem Begriff entspricht. Dabei gilt, worauf noch näher zurückzukommen sein wird, dass in der Realität als endlicher – und hierzu gehört auch die Sphäre des objektiven Geistes, der Staat – prinzipiell keine vollständige Entsprechung des Begriffs und des Gegenstandes bestehen kann. Hierzu heißt es in der Begriffslogik in dem Abschnitt über die Idee: „Die endlichen Dinge sind darum endlich, indem sie die Realität ihres Begriffs nicht vollständig an ihnen selbst haben, sondern dazu anderer bedürfen; – oder umgekehrt, insofern sie als Objecte vorausgesetzt sind, somit den Begriff als eine äusserliche Bestimmung an ihnen haben.“ (GW : ) Pirmin Stekeler-Weithofer (, ) hat dies so auf den Punkt gebracht, dass der Begriff des Wirklichen – im Sinne der Wirklichkeit der Vernunft – bei Hegel „die Gültigkeit, nicht bloß die positive Geltung der moralisch-rechtlichen Ordnung umfasse“ und „immer nur als der zu einer Zeit bestmögliche Zustand der Entwicklung der (moralisch-rechtlichen) Kultur“ zu betrachten sei. In seiner „Vorrede“ zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts zieht Hegel diese Konsequenz nicht ausdrücklich und scheint zunächst eher eine affirmative Grundhaltung nahezulegen, wenn er schreibt: „Das einfache Verhalten des unbefangenen Gemüthes ist, sich mit zutrauensvoller Überzeugung an die öffentlich bekannte Wahrheit zu halten, und auf diese feste Grundlage seine Handlungsweise und feste Stellung im Leben zu bauen.“ (GW ,: ) Bekannt sei diese Wahrheit „über Recht, Sittlichkeit, Staat“, die „sehr alt“ sei, „als in den öffentlichen Gesetzen, der öffentlichen Moral und Religion offen dargelegt“ (GW ,: ). Der common sense, der sich zutrauensvoll an diese Wahrheit hält, ist freilich nur die alltägliche Weise des natürlichen Bewusstseins, sich im Leben zu orientieren. Der „denkende Geist“ wolle die bekannte Wahrheit – die darum noch nicht erkannt ist – aber auch begreifen, um „dem schon an sich vernünftigen Inhalt auch die vernünftige Form zu gewinnen“ (GW ,: ). Hierbei handelt es sich nun keineswegs um eine bloße Affirmation des Bestehenden, denn, so Hegel, erst durch das Begreifen könne der vernünftige Inhalt Vgl. exemplarisch Stekeler-Weithofer (, – ); Aragüés (, ff.). Vgl. die „Vorrede“ zur Phänomenologie des Geistes (GW : ): „Das Bekannte überhaupt ist
darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt“. Hier setzt Hegel freilich hinzu: „Es ist die gewöhnlichste Selbsttäuschung wie Täuschung anderer, beym Erkennen etwas als bekannt voraus zu setzen, und es sich ebenso gefallen zu lassen“ (GW : f.).
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für das freye Denken gerechtfertigt erscheine[n], welches nicht bey dem Gegebenen, es sey durch die äußere positive Autorität des Staats oder die Uebereinstimmung der Menschen, oder durch die Autorität des innern Gefühls und Herzens und das unmittelbare beystimmende Zeugniß des Geistes unterstützt, stehen bleibt, sondern von sich ausgeht und eben damit fodert, sich im Innersten mit der Wahrheit geeint zu wissen (GW ,: ). Birgit Sandkaulen () hat deutlich gemacht, welche Schwierigkeiten mit Hegels Zutrauen in das Zutrauen verbunden sind. Tatsächlich fällt die Spannung zwischen der kritischen Haltung des denkenden Geistes und der zutrauensvollen Überzeugung des natürlichen Bewusstseins ins Auge. Wenn die Gültigkeit des Gegebenen durch das Begreifen im freien Denken erst zu rechtfertigen ist und nicht aus der Autorität des Bestehenden folgt, dann ist damit angezeigt, dass dessen Vernünftigkeit nicht mit seiner bloßen Existenz zusammenfällt. So wenig jede Form des Selbstbewusstseins als selbstbewusste Vernunft angesprochen werden kann, so wenig kann jedes Vorhandene als vernünftig angesprochen werden. Das heißt aber auch, dass – was Hegel im Zusammenhang mit dem freien Denken ja auch ausspricht – jede Form eines nicht begreifenden Bewusstseins, das sich auf gemeinschaftliche Überzeugungen oder die Unmittelbarkeit des Gefühls und Herzens oder subjektive Überzeugungen stützt, täuschen und selbst einer Täuschung erliegen kann. Wie in der Realität allererst zwischen vernünftiger Wirklichkeit und bloß Existierendem zu unterscheiden ist, so muss auch im Bewusstsein überhaupt zwischen Meinung (dóxa) und Wissen (epistéme) unterschieden werden, um die Gültigkeit des Bestehenden – auch der zutrauensvollen Überzeugungen hinsichtlich des Bestehenden – überhaupt rechtfertigen zu können. Anders gesagt: Das Zutrauen selbst bedarf der Rechtfertigung durch den Begriff und ein Misstrauen in das nicht reflektierte Zutrauen ist in jedem Falle angebracht. Hegel, der sonst wohl genau aus diesem Grund die öffentliche Meinung ebenso achten wie verachten will, hat deren Zwiespältigkeit an dieser Stelle nicht ausdrücklich gemacht. Weder hier noch an anderer Stelle in den Grundlinien der Philosophie des Rechts wird begründet, weshalb genau diesem Zutrauen in jedem Falle zu trauen sei. Mehr noch: Der umgekehrte Fall des Misstrauens in die Gültigkeit des Bestehenden – weder auf der Ebene des common sense noch als Resultat des freien Denkens – wird nicht Vgl. Fulda (, ): „Auf der einen Seite steht nun ein Bewußtsein, das in zeitspezifischen Befangenheiten lebt, Hegel nennt es das natürliche Bewußtsein […] als naturwüchsig, im ‚Dunkel des gelebten Augenblicks’ befangen. Auf der andern Seite steht die Philosophie, die Verkehrungen zu berichtigen hat, welche im natürlichen Bewußtsein enthalten sind. Dadurch aber stellt sie sich diesem natürlichen Bewußtsein selber als etwas Verkehrtes dar […]. So kommt es – ähnlich wie für Platon – zum Gegensatz eines scheinbaren Wissens, in dem wir gewöhnlich leben, und des wirklichen Wissens wahrer Philosophie.“ Die „öffentliche Meynung“ verdiene „eben so geachtet, als verachtet zu werden“ (GW ,: § ).
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erwogen und mögliche, sich daraus ergebende Konflikte, bis hin zur Frage eines Widerstandsrechts gegen ein pathologisch verzerrtes Staatswesen, werden auch nicht institutionell berücksichtigt. Vielmehr sieht Hegel hier von der Geschichtlichkeit vollständig zugunsten des rein ideellen Momentes ab: „Ueberhaupt aber ist es schlechthin wesentlich, daß die Verfassung, obgleich in der Zeit hervorgegangen, nicht als ein gemachtes angesehen werde; denn es ist vielmehr das schlechthin an und für sich seyende, das darum als das Göttliche und Beharrende, und als über der Sphäre dessen, was gemacht wird, zu betrachten ist.“ (GW ,: § Anm.) Auch wenn es zutrifft, dass die Objektivität des objektiven Geistes, zu der Staat und Verfassung gehören, nicht dem Belieben subjektiven Handelns zugänglich und Ausdruck einer gegenüber den Individuen objektiven Bildungsstufe des Geistes ist, so ist diese Einlassung Hegels dennoch nicht überzeugend. Hier wird, worauf Birgit Sandkaulen (, ) hingewiesen hat, die Geschichtlichkeit des Geistes stillgestellt, ohne dass der Staat selbst der Geschichtlichkeit überhoben wäre – schließlich folgt ja die Weltgeschichte aus dem Staat. Diese Geschichtlichkeit bedeutet in jedem Falle Veränderlichkeit und nicht das Beharrende; gerade deshalb ist hier auch die Wirklichkeit der Vernunft immer mit bloß Existierendem vermischt und ihm gegenüber äußerlich, sodass es beides zu unterscheiden gilt. Zugespitzt ließe sich sagen: Der Staat als solcher in seiner weltlichen Existenz, als objektiver Geist, kann aus in der Vernunft selbst liegenden Gründen den Begriff nur gebrochen und vermittelt durch Äußerliches darstellen und die Darstellung des Ewigen in ihm kann im realphilosophischen Kontext schlechterdings nicht davon abstrahieren, weil es zur Bestimmung der Idee selbst gehört, ein Dasein in der Realität zu haben. Indem er davon absieht, erwecken Hegels Formulierungen geradezu den Eindruck, als wolle er den Staat aus dem Bereich des Endlichen in den des Absoluten verlagern. Wenn die Verfassung ‚schlechthin an und für sich‘ wäre, also absolut (‚schlechthin‘) selbstbezüglich und damit nur das ‚Göttliche und Beharrende‘, denn dann wäre sie das Absolute selbst und nicht mehr dem objektiven und damit endlichen Geist zugehörig. Das „an und für sich Vernünftige“ (GW ,: § ) ist der Staat jedoch immer nur insoweit, wie die Vernunft – die Idee – sich in ihm realisiert hat. Die Idee ist schon immer auf bestimmte Weise geschichtlich zur Wirklichkeit geworden. In diesem Sinne sagt Hegel, es hänge „die Verfassung eines bestimmten Volkes überhaupt von der Weise und Bildung des Selbstbewußtseyns desselben ab; in diesem liegt seine subjective Freyheit, und damit die Wirklichkeit der Verfassung“ (GW ,: § ). Diese Wirklichkeit ist aber auch daran zu messen, wieweit sie im Rahmen des objektiv Möglichen ein Maximum an Vernünftigkeit realisiert hat oder dahinter zurückgeblieben ist. Das Beständige oder Ewige in der geschichtlichen Endlichkeit des objektiven Geistes ist nicht die ab Vgl. Siep (, ; , – ).
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solute Vernunft selbst in ihrer Selbstbezüglichkeit, sondern als solche ist sie das Maß in Bezug auf die (endliche) Realität, in der sie immer nur durch Äußerlichkeiten gebrochen erscheint. Hegels Formulierungen geben Marx darin Recht, dass die Handhabung der Methode in den Grundlinien der Philosophie des Rechts das Bestehende zu verklären scheint. Indessen bleibt eine Ambivalenz, die hier im Blick auf die ‚zutrauensvolle Überzeugung‘ des ‚unbefangenen Gemüts‘ exemplarisch deutlich gemacht werden soll. Nach Hegels Auffassung zeigt sich die öffentlich bekannte Wahrheit vor allem in der Religion; diese sichert jedoch kein affirmatives, bedingungsloses Einverständnis von Thron und Altar, sondern in ihr erfährt das Individuum das Bewusstsein seiner Freiheit. Nicht zufällig betont Hegel in der Enzyklopädie () im Blick auf den freien Geist des Individuums, dass das Bewusstsein der individuellen Freiheit „durch das Christenthum in die Welt gekommen“ sei und der Mensch, der „in der Religion als solcher […] das Verhältniß zum absoluten Geist als sein Wesen weiß“, habe „den göttlichen Geist auch als in die Sphäre der weltlichen Existenz tretend gegenwärtig, als die Substanz des Staats, der Familie u.s.f.“ (GW : § Anm.). Zugleich betont Hegel, dass die Menschen die Idee der Freiheit auf diese Weise nicht „haben, sondern sie sind“: „Es ist diß Wollen der Freiheit nicht mehr ein Trieb, der seine Befriedigung fodert, sondern der Charakter, – das zum trieblosen Seyn gewordene geistige Bewußtseyn.“ (GW : § Anm.) Wenn dies die Grundlage des ‚Zutrauens’ ist, von dem Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechts spricht, dann erwächst dieses aus einem internalisierten Freiheitsbewusstsein, das sich nur darum mit dem Bestehenden einverstanden erklären kann, weil es sich darin wiederfindet. Offenbar geht Hegel davon aus, dass sich das Zutrauen nur dann einstellt, wenn es sich auch rechtfertigen lässt. Aber auch, wenn es so sein sollte, bleibt der Konfliktfall ausgeblendet. II. In der „Vorrede“ der Grundlinien der Philosophie des Rechts betont Hegel gleich eingangs die besondere Bedeutung der von ihm als leitend zugrunde gelegten Methode, wobei er ausdrücklich auf die Wissenschaft der Logik verweist, auch wenn es „[b]ey der concreten und in sich so mannichfaltigen Beschaffenheit des Gegenstandes […] vernachläßigt worden [ist], in allen und jeden Einzelheiten die logische Fortleitung nachzuweisen und herauszuheben“ (GW ,: ). Marx’ Annahme, die Rechtsphilosophie lasse Rückschlüsse auf Hegels Auffassung der Methode zu, ist demnach grundsätzlich zutreffend, zumal Hegel in diesem Zu Hegel legt dabei eine forcierte Interpretation des Christentums in seiner protestantischen Gestalt zugrunde; wieweit diese berechtigt ist, ist hier nicht zu diskutieren.
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sammenhang betont, seine Abhandlung möge vor allem aus diesem Gesichtspunkt beurteilt werden. Welcher Art der Bezug der Realwissenschaft des objektiven Geistes auf die Methode der Logik ist, kann Hegels Einlassung jedoch nicht entnommen werden. Marx’ Auffassung scheint die zu sein, dass Hegel Figuren der Logik als Schematismus benutzt und unmittelbar auf realphilosophische Sachverhalte anwendet. Die konkrete und mannigfache Beschaffenheit dieser Sachverhalte wäre dann nur ein Hindernis dafür, den Text durch ständige Verweise auf die Logik zu überfrachten. Indessen ist auch eine andere Interpretation möglich, die durch die Wissenschaft der Logik selbst nahegelegt wird. Im Zusammenhang mit der oben bereits zitierten Stelle aus dem Abschnitt über die Idee heißt es: „Seyn hat die Bedeutung der Wahrheit erreicht, indem die Idee die Einheit des Begriffs und der Realität ist; es ist also nunmehr nur das, was Idee ist.“ (GW : ) Das gilt auf doppelte Weise: für den Begriff, der sich hier als Begriff im reinen Denken selbst erfasst, und für den Begriff, der sich auf die Realität bezieht. Beides ist deshalb zu unterscheiden, weil nur im ersteren Falle der Begriff rein selbstbezüglich und die Idee mithin absolut wird. In Bezug auf reale Gegenstände verhält es sich anders: „Der Gegenstand, die objective und subjective Welt, überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß congruiren, sondern sie sind selbst die Congruenz des Begriffs und der Realität; diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, ist blosse Erscheinung, das Subjective, Zufällige, Willkührliche, das nicht die Wahrheit ist.“ (GW : ) Das besagt, dass die Realität in jedem Falle nicht unmittelbar mit dem Begriff zusammengeht, auch wenn der Begriff oder die Idee der Realität entsprechen muss, damit überhaupt „ein Wirkliches wahrhaft seyn“ könne (GW : ). Die Kriterien für dieses Wirkliche oder wahrhafte Sein formuliert Hegel negativ: „[W]as aber ein Wirkliches wahrhaft seyn solle, wenn nicht sein Begriff in ihm, und seine Objectivität diesem Begriffe gar nicht angemessen ist, ist nicht zu sagen; denn es wäre das Nichts.“ (GW : ) Mit dieser negativen Formulierung will Hegel deutlich machen, dass dasjenige tot ist, was keine Entsprechung von Begriff und Realität und somit kein wirkliches Sein hat. Auf der anderen Seite gilt für Hegel aber auch, dass die logische Idee sich notwendig auch in einem Unterschied zur Realität befindet. In der Wissenschaft der Logik betont er, dass es sich hierbei keineswegs um eine Grenze der Idee handelt, sondern um eine ihr selbst eingeschriebene Beschränkung: „Daß die Idee ihre Realität nicht vollkommen durchgearbeitet, sie unvollständig dem Begriffe unterworfen hat, davon beruht die Möglichkeit darauf, daß sie selbst einen beschränkten Inhalt hat, daß sie, so wesentlich sie Einheit des Begriffs und der Realität, eben so wesentlich auch deren Unterschied ist“ (GW : ). Dies gilt generell für die Realität, denn Hegel fährt als Beispiel unmittelbar mit dem Staat fort, der auch Sie geht dabei nur insoweit mit dem Begriff zusammen, als der Zufall, nicht aber das Zufällige in seiner Mannigfaltigkeit logisch notwendig ist (vgl. Henrich ).
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als der schlechteste Staat dieser Auffassung gemäß noch immer Staat sei (GW : f.). Das wirft die Frage auf, unter welchen Bedingungen die Nichtentsprechung von Begriff und Realität zum Nichts führt und unter welchen Bedingungen die Realität mehr als Nichts ist. In seiner Vorlesung über die Logik von hat Hegel hierfür ein Beispiel genannt: „Wenn man sagt diese Staatsverfassung ist schlecht, so ist das Schlechte am Staat etwas vorübergehendes, – dies ist nicht. Aber es gibt keinen Staat, der nicht wirklich etwas der Idee entsprechendes hat, wenn auch nur auf eine unvollständige blos Abstrakte Weise.“ (GW ,: ) Auch der schlechteste Staat ist in gewisser Hinsicht – soweit er überhaupt Staat ist – in einer Entsprechung zum Begriff; was aber ist ein Staat, dessen Objektivität dem Begriff gar nicht angemessen ist? In der Wissenschaft der Logik bemerkt Hegel im soeben zitierten Kontext: „Ganze, wie der Staat, die Kirche, wenn die Einheit ihres Begriffs und ihrer Realität aufgelößt ist, hören auf zu existiren“ (GW : ). Diese Auflösung der Einheit von Begriff und Realität, in welcher die Objektivität des Staates die Angemessenheit zum Begriff verliert, ist offenbar ein geschichtliches Moment in der Erkenntnis des Staates. In der Vorlesung zur Rechtsphilosophie / hat Hegel zwischen vernünftiger und geschichtlicher Notwendigkeit als zwei Betrachtungsweisen unterschieden und betont, dass die „wahrhafte Erkenntniß […] nicht bey der geschichtlichen Ansicht rechtlicher Verhältnisse stehn bleiben“ könne, „denn dieser gilt nur als Recht das Bestehende, das der Form nach Gültige, wäre es auch auf unendliche Weise, das höchste Unrecht“ (GW ,: ). Hier wird die vernünftige Ansicht zur normativen Einspruchsinstanz, welche das Bestehende als vernunftwidrig kritisiert, wenn es „der Idee nicht gemäß ist“ (GW ,: ). Aus dieser Kritik folgt, dass eine geschichtliche Umwälzung des Bestehenden notwendig und gerechtfertigt ist: „Ist daher der Geist eines Volkes auf eine höhere Stufe getreten, so haben die Verfassungsmomente die sich auf frühere Stufen bezogen, keinen Halt mehr; sie müssen zusammenstürzen, und keine Macht vermag sie zu halten.“ (GW ,: ) Dass dies nicht als Attentismus zu verstehen ist, macht Hegel wenig später deutlich: „Allenthalben wo der Geist zu höherem Bewußtseyn gekommen, ist der Kampf gegen solche Einrichtungen nothwendig“; wenn die Philosophie, wie es in diesem Zusammenhang heißt, über die geschichtliche Ansicht hinausgeht, dann vollzieht sie keine Weltflucht in höhere Sphären, sondern verfährt „ohne Rücksicht auf das was gilt, auf die Vorstellung der Zeit.“ (GW ,: ) Der Vernunftstandpunkt impliziert eine rücksichtslose Kritik des Bestehenden, sofern es dem allgemeinen Geist in einem Volk, also seiner unter den jeweiligen Umständen erreichten Bildungsstufe des Geistes als der Wirklichkeit des Begriffs nicht entspricht. In dieser Kritik liegt ein Sollen, weil die Idee selbst, als ebenso sehr theoretische wie praktische, in der Realität Geltung
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fordert; in der Vorlesung / heißt es hierzu bündig: „Das Vernünftige soll gelten“ (GW ,: ). Der kritische Gebrauch der Methode beruht darauf, dass im Begreifen der geschichtlichen Realität das Bestehende am Begriff bzw. der Idee gemessen wird. Dabei betont Hegel in der Nachschrift zur Vorlesung /, dass die „Wißenschaft kein Ideal“ aufstelle, sondern „eine bestimmte Weise die Weise des gegenwärtigen Geistes“ zugrunde gelegt werde (GW ,: ). Die Kritik ist insoweit immanente Kritik. Damit aber überhaupt eine Kritik möglich ist, reicht es nicht aus, den Blick allein auf die Idee als das ‚ewig Wahre‘ zu richten, das, so Hegel ‚kein abstraktes‘ sei, sondern die grundsätzlich überhaupt bestehende Differenz von Begriff und Realität hinsichtlich des geschichtlichen Bildungsstandes des Geistes daraufhin zu bewerten, ob sie hinter dem objektiv Möglichen zurückbleibt oder nicht. Wenn Hegel stattdessen immer wieder darauf verweist, dass die Philosophie nicht „die äußere Gestalt der existirenden Wirklichkeit“ mit dem Zufälligen und Einzelnen zu betrachten habe, unterläuft er in der Konsequenz die Komplexität der endlichen Realität und damit des Daseins der Idee im Geist. III. Wenn Marx von seiner Methode im Unterschied zu derjenigen Hegels spricht, dann geschieht dies nicht auf einer gemeinsamen Theorieebene mit der Wissenschaft der Logik, sondern im Blick auf sein Projekt einer Kritik der politischen Ökonomie. Von Hegel aus gesehen handelt es sich also um methodologische Fragen einer besonderen Realwissenschaft, wobei im Blick auf den geplanten Gesamtumfang des Projekts, von dem das Kapital nur ein Teil ist, behauptet werden kann, dass es mit Hegels Philosophie des objektiven Geistes weitgehend deckungsgleich ist. Von dieser Ebene einer besonderen Wissenschaft aus bezieht Marx sich auf das, Vgl. auch die Nachschrift Griesheim zur Vorlesung /: „Die philosophische Betrachtung geht darauf daß eine Rechtsinstitution vernünftig ist, das Recht, das wahrhafte Recht des Menschen darin respektirt ist. Es kann ein historisch begründetes Recht von der Philosophie als unvernünftig verworfen werden, so ist z. B. die Sklaverei in Indien historisch zu rechtfertigen, dadurch, daß auch bei den Negern diese Sklaven […]. Dieser Rechtfertigung ungeachtet muß die Vernunft dabei bleiben daß die Sklaverei der Neger eine vollkommen unrechtliche, dem wahren menschlichen und göttlichen Rechte widersprechende Einrichtung und zu verwerfen ist.“ (GW ,: ) Vgl. die Vorlesung / (GW ,: ): „Die vernünftige Betrachtung erhebt darüber, was im Einzelnen widersprechend ist für etwas so wichtiges zu halten.“ Insgesamt ist festzustellen, dass kritische Konsequenzen im Blick auf das Bestehende vor allem in den Kollegien zur Rechtsphilosophie bis / ausdrücklich gemacht werden. Der erste Gliederungsentwurf der Marxschen Ökonomiekritik findet sich in der „Einleitung“ zu den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie vom August (MEGA² II,.: ): „Die Eintheilung offenbar so zu machen, daß ) die allgemeinen abstrakten Bestimmungen, die daher mehr oder minder allen Gesellschaftsformen zukommen […]. ) Die Categorien, die die innre Gliederung
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was er Hegels ‚dialektische Methode‘ nennt, wobei er einerseits den Gegensatz stark unterstreicht – seine „dialektische Methode“ sei „der Grundlage nach von der Hegel’schen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegentheil“ (MEGA II,: ) –, andererseits aber von der Logik als einem Reservoir ‚dialektischer‘ Denkfiguren Gebrauch macht, ohne die Bedingungen der Möglichkeit eines solchen Gebrauchs zu reflektieren. Von Hegel aus gesehen wirft Marx’ Umgang mit der Wissenschaft der Logik die Frage auf, wie sich die absolute Idee als absolute Methode zu der Realwissenschaft des objektiven Geistes verhält. Dass hier, aufgrund der bleibenden Äußerlichkeit der Idee in der endlichen Realität, eine unmittelbare Entsprechung bzw. Kongruenz nicht stattfinden kann, ergibt sich bereits aus den zitierten Einlassungen Hegels in der Wissenschaft der Logik selbst. Wie diese Differenz näher zu verstehen und methodisch zu bearbeiten ist, bleibt dagegen weitgehend ausgeblendet. Eine aufschlussreiche Formulierung findet sich in der „Logik“ der Enzyklopädie: Alles Wirkliche, insofern es ein Wahres ist, ist die Idee […]. Das einzelne Seyn ist irgend eine Seite der Idee, für dieses bedarf es daher noch anderer Wirklichkeiten […], in ihnen zusammen und in ihrer Beziehung ist allein der Begriff realisirt. Das Einzelne für sich entspricht seinem Begriffe nicht; diese Beschränktheit seines Daseyns macht seine Endlichkeit und seinen Untergang aus. (GW : § ) Wie unter diesen Voraussetzungen die Vernunft in der Realität zu begreifen, d. h. aus den äußerlichen Verhältnissen der Wahrheits- bzw. Wirklichkeitsmomente zu rekonstruieren ist, bleibt unausgeführt. Leider gibt es zu dieser Stelle auch weder in dem Zusatz zur Freundesvereinsausgabe noch in den heute zugänglichen Nachschriften, in denen der entsprechende Paragraph fast ausnahmslos übersprungen wird, weiterführende Erläuterungen. Die absolute Methode, wie Hegel sie in der Wissenschaft der Logik entwickelt, kann aufgrund ihrer bleibenden Äußerlichkeit im Endlichen nicht einfach die Methode des Begreifens der Realität sein, denn in ihr ist der Begriff sich selbst in seiner reinen Selbstbezüglichkeit und ohne jede Äußerlichkeit der Gegenstand, der bürgerlichen Gesellschaft ausmachen und worauf die fundamentalen Klassen beruhn. […] ) Zusammenfassung der bürgerlichen Gesellschaft in der Form des Staats. […] ) Internationales Verhältniß der Production. […] ) Der Weltmarkt und die Crisen.“ Dieser Plan wird im Verlauf der Niederschrift der Grundrisse mehrfach modifiziert und spezifiziert. – Im „Kapitel vom Geld“ findet sich eine Gliederung in fünf Abschnitte: . Tauschwert, Geld, Preise; . innere Gliederung der Produktion; . Staat; . internationales Verhältnis; . Weltmarkt und Krisen (MEGA² II,.: f.). Vgl. gleichlautend GW : § (Enzyklopädie ); GW : § (Enzyklopädie ). Vgl. TWA : f.; die Nachschriften sind in GW ediert. – Tatsächlich ist darüber hinaus festzuhalten, dass die Frage nach dem Verhältnis der dialektischen Methode in der Wissenschaft der Logik zu der Methode in den Realwissenschaften in der Hegel-Forschung bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden hat.
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sodass er in dieser absoluten Methode zugleich Subjekt, Mittel und Gegenstand des Erkennens ist. In den endlichen Realwissenschaften kann sich der Begriff hingegen nur äußerlich, vermittelt durch Anderes, auf sich selbst beziehen und ist in Momente des Wahren als einander äußerliche Wirklichkeiten zersplittert. Wenn der Begriff nur in ihnen zusammen und in ihrer Beziehung realisiert ist, wie Hegel betont, und wenn das Existierende, das den Begriff mehr oder weniger an sich hat, aus dem Begriff selbst nicht deduzierbar ist, dann bedarf es einer eigenen Anstrengung des Begriffs, um ihn in der Realität wiederzufinden und den inneren, begrifflichen Zusammenhang der zersplitterten Wirklichkeiten zu erfassen und darzustellen. Die Zuwendung zur Realität ist der absoluten Methode selbst eingeschrieben – sie ist der „Trieb, durch sich selbst in Allem sich selbst zu finden und zu erkennen“ (GW : ), und zwar sowohl theoretisch als auch praktisch (Gerhard ) –, sodass am Ende des Durchgangs durch die Realität, wie es in der Enzyklopädie heißt, „das Logische“ wieder erreicht wird, aber „mit der Bedeutung, daß es die im concreten Inhalte als in seiner Wirklichkeit bewährte Allgemeinheit“ ist (GW : ). Das bedeutet, dass die absolute Methode wiederum Resultat dieses (von Hegel im Übrigen intendierten, aber nie vollständig geleisteten) Durchgangs sein soll, aber darum ist sie nicht a limine identisch mit der Methode, welche die Vermittlung der begrifflichen Momente in der Realität zu erfassen und darzustellen versucht. Das Sich-Finden und Erkennen setzt zuallererst ein Suchen voraus, dem für sich genommen nach Hegel eine defizitäre Form der Methode entspricht, das „suchende[] Erkennen“; in ihm „ist die Methode gleichfalls als Werkzeug gestellt, als ein auf der subjectiven Seite stehendes Mittel, wodurch sie sich auf das Object bezieht. Das Subject ist in diesem Schlusse das eine und das Object das andere Extrem, und jenes schließt sich durch seine Methode mit diesem, aber darin für sich nicht mit sich selbst zusammen. Die Extreme bleiben verschiedene, weil Subject, Methode und Object nicht als der eine identische Begriff gesetzt sind“ (GW : ). Offenkundig betrifft dies den endlichen Geist, also auch den objektiven, denn Hegel betont ausdrücklich, dass die absolute Idee, also die absolute Methode, auf den absoluten Geist zu beziehen ist: „Kunst und Religion“ seien „ihre verschiedenen Weisen, sich zu erfassen und ein sich angemessenes Daseyn zu geben“, was freilich erst in der Philosophie in der Begriffsform gelingt (GW : ). Unterhalb dieser Schwelle ist der innere Zusammenhang der Realität aus deren Momenten erst zu rekonstruieren, um allererst die begrifflichen Strukturen in der Realität identifizieren zu können. Die Eigenart der suchenden Methode im theoretischen und praktischen Verhalten zur Realität besteht darin, dass hier das Dasein der Idee in der Natur und im endlichen Geist als eine objektive Welt vorausgesetzt wird und damit der reale Unterschied von Subjekt, Mittel und Gegenstand im Erkennen und Handeln. Darin unterscheidet sich diese Methode von der absoluten. Dabei betont Hegel,
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dass die Dialektik als analytisch-synthetische Methode in der absoluten Methode eine „neue[] Grundlage“ bekommt, ansonsten aber „dieselbe“ bleibt „als bey dem vorhergehenden“ (GW : ). An diesem Punkt setzt Marx, soweit er seine Methode ausdrücklich reflektiert, wie z. B. im Nachwort zur zweiten Auflage des ersten Bandes des Kapital, an, indem er das analytische Moment der Forschungsweise – also dem ‚suchenden‘ Erkennen im engeren Sinn – zuordnet, das synthetische der Darstellungsweise: Allerdings muß sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiednen Entwicklungsformen zu analysiren und deren innres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dieß und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wieder, so mag es aussehn, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu thun. (MEGA II,: ) Die letzte Bemerkung verweist auf Marx’ Abgrenzung gegenüber Hegel, dem er vorwirft, die ‚ideelle‘ Widerspiegelung mit der Bewegung des Stoffes selbst zu verwechseln – ein Quidproquo, das Grundlage der Mystifizierung der Dialektik bei Hegel sei. Der überwiegend analytisch gerichteten Forschungsweise schreibt Marx daher auch eine empirisch-materialistische Begründungsfunktion zu wie in dem sogenannten „Methodenkapitel“ der fragmentarischen „Einleitung“ zu den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie, dem ersten Gesamtentwurf des Kapital (/): Das reale Subject bleibt nach wie vor ausserhalb des Kopfes in seiner Selbstständigkeit bestehn; solange sich der Kopf nämlich nur spekulativ verhält, nur theoretisch. Auch bei der theoretischen Methode daher muß das Subject, die Gesellschaft, als Voraussetzung stets der Vorstellung vorschweben. (MEGA II,.: ) Dabei betont Marx, jetzt wieder in Übereinstimmung mit Hegel, dass dieses Subjekt (im Sinne des Zugrundeliegenden, ὑποκείμενον) für sich genommen eine Abstraktion sei:
„Dieses so sehr synthetische als analytische Moment des Urtheils, wodurch das anfängliche Allgemeine aus ihm selbst, als das Andere seiner sich bestimmt, ist das Dialektische zu nennen“ (GW : ). Vgl. zu Marx’ Vorwurf der Mystifikation ausführlicher Arndt (). Die damit verbundene Behauptung, Hegel wolle Realität aus dem Begriff erzeugen, ist freilich haltlos; so behauptet Marx, er setze an die Stelle des „sich selbst gebärenden Begriffs“ bei Hegel die „Verarbeitung von Anschauung und Vorstellung in Begriffe“ (MEGA II,.: ); zur Kritik dieser Auffassung vgl. Arndt ().
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Das Concrete ist concret weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und der Vorstellung ist. Im ersten Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüchtigt; im t führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduction des Concreten im Weg des Denkens. Hegel gerieth daher auf die Illusion, das Reale als Resultat des sich in sich zusammenfassenden, in sich vertiefenden, und aus sich selbst sich bewegenden Denkens zu fassen, während die Methode vom Abstrakten zum Concreten aufzusteigen, nur die Art für das Denken ist sich das Concrete anzueignen, es als ein geistig Concretes zu reproduciren. (MEGA II,.: ) Marx, das tritt hier deutlich hervor, identifiziert die hegelsche Methode mit der absoluten Methode, in welcher der Begriff sich nur auf sich selbst bezieht, und er unterstellt zugleich, dass Hegel diese Methode unmittelbar auf die Realität anwenden möchte. Dagegen bietet er nicht nur ein Subjekt oder ὑποκείμενον als empirisch-materialistische Grundlage auf, sondern er möchte zugleich die Dialektik begrenzen, indem er der Selbstbezüglichkeit des Begriffs die Auffassung entgegenstellt, dass die Dialektik innerhalb der (endlichen) Realität den „realen Unterschied nicht aufhebt“ (MEGA II,.: ). In einer längeren Passage zum Systemcharakter der kapitalistischen Produktionsweise macht Marx auf dieser Grundlage deutlich, dass das Kapitalverhältnis spezifische historische Bedingungen voraussetzt, damit es sich reproduzieren kann, womit diese Reproduktion selbst an äußere Bedingungen geknüpft bleibt. Was Marx als Konsequenz dessen auffasst, dass seine Methode der Grundlage nach das gerade Gegenteil der hegelschen sei, erweist sich bei näherer Betrachtung als Übereinstimmung mit Hegels Bestimmung des Begriffs in der endlichen Realität. Dass die Dialektik hier den realen Unterschied nicht aufhebt, begründet keinen Gegensatz. Der Unterschied wird nach Hegel erst aufgehoben, indem gezeigt wird, dass das Endliche kein wahrhaftes Sein hat, sondern nur ein Werden ist, also im absoluten Geist. Für die Realphilosophie hingegen ist gerade der reale Unterschied entscheidend, den Marx irrig meint, gegen Hegel ins Spiel bringen zu können. Und ebenso behauptet Hegel nirgends, dass realphilosophische Systeme (wie das System der kapitalistischen Produktionsweise) sich rein selbstbezüglich reproduzieren könnten; dies gilt in der Tat nur für die Selbsterfassung des Begriffs im reinen Denken. Marx erliegt durchgängig dem Irrtum, Hegel wolle seine Wissenschaft der Logik in Bezug auf realphilosophische Sachverhalte unmittelbar zur Geltung bringen. Vgl. MEGA II,.: – ; dazu Arndt (, –).
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Ungeachtet dessen erweist sich Marx faktisch als ein Theoretiker, der in seinen Bezugnahmen auf Hegel dessen Philosophie dort weiterdenkt, wo sie in der Durchführung weitgehend unausdrücklich bleibt: bei der Frage einer Methodologie der Realwissenschaft des objektiven Geistes. Dieses Weiterdenken bleibt jedoch selbst insofern unzureichend, als Marx in seiner Adaption der dialektischen Methode deren kritische Funktion gegenüber Hegel schärfen will, sie zugleich aber von ihrem normativen Bezugspunkt abschneidet, nämlich von der absoluten Idee als dem Selbstbewusstsein der Freiheit. Dabei besteht kein Zweifel, dass Marx das Programm Hegels – zu kritisieren durch das Begreifen dessen, was ist – weiter verfolgt; so erklärt er in einem Brief an Ferdinand Lassalle vom . . : „Die Arbeit, um die es sich handelt, ist Kritik der ökonomischen Kategorien oder, if you like, das System der bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt. Es ist zugleich Darstellung des Systems und durch die Darstellung Kritik desselben“ (MEW : ). Dass Marx hierbei implizit auf Hegels Freiheitskonzeption zurückgreift, ließe sich zeigen, ist hier aber nicht weiter zu verhandeln (vgl. Arndt ). Siglen GW
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MEGA Karl Marx und Friedrich Engels. Gesamtausgabe. Herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin, ff. MEW
Karl Marx und Friedrich Engels. Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Berlin, ff.
TWA
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von – neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M., ff.
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Moritz May DAS RECHT AUF DEN VOLLEN ARBEITSERTRAG Über die Kritik des Entäußerungsmodells der Arbeit bei Hegel und Marx
ABSTRACT:
Contrary to the frequent criticism of Marx’s concept of ‘alienated work’ in his early writings, I argue in this essay that Marx does not represent the concept of work as the realization of subjective ends into a natural thing. Instead, even in his early economic works, Marx is a critic of a supposed ‘right to the whole produce of labor’, a critique which he systematically unfolds in his later writings. Furthermore, I argue that even Hegel implicitly criticizes the ‘absolute right of appropriation’, he presents in § of his Philosophy of Right. With the “System of Needs”, he offers an alternative to such an appropriation of nature through work alone. In Hegel’s view this form of appropriation stems from an instrumental relationship with nature, as can be found in J.G. Fichte’s early writings.
Das sozialphilosophische Interesse an Karl Marx ist heute in erster Linie durch zwei Begriffe bezeichnet: Entfremdung und Ideologie. Das Interesse am ersten Begriff geht auf die humanistischen Interpretationen des Frühwerks nach dem Zweiten Weltkrieg zurück; dagegen schreibt sich der Ideologiebegriff von Georg Lukács’ Deutung des Fetischcharakters der Ware in Marx’ Spätwerk her. Beide Interpretationslinien berufen sich auf das Verhältnis zwischen Hegel und Marx. Bei den Begriffen der entfremdeten Arbeit und der Ideologie handle es sich um Marx’ Versuche, die hegelsche Philosophie einer ‚rettenden Kritik‘ zu unterziehen, mit dem Zweck, ihr dialektisches Verfahren für ein materialistisches Interesse zu mobilisieren. Besonders in der Diskussion um die Wertformanalyse im ersten Band des Kapital sind dabei große Mühen auf die Herausarbeitung von Parallelen zwischen ihrer Argumentation und derjenigen der Wissenschaft der Logik aufgewendet worden. Kaum beachtet wurde dagegen Marx’ Verarbeitung von Hegels Philosophie des Rechts innerhalb der Kritik der politischen Ökonomie. Selbst Kontinuitäten der früheren Kritik am inneren Staatsrecht bis ins politökonomische Spätwerk sind selten verfolgt worden. Dabei lässt sich – so die hier vertretene systematische These – gerade der Kernbestand des ersten Bandes des Kapital bis auf die frühe Auseinandersetzung mit dem intentionalen Aneignungsmodell in den Pariser Manuskripten zurückführen. Diesem intentionalen Aneignungsmodell liegt das von Ernst Michael Lange wirkmächtig, aber fragwürdig Marx’ selbst zugeschriebene Entäußerungsmodell der Arbeit zugrunde. Von diesem Entäußerungsmodell der Arbeit lässt sich über das intentionale Aneignungsmodell und den Umschlag des AneigHegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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nungsgesetzes eine Linie bis zur Kernthese des ersten Bandes des Kapital ziehen: zu der Kritik am Recht auf den vollen Arbeitsertrag. Dadurch kommt eine doppelte Frontstellung von Marx’ Kritik der politischen Ökonomie zum Ausdruck: einerseits gegen gewisse sozialistische Positionen, die beanspruchen, ohne Aufhebung des Privateigentums die kapitalistische Produktionsweise abschaffen zu können; andererseits gegen bürgerliche Positionen, die das Recht auf den vollen Arbeitsertrag ebenfalls ablehnen, darin aber einen Beweis gerade für die Gerechtigkeit der bestehenden Produktionsverhältnisse sehen. Marx das Entäußerungsmodell der Arbeit selbst zuzuschreiben, bedeutet daher nicht allein, diese Pointe des Spätwerkes zu verkennen. Zugleich wird damit übergangen, dass das intentionale Aneignungsmodell, wie es in Hegels abstraktem Recht als erste, einseitige und mangelhafte Form der Aneignung formuliert ist, an dieser Stelle selbst bereits kritisch dargestellt wird, insofern es sich hierbei um ein instrumentelles Naturverhältnis handelt, das später zugunsten des Systems der Bedürfnisse in der bürgerlichen Gesellschaft aufgehoben wird. Die Interpretation des Entäußerungsmodells der Arbeit fällt deshalb nicht nur hinter Marx’ Arbeitsbegriff zurück, der über ein intentionales Naturverhältnis hinaus ist; sie regrediert sogar noch hinter Hegel auf Fichte, insofern die Aufhebung des intentionalen Aneignungsmodells bereits bei Hegel als performative Selbstkritik eines Arbeitsbegriffs konzipiert ist, welcher den geschichtlichen Prozess der Entwicklung der Natur zur abstrakten Sache verdrängt (Abschnitt II). Diese systematische These ist damit zugleich eine historische, insofern hier eine Kontinuität der Kritik der politischen Ökonomie bezüglich dieser konkreten Sache von bis nachgezeichnet und die Anknüpfung an Hegels Philosophie des Rechts von gesucht wird. Nicht nur gibt es also im Substantiellen keinen Bruch in Marx’ Ökonomiekritik, darüber hinaus lassen sich damit auch aus der Konstellation um das Kapitel von der entfremdeten Arbeit in Marx’ Auseinandersetzung mit Hegel und Feuerbach Linien bis ins Spätwerk ziehen. Diese Konstellation wird in Abschnitt I dargestellt. Vor diesem Hintergrund ist der Argumentationsgang bis zum Schluss des Kapitels über den absoluten Mehrwert im ersten Band des Kapital als kritische Darstellung politökonomischer Operationsmittel zu lesen, deren Zielpunkt die Entzündung des Klassenkampfes an einer konstitutiven, aber zugleich desaströsen Antinomie im Eigentumsrecht ist, die bei Marx als ‚Umschlag des Aneignungsgesetzes‘ firmiert (Abschnitt III).
Auf die ideologiekritische Lesart der Kritik der politischen Ökonomie ist hier nur am Rande einzugehen, und zwar dort, wo eine Interpretation ihrer wichtigsten Referenztexte geleistet wird, insofern dies auch für die Darstellung der Sache in diesem Aufsatz nötig ist.
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I. Auch wenn der Einfluss von Feuerbachs Schriften ab dem Wesen des Christentums auf die Pariser Manuskripte nicht von der Hand zu weisen ist, so sind doch Marx’ affirmative Bezugnahmen (vgl. MEGA² I,: ) daraufhin zu befragen, in welchem Verhältnis sie sich zum Stand seiner Auseinandersetzung mit Hegel befinden. Folgt man der gängigen Erzählung, Marx habe seinen Bruch mit Feuerbach erst in den Manuskripten zur deutschen Ideologie und besonders in den Thesen ad Feuerbach vollzogen, so hieße das für die Pariser Manuskripte, auch die hierin enthaltene Kritik an Hegel sei noch im Horizonte von Feuerbachs Thesen zu lesen. Insofern Marx aber nach keine zweite grundsätzliche Kritik an Hegel mehr verfasst hat, stünde dann entweder die Auseinandersetzung mit Hegel im Spätwerk unter dem Eindruck der Pariser Manuskripte und Feuerbachs, oder aber Marx hätte seine an Hegel gebildete Methode nicht hinreichend ausgewiesen, gewissermaßen ‚versteckt‘ (vgl. Reichelt , – ). Es ist aber fraglich, ob die Nähe zwischen Feuerbach und Marx sogar noch vor den Pariser Manuskripten derart eng gewesen ist, wie häufig angenommen wird. Diesem Gedanken folgend, wäre dann auch Marx’ Kritik an Hegel in den Pariser Manuskripten als eigener Ansatz aufzufassen. Das Verhältnis dieser Auseinandersetzung mit Hegel einerseits, mit Feuerbach andererseits wäre dann umgekehrt zu bestimmen: Es ist die Kritik an Hegel , die den Horizont für diejenige an Feuerbach im folgenden Jahr vermisst und absteckt; ihre Linien lassen sich bis ins Spätwerk ziehen. Festzumachen ist diese These am Kapitel über die entfremdete Arbeit. Nicht zu Unrecht ist dieses Kapitel häufig interpretiert worden, in ihm laufen die Fäden von Marx’ bisheriger intellektueller Entwicklung zusammen. Einerseits ist er darin um eine Fortführung der Kritik an der politischen Ökonomie bemüht, wie er sie bei Friedrich Engels, Moses Heß und Pierre-Joseph Proudhon findet. Von diesen drei Autoren übernimmt Marx erstens die Fokussierung der Kritik auf das Privateigentum als dem Zentrum der kapitalistischen Produktionsweise und zweitens – dies vorrangig von Engels – die Verknüpfung von Kritik an der realen Ökonomie und den Operationsmitteln der Ökonomik. Andererseits bleibt Marx Konkret gesprochen handelt es sich dabei um die Aufsätze von Heß und Engels: Sozialismus und Communismus sowie die Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie (Heß ; MEGA² I,: – ), sowie Proudhons Qu’est-ce que la propriété? (Proudhon ). Die Frühsozialisten spielen in den Heften von nur eine nebensächliche Rolle, mit ihnen hatte sich Marx bereits vor der ersten Ausgabe der Deutsch-Französischen Jahrbücher zerstritten. Interessanterweise ist es nicht die Frage nach dem Utopismus – wie von der staatssozialistischen Geschichtsschreibung vermutet –, sondern die nach der Religion, welche die deutsch-französische Allianz zerbrechen lässt: Der Atheismus der Deutschen stellt sich als nicht vereinbar mit dem christlichen Sozialismus der Franzosen heraus (vgl. MEGA² I,: – ). Nicht zuletzt Pierre Leroux lehnt die Positionen der Deutschen ab. Dessen Nähe zu Schellings Philosophie der Offenbarung war Marx bereits vor der Emigration bekannt (vgl. Marx an Feuerbach, . Oktober , MEGA² III,: ; Frank , f.).
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auch noch in die Nachhutgefechte des Zerfalls der hegelschen Linken involviert. Seine Hauptgegner der Kampfschriften aus den folgenden Jahren, aus der Heiligen Familie und den Manuskripten zur deutschen Ideologie – die Berliner ‚Freien‘ um Bruno Bauer und Max Stirner –, sind in den Pariser Manuskripten noch nicht prominent. Ebenso wenig gilt Marx’ Interesse dem Schisma zwischen Rechts- und Links- oder zwischen Alt- und Junghegelianern. Der Zerfall der hegelschen Linken ist in den Pariser Manuskripten vielmehr in der konkreten Hinsicht präsent, dass zwei gegenläufige Strategien der Kritik an Hegel miteinander konkurrieren, wenn auch dieser Konflikt nicht offen ausgetragen wird. Einer Unterscheidung von ‚politischer‘ und ‚theologischer‘ Kritik an Hegels System folgend, lässt sich der Gegensatz dieser Strategien in Grundzügen skizzieren. Gemeinsam ist beiden, dass sie die These aus Hegels Lehre vom absoluten Geist, als einer Versöhnung der Totalität der Geschichte mit der Transzendenz Gottes, ablehnen (vgl. Theunissen , f., f.). Die politische Kritik wird repräsentiert durch Arnold Ruge. Sie ist in seinen beiden Aufsätzen zu Hegels Philosophie des Rechts von und zusammengefasst. In beiden ist es Ruge an der Auflösung der drei Bereiche des absoluten Geistes – Kunst, geoffenbarte Religion und Philosophie – in den historisch interpretierten objektiven Geist gelegen (Ruge a, – ; ). Die Geschichte avanciert bei ihm zum höchsten Punkt der Philosophie, dem Übergang von der Theorie zur Praxis. Dieses Primat des objektiven Geistes beruft sich nicht zuletzt auf David Friedrich Strauß’ Diktum aus seiner Christlichen Glaubenslehre, dass „[d]ie wahre Kritik des Dogmas […] seine Geschichte“ (Strauß , ) sei; ein Buch, von dem Ruge in einer Rezension sagt, es habe „die Erwartungen der Freunde wie der Gegner wo möglich noch übertroffen“ (Ruge b, ). Der Versuch einer Historisierung des absoluten Geistes bleibt Hegels Anliegen freilich äußerlich. Dem objektiven Geist das Primat einzuräumen, übergeht die systematische Stellung des absoluten Geistes und setzt seinem Anspruch auf den Abschluss des Systems bloß die abstrakte Antithese historischer Unabgeschlossenheit entgegen. Zur differentia specifica zwischen objektivem und absolutem Geist, nämlich dem theologischen Gehalt des letzteren, hat die politische Kritik wenig zu sagen. Während Ruge Hegel die Versöhnung der Geschichte mit Gott insofern streitig macht, als er ihm die Überschreitung des objektiven Geistes zugunsten des absoluten verweigert, fordert Feuerbach die Priorität des Seins vor dem Denken ein. Statt am Übergang vom objektiven zum absoluten Geist, setzt er somit am Anfang der Wissenschaft der Logik an, formuliert aber damit zugleich eine These zur syste Dieses Schisma ist ohnehin eher eine öffentlichkeitswirksame Selbstzuschreibung gewesen, als
dass es einen zweifelsfreien sachlichen Grund für diese Trennung der Lager gebe. Besonders ab Schellings Antrittsvorlesung in Berlin beginnen die Demarkationslinien zu verwischen (vgl. Frank , – ).
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matischen Stellung der Naturphilosophie: Sie sei nicht bloß „Durchgangspunkt und negatives Moment“ (GW : ), sondern Fokus der Philosophie. Feuerbachs Kardinalvorwurf gegenüber der hegelschen Philosophie ist in seinen Vorläufigen Thesen zur Reformation der Philosophie resümiert: Das wahre Verhältnis vom Denken zum Sein ist nur dieses: Das Sein ist Subjekt, das Denken Prädikat, aber ein solches Prädikat, welches das Wesen seines Subjekts enthält. Das Denken ist aus dem Sein, aber das Sein nicht aus dem Denken. (Feuerbach [] a, ) Mit dieser Kritik macht sich Feuerbach unter atheistischen Vorzeichen die theologische Kritik des Vorwurfs einer Sphärenvermengung zu eigen, wie er wirkmächtig von Schelling seit den er Jahren implizit gegen Hegel, nach seinem Tod auch ausdrücklich gegen ihn vorgetragen wurde (vgl. Burkhardt , – ). Eine späte Formulierung unterstreicht die Parallele von Schelling und Feuerbach: „Denn nicht, weil es ein Denken gibt, gibt es ein Seyn, sondern weil es ein Seyn gibt, gibt es ein Denken“ (Schelling, Philosophie der Offenbarung, SW : , Anm. ). Der Unterscheidung von positiver und negativer Philosophie folgend, erklärt es Schelling zu einer maßlosen Überforderung der Möglichkeitssphäre des Denkbaren – wie sie Hegel in der Wissenschaft der Logik darzustellen beanspruche –, diese aus eigener Kraft auf die Wirklichkeitssphäre des Seienden übergreifen zu lassen (vgl. Hühn , f.). Zum ersten Mal formuliert Feuerbach eine Variation des Vorwurfs in einer Notiz, die er selbst auf / datiert. Wie verhält sich das Denken zum Sein, wie die ‚Logik‘ zu Natur? Ist der Übergang von jener zu dieser begründet? Wo ist die Notwendigkeit, wo das Prinzip dieses Übergangs? […] Gäbe es keine Natur, nimmermehr brächte die unbefleckte Jungfer ‚Logik‘ eine aus sich hervor. (Feuerbach [/] , f.) ‚Theologisch‘ ist dieser von Schelling entlehnte Vorwurf insofern zu nennen, als diese Kritik an einer sich selbst zu begründen strebenden Subjektivität bereits gegenüber Fichte ausdrücklich als Sünde interpretiert wurde (vgl. Schelling, AA I,: , ). Der Vorwurf der Sphärenvermengung ist bei Schelling also nicht bloß eine Kritik am Versuch des Hintergehens des Seins durchs Denken, sondern ebenso der Vorwurf, eine als causa sui aufgefasste Subjektivität versuche sich hier an die Stelle zu setzen, an der Gott sein solle. Feuerbach greift diesen Vorwurf auf: Indem Hegel dem Denken das Primat gegenüber dem Sein einräume, drücke er
Vermutlich waren Feuerbach zu diesem Zeitpunkt bereits die Grundzüge von Schellings Gegenposition zu Hegel bekannt (vgl. Frank , f., Anm. .).
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das Wesen der Religion bloß philosophisch aus, statt die Religion in Philosophie aufzuheben: Wer die Hegelsche Philosophie nicht aufgibt, der gibt nicht die Theologie auf. Die Hegelsche Lehre, daß die Natur, die Realität vor der Idee gesetzt – ist nur der rationelle Ausdruck von der theologischen Lehre, daß die Natur von Gott, das materielle Wesen von einem immateriellen, d.i. abstrakten, Wesen geschaffen ist. Am Ende der ‚Logik‘ bringt es die absolute Idee sogar zu einem nebulösen ‚Entschluß‘, um eigenhändig ihre Abkunft aus dem theologischen Himmel zu dokumentieren. (Feuerbach [] a, ) Darin ist sich der Atheist Feuerbach mit der durch Schelling repräsentierten theologischen Kritik an Hegels Lehre vom absoluten Geist einig: Der Mensch soll nicht danach streben, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen, weil dies die Selbstpreisgabe des menschlichen Wesens bedeuten würde. Was Schelling als Sünde auffasst, begreift Feuerbach als Entfremdung. Werde dem Denken die Priorität vor dem Sein eingeräumt, so handle es sich bei der dabei entstehenden Gottesvorstellung bloß um die falsche Projektion des menschlichen Wesens. Feuerbachs Kritik an Hegel ist damit zugleich die Kritik an der Religion als einem verkehrten Naturverhältnis, einer Entäußerung des menschlichen Wesens, dem eine Wiederaneignung versperrt sei. Mit der Vorstellung eines persönlichen Gottes schließe sich der Mensch aus dem eigenen Hause aus. Innerhalb des hegelschen Systems ist es damit nicht nur der Übergang von der Wissenschaft der Logik zum naturphilosophischen Teil, den Feuerbach kritisiert; sein Interesse gilt in erster Linie dem Übergang zwischen Natur- und Geistphilosophie. Für diese bedeutet die von Feuerbach behauptete Priorität des Seins vorm Denken, dass der subjektive Geist – und die darunter gefasste anthropologische Bestimmung des Menschen – eine Folge, nicht der Grund der Natur ist. Die Natur wird nicht in den subjektiven Geist aufgehoben, sondern der Mensch geht aus der Natur hervor. Die Linien, die von Schellings Kritik an Hegel zu Feuerbach führen, sind Marx nicht unbemerkt geblieben. Prägnant hat er diese Verbindungen in einem Brief vom . Oktober benannt, in welchem er Feuerbachs Bedeutung daran festmacht, dass dieser der „umgekehrte Schelling“ sei; an ihm liege es, den „aufrichtigen Jugendgedanken“ Schellings zu verwirklichen (Marx an Feuerbach, . Oktober , MEGA III,: ). Bemerkenswert ist auch, welchen politischen Einfluss Marx im selben Brief Schelling zuschreibt: Zu diesem Anspruch bei Hegel siehe die Anmerkung zum § der Encyclopädie () (GW : – ), besonders der prägnante Schlusssatz: „Die esoterische Betrachtung aber Gottes und der Identität, wie des Erkennens und der Begriffe, ist die Philosophie selbst“ (GW : ). Eine ähnliche These findet sich bei Schelling (Zur Geschichte der neueren Philosophie; SW : f.).
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Schelling hat nicht nur die Philosophie und Theologie, er hat die Philosophie und Diplomatie zu vereinigen gewußt. […] Ein Angriff auf Schelling ist also indirekt ein Angriff auf unsre gesammte und namentlich auf die preussische Politik. Schellings Philosophie ist die preussische Politik sub specie philosophiae. (Marx an Feuerbach, . Oktober , MEGA III,: ) Wohlgemerkt schreibt Marx dies wenige Tage, nachdem er seine Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie fertiggestellt hat (vgl. MEGA I,: ). Das relativiert die gängige Ansicht, Marx habe es mit der hegelschen Philosophie aufgenommen, weil diese die naheliegende Repräsentantin der bestehenden Verhältnisse gewesen sei. Im Gegenteil war Hegel ja derjenige, den die Jung- und Linkshegelianer zunächst gegen die Restaurationspolitik von Friedrich Wilhelm IV. verteidigten und höchstens einer ‚rettenden‘ Kritik unterzogen. Bereits Marx’ kritische Auseinandersetzung mit Hegels Rechtsphilosophie – und damit vor seinem Übergang zum Kommunismus – steht also unter dem Zeichen einer Ablösung von der hegelianischen Linken. Es ist nicht erst der Kommunismus, erst recht nicht die Entdeckung des Proletariats, die Marx an seinen bisherigen Bundesgenossen zweifeln lassen. Es ist jedoch gerade das Anliegen der Natur in Feuerbachs Kritik an Hegel, das Marx bereits Anfang – also noch vor seiner überlieferten Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie – ablehnt: Feuerbachs Aphorismen sind mir nur in dem Punkt nicht Recht, daß er zu sehr auf die Natur und zu wenig auf die Politik hinweist. Das ist aber das einzige Bündniß, wodurch die jetzige Philosophie eine Wahrheit werden kann. Doch wird’s wohl gehen, wie im ten Jahrhundert, wo den Naturenthusiasten eine andere Reihe von Staats-enthusiasten entsprach. (Marx and Ruge, . März , MEGA III,: ) Während Feuerbach also gegen den absoluten Geist die Anthropologie ausspielt, besteht Marx auf der Politik; die Bereiche der Kunst, der geoffenbarten Religion und der Philosophie stünden unter dem Primat des objektiven Geistes. Dennoch bleibt Marx Feuerbachs Kritik an Hegel gegenüber Ruge insofern auch treu, als er noch in seiner ‚staatsenthusiastischen‘ Kritik der Philosophie des Rechts den Panlogismusvorwurf der Sphärenvermengung bemüht: Das Wesen der staatlichen Bestimmungen ist nicht, daß sie staatliche Bestimmungen, sondern, daß sie in ihrer abstraktesten Gestalt als logisch-metaphysische Bestimmungen betrachtet werden können. […] Nicht die Rechtsphilosophie, sondern die Logik ist das wahre Interesse. Nicht daß das Denken sich in politischen Bestimmungen verkörpert, sondern daß die vorhandenen politischen Bestimmungen in abstrakte Gedanken verflüchtigt werden, ist die philosophische Arbeit. Nicht die Logik der Sache, sondern die Sache der Logik ist das philosophische Moment. (MEGA² I,: )
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Schon dass Marx überhaupt den Maßstab seiner Kritik dem Verhältnis der Philosophie des Rechts zur Logik entnimmt, zeichnet ihn gegenüber anderen zeitgenössischen Kritikern, wie zum Beispiel Karl Ernst Schubarth oder später Rudolf Haym, aber eben auch Arnold Ruge aus. Diese setzen ihre Kritik am Verhältnis der Philosophie des Rechts zur politischen Wirklichkeit Preußens an. Damit nimmt Marx erste Schritte in Richtung einer Kritik an Hegel, welche die Alternative von politischer Kritik durch das Primat des objektiven Geistes und theologischer Kritik durch den Vorwurf der Sphärenvermengung übersteigt. II. Während Marx das unveröffentlicht gebliebene Manuskript Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie noch mit dem Anspruch geschrieben hatte, damit das letzte Wort in der Kritik an Hegel zu sprechen, war ihm jedoch derweil die später in Zur Judenfrage formulierte Unzulänglichkeit einer solchen Schwerpunktsetzung auf das innere Staatsrecht zur Einsicht gereift. Gegen den „Staatsformalismus“ (MEGA² I,: ) der konstitutionellen Monarchie fordert Marx die republikanische Demokratie als den „Inhalt, zu dem sich der politische Staat als die organisirende Form verhält“ (MEGA² I,: ): In der Monarchie haben wir das Volk der Verfassung; in der Demokratie die Verfassung des Volkes. Die Demokratie ist das aufgelöste Räthsel aller Verfassungen. […] Hegel geht vom Staat aus und macht den Menschen zum versubjektivirten Staat; die Demokratie geht vom Menschen aus und macht den Staat zu verobjektivirten Menschen. (MEGA² I,: ) Den Bruch mit dem ersten ‚staatsenthusiastischen‘ Ansatz eines Balanceakts zwischen politischer und theologischer Kritik vollzieht Marx in der Folgeschrift, dem Aufsatz Zur Judenfrage, ihrer äußeren Form nach eine gegen Bruno Bauer gerichtete Gelegenheitsarbeit. Hierin benennt er den Grund, weshalb mit einer auf Hegels politischen Staat fokussierten Kritik nicht weit zu kommen sei: Der vollendete politische Staat ist seinem Wesen nach das Gattungsleben des Menschen im Gegensatz zu seinem materiellen Leben. Alle Voraussetzungen dieses egoistischen Lebens bleiben außerhalb der Staatssphäre in der bürgerlichen Gesellschaft bestehen […].“ (MEGA² I,: ) Was er in dieser Schrift dagegen als menschliche Emanzipation bezeichnet, ist nicht mehr, wie noch in der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, die republikanische Demokratie, sondern die radikale Umwälzung der bürgerlichen Gesellschaft. Vgl. Schubarth ([] ); Haym ([] ); Ruge (a); Ruge ().
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Wie erwähnt hinterließen bei Marx zur selben Zeit die politökonomischen Schriften Friedrich Engels’, Moses Heß’ und Pierre-Joseph Proudhons ihren Eindruck. Besonders Engels ist in seinen Umrissen zu einer Kritik der Nationalökonomie darum bemüht, gerade Hegels Philosophie des Rechts in die politische Ökonomie zu transponieren. In seinem Aufsatz setzt er bereits – vor Marx – ein Verfahren kritischer Darstellung der politökonomischen Operationsmittel an: „[B]ei der Kritik der Nationalökonomie“ gelte es, die „Grundkategorien [zu] untersuchen“, dabei „den durch das System der Handelsfreiheit hineingebrachten Widerspruch zu enthüllen, und die Konsequenzen der beiden Seiten des Widerspruchs [zu] ziehen“ (MEGA² I,: f.). Freilich bedient sich Engels indes noch ethischer Wertmaßstäbe. So lautet der Hauptvorwurf gegen die Zirkulationssphäre, es handle sich hierbei um einen „legale[n] Betrug“, um „die Anwendung unsittlicher Mittel zur Durchsetzung eines unsittlichen Zwecks“ (MEGA² I,: ). Auch wenn Marx solche ethischen Wertmaßstäbe fernliegen, so ist doch kaum zu übersehen, dass die ökonomischen Analysen der Pariser Manuskripte Engels’ Thesen der Umrisse viel verdanken. So sind die wesentlichen Ergebnisse der ersten Teile der Pariser Manuskripte, mit deren Resümee Marx den Abschnitt über die entfremdete Arbeit einleitet, bereits in Engels Aufsatz enthalten oder zumindest angedeutet (MEGA² I,: ; u. bei Engels, MEGA² I,: – ). Auch geht Engels bereits auf das Legitimationsproblem des Privateigentums ein, welches Thema des Kapitels über die entfremde Arbeit ist. Zeitgenössisch ist dieses Problem unter dem Begriff der ‚ursprünglichen Appropriation‘ gefasst: Die Nationalökonomie geht vom Factum des Privateigenthums aus. Sie erklärt uns dasselbe nicht. Sie faßt den materiellen Prozeß des Privateigenthums, den es in der Wirklichkeit durchmacht, in allgemeine, abstrakte Formeln, die ihr dann als Gesetze gelten. Sie begreift diese Gesetze nicht, d. h. sie zeigt nicht nach, wie sie aus dem Wesen des Privateigenthums hervorgehn. (MEGA I,: ) Statt das Privateigentum wie die Nationalökonomik als Aneignungsform aus einem ursprünglichen Verhältnis zwischen Menschen und Natur zu erklären und zu legitimieren, geht Marx von einem „gegenwärtigen Factum“ aus: Die Arbeit producirt also nicht nur Waaren; sie producirt sich selbst und d[en] Arbeiter als eine Waare und zwar in dem Verhältniß, in welchem sie überhaupt Waaren producirt. Dieß Factum drückt weiter nichts aus, als: Der Gegenstand, den die Arbeit producirt, ihr Product, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine, von Siehe Marx’ Polemik: Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral von , die noch nicht in der MEGA² erschienen ist (MEW : – ). Engels bleibt der klassischen politischen Ökonomie jedoch treuer als Marx, indem er dieses Legitimationsproblem in erster Linie als eines in Beziehung auf den Boden auffasst, und nicht wie Marx bereits auf die industrielle Produktion bezieht (vgl. MEGA² I,: ).
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d[em] Producenten unabhängige Macht gegenüber. Das Product der Arbeit ist die Arbeit, die sich in einem Gegenstand fixirt, sachlich gemacht hat, es ist die Vergegenständlichung der Arbeit. Die Verwirklichung der Arbeit ist ihre Vergegenständlichung. (MEGA I,: f.) Die häufig interpretierte einleitende Passage zum Kapitel über die entfremdete Arbeit ist in Verbindung zur kritischen Auseinandersetzung mit Hegel meist als diejenige Stelle in Marx’ Werk gedeutet worden, in welcher er die unverstellte Definition seines Arbeitsbegriffs gebe und zugleich das Wesen des Menschen in Nähe zu Feuerbach bestimme. Entscheidend für das Verständnis ist jedoch das Handlungssubjekt des Satzes: Marx spricht ausdrücklich nicht vom individuellen Arbeiter, dessen Produkt die Arbeit sei; das Handlungssubjekt ist hier die Arbeit selbst. Damit versperren sich die Sätze einer Interpretation wie der Ernst Michael Langes als „handlungstheoretische Vorschläge“ (Lange , ). Im Gegenteil ist die „Verwendung und konstruktive Uminterpretation von Ausdrücken der natürlichen Handlungssprache“(Lange , ) an dieser Stelle gerade als Kritik an einem Arbeitsbegriff zu verstehen, der unter sich ein intentionales Verhältnis zwischen einem individuellen Menschen und der Natur fasst. Das spiegelt sich auch in dem sich der oben zitierten Passage anschließenden Satz wieder: „Die Verwirklichung der Arbeit erscheint so sehr als Entwirklichung, daß der Arbeiter bis zum Hungertod entwirklicht wird“ (MEGA² I,: ). Im Gegensatz zu einer handlungstheoretischen Perspektive ist das Handlungssubjekt die Arbeit, die den passiven Arbeiter „bis zum Hungertod entwirklicht“. Die Pointe des Begriffs der entfremdeten Arbeit ist also die Verselbstständigung der Arbeit von ihrem lebendigen Vollzugssubjekt, dem Arbeiter. In aller Deutlichkeit spricht Marx aber bereits in der oben zitierten Passage davon, dass die Arbeit „sich selbst und d[en] Arbeiter als eine Waare [produziert] und zwar in dem Verhältniß, in welchem sie überhaupt Waaren producirt“ (MEGA² I,: ). Gemeint ist also nicht eine scheinbare historische Invariante – mit dem Vokabular der späteren Kritik der politischen Ökonomie – gebrauchswertsetzender, konkreter Arbeit; Marx meint hier die Arbeit unter kapitalistischer Produktionsweise, die abstrakte Arbeit. Die Entfremdung bezeichnet kein Verhältnis des individuellen Arbeiters zu seinem Arbeitsprodukt, sondern die Verselbstständigung der kapitalistischen Produktionsweise als dem Ermöglichungsgrund menschlichen Lebens von diesem menschlichen Leben selbst. Dies lässt sich auch dadurch bekräftigen, dass Marx sowohl in den Grundrissen, als auch im Kapital den obigen Gedanken reformuliert. Die Ähnlichkeit der Formulierungen legt die Vermutung nahe, Marx
Exemplarisch: Habermas (, – ; , – ); Lange (, – ); Arndt (, – ); Heinrich (, f.); Quante (, – ); Jaeggi (, – ).
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habe hier das Manuskript von als Vorlage verwendet. So heißt es im Fragment zur Entfremdung von /: Der fact, daß mit der Entwicklung der Productivkräfte der Arbeit die gegenständlichen Bedingungen der Arbeit, die vergegenständlichte Arbeit wachsen muß im Verhältniß zur lebendigen Arbeit […] erscheint vom Standpunct des Capitals so, […] daß […] die objectiven Bedingungen der Arbeit eine immer colossalere Selbstständigkeit […] gegen die lebendige Arbeit annehmen, und der gesellschaftliche Reichthum in gewaltigern Portionen als fremde und beherrschende Macht der Arbeit gegenübertritt. (MEGA² II,: f.) Der letzte Teilsatz variiert die Formulierung von , dass das Resultat des Reproduktionsprozesses der Arbeit als „fremdes Wesen, als eine, von d[em] Producenten unabhängige Macht gegenüber[tritt]“ (MEGA² I,: f.). Im ersten Band des Kapital spitzt Marx dieselbe These noch deutlicher auf das Klassenverhältnis zu. Hier greift Marx den ersten Teil der Passage aus den Pariser Manuskripten auf; an die Stelle des vagen Ausdrucks ‚Arbeit‘ tritt jedoch die kapitalistische Produktionsweise als Handlungssubjekt: Der kapitalistische Produktionsprozeß, im Zusammenhang betrachtet, oder als Reproduktionsprozeß, producirt also nicht nur Waare, nicht nur Mehrwerth, er producirt und reproducirt das Kapitalverhältniß selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der andern den Lohnarbeiter. (MEGA² II,: ) Es ist offenkundig, dass Marx hierbei nicht die Verselbstständigung des einzelnen Arbeitsprodukts gegenüber dem individuellen Arbeiter, sondern diejenige der gesamten Produktionsweise in den Blick nimmt. Von dieser so verstandenen Entfremdungsthese könnte ein Entäußerungsmodell der Arbeit, wie es aus dem Kapitel über die entfremdete Arbeit abgeleitet wird, also nicht weiter entfernt sein. Nach einem solchen Entäußerungsmodell der Arbeit werde „[d]er sprachliche Sachverhalt, daß verbal der Ausdruck ‚Arbeit‘ für alle drei Stadien des Vorgangs (Zweck, Prozeß, Resultat) Verwendung finden kann“, als „Indikator einer Identität (des Zwecks) in der Verschiedenheit (der Stadien seiner Verwirklichung) aufgefaßt“ (Lange , f.). Unter der Prämisse dieses Entäußerungsmodells hat Ernst Michael Lange auch wirkmächtig den Begriff der Entfremdung gedeutet: [M]it ‚Entfremdung‘ [wird] der Vorgang oder der aus dem Vorgang resultierende Zustand einer Dissoziation von ursprünglich (der Zeit oder dem normativen Maßstab nach) Zusammengehörigem bezeichnet […] und […] für Marx verweist an dieser Stelle selbst auf eine Passage aus seinen Vorträgen Lohnarbeit und Kapital,
die in der Neuen Rheinischen Zeitung abgedruckt wurden. Diesen lagen die ökonomischen Schriften zugrunde, die zwischen und entstanden waren. Man kann Marx beim Wort nehmen, wenn er selbst auf die Kontinuität dieses Kerngedankens seit den er Jahren hinweist.
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Hegel und Marx [betrifft] dieser Vorgang bzw. Zustand die Verfassung der bürgerlichen respective kapitalistischen Gesellschaft […]. (Lange , ) Von diesem Begriff von Entfremdung als einer verhinderten Wiederaneignung eines ursprünglich Zusammengehörigen schreibt sich auch der verbreitete Vorwurf gegenüber Marx her, er habe seine normativen Wertmaßstäbe nicht hinreichend ausgewiesen. Wird mit der entfremdeten Arbeit jedoch keine ‚Dissoziation eines normativ Zusammengehörigen‘ bezeichnet, sondern die Figur der Verselbstständigung der Produktionsweise, so liegt der Entfremdungsthese auch kein versteckter normativer Wertmaßstab zugrunde, der eine solche Zusammengehörigkeit begründen würde. Bezeichnet ist allein eine Verkehrung von Zweck und Mittel: Der Ermöglichungsgrund menschlichen Zusammenlebens übt diesem gegenüber Zwang aus. Marx richtet sich aber nicht ohne Grund gegen das Entäußerungsmodell der Arbeit, es handelt sich beim Gesagten nicht bloß um eine Spitzfindigkeit der Interpretation. Denn im Umkehrschluss entspricht dem Entäußerungsmodell der Arbeit ein intentionales Modell der Aneignung. Nach diesem wird Privateigentum begründet, indem subjektive Zwecke in einer Sache verwirklicht werden. Dieses intentionale Aneignungsmodell ist paradigmatisch in § von Hegels Philosophie des Rechts innerhalb des Abschnitts über das Eigentum formuliert: Die Person hat das Recht, in jede Sache ihren Willen zu legen, welche dadurch Meinige ist, zu ihrem substantiellen Zwecke, da sie einen solchen nicht in sich selbst hat, ihrer Bestimmung und Seele meinen Willen erhält, – absolutes Zueignungsrecht des Menschen auf alle Sachen. (GW ,: § ) Eine solche intentionale Aneignung widerspricht nicht nur Marx’ materialistischem Anliegen. Ihm eine affirmative Rezeption desselben zuzuschreiben, bedeutet zugleich das Niveau von Hegels eigener Argumentation an dieser Stelle zu unterschreiten, da so die Beziehung des abstrakten Rechts ex negativo auf die bürgerliche Gesellschaft übergangen wird. Der § der Philosophie des Rechts ist als Kritik sowohl auf Kant wie auch auf Fichte gemünzt. Eine in dieser Hinsicht deutlichere Sprache hat Hegel in seinen Vorlesungen gefunden. So ist in der Nachschrift von / statt von Person und Sache von „Ich und […] Ding“ (GW ,: ) die Rede. Auch / findet sich der Hintersinn des absoluten Zueignungsrechts als eines vorläufigen und beschränkten Standpunkts ausgedrückt: „Die Sache ist aber daß der Mensch als Der Vorwurf geht in erster Linie auf das Umfeld einer Reihe bei Michael Theunissen entstandener Dissertations- und Habilitationsschriften zu Karl Marx zurück (vgl. Lange , ; Wildt ; Lohmann ). Aktuell findet er sich auch prominent bei Jaeggi (), die in ihrer wiederveröffentlichten Promotion dieses Problem zum Anlass ihrer eigenen Rekonstruktion des Entfremdungsbegriffes macht.
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Person, als Geist nicht das Äussere zu respektiren hat, seine Freiheit ist die höhere für welche das Andere alles nur Material sein kann, wenn er will“ (GW ,: ; Herv. v. M.M.). Gerade die Person aber nennt Hegel später in der Anmerkung zum § der Philosophie des Rechts von den Gegenstand der Darstellung im abstrakten Recht (vgl. GW ,: § ); der Absolutheitsanspruch auf die Zugeignung im § ist also an den Absolutheitsanspruch der Person geknüpft. Als eine kritische Darstellung ist der Abschnitt über das Eigentum bei Hegel zu verstehen, insofern er ein einseitiges Unmittelbares repräsentiere, dass erst in der Sittlichkeit zu seiner Vermittlung durch die gedachte Idee des Guten der Moralität komme (vgl. GW ,: § ). Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass Hegel seit seiner Jenaer Zeit zwischen der ‚konkreten Arbeit‘ in der Landwirtschaft und der ‚abstrakten Arbeit‘ der modernen industriellen Produktion unterscheidet. Damit nimmt er nicht zuletzt die Differenzierungen im Arbeitsbegriff ernst, die durch die politische Ökonomie nach Adam Smith vorgenommen wurden und die auch Marx bekanntlich später an prominenter Stelle rezipiert (vgl. Riedel ). Hegel richtet sich damit einerseits gegen die Legalitätsvorstellung in Kants Metaphysik der Sitten, in welcher das Eigentum keine erneute Bearbeitung innerhalb eines Systems der Bedürfnisse und der Arbeitsteilung erfährt. Andererseits ist bereits die Formulierung des § , in jede Sache sei der Wille zu legen, nicht ohne Erinnerung an Fichtes Aufforderung in der Schrift Ueber die Würde des Menschen zu lesen, der Mensch solle solange handeln, „bis alle Materie das Gepräg seiner Einwirkung trage“ (GA I,: ). Bereits im Jenaer Systementwurf zur Realphilosophie lässt sich eine Pointierung des ‚Mein‘ der Aneignung durch den Willen als Trieb nachvollziehen: „Welche Triebe Ich habe, diß ergibt sich erst aus dem Inhalte seiner Welt; diese sind seine Triebe“ (GW : ). ‚Welt des Willens‘: der genitivus possesivus ist hier also nicht im Sinne des fichteschen ‚Gepräge‘ zu lesen, sondern die Welt bestimmt den Willen wesentlich. Marx oder Hegel also eine durchweg affirmative Bezugnahme auf das intentionale Aneignungsmodell zuzuschreiben, bedeutet erstens die Sphärenunterscheidung zwischen abstraktem Recht und bürgerlicher Gesellschaft, zwischen Person und Mensch zu nivellieren. Innerhalb der Argumentation der Pariser Manuskripte käme das einem Rückfall vom ‚historischen‘ auf den ‚theoretischen‘ Ausdrücklich kritisiert Hegel Kants Nivellierung der Sphärendifferenz von abstraktem Recht und bürgerlicher Gesellschaft in Beziehung auf das Familienrecht (GW ,: § ). Das Recht der Familie stellt wiederum später im § im Abschnitt „Die Erziehung der Kinder und die Auflösung der Familie“ gerade jene Voraussetzung dar, die als Vorgeschichte in der Person des abstrakten Rechts verdrängt ist (vgl. GW ,: § ). Im § heißt es, im System der Bedürfnisse sei als Gegenstand der Rechtsphilosophie „erst hier und eigentlich nur hier vom Menschen in diesem Sinne die Rede“ (GW ,: § ). Diese These greift Marx in Zur Judenfrage auf: „Wer ist der vom citoyen unterschiedene homme? Niemand anders, als das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft“ (MEGA² I,: ).
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Materialismus gleich. Zweitens wird mit dem Entäußerungsmodell der Arbeit einerseits bei Marx die These übergangen, dass alle Aneignung unter kapitalistischer Produktionsweise immer schon über die Zirkulationssphäre vermittelt ist; andererseits bei Hegel davon abgesehen, dass es sich bei der Beziehung von Person und Sache um ein abstraktes Verhältnis handelt, insofern sowohl der Individualismus der Person ihre Herkunft aus der Auflösung der Familie verdrängt (vgl. GW ,: § ) als auch die Sache als „[d]as vom freyen Geiste unmittelbar Verschiedene“ (GW ,: § ) immer bereits das Resultat der Verdrängung ihres Konstitutionsprozesses durch die geschichtliche Präformation der Natur ist (vgl. Ritter , , f.). Das Entäußerungsmodell der Arbeit und das intentionale Aneignungsmodell stellen also einen Rückfall auf den instrumentellen Naturbegriff im Sinne der obigen Stelle bei Fichte dar; ein Naturbegriff, dem sowohl Marx als auch Hegel entschieden widersprechen und als aufzuhebende Abstraktion benennen. Mit seiner These: „[d]ie Geschichte selbst ist ein wirklicher Theil der Naturgeschichte, des Werdens der Natur zum Menschen“ (MEGA² I,: ), schreibt auch Marx gegen die fichtesche Auffassung der Natur als einem „Reservoir menschlicher Zwecksetzung“ (Hühn , ) an. Dass einem solchen Modell des ‚Werdens der Natur zum Menschen‘ nicht einmal eine normative Einheit zugrunde liegen kann, deren Dissoziation die Entfremdung bezeichnen würde, ohne dass dabei zugleich der Mensch als Telos der Natur gesetzt wäre, da in diesem Falle dann hinterrücks der fichtesche Standpunkt wiederaufgerichtet würde, spricht einmal mehr gegen eine handlungstheoretische Deutung des Arbeitsbegriffs in den Pariser Manuskripten. Auch in Marx’ Kritik an Hegel wird die Differenz zwischen einem Materialismus des individuellen Naturverhältnisses und der Konzeption eines ‚historischen Materialismus‘ deutlich. Wie gesagt, allzu vorschnell wurde die Auseinandersetzung mit Hegel in den Pariser Manuskripten im Horizont Feuerbachs gelesen. Dabei fiel unter den Tisch, dass Marx hier gerade um eine Überschreitung des Feuerbach zugeschriebenen Standpunkts mittels dessen eigenem materialistischen Vokabulars bemüht ist. So greift Marx den Terminus Feuerbachs vom ‚wesentlichen Gegenstand‘ auf, nur um ihn später gegen jenen selbst zu wenden: Der Mensch ist unmittelbar Naturwesen. Als Naturwesen und als lebendiges Naturwesen ist er theils mit natürlichen Kräften, mit Lebenskräften ausgerüstet, ein thätiges Naturwesen, diese Kräfte existieren in ihm als Anlagen und Fähigkeiten, als Triebe; theils ist er als natürliches, leibliches, sinnliches, gegenständliches Wesen ein leidendes, bedingtes und beschränktes Wesen, wie es auch das Thier Zu dieser Figur bei Feuerbach siehe § seiner Grundsätze der Philosophie der Zukunft (Feuerbach
[] b, – ). Allerdings ließe sich auch diese Figur bereits auf Hegels Jenaer Systementwurf zurückdatieren, siehe die bereits oben in Beziehung auf Fichte zitierte Stelle: „Welche Triebe Ich habe, diß ergibt sich erst aus dem Inhalte seiner Welt; diese sind seine Triebe“ (GW : ).
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und die Pflanze ist; d. h. die Gegenstände seiner Triebe existiren ausser ihm, als von ihm unabhängige Gegenstände; aber diese Gegenstände sind Gegenstände seines Bedürfnisses zur Bethätigung seiner Wesenskräfte unentbehrliche, wesentliche Gegenstände. […] Der Hunger ist ein natürliches Bedürfniß; er bedarf also einer Natur ausser sich, eines Gegenstandes ausser sich, um sich zu befriedigen, um sich zu stillen. (MEGA I,: ) Das ist der Kernpunkt von Marx’ Kritik an Hegel, welche auch die explizite Kritik an Feuerbach ein Jahr später vorbereitet. Dass das Begreifen des menschlichen Grundbedürfnisses des Hungers von dem Gegenstand des Hungers abhänge, bedeutet: Wer vom Gegenstand des Hungers abstrahiert, abstrahiert auch von den Hungernden. Das philosophische Verfahren einer Selbstauslegung des Bewusstseins in der Phänomenologie des Geistes hat aber gerade diese Abstraktion vom Wesen ihrer äußeren Gegenstände zur einzigen Vorentscheidung. Die Unmittelbarkeit der sinnlichen Gewissheit wird gerade durch die Abstraktion von der konkreten Beziehung des Gegenstandes für bestimmte Bedürfnisse oder Triebe erkauft. Gegen diese unfreiwillig doppelte Abstraktion opponiert Marx. Ihm geht es nicht mehr um ein – noch immer abstraktes – Naturwesen, Marx geht es um die Elenden. In diesem Kontext wendet er den entlehnten Begriff des Gattungswesens historisch-materialistisch: Und wie alles Natürliche entstehn muß, so hat auch der Mensch seinen Entstehungsakt d[ie] Geschichte, die aber für ihn, eine gewußte und darum als Entstehungsakt mit Bewußtsein sich aufhebender Entstehungsakt ist. Die Geschichte ist die wahre Naturgeschichte d[es] Menschen. (MEGA² I,: ) Diesen Gedanken wendet Marx in den Manuskripten zur deutschen Ideologie politökonomisch: Die Menschen sind Tiere, die ihre eigenen Lebensmittel produzieren (MEGA² I,: ). Wenn aber das Wesen der Menschen sich durch die Gegenstände ihrer Bedürfnisse aufschließt, diese Gegenstände aber durch sie selbst hervorgebracht werden, dann ist die wirkliche Geschichte zugleich die Entstehungsgeschichte der Menschen. Die Menschen sind im materiellen Sinne zugleich eigene Tat und darin Naturwesen. Damit richtet sich Marx nicht nur gegen Hegel, son-
Bei der Abstraktion von einer solchen Beziehung des Gegenstandes auf die menschlichen Bedürfnisse handelt es sich um den Preis, den Hegel dafür entrichtet, dass er auf das äußerliche Herantragen der Sache fremder Maßstäbe verzichten kann: „Das Bewußtseyn gibt seinen Maßstab an ihm selbst, und die Untersuchung wird dadurch eine Vergleichung seiner mit sich selbst seyn […]“ (GW : ). Und später: „Sie [die sinnliche Gewissheit] sagt von dem, was sie weiß, nur diß aus: es ist; und ihre Wahrheit enthält allein das Seyn der Sache […].“ (GW : ) Von einem wesentlichen Gegenstand kann an dieser Stelle nicht mehr die Rede sein, wobei dies freilich an dieser Stelle bloß die von Hegel kritisierte Position widerspiegelt.
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dern ebenso gegen den von ihm und Engels unhistorisch gescholtenen Materialismus feuerbachscher Provenienz (vgl. MEGA² I,: ). Die These von der entfremdeten Arbeit als einer Verselbstständigung der Produktionsweise spiegelt eben diesen Kerngedanken der Identität von Geschichte und Naturgeschichte des Menschen wider. Entfremdung gilt Marx nicht mehr als Verhältnis jedes Individuums zur Natur oder zum individuellen Arbeitsprodukt, sie ist eine naturgeschichtliche Kategorie. Das ist auch der Hintergrund für Marx’ Vorwurf aus den Manuskripten zur deutschen Ideologie, dass es auch Feuerbach in seiner Kritik der Religion als einer falschen Projektion doch bloß um die Einrichtung des richtigen Bewusstseins über eine Tatsache gehe: eine „Anerkennung & Verkennung des Bestehenden“ (MEGA² I,: ). Auch der verbreitete Fetischbegriff eines ‚gesellschaftlich notwendigen Scheins‘ (vgl. Adorno , , , , , ) reicht somit nicht an das heran, was Marx hier antizipiert. Es geht ihm nicht um einen Irrtum, sei er noch so unvermeidlich; selbst noch in diesem Fall wäre es das Bewusstsein, das nicht mit der Sache übereinstimmt. Marx geht es – ganz im Sinne Hegels – um die Sache selbst, die in sich nicht mit ihrem Maßstab übereinstimmte. Ideologie ist kein notwendig falsches Bewusstsein, Ideologie ist das angemessene Bewusstsein einer verkehrten Sache. III. Von dieser materialistischen Geschichtsauffassung leitet sich auch Marx’ kritisches Verfahren her, dem er sich in seinen Ausarbeitungen der Kritik der politischen Ökonomie bedient. Dieses Verfahren ist der Schlüssel zum Verständnis der Kardinalthese des ersten Bandes des Kapital. Der gewichtige Umstand nämlich, den es zu erklären gilt, ist, weshalb Marx überhaupt in demjenigen Band, der vom Produktionsprozess des Kapitals handelt, gerade mit der Zirkulationssphäre anfängt.
Der Gedanke geht auf die berühmte Stelle in der Einleitung der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie zurück: „Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät“ (MEGA² I,: ). Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass es zwischen dem ‚Sechs-Bücher-Plan‘ um und dem ersten Kapital-Band auch einen methodischen Bruch gibt. Während Marx sich im Sechs-BücherPlan zunächst die Entwicklung des Begriffs des Kapital im Allgemeinen vornimmt, um die Konkurrenz gesondert davon zu behandeln, verknüpft er im Kapital beide Ebenen: Thematisch wird der Konflikt zwischen den Einzelkapitalien einerseits und dem gesellschaftlichen Gesamtkapital andererseits (vgl. Heinrich , – ). Über die Darstellung bei Michael Heinrich hinaus ist aber zu bemerken, dass es sich auch bei der Zirkulationsanalyse nicht mehr um die Entwicklung eines Allgemeinbegriffs des Kapitals handelt. Das dürfte der Anlass sein, weshalb Marx überhaupt im Kapital noch einmal die Waren- und Geldanalyse des publizierten Hefts von wiederholt.
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Die Frage nach der Methodik der Kritik der politischen Ökonomie hat in den letzten Jahrzehnten viele Debatten entzündet. Besonders in denjenigen Beiträgen, welche die Strukturanalogien zwischen Hegels Wissenschaft der Logik und Marx’ Schriften zwischen und herausgearbeitet haben, sind diese Probleme allerdings meist eher nur noch deutlicher zu Tage getreten, als dass sie gelöst worden wären. Auch wenn fraglich ist, inwiefern sich Marx an Hegels konstruktivem Verfahren orientiert – schließlich schreibt er kein System, nicht einmal eine ‚positive‘ Wissenschaft der politischen Ökonomie –, so nimmt er doch Bezug auf das Verfahren einer Darstellung, die zugleich Kritik an den Totalitätsansprüchen der dargestellten Einzelmomente ist. Dieses Verfahren einer kritischen Darstellung ist nicht nur in der Phänomenologie des Geistes präsent, sondern darüber hinaus auch in der Wissenschaft der Logik (vgl. Theunissen , – ). Das Verfahren einer ‚kritischen Darstellung‘ oder ‚Kritik durch Darstellung‘ geht zurück auf einen Brief von Marx an Ferdinand Lassalle: Die Arbeit, um die es sich zunächst handelt, ist Kritik der ökonom. Categorien oder, if you like, das System der bürgerlichen Oekonomie kritisch dargestellt. Es ist zugleich Darstellung des Systems u. durch die Darstellung Kritik desselben. (Marx an Lassalle, . Februar , MEGA² III,: ) Eine kritische Darstellung ist weder die Entwicklung eines Prinzips noch das nachträgliche Einholen von Voraussetzungen. Von einer kritischen Darstellung ist allerdings auch die immanente Kritik zu unterscheiden. Gemeinsam ist beiden, dass sie den Maßstab der Sache selbst entnehmen. Während die immanente Kritik jedoch die Sache an diesem Maßstab misst, geht es der kritischen Darstellung um die Prüfung des Maßstabes selbst. Insofern die immanente Kritik die Maßstäbe darstellt – und nur darstellt –, übt sie Kritik an der Unzulänglichkeit der Sache, gemessen an diesen selbstgestellten Anforderungen. Eine immanente Kritik führt Marx im Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation durch. Darin misst er die wirkliche Geschichte der Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise an der Behauptung, dass der Mehrwertaneignung unter kapitalistischer Produktionsweise Resümierende Darstellungen bei Elbe (, – ) und Hoff (, – ). Hier geht es nicht um die Frage, ob diese Interpretation alle Facetten von Hegels Verfahren fasst.
Die hier vertretene These ist, dass es jedoch dieser Aspekt einer kritischen Darstellung von Hegels Verfahren ist, den Marx aufgreift. Auch Hegel nimmt ja weder eine Entwicklung des anfänglichen Seins vor, noch stellt das Nichts oder das Werden einen stillschweigend vorausgesetzten Grund desselben dar. Deshalb sind auch die im Laufe des . und des . Jahrhunderts gegen den Anfang der Wissenschaft der Logik vorgetragenen Vorwürfe, Hegel führe durch sein Verfahren bereits reflexionslogische Strukturen in einen Anfang ein, den er für bar aller Reflexion ausgebe, unberechtigt (vgl. Henrich , – ). Es steht eben kein Urteil am Anfang der Logik, der Anfangssatz ist frei von jeder Kopula: „Seyn, reines Seyn – ohne alle weitere Bestimmung“ (GW : ). Zur systematischen Bedeutung dieses Anakoluths, vgl. Hühn (, – ).
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eine Periode von Fleiß und Sparsamkeit seitens einer kleinen Elite vorausgegangen sei (vgl. MEGA² II,: ). Dagegen ist es in der kritischen Darstellung nicht der Maßstab, der unbefragt dargestellt wird, sondern er selbst wird für sein Nichtübereinstimmen mit der gemessenen Sache in die Kritik genommen. Die Unterscheidung zwischen immanenter Kritik und kritischer Darstellung ist also entlang der Alternative vorzunehmen, welche Momente es sind, die aus ihrer Vernichtung zugleich das nächste Moment hervorbringen. Auch wenn es beide Male Sache und Maßstab sind, die auf ihre Übereinstimmung geprüft werden, so ist es im Falle der immanenten Kritik eine Reihe von Sachen, die nacheinander einer Prüfung unterzogen werden, während die kritische Darstellung eine Reihe von Maßstäben an derselben Sache misst. In der Zirkulationsanalyse zu Beginn der Kritik der politischen Ökonomie ist es eine kritische Darstellung, keine immanente Kritik, die Marx unternimmt. Während die immanente Kritik eine Vielzahl von Sachen als Gegenstände ihrer Kritik hat, besitzt die kritische Darstellung der politökonomischen Operationsmittel nur eine Sache, und zwar zum Gegenstand der Darstellung: das Arbeitsprodukt, wie es als Resultat der Produktionssphäre zunächst unmittelbar die Zirkulation betritt. Der erste und bezeichnende Maßstab ist aber weder die Warenform noch eine ihrer Seiten, der Gebrauchs- oder der Tauschwert. Marx beginnt das Kapital mit dem Satz: „Der Reichthum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine ‚ungeheure Waarensammlung‘, die einzelne Waare als seine Elementarform“ (MEGA² II,: ). Der erste und damit thematische Maßstab ist der ‚Reichtum der Gesellschaften‘ – eine offenkundige Anspielung auf Adam Smiths Wealth of Nations. So unschuldig der Begriff wirkt, ruft man sich in Erinnerung, dass Reichtum der Überschuss über das Nötigste ist, so wird bereits mit den ersten Worten die Stoßrichtung der Kritik der politischen Ökonomie vorgegeben: Es geht um die Aneignung des Mehrprodukts. In Gesellschaften, in denen kapitalistische Produktionsweise herrscht, hat dieses Mehrprodukt die Form des Mehrwerts. Bereits die historische Spezifik des Gegenstandes der Kritik der politischen Ökonomie straft also die Fiktion einfacher Warenproduktion ohne Mehrwertaneignung Lüge (vgl. Rakowitz ). Marx beginnt also deshalb mit der Zirkulationsanalyse, weil er gerade keine systematische Darstellung oder immanente Kritik der kapitalistischen Produktionsweise schreibt, sondern eine kritische Darstellung des ‚Reichtums der Gesellschaften‘. Eine systematische Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise müsste zwar ebenfalls mit der Ware beginnen, jedoch mit derjenigen konkreten Ware, mit welcher die Zirkulationsanalyse endet: dem zur Ware gewordenen Arbeitsvermögen. Die Pointe an der Warenform der Arbeitsvermögen ist deshalb, Auch andere Erklärungsversuche des Anfangens mit der Zirkulationsanalyse überzeugen nicht. Marx selbst gibt im Vorwort schließlich zu, dass die Darstellung den Einstieg nicht erleichtert (MEGA²
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dass es sich bei ihrem verwirklichten Gebrauchswert gerade um den Verwertungsprozess handelt, in welchem die Arbeitskraft als tauschwertsetzende Arbeit verausgabt wird. Das zentrale Ergebnis der Zirkulationsanalyse ist, dass die Mehrwertaneignung wegen dieser Identität von Tauschwert und Gebrauchswert im Arbeitsvermögen „die Gesetze des Waarentausches in keiner Weise verletzt“, insofern „Aequivalent […] gegen Aequivalent ausgetauscht“ wird (MEGA² II,: ). Hierauf zielen die Analysen des absoluten und des relativen Mehrwerts ab: Das Maß der Mehrwertaneignung ist nicht die im Arbeitsprodukt vergegenständlichte Arbeitszeit, sondern der Aufwand der Reproduktion des Arbeitsvermögens im Verhältnis zum Arbeitstag. Insofern wäre es falsch, Marx ein unkritisches Anknüpfen an die Arbeitswertlehre Ricardos zu unterstellen (vgl. Backhaus ). Die Pointe der Analyse der Zirkulationssphäre ist die Ableitung des Klassenkampfes als einer Rechtsantinomie ihrer Gesetze: Man sieht: von ganz elastischen Schranken abgesehn, ergiebt sich aus der Natur des Waarenaustauschs selbst keine Grenze des Arbeitstags, also keine Grenze der Mehrarbeit. Der Kapitalist behauptet daher nur sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lange als möglich und wo möglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Waare eine Schranke ihres Consums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet daher nur sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will. Es findet hier also eine Antinomie statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Waarenaustauschs besiegelt. Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt. Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normirung des Arbeitstags als Kampf um die Schranken des Arbeitstags dar – ein Kampf zwischen dem Gesammtkapitalisten, d. h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesammtarbeiter, oder der Arbeiterklasse. (MEGA² II,: ) Diese These, dass der Klassenkampf das Resultat einer Antinomie zweier Rechtsansprüche sei, ist eine schallende Ohrfeige in Richtung der Kritik an der Mehrwertaneignung als einem „legale[n] Betrug“ (MEGA² I,: ). In aller
II,: f.). Gemäß seinem eigenen Theorem, dass die Zirkulationssphäre unter dem Primat der Produktionsverhältnisse steht, hat die Zirkulation keine sachliche Priorität vor der Produktion, gemäß dem Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation aber auch keine historische. Der ‚allgemeinste und höchste‘ Begriff der kapitalistischen Produktionsweise ist ebenfalls nicht die Ware, sondern das Kapital. Unmittelbar ist die Ware nur für die Erfahrung der Individuen, die bereits mit beiden Beinen in der kapitalistischen Produktionsweise stehen. Ein Letztes ist die Warenzirkulation ebenso wenig, sonst hätte Marx nicht noch einen zweiten Band über die Zirkulation des Kapitals schreiben müssen.
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Deutlichkeit nimmt Marx hiermit das zentrale Theorem zeitgenössischer sozialistischer Positionen in die Kritik: das Recht auf den vollen Arbeitsertrag. Dieses Recht ist jedoch eine direkte Konsequenz aus dem Entäußerungsmodell der Arbeit. Wenn mit ‚Entfremdung‘ eine „Dissoziation von ursprünglich (der Zeit oder dem normativen Maßstab nach) Zusammengehörigem bezeichnet wird“, dann freilich läge der Schluss nahe, „daß Marx offenbar den Arbeitsbegriff auf hervorbringendes, poietisches, ein materielles Produkt produzierendes Tun festlegt“ (Lange , f.). Damit ist aber die intentionale Aneignung durch materielle Arbeit als die ursprüngliche Aneignungsform unterstellt, es bestehe also ein Recht auf das materielle Arbeitsprodukt als ‚Werk meiner Hände‘ (vgl. Locke [] , f.). Tritt zwischen Arbeiter und Arbeitsprodukt mit der Arbeitsteilung die Zirkulationssphäre, so erweitert sich dieses Recht auf das wertmäßige Äquivalent des Arbeitsproduktes, den vollen Arbeitsertrag. Von diesem Standpunkt aus muss die Mehrwertaneignung tatsächlich als legaler Betrug erscheinen. Dagegen entspräche demnach die Aufhebung der Mehrwertaneignung die wahre Verwirklichung des Äquivalententausches, insofern hier das Recht auf den vollen Arbeitsertrag realisiert wäre. Wie gesagt, verbleibt diese Auffassung der Sphäre des abstrakten Rechts verhaftet und hat einen Begriff von Arbeit als einem Stoffwechsel zwischen individuellem Menschen und Natur, welchem das Rechtsverhältnis von Person und Sache entspricht. Deshalb ist es nicht der Nachweis der Legalität eines Betrugs, an dem Marx im Übergang von der Zirkulationsanalyse zur Produktionssphäre festhält. Man darf ihn beim Wort nehmen, wenn er schreibt: Die Sphäre der Cirkulation oder des Waarenaustauschs, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der That ein wahres Eden Anton Menger, ein Kenner und Kritiker der sozialistischen Literatur des . Jahrhunderts, hat das Recht auf den vollen Arbeitsertrag als das ökonomische Kardinaltheorem des größten Teils der sozialistischen Theorie benannt und damit auf ihre Nähe zur Rechtsphilosophie hingewiesen (vgl. Menger , III). Dagegen hat Karl Kautsky in dem von Engels redigierten Artikel Juristen-Sozialismus die Behauptung zurückgewiesen, auch Marx habe sich dieses Recht zu eigen gemacht (vgl. MEGA² I,: – ). Ausdrücklich hat dieser die Forderung nach dem vollen Arbeitsertrag in seinen Randglossen zum Gothaer Programm kritisiert. Da die Forderung hier jedoch die Verwirklichung dieses Rechts im Sozialismus betrifft, bedient er sich anderer Argumente als in der Kritik am Recht auf den vollen Arbeitsertrag im Kontext der kapitalistischen Produktionsweise (vgl. MEGA² I,: – ). Zur Geschichte dieser Forderung in der englischen Arbeiterbewegung siehe Schrader (, – ). Noch Adorno hält in seiner Kritik am Tauschprinzip hieran fest. Prägnant ist diese These in einem Protokoll des Seminars Der Begriff der Gesellschaft aus dem Wintersemester / formuliert: „Im Begriff des Tausches ist das Äquivalenzprinzip mitgesetzt. Die Analyse der politischen Ökonomie zeigt aber, daß das Prinzip der Äquivalenz schon an seinem Ursprung verletzt ist, indem es eingehalten wird. Der Begriff der Tauschgesellschaft sei als immanent kritischer zu sehen. Der Tausch der Arbeitskraft sei schon kein Äquivalententausch mehr. In einer nicht ausbeutenden Gesellschaft könnte der Tausch als äquivalenter realisiert werden“ (zit. nach Braunstein , ; vgl. auch Adorno , ).
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der angebornen Menschenrechte. Was allein hier herrscht ist Freiheit, Gleichheit, Eigenthum, und Bentham. (MEGA² II,: ) Die erste ausdrückliche Kritik am Recht auf den vollen Arbeitsertrag findet sich im geschriebenen Urtext zum ein Jahr später veröffentlichten ersten Heft Zur Kritik der politischen Ökonomie. Die eigene Arbeit als ursprünglicher Aneignungsprozess werde angenommen, sofern die Arbeitsprodukte als Gebrauchswerte unterstellt werden (vgl. MEGA II,: f.). Noch im Tauschwert sei das insofern enthalten, als der Tauschwert unmittelbar nur als ein Gebrauchswert aus fremder, statt eigener Arbeit gelte. Daher scheine in der Zirkulationssphäre überhaupt nur zu beobachten zu sein, wie „das Eigenthum an der eignen Arbeit in Eigenthum an der gesellschaftlichen Arbeit verwandelt“ werde (MEGA II,: ). Innerhalb der ‚Eigentümlichkeiten der Äquivalentform‘ im Anhang zur Erstauflage des Kapital macht Marx allerdings darauf aufmerksam, dass es sich um eine verkehrte Auffassung handelt, wenn der Tauschwert bloß als fremde Privatarbeit erscheint (MEGA², II,: f.). Die Aneignung von Arbeitsprodukten als Waren bedeute, dass ihr Produktionsprozess immer schon Verwertungsprozess sei, sie also nicht die Verwirklichungen konkreter, sondern abstrakter Arbeit seien. Das Arbeitsprodukt als Ware ist also nicht das eines individuellen Arbeiters, sondern Exemplar des gesellschaftlichen Gesamtprodukts der arbeitenden Klasse. Dann ist aber die Aneignung durch Arbeit im Sinne des intentionalen Aneignungsmodells für niemanden mehr die ursprüngliche Form. Schließlich eignet die arbeitende Klasse nur durch ihren Lohn über die Zirkulationssphäre die Lebensmittel als Exemplare der gesellschaftlichen Gesamtarbeit an und die Klasse der Eigentümer muss die unmittelbaren Arbeitsprodukte zunächst in der Zirkulationssphäre entäußern. Gibt es unter kapitalistischer Produktionsweise aber keine Besitznahme mehr, durch welche ein Stück Natur direkt angeeignet wird, keine Arbeit, die individuelles Eigentum begründen würde, ist jede Aneignung eines Arbeitsprodukts immer bereits über die Zirkulationssphäre vermittelt und unter kapitalistischer Produktionsweise nicht mehr die Aneignung durch Arbeit die ursprüngliche – dann vollzieht sich Aneignung allein durch die kapitalistische Produktion und Warenzirkulation. Marx verweist aber immer wieder darauf, dass diese Produktions- und Zirkulationsweise immer schon unter der Voraussetzung der Klassenstruktur der bür Marx unterstreicht dies auch noch einmal im Kapitel über die Akkumulation in der überarbeiteten französischen Fassung: „Néanmoins elle amème ce résultant: ° Que le produit appartient au capitaliste et non au producteur; ° Que la valeur de ce produit renferme et la valeur du capital avancé et une plus-value qui coûte du travail à l’ouvrier, mais rien au capitaliste, dont elle devient la propriété légitime ; ° Que l’ouvrier a maintenu sa force de travail et peut la vendre de nouveau si elle trouve acheteur“ (MEGA² II,: ). Auf die Nachweise der Unterschiede, die zwischen den Fassungen von , und bestehen, wird hier der gebotenen Kürze wegen verzichtet.
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gerlichen Gesellschaft stehe. Erst wenn alle Produktionsmittel bei einer Gruppe der Gesellschaft monopolisiert sind, bleibe der restlichen Gruppe nichts anderes mehr übrig, als die eigenen Arbeitsvermögen zu verkaufen. Somit sei das ursprüngliche Aneignungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise dasjenige, unter dem nicht nur ein Wertäquivalent des eigenen Arbeitseinsatzes aufseiten der Mitglieder der arbeitenden Klasse, sondern darüber hinaus auch der Mehrwert vonseiten der Eigentümerklasse angeeignet wird. Das ist, was Marx ab der zweiten Auflage des ersten Bandes des Kapital mit ‚Umschlag der Eigentumsgesetze der Warenproduktion in Gesetze der kapitalistischen Aneignung‘ betitelt hat. Der Austausch von Aequivalenten, der als die usprüngliche Operation erschien, hat sich [in der Akkumulation] so gedreht, daß nur zum Schein ausgetauscht wird, indem erstens der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitaltheil selbst nur ein Theil des ohne Aequivalent angeeigneten fremden Abeitsproduktes ist, und zweitens von seinem Producenten, dem Arbeiter, nicht nur ersetzt, sondern mit neuem Surplus ersetzt werden muß. Das Verhältniß des Austausches zwischen Kapitalist und Arbeiter wird also nur dem Cirkulationsprozeß angehöriger Schein, bloße Form, die dem Inhalt selbst fremd ist und ihn nur mystificirt. […] Ursprünglich erschien uns das Eigenthumsrecht gegründet auf eigne Arbeit. […] Eigenthum erscheint jetzt, auf Seite des Kapitalisten, als das Recht fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters, als Unmöglichkeit, sich sein eignes Produkt anzueignen. Die Scheidung zwischen Eigenthum und Arbeit wird zur nothwendigen Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging. (MEGA² II,: f.; vgl. MEGA² II,: ) Deutlicher könnte man die Kritik am Recht auf den vollen Arbeitsertrag nicht aussprechen. Es breche in sich zusammen, sobald die Individuen als „Personifikation ökonomischer Kategorien […], Träger von bestimmten Klassenverhältnissen und Interessen“ (MEGA² II,: ) aufgefasst werden. Dennoch – auch darin ist Marx unmissverständlich – handle es sich hierbei nicht bloß um einen unvermeidlichen Irrtum, kein notwendig falsches Bewusstsein oder gesellschaftlich notwendigen Schein. Insofern sich die Individuen in der Zirkulationssphäre frei von diesen Klassenverhältnissen gegenübertreten, würden tatsächlich keine Gesetze des Äquivalententausches verletzt: Was ist ‚gerechte‘ Vertheilung? Behaupten die Bourgeois nicht, daß die heutige Vertheilung ‚gerecht‘ ist? Und ist sie in der That nicht die einzige ‚gerechte‘ Vertheilung auf Grundlage der heutigen Productionsweise? Werden die ökonomischen Verhältnisse durch Rechtsbegriffe geregelt oder entspringen nicht umgekehrt die Rechtsverhältnisse aus den ökonomischen? Haben nicht auch die socialistischen Sektirer die verschiedensten Vorstellungen über ‚gerechte‘ Vertheilung? […] [A]us dem ersten Paragraphen ersehn wir, daß ‚der Ertrag der
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Arbeit unverkürzt, nach gleichem Rechte, allen Gesellschaftsgliedern gehört‘. ‚Allen Gesellschaftsgliedern?‘ Auch den nicht Arbeitenden? wo bleibt da ‚der unverkürzte Arbeitsertrag‘? Nur den arbeitenden Gesellschaftsgliedern? Wo bleibt da ‚das gleiche Recht‘ aller Gesellschaftsglieder? (MEGA² I,: ) Eine moralisierende Kritik an der kapitalistischen Produktionsweise sei also nicht nur wirkungslos, sondern auch am Kern der Sache vorbei. Unter kapitalistischer Produktionsweise bestehe das Zwangsverhältnis nicht in erster Linie zwischen den Klassen. Die Eigentümerklasse herrsche über die arbeitende Klasse nur, sofern ihre Mitglieder Personifikationen des Kapitals seien. Das Zwangsverhältnis ist in diesem Sinne eines zwischen der verselbstständigten Produktionsweise einerseits und den Menschen andererseits. Mit der Verselbstständigung der Produktionsweise würden fortschreitend die öffentlichen Angelegenheiten durch die ökonomische Rationalität des Betriebes überformt. Damit werden die zwei Sphären assimiliert, die einander dem antiken Verständnis nach ausschließen: Die Herauslösung des Betriebes aus dem οἶκος führt schließlich zur Bürokratisierung und Entpolitisierung der πόλις. Die innerhalb der Frankfurter Traditionslinie vieldiskutierte Frage nach dem Primat der Wirtschaft vor der Gesellschaft (vgl. Demirović , – ) ist also bereits bei Marx weniger eindeutig beantwortet, als es in der marxistischleninistischen Orthodoxie von Basis und Überbau den Anschein hat. Marx nimmt das Recht als Institution in seinem Geltungsanspruch ernst, kritisiert es aber gerade aus diesem Grund, insofern es die zugrundeliegenden ökonomischen Verhältnisse rechtlich ausführe. Einerseits stimmt er Hegel zu, dass Freiheit und Gleichheit in den Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat verwirklicht sind; deshalb sei mit ihnen aber auch die Grenze markiert, bis zu der die politische Emanzipation fortschreiten kann. Rosa Luxemburg hat diesen Gedanken gegenüber Eduard Bernstein deutlich pointiert: „Wie also die Lohnsklaverei ‚auf gesetzlichem Wege‘ stufenweise aufheben, wenn sie in den Gesetzen gar nicht ausgedrückt ist?“ (Luxemburg [] , ) Marx’ Kritik am Recht und der Philosophie des Rechts bei Hegel sind nicht davon zu trennen, dass er sie für Wirklichkeit hält, jedoch ihre idealisierende Verblendung ablehnt. In der Kritik der politischen Ökonomie führt Karl Marx diejenige rechts- und staatsphilosophische Grundlagenreflexion fort, die er in Auseinandersetzung mit den philosophischen Diskussionen seiner Gegenwart zu Beginn der er Jahre als Kritik an Hegel begonnen hatte: Das Entäußerungsmodell der Arbeit und das Recht auf den vollen Arbeitsertrag sind Anachronismen.
Insofern Marx also bloß die Unabhängigkeit der Wertmaßstäbe vor der beurteilten Sache ablehnt, ist er auch kein Immoralist (anders Wood ).
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GA
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GW
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MEGA Friedrich Engels und Karl Marx. Gesamtausgabe. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU u. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Seit herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin ff. MEW
Karl Marx und Friedrich Engels. Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Berlin, ff.
SW
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Franz Heilgendorff und Marco Kleber DAS RECHT DER ÖKONOMIE Die Methode der Rechtsphilosophie und die Hegel-Kritik von Marx
ABSTRACT:
Taking into account the complex debate concerning Hegel’s Elements of the Philosophy of Right, its relation to his Science of Logic, and its criticism by Marx who continues Hegel’s method in his Critque of Political Economy, this contribution develops three new thematic fields to demonstrate whether Marx’s criticism helps to explain how the method and the basic concepts of the Philosophy of Right may be able to establish a critical theory of modernity: Firstly, both Hegel and Marx consider the categories of modern law to be ‘realized’ in bourgeois society which by necessity leads to its ‘pathologic’ phenomena. Secondly, it is put into question why Marx understands modern society as a ‘system of labor’, whereas Hegel understands it as a ‘system of needs’, by investigating that Marx performs a fundamentally different operationalization of Hegel’s logical forms (like the ‘singular’, the ‘particular’ and the ‘universal’) than in Hegel himself. Thirdly, the question is answered how logical-dialectical forms of thought may apply to (social) reality at all.
Als die Grundlinien der Philosophie des Rechts erstmals erschienen, war das königliche Preußen noch von einer vorindustriell-agrarischen Produktionsweise bestimmt und Hegel kannte den historisch neuen Typus einer marktvermittelten Arbeits- und Industriegesellschaft in England allenfalls durch die Schriften der politischen Ökonomen Smith, Ricardo und Say (Ellmers/Herrmann , ). Inwiefern also die Grundlinien es rechtfertigen, ihren Autor den „ersten Philosoph“ zu nennen, „für den die Moderne zum Problem geworden ist“ (Habermas , ), ist seit dem Erscheinen umstritten. Insbesondere betraf und betrifft dieser Streit um die Aktualität Hegels als eines Denkers der Moderne das Verhältnis zwischen der Rechtsphilosophie und der Wissenschaft der Logik, welche nach dem Selbstverständnis Hegels die in der Rechtsphilosophie angewendete dialektische Methode begründet. In Rudolf Hayms Hegel und seine Zeit, einem Buch, auf welches zahlreiche der manchmal auch heute noch geläufigen Verurteilungen Hegels als eines ‚preußischen Staatsphilosophen‘ und eines ‚Ideologen der Restaurationszeit‘ zurückgeführt werden (vgl. Schnädelbach , ), ist zu finden, dass Hegels philosophisches System „revolutionär in seinem logischen“, aber „conservativ in seinem praktischen Theile“ sei (Haym [] , ). Hierin liegt eine große Würdigung der begrifflichen Explikationen, welche die Wissenschaft der Logik leistet. Die kontemporäre Hegel-Forschung wird hingegen durch das umgekehrte Vorurteil belastet, nämlich dass die Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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Logik, „uns aber aufgrund ihres ontologischen Begriffs des Geistes inzwischen vollkommen unverständlich geworden“ sei (Honneth , ) und dass vielmehr die Rechtsphilosophie die „Sphären reziproker Anerkennung“ entwerfen würde, welche für die „moralische Identität moderner Gesellschaften konstitutiv“ seien (Honneth , ). Hiermit ist jedoch ein Zugriff auf Hegel versperrt, wie er von Karl Marx entwickelt wurde und daran anschließend bis heute vertreten wird. Dieser betrachtet Hegels Logik als fundamental für das Verständnis der modernen Gesellschaft, da sich durch sie die Bewegungsprinzipien des Kapitalismus beschreiben ließen (vgl. Postone , ; Smith , ). Marx schreibt über die Dialektik bei Hegel, dass dieser „ihre allgemeinen Bewegungsformen zuerst in umfassender und bewußter Weise dargestellt hat“ (MEGA II,: ). Da Marx auch die philosophische Methode seines Hauptwerks Das Kapital als logisch-dialektische verstanden hat, liegt es nahe, dessen Kritik als ‚Anwendungen‘ der Denkformen der Wissenschaft der Logik zu verstehen. Zumindest können die Kategorien der Logik Hegels (wie Identität, Unterschied, Widerspruch etc.) bei Marx nachgewiesen werden, sodass angenommen wird, Marx verfahre „nicht anders als Hegel in seiner Realphilosophie, wenn er die logischen Kategorien ins Spiel bringt“ (Arndt , ). Dies gelte nach Arndt auch angesichts der Tatsache, dass Marx mit seinem Bezug auf Hegel „zugleich eine grundlegende Kritik verbinden möchte“ (Arndt , ). Für Marx hat Hegel nämlich als erster die „Bewegungsformen“ der dialektischen Methode entwickelt, obgleich der „Mystifikation, welche die Dialektik in Hegel’s Händen erleidet“ (MEGA II,: ). Auch wenn sie in ihrer „mystificirten Form […] das Bestehende zu verklären schien“, sei sie doch „ihrem Wesen nach kritisch und revolutionär“ (MEGA II,: ). Es wäre naheliegend, diese beiden von Marx (und Engels, MEW : ff.) der Philosophie Hegels zugeschriebenen entgegengesetzten Eigenschaften, sowohl kritisch-revolutionär als auch mystifizierend-verklärend zu sein, Rudolf Haym folgend auf die Logik einerseits und die Rechtsphilosophie andererseits zu verteilen. Von der marxistischen Tradition wurde daher der Logik als eines Fundaments, von dem aus das Kapital zu verstehen sei (LW , ; Rosental , , ), weitaus größeres Gewicht eingeräumt als dem Verhältnis zwischen Hegels Rechtsphilosophie und Marx’ Kapital. Beispielsweise führt Tony Smith aus, dass zwar Hegels Logik zu einem Verständnis des Kapitalismus beiträgt, jedoch die Rechtsphilosophie ihre Gegenstände nicht adäquat erfassen könne, da in ihr das Kapital nicht begriffen werde und die gesellschaftlichen Institutionen nur, als den Individuen und ihren Bedürfnissen dienlich, auf falsche Weise normativ gerechtfertigt werden würden (Smith , f.). Diese im kontemporären Marxismus angesiedelte Zugriffsweise auf Hegel hat eine Ähnlichkeit zu der ‚anerkennungstheoretischen‘ Reaktualisierung der Rechtsphilosophie, insofern beide diese Philosophie als normative Ethik interpretieren, nur dass Hegels vermeintlicher Normativismus das eine Mal in ideologiekritischer Absicht ver-
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worfen, das andere Mal zu dem vertretbaren Kerngehalt der Rechtsphilosophie erklärt wird. Die kritische Funktion derselben liegt jedoch nicht in einem normativen Maßstab, an dem gesellschaftliche Entwicklungen äußerlich gemessen und ein Urteil über sie gefällt werden könnte, sondern in ihrer – noch zu entfaltenden – immanenten Kritik. Um die Rechtsphilosophie als Grundlage einer dialektischen Kritik der Moderne begreifbar zu machen und nicht auf eine anerkennungstheoretische Ethik zu limitieren, kann Marx als Anknüpfungspunkt genutzt werden. Denn in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie würdigt er diese als „kritische Analyse des modernen Staats“ sowie als „entschiedene Verneinung der ganzen bisherigen Weise des deutschen politischen und rechtlichen Bewußtseins“ (MEGA I,: ). Marx hat also die Rechtsphilosophie ebenso wie die Logik als ‚kritisch‘ und ‚revolutionär‘ verstanden und als Anknüpfungspunkt genutzt. Zugleich wollte er dabei aber die ‚mystifizierte‘ Form überwinden, in welcher sich bei Hegel die philosophische Wahrheit befinden würde. Dies zu überprüfen, kann auch als Herausforderung für die gegenwärtige Hegel-Forschung angesehen werden, insbesondere wenn wie bei Vieweg () der Versuch unternommen wird, die Rechtsphilosophie vor dem Hintergrund der Logik in ihrer Tiefenstruktur zu verstehen. Wird also die Frage nach der Aktualität von Hegels ‚Theorie der Moderne‘ gestellt, so gehört zu den anhaltenden Streitpunkten dieser Debatte das Verhältnis zwischen Logik und Rechtsphilosophie. Es stellt sich die Frage, ob nur das erstere (z. B. im Sinne eines kontemporären Marxismus) oder nur das letztere (z. B. im Sinne Honneths) der beiden Teile von Hegels philosophischem System heute noch systematisch rehabilitierbar ist – oder beide, da die Logik die Rechtsphilosophie zu fundieren im Stande ist (z. B. im Sinne Viewegs). Diese Forschungslage wird noch komplexer, wenn man auch nur ansatzweise die Diskussionen und resultierenden widersprüchlichen Positionen innerhalb des akademischen Marxismus, die den Zusammenhang von Hegels Logik und Marx’ Kapital untersuchen, einbezieht (z. B. Backhaus ; Arthur ; Arndt , ; Haug ; ; Moseley/Smith ; Wolf ). Umstritten ist, ob die Logik unverzichtbar für ein Verständnis des Kapitalismus ist und ob Marx’ Kapital im selben Verhältnis zur Logik steht wie die Rechtsphilosophie für Hegel. Da kaum ein Ende dieser Debatten abzusehen ist, scheint es sinnvoll, aus den Desideraten der Marx- und Hegel-Forschung neue Fragestellungen zu entwickeln, die sich an dem in diesen Auseinandersetzungen sedimentierten Erkenntnisinteresse orientiert: der Analyse der komplexen Formen der bürgerlichen Gesellschaft. Daher soll an diesen gemeinsamen Gegenstand die Frage gestellt werden, wie eine vernünftige Vermittlung zwischen Hegels und Marx’ methodischem Zugriff aussehen könnte. Anstelle, wie vorherrschend, ‚revolutionäre‘ Methode und ‚konservatives‘ System, Form und Inhalt voneinander abzutrennen, soll die Hegel-Kritik von Marx erklären, weshalb diese Aufspaltung zu kurz greift und nicht nur die Methode, sondern auch die systematischen
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Grundbegriffe von Hegels Rechtsphilosophie eine Theorie der Moderne zu begründen im Stande sind. Hierzu soll zunächst gezeigt werden, wie Marx’ Kritik der politischen Ökonomie als kritische Fortführung der hegelschen Theorie der Moderne begriffen werden kann: Beide Autoren begreifen das gesellschaftliche Basisverhältnis in der Moderne als ein ökonomisches Verhältnis des ‚Werts‘ und zeigen, dass auch die modernen Rechtskategorien in dem ökonomischen Bereich ihren Sitz haben; dass das moderne Recht das Recht der Ökonomie ist (I.). Anschließend gilt es, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie die zahlreichen Formulierungen von Marx zu verstehen sind, bei Hegel an „den rationellen Kern in der mystischen Hülle“ anknüpfen zu wollen (MEGA II,: ). Während Hegel die moderne Ökonomie als ein System der Bedürfnisse begreift, zeigt sich dabei, dass Marx die Ökonomie als ein System unabhängig voneinander betriebener Privatarbeiten auffasst. In dieser Differenz lässt sich ein spiegelbildliches Verständnis der dialektischen Denkformen bzw. ihrer Operationalisierung nachweisen: Bei Hegel ist die materielle Tätigkeit der Arbeit ein Einzelnes und das Verhältnis zwischen den Arbeiten, das ideelle ‚Anerkanntsein‘ im Recht, ein Allgemeines. Marx stülpt dieses Verhältnis um: Die Arbeit als materielle Produktion ist das Allgemeine und die Kategorien des Denkens, einschließlich der Rechtskategorien, sind als Einzelne im individuellen Bewusstsein (II.). Zuletzt soll ein Ausblick darauf gegeben werden, was es bedeuten kann, die Logik auf dem Gebiet der Gesellschaftstheorie ‚anwenden‘ zu können, und worin hierbei der Unterschied der dialektischen Logik zu klassischer formaler Logik besteht (III.). I. Das Recht der Ökonomie Sowohl Hegel als auch Marx halten eine einheitliche Deutung des Gesamten einer Epoche für möglich. Dieser Anspruch ist in der begrifflichen Struktur selbst begründet, da der ‚Begriff des Kapitals‘ (bzw. übertragen auf Hegel der ‚Begriff des Rechts‘) eine logische Form bezeichnet: Dass die Struktur der bürgerlichen Gesellschaft nicht „durch ein oder zwei Kategorien ausgedrückt, sondern erst das ganze System die neue Konzeption der ‚Struktur‘ ausdrücken“ kann (Zelený , ). Entscheidend für eine zusammenhängende philosophische Deutung der kapitalistischen Moderne scheint dabei die Frage zu sein, ob es das gibt, was Moishe Postone (, ) die „Basisbeziehungen dieser Gesellschaft“ nennt. Dieses grundlegende, begrifflich erfassbare gesellschaftliche Verhältnis, welches das ganze System strukturiert und somit den Kern des Kapitalismus erfassen soll, ist für Marx in den Kategorien ‚Ware‘, ‚Wert‘ und ‚Kapital‘ ausgedrückt (Postone , ).
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Hier soll gezeigt werden, dass das, was für Marx Ware und Wert ist, für Hegel das Eigentum und die Person darstellt. Eigentümer sind für Hegel Personen, die auf einer strukturellen Ebene als sich in Dingen verwirklichender Wille analysiert werden. Das Eigentum als der Person eigenes Ding stellt das Innere der Personen äußerlich vor. Hierin liegt die Möglichkeit einer Anerkennungsrelation verschiedener Eigentümer begründet – ebenso wie die Gefahr einer Hypostasierung der hieraus ableitbaren normativen Dimension einer anerkennungstheoretischen Sozialphilosophie. Der erste Teil der Rechtsphilosophie widmet sich unter dem Titel „Abstraktes Recht“ dieser das gesellschaftliche Basisverhältnis definierenden Anerkennungsrelation, fragt jedoch noch nicht danach, wie dieses Rechtsverhältnis in der modernen Gesellschaft realisiert ist, das heißt auf welche Weise das ökonomische System durch dieses geformt wird. Die bürgerliche Gesellschaft, insofern sie tatsächlich durch die Form des Eigentums bzw. Wertes, also durch das ‚abstrakte Recht‘ strukturiert ist, ist erst Gegenstand der „Sittlichkeit“. Zwischen beiden Teilen befindet sich in dieser Systematik von Hegels Theorie der Moderne noch die „Moralität“, in welcher „die Person zum Subjecte“ bestimmt ist (GW ,: § ). Analysiert wird hier, wie der Wert als selbstbestimmt ausgedrückter Wille subjektiv erscheint und somit einzelne Handlungen innerhalb der gesellschaftlichen Welt zum Tragen kommen können. Der abschließende dritte Teil ist wiederum dreifach gegliedert in „Familie“, „Bürgerliche Gesellschaft“ und „Staat“, das heißt in eine gesellschaftliche Reproduktionssphäre, in das als ein „System der Bedürfnisse“ (GW ,: § ) verstandene arbeitsteilige System der modernen Ökonomie, und schließlich in eine Sphäre der politischen Organisationsformen. Im Zusammenhang von Marx’ kritischer Fortführung von Hegels Rechtsphilosophie ist hier insbesondere das ‚abstrakte Recht‘ in seiner strukturierenden Funktion für die bürgerliche Gesellschaft von Interesse. Das Eigentum als das Basisverhältnis in der bürgerlichen Gesellschaft zu verstehen, bedeutet für Hegel, ein „System allseitiger Abhängigkeit“ (GW ,: § ) zu kritisieren, in welchem sich die „Allgemeinheit“ als „Form der Besonderheit, so wie als die Macht über sie und ihren letzten Zweck“ erweist (GW ,: § ). Als ‚Besonderheit‘ sind hier die besonderen Interessen und Zwecke der vergesellschafteten Individuen angesprochen, die durch ihre wechselseitige Verwiesenheit vermittels ihrer Bedürfnisse ebendieses System allseitiger Abhängigkeit konstituieren. So gewinnt über die besonderen Individuen im System der bürgerlichen Gesellschaft die verallgemeinerte Abhängigkeit der Eigentümer voneinander eine strukturelle Macht, d. h. ein allgemeiner Zusammenhang aller Gesellschaftsmitglieder formt und strukturiert deren besondere Handlungen und Meinungen. Dieses Allgemeine ist nach Hegel Dem Kapital entspricht augenscheinlich das in GW ,: § angesprochene ‚allgemeine Vermögen‘.
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das Eigentum der Person. Bereits hier wird deutlich, dass eine normative Deutung der Rechtsphilosophie, welcher zufolge Hegel die bürgerliche Gesellschaft und ihre Institutionen hinsichtlich ihrer Eigenschaft evaluiert hätte, ob sie den Bedürfnissen ihrer Mitglieder dienlich sind (Smith , f.) oder ob sie die intersubjektiven Bedingungen von individueller Selbstbestimmung bereitstellen (Honneth , ff.), systematisch zu kurz greift – gleichgültig ob diese Hegel zugeschriebenen normativen Evaluationen als ideologische Rechtfertigungen des Bestehenden verworfen oder als Theorie der sozialen Gerechtigkeit für anschlussfähig erklärt werden. Die Formulierung, dass das ‚Allgemeine‘ über die besonderen Individuen ‚Macht‘ gewinnt, deutet vielmehr darauf hin, dass im Zuge der Herausbildung der Moderne gesellschaftliche Verhältnisse entstanden sind, deren systematischer Zusammenhang sich als Struktur gegenüber den diese konstituierenden Einzelhandlungen verselbständigt. Hegel bezeichnet diesen Zusammenhang zwischen „Allgemeinheit“ (System/Struktur) und „Besonderheit“ (Handlung/subjektivem Zweck) daher explizit „nicht als Freyheit, sondern als Nothwendigkeit“ (GW ,: § ) und betont, dass er „nicht im Bewußtseyn dieser Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft als solcher liegt“ (GW ,: § ). Die Analysen behaupten oder fordern also nicht die individuelle Freiheit der Menschen in den modernen Institutionen, sondern stellen im Gegenteil deren Unterwerfung unter gesellschaftliche Mechanismen fest. Marx begreift diese Verselbständigung gesellschaftlicher Handlungen ebenfalls als ein Gesellschaftlich-Allgemeines, das sich „durch einen gesellschaftlichen Proceß hinter dem Rücken der Producenten festgesetzt“ (MEGA II,: ) oder „als regelndes Naturgesetz gewaltsam durchsetzt“ (MEGA II,: ). Beispielhaft ist dafür das ökonomische System der freien Marktwirtschaft, in welchem privatunabhängig voneinander hergestellte Arbeitsprodukte auf anonymen Märkten ausgetauscht werden, weshalb die Austauschverhältnisse zwischen Produzenten durch die Äquivalenzverhältnisse der von ihnen als Waren produzierten Arbeitsprodukte reguliert werden und den Grad ihrer Bedürfnisbefriedigung bestimmen. Dabei stellt sich das Allgemeine in Form des Wertes vom Standpunkt der Ökonomie im Gegensatz zur Rechtsphilosophie nicht als Wille, sondern als abstrakt menschliche Arbeit dar: „Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werthe gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie thun es.“ (MEGA II,: ) So kommt dem Arbeitsprodukt als für den generalisierten Austausch produzierter Ware eine übernatürliche Werteigenschaft zu, wodurch den Gesellschaftsmitgliedern ihr eigenes systemisches Verhalten zueinander als ein Verhältnis von Sachen erscheint, die sie produzieren und tauschen: „Im Tauschwerth ist die gesellschaftliche Beziehung der Personen in ein gesellschaftliches Verhalten der Sachen verwandelt […].“ (MEGA II,.: ) Arbeitsprodukte jedoch, welche zwischen zwei oder mehreren Menschen nur willkürlich ausgetauscht werden und
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deren Proportionen somit zufällig sind, sind für Marx keine Waren, sondern bleiben Gebrauchsgegenstände (MEGA II,: ) – sie spiegeln als Dinge nicht den Wert als allgemeines gesellschaftliches Verhältnis wider, sondern eine isolierte Beziehung zweier Einzelner. Erst als allgemeines Verhältnis einer generalisierten Warenproduktion hat die „Werthform daher gesellschaftlich gültige Form“ (MEGA II,: ). Auch Hegel erfasst das Gesellschaftlich-Allgemeine, welches in der bürgerlichen Gesellschaft sich gegenüber der Besonderheit gewaltsam durchsetzt, in seiner Eigentumstheorie als den Wert der Sache. Dieser Wert macht die Unterscheidung „zwischen der Substanz der Sache und ihrer Benutzung“ (GW ,: § ) aus. Er bedeutet demnach für Hegel ebenso wie für Marx eine „Spaltung […] in nützliches Ding und Werthding“ (MEGA II,: ) und wird von Hegel im Zusammenhang der Fragestellung eingeführt, wie das Recht der Person in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu existieren beginnen kann, also wie es historisch-tatsächlich zu einem strukturellen Aspekt des Gesellschaftssystems werden kann. Die Person beginnt demnach in der Realität zu existieren, wenn sie sich im Eigentum „eine äußere Sphäre ihrer Freyheit geben“ kann (GW ,: § ). Hierzu muss der Wille in einer spezifischen Relation zu der Sache stehen, welche dieser Sache ihre substantielle Wertgegenständlichkeit im Unterschied zu ihrer Nützlichkeit (ihrem ‚Gebrauchswert‘) verleiht. Weder die Besitznahme (GW ,: §§ – ), noch der Gebrauch der Sache (§§ – ) oder die Entäußerung des Eigentums (§§ – ) für sich und auch nicht ihre abstrakte Betrachtung als unterschiedlicher, nebeneinander stattfindender Handlungen kann jedoch erklären, wie die Sache zum Eigentum und somit die Person zu ihrer Wirklichkeit gelangt. Die spezifische Wertgegenständlichkeit einer Sache als Eigentum bleibt verborgen, weil diese Vermittlungen nur subjektiv sind. Sie müssen daher ‚übergehen‘ in den Vertrag (GW ,: § ). Erst in diesem erweist sich das Eigentum als ein zwischen Personen bestehendes Ankerkennungsverhältnis, welches über die Sache vermittelt ist und in welcher daher das Allgemeine der Person gegenständlich erscheinen muss. In Marx’ Worten: Obgleich das Individuum A Bedürfniß fühlt nach der Waare des Individuums B, bemächtigt es sich derselben nicht mit Gewalt, noch vice versa, sondern sie erkennen sich wechselseitig an als Eigenthümer, als Personen, deren Willen ihre Waaren durchdringt. (MEGA II,.: ) Diese Verschiedenheit der Sachen drückt zugleich eine gesellschaftliche Beziehung von Bedürfnissen und damit Willen aus. Dieses, so Hegel, „ist der Werth, in welchem die Vertragsgegenstände bey aller qualitativen äußern Verschiedenheit der Sachen einander gleich sind, das Allgemeine derselben“ (GW ,: § ). Der Wert der Sache ist demnach abstrakt oder formal bestimmt als eine, wie es Marx ausdrückt, „übernatürliche Eigenschaft beider Dinge“ und als „etwas rein Gesell-
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schaftliches“ (MEGA II,: ), nämlich ein abstraktes interpersonelles Produktions- und damit auch Anerkennungsverhältnis. Das die abstrakte Person betreffende Recht könnte also nicht historische Realität erlangen, wenn sich dieses Verhältnis zwischen Personen lediglich zufällig zwischen zwei Menschen abspielen würde, welche sich wechselseitig ‚anerkennen‘, indem sie ihre Sachen als Wertgegenstände aufeinander beziehen. In diesem Falle wäre das Eigentumsverhältnis auf eine bloße Dezision dieser einzelnen Akteure reduzierbar und das Gesellschaftlich-Allgemeine qualitativ beliebig bestimmbar – je nachdem, was die Tauschabsicht der zwei beteiligten Einzelnen war. Fehlverständnisse dieser Problematik halten sich auch hartnäckig in Bezug auf den marxschen Wertbegriff, wenn die Mehrheit der Rekonstruktionsversuche mit der Analyse zweier Waren als eines subjektiven Reflexionsverhältnisses anstelle einer Totalität von gleichgesetzten Gebrauchswerten beginnen (Reichelt , , ; Backhaus/Reichelt , ff.; Arthur , ). Dabei geht Marx noch expliziter als Hegel von einer Totalität aus und schreibt zur Analyse überleitend: „Nehmen wir ferner zwei Waaren, z. B. Weizen und Eisen.“ (MEGA II,: ) Der analysierte Wertausdruck zweier Waren – er hätte wohl besser Gebrauchswerte oder Dinge geschrieben – gilt also nur als ein aus dem Mosaik der Wertausdrücke entnommener und stellt damit eine Abstraktion von einer schon immer vorausgesetzten gesellschaftlichen Totalität gleichgesetzter Arbeitsprodukte dar (Heilgendorff , ff.). Zieht man Marx’ Wertbegriff zur Interpretation der Rechtsphilosophie heran, so zeigt sich deutlich: Ein interpersonelles Anerkennungsverhältnis, wie es das Eigentum bzw. der Wert darstellt, kann nicht durch den inneren Entschluss zweier oder mehrerer vereinzelter Individuen zustande kommen. Die einzelne Handlung, welche den Wert auf der individuellen Ebene vorstellen kann, ist daher bei Hegel Gegenstand des darauf folgenden Abschnitts über die ‚Moralität‘ als des auf sich selbst bezogenen Willens. Marx merkt diesbezüglich nur an: „Das allgemeine Interesse ist eben die Allgemeinheit der selbstsüchtigen Interessen“ (MEGA II,.: ). Individuelle Eigenschaften liegen ganz außerhalb der Betrachtung der ökonomischen Form, ihr „individueller Unterschied geht sie nichts an“ (MEGA II,.: ). Interpersonelle Anerkennung wird von Hegel als eine über-individuelle Relation beschrieben, denn in der Person fallen die „Mehrern Personen“, von denen eigentlich nicht geredet werden kann, da „noch kein solcher Unterschied statt findet“, ineinander zusammen. Es ist nur diese abstrakte Identität als der „Gleichheit der abstracten Personen“ vorhanden (GW ,: § ), die sich in der Werteigenschaft der Sache als Eigentum der Person ausdrückt. Ebenso fasst Marx die einzelne Person nur als Ausdruck der durch die gesellschaftlichen Beziehungen bestimmten Person schlechthin: „Als Subjekte des Austauschs ist ihre Beziehung daher die der Gleichheit. Es ist unmöglich irgendeinen Unterschied oder gar Ge-
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gensatz unter ihnen auszuspüren, nicht einmal eine Verschiedenheit.“ (MEGA II,.: ) Die logische Schreibweise für diese abstrakte Identität lautete in der damaligen philosophischen Logik ‚A=A‘. Dies ist nach Hegel ein logischer Satz, welcher zunächst nur „eine abstracte, unvollständige Wahrheit enthalte“ (GW : ). Durch das abstrakte Recht ist das Individuum auf diese abstrakte Gleichheit mit allen anderen Individuen reduziert, als welche ‚die Person‘ existiert. Diese Abstraktion geschieht also, sowohl bei Marx als auch bei Hegel, reell im Warentausch. Noch expliziter als Hegel spricht daher Marx von den „Charaktermasken der Personen“, insofern die abstrakte Person nur durch „Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse“ zustande kommt (MEGA II,: ), als bloßer „indicator ihrer gesellschaftlichen Funktion“ (MEGA II,.: ), womit das „zufällige Verhältniß zweier individueller Waarenbesitzer“ hinwegfällt (MEGA II,: ). Es wurde daher mit Bezug auf Hegel zu Recht darauf hingewiesen, dass der Wortsinn von ‚Person‘ sich aus dem alten Theater herleitet und dort ‚Maske‘ oder ‚Rolle‘ bedeutet, und somit auch im abstrakten Recht der einzelne Mensch auf seine Funktion innerhalb des Eigentumsverhältnisses reduziert wird (Schnädelbach , ). Innerhalb der Hegel-Forschung wurde und wird diese Theorie des Eigentumsrechts (wie auch die ‚Moralität‘) jedoch dahingehend aufgefasst, dass es in ihr um eine Form des individuellen Freiheitsbewusstseins gehen würde (Ilting [] , ), um freie Individuen, die als unabhängig voneinander aufgefasst werden (Neuhouser , ). Hierdurch jedoch erwächst ein Vermittlungsproblem mit Hegels Theorie der bürgerlichen Gesellschaft, welche er ja explizit als System der Unfreiheit beschrieben hat. Wie aber kann die Moderne sowohl als Verwirklichung des abstrakten Rechts und der Freiheit als auch, um es zu wiederholen, als „System allseitiger Abhängigkeit“ aufgefasst werden (GW ,: § )? Dieses Problem tritt bei Kervégan deutlich hervor: Das abstrakte Recht legt also die Grundstruktur der durch Sachen vermittelten zwischenmenschlichen Beziehungen fest […]. Sie bietet das Bild von einer möglichen Gesellschaft von Personen, ‚die nur als Eigentümer füreinander Dasein‘ haben, doch eine solche Gesellschaft ist eben nur eine Abstraktion bzw. Idealisierung der bestehenden politischen bürgerlichen Gesellschaft. Als aufmerksamer Beobachter der sich in England vollziehenden wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen ist sich Hegel der möglichen pathologischen Folgen einer ungleichen Umsetzung dieser formellen rechtlichen Gleichheit vollkommen bewusst […]. Allerdings wäre es irrig, vom Recht die Lösung eines Problems zu verlangen, dessen Ursache es nicht ist […]. (Kervégan , ; vgl. GW ,: § ) Dieser Diskussionspunkt lässt sich mit einer Debatte parallelisieren, welche in der Marx-Forschung geführt wird. Postone argumentiert gegen die traditionellerweise
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im Marxismus verbreitete Annahme, dass Marx im ersten Abschnitt des Kapital über „Ware und Geld“ ein vorkapitalistisches Gesellschaftsmodell betrachten würde, welches auf freiem Wettbewerb beruhe und in welchem daher die menschliche Arbeitskraft noch nicht ausgebeutet werden würde. Postone betont demgegenüber, dass Marx bereits mit den Kategorien ‚Ware‘ und ‚Wert‘ den Kern des Kapitalismus erfassen will (Postone , f.). Dies trifft sich auch mit Marx’ Selbsteinschätzung, dass es sich bei der Abfolge der Kategorien „nicht um das Verhältniß“ handelt, „das die ökonomischen Verhältnisse in der Aufeinanderfolge verschiedener Gesellschaftsformen historisch einnehmen“ (MEGA II,.: ). Marx wertet vielmehr die auch bei Kervégan angerufene Idealisierung der bürgerlichen Gesellschaft ab: Er spricht ironisch vom „paradise lost des Bürgerthums, wo die Menschen sich noch nicht als Kapitalisten, Lohnarbeiter, […] u.s.w., sondern nur als einfache Waarenproducenten und Waarenaustauscher gegenübertraten“ (MEGA II,: ). So wird klar, dass es sich bei der Analyse von Ware und Wert wie auch dem ‚abstrakten Recht‘ weder um eine historische Ordnung noch eine Idealisierung der bürgerlichen Gesellschaft handeln kann. Vielmehr sind diese abstrakten Analysen und ihre Kategorien, wie Marx sagt, „durch die Beziehung“ bestimmt, „die sie in der modernen bürgerlichen Gesellschaft auf einander haben“ (MEGA II,.: ). Steht bei Hegel dieser Nachweis noch aus, wie die Ebene des ‚abstrakten Rechts‘ darstellungslogisch mit der Analyse der bürgerlichen Gesellschaft verbunden ist, so hat zumindest Dieter Wolf () für Marx die Vermittlungsschritte herausgearbeitet, die das Verhältnis zwischen Wertabstraktion und kapitalistischem Produktionsprozess bestimmen. Sowohl im Marxismus als auch in der Hegel-Forschung hält sich allerdings dieses Vorurteil einer vorausgesetzten ‚idealisierenden‘ Analyse und Kervégan bestimmt z. B. das ‚abstrakte Recht‘ als ein Idealbild, welches selbst nicht die Ursache der gesellschaftlichen Negativität in der bürgerlichen Epoche sei. In einem System aber, welches auf generalisierter Warenproduktion beruht, und in dem die Austausch- und Produktionsverhältnisse durch die Äquivalenzverhältnisse zwischen Waren reguliert werden, ergibt sich gerade keine Form anerkennungstheoretischer Normativität, sondern notwendige ‚pathologische‘ Konsequenzen. Es verselbstständigt sich die Relation der abstrakten Freiheit und Gleichheit zwischen Eigentümern zu einem gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang, welcher durch die einzelnen Akteure nicht mehr beherrschbar ist. Hegel und Marx nehmen hier also einen dialektischen Standpunkt ein: Gerade aufgrund der nur über das Eigentum vermittelten gesellschaftlichen Anerkennungsverhältnisse zwischen Personen als der Grundstruktur der bürgerlichen Gesellschaft (Hegel) bzw. aufgrund der Äquivalenzverhältnisse zwischen Waren, die als Werte gleichgelten und von den Produzenten als Personen getauscht werden (Marx), ist die moderne Gesellschaft ein System allseitiger Abhängigkeit. Freiheit schlägt in Unfreiheit um, indem sie sich als abstraktes Recht in einem Gesellschaftssystem
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verwirklicht, das gesellschaftliche Zwangsverhältnisse impliziert. So ergibt sich nicht nur die Notwendigkeit erzwungener Steuerabgaben, da der zur Wahrung der allgemeinen Interessen bestimmte allgemeine Stand der Arbeit „durch Privatvermögen oder dadurch enthoben seyn“ muss, „daß er vom Staat, der seine Thätigkeit in Anspruch nimmt, schadlos gehalten wird“ (GW ,: § ), sondern auch „die Abhängigkeit und Noth der an die Arbeit gebundenen Classe“ (GW ,: § ). Überdeutlich hat dies Hegel bereits in seiner Jenaer Philosophie auf den Punkt gebracht: „[I]ch werde gezwungen, Person zu seyn“ (GW : ). ‚Gezwungen‘ ist der Einzelne zum Person-Sein, da er als Produktionsagent seine Ware zu einem Preis verkaufen können muss, welche ihrem ‚Wert‘ entspricht; das gleiche gilt für den Lohnabhängigen, der seine ‚Arbeitskraft‘ ebenfalls als ‚Ware‘ veräußern muss. Zentral für diese Erkenntnis ist, dass Hegel bemerkt, dass unter der Bedingung der Versachlichung aller gesellschaftlichen Verhältnisse auch die eigene Tätigkeit von den Gesellschaftsmitgliedern als deren Eigentum auf Zeit veräußert werden kann (vgl. GW ,: § ) und dass sich daher in der Moderne der Begriff des Eigentums auch auf das eigene Ich erstreckt, sodass sich auch „Unternehmer und Arbeiter nicht mehr wie Herr und Knecht im Naturzustande, sondern als Personen zueinander“ verhalten (Ritter , ). Durch die Befreiung des Menschen aus unmittelbaren Herrschaftszusammenhängen in der bürgerlichen Gesellschaft kommt es daher zu neuen abstrakten und anonymen Formen gesellschaftlicher Unfreiheit, wie auch Marx betont (MEGA II,.: f.). Mit Marx kann also erklärt werden, was es bedeutet, dass Hegels Rechtsphilosophie „den Begriff des Rechts und dessen Verwirklichung zum Gegenstande“ hat (GW ,: § ): Das abstrakte Recht der Person hat positive Wirklichkeit in einem Gesellschaftssystem, in dem die allgemeine Warenform „objective Festigkeit und allgemein gesellschaftliche Gültigkeit gewonnen“ hat (MEGA II,: ), das heißt wenn tatsächlich jedes Arbeitsprodukt als Ware jedem anderen Arbeitsprodukt und damit jede Arbeit jeder anderen Arbeit gleichgilt – inklusive der Produktion der eigenen Arbeitskraft als einer veräußerbaren Sache – und daher das Austauschverhältnis durch dieses Prinzip in einer bestimmten historischen Epoche wirklich reguliert wird. Hegel und Marx kommen somit darin überein, dass die modernen Daher ist es unzureichend davon auszugehen, nur Hegel und nicht Marx würde die ‚Verdinglichung‘ des Willens im Eigentum als Voraussetzung der Verwirklichung von Freiheit auffassen und positiv bewerten, und nur Marx und nicht Hegel denselben Strukturzusammenhang als gesellschaftliche Unfreiheit; eine Entgegensetzung, welche dann nur dadurch aufgelöst werden kann, indem Hegels Anerkennungsbegriff als rein normativ interpretiert wird (Quadflieg , ). Marx wäre dann – deskriptiv – für die Gesellschaftsdiagnose zuständig und Hegel für die Normen, an denen wir derart Diagnostiziertes subjektiv bewerten. Doch damit werden Freiheit und Unfreiheit bzw. Verdinglichung, gesellschaftliche Normativität und Faktizität, normative und kritische Sozialphilosophie einander nur undialektisch gegenübergestellt. Wichtig ist hierbei, dass auch bei Marx das Wertverhältnis zwischen getauschten Waren den Sinn der Rechtskategorien ‚Person‘ und ‚Anerkennung‘ definiert (MEGA II.: ).
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Rechtskategorien in dem ökonomischen Bereich ihren Sitz haben; dass das moderne Recht das Recht der Ökonomie ist: „Die Sphäre der Cirkulation oder des Waarenaustausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der That ein wahres Eden der angebornen Menschenrechte.“ (MEGA II,: ) II. System der Bedürfnisse oder System der Arbeiten? Das Recht im modernen Sinne ist das Recht der Ökonomie, das heißt es kommt im ökonomischen Bereich der Warenproduktion und -zirkulation zu seinem abstrakten Gelten. Hier jedoch endet die Übereinstimmung zwischen Hegel und Marx. Während für ersteren das gesellschaftliche Basisverhältnis, welches die ökonomische Funktionsweise der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt, selbst Recht ist, nämlich ‚abstraktes Recht‘, denkt Marx dieses Verhältnis zuerst in rein ökonomischen Kategorien, und die Rechtsbegriffe werden zu ‚Widerspiegelungen‘ dieser ökonomischen Verhältnisse erklärt. Hegel und Marx kennen beide die für die Moderne konstitutive Relation zwischen der Person als eines Rechtstitels und dem Eigentum bzw. dem Warenwert als dessen gesellschaftlicher Verwirklichungsgestalt. Die Formulierungen aber, welche beide Autoren dafür wählen, um dieses Verhältnis zu explizieren, sind einander entgegengesetzt. Bei Hegel muss die Person mit dem Eigentum „sich eine äußere Sphäre ihrer Freyheit geben“ (GW ,: § ), indem sie sich vermittelt über das Eigentum zu einer anderen Person verhält. Marx hingegen formuliert: Um diese Dinge als Waaren auf einander zu beziehn, müssen die Waarenhüter sich zu einander als Personen verhalten […]. Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigenthümer anerkennen. Dieß Rechtsverhältniß, dessen Form der Vertrag ist, […] ist ein Willensverhältniß, worin sich das ökonomische Verhältniß wiederspiegelt. (MEGA II,: ) Während bei Hegel die Person die äußere Sache als Eigentum voraussetzen muss, um sich zu verwirklichen, brauchen bei Marx die Waren, um aufeinander als Äquivalente bezogen werden zu können, umgekehrt die ‚Personen‘ – also Menschen, in deren Bewusstsein sich die Warenform als Rechtsverhältnis ‚widerspiegelt‘. Die Um-Zu-Relation zwischen Recht und Ökonomie, zwischen Person und Ware ist vertauscht. Das eine Mal ist eine ideelle Form auf eine materielle Voraussetzung angewiesen, um sich zu verwirklichen (das Personenrecht auf das ökonomische Eigentumsverhältnis), das andere Mal spiegelt sich das materielle Verhältnis ideell im Bewusstsein wider (die Ware im Willensverhältnis zwischen Personen). Aus der Perspektive von Marx steht also bei Hegel die dialektische Me-
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thode „auf dem Kopf“ und man müsse „sie umstülpen, um den rationellen Kern in der mystischen Hülle zu entdecken“ (MEGA II,: ). So fassen Hegel und Marx beide den Wert als ein in der einzelnen Sache erscheinendes Gesellschaftlich-Allgemeines. Für Hegel aber ist dies Allgemeine der abstrakte Begriff menschlicher Gleichheit überhaupt, für Marx hingegen das in allen als Äquivalente aufeinander bezogenen Waren „wirklich Gleiche“, und dies ist abstrakt menschliche Arbeit (MEGA II,: ). Daher nimmt Marx auch den Standpunkt einer freien Assoziation der Produzenten (vgl. MEW : ) ein, zu der die Wirklichkeit drängt, anstelle der Verwirklichung der ‚sittlichen Idee‘ im Staate. Gleichbedeutend ist die abstrakt-rechtliche Gleichheit für Hegel die ideelle Form, welche die materiellen ökonomischen Verhältnisse in der bürgerlichen Epoche tatsächlich strukturiert, indem die Gesellschaftsmitglieder, welche sich nicht mehr wie Herren und Knechte zueinander verhalten, sondern als Personen ihre Sachen in der Form des Eigentumsrechts austauschen müssen, damit sie als tatsächlich Gleiche und Freie anerkannt sind. Für Marx ist jedoch gerade diese verwirklichte Gleichgültigkeit aller Einzelarbeiten in einem System als ein materielles Produktionsverhältnis zu fassen, welches sich ideell in den ‚Köpfen‘ der einzelnen Menschen widerspiegelt. Dass sie sich nicht mehr als Herr und Knecht oder innerhalb von Zunftzusammenhängen gegenübertreten, sondern für sich selbst in den „Bestimmungen der juristischen Person“ und des „Individuums des Austauschs“ (MEGA II,.: ), ist nur die Widerspiegelung der ökonomischen Verkehrsform. Das „Ideelle“ ist für Marx somit „nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle“ (MEGA II,: ), und daher handelt es sich auch bei Kategorien wie ‚Person‘, ‚Ware‘, ‚Wert‘ etc. um „gesellschaftlich gültige, also objective Gedankenformen“ für diese spezifische Gesellschaftsform (MEGA II,: ). Was ist der Grund, dass Hegel dieses gesellschaftliche Basisverhältnis als abstrakte rechtliche Gleichheit fasst und nicht wie Marx ausgehend von der Gleichheit der Arbeiten denkt? Wieso fasst Hegel das Gesellschaftlich-Allgemeine als Gleichheit des ‚A=A‘ – oder des ‚Ich=Ich‘ – und begreift daher das System der Abhängigkeit, welches die bürgerliche Gesellschaft ist, als ein „System der Bedürfnisse“ (GW ,: § )? Hegel sagt bereits in der Phänomenologie des Geistes, die „Einheit des Selbstbewußtseyns mit sich selbst“ ist „Begierde überhaupt“ (GW : ). Abstrakte Gleichheit der Personen bedeutet demnach Gleichsetzung der Begierden bzw. Bedürfnisse im Warentausch, nicht wie bei Marx gleiche Gültigkeit voneinander unabhängiger Privatarbeiten innerhalb eines Systems. Als Folge dessen Das gleiche gilt für das Praktisch-Werden der Kritik und die Frage einer Transformation ange-
sichts der pathologischen Konsequenzen der Moderne, wenn Marx’ Hegels Rechtsphilosophie kritisiert: „Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen.“ (MEGA I.: )
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wird auch die Wertgröße von der Seite des Bedürfnisses her und zunächst scheinbar nicht von derjenigen der Arbeit aus erklärt (Wolf , – ). Die eigentümlichen Sachen stehen in einem Verhältnis der Wertgleichheit mit anderen Sachen, wenn die Gegenstände qualitativ als „von derselben Brauchbarkeit“ bestimmbar sind und zugleich quantitativ das besondere Bedürfnis „Bedürfniß überhaupt“ ist (GW ,: § ). Durch diese Gedankenoperation der Gleichsetzung kommt es jedoch zu keiner quantitativ bestimmbaren ‚Setzung‘ der Äquivalentform; ein Problem das Hegel mit der modernen Ökonomie teilt (vgl. MEGA II,: f.). Die qualitative Gleichheit der Sachen als Werte im Bedürfnis lässt sich zwar durchaus als Substanz des Wertes fassen, doch das Bedürfnis als Wertsubstanz kann sich nicht selbst quantitativ bestimmen – nicht vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreiten und ist so nur in unserem Kopf als Äquivalent, d. h. Größengleiches gültig. Der Grund ist, dass das Verhältnis von Waren in Bezug auf ihre Brauchbarkeit nicht objektiv quantifizierbar ist – es ist daher nur eine subjektive Wertschätzung, aber kein Wertausdruck möglich. Das heißt, es lässt sich weder eine stabile Beziehung zwischen den Waren entwickeln, noch entspricht der Wertausdruck reell einem Gesellschaftlich-Allgemeinen oder kann das Äquivalent ausdrücken, welches Quantum der Ware A objektiv einem Quantum der Ware B entspricht. Und lässt sich dies nicht angeben, so ist der der bürgerlichen Gesellschaft notwendig zukommende Wertausdruck – da sie sich eben vermittels der Warenzirkulation organisiert – selbst instabil. Wenn also daher in der bürgerlichen Gesellschaft gar kein Wertausdruck vorhanden wäre und damit kein Eigentumsverhältnis im Sinn des ‚abstrakten Rechts‘ der Personen, so bestünde auch keine ‚Verwirklichung der Freiheit‘ als eines Anerkennungsverhältnisses in den materiellen Verhältnissen. Marx fasst den Wertbegriff jedoch nicht nur aufgrund dieser Widersprüchlichkeit anders, sondern auch weil sich ihm die Verwirklichung der ‚Idee‘ der Freiheit nicht in dieser Form stellt. Marx begreift die bürgerliche Gesellschaft nicht als eine materielle Verwirklichung einer ideellen Form, sondern sie antizipiert für Marx – obgleich in verkehrter Form – den Gedanken der Menschheit als einer freien Assoziation von Produzenten (vgl. MEW : ); es zeichnet sich „die organisierende Idee eines Verknüpfungsnetzes der unmittelbaren Produzenten [ab], das den Gesamtarbeiter als das wirklich organisierende Subjekt der Geschichte vorwegnimmt.“ (Negt/Kluge , ) In den besonderen Gebrauchswerten als einzelnem Eigentum der Personen erscheint daher auch nicht ein in sich vielschichtiges System der Bedürfnisse, sondern ein vielschichtig in sich gegliedertes System der Arbeiten. Marx betrachtet den Wert daher nur als „reine Form, die ökonomische Seite des Verhältnisses“ und damit fällt das Ich, der Gebrauchswert und auch die Begierde als Inhalt „ausserhalb der ökonomischen Formbestimmung“ (MEGA II,.: f.). Wie der Wert also jeweils über die Bestimmung,
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Gesellschaftlich-Allgemeines zu sein, hinaus gefasst wird, hängt mithin vom zu unterscheidenden Begriff der Freiheit ab. Marx geht in seiner Analyse des Wertausdrucks vom Tauschverhältnis verschiedenster Gebrauchswerte aus, in das die Personen aus den genannten Gründen nicht weiter einbezogen werden müssen. Als sich so autonom, abgetrennt von menschlichen Bedürfnissen, zueinander verhaltender Tauschwerte werden die Gebrauchswerte einander gleichgesetzt und in Abstraktion von den Bedürfnissen bleibt als qualitativ Gleiches nur die eine Eigenschaft übrig, Arbeitsprodukt schlechthin zu sein. Strukturell und argumentationslogisch gleichen sich hier die Wertbegriffe von Hegel und Marx, doch Marx gelingt es, die abstrakte Identität der Äquivalente in ihrer Quantität tatsächlich qualitativ zu bestimmen und so über ihre abstrakte Identität hinauszugehen. Sie lässt sich im Gegensatz zu Hegel fortbestimmen zu dem, was darin gemessen wird. Es zeichnet sich in der im Produkt kristallisierten Arbeit, als der „gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Substanz“ (MEGA II,: ), die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit als Wertmaßstab ab und somit ist der Wertbegriff qualitativ und quantitativ bestimmbar: als Wertsubstanz und Wertgröße. Folglich ist die Wertform selbst begriffen. Hierdurch wird die Entwicklung des Wertes nicht nur dem Namen nach als Gesellschaftlich-Allgemeines möglich, sondern als bestimmtes Maß, indem dieses „die quantitative Differenz von qualitativ Gleichem festhält“ (Iber , ). Der Wert ist somit nicht nur vergleichendes Drittes, sondern vermittels seiner drei Momente von Wertsubstanz, Wertgröße und Wertform dialektisch fortbestimmbar zur Totalität des kapitalistischen Produktionsprozesses (vgl. Rubin , ff.; vgl. auch Rubin ). Der zweite Grund, warum bei Hegel die abstrakt menschliche Arbeit nicht als übergreifendes Subjekt erscheint, liegt nicht etwa daran, dass Hegel blind gegenüber systemischen Zusammenhängen von Einzelarbeiten in der bürgerlichen Gesellschaft wäre. Die Abhängigkeit aller Arbeiten in einer arbeitsteiligen Gesellschaft besteht für Hegel sogar gleichlautend darin, dass das „Arbeiten des Einzelnen“ dabei zu einer „abstracten Arbeit“ wird (GW ,: § ). Der Grund ist vielmehr, dass Hegel hierunter nur die abstrakt-einzelne Tätigkeit versteht, welche in immer mehr Arbeitsschritte zerlegt und wiederum auf einzelne Gesellschaftsmitglieder verteilt werden kann. In Hegels Jenaer Systementwürfen von / heißt es dazu bereits: „Weil nur für das Bedürfniß als abstractes Fürsichseyn gearbeitet wird, so wird auch nur abstract gearbeitet“ (GW : ). Dasjenige, was alle einzelnen Privatarbeiten zu einem System integriert, ist nicht, so wie bei Marx, die Arbeit, nämlich als Allgemeine, sondern vielmehr ihre „Allgemeinheit als Aner Hiermit ist verbunden, dass Hegel (wie Hume und anders als z. B. Ferguson) die Arbeitsteilung als Folge der ‚Vervielfältigung der Bedürfnisse‘ erklären möchte, und nicht umgekehrt die Bedürfnisse aus der Arbeitsteilung (Rohbeck , ).
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kanntseyn“, also abstraktes Recht, was die einzelnen Arbeiten zu „concreten als gesellschaftlichen Bedürfnissen“ zusammenschließt (GW ,: § ). Hier zeigt sich der Bezug zur Logik, denn dieser Zusammenschluss beruht auf der Form des Verstandesschlusses, welcher als B – E – A geschrieben werden kann (Vieweg , ; GW : ). Das Besondere ist mit dem Allgemeinen vermittelt, und zwar durch das Einzelne. Während Hegel im System der Bedürfnisse das Besondere als subjektives Bedürfnis und das Allgemeine als Anerkanntsein der Person definiert, kommt die „Thätigkeit und Arbeit, als das die beyden Seiten Vermittelnde“ (GW ,: § ) nur als Einzelnes in Frage. Hegel definiert die Arbeit also nur als einzelne Tätigkeit, welche Naturstoffe in brauchbare Dinge verwandelt, welche den besonderen Bedürfnissen dienlich sind und dann schließlich als Eigentum das allgemeine gesellschaftliche Verhältnis vermitteln. Arbeit im hegelschen Sinne weist auch eine Parallele zur ‚Teleologie‘ auf, welche in der Enzyklopädie definiert wird: Als teleologische, also zielgerichtete Beziehung auf ein Objekt ist sie „nach Außen gekehrte Thätigkeit“ und somit als die „Einzelnheit“ bestimmt (GW : § ). Marx hingegen definiert geradezu spiegelbildlich das Bedürfnis nur als einzelnes Ding, welches Naturstoffe in einen nützlichen Gegenstand verwandelt, die dann als besondere Gebrauchswerte in ihrer „phantasmagorische[n]“ (MEGA II,: ) Wertform das allgemeine gesellschaftliche Verhältnis der Arbeiten vermitteln. Hegel fasst dieses Gesellschaftlich-Allgemeine als Idee, als sich in der menschlichen Wirklichkeit verwirklichendes Willensverhältnis (GW : §§ f.) und nicht primär als Arbeitsverhältnis. Bei Marx hingegen ist die Arbeit als gesellschaftliche Produktionsform das Allgemeine; das Einzelne hingegen ist das individuelle Bewusstsein, in welchem dieses Allgemeine ausgehend von der Tätigkeit und der sinnlichen Bedürftigkeit seinen Ausgang nimmt und in Form von ökonomischen oder rechtlichen Kategorien ideell ‚widergespiegelt‘ wird. Ganz klar ist die Produktion bereits in den Grundrissen als übergreifendes allgemeines Element ausgesprochen, als „allgemeine Beleuchtung worin alle übrigen Farben getaucht sind und [die] sie in ihrer Besonderheit modificirt. Es ist ein besondrer Aether, der das spezifische Gewicht alles in ihm hervorstechenden Daseins bestimmt“ (MEGA II,.: ). Für das Bedürfnis hingegen, welches sich in der Konsumtion befriedigt, gilt das Umgekehrte. Es spiegelt die Anforderungen, welche die Produktion an es stellt, im einzelnen Bewusstsein ideell wider: Es ist also nach Marx der Fall, „daß die Consumtion den Gegenstand der Production ideal setzt, als innerliches Bild, als Bedürfniß, als Trieb und als Zweck“ (MEGA II,.: ). Deutlich wird so auch der (Begründungs-)Zusammenhang zwischen Logik, Rechtsphilosophie und Kapital: Allgemeines, Besonderes und Einzelnes sind Grundkategorien von Hegels Lehre von Begriff, Urteil und Schluss (GW : – ). In seinem Bestreben, das Rätsel der Wertform zu lösen und das Wesen der Arbeit als einer allgemeinen wertschöpfenden Tätigkeit im Kapitalismus zu erklären, hat Marx sich zu einer grundlegend anderen Operationalisierung der he-
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gelschen Logik gezwungen gesehen als sie bei Hegel selbst in der Rechtsphilosophie stattfindet, wohlwissend dass auf diese aus methodischen Gründen kein Verzicht geleistet werden kann: Die materielle gesellschaftliche Produktionstätigkeit ist das Allgemeine, das Ideelle kommt hingegen nicht mehr wie bei Hegel als Allgemeines in Betracht, sondern ist „das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle“ (MEGA II,: ). Marx’ Kritik an Hegel und an dem ‚Idealismus‘ beruht also nicht auf bloß mangelndem Begreifen (Stekeler-Weithofer , ), sondern ist Ausdruck einer nachvollziehbaren Problemstellung, welche die methodischen Grundlagen der rationalen Gesellschaftsanalyse in der kapitalistischen Moderne betreffen. Um das Problem der Wertschöpfung zu lösen und einen stabilen Wertausdruck erklären zu können, hat er Hegels dialektische Logik auf diese Weise transformiert. III. Die Logik der Gesellschaft Sowohl Hegel als auch Marx begreifen die moderne Gesellschaft als ein System von austauschbaren ‚Wertdingen‘, und beide Autoren erkennen, dass sich in diesem System die Gesellschaftsmitglieder als ‚Personen‘ zueinander verhalten. Für Hegel ist diese interpersonelle Anerkennung, welche der Sache ihren ‚Wert‘ verleiht, das Allgemeine und die Arbeit, welche ihr Produkt als den Träger dieses ‚Werts‘ hervorbringt, eine einzelne Tätigkeit. Für Marx hingegen sind Allgemeines und Einzelnes vertauscht: Die Arbeit bzw. die materielle Produktion hat einen gesellschaftlich-allgemeinen Charakter und die allgemeinen Produktionsverhältnisse erzeugen sowohl die individuellen Bedürfnisse als auch die ökonomischen und die Rechtskategorien ‚ideell‘ im einzelnen Bewusstsein – Marx schreibt „im Menschenkopf“ (MEGA II,: ). Folglich ist das Gesellschaftssystem für Marx „ausserhalb des Kopfes in seiner Selbstständigkeit“ als konkretes Ganzes vorhanden (MEGA II,.: ). Die philosophische Methode hingegen ist die „Reproduction des Concreten im Weg des Denkens“ (MEGA II,.: ). Dies verbindet Marx mit einer grundlegenden Hegel-Kritik (MEGA II..: ): Dieser verfiel demnach auf die „Illusion“, das „Reale als Resultat des […] aus sich selbst sich bewegenden Denkens“ aufzufassen – z. B. die bürgerliche Gesellschaft als die Entwicklung des Begriffes der Freiheit. Für Marx hingegen kommt das Denken niemals als dies Allgemeine in Betracht, denn auch das Allgemeine, wie es sich in der philosophischen Theorie als „Gedankentotalität“ oder als „Begriffe“ darstellt (MEGA II,.: ), sei nur das Gesellschaftlich-Allgemeine ‚gespiegelt‘ im ‚Kopf‘ des einzelnen Theoretikers. Wie ist diese Kritik an Hegel zu verstehen und inwiefern ist sie berechtigt? Dass für Hegel die Realität nicht ohne das Denken oder den Begriff sein kann, ist nicht ohne Argument. In der Logik heißt es, dass das Denken mit den Sachen untrennbar zusammengeschlossen ist, denn würde man sie als unabhängig und getrennt von
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dem Denken denken wollen, so wären sie immer noch als Gedachte: als „ein Gedankending (– das sogenannte Ding-an-sich) der leeren Abstraction selbst“ (GW : ). Das heißt, abstrahiert man von den ‚Denkbestimmungen‘ einer Sache, so verliert man die Sache selbst; ein Sein, von dem alles Denken und alle Bestimmung abgezogen wird, also unbestimmtes „reines Seyn“, ist dasselbe wie das „reine Nichts“ (GW : f.). Daher ist auch das Materielle für sich betrachtet immer „unbestimmte Materie“ (GW : ). Dies betrifft insbesondere die logische Form des Denkens: eine ‚Sache‘ ist nicht außerhalb der logischen Formen des Denkens, bzw. davon abgetrennt ist sie Nichts. Logische Bestimmungen sind für Hegel zum Beispiel ‚Bestimmtheit‘ und damit auch ‚Unterschiedenheit‘, und wären die Dinge-an-sich, welche sich Kant als denkunabhängig vorgestellt hat, wirklich denkunabhängig, also unbestimmt, so wären sie auch nicht unterschieden, d. h. es wären keine Dinge (im Plural), sondern nur ein ‚Gedankending‘. Dies ist, worin sich Hegels Kritik an der formalen Logik und an ihren Urteilsund Schlussformen zusammenfassen lässt – und es ist zugleich der Grund dafür, warum die Kategorien der dialektischen Logik auf (gesellschaftliche) Wirklichkeit Anwendung haben. Klassische Aussagen- und Prädikatenlogik ist indifferent gegenüber ihrem Inhalt, sie betrachtet nur die Gültigkeit einer logischen Form, und es könnte jeder beliebige Inhalt in sie eingesetzt werden. Der Inhalt lässt sich daher nicht in der ihm eigentümlichen Logik begreifen. Die hegelsche Logik hingegen ist nicht nur „an dem Gehalt“, sondern auch „der Gehalt selbst“ (GW : ); und die „Formen“ der „gewöhnlichen Logik“ müssen daher als „objektive Gedanken“ ausgelegt werden (GW : § ). Die logischen Formen, in denen sich die Wirklichkeit für die Philosophie darstellt, können also diese Wirklichkeit gerade deshalb wahrhaft erfassen, da es sich bei diesen Formen um Strukturen dieser Wirklichkeit selbst handle. Diese Einheit von Denken und Wirklichkeit ist die ‚Idee‘. Dies sei abschließend daran erklärt, wie Hegel die Wertformanalyse von Marx verstanden hätte. Setzt man den reinen Gedanken des Werts, so muss die einzelne Ware im Verhältnis zu einer anderen Ware gedacht werden. Der „Wertausdruck“ lautet daher zunächst: „x Waare A ist y Waare B werth.“ (MEGA II,: ) Damit dieses Verhältnis nicht ein zufälliges ist, sondern ein bestimmtes, muss der Wert der einen Ware sich im Gebrauchswert der anderen Ware „darstellen“ oder muss der Wert der ersten die „Form“ des Gebrauchswerts der zweiten Ware annehmen (MEGA II,: ). Die Ware A und die Ware B müssen im Wertausdruck also zwei unterschiedliche logische Positionen annehmen, welche Marx als die „relative Wertform“ und als „Aequivalentform“ bezeichnet (MEGA II: ). Dies stellt eine ‚Anwendung‘ von Hegels Urteilslogik dar: Ein Satz kann demnach nur dann ein Urteil sein, das heißt einen Inhalt oder einen ‚objektiven Sinn‘ ausdrücken, wenn sich in diesem Satz das Subjekt und das Prädikat als Allgemeines, Besonderes oder Einzelnes zueinander verhalten (GW : f.). Daher muss auch
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im Wertausdruck die relative Wertform und die Äquivalentform als Einzelnes und Allgemeines zueinander stehen. Es muss jede einzelne Ware ihren Wert in einer anderen bestimmten Ware ausdrücken können, und in dieser Form einer unendlichen Verkettung besonderer einzelner Wertausdrücke ist rückbezüglich die ‚allgemeine Äquivalentform‘ enthalten, indem die Totalität besonderer Wertausdrücke ihre allgemeine Wertform in der einzelnen vorangesetzten Ware finden. Hierdurch erhält eine einzelne unter den besonderen Waren eine Geldfunktion, wird als allgemeine Ware zum Wertspiegel aller Waren und ist damit das Geld (MEGA II,: ). Die Form des Urteils ist also der logische Grund dafür, weshalb es in einer warenproduzierenden Gesellschaft das Geld geben muss, bzw. warum sie sich nur durch das Geld warenförmig strukturieren kann. Die logische Form des Urteils ist hier nicht nur eine äußerliche Form des Denkens, in welche der Gehalt nur ‚eingesetzt‘ wird, sondern die gesellschaftliche Realität muss selbst diese Form aufweisen. Die Gesellschaft ist somit vielmehr selbst ein Urteil im etymologischen Sinne von Ur-teil, also eine „ursprüngliche Theilung“ (GW : § ). Denn die Menschen setzen sich ja tatsächlich alltäglich vermittelt über den Warenaustausch zueinander in Beziehung, welcher durch das Geld gesteuert wird, und diese gesellschaftliche Realität hat somit selbst logische Urteilsform. Dabei ist es gerade diese Verkehrung, die in der logischen Form des Urteils liegt, die das Charakteristische des Wertausdrucks fasst, in dem „das Sinnlich-Konkrete nur als Erscheinungsform des Abstrakt-Allgemeinen, nicht das Abstrakt-Allgemeine umgekehrt als Eigenschaft des Konkreten gilt“ (MEGA II,: ). Deutlich wird an dieser Stelle, wo für Marx diese hegelsche Operationalisierung der Dialektik in ‚Mystizismus‘ umzukippen scheint: Sage ich: Römisches Recht und deutsches Recht sind beide Rechte, so ist das selbstverständlich. Sage ich dagegen: Das Recht, dieses Abstraktum, verwirklicht sich im römischen Recht und im deutschen Recht, diesen konkreten Rechten, so wird der Zusammenhang mystisch. (MEGA II,: ) Auch wenn Marx hier offensichtlich auf die Rechtsphilosophie anspielt, so darf dies keinesfalls als pauschale Kritik an Hegel missverstanden werden. Vielmehr zeigt sich in der obigen Rekonstruktion, dass die von Hegel genutzte Form des Urteils der logische Grund dafür ist, weshalb es in einer warenproduzierenden Gesellschaft das Geld geben muss oder warum sie sich nur durch das Geld warenförmig strukturieren kann. Dies macht die Stärke der hegelschen Logik deutlich, denn die bürgerliche Gesellschaft – spekulativ ausgedrückt – vollbringt das Wunder, den Gedanken, das Allgemeine, den Wert als Begriff im Geld zu einer dinglichen Gestalt zu bringen, so als ob „neben und außer Löwen, Tigern, Hasen und allen andern wirklichen Thieren, […] auch noch das Thier existirte, die individuelle incarnation des ganzen Thierreichs“ (MEGA II,: ).
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Wenngleich also Marx zwischen den Kategorien ‚im Kopf‘ und der gesellschaftlichen Wirklichkeit ‚außerhalb des Kopfes‘ unterscheidet und an Hegel kritisiert, dass dieser das Reale als Resultat der ‚Idee‘ verstanden hat, fallen in seinen Wertform- und Kapitalanalysen zumindest auf der Ebene der logischen Methode partiell Denkform und gesellschaftliche Wirklichkeit zusammen. Tomonaga (, ) hat hierbei von dem „Hegelschen Idealismus als Methode, aber nicht als Weltanschauung“ gesprochen. Was aber sind die Kriterien, welche darüber entscheiden, ob und auf welche Weise logisch-dialektische Operatoren (wie Allgemeines, Besonderes und Einzelnes) den Kategorien der sozialen Realität (wie Arbeit, Bedürfnis und Recht) zugeordnet werden können? Wie lässt sich dabei zwischen Hegels ‚Idealismus der Verwirklichung‘ und Marx ‚Materialismus der Widerspiegelung‘ entscheiden oder vermitteln? Diese Fragestellungen deuten auf einen Problemzusammenhang, welcher die Möglichkeit philosophischer Gesellschaftstheorie überhaupt betrifft und angesichts dessen sowohl Hegels Logik und ‚Realphilosophie‘ als auch deren inhaltliche und methodische Fortführung durch Marx bedeutsam erscheinen. Der rekonstruierte Zusammenhang von Logik, Rechtsphilosophie und Kapital deutet darauf hin, dass eine Theorie des subjektiven Verhaltens in den modernen Institutionen, was die kontemporäre, anerkennungstheoretisch geprägte Sozialphilosophie auszeichnet, methodisch und inhaltlich unzureichend ist. Deren normativ-rechtfertigende Analysen und die auf einer Subjekt-Objekt-Relation fußende Kritik gesellschaftlicher Verhältnisse sollte um eine Theorie der Verkehrung gesellschaftlicher Verhältnisse ergänzt werden, die begreift, wie „die Sache selbst, deren Entstehung Voraussetzung zur Verdinglichung ist, als eine den Subjekten fremde Macht diese überwältigt und niederschlägt“ (Tomonaga , ; vgl. auch ). Die dazu notwendige und hier nur skizzierte Logik der Gesellschaft geht dabei weit über die Denkmöglichkeiten traditioneller formaler Logik hinaus. Die logisch-dialektische Methode im Wechselspiel von Logik, Recht und Kapital zu untersuchen, könnte dabei zukünftig auch die Möglichkeit eröffnen, diese anhand neuerer gesellschaftlicher Entwicklungen, womöglich ‚postkapitalistischer‘ Gesellschaftsformen, neu begründen zu können. Denn geht man von Marx’ Begriff der freien Individualität aus, „gegründet auf die universelle Entwickelung der Individuen und die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Productivität als ihres gesellschaftlichen Vermögens“ (MEGA II,.: ), wird das sachlich vermittelte freie Verhältnis der Personen wieder zu einem Verhältnis von Individuen und das Gesellschaftlich-Allgemeine von einem Unbewussten zum Gegenstand politischrechtlicher Auseinandersetzung.
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Siglen GW
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
LW
Wladimir Iljitsch Lenin. Werke. Herausgegeben vom Institut für MarxismusLeninismus beim Zentralkomitee der SED. Berlin, ff.
MEGA Karl Marx und Friedrich Engels. Gesamtausgabe, Herausgegeben von der Internationalen Marx-Engels-Stiftung. Berlin, ff. MEW
Karl Marx und Friedrich Engels. Werke. Karl Marx und Friedrich Engels. Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED. Berlin, ff.
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PERSPEKTIVEN DER FORSCHUNG
Ludwig Siep TRANSFORMATIONEN DES OBJEKTIVEN GEISTES ABSTRACT:
Hegel’s conception of Objective Spirit is certainly one of the most attractive parts of his philosophy for contemporary thinking. This appeal is based on the autonomy and reflexivity of society in the Hegelian view. With respect to methodology, contemporary interest is drawn to the synthesis of understanding and of evaluating social orders, institutions, and interactions. The essay discusses transformations of objective spirit in the theory of social systems (Luhmann), semantic neo-pragmatism (Brandom) and critical theory (Honneth, Jaeggi). The meaning of holism and reflexivity (I), pragmatism and mutual recognition (II), functional analysis and normative criticism (III), experience and history (IV) in these theories are successively discussed. Problems for the diverse transformations are discussed in the next part (V), with a focus on normativity and historicity, general theory and specification of social analysis. The concluding section deals with a general alternative regarding the appropriation of the Hegelian heritage: as a comprehensive systematic theory or rather in experiential and pluralistic form (VI).
Hegels Konzeption des objektiven Geistes hat von allen Aspekten seines Denkens vielleicht die größte Anziehungskraft für die gegenwärtige Philosophie. Dieser Einfluss ist nicht auf die Rechtsphilosophie und den entsprechenden Teil der Enzyklopädie beschränkt. Auch die Phänomenologie des Geistes wird, vor allem im nordamerikanischen Neopragmatismus, als Theorie der „Sociality of Reason“ verstanden. Im Folgenden geht es mir nicht um Interpretationen oder die Frage nach der Aktualität dieser Texte. Mein Thema sind vielmehr ‚hegelsche Züge‘ philosophischer oder sozialwissenschaftlicher Neuansätze, sei es in bewusster Anknüpfung oder impliziter Verwandtschaft. Was ist so faszinierend an Hegels Philosophie des objektiven Geistes? Worin liegt die Nähe auch von Ansätzen, die weder mit dem Begriff ‚objektiv‘, noch dem des ‚Geistes‘ ganz glücklich sind – erst recht nicht in Hegels eigener Bedeutung der Begriffe oder ihrer Stellung in seinem Gesamtsystem? Nach meiner Deutung geht
So der Untertitel von Pinkard (). In die gleiche Richtung zielt auch Brandom (). Als eine gesellschaftstheoretische Fundierung der Erkenntnistheorie hatte Jürgen Habermas die Phänomenologie des Geistes schon in Erkenntnis und Interesse interpretiert. Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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dies hauptsächlich auf die Idee der Autonomie (a) und der Reflexivität (b) des Sozialen zurück. (a) Bei Hegel wird erstmals in der Philosophie der Bereich des ‚Sozialen‘ oder der ‚Gesellschaft‘, wie es heute ‚unhegelisch‘ heißt, zum Gegenstand einer umfassenden, sowohl deskriptiv-funktionalen wie normativ-kritischen Betrachtung – und zwar als ein nicht durch die Gesetzmäßigkeiten der Natur allein oder grundsätzlich erklärbarer Bereich mit eigener Ontologie und Gesetzlichkeit. Diese Autonomie besteht für die moderne wissenschaftliche Erklärung nicht nur gegenüber der Natur, sondern auch gegenüber jeglichem gesellschafts-transzendenten Absoluten. Religionen sind selber soziale Systeme, die Annahme des in ihnen verehrten Absoluten ist für das Verständnis von Gesellschaft nicht erforderlich – im Gegensatz zu Hegel, in dessen System erst im (nicht-transzendenten) absoluten Geist das Selbstverständnis des objektiven vollendet wird. Man kann heute sogar von einer umgekehrten Aufhebung des absoluten in den objektiven Geist sprechen: Entweder werden Kunst, Religion und Wissenschaft selber als soziale Systeme und Lebensformen innerhalb der Gesellschaft verstanden und von deren Strukturen her erklärt. Oder aber die Kommunikation, sei es die umfassende bei Systemtheoretikern wie Luhmann oder die über die Normen und das Selbstverständnis der Gesellschaft, bekommt selber den Charakter, den Hegel in seiner Religionsphilosophie dem ‚Reich des Geistes‘ zugesprochen hat. Für Robert Brandom muss Verzeihung und Vertrauen selber der Geist einer „postmodernen“ Sozialordnung sein (s. u. S. f.). Aber auch hier soll der Bereich der allen zumutbaren sozialen Normen nicht überschritten werden. In allen diesen Transformationen ist das Soziale und seine Erklärung in hohem Maße autonom. (b) Ein zweiter Zug des objektiven Geistes, der in fast allen ‚Hegel-affinen‘ gegenwärtigen Ansätzen positiv rezipiert bzw. transformiert wird, ist die Reflexivität oder Subjektivität der sozialen Gebilde, der Ordnungen oder der Systeme – um nicht auf einen der zu betrachtenden Ansätze terminologisch festgelegt zu sein. Diese Reflexivität ist nicht die eines sozialen ‚Übersubjekts‘, eines ‚Geistes‘ (spiritus) im vorhegelschen oder vor-montesquieuschen Sinne. Sie ist auch nicht nur die Subjektivität von Individuen innerhalb der Gesellschaft, und seien es besonders herausgehobene, die das Ganze in ihrem Bewusstsein und Handeln repräsentie Obwohl es mir hier nicht auf diese Originalität ankommt, so kann man doch sagen, dass dieser Bereich bei Montesquieu, den Moralisten oder den frühen Nationalökonomen immer noch ein Teilsystem war – und außerdem nicht im Rahmen ontologischer und erkenntnistheoretischer Fragestellungen betrachtet wurde. Brandom (, ) entwirft eine Rekonstruktion der Trinität als Allegorie für die Gemeinschaft der einander anerkennenden und an linguistische Normen bindenden Sprecher. Die theologische Terminologie sei nur eine „sensuous allegory“ für Hegels logische, semantische und sprachpragmatische Einsicht. Vgl. Luhmann (, ): „Soziale Systeme entstehen dadurch, dass Kommunikation in Gang kommt und sich autopoietisch aus sich selbst aufbaut“.
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ren. Über die Art dieser Reflexivität gibt es Differenzen, aber der „common mind“ (Pettit ) der mehr oder minder institutionalisierten Gesellschaftsformen ist weder auf den individuellen zu reduzieren noch bloß im metaphorischen Sinne subjektiv oder reflexiv. Vielleicht erschöpft sich darin schon die Gemeinsamkeit der im Folgenden betrachteten Transformationen des objektiven Geistes. Sie knüpfen positiv nur an bestimmte Aspekte der Philosophie des objektiven Geistes an und unterscheiden sich in deren Selektion. Man kann also nur von einer „Familienähnlichkeit“ sprechen. In den folgenden Anknüpfungspunkten stimmen jeweils mehrere Transformationen überein: I. System, Holismus, Reflexivität II. Pragmatismus, Anerkennung III. Funktionale Analyse und normative Kritik IV. Erfahrung, Gedächtnis, Geschichte Es wird sich zeigen, dass Systemtheoretiker und Pragmatisten, Anerkennungstheoretiker und Gesellschaftskritiker, Theorien des kulturellen Gedächtnisses und einer schwach teleologischen Geschichtsphilosophie an verschiedene dieser Punkte auf jeweils unterschiedliche Weise anknüpfen. Daraus resultieren unterschiedliche Stärken und Schwächen (V). Der Vergleich lässt allgemeine Konsequenzen für die Hegel-Transformation zu (VI). I. System, Holismus, Reflexivität Systemdenken und Holismus stehen einem atomistischen oder mechanistischen Denken in der Naturphilosophie ebenso entgegen wie den Rationalitätstheorien des Vorteilskalküls oder dem ‚methodischen Individualismus‘, der die Wirklichkeit des Sozialen im verkörperten Individuum sieht. Der Begriff ‚soziale Systeme‘ hat verschiedene Quellen, unter denen die deutsche Systemphilosophie nicht die wichtigste ist – die Durchsetzung des Systemdenkens in den Bio- und Technikwissenschaften der ersten Hälfte des . Jahrhunderts ist für soziologische Systemtheorien bedeutsamer (vgl. Luhmann , ). Hegel selber benutzt den Systembegriff uneingeschränkt positiv nur in Bezug auf die philosophische Theorie. Die Philosophie des objektiven Geistes entwickelt begrifflich notwendig Bei Hegel ist dies in der Person des Monarchen und dem Gedanken der Persönlichkeit der
absoluten Idee noch möglich (vgl. Siep , – ). Zur Kritik am „alteuropäischen“ Begriff einer solchen Repräsentation vgl. Luhmann (, ). Vgl. Wittgenstein ([] , f. (§§ , )).
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und vollständig die Vermittlungsformen des – noch naturabhängigen – individuellen, partikularen und allgemeinen freien Willens. Darunter sind auch unvollständige ‚Systeme‘ wechselseitiger kausaler und intentionaler Abhängigkeit – wie das ‚System der Bedürfnisse‘. Als Transformation hegelscher Grundgedanken können aber sozialwissenschaftliche und sozialphilosophische Theorien aufgefasst werden, die durch einen ontologischen und methodologischen Holismus (a) und zugleich durch eine Form der ‚Subjektivität‘ des Ganzen gekennzeichnet sind (b). (a) Es gibt in der Epistemologie und Sozialphilosophie der Gegenwart ein großes Spektrum holistischer Denkweisen. Ausdrücklich auf Hegel beruft sich vor allem der semantisch-pragmatische Holismus der wechselseitigen Abhängigkeit und interaktiven Fortbestimmung der Begriffe. Systemtheorien wie diejenige Niklas Luhmanns können auf den Begriff des Ganzen verzichten, gehen aber holistisch von einer wechselseitigen Abhängigkeit aller Elemente innerhalb eines Systems aus. Nachfolger des ‚Ganzen‘ des objektiven, ja des absoluten Geistes ist bei Luhmann „die Gesellschaft als das umfassende System aller Kommunikationen“. Dieses System und seine sich nach eigenen Codes organisierenden Differenzierungen bringen sich „autopoietisch“ selbst hervor. Emergentistische Systemtheoretiker gehen dagegen von der kausalen Wirksamkeit von Elementen auf das System aus (Elder-Vass ). Auch Sozialontologien, für die der Systembegriff nicht zentral ist, nehmen eine auf die ‚Wirklichkeit‘ der Individuen, sei es ihre kausale oder intentionale Rolle, nicht reduzierbare Wirklichkeit der sozialen Gebilde (Gruppen, Institutionen) an. Sozialontologischer Holismus muss aber nicht mit einem ‚Wirklichkeitsprimat‘ der Gruppe, der Gesellschaft, des Staates etc. verbunden sein. Das Verhältnis zwischen Individuen und sozialem System wird unterschiedlich gefasst. Man kann Institutionen geradezu als „trägerlose Statusentitäten“ verstehen, deren kausale Wirksamkeit und normative Verbindlichkeit über längere Zeiträume vom Willen der Individuen unabhängig sind. Der hegelschen Sicht näher kommt, wer das bewusste – und interpretierende – Befolgen sozialer Regeln und das Teilen eines gemeinsamen Selbstverständnisses als deren bzw. dessen ‚Verwirklichung‘ versteht. Klärende Übersicht bei Quante (, – ). Zu den Differenzierungen in Brandoms Holismus vgl. Brandom (, – ) sowie Pippin
(, – ). Brandom (, ) kann auch den Geist ein „Ganzes“ (whole) in zeitlicher Entwicklung nennen. Luhmann (, – ). Die Begrifflichkeit von Ganzem und Teil gehört für ihn zur Selbstbeschreibung „Alteuropas“ und ist an religiöse (Schöpfungs-)Prämissen gebunden. Luhmann (, ). Man kann daher mit Thomas Gutmann sagen, dass Luhmanns Systemtheorie „die soziale Welt […] wie ihr heimliches Vorbild Hegel als Ganze auf den Begriff bringen will“ (Gutmann , ). Jansen (, ). Jansen hat Juristische Personen, Marken oder Geldwährungen im Blick. Nur das „Statuszuweisungsereignis“ als Sprechakt sowie die „kausale Relevanz“ in der physikalischen Welt seien auf Individuen als „physikalisch manifeste Repräsentationen“ angewiesen.
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Nach Hegel allerdings erlangen die Individuen dadurch auch erst Status und Stabilität – in diesem Sinne selber Wirklichkeit. (b) Der zweite wesentliche Charakterzug von Kollektiven und sozialen Systemen in modernen Theorien, der es erlaubt, in ihnen eine Transformation hegelscher Gedanken zu sehen, ist ihre Subjektivität oder Reflexivität. Subjektivität kann als Fähigkeit von Kollektiven (Gruppen, Institutionen) verstanden werden, einen eigenen Willen zu besitzen bzw. Entscheidungen zu treffen und über ein Selbstverständnis zu verfügen. Ein staatlicher Wille, die Intention eines Gesetzes, das gemeinsame Selbstverständnis oder ‚Gedächtnis‘ ist von Intentionen der Individuen, die an ihm partizipieren, weitgehend unabhängig. Man kann aber unter Reflexivität – bei ausdrücklicher Vermeidung des Begriffes der Subjektivität – auch eine Selbstreflexion des Systems verstehen (Luhmann). Eine solche ist zugleich interne autonome Selbstdifferenzierung – zweifellos eine Verwandtschaft zu Hegels „Begriff“. Die These, dass Gesellschaft sich selbst ‚beobachtet‘ und reflektiert – von der Sozialstatistik über Geschichtsschreibung bis zu Sozialwissenschaft und -philosophie – nimmt eine zentrale Einsicht von Hegels Theorie des objektiven Geistes auf. Selbstreflexion ist indes für Luhmann Selbstbeobachtung und Selbstbeschreibung von Systemen, auch des umfassenden der Gesellschaft. Sie setzt immer eine Unterscheidung zwischen System und ‚Umwelt‘ – ein Begriff, der bei Luhmann für Nicht-Kommunikation oder für Systeme mit einem fremden ‚Code‘ steht. Soziale Systeme unterscheiden sich durch ihre Selbstreflexion von den (materialen) Voraussetzungen gesellschaftlicher Kommunikation, aber auch gegenüber anderen Teilsystemen, die durch ihre Codes in sich geschlossen und füreinander Umwelt sind (Luhmann , , ). Selbstreflexion als Selbstbeobachtung führt nicht – wie im Idealismus – zu Selbsttransparenz, sondern bleibt „für sich selbst intransparent“ (Luhmann , ). Als Selbstbeobachtung und Fremdreferenz zugleich eröffnet sie „prinzipiell unendliche Horizonte immer weiterer Möglichkeiten“ der Kommunikation, auch die permanenter „Wiederbeschreibungen“ (Luhmann , , ).
Nach Pettit () sind Gruppen mit gemeinsamen Absichten „intentional and personal subjects“ (Pettit , ), mit eigenen Rationalitätsanforderungen, ohne damit die Selbständigkeit natürlicher Personen aufzuheben (Pettit , ). Zu Theorien der kollektiven Intentionalität vgl. auch Schmid/Schweikard (). Luhmann bemerkt zu seinem Begriff der „Form“ als „entfaltete Selbstreferenz“ und interne Differenzierung: „[D]ieser Begriff der Form hat eine gewisse Ähnlichkeit zu Hegels Begriff des Begriffs insofern, als für beide der Einschluß einer Unterscheidung konstitutiv ist“. Sie könne aber die „eigene Einheit […] nicht selber realisieren“ (Luhmann , ).
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II. Pragmatismus, Anerkennung Über den ‚Systemteil‘ des objektiven Geistes hinaus geht auch die gegenwärtig vielleicht einflussreichste Hegel-Rezeption im Pragmatismus oder Neo-Pragmatismus. Als Transformation dieser Konzeption kann sie aber aus zwei Gründen gelten: Zum einen versteht sie Hegels Erkenntnistheorie und Logik als fundiert in sozialen Prozessen (a). Zum anderen bedient sie sich – vor allem bei ihrem elaboriertesten Vertreter, Robert Brandom – eines Grundgedankens der hegelschen Philosophie des objektiven Geistes als Schlüssel für Sozialphilosophie, Logik und Semantik: der Figur der wechselseitigen Anerkennung (mutual recognition) (b). (a) Es ist im reifen hegelschen System gar nicht so offenkundig, dass soziale Interaktionen als Grundlage für Erkenntnis und Logik – als System der Bestimmung der Begriffe – gelten müssen. Am ehesten kann man die Phänomenologie des Geistes so deuten, obwohl in ihr die Entwicklung der (‚logischen‘) Begriffe im Hintergrund bleibt und die Entsprechung zu der – noch nicht ausgereiften – Wissenschaft der Logik rätselhaft bleibt. Im reifen System lässt die Stellung des objektiven Geistes zum subjektiven Geist und zur Wissenschaft der Logik eine solche Stellung des Sozialen ‚systemarchitektonisch‘ nicht deutlich erkennen. Dennoch kann man nicht bestreiten, dass die enge Beziehung zwischen Logik, Erkenntnis und sozialer Welt, die vor allem der sprachpragmatische semantische Inferentialismus (Brandom) herstellt, eine Transformation von Grundgedanken Hegels darstellt. Im Pragmatismus geht die Begriffsbestimmung auf soziales Handeln zurück, die Bedeutung der Begriffe hängt von ihrem Gebrauch ab – sowohl im Sinne des klassischen Pragmatismus wie auch des späten Wittgenstein. Vor diesem Hintergrund muss Kommunikation und Interaktion der Schlüssel der Semantik sein. Die Bestimmung der Begriffsinhalte hängt für Brandom sowohl von ihren internen Kohärenzbedingungen und Implikationsrelationen ab wie von ihren Beziehungen auf materiale Inkompatibilitäten. Beides kann nur in einem ‚sozialen‘ Prozess gemeinsamer Überprüfung geklärt werden, zu dem auch Verständigung über Wahrnehmungen gehört (vgl. Brandom , ). Dass die Bedeutung von Begriffen nicht starr (apriori) festliegt, sondern sich in einem Vgl. aber Brandom (, ): „Geist comprises all our doings, and everything they make possible: all the norms and recognitive attitudes and their subject (‚subjective Geist‘), the practices they engage in and the communities and institutions they produce (‚objective Geist‘). Geist is (th)us described in a normative vocabulary.“ Der einen epistemologischen Aspekt hat (vgl. Halbig ). Zu Brandoms eigener Unterscheidung zwischen historischer und systematischer Interpretation vgl. Brandom (, Kap. ; , – ). Vgl. Brandom (, ): „[U]nderstanding idealism as a sense dependent relation of objective determinateness on subjective processes of resolving incompatible commitments“ – „sense“ im Sinne von Freges „Sinn“ verstanden. Eine „material incompatibility“ (Brandom , ) besteht auch für den Handelnden, der seine Zwecke oder die in der Gemeinschaft geltenden Normen verwirklichen will.
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Prozess der Explikation, der Anwendung und der historischen Erfahrung (s. u. S. ) entwickelt, entspricht Hegels Kritik am klassischen Rationalismus und der Transzendentalphilosophie seiner Vorgänger Kant und Fichte. (b) Dieses Verfahren der Begriffsbestimmung setzt nach der Deutung Brandoms die praktische Beziehung wechselseitiger Anerkennung zwischen Individuen sowie zwischen Individuum und Gemeinschaft voraus. Unter den Verwendern von Begriffen – theoretischen ebenso wie Zweckbegriffen und Normen – in einer Sprach- und Normgemeinschaft erkennt man sich wechselseitig als kompetent und zugleich verpflichtet zur Annahme und gemeinsamen Korrektur von Regeln an. Sprecher legen sich gegenüber den Teilnehmern der Sprachgemeinschaft durch ernsthafte Behauptungen auf die Prämissen und Folgen ihrer Urteile fest. Auch bei der Deutung und Beurteilung von Handlungen geht es um die Implikationen von (inneren) Absichten und (äußeren) Taten. Zur präsentischen Anerkennung muss nach Brandom eine historische kommen: eine Autorität der vergangenen Begriffs- und Normbestimmung, der Versuch ihrer Anwendung in der Gegenwart und die Offenheit für die zukünftige Beurteilung der Kohärenz zwischen beidem. Es geht um die Anerkennung – und Herstellung – einer Begriffs- und Normgeschichte, die ein Sprecher und Akteur übernimmt und in Auseinandersetzung mit seiner Sprach- und Handlungsgemeinschaft fortentwickelt. Brandom erläutert das immer wieder am Modell des common law. Die soziale Anerkennung von Autorität ist zugleich abhängig von der inhaltlichen einer Tradition, die in die Begriffe eingeht. Darüber hinaus ist man den zukünftigen Generationen der Gemeinschaft gegenüber verpflichtet (s. u. S. – ).
Zum Folgenden vgl. Brandom (, – , – ; , – ). Moderne Normentstehungstheorien gehen überwiegend von solchen ‚freischwebenden‘ Zu-
schreibungsverhältnissen aus, vgl. etwa Brosow/Rosenhagen (). Vgl. Brandom (, ): „Determinately conceptual norms are intelligible only as features of an actual tradition that is structured recognitively, having reciprocal authorities negotiating and administering along all three dimensions: social, inferential, and historical“. Vgl. dazu auch Testa () über Brandom: „The historical development of the spirit has itself a recognitive structure, which is the product of the reciprocal authority exercised between the temporal dimensions“. Zu der Erläuterung durch das Beispiel des common law vgl. Brandom (, – ; , , u. ö.). Die idealisierte Struktur dieses Prozesses entspreche dem, was „Hegel calls ‚mutual recognition‘“ (Brandom , ). Kritisch zu Brandoms ‚Common Law‘-Modell Pippin (, f.). „According to the historical side of the story the present community is responsible to future states of the community for properly administering norms instituted by the actual attitudes adopted by the tradition it inherits, from which derives the only (!) authority (doxastic and practical) its conceptapplications can claim and to which it is ultimately (!) responsible“ (Brandom , ; Hervorh. L.S.).
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III. Funktionale Analyse und normative Kritik Hegels Theorie des objektiven Geistes wirkt auf gegenwärtige Sozialwissenschaftler und Sozialphilosophen auch deshalb so inspirierend, weil sie deskriptive mit normativen Elementen verknüpft. Soziale Beziehungen und Institutionen – schon seit den Jenaer Entwürfen sozusagen vom Geld bis zum Staatsrat – werden als Stufen der Entwicklung einer gemeinsamen Sittlichkeit analysiert. Diese ist nicht nur Bedingung stabiler Kooperation und kollektiver Selbsterhaltung. Sie beinhaltet auch ein normatives Selbstbild, das individuelle mit staatlicher Autonomie verknüpft. Vor allem in den Jenaer Schriften konzipiert Hegel den Prozess einer solchen sozialen Integration als „Bewegung des Anerkennens“, die für jede Stufe und den Gesamtprozess Maßstäbe des Gelingens und Scheiterns enthält (vgl. Siep [] ). Die Tradition der kritischen Theorie seit Jürgen Habermas, erst recht aber seit Axel Honneth, hat „Anerkennung“ als Schlüssel für die eigene Form kritischer Sozialphilosophie genutzt. Anerkennungsprozesse finden nach Hegel sowohl horizontal zwischen Individuen wie vertikal zwischen ‚Ich‘ und ‚Wir‘, Individuum und Gruppe bzw. Institution statt. Dabei ist keineswegs, wie in den modernen Transformationen, eindeutig die intrapersonale Anerkennung das Ziel der Letzteren. Die höchste Freiheit der Individuen von ihrer natürlichen und sozialen Begrenztheit besteht nicht erst seit der Berliner Rechtsphilosophie darin, dass sie den Staat als „eigenen substantiellen Geist anerkennen und für ihn als ihren Endzweck thätig sind“ (GW ,: ). Heutige Transformationen knüpfen in der Regel an die Phänomenologie und die Stufen der Rechtsphilosophie vor dem Staat an. Axel Honneth verbindet in seiner ersten Monographie zum Thema Anerkennung (Honneth ) Elemente der Hegel-Rezeption mit solchen des Pragmatismus – vor allem Meads – und der Sozialpsychologie. Die emotionale Bestätigung in Kleingruppen, der universale Respekt gegenüber den Rechtsgenossen und die Wertschätzung der individuellen Beiträge zu den Gütern einer arbeitsteiligen Gesellschaft rechtfertigt er auf dieser Basis als notwendige Elemente einer gelungenen Anerkennung. Die Anwendung der Anerkennungskriterien in einer „normativen Rekonstruktion“(Honneth , ) ermöglicht ihm zugleich eine Kritik der Defizite und der Regressionen von Staat und Gesellschaft in der Zeit Zu Anerkennung bei Habermas vgl. Baynes (). Bei Honneth rückt nicht nur die Sache, sondern seit Kampf um Anerkennung () auch der Terminus ‚Anerkennung‘ ins Zentrum seiner Theorie. Später wird der Begriff ausgeweitet auf alle nicht-verdinglichenden und nicht-entfremdenden Sozialbeziehungen (vgl. Honneth ). Anders als bei Brandom bleibt er aber auf die praktische Philosophie beschränkt. Zur Sittlichkeit als Bedingung der „Verwirklichung der individuellen Freiheit aller Gesellschaftsmitglieder“ vgl. Honneth (, ). Vgl. dazu Siep (, f.; , , ).
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nach Hegel (Honneth ). Dabei geht er von der Annahme aus, dass jede besondere Form und auch die Komplementarität oder Stufenfolge ein immanentes Ziel (eine Art ‚Versprechen‘) gelungener Anerkennung enthalten. Die Diskrepanz dazu wird durch das soziale Leiden unter entfremdenden Verhältnissen angezeigt – das allerdings empirisch belegt werden muss. Die normativen Implikationen sowohl des semantischen wie auch des gesellschaftskritischen Pragmatismus unterscheiden ihn von soziologischen Systemtheoretikern. Für Luhmann etwa werden Gesellschaften als Kommunikationssysteme nur noch durch funktionale Differenzierung und Koordinierung, nicht mehr über gemeinsame Normen integriert. Im Anschluss an Brandom (und Sellars), für den jede Begriffsverwendung in Aussagen und Handlungen vorschreibenden und verpflichtenden Charakter hat, weil sie auf Implikationen und Regeln festlegt, gehen Pragmatisten aller Schattierungen inzwischen fast selbstverständlich vom durchgängig normativen Charakter alles Sozialen aus. Das bedeutet natürlich nicht, dass methodisch in empirischen Sozialstudien nicht von Bewertungen abgesehen werden könnte – mit Ausnahme der Wertungen der Individuen und der in Institutionen inkorporierten (z. B. ‚Gesundheit‘ oder ‚Recht‘). IV. Erfahrung, Gedächtnis, Geschichte Die bisher behandelten produktiven Aneignungen oder Transformationen von Aspekten des objektiven Geistes sind wesentlich an der Historizität der Begriffe, Normen und der philosophischen Vernunft orientiert. Auch Hegels Philosophie der Weltgeschichte wird ja im Rahmen der Philosophie des objektiven Geistes exponiert. Die produktiven Transformationen wenden sich aber nicht nur vom Abschluss der Entwicklung des objektiven im absoluten Geist ab, sondern auch von der Konzeption einer Abschließbarkeit der Normen- und Institutionengeschichte. Sie verstehen absolutes Wissen oder Verwirklichung der Vernunft in der Geschichte als Erreichen der Klarheit über einen unabschließbaren Prozess sozialer und historischer Kommunikation. Das impliziert die Abwendung von jeder Form einer erfüllten Zeit nach Mustern der Heilsgeschichte oder säkularen Fortschrittsmodellen. Wie weit solche Muster bei Hegel noch nachwirken, ist bei Interpreten notorisch umstritten, braucht aber hier nicht erörtert zu werden.
Luhmann (, ; , – , – ). Dabei zielt Luhmann hauptsächlich auf moralische Normen, aber auch dem Recht kommt nicht die Funktion einer gesamtgesellschaftlichen Verständigung über Normen zu (Luhmann , ). Auch wenn die Wurzeln seiner Konzeption von Geschichtlichkeit in seinen philosophiegeschichtlichen Vorlesungen liegen, vgl. Jaeschke (, ). Vgl. Brandom (, ); Pinkard (, f.).
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Wer Hegel in diesem Punkt nicht entschlossen in Richtung einer Theorie sozialer Evolution verlässt, wie Niklas Luhmann, schließt sich in der Regel seiner Konzeption der Geschichte der Erfahrung des Bewusstseins in der Phänomenologie des Geistes an. Das gilt vor allem für die Neopragmatisten, für die es um die Überwindung von Problemen und die Vermeidung von Irrtümern geht. Für Brandom ist auch diese historische Dimension von Erfahrung eine Form der Anerkennung. Anerkannt wird eine Tradition, indem ihre Normen und Entscheidungen als Vorbilder übernommen, kritisch weiterentwickelt und dem zukünftigen Urteil ausgesetzt werden. Die Erinnerung (recollection) ist Teil einer rationalen Explikation von Normen, die jede Generation korrigierend fortsetzt. Dieses Modell der erinnernden Herstellung von rationaler Geschichte wird ausgeweitet auf das Verständnis der Handlungen eines jeden Mitglieds der Gemeinschaft – nicht nur einer besonderen, sondern letztlich der Menschheit (vgl. u. S. f.). Die Rationalität eines solchen Geschichtsverlaufes ist nicht vorherbestimmt, sie ergibt sich immer erst in der Rückschau (vgl. Brandom , , , ). Aber sie ist die einzige Möglichkeit, die Geschichte als Explizit-Werden des Impliziten, schon immer Angelegten, zu verstehen, wie es einem an Hegel orientierten Inferentialismus entspricht. Eine andere Form des „making it explicit“ findet sich in der Theorie des kollektiven Gedächtnisses bei Jan Assmann, der sich ausdrücklich auf Hegels Konzeption des objektiven Geistes beruft. Trotz der Kontinuität von regionalen und zunehmend auch globalen Gedächtnismitteln und -inhalten teilt Assmann mit Hegel die revolutionäre ‚Rhythmik‘ des Gedächtnisses durch radikale Umbrüche und bewusste Rückgriffe – in ausdrücklicher Abweisung der Strukturen natürlicher Evolution. Trotz dieser epochalen Wendungen lassen sich aber die Wurzeln der universalen Normen der ‚Moderne‘, vor allem Gerechtigkeit und Frieden, bis in die ältesten Kulturen zurückverfolgen. Sie sind durch Ausweitung der Inklusion Betroffener, aber auch durch eine unabgeschlossene Geschichte von Verkehrungen und Umbrüchen – nicht zuletzt in der Geschichte der Religionen – letztlich
Vgl. Luhmann (, ): „Über die Zukunft entscheidet nicht die Entscheidung, sondern die Evolution“. Zu seinem Begriff der Evolution s. u. S. f. Zur Produktivität eines transformierten Erfahrungsbegriffs der Phänomenologie vgl. auch Siep ([] , – , – ). „Ersetzen wir den Begriff des objektiven Geistes durch den des kulturellen Gedächtnisses, dann zeigt sich die Tiefe und Tragweite seiner geschichtsphilosophischen Rekonstruktion“ (Assman , f.). Er nimmt auch den Begriff des Weltgeistes in seine Transformation auf. Assmann (, ). Zu diesen Umbrüchen gehört auch die (eigentliche) „Achsenzeit“ des Hellenismus, in der die Kanonisierung und Kommentierung der „klassischen“ Schriften begann (Assmann , – ).
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expliziter, bewusster und täuschungsresistenter geworden. Das setzt zukünftigen Wendungen normative Grenzen. V. Probleme der Normativität und Historizität Alle hier erörterten Transformationen verstehen Gesellschaft als einen historischen Prozess der Kommunikation, der offen ist ohne eine zeitlose begriffliche Struktur. Kommunikation oder Anerkennung ist selber das Maß, an dem eine kritische Analyse orientiert ist. Aber der Prozess selber ist nicht ohne ‚Richtung‘ und hat folglich normative Bedeutung. Modernisierung, Problemlösung und Erfahrung sind zumindest implizit positive Bewertungen. Dabei treten je spezifische Probleme auf, die in zwei Hinsichten erörtert werden sollen: (A) Kann eine Entwicklungstheorie der (ausdifferenzierten) sozialen Systeme auf normative Prämissen verzichten? Und umgekehrt: Ist der normative Pragmatismus zu differenzierten Gesellschaftsanalysen imstande? (B) Was ist die normative Funktion der jeweiligen geschichtsphilosophischen Annahmen? A. Normativität und Differenzierung Es ist zu unterscheiden zwischen () Systemtheoretikern, die auf Normativität verzichten wollen, () semantischen Pragmatisten, die von einer schwachen Normativität als Grundlage alles Erkennens und Handelns ausgehen, und () einer kritischen Theorie, die einen graduierbaren Begriff der Anerkennung als Instrument der Sozialkritik verwendet. 1. Systemtheorie und Normativität Luhmanns These, dass die Gesellschaft sich nicht mehr über Normen, vor allem nicht über moralische Normen integriere, hat nach meiner Deutung zwei Stoßrichtungen: Zum einen gegen eine Steuerung des gesamtgesellschaftlichen Prozesses durch eine normative Übereinstimmung hinsichtlich richtiger Ziele. Das ist vor allem gegen Habermas gerichtet, aber auch gegen Vorstellungen eines Gesamtsubjektes der Menschheit, die ihr Schicksal in die Hand nimmt, selbst gegen Assmann (, ; , ). Universale und gleiche Menschenrechte gehen für Assmann
auf die „in der Antike beginnende[] europäische[] Aufklärung“ zurück (Assmann , ). Zum Recht vgl. Luhmann (, ), zur Moral: „Anpassung des moralischen Regelwerks an den jeweilig erreichten Stand der gesellschaftlichen Entwicklung“ (Luhmann , ).
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‚Invisible Hand‘-Prozesse eines verborgenen Weltgeistes. Die Veränderungen in einzelnen Systemen wirken auf die Gesamtgesellschaft eher wie innere Mutationen, zu denen äußere wie technische oder natürliche Veränderungen hinzutreten. Die zweite Stoßrichtung richtet sich gegen die Allzuständigkeit des moralischen Diskurses, dessen Code nach Luhmann die Unterscheidung Achtung/Missachtung ist. Hier trifft er sich weitgehend mit Hegels Kritik der Moralität – bis zur verstellenden Heuchelei und moralischen Selbstgerechtigkeit des ‚guten Gewissens‘ (Luhmann , ). Abgesehen vom politischen Missbrauch und den diskriminierenden Wirkungen – auch durch die medialen Verstärkungen – würden Systemrationalitäten außer Kraft gesetzt und Gesellschaft entdifferenziert. Luhmann hat das früh auch an Umwelt- und Technikfolgenproblemen erörtert und setzt eher auf Konvergenzen bei systemeigenen Lösungen. Dabei kann man sich sogar an der „Utopie der Rationalität“ orientieren. Es fragt sich aber, ob angesichts der jüngsten globalen Herausforderungen bezüglich der Bewohnbarkeit der Erde, technischer Visionen der Veränderung des Menschen oder der Implementierung universaler Menschenrechtsforderungen nicht doch eine umfassende normative Kommunikation stattfindet und stattfinden muss. Darin gibt es sicher keine eindeutige rationale Lösung und keinen Konsens – wie er für Luhmann früher einmal in Religion und Moral zur „Selbstkonditionierung“ der Gesellschaft beigetragen hat (Luhmann , ). Aber der vielstimmige und kontroverse Dialog mit zumindest temporär ‚überlappenden Konsensen‘ – etwa in globalen Konventionen – könnte heute die umfassende kommunikative Integration der „Weltgesellschaft“ sein. Sie findet insofern in der Sprache der Moral statt, als es dabei um diejenigen Unterscheidungen geht, die vom moral point of view des wohlwollend unparteiischen Beobachters aus zentral sind. Das sind im Allgemeinen – aber betroffenenspezifisch (Mensch, Tier etc.) – Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Wohlergehen und Leiden sowie ‚erfahrungsgesättigt‘ vor allem Würde versus Demütigung (s. u. S. f.).
„Dann mag es nicht ohne Nutzen sein, sich doch an der Utopie der Rationalität zu orientieren, um zu sehen, ob und wie man von einzelnen Systemen aus rationalere, weitere Umwelten einbeziehende Problemlösungen gewinnen kann. Und man sieht gegenwärtig bereits deutlich, daß die Kommunikation über ökologische Themen dazu ansetzt, solche Möglichkeiten zu testen“ (Luhmann a, f. – auf diese Stelle hat mich Thomas Gutmann aufmerksam gemacht; vgl. auch Luhmann a, sowie Luhmann , f.). In Bezug auf die Menschenrechte sieht auch Luhmann die Tendenz zu einer „weltweit kommunizierenden Weltgesellschaft“ (Luhmann , , ). Obwohl sie nicht als „Grundnorm“ (Luhmann , ) zu verstehen seien, spricht er von „welteinheitlich erfahrenen Menschenrechtsverletzungen“ als „schlechterdings unakzeptablen Vorkommnissen, bei denen keine Abwägung mehr möglich ist“ (Luhmann , ).
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2. Normativität und Anerkennung im semantischen Pragmatismus Das Verständnis der sozialen Welt als Kommunikationsprozess teilen die pragmatistischen Ansätze mit den systemtheoretischen in der Variante von Niklas Luhmann. Weil sie Kommunikation als Handeln verstehen, für das Sprachhandeln bzw. Sprechakte eine konstitutive Rolle spielen, können sie Normativität nicht ausklammeren. Denn Handeln spielt sich immer in einem Bereich sozialer Erwartungen und Sanktionen ab. Wer sich verständlich machen und Sanktionen vermeiden will, muss sich an – implizite oder explizite – Regeln halten, die relevante Andere teilen. Positionen wie der Inferentialismus gehen dabei von einer schwachen Normativität aus, die etwa bei Brandom schon dem assertorischen Umgang mit Begriffen und der handlungsleitenden Funktion von Absichten eigen ist. Das ist aber offenbar nicht ausreichend, um soziale Systeme, Institutionen und dergleichen kritisch auf ihre Legitimation, Vernünftigkeit etc. zu befragen. Brandom nimmt zweifellos auch stärkere normative Kriterien in Anspruch. Das ist vor allem die Wechselseitigkeit und Symmetrie von Anerkennung, die jede Herrschaft ohne Verantwortung diskreditiert. Dazu kommt die historische Dimension der Normautorität durch Tradition. Die Symmetrie-Forderung lehnt sich an Brandoms Verständnis von Hegels Behandlung des Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnisses an. Sie hat aber eine quasi-transzendentale Struktur. Wer immer sich und andere wirklich als Handelnden und Wissenden, mit inhaltlich bestimmten Begriffen Argumentierenden versteht, vollzieht zumindest implizit eine symmetrische Anerkennung (vgl. Brandom , f.). Er gesteht dem anderen zu, sich bewusst an Normen zu binden, deren Gültigkeit nicht allein von dieser (subjektiven) Bindung, sondern auch von der Geltung der Normen in einer Gemeinschaft einander anerkennender Subjekte abhängt. Das Missverständnis, dass die normative Autorität durch die eigene Einstellung (attitude) allein begründet ist, wird aber nicht nur von vormodernen Herrschaftsverhältnissen verkörpert. Es ist auch kennzeichnend für eine moderne Gewissensmoral bis hin zur kantischen Selbstgesetzgebung. Diese Einseitigkeiten müssen überwunden werden, wenn wir verstehen wollen, was wir
Für Luhmann sind vom Sprachhandeln her soziale Systeme nicht zu erklären: „Man sieht nicht, wie von da aus [d. h. von Sprachhandlungen aus] eine Gesellschaftstheorie entstehen könnte, die die moderne Gesellschaft angemessen beschreibt. Man müßte im theoretischen Design von Sprachhandlungen auf Kommunikation umstellen und von Sprache auf soziales System“ (Luhmann , ). Sogar den materialen Inkompatibilitäten, die Aussagen richtig oder falsch machen können. Brandom unterstellt Kant, dass die Selbstverpflichtung der Geltungsgrund, nicht nur die Übernahme der subjektiven Verpflichtung auf das Sittengesetz sei (, ; , , ).
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in rationaler Argumentation und in Handlungen aus überlegten Gründen immer schon tun. Aber weder die Symmetriebedingung von Anerkennung noch die kritische Anwendung traditioneller Normen stellt ein hinreichendes Kriterium für die normative Beurteilung konkreter sozialer Systeme und Institutionen dar. Wechselseitigkeit der Verpflichtung sichert noch keine Rechtsgleichheit. Auch die Übernahme und Auslegung von Traditionen, sowohl im Bereich des Rechts (common law) wie in der Philosophie („mighty deads“), lässt sich auch nach einem aristokratischen Modell der Kooptation verstehen. Eine ‚progressive‘ Richtung bekommt Brandoms Konzeption historischer Anerkennung erst durch seine an Hegel angelehnte Epochensequenz von Antike, Moderne und Postmoderne. Ob der „Spirit of Trust“ allerdings eine normative Analyse differenzierter Gesellschaften der Gegenwart ermöglicht, wird noch zu erörtern sein (s. u. S. f.). 3. Anerkennung und konkrete Sozialkritik Viel enger als Systemtheoretiker und semantische Pragmatisten sind die Philosophen der Frankfurter Schule seit Axel Honneth an Gehalten der Philosophie des objektiven Geistes bei Hegel orientiert. Die Formen der Anerkennung, vor allem Liebe, Recht und soziale Wertschätzung, sind für Honneth sowohl Schlüssel zum Verständnis der Integration der Individuen in die Lebensformen und Institutionen moderner Gesellschaften als auch zu deren normativer Prüfung. Man kann in dieser Hinsicht von „Anerkennung als Prinzip der kritischen Theorie“ (Schmidt am Busch ) sprechen. Anders als bei Jürgen Habermas liegt für Axel Honneth auch dem Bereich der Ökonomie als Marktwirtschaft ein Anerkennungsversprechen zugrunde: Es ist nicht nur der Anreiz des vorteilhaften Tausches, der die Marktteilnehmer zusammenführt, sondern vor allem das Streben nach Anerkennung ihrer Leistungen zum Nutzen aller. Honneth verzichtet auf zwei wesentliche Elemente der hegelschen Theorie des objektiven Geistes: die begriffsnotwendige Selbstdifferenzierung in die Formen der Sittlichkeit und den teleologischen Prozess der Integration von Individualität und Brandom scheint in seinen Rekonstruktionen der philosophischen Tradition eine Art hegelsche Geschichte der Begriffe anzunehmen, die von der jeweiligen Perspektive der Autoren unabhängig sind: „The same conceptual content, corresponding to different perspectives from which it can be viewed“ (Brandom , ). Honneth (, ) beruft sich bei dieser Analyse des Marktes auf Hegel und Durkheim. Für beide könne „marktvermitteltes Handeln“ nur dann die „ökonomischen Aktivitäten der einzelnen zwanglos und harmonisch […] integrieren, wenn sie in ein allen Verträgen vorauslaufendes Solidaritätsbewußtsein eingebettet“ sind. Vgl. dazu Siep (, – ); zu einer am modernen Arbeitsbegriff orientierten Transformation vgl. Schmidt am Busch ().
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allgemeinem Willen. Das macht es schwierig, die Selektion der Anerkennungsformen zu begründen, die in einer Gesellschaft notwendig sind. Weder eine Theorie anthropologisch-konstanter Bedürfnisse noch eine kulturunabängige Systematik von Formen sozialer Integration stehen dafür zur Verfügung. Ob die geschichtsphilosophischen Annahmen diese Lücke füllen, bleibt zu erörtern (s. u. S. f.). Honneths Schülerin Rahel Jaeggi verzichtet auf eine systematische Trias von Anerkennungsformen. Sie vertritt eine offene und pluralistische Form von Sozialität, beschränkt auf ein Bündel interagierender Lebensformen in den überkommenen Gesellschaften. Was diese intern und untereinander verbindet, ist die Lösung von Problemen, sowohl der physischen Erhaltung wie der Einhaltung von Standards und kollektiven normativen Selbstbildern. Zu diesen gehören Formen des Rechts, hochgeschätzter Haltungen (Tugenden) oder gemeinsamer Idealvorstellungen (wie die romantische Liebe für viele Formen der modernen Familie). In ihrem Rahmen müssen materielle und spirituelle – zu Kunst, Wissenschaft oder ‚Sinnsystemen‘ gehörende – Bedürfnisse befriedigt und aufkommende Konflikte gelöst werden. Jaeggis Versuch einer immanenten Kritik von Lebensformen ist noch enger als die übrigen Transformationen an der Phänomenologie Hegels orientiert. Wie in der ‚Erfahrung des Bewusstseins‘ treten Spannungen zwischen den Elementen und zwischen diesen und ihrem normativen Maßstab auf, die zu Krisen und zu Umwälzungen des Maßstabes führen. Dabei können die Maßstäbe erfolgreicher Problemlösungen „negativistisch aus der Untersuchung von Erfahrungsblockaden gewonnen“ werden (Jaeggi , ). Jaeggi verzichtet auf einen übergreifenden Maßstab wie die Anerkennung und auch auf eine globale Geschichtsphilosophie (s. u. S. f.). Damit bleiben aber auch die Deutungen von Krisen im Bereich kontroverser Vorschläge. Als Ausweg erscheint die höherstufige Beurteilung der Konflikt- und Problemlösungskapazität einer Lebensform. „Erfahrungsblockaden“ auf beiden Ebenen, materieller Überlebensbedingungen wie normativer ‚Ressourcen‘, zeigen die Krise und Erosion einer Lebensform an. Tolerante und vermittlungsfreundliche Gemeinschaften scheinen sich in dieser Hinsicht von solchen mit ‚starren‘ Vorstellungen von Ehre, Anstand, Rechtgläubigkeit etc. vorteilhaft zu unterscheiden. Für den klassischen Pragmatismus Deweys war das ein starkes Argument für die Demokratie. Seitdem haben sich aber auch Grenzen für die Problemlösungskapazität von Demokratien gezeigt. Wenn sie anderen Staatsformen überlegen sind, Jaeggi (). Der Pluralismus hat aber Grenzen an den gemeinsamen Aufgaben der Lebensbewältigung: „[E]ine soziale Ordnung, die in dem Maße fragmentiert wäre, dass die jeweiligen Praktiken und Lebensformen sich gar nicht mehr aufeinander beziehen lassen, noch nicht einmal in Konflikt geraten, wäre gar keine soziale Ordnung mehr.“ (Jaeggi , ). Jaeggi (, ).
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dann wohl in erster Linie wegen der in ihnen ‚eingebauten‘ Grundrechte und Vermittlungsverfahren. Die Unabhängigkeit der persönlichen Überzeugung, die Lösung von Problemen durch Diskurs und Zustimmung, oft auch durch Interessen- und Wertekompromisse, die möglichst weitreichende Beteiligung an gemeinsamen Aufgaben etc. machen sie zur ‚besten unter den schlechten‘ Staats- und Regierungsformen. Traditionalisten und Patrioten, die ihren Lebenssinn in Askese, Opfer und Treue sehen, werden dem nicht zustimmen. In einer grundrechtsbasierten Demokratie können sie aber zumindest gewaltlos für die Anerkennung solcher Werte kämpfen. B. Norm und historische Erfahrung Hegels Philosophie des objektiven Geistes ist nicht nur ein Modell der konstitutiv sozialen, sondern auch historischen Verfassung von Begriffen und Normen. Eine solche Historisierung richtet sich in der heutigen Philosophie zum einen gegen die Versuche der ‚Naturalisierung‘ von Vernunft und Gesellschaft im Gefolge des Primats der Naturwissenschaften und ihrer Methoden und Objektivitätsideale. Zum anderen wendet sich das Bekenntnis zur historischen Semantik und zur Erfahrungs- und Problemlösungsgeschichte kritisch gegen die Tradition des Natur- und Vernunftrechts. (a) Für Theorien sozialer Systeme wie die Luhmanns gehören geschichtsphilosophische Konzeptionen, vor allem solche, die von einem Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit ausgehen, zum überwundenen Paradigma alteuropäischer Begrifflichkeit. Freiheit ist nach Luhmann nur in der Sprache der Tradition eine „Eigenschaft des Menschen“, für die moderne soziologische Theorie fällt sie als „Nebenprodukt der Kommunikation“ an (Luhmann , ). Soziale Evolution ist zwar nicht auf natürliche reduzierbar, folgt aber analogen Strukturen der Variation, Selektion und Restabilisierung. Die Affinität zwischen Kommunikationstheorie und Evolutionstheorie liegt sicher auch daran, dass der auf Genetik gestützte Neodarwinismus und die moderne Informationstheorie wissenschaftsgeschichtlich eine Art Ko-Evolution durchlaufen haben. Kann die Evolutionstheorie auf normative Kriterien der Entwicklung verzichten, und seien es implizite aufgrund von ‚Richtungsannahmen‘? Dagegen spricht zum einen, dass sich der Begriff ‚Moderne‘ nur schwer von evaluativen Konnotationen freihalten lässt, und zum anderen, dass Luhmann evaluative Ausdrücke wie ‚Steigerung‘ ausdrücklich benutzt. Als Evolution verstanden, enthält die soziale Entwicklung eine Richtung, die wie die der natürlichen unumkehrbar ist. Versuche zu einer Umkehr – die etwa normativ als ‚Renaissance‘ oder ‚Rebarbarisierung‘ beurteilt werden – sind dem-
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nach Selbsttäuschungen. Zu den Modernisierungsprozessen gehören auch solche, die gewöhnlich normativ als Fortschritte beurteilt werden, wie die vom Primat der objektiven Pflichten zu dem der subjektiven Rechte. Aber Luhmann möchte in der Tat nicht nur solche Urteile, sondern auch abstraktere Wertungen ausschließen: „[M]an müßte (gegen Hegel und Darwin) jede Verwendung von Ausdrücken wie ‚niedriger‘ oder ‚höher‘ vermeiden“ (Luhmann , ). Das Maß für „Errungenschaften“ und „Steigerung“ (Luhmann , ) ist entweder das Lösen von Problemen, die letztlich immer Kommunikationsprobleme sind. Oder es ist die „Ermöglichung höherer Komplexität“ (Luhmann , ) – jedenfalls solange sie ein System nicht überfordert. Dazu gehört ein erhöhtes Maß an Variabilität, Optionen und Leistungsfähigkeit des Kommunikationssystems. Losgelöst von Freiheit oder Gerechtigkeit erscheinen solche Kriterien der Steigerung aber als technische Kategorien – wenn auch nicht im Sinne von Luhmanns eigenem Technikbegriff. Technisch oder allenfalls ästhetisch ist auch das Bild des „einzigen Weltgesellschaftssystems, das gleichsam pulsierend wächst oder schrumpft, je nachdem, was als Kommunikation realisiert wird“ (Luhmann , ). Im Fortgang der sozialen Evolution hält Luhmann Änderungen der strukturellen Gewichtung der Funktionssysteme, etwa des Rechts gegenüber anderen Systemen, für möglich (Luhmann , f.). Wenn man auf die normative Beurteilung solcher Änderungen aber verzichtet, lassen sich schon die Rechte der Wissenschaftsfreiheit nicht mehr rechtfertigen, die man selber in Anspruch nimmt – sowohl gegenüber der vormodernen Vergangenheit wie gegenüber einer postmodernen Zukunft, etwa einer neuen Dominanz der Religion oder der Nation. (b) Für den semantischen Neopragmatismus ist die historische Dimension der Anerkennung die dritte neben der inferentiellen und sozialen. Sie löst das Problem, wie man die aus der Tradition übernommenen und in der sozialen Praxis überprüften Begriffe, Urteile und Schlüsse als gelungene oder gescheiterte Referenz oder als sinnvolle Anwendung von Normen im Handeln beurteilen kann. Brandom beruft sich dabei außer auf das common law auch auf die allgemeine Handlungstheorie Hegels und Davidsons – wobei er die erstere als Verbesserung Zur „Umstellung der Gesellschaft von stratifikatorischer Differenzierung zu funktionaler Differenzierung“ bemerkt Luhmann (, ): „Dahinter können wir nicht zurück“. Luhmanns () Theorie der Grundrechte impliziert normative Fortschritte, aber in einer Sprache der Erweiterung von Optionen und Funktionen. Im Satz zuvor bescheinigt Luhmann (, ) Hegel den „einzig voll durchdachten Versuch“, die Moderne ohne einen am Individuum orientierten Subjektbegriff konzipiert zu haben. Luhmann versteht Technik als Teilsystem der Gesellschaft, dessen Erfolg mit „funktionierender Simplifikation“ (Luhmann , ) als Isolierung von Umweltbezügen, bzw. Ausschaltung von Einflüssen der „Welt im Übrigen“, zu tun hat (Luhmann , ) – analog zum wissenschaftlichen Experiment. Vgl. Brandom (, ) sowie o. Anm. .
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der letzteren versteht. Handeln ist zu begreifen als Konkretisierung und Veränderung eines Zwecks oder Plans durch die Sequenz der öffentlich zugänglichen und beurteilbaren Schritte und Folgen. Für die Handlung als beabsichtigte – nicht als kausale Ereignisfolge – ist die Intention des Handelnden als Resultat seiner Überlegungen in seiner eigenen Perspektive maßgeblich. Für sie als ‚Tat‘ zählt hingegen alles, was aus ihr in der sozialen Welt geworden ist, auch wenn Absichten gescheitert sind. Im Anschluss an das Vernunft- und das Geistkapitel der Phänomenologie konzipiert Brandom eine ‚postmoderne‘ Form der Anerkennung. In ihr lässt sich das antike – vor allem in der Tragödie zum Ausdruck kommende – Verständnis von Verantwortung für die Tat in allen ihren Folgen bzw. Beschreibungen vereinen mit der modernen Beschränkung von Verantwortung auf absichtliches Handeln. Dazu müssen alle Mitglieder der community die Verantwortung übernehmen, die Folgen mit der Absicht und mit dem Wohl der Gemeinschaft in Übereinstimmung zu bringen. Das sei Hegels Idee der Einheit von Ich und Wir: „All are responsible for the doings of each and each for the doings of all“ (Brandom , , vgl. auch ). Für die Konzeption der Geschichtlichkeit bedeutet das: Alle müssen die Entscheidungen ihrer Vorgänger in einen konsequenten Erinnerungszusammenhang (recollection) bringen, ihre Folgen aber auch verbessern. Wie in der wissenschaftlichen Erklärung oder in der Philosophie alle verpflichtet sind, die früheren Ansätze und ihr Scheitern in einen einheitlichen Wahrheitsfortschritt zu integrieren, so sind alle Mitglieder ‚postmoderner‘ Gesellschaften dazu verpflichtet, die Entscheidungen ihrer Vorgänger und fellow members als Glied in der Kette syllogistischer Explikationen eines sich immer weiter anreichernden Begriffs- und Normensystems zu verstehen. Dadurch wird die Zufälligkeit der Entscheidungen und Taten in Notwendigkeit umgewandelt (Brandom , , ). Zu dieser erinnernden Aufgabe kommt eine Pflicht zur Verbesserung: „It is part of our task to see it that those earlier doings make positive contributions to the larger whole that subsumes it Insofern Davidson (wie Anscombe) die beiden Seiten der Innen- und Außenansicht der Handlung noch ‚verstandesmäßig‘ trennt (Brandom , ). Brandom versteht die Konzeption des „Spirit of Trust“, die er mit Hegel (als „Prophet“; vgl. Brandom , ) teilen will, als „edifying“ für Philosophie und Gesellschaft (Brandom , ). Hegels Konzeption des absoluten Wissens sei die Synthese antiker und moderner Sittlichkeit in einer dritten Stufe, die Brandom „postmodern“ nennt: „The book [sc. die Phänomenologie] is intended to make possible for its readers the postmodern form of self-consciousness Hegel calls ‚Absolute Knowing‘. And thereby to begin to usher in Stage Three“(Brandom , ). Zu den Problemen dieser Erziehung zu einer postmodernen Gesellschaft des Vertrauens vgl. Knappik (, – ; ) sowie Pinkard () und Houlgate (). Vgl. Brandom (, ): „Recognizing an agent as one of us is practically treating what she did as part of what we are all doing. Adopting that attitude is acknowledging the responsibility to make what was already done come out right.“
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– a whole that includes and so is partly constituted by our current and future doings“ (Brandom , ). Alle Taten müssen von den Nachkommen zu Teilen einer rationalen und guten Welt gemacht werden, die Brandom ausdrücklich mit Leibniz’ Konzept der besten aller möglichen Welten vergleicht (Brandom , ). Wie die Institutionen einer Gemeinschaft mit solchen postmodernen Anerkennungsanforderungen aussehen, hat Brandom bisher m. W. nicht ausgearbeitet. Sie lassen sich auch bei Hegel nicht finden – abgesehen von entfernten Analogien in den Institutionen der Strafe und Begnadigung. Eine rationalisierende Rekonstruktion für alle Taten und eine Übernahme der ‚Täterverantwortung‘ durch die Gemeinschaft gibt es bei ihm nicht. Die eigentliche Geschichte der historischen Vernunft ist eine Geschichte der Staaten und „Reiche“, die in ihren grundsätzlichen Formen und ihren epochalen Verfassungen (in ihrem „Prinzip“) von „Gewalt und Laster […] Schuld und Unschuld des Volkslebens“ unabhängig sind (GW ,: ). Zudem lässt sich der Anfang vom Erreichten aus erschließen. Für gewohnheitsrechtliche Traditionen gibt es in der Regel zumindest eine Reihe initialer Schritte, vor allem die Codices und Kollektivverträge oder Verfassungen, die jeder Richter auszulegen hat. Wenn es aber um Handlungen überhaupt geht, verliert sich jeder Anfang im Dunkeln und jeder auch noch so fürchterliche Irrtum kann durch Neudeutung und entsprechendes Handeln in einen notwendigen Schritt zum Guten umgewandelt werden. Aber selbst durch Vermeidung ihrer Wiederholung werden Völkerverbrechen weder entschuldigt noch rationalisiert. Nach Brandom muss man dagegen jederzeit eingestehen, dass wir die Geschichte vielleicht bisher falsch erzählt haben (Brandom , ). Damit ist der Sinn der Normen, die explizit gemacht werden, von den narrativen Wendungen zukünftiger Interpreten abhängig. Es könnte im Nachhinein alles, was wir für Recht und Unrecht halten, andere Vorzeichen bekommen.
Leibniz’ Idee der besten aller möglichen Welten sei als eine Aufgabe zu verstehen, die alle dazu verpflichtet, die gescheiterten Absichten der Mitmenschen in ihren Folgen zum Guten zu wenden (vgl. Brandom , , f. (Leibniz) u. ). Eine solche Pflicht lässt sich offenbar nicht auf eine partikulare Gemeinschaft begrenzen. Der Vergleich politischer Institutionen mit den linguistischen Normen einer Sprachgemeinschaft (Brandom , ) reicht dazu gewiss nicht aus. An anderer Stelle hat Brandom eher das Gemeinschaftsideal des Pietismus im Blick. Hegels Begriffe von Glaube und Verzeihung in der Phänomenologie versteht er als „metaphysical radicalization of this religious tradition“ (Brandom , ). Brandom erörtert mehrfach Grenzen des Verstehens und Verzeihens (Brandom , , ), schreibt sie aber im Endeffekt der Gemeinschaft als Fehler und Verstoß gegen ihre Pflicht zu (Brandom , f., : „failure of ours“). Er stimmt Hegels Diktum zu, die Geschichte des Geistes hinterlasse keine Narben und versteht den Satz ‚Tout comprendre c’est tout pardonner‘ als eine verpflichtende Idee (Brandom , , ). Es gibt aber unentschuldbare historische Verbrechen, die auch durch den (institutionellen) Versuch, ihre Wiederholung zu verhindern, nicht nachträglich gerechtfertigt sind.
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(c) Für eine kritische Theorie konkreter Anerkennungsformen ist die Verbindung von normativer Kritik und Geschichtsphilosophie von besonderer Wichtigkeit. Wenn man nicht die Wendung von Hegel zu Kant zurück vollziehen will, die – mit Einschränkungen – bei Habermas zu finden ist, sondern an der Idee der immanenten Kritik historischer Institutionen festhält, wird vor allem der Fortschrittsgedanke entscheidend. Während Jaeggi für einen „deflationierten“ Fortschrittsbegriff eintritt, bleibt Honneth bei einem „robusten“. Um einen Mittelweg zwischen apriorischem Universalismus oder Wertrealismus einerseits und Historismus andererseits zu erreichen, stützt er sich auf eine in allen historischen Lebenswelten immanente anthropologische Konstante, die zugleich ein Ziel der Geschichte vorschreibt: Das Streben des Menschen nach Selbstbestimmung und -verwirklichung seiner Wünsche und Absichten (desires und intentions). Seine Erfüllung setzt voraus, dass andere an jedem Individuum schätzenswerte Eigenschaften erkennen und anerkennen – was wiederum Voraussetzung für deren Entdeckung und Aneignung durch den ‚Träger‘ ist (im Sinne einer second order volition). Solche Anerkennung ist zugleich eine Norm und ein Versprechen, das über die in jeder partikularen Lebenswelt mögliche Erfüllung hinausweist. Da es sich ja nicht um eine Vernunftidee handelt, ist die Quelle dieses ‚normativen Überschusses‘ der Anerkennung allerdings schwer erkennbar. Er übt einen eigenen Druck aus, weitere schätzenswerte Eigenschaften zu entdecken und durch soziale Formen der Anerkennung ihre Verwirklichung zu ermöglichen. Ob es sich dabei um ein endgültig erreichbares Ziel oder eine permanente Annäherung handelt, ist offen, aber für die angestrebte immanente Kritik auch nicht entscheidend. Zumindest in der Form, die Honneth dem Ziel des Fortschrittes in diesem Text gibt, leuchtet freilich sein universaler normativer oder anthropologischer Anspruch nicht ein. Zwangsfreie Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung von Wünschen und Absichten ist eher ein liberales Ideal als ein universeller anthropologischer Zug. An anderer Stelle des Textes nennt Honneth Individualisierung und Inklusion universale Züge des Fortschrittes der Autonomie. In seinen Anerkennungsformen der Liebe und Solidarität kommen weitere schätzenswerte Züge, wie Hingabe und Opferbereitschaft, zum Ausdruck. Sie können mit der Selbstbestimmung über eigene Wünsche im Konflikt stehen. Zwar kann man sagen, dass sie als erzwungene wertlos sind. Aber eine solche These lässt sich eher auf die Evidenz von historischen Erfahrungen begründen als auf die ‚Anthropologisierung‘ von Formen gegenwärtigen Strebens nach Autonomie. Jaeggis Konzept von Krisen und Problemlösungen verzichtet auf die Konzeption von Zielbegriffen des Fortschritts (Jaeggi , ). Lebensformen müsse man Honneth (, ). Zur Fortschrittsfrage ist Honneth in diesem Text besonders deutlich. Für eine alternative anthropologische Fundierung kritischer Sozialwissenschaft unter Vertei-
digung eines (deflationierten) Wertrealismus vgl. Sayer ().
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als „Experimente“ (Jaeggi , ) der Problemlösung verstehen und Kriterien der Kritik aus einem „normativ aufgeladenen historischen Erfahrungsprozess“ (Jaeggi , ) gewinnen. Anstelle einer Gesamtlogik der „Menschheitsgeschichte“ geht sie von einer „(deflationierten) Logik der Abfolge von normativer Erosion und Transformation bestehender Institutionen in bestimmten Strängen der Geschichte“ (Jaeggi , ) aus. Dieser Pluralismus der „teilweise sich überlappende[n], möglicherweise sogar sich widersprechende[n] Fortschrittsbewegungen“ (Jaeggi , ) harmoniert aber kaum mit ihrer Analyse der heute übergreifenden Lebensform des „Kapitalismus“ (Fraser/Jaeggi ). Offenbar gibt es Widersprüche in diesem System, die nicht auf die der ‚gebündelten‘ Lebensformen zurückführbar sind. Wenn schon keine Geschichtslogik, scheint das zumindest die Vorzeichnung eines alternativen – nicht bereits gescheiterten – ‚Experiments‘ vorauszusetzen. Um die Möglichkeit normativer Beurteilung historisch entwickelter Institutionen, Lebens- und Anerkennungsformen gegen einen evolutionären ‚Quietismus‘ oder ein grenzenlos verzeihendes Neuschreiben der Geschichte zu sichern, scheint mir ein anderes Konzept des Lernens aus negativen Erfahrungen aussichtsreicher. Man kann es auch als Transformation der hegelschen Intention betrachten, vernünftige normative und institutionelle Errungenschaften der „Subversion“ zukünftiger Entwicklungen zu entziehen – ohne teleologische Prämissen und im Lichte der nachhegelschen Katastrophen. Nicht nur die Rebarbarisierungen eines frontal gegen die Autonomie-Begriffe der Aufklärung gerichteten Totalitarismus, sondern auch die Perversionen dieser Begriffe im Imperialismus europäischer Kolonialmächte haben zu Schwellen irreversibler normativer Erfahrungen geführt. Die Anerkennungsbedingungen für Selbstvertrauen, Selbstachtung und Wertschätzung sind durch ihren extremen Entzug in Demütigung und Entwürdigung unabweisbar deutlich geworden. Zugleich sind die Grundzüge des Herrschen-, Zerstören- und Vernichten-Wollens, für die auch Honneth in seinen anthropologischen Überlegungen eine Stelle sucht (Honneth , ), in ihrer Wucht und ihrer Steigerungsfähigkeit durch moderne Technologie offenkundig geworden. Die Dämme dagegen sind vor allem Institutionen und erzwingbare, auf Mitgesetzgebung beruhende Rechte. Sie müssen durch Abwehrrechte und Gewaltenteilung auch die legale Zwangsgewalt einschränken. Rechtszwang muss aber in stabile Mentalitäten – analog zu Hegels „Sittlichkeit“ –, d. h. in eine Kultur der Anerkennung, eingebettet sein.
Das ist nach Christoph Bauer auch der Sinn der hegelschen Theorie des Vernunftfortschrittes. Er
spricht vom „Einfrieren“ eines Freiheitsbegriffs gegen die „Subversion“ durch die zukünftige Geschichte (Bauer , ). Zum Folgenden vgl. Zimmermann () und Siep ().
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Eine solche negative historische Anthropologie scheint mir ein stabileres Fundament als die vorgeschlagenen positiven Fortschrittskonzepte zu bieten. Sie lässt Rückschlüsse nicht nur auf das zu, woran Menschen gehindert werden müssen, sondern auch auf die Bedingungen der Anerkennung und des Gedeihens. Bei der positiven und prospektiven Anthropologie ist man auf weniger festem Boden. Anhaltspunkte bietet die Geschichte der sozialen und kulturellen Menschenrechte. Zur Weiterentwicklung ist man auf das Experimentieren mit Lebensformen und ihren ökonomischen und ökologischen Bedingungen angewiesen – unter Mithilfe der Erfahrungswissenschaften vom Menschen. VI. Objektiver Geist ohne wissenschaftliches System? Die hier überblicksweise diskutierten expliziten oder impliziten Transformationen von Hegels Konzeption des objektiven Geistes haben komplementäre Stärken und Schwächen: Wenn die einen zu höherer Differenzierung und Konkretion sozialer Systeme in der Lage sind, überzeugen die anderen durch plausiblere Theorien der Normativität und des Spezifischen geschichtlicher Lernerfahrungen. Sollte man auf wechselseitige Ergänzung hoffen oder gar eine Synthese im Geiste Hegels fordern? Mir scheint, dass es sich eher um konkurrierende, nicht zu vermittelnde Paradigmen handelt. Es fragt sich aber, ob die Autoren selber eine solche Konkurrenz akzeptieren. Einige versuchen eher, im Geiste des hegelschen Systems, sowohl die historischen Vorläufer wie die zeitgenössischen Alternativen ganz im eigenen Rahmen zu erklären (Brandom) – oder aber als evolutionär überholte („alteuropäische“) Semantik zu entsorgen (Luhmann). Pragmatisten der kritischen Theorie sind offener, wollen aber auf Züge einer vereinheitlichenden Geschichtsphilosophie oder auf eine Art hegelscher Dialektik sich aufhebender Widersprüche (Krisen) nicht verzichten. Es steckt in diesen Transformationen vielleicht noch zu viel an hegelschem Systemdenken, das ja selber Erbe des frühneuzeitlichen Wissenschaftsideals im historischen Jahrhundert ist. Wenn die Philosophie sich heute von ihrer Lage und vom Selbstverständnis anderer Wissenschaften Rechenschaft gibt, sollte sie sich eher als Experimentieren mit verschiedenen Modellen verstehen, statt umfassende und exklusive Erklärungsansprüche zu erheben. Es geht nicht um die (Allein-) Herrschaft über die theoretische Welt, sondern um die Entwicklung möglichst Auch Jaeggi versteht Fortschritt – mit Adorno – als Verhinderung von „Regression“, aber kontinuierlich und nicht auf bestimmte Schwellen und deren institutionelle Konsequenzen bezogen (vgl. Jaeggi , v. a. ). Einen Vorschlag zur Abschwächung des Widerspruchsbegriffs bei der kritischen Rekonstruktion historischer Lebensformen habe ich in Siep (, f.) skizziert.
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erklärungskräftiger und normativ überzeugender Modelle. Das gilt auch für den Umgang der Philosophie mit ihrer Geschichte, die weder als semantisch überwunden gelten kann noch, wie bei Hegel und Brandom, als rational-notwendige rekonstruiert werden muss. Aus den Konzeptionen höchsten Niveaus in allen Kulturen und Zeiten ist noch selektiv Anregung für die Bearbeitung gegenwärtiger Aufgaben zu entnehmen. Das ist kein Eklektizismus, sondern Freiheit von der Verpflichtung auf eine (einzige) Tradition. Es gibt noch immer wichtige Aufgaben, denen sich Hegels Philosophie gestellt hat, ohne sie endgültig zu lösen. Und es gibt solche, die noch außerhalb seines historischen Horizontes lagen. Zu den ersteren gehören alle hier erörterten Probleme, aber auch spezifischere wie etwa das Verhältnis von Recht, Wohl und Moralität (Notrecht) oder von individueller Freiheit und sinnstiftender Vereinigung (Grundlinien der Philosophie des Rechts, GW ,: § ). Zu den letzteren zählt das Verhältnis von globaler Abhängigkeit und regionaler (staatlicher) Autonomie oder das Problem der Selbstbegrenzung des technischen Willens zu Kontrolle und Verbesserung. Philosophie der Praxis und des Sozialen muss ihre Zeit in Gedanken fassen und braucht dabei Pluralitätstoleranz. Siglen GW Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
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TEXTE UND DOKUMENTE
Jörg Hüttner und Martin Walter DIE EULE DER MINERVA AUS VORHEGELSCHER PERSPEKTIVE Obereits Avertissement () an Goethe A B S T R A C T : The Owl of Minerva can be considered one of the most prominent philosophical metaphors, occurring only once in Hegel’s Elements of the Philosophy of Right. Current research ascribes different motives for the origin of that metaphor: () a political journal named Minerva (thesis of Jacques d’Hondt) or () a sculpture in Heidelberg showing Minerva or the Goddess Pallas Athena (thesis of Klaus Vieweg). Both get by without a philosophical reconstruction: Hondt’s is political orientated, Vieweg’s on the historical site. However, a retrospective reading from Aristotle to Thomas Aquinas demonstrates a mere negative metaphorical context in the western tradition of the history of ideas: the night owl is considered likewise day-blind. In contrast, the Hegelian use is affirmative and attributes certain spectator-qualities to the owl, which allows a privileged viewpoint in the epistemological twilight. This article attempts to add a third source option for Hegel. Writings by Jakob Hermann Obereit: mainly a short text entitled Avertissement (), sent to Goethe. This allows even a possible direct transfer, considering the friendship of Goethe and Obereit as well as of Goethe and Hegel. The text includes various descriptions and characteristics of the night owl in a similar affirmative and dialectical thinking. Most striking is the wording “umgekehrte Welt”, similar to Hegelʹs “verkehrte Welt” [both German terms mean reversed world]. The possible familiarity of Hegel with Obereit can be proven by an Obereit-Book, located in Hegelʹs own library.
Die Eule der Minerva wird als „eine der schönsten Metaphern der Philosophiegeschichte“ (Vieweg , ) beschrieben. Einmalig bei Hegel vorkommend, in den Grundlinien der Philosophie des Rechts (GW ,: ), avancierte sie zu einem Sinnbild des hegelschen Denkens. Die Frage, woher Hegel zu ihr inspiriert gewesen sein könnte, beantwortete kürzlich Vieweg mit dem Verweis auf ein Gemälde und eine Skulptur in Heidelberg, wo Hegel von bis einen Lehrstuhl innehatte. Beide Kunstwerke stellen Minerva bzw. Pallas Athene dar (Vieweg , ). Eine zweite Deutung liefert Jacques d’Hondt (, ff.) mit dem Hinweis auf ein politisches Journal namens „Minerva“, das zur Lektüre des
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jungen und revolutionsbegeisterten Hegel gehörte. – Beide Deutungen kommen ohne eine spezifische Nachteulen-Erklärung aus. Demgegenüber zeigt ein Rückblick von Aristoteles zu Thomas von Aquin, dass jenes Eulensinnbild eine ‚negative‘ Konnotation innerhalb der traditionellen Ideengeschichte aufweist: Die Nachteule wird als ‚tagblind‘ angesehen (vgl. Aristoteles, Met. II b – ). In Kontrast hierzu steht Hegels ‚affirmative‘ Metaphorik, die der Eule privilegierte Sehfähigkeiten zuschreibt, wenn man so möchte, in der epistemologischen Dämmerung. Der vorliegende Artikel versucht, den bisher genannten Metaphern-Ursprüngen eine dritte mögliche Quelle Hegels beizulegen: Schriften von Jakob Hermann Obereit, vor allem seinen kurzen Text Avertissement (), übermittelt an Goethe. Bedenkt man die Freundschaft zwischen Goethe und Hegel, so erscheint ein direkter Transfer möglich. Im Obereit-Text selbst finden sich zahlreiche Beschreibungen und Charakteristika der Nachteule in ähnlich ‚affirmativ‘ dialektischer Denkweise, wie beispielsweise in der Vorrede zu den Grundlinien, inklusive der ‚umgedrehten Welt‘, wie Obereit sich ausdrückt. Die semantische Überschneidung mit Hegels ‚verkehrter Welt‘ ist besonders bedenkenswert. Lässt sich Hegels Eule also in Beziehung setzen mit seiner Formulierung, Philosophie sei die ‚verkehrte Welt‘? Denn Obereits Eule fliegt bereits in einer ‚umgedrehten Welt‘. Ein grundsätzliches Wissen Hegels um den Schriftsteller Obereit kann anhand eines Buches in Hegels Privatbibliothek nachgewiesen werden.
Eine nähere Überprüfung von Viewegs These, bezüglich des Heidelberger Ortsbildes bei Hegels Aufenthalt, kommt zu folgendem Ergebnis: Obgleich sich in der Aula der Alten Universität zu Heidelberg eine Darstellung der Göttin Pallas Athene als Gründungsallegorie der Universität Heidelberg befindet und am linken Bildrand ein Kauz auf einem Buche sitzt, wird Hegel dieses Gemälde des Künstlers Ferdinand Keller nicht betrachtet haben, da jener erst im Jahre geboren wurde. Hingegen zeigt die fertiggestellte „Alte Brücke“ in Heidelberg eine Statue der Minerva mit einer Eule zu ihrem rechten Fuße sitzend. Darüber hinaus ist eine Obereit-Schelling-Achse zu erwähnen (Hüttner/Walter ), die Hegel ebenfalls bekannt gewesen sein könnte: ) Ein Briefwechsel Obereit an Schelling (Mitte Januar ) und Schellings Antwort (. März ); siehe hierzu Plitt (, – ). Die zweite Hälfte von Schellings Antwort wird in der Forschung gerne als „Mysterienbrief“ tituliert. Eine frühe Kritik an Schelling durch Obereit ist nachzulesen im Philosophischen Journal Teutscher Gelehrter (, Sechster Band, Achtes Heft, – ) durch Fichte und Niethammer herausgegeben. Das Verhältnis zwischen Schelling und Obereit ist von H. Buchner im editorischen Bericht zu Schellings Ich-Schrift beschrieben (AA I,: – ). Weitere Berührungspunkte von Obereit und Hegel sind möglich: Aus Johann Georg Zimmermanns Ueber die Einsamkeit (Teil I/II, Leipzig ) macht sich der junge Hegel Exzerpte (GW : , , , ). Obereit kommt in diesen Bänden vielfach als Hauptgesprächspartner Zimmermanns vor (Milch ). Auch in Berlin mag Obereit kein Unbekannter gewesen sein. Denn Varnhagen v. Ense (, ) listet „Ober[r]eit“ neben Mesmer, Lavater, Jung-Stilling oder den Rosenkreuzern.
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I. Hegels metaphorischer Denkraum: Schwarz-Grau-Weiß-Symbolik, verkehrte Welt und Eule Doch zunächst zu Hegel: Lassen sich bei ihm die beiden Sinnbilder der ‚Eule‘ und der ‚verkehrten Welt‘, wie es bei Obereit der Fall ist, in einen denk-bildlichen Zusammenhang setzen? Im Verhältnis zum Verstande, insbesondere zum gemeinen Menschenverstande, sei, so Hegel, die Philosophie die „verkehrte Welt“ (GW : ). Dies führt Hegel bereits in dem Aufsatz Über das Wesen der philosophischen Kritik näher aus (GW : ff.). Die Philosophie könne sich nicht der Sphäre des Spekulativen, der Sphäre der Vernunft, entziehen. Obzwar die Philosophie offen ist für jedermann, ist sie keineswegs mit den Mitteln der allgemein gebräuchlichen Sprache und des Vermeinens im Rahmen einer möglichst breiten Wissensvermittlung und damit an ein möglichst breites Publikum anzutragen. Philosophie ist keine populäre Wissenschaft. Denn dem gesunden Menschenverstand, worunter Hegel „die lokale und temporäre Beschränktheit eines Geschlechts von Menschen“ begreift (GW : , vgl. auch ; GW ,: ), kann die Philosophie nicht in eben dieser Beschränkung gefällig, d. h. verständig dargeboten werden. Die Metapher einer ‚verkehrten Welt‘ expliziert Hegel fünf Jahre später nochmals deutlicher in der Phänomenologie des Geistes: Philosophie sei das „unmittelbare Abbild der wahrgenommenen Welt, in sein Gegentheil verkehrt“ (GW : ). Beispielsweise unterliegt die Welt der sinnlichen Erscheinungen einer beobachtbaren Veränderung. Die Welt des allgemeinen Gesetzes, also das gleichbleibend Bestehende, widerspricht der wahrnehmbaren und stetigen Veränderung. Dieser Widerspruch muss nach Hegel ein Moment sein, an dem sich das, was in jener Welt als ‚weiß‘ erscheint, ins ‚Schwarze‘ ‚verkehrt‘. Etwa das Wesen des Menschen wird von der sinnlich wahrnehmbaren Veränderlichkeit des je Einzelnen ‚aufgehoben‘ in die allgemeine Gattung der ‚Menschen‘. Diese Gattungsidee wird sich abermals verkehren in der Idee der Veränderlichkeit dieser Idee selbst und aufheben (vgl. GW : ; ff.). Ein fortschreitender Prozess ergibt sich. Diese „Anstrengung des Begriffs“ (GW : ) erscheint dem gemeinen Verstand geradewegs als unnütz und widersinnig, sprich ‚verrückt‘ oder ‚verkehrt‘. Die Verkehrung als das Wahre fasst Hegel implizit in der ersten These seiner Habilitationsdisputation: „Contradictio est regula veri, non contradictio, falsi“ (GW : ). Das Weiße, so ein einprägsames Beispiel aus der Phänomenologie, bestehe laut Hegel nur als Entgegensetzung des Schwarzen (GW : ). Das Moment herauszuarbeiten, wo sich Schwarzes in Weißes verkehrt und umgekehrt, ist eben die ‚Anstrengung des Begriffs‘. Das „Schwarze, welches das Ansich des Weißen wäre, ist das wirkliche Schwarze“ (GW : ; vgl. GW : ). Den Wendepunkt der Verkehrung von Schwarz und Weiß wird man wohl in einer Grauzone annehmen müssen. Denn die nächste Stufe des Entwicklungsprozesses, die nächste Verkehrung, lässt die Beobachtung und die eben daraus gewonnene Theorie als „einen
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grauen, eben verschwindenden Schatten hinter sich“ (GW : ). In Fällen, in denen der gemeine Menschenverstand also ein ‚Entweder–Oder‘, ein ‚Schwarz‘ oder ‚Weiß‘, fordert, hat die Philosophie nichts zu denken und zu sagen, da sie dann ein Ergebnis liefern soll, eine Entscheidung zu treffen hat und nicht den Prozess denkend erfasst. Dieser ‚Verstand‘ kann dann etwa in juristischen Angelegenheiten in Verlegenheit geraten, da ihm „nur der Gegensatz: daß Etwas entweder Sache oder Nicht-Sache sei […] vorschwebt“ (GW ,: ). Das ‚Entweder–Oder‘, als logisch vollständige Disjunktion, ist der Standpunkt des Verstandes, nicht derjenige der spekulativen Vernunft (vgl. GW : ; ). Um dafür ein weiteres Beispiel Hegels anzuführen: Es ist der Philosophie nicht darum zu tun, einen Staat zu konstruieren, wie er sein soll, „sondern den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen“ (GW ,: ). Folglich geht es darum, die Grauzonen, in denen sich die ‚Wirklichkeit‘ ins ‚Vernünftige‘ wendet und das ‚Vernünftige‘ eine ‚Wirklichkeit‘ wird, begriffs-dialektisch zu benennen (GW ,: ). Die Aufgabe der Philosophie ist es nicht, sich gemein zu machen mit dieser oder jener politischen Forderung, etwa wie Fichte die „Vervollkommnung einer Paßpolizey […] zu construiren“ (GW ,: ), „als ob die Welt darauf gewartet hätte, um zu erfahren, wie sie sein solle“ (GW : § ). Vielmehr gilt es philosophisch die grundlegenden Funktionen im wirklichen Staat mit all ihren Verkehrungsmomenten, d. h. Aufhebungen und Widersprüchen, zu erfassen. Mit einem weiteren Beispiel sei in der Sphäre des Rechtes verblieben. Bezüglich des Wesens der Strafe führt Hegel aus: „Die wirkliche Straffe endlich hat so ihre verkehrte Wirklichkeit an ihr, daß sie eine solche Verwirklichung des Gesetzes ist, wodurch die Thätigkeit, die es als Straffe hat, sich selbst aufhebt, es aus thätigem wieder ruhiges und geltendes Gesetz wird, und die Bewegung der Individualität gegen es, und seiner gegen sie erloschen ist“ (GW : ). Hier hat es die Philosophie mit der Verkehrung des Gesetzes aus dem ‚Ruhigen‘, ‚Allgemeinen‘ in die Verwirklichung seiner selbst als ‚Strafe‘ zu tun, um so abermals als Gesetz in sein allgemeines Wesen aufgehoben zu werden. Paraphrasiert: Das Gesetz bedarf also des Verstoßes, der Negation, um als Vernünftiges verwirklicht zu werden und abermals in die Gestalt des Allgemeinen zurückzukehren. Das allgemeine Gelten eines Gesetzes wiederum ergibt sich aus dem Anspruch der Wirklichkeit an seine Verwirklichung, d. h. seine Umsetzung im Anwendungsfall (materielle Möglichkeit: der Verbrecher), in einer ganz bestimmten Form. Diese widerspruchsvolle Dynamik zwischen Geltung und Ver Zu einer ähnlichen ‚Grau-Sicht‘ kommt Rebecca Comay (, – ). Die Anspielung auf Fichtes Konstruktion einer Passpolizei findet sich in der Differenzschrift ()
argumentativ genauer ausgeführt. Hegel geht es darum, dass eine jede solche Konstruktion unphilosophisch und „todt“ sei, da sie in der Sphäre des nur verständigen Denkens verbleibe (vgl. GW : – ; sowie den Aufsatz von M. Walter (): „Hegel über den Überwachungsstaat“).
Die Eule der Minerva aus vorhegelscher Perspektive
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wirklichung und der abermaligen Modifikation der theoretischen Geltung, beschreibt Hegels Sphäre des Vernünftigen. Genau diese Grauzone der Verkehrungen und Aufhebungen, d. h. der Negation von Bestehendem zusammen mit dem zugleich ‚Aufgehobenwerden‘ in einen anderen Bestand bedient Hegels Satz, dass die Philosophie ihr „Grau in Grau“ male (GW ,: ). Das Sinnbild des ‚Grau in Grau‘ der Dämmerung lässt sich nicht zu einem ‚Entweder–Oder‘ hinreißen, sondern versucht, das Wechselnde, das Werdende und das Vergehende, das Bleibende in den aufgehobenen Gestalten darzustellen. Dies mag den Philosophen des Gemeinsinnes, etwa Wilhelm Traugott Krug, dessen Ansicht weiter unten aufgegriffen wird, als ‚Vernebelung‘ oder ‚Eulenspiegelei‘ erscheinen, als ein grauer Schleier, der sich über den gesunden Menschenverstand legt. Neben Viewegs positiver Einschätzung wird Hegels Eulen-Metapher andernorts und allgemein als ein sprachlich geglücktes Sinnbild der Philosophie mit großer Zustimmung anerkannt. Hegels Bild von der Eule der Minerva bedeutet einen rhetorischen Höhepunkt in seinen Schriften: „Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“ (GW ,: ). Vor Hegel kennzeichnet die Eule jedoch einen erkenntnistheoretischen Tiefpunkt. II. Erweiterter Kontext: Die Nachteule zwischen Aristoteles, Averroës und Thomas von Aquin Hegel ist nicht der Erste, der zur Umgrenzung und Beschreibung philosophischer Erkenntnis die Metapher einer ‚Nachteule‘ verwendet. Altbekannt und insbesondere im Mittelalter viel besprochen ist Aristoteles’ Vergleich aus der Metaphysik: „Wie sich die Augen der Nachteule zum Tageslicht verhalten, so die Vernunft unserer Seele zu dem, was seiner Natur nach am offenbarsten ist“ (Met. II, b – ). Die Wendung ‚Was seiner Natur nach am offenbarsten ist‘ bezieht sich nach den lateinischen Aristoteles-Kommentatoren des Mittelalters auf die sogenannten substantiae seperatae (Steel ) oder, wie Friedrich Heinrich Jacobi sich ausdrücken würde, auf die „göttlichen Dinge“ (vgl. JWA ). Diese substantiae seperatae bezeichnen synonym die substantiae simplex oder die einfachen Substanzen. ‚Getrennt‘ heißen sie beispielsweise bei Thomas von Aquin, weil sie von der Materie abge So schreibt Jens Petersen (: ff.) in seiner Monographie über Die Eule der Minerva von der
„poetischen Kraft des Bildes“. Petersens nunmehr in zweiter Auflage erschienener Band leistet eine wirkungsgeschichtlich-philosophische Retrospektive, jedoch nicht, was hier versucht werden soll, eine quellenmäßige Aufbereitung dieses Sinnbildes.
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trennt sind. Im Letzten ist dann Gott selbst die reine geistige Substanz und einzig aus sich selbst heraus bestehend. An diesem erkenntnistheoretischen Nachteulengleichnis des Aristoteles hat sich somit bereits im Mittelalter ein ‚Streit um die göttlichen Dinge‘ entfaltet. Für Averroës, zumindest nach dem lateinisch überlieferten Kommentar zur Metaphysica des Aristoteles, ist die Erkenntnis dieser ‚göttlichen Dinge‘ schwierig, jedoch nicht unmöglich. Thomas von Aquin kritisiert Averroës an verschiedenen Orten für diese Annahme: Averroës ziehe den Eulenvergleich des Aristoteles ins Lächerliche; Thomas postuliert selbst eine absolute Transzendenz und lässt lediglich eine Erkenntnis durch Analogieschlüsse aufgrund des Wesens der menschlichen Seele zu. Mit Bezug auf die Nachteule bringt nun Thomas von Aquin eine Ausführung, in der er auf eine ‚verkehrte‘ philosophische Ansicht des Averroës hinweist. Hier scheinen früh, in einem philosophischen Text, die Wendungen der ‚Nachteule‘ und des ‚Verkehrten‘ zusammengebracht zu sein. Mit Bezug auf das menschliche Erkenntnisvermögen verwende Aristoteles, so Thomas, ein angemessenes Beispiel: „Das Auge der Nachteule kann niemals das Licht der Sonne sehen. Allerdings schickt sich Averroës an, dieses Beispiel zu verkehren [depravere]“ (Summa contra gentiles III, quaest. ). Averroës gebe an, so fährt Thomas fort zu berichten, dass mit dem Beispiel gezeigt sei, wie schwierig die Erkenntnis der höchsten Dinge ist, keineswegs jedoch die Erkenntnisunmöglichkeit damit veranschaulicht sei. Wären diese getrennten Substanzen aber unerkennbar, wären sie gänzlich umsonst da, so das Argument von Averroës. Die Metapher beziehe sich nach Averroës daher einzig auf die Schwierigkeit, nicht auf die Unmöglichkeit der Erkenntnis (Summa contra gentiles III, quaest. ). Differenzpunkt ist also der schwierige Erkenntnisweg des Erkenntnisgegenstandes (Gott) gegen keinerlei Erkenntnis Gottes (Thomas), nur ein Wissen um seine Existenz als solche ist dem natürlichen Erkenntnisvermögen erreichbar. Damit stellt der arabische Aristoteles-Ausleger, ähnlich wie Hegel, die Forderung nach einer ‚Anstrengung des Begriffes‘ und stellt den Denkprozess der Philosophie als schwierigen Weg dar. Der Zwiespalt zwischen Unmöglichkeit und Schwierigkeit der Erkenntnis der ‚göttlichen Dinge‘ ist ein Topos, der sich bis in die Zeit des sog. ‚deutschen Idealismus‘ fortträgt. Denn wenn Jacobi zugibt, dass zum „Antlitz Gottes […] ein sterbliches Auge sich nicht vermag zu erheben“ (JWA ,: ), und zwar genauso, wie Thomas das Auge der Nachteule sich nicht zur Sonne Vgl. Schütz (Thomas-Lexikon, ): „. S[ubstantia]. coniuncta & s. separata (th. I. . c; . c & ob. ; cg. II. , , , & ; III. ; nom. . ; trin. . . c; pot. . c; qu. anim. c; anal. b & c; phys. b; phys. c; cael. c & d; cael. a, a & a; anim. b; met. a; ente a; generis ) = die (mit einer Materie) verbundene und die (von einer solchen) getrennte oder getrennt existierende Substanz.“ Geeignete Stellen finden sich bei Müller () durchgesprochen. Dazu der Kommentar und die Belegstellen zu Hegels Religionsphilosophie in V.
Die Eule der Minerva aus vorhegelscher Perspektive
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erheben sieht, dann erklärt er das philosophische Denken als ein unzureichendes Mittel im Verhältnis zum Glauben. Das ‚absolute Wissen‘ kann nicht der Sphäre des Göttlichen nachgeordnet sein, wie in Hegels Phänomenologie, sondern ist gar nicht erst denkbar. Die Sinnbilder von ‚Nachteule‘ und ‚Verkehrung‘ sind damit in eine traditionsreiche, philosophische Auseinandersetzung darüber eingebettet, ob das Absolute der menschlichen Erkenntnis zugänglich sei oder nicht. Hegel, der sich eine intime Kenntnis des Aristoteles von Anfang an aus den griechischen Gesamtausgaben von Erasmus (Basel, ) und Isaac Casaubonus (Genf, ) erarbeitet hatte, sieht bekanntlich den Auftrag der Philosophie gerade in der Erkenntnis des Absoluten, in der Geistestätigkeit, die Aristoteles mit der Wendung noesis noeseos umschrieben hatte. Hegel stellt in der Enzyklopädie () diesem Aristoteles-Zitat erklärend voran, dass „die Thätigkeit des Erkennens, die ewige an und für sich seyende Idee“ sei, die „sich ewig als absoluter Geist bethätigt, erzeugt und genießt“ (GW : ). Die Erkenntnisblindheit gegen das Absolute wird gelegentlich durch den Vergleich Gottes, des Absoluten, mit der ‚Nacht‘ ausgedrückt, so in der Mystik und Romantik. Gegen ein ‚analoges‘ Nachtbild, das die ‚Nacht‘ als Sphäre der Blindheit mit dem ‚Absoluten‘ als Sphäre der Unerkennbarkeit vergleicht, wendet sich Hegel entschieden in der Phänomenologie und macht die erkenntnistheoretischen Eulenaugen auf: „Diß eine Wissen, daß im Absoluten Alles gleich ist, der unterscheidenden und erfüllten oder Erfüllung suchenden und fodernden Erkenntniß entgegenzusetzen, – oder sein Absolutes für die Nacht auszugeben, worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind, ist die Naivität der Leere an Erkenntniß“ (GW : ). Mit der Forderung nach der ‚Anstrengung des Begriffs‘ stellt sich Hegel auf einen averroistischen Eulenstandpunkt, der eine Möglichkeit der Erkenntnis des Absoluten in der Sphäre des Endlichen eindeutig postuliert. Ein bloßes Absinken und Versenken der Erkenntnis in Vergleiche, in die ‚Nacht‘ romantischer Denker, die alle Erkenntnis in ein ‚Schwarz‘ gehüllt sehen, wie dem aristotelischen Eulenvogel in Tagblindheit bei hellstem Sonnenschein ganz schwarz vor Dass sich genau diese Diskussion im Zuge der Religionsstreitigkeiten um wiederholt, sei an einem einschlägigen Text von Daniel Jenisch (, f.) gezeigt: „Abgeschmackt und dem Unsinn ähnlich wär’s, der menschlichen Erkenntniß, in diesem erhabensten Sinn, ohne Einschränkung beilegen zu wollen: Wahrheit nach der Analogie desjenigen Sinnes, wie die Dogmatiker dies Wort brauchen. Denn alsdann ist unsre Vernunft nur ein dunkleres, trübes Auge für diese eigentliche Wahrheit, und nicht blos ein blindes Auge, (wie dies der unbedingte Transcendental-Idealismus behauptet).“ Met. X,, b – . Bei Hegel ist die besagte Aristoteles-Stelle abschließend in der Enzyklopädie zitiert (vgl. GW : ). Vgl. Taureck (, ff.); Pöggeler (, f.) weist dabei auch auf Hegels Kritik an Schelling hin. Nach Hegel müsse das Absolute im Konkreten denkbar sein. Schellings Lösung der „intellektuellen Anschauung“ hält er für verfehlt. Zu Schellings Verhältnis zur Romantik, vgl. Haym ().
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Augen wird, lehnt Hegel entschieden ab. Vielmehr beginnt die Eule ihren Flug, sobald ihr Erkenntnis möglich wird – oder besser, sobald Philosophie nötig wird, nämlich im Grau-in-Grau der Dämmerung oder beim Nachlassen der Klarsicht des gesunden Menschenverstandes, wenn nicht mehr alles clare et distincte erscheint und in einem sprachlogischen ‚Entweder–Oder‘ ohne Weiteres aussagbar wäre. Tagsüber ist die Eule für sich genommen in der verkehrten Welt unterwegs; bei Dämmerung, wo der Gemeinsinn nur noch ahnt und der gesunde Menschenverstand die Empfehlung ausspricht, sich schlafen zu legen, beginnt die Eule in dieser abermals verkehrten Welt, wo ihr plötzlich ‚Schwarz‘ zu ‚Weiß‘ wird, ihren Flug. Damit sind, wie eingangs gefordert, zwei der bekannten hegelschen Formeln, ‚die Eule der Minerva‘ und die ‚Philosophie als verkehrte Welt‘, zusammengedacht. Dass beide Sinnbilder derart zusammenzudenken sind, unterliegt jedoch nicht nur einer inhärenten Logik der Schriften Hegels, insbesondere vorfindlich in der Phänomenologie () und den Grundlinien (). Es gibt einen Vordenker im Kreis der Jenaer Romantiker und Philosophen. Diese bisher nur spärlich beachtete Persönlichkeit, mit vielen eigenen Quelltexten und mehreren Verbindungslinien zu Hegel, stellt möglicherweise eine verborgene, grundständige Quelle, wenn nicht Hegels, so doch der philosophischen Eulen-Metaphorik im Allgemeinen dar. III. Übergang zur Frage nach der Herkunft der Eulen-Metapher Jacques d’Hondt hat zuerst mit dem Schlagworttitel Verborgene Quellen des Hegel’schen Denkens () monographisch auf unbekanntere bzw. weniger berücksichtigte Quellen hingewiesen und damit eine eigene Fragerichtung innerhalb der Hegel-Forschung begründet. Diese verfolgt insbesondere das Ziel, Hegel von dem Vorwurf des reaktionären Staatsphilosophen zu rehabilitieren. Gemeint sind solche Quellen, die Hegel nicht explizit angibt oder die er eher beiläufig und an entlegenen Stellen erwähnt (in Briefwechseln, Gesprächen, etc.). Der Nachweis solcher verborgenen Quellen kann also durch Hinweise aus der historischen Umgebung und der intellektuellen Situation Hegels erfolgen sowie aufgrund einer sachlichen Nähe von Texten Hegels zu diesen ‚verborgenen Quellen‘. D’Hondt hat dies für die ‚Eule der Minvera‘ bereits bezüglich einer eventuellen Möglichkeit gezeigt. Er hat auf Archenholtz’ Minerva verwiesen, ein Journal, welches über die Vorgänge der französischen Revolution informiert. Hegel selbst bezeugt in einem Brief an Hegel scheint schon in seiner Jenaer Zeit auf den Unsinn des Sprichwortes ‚Im Dunkeln sind alle
Katzen schwarz‘ hingewiesen zu haben. Laut Schlegel habe er damals schon gesagt, dass die Katzen zu dieser Tageszeit ‚grau‘, nicht schwarz seien (berichtet von H. Steffens, Was ich erlebte (), vgl. GW : ).
Die Eule der Minerva aus vorhegelscher Perspektive
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Schelling die Lektüre der Zeitschrift, und zwar insbesondere jene, eines Textes von Konrad Engelbert Oelsner: Briefe aus Paris über die neuesten Begebenheiten in Frankreich (vgl. B: f.). D’Hondt untersucht den Inhalt des pro-revolutionären Journals genau und zeichnet Linien zu Hegels politischem Denken nach (D’Hondt , ff.). Seine These hat in der Hegel-Forschung seither allgemeine Anerkennung gefunden. Aufgrund der historischen Konstellationen im intellektuellen und kulturellen Leben Jenas kurz vor Hegels Eintreffen im Jahre sei hier eine weitere Quelle für Hegels Eulen-Metapher erwähnt. Diese Quelle überzeugt inhaltlich. Denn sie weist eine unverkennbare sprachbildnerische Nähe zu Hegel und zugleich wesentlich mehr philosophischen Gehalt auf als Jacques d’Hondts These des alleinigen Titels einer Zeitschrift und Viewegs Verweis auf Heidelberger Kunstdarstellungen der Göttin Pallas Athene (Minerva). Ein alleiniger Zeitschriftentitel ohne Eule und die zahlreichen Kunstdarstellungen der Göttin der Weisheit mögen eine Inspiration abgeben. Sie sind aber keine begrifflichen Quellen im hegelschen Sinne eines Begriffes. In den Jahren bis weilte Hegels oben erwähnter philosophischer Kontrahent W. T. Krug zum Studium in Jena (vgl. GW : ff.; vgl. auch Holz ). Krug hatte in seinem zweifach aufgelegten Handwörterbuch auf die philosophische Bedeutung der Eule als Sinnbild verwiesen. Nachzulesen ist, dass die Eule „zu einem Symbol des Nachdenkens überhaupt und der philosophischen Speculation insonderheit erhoben“ wurde (Krug [ – ] , Bd. , ). Krug skizziert sodann zwei Varianten, wobei die eine, bedenkt man seine offene Gegnerschaft zu Hegel, wohl eine ironische Anspielung auf dessen Vorrede zu den Grundlinien darstellt. Er bemerkt, dass „die Lichtscheu dieses Vogels etwas dazu beigetragen haben sollte, […] wiefern es in der That auch Philosophen giebt, welche das Licht zu scheuen scheinen und sich daher gern in düstres Nebelwerk hüllen“ (Krug [ – ] , Bd. , ). Krug setzt mit seiner Pluralformulierung ‚Philosophen‘ scheinbar voraus, dass mehrere philosophische Autoren diese Metapher gebrauchten. Daraus folgt, dass es sich gar nicht, wie heute oft angenommen, um ein hegelsches Alleinstellungsmerkmal philosophischer Poetik handelt. Als andere, eulenartige Variante dieses „Symbol[s] des Nachdenkens“ nennt Krug ein Philosophieren, welches „das Geräusch des Tages meidet und diesem Geräusche das Stil[l]leben in seiner einsamen Klause vorzieht“ (Krug [ – ] , Bd. , ). Hier spielt Krug wohl auf einen weiteren, ihm persönlich bekannten, philosophischen Schriftsteller an. Berühmt ist dieser unter anderem wegen einer Polemik über den philosophischen Wert und der Verteidigung der ‚Einsamkeit‘. Kaum ein Zufall, dass gerade wegen seiner Verteidigung der Wobei der Titel „Minvera – Ein Journal historischen und politischen Inhalts“ nicht auf die Eule, sondern nur auf die Göttin und Euleneigentümerin verweist.
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Einsamkeit und des Einsiedlerlebens in mehreren Schriften zwischen den er und er Jahren (Milch , ff.) der seiner damaligen Zeit sehr bekannte Jakob Hermann Obereit ( – ) eine eigene, eulenphilosophische Schrift verfasste. Damit schließt sich auch der Kreis zu Krugs polemischer Anspielung: Obereit als Verfechter der Einsamkeit und als Bewunderer einer Eulenoptik. Der theosophisch gebildete und philosophisch interessierte Wundarzt Obereit schrieb zum Ende seines Lebens zahlreiche kantkritische Schriften, lebte in Jena in einer Hausgemeinschaft mit Familie Fichte und war stadtbekannt durch seine rege Diskussionskultur. Er galt als ein „Wahrzeichen von Jena“ (vgl. Stettner , – ). Eine Bekanntschaft von Seiten Krugs kann daher problemfrei angenommen werden. Doch zum eigentlichen, hier infrage kommenden Text Obereits: Des Sprechers Nachteule. Avertissement von der Herausgabe einer endlich real-kritischen Final-VernunftKritik und dazu allgemein zielfüglichen Syntheokritik, [Jena] Auf die Oster-Messe . Als unpaginierter und unbeschnittener, halber Bogen ist der Text prominent durch Goethes Privatbibliothek überliefert und erhalten (Sig.: Ruppert , Anna Amalia Bibliothek, Weimar). In der Zitation werden kleine römische Ziffern verwendet (inklusive Titelblatt: i-viii). Die auf dem Titelblatt anonyme Schrift nennt im Text zweifach als diesen Sprecher des Avertissements das Pseudonym „Abaris“ (v, vii). Der Text lässt sich weiter mittels Goethes Briefnachlass als ein Briefanhang Obereits an Goethe verifizieren (RA : Nr. , , Brief vom . . ). Ein früheres Mal sandte Obereit an Goethe (RA : Nr. , , Brief vom . . ) ein Gedicht, betitelt mit „Urania. Sehnsucht“. Es ist unterzeichnet mit „Abaris“, sodass dieses Pseudonym und seine Zuordnung zu Obereit eindeutig ist. Unter der fiktiven Person des ‚Abaris‘ versteht die Mythologie eine pythagoreische Figur, welche auf einem Pfeil fliegend, den Menschen helfend, weise Ratschläge erteilt (vgl. Bethe , ). Obereit und Goethe pflegten eine Freundschaft, wobei Goethe mit Schiller den greisen Obereit mehrfach finanziell und materiell in diesen Jahren unterstützte (vgl. Stettner , – ). Das Übersenden der Schrift an Goethe ist nicht ohne Merkwürdigkeit. Denn des Sprechers Pseudonym ‚Abaris‘ war den Quellen nach gleichzeitig Goethes Illuminatenname (vgl. Dülmen , ; Kemper , – ). Auch in diesen Kreisen galt die Eule der Minerva als Sinnbild für Weisheit und war ein bekanntes Illuminaten-Symbol, das bei Adam Weishaupt als Bildmetapher ein Titelblatt zierte (vgl. Weishaupt ). Die Verschränkung der Eulen-Metaphorik zwischen Weisheit und Illumination einerseits und die PseudonymenIdentität von Obereit als ‚Abaris‘ im Avertissement sowie Goethes Deckname ‚Abaris‘ andererseits sind des deutlichen Hinweises wert, können aber an dieser
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Stelle nicht weiterverfolgt werden. Denn es geht um die ‚Eulenphilosophie‘ im engeren philosophischen Sprachgebrauch. Das Avertissement ist als eine Flugschrift sicherlich nicht nur an Goethe gegangen, denn es bezweckte, auf Obereits letzte Veröffentlichung, die sogenannte Finale Vernunftkritik (), aufmerksam zu machen, welche er ebenfalls als Briefanhang an Goethe schickte (RA : Nr. , , Brief vom . . ). Sie gilt nach derzeitigem Forschungsstand als letzte von über zwanzig Publikationen, denen heutzutage kaum mehr Aufmerksamkeit in der ideengeschichtlichen Erforschung des ‚deutschen Idealismus‘ zu Teil wird. Eine fast alleinstehende Ausnahme bildet die Forschung von Hermann Timm, der zeigen konnte, dass Obereit als Erster den Begriff ‚Nihilismus‘ als ‚Nihilism‘ in einer Kant-Kritik verwendete (Timm , – ). Die betreffende Obereit-Schrift heißt: Der wiederkommende Lebensgeist der verzweifelten Metaphysik (), eine Schrift, die man erstaunlicherweise in Hegels Privatbibliothek findet (GW ,: ). Hieraus ist der Rückschluss naheliegend oder mindestens wahrscheinlich, dass bei einer Hegel bekannten Schrift Obereits sowie Schellings Kenntnis von Obereit und einer eventuellen Vermittlung Goethes an Hegel eine Überlieferungslinie denkbar ist. Dass Hegel und Goethe eine tiefe, vertraute Freundschaft unterhielten, sei als wohlbekannt vorausgesetzt, womit eine Weitergabe von Inhalten aus dem Avertissement von Goethe an Hegel oder sogar der Schrift selbst, und sei es lediglich als ein Kuriosum bei einem philosophischem Umtrunk aus der Bibliothek hervorgeholt, vorstellbar ist. Gleichwohl, als in Jena kursierende Flugschrift, hätte sie Hegel ab anderweitig in die Hände fallen können. Neben Hypothesen zu D’Hondt () geht ausführlich auf Hegels Verflechtungen mit dem Illuminaten- und Freimaurertum ein. Hier sei noch ein Hinweis auf die in Leipzig gegründete Freimaurerloge „Minerva zu den drey Palmen“ gegeben. Eine Medaille von zeigt die Göttin Minerva mit einer Eule zu ihren Füßen unter drei Palmen sitzend. Im Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur-Zeitung wird sie zweimal angezeigt. „Ein Sprecher mit der Nachteule Minervens hat auf einem halben Bogen ein Avertissement herausgegeben […]“ (Intelligenzbl. Allg. Lit.-Zeitung Nr. , Sonnabend, den ten April , Sp. ). „Die zur Ostermesse vom Sprecher mit der Nachteule Minervens angekündigte Final-Vernunftkritik und Syntheokritik von Abaris ist endlich erschienen.“ (Intelligenzbl. Allg. Lit.-Zeitung Nr. , Mittwoch, den ten December , Sp. ; vgl. Obereit ). Jörg Hüttner arbeitet im Augenblick an einer Gesamtdarstellung Jacob Hermann Obereits. Diese Monographie wird, neben Vita und Werk dieses philosophischen Schriftstellers, auch die Auseinandersetzung Obereits mit Kant behandeln. Seine Bekanntschaft mit fast allen anderen Geistesgrößen der er und er Jahre des Idealismus und der Romantik wird auf der Grundlage neuer und unerschlossener Quellen beleuchtet. Das hier thematisierte Avertissement wirft ein erstes Licht auf jene Quelltexte. Eine erste Weiterforschung zum Nichtsbegriff bei Obereit und einem Vergleich zu Hegel hat in der Vergangenheit Gawoll (, – ; , ff.) angestoßen. Soweit ist Timm () natürlich nicht gegangen, er beließ Obereit im Kontext der Spinoza-Streitigkeiten der er Jahre; lesenswert, vor wie nach, ist die Eingliederung der Nihilismus-Obereit-Ergebnisse in den breiteren Kontext durch Pöggeler ().
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äußeren Konstellationen von Obereit zu Hegel spricht vor allem die innere Begriffsähnlichkeit und der philosophische Blick auf die ‚Eule‘ durch beide Denker zugleich für sich. Dieser Blick, sowohl Obereits als auch Hegels, weicht zudem ganz und gar ab von der durch Aristoteles initiierten Eulensinnbildtradition. IV. Jakob Hermann Obereits Avertissement (1795) an Goethe In der achtseitigen Schrift tritt die Eule der Minerva als des Sprechers (Abaris) siebenmalige Dialogpartnerin auf: als „berühmte Nachteule“ (ii), als „gute“ (ii, vii) und „liebe Nachteule“ (iii, vi, vii, viii). Der Text ist geschrieben „für die nächste Nachwelt“ (ii). Dieser „Denkwelt Adio von Abaris“ (viii) zu melden, ist die Aufgabe der Eule. Der damals siebzigjährige Obereit spricht aus ‚geronto-ontologischer‘ Perspektive, oder um es mit Hegel zu sagen: „dass eine Gestalt des Lebens alt geworden“ ist und „sich nicht verjüngen“ lässt (GW ,: ). Dafür hat der altgewordene Obereit, „ein alter armer siebzigjähriger Schweizer Abaris“ (Brief an Goethe . . ; zit. n. Stettner , ), seine Hauptlebenszeit zum Studium aller bisherigen Systeme verwendet, um zu guter letzt in seiner Schrift der FinalVernunft-Kritik sein Resümee zu geben: „Alle Jahrtausende dazu mussten in einem Grundbeobachtungsleben durchgangen werden. Tantae molis erat, cunctorum evolvere fontem, Libera per vacuum qui complet lumina princeps [Eine so große Mühe war es, den Ursprung von allem herauszufinden, der als erster die freien Geister in absolute Leere hüllt]“ (iv). Ähnliche Zeitmetaphern liest man bei Hegel sogar mit eben dieser Vergil-Anspielung: „Die letzte Philosophie ist das Resultat aller früheren […,] das Resultat der Bemühungen des Geistes durch fast Jahre […] sich zu erkennen: Tantae molis erat, se ipsam cognoscere mentem“ (TWA : ); ebenfalls „ein zweytausendjähriges Fortarbeiten des Geistes“ (GW : ) und nochmals einer „mehrtausendjährigen Arbeit der Vernunft und ihres Verstandes“ (GW ,: ), deren Notwendigkeit am Ende von Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zum Ausdruck gebracht wird. Dies geschieht durch die Erklärung, Kleine römische Seitenzählung aufgrund des unpaginierten Bogens. Vergil, Aeneis, I, : „Tantae molis erat Romanam condere gentem.“ Übersetzung: „Eine so
große Mühe war es, den Römischen Staat zu begründen“. Einige Zeilen unter diesem Sinnspruch zitiert Hegel eine Stelle aus Hamlet: „Brav gearbeitet, wackerer Maulwurf.“ (TWA : ) Damit sieht Hegel ein weiteres tagblindes Wesen erkenntnistheoretisch affirmativ, insofern man den Maulwurf als Sinnbild des Philosophen verstehen könnte (vgl. Michelet , ). In einer frühen Schrift, dies sei an dieser Stelle einer Erwähnung wert, benennt auch Obereit die Nachteule und den Maulwurf als philosophisch metaphorische Nachttiere in einem Satz. Anders als im besprochenen Avertissement gibt er beiden Tieren hier, zwanzig Jahre früher, noch eine negative Konnotation, ganz im Sinne der philosophischen Tradition. „Ja vielmehr sehen sie die Sachen immer klarer, wie sie ewig, wahrhaftig und wesentlich vor Gott sind […] die Maulwürfe und Nachteulen sehen es ganz anders, Mißgeburten“ (Obereit , ).
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warum alle philosophischen Systeme der Vergangenheit in einer systematischen Zusammenschau vergegenwärtigt werden müssen: „Eben dies macht die unendliche Arbeit des Geistes aus, sich aus seinem unmittelbaren Dasein […] in die Nacht und Einsamkeit des Selbstbewusstseins zurückzuziehen und aus dessen Kraft und Macht die von ihm abgetrennte Wirklichkeit und Anschauung denkend zu rekonstruieren“ (TWA : ). Das sich in die Nacht zurückziehende, rekonstruktive Selbstbewusstsein, verhält sich, wie die „mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug“ beginnende Eule (GW ,: ). Die Eule der Minerva bei Obereit wird denn auch etwas ungewöhnlich als „geheime Feder-Präsidentin […] der Beobachtungs-Philosophie außer allen Schulen“ (ii) beschrieben. Paraphrasiert führt die Eule damit den Vorsitz über eine Phänomenologie des Geistes und „außer allen Schulen“, denn sie „hat die liebe Noth gesehen“ zwischen „Dogmatiker[n]“ und „Ideal-Kritiker[n]“, gleichwie deren ausweglos „spitzfindigste und schlangenvolle Dialektik“ (iii). Eine genauere Erklärung folgt eine Seite weiter: „Die Dogmatiker brauchten meist bloss objektives Speculiren, die neuen Kritiker bloss subjectives Formalisiren bis zu sachleeren Idealen: was aber subjectives und objektives vereinigt, das lag am Boden“ (iv). Aus der Beobachtung der SubjektObjekt-Spaltung fragt Obereit nach einem vereinigenden Grund beider. Die besagte Nachdenkzeit über diese „größsten allgemeinen Nöthe“ bildet dabei „nach Arbeiten und Leiden des Tages die Nacht, die Einsamkeit, tiefe Stille der ganzen Seele“, die „unendlich mehr und besser Beobachtung des Einig Notwendigen und Allgenugsamen lehrt“ (vii-viii). Obereits Ergebnis dieser Nacht Hegel ist es ein dezidiertes Anliegen, die Spaltung von Subjekt und Objekt aufzuheben (vgl. Bloch , ). Dass nach ‚Arbeit und Leiden des Tages‘ allererst die Philosophie zu ihrem Recht kommt, ist ebenfalls ein Gedankengang, der Hegel nicht fremd erscheint. So spricht er nicht ohne Pathos in seiner Berliner Antrittsvorlesung () folgendes aus: „Den vor Kurzem war es einerseits die Noth der Zeit, welche den kleinen Interessens des täglichen Lebens eine so große Wichtigkeit gegeben, andererseits waren es die hohen Interessen der Wirklichkeit […], sowie die äußeren Mittel so sehr in Anspruch genommen, daß das innere Leben des Geistes nicht Ruhe gewinnen konnte. Der Weltgeist, in der Wirklichkeit so sehr beschäftigt und nach Außen gerissen, war abgehalten sich nach Innen und auf sich selbst zu kehren und in seiner eigenthümlichen Heimath sich zu genießen.“ (GW : ) Ilting (, f.) montiert Ausschnitte aus dieser Vorlesung neben die Vorrede der Grundlinien, um ein grundständiges Abweichen Hegels in seinem mündlichen und schriftlichen Vortrag zu bekräftigen. Dieser Widerspruch scheint aber konstruiert und basiert allein auf einer Stelle, wo Hegel die ‚Morgenröte‘ anspricht und in den Kontrast zur ‚Dämmerung‘ setzt. Ilting unterschlägt bei der sinnbildlichen Morgenröte, dass auch Michelet mit Hegel gegen Hegel und mit der wechselnden Tageszeit zugleich einen anderen Vogel als die Eule herbeizitiert hatte: Die Idee, dass die Philosophie auch wie ein Hahnenschlag in der hereinbrechenden Morgenröte sei, geht auf diesen republikanisch-liberalen Hegel-Schüler zurück. Der „Eule der Minerva“, berichtet Michelet, „habe er gleich damals irgendwo in einer Rezension entgegengehalten, dass die Philosophie auch der Hahnenschlag eines neuen Morgens sei, der eine neue Gestalt der Welt begrüsse“ (Michelet , ). Diese Deutung soll Hegel selbst mit schmunzelnder, aber schweigender Zustimmung geduldet haben (HBZ Nr. ). Inwiefern Michelet dabei wirklich ein sogenannter „Freund des Verewigten“ und seine Darstellung von seiner eigenen politischen Gesinnung eingefärbt war, mag dieses Zitat erkennen lassen: „Doch wurde Hegel
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beobachtung, als die Frage nach einem vereinigenden Grund, ist „das absolute Seyn in sich“, „das allgründende, ohne welches gar Nichts ist, noch sein kann. Und siehe da! das Band aller Bande“ ist „im Prinzip der unzertrennliche Grund“, „des allgründenden, einig alltragenden, unbedingten Seyns, das dem Satz des Widerspruchs […] von Ewigkeit zu Ewigkeit unendlich überlegen“ (iv) ist. Die auffällige Ähnlichkeit zu Hegels logischem Anfang mit einem absoluten Sein (vgl. GW : – ; – ), der sich, wie alle Forschungsliteratur bemüht ist, dialektisch aufzuzeigen, nicht nach dem Widerspruchsprinzip richtet (s. Abschnitt I), sondern vielmehr diesem überlegen ist und mit ihm ‚arbeitet‘: „Dieses reine Seyn ist nun die reine Abstraction, damit das absolut-Negative, welches gleichfalls unmittelbar genommen, das Nichts ist“ (GW : ). Obereits Stichwort von der ‚Überlegenheit vor dem Widerspruchsprinzip‘ darf analog als Konstitutionsprinzip des hegelschen Denkens überhaupt angesehen werden (Fulda , ff.). Zurück zum Avertissement, bei welchem die Eule die Gesprächspartnerin mit besonderer Beobachtungs-Kompetenz ist. Zwei nähere Charakteristiken verdeutlichen Obereits Auslegung und Verwendung der phänomenologischen Eulen-Metapher. Sie wird zum einen beschrieben als eine „Nachteule der weisen Dunkelheit, die im Finstern Licht sieht und herwinkt“ (ii) und zum anderen als „Beobachterin auch im Finstern mit blitzenden perspektivischen Augen“ (vi). Das Spezifikum der Nachteule liegt in ihrer Sehfähigkeit im Finsteren. Sie sieht im finsteren Licht, ihre Augen blitzen aus dem Finsteren heraus. Die Nachteule gibt winkend günstige Hinweise. Sie sieht bei Nacht. Das ‚Grau in Grau‘ markiert den Anfangszeitpunkt ihrer Erkenntnistätigkeit und Sehfähigkeit. Was in der Helle des Tages verborgen und uneinsichtig war, wird nunmehr offenkundig. Sie kann sozusagen das Tagesgeschehen nachts rekonstruieren. Es scheint erstaunlicherweise fast so, als hätte Hegel diese Sehbedingungen der Eule in seiner Logik beschrieben: „Erst in dem bestimmten Lichte – und das Licht wird durch die Finsternis bestimmt – also im getrübten Lichte, ebenso erst in der bestimmten Finsternis – und die Finsternis wird durch das Licht bestimmt –, in der erhellten Finsternis kann etwas unterschieden werden, weil erst das getrübte Licht und die erhellte Finsternis den Unterschied an ihnen selbst haben“ (GW : ). Per Definition kommt der Nachteule die erhellte Finsternis als Sehmedium eigens zu. Vom Tag her betrachtet, hat die Nachteule verkehrte Augen, die aus der Finsternis herausblitzen. Das selber […] allerdings je später, desto mehr in die schlechte Phase der Restauration hineingerissen“ (Michelet , ). Im ganzen akzeptiert er selbst durchaus das Verdikt, Hegel sei der Philosoph der Restauration gewesen. Michelet, so ergibt die Lektüre des zitierten Bandes, lehnt später Hegels Rechtsphilosophie – unter Beibehalt der hegelschen Methode – ab. Der Tag steht für das Konkrete, empirisch Wahrnehmbare. Der Philosoph agiert im Bereich des Abstrakten. Das Licht konkreter Erkenntnis ist abgezogen. Die Metaphorik von „Grau in grau“ findet sich im Schattencharakter der Logik: „Das System der Logik ist das Reich der Schatten, die Welt der einfachen Wesenheiten, von aller sinnlichen Konkretion befreit“ (GW : ; GW : ; GW : ).
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‚Nachteulenartige‘ ist als das Affirmative, als eine andere Sehfähigkeit gedacht, die aus der Perspektive des gesunden Menschenverstandes als ‚Sehbehinderung‘ erscheinen könnte und ebenso in die Ideengeschichte durch Aristoteles und Thomas von Aquin eingegangen ist. Entgegen einer affirmativen Nachtsehfähigkeit bei Obereit und Hegel steht die Nachteule gleichfalls im damaligen Zeitgeist unter negativem Vorurteil: Unser Sinn sey offen, […] Täuschungen der Phantasie und der Sinne zu vermeiden, und unser Weg sey der sichere, wenn gleich nicht der bequemste, Weg der Erfahrung und bescheidenen Prüfung – nicht der Flug kühner Hypothesen […]. – Auf diesem Wege sind wir am sichersten, das Schicksal jener Philosophen zu vermeiden, von welchen Baco sehr passend sagt: sie werden zu Nachteulen, die nur im Dunkel ihrer Träumereyen sehen, aber im Licht der Erfahrung erblinden, und gerade das am wenigsten wahrnehmen können was am hellsten ist (Hufeland , ). Die pejorative Eulen-Metaphorik hebt bei Hufeland genau die gegenteiligen Aspekte hervor. Auch Krug unterstreicht sie: Träumereien im Dunkeln und eine Erfahrungsblindheit im Licht. Wenn man sich gegenteilig zu Obereit ausdrücken möchte: eine ‚böse Nachteule‘. Demgegenüber ist die Eule bei Obereit und Hegel explizit durch ihre besondere Nachtsicht zu einer affirmativen Metapher aufgestiegen. Ob es in letzter Konsequenz dieser Obereit-Text ist, der Hegel zu jener berühmten Metapher inspirierte, kann restlos nicht bewiesen werden. Jedoch ist die inhaltliche Nähe bezüglich der Nachteulen-Eigenschaften beider Denker wesentlich größer als die bisher angenommenen Quellen: nämlich das Journal Minerva und ein Kunstwerk in Heidelberg. Die Zeitschrift kommt sogar ohne Eulenabbildung aus, geschweige denn, dass beide Inspirationsquellen eine eigentümliche Metaphorik des Aus-dem-Finsteren-heraus-sehen-Könnenden in ein dialektisches Verhältnis bringen. Dass Obereit die Nachteule affirmativ und dialektisch denkt, zwar nicht in verkehrter, doch zumindest in umgekehrter Weltsicht, zeigt eine frühere Schrift überdeutlich: „Willkommen! Eine Nachteule, die, im Dunkeln, Licht sieht, und im Lichte dunkel, die umgekehrte Welt! Ein schöner Vogel der Minerva!“ (Obereit , ). Die Nähe dieses Satzes zu Hegels Denken ist der Sache nach nicht von der Hand zu weisen und stellt Hegels berüchtigte „Vorrede“ in einen weiteren Kontext zum sog. ‚deutschen Idealismus‘ im Jena des ausgehenden . Jahrhunderts. Obereit und Hegel denken die Eule in symmetaphorischer Weise: (.) als Eule der Göttin Athene (Minerva) – Aristoteles kommt Bezüglich der Eulenbesitzerin sei hier noch eine Eigentümlichkeit vermerkt. Platon legt Homer
bereits dahingehend aus, dass die Göttin selbst eine Metapher für noesis (Vernunft) und dianoia (Verstand) sei (vgl. Kratylos, b). Interessanter Weise ist das häufigste Epitheton der Göttin in Homers epischen Werken glaukopis. Hegels Zeitgenosse Johann Heinrich Voss übersetzt: „Zeus blauäugige
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ohne Göttin aus –; (.) als Repräsentantin besonderer Erkenntniskraft unter zustimmenden Vorzeichen; (.) ist diese Metaphorik bei beiden in eine Vergil-VersReminiszenz (Tantae molis …) eingebettet; (.) ist sie integriert in einen Rückblick vergangener, philosophischer Jahrtausende; und schließlich (.) in einer Übereinstimmung der ‚verkehrten‘ und ‚umgekehrten Welt‘. Siglen AA
Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Schelling-Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Hans Michael Baumgartner, Wilhelm G. Jacobs, Hermann Krings und Hermann Zeltner. Stuttgart, ff.
B
Briefe von und an Hegel. Herausgegeben von Johannes Hoffmeister und Rolf Flechsig bzw. Friedhelm Nicolin. Hamburg, – .
DK
Hermann Diels und Walther Kranz, Hgg. Fragmente der Vorsokratiker. . Aufl. Berlin, .
GW
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Hamburg, ff.
HBZ Hegel in Berichten seiner Zeitgenossen. Herausgegeben von Friedhelm Nicolin. Hamburg, . JWA Friedrich Heinrich Jacobi. Gesamtausgabe. Herausgegeben von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke. Hamburg/Stuttgart-Bad Cannstatt, ff. RA
Briefe an Goethe. Gesamtausgabe in Regestform. Heruasgegeben von Karl-Heinz Hahn und Irmtraud Schmid. Weimar, .
StA
Johann Christian Friedrich Hölderlin. Sämtliche Werke. Große Stuttgarter Ausgabe. Herausgegeben von Friedrich Beißner, Adolf Beck und Ute Oelmann. Stuttgart, ff.
TWA Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Werke in zwanzig Bänden. Auf der Grundlage der Werke von – neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt a. M., ff. Tochter Athene“ (, ). Auch Friedrich Hölderlin (StA ) wählt diese Übersetzung der ‚blauäugigen‘ Athene. Das Wort ist eine Kombination aus entweder glaukós, was bedeuten kann ‚silberglänzend, ‚blaugrün‘, ‚blau‘ oder einfach ‚grau‘, oder aber aus glaúx, was der Kauz oder die kleine Eule wäre, sowie aus dem Wort ops, das Auge: Athene wäre also entweder die Grauäugige, die Eulenäugige oder – ganz im Sinne Hegels – alles zugleich. Das Wortspiel zwischen ‚eulenäugig‘ und ‚blauäugig‘ erinnert an eine ähnliche Konstruktion im Fragment B Heraklits (Hegels bevorzugter Vorsokratiker). Ein zweideutiges Wortspiel zwischen biós, dem Bogen, und bíos, dem Leben: „Des Bogens Name ist also Leben, sein Werk Tod“ (DK B ).
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LITERATURBERICHTE UND KRITIK A) Untersuchungen zur klassischen deutschen Philosophie Karin Nisenbaum. For the Love of Metaphysics. Nihilism and the Conflict of Reason from Kant to Rosenzweig. Oxford: Oxford University Press, . pp. An eloquent sentence of Friedrich Heinrich Jacobi, borrowed from the second edition () of Jacobi’s “Preface and Introduction to his Philosophical Works”, provides the motto for the book reviewed here: “So, this is how the matter truly stands: first Critical Philosophy undermines metaphysics theoretically, for the love of science; then, since everything now tends to sink into the wide open, bottomless, abyss of an absolute subjectivity, it undermines science practically, for the love of metaphysics.“ The sentence, which does give the basic orientation of Karin Nisenbaum’s work, also expresses a line of reception of Classical German Philosophy which has been from the start very influential and remains so today – perhaps even particularly today. The A. stretches the line „from Kant to Rosenzweig“ and does succeed in showing its strength. She is well acquainted with the German-speaking research on German idealism, more particularly with the most recent one, on Jacobi. Evoking Walter Jaeschke, Gottfried Gabriel and Birgit Sandkaulen, she follows them in refusing to merely replace Jacobi in the camp of the ‘irrationalists’, as was often done in the past, and in endeavoring to show that he rather attempted to develop an alternative to the Enlightenment’s conception of reason (, fn. ) – in her book, the first Chapter of Part One bears a telling title: “The Legacy of Friedrich Heinrich Jacobi: Restoring Human Reason to Its Full Measure“! Part One itself, entitled “Nihilism, Reason, and Freedom in the Early Reception of Kant’s Critical Philosophy”, only comprises one additional Chapter, entitled “Philosophy as a System Actualized in Freedom”, and devoted to Salomon Maimon. The A., who is a student of Paul Franks, is well aware of the recent upsurge of interest in Maimon, and also perfectly at home in the recent English-speaking literature on the nature of transcendental arguments and skepticism. This is the subject-matter of the book’s Part Two, entitled “The Primacy of the Practical in early Fichte and Schelling”: Karin Nisenbaum does know that the subject has a very long research history, but she chooses to limit herself here to an examination of the most recent English-speaking literature on that subject. Those readers of her book who are interested in pursuing the conversations linked to those topics will undoubtedly learn much from her excellent choice of authors, and also from her discussions, which are regularly instructive. Although that part of the book can be read independently of the rest, Karin Nisenbaum did include in it several pages ( sq.) devoted to “The Earliest SystemProgram of German Idealism”, the famous fragment that Franz Rosenzweig rediscovered in at the Prussian State Library in Berlin – and ascribed to Schelling: the inclusion already hints at the final Part of her book (Part III), “Nihilism and the Affirmation of the World in Schelling and Rosenzweig”, whose culminating point is a presentation of Rosenzweig’s Star of Redemption.
Cf. JWA II.: . Translated by G. di Giovanni in The Main Philosophical Writings and the Novel Allwill (Montreal, ), . Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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KRITIK
The A.’s basic thesis in this work seems to be that it is Franz Rosenzweig who had offered one of the best solutions to that which is called, already in the subtitle of the book, “the Conflict of Reason”. The use, already in the title of the book, of that expression needs to be further explained, and justified. Karin Nisenbaum brings the expression back to Kant: she claims that it is closely related to the notion of an unavoidable “transcendental illusion” (see already f.). She also quotes one passage of the Critique of Practical Reason in which Kant had written that, had “pure speculative reason” not been subordinated to “pure practical reason” in one’s cognition, a “conflict of reason with itself” would arise, for “one cannot require pure practical reason to be subordinate to speculative reason and reverse the order, since all interest is ultimately practical and even that of speculative reason is only conditional and is complete in practical use alone” (see and fn. ): one cannot refrain from noting that in that passage Kant’s evocation of a “conflict of reason” had only been hypothetical, and that there is a long, very long way to go from the assertion of a “primacy of the practical” to that of a “conflict of reason” – as well as to the diagnosis of a “debilitating illness affecting human reason and human experience” already formulated by the A. in the very first sentences of the “Introduction”. She may well have in mind there Rosenzweig’s Understanding the Sick and the Healthy, even if she does not explicitly refer to it. The “primacy of the practical” thesis, which can already be found in Kant’s writings, was elaborated by many post-Kantian authors. Karin Nisenbaum evokes Fichte, also the early Schelling, but chooses to relate it in the first place to Jacobi: writing that the parallels between Kant’s “prioritizing of the practical” and Jacobi’s “so-called philosophy of faith” are largely but unduly overlooked (), she engages in the first section of the first part of her book in a careful reading of Jacobi’s intellectual evolution and of the way in which he responded to the criticism of some interlocutors, amongst them first and foremost Kant, by clarifying his own use of certain central terms: those of ‘faith’ and ‘revelation’ in the first place, but also, as the A. shows, that of ‘reason’ (Vernunft), which becomes a faculty of perception (vernehmen): in his earlier works, Jacobi would have been “led astray by his contemporaries and called reason (the faculty of immediate perception) by the name of what he now calls the understanding (the faculty of reflection)”. But the A. adds that Jacobi was able later “to correct his mistake”: he then called the “organ with which we are aware of the supersensible, reason” – and “this form of immediate awareness knowledge”. She does not stop here at merely presenting these points, which have often been noted in the scholarly literature on Jacobi. She also fully aligns herself with Jacobi, with his definition of Vernunft (‘reason’ as ‘immediate awareness’) and Glauben (‘belief’ as well as ‘faith’) and with his account of the salto mortale: refusing to deem it a leap into the irrational, she sees in it a “practical solution to what appears to be a purely theoretical question – namely, the question whether we are free” (). Still, however convincing this argument may appear, it is unable to account for the highly provocative tenor of Jacobi’s discourse at the turn of the century: Jacobi was not just a philosopher wanting to pursue a rational conversation, he also was a ‘troublemaker’. When he chose to write about Spinoza and Spinozism, he did not merely target theoretical rather than practical questions. His aim was not even to overthrow reason – reason as a whole – or to restore it. He also wanted to provoke – not just Mendelssohn, but also, with Mendelssohn, the German Aufklärung and those philosophers who sided with it, amongst them the young Schelling – and the young Hegel.
F. Rosenzweig, Understanding the Sick and the Healthy: A View of World, Man, and God, ed. a. transl. by N. N. Glatzer, w. a new intro. by H. Putnam (Cambridge, Mass., ).
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Many readers of the Hegel-Studien will probably regret to hear that in her book Karin Nisenbaum decided not to make any room for Hegel. She justifies this decision by saying that already in his article “Faith and Knowledge” Hegel had been opposed to Kant’s famous project, to “deny knowledge in order to make room for faith”, and that she conceived her own book as a commentary and defense of that Kantian project, or in other terms a defense of “the love of metaphysics”, i. e., of “the Kantian idea that the representation of God or the Absolute by finite beings is a topic of practical, not theoretical, philosophy” ( f.). Still, it does not seem to me evident that Hegel always opposed that idea. Even before , he had begun to ponder over the basic question which interests the A. in the present book, i. e., that of determining “to what extent philosophy is practical” (inwiefern die Philosophie praktisch sei: cf. Hegel, GW : , and my edition of articles bearing that title, which includes articles on Fichte as well as on Hegel); and then Hegel did elaborate a complete practical philosophy, one which includes not just a political philosophy and a philosophy of history, but also the philosophy of religion, which definitely has, also for him, a practical dimension. The reason for which this needs to be said here is that Franz Rosenzweig, whose work constitutes the culminating part of the A.’s book, was in the first place a Hegel scholar. His Hegel und der Staat counts up to our days as a landmark in Hegel scholarship, as is shown by the fact that it has recently been republished as a Suhrkamp pocket-book, with a Postface by Axel Honneth. It was also translated into French and Italian. The English translation is long overdue – but it is now very commonly acknowledged that one cannot fully understand Rosenzweig’s Star of Redemption without taking his Hegel book into account, as a prerequisite. May I take the liberty of formulating the hope that Karin Nisenbaum will soon brace for the challenging task of commenting the Star by also recurring to Hegel? She is admirably qualified for realizing this task. Rosenzweig’s proximity with Jacobi, who famously wrote that there is no ‘I’ without a ‘Thou’, is undeniable: Jacobi may well count as a true precursor of Rosenzweig’s philosophy of dialogue, and also of his philosophy of religion, and I have often asked myself if he and his friends were aware of this ancestry. Karin Nisenbaum does not enter into a discussion of that scholarly question. Leaving aside Rosenzweig’s philosophy of dialogue, she rather underlines his opposition to nihilism and his affirmation of the world: this is a perspicuous, original line of research, which would also deserve to be elaborated in a fully-fledged book, one dealing not just with Jacobi and Rosenzweig, but also with other figures of modern Jewish thought. Myriam Bienenstock Université François Rabelais, Tours
M. Bienenstock, ed., Dans quelle mesure la philosophie est pratique. Fichte, Hegel (Fontenay/Saint Cloud, ). See also my edition (w. A. Tosel) of the volume La raison pratique au XXe siècle. Trajets et figures (Paris, ) and in German the article „Zur Revision der praktischen Philosophie Hegels in dem Systementwurf von /“, in: Die Eigenbedeutung der Jenaer Systemkonzeptionen Hegels, ed. by H. Kimmerle (Berlin, ), –.
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Philipp Weber. Kosmos und Subjektivität in der Frühromantik. Paderborn: Wilhelm Fink, . S. Philipp Weber hat eine überaus gelungene Studie zwischen Literaturwissenschaft, Philosophie, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte vorgelegt. Die Arbeit ist Fragestellungen aus der Wissenspoetologie (Vogl) verpflichtet und knüpft darüber hinaus sowohl an Arbeiten zu frühromantischen Konstellationen (Henrich, Frank) als auch an die Forschung zur Darstellungs- und Wissenschaftstheorie der Frühromantik (Uerlings, Daiber), ferner auch an die Forschung zur Entwicklung der Kosmologie zwischen Kopernikus und Kant an (Blumenberg). Die zentrale These ist, dass Entwicklungen in der Kosmologie zentral für die Ausarbeitung des spezifisch frühromantischen Subjektivitätsbegriffs waren: Der klassische Gegenstand der Kosmologie, eine wohlgeordnete und widerspruchsfrei beschreibbare Welt, ist nicht mit der Vorstellung transzendentalphilosophischer Subjektivität vereinbar. Das Epizentrum dieser Spannung ist Kants Kritik der reinen Vernunft: Sie ist die Schrift, die die moderne Subjektivität ins Werk setzt, aber auch den Gipfelpunkt der Destruktion des wohlgeordneten Kosmos darstellt. Kosmologie spielt dort nicht nur eine metaphorische Rolle, wie man vielleicht meinen könnte, denkt man an Kants Selbsteinschätzung, der transzendentale Standpunkt bedeute eine kopernikanische Wende der Philosophie, sondern ist im Gegenteil absolut wesentlich für die entworfene Epistemologie: Der wahrscheinlich werkgeschichtlich älteste Teil der ersten Kritik, das Antinomien-Kapitel, kreist um verschiedene Widersprüche der theoretischen Vernunft mit sich selbst, anhand derer Kant zeigt, dass der Kosmos als widerspruchsfrei beschreibbarer Untersuchungsgegenstand unrettbar verloren ist. Aufgrund dieser Ausgangslage entwickelt Kant seine Transzendentalphilosophie, die dann bekanntermaßen zur Grundlage der Subjektkonzepte des sog. ‚deutschen Idealismus‘ und der Frühromantik wird. Es ist für die Klarheit der Argumentation sehr hilfreich, dass Weber die kantische Entwicklung relativ kurz skizziert, um sich dann in extenso den Einzeltexten zu widmen. Deren Analyse bleibt immer sein Hauptanliegen, wobei auch übergeordnete rote Fäden deutlich hervortreten. Einer von diesen ist, dass Weber den grundsätzlichen Zusammenhang von Kosmologie und Subjektivität in den Fokus rückt, der tatsächlich in der Forschung zur Frühromantik und dem Frühidealismus noch nicht in seiner Bedeutung registriert worden ist. Der für seine Argumentation wichtigste Terminus ist hierbei der des Akosmismus, womit Weber (wissens)poetische Strategien beschreibt, die sich mit der postkantischen Verunmöglichung einer Fortführung von klassischer Kosmologie auseinandersetzen. Nach der Einleitung, die auch zusammenfassenden Charakter hat und in dieser Hinsicht die Funktion des nicht vorhandenen Fazit-Kapitels ersetzt, folgt das erste Kapitel „Romantische Kosmologie“. Dieses beschäftigt sich zunächst mit der Spannung zwischen Kosmos und Subjekt in Kants Werk, was mittels eines vergleichenden Blicks auf Kants vorkritische Schrift Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels () und die erste Kritik geschieht. Es folgen dann zwei Analysen zu Texten, die poetisch-theoretische Formen der Möglichkeiten, über den Bruch zwischen Kosmos und Subjekt zu sprechen, ausloten. Zunächst sind das Friedrich Schlegels Vorlesungen über die Transzendentalphilosophie. Weber zeigt, dass Schlegel kosmologische Fragestellungen im Sinne seines zuvor schon entworfenen Programms der ‚progressiven Universalpoesie‘ bearbeitet, indem Aussagen über die Welt nur so getätigt werden, dass sie die Unmöglichkeit, Teil eines abgeschlossenen Systems zu werden, mitreflektieren. Jede These kann daher immer nur Fragment sein, denn
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sie weiß von der Notwendigkeit, in der Zukunft korrigiert zu werden. Der Dialog Bruno, eine relativ wenig rezipierte Schrift Schellings, geht – so Weber – einen anderen Weg. Der titelgebende Giordano Bruno diskutiert mit einigen anderen Dialogpartnern verschiedene Auffassungen des Kosmos. Es spricht zwar keiner unter den Anwesenden davon, dass der Kosmos nicht als ein wohlgeordneter denkbar sei. Diejenige Figur jedoch, die von allen und auch vom Text selbst aufgrund der durch ihren Namen ‚Polyhymnios‘ aufgerufenen intertextuellen Bezüge als Autorität anerkannt wird und von der daher eine Bewertung der einzelnen Kosmologien erwartet wird, schweigt. Weber interpretiert diesen Text zu Recht jedoch nicht rundheraus als eine Absage an eine klassische Kosmologie, sondern erkennt in ihm durchaus einen ernstgemeinten Willen zur restituierten Naturphilosophie, der aber – um sich zu äußern – zum Medium der Dichtung greifen muss und so wohl doch seine eigene Epigonalität registriert und auf sie reagiert. Er steht auf der Grenze zur romantischen Kosmologie, überschreitet sie aber nicht. Im zweiten Kapitel „Epistemischer Kopernikanismus“ zeigt Weber, dass durch den Bruch mit dem Kosmos eine Epistemologie entstehen muss, die sich von bestimmten Formen des Universalismus verabschiedet. Wenn moderne Subjektivität einen Kosmos als Ganzen zu einer Denkunmöglichkeit macht, dann ist es für dieses Subjekt folglich nicht sinnvoll, nach einem Standpunkt im Kosmos zu suchen, auf dem ein alles umfassender Blick möglich wäre. Friedrich Schleiermacher reagiert darauf laut Weber mit seinen Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern, die eine Vielheit der Perspektiven propagieren und so einen als unendliches Gespräch inszenierten Pluralismus einfordern. In Novalis’ Projekt der Enzyklopädistik, in dessen Zentrum das Allgemeine Brouillon steht, sieht Weber eine anders akzentuierte epistemische Reaktion. Er weist nach, dass für Novalis der Bezug zur Kosmologie wesentlich wichtiger ist, als bisher angenommen, was aufgrund der intensiven Auseinandersetzung der Forschung mit Novalis’ Wissenschaftsrezeption erstaunt. Sein Anliegen beschreibt er als „Darstellung des Wissens vom Kosmos nach dessen Verunmöglichung“ (). Die hierfür verwendete Methode ist die doppelte Universalität – ein Begriff von Novalis selbst. Er bezeichnet eine letztlich hermeneutische Bewegung zwischen Einzelwissenschaft und dem Begriff von Wissenschaft an sich. Entscheidend dabei ist, dass sich Novalis im Klaren über den konstruktiven Charakter seiner enzyklopädischen Darstellung ist. Somit ist die Enzyklopädie niemals ein nachträglich auf bereits Bestehendes angewendetes Begriffskonstrukt, sondern aktive Methode der Erzeugung eines Nexus aus gegebenen Einzeldata, die diese damit in ihrem (kontingenten) Sosein erst zu erkennen gibt. Weber zeigt dann, dass auch im Romanfragment Die Lehrlinge zu Sais genau diese beiden Vorstellungen von Welt und Weltbeschreibung aufeinandertreffen, indem der Lehrer die alte Kosmologie, der Lehrling die neue repräsentiert. Die Texte des letzten Kapitels „Inversion des Blicks“ stellen die ausdifferenziertesten wissenspoetischen Formen dar, in denen Kosmos und Subjektivität in der Frühromantik ins Verhältnis gesetzt werden. Den größten Raum nimmt wieder Novalis ein, dessen FichteStudien und dessen Hymnen an die Nacht betrachtet werden. Darauf folgt eine Interpretation von Bonaventuras Nachtwachen. Weber beschreibt die Fichte-Studien als einen Synthetisierungsversuch der fichteschen Wissenschaftslehre mit der Lehre Spinozas, was er am Terminus ‚Gefühl‘ festmacht, von dem er behauptet, er bezeichne nicht – wie in der Forschung oft vertreten – als Selbstgefühl ein prädiskursives und präreflexives Selbstbewusstsein, sondern eine vorsprachliche und notwendig unartikuliert bleibende Erfahrung des Realen. Novalis’ Gefühl ist damit ein Fühlen der Welt. Die unendliche Vermittlung zwischen Reflexion und Gefühl, die Novalis als ordo inversus bezeichnet, ist damit folglich nicht bloß
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ein Prozessieren der Paradoxie des Selbstbewusstseins, sondern ewige Vermittlung zwischen Kosmos und Subjekt. Diese, Spinoza in den Vordergrund rückende, These ist hochinteressant. Sie hat jedoch das Problem, das alle Interpretationen der Fichte-Studien haben, da Versuche, die einzelnen philosophischen Einflüsse auf die Fichte-Studien in ihrer Wichtigkeit für Novalis zu hierarchisieren, notgedrungen spekulativ bleiben müssen. Literaturwissenschaftlich von Bedeutung ist aber vor allem, dass Weber zeigt, dass Novalis’ Werk wesentlich mehr von kosmologischen Gedanken getragen ist, als das bisher registriert worden ist. Dies macht er dann fruchtbar für die Interpretation der Hymnen. Er bestimmt sie als poetische Realisierung der Dynamik des ordo inversus, indem er eine Entwicklung nachzeichnet, die von einer immer wieder enttäuschten Einheit von Kosmos und Subjekt letztlich zu einem christlich-paulinischen Akosmisus führt, der in einem historischen Kopernikanismus von der Sehnsucht der Toten aus einen messianischen Anspruch stellt. Weber kommt dann zu dem Schluss, dass Trost in der Logik der Hymnen nur noch im Durchdringen des Warum der verlorenen Einheit bestehen kann. Eine noch weiter gesteigerte Radikalität sieht Weber in (vermutlich) Klingemanns Bonaventuras Nachtwachen. Hier kann das Subjekt sich allein aus der Erkenntnis der Ausgeschlossenheit aus einer positiven Seinsordnung selbst erkennen. Dieses Subjekt erkennt sich zwar als freies, besteht aber in nichts anderem als dem eignen Trauma und kann deswegen gar keinen Anspruch mehr auf Trost erheben. Dominik Zink Universität Trier
B) Editionen Johann Georg Hamann. Fliegender Brief. Historisch-kritische Ausgabe. Bände. Herausgegeben von Janina Reibold. Hamburg: Felix Meiner, . ; S. Der zwischen und entstandene Fliegende Brief ist Johann Georg Hamanns letztes großes, zugleich unvollendetes Schreibprojekt. Mit Janina Reibolds großformatiger, zweibändiger Neuausgabe in der Philosophischen Bibliothek – zugleich Reibolds Dissertationsschrift an der Heidelberger Neuphilologie – liegt dieses extensive Projekt nun erstmalig als verlässliche historisch-kritische Edition vor. Dass bisherige Editionsversuche des Fliegenden Briefes, u.a. durch den umstrittenen Hamann-Herausgeber Josef Nadler, als gescheitert gelten müssen und Reibolds eigene Arbeit damit eine wissenschaftlich wertvolle Neuerung bietet, begründet sie in der Einführung (II, – ) auf überzeugende Weise (II, – ). Der Fliegende Brief ist konzipiert als sich im Schreibprozess stetig fortentwickelnde Reflexion der sich selbst noch im Wandel befindenden Geschichte von Hamanns eigener Identität als Autor. Die Briefform ist dabei nicht lediglich Metapher: Das Projekt erwächst aus Hamanns ausgedehntem Briefwechsel mit Friedrich Heinrich Jacobi, der, zusammen mit seinem Sekretär Johann Heinrich Schenk, auch eine zentrale Rolle beim Druck eines Teils des Projekts während dessen Entstehungsprozesses einnimmt. Historischer Kontext der Schrift ist dementsprechend auch der aus dem Briefwechsel Jacobi–Mendelssohn hervorgehende Spinoza-Streit um , unter dessen Eindruck Hamann hier gestanden hat. Konkreterer Anlass für Hamanns Schreibarbeit ist v.a. aber eine
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Rezension seiner veröffentlichten Schrift Golgatha und Scheblimini aus der Allgemeinen deutschen Bibliothek von Ende . Reibold hierzu: „Der mit dem Kürzel F. signierte Verfasser Johann August Eberhard setzte sich darin fast gar nicht mit Hamanns Text auseinander, sondern wetterte lediglich polemisch gegen dessen schwer verständliche Schreibart, die ihm mehr ‚Verkleidung als Bekleidung‘ zu sein schien“ (II, ). Vor diesem Hintergrund ist auch der Beititel „Entkleidung und Verklärung“ (I, ) zu verstehen, den Hamann seinem Fliegenden Brief gibt und damit die gnadenlose Offenlegung seiner auktorialen und personalen Identität ankündigt. Mehr als das: Aus Eberhard, dem „Buchstabe[n] F“, wolle er „Grüze machen“ (II, / JBW I,: ). Überhaupt könne Hamanns „Haß gegen die Berliner“ Aufklärer (II, / JBW I,: ), so Reibold, als „Ausgangs- und Endpunkt“ (II, ) der geradezu gewaltsamen Schreibhaltung des Fliegenden Briefes bestimmt werden. Insbesondere Hamanns Auseinandersetzung mit Mendelssohns Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum von prägt die Schrift. Der eigentliche Textbestand derselben umfasst Dokumente (I, – ), darunter Manuskriptblätter Hamanns, den diese Blätter umgreifenden Briefwechsel (v.a. zwischen Hamann und Jacobi) sowie verschiedene provisorische Druckbogen, z.T. mit Korrekturanmerkungen; bisweilen jedoch auch bloß lose Zettel mit kurzen Notizen (z.B. I, ). Den überaus bewegten, wandlungs- und unterbrechungsreichen Arbeitsprozess des Schreibprojekts schildert Reibold in ihrer Einführung auf umfassende Weise (II, – ; I, ) – bis zu dessen offensichtlichem Scheitern: Der Fliegende Brief wurde nicht in den finalen Druck gebracht, Hamann beendet das letzte Manuskript mit den offenen Worten „ich kann nicht mehr“ (I, ). „Das Scheitern gehört zur Aporie dieses Schreibprojekts, das beabsichtigte, eine übergeordnete Einheit und ein System aus einem über jährigen literarischen Schreiben zu generieren, das aus extrem individualisierten, okkasionellen und unsystematischen Einzeltexten […] besteht“ (II, ), konstatiert Reibold. Hamanns Schriften erscheinen im Allgemeinen als nahezu unüberschaubar dichtes, aber auch gebrochenes intertextuelles Referenznetzwerk, was in besonderem Maße für den hier vorliegenden Text gilt. Jeder Gedankengang, fast jeder Satz ist geprägt von vielfältigsten, oft chaotisch durcheinandergehenden Bezügen auf einen literarischen Fundus mit enormem Horizont: Bibelstellen, Sentenzen aus der klassischen Antike, beides z.T. im Original, wechseln sich ab mit bisweilen kodierten Referenzen auf Hamanns zeitgenössisches philosophisches und schriftstellerisches Umfeld. Oft bleiben die Zusammenhänge gänzlich unklar. Janina Reibold gelingt es in ihrer Ausgabe nun, dieses extrem komplexe Referenznetzwerk zu entschlüsseln: Der umfangreiche Kommentar (II, – ) gliedert sich in Quellen des klassischen Altertums, neuzeitliche Quellen, biblische Referenzen, Personen-, Wort- und Sachkommentare sowie ergänzende Dokumente zur Entstehungsgeschichte, v.a. aus Hamanns Briefwechsel. Konkordanzen sowie eine Bibliographie (II, – ) bieten weitere Hilfestellungen. Die Aufteilung der Edition in zwei Bände ist durchaus notwendig: Die Dokumente (Bd. I) – allesamt mit Informationen zu Datierung und Provenienz – verweisen laufend auf den Kommentar (Bd. II), die einzelnen Kommentare umgekehrt auf die Dokumente. Auf diese Weise wird eine effektive, sozusagen multilaterale Koordination durch Hamanns Schrift möglich. Da sich im damit erschließbaren Schreibprozess zahlreiche Neuformulierungen und Neudrucke von bereits Verfasstem finden, kommt es zwangsweise zu häufigen Wiederholungen und Redundanzen im Text. Die genetische Entfaltung des Projekts steht in der Edition klar im Vordergrund. Die eigentliche Transkription der parallel mitabgedruckten Manuskripte ist an editorischer Akribie und Sorgfalt kaum zu überbieten. Dies geht auch aus Reibolds ausführlicher
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Darlegung der Editionsprinzipien (v.a. II, – ) hervor, bis hin zu kleinsten graphischen Details (II, f.). Mehr ist in dieser Hinsicht tatsächlich nicht möglich. Was bleibt, ist die Frage nach dem eigentlichen philosophischen Gehalt der Schrift. Hierzu schweigt Reibold in ihrer Einführung weitestgehend, und zwar aus gutem Grund. Der letztlich doch aufgedunsene, z.T. bis zur praktischen Unlesbarkeit referenzbeladene, oft unangenehm-pathetische Stil der Schrift steht in keinem Verhältnis zu dem, was sich an philosophischen Gedanken darin mühsam erarbeiten lässt. Dies wiegt umso schwerer, wenn in Betracht gezogen wird, wie viel im philosophischen Diskurs der Zeit bereits möglich geworden war – v.a. seitens Kants und Jacobis, von deren inhaltlicher Klarheit sich in Hamanns Fliegendem Brief, wohl beabsichtigt, nicht einmal ein Abglanz findet. Doch auch frühere Schriften Hamanns, beispielsweise die Aesthetica in nuce von oder die an Kants Kritik der reinen Vernunft adressierte Metakritik von , bieten, trotz eines fast ebenso sperrigen, gewollt-dunklen Stils, bei geringerem Umfang deutlich mehr an philosophischem Gehalt. Durchaus interessant und anknüpfungsfähig sind im Fliegenden Brief allerdings immerhin Hamanns Überlegungen zum aufhebbaren Gegensatz von philosophischem Genie qua Abstraktion von Gegenwärtigem und poetischem Genie qua Vision von Abwesendem, damit einhergehend die Unterscheidung zwischen dem Geist der Beobachtung des Gegenwärtigen und dem Geist der Weissagung des Abwesenden (u.a. I, , , f.). „Gleich wie aber Gegenwart und Abwesenheit nichts als Prädicate eines einzigen positiven Gegenstandes sind: eben so sind Geist der Beobachtung und Geist der Weißagung Aeußerungen einer einzigen positiven Kraft, die natürlicher weise eben so wenig vom Subject als Object der Kraft geschieden werden könen, sondern sich imer einander voraussetzen, oder aufeinander beziehen. […] Daher wird die Vernunft durch die Sprache, oder auch umgekehrt diese durch jene vom Geiste der Beobachtung und der Weißagung gemeinschaftlich beschwängert und fruchtbar gemacht“ (I, ) – wohl einer der wenigen relativ klaren Momente der Schrift. Hier lässt sich immerhin erahnen, worin Hamanns spekulative Abkehr vom verständig trennenden, reflektierenden Denken bestehen könnte, die Hegel später, , in seiner Rezension der Hamann-Werke hervorheben wird (v.a. GW : ). Interessant ist der Fliegende Brief als sich im Fluss befindliches und darin beobachtbares Projekt des Versuchs einer Selbstreflexion von poetischer Autorschaft im späten . Jahrhundert aber v.a. aus germanistischer und medientheoretischer Perspektive. Für die germanistische Hamann-Forschung ist Reibolds Ausgabe daher ein enormer Gewinn, auch mit Blick auf das u.a. davon ausgehende, sich momentan formierende Projekt einer neuen kommentierten Hamann-Brief- und Werkausgabe. Hinsichtlich der Frage nach philosophischer Tiefe – und da die Edition Teil einer philosophischen Bibliothek ist, ist diese Frage legitim – muss wohl nach wie vor Johann August Eberhard zugestimmt werden, nach dem Hamanns Schreibart mehr „Verkleidung als Bekleidung“ (s.o.) sei. Seine „so räthselhafte[] Sprache“ sowie „weithergeholte[n] Anspielungen“, oft „ohne allen Zusammenhang“, würden eine sinnvolle philosophische Auseinandersetzung mit dem Text weitgehend unmöglich machen (II, ). So alt dieses Urteil auch sein mag: Auch die historisch-kritische Edition kann hieran letztlich nichts ändern. Daniel Elon Ruhr-Universität Bochum
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Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Leçons sur la logique et la métaphysique (Heidelberg ). Édition coordonnée par Jean-Marie Lardic et Alain Patrick Olivier. Présentation par JeanMarie Lardic. Traduction de l’allemand par Tatjana Barazon, Jean-Marie Lardic, Alain Patrick Olivier et Henri Simhon. Paris: Vrin, . pp. La publication de cette traduction française de la Nachschrift Franz Anton Good des Leçons sur la logique et la métaphysique dispensées par Hegel à l’Université de Heidelberg en constitue un événement. Il s’agit en effet du deuxième manuscrit d’un cours sur la logique à être traduit en français, et ce volume vient apporter un parfait complément à la Nachschrift Karl Hegel de , dont une traduction (due à David Wittmann et Jean-Michel Buée) a été publiée aux éditions Vrin en . Si le manuscrit dû à K. Hegel documente le dernier cours de Hegel sur la logique, c’est, en revanche, le seul témoin du premier exposé oral de cette discipline à être fondé sur l’Encyclopédie qui est désormais accessible grâce à cette nouvelle traduction. Cette Nachschrift de présente un intérêt certain, non seulement parce qu’elle propose, comme la plupart des notes sur les cours de logique, un commentaire riche et détaillé du Vorbegriff, mais aussi – ce qui est plus rare – parce qu’elle traverse tous les moments de la logique hégélienne et n’en laisse de côté aucun aspect important. Grâce à cette publication, les lecteurs et lectrices français·e·s disposent désormais d’une excellent base documentaire pour l’étude de la logique hégélienne : outre ces deux manuscrits d’auditeurs, les deux traductions scientifiques de la Science de la logique (Jarczyk et Labarrière, Bourgeois) et la traduction des trois versions de l’Encyclopédie (Bourgeois) donnent accès aux pièces essentielles du corpus dans des traductions fiables et rigoureuses. Par comparaison, de nombreuses autres parties du système apparaissent encore très desservies en français : par exemple, aucun cahier de cours sur la philosophie de la nature ou la philosophie de l’esprit subjectif n’a encore fait l’objet d’une traduction. Il est à souhaiter que ce mouvement de traduction des Nachschriften se poursuive et s’intensifie, afin de ne pas perdre le fil des publications allemandes qui se succèdent à un rythme soutenu depuis plusieurs dizaines d’années déjà. Le volume s’ouvre sur une introduction rédigée par Jean-Marie Lardic, qui apporte, de manière particulièrement claire et efficace, tous les éléments nécessaires à la lecture du texte traduit. La nature du document ayant servi de base à la traduction, ses modalités de rédaction et de transmission ainsi que les informations qu’il apporte sur la manière dont Hegel développait ses commentaires à partir du texte de l’Encyclopédie, alors en cours de publication, sont rappelées avec précision et économie ; mais c’est surtout la manière dont Lardic parvient à éclairer, en des pages d’une remarquable concision, la position du texte dans le développement de la logique hégélienne, qui force l’admiration. Il insiste à juste titre sur l’intérêt du commentaire du Vorbegriff pour appréhender „l’explication“ () de Hegel avec la métaphysique, propose des commentaires du plus grand intérêt sur quelques passages précis, ce qui lui permet notamment de souligner leurs différences par rapport au texte publié de l’Encyclopédie (par exemple ou ), et donne quelques indications sur la manière dont ce cours anticipe certaines des évolutions qui se trouveront plus tard intégrées au texte de la deuxième édition de l’Encyclopédie (). Cette introduction constitue donc un apport précieux à ce volume. Concernant la traduction proprement dite, on peut dire qu’elle est parfaitement conforme aux standards de rigueur et de fidélité aux textes qui caractérisent désormais la traduction de Hegel en français. La fidélité au document original apparaît jusque dans le souci d’en conserver la présentation assez particulière, qui évoque la distinction entre pa-
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ragraphes et remarques propre à l’Encyclopédie. Il s’agit donc, de ce point de vue, d’une réussite. Aucune traduction n’étant définitive, il serait toujours possible de remettre en question tel ou tel passage de la version française proposée, mais il nous paraît plus important d’insister ici sur la qualité et la fiabilité du texte français mis au point par les traducteurs et la traductrice. On formulera simplement une remarque d’ordre général : on peut demeurer circonspect devant l’usage récurrent des infinitifs substantivés pour restituer leurs homologues allemands (par exemple, à la page , „Dieses Zusammengehen in sich“ rendu par „Cet aller en soi“), qui ne nous paraît pas simplifier la lecture d’un texte dont l’intérêt pédagogique aurait pu justifier qu’on en facilitât la lecture en y introduisant des périphrases à des fins de fluidité (dans l’exemple cité à l’instant, „Cet acte d’aller en soi“ n’aurait pas été, à notre avis, indéfendable). Les notes, enfin, sont économes et toujours utiles : loin d’interrompre incessamment la lecture, elle se contentent de l’éclairer avec efficacité, qu’elles apportent des informations sur les références mobilisées par le texte, qu’elles proposent des renvois à d’autres passages des œuvres de Hegel ou qu’elles offrent des précisions sur les difficultés soulevées par certains passages. Concernant ce dernier aspect, on saura gré aux traducteurs et à la traductrice d’avoir à plusieurs reprises (ainsi , n. ) fait état de leurs difficultés et donné un aperçu de leur travail de traduction, dont on sait depuis Humboldt que le texte publié n’est qu’un résultat toujours provisoire. On nous permettra cependant de formuler deux regrets. Premièrement, si les traducteurs et la traductrice ont établi leur version française sur le texte édité par Karen Gloy et publié en dans la „série bleue“ (Vorlesungen : ausgewählte Nachschriften und Manuskripte) des éditions Meiner, il est regrettable qu’ils et elle n’aient pas tenu compte de la nouvelle édition du manuscrit établie en par Annette Sell dans le tome , des Gesammelte Werke. Les délais de réalisation de la traduction, que des circonstances extérieures ont manifestement étirés (), expliquent sans doute pourquoi le travail a commencé sur la base de l’édition Gloy ; en revanche, on ne comprend pas pourquoi l’édition Sell est ignorée, au point de n’être même pas (sauf erreur de la part du recenseur) mentionnée dans le volume. Il nous semble qu’il aurait pu être tenu compte du nouveau déchiffrement proposé par A. Sell, qui diffère du texte procurée par K. Gloy sur quelques points. Il est d’ailleurs intéressant de remarquer que la correction du texte de l’édition Gloy proposée dans une note à la page correspond précisément à la nouvelle lecture proposé par A. Sell dans son édition. En outre, le débat entre Gloy et Sell concernant la nature exacte du document (Diktat pour la première, Reinschrift pour la seconde) aurait également pu être mentionné. Deuxièmement, il semble également regrettable que le volume n’ait pas été pourvu d’un glossaire consignant les principales décisions prises par les traducteurs et la traductrice pour restituer la terminologie hégélienne en français. Dans l’ensemble, les choix de traduction paraissent proches de ceux effectués par Bernard Bourgeois, ce qui permet une circulation très aisée entre le texte des leçons et celui de l’Encyclopédie de , que Hegel commente ; mais les expliciter, comme l’ont fait Bourgeois lui-même dans son Encyclopédie ou Kervégan dans sa traduction des Principes de la philosophie du droit, aurait fourni une aide décisive aux lecteurs et lectrices de cette traduction, ainsi qu’aux futur·e·s traducteurs et traductrices de Hegel qui souhaiteront s’enquérir des options de leurs prédécesseurs. On soulignera cependant l’intérêt d’avoir à de nombreuses reprises indiqué, en note, le terme ou l’expression allemand·e·s figurant dans le texte original.
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En résumé, ce volume de leçons sur la logique est une bonne nouvelle pour la communauté hégélienne francophone, non seulement car il donne accès à un document du plus grand intérêt, mais aussi parce qu’il constitue, dans l’ensemble, une belle réussite. Victor Béguin Université de Poitiers
Georg Wilhelm Friedrich Hegel. La Scienza della Logica. . Logica oggettiva. Libro secondo. L’essenza (), ed. by Paolo Giuspoli, Giovanni Castegnaro, Federico Orsini. Trento: Verifiche, . pp. The volume continues the work already begun in with the important first Italian translation of the Seinslogik. This time, the team of researchers linked to the dynamic Paduan research group on classical German philosophy tackles the Wesenslogik – that is, one of the most complex texts of Western philosophy on the whole, from both a conceptual and linguistic point of view. As it was already the case with the Seinslogik, the outcome is masterful. This translation is an excellent study tool, not only for all those whose only option is to read Hegel in Italian, but also for more advanced scholars, thanks to the clarity of the prose, the rich explanatory apparatus and the rigorous explanation of all the relevant lexical choices. Translating Hegel is not a work to be undertaken light-heartedly; even less so is engaging with the translation of the Science of Logic – a text that Hegel himself, soon after the publication, felt he had to turn into a more accessible language: something he did in the Encyclopedia, as well as in the Berlin courses recently accessible in the Gesammelte Werke’s critical edition. As in the case of the “Logic of Being”, the project for the second edition of the work – which never actually began because of his sudden death – is a sign that Hegel considered many parts of the book still insufficient and obscure. Moreover, the exposition of the Wesenslogik, among the three volumes, is the one whose conceptuality is the most tortuous and dense. Each of its readers gets the impression, after a few pages, of an artificial manipulation of notions that never find a concrete reference point, but reflect each other as in a game of mirrors – an impression justified by the elusive nature of the subject matter itself, namely, the determinations of reflection. In this case, a successful translation must not only respect the conceptual structure of the original; at the same time it has to restore, even in its essentially problematic nature, Hegel’s attempt to push the very limits of language: that is to say, to transform language into the fluid expression of a movement of thought that overcomes all fixed grammatical and syntactical determination. The standard Italian translation, by Arturo Moni, had faced this difficult task with a positive result: it was the first complete translation of the Science of Logic in a foreign language, and a valuable one under many respects. Yet, Moni’s the work is by now far too obsolete: published in / under the supervision of Benedetto Croce, it was written in a deliberately archaic language, distant from the Italian usage current at the time and even
G.W.F. Hegel, La Scienza della Logica. . Logica oggettiva. Libro primo. L’essere (), ed. by P. Giuspoli, G. Castegnaro a. P. Livieri (Trento, ).
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more so from today’s usage. Even the precious revision conducted by Claudio Cesa in , moreover, could not take into account the German critical edition now available in the Gesammelte Werke: Moni made indeed use of the old edition of Leopold von Henning, probably comparing it with the Lasson’s edition. The work edited by P. Giuspoli, G. Castegnaro and F. Orsini, like the translation of the Seinslogik, has all the qualities to become the landmark Italian translation. It is at once stringently faithful to the Hegelian original and, as far as the subject allows, written in a more direct language. The translation (by G. Castegnaro, revised by P. Giuspoli and F. Orsini) reproduces the Hegelian lexicon and syntax in a precise and rigorous way. In addition, the text is enriched by the page references to both the critical edition and the original text of ; and also by instructive footnotes which, in a concise but informative way, report the most noteworthy German expressions and make Hegel’s references explicit. Great strengths of the volume are the “Introduction” by P. Giuspoli (IX – XLVIII); the accurate “Bibliographical Note” that reports the editions of the Wesenslogik, all the translations, and a rich selection of scholarship (ILIX-LXIX); and the “Editorial Note” written by P. Giuspoli and F. Orsini (LXIX-LXXXIV), which integrates the analogous part of the Seinslogik’s translation. In the “Introduction” (“A Generative Logic of Reflective Thought”) one can find precise historical information on the composition of the Hegelian text, including the Nuremberg courses of – and the important manuscript of – preserved at Harvard University (§ ). Furthermore, a clear and penetrating exposition of the more general conceptual themes of the Wesenslogik is given at the §§ – . Here it is argued, on the one hand, that the fundamental topic of the logic of Schein is “the logic of being as residual”, and such becoming-residual is illustrated as the guiding thread of the dialectic of the Reflexionsbestimmugen; on the other hand, this logic is shown to be at the heart of the critique that Hegel addresses to Fichte’s transcendentalism. The following paragraphs (§§ – ) give a synthetic account of all the remaining developments of Hegel’s text. Especially helpful are the examination of the different kinds of unification at work in the Wesenslogik (§ ) and the presentation of the difficult section on the modal categories (§ ). The whole “Introduction” has the merit of remaining close to the theoretical order and to the lexicon of Hegel’s text, while at the same time giving an effective account of its interpretative crux: which kind of relation between logic and metaphysics does Hegel’s dialectical criticism of reflexive thought contribute to shape? To this fundamental problem are linked further questions, such as the ontological status of the principle of contradiction, the refutation of transcendentalism, the Hegel-Spinoza relationship, and the complex passage from Objective to Subjective Logic: the “Introduction” provides a sober overview of these long-disputed problems, and refers in the footnotes to the most relevant scholarship addressing these topics. The “Editorial Note” gives an outline of the main translation choices. Reference is made to the first volume of for the solutions concerning key expressions such as an sich / in sich (translated with “in sé / entro di sé”) and Wirklichkeit (“effective reality”). The further discussion concerns the words Satz / Grundsatz / Princip (§ , “proposizione”, “principio fondamentale”, “principio”), Schein / Erscheinung (§ , “parvenza”, “apparenza”), offenbaren / manifestieren (§ , “rivelazione”, “manifestazione”), unterschieden / different / verschieden (§ , “distinto”, “differente”, “diverso”), Grund (§ , “fondamento”, but pointing out its occurrences in the sense of “ragione”), bestehen (§ , “sussistere”) and selbst(st)ändig (§ , “indipendente”), and finally wirken/Wirkung (§ , “effetto” and “azione” in expressions such as Gegenwirkung or Wechselwirkung). Such semantical synopsis is a most valuable
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complement: it contains an extensive and detailed comparison with all the translations of the Wissenschaft der Logik into English, French, Spanish and recently Portuguese; and above all, it is a useful introduction to the very logical content of these difficult Hegelian concepts, of which all nuances of meaning are highlighted: it is worth mentioning, in particular, the remarkable discussion of the notions of Schein and Erscheinung (LXXII-LXXVII), which constitutes an excellent profile of the complex semantic spectrum of these categories in the whole of Hegel’s Logic. Lastly, of great benefit – both for students and experts – is the long index of concepts (compiled by G. Castegnaro) at the end of the volume: pages ( – ) listing the occurrences of hundreds of notions, with the indication of their German counterpart. The reader can find, meticulously reported, the dozens of occurrences of crucial categories such as Reflexion or Identität (in all their countless variations: absolute Identität, abstracte Identität, gediegene, bestimmte, vermittelte, positive, unterschiedslose, and so on); but also the many occurrences of more operative concepts such as Moment or Bewegung; and even the incidental use, for example, of expressions as bizarre as gegenständliche Nebel or gewöhnlicher Horror! Guido Frilli Università degli Studi di Firenze
Karl Wilhelm Ferdinand Solger. Vorlesungen über Ästhetik. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Giovanna Pinna. Hamburg: Felix Meiner, . S. Die Neuedition der Ästhetik von Karl Wilhelm Ferdinand Solger durch Giovanna Pinna eröffnet einen neuen und unverstellten Blick auf eine wichtige Quelle der klassischen deutschen Ästhetik. Die Studienausgabe erfreut das lesende Auge durch eine ausgewogene und übersichtliche Textgestaltung, die ihrem Gegenstand in jeder Hinsicht angemessen ist. Neben kenntnisreichen Sachkommentaren enthält diese Ausgabe eine ausführliche und den aktuellen Forschungsstand reflektierende Einleitung in die philosophische Kunstlehre Solgers; ein Personen- und Sachregister sowie eine ausführliche Bibliographie der einschlägigen Quellen und Forschungsliteratur ermöglichen eine mehrdimensionale Texterschließung. Die Textgrundlage bildet die Erstedition von Solgers Vorlesungen über Aesthetik, herausgegeben von Karl Wilhelm Ludwig Heyse von . Dabei handelt es sich um eine Vorlesungsnachschrift des Kollegs von aus Heyses eigener Hand, deren Manuskript heute als verschollen gilt. Heyse hatte seine Ausgabe durch einen umfänglichen Parallelstellenapparat ergänzt, den Pinna zu Recht ausspart und damit ihrer Studienausgabe die nötige Handhabbarkeit verleiht. Gleichwohl bewahrt sie die historische Textgestalt der Vorlage bis auf kleinere Fehlerkorrekturen und eine teilweise modernisierte Orthographie. Pinnas kommentierte Übersetzung der Erstedition von Solgers Ästhetik ins Italienische (K.W.F. Solger, Lezioni di estetica) von dürfte ein Motivationsgrund dieser überaus gelungenen deutschen Neuausgabe gewesen sein. Der ab an der Universität in Frankfurt an der Oder lehrende Solger erhielt einen Ruf an die neu gegründete Berliner Universität. Eine Anekdote, die bereits Hegel in seiner „Solger-Rezension“ wiedergibt, lautet, dass der anscheinend sehr beliebte, aber noch unbesoldete Philosophieprofessor das Angebot einiger Frankfurter Stadtverordneter, das
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Amt des Oberbürgermeisters zu übernehmen und damit seinen Lebensunterhalt zu sichern, ausschlug, um seine wissenschaftliche Laufbahn in Berlin fortzusetzen (GW : ). Laut dem Lektionskatalog der Berliner Universität (Virmond , ) begann Solger im Oktober seine Lehrtätigkeit und hielt Kollegien über „Logik und Dialektik“, „Über den ‚König Oedipus‘ des Sophocles“ und über „Aesthetik“ (letzteres demnach nicht erst im Winter /; Pinna, XV); sechs weitere Kollegien über Ästhetik bzw. philosophische Kunstlehre folgten /, /, , /, und . Solgers Lehrtätigkeit konzentrierte sich auf philosophisch-ästhetische Themen und die klassische Philologie, die er neben Jura von bis in Halle studiert hatte. Schließlich war es auch eine Übersetzung von Sophokles’ Tragödien, mit der Solger promovierte – sein späterer Kollege, der durch seine Platon-Übersetzungen bekannte Friedrich Schleiermacher, hob Solgers Übersetzung des König Ödipus noch in seinem Ästhetikkolleg als eine äußerst genaue Übersetzung hervor. Solgers Ästhetikvorlesungen können – wie Pinna (XIV–XVI, XVIII) auch aufgrund von Briefstellen Solgers überzeugend darlegt – als verständliche Ausund Weiterführungen seines ästhetischen und in Dialogform angelegten Hauptwerkes Erwin. Vier Gespräche über das Schöne () angesehen werden. Nach dem unerwarteten und vorzeitigen Tod Solgers im Herbst wurde sein Werk und Wirken schnell nahezu vollständig vergessen. Erst die Herausgabe der Nachgelassenen Schriften und Briefwechsel () durch seinen engen Freund Ludwig Tieck und den Historiker Friedrich von Raumer stieß eine kleinere Solger-Renaissance an, die nicht nur den Solgerschüler Heyse (der u. a. auch bei Hegel hörte) zur Publikation seiner Nachschrift von motivierte, sondern die offenbar auch Hegel, der von den Herausgebern als Sachverständiger einbezogen worden war, den Anlass zu seiner „Solger-Rezension“ in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik () bot (Pinna, VIII). Nach dem unerwarteten Ausfall im Lehrbetrieb des philosophischen Instituts der Berliner Universität war es zunächst Friedrich Schleiermacher, der von bis / dreimal, und dann Hegel, der von bis / viermal über die Ästhetik bzw. die Philosophie der Kunst las. Es zeugt von einer gewissen Kontinuität in der Lehre, dass mit den Berliner Ästhetikvorlesungen von Solger, Schleiermacher und Hegel eine Generation von Professoren den Studierenden nicht nur ihre unterschiedlich begründeten Philosophien der Kunst vortrugen, sondern dabei auch einige sich fortsetzende und ergänzende thematische Linien entwickelten, die zu den Grundlinien der klassischen deutschen Ästhetik gezählt werden können: . Die intensive – durch Studien antiker Poesie und moderner Antikereflexionen sowie Übersetzungstätigkeiten begleitete – Auseinandersetzung mit der (griechischen) Antike, die zu einer Grenzbestimmung und Entgegensetzung von antiker und moderner Kunst führt und aus der die Frage nach der Geschichtlichkeit der subjektiven Anschauungsformen und der Kunstwerke in ihrem idealen Gehalt erwächst. . Der Rekurs auf die Aufklärungsästhetik und die Problematisierung des Vorbildcharakters des Naturschönen für das Kunstschöne mit der Tendenz, das Kunstschöne aufgrund seiner geistigen und schöpferischen Implikationen als höherstufig zu konzipieren als die mechanistische Naturnachahmung. . Der kritische Anschluss an Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft, der oftmals zu einer Hervorhebung der unbedingten und selbstzweckmäßigen Anlage idealer Kunstwerke führt, mit der Folge, dass die Kunst in ihrem Selbstreflexion ermöglichenden und potenzierenden Charakter zusammen mit Religion und Philosophie zu den vollkommensten menschlichen Kulturformen gerechnet wird. Freilich beginnen diese im Einzelnen verschieden dargelegten und begründeten Problematisierungen nicht
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erst mit Solgers Ästhetikvorlesungen, sondern haben ihren theoretischen Nährboden vor allem in der frühromantischen Kunstkritik und der spekulativen Ästhetik Schellings. Solgers Ästhetik gliedert sich in drei Hauptteile („Vom Schönen“, „Von der Kunst“ und „Besondere Kunstlehre“) und folgt der Methode, das Einzelne aus dem Allgemeinen zu entwickeln. Einleitende Bemerkungen über den Begriff und die Geschichte der Ästhetik eröffnen die Vorlesung, wobei die geschichtliche Einleitung durchaus beachtenswert ist, da sie mit der Genese der solgerschen Position zugleich auch den Diskussionsstand der Zeit und deren einschlägige Werke ausführlich vor Augen führt. Schwerpunkte bilden neben den ästhetischen Positionen Platons, Aristoteles’ und Baumgartens auch der Disput zwischen Lessing und Winckelmann über den Vorbildcharakter antiker Kunst, die reflexive Wendung der Ästhetik nach Kants Vernunftkritik bei Fichte und Schelling sowie die ästhetischen Positionen Friedrich Schillers und der Schlegel-Brüder. In diesem kritischen Durchgang dringt Solgers spekulativer Ansatz, der vor allem im ersten Teil erläutert wird, immer wieder hervor: Das einzelne Kunstwerk wird als eine singuläre Erscheinung der allgemeinen Idee gefasst und diese Erscheinung des Schönen als ein widersprüchliches Verhältnis derart bestimmt, dass dem Kunstwerk weder die endliche Wirklichkeit des Besonderen noch die unendliche Allgemeinheit der Idee abgesprochen wird. Diese Ansicht setzt ein bestimmtes Verhältnis von Idee und Wirklichkeit voraus, das Solger zu Beginn des dritten Teils so formuliert: „Die Idee muß also auf zweifache Weise in die Wirklichkeit eingehen: als innere Einheit das Mannigfaltige aufhebend und wieder erzeugend; so daß sie sich in die Gegensätze der Wirklichkeit spaltet und diese zum Ausdruck ihrer selbst bildet.“ () In Absetzung von Kants formaler Bestimmung des Geschmacksurteils und Schellings Konzeption der intellektuellen Anschauung versucht Solger, die Verbindung von Idee und Wirklichkeit in der Kunst nicht aus den Grundbestimmungen des Selbstbewusstseins, sondern als eine Offenbarungsweise der göttlichen Idee darzulegen, die ihren höchsten Ausdruck im widersprüchlichen Verhältnis der Ironie findet. Eine Besonderheit der Konzeption Solgers ist, dass er die Philosophie der Kunst als Teil der „praktischen Philosophie“ () versteht, womit das Kunstwerk nicht als etwas Gegebenes, sondern als Resultat einer Handlung in den Blick gerät. Allerdings gehe dieser Handlung eine intellektuelle Tätigkeit (der Phantasie) voraus, weshalb es das Geistige sei, das allein die Schönheit und Erhabenheit eines Kunstprodukts bewirken könne. Ähnlich wie auch die Schlegel-Brüder oder Schleiermacher unterwandert Solger dabei den kantischen Gegensatz von Schönem und Erhabenem und entwickelt eine eigene Theorie des Symbolischen und Allegorischen (Pinna, XXIX–XXXI). Die künstlerische Praxis wird von Solger jedoch nicht als eine soziale Aktivität geschichtlich dimensioniert, auch auf den prozessualen Charakter der Hervorbringung des Kunstwerks durch das künstlerische Subjekt legt Solger weniger Wert. Dies ist möglicherweise ein Grund dafür, warum die einzelnen Künste im dritten Teil insgesamt nur recht knapp behandelt werden – die Musik etwa wird auf drei Seiten skizziert, wohingegen die Poesie als höchste Kunstform vergleichsweise ausführlich behandelt wird. Dem Einwand, das Kunstwerk würde als ein praktisches Erzeugnis dem Reich der endlichen Zwecke unterliegen, begegnet Solgers spekulativer Ansatz, der das Kunstwerk – so wie die Kunst insgesamt (und die Natur) – nicht sozial, empirisch oder mechanisch begreift, sondern letztendlich als das Produkt einer „göttlichen Kunst“ (), womit das „Kunstwerk zu der bestimmten Offenbarung der Idee“ () wird. Diese Offenbarung der Idee findet nun ihren höchsten Ausdruck in der „künstlerischen Ironie“, die das „Wesen“ der Kunst und ihre „innere Bedeutung“ ausmache (). Die
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Ironie erfüllt demnach höchste Ansprüche philosophischer Erkenntnis: Allein in ihr und durch sie werde die Gewissheit bewirkt, dass „unsere Wirklichkeit nicht sein würde, wenn sie nicht Offenbarung der Idee wäre“ (). Die künstlerische Ironie wird damit nicht nur zur adäquaten Ausdrucksweise, sondern auch zum Terminationspunkt der Idee, denn mit ihr zeigt sich die Idee in der Wirklichkeit zugleich als etwas Nichtiges, das sich vereinzelt und untergeht. Dabei sei die Ironie „untrennbar“ mit der „Begeisterung“ () verbunden, die unsere Wahrnehmung der göttlichen Idee garantiere, während die Ironie als der Witz, der sich selbst durchschaut, das Nichtigwerden der Idee im Endlichen ausdrückt. Nur große klassische Kunstwerke, wie etwa die sophokleischen Tragödien, enthielten Ironie und Begeisterung in ausgewogener Art und Weise. Solger möchte seine Ironie somit nicht als modernistische Spötterei oder als Verkehrung ethischer Prinzipien verstanden wissen, sondern vielmehr als eine Negativität, die die Wahrheit des Wesens erscheinen lässt. Bekanntlich betrachtet Hegel Solgers philosophische Schriften zur Kunst als eine Art notwendige Vorstufe seiner eigenen Kunstphilosophie. Die Nachschrift des Ästhetikkollegs von Griesheim dokumentiert Hegels Abgrenzung des Ironiebegriffs Solgers von dem frühromantischen des „Herr[n] Fried. von Schlegel“ (GW ,: ) sowie seine Begrüßung des philosophischen Ansatzes Solgers, in dem das „echt speculative Bedürfniß auf den Punct“ gekommen sei, als eines Standpunkts der „unendliche[n], absolute[n] Negativität“ (GW ,: ). Ähnlich anerkennt Hegel in der „Solger-Rezension“ die „wahrhafte Affirmation“, welche die „Negation der Negation“ (GW : ) bei Solger darstelle: Indem sich das nichtige Endliche vernichtet, erscheint das wahre Unendliche. Kritisch bemerkt Hegel in Solgers Ansatz eine uneingeholte Voraussetzung in der unreflektierten Rede vom Gegensatz zwischen göttlicher Idee und menschlicher Wirklichkeit, der an einen Dualismus grenze und dem Reich der Vorstellungen verhaftet bleibe (GW : ). Solgers Ironie versiere entgegen ihrem eigenen Anspruch in der subjektiven Sphäre der empfindsamen Andacht des Göttlichen, weil sie das Prozessieren der Idee durch die sich fortsetzende Entwicklung der Negation der Negation aus dem Auge verliere und damit das philosophische Erkennen in seiner begrifflichen Form verkenne. Daher sei es verfehlt, die Ironie nicht nur als eine ästhetische, sondern zugleich auch als die höchste spekulative Kategorie zu behaupten (GW : – ). Mit der Neuedition der Ästhetik Solgers, deren kenntnisreiche Sachkommentierung auch einen allgemeinen Einstieg in die Ästhetik der klassischen deutschen Philosophie ermöglicht, kann diese wirkmächtige Interpretation Hegels wieder zur Debatte gestellt werden und die Solger-Forschung auf einen zuverlässig edierten Quellentext zurückgreifen. Holden Kelm Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
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C) Literatur zu Hegel Rafael Aragüés. Das Problem des Absoluten in der Philosophie Hegels. Entwicklungsgeschichtliche und systematische Untersuchungen zur Hegelschen Metaphysik. Leiden et al.: Wilhelm Fink, . S. Die Arbeit ist „die überarbeitete Version einer Untersuchung, die im Wintersemster / von der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen worden ist“. Gegenstand der Studie ist Hegels Begriff des Absoluten und zur Aufgabe macht es sich Aragüés, folgende „Hauptthese“ zu begründen: „Hegels Metaphysik […] ist keine Metaphysik des Absoluten, und die absolute Idee, laut Hegel der einzige Gegenstand und Inhalt der Philosophie [vgl. GW : ; B.N.], ist nicht als das hegelsche Absolute zu verstehen. Der Gedanke eines Absoluten gehört durchaus zur Thematik einer spekulativen Logik, jedoch verbleibt diese Denkbestimmung am Ende der Wesenslogik und weder wird sie in der Begriffslogik weiter thematisiert, noch macht dieser Gedanke die Grundeinsicht der hegelschen Philosophie aus.“ () Begründet werden soll diese These in zwei Schritten: Erstens soll gezeigt werden, dass „die Widerlegung des Spinozismus“ der Wesenslogik als „die Widerlegung jeglicher als Philosophie des Absoluten verstandenen Philosophie“ zu begreifen ist (). Zweitens soll nach der „Widerlegung“ der „falschen Auffassung“, Hegels Metaphysik sei eine Metaphysik des Absoluten, gezeigt werden, was „an ihre Stelle“ als „richtige“ Auffassung der Metaphysik Hegels zu setzen ist (). Verfolgt wird dieses Programm in vier Schritten: Teil ( – ) ist dem Frankfurter und Jenaer Hegel gewidmet und fokussiert auf die Differenzschrift und Phänomenologie. Teil ( – ) setzt sich mit Hegels „Programm“ einer spekulativen Logik auseinander. Teil ( – ) analysiert und interpretiert „die drei letzten Kapitel der Wesenslogik“ (), d. h. deren dritten Abschnitt „Die Wirklichkeit“ (GW : – ). Teil ( – ) ist der Begriffslogik gewidmet und geht der Frage nach, was als „Hegels eigene metaphysische Position“ () zu verstehen ist. Zur Durchführung: In ihrem ersten Teil verteidigt die Arbeit ihr Programm insbesondere gegenüber der Vorrede der Phänomenologie. Dies leuchtet ein. Denn Aragüés will eben nicht nur sagen, dass Hegels Aussage, dass „alles darauf an[kommt], das Wahre nicht als Substanz, sondern eben so sehr als Subject aufzufassen“ (GW : f.) , nur bedeutet, zu begreifen, dass Gott oder das Absolute die „lebendige Substanz“ und „das Seyn [ist], welches in Wahrheit Subject […] ist“ (GW : ). Nein, vielmehr behauptet Aragüés: „Nicht nur die starre Auffassung des Absoluten als Identität, sondern das grundsätzliche Programm einer Metaphysik des Absoluten ist es, was dem Ergebnis der Wesenslogik zufolge scheitert und zugunsten eines neuen Standpunktes verlassen werden soll. Die hegelsche Metaphysik ist deswegen nicht die Selbstexplikation des Absoluten; auch nicht die Auffassung eines einheitlichen und vollständigen Weltbildes; ebensowenig ist sie die Darlegung der durch Negativität und innere Tätigkeit ergänzten Substanz […]. Hegels Metaphysik beinhaltet vielmehr den Nachweis, dass alle solchen metaphysischen Vorhaben aussichtslos sind.“ () Als zentrales Argument führt die Arbeit in ihrer Auseinandersetzung mit der Vorrede der Phänomenologie dabei zunächst die These ins Feld, dass Hegel in den zitierten berühmten Sätzen gerade nicht vom Absoluten, sondern vom Wahren spreche: „Es handelt sich um ein Verständnis der Wahrheit und nicht um eines des Absoluten.“ () Keinesfalls behauptet die Arbeit aber, dass die von ihr vertretenen Thesen damit bereits bestätigt sind, vielmehr seien diese nur in Auseinandersetzung mit Hegels Logik zu
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entscheiden (). Dies leuchtet ein, zumal Hegel in der Vorrede der Phänomenologie wenige Seiten nach dem Zitierten selbst noch vom „Bedürfnis, das Absolute als Subject vorzustellen“ (GW : ) spricht. – Der zweite Teil reflektiert über Hegels Logik als das Programm einer „Wissenschaft des Denkens“ und über ihr Verhältnis zur allgemeinen und speziellen Metaphysik. Wichtig ist es Aragüés hier, sich auf seinen Doktorvater Hans Friedrich Fulda berufend zu bekräftigen, dass Hegels Metaphysik und Logik „keine Ontologie“ sei, „weil sie keine Erkenntnis der Wesenheiten der Dinge, der Welt oder des Menschen per se anstrebt“ (). Dass es wichtig ist, über diese Frage zu diskutieren, muss hier nicht betont zu werden; ebensowenig, wie sehr diese Debatte daran hängt, dass der Begriff ‚Ontologie‘ skrupulös diskutiert und nicht nur als Schlachtruf verwendet wird. Weder Aragüés noch Fulda ist Letzteres vorzuwerfen. Aragüés ist vielmehr darum bemüht, das, was er als ‚nicht-ontologisch‘ versteht, im Verweis auf Kant als den „Anspruch“ zu kennzeichnen, lediglich „alle möglichen Gegenstände eines Bewusstseins vollständig darzustellen, also alle möglichen entia und regionalen Ontologien auszuarbeiten“, nicht jedoch länger darauf abzustellen, ein Wissen von „einem ihm vorausgesetzten Seienden“ zu erlangen (). – Der dritte Teil liefert eine anspruchsvolle und interessante Auseinandersetzung mit dem dritten Abschnitt der Wesenslogik. Ziel ist es hier, die „Wechselwirkung“ als „Überwindung des Gedankens vom Absoluten“ vorzuführen (). Aragüés entfaltet hier überzeugend: „Indem die eine Substanz als Wirkung einer anderen Substanz gesetzt wird, verliert sie ihre Substantialität. […] Diese Dynamik darf nun weder als Sein noch als Substanz gefasst werden, sondern prägt einen neuen Begriff – den Begriff des Begriffs.“ ( f.) Während andere Interpreten dieser Passage nur konstatieren, dass damit der Unterschied der in Wechselwirkung Stehenden nicht länger „als Unterschied von Substanzen zu fixieren sei“, wie die Arbeit in Auseinandersetzung mit Friedrike Schick sehr gut betont (, Fn. ), vertritt Aragüés dagegen die These, dass hiermit nicht nur „der Gedanke der Substantialität verloren geht“, sondern überhaupt „der Begriff des Absoluten verlassen“ () und der „Standpunkt des Absoluten […] widerlegt“ () sei. Es folgt eine Erinnerung an zentrale Kritikpunkte Hegels an Spinozas Philosophie des Absoluten ( – ). Nicht berücksichtigt wird hier allerdings Hegels Jacobi-Rezension. – Der vierte Teil stellt Hegels Metaphysik als eine „Metaphysik der Vernunft und Freiheit“ () vor, die das Programm einer Philosophie des Absoluten hinter sich gelassen hat. Dabei kommt es der Arbeit auf zweierlei an: Erstens „Hegels idealistische Metaphysik als eine ohne Ontologie auszulegen“, weil sie, so Aragüés, von der Einsicht anhebt, „dass das Seiende an sich nichtig ist“ (). Bestätigt sieht er diese Lesart an Stellen, an denen Hegel betont, dass der „Idealismus der Philosophie“ darin besteht, „das Endliche nicht als ein wahrhaft Seyendes anzuerkennen“ (; vgl. GW : ). Zweitens Hegels Begriff als die „Freiheit“ vorzuzuführen, „das Allgemeine zu verwirklichen, ihm ein Dasein so zu geben, dass das Allgemeine in diesem Anderen mit sich identisch ist“ (). Entfaltet wird dies in einem sehr lesenswerten Durchgang durch die Begriffslogik. An dessen Ende steht eine Differenzierung zwischen „dem Absolutem“ und „der absoluten Idee“ ( f.). Als Absolutheit der absoluten Idee stellt die Arbeit dabei sehr klar heraus: „[S]ie ist keine Idee von x, y oder z, sondern die eine und einzige Idee schlechthin, welche vielmehr die weiteren Ideen des naturalen Lebens und des Geistes begründet“ ().
Vgl. F. Schick, Hegels Wissenschaft der Logik – metaphysische Letztbegründung oder Theorie logischer Formen? (Freiburg/München, ), .
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Fazit: Die Arbeit liefert einen interessanten Beitrag zur Frage, worin das Gesamtprogramm des hegelschen Denkens besteht und was man heute noch mit diesem Programm anfangen kann. Dass sie sich mit den von ihr verfolgten Thesen gegen andere Interpretationen stellt, ist der Arbeit dabei bewusst: „In nuce hinterfragt […] die vorliegende Untersuchung die in der Hegelforschung herrschende Meinung kritisch“ (). Deshalb gibt sie auch Anlass zu Rückfragen, – und das ist prima! Folgende seien hier genannt: . Wie geht mit der von Aragüés vorgestellten Interpretation zusammen, dass auch der Berliner Hegel in der enzyklopädischen Logik in § noch sagt: „Das Absolute ist die allgemeine und Eine Idee, welche als urtheilend sich zum System der bestimmten Ideen besondert, die aber nur diß sind, in die Eine Idee, in ihre Wahrheit zurückzukehren. Aus diesem Urtheil ist es, daß die Idee zunächst nur die Eine, allgemeine Substanz ist, aber ihre entwickelte wahrhafte Wirklichkeit ist, daß sie als Subject und so als Geist ist“ (GW : )? – . Will Hegels Spinoza-Kritik wirklich jedwede Philosophie des Absoluten verabschieden? Wie geht hiermit zusammen, dass es in der Jacobi-Rezension , ein Jahr nach Erscheinen der Begriffslogik, gerade mit Blick auf Spinoza heißt: „Der Unterschied, ob das Absolute nur als Substanz oder als Geist bestimmt ist, besteht hienach allein in dem Unterschiede, ob das Denken, welches seine Endlichkeiten und Vermittlungen vernichtet, seine Negationen negirt und hierduch das Eine Absolute erfaßt hat, das Bewußtseyn dessen besitzt, was es im Erkennen der absoluten Substanz bereits gethan, oder ob es dies Bewußtseyn nicht hat. […] Gott ist kein todter, sondern lebendiger Gott; er ist noch mehr als der Lebendige, er ist Geist und ewige Liebe, und ist dies allein dadurch, daß sein Seyn nicht das abstracte, sondern das sich in sich bewegende Unterscheiden, und in der von ihm unterschiedenen Person Erkennen seiner selbst ist“ (GW : ff.)? Gerne hätte man genauer erfahren, wie die Arbeit die von ihr vertretene Position mit Sätzen wie diesen zusammenbringt. – . Die Arbeit endet mit einem Blick auf Hegels Lehre vom absoluten Geist und erinnert sehr zu Recht daran, das „Anlass“ besteht, Hegels Logik auch „im Sinne einer letzten Philosophie, nämlich einer philosophischen Theologie zu verstehen“ (). Kommentiert wird diese Erinnerung folgendermaßen: „Aber nach Hegels Ansicht ist es die Religion, welche den philosophischen Inhalt in Form der Vorstellung präsentiert. Deshalb ist und kann Gott, wenn er gedacht, nicht aber vorgestellt wird, bei Hegel nur die Vernunft sein.“ () Dem Leser stellt sich die Frage, ob Aragüés diesen Satz als Kritik an seinem Programm versteht oder als Bestätigung desselben. Verstünde er ihn als Kritik, fragt man sich, warum er diese nicht näher einbezieht. Verstünde er ihn als Bestätigung, fragt man sich dagegen, was für Aragüés aus der Tradition geworden ist, die Gott als als Geist zu denkendes Absolutes begreift? Wie steht es um das Zitat aus Aristoteles’ Metaphysik XI, und das Sichdenken Gottes, das Hegel wiederholt ans Ende seiner Enzyklopädie setzt und das bereits Thomas trinitätstheologisch aufgreift? – . Was bedeutet es für die von Aragüés vorgenommene Entgegensetzung von (a) Philosophie des Absoluten und (b) „Metaphysik der Vernunft und Freiheit“, dass die Tradition Gott als freien, vernünftigen, sichdenkenden Geist gedacht hat, dessen Sichdenken nicht von ihm getrennt werden kann? – . Was bedeutet genau das zudem für den Ontologiebegriff, von dem die Arbeit sich abgrenzt? Ist es richtig, pauschal vor Kant eine ‚alte Ontologie‘ zu sehen, oder gilt es nicht auch zu fragen, inwiefern die Gott als Geist denkende Tradition gerade jene Kriterien erfüllt, in deren Erfülltsein die Verabschiedung ‚der Ontologie‘ nach Aragüés besteht? – . Ist es überdies richtig, Hegels Aussage, dass „das Endliche ideell“ ist (), die Hegel in der Enzyklopädie als „Hauptsatz der Philosophie“ (GW : f.) bezeichnet, so zu begreifen, dass er sagen will, „dass das Seiende an sich nichtig ist“ ()? Oder geht es hier schlicht darum, dass das Endliche für
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sich nichts ist, also jenen Gedanken, der die christlich-abendländische Philosophie und Theologie lange begleitet hat in ihrem Nachdenken über die rechte Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch, Absolutem und Endlichem? Und schwingt nicht genau dieser Gedanke auch noch in Hegels Aussage mit, dass er sich „durch die Philosophie ganz im Luthertum befestigt sieht“? All diese Fragen wären als Fundamentalkritik freilich völlig missverstanden. Im Gegenteil: Die Arbeit gibt der gegenwärtigen Hegel-Forschung einen sehr interessanten Impuls, weiter zu fragen, ob es denn (a) richtig ist, Gott als das Absolute im Sinne Spinozas einer Philosophie der Vernunft und Freiheit des Menschen entgegenzusetzen und diese Alternative als vollständige Disjunktion zu behaupten, oder ob es nicht (b) gute Gründe gibt, die Philosophie der Vernunft und Freiheit des Menschen in einer Philosophie des Absoluten zu verhandeln, die sich zugleich als Theologie begreift, indem sie die zum Begriff befreite Substanz als den christlich dreieinen Gott zu denken versucht. Rafael Aragüés’ Arbeit erinnert daran, dass diese Debatte für Hegel ein Sachproblem ist, das nicht verdrängt werden darf, vorausgesetzt freilich, man will sich überhaupt noch mit diesem Großthema Hegels beschäftigen, was Philosophen der Gegenwart keineswegs müssen, Theologen hingegen nach wie vor. Burkhard Nonnenmacher Eberhard Karls Universität Tübingen
Georges Bataille. Hegel, der Mensch und die Geschichte. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Rita Bischoff. Berlin: Matthes & Seitz, . S. Endlich liegen sie in deutscher Übersetzung vor: Georges Batailles Aufsätze zu Hegel. Dass sie erst jetzt – Jahre nach der Übersetzung seiner Hauptwerke und wichtigsten Aufsätze – erscheinen, mag man als Ausdruck dafür lesen, wie Bataille im deutschsprachigen Raum rezipiert wurde. Anders jedenfalls als in Frankreich, wo Hegel und die Negativität im Zentrum der avanciertesten Bataille-Lektüren standen. Maurice Blanchot schrieb einen seiner wichtigsten Aufsätze zu Bataille über „Affirmation und Passion des negativen
Vgl. Briefe von und an Hegel, hg. von J. Hoffmeister (Hamburg, ), f.: Brief an Tholuck vom . Juli (=Brief a): „Ich bin ein Lutheraner und durch die Philosophie ebenso ganz im Luthertum befestigt“. Vgl. G.W.F. Hegel, Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, Bde. – : Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Teil – , hg. v. W. Jaeschke (Hamburg, – ). Im Manuskript heißt es in der Einleitung erstens: „Das wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheidet, ist das Bewußtsein, der Gedanke, und alle davon ausgehenden Unterschiede der Wissenschaften, Künste, und der unendlichen Verschlingungen der menschlichen Verhältnisse, Gewohnheiten und Sitten, Tätigkeiten und Geschicklichkeiten, Genüsse, finden ihren letzten Mittelpunkt in dem Einen Gedanken Gottes; er ist der Ausgangspunkt von allem und das Ende von allem: von ihm nimmt [alles] seinen Anfang, und in ihn geht alles zurück. (Er ist der eine und einzige Gegenstand der Philosophie; mit ihm sich zu beschäftigen, in ihm alles zu erkennen, auf ihn alles zurückzuführen, sowie aus ihm alles Besondere abzuleiten und alles allein zu rechtfertigen, insofern es aus ihm entspringt, sich in seinem Zusammenhang mit ihm erhält, von seinem Strahl lebt und seine Seele hat. Die Philosophie ist daher Theologie und die Beschäftigung mit ihr oder vielmehr in ihr ist für sich Gottesdienst.)“ (Bd. , ). In der Vollendeten Religion im Manuskript heißt es dann zudem zweitens: „Gott ist Geist, d.i. das, was wir dreieinigen Gott heißen.“ (Bd. , )
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Denkens“; Michel Foucaults Vorrede zur Überschreitung machte es sich zur Aufgabe, sein Schreiben als „nicht-positive Bejahung“ und damit als ein Denken jenseits der Negativität zu charakterisieren; und Jacques Derrida stellte die These auf, sämtliche Begriffe Batailles seien hegelianische, um die radikale Differenz zwischen ihnen in einer nochmals anderen Lesart der Negativität zu markieren. Auch wenn die nun auf Deutsch vorliegenden Essays lediglich, wie Rita Bischoff, die Herausgeberin und Übersetzerin des Bandes, zu Recht anmerkt, der „sichtbarste Teil einer lebenslangen, oft unterschwelligen Beschäftigung mit Hegels Philosophie“ () sind, bilden sie ein unverzichtbares Dokument dieser Auseinandersetzung – seiner wichtigsten neben dem unaufhörlichen Dialog mit Nietzsche. So widersprüchlich diese intellektuelle Genealogie anmutet, so gewagt ist auch der Gebrauch, den Bataille von Hegel macht. In seinem gesamten Werk lässt sich nämlich eine zweifache Verschiebung beobachten: Einerseits wendet er Hegels Kategorien in Gebieten an, die bei ihm nicht thematisch werden, um ihn andererseits mit Phänomenen zu konfrontierten, die das bei ihm Unbeachtete, Ungedachte, Verdrängte markieren sollen. Das begründet zugleich die Faszination, die Batailles Hegel-Interpretation ausgeübt hat, wie deren Distanz von jedem texttreuen Kommentar. Die Essays sind Momentaufnahmen dieser doppelten Bewegung. Ihre Sammlung in einem Band setzt sich gerade deswegen unweigerlich der Gefahr aus, ihren Charakter zu entstellen, riskiert sie es doch, ihnen den falschen Anschein der Homogenität und Kontinuität, der Abgeschlossenheit und Vollständigkeit zu geben. Zwischen dem ersten und zweiten Aufsatz liegen aber mehr als zwanzig Jahre im Leben Batailles, Jahre, in denen sich die Entwicklung einiger seiner wichtigsten Begriffe, die Begegnung mit der Hegel-Interpretation Alexandre Kojèves und der Dialog mit Maurice Blanchot ereignen. Es liegt nicht zuletzt an der Übersetzung Bischofs, dass diese Gefahr vermieden wird, denn ihre Übertragung lässt die Brüche und Differenzen in Batailles Schreiben spürbar werden. Der erste Aufsatz, „Kritik der Grundlagen der Hegel’schen Dialektik“, den Bataille zusammen mit Raymond Quenau, dem späteren Herausgeber Kojevès, publizierte, ist der zeitgenössischen Diskussion um die Wissenschaftlichkeit der materialistischen Dialektik verpflichtet. Er versucht im Wesentlichen, den legitimen Anwendungsbereich der Dialektik auf die Geschichte zu beschränken und damit die Möglichkeit einer Dialektik der Natur grundsätzlich in Frage zu stellen: „Auch die Dialektik verkümmert und findet sich auf ihren elendesten Stand reduziert, wenn sie in einem Bereich herumstreunt, in dem sie sich nur als Schmarotzer behaupten kann.“ () Der Hang zum Extremen und Asymmetrischen, das zeigt dieser Text, prägte Batailles Verhältnis zur Dialektik von Beginn an. So lässt sich an dieser Stelle verfolgen, wie der mit polaren Gegensätzen verfahrende AntiIdealismus, den Bataille zuvor in seinen Aufsätzen für die Zeitschrift Documents entwickelt hatte, auch seine Hegel-Lektüre bestimmt und zum Ausgangspunkt für die Begegnung mit Kojève wurde. In dem ersten Aufsatz aus den er Jahren, „Hegel, der Tod und das Opfer“, ist Kojève dann allgegenwärtig, ja der Text ist beinahe so etwas wie eine rückblickende Hommage und Kritik in einem. Bataille notiert, er habe Kojèves Vorlesungen an der École des hautes études
M. Blanchot, „L’affirmation et la passion de la pensée négative“, in: L’Entretien infini (Paris, ), – ; M. Foucault, „Vorrede zur Überschreitung“, in: Dits et Écrits, Bd. , hg. v. D. Defert u. F. Ewald (Frankfurt a. M., ), – ; J. Derrida, „Von der beschränkten zur allgemeinen Ökonomie: Ein rückhaltloser Hegelianismus“, in: Die Schrift und die Differenz, übers. v. R. Gasché (Frankfurt a. M., ), – .
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während der gesamten sechs Jahre, von bis , besucht, und dass sie ihn „gebrochen, zermalmt, zehnmal getötet“ hätten. Nicht enthalten in dieser Ausgabe ist leider der Briefwechsel zwischen Bataille und Kojève, der über die Zeit zwischen dem ersten Aufsatz und den beiden Spätwerken hätte Aufschluss geben können. In diesen Briefen prägt Bataille zudem den nicht nur für sein Denken über Hegel, sondern, wie Blanchot als erster betonte, für sein Werk insgesamt entscheidenden Begriff der négativité sans emploi, ohne den auch die Rezeption von Jean-Luc Nancy bis Giorgio Agamben nicht vorstellbar wäre. Was Bataille von Kojèves berüchtigter Interpretation übernimmt und weiterentwickelt, ist die eigenwillige Lesart der Negativität, die sich der Isolierung und Generalisierung der Dialektik von Herr und Knecht als Geschichtsphilosophie verdankt. In einer Verbindung von Hegel und Heidegger entwirft Kojève eine in der Negativität begründete Geschichtsphilosophie, wonach der Tod zum Prinzip des Handelns wird, insofern er „ein wesentlich gewollter ist (er leitet sich von Risiken her, die ohne Notwendigkeit, ohne biologische Gründe eingegangen wurden)“ (). Nur Handeln, das im Kampf um Anerkennung den Tod riskiert hat, kann ein Handeln im eigentlichen Sinn sein, ein Handeln, das sich der natürlichen Notwendigkeit entzogen, die Differenz zum animalischen Sein markiert hat. Bataille nimmt dann die für seine Interpretation entscheidende Operation vor, wenn er schreibt: „Soweit er Natur ist, setzt sich der Mensch seiner eigenen Negativität aus.“ () Ist nämlich die Prämisse akzeptiert, dass Negativität konstitutiv Suspendierung, Zerstörung, Negierung derjenigen Natur ist, deren Teil der Mensch selbst ist und bleibt, dann kann, so Batailles spekulative Wette, Negation immer nur Auto-Negation und Selbstverlust sein. Die kühne – und ohne jede Kenntnis von Hegels früher Auseinandersetzung mit dem Opfer und der Tragödie formulierte – Interpretation dieses Aufsatzes lautet deswegen: „In Wirklichkeit liegt Hegels Problem in der Opferhandlung.“ () Bataille versteht das Opfer im ursprünglichen Wortsinn als sacrum facere, als Sakralisierung durch Negation des profanen Regimes der Nützlichkeit. Damit lässt sich das Opfer als Form der Souveränität ansprechen, jenes polysemen (Anti-)Begriffs, mit dem er sich der Erfahrung einer absoluten Zäsur der Zweck-Mittel-Rationalität zu nähern suchte. In seiner spekulativen Lesart der Phänomenologie behauptet Bataille damit, Hegel habe sich über seinen Negativitätsbegriff strukturell dem Denken der Souveränität genähert, ohne es je zu fassen zu bekommen. Denn obwohl Hegel der Negativität wirklich Raum gebe, rekrutiere er sie schließlich doch für die Arbeit des Sinns, den Zweck des Wissens. Fast wehmütig heißt es über Hegel: „Er empfing die Souveränität wie ein Gewicht, das er fallenließ […].“ () Im Kern entwickelt der Aufsatz „Hegel, der Mensch und die Geschichte“ ein ähnliches Argument, entfaltet es aber enger in den Begriffen der Dialektik von Herr und Knecht. Die in Anbetracht der meisten Lesarten dieser Figur wohl überraschende Verschiebung, die Bataille an Kojèves Auslegung vornimmt, betrifft die Position des Herrn. Was sich im Prestigekampf um Anerkennung andeute, sei nämlich gerade „das Privileg der unproduktiven Verausgabung“, ein weiterer Name für Batailles Souveränität (). Und es ist
G. Bataille, Œuvres Complètes, Bd. (Paris, ), . G. Bataille, „Brief an X., der mit einer Hegel-Vorlesung beauftragt ist“, in: Das Collège de Sociologie
– , hg. v. D. Hollier, übers. v. H. Brühmann (Frankfurt a. M., ), . Eine gekürzte Fassung dieses Briefes hat Bataille selber aufgenommen in: Die Freundschaft und das Halleluja: Atheologische Summe II, übers. v. G. Bergfleth (München, ), – . Vgl. M. Blanchot, „L’affirmation et la passion de la pensée négative“, in: L’Entretien infini (Paris, ), .
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gerade der Herr, der nicht in die Dialektik der Arbeit verstrickt wird, in dem Bataille das kritische Potential einer anderen Negativität erkennt, die einen Bruch mit der Produktivität vollstrecken könnte. Doch beide Figuren der Dialektik, Herr wie Knecht, betrügen sich nach Bataille schließlich um diese Souveränität. Der Knecht, weil er seine eigene Begierde zurückdrängt, sublimiert und so über die Arbeit in eine Zweck-Mittel-Kalkulation als Bedingung der Möglichkeit von Geschichte gezwungen wird; der Herr, weil er über die Arbeit des Knechts entscheidet und damit indirekt schließlich doch „handelt, anstatt souverän im Augenblick zu sein“ (). Das zweite große Thema, das Bataille in diesem Aufsatz umtreibt, ist Kojèves These vom Ende der Geschichte. Seine übergreifende Frage bleibt hier jene des Briefwechsels, die Frage nach einer Negativität, die letztlich jenseits einer dialektischen Ökonomie angesiedelt wäre. Und es ist dieses strukturelle Thema, nicht die Reduktion der Phänomenologie auf die Dialektik von Herr und Knecht, das die Aktualität von Batailles Hegel-Rezeption begründet. Abgeschlossen wird der Band von einem Nachwort der Herausgeberin, dessen Umfang die drei Aufsätze um das Doppelte übersteigt und damit den Charakter einer eigenen Abhandlung besitzt. Hatte Rita Bischoff in ihrer für die deutsche Bataille-Rezeption wegweisenden Monographie aus den er-Jahren noch vehement gegen Derridas Bataille-Interpretation argumentiert, öffnet das Nachwort mit dem zustimmenden Zitat, sämtliche Begriffe Batailles ließen sich letztlich von Hegels Kategorien „herleiten“ (). Das Nachwort kann man damit auch als Dokument dafür lesen, was sich in ihrem Nachdenken über Bataille in den letzten Jahren verändert hat. Ihr Text führt den Leser geschickt durch die verschiedenen Kontexte der französischen Hegel-Rezeption in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert, lässt die Auseinandersetzung zwischen Bataille und Breton Revue passieren und geht ausführlich der Spur Hegels in Batailles Denken nach. Was in diesem gelungenen Text lediglich überrascht, ist, dass Bischoff zunächst überzeugend darlegt, inwiefern Kojèves These vom Ende der Geschichte für Bataille allein den Status einer Hypothese hatte, um sein eigentliches Thema, die Negativität, zu entfalten, dann aber viel Raum für eine Diskussion der verschiedenen Lesarten dieses Endes verwendet, die nicht im selben Maße überzeugen kann wie der Kommentar von Bataille. Malte Fabian Rauch Leuphana Universität Lüneburg
Bernard Bourgeois. Penser l’histoire du présent avec Hegel. Paris: Vrin, . pages. Cet essai court et dense se propose de penser l’histoire du présent à la lumière de la philosophie de Hegel, sous l’angle de la question de la fin de l’histoire. Cette question se décompose en trois interrogations: Hegel a-t-il pensé à son époque que l’histoire était achevée? Si oui, avait-il raison de le faire? Est-ce que cette position est encore défendable après la mort de Hegel, malgré les nombreux événements historiques majeurs qui se sont produits depuis? Bernard Bourgeois répond à ces trois questions par l’affirmative. Il soutient d’une part que Hegel a affirmé à son époque la fin de l’histoire (universelle), d’autre part que
R. Bischoff, Souveränität und Subversion: Georges Batailles Theorie der Moderne (München, ), , Fn..
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cette position n’a pas été réfutée par l’histoire ultérieure, contrairement à ce qu’il pourrait sembler de prime abord, mais a été confirmée par elle. Sa thèse est „que ce monde confirme le contenu socio-politique présenté par Hegel comme constituant la fin de l’histoire“ (). Plus généralement, il considère que „c’est encore Hegel qui, à [s]es yeux, nous offre la meilleure clef pour pénétrer le sens de l’époque actuelle“ (). Il se concentre avant tout sur ce dernier point, la question de l’actualité de la pensée hégélienne, car il a déjà étudié ailleurs l’aspect philologique et philosophique du problème de la fin de l’histoire dans la pensée de Hegel. D’un point de vue méthodologique, B. Bourgeois entend développer, en „paléohégélien“, „une paraphrase explicitante et intensifiante de Hegel“ (), en contre-point des actualisations critiques comme celle d’Axel Honneth, dont il discute l’interprétation „sociétale“ de l’éthicité au chapitre („De la richesse actuelle de la théorie hégélienne de l’éthicité. Quelques objections à Axel Honneth“). Il commence par rappeler le contenu juridico-socio-politique de la fin de l’histoire hégélienne, dégagé à partir de la théorie de l’esprit objectif et de la philosophie de l’histoire. Il s’agit de la „prise de conscience par l’humanité des conditions objectives de sa libération“, qui se manifeste par l’avènement de „l’Etat-nation socialement libéral et politiquement fort s’affirmant tel comme une totalité particulière dans le jeu alterné de la guerre et de la paix“ (, ). Il ajoute que le modèle concurrent marxiste, qui fait prévaloir, contre le modèle hégélien, l’égalité sur la liberté, l’international sur le national, a finalement été réfuté avec la chute du mur de Berlin: „L’histoire, après avoir semblé hésiter soixante-dix ans, entre le modèle hégélien et le modèle marxiste, a tranché par sa disqualification réelle du second, et depuis , l’Etat national socio-économiquement fort s’est répandu et se répand progressivement – en dépits des retards et des rechutes – dans le monde“ (). Dans un autre registre plus récent, les réactions aux attentats de janvier et de novembre sont interprétées comme une redécouverte, pour le peuple français, de la „réalité puissante de la nation“ „au plus loin de tout nationalisme“ (, ). Dans la suite de son essai, B. Bourgeois propose une analyse critique serrée de deux conceptions classiques de la fin de l’histoire chez Hegel: celle athée et marxisante de Kojève, qui est „tellement large et lâche qu’on peut y loger les plus grandes fractures historiques“, et celle de Fukuyama, qui est trop nihiliste en ce qu’elle assimile à tort l’homme de la fin de l’histoire au „dernier homme“ de Nietzsche ( – ). Pour B. Bourgeois, la fin de l’histoire chez Hegel n’est pas un terme, un arrêt, elle signifie que „des déterminations sociopolitiques à la fois fondamentales et nouvelles ne surgiront plus pour faire s’organiser une telle existence autrement que la raison l’a dit à travers Hegel“ (). Il distingue à ce propos l’histoire universelle, entendue comme histoire de l’universel, qui est terminée au sens où aucune structure politique fondamentalement nouvelle ne peut plus émerger, de l’histoire empirique qui continue son cours riche en événements divers et singuliers. La thèse de la fin de l’histoire s’expose à certaines objections qui sont examinées tout au long de l’ouvrage. Hegel a affirmé que la philosophie ne fait pas de prophétie, ne peut prédire l’avenir. Comment peut-il dès lors avoir pensé que l’histoire, fut-elle universelle, était achevée pour le présent et pour l’avenir? B. Bourgeois écarte d’emblée cette objection en différenciant „l’imagination prophétique“ de „l’anticipation rationnelle“, qui ne porte pas sur des événements particuliers mais sur „le sens de l’histoire“ ( – , ). Or, l’Etat rationnel hégélien était conçu, pour son époque, comme une monarchie constitutionnelle héréditaire. Si ce modèle est censé constituer le sens de la fin de l’histoire, comment
Cf. B. Bourgeois, „Hegel et la fin de l’histoire“, Philosophie politique ().
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accorder cette thèse avec l’essor de la démocratie représentative, qui „est l’Etat le plus avancé et le plus répandu de notre époque“ ()? Mais B. Bourgeois fait valoir que la politique sociale des démocraties „vérifie bien l’exigence hégélienne d’un Etat politiquement fort mais socialement libéral“ (). Un autre changement majeur dans l’histoire post-hégélienne est l’importance croissante des relations internationales et la mondialisation. B. Bourgeois note toutefois que les structures supra-étatiques que sont l’Union Européenne et l’ONU ne sauraient infirmer le thèse hégélienne du caractère indépassable de l’Etat national, car elles ne permettent en aucun cas selon lui de construire une „Europe politique“, conçue sur le modèle d’un Etat, ou encore moins un „Etat mondial“ ( – , – , – ). Le deuxième chapitre intitulé „Le temps du terrorisme“ s’attache à interpréter le terrorisme islamiste actuel à partir des réflexions de Hegel sur le fanatisme religieux (la religion de Mahomet en l’occurrence, telle qu’elle apparaît ponctuellement dans les leçons sur la philosophie de l’histoire) et le fanatisme politique (la Terreur de Robespierre, en référence au chapitre VI de la Phénoménologie de l’esprit). L’analyse proposée du concept de terrorisme ( sq.) est tout à fait éclairante, mais le jugement hégélien, pour le moins daté et européocentré, sur „l’an-historicité de l’islam“ ( sq.), aurait pu être nuancé. S’agissant du terrorisme islamiste, B. Bourgeois écrit que „Le traitement fanatique-terroriste du monde ne laisse surgir aucune grande action ou œuvre réelle capable de laisser des traces dans une histoire mondiale dont l’islam s’est retiré aussi vite qu’il a surgi“ (). Cette phrase est assurément juste en ce que concerne l’organisation terroriste „Etat islamique“, dont le „califat“ a été démantelé peu de temps après sa création, mais on ne voit pas comment elle pourrait s’appliquer à l’islam comme religion et comme culture, dont on sait le rôle (politique, scientifique, philosophique, etc.) qu’il a joué et joue encore aujourd’hui dans l’histoire mondiale. Les deux derniers problèmes récents et inédits abordés dans ce livre sont le réchauffement climatique – qualifié de „réveil de la nature“ (), belle expression qui fait écho à la conception hégélienne de la nature comme sommeil de l’esprit – et le transhumanisme. Là encore, B. Bourgeois affirme que ces problèmes ne remettent pas en cause l’idée de fin de l’histoire, dans la mesure où la maîtrise de ces risques nouveaux ne passe pas par un Etat mondial, mais se fait dans le cadre de collaborations entre les Etats-nations. On peut ne pas partager toutes les thèses de cet ouvrage, où les réponses aux objections soulevées contre l’idée de fin de l’histoire sont susceptibles d’entraîner de nouvelles objections. En particulier, on peut se demander si l’extension dans le monde de la démocratie représentative et participative, la remise en cause des pensées du progrès à la suite des deux guerres mondiales et des génocides qui ont jalonné le XXe siècle, le développement des relations internationales, avec les notions de „supranationalité“ ou, pour l’Europe, de „subsidiarité“, ne constituent pas des éléments „fondamentalement nouveaux“ qui, sans réfuter la pensée hégélienne, nécessitent des cadres conceptuels eux aussi nouveaux pour les appréhender. Quelles que soient ces réserves, il faut reconnaître qu’il s’agit sans aucun doute de la défense la plus développée et la plus conséquente de la thèse d’une fin de l’histoire chez et après Hegel. Et on ne peut que louer la démarche consistant à mettre à profit la philosophie hégélienne pour penser le présent, démarche tout à fait fidèle à Hegel pour qui la philosophie est „son temps saisi dans des pensées“. Christophe Bouton Université Bordeaux Montaigne
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Rebecca Comay, Bart Zantvoort, Hgg. Hegel and Resistance. History, Politics, and Dialectics. London/New York: Bloomsbury, . S. In politisch ebenso bewegten wie bedrohlichen Zeiten liegt eine theoretische Beschäftigung mit dem Begriff des Widerstands nahe, ja sie scheint der Philosophie geradezu von der Welt aufgenötigt zu werden. Dass die AutorInnen des vorliegenden von Rebecca Comay und Bart Zantvoort herausgegebenen Bandes dieser Nötigung entsprechen und das Verhältnis der hegelschen Philosophie zum Widerstand analysieren, ist begrüßenswert. Allerdings gibt es für eine Beschäftigung mit diesem Verhältnis nicht nur aktuelle politische Gründe. Mit Bezug auf die hegelsche Philosophie können solche Gründe vielmehr einen zusätzlichen äußeren Anlass liefern, denn die Beschäftigung mit Widerstand ist bereits von der Sache der hegelschen Philosophie her höchst angebracht. Wie Bart Zantvoort in der Einleitung des Bandes hervorhebt, lassen sich drei Ebenen unterscheiden, wenn es um das Verhältnis von Hegel und Widerstand geht: Widerstand gegen, Widerstand von und Widerstand in Hegels Denken. Die erste Ebene betrifft vor allem die Kritik an Hegel, die in unterschiedlicher Form beispielsweise von Adorno, Foucault und Derrida geübt wurde und die Hegel vorhielt, sein spekulatives System sei nicht dazu in der Lage, Nichtidentität und Differenz auf adäquate Weise zu denken. Von Hegel aus betrachtet, so Zantvoort weiter, müssen sich solche Kritiken jedoch den Vorwurf gefallen lassen, Hegel selbst nicht adäquat rezipiert zu haben, womit die zweite Ebene berührt wird, die des Widerstands, den Hegels Denken selbst gegenüber Interpretations- und Aneignungsversuchen ausübt. Dieser Widerstand besteht vor allem darin, dass Hegels spekulatives System alle Formen der Kritik an ihm mit dem Vorwurf der – erkenntnistheoretischen, pragmatistischen, sozialphilosophischen etc. – Einseitigkeit konfrontiert, es sich also konsequent Vereinnahmungsversuchen entzieht, die seiner Komplexität nicht genügen. Die für den gesamten Band jedoch zentrale Ebene besteht darin, wie Widerstand in Hegels Denken konzeptualisiert wird und welche Rolle ihm darin zukommt. Zantvoort unterscheidet dabei zwei Aspekte: . Es stellt den zentralen Zug von Hegels Denken dar, Widerstände zu überwinden und zur Versöhnung zu bringen. . Damit ist nicht gesagt, dass Widerstände, obwohl sie letztlich immer aufgelöst werden, bloße Illusionen wären. Sie bilden vielmehr die Substanz der Geschichte. Weil Geschichte von der Überwindung von Widerständen lebt, gäbe es ohne Widerstände keine Geschichte, sondern nur bloße Identität. Die sich aus diesen beiden Aspekten ergebende Frage, um die sich die Beiträge des Bandes mit den Schwerpunkten Geschichte, Politik und Dialektik drehen, lautet dann: „Is resistance in the end overcome, and totality or identity achieved?“ () Die Beiträge des Buches, die in die drei Teile „Method“, „Nature and Spirit“ und „Politics“ gegliedert sind, machen allesamt kein Geheimnis daraus, dass sie sich einer weitestgehend linkshegelianischen Lesart dieser Frage anschließen. Soll heißen: Sie bejahen diese Frage, sehen aber genau darin ein zentrales Problem von Hegels Denken. Allerdings gewinnt der hier präsentierte Linkshegelianismus dadurch eine avanciertere Form, dass versucht wird, mit Hegel über Hegel hinauszugehen. Dies impliziert, dass der Autor Hegel mit seinen Selbstdeutungen zugunsten seiner Texte in den Hintergrund rückt. Die durchweg vorhandene interpretative Nähe zu Hegels Texten markiert eine der Stärken dieses Bandes, dessen Beiträge den Gedanken sehr ernst nehmen, dass man mit Hegel nur dann über Hegel hinauskommen kann, wenn man zunächst einmal bei Hegel anfängt.
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Mit diesem Vorgehen ist jedoch auch ein Problem verbunden, das in Frank Rudas Beitrag, der den Teil „Method“ eröffnet, am deutlichsten wird. Rudas „Hegel, Resistance and Method“ betitelte, psychoanalytisch informierte und von Slavoj Žižek inspirierte Auseinandersetzung mit Hegels spekulativem Satz folgt Hegels Denken wortgenau und mit größtmöglicher Genauigkeit und kommt zu folgendem Schluß: „Hegel’s theory thereby is a theory of resistance and foremost a theory of resistance against this very theory. Thus one can see why, in Hegel, there is no presentation of the absolute without resistance and no true resistance without presentation of the absolute. Hegel is resistance.“ () Wenn Hegel bzw. der hegelsche Text schon allein deswegen mit Widerstand identifiziert werden muss, weil sich seine Theorie als Theorie des Widerstands gegen sich selbst widerständig verhält, wodurch sie tendenziell nie zu einem Ende kommen, sondern nur als prozessierender Widerstand bestehen kann, so wird damit die Selbstbezüglichkeit, die der hegelschen Theorie oft vorgeworfen wurde, zwar negativ gewendet, aber zugleich reproduziert. Ein Widerstand, der sich nicht nur auch, sondern nur noch auf sich selbst bezieht, ist keiner mehr. Um diesem Problem Ausdruck zu verleihen, hätte der letzte Satz von Rudas Text darum folgendermaßen erweitert werden müssen: Hegel is and is not resistance. Es ist möglich, dass „Hegel is resistance“ selbst als ein spekulativer Satz von Ruda intendiert wurde, er also sein Gegenteil enthält. Wäre das so, dann hätte Rudas Argumentation aber genau das, was an Hegels Denken eben nicht widerständig ist, sehr viel stärker thematisieren müssen. Ruda landet stattdessen – ähnlich wie seine Inspirationsquelle Žižek – letztlich bei der wohl höchsten Form der Affirmation, die eben darin besteht, Hegels Denken als solches widerständig zu nennen bzw. es zu affirmieren, weil es widerständig ist. Auf diese Weise kommt Ruda nicht über Hegel hinaus, aber – und darin trifft er sich mit Žižek – vielleicht ist dies auch gar nicht beabsichtigt gewesen. Um nicht missverstanden zu werden: Dieser von mir als Problem identifizierte Aspekt der Auseinandersetzung mit Hegel mag eine Schwäche markieren, aber – und darin stimme ich Ruda und den übrigen BeiträgerInnen des Bandes zu – eben eine Schwäche, die zugleich eine Stärke ist, weil so ein produktiver Zugang zu Hegels Denken gefunden werden kann, zumindest einer, der sich nicht den Vorwurf der Abstraktion oder Transzendenz gefallen lassen muss. Hervorzuheben sind in diesem insgesamt höchst lesenswerten Band die Beiträge von Rebecca Comay, Rocio Zambrana, Kirill Chepurin, Bart Zantvoort, Karin de Boer und Klaus Vieweg. Ich beschränke mich im Folgenden aus Platzgründen auf je einen Beitrag aus den Teilen „Nature and Spirit“ und „Politics“. Im Zentrum von Chepurins Beitrag „Subjectivity, Madness and Habit: Forms of Resistance in Hegel’s Anthropology“ steht die Frage, wie das Verhältnis von Natur und Geist mittels des Widerstandsbegriffs erläutert werden kann. Chepurin versucht dabei nicht einer gängigen Deutung des Verhältnisses von Natur und Geist zu entsprechen und es allein als einen Assimilationsprozess der Natur an den Geist verständlich zu machen. Stattdessen wird die „anthropological logic of resistance“ () zu erörtern versucht. Diese ist gewissermaßen von zwei gegenläufigen Tendenzen geprägt, von einem Widerstand der Natur gegen den Geist und umgekehrt von einem Widerstand des Geistes gegen die Natur. Weil die Natur sich dem Geist nicht ohne weiteres fügt, bedarf es ihrer Disziplinierung, die auf der anthropologischen Ebene, auf der der Geist die Form der Seele hat, als Gewohnheit wirksam wird. Durch dieses sich Naturalisieren des Geistes vergeistigt sich zugleich die Natur bzw. sie wird idealisiert. „What this anthropological subjectivity does is resist, at any given moment, the soul getting ‚stuck‘ in any particular sensation or feeling.“ () Dieser Gedanke ist für Chepurin zentral, um zwei Bestimmungen Hegels miteinander zu verknüpfen,
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nämlich Wahnsinn und Jugend. Zeichnet sich Wahnsinn dadurch aus, dass die Seele sich in einem besonderen Gefühl verliert und dieses Gefühl nicht mehr als Teil eines Ganzen versteht, sondern es selbst zum Ganzen macht, so ist die Jugend bzw. in Hegels Worten „der Jüngling“ in seinem Widerstand gegen das soziale Ganze von einer dem Wahnsinn äußerst ähnlichen Bestimmung gekennzeichnet: „Youth rejects the existing society and clings instead to a ‚particular‘ abstract ‚ideal‘, disconnected from the objective reality and therefore empty and fruitless.“ () Der Wahnsinn widersteht der Gewohnheit, indem er sich weigert, ein bestimmtes Gefühl als Teil des Ganzen in dieses zu integrieren, der Jüngling widersetzt sich der Gesellschaft bzw. der „sittlichen Gewohnheit“ oder der „Gewohnheit des Rechten“, indem er ihr gegenüber abstrakte Ideale aufrichtet, die er gegen das Ganze realisiert sehen möchte. Chepurins Rekonstruktion des Verhältnisses von Wahnsinn und Jugend läuft schließlich auf die Überlegung hinaus, diese anthropologische Dimension des Widerstands politisch zu verstehen. „If Geist entails a transformation of the natural world into a new spiritual whole, why can or should it not […] entail a transformation of the preexisting political world as well?“ () Obgleich mit dieser Perspektive allerlei Probleme verknüpft sind – z. B. die Naturalisierung von Widerstand, was diesem gerade seinen politischen Gehalt rauben könnte –, ist es bemerkenswert, dass Chepurin auf diese Weise eine Verbindung von Natur und Politik herstellt, die fernab von problematischen Essentialisierungs- und Dekonstruktivierungsansätzen politische Emanzipation an die menschliche Natur rückbindet. Zeigt Chepurins Beitrag, dass der politische Aspekt von Hegels Widerstandsbegriff bereits im Kontext seiner Anthropologie aufgerufen werden kann, so kümmert sich Karin de Boer in ihrem „Freedom and Dissent in Hegel’s Philosophy of Right“ um eine zentrale Frage von Hegels politischer Philosophie. Zwar betont de Boer direkt zu Beginn ihres Beitrags, dass Hegel „puts order above unchecked individual freedom“ (), aber sie hebt ebenfalls hervor, dass die Frage, wie Hegel zu mit individueller Freiheit zusammenhängendem politischen Dissens steht, nicht so eindeutig zu beantworten ist, wie es häufig getan wurde. Wie de Boer zeigt, hat Hegel dem politischen Dissens und vor allem der Redefreiheit dahingehend eine nicht allein potentiell zerstörerische und deswegen zu bekämpfende Rolle in einem Gemeinwesen zugesprochen, als er betont, dass beide verhindern können, dass Monarchen und politische Eliten ihre eigenen Interessen über die Interessen des Ganzen stellen. In diesem Sinne ist individuelle Freiheit – verstanden als Freiheit zum Dissens mit dem Ganzen – eine für die Rationalität des Ganzen gerade notwendige Bestimmung. De Boer versucht darum aber nicht, aus Hegel eine letztlich liberal-demokratische politische Philosophie abzuleiten. Sie plädiert viel eher dafür anzuerkennen, dass Hegel die Komplexität moderner Gesellschaften richtig eingeschätzt habe, auch wenn er daraus nicht die politischen und philosophischen Konsequenzen gezogen habe, die aus einer heutigen Perspektive angebracht sein mögen. „Whatever we may hold against Hegel, we can learn from him that it is extremely difficult for a state to be both modern and rational, that is, to pay heed to the principle of individual freedom and at the same time to make sure that particular interests do not encroach upon the interests of the society as a whole. Even if we do not accept the remedy that Hegel proposes, his diagnosis of modernity is perhaps more relevant than ever before – he saw it coming.“ () In der Zusammenschau lässt sich sagen, dass in diesem Band nicht nur aber vor allem zwei Interpretationsstränge von Hegels Theorie des Widerstands sichtbar werden: Zum einen lässt sich mit Blick auf die Beiträge von Ruda, Comay und Zantvoort sagen, dass Hegels Methode in gewisser Weise als eine Vollzugsform widerständigen Denkens bzw. des
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Widerstands begriffen wird, zum anderen wird – das zeigt sich bei de Boer und Vieweg – mit Blick auf Hegels politische und Sozialphilosophie deutlich, dass durch die Widerständigkeit seiner Methode die Ambivalenz des politischen Gehalts seiner Texte nicht verschwindet. Dass der Band diese Differenzen deutlich macht, ist gerade kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Denn wenn eines der Philosophie – und speziell einer an Hegel anschließenden – in hohem Maße schadet, dann ist es das Glätten von Problemen, das Einpassen von Gedanken, die sich nicht einpassen lassen. Wie die BeiträgerInnen des Bandes zeigen, ist Hegels Denken genau dort problematisch, wo es das selbst tut. Philip Hogh Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Katharina Comoth. Natur und das Gesetz der Freiheit. Heidelberg: Winter . S. Das vorliegende Bändchen vereinigt vier Beiträge – zwei Erstveröffentlichungen zu Sophokles’ Antigone und einer Stelle aus Platons Politeia – sowie zwei für den Wiederabdruck erweiterte Aufsätze zu Nero und Hegel ( – ), von denen nur der letztere hier angezeigt werden soll. Unter dem Titel „Über Anerkennung: Im Philosophicum geht’s um die ‚Gottesmaus‘ (Hegel: WS /)“ wird der bekannte Vorgang behandelt, dass Hegel wegen Verunglimpfung der katholischen Religion angezeigt wurde, weil er in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie gesagt habe, eine Maus, die von der geweihten Hostie gefressen habe, müsse – wie ihre diesbezüglichen Exkremente auch – göttliche Verehrung erfahren. Wer genau als Kaplan der Berliner Hedwigskirche die Anzeige gestellt hat, konnte auch durch weitergehende archivalische Recherchen nicht geklärt werden (, Anm. ). Gegen Hegel werden vor allem zwei Einwände geltend gemacht: (a) Er habe sehr wohl gewusst, dass es der Maus an der Anerkennung als würdig für die Eucharistie fehle () und (b), er habe selbst – entgegen seinem Rechtfertigungsschreiben – die katholische Lehre in Bezug auf die Hostie keineswegs als Lutheraner „kurzweg“ abgelehnt, sondern, z. B. in seinen Vorlesungen zur Ästhetik, die Wandlung zum Leib und Blut Christi durch den gläubigen Genuss von Brot und Wein als nicht bloß symbolisch aufgefasst (). Der entscheidende Punkt, um den es Hegel bei seiner Polemik ging, kommt freilich erst in den Blick, wenn die Nachschrift der fraglichen Vorlesungsstunde hinzugezogen wird. Es geht dabei um den Gegensatz des geistigen Prinzips des Christentums und der Weltlichkeit, der im Kultus der Hostie eingeschrieben sei: „Dies Objektive ist die Hostie, einerseits das Göttliche als gegenständlich, andererseits der Gestalt nach ein äußerliches Ding, aber so, daß es in seiner vollkommenen Äußerlichkeit verehrt werden soll.“ Das Nicht-Symbolische nach Luther bezieht Hegel hier auf eine Transsubstantiation eigener Art, nämlich vom Sinnlichen zum Geistigen: das „Göttliche“ höre im glaubenden Genuss auf, „ein äußerliches Ding zu sein; dieser Glaube und Genuß ist erst die subjektive Geis-
Comoth hat diese Stelle nicht eigens diskutiert: Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II
(TWA : ); diese Passage entspricht fast wörtlich der Edition der Nachschrift / in Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Teil : Philosophie des Mittelalters und der neueren Zeit, hg. v. P. Garniron u. W. Jaeschke (Hamburg, ), (dort die folgenden Zitate im Text).
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tigkeit, und sofern es in dieser ist, ist es geistig, nicht indem es ein äußerliches Ding bleibt.“ Hieran schließt sich dann die fragliche Stelle mit der Maus an. Es geht also nicht um die Transsubstantiation durch glaubenden Genuss, zu dem fraglos die Kirchenmaus nicht fähig sein dürfte, sondern um die Aufhebung der Äußerlichkeit gegenüber dem geistigen Prinzip – mithin in der Konsequenz um die Doppelbewegung der Verweltlichung des geistigen Prinzips und der Vergeistigung des Weltlichen, wie sie Hegel im § der Grundlinien der Philosophie des Rechts skizziert hat. Ob die in Anm. () kritisierte Auffassung Stekeler-Weithofers, wonach Gott für Hegel nicht als gegenständliche Person zu denken sei, wirklich falsch ist, ist vor diesem Hintergrund zu bezweifeln, denn die gegenständliche Personalität Gottes wäre wiederum eine Befestigung der von Hegel kritisierten Äußerlichkeit. Andreas Arndt Humboldt-Universität zu Berlin / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Susan M. Dodd, Neil G. Robertson, eds. Hegel and Canada: Unity of Opposites? Toronto: University of Toronto Press, . pp. The volume Hegel and Canada: Unity of Opposites? aims to survey and discuss the reception history of Hegel’s philosophy in Canada in order to provide instruments that help define the identity of a nation which embraces self-questioning as a way to its future. First, we need to stress that this self-questioning shows a distinct political nature. The political idea at the origin of the publication emerges from Susan Dodd’s long Introduction: “The question of the best path to forms of life more adequate to human flourishing than the dominant liberal capitalism remains one of the most urgent debates among Hegel-influenced political thinkers, as many chapters in this collection show” (). As a consequence, Hegel is considered as the (or one) thinker to turn to in order to find an alternative to a distinct political configuration. In particular, the Canadian political agenda is regarded as the stage for a serious analysis of tensions, oppositions, and conflicts that the contemporary liberal form of social unity produces, while Hegel’s thought is understood as able to provide the theoretical impulse to understand, assimilate, and eventually solve those tensions. In the Conclusion, the second editor of the volume, Neil G. Robertson, goes back to this configuration by signaling that “what I am arguing is that Hegel’s thought – in seeking to unite ancient and modern, situated and unsituated freedom, religion and secularity, not in spite of, but in and through their oppositions – gives us access to a unique form of thinking in which Canada in its differences and oppositions can be known” (). It is overt that ever since its funding acts, which include the debated British North America Act () and the new Canada Act (), Canadian politics has been reviewing its legitimacy and the costs of political unity in terms of mediation between cultural and political differences. Yet those efforts have proven insufficient. The Truth and Reconciliation Commission’s Final Report () has recently shown that indigenous peoples were not taken into the equation of political recognition and mediation, causing a “cultural genocide”. But the actual fulfillment of unification and conciliation may hide some breaches.
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If we reflect upon the current need for global unity, the risk of cultural genocide may even apply to Canada as such. The urgency of the question of recognition escalates if one highlights that the social homogeneity a globalizing world requires threatens to dictate a specific kind of cultural and political unity, one which would flatten or annihilate all other cultural and political entities. The need for unity is thus tied up with the risk of oppression: in this perspective, the purpose of the volume is to inspect whether Canadian studies of Hegel’s philosophy may open a path towards a contemporary solution of these issues. Divided into two sections, the first part offers a set of essays concerning the history of Canadian studies on Hegel’s philosophy, while the second set deals with Hegel’s influence on Canadian political theory as defined by John Watson, James Doull, George Grant, and Michael Ignatieff. In the first section, essays by J. Burbidge, G. di Giovanni, and D. Brandes chart the historiographical contributions of Canadian scholars towards the debate on the relevance of Hegel’s philosophy; notably, di Giovanni and Brandes present the analyses of E. Fackenheim and H. S. Harris on the possibility and impossibility of reconciliation after the events of the th century. The essays by J. Russon and J. Vernon tackle the issue of political fragmentation. The former draws on possible political projects that look at Hegel’s notion of reconciliation as an intellectual tool to surpass ethnocentric particularities within a universal community; the latter maintains that Hegel’s notion of the absolute provides the conceptual background for a universal, progressive, and emancipatory political unity. On a different perspective, following Taylor’s famous essay on Hegel’s Philosophy of Mind, K. Kierkans defines a line of reasoning that echoes Charles Taylor’s skepticism against the “absolutist advocates of ‘absolute freedom’” (). Section two starts off with an essay by R.C. Sibley which on the one hand details a precise political agenda while drawing upon Ignatieff’s assumption that “imperialism has become the precondition of democracy”, and on the other hand, seems to make of Hegel’s conception of the state the paradigm of a new global order (). Close to this view, D. MacGregor discusses Hegel’s Philosophy of Right in relation to German economist Friedrich List with the aim of demonstrating that Hegel „assembled the first modern theory of imperialism in the Philosophy of Right“ (). N.G. Robertson, while drafting the relations between Doull and Grant, deems Hegel’s political thought responsible for a good form of liberal uptake of technology in a modern state policy, but he also stresses Grant’s pessimism regarding the American development of such an endeavor. This pessimism is the topic of Sibley’s second essay, whose merit lies in the analysis of Grant’s debts to L. Strauss, M. Heidegger, and S. Weil. G. Nicholson and B. Cooper analyze Doull’s and Grant’s disagreements over Hegel’s philosophy, and discuss the difference between the two interpretations drawing on the Canadian Constitution (Nicholson) and the influence of Ottawa and Eastern Canada on national legislation (Cooper). S. Hoff focuses on Hegel’s account of forgiveness and pluralism grounding her remarks on the priority of the dynamics of the self over the movements of groups or communities. Since interests in and interpretations of Hegel’s philosophy are very diverse, the volume appears multifaceted: a few authors apply a purely historiographical approach to the discussion on Hegel’s philosophy in Canada (Burbidge, di Giovanni, Brandes), while many exercise the pressure of current political and social unrest on Hegel’s thought. This last approach, though highly engaging, may incur in a few interpretative problems in light of the shared assumption that right evolves. In fact, the relationship between philosophy of right and historical development of political configurations is anything but settled. Hegel
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did not elaborate his philosophy of right in a historical perspective like he did for other parts of the “Philosophy of Spirit”, e. g. the “Philosophy of Religion” and “Aesthetic”. For reasons that we cannot properly outline in this review, Hegel does not provide a thorough analysis of the historical development of civil society, nor of the development of the notion of obligation or the change in our moral representations. Therefore, we may be in the impossibility to find in Hegel a logic that explains the history of right. As a consequence, one is forced to resort to principles or a logic that, while being internal to Hegel’s system of philosophy, may be foreign to the phenomenon at hand and could lead to some stretches in the identification of the current spirit of the world (Grundlinien der Philosophie des Rechts, GW ,: § ). A second remark concerns a certain faith in the emancipatory function fulfilled by Hegel’s philosophy of right. If we look at Hegel’s philosophy of right as a key to understanding our time and guiding our actions, the clear need for emancipation may need to be tempered as the forms of the objective spirit (the property, the civil society, the state, etc.) treat “the finite as something altogether fixed and absolute” (Enzyklopädie , GW : § Anm.). In reality, philosophy denies that those finite forms are true and exposes their vanity (Eitelkeit) (GW : § Anm.). The constitution of an adequate (würdig) form of spirit free from oppression (GW : § ) necessarily emerges from the finite forms of objective spirit but it does not dwell in them. On the contrary, absolute emancipation is possible in the reigns of art, religion, and philosophy which, while being historically given, promote a self-critical lead to life. These forms of self-critique may imply the necessity for the current form of state organization to not merely accommodate what is different by virtue of a neutral policy of inclusion, but to evolve into a new and self-conscious configuration. Paolo Livieri McGill University, Montreal / RWTH Aachen
Félix Duque. Remnants of Hegel. Remains of Ontology, Religion, and Community. Übersetzt von Nicholas Walker. New York: SUNY Press, (Hardcover), (Paperback). S. Es ist eine gewöhnlich gewordene Vorstellung, die Philosophie Hegels als systematische Entwicklung eines Denkens zu verstehen, das, vom Schein sich befreiend, eine vollkommene, durchsichtige Anwesenheit für sich erreicht. In Remnants of Hegel schlägt Duque vor, die grundlegende Geste der hegelschen Philosophie auf eine andere Weise zu denken. Es handele sich nicht so sehr um die Exposition einer vollendeten Anwesenheit, sondern um eine unvollendete – und unvollendbare – Darstellung ihres Bodenverlusts. Anders gesagt: Die Möglichkeit der sich stetig erneuernden Darstellung der Anwesenheit des Absoluten durch eine seiner Bestimmungen zeigt vielmehr das Resultat ihrer eigenen Unmöglichkeit. Diese
See, for instance, W. Jaeschke, “Genealogie des Rechts”, in: Gestalten des Bewußtseins. Genealogisches
Denken im Kontext Hegels, ed. by B. Sandkaulen, V. Gerhardt, W. Jaeschke (Hamburg, ), – . Cf. H.F. Fulda, Das Recht der Philosophie in Hegels Philosophie des Rechts (Frankfurt a. M.: V. Klostermann, ).
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These erlaubt es gleichfalls, sich dem anregenden Titel des Werkes zuzuwenden: Die Reste, die Ruinen Hegels sind nicht einfach etwas, was wir außerhalb seiner Philosophie suchen müssen, als ob neben der Selbstdarstellung des Denkens auch noch ein Übriges außerhalb dieser Darstellung bestünde. Die Reste Hegels finden sich vielmehr innerhalb seiner Philosophie, sie haben konstitutive Bedeutung für die Selbstdarstellung des Denkens. Die von Duque vorgeschlagene Inblicknahme der Reste – d. h. die Reste als Achse der spekulativen Bewegung zu denken – erlaubt es außerdem, seinen Vorschlag eines hermeneutischen Verfahrens bei Hegel zu dechiffrieren. Die dialektisch-spekulative Methode „does not offer a new way of knowing at all. What it does instead is to interpret, reconstruct, and refine the ‚first order‘ bodies of knowledge“ (viii). Diese Rekonstruktion ergibt sich ihrerseits als „a relentless but internal ‚destruction‘ or dismantling not only in relation to the particular opinions and perspectives of individuals and entire epochs regarding the Absolute, but also and especially in relation to all posible definitions of the Absolute, subjecting each and every particular logical determination“ (viii). Die spekulative Darstellung stellt also – paradigmatisch in der Logik – das Scheitern dieser endlichen Wissensbestände in ihrer Beziehung auf das Absolute dar. Dieses Scheitern ist jedoch nichts anderes als der Inhalt desselben. Aus diesem Grund ist für Duque der kantische Gedanke der Unmöglichkeit, das Absolute zu demonstrieren, zutreffend (viii). Duque betont dies jedoch, um den tieferen Sinn der Position Hegels in der Logik aufzuzeigen: Hegel bezieht sich auf die positive Folge dieser Unmöglichkeit, nach welcher das Scheitern der endlichen Versuche nichts anderes als der Bodenverlust des Absoluten selbst ist, d. h. der unendliche „Überschuss“ ( f.) seiner eigenen Reflexion. Seine Philosophie will genau diesen Überschuss in der Form eines wissenschaftlichen Verfahrens thematisieren, woraus sich die spekulative Darstellung des Wahren als Sphäre des menschlichen Wissens ergibt: „[T]he truth is that the complete selfsuppression of every synthesis of logical determinations that aspires to express the Absolute once and for all is also precisely what signifies the human way of approaching the Absolute a contrario sensu“ (ix). Als eine Art Korollar der These Duques könnte man wohl sagen: Wenn es eine Weise gibt, in der das riesige hegelsche Unternehmen die Welt vom Nihilismus als das eigene Tun der Reflexion (diese „Bewegung des Nichts zu Nichts“, wie Hegel in der Wesenslogik sagt; GW : ) retten wollte, besteht sie darin, jene Ruinen miteinander zu verbinden, die die Tätigkeit der Reflexion als eine Spur der Manifestation des Begriffs in der Welt hinterlässt. Duque schlägt vor, diesen Kern der hegelschen Philosophie radikal zu denken, indem er die Innerlichkeit des Logischen selbst als ein Verhältnis der absoluten Idee zu ihren eigenen Resten interpretiert. Dazu greift Duque auf die Worte Hegels selbst zurück: Denn wenn der logische Gang, der der absoluten Idee vorausgeht, nur „Irrthum, Trübheit, Meynung, Streben, Willkühr und Vergänglichkeit“ (GW : ) ist, dann „everything – for the determinations of thought that have been expounded in the Logic, and any possible word or thought that presupposes those pure essentialities, are now the remains of the Logical, its waste or Abfall“ (). Aus diesem Blickwinkel ist die Entäußerung der Idee in der Zeit und dem Raum – die Bestimmtheit der Natur – gar nichts Fremdartiges. Denn das Logische selbst, diese „allgemeine Grammatik des Seins“ (viii), enthält an sich selbst den Unterschied zwischen ihren verschwindenden Bestimmungen und der absoluten Einheit derselben als ihre Versöhnung. Die wirkliche Existenz des Logischen ist daher das konkrete Werden seiner eigenen Unterschiedlichkeit: Es handelt sich um das Urteil, die Verurteilung des Geistes dazu, in seinem Anderssein leben zu müssen (). Im Anderssein ist der Geist nie vollständig
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imstande, sich selbst vollkommen wiederzufinden, aber gleichzeitig kann er nicht ohne dieses Anderssein existieren. Das hat ein gewisses Bedürfnis des Logischen zur Folge, welches darin besteht, zwischen Resten wohnen zu müssen. Diese Tatsache weist aber ebenfalls darauf hin, dass die Reste Spuren des Geistes enthalten, und in diesem Maße machen sie auch das Versprechen einer Versöhnung desselben mit ihrem eigenen Wesen aus. Dadurch wird der Gang des Geistes durch die Realphilosophie skizziert. Der erwähnte Widerspruch, den Remnants of Hegel an verschiedenen Orten des hegelschen Textes erörtert, stellt den Leser vor die schwierige Frage nach dem Verhältnis zwischen der Materialität und der Idealität des Geistes bei Hegel. In gewissem Sinne bleibt Duque deswegen in der Aporie, weil er in ihr einen produktiven Sinn findet, um die mit Hegel verbundenen Probleme darzustellen, aber vielleicht vor allem, um Fragen nach dem Schicksal des Abendlandes zu stellen (xi), genau in der paradoxalen Epoche, in der seine Begriffe und Kategorien – so wie seine materiale Basis – ebenso sehr global ausgebreitet wie abgenutzt sind. In diesem Zusammenhang bedeutet die Frage nach dem, was von Hegel heutzutage übrigbleibt, auch Folgendes: Sich danach zu fragen, was heute, in unserer Welterfahrung, vom hegelschen Unternehmen bleibt. Es geht damit für Duque nicht darum, Hegel heutzutage anzuwenden, denn dieser Versuch würde voraussetzen, dass der Philosoph ‚etwas‘ ganz unter Kontrolle hätte. Vielmehr geht es darum, anzuerkennen, dass Hegel die Erfahrung der Auflösung und Zerstörung von allem erlebt, was scheinbar stabil und selbstständig war, und diese Erfahrung zum Problem seiner Philosophie gemacht hat. Aus diesem Grund könnte man vielleicht von einer gemeinsamen Lebenserfahrung sprechen: Was heute von Hegel übrigbleibt, sind auch die Reste, zwischen denen wir leben. Aufgrund einer quellengestützten Arbeit vollzieht Duques Buchs eine Bedeutungsverschiebung an zentralen Begriffen von Hegel. Dabei fragt sich Duque nach einer Ohnmacht des Begriffs nicht angesichts eines Anderen, „but also with regard to the Concept’s own capacity to master, without remainder, the very determinations which constitute it“ (ix). Nichtsdestotrotz ist genau diese Ohnmacht das, was den Begriff zur Erreichung seiner Einheit in der Spekulation antreibt: “[P]recisely a closure or completion of thinking […] that implicity invoques what has been banished from the process of closure itself” (ix). Von hier aus könnte man behaupten, dass die spekulative Darstellung sowohl eine Aufhebung ihrer Reste als auch eine Wiedergewinnung derselben ist. Dem ‚hermeneutischen‘ Verfahren Hegels zufolge bezieht sich die Philosophie wesentlich auf die Welt, die sie im Denken rekonstruiert. Wie gesagt, diese Welt bietet sich in der Form von Wissensbeständen (‚first order bodies of knowledge‘) an. Was sagt uns Duque dazu? Im Allgemeinen handelt es sich um ein Wissen, das „of mathematics, the natural sciences, the sociopolitical and cultural sciences“ (viii) herkommt. Aber wichtiger ist es nun, unsere Aufmerksamkeit auf den Titel des Werkes zu richten: Remnants of Hegel wählt Kernprobleme der hegelschen Behandlung der Ontologie, Religion und Gesellschaft aus. Diese drei Begriffe verbinden den Inhalt des Buches, aber nicht etwa so, dass sie eine Sukzession von Themen wären, sondern als Schichten eines Problems, das erscheint und jeweils eine weitere Bedeutung bekommt. Die Anerkennung und die (unmögliche) Versöhnung mit den Resten erscheinen dabei als eine Herausforderung für eine Logik gewordene Ontologie, welche das Subjekt vor die (un)mögliche Aufgabe stellt, seine eigene Substantialität oder Natur aufzuheben (Kap. I); aber ebenfalls als eine geschichtliche und politische Aufgabe, die sich aus der revolutionären Erfahrung ergibt (Kap. III, IV); oder als die spekulative Botschaft eines tragischen Christentums, welches vom Ereignis des Todes Christi einen geschichtlichen, politisch-sozialen Horizont entwirft, dessen Zweck die
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Versöhnung der Menschheit wäre (Kap. II, V). Der Ansatz von Duque bewegt sich dergestalt zwischen einerseits der Notwendigkeit, auf diesem tiefen Band der Menschheit zu bestehen, und andererseits der Feststellung ihrer Unmöglichkeit. Noch in unseren Tagen eröffnet diese Unmöglichkeit diejenige Wunde des Geistes, die Geschichte genannt werden kann. Obwohl das Werk von Duque nicht als systematische Abhandlung konzipiert wurde, weisen seine Kapitel einen systematischen Zusammenhang auf. Es könnte behauptet werden, dass dieser Zusammenhang eine supplementäre Logik enthält: Das Fehlen einer absoluten Anwesenheit des Geistes für sich ruft eine Reihe von Versuchen hervor, dieses Fehlen zu ergänzen. Durch sechs Kapitel macht Duque die folgende These plausibel: „The Hegelian system, impressive as it is, ultimately reveals itself as a miscarried attempt to reconcile nature und theoria, individuality and collective praxis.“ (x) Das erste Kapitel („Substrate and Subject“) rekonstruiert die Mühen Hegels, die aristotelische Kategorie der Substanz in das Paradigma der modernen Reflexivität zu integrieren. Es handelt sich hierbei um eine entscheidende „antisubjektivistische Geste“ (), aus der sich eine Transformation der Metaphysik zur Logik ergibt. Duque fragt aber danach, ob dadurch wirklich eine völlige Identifizierung von absolutem Subjekt und der Substanz zustandekommt oder ob Hegel vielmehr ein weiteres Problem aufzeigt, dass nämlich die objektive Einheit der absoluten Subjektivität eines Rests von Substantialität bedarf, um sich selbst zu bilden. Das zweite Kapitel („Hegel on the Death of Christ“) geht vom Faktum des Bruchs in der Einheit des Geistes aus und stellt dann die Gestalt von Christus ins Zentrum des Problems („Ich bin der Kampf selbst“; , ). Christus erscheint als die konkrete, existierende Einzelheit des Absoluten, aber gleichfalls als sein Tod, die radikale Erfahrung der Endlichkeit des Absoluten selbst. Duque interpretiert dieses Ereignis als den notwendigen Tod alles Natürlichen im Geist, den Geist selbst als diese ‚Materialität‘, die auf Kosten ihres Vergehens ideell wird: Es geht um eine Verbindung mit dem Reellen, die einen tragischen Sinnhorizont eröffnet. Dieser Horizont ist nichts anderes als die menschliche Geschichte, deren Freiheit sich durch die Verwandlung alles Natürlichen in der Kultur und Bildung manifestiert. Diese Verwandlung wiederholt die von Christus angekündigte Geste. Hier stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieses geschichtlichen Horizonts – der von unserer Endlichkeit eröffnet wird – zur Möglichkeit seiner Aufhebung, d. h. zum „Tod des Todes“ () als doppelter Negation. Das dritte Kapitel („Death is a Gulp of Water“) erforscht die Möglichkeit, die tragischen Folgen des Todes Christi im politischen Raum abzumildern. Man versteht darunter den Tod des „Subjekts par excellence“ (x) als ein Symbol der Stiftung der menschlichen Gemeinde. Die Überlegung konzentriert sich auf die geschichtliche, politische und philosophische Bedeutung der Französischen Revolution bei Hegel. Demnach zielte die Französische Revolution darauf ab, die reine Negativität des Ichs als absolutes Prinzip der sozialen Ordnung zu setzen, was wiederum die Vernichtung aller Einzelheit zur Folge hatte. Statt eines politischen Systems hat sich eine Herrschaft des Todes konstituiert. Was hier fehlt, ist eine gewisse Substantialität, die im Stande wäre, den revolutionären Sturzbach einzudämmen bzw. zu vermitteln (). Das wäre die Funktion von Institutionen, die das revolutionäre Prinzip verinnerlicht haben, um es als ethische Substanz in der Wirklichkeit zu zeigen. Reicht aber die äußerliche Freiheit der Gemeinde aus, um die Abstraktion der modernen Reflexivität aufzuheben? Das vierte Kapitel („Person, Freedom, Community“) widmet sich dem Individuum und der Verinnerlichung seiner Freiheit als Moralität. Duque geht das Problem der Konstitution des Subjekts als Person an und beginnt mit der logischen Definition der absoluten Idee als Persönlichkeit. Das Resultat der Analyse zeigt,
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dass die Person – bereits in ihrer logischen Beschaffenheit – in zwei Richtungen entzweit ist: Die negative Beziehung auf sich, die jedes Andere negiert, und die Notwendigkeit dieses Anderen, um sich selbst bilden zu können. Auf der Ebene der sozialen, politischen Philosophie weist dieses Problem Duque zufolge auf die Endlichkeit der Person als Faktum der Notwendigkeit der Gemeinschaft hin: Die Person ist der Widerspruch zwischen ihrer personalen Freiheit und der Zugehörigkeit zu einer Gemeinde. Schließlich vertieft das letzte Kapitel („The Errancy of Reason“) die Hauptthemen in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Individuum und der Gesellschaft sowie die Suche nach der Versöhnung. Nach einer Auslegung des Problems des Guten und Bösen sowie der Verbindung mit dem Entschluss zum Sein, d. h. sich zu bestimmen, interpretiert Duque die Passion Christi so, dass sie das wesentliche Verhältnis von Endlichem und Unendlichem verkörpere. Die Analyse wendet sich dann zur spekulativen Bedeutung des Kultus als Ort in der Kultur, an dem es möglich wird, die Auflösung des Endlichen ins Unendliche positiv vorzustellen. Im Anschluss erörtert Duque dieses Problem mit einer schwer zu interpretierenden Behauptung Hegels: „Die Philosophie ist daher Theologie, und die Beschäftigung mit ihr oder vielmehr in ihr ist für sich Gottesdienst.“ Nach diesem Argument ist Philosophie die begriffliche Fassung der Auflösung des Endlichen ins Unendliche. Hier zeigt sich der Geist als eine Macht, die das Natürliche durch seine Verwandlung (und Zerstörung) bewohnt, aber die auch einer Heilung für ihre Wunden bedarf. Diese Heilung wäre die Gemeinde. Dennoch ist die objektive Ordnung des Geistes machtlos gegen die Konflikte, die sie produziert und von denen sich der Geist selbst nährt. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, die Einheit im objektiven Weltlauf zu produzieren, die vom Menschen in gewissen punktuellen Instanzen, wie im Kultus oder in der philosophischen Spekulation, erreicht werden kann. Daraus zieht Duque eine Konsequenz für das Verhältnis des endlichen zum absoluten Geist, die den Philosophiebegriff im Kern betrifft: „What philosophy grasps is the very failure of the world to raise itself to the Idea. In the extreme case: the failure of the religious and the political community to raise itself to Absolute Spirit, apart from certain privileged instants (in the activity of the cultus) that must be incessantly renewed and that thus also constantly run the risk of turning into merely empty ceremonies, falling into a representation and performance of the theater of memory. Philosophy is the thinking that thinks that risk, and that thinks that fall“ (). In seinem Buch stellt uns Duque einen scharfsinnigen, kritischen, realistischen, aber auch tragischen Hegel vor, der sich nicht dem Schicksal alles Endlichen entziehen kann, nicht einmal in der Zuflucht der Philosophie. Die Negativität des Begriffs offenbart sich durch ihre Wunden, und das philosophische Wissen ist nicht in der Lage, die Narben zu kaschieren, die diese Wunde in der Geschichte hinterlässt. Es geht um eine andere Weise, die Dialektik zu verstehen. Duque kombiniert seine profunde Kenntnis Hegels (wir verdanken ihm eine neue, großartige Übersetzung der Logik, welche ein erneutes Interesse an Hegel in der spanischsprachigen Welt erweckt hat) mit einer großen Gelehrtheit, die über die philosophische Disziplin hinausreicht. Duques Buch zeigt, dass es aktuell möglich ist,
G.W.F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion : Einleitung, Begriff der Religion, hg. v. W. Jaeschke (Hamburg, ), .
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mit und aus Hegels Philosophie zu denken sowie dass zwei fundamentale Begriffe des hegelschen Denkens immer noch relevant sind: die Substanz und das Subjekt. Sergio Montecinos Ruhr-Universität Bochum / Universidad de Concepción Nicole Milkereit Berlin
Wes Furlotte. The Problem of Nature in Hegel’s Final System. Edinburgh: Edinburgh University Press, . S. Indem es ein „Problem“ konstatiert, das sich Hegels Philosophie im Zusammenhang mit der „Natur“ stellt, rührt Wes Furlottes Buch an ein brisantes Thema. Inwiefern es das meines Erachtens auf eine problematische Weise tut, sei für den Moment noch zurückgestellt. Zuerst ist festzuhalten, dass sich die Auseinandersetzung mit dem Buch grundsätzlich insofern lohnt, als es um die wichtige Frage geht, welche Rolle Hegels „often disregarded conception of nature“ für das „historical unfolding of human freedom“ spielt (). Brisant ist dieses Thema, weil es die Bedeutung der ersten Natur für den freien Geist untersucht, den Hegel bekanntlich als eine zweite Natur beschreibt. Um den Geist als zweite Natur wird seit einiger Zeit eine lebhafte Diskussion geführt. In dieser Diskussion spielt auch die erste Natur eine Rolle, jedoch vorrangig als eine, wie Hegel sagt, nur „für uns“ bestehende „Voraussetzung“, die vom Geist angeeignet und in ihm überwunden ist; anders als es für uns zunächst zu sein scheint, erweist sich nach Hegel letztlich nicht die Natur als die Voraussetzung des Geistes, sondern der Geist in Wahrheit als „das absolut Erste[]“ der Natur, in ihm „ist die Natur verschwunden“ (GW : § ). In die Diskussion um Natur und Geist, erste und zweite Natur, greift Furlotte nun mit einer provokanten, vielleicht etwas forciert vorgetragenen Lektüre ein: Wie er bereits auf der ersten Seite des Textes unumwunden erklärt, spiele die erste Natur bei Hegel eine weitaus größere Rolle als gemeinhin anerkannt werde; keineswegs werde die Natur vom freien Geist einfach angeeignet und überwunden, sondern es gebe einen „fundamental materialism“, der Hegels Konzept der Freiheit durchsetze; die Natur erweise sich bei Hegel tatsächlich als die „inescapable anteriority and precondition of subjectivity“; die Natur sowie der Umgang der Kultur (d. h. des Geistes) mit der Materialität der Natur „problematise human freedom – even outline the possibility of its own annihilation“; deshalb seien „[f]acile proclamations of the ensured ‚triumph of spirit‘ […] problematic, if not untenable“ (). Im Kern lautet die These des Buches also, dass es bei Hegel eine Natur gebe, die dazu in der Lage sei, die Freiheit des Geistes zu konterkarieren – bis zu einem Punkt, wo sogar die Vernichtung („annihilation“) der Freiheit des Geistes durch die Natur drohe. Es ist klar, dass diese These im Widerspruch zu einigen der grundlegenden Leitbestimmungen steht, mit denen Hegel selbst seinen philosophischen Ansatz charakterisiert. Es geht Furlotte aber auch explizit darum, Hegel nicht einfach zu folgen, sondern „Hegel against Hegel“ zu lesen (). Diese Lektüre ist erkennbar inspiriert von aktuellen materialistischen Positionen, wie sie im Kontext der Hegel-Diskussion u. a. von Slavoj Žižek und
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Adrian Johnston vorgetragen werden. Die Reihe New Perspectives in Ontology, in der das Buch bei Edinburgh University Press erschienen ist, folgt insgesamt einer entsprechenden programmatischen Ausrichtung, insofern sie beansprucht, „the best new work on the question of being and the history of metaphysics […] in the wake of speculative realism and new materialism“ zu veröffentlichen. Und obwohl der Autor wiederholt erklärt, man solle Hegel nicht in der Tradition Schellings, seine Philosophie insbesondere nicht als Nachfolgerin von dessen Identitätsphilosophie interpretieren (, ff., , ), klingt die Grundthese des Buches doch so, als würde sie in Hegels Denken eine quasi-schellingsche Naturauffassung freizulegen versuchen: einen dunklen, regellosen Naturgrund als „die unergreifliche Basis der Realität, der nie aufgehende Rest, das, was sich mit der größten Anstrengung nicht in Verstand“ – bzw. im übertragenen Sinne hier: den hegelschen Geist – „auflösen läßt“ und das im Prinzip stets auf eine den Geist gefährdende Weise hervorbrechen könnte (Schelling, Über das Wesen der menschlichen Freiheit, AA I,: ). Über Schelling hinaus weist das Buch ferner auf Analogien zwischen der Naturauffassung, die es bei Hegel findet, und dem Dionysischen bei Nietzsche (, ) sowie dem Unbewussten bei Freud hin (, ). Diese Bezüge verdeutlichen, inwiefern die Natur in Furlottes Lesart auch bei Hegel eine sich den bewussten Praktiken des freien Geistes widersetzende Realität verkörpern soll, nämlich insofern sie wie das Unbewusste Freuds, das Dionysische Nietzsches und der dunkle Naturgrund Schellings irrational, triebhaft und chaotisch strukturiert sein soll. Um meine Kritik direkt zu formulieren: Meines Erachtens gelingt es dem Buch nicht, die von ihm vorgeschlagene Lesart zu substantiieren. Wir können Hegels Naturbegriff nicht auf die angedeutete Weise als eine irrationale, triebhafte und chaotisch strukturierte materiale Voraussetzung des Geistes verstehen. Gleichwohl ist die eingehendere Befassung mit Furlottes Buch philosophisch ertragreich, denn es rekurriert auf einige Textstellen bei Hegel, die seiner Lesart bis zu einem gewissen Grad zumindest Stichworte liefern. Es fordert deshalb dazu heraus, in Bezug auf einige dieser Textstellen eine alternative Deutung anzuzeigen. Denn die systematische Frage nach dem „Problem“ der (ersten) Natur bei Hegel verdient im Detail verfolgt zu werden, da sie in der Tat in der gegenwärtigen Diskussion, wie Furlotte schreibt, „often disregarded“ bleibt. Den Nachweis für die These über die potentiell destruktive Kraft der Natur beansprucht Furlottes Buch in Bezug auf die Enzyklopädie („Hegel’s Final System“) in drei Anläufen zu führen, die von einer Einleitung und einer Konklusion eingerahmt werden. Der erste Teil widmet sich der Naturphilosophie und arbeitet dabei die Grundzüge der in der Studie leitenden Naturauffassung heraus ( – ); der zweite fokussiert sodann darauf, wie diese Natur im subjektiven Geist auftritt, v. a. in der „Anthropologie“ ( – ) – in diesem zweiten Teil ist die systematische Gelenkstelle des Buches zu sehen, da in ihm dargelegt werden soll, wie die Natur einen destruktiven Einfluss auf den Geist auszuüben vermag; der dritte Teil betrachtet schließlich den objektiven Geist, v. a. das „Abstrakte Recht“, in dem die Natur in Gestalt von Trieben als Gegenstand von Unterdrückung und Strafe erscheine ( – ). Im Folgenden beschränke ich mich auf zentrale Stücke aus dem ersten und dem zweiten Teil, um meine Kritik zu begründen und etwas näher auszuführen. Im ersten Teil deutet Furlotte die in Hegels enzyklopädischer Naturphilosophie leitende Auffassung von Natur als „radical externality“ (, f., , f. u.v.m.) und spitzt damit zu
https://edinburghuniversitypress.com/series-new-perspectives-in-ontology.html (letzter Zugriff: . . ).
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etwas Radikalem zu, was Hegel selbst als die der Natur, bzw. die der Idee in der Natur, eigene „Aeußerlichkeit“ bestimmt (GW : § ). Die bekannten Topoi, die Hegel mit der Äußerlichkeit der Natur verknüpft – die Zufälligkeit, die unbestimmbare Regellosigkeit und bisweilen auch die Monstrosität der Naturgebilde, die „in der Sphäre der Natur ihr Recht“ (GW : § ) haben und auch dem philosophischen Begreifen durchaus Grenzen setzen (GW : § Anm.) –, dienen Furlotte als Beleg für eine „unruliness“, eine Widerspenstigkeit, der Natur gegenüber ihrer geistigen, begrifflichen Erfassung (, , , , u.v.m.). Festzuhalten ist, dass Hegel eine solche Widerspenstigkeit ausdrücklich einräumt. Systematisch kommt es nun aber darauf an, sorgfältig zu bestimmen, worin genau deren Bedeutung liegt. Für Furlotte geht mit ihr eine „radical inadequacy of nature’s most general categories“ einher, sodass das Feld der Natur bei Hegel „open-ended, underdetermined“ und „devoid of meaningful difference and order“ sei (, siehe auch f.). Damit schießt seine Interpretation weit über das hinaus, was in Hegels Konzeption der Sache nach angelegt ist. Für diesen kritischen Befund sprechen mindestens zwei Argumente: . Die Widerständigkeit der Natur bedeutet für Hegel nicht etwa eine ‚Ohnmacht des Begriffs‘ oder ‚des Geistes‘, sondern sie ist im Gegenteil Index einer „Ohnmacht der Natur“ – laut Hegel ist es „das Ungehörigste […] von dem Begriffe zu verlangen, er solle dergleichen Zufälligkeiten begreifen“, wie sie in der Natur auftreten (GW : § Anm.). Anders als Furlotte behauptet, impliziert die Widerständigkeit der Natur gegenüber ihrer restlosen begrifflichen Erfassung in Hegels Augen keineswegs eine gänzliche Ordnungslosigkeit oder gar ein Fehlen bedeutungsvoller Unterschiede in ihr, sondern die Natur weist sehr wohl eine begriffliche Struktur auf, die jedoch nur nicht alle Einzelheiten, in denen das natürliche Seiende in empirischer Mannigfaltigkeit auftreten kann, positiv erfasst (und nach Hegel auch nicht erfassen soll). Hegel scheint es allem voran darauf anzukommen, dass natürliches Seiendes, das kein perfektes Exemplar einer Gattung oder Art ist, existiert, wir aber nicht für jedes solche Seiende über eine eigene, exakt auf es passende Kategorie verfügen. Solches Seiende fällt deshalb aber nicht schon schlechterdings aus dem begrifflichen Rahmen heraus. Vielmehr setzt es gerade auch in seiner Mannigfaltigkeit, wie Hegel erklärt, „die Selbstständigkeit und Würde der Begriffsbestimmung voraus“, da man überhaupt nur im Rekurs auf Gattungs- und Artbegriffe negativ identifizieren kann, was „als mangelhaft, schlecht, misförmig“ erscheint (GW : § Anm.). Alles Seiende in der Natur, auch das, was etablierte Gattungs- und Artbegriffe durchkreuzt und insofern als ‚regellos‘ erscheint, lässt sich daher im Gebrauch genau dieser Begriffe immer noch, aber eben negativ fassen. Bei Hegel ist nicht die Rede davon, dass es in der Natur darüber hinaus noch etwas im emphatischen Sinn Opakes gäbe. . Ferner, und vielleicht noch wichtiger, betrachtet Hegel die Natur insgesamt als eine „organische[] Totalität“, die als Ganze einer „vernünftigen Bestimmung“ untersteht (GW : § ). Sie ist nämlich gemäß des logischen Leitkonzepts ‚Idee‘ als eine Stufenfolge aufgebaut, die auf den Geist „als Endzweck der Natur“ hin ausgerichtet ist (GW : § ). Die Natur ist dabei nicht etwa schlicht als ‚das Andere‘ der Idee zu verstehen, als etwas vermeintlich Nicht-Ideales, sondern als „die Idee in der Form des Andersseyns“ (GW : § ), das heißt: Die Natur ist Idee und damit begrifflich strukturiert, aber mit der Besonderheit, dass die ideale Struktur einen großen Raum für natürliche Mannigfaltigkeit und Variationen lässt. Dass die Natur sich der restlosen begrifflichen Erfassung dieser zufälligen Variationen widersetzt, hat keinen Einfluss auf ihre ideale Grundstruktur. Auch Furlotte geht auf die zuletzt zitierte Stelle bei Hegel ein und betont, dass die Äußerlichkeit der Natur nicht einfach als „external in relation to the idea“ zu verstehen sei; einen Satz weiter meint er jedoch, dass die Natur bei Hegel
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gleichwohl das „register of the non-thought“, „an indeterminate materiality exhibiting at its base a minimal level of conceptual structure (but not an utter absence) in contradistinction to the Idea“ wäre (). Diese Interpretation scheint mir inkohärent zu sein. Darauf zu insistieren, dass das Zufällige in der Natur ein höheres Maß an philosophischer Würdigung verdiente, als ihm bei Hegel tatsächlich zukommt, ist eine Position, die man sicher gegen Hegel vertreten kann. Aber innerhalb von Hegels Philosophie tragen weder das Zufällige noch die Äußerlichkeit der Natur die Züge von etwas Radikalem, von dem eine Gefahr ausgehen würde. Indem sie das Gegenteil behauptet, drängt sich der Verdacht auf, dass sich Furlottes Interpretation der Position Hegels von vornherein unter dem Einfluss Nietzsches, Freuds oder auch Schellings nähert. Hegels naturphilosophischer Naturbegriff ist jedenfalls meiner Ansicht nach nicht dazu geeignet, um aus ihm eine echte Opposition gegen die Freiheit des Geistes oder die Macht des Begriffs abzuleiten. Was Furlotte im zweiten Teil zu Hegels Ausführungen über die „Verrücktheit“ in der „Anthropologie“ entwickelt, will er als seine „distinct and unique contribution“ zur HegelForschung verstanden wissen (). Er vertritt die These, dass Hegels Analyse der Verrücktheit „in no uncertain terms“ Verhältnisse aufzeige, „in which developed subjectivity might be dominated by its opaque material-instinctual dimension as it unfolds within its unconscious depths“ (, siehe auch ). Damit richtet er das Augenmerk auf eine tatsächlich vielfach unterschätzte Problematik bei Hegel, die es verdient, eingehend diskutiert zu werden. Fluchtpunkt der „Anthropologie“ ist bekanntlich die „wirkliche Seele“, die sich ihre Leiblichkeit vollständig zu eigen gemacht hat, sodass der Leib der Seele „keinen Widerstand leisten kann“ (GW : § ). Welche Widerspenstigkeit der (leiblichen) Natur auch immer eigen sein mag, unmissverständlich erklärt Hegel am Ende der „Anthropologie“, dass sie zumindest „keine Wahrheit in der Seele“ habe und der Leib nur noch als „Zeichen“ des Seelischen fungiere (GW : § ). Betrachtet man, wie Hegel zu dieser These kommt, fällt auf, dass sie nicht etwa im Rahmen einer metaphysischen Argumentation zum Leib-Seele-Verhältnis als ein unverrückbarer Sachverhalt behauptet wird, sondern sich allererst aufgrund einer Praxis unter Beweis stellt: der Etablierung von Gewohnheiten als einer zweiten Natur. In ihrem Leib bildet die Seele ein tendenziell freies Selbstverhältnis aus, indem sie „die Naturbestimmtheit der Empfindung durch die Gewohnheit zu [ihrem] bloßen Seyn [herabsetzt]“ und „damit nicht mehr in Interesse, Beschäftigung und in Abhängigkeit gegen dieselbe ist“ (GW : § Anm.). Sie realisiert eine Befreiung von naturgebundenen, leiblichen Empfindungen mithin nicht, indem sie diese unterdrücken würde, sondern vielmehr im Modus eines mechanischen Verhaltens zulässt und auf gleichgültige Weise hinreichend befriedigt. Der brisante Punkt, den Furlotte berührt, ist in meiner Rekonstruktion der folgende: Wenn der Leib der Seele nach Hegels Ausführungen deshalb keinen Widerstand leisten kann, weil die Seele sich ihren Leib aufgrund von Gewohnheiten praktisch angeeignet hat, dann birgt das Ausbleiben oder auch das Scheitern von Gewohnheiten eine Gefahr für das Leib-Seele-Verhältnis, das Hegel am Ende der „Anthropologie“ als etabliert betrachtet. Leibliche, auch affektive psychische Zustände, die mit dem Leib zusammenhängen, an die sich die Seele nicht gewöhnen kann, drohen die Seele zu bestimmen und dadurch ihrer Freiheit Grenzen zu setzen. Den Fall eines leib- und empfindungsbestimmten Seelenlebens diskutiert Hegel unter dem Stichwort ‚Verrücktheit‘. Wer ‚verrückt‘ ist, dessen Seele verfängt sich nach Hegel in einer „Besonderheit seines Selbstgefühls […], welche es nicht zur Idealität zu verarbeiten und zu überwinden vermag“ (GW : § ). Was den ‚Verrückten‘ mithin nicht gelingt, ist einen solchen habituellen Umgang mit ihren emotionalen, leib- und naturgebundenen psychi-
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schen Zuständen zu etablieren, wie er am Ende der „Anthropologie“ von Hegel anvisiert wird. – Was folgt nun daraus für Hegels Auffassung des freien Geistes? Furlotte zufolge reichen die Konsequenzen maximal weit: In der Einleitung des Buches kann man bereits lesen, dass „there is nothing in [Hegel’s] anlysis that guarantees that the subject’s natural dimension will not, at any given moment, (re-)assert itself in a way that destabilises subjectivity’s free actualisation“; deshalb bleibe die Natur „a perpetual problem for the project of spirit“ (), „the problem of nature is never fully bypassed for spirit, such that nature retains the ability to undermine spirit’s autarkic actuality“ (). Diese Lesart erfordert eine nuancierte Kritik in zwei Hinsichten: . Aus dem Umstand, dass Verrücktheit möglich ist, folgt meines Erachtens, dass Menschen nach Hegel als endliche geistige Wesen in der Tat nicht immer und überall dazu in der Lage sind, frei über sich selbst zu verfügen. Dass Hegel dies anerkennt, zeigt, wie sehr er ein Denker verleiblichter Subjektivität ist; leibliche Affekte zu haben, ist eine anthropologische Realität, die nicht nur zum Leben der Menschen dazugehört, sondern dieses mitunter auch in seine Gewalt nehmen kann. Es lohnt sich, dies gegen allzu theoretische Lesarten der hegelschen Philosophie zu betonen. Hierzu leistet Furlottes Buch einen Beitrag, wenn es auch die destruktiven Effekte der ‚Verrücktheit‘ vor allem in Extremformen in Betracht zieht, indem es häufig von Traumata spricht, die der menschliche Geist erleiden würde (, , , f. u.v.m.). Hegel selbst bezieht seine Ausführungen ausdrücklich auch auf „heftige, aber ihrem Gehalt nach geringfügige Leidenschaft[en]“ (GW : § Anm.), die den Geist eines Menschen in seinen alltäglichen Vollzügen schon derart in Beschlag nehmen können, dass ein freies, rationales Abwägen und Nachdenken blockiert ist. Darin, dass Hegel den lebensweltlichen Erfahrungshorizont vieler Menschen im Blick hat und keineswegs nur das Extrem, liegt meines Erachtens eine Stärke seines Ansatzes. . Aus Hegels Ausführungen zur ‚Verrücktheit‘ folgt aber nicht, dass die Freiheit des Geistes insgesamt erschüttert werden würde. Hegel selbst erklärt: „Der Geist ist frei, und darum für sich dieser Krankheit [der Verrücktheit] nicht fähig. […] nur als Ding, d.i. – als Natürliches und Seyendes ist er der Verrücktheit […] fähig.“ (GW : § Anm.) Dass der Geist als solcher frei sei, ist offensichtlich eine These, die über das, was Hegel in der „Anthropologie“ darlegt, weit hinausgeht. Sie hat ihren Ort im „Absoluten Geist“, dessen Struktur Hegel in den Einleitungsparagraphen der Geistphilosophie antizipiert. Zwar geht Furlotte auf Hegels Charakterisierung des „Wesen des Geistes“ als „Freiheit“ und „absolute Negativität“ ein, der ein Bezug auf Anderes eingeschrieben ist (GW : § ), und bemerkt dabei zu Recht, dass der Geist nicht einfach von vornherein „fully formed, articulated, and transparent to itself“ auftrete; der Geist müsse vielmehr „engage the material world of nature, transforming the latter and itself in the process“ ( f.). Die Befreiung des Geistes von der Natur ist aber gleichwohl nicht zureichend erfasst, wird sie nur als ein sukzessives Hinzugewinnen von Freiheit interpretiert, das im Herausarbeiten aus der Natur allmählich aufgebaut werden würde. In der Befreiung von der Natur realisiert der Geist vielmehr, was er nach Hegel in seinem Wesen grundsätzlich schon ist, nämlich an sich frei. Der Geist wird insofern, was er ist. Furlotte geht in seinem Buch, soweit ich sehe, nicht auf die in diesem Zusammenhang maßgebliche Bestimmung Hegels ein, dass die einzelnen Stufen der Geistphilosophie „wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höhern Entwicklungsstufen“ existieren (GW : § ). Das bedeutet, dass Hegels Philosophie des Geistes (auch) von ihrem Ende her verstanden werden muss. Die Philosophie als höchste Form des absoluten Geistes ist die Sphäre, in der sich der Geist über seine Freiheit geschichtlich vergewissert hat; auf diese Freiheit läuft die Argumentation nicht nur zu, sondern dieses Ende informiert auch schon den Weg zu ihm hin. Dass auf diesem Weg
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die Freiheit auf Grenzen stößt, dass sie einer Materialität begegnet, der eine Widerständigkeit eignet, ist nichts, was Hegel auf die von Furlotte insinuierte Weise beunruhigen würde; es ist vielmehr das, was die Endlichkeit des „endlichen Geist[es]“ im Kern ausmacht (GW : § ). Noch die Kunst als erste Form des absoluten Geistes „bedarf“, wie Hegel sagt, „eines äußerlichen gegebenen Materials“ (GW : § ). Es gilt deshalb: So endlich der Geist, so endlich die Freiheit, die er zu realisieren vermag – unendlich aber bleibt die Freiheit, an der er dabei partizipiert. Die Frage nach The Problem of Nature in Hegel’s Final System hat Furlotte im Geiste eines ‚new materialism‘ beantwortet und die Rolle der Natur dabei überbetont. Hegels Aussagen über die Grenzen, die der Zufall in der Natur dem Begreifen setzt, sowie darüber, dass Menschen über ihre Affekte bisweilen verrückt werden, können dazu verführen, ihm radikale Positionen zuzuschreiben, die wir aus anderen, vernunftkritischen Kontexten kennen, sich aber rechtbesehen auf Hegels Position nicht einfach übertragen lassen. Die Natur ist wohlgemerkt ein Problem bei Hegel, denn ihr eignet in der Tat eine Widerständigkeit. Dieses Widerständigkeit gilt es aber zu fassen, ohne zu unterschätzen, was man immer noch ‚Hegels Idealismus‘ nennen muss. Johannes-Georg Schülein Ruhr-Universität Bochum
Saša Hrnjez. Tertium datur. Sintesi e mediazione tra criticismo e idealismo speculativo [Tertium datur. Synthesis and Mediation between Criticism and Speculative Idealism]. Milan: Mimesis, . pp. “Kant and Hegel: a difficult, but passionate relationship” – this could be a subtitle for Saša Hrnjez’s ambitious book Tertium datur. Sintesi e mediazione tra criticisimo e idealismo speculativo. The main topic of the book, published by Mimesis in , is the difficult relation between the structure of the Kantian notion of ‘synthesis’ and Hegel’s concept of ‘mediation’. The author aims to show how these two categories are strictly linked by the importance of the role of a ‘third’ element in both systems. The book is divided in three parts. The first and second one analyse Kant’s concept of synthesis and Hegel’s concept of mediation, taken in their specific reference system. The third and fourth part link the results of the precedent analysis (on synthesis and mediation) with the central role of the ‘third’. In the “Introduction” the A. justifies the aims of the book by explaining why it is important to investigate the role of the ‘third’. This element is the key to better understand the different processes at work in the Kantian and the Hegelian system. On the one side, it represents a common prerequisite for the two philosophers: every philosophical system has to confront itself with the centrality of the ‘third’ for its development. On the other side, the ‘third’ constitutes also an important topic in order to better distinguish Kant’s transcendental philosophy from Hegel’s idealism. Kant’s model is a communicative one, based on the paradigm of synthesis, in which the role of the ‘third’ is represented by the activity of the scheme. On the contrary, Hegel’s model is a ‘transfigurative one’, based on the power of the mediation to transform the reality.
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Starting from this central difference between Kant’s philosophy and Hegel’s philosophy, the A. begins by illuminating the structure of the Kantian synthesis. The first part of the book is divided in two chapters. The first one starts from the analysis of the apperception as central part of the process of synthesis. The A. tries to put in evidence the complexity of the Kantian relation between apperception and imagination. Imagination as scheme represents the real ‘third’ of pure reason. Schematism allows to put in connection the sensible experience of the subject with the transcendental dimension of the apperception. The triadic base, composed by time-imagination-apperception, shows how the question about das Dritte has to be solved through the total movement of the schematism. As result of the research, the scheme, at the end, allows the “passage from the universality of the concept to concrete representation as image” (). In this horizon also time has a central role. Kant’s appeal to schematism has two aims. On the one side, it has to do with the “realization of the understanding and with the limitation of the categories” (). On the other side, it determines the realization of the time itself through the unity of the categories. While in the first chapter Hrnjez tried to make clear how the concept of ‘scheme’ is central for the determination of a third in Kant’s first Critique, in the second chapter he analyses das Dritte in the third Critique, in order to show that a third term is not only necessary for the theoretical dimension of reason, but, also, for the Übergang between the theoretical and the practical dimension. But what is ‘the third’ within this new context? Imagination, which thanks to its schematism represents the ‘third’ for pure theoretical reason, in the third Critique assumes a different declination. The topic of the Kantian third Critique corresponds to the necessity of a third term for concepts linked with noumena. As the A. puts in evidence, the synthesis has to include here a bigger dimension, in which the side of the aesthetics and that of teleology are now central. It corresponds now to a “synthesis of free play” (). The new ‘third’ will have to allow a passage, a Mittelglied, from the phenomena to the noumena. On the one side, imagination operates as mediation and third element in the concept of the beautiful. The free play between imagination and understanding determines a connection between subject and nature, and, most of all, through intersubjectivity, which can judge something beautiful. On the other side, imagination plays a peculiar role for the concept of the sublime. The third has to mediate here a condition of deep fracture between the intellect and those noumena, which are impossible to formalize through the activity of the intellect itself. The A. points out how the concept of ‘sublime’ is far from being only a pure appendix of the Kantian aesthetical conception. On the contrary, it constitutes the climax of the whole structure of the transcendental synthesis. “The sublime is the truth of the synthesis at the moment of its failure, of its check” (). For this reason, imagination assumes importance in virtue of its incapacity to grasp something sublime through the canonical categories of the intellect. If in the first Critique the ‘third’ can be identified easier with the imagination, in the third Critique and, most of all, in relation with the concept of the ‘sublime’, it becomes something more difficult to limit to a specific schematic element or term. The ‘third’ corresponds yet to the element of imagination. However, it shows now the complexity of an experience far from being intellectual. “The thirdity of the imagination […] presents itself as real place of the missing synthesis, i. e. of the subjective unity of phenomena and noumena” (). The result of such analysis in the first part of the book leads to the understanding of the limits of the subjective Kantian dimension through the limits of the ‘third’ element itself.
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Part II of the book analyses the role of the ‘third’ in Hegel’s philosophy. The first chapter of this part focuses on the fundamental Hegelian critique to the results of Kant’s philosophy. The A. links Hegel’s first formulation of the necessity of ‘the third’ to his critique of the philosophies of reflexion. The topic of Hegel’s analysis is to show the real potentiality of the concept of reflexion behind the limits of Kant’s point of view. The understanding limits the horizon of the activity of reflexion, whereas it should be central for the realization of the identity between infinite and finite. “The reflexion, elevated to the level of reason, finds out the dimension of the infinity through an act of the self-consciousness on her finitude” (). The Kantian synthesis, i. e. the identity between subject and object, has to become a third element, not transcendental, but immanent to the relation between the two terms. If the Kantian ‘third’ is considered by Hegel as a bridge between two terms, the Hegelian ‘third’ is something different. It is, most of all, immanent. It cannot be reduced to a singular element but constitutes the internal dimension of the subject and of the object, of the intuition and of the concept. In the second chapter of part II, the A. shows how Hegel’s new conception of the ‘third’ represents a shift from a pure triadic structure to a particular form of quadruplicity. This argumentation constitutes surely one of the most important points of this book. The Hegelian dialectical movement is something that doesn’t point to a transcendental dimension. It is the expression of an immanent process which “transcends itself” (). Hegel’s concept of syllogism in the Logic can be used here as a representation of this new structure of the ‘third’. The ‘third’ is the medium, which passes through all the moments of the syllogism. It corresponds, at same time, to the process and to the terms of the syllogism. For this reason, the ‘third’ constitutes here a conclusion for the syllogism, in which the concept is mediated through its negation and turns back to itself as universality of all the moments. The scheme of this process cannot be reduced to a stable triadic structure but corresponds to a four-moment structure. This structure determines not only the syllogistic categories, but most of the categories of the Logic. This complex feature of Hegel’s Logic finds its general representation in a specific type of circularity. The A. claims that this circularity cannot be understood as a linear process, but rather as a process in which its end is not purely the beginning in its perfect form. Taking into account Hegel’s Phenomenology of Spirit, the central point is not the ‘third’ as a result, but the ‘third’ as the total process of self-consciousness (). In this sense, the structure of the ‘third’ as dialectical movement must be understood by Hegel also as the moment in which the particular finds itself as determined and pervaded by the universal. At the same time, this third underlines the particular as its totality. “The third” – writes the A. – “is exactly the same concept which is presented at the same time at the universal level and at the particular level, i. e. is the same concept which determines itself, which transfigures itself in the opposition, removing in this way both the relation of opposition and its independence” (). This analysis of Hegel’s third leads the A. to the last moment of his analysis of Hegel’s philosophical system. In the logic of the self-consciousness the ‘third’ realizes itself as the possibility of a process of intersubjective recognition among human beings. At the same time, it constitutes also the possibility for the individual consciousness to live in the world and to transform it. On the one hand, the Kantian concept of the ‘third’ can be linked only to a communicative dimension, in which it constitutes the third term of the judgement. On the other hand, the Hegelian ‘third’ represents a process which transfigures the immediacy of the
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subject through his reflexive mediation. Here a new interesting dimension of the A.’s understanding of the role of the ‘third’ appears. At the centre of the Hegelian process of mediation of the immediacy, this third term can be identified with the activity of translation. This part of the A.’s analysis is probably one of the most interesting ones in the entire book. The notion of ‘translation’ can be understood here as the self-mediation of the language, which has to be translated, through the other language. Also in the activity of translation there is a process of mediation of the immediacy through the reflexive movement of the language. The most important result for the A. is the identification of a dynamicity inside the dimension of the third term. This complexity doesn’t solve the totality of problems regarding the definition of a third term for the mediation process. Most of all, it points out the idea that the ‘third’ cannot be isolated to a specific dimension but corresponds to a processual movement. Tertium datur is certainly a difficult book. The amount of information that the A. takes into account makes the understanding of some of the passages quite hard for the reader, who can easily feel lost, if she hasn’t a previous knowledge of classical German philosophy, (especially of Kant’s and of Hegel’s philosophy). At the same time, the large amount of references proves Hrnjez’s capacity to manage a whole ensemble of themes, showing a transversal knowledge of the logical and systemic peculiarities of the two philosophers. The link between the Hegelian dialectical process – developed through a dynamic structure mediated by a pervasive ‘third’ – and the activity of translation represents one of the most interesting insights, and enables us to understand how the research of the A. constitutes most of all a preparation for the study of other topics. The role of the third element gives us the possibility to rethink many questions and structures of Hegel’s philosophy, thus opening a new perspective onto the dialectical dynamic of totality. It is no coincidence that the A. insists on the Hegelian attempt to define the ‘third’ as a transformative process. Alongside other recent studies (i. e. Angelica Nuzzo’s Approaching Hegel’s Logic Obliquely) this book shows the historical and logical necessity to find a transversal element or process in Hegel’s thought that is capable to enable us to understand and transform our reality. Alessandro Esposito Università degli Studi di Padova / Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Walter Jaeschke. Hegels Philosophie. Hamburg: Felix Meiner, . S. Als langjähriger Direktor des Hegel-Archivs und Leiter der historisch-kritischen Edition der Gesammelten Werke ist Walter Jaeschke offensichtlich einer der besten Kenner Hegels. Er ist darüber hinaus einer seiner besten Erklärer. Auch das tritt offen zutage, wenn man sein maßgebliches Hegel-Handbuch aufschlägt oder sich der hier besprochenen neuen Aufsatzsammlung widmet. Bei ihr handelt es sich um Texte, die meisten von ihnen sind
W. Jaeschke, Hegel-Handbuch. Leben – Werk – Schule (. Aufl., Stuttgart, ).
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bereits andernorts erschienen, drei gehen auf bisher unveröffentlichte Vorträge zurück. Die große Mehrheit der Texte stammt aus den letzten zwölf Jahren, der mit Abstand älteste von ihnen aus dem Jahr . Obwohl viele der Aufsätze auf bestimmte Anlässe wie Tagungen etc. zurückgehen, ist das Kunststück gelungen, mit ihnen sowohl die Stadien von Hegels biographischer Entwicklung als auch die verschiedenen Teile seines Systems abzudecken, jedoch unter Abzug der Naturphilosophie. Auf einen Beitrag, der als methodologische Einführung in die von Jaeschke besorgte revolutionäre Neu-Edition der Frankfurter Fragmente in GW gelesen werden kann, folgen drei Artikel zur Phänomenologie des Geistes (zu ihrer Absicht und Methode, zur Rolle des Selbstbewusstseins und seiner ihm eigenen Geschichte sowie zur Klärung des Begriffs des absoluten Wissens). Zwei Aufsätze lassen sich der Logik zuordnen, bevor das weite Feld der Geistphilosophie durchschritten wird. Gemäß einer treffenden Formulierung hat Hegel sein System der Wissenschaft als ein „System in Vorlesungen“ entwickelt und immer neu dargelegt. Entsprechend greift Jaeschke auch in den hier besprochenen Überlegungen zur Geistphilosophie über weite Strecken auf Hegels Vorlesungsmanuskripte und auf studentische Nachschriften zurück. Beschlossen wird der Band durch eine Klarstellung zur inhaltlichen Inadäquatheit und historischen Vorbelastung des Titels ‚Deutscher Idealismus‘, dessen Verwendung in den letzten Jahren zum Glück tatsächlich zurückgeht. Jeder Aufsatz in diesem Band ist leicht zu lesen und es wert, gelesen zu werden. Im Folgenden möchte ich daher keine einzelnen Artikel auf Kosten anderer auswählen und zusammenfassen, sondern mich auf die Vorstellung von vier Gedankensträngen konzentrieren, die sich durch den Band hindurchziehen und mit denen Jaeschke wichtige Leitplanken für ein akkurates Hegel-Verständnis setzt. Der erste Punkt ist ein entwicklungsgeschichtlicher. Ein Diktum Kants (Refl. , AA XVIII: ) über den eigenen Denkweg adaptierend, könnte man über Hegel sagen: Der Winter / gab ihm „großes Licht“. So sieht es Jaeschke vor allem mit Blick auf das grundlegende wissenschaftstheoretische Design, aber auch auf speziellere Disziplinen und Theoreme. Zu den grundlegenden (und grundstürzenden) Einsichten gehört zunächst diejenige in die Geschichtlichkeit des sich entfaltenden wissenschaftlichen Systems bzw. dessen, was Hegel unter ‚Geist‘ versteht: eine Einsicht, die er erstmals in Worte fassen kann, nachdem er ebenfalls zum ersten Mal eine Vorlesung über die Geschichte der Philosophie gehalten hat, nämlich in besagtem Wintersemester ( – , ). In eine ähnliche Gewichtsklasse fällt die ungefähr zur selben Zeit getroffene Entscheidung, der Logik weit mehr als eine Einleitungsfunktion zuzuerkennen, sie vielmehr darauf auszurichten, an die Stelle der Metaphysik zu treten, und zwar vollständig ( – ) – der ganze Zuschnitt von Hegels späterem System hängt offensichtlich auch an dieser Entscheidung. Spezieller, aber ebenfalls nicht ohne Wirkung, ist die Bindung des Kunstbegriffs und damit der Disziplin der Ästhetik an den Geist-, nicht an den Schönheitsbegriff ( – ). Zu nennen ist schließlich die Wanderung des Anerkennungstheorems aus der Sphäre des Staates in die Ebene vorstaatlicher menschlicher Beziehungen (und damit seine Exkludierung aus der Rechtsphilosophie), die allerdings erst in der Phänomenologie des Geistes vollzogen ist ( f., insb. d. Fn.) – diesbezüglich ist Hegel das Licht also erst nach dem Winter aufgegangen.
Vgl. Jaeschke, Hegel-Handbuch, . Manche sehen in dieser Entwicklung freilich eher eine Umnachtung denn Erleuchtung: vgl. para-
digmatisch A. Honneth, Kampf um Anerkennung (Frankfurt a. M., ), – .
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Als zweiten und dritten Punkt möchte ich die im vorigen Absatz genannten Fragen nach ‚Logik und Metaphysik‘ und nach ‚Geschichtlichkeit des Geistes‘ aufgreifen und vertiefen. Gerade Jaeschkes These über das vollständige Verschwinden der Metaphysik, die er mit Nachdruck vorträgt, dürfte kontrovers sein. Daher ist es wichtig, präzise festzuhalten, was er mit ihr behauptet und was nicht. Um den Titel eines Artikels zu zitieren, der nicht Teil dieser Sammlung ist, geht es Jaeschke um ein „Plädoyer für einen historischen MetaphysikBegriff“. Hegel akzeptiert, dass Kant die vorkritische Metaphysik „mit Stumpf und Styl ausgerottet“ (GW : ) hat, d. h. durchaus stilvoll, wie Jaeschke Freude hat zu betonen ( f., ). Für Hegel ist das Ende der Metaphysik etwas, das sich tatsächlich und zu Recht in seiner jüngsten Vergangenheit ereignet hat. Das betrifft sowohl die metaphysica generalis als auch die metaphysica specialis. Daher ist die Ersetzung der Metaphysik durch die Logik „nicht […] als Zusammenwachsen zweier Disziplinen zu beschreiben, sondern als Zerfall des […] Konglomerats ‚Metaphysik‘ und als Inkorporation seiner […] materialen Relikte in andere Disziplinen“ (). Damit ist neben der Logik die Philosophie des Geistes gemeint: Was früher einmal die rationale Seelenlehre war, wird in der Philosophie des subjektiven Geistes beerdigt, die natürliche Theologie versinkt und wird durch eine Philosophie der Religion ersetzt ( f. sowie ausführlich die beiden Aufsätze – ), und was einmal die Freiheitslehre der alten Kosmologie war – von Jaeschke so nicht benannt, aber der Gedanke zieht sich natürlich durch seine Texte –, findet einen ganz anderen Platz und einen neuen Raum in der Philosophie des objektiven Geistes. Die Logik ihrerseits dekretiert nicht mehr ohne Rechtfertigung, wie die vorkritische Metaphysik, Seinsbestimmungen, sondern analysiert und entfaltet – durchaus in Kontakt mit der realen Welt ( f.) – Schritt für Schritt Denkbestimmungen, ohne sie subjektivistisch misszuverstehen. Insofern ist Hegel Kantianer: Er folgt einer „radikalisierte[n] transzendentalphilosophische[n] Einsicht“ () und ist so auf dem Weg zu einem „System der reinen Vernunft“ ( – ). Dieses Plädoyer für einen historischen Metaphysik-Begriff kann ich als Argumentation dafür, dass Hegel den Titel ‚Metaphysik‘ zu seinem Zeitpunkt in der Geschichte der Philosophie in besagter Weise verstanden und inszeniert hat, gut nachvollziehen. Ich teile auch vehement die Ansicht, dass Hegel (nicht nur) in dieser Frage der weitaus modernere Zeitgenosse war und ist als z. B. Schelling ( – , ). Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der Titel ‚Metaphysik‘ über diese historische Konstellation hinaus und damit eben auch für heute verbrannt ist. Jaeschke stellt selbst klar, dass man durchaus von Metaphysik sprechen dürfe, wenn jemand „sein Denken nicht in der Weise beschränken lasse, wie es der Positivismus […] fordert, sondern sich zentralen Fragen des Selbst- und Weltverhältnisses des Menschen stellt, die sich weder auf dem Wege der Empirie noch mit den Mitteln bloßer Sprachanalyse beantworten lassen“ (; zur Positivismus-Kritik weiter und – ). Metaphysik wäre damit zunächst als eine nicht-reduktionistische Theorie über die Struktur der Welt und unseren Platz in ihr bestimmt. Das muss keinesfalls bedeuten, die Wiedergänger übernatürlicher Entitäten der „vormaligen Metaphysik“ auf den Plan zu rufen. Der von Jaeschke bei Hegel diagnostizierte „in sich differenzierte Monismus“, der sich sowohl dualistischen wie naturalistischen Ansätzen verweigert ( f.), könnte als eine solche Theorie gelten. – Darüber hinaus dürfte es spannend sein, in eine Diskussion mit Interpretationen einzutreten, die implizit oder explizit die Tragweite von Hegels Metaphysik-
W. Jaeschke, „Ein Plädoyer für einen historischen Metaphysik-Begriff“, in: Metaphysik und Metaphysikkritik in der Klassischen Deutschen Philosophie, hg. v. M. Gerhard, A. Sell, L. De Vos (Hamburg, ), – .
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Kritik in Frage stellen, wie es etwa bei James Kreines oder in der Halfwassen-Schule geschieht. Als Repräsentant der letzteren stellt Tobias Dangel die – möglicherweise gewagte – These auf, dass mit der „vormaligen Metaphysik“ nur die neuzeitliche, nicht aber die antike Metaphysik gemeint und getroffen sei. Da auch Jaeschke davon ausgeht, dass die „produktiven Gesprächspartner Hegels […] die großen Philosophen […] von der frühen griechischen Antike bis in die neuere Zeit und in seine Gegenwart“ seien (), würde eine Differenzierung seinerseits oder eben eine Replik auf die genannten metaphysischen Lesarten sicherlich auf Interesse stoßen. Der dritte Punkt – ‚Geschichtlichkeit des Geistes‘ – ist vermutlich weniger strittig. Dass Jaeschke seine Sektion zur Geistphilosophie, die umfangreichste des Bandes, mit dem Statement beginnt, dass der „Begriff des Geistes […] ein nicht-metaphysischer Begriff“ sei (), ist nach dem vorherigen Punkt völlig konsequent und einsichtig: Der hegelsche „Geist“ ist eine Wirklichkeit diesseits von unsterblicher Seele, Heiligem Geist und sonstigen Geistern (vgl. f., f.). Als wichtig erachte ich den von Jaeschke mehrfach unterstrichenen (oben bereits angesprochenen) Aspekt, dass die These von der Geschichtlichkeit des Geistes insbesondere im Kontext von Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie – nicht etwa vorrangig in denjenigen über die Philosophie der Weltgeschichte – erarbeitet wird und sich bewahrheiten kann (, f.). Bei den Ausführungen zur semantischen Umprägung des Geschichtsbegriffs Ende des . Jahrhunderts ( f.) könnte man einen Verweis auf den einschlägigen Lexikonartikel von Reinhart Koselleck einfügen, der die „Bildung des Kollektivsingulars [also ‚die Geschichte‘; T.H.], der die Summe von Einzelgeschichten in einem gemeinsamen Begriff bündelt“ und die „Kontamination von ‚Geschichte‘ als Ereignis(-zusammenhang) und von ‚Historie‘ als Geschichtskunde, -erzählung und -wissenschaft“ detailliert vorführt. Die von Jaeschke aufgeworfene Frage, ob es auch in den romanischen Sprachen eine solche Verschiebung der Semantik gegeben habe, darf wohl bejaht werden, auch wenn es dort nicht die Verschmelzung des lateinischen Wortes historia mit einem ähnlich starken und letztlich stärkeren Wort anderen Ursprungs gegeben hat. Der vierte Gedankenstrang, den ich hervorheben möchte, zieht sich wirklich durch den gesamten Band. Es handelt sich um Hegels Selbstverortung in der Moderne und die kritisch-subversive Stoßrichtung seiner Philosophie. Eine Vielzahl von Beispielen lassen sich dafür anführen: Neben der oben ausführlich behandelten Kritik der „vormaligen Metaphysik“ sind dies die Kritik des neuzeitlichen Naturrechts ( f., – , f.), die Kritik an der menschenverachtenden „Schädellehre“ ( – ), die Kritik an einem überzogenen Selbstverständnis der Religion in einer sich säkularisierenden Gesellschaft ( – , – , – ) und damit verknüpft an einem klassisch-theistischen Gottesbild ( – , – ) sowie einer durch göttlichen Ratschluss von außen vorgeschriebenen Geschichtsteleologie ( – ). Positiv gewendet erwächst aus dieser kritischen Haltung das Bewusstsein, endlich in einer Zeit zu leben, deren Gesellschafts- und Kommunikati-
J. Kreines, Reason in the World. Hegel’s Metaphysics and Its Philosophical Appeal (Oxford, ). Vgl. T. Dangel, Hegel und die Geistmetaphysik des Aristoteles (Berlin et al. ), . R. Koselleck, Ch. Meier, O. Engels, H. Günther, „Geschichte, Historie“, in: Geschichtliche Grund-
begriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. : E-G, hg. von O. Brunner, W. Conze, R. Koselleck (Stuttgart, ), – . Die hier relevanten Ausführungen stammen von Koselleck. Koselleck, „Geschichte, Historie“, .
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onsformen frei von vormodernen, vermeintlich naturgegebenen Setzungen sind. Sie beruhen vielmehr auf der Realisierung von Freiheit – bzw. fordern diese immer neu ein. In diesem Kontext ist die Diskussion interessant, was eigentlich den modernen PersonBegriff ausmacht ( – ). Jaeschke führt sie unter Berufung auf Birgit Sandkaulen, seine Vorgehensweise kann aber womöglich auch als Erwiderung auf sie oder zumindest als Ergänzung gelesen werden. Unbestreitbar gehört es zum Verdienst Jacobis, die für die Moderne so wichtige Realität radikal individueller, unverwechselbarer, leibhaftiger Persönlichkeit eingeklagt und verteidigt zu haben. Nicht minder wichtig ist jedoch die Errungenschaft eines nicht individuell vorfindbaren, sondern nur aus praktischer Vernunft zuschreibbaren allgemeinen Person-Begriffs, mit dem wir seit der Aufklärung den Gedanken der Menschenwürde verbinden ( f.). Diesbezüglich scheint sich Jaeschke eher auf der Seite Kants als auf derjenigen Jacobis zu verorten. Was schließlich die Formalia betrifft, sind lediglich Kleinigkeiten anzuführen. An zwei Stellen wird auf das Hegel-Handbuch verwiesen, anstatt die Originalquellen zu benennen. Das Zitat von Fries () stammt aus dessen Brief an Jacobi vom . Dezember . Auf S. handelt es sich zum einen um ein Selbstzitat aus dem Hegel-Handbuch, zum anderen um Formulierungen Hegels aus GW : . An einigen (im Verhältnis sehr wenigen) Stellen werden die Nachschriften der Vorlesungen Hegels nach der Suhrkamp-Ausgabe (TWA auf und TWA und auf – und f.) und nicht nach neueren Editionen zitiert, wobei entsprechende Bände der Gesammelten Werke tatsächlich erst vor kurzem erschienen sind bzw. sich noch in Vorbereitung befinden. Angesichts des weiten Bogens, den der Band spannt, wäre ein Personenregister sicherlich von Nutzen. Wie jedoch aus dem Vorherigen erhellen sollte, tun diese Formalia der Leistung des besprochenen Sammelbandes keinerlei Abbruch. Es handelt sich ohne Zweifel um ein äußerst lesenswertes und lehrreiches Buch, das philologisch, historisch und systematisch Maßstäbe für die Auseinandersetzung mit der hegelschen Philosophie setzt. Thomas Hanke Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Armando Manchisi. L’idea del bene in Hegel. Una teoria della normatività pratica [The Idea of the Good in Hegel. A Theory of Practical Normativity]. Padova: Verifiche, . pp. While the relevance of Hegel’s epistemology for contemporary reflections seems indisputable, studies that expound on the connection between his practical philosophy and metaethics are, at present, only a few. Hegel’s assumptions on the nature of the good – so the common story goes – are either too metaphysically loaded or too entrenched in the structure of the system to be of any use to present-day ethical debates. Manchisi’s groundbreaking study questions this perspective and sets out to establish a fruitful dialogue between Hegel’s practical philosophy and contemporary metaethics. Whereas recent at-
Vgl. insbesondere B. Sandkaulen, Jacobis Philosophie. Über den Widerspruch von System und Freiheit (Hamburg, ), – . Zu finden in G. Nicolin, Hg., Hegel in Berichten seiner Zeitgenossen (Hamburg, ), .
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tempts to stress the novelty of Hegel’s ethics mainly focus on the Philosophy of Right, Manchisi maintains that the Logic, and in particular the “Doctrine of the Idea”, is crucial to understand the ontological and methodological dimensions of Hegel’s practical normativity ( – ). Placed right before the last section of the Logic, the ‘Idea of the Good’ is the most radical attempt to bridge the gap between subjectivity and objectivity, concept and reality. It is precisely against this gap, and against the tensions it generates, that Manchisi weighs the vitality of Hegel’s ethics. The main claim of the book is that the ‘Idea of the Good’ offers a metaethical argument to account for the origin and status of practical normativity – a dimension that, in a Hegelian perspective, embraces both the regulative field of ‘oughts’ and the evaluative field of ‘ends’ ( – ). Manchisi clarifies that the parallel between Hegel’s Logic and contemporary metaethics does not rest on an external analogy. Even though the word ‘metaethics’ does not belong to his vocabulary (), Hegel’s investigation into the logical structure of the good closely resembles the ontological and epistemological approach of contemporary metaethics. The relevance of Manchisi’s book is twofold: on the one hand, it offers a clear and compelling interpretation of the ‘Idea of the Good’ – one of the most neglected sections of the Science of Logic; on the other hand, and beyond the strictures of a mere exegetical analysis, it explores the advantages of reading the Hegelian text through the various lenses of metaethical debates. In Manchisi’s view, the ‘Idea of the Good’ not only presents a useful critique of non-cognitivist and anti-realist arguments, but also offers an original ‘third way’ between substantial moral realism and ethical constructivism. The study develops around three axes, which correspond to the normative models reflected in (and criticized by) the ‘Idea of the Good’: (a) the relationship between autonomy and objectivity (constructivism); (b) the problem of the realization of the will (projectivism); (c) the role of truth in relation to practical normativity (non-cognitivism). Before addressing these issues, Chapter One charts the “fundamental grammar” of Hegel’s practical philosophy, focusing on the notions of ‘reality’, ‘will’, and ‘action’ (). Manchisi sides with those who read Hegel’s logic as both an epistemological and an ontological enterprise. According to this view, ‘reality’ coincides simultaneously with the self-reflective activity of reason and the categorical structure of objectivity. The Idea, understood as the full articulation of the subjective and objective sides of the Concept, is the logical fabric of our social and natural world. The book then turns to the logical meaning of ‘will’ and ‘action’, clarifying their position with respect to Hegel’s Realphilosophie. In metaethical fashion, the ‘Idea of the Good’ does not focus on concrete juridical, political or moral dimensions, but rather examines the conditions of possibility for all the specific realms in practical life. Chapter Two describes the ‘Idea of the Good’ as a metaethical model of autonomy (). According to Manchisi, the self-determining and self-reflective structure of the Concept matches some of the requirements of ethical constructivism, while avoiding the abstract self-referentiality of Kantian autonomy (). The Concept constructs its own objectivity (self-determination), but practical norms are always fundamentally dependent on reason’s ability to turn upon itself and assess their value. In Manchisi’s view, Hegel’s original take on constructivism provides an antidote against ethical subjectivism and intuitionism. On the one hand, the universality of the logical space rules out the authority of individual inclinations and desires; on the other hand, the intersubjective dimension of normativity denies the existence of a transcendent sphere of moral principles. Reason is the only source of prescriptions and obligations insofar as it can understand, judge, and establish their validity,
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as well as, the validity of its activity (reflective endorsement). While the first layer of the text seems to welcome a constructivist reading, the development of this section also warns against its downsides. According to Manchisi, the Idea’s ‘lack of external being’, its unreality, depends on the oscillation between two meanings of objectivity, where the epistemic conception (reason produces objective values) is unilaterally favored over the ontological one (values and ends exist in reality). Despite its objective purport, the self-enclosed unity of practical normativity risks losing its grip on the external world. To explain how the normative space permeates material reality, Chapter Three examines Hegel’s definition of the good as a self-realizing teleological drive. In these pages, Manchisi discusses Hegel’s account of ethical objectivity moving from John L. Mackie’s projectivism. Whereas constructivist models run up against the charges of ethical irrealism (practical normativity is just a mere Sollen), the ‘Idea of the Good’ provides the theoretical tools to overcome this paradox. Against Mackie’s ontological skepticism, Hegel’s description of the Idea as a structure of teleological projection allows one to recognize values as part of the “furniture of the world” (). The equation of concept and end translates rationality into a dynamic impulse, intentionally bent toward objective reality. Thus, the realization of values coincides with the tendency of practical normativity to overcome its immanent lack. Far from being a blind impulse, the dynamic structure of the end is also inferentially articulated, and sees objectivity as its constitutive completion. In the transition to the Absolute Idea, Hegel’s system takes on the traits of a metaethical realist model – an alternative to Kantian constructivism (Chapter Two) and projectivism (Chapter Three). In Chapter Four, Manchisi focuses on the relationship between truth and ethics. Through a clarification of the stakes of ethical non-cognitivism (which denies the epistemic value of moral judgments), the book sets out to explain the integration of the theoretical and the practical moment. If the ‘Idea of the Good’ is incomplete without its preceding moment, understanding the ‘Idea of Cognition’ ( – ) is indispensable to a correct interpretation of Hegel’s practical normativity. The expressivist approach of the ‘Idea of the Good’ is balanced by the descriptivist and realist model of the ‘Idea of Cognition’, which affirms the consistency (and the independency) of the external world. Values are not projected onto the world from outside: analytic and synthetic cognition prove that the world is conceptual and normative. In this sense, the space of reasons does not contrast a world of sheer facts but is itself an integral part of the subjective-objective rationality of the Idea. In line with ethical cognitivism, thus, the Absolute Idea integrates the theoretical and volitional sides of the concept; the normative space is both objective and knowable – open to rational critique (). Values are independent from individual inclinations (realism), but are also predicated on the finite subject’s ability to extrapolate and assert their meaning. These features bring Hegel’s solution closer to a weak moral realism, which sees values as relations existing across subjectivity and objectivity (). L’idea del bene in Hegel is likely to become a pivotal reference for future studies on Hegel’s logic and practical philosophy. Manchisi combines a notable acquaintance with th and st century metaethical debates to a remarkable expositive clearness; this interpretation of the Science of Logic strikes for its exegetic rigor and the ability of reconstructing the intrasystematic links of the text. As a possible critique, it might be observed that the conclusive remarks are so dense that one would have expected an additional chapter devoted to developing the issues they raise. Hinting at John McDowell’s ‘relaxed naturalism’ and William J. FitzPatrick’s ontological monism, Manchisi argues that Hegel’s moral ontology ultimately rests on a naturalist value-laden world, in direct opposition to reductionism and
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traditional scientific naturalism. The objective constraints of the conclusion do not allow for the unfolding of the potentialities of this outcome, which has direct bearing on some of the most crucial issues of contemporary Hegelian scholarship. To provide two examples: how does Manchisi see his view on Hegelian metaethics contributing to the heated debate surrounding Hegel’s naturalism or anti-naturalism? And what are the consequences of “relational realism” – an expression first introduced in these pages – for Hegel’s Realphilosophie? () Far from foreclosing these fields of inquiry, the richness of the conclusions and the questions it raises testify to the generative potential of Manchisi’s book and make it an essential starting point for further analyses. Agnese di Riccio The New School for Social Research, New York
Jamila M. H. Mascat, Sabina Tortorella, eds. Hegel & Sons. Filosofie del riconoscimento [Hegel & Sons. Philosophies of Recognition]. Pisa: Edizioni ETS, . pp. In the “Preface”, the editors explain that the title Hegel & Sons is a deliberate reference to Jacques Derrida’s book Marx & Sons (), referring both to Hegel and Hegelian posterity. The volume is divided into two sections: the first one – “With Hegel” – collects essays of authors who deal directly with Hegelian works and texts; the second one – “Beyond Hegel” – collects essays that develop the many perspectives opened up by Hegelian philosophy. The volume opens with an Italian translation of the essay “Hegel’s Political Epistemology” by Jean-François Kervégan, published in Hegel-Bulletin , (). Kervégan explores the notion of Wirklichkeit explained by Hegel in the “Doctrine of Essence” in the Science of Logic in order to highlight how the famous maxim in the “Preface” of Grundlinien der Philosophie des Rechts “Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig” (GW ,: ), does not only not mean a passive acceptance of reality but also how it implies the rejection of all forms of normativism. In such a case, according to Kervégan, it would be possible to understand Hegel’s political philosophy as a political epistemology, that is, a philosophy capable of defining the mode through which the social world may be known. The essay “Alle origini della psicologia hegeliana. Il manoscritto di Berna” [To the Origins of Hegelian Philosophy. The Bern Manuscript] by Giuseppe Cantillo offers a reconstruction of Hegel’s interest in psychology by addressing a detailed critical analysis of the manuscript from the Bern period of / included in the first volume of the critical edition of Gesammelte Werke with the title “Ein Manuskript zur Psychologie und Transzendentalphilosophie”. Cantillo highlights above all the importance of the “Manuskript” as a testimony of Hegel’s comparison with Kantian thought, in particular with the Critique of Pure Reason, in relation to the problematic nature of the foundation of a rational psychology. Massimiliano Biscuso in “La storia della filosofia come lotta tra le autocoscienze. Commento al capoverso della chiusura del corso sulla storia della filosofia /” [The History of Philosophy as a Struggle between Self-Consciousnesses. A Commentary on Paragraph of the End of the Course on the History of Philosophy /] intends to illuminate through the structure of the Phenomenology the
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meaning that Hegel attributed in Jena to the history of philosophy as a path that the finite self-consciousness takes in order to reach absolute knowledge. Gabriella Baptist in her essay “Se è la vita a servire” [If it is Life that Serves/Helps] offers a reflection on the notion of life in Hegel’s philosophy and on the relationship between life, idea, and freedom. Baptist, in particular, exploring the chapter on the “Idea of Life” in the Science of Logic, points out how life in Hegel is a notion yet to be explored and how it can be found in all those systematic hinges of Hegel’s philosophy where the turning points and passages that still manage to disquiet us take place. Franco Chiereghin in “La revisione della Fenomenologia” [The Revision of the Phenomenology] investigates the Hegelian purpose to remake his early work. By conducting a careful analysis of Hegel’s reformulation of the “Preface” of the Phenomenology in , Chiereghin notes its continuity with contemporary writings – Über das Daseyn Gottes and the “Preface” to the second edition of the Science of Logic – highlighting the delicacy of the task Hegel had set himself and the tension between preserving the level of maturity reached at the time of the Phenomenology and curbing the speculative maturity reached at the end of his life. In his essay “I capogiri del riconoscimento” [The Dizziness of Recognition] Paolo Cassetta shows how recognition is Hegel’s way of confronting the ancient problem of the relationship between praxis and poiesis and how this confrontation gives rise to a conception, that is anything but peaceful but rather conflictual and contradictory, of the relationship between individual and community. Mutual recognition is therefore highlighted as one that promises access to absolute knowledge, charging a price to those who try to open its doors: it is a hovering and overwhelming passage towards equality and freedom that Hegel has never fully authorized but which has played a crucial role in the history of the nineteenth and twentieth centuries. Lucio Cortella in “L’esposizione di un fallimento. Il mancato riconoscimento del signore e del servo nella Fenomenologia dello spirito” [The Exposure of a Failure. The Non-Recognition of the Lord and the Servant in the Phenomenology of Spirit] explains that the non-recognition of Chapter IV of the Phenomenology is due to the absence of spirit, that is, of ethics: not having grown up in conditions of ethics, the two selfconsciousnesses are not capable of making the normative necessity of the ethics of recognition act between them. Cortella therefore highlights how recognition should not be understood as a merely intersubjective product but as a social relationship where subjects meet on the basis of an ethical-cultural context that makes possible their confrontation and mutual understanding and therefore also the awareness of their freedom. The essay by Pietro Montani “Le origini tecniche del politico. Ancora su Antigone e la filosofia” [The Technical Origins of the Political. Another Work on Antigone and Philosophy] takes the figure of Antigone into analysis, keeping in the background the interpretation that Hegel offers in the Phenomenology and reworking Heidegger’s interpretation found in Hölderlins Hymne “Der Ister”. Montani shows how Antigone’s density reveals a tension between three poles: the ontological, the political, and the technical. Montani shows how technique is the theme of the first stasimon of Sophocles’ tragedy and how it expresses both the wonderful human capacity to intervene on nature and the monstrous violence perpetrated against it. The technique therefore shows the ontological status of the human being as an oscillation between the wonderful and the monstrous. The monstruosity of technique, Montani explains, has to do with the laws, the nomoi: those laws that Antigone gave herself and for this reason was condemned as autonomos. Antigone in this sense would show the character of unveiling (aletheuein), that is, both ontological and political, of technique as a process of determining the normative structures that instruct the human forms of life. Claudia Melica
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in her essay “Aporie del riconoscimento nel culto greco secondo Hegel” [Aporias of Recognition in the Greek Cult according to Hegel] analyses the Lectures on the Philosophy of Religion given by Hegel in Berlin and his criticism of certain cultic practices of the Greek religion as incapable of establishing a true relationship between human beings and gods. Melica shows how Hegel’s criticisms are aimed at showing the inability of ancient cults to express an overcoming of individualism in view of an intersubjective relationship. In “Il terrore, o del negativo come furia del dileguare” [The Terror, or Towards the Negative as the Fury of Destruction], Luciano De Fiore addresses Hegel’s interpretation in the Phenomenology of the Terror as “absolute freedom” or “the fury of destruction”. The essay tends to highlight how the absolutization of freedom, which renounces mediation, brings with it a conflict that feeds itself so much that it engulfs the political. The political is therefore configured by De Fiore as the negation of war and therefore as the capacity to limit the process of absolutization of freedom. Marcella D’Abbiero in her essay “L’anima bella e i suoi problem” [The Beautiful Soul and its Problems] intends to offer an interpretation of the beautiful soul that frees this figure from the character of narcissism and inoperability. D’Abbiero shows how the beautiful soul can be configured as a resistance, internal to the spirit, to the historical-cosmic and universal character of agency: the beautiful soul represents the resistance to the wickedness, as a necessary price to pay in order to achieve the universal. In “Sapere, rappresentazione, perdono: le conclusioni della Fenomenologia dello spirito di Hegel” [Knowledge, Representation, Forgiveness: the Conclusions of Hegel’s Phenomenology of Spirit] Pierluigi Valenza highlights how the conclusion of the Phenomenology is tripartite in the three conclusions of the last three chapters. These conclusions – forgiveness, representation, and absolute knowledge – are vectorally oriented one to the other and yet they are parallels. Francesca Menegoni in “La filosofia pratica di Hegel” [Hegel’s Practical Philosophy] examines in particular the Grundlinien der Philosophie des Rechts highlighting the characteristics of person and Gewissen. The essay aims to show how in Hegel the tension between the individual and the community is open and productive without resulting in an annihilation of individuality, which indeed seems to consist in the very foundation of the community as “being with oneself in one’s other”. The first section of the book concludes with the Italian translation of Etienne Balibar’s “Du commun et de l’universel dans la Phénomenologie de Hegel” which aims to outline how in the Phenomenology there is an irreducible tension between community and universality that constitutes a negativity inherent to the movement of spirit itself. Balibar points out the tragic fate of communities that disappear at the very moment when they have come closest to the universal. The second section of the book deals with many different directions in the philosophical debate that start from Hegel’s philosophy. The essay by Marco Ivaldo “Dottrina della scienza e religione. Fichte nella ‘Disputa sull’ateismo’” [Doctrine of Science and Religion. Fichte’s ‘Dispute on Atheism’] intends to show how Fichte’s transcendental philosophy of religion is the understanding of the genesis into the consciousness of religious experience and its moral action. Alfredo Ferrarin in “Cosa dobbiamo riconoscere? Il Kant e lo Hegel di Brandom” [What Should We Recognize? Brandom’s Kant and Hegel] criticizes the pragmatist reading of recognition offered by Brandom as lacking in dialectic, reconstructing in detail the salient passages of the Critique of pure reason and Phenomenology which are hastily dismissed in Brandom’s interpretation. Fiorinda Li Vigni in “Figure del riconoscimento.
Originally published in: G. Bianco, ed., Jean Hyppolite. Entre structure et existence (Paris, ).
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Milton, Hegel, Camus” [Figures of Recognition. Milton, Hegel, Camus] proposes a comparison of the theme of recognition with the rebellion of Satan against God in John Milton’s Paradise Lost and with the figure of revolt in Albert Camus. Roberto Finelli’s essay “Il pensiero di L. Feuerbach come limite allo sviluppo mentale di K. Marx” [The Thought of L. Feuerbach as a Limit to the Mental Development in K. Marx] exposes how Feuerbach did not at all break the logocentrism of Hegel’s philosophy but instead reconstructed a metaphysics of Gattung with a deficit of subjectivism that influenced all of Marx’s works. Stefano Petrucciani in “Aspetti e problemi della critica marxiana del diritto” [Aspects and Problems of Marx’s Critique of Right] intends to illustrate Marx’s different approaches to the theme of law, distinguishing them from each other and showing how they are often not coherent. Luca Illetterati’s essay “Animalitas. Il vivente nella filosofia di Heidegger” [Animalitas. The Living in Heidegger’s Philosophy] highlights the ontological separation between the sphere of animalitas and the sphere of humanitas that runs through Heidegger’s philosophy to the point that the simple living being for Heidegger is a being that cannot even be thought of as such. In “Il duplice volto di Schmitt” [The Double Face of Schmitt] Geminello Preterossi highlights the relationship between Schmitt’s thought and revolutionary thought from the point of view of the relationship between political theology, secularization and emancipation on the one hand and from the point of view of the leftwing Italian cultural tradition on the other hand. Cristiana Cimino in “Le origini del riconoscimento nella costruzione del soggetto. Lacan con Winnicott” [The Origins of Recognition in the Construction of the Subject. Lacan with Winnicott] offers a reading of the two authors against the background of the theme of Hegelian recognition. Fiorella Bassan in “Una dialettica filosofica per mezzo delle forme: Georges Bataille e la ‘rivelazione’ Ejzenštejn” [A Philosophical Dialectic through Forms: Georges Bataille and the Revelation of Ejzenštejn] highlights how the two authors understand the dialectic as conflict and the conflict as a fundamental principle of existence and of every artistic form. Francesca Iannelli in “Duplicarsi per riconoscersi: arte, empatia e riconoscimento con e oltre Hegel” [Duplicate to Recognize Yourself: Art, Empathy and Recognition with and beyond Hegel] proposes an aesthetic perspective to read the theme of Hegelian recognition by comparing the Lectures on Aesthetics with the introduction of chapter IV of the Phenomenology, showing how in duplicating herself in the work of art the human being perfects her understanding of herself by making what is distant, foreign and disturbing close and familiar. Hegel & Sons returns the inexhaustible richness and complexity of the debates around Hegel’s philosophy and is at the same time able to hold together multiple perspectives crossed by the fil rouge of the theme of recognition. Together with the specificity of each contribution, it emerges how the theme and the problem of recognition in Hegel’s philosophy is not limited to the figures of the Phenomenology of Chapters IVand VI but takes on the speculative value of mediation. As such, mediation is shown in different polyphonic configurations – from political to theoretical, aesthetic, anthropological, psychoanalytical, and philosophy of religion – which can be found expressed in the essays collected in the book. Hegel & Sons therefore has at least a double merit: that of plumbing in depth the different and multiple aspects of Hegel’s philosophy and that of showing how Hegel’s philosophy is
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able to open up areas of investigation in which the inexhaustibility of research on the human as a relationship to the world emerges. Eleonora Cugini Università degli Studi di Padova
Christoph Menke. Autonomie und Befreiung. Studien zu Hegel. Berlin: Suhrkamp, . S. Drei Jahre nach der Veröffentlichung des hochangesehenen und viel kommentierten Buchs Kritik der Rechte hat Christoph Menke sechs Hegel-Beiträge unter dem Titel Autonomie und Befreiung gesammelt, die sich auf die neuere englischsprachige Hegel-Forschung (insbesondere auf Robert Pippins Arbeiten) und auf die Frankfurter Tradition der kritischen Theorie explizit berufen. Die Kreuzung beider Interpretationslinien trägt zur Originalität und Fruchtbarkeit der Hegel-Deutung Menkes bei, die sich als eine Komponente einer „materialistischen Theorie der Gesellschaft, die die Gesellschaft als Einheit von Freiheit und Herrschaft analysiert“, darstellt. Das Buch lässt sich also als ein Beitrag zur gegenwärtigen politischen Philosophie sowie zur kritischen Hegel-Forschung verstehen. Insgesamt betreffen die hier gruppierten Beiträge Hegels Begriff des Geistes, der als Raum einer „Dialektik der Befreiung“ verstanden wird. Freiheit ist kein Zustand, kein Prädikat einer ‚geistigen‘ Substanz, sondern wesentlich ein Prozess: „[D]ie Freiheit besteht nur in ihrem Werden“ (). Wovon aber befreit sich der Geist, um frei zu werden? Die klassische (z. B. kantische) Antwort lautet: von der Natur. Wie Menke sie versteht, beseitigt Hegels Beantwortung der Frage die Gegenüberstellung von Natur und Freiheit, insofern er die zu überwindende Natur als die eigene Natur des ‚naturhaften‘ Geistes selbst versteht: Die „zweite Natur“, wie Hegel sie mit Aristoteles’ Vokabular, aber in anti-aristotelischer Absicht nennt, soll als die „eigene natürliche Verfassung des Geistes“ (), nicht als ein äußeres Hindernis verstanden werden. Der Begriff der zweiten Natur (Grundlinien der Philosophie des Rechts, GW ,: § ) ist also der Leitfaden der Hegel-Deutung Menkes, weil er die Dialektizität des Geistes veranschaulicht: Die zweite Natur bedeutet „die wesentliche Inertie des Geistes als das Andere des Geistes im (und durch den) Geist“ (). Eben weil der Geist den Gegensatz von Natur und Geist in sich selbst reproduziert, ist die Naturhaftigkeit (oder in Marx’ Vokabular, die Naturwüchsigkeit) des Geistes auf einmal das, wovon er sich befreien muss und das, wodurch er sich von seiner eigenen Natur zu befreien vermag. Auf der Ebene des objektiven Geistes verkörpert die ‚Gesellschaft‘ dieses Doppelgesicht (oder vielmehr diese Dialektik) der natürlichen Verfassung des Geistes: Die Gesellschaft ist nämlich der Ort der (nicht legitimen) Herrschaft sowie der befreienden „harten Arbeit“ der Bildung (Grundlinien, GW ,: § ). In voller Treue zur Grundorientierung der ursprünglichen kritischen Theorie (Adorno) unterstreicht Menke die ‚negative‘ Seite der zweiten Natur; deshalb ist für ihn der Begriff der zweiten Natur ein „kritischer Begriff“ (). Die zweite Natur ist „immer noch Natur“ (), sie ist „mangelhaft“ (): Sie verkörpert die „Naturverfallenheit“ (), das innere Außer-sich-Sein, wovon der Geist sich befreien muss, um zu sich zu kommen. Die „Mechanismen des Sozialen“ – der sozialen Reproduktion im Sinne von Bourdieu – sind
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das, wovon die (werdenden) sozialen Subjekte sich durch ihre „Teilnahme an einer sozialen Praxis“ ( ff., ) befreien müssen und können. Fazit: „Die Befreiung erkämpft nicht eine Position […] innerhalb des Sozialen; sie erkämpft das Soziale: gegen das Soziale als naturhafter Mechanismus, für das Soziale als Medium des Geistes“ (). Über das Soziale und die „Sozialität der Vernunft“ (T. Pinkard) hinaus hat sogar die Freiheit als Befreiung eine ontologische, quasi-metaphysische Dimension: Sie ist ein „Akt der ontologischen Transformation“ (), wodurch die „Kraft der Negativität“ sich gegen irgendwelche „positiven“ Unterbrechungen ihrer Bewegung durchsetzt (). An diese ontologische Dimension der „unendlichen Negativität“ () soll sogar gegen Hegel (und Badiou, der vielleicht keine solche Ehrung verdient) mit Adorno stets erinnert werden: „[D]ie Kraft der Negation befreit [das Subjekt] dazu, die Äußerlichkeit zu bejahen“ (; das sind die letzten Worte des Buches). Man darf aber den Akzent verschieben und im Gegenzug die positive Seite der zweiten Natur hervorheben; Menke selbst stellt fest, dass die zweite Natur „doppelt beschreibbar“ ist (, Fn. ). Daraus ergibt sich eine alternative ‚institutionelle‘ eher als ‚kritische‘ Deutung des hegelschen Begriffs, die die Fruchtbarkeit und Positivität der Objektivierung der Freiheit unterstreicht, ohne jedoch die stets offene Möglichkeit einer Umkehrung jener notwendigen Objektivierung in Gestalt einer Unterwerfung unter die ‚Macht des Sozialen‘ zu übergehen. In einer solchen Richtung könnte man den Paragraphen der Grundlinien verstehen, der die zweite Natur, also das „Rechtssystem“, als „das Reich der verwirklichten Freyheit, die Welt des Geistes aus ihm selbst hervorgebracht“, darstellt. So gesehen wäre die zweite Natur nicht so sehr das ‚innere‘ Hindernis, das der subjektive Geist überwinden soll, als der Boden, auf dem die Befreiung als Hervorbringung der (stets irgendwie mangelhaften) Subjektivität erst stattfinden kann. Mit anderen Worten kann man die zweite Natur als eine Umschreibung des objektiven Geistes als einer „Welt, in welcher die Freyheit als vorhandene Nothwendigkeit ist“ (Enzyklopädie (), GW : § ) verstehen. Am Beispiel der zweiten Natur erfährt man also die Mehrdeutigkeit hegelscher Begriffe – oder vielmehr das, was ich ihre Doppelvalenz nenne: Die zweite Natur ist einerseits das, wogegen die Freiheit erobert werden soll; andererseits ist sie das, womit der Prozess der Befreiung anfangen muss. Man wird vermutlich fragen: Welche ist in letzter Instanz die ‚wahre‘ Bestimmung der zweiten Natur, die ‚negative‘ oder die ‚positive‘? Hegel (und Menke) zufolge soll man sich einer solch groben Alternative enthalten, die zur alten Legende des ‚Doppelgesichts‘ Hegels gehört. Hegel selbst hat vor dem vereinfachenden „Entweder… Oder“ des „metaphysischen Verstand[s]“ gewarnt (Enzyklopädie (), GW : § ). Es sollte hingegen die „produktive Ambivalenz“ der hegelschen Begrifflichkeit betont werden. Das ist vermutlich das Vorhaben Menkes, wenn er zum Beispiel das „Hybrid der Gewohnheit“ ( ff.) beschreibt: Einerseits scheint die Gewohnheit „ein bloß äußerlich determiniertes Geschehen“ zu sein; anderseits macht sie als „Gestalt des Geistes“ den Boden aus, auf dem Freiheit als Autonomie oder Selbsttätigkeit entstehen kann. Die Gewohnheit ist der „Mechanismus des Geistes“, der die Unzulänglichkeit irgendwelcher „mechanischer“ Auffassungen des Geistes aufdeckt ( ff.). Autonomie und Befreiung ist ein spannendes Werk, das das kritische und kreative Potenzial der hegelschen Begrifflichkeit auch deshalb enthüllt, weil es sie gegen Hegel selbst nutzt. Dies war schon das Vorhaben der Negativen Dialektik Adornos. Noch stärker und ‚positiver‘ als Adorno betont aber Menke, dass die „negative Kraft“ der Dialektik die „Bedingung des
F. Ranchio, Dimensionen der zweiten Natur (Hamburg, ), .
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Neuen“ ist (). Ihm geht es nämlich darum, „von Hegel zu lernen, wie die Frage nach der Befreiung auf die richtige Weise gestellt werden muss“ (): eine politische Hauptfrage, die die Sphäre der Politik und der politischen Philosophie bei weitem überragt. Jean-François Kervégan Université Paris – Panthéon-Sorbonne
Roberto Morani. Rileggere Hegel. Tempo, soggetto, negatività, dialettica [Rereading Hegel: Time, Subject, Negativity, Dialectics]. Napoli-Salerno: Orthotes, . pp. This book is rightly described by the title with which Roberto Morani came up for it: rereading Hegel. His effort of rereading Hegel’s texts results indeed not only in the proper content of these pages, but it also constitutes the method the author intended on using to revise a generally accepted negative attitude towards Hegel’s philosophy. Such an attitude, as Morani sees it, consists in rejecting both the very idea of a philosophical system – that is, the systematic intention to bridle the multiplicity of reality in the narrow network of a selfsufficient thought – and the bombastic expositive style of Hegel’s speculative dialectics. As a consequence, according to the author, Hegel’s philosophy has been excluded from the theoretical horizon of contemporary thought and doomed to irrelevance. The goal of this book is in a certain sense to free Hegel’s philosophy from the false image that interpretative traditions have been building on it: the image of a theory “distant from the problems, the challenges, the needs of the present” (). This is an enormous task that entails engaging with the hasty and sometimes unreflected way through which Hegel’s philosophy has been dismissed, as well as with the hidden bearing of Hegel on some contemporary philosophical positions that at first glance seem far apart if not antagonistic. According to the author, the hermeneutic koinè, entrenched in our philosophical culture, speaks against Hegel and can be the very reason behind Hegel’s today irrelevance. By using Giulio Severino’s words, Morani claims that “maybe what separates us from Hegel, even though his bearing on our times, are the images that come from the tradition” (). Or also one could use Hegel’s own warning to remind that what is familiar – the image of Hegel’s philosophical system consolidated by contemporary interpretations and at stake, more generally, in our philosophical sensibility – is for that reason not known. Rereading, returning to a close consideration of the language of Hegel’s texts, appears then as the precious and indispensable tool for the aim of striping away such a superficial image. This volume is a collection of twelve essays, elaborated by the author over a lengthy period of time. It brings together already-published works by Morani from to ; the last chapter is an original work. The essays tackle several aspects of Hegel’s philosophy, which lend the book a considerable breadth of topics and questions, one of the greatest values of Morani’s work. Time, subject, negativity and dialectics – indicated by the author as subheading of the volume – are the major issues underlying the different chapters of this book. The secondary literature employed is predominantly from Italian, French and German sources, as well as Italian, French and German are the philosophical contexts taken into account by the author.
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Running through chapters , and is an account of Hegel’s concept of time, according to different point of views. The account given here is based on the general idea that there is a fundamental polysemy of the concept of time, and that a process of resemantization of the concept of time is at stake throughout Hegel’s system. In Chapter , “Tempo e dialettica dello spirito” [Time and Dialectics of Spirit], Morani addresses some of the senses in which Hegel conceives the form of time in the Philosophy of Nature and in the Philosophy of Spirit. Even though Hegel deals with die Zeit (as such) only in the Philosophy of Nature and it concerns the form of natural becoming, Morani shows that it is actually in the Philosophy of Spirit, with the concept of eternity as form of the selfdevelopment of spirit, that we can find the systhematische Ort of the concept of time. In Chapter , “Tempo e filosofia in Hegel” [Time and Philosophy in Hegel], Morani deals with the concept of time in relation to philosophy. By calling into question the contradiction between philosophy and history, that is the idea of irreconcilability of truth and the transience of events, he gives an account of the historicity of the Idea for Hegel. According to the author, the activity of Widerlegung, led by philosophy towards its own history, is crucial for the overcoming of that contradiction, insofar as the confutation of the past becomes the ongoing process of the self-knowledge of philosophy. The issue of time is addressed in relation to its exposition in Hegel’s Phenomenology of Spirit in Chapter , “Dalla natura allo spirito. Il tempo nella Fenomenologia dello Spirito” [From Nature to Spirit: Time in the Phenomenology of Spirit]. Here Morani tackles Heidegger’s critique of the Hegelian concept of time. As he argues in Chapter as well, Morani rejects the idea that in Hegel the concept of time solely means the time of the natural becoming. By showing the difference, as it emerges in the Phenomenology of Spirit, between the quantitative form of time of nature, the eschatological form of time of the believing consciousness and the form of time of absolute knowledge, he criticises the Heideggerian interpretation that coincides the concept of time and the form of Jetzt. In Chapter , “Heidegger, Hegel e la questione del nulla” [Heidegger, Hegel and the Problem of Nothing], Morani deals more directly with a comparison between Heidegger and Hegel in relation to the problem of nothing. More specifically, the way in which Heidegger contrasts his notion of nothing with Hegel’s notion of negativity is questioned by the author by retrieving the flaw of the Heideggerian interpretation in the inadequate understanding of the relationship between negativity and the Idea in Hegel’s philosophy. Chapter and both refer to the French philosophical context and to the French reception of Hegel. Chapter , “Hegel encore, toujours… Soggettività e follia tra Foucault e Hegel” [Hegel encore, toujours…. Subjectivity and madness between Foucault and Hegel], is an attempt to go beyond Foucault’s own hostility against the philosophy of Hegel. The author endorses Derrida’s proposal to frame the comparison between Foucault and Hegel around a concept of reason that, qua common root and original logos, allows to go back up the separation between reason and madness. According to the author, within such a comparison, Hegel’s idea of dialectical reason can effectively become a claim for the contemporary relevance of his philosophy. In Chapter , “Hegel e l’hegelismo francese negli anni Trenta del Novecento” [Hegel and the French Hegelianism of the s] Morani reconstructs the historical development of the French Hegel-Renaissance, by focusing on the centrality of interpretative role of Alexandre Koyré.
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In Chapter , “Della natura e funzione dell’arte nel sistema di Hegel” [The Nature and Function of Art in Hegel’s System], Morani deals with the issue of the death of art through the examination of the role of art within the Philosophy of Spirit. According to the author, it is only within the conceptual horizon of the formation of Spirit, that the death of art can be understood not as art’s definitive irrelevance, rather as beginning of the ongoing process of Zurückkommen aus der Natur that defines the activity of Spirit itself. Chapter , “Il dialogo di Hegel con Kant nei Lineamenti di filosofia del diritto” [Hegel’s Dialogue with Kant in the Elements of the Philosophy of Right] is about the ambivalent judgement that Hegel gives to the Kantian subjective freedom in the field of morality, with particular reference to point of view of the formal Gewissen ushered by Kant. Moving from the structure of the formal Gewissen, in Chapter “Hegel e la forza che frena” [Hegel and the power that restrains], Morani orients around the degree to which Hegel’s project can be read according to the conceptual framework of katéchon. In Chapter , “Del doppio inizio della logica hegeliana” [On the Double Beginning of Hegel’s Logic], Morani addresses a topic that has received considerable attention among interprets: the “vexata quaestio” of the logical beginning. Here the author goes into the matter at length, by taking into account some of the major positions of Hegel scholarship. In Chapter , “Riflessione e intelletto come pharmakon nella Prefazione della Fenomenologia dello Spirito” [Reflection and Understanding as Pharmakon in the Preface to the Phenomenology of Spirit], Morani assesses two more polysemic and correlated concepts of Hegel’s philosophy: reflection and understanding. As the author sees it, while in the early Jena writings reflection and understanding simply counteract the activity of speculation and reason, with the Phenomenology of Spirit there is a decisive change that bestows the status of pharmakon (both poison and remedy) of modernity on reflection and understanding. In the last chapter, “Prove di sistema. L’Enciclopedia del ” [System Attempts. The Encyclopedia], the author gives an account of the difference between Heidelberg Encyclopedia and the later Berlin editions. The author retrieves four main explanations of what he sees as Hegel’s philosophical dissatisfaction; he shows that: ) there is a progressive revaluation of the role of representation for philosophy in light of a more comprehensive idea of Denken; ) Hegel’s changes to the Vorbegriff section goes towards a softening of the decision moment at the beginning of science; ) Heidelberg edition does not reflect yet the reorganisation of the structure of logic after the writing of the Doctrine of Concept; ) there is a radical reform of the Philosophy of Spirit and of the dialectic of spirit. In conclusion, even if one could ask if the primacy of text is enough to understand Hegel’s philosophy in its own time and to rethinking it in our time, Morani’s book is a rich journey through major aspects of Hegel’s philosophy and his reception. It constitutes a strong and convincing invitation to reappropriate a close understanding of Hegel’s texts. Giovanna Luciano Università degli Studi di Padova / Western Sydney University
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Dean Moyar, Hg. The Oxford Handbook of Hegel. Oxford et al.: Oxford University Press, . S. Handbücher zu großen Philosophen gibt es viele, auch zu Georg Wilhelm Friedrich Hegel sind bereits zahlreiche Handbücher in den verschiedenen akademischen Reihen anerkannter Verlage erschienen. Man denke etwa an den Blackwell Companion to Hegel, den Stephen Houlgate und Michael Baur besorgt haben, oder den Cambridge Companion to Hegel and Ninenteenth Century Philosophy von Fredrick C. Beiser. Auf Deutsch liegt in der Handbuchreihe des Metzler-Verlags etwa das von Walter Jaeschke im Alleingang verfasste Hegel-Handbuch von vor. Das nun von Dean Moyar besorgte und herausgegebene Oxford Handbook of Hegel zeichnet sich in diesem Feld vor allem durch seinen Umfang – beeindruckende Seiten – sowie den Zugriff zur Organisation des Materials aus. Es versammelt rund Beiträge zu den verschiedensten Aspekten der hegelschen Philosophie. Aufgrund dieses Umfangs wird sich die Rezension in der Folge primär auf die Fragen der Handbuchkonzeption konzentrieren, ehe der Erfolg des Ganzen anhand eines groben Überblicks der Inhalte Gegenstand werden wird. Positiv hervorzuheben ist zuallererst, dass das Handbuch – wann immer dies die behandelten Texte erlauben – als primäre Zitationsquelle auf die Ausgabe der Gesammelten Werke (GW) für die editionsphilologisch adäquate Textgestalt zurückgreift. Wie Moyar zu Recht bemerkt, ist die Moldenhauer/Michel-Ausgabe im Suhrkamp-Verlag, die auf einer Überarbeitung der Freundesvereinsausgabe als erster Hegel-Werkausgabe aufruht, zwar immer noch die “most accessible German edition“, aber „it is time for GW to come into regular use as the authorative edition“ (xi). Auf die Herausforderungen, denen man sich bei der Konzipierung und inhaltlichen Organisation eines Hegel-Handbuchs gegenübergestellt sieht, geht Moyar in seiner – gemessen am Umfang des Gesamtbandes – knappen, aber konzisen Einleitung (xxvii-xlix) gleich zu deren Beginn ein. Das Kernproblem sieht er dabei darin, dass es trotz der Vielzahl an Forschungen nach wie vor schwierig sei, Hegels Thesen, Argumente und Positionen unabhängig von der hegelschen Sprache und der ihm eigentümlichen Methode seines Philosophierens darzustellen. Dabei gerate aber der konstitutive „rigorously dialectical character“ (xxvii) der hegelschen Philosophie ins Hintertreffen. Statt der ‚dogmatischen‘ Setzung oder Heranziehung von als Prämissen tauglichen Sätzen, hat Moyar damit genauer die enge Verzahnung der sukzessiven Prämissengenese im Auge, durch die eine Explikation von Begriffen und Positionen erreicht wird, die dann zu einer Konklusion führt, die wiederum einer erneuten präsuppositionalen Analyse zur Lösung neuer Schwierigkeiten unterzogen wird. Diese enge Verzahnung bei der Explikation einer Position Hegels relativ zu einem bestimmten Thema oder einer philosophischen Kontroverse verpflichtet die Interpretin dazu, eine Vielzahl vorangehender Textraten heranzuziehen, für die dann wiederum eine Explikation anzubieten ist usw. Daher drohe einmal die Gefahr, Hegels Position in einer Reihe von nur begrenzt informativen Disjunktionen zu explizieren: „[H]is view is not X, not Y, not Z“ (xxvii), ohne eine befriedigende positive Explikation offerieren zu können. Auf der anderen Seite drohe die Gefahr, in jedem Abschnitt eine mehr oder weniger ausführliche Interpretation der gesamten Philosophie Hegels (oder zumindest des gesamten hegelschen Systems) anzubieten, was den Zielen eines Handbuchs zuwiderlaufen würde. Um diesen Gefahren auszuweichen, erwartet die Leser des Bandes kein „topicoriented handbook“ (xxvii), sondern vielmehr ein Werk, das sich weitgehend an den Einteilungen orientiert, die Hegel selbst für sein System vorgeschlagen hat. Freilich ist
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zuzugestehen, dass auch dieses Verfahren keine ideale Lösung darstellt, dennoch ist dem Editor beizupflichten, dass es sich hierbei zweifellos um ein adäquates und der Forschungslage näherstehendes Verfahren handelt, als die hegelschen Positionierungen ohne weiteres in Bezugnahme auf systematische Positionen aufzulösen und in diese einordnen zu wollen. Bei letzterem Vorgehen bestünde zudem die Gefahr, die Beiträge entweder in unverantwortliche Länge zu ziehen oder aber sich weit von den hegelschen Texten zu entfernen, zu deren Verständnis das Handbuch aber doch gerade beitragen soll. Dem sucht der Band dadurch Rechnung zu tragen, dass die Beiträge „are all marked by a close engagement with Hegel’s actual texts“ (xxx). Doch der Königsweg zur Interpretation der hegelschen Philosophie sei auch damit, dessen ist sich der Herausgeber bewusst, noch nicht gefunden (xxviii). Die Hegel-Forschung habe vielmehr nach wie vor darüber nachzudenken, wie man Hegel überhaupt zu lesen habe (xxx). Es ist dieser durchdachte Aufbau, der viel zum Gewinn beiträgt, den dieses Handbuch einbringt, wenngleich die gewünschte Textnähe, trotz des imposanten Umfangs des Bandes, in der Aufbereitung mitunter schwankt und nicht alle den einzelnen Beiträgen zugewiesenen Textabschnitte von den AutorInnen mit gleicher Ausführlichkeit aufbereitet werden (können). In Abschnitt I.. der Einleitung gibt Moyar einen groben Überblick über die Landschaft der Interpretationsvorschläge zur hegelschen Philosophie. Sein Fokus liegt dabei auf dem erneut erwachten Interesse an der Hegel-Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere in Deutschland (exemplarisch: Dieter Henrich, Rolf-Peter Horstmann) und – etwas später – in den USA (exemplarisch: Charles Taylor) sowie einer zweiten Welle Ende der er, Anfang der er Jahre (exemplarisch: Robert Pippin, Terry Pinkard). Eine – und sei es auch nur knappe – Aufbereitung der Hegel-Forschung des . Jahrhunderts oder der ersten Hälfte des . Jahrhunderts, man denke etwa an Franz Rosenzweigs Hegel und der Staat (), findet sich nicht. Dies entspricht auch dem Vorgehen des Handbuchs, das primär ForscherInnen der ‚dritten Welle‘ der Hegel-Forschung nach bzw. „mid-career scholars“ (xxix) zu Wort kommen lassen möchte. Begreift man ein Handbuch nicht als für die Ewigkeit geschrieben, sondern eher als integrative Momentaufnahme der aktuellen Forschungslandschaft, dann handelt es sich hierbei um ein begrüßenswertes Vorgehen, das den LeserInnen ebenso wie den ForscherInnen die Möglichkeit bietet, zu reflektieren, welche Schritte die Hegel-Forschung in den letzten Jahrzehnten getan hat und wo Herausforderungen, Risiken und Chancen für die Zukunft liegen. Moyar bietet eine grobe Einteilung der Interpretationslandschaft nach der ursprünglich auf Klaus Hartmann zurückgehenden Einteilung in metaphysische und anti-metaphysische Lesarten an, wobei Hartmann und Robert Pippin zu letzterer gezählt werden. Neben dieser Lesart wird eine an Spinoza orientierte Lesart vorgestellt (vor allem verbunden mit Brady Bowman) sowie die Nonpriority-View von Stephen Houlgate. Letztere versucht, Hegel weder auf die Seite eines Substanzmetaphysikers (wie in der Spinoza-Interpretation) noch eines Kategorientheoretikers (wie bei Hartmann oder Pippin) zu stellen, sondern betont, dass eine solche Differenzierung den hegelschen Thesen nicht gerecht werde. Zu den zentralen Begriffen, auf welche die Forschung sich konzentriert habe, um Aufschluss über die Eigenheiten des hegelschen Ansatzes und dessen Charakteristika zu erhalten, sei die Kategorie des Zwecks, die eine zentrale Differenz zu Spinoza markiert, anzusehen sowie der Begriff der Handlung als Brücke zwischen theoretischer und praktischer Philosophie und schließlich generell Hegels Verständnis von Normativität. Es wäre nun möglich an dieser
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Stelle darauf hinzuweisen, dass mit diesen knappen Benennungen und Interpretationsofferten (xxviii-xxxiv) weder die Menge an Interpretationsangeboten für das gesamte System abgedeckt ist (man denke etwa an die Plotin-inspirierten Vorschläge von Jens Halfwassen oder die sprachanalytischen Vorschläge Pirmin Stekeler-Weithofers) noch sich die Vielzahl an Einzelstudien zu Teilaspekten der hegelschen Philosophie auf diese Weise anordnen lassen. Was der Überblick aber einsichtig macht, ist, dass in der Hegel-Forschung nach wie vor nicht nur kein Mangel an Streitfragen über adäquates Textverständnis sowie Zugänge existiert, sondern auch, das die Metasprache, in der diese Kontroversen gerahmt werden, ähnliche Schwierigkeiten aufwirft, wie sie bei der Charakterisierung von Hegels Philosophie selbst auftreten. So ist Moyar gezwungen, auch Unterscheidungen wie ‚metaphysische vs. anti-metaphysische‘ Lesart, stets noch mit Anmerkungen zu versehen, um grobe Missverständnisse zu vermeiden. Dies ist freilich weder dem Herausgeber vorzuwerfen noch denjenigen, die ihre Interpretationsvorschläge unter bestimmte ‚Label‘ zu bringen suchen, sondern liegt in der Sache. Um noch einmal auf die Vorstellung des Handbuchs als integrativer Momentaufnahme der Forschung zurückzukommen, so zeigt sich hier, dass eine der Kontroversen der Zukunft nicht so sehr über Hegel selbst, sondern über die investierten hermeneutischen Mittelbestände und die Sprache, in der diese präsentiert werden, zu führen wäre. Denn auch die Verpflichtung auf textnahe Interpretation (unter Gebrauch adäquater Editionen) lässt doch noch eine Vielzahl an Zwecken und Mitteln zu, die beim Erstellen einer Interpretation für Differenzen, Verständnishürden und Diskussionen Anlass geben. Mithin fordert die Forschungsangebotslage gerade dazu heraus, als einen der weiteren Schritte der Hegel-Forschung für die Zukunft, weitere Reflexionen über die eigenen (und fremden) Erschließungsmittel und die Diskursregeln und möglichen Zwecke, die in der Forschung erreicht werden sollen, anzustellen. Dies ist gerade dann von Relevanz, wenn das Forschungsziel nicht allein in einer historisch aufbereitenden Ideengeschichte besteht, sondern darin, Argumente im hegelschen Geist mit Anspruch auf Geltung vorzutragen. Einer der Vorzüge dieses Handbuchs liegt gerade darin, dass solche Herausforderungen nicht verschleiert werden, sondern das Buch so auch als gewichtige Motivation und Anlass gesehen werden kann, bei den erzielten Ergebnissen und Differenzen nicht stehen zu bleiben. Man könnte sagen, das Handbuch ist, in hegelschem Geiste gesprochen, ein Kind seiner Zeit und möchte dies auch sein. Im zweiten Abschnitt der Einleitung gibt Moyar einen, an der Biographie Terry Pinkards (der auch eine hilfreiche Chronologie von Hegels Leben für das Handbuch besorgt hat; xxi-xxv) ausgerichtete konzise und lohnenswerte Einführung in Hegels Denkbewegung bis zum Beginn der Jenaer Zeit, dies deshalb, da das Handbuch selbst – an Hegels System orientiert – dann erst mit Hegels erster eigenständiger Publikation beginnt. Daher findet sich im Handbuch auch kein eigenständiger biographischer Artikel, der Hegels Leben in Gänze aufbereiten würde. In Anbetracht der biographischen Angebotslage und der gewünschten Konzentration auf die hegelsche Philosophie ist dies aber gut zu verschmerzen. Im dritten und letzten Teil der Einleitung möchte Moyar zumindest mit einem knappen Einblick auf die Unterlassung reagieren, dass die direkt an Hegel anschließenden Rezeptionsbewegungen im Handbuch selbst nicht mit eigenen Artikeln vertreten sind. Dies betrifft zum einen die junghegelianische Bewegung, die auf Hegels Tod folgte, sowie die Strömung der britischen Idealisten. Dabei wird in Moyars knappem Narrativ die interessante Einsicht deutlich, dass auf Hegels Position die Junghegelianer an Hegel gerade die religionskritischen Motive in gesellschaftspolitischer Absicht betonten, während die briti-
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schen Idealisten, dieselbe Absicht verfolgen, aber gerade eine Versöhnung mit dem Christentum durch Hegel verfolgen (xliii-xliv). Überträgt man diese Einsicht auf die Debattenlage der Junghegelianer in Deutschland, so verfochten die Briten also eher rechtshegelianische Ziele mit dem praktischen Interesse, das die junghegelianische Strömung auszeichnete. Während dieser dritte Teil der Einleitung sich als der gelungene Versuch verstehen lässt, schmerzliche Unterlassungen des Handbuchs zumindest abzufedern, knüpft der erste Hauptteil des Handbuchs ziemlich nahtlos an Moyars Skizze im zweiten Abschnitt der Einleitung an. Das Handbuch ist in sechs Teile gegliedert, die grob dem Aufbau des hegelschen Systems – bei Unterlegung einer losen Chronologie der Publikationsdaten der Schriften – folgen. Im ersten Teil finden sich zwei Beiträge zu Hegels Publikationen und Arbeiten aus der Jenaer Phase bis /, vor allem seine Beiträge zur praktischen Philosophie (I.) sowie die „Differenzschrift“ (I.) werden eingehend behandelt. Dem ersten inhaltlichen Beitrag zu Hegels „Differenzschrift“ gelingt eine nahtlose Anknüpfung an den zweiten Abschnitt von Moyars Einleitung, sodass hier ein geradezu idealer Übergang in die Interpretationsvorschläge der hegelschen Philosophie gewährleistet ist. Birgit Sandkaulen bietet einen konzisen und systematisch hilfreichen Einblick in den Aufbau und die interpretatorischen Herausforderungen, die Hegels „Differenzschrift“ betreffen. Dabei ist hoch anzurechnen, dass ihr sowohl eine Verzahnung mit den idealistischen Debatten vor Hegels Debüt gelingt als auch und gerade eine Verknüpfung mit den Beweislasten und Schwierigkeiten, die Hegels Ansatz ihm für seine weiteren Systementwürfe aufbürdete. Gerade da die „Differenzschrift“ in der Forschung zumeist als ‚Frühwerk‘ weniger Aufmerksamkeit erhält als etwa die Phänomenologie des Geistes, liest man mit Gewinn, inwiefern sich bereits hier zentrale Merkmale des hegelschen Systems in einem ersten Entwurf manifestierten. Damit wird bereits diese Schrift als eigenständiger philosophischer Beitrag Hegels deutlich, der in dieser Phase keineswegs als bloßer Schüler Schellings zu betrachten sei. Der zweite Teil des Handbuchs widmet sich dann in sechs Kapiteln (II.-II.) der Phänomenologie des Geistes, wobei dem umfangreichen Vorwort der Monographie leider kein eigenständiger Abschnitt gewidmet ist. Stattdessen beginnt die Analyse mit der wesentlich knapperen „Einleitung“ Hegels sowie den ersten drei Kapiteln, wobei der Analyseschwerpunkt des Beitrags von Dina Emundts auf „Kraft und Verstand“ liegt, was aufgrund der besonderen Verständnishürden, die gerade dieses Kapitel den LeserInnen stellt, nachvollziehbar ist. In der Folge präsentiert der zweite Abschnitt eingehende Analysen zu den Hauptkapiteln oder Stationen der Phänomenologie des Geistes bis hin zum „Absoluten Wissen“, dem Dean Moyar (II.) einen ausführlichen Kommentar widmet, dessen Stärke gerade auch in der retrospektiven Einbindung der vorangegangenen Teile liegt. Der dritte Teil widmet sich in sechs Beiträgen dem Kernstück des hegelschen Philosophierens, der Wissenschaft der Logik. Während sich der erste Beitrag des Abschnitts von Robert Pippin den methodologischen Grundentscheidungen des hegelschen Projekts widmet, konzentriert sich Brady Bowman auf die Seinslogik. Die folgenden vier Kapitel beschäftigen sich dann jeweils mit der Wesens- und der Begriffslogik. Sämtliche Beiträge stellen hilfreiche Perspektiven auf die Wissenschaft der Logik bereit, dennoch zeigt sich gerade hier, wie viel noch zu tun ist, um im Umgang und der Interpretation der grundlegenden Merkmale der Wissenschaft der Logik einem Forschungskonsens näherzukommen. Im vierten Teil wird das Projekt der Enzyklopädie vorgestellt sowie die Philosophie der Natur und der subjektive Geist. In diesem Abschnitt zeigen sich am ehesten die Grenzen des
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Handbuchaufbaus, wäre es doch ggf. konsequenter gewesen – wenngleich den Umfang des Handbuchs etwaig sprengend –, hier zuerst Einleitung und Vorbegriff abzuhandeln, dann die enzyklopädische Logik und in der Folge in einem gesonderten Teil je Naturphilosophie und dann den subjektiven Geist mit seinen Unterabschnitten. Stattdessen wird in Teil III zur Wissenschaft der Logik sowohl auf die ‚kleine(n)‘ Logiken wie die große Logik zurückgegriffen. Sieht man das Handbuch aber erneut als Momentaufnahme der Forschung, dann spiegelt sich hier die quantitative Unwucht des Forschungsinteresses an den Teilen des hegelschen System konsequent wider. Während für die gesamte Naturphilosophie lediglich ein – hilfreiches – Kapitel (IV.) vorgesehen ist und für den subjektiven Geist lediglich zwei Kapitel zur Anthropologie und Psychologie (IV., IV.), finden sich in Teil V ganze fünf Kapitel, die sich mit dem objektiven Geist, mithin mit den Grundlinien der Philosophie des Rechts auseinandersetzen. Der sechste Teil befasst sich dann mit dem absoluten Geist unter Heranziehung der Vorlesungsmanuskripte aus der Berliner Periode, wobei Hegels umfangreiche Geschichte der Philosophie in zwei Kapiteln (VI.; VI.) präsentiert wird. Hier wäre es – auch im Rahmen des Wunsches nach Textnähe – sicherlich von Vorteil gewesen, den LeserInnen auch ein Kapitel über die abschließenden Paragraphen der Enzyklopädie gesondert anzubieten, da hier insgesamt – aufgrund des umfangreichen Materials (bei Hinzuziehung der Nach- und Mitschriften der Vorlesungen wie der erhaltenen Manuskripte) – sehr kursorisch, respektive auf enormer Flughöhe gearbeitet werden muss. Abgeschlossen wird das Handbuch mit einem siebten Teil zu Hegels Erbe, in dem zentrale Rezeptionsstränge der hegelschen Philosophie aufbereitet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Rezeptionsströmungen (besonders faszinierend etwa die ausführliche Aufbereitung der amerikanischen Rezeption von – ; VII.), ein Artikel ist auch dem Niederschlag des hegelschen Philosophierens im Werk von Karl Marx gewidmet (VII.). Wünschenswert wären hier ggf. noch Beiträge zum Niederschlag der hegelschen Philosophie etwa bei Sören Kierkegaard oder Martin Heidegger gewesen. Nichtsdestotrotz sind aber zentrale Rezeptionsstränge aufbereitet und eine umfassendere Darstellung der HegelRezeption, gerade des . Jahrhunderts in Europa, verlangt wohl ein eigenes Handbuch. Insgesamt bietet das Werk den LeserInnen einen umfangreichen Einblick in die hegelsche Philosophie und deren Rezeption. Den Artikeln gelingt dabei weitestgehend der Spagat sowohl einsteigenden wie fortgeschrittenen ForscherInnen faszinierende Einblicke, Interpretationsvorschläge und Forschungsperspektiven zu eröffnen. Mag der Aufbau des Handbuchs auch kein Königsweg sein, so hat er sich dennoch bewährt, denn ihm gelingt das Kunststück, durch seine Gliederung sowohl denjenigen LeserInnen, die Hilfe für einen bestimmten Abschnitt des hegelschen Werkes suchen, als auch denjenigen, die an einem Gesamtüberblick interessiert sind, wertvolle Einblicke zu geben. Es lässt sich sowohl in Gänze und in Reihenfolge der Beiträge, wie auch beim ‚Hineinspringen‘, gut verwenden, und den Beiträgen gelingt es, die verschiedenen Lesergruppen in ihrer jeweiligen Einleitung ein Stück weit ‚mitzunehmen‘. Darüber hinaus stellt das Handbuch als Ganzes einen wichtigen Diskussionsmeilenstein für die Metadebatte darüber dar, wo die Hegel-Forschung heute steht, was sie erreicht hat und welche Aufgaben in der Zukunft im gemeinsamen Diskurs zu bewältigen sein werden. Denn – soviel wird in nahezu jedem Beitrag
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deutlich – weder das Potential noch die hermeneutischen Herausforderungen des Textverstehens können als abgeschlossen gelten. Tim Rojek Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Emmanuel Nakamura. Der Maßstab der Kritik des modernen Staates bei Hegel und Marx. Berlin et al.: de Gruyter, . S. Dass Hegel ein Verfechter der preußischen Verfassung seiner Zeit war und dass Marx keine systematische Theorie des modernen Staates bietet, sind theoretische Annahmen, die in neueren Forschungen bestritten worden sind. Der Vormärz-Hintergrund der Rechtsphilosophie sowie der hegelschen Schule, die Oszillation zwischen progressiver Reform und repressivem Konservatismus in der sich an den Vormärz anschließenden Politik in Deutschland; die Wirtschaftsgeschichte, die Entwicklung des Kapitalismus und die Debatten um Armut und Pöbel; die epistemologische Komplexität des hegelschen Denkens und seine Auseinandersetzung mit der klassischen Metaphysik, der Transzendentalphilosophie, der klassischen politischen Ökonomie, der Französischen Revolution und der christlichen Weltanschauung – diese Faktoren wirken bei der Gestaltung des hegelschen Begriffs des Staates und seiner Fassung der kapitalistischen Moderne mit, sodass der kritische Maßstab, den dieser Begriff bieten könnte, um zeitgenössische soziale und kulturelle Prozesse verstehen und einordnen zu können, eine Menge geschichtliche und theoretische Widersprüche beinhaltet, die sich mit der dialektischen Methode behandeln lassen. Die Dialektik bleibt eine Bedingung sine qua non, um Hegel wissenschaftlich zu lesen. Dass Marx keine Rechtsphilosophie geschrieben hat, bedeutet nicht, dass er diese Widersprüche ignorierte, sondern dass er nach einer praktischen Veränderung der Welt strebte, um mit ihnen umzugehen. Marx’ Leben und Denken stehen für eine Integration der hegelschen Begriffe des Staates und der Freiheit in eine revolutionäre Praxis, d. h. eine dialektische Aufhebung des Idealismus und des Konservatismus der Rechtsphilosophie, die Hegels theoretische Arbeit und wissenschaftliche Behandlungsart über weite Strecken bejaht. Dass Nakamura anhand von Hegel und Marx einen Begriff der kritischen Rechtsphilosophie ausarbeitet, um die Idee der Freiheit neu zu denken und mit zeitgenössischem sozialen und geschichtlichen Inhalt anzureichern, lässt sich als eine gegenseitige Ergänzung der sozialen, ökonomischen und politischen Ansätze der hegelschen Rechtsphilosophie und der marxschen Kritik des Kapitalismus verstehen. Nakamuras Der Maßstab der Kritik des modernen Staates bei Hegel und Marx bietet eine systematische Rekonstruktion des hegelschen Begriffs der subjektiven Freiheit, eine Darlegung des Begriffs der sozialen Freiheit als eine logische Folge des Kontakts der Rechtsphilosophie Hegels mit der Geschichte Deutschlands im . Jahrhundert und der Entwicklung des Kapitalismus in Europa und weltweit, und auch eine Geschichte der Freiheit, die die ‚soziale Frage‘ samt marxschen Elementen zur politischen Emanzipation beinhaltet. Schließlich werden die Fortschritte im Bewusstsein der sozialen Freiheit geschichtsphilosophisch anhand von Hegel und Marx analysiert, was notwendig zur Gegenwart führt. Die Globalisierung, die Biomacht (Agamben), der Neoliberalismus (Harvey) und der Öko-
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nomismus (Honneth, Jaeggi) der postindustriellen Gesellschaften können mit dieser Geschichte der Freiheit untersucht werden. Eine vernünftige (d. h. freiheitsorientierte) wissenschaftliche und politische Praxis kann davon inspiriert werden. Der Band besteht aus einer Einleitung und drei Abschnitten („Das Recht der subjektiven Freiheit“, „Das Recht der sozialen Freiheit“ und „Die Geschichte sozialer Freiheit“), wo drei Hypothesen untersucht werden, nämlich: „Die sozialen Freiheiten werden heutzutage nicht aus äußeren Gründen, sondern wegen der internen Widersprüche der politischen Willensbildung der modernen Repräsentativsysteme infrage gestellt […]. Die junghegelianische Auseinandersetzung mit der sozialen und der Vefassungsfrage in Preußen [kann gesehen werden] als die begriffliche Erkenntnisform des Entstehungbeginns desjenigen Geistes einer Epoche […], der die wirkliche Entwicklung der Sozialstaaten belebt hat […]. Die Vorstellung der auf einen Endzustand projizierten sozialen Freiheiten ist eine Art Blockade, die uns daran hindert, weitere Fortschritte im Bewusstsein der sozialen Freiheit zu erkennen.“ () Der Verfasser geht von den Gesammelten Werken Hegels und der MarxEngels-Gesamtausgabe aus, sodass die Arbeit state of the art ist bzgl. der Quellenliteratur. Hegels Vorlesungen über die Philosophie des Rechts, über die Philosophie des subjektiven Geistes, über die Beweise vom Dasein Gottes und über die Philosophie der Religion werden als Ergänzung zur Phänomenologie des Geistes, zur Enzyklopädie, und zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts herangezogen, um Hegels Idee der Freiheit darzustellen; Marx’ ökonomische Schriften (Das Kapital, die Grundrisse), philosophische Aufsätze (die Ökonomisch-Philosophischen Manuskripte, die Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie), historische und publizistische Arbeiten (Die Klassenkämpfe in Frankreich, die Schriften zur Holzfrage in Preußen) sowie Korrespondenzen werden ausgewertet, um einen kritischen Dialog mit Hegels Rechtsphilosophie zu führen. Des Weiteren kommen Linkshegelianer wie Bauer, Ruge, Feuerbach und Gans für die kritische Arbeit an dem Begriff Gottes und des Staates zu Wort. Schließlich wird die Relevanz der hegelschen Idee der Freiheit aufgezeigt, um die gegenwärtige Welt kritisch betrachten und ferner beurteilen zu können, wie zeitgenössische Diskurse und Institutionen Freiheit schaffen oder blockieren können. Honneths „Idee des Sozialismus“ und sogar Walter Benjamins radikale materialistische Idee des „Kapitalismus als Religion“ werden als Ansätze untersucht, die aus Hegels und Marx’ politischer Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit resultieren. Im Abschnitt „Das Recht der subjektiven Freiheit“ handelt es sich um die Darlegung des Begriffs des freien Willens (d. h. des gesamten Inhalts der Philosophie des objektiven Geistes); die Dialektik als „die Bewegung des Begriffs selbst“ () wird als Voraussetzung des hegelschen Ansatzes zum abstraktem Recht, zur Moralität, Gesellschafts- und Staatstheorie präsentiert. (Die Diskussion um die Methode in der Philosophie und der Wissenschaft wird anhand der Wissenschaft der Logik analysiert.) In der hegelschen Dialektik werden Kategorien dynamisch angewendet, sodass Widersprüche, Übergänge und Aufhebungen überall zu finden sind. Diese Methode impliziert ein „System der Totalität der Denkbestimmungen“ (). Dass der Verfasser die Triebtheorie in der Philosophie des subjektiven Geistes vor der Rechtsanalyse behandelt, kann anhand der dialektischen Methode gerechtfertigt werden. Mit Walter Jaeschke und anderen zeitgenössischen Hegel-Forschern legt der Verfasser dar, wie geschichtliche und wirtschaftliche Verhältnisse in der hegelschen Rechtsphilosophie in Betracht kommen (). Bei Hegel gibt es Bedingungen für den freien Willen, z. B. Vertragsfähigkeit, subjektives Gewissen, Bedürfnisbefriedigung sowie Regierungs- und Staatsinstitutionen, die subjektive und objektive Garantien dem Individuum geben, um
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sich leiblich und geistig entwickeln zu können. Selbstbestimmung bleibt ein soziales Ziel bei Hegel und Marx, was eine notwendige Auseinandersetzung mit Kants praktischer Philosophie impliziert, da die kantische Rechtslehre nur Zwangsmittel gegen die menschliche Willkür kennt, ohne eine Analyse von u. a. Produktionsmitteln und der Armutsfrage zu beinhalten. Im Kontrast dazu ist bei Hegel (wie bei Marx) die Weltgeschichte mit ihren Kämpfen um Vermögensverteilung eine notwendige Basis für die Rechtslehre und die politische Praxis. Der Verfasser folgt Manfred Riedels These: „Was Hegel mit der ‚bürgerlichen Gesellschaft‘ in das Bewußtsein der Zeit erhob, war nichts Geringeres als das Resultat der modernen Revolution“ (). Geschichtliche Prozesse werden von Hegel als Widersprüche der Interessen der Individuen und der Gesellschaft, des Besonderen und des Allgemeinen analysiert; die Logik der Freiheit zeigt sich in der Entwicklung der Weltgeschichte. Der Abschnitt beinhaltet neben einer systematischen Darlegung des Begriffs des freien Willens vom abstrakten Recht bis zur Theorie der Staatsgewalten kritische Elemente, die Hegel im „Gegensatz zu den patriarchalischen oder religiösen Staaten“ () konstruiert, um der Besonderheit Raum und auch Macht zu geben. Hegels engagierte Parteinahme für die Reformation und das protestantische Gewissen in Religionsfragen bedeutet philosophisch eine prägnante Verteidigung des sich selbst bestimmenden Subjekts gegen politische Diskurs- und Regierungsapparate, die menschliche Freiheit und Emanzipation hemmen. Marx’ Thesen gegen Hegels Akzeptanz seiner Gegenwart über die sogennante ‚mystifizierte Dialektik‘ und über die exzessive Idealisierung der sozialen Kategorien, wie z. B. die moderne Bürokratie, werden neben seinen Lobpreisungen der „konsequentesten“ () wissenschaftlichen Sozialanalyse untersucht, die die hegelsche Rechtsphilosophie beinhaltet. Im Abschnitt „Das Recht der sozialen Freiheit“ wird die These vertreten, dass die „marxsche Idee der sozialen Freiheiten“ logisch () aus widersprüchlichen sozialen und historischen Bedingungen von Arbeits- und Marktprozessen resultiert, was wissenschaftlich mit der spekulativen Rechtsphilosophie Hegels sich analysieren lässt (), dank ihrer logischen (d. h. der dialektischen) Methode sowie historischen Elementen (die Geschichte der Freiheit und des Bewußtseins). Der Verfasser nimmt als Ausgangspunkt für seine Argumentation, dass der Begriff der Wissenschaft von Marx (etwa unbewußt?) angewendet wird, um seine eigene Theorie und politische Praxis zu begründen. Die kritische Rechtsphilosophie bedeutet keine komplette Deflation des vernünftigen Freiheitsbegriffs, denn die ‚wahrhafte philosophische Kritik‘ muss nach Marx die Genesis und Notwendigkeit des modernen Staates begreifen. Hegel würde Marx vielleicht nicht völlig widersprechen, wenn dieser behauptet, dass das Begreifen darin bestehe, die eigentümliche Logik des Gegenstandes zu fassen, denn die Logik der Begriffsbestimmungen macht die vorausgesetzte Methode der Rechtsphilosophie aus (). Mit der logischen Methode der Darlegung der Genesis und der widersprüchlichen Logik des Gegenstandes konnte Hegel, so Nakamura, „die soziale Frage“ () formulieren; Marx’ Lektüre Hegels aber führte dazu, dass Begriffe wie ‚Idee‘, ‚Gott‘, ‚Monarchie‘, ‚allgemeiner Stand‘ usw. mit einer Ausnahme beiseitegelegt wurden: der Interessen des Pöbels und dessen Kämpfe um politische Repräsentation sowie bessere Lebensbedingungen unter einer sittlichen Gesetzgebung. Bei Marx geht es darum, die Befriedigung des Bedürfnisses nicht nur zu „denken“, sondern zu „lösen“ (); aus dieser Sicht wird Hegels Begriff der konstitutionellen Monarchie zu einer menschlichen Illusion, die christliche Religion zur Verwirrung des Geistes, die Hoffnung auf die Vernünftigkeit der Bürokratie
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zu einer „Transsubstantiation“ () und Vergötterung des Autoritätsprinzips sowie die Dialektik zum „logische[n], pantheistische[n] Mysticismus“ (). Es sollte daran erinnert werden, dass diese Position Hegels stark von Feuerbachs Theorie der Sinnlichkeit und dessen Materialismus beeinflusst ist (); es bleibt eine offene Diskussionsfrage, wie weit Marx mit seiner Integration der hegelschen Dialektik in seiner Theorie und Praxis geht. Laut dem Verfasser können zwei Strömungen genannt werden, die diese materialistische Interpretation der spekulativen Rechtsphilosophie begleiten: die Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, die zu einem Defizit in der intellektuellen Ausbildung und den Subsistenzbedingungen der Massen und deren politischer Repräsentation führt, sowie Marx’ Interesse für die Presse und die Gesetzgebung. Marx konnte unvermeidbare Kollisionen zwischen dem „Prinzip der Freiheit des Eigentums“ und dem „Prinzip der sozialen Freiheiten“ () erkennen, nachdem er wirkliche „Subsistenzrisiken“ () in der Geschichte des Kapitalismus bezeugte (Texte wie Die Klassenkämpfe in Frankreich zeigen, wie Marx materialistisch und politisiert die Weltgeschichte interpretiert). Das Gesetz der Akkumulation, das in Das Kapital dargelegt wird, ist eine systematische Weise, die sozialen und ökonomischen Ungleichheiten der modernen Welt zu verstehen. Man kann behaupten, dass eine praktische Weise der Umwandlung der Theorie in eine Veränderung der Wirklichkeit nach Marx die Pressearbeit ist: „Das eben ist es, was die Presse zum mächtigsten Hebel der Kultur und der geistigen Volksbildung macht, daß sie den stofflichen Kampf in einen ideellen Kampf, den Kampf von Fleisch und Blut in einen Geister-Kampf, den Kampf des Bedürfnisses, der Begierde, der Empirie in einen Kampf der Theorie, des Verstandes, der Form verwandelt.“ () Dass Marx „weniger skeptisch“ () als Agamben in Fragen der Gesetzgebung und der Staatsapparate ist, kann aus dieser Motivlage heraus verstanden werden. Im Abschnitt „Die Geschichte sozialer Freiheit“ werden die Inhalte der Philosophie der Weltgeschichte betrachtet sowie Marx’ materialistische Einwände gegen die Idealisierung historischer Prozesse und politischer Institutionen. Hierbei wird die Staatsidee „als eine zeitliche Reihe sittlicher Gestaltungen“ () dargestellt, was eine Rechtsgeschichte beinhaltet. Dass die Idee, nach der der Mensch als Mensch frei sei (), zu Bewusstsein gebracht wird, wird als Fortschritt in der Weltgeschichte begriffen, in der Entwicklung vom orientalischen Reich zum griechischen, römischen und zum germanischen Reich. Das Ergebnis der Anwendung des logischen Begriffs auf die Geschichtsanalyse besteht darin, die scheinbare Zufälligkeit des Geschehenen aufzuheben, um Notwendigkeit in der Geschichte der Menschheit aufzuzeigen. Notwendig soll der Mensch zum Bewusstsein seiner Freiheit kommen, was kollektiv in religiösen Vorstellungen und wissenschaftlichen Begriffen instantiiert wird. Marx wird in diesem Kontext vom Verfasser so zusammengefasst: „Daraus schloss Marx später richtig, dass die Vernunft immer existiert habe, aber nur noch nicht in einer vernünftigen Form.“ () Gans hatte in seiner Auseinandersetzung mit den SaintSimonisten erkannt, dass „sauve qui peut“ das Grundgesetz der bürgerlichen Gesellschaft war (), nur konnte er nicht (sowie andere Linkshegelianer) eine Alternative zu den Institutionen der spekulativen Rechtsphilosophie darlegen. Nach Marx wurden diese Widersprüche in der Theorie zu Widersprüchen in der Empirie selbst, die im Rahmen der historischen Logik allein sich nicht aufheben lassen; dass das protestantische Prinzip und die Freiheit des Eigentums zu Despotismus führte, ist in seiner materialistischen Fassung der Weltgeschichte ein notwendiges Resultat der Dialektik der sozialen und politischen Widersprüche der modernen Welt ().
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Die spekulative Rechtsphilosophie (Hegels und Gans’) konnte nach Marx nur eine „Spiegelung“ () der deutschen Geschichte sein, während das soziale Bewusstsein, das die moderne Armut produziert, Rechte verlangt, die im Widerspruch zum Bestehenden stehen. Die „sozialen Freiheiten“, die Marx in der Presse forderte, sind ein Produkt des Widerspruchs der „Legitimationsforderung des modernen Bewusstseins der subjektiven Freiheiten“ () mit den existierenden Institutionen Preußens im . Jahrhundert, was zur defizitären Verwirklichung der Idee der Freiheit führt. Eine Idee der radikalen Demokratie ist wissenschaftlich das Resultat seiner kritischen Rechtsphilosophie. Hegel, Gans und Marx waren Denker der Gegenwart. Dieses Primat des Gegenwärtigen in der politischen Theorie führte aber bei Marx zu einer radikalen Praxis, die sich mit dem Namen „Sovietismus“ () historisch verbinden lässt. Hegels und Gans’ Praxis führt besonders zur wissenschaftlichen Rechtsanalyse und Gesetzgebungsreform. Nakamura charakterisiert eine wissenschaftliche Kontinuität zwischen Hegel und Marx (der Weg von der spekulativen Rechtsphilosophie zur kritischen Rechtsphilosophie), die einen Maßstab für die Kritik der politischen Gegenwart bietet. Der Band zeigt vortrefflich, welche Formen und Inhalte Marx Hegel verdankt. Die radikale Auslassung der Religion aus der Theorie-Praxis-Achse bei Marx bietet einen interessanten Punkt für weitere systematische und historische Forschungen. Fernando Huesca Benemérita Universidad Autónoma de Puebla / Universidad Nacional Autónoma de México
Maik Puzic. Spiritus sive Consuetudo. Überlegungen zu einer Theorie der zweiten Natur bei Hegel. Würzburg: Königshausen & Neumann, . S. Hegels Rückgriff auf die Figur einer ‚zweiten Natur‘ hat ein kurioses Nachleben. Hegel selbst verwendet den Ausdruck nur gelegentlich – kanonisch in den Grundlinien (GW ,: §§ , ) und in der Enzyklopädie (GW : § ) – und keineswegs immer auf dieselbe Weise und im selben argumentativen Zusammenhang; stets scheint er aber zu meinen, dass die Metaphorik (und der offenkundige Bezug auf die aristotelische Frage, wie man tugendhaft werden könne, ohne es schon zu sein) selbsterklärend sei, jedenfalls keiner eigenen Begründung bedürfe. Da ist es kein Wunder, dass gerade diese Figur zu weitreichenden Deutungen und Anschlüssen eingeladen hat: Sie konfiguriert das Verhältnis von ‚Natur‘ und ‚Geist‘ und provoziert den Rückgriff auf Hegel gerade im Licht aktueller ‚Herausforderungen‘ durch die Erklärungsansprüche moderner empiristischer Naturalismen. Maik Puzics zurückhaltend betitelte „Überlegungen“ verfolgen vor diesem Hintergrund ein ambitioniertes doppeltes Ziel: Sie möchten erstens plausibel machen, dass Hegels Bemerkungen zur ‚zweiten Natur‘ ein Kernstück nicht nur seines Modells des ‚objektiven Geistes‘ sind, sondern zugleich das konzeptionelle Scharnier zur ‚Seelenlehre‘ der philosophischen Anthropologie. Puzic verpflichtet sich selbst auf eine ‚genealogische‘ Lektüre: Die Selbsthervorbringung des Geistes im Allgemeinen verläuft demnach über seine individuierte Verwirklichung und umfasst im selben Vollzug das Begreifen dieser Verwirklichung. Eine solche Lektüre, so die Vermutung, wird durch die Bemerkungen zu einer ‚zweiten
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Natur‘ in Hegels Schriften nicht nur unterstützt; sie legt auch nahe, dass es in Hegels Schriften eine systematische Einheit der verschiedenen Verwendungsweisen, eine regelrechte, wenn auch versteckte ‚Theorie‘ der ‚zweiten Natur‘ gibt. Deshalb unternimmt es Puzic, „zumindest die groben Strukturen und zentralen Charakteristika dieser Theorie nachzuzeichnen und offenzulegen“ () und so Mittel für das zweite Ziel bereitzustellen: Nämlich die „Potentiale“ von Hegels Philosophie für die Kritik von Programmen „einer Naturalisierung des Geistes“ zu mobilisieren (). Allerdings widersteht Puzic der Verlockung, Hegels Überlegungen direkt in den Dialog mit gegenwärtigen, problemorientierten Debatten zu bringen. Puzics Studie hat zwei Teile. Der erste Teil entwickelt die Funktion der Figur der ‚zweiten Natur‘ im allgemeineren Zusammenhang von Hegels Geistphilosophie und im Ausgang von seinem Grundproblem: Einerseits ist ‚Natur‘ die sachliche Voraussetzung des Geistes; es muss darum (um den Preis dualistischer Verwirrungen) möglich sein, die Form und Bewegung des Geistes in einer Kontinuität mit ‚Natur‘ zu konzipieren – so, dass Geist aus Natur hervorgeht. Andererseits lässt sich die Bestimmung von ‚Geist‘ als wesentlich frei und sich selbst begreifend nicht verstehen, wenn man ‚Geist‘ nicht in (selbst)gesetzter Opposition zur Natur bedenkt. Man begreift diese Spannung, indem man Hegels Gedanken ernstnimmt, dass beide Momente zur Idee der Wirklichkeit des Geistes gehören. Geist ist wirklich als sein Werden, und „sein Werden ist nichts anderes als das Resultat seiner eigenen Tätigkeit“ (). Man darf über die resultative Formulierung Puzics getrost hinweglesen; entscheidend ist, dass er die methodische Unhintergehbarkeit des Geistes ins Zentrum seiner Deutung von Hegels „materialistischer Revision“ des Geist-Modells stellt: Geist verwirklicht sich in der und als die Spannung von „Natur“ und „Geist“ (Kap. I.). So darf man auch formulieren, dass Geist sich als „die Hervorbringung von Natur“ (Kap. I.) offenbart: „Natur“ wird unvermeidlich und immer schon aus der Perspektive des Geistes, als seine Voraussetzung thematisiert. Die „genealogische“ Lektüre versteht so die (als Denken und Handeln) tätige geistige Auseinandersetzung mit der eigenen Voraussetzung als den entscheidenden Modus der Selbst-Hervorbringung oder Verwirklichung des Geistes. Die Schlüsselstellung der ‚zweiten Natur‘ zeigt sich dabei am Phänomen der Gewohnheit: „Der Geist erwacht im Modus der Gewohnheit; die Gestalt, in der er zu allererst in Erscheinung tritt, ist die der zweiten Natur“ (). Die Wirklichkeit des Geistes offenbart sich im Tätigsein lebendiger Individuen, als eine aufsteigende Durchbildung natürlicher Voraussetzungen im seelischen Tun. Deshalb verfolgen die Kapitel – des ersten Teils in einer gründlichen Lektüre der Enzyklopädie-Paragraphen – die Bewegung des Selbst-Gewöhnens und -Bildens. Sie schreiten von der „anthropologischen“ Charakterisierung der Gewöhnung als Herausbildung und Stabilisierung seelischen Tätigseins (Kap. I.) fort zur Gewöhnung als Verleiblichung des Geistes, zur praktischen Gewißheit im Handeln, und schließlich zur Sittlichkeit als dem Modus unmittelbar gewissen praktischen Denkens im Licht erworbener Situationswahrnehmung: „Die Sittlichkeit ist wesentlich Gewohnheit“ (). Dabei orientiert Puzic seine Deutung fortgesetzt an jüngeren Interpretationen von Christoph Menke; er unterfüttert und substantiiert diese Deutung mit seinem präzisen Nachvollzug des he-
Dafür etwa zeitgleich F. Ranchio, Dimensionen der zweiten Natur. Hegels praktische Philosophie (Ham-
burg, ), der Hegels Argumentation überzeugend gegen Brandom, Pippin und McDowell profiliert. Überarbeitet wiederveröffentlicht als Kap. , und in Menke, Autonomie und Befreiung. Studien zu Hegel (Berlin, ).
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gelschen Arguments und seiner erhellenden Kontextualisierung. Menke hebt an der Gewöhnung ihren Doppelcharakter hervor: Einerseits ermöglicht sie freie Geistestätigkeit (und letztlich die Idee von Autonomie überhaupt); andererseits kommt sie unvermeidlich um den Preis neuer Unverfügbarkeit und des Verlusts tatsächlich transparenter und bewusster reflexiver Sensibilität für die praktischen und denkerischen Erfordernisse unseres Lebensvollzugs. Diese Spannung treibt Puzic ersichtlich an und ermöglicht ihm auch den Übergang in den zweiten, deutlich kürzeren Teil, der die „materialistische Revision“ mit Blick auf die Gestalten des „objektiven Geistes“ fortsetzt. Die Habitualisierung, die bereits im Organischen angelegt sei, wird erst in den Institutionen des sozialen Lebens völlig deutlich (Kap. II.). Die Etablierung, Reproduktion und Tradierung von Geist-als-Gewohnheit nimmt nämlich, so Puzic überzeugend, notwendig ihren Weg nicht nur über die Tätigkeit des Geistes sans phrase, sondern über ihre gesellschaftliche Differenzierung. Man versteht die Genealogie sittlicher Praxis nicht, wenn man sie nicht als auf gesellschaftlicher Arbeitsteilung und dem „System der Bedürfnisse“ aufruhend versteht; sie bestimmen die Form des Prozesses der „zweiten Natur“ (Kap. II. – ). Zur ‚zweiten Natur‘ der Sittlichkeit gehört dann eine durch die Prozesse sozialer Gewöhnung unvermeidlich entstehende „anonyme und nicht personale Form der Herrschaft“ (; man könnte deutlicher sagen: ‚Macht‘) als innerer Zug der ‚zweiten Natur‘ ins bloß Natürliche und als begriffliche Kehrseite des freiheitsermöglichenden Vernunfterwerbs. Gerade weil indes Richtung und Absicht von Puzics Rekonstruktion sympathisch sind, drängt sich der Eindruck auf, dass die Vereinheitlichung von Hegels anlassbezogenen Bemerkungen in eine ‚Theorie der zweiten Natur‘ womöglich einen zu hohen Preis fordert. (a) Puzic bemerkt zutreffend, dass Hegel bereits in der begrifflichen Darstellung der Form des Lebens im Allgemeinen, und dann auch der ‚tierischen‘ Lebensform, Momente von ‚Habitualisierung‘ und ‚Gewöhnung‘ beschreibt, insofern die Selbsttätigkeit des Organismus auch als quasi-automatisches Prozessieren verstanden werden muss. Auch ‚Tiere‘ haben erworbene, nicht einfach in ihrer Natur prä-determinierte Verhaltensweisen, und dieses Phänomen muss auch als Verwirklichung der spezifischen ‚Seele‘ des Lebewesens, als eine (wenn auch privative) Teilhabe an ‚Geist‘ beschreibbar sein. Aber diese Beschreibungen heben eben jeweils Aspekte oder begriffliche Hinsichten an der Aktivität der fraglichen Lebensformen hervor, die ihre wesentliche Verschiedenheit unangetastet lassen. Demgegenüber ist es deutlich anspruchsvoller, wenn Puzic formuliert, dass „Logik und Struktur des organischen Lebens […] bereits den Gesetzen der zweiten Natur“ folgen (, ). (b) Die Unterstellung einer Kontinuität einer einheitlichen, in verschiedenen Phänomenen (dem organischen Leben allgemein, dem tierischen Leben; weiter dem menschlichen Handeln und der Sittlichkeit) wesentlich unverändert als Organisationsprinzip wirkenden ‚zweiten Natur‘ steht zudem in einer deutlichen Spannung zur methodischen Ausrichtung der genealogischen Lektüre. Insofern ‚Natur‘ unhintergehbar nur im Geist (nämlich als sein Anderes) und im Licht ‚zweiter Natur‘ betrachtbar ist, funktioniert nicht nur die Rede von ‚zweitnatürlichen‘ Aspekten mit Bezug auf subrationales Leben anders als bei Menschen; sie bezieht auch ihren Sinn prinzipiell aus der Selbstreflexion im Menschlichen. Das lebendige ‚Beseeltsein‘ von Menschen ist nicht einfach eine weitere Stufe der Selbstentfaltung, sondern eine radikale Transformation der Art und Weise, wie ‚Geist‘ sich in ihr verwirklicht. (Kap I.; es ist die Stufe vollständiger Durchbildung von Natürlichem durch die Selbstaktivität des ‚Geistes‘, mithin die Stufe, in deren Licht die Rede von einem vorigen Stufengang allererst verständlich ist.) Puzics genealogische Lektüre stellt diesen Gedanken einerseits als eine kategoriale Erläuterung dar; andererseits neigt seine Darstellung deutlich
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dazu, ihn auch als Beschreibung eines (einfachen) genetischen Vorgangs vorzustellen. So droht sich die Spannung einfach fortzuschreiben, die als Unterscheidung der Hinsichten ‚gegeben‘/‚erworben‘ oder ‚erstnatürlich‘/,zweitnatürlich‘ den Begriff der ‚Gewohnheit‘ so treffend für die Beschreibung verschiedener Probleme machte. Der Grund für diese Gefahr dürfte in der Zusammenfassung verschiedener Verwendungen der Figur ‚zweite Natur‘ zu einem Strukturprinzip der Selbstbewegung des Geistes liegen. Dass Puzics Studie sich nicht beherzt genug gegen solche Tendenzen verwehrt, schmälert das Verdienst seiner textnahen Ausgestaltung der genealogischen Lesart nicht; es provoziert allenfalls Zuspitzungen, die nicht immer überzeugen, aber zum Glück nicht zwingend sind (beispielhaft : „Leibliche Bedürfnisse“ zeigen den Leib als Ausdruck der Seele; sie exemplifizieren, wie die geistige Durchbildung von natürlichen Aspekten in menschlicher Beseeltheit eine gänzliche Transformation von ‚Natur‘ in zweite Natur bedeutet. Puzic spitzt zu, dass menschliche Gewohnheit dadurch charakterisiert sei, dass sich bloß leibliche Bedürfnisse zugunsten von geistigen ‚zurückdrängen‘ ließen – aber doch gewiss nicht alle, und nicht immer?). Jan Müller Universität Basel
Tim Rojek. Hegels Begriff der Weltgeschichte. Eine wissenschaftstheoretische Studie. Berlin et al.: de Gruyter, . S. Hegels Geschichtsphilosophie gilt trotz einer Reihe umfangreicher, ihr gewidmeter Studien der letzten Jahre weiterhin vielen als problematisch, insofern sie mit der materialen Verlaufsdarstellung der Weltgeschichte im Zuge der Vorlesungen gleichgesetzt wird. Dabei kann als gesichert gelten, dass Hegel zugleich die Grundzüge einer Geschichtsphilosophie im modernen Sinn einer Erkenntnistheorie geschichtlicher Gegenstände entwirft, die als formale Geschichtsphilosophie zu fassen ist. Tim Rojeks Studie greift diese Einsicht auf, um die beiden erhaltenen Manuskripte Hegels für die Einleitung seiner Weltgeschichtsvorlesungen einer erneuten, aktualisierenden Lektüre zu unterziehen. Ihr erklärtes Ziel ist es, die normativen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen von Hegels materialer Geschichtsphilosophie offenzulegen, die den eigentlichen Inhalt der Vorlesungen ausmacht. In systematischer Hinsicht beschränkt sich die Analyse dazu auf die Philosophie der Weltgeschichte und lässt entsprechend die geschichtlichen Aspekte anderer Systemteile wie desjenigen zum Absoluten Geist unberücksichtigt. Als Textgrundlage dienen bis auf wenige Ausnahmen die beiden Einleitungsmanuskripte sowie Auszüge aus den Grundlinien der Philosophie des Rechts und die der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften in der Fassung von . Während das erste Kapitel von Rojeks Studie einer Editionsgeschichte der Weltgeschichtsvorlesungen gewidmet ist, beleuchtet das zweite das Verhältnis von Geschichtsschreibung und Geschichtsphilosophie; im dritten und letzten steht der Freiheitsbegriff als Grundlage der Weltgeschichtsvorlesungen im Vordergrund. Die Nachzeichnung der Editionsgeschichte zielt im Wesentlichen darauf, die philologischen Defizite der populären, aus eigenhändigen Manuskripten und Nachschriften amalgamierten Ausgaben der Philosophie der Weltgeschichte – angefangen bei der
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Freundesvereinsausgabe bis hin zur Suhrkamp-Werksausgabe – herauszustellen, um auf diese Weise die Einschränkung der Textgrundlage auf die in Band der Gesammelten Werke vorliegenden beiden Einleitungsmanuskripte sowie die zu Hegels Lebzeiten veröffentlichten Schriften zu rechtfertigen. Das zweite Kapitel würdigt die Passagen zu den ‚Weisen des Geschichtsschreibens‘ zu Recht als Entwurf einer methodischen Genese der Geschichtsschreibung, die diese nicht in Opposition zu Hegels eigenem geschichtsphilosophischen Anspruch bringt, sondern die einzelwissenschaftlichen Erkenntnisse der Geschichtsschreibung respektiert und teils aufgreift. In detaillierter Analyse überprüft Rojek die ‚Weisen des Geschichtsschreibens‘ auf ihre argumentative Plausibilität und bezieht sie sowohl auf Hegels in der Einleitung zur Enzyklopädie entwickeltes Wissenschaftsverständnis als auch auf Ergebnisse gegenwärtiger Erzähltheorien. Anlass der Geschichtsschreibung seien krisenhafte Störfälle wie Kriege, die in schriftlich niedergelegten Erzählungen in einen Sinnzusammenhang eingebettet würden. Die Leistung der ‚ursprünglichen Geschichtsschreiber‘, die sich Hegel zufolge durch Berichte über ihnen selbst gegenwärtige Geschehnisse auszeichnen, sieht Rojek daher in einer frühen Form der Erinnerungspolitik mit sozialintegrativer Wirkung. Mit den größeren Zeiträumen, die in der ‚reflektierten Geschichte‘ als zweiter der drei Weisen in den Blick rücken, stellt sich mit gesteigerter Dringlichkeit das Problem der Selektivität und damit das von Relevanzkriterien für eine zusammenhängende historische Erzählung. Trotz harscher Kritik an willkürlich angesetzten Kriterien verteidigt Hegel grundsätzlich die Raffung des Stoffs in Überblicksdarstellungen, um das Augenmerk auf die Frage der Relevanz zu legen, die letztlich zur ‚philosophischen Geschichte‘ überleitet. Ausgehend von der Annahme der stabilisierenden Funktion von Geschichtsschreibung für ein Gemeinwesen fasst Rojek die hegelschen Überlegungen zum geschichtlichen Interesse unter dem Begriff der ‚emotionalen Signifikanz‘ bestimmter Erzählstränge für die Leserschaft: „So wie eine solche emotionale Signifikanz gerade bei der Entstehung der ursprünglichen Geschichtsschreibung relevant war, liegt es nahe, dass bei Etablierung einer historiographischen Praxis nun auch die gesamte Geschichte eines von den Bürgern als zusammenhängend erlebten und tradierten kulturellen Gewordenseins von besonderer emotionaler Signifikanz ist.“ () Auch der ‚reflektierten Geschichte‘ – für Hegel der Oberbegriff wissenschaftlicher, nicht-philosophischer Geschichtsschreibung – müsse also diese Signifikanz als Leitfaden dienen. Das Gewordensein des Staats, der in der Rechtsphilosophie nur systematisch entfaltet wird, liefere hier den Zweck der Geschichtsschreibung als Modus der Selbstverständigung der Bürger. Trotz ihrer identitätsstiftenden Funktion verpflichte Hegel die Geschichtsschreibung jedoch zur empirischen Präzision und Quellenkritik, wie Rojek unter Rückgriff auf den Reflexions- und Verstandesbegriff hervorhebt. Die Implikationen der ‚philosophischen Geschichte‘ als dritter und letzter der drei ‚Weisen der Geschichtsschreibung‘ rekonstruiert Rojek ausgehend von ihrer Bestimmung als ‚denkende Betrachtung‘ im zweiten Einleitungsmanuskript anhand von Hegels Konzeption der Wissenschaft aus der Einleitung der Enzyklopädie, um das Verhältnis von Geschichtsphilosophie und nicht-philosophischer Geschichtswissenschaft als rationeller, sinniger Wissenschaft gemäß der einschlägigen Anmerkung zu § herauszuarbeiten. Hegels Geschichtsphilosophie expliziere zum einen wissenschaftstheoretisch die Voraussetzungen der Geschichtsschreibung und greife zum anderen auf deren Ergebnisse zum Zwecke der Weltgeschichtsdarstellung zurück. Im abschließenden dritten Kapitel seiner Studie beschreibt Rojek Hegels Philosophie der Weltgeschichte als philosophische Begriffsgeschichte des Freiheitsbegriffs. Dazu bringt
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er den Freiheitsbegriff der Rechtsphilosophie in Stellung, um Hegels Projekt von demjenigen der historischen Semantik im Sinne der modernen Begriffsgeschichte abzugrenzen. Der Theodizeegedanke wird in diesem Kontext ebenfalls praktisch gewendet, insofern Übel und sittlichkeitszersetzende Tendenzen der Welt von Hegel in die Genese bestehender Werte und Institutionen eingeordnet würden, um das Zutrauen der Bürger in den Staat zu festigen. Im Ganzen betrachtet stellt Rojeks Studie Hegels Philosophie der Weltgeschichte als wissenschaftstheoretisch auch heute noch ernst zu nehmendes Konzept dar, das darüber hinaus bedenkenswerte narrativitätstheoretische Überlegungen beinhaltet, die jedoch nicht das Niveau der gegenwärtigen Forschung erreichten. Als Zielgruppe von Rojeks Darstellung kommt primär eine nicht-philosophische, historisch interessierte Leserschaft in Betracht, da die verhandelten Problemstellungen innerhalb der Philosophie als bereits ausgiebig erforscht gelten können, was dem bibliografischen Apparat nicht immer zu entnehmen ist. Obwohl die Grundthese von einer wissenschaftstheoretisch anspruchsvollen Fundierung der materialen Philosophie der Weltgeschichte nachvollziehbar dargestellt ist und nicht häufig genug wiederholt werden kann, ziehen Rojeks Ergebnisse im Detail einige Einwände auf sich, die abschließend in drei kritischen Anmerkungen umrissen werden sollen. . Die erste Anmerkung ist methodischer Art und betrifft die Textgrundlage. Wie fruchtbar es ist, ein ganzes Kapitel darauf zu verwenden, im Wesentlichen anhand von Jaeschkes einschlägigem editorischen Bericht in Band der Gesammelten Werke zu belegen, dass die Werkausgabe die einzig philologisch verlässliche ist, sei dahingestellt. Da die Mängel der populären Ausgaben der Weltgeschichtsvorlesungen altbekannt sind und Rojek keine eigenen editorischen Untersuchungen anstellt, ist zu vermuten, dass die Ausführungen sich hier wiederum primär nicht an ein Fachpublikum richten und darstellenden Charakter haben. Problematisch allerdings ist die aufwendig begründete Selbstbeschränkung insofern, als in einem entscheidenden Punkt dann doch – bewusst – von ihr abgewichen wird, wenn nämlich Hegels Diskussion der ‚kritischen‘ und der ‚Spezialgeschichte eines allgemeinen Gesichtspunkts‘ als Teile der ‚Weisen des Geschichtsschreibens‘ den Nachschriften entnommen werden, weil das erste Einleitungsmanuskript der Vorlesung von / bekanntlich nach der Erörterung der ‚pragmatischen Geschichtsschreibung‘ abbricht. Gerade die Überlegungen zur Geschichte allgemeiner Begriffe sind für Rojek jedoch entscheidend, da er im letzten Teil seiner Studie die materiale Geschichtsphilosophie Hegels als „philosophische Begriffsgeschichte“ () des Freiheitsbegriffs zu erweisen sucht. . Obwohl Rojek grundsätzlich die methodologische Struktur der ‚Weisen des Geschichtsschreibens‘ hervorhebt, fällt er insbesondere in der Analyse der ‚ursprünglichen Geschichtsschreiber‘ auf die Annahme einer Art ‚Geschichte der Geschichtsschreibung‘ zurück, indem er in der ‚ursprünglichen Geschichte‘ einen Gattungstyp sieht, „mit dem die Geschichtsschreibung ihren Anfang nimmt“ (). Hegels Hinweis, die ursprünglichen Geschichtsschreiber seien ‚nicht der alten Zeit nur eigen‘ muss aus dieser Warte „kryptisch“ () erscheinen. Und dies, obwohl Hegel sogar im selben Zusammenhang des Manuskripts ausdrücklich auf neuzeitliche Repräsentanten dieser Gattung wie Friedrich II. und den Kardinal de Retz hinweist. Der Grund für die Ausblendung scheint darin zu liegen, dass Rojek die geschichtstheoretischen Vorlesungseinleitungen Hegels trotz gelegentlicher Hinweise auf die Relevanz der Theorie des Subjektiven Geistes (, ) nicht konsequent auf ihren epistemologischen Hintergrund bezieht. Doch vieles spricht dafür, dass die
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Gliederung in ‚ursprüngliche‘, ‚reflektierte‘ und ‚philosophische‘ Geschichte gerade keine chronologische ist, sondern systematisch Hegels Begriff des Erkennens im Abschnitt zum Theoretischen Geist der Enzyklopädie folgt; dies zeigt sich insbesondere dann, wenn die Heidelberger Enzyklopädie von und die Nachschrift zum Subjektiven Geist aus dem Sommersemester herangezogen werden, die unter anderem die Vorbildfunktion der Konzeption des sprachlich verfassten, ‚produktiven Gedächtnisses‘ für die Grundoperation der Geschichtsschreibung erhellen. . Mit dem vorherigen Einwand verbunden ist die Frage, ob anstelle der epistemologischen Struktur der Vorlesungseinleitungen nicht deren praktische Absicht überbetont wird, wenn Geschichtsschreibung primär als identitätsstiftende, sozialintegrative Tätigkeit firmiert. Zugespitzt gesagt: Hegels Geschichtsphilosophie ist deutlich weniger staatstragend als von Rojek unterstellt. Ersichtlich ist dies schon allein an der systematischen Verortung der Weltgeschichte am Übergang zwischen Objektivem und Absolutem Geist. In ihm erweist sich die praktische Freiheit, die ihren Rahmen in der sittlichen Wirklichkeit des Staates hat, als letztlich endliche und vergängliche: Die Selbstständigkeit des einzelnen Staats und seiner Kultur – von Hegel als Volksgeist gefasst – ist aus dieser Perspektive „ein Untergeordnetes; er geht in die allgemeine Weltgeschichte über, deren Begebenheiten die Dialektik der besonderen Völkergeister, das Weltgericht, darstellt“ (Enzyklopädie , GW : § ). Gerade diesen, für das Verständnis der Weltgeschichte essenziellen Übergang und Hegels dortige Bestimmung der Weltgeschichte als Weltgericht aber spart Rojeks Untersuchung ausdrücklich aus () – eine Entscheidung, die im Kontext einer Arbeit zum Begriff der Weltgeschichte mindestens verwunderlich erscheint. Der Preis dieses Vorgehens könnte darin liegen, Hegel erneut dem Vorwurf einer Apologie bestehender staatlicher Strukturen auszusetzen. Dem leistet zusätzlich der aus der Narrativitätstheorie stammende Begriff der emotionalen Signifikanz Vorschub, mit dem der emotive Bezug einer Kulturgemeinschaft oder Leserschaft zu bestimmten Phänomenen der Vergangenheit angezeigt werden soll und der der Geschichtsschreibung als Relevanzkriterium diene (, , ). Es ließe sich fragen, ob Hegel mit seiner, die Ebene der einzelnen Kulturgemeinschaft überwindenden Konzeption der Weltgeschichte, die die radikale Vergänglichkeit des Weltlichen zu Bewusstsein bringt, nicht gerade eine scharfe Kritik an solchen Formen staatlicher Erinnerungspolitik verbindet. Max Winter Berlin
Birgit Sandkaulen, Hg. G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik. Klassiker Auslegen, Band . Berlin et al.: de Gruyter, . S. Der Band G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik aus der Reihe Klassiker Auslegen, herausgegeben von Birgit Sandkaulen, präsentiert eine Sammlung von elf Aufsätzen – teils in deutscher, teils in englischer Sprache –, die den Topoi und zentralen Fragen der philosophisch-künstlerischen Reflexion Hegels nachspüren. Wie die Herausgeberin im „Vorwort“ deutlich macht, verfolgt das Buch eine doppelte Absicht: Es ist ein Kommentar, der Schritt für Schritt die wesentlichen Passagen der hegelschen Ästhetik verdeutlicht, und
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dies außerdem mit dem Bestreben verbindet, ein Bild der gegenwärtigen Hegel-Forschung zur Philosophie der Kunst zu liefern, indem Originalbeiträge einiger der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in diesem Bereich forschen, präsentiert werden. Die Kapitel folgen thematisch dem Verlauf von Hegels Vorlesungen, wobei zunächst der Kunstbegriff und die Ästhetik allgemein vorgestellt, dann die historischen Kunstformen durchlaufen und schließlich die einzelnen Künste untersucht werden. In der Pluralität der Stile, Ansätze und Positionen, die in diesem Band versammelt sind, spiegelt sich ein großer Teil des gegenwärtigen Forschungsstands wider. Als eine bedeutende Leistung des Bandes ist die Aufmerksamkeit zu würdigen, die in den verschiedenen Beiträgen einerseits der ursprünglich in der Freundesvereinsausgabe von Hegels Werken veröffentlichten Hotho-Ausgabe der Ästhetik sowie andererseits und zugleich den Mit- und Nachschriften – insbesondere wiederum Hothos von und Heimanns von / – gewidmet wird. Bedeutend ist dabei insbesondere, dass der in der Forschung lange umstrittene Text der Hotho-Ausgabe als eine unverzichtbare Textgrundlage für das Verständnis der hegelschen Ästhetik erschlossen wird. Das erste Kapitel unter dem Titel „Einleitung: Über das Projekt einer Philosophie der Kunst“ ist von Birgit Sandkaulen. Während die Einleitung in die hegelsche Ästhetik in der von Hotho besorgten Ausgabe den Charakter einer „musikalischen Ouvertüre“ () habe, in der die Motive des Werks von Hotho nicht etwa verfälscht oder überformt, sondern exemplarisch geordnet und vorgestellt werden, deuten die zahlreichen Variationen der Einleitung im Laufe der Zeit, die durch Mit- und Nachschriften überliefert sind, nicht auf eine philosophische Unsicherheit seitens Hegels hin, sondern auf die große Bedeutung, die er dieser Art von Textform beigemessen habe. Die Einleitung in die hegelsche Ästhetik stelle sich als paradoxer Anfang eines Teilbereichs des Ganzen dar, der aus dem holistischen System extrapoliert werde und daher Darstellungsprobleme aufwerfe. Die Autorin geht auf die Beziehung zwischen Kunst und Wissenschaft und dabei auf die Möglichkeit einer Ästhetik überhaupt ein. Auf diese Weise umreißt sie einige der Hauptthemen von Hegels Einleitung. Zunächst betrachtet sie den Vorrang der Kunst- vor der Naturschönheit und stellt auf dieser Grundlage die hegelsche Ästhetik als ein „modernes Projekt“ () dar. Dann geht sie tiefer auf die Eigenschaften der Wissenschaft der freien Kunst ein: Ihr Charakter entspreche weder einer empirischen noch einer platonischen Position, sondern liege in der Mitte zwischen beiden Extremen. Die wissenschaftliche Behandlung der Kunst und die Möglichkeit, dass die Kunst die Ebene des absoluten Geistes repräsentieren kann, wirft die berühmte These vom Ende der Kunst auf, die in ihren Hauptargumenten untersucht wird. In Anlehnung an Hegel widmet die Autorin sich der historischen Betrachtung der Ästhetik von Kant (über den fundamentalen Schiller) bis Friedrich Schlegel. Dabei betrachtet sie auch das Verhältnis von Kunst und Moral. Das Kapitel endet mit einem Verweis auf den programmatischen Überblick der Einleitung Hothos, in dem deutlich wird, dass es einen „intrinsischen Zusammenhang“ () zwischen den Teilen des Werkes gibt. „Hegels Begründung der philosophischen Ästhetik“ ist der Titel des zweiten Kapitels, das von Gunnar Hindrichs verfasst wurde und der Betrachtung der Abschnitte „Stellung der Kunst im Verhältnis zur endlichen Wirklichkeit und zur Religion und Philosophie“ und „Begriff des Schönen überhaupt“ in der Hotho-Ausgabe und den entsprechenden Stellen (soweit vorhanden) der Mit- und Nachschriften gewidmet ist. Die Ausgangspunkte der Wissenschaft der Schönheit werden angesprochen: Erstens geht es um die Tatsache, dass Kunst „Grenzort vom Unendlichen zum Endlichen“ () sei, und zwar einerseits in Form einer endlichen Gegebenheit und andererseits in Form von Religion und Philosophie,
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denen etwas Unendliches anhaftet; zweitens wird thematisiert, dass die Wissenschaft der freien Kunst auf einem Vorbegriff, dem Begriff der Schönheit überhaupt, basiert, der „nichts anderes als die strukturelle Artikulation des Bereiches zwischen Kontingenz und Absolutheit“ () sei. Dieser Begriff ist die Darstellung des Wahren im Medium des sinnlichen Scheins, wobei der Terminus ‚Schein‘ in seinen vielfältigen Bedeutungen von ‚Anschein‘, ‚Erscheinung‘ und ‚Glanz‘ betrachtet werden müsse. Darin verwirkliche das Kunstideal die Idee der Schönheit und unterscheide sich von den natürlichen Gegebenheiten sowie den Normen der gesellschaftlichen Praxis nach seinem Eigensinn, der es frei mache. Gerade in der Behauptung der Freiheit der Kunst vollende sich Hegels Ästhetik. Martin Seel ist der Autor des dritten Kapitels „Das Naturschöne und das Kunstschöne“. Wenn einerseits das Naturschöne für Hegel eine Form der Schönheit sei, so sei es andererseits doch kein Gegenstand des Verstehens, da sie nicht aus dem Geiste geboren sei: Nur das Kunstschöne sei einer wissenschaftlichen Betrachtung fähig oder würdig und entwickle sich gerade im Gegensatz zur natürlichen Schönheit. Das Kapitel ist in zwei Hauptteile gegliedert. Der erste betrifft die Behandlung des Naturschönen, insbesondere in dem entsprechenden Kapitel der Hotho-Ausgabe. Als Vereinigung von Begriff und Realität ist ein wichtiger Aspekt der Wirklichkeit der Idee der Schönheit zweifellos die Natur, die in ihren zahlreichen Stadien (als Material, als anorganischer Zusammenhang, als Leben auf vielfältigen Ebenen) und in ihren verschiedenen Mängeln gegenüber dem geistigen Produkt der Kunst berücksichtigt wird; daher wird die Phänomenologie des Naturschönen analysiert, deren Fälle den Stadien der natürlichen Sphäre entsprechen. In all diesen Fällen unterscheidet sich die Prozessualität der ästhetischen Natur von der der Kunst in Bezug auf Lebendigkeit und Freiheit. Der zweite Teil des Kapitels setzt sich mit dem Kunstschönen auseinander. Das Schönheitsideal als solches wird im Sinne einer individuellen und lebendigen Darstellung verstanden, die die Gegebenheiten sowohl formal als auch inhaltlich verkläre. Danach wird die Bestimmtheit des Ideals untersucht, die sich nach einem „zweifachen großen Bogen“ entwickle, d. h. „vom Göttlichen zum Menschlichen“ und von der „,Ruhe‘ des Ideals zu seiner Prozessualität“ (). Das Ideal entwickle sich zu einer Bewegung, die sich als Durchdringung von Allgemeinheit und Individualität, als eine Einheit, in der verschiedene Kräfte miteinander in Konflikt stünden, und als „Vergegenwärtigung der Gegenwart der Freiheit“ () und Darstellung des Pathos beim Publikum verwirkliche. Das Kapitel schließt mit einer Betrachtung der schöpferischen Tätigkeit der Phantasie des Künstlers als Urheber eines Originalwerks, das ein Produkt des Geistes ist. „The Symbolic Form of Art“ von Allen Speight eröffnet die Serie von Kapiteln, die den einzelnen Kunstformen gewidmet sind. Der Abschnitt über die symbolische Kunst steht im Mittelpunkt einer Reihe entscheidender Diskussionen, wie z. B. über den Ursprung der Kunst, über das Verhältnis von Kunst, Religion und Philosophie, über die Rolle des Unbewussten und auch über das Verhältnis zur romantischen und post-romantischen Kunst als Rückkehr einer dem Symbolischen ähnlichen Zäsur. Das Kapitel beginnt mit einer Analyse des Begriffs des Symbolischen, die dessen Zentralität im philosophischen Kontext der Zeit zeigt (von Creuzer bis Fr. Schlegel). Die Vielfalt und Komplexität der Aspekte des Symbolischen artikuliere die für die Vor-Kunst typische intrinsische Zweideutigkeit, in der ein unbewusstes Gären und eine unangemessene Beziehung zwischen Form und Inhalt zum Ausdruck kämen. Die Bedeutung des Symbolischen wird unter einem systematischen Gesichtspunkt analysiert, sowohl in Bezug auf die drei Formen des absoluten Geistes als auch in Bezug auf die Kunst- und Religionsgeschichte. Im weiteren Verlauf der Vorlesungen wird dann der ‚unbewusste‘ Symbolismus der vorgriechischen Zivilisationen in all
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seinen verschiedenen historischen Stadien und theoretischen Merkmalen betrachtet; danach wird die Beziehung zwischen der göttlichen und der endlichen Erscheinung aus der Sicht des Pantheismus der Kunst und aus der Sicht des Erhabenen betrachtet; schließlich wird der letzte Abschnitt des Symbolismus vorgestellt, in dem eine Form von ‚bewusstem‘ Symbolismus auftaucht, wo die Tätigkeit des Künstlers im Gegenüberstellen von Bedeutung und Form ausdrücklich eine Rolle spielt, und die Diskursfiguren, aus denen sie sich zusammensetzt, analysiert werden. Es folgt das Kapitel „Die klassische Kunstform“ von Ulrich Seeberg. Der Autor konzentriert sich in erster Linie auf das Konzept der Klassik bei Hegel im Vergleich zur theoretischen Debatte der Zeit und stellt seine Position in den allgemeineren Kontext der Querelle des Anciens et des Modernes. Die Originalität der hegelschen Sichtweise zeige sich darin, dass sie in der klassischen Kunst eine sehr hohe Lebensbedeutung finde, die aus historischer Distanz zu betrachten sei. In ihrer historischen Vollendung in der klassischen Epoche ist Kunst Religion und kann als solche in der abstrakten und prosaischen Reflektiertheit der Moderne nicht wiederholt und nicht als eine unzeitgemäße Normierung angesehen werden. Seeberg geht dann auf die Tatsache ein, dass in der klassischen Kunst das Ideal der Kunst die vollkommene Entsprechung zwischen Form und Gehalt erreiche, weil der Gehalt die Geistigkeit des Menschen in seiner leiblichen Erscheinung ist. Im Gegensatz zur symbolischen Kunst distanziere sich die griechische Kunst von der Natur, und die Götter nehmen nicht tierische, sondern menschliche Züge an. Diese präsentierten sich in einer idealisierten Gestalt, die sowohl durch ihre Erhabenheit als auch durch ihre Trauer bestimmt sei, und kämen am besten in der Skulptur zum Ausdruck. Der Vorwurf des Anthropomorphismus wird als „unangebracht“ () beurteilt, weil er noch nicht so ausgeprägt sei wie im Christentum, wo Gott zum Menschen werde, und der Polytheismus für eine Zeit als notwendig erachtet, in der das Ideal der Kunst als Bestimmung des Unbestimmten eine gewisse Anschaulichkeit der Darstellung erfordere. Danach wird die Auflösung des klassischen Ideals in Betracht gezogen, die genau im Verlust der Allgemeinheit der Götter und in ihrer Verendlichung in Christus bestehe. Das Kapitel endet mit einer Reflexion über die Auslegung Hegels als Klassiker zwischen der Ausgabe von Hotho und den Mit- und Nachschriften. Walter Jaeschke schreibt das sechste Kapitel über „Die romantische Kunstform“. Das Kapitel beginnt mit einer Analyse der Wendung, die Hegel dem Begriff ‚Romantik‘ auferlegt, indem er ihn von der Beschreibung einer bestimmten Art von Kunst zu einem Epochenbegriff formt. ‚Romantik‘ entspreche daher dem Konzept des ‚Modernen‘ und stelle ein Schlüsselkonzept der hegelschen Kunstphilosophie dar: Im Kontext einer Geschichte der Subjektivität sei es auf dieser Ebene, dass die Subjektivität auf konsequente Weise in der Vertiefung ihrer Innerlichkeit im Freiheitsbewusstsein voranschreite. Diese Geschichte erstrecke sich vom Christentum, in dem das Prinzip der Subjektivität vollständig auftaucht, bis in die Zeit Hegels. Dieser Weg wird dann zurückverfolgt und führt durch eine Einteilung, die bei allen Kollegien konstant bleibe und in drei Kreise unterteilt sei: Der erste sei der religiöse Kreis mit den drei ‚Sphären‘ der Erlösungsgeschichte Christi, der Behandlung der Liebe und der Wirklichkeit des Geistes in der Gemeinde; der zweite Kreis sei der des Rittertums und führe zu einer Säkularisierung der Aushandlung des Prinzips der Innerlichkeit, die sich nach drei Schlüsselbegriffen der subjektiven Empfindungen ‚Ehre‘, ‚Liebe‘ und ‚Treue‘ artikuliere; der dritte Kreis falle zusammen mit einer fortschreitenden Entsubstantialisierung des Stoffes und mit der Entstehung des Formalismus der Subjektivität und des Inhaltes als einer Dimension, die im Gegensatz zum vorangegangenen Kreis keine
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wirkliche historische Konkretion habe. Der Auflösung der romantischen Kunstform und dem damit einhergehenden Zerfallen der Kunst überhaupt sind die abschließenden Passagen des Kapitels gewidmet. Stephen Houlgate leitet mit dem Kapitel „Architecture“ die Reihe der Kapitel ein, die die einzelnen Künste betreffen. Er beginnt seine Analyse mit einer Überlegung zur Einteilung der verschiedenen Künste und betont, dass sie einer primär logischen und nicht historischen Notwendigkeit unterliegen, die hauptsächlich auf der Durchdringung des Geistes der verschiedenen sinnlichen Materialien beruhe. Die Architektur sei logischerweise deshalb die erste Kunst, weil ihr Material das schwerste und am wenigsten geistige sei; darüber hinaus zeige sie das Symbolische in seinem wirklichen Charakter. Hegels Absicht sei es, Architektur nicht so sehr als ein praktisches Bedürfnis zu betrachten, sondern als ein Kunstwerk. Das Kapitel folgt dann den verschiedenen Erscheinungsformen, in denen sich die Architektur ausgedrückt hat. Zunächst werden die selbstständigen und eigentlich symbolischen Architekturen der ältesten Zivilisationen vorgestellt (vom Turm zu Babel bis zu den ägyptischen Pyramiden). Unterschiedlich, je nach Art des betrachteten Phänomens, drücken sie eine allgemeine und autonome Bedeutung aus, anstatt Schutz zu bieten; diese Architekturen seien etwas, das vom Geist erzeugt werde, aber dennoch aus einem so irreduzibel schweren und anorganischen Material bestehen, dass es unmöglich sei, diese Bedeutung in völliger Freiheit zu erfassen. Zweitens wird die klassische Architektur untersucht, die im Gegensatz zur vorhergehenden den Schutz für einen verkörperten Bedeutungsinhalt biete und dem Haus nachempfunden sei. Sie befriedige aber kein praktisches Bedürfnis, sondern einen religiösen Zweck: Sie diene als Unterkunft für ein Subjekt, das in der Statue der Gottheit verkörpert sei. Die romantische Architektur schließlich müsse als Schutzraum der geistigen Innerlichkeit des Christentums dienen. Deshalb seien mittelalterliche gotische Kathedralen die besten Beispiele: Bauwerke, die den Zweck der klassischen Architektur eines totalen Schutzraumes, der die gesamte Gemeinde der Gläubigen einschließe, mit der Selbstständigkeit einer symbolischen Architektur verbinde, die in sich selbst eine eigene Bedeutung habe. Das Kapitel schließt mit einer Reflexion über die Tatsache, dass die logische Grundlage der Architekturtheorie Hegels einerseits dazu veranlasse, relevante historische Ausdrucksformen wie den Barock nicht zu berücksichtigen, aber andererseits durchaus die Möglichkeit bestehe, die Logik, die Hegels Konzeption antreibe, auf andere Stile auszudehnen als die, die er selbst betrachtet habe. „Skulptur“ von Bernadette Collenberg-Plotnikov ist das achte Kapitel. Die Autorin betont bereits zu Beginn, dass die Skulptur in der hegelschen Konzeption aus zwei Gründen eine Sonderstellung innehabe: Erstens verbinde die Skulptur erfolgreich die beiden Schlüsselbestimmungen der Kunst, nämlich die Schönheit und die sinnliche Präsenz des Göttlichen und des Geistes; zweitens sei die Skulptur die einzige Kunstgattung, die in ihrer historischen Entwicklung synchron mit der allgemeinen Entfaltung der Kunst verlaufe, denn wie die Kunst überhaupt finde auch die Skulptur ihre vollste Verwirklichung in der klassischen Periode. Das Kapitel setzt sich dann mit den Merkmalen des Ideals der Skulptur auseinander, in dem die Einheit von Geist und Material als Darstellung der menschlichen Gestalt in einer idealen Totalität umgesetzt wird. Die Skulptur entwickle sich aus der Architektur in einem Prozess der Individualisierung, obwohl sie nicht die Subjektivitätsund Vergeistigungsebenen der romantischen Künste erreiche. Unter diesem Gesichtspunkt fasse die klassische Skulptur „die maximale Realisierung des Leistungssinns der Kunst überhaupt zusammen“ (), und ihr Sich-selbst-Bedeuten betreffe sowohl ihren Inhalt als auch ihre Darstellung; zugleich sei die Skulptur der „Inbegriff des Klassischen“ (). Das
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Kapitel geht dann auf die historische Entwicklung der Skulptur ein, die in der Antike ihre vollste Verwirklichung gefunden habe. Der letzte Teil des Kapitels zielt darauf ab, eine philosophische Reflexion über die Skulptur als einen Gegenstand vorzuschlagen, der sich von anderen Gegenständen als „Schein des Lebendigen“ () abhebt, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Beziehung zwischen Ausdruck und Form in einer räumlichen und taktilen Dimension. Das Kapitel endet mit einer Erörterung der hegelschen Auffassung der Skulptur ausgehend von dem begrifflichen Unterschied zwischen ‚Versunkenheit‘ (absorption) und ‚Theatralität‘ (theatricality) des amerikanischen Kunsthistorikers Michael Fried. Innerlichkeit und Subjektivität sind grundlegend für die Verfassung der Malerei, die Robert Pippin im neunten Kapitel „Painting“ anspricht. Seine Analyse geht von den Elementen aus, die charakteristisch für die Malerei sind, und von der Tatsache, dass es sich um die erste romantische Kunst, also die erste Kunst der Moderne und des selbstbezogenen Subjekts handelt. Sie sei nicht nur ein bloßes Vorspiel zu Musik und Poesie, sondern erst in ihr manifestiere sich auf sichtbare Weise die Innigkeit der Subjektivität nach außen hin in ihrer empfindsamen und lebendigen Dimension. Der Autor geht auf das duale Wesen der Malerei (die auch die Doppelnatur der Kunst überhaupt ist) ein, die einen Gegenstand und zugleich auch die Perspektive des Künstlers auf diesen Gegenstand darstelle, der nicht nur sichtbar, sondern in einem affektiven Sinn empfindsam sei. (Der Autor diskutiert ausführlich die Beispiele der Dresdener Maria Magdalena Correggios und Raffaels Transfiguration.) Dann stellt sich das Problem des idealen Sujets der Malerei, und Pippin findet es in der religiösen Liebe als Verwirklichung einer selbstreflexiven Subjektivität (das höchste Beispiel ist die mütterliche Liebe der Madonna zum Kind). Diese Subjektivität könne jedoch auch in Gemälden auftreten, die nicht religiöse Themen darstellen und eine menschliche Dimension, wie z. B. in einem Stillleben oder einer Landschaft, evozieren. Im Allgemeinen manifestiere sich in der Malerei die Dialektik zwischen Innen und Außen, wonach die Innerlichkeit nur dann wahr zu sein scheine, wenn sie nach außen hin zum Ausdruck komme, als sichtbar. Der Autor analysiert die metaphysische Dimension der Malerei insbesondere anhand der Zweidimensionalität im Vergleich zur Skulptur. Um ferner zu zeigen, was er nicht den begrifflichen oder diskursiven, sondern den „empfindsam-verständlichen“ („affectively intelligible“; ) Charakter der innerlich-äußerlichen Dynamik der Gemälde nennt, schließt er den Artikel mit einer Betrachtung von Kopf eines Schimmels von Théodore Géricault. Das Kapitel „Musik“ von Jürgen Stolzenberg beginnt mit einer Diskussion der Rolle der Musik innerhalb des Systems der Künste sowie der Besonderheit, dass die innere Subjektivität durch ein Medium wie den Ton sich auszudrücken vermag, der nicht räumlich, sondern transitorisch und zeitlich sei. Darüber hinaus gehe es in der musikalisch vermittelten Empfindung z. B. nicht um Freude oder Trauer über etwas Bestimmtes in der äußeren Erfahrung, und das führe dazu, dass die Musik die Einfachheit des Ich, also das Gemeinsame aller Erlebnisse und damit ein leeres Ich ohne weiteren Inhalt vermittle. Musik als Kunst sei nach Hegel eine „kadenzierte Interjektion“, deren Macht eine unmittelbare psychische Wirkung des Tons und seiner Zeitlichkeit eigen sei (). Das Kapitel analysiert die Beziehung zwischen diesen beiden Elementen, die auf einer Isomorphie zwischen der formalen Struktur der Zeit und der der Subjektivität beruhe, die ihrerseits auf einer Logik der doppelten Negation basiere. Dann werden die Elemente, deren Zusammenstimmung Musik erzeugen (Metrum, Takt, Rhythmus, Harmonie und Melodie), erklärt und die Frage nach den Instrumenten berücksichtigt (das freieste und vollkommenste, vollständigste Instrument sei die menschliche Stimme). Ferner werden die verschiedenen Arten der
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begleitenden Musik (eigentlich das Melodische, aber auch deklamatorische Rezitative sowie die Einheit des Melodischen und Deklamatorischen, d. h. die Oper) und die reine Instrumentalmusik, d. h. die eigenständige Musik, untersucht. Ausgehend vom systematischen Gehalt der Musik in Hegels Ästhetik werden danach einige Aspekte verschiedener Art erörtert (von der Zeitstruktur von Takt und Melodie bis zur Frage des Schweigens über bestimmte Komponisten wie etwa Beethoven). Das Kapitel schließt mit einer Übersicht über die Musikkapitel in den verschiedenen Mit- und Nachschriften. Das letzte Kapitel „Poesie“ ist von Niklas Hebing. Um die höchste Kunstart zu betrachten, geht der Autor vom Übergang der Musik in die Poesie aus, der ein Übergang von der Anschauung zur Vorstellung sei; die Poesie gehe über den Bereich des Schönen und des bloßen Empfindens hinaus und werde zu etwas Geistigem, bleibe aber immer noch Kunst, weil ihre Vorstellung bildlich sei. Die konkret-bildliche Vorstellung unterschiede sich ebenso sehr von der prosaischen Geschichtsschreibung wie von der Rhetorik, die abstrakte Redeweisen des Verstandes seien. Die grundlegende Unterscheidung zwischen Poesie und Prosa wird dann vertieft. Obwohl Hegel keine bestimmte Definition der beiden Bereiche liefert, betreffen einige Elemente seiner Ausführungen das Konzept der Poesie, wie der Begriff der organischen Totalität, die Zentralität des Handlungsbegriffs oder das stilistische Kriterium der Versifikation. Nach dieser theoretisch-philosophischen Bestimmung der Poesie wird die Artikulation ihrer Einteilung in die Gattungen des Epos, das die objektive Welt darstelle, des Lyrischen, das mit Subjektivität zu tun habe, und des Dramatischen, das die Handlung des Subjekts in den Mittelpunkt stelle, rekonstruiert. Die Elemente des Epos werden in dessen antiken und angemessensten Versionen sowie im Roman als seiner modernen Fassung eingehend betrachtet. Nach dem kurzen Abschnitt über Lyrik wird die dramatische Gattung eingehend berücksichtigt, die nicht nur in der Behandlung der Poesie, sondern auch der Kunst überhaupt auf dem Höhepunkt stehe. Im Drama finden sich Elemente aus allen anderen Künsten, es stelle sich als eine Art Gesamtkunstwerk dar. Darüber hinaus wird betont, dass dem Drama, wegen der Rolle der Handlung im ihm, eine bedeutende rechtsphilosophische Dimension zukomme. Abschließend werden die beiden ,Masken‘ der Tragödie und der Komödie in ihren jeweiligen antiken und modernen Varianten und hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Merkmale behandelt. Insgesamt bietet dieser Band ein nützliches und wertvolles Instrument, um sowohl Hegels theoretische Position zur Kunst vorzustellen als auch einige spezifische Themen der aktuellen Debatte über seine Ästhetik zu untersuchen. Neben genauen und ausführlichen Erklärungen der verschiedenen Ebenen von Hegels Vorlesungen mangelt es nicht an originellen Interpretationen und Ideen, die eine Lektüre der Beiträge auf mehreren Niveaus ermöglichen. Das Buch gibt einen Überblick über Hegels Ästhetik, dem das Verdienst zukommt, diese in ihrer ganzen Lebendigkeit und Relevanz für die gegenwärtige kunstphilosophische Diskussion darzustellen. Francesco Campana Università degli Studi di Padova
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Ina Schildbach. Armut als Unrecht. Zur Aktualität von Hegels Perspektive auf Selbstverwirklichung, Armut und Sozialstaat. Bielefeld: Transcript, . S. Es ist zu begrüßen, dass die Armutsfrage und die Reflexion über den Sozialstaat in den letzten Jahren einen Platz in der Hegel-Forschung gewonnen haben. Im deutschsprachigen Raum sind die Beiträge von Norbert Waszek sowohl über die hegelsche Rezeption der politischen Ökonomie sowie über Eduard Gans’ und die junghegelianische Auseinandersetzung mit der sozialen Frage ohne Zweifel ein obligatorischer Referenzpunkt für weitere Untersuchungen. Mit dem Risiko, ein Unrecht zu begehen und jemanden zu vergessen, würde ich noch behaupten, dass zusammen mit Waszek die letzten Arbeiten von Axel Honneth, Frank Ruda, Albena Neschen und Lisa Herzog Stichwortgeber für diejenigen sind, die sich heute ausgehend von Hegels Rechtsphilosophie mit der kapitalistischen Marktdynamik und der Armutsfrage beschäftigen wollen. Das lesenswerte Buch von Ina Schildbach wirft neue Fragen über das Problem auf. Ziel ihrer Arbeit ist es, zu zeigen, wie „sowohl die fachliche als auch die öffentliche Diskussion über Armut durch eine politikphilosophische Perspektive bereichert werden kann“ (). Es geht aber nicht um eine simplifizierte Anwendung der hegelschen Philosophie in der empirischen Armutsforschung, denn Schildbach will „dialektisch“ und „kritisch” mit der hegelschen Philosophie vorgehen () und auch zeigen, wie empirische Armutsforschung und eine politikphilosophische Perspektive durch einen Dialog wechselseitig voneinander profitieren können (). Das Buch ist in eine (a) „Hinführung“ ( – ) und in vier Kapitel gegliedert. Die ersten drei beziehen sich hauptsächlich auf die hegelsche Philosophie: (b) „Der ,Trieb der Perfektibilität‘, oder: Die Grundlegung des sittlichen und politischen Bildungsauftrags des allgemeinen Ich“ ( – ); (c) „Das allgemeine Ich auf der Ebene des objektiven Geistes: die Emergenz der Armut als ökonomisch-politisches Problem“ ( – ); (d) „Der absolute Geist: Aufhebung der geistig-sittlichen Entzweiung durch die Rückführung der Armen in das Allgemeine?“ ( – ). Das letzte Kapitel – (e) „Synthese der empirischen und politikphilosophischen Betrachtungsweise: die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung – Angst vor Hegels Pöbel und Populisten heute“ ( – ) – führt ausgehend von der hegelschen Rechtsphilosophie eine interessante Analyse des fünften Berichtes der Bundesregierung über Armut und Reichtum „Lebenslagen in Deutschland“ durch. In der „Hinführung“ stellt Schildbach dar, wie sie mit Hegels Texten umgehen will: „Der Anspruch dieser Arbeit besteht also darin, mit Hegel und über Hegel hinaus etwas über die Lage der Armen in der modernen Gesellschaft zu lernen“ (). Ihre Analyse bezieht sich aber nicht nur auf Hegels Antwort auf die Armutsfrage, sondern auch auf seine Idee der Selbstverwirklichung. Die Auseinandersetzung mit der Armutsfrage erhält daher einen systematischen Charakter. Hegels Idee der Selbstverwirklichung stellt sich als ein übergreifendes Moment dar, durch das die Armutsfrage in jedem Bereich des hegelschen Systems kritisch bewertet wird: „Der Aufbau dieser Arbeit folgt den Erscheinungsformen des Allgemeinen bzw. den Stufen der Selbstverwirklichung, die Hegel in seinen Werken vorzeichnet, um von diesem immanenten Entwicklungsgang auf das Phänomen der Armut zu stoßen“ (). Die „Hinführung“ ist auch der Platz, um sich von vorherigen Auseinandersetzungen mit diesem Problem zu distanzieren. Die Einwände gegen Domenico Losurdos und Frank Rudas Behandlungen des Themas bleiben für die weitere Argumentation nicht folgenlos. Losurdos „Beschäftigung mit Armut unter der Perspektive des Hungernden“ greife, so Schildbach, „zu kurz, weil diese Figur allein für die absolute Armut steht, in
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der die Existenz einer Person bedroht ist“ (). Nach Schildbach sei es auch „zu radikal, den Armen erstens per se als keinem Stand zugehörig und damit als gänzlich ohne politische Erscheinung im Staat zu bestimmen“ ( f.), so wie Ruda das Problem beschrieben habe. Im ersten Kapitel – „Der ,Trieb der Perfektibilität‘, oder: Die Grundlegung des sittlichen und politischen Bildungsauftrags des allgemeinen Ich“ – beschäftigt sich Schildbach mit der hegelschen Idee der Selbstverwirklichung. Sie bezieht sich vor allem auf die Philosophie des subjektiven Geistes und den Zusammenhang zwischen dem theoretischen und praktischen Geist: „Hieraus ergibt sich meines Erachtens, dass Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung als identische Begriffe zu verstehen sind“ (). Es geht also um die begriffliche Genesis der hegelschen Idee des freien Willens: „Wenn man sich als freies Subjekt begreift, folgt daraus nicht nur ein allgemeines Bemühen um geistige und praktische Selbst- und Weltaneignung, sondern das Subjekt sollte auch dahin gelangen, die Freiheit selbst im theoretischen und praktischen Sinn zu wollen.“ () Die Identität der Selbsterkenntnis mit der Selbstverwirklichung stellt sich, so Schildbach, als ein „anthropologisches Postulat“ dar, „das sich also an jeden Menschen als solchen richtet“ (). Es fehlt m. E. hier an einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit der systematischen Bedeutung der Transparenz dieses anthropologischen Postulats. Nach Hegel wäre die in der Wissenschaft der Logik dargestellte vollkommene Transparenz der Freiheitsidee erst in der Sphäre des absoluten Geistes wiederzufinden. In Bezug auf die Sphäre des objektiven Geistes ist sie kaum zu erreichen. Zur Realität verhält sich die absolute Idee nur als dialektische Methode – d. h. als eine „Norm zur Beurteilung alles Bestehenden“ (A. Arndt). Das Kapitel „Das allgemeine Ich auf der Ebene des objektiven Geistes: die Emergenz der Armut als ökonomisch-politisches Problem“ stellt die Hauptthese des Buchs vor: „Die materielle Seite der Selbstverwirklichung“ stelle nicht die „wesentliche Bestimmung“ der hegelschen Konzeption der Institution des Privatrechtes dar (). Schildbach wendet sich gegen die rechtsphilosophische Abstraktion des Privateigentumsrechtes, denn dieses sei „ignorant gegenüber der Bedürfnisbefriedigung“ (). Die moderne Trennung zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Staat – m.a.W. zwischen „allgemeine[r] Vermittlung des gesellschaftlichen Stoffwechsels“ und der „Bedürfnisbefriedigung des Einzelnen“ wird negativ bewertet (), denn sie mache das Gelingen sozialer Reproduktion zu einem reinen Zufall (). Hier könnte Schildbach in einen interessanten Dialog mit Nancy Fraser eintreten. Wie lässt sich Armut in dieser Konstellation definieren? Armut bezieht sich, so Schildbach, auf den Ausschluss der „elementaren Reproduktionsbedingungen“, die nicht nur das Niveau der Bedürfnisbedingungen, sondern „alle Möglichkeit zur Kultivierung der Subjektivität“ einer bestimmten Epoche einschließen (). Daher ist Losurdos Definition der absoluten Armut unzureichend, um das Problem zu behandeln. Die Störung der sozialen Reproduktion birgt negative Konsequenzen für die institutionelle Ordnung, denn die Armen verstehen ihre Situation als Unrecht und können sich gegen den Rechtsstaat empören. Daraus entsteht die Gefahr der Emergenz des Pöbels: „Der Arme, der zum Pöbel wird, verliert also das Vertrauen in das Justizsystem sowie zu den gesellschaftlichen Institutionen und das Bedürfnis, durch Berufstätigkeit Anerkennung zu erfahren.“ () Gegenüber der „potentielle[n] Bedrohung des Staates“ und des „Selbstwiderspruch[s] der Gesellschaft“ () stellt Hegel den „Sozialstaat“ als „eine adäquate Antwort“ auf die Armutsfrage dar (). Allerdings machen die „Eindämmung der Armut auf ihre relative Form“ und die Verhinderung der Entstehung des Pöbels die Hauptgründe für seine Ableitung des Sozialstaates aus ().
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Dennoch bleibt die Anerkennungsdynamik des Sozialstaates nicht widerspruchlos. Einerseits stellt sich der Staat hiermit als eine „korrigierende und kompensierende Instanz“ () „gegenüber der Anarchie der bürgerlichen Gesellschaft“ dar (). Damit schafft der Sozialstaat die Bedingung für die „Entwicklung des Patriotismus“, denn nach Hegel sei das nationale Bewusstsein „nicht als ein selbstverständliches Gefühl“, sondern als „eine Übereinstimmung zwischen den eigenen und den Interessen des Staates“ zu verstehen (). Andererseits wird hierdurch nur das Problem der absoluten Armut behandelt. Daraus entstehen zumindest drei weitere Probleme: (a) Die Lösung der Armutsfrage werde nur aus der Perspektive des Staates behandelt; (b) die relativ Armen bleiben in der politischen Sphäre defizitär repräsentiert; (c) die Armutsfrage finde in der politischen Sphäre nur die Perpetuierungsform der auf einer widerspruchsvollen Abstraktion beruhenden ökonomischen Verhältnisse. Mir scheint, dass Schildbach nicht genug die positive und normative Dimension des abstrakten Rechtes berücksichtigt. Weil das Recht eine Abstraktion von konkreten Situationen ist, verleiht es der Person Rechtsfähigkeit – d. h. eine allgemeingültige Basis für die persönliche Selbstverwirklichung (J.-F. Kervégan). Die defizitäre Integration der Armen wird von Schildbach wieder in der Sphäre des absoluten Geistes analysiert. Das Kapitel „Der absolute Geist: Aufhebung der geistig-sittlichen Entzweiung durch die Rückführung der Armen in das Allgemeine?“ soll zeigen, welche Beiträge Kunst und Philosophie leisten, um die Armen mit der staatlichen Allgemeinheit zu versöhnen. Damit werden Kunst und Philosophie nicht als absolut frei, sondern m. E. sehr problematisch nach einer „staatsnützliche[n] Funktion“ behandelt (). Zweck der Kunst sei „eine Verallgemeinerung der Vernunft bzw. eine Bildung des Volksgeistes“ ( f.). Die Lebensform des Künstlers sei zwar „durch das benötigte angeborene Talent durch höchste Exklusivität gekennzeichnet“. Weil Kunst aber „für breite Teile der Bevölkerung in Form der Anschauung erfassbar“ sei, sei ihre Erkenntnis „durchaus allgemein zugänglich“ (). In der Sphäre des absoluten Geistes stellt sich die Philosophie Schildbach zufolge nicht als der Bereich dar, in dem sie sich als Philosophiegeschichte nur auf sich selbst bezieht, sondern als eine Begegnung mit der Nicht-Philosophie. Thematisiert wird aber nicht die Suche des nachhegelschen Denkens nach einer Grenze der Philosophie, sondern das „Leben des Philosophen“ in Bezug auf die Bevölkerung: Während die philosophische Lebensform „die höchste Form der Selbstverwirklichung“ darstelle (), werde „der armen Schicht der Bevölkerung das Philosophieren […] faktisch unmöglich gemacht“ (). Die Spaltung zwischen Philosophen und Nicht-Philosophen reproduziert diejenige zwischen Armen und Reichen und stellt sich, so Schildbach, als „eine Provokation für den Rest der Gesellschaft“ dar (). Diese Interpretation mag zwar vielleicht erklären, wieso der heutige Populismus so viele Ressentiments gegenüber den Akademikern sammelt, aber sie hat nichts mehr mit dem hegelschen System zu tun, indem Kunst und Philosophie zu Momenten der verabsolutierten sozialpolitischen Verhältnisse des objektiven Geistes degradiert werden. Eben durch diese Fehlinterpretation kommt Schildbach dennoch zu einem Schluss, der uns heute zu denken gibt: „Der Kampf um die ökonomische Freiheit als bloße Grundlage für Selbstverwirklichung wird zunehmend zum eigentlichen Inhalt des Lebens, der alle anderen Dimensionen des Menschen, insbesondere die politische, degradiert.“ () Das letzte Kapitel „Synthese der empirischen und politikphilosophischen Betrachtungsweise: die Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung – Angst vor Hegels Pöbel und Populisten heute“ soll Anregungen für einen fruchtbaren Dialog zwischen der Hegel-Forschung und der empirisch-quantitativen Armutsforschung bringen. Während Hegels Analyse die „Bestimmung der Armutsursache“ ermögliche (), löse die
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empirische Armutsforschung „die strukturell begründete Armut in eine Verkettung von Risikofaktoren“ auf (). Um die Entstehung des Pöbels und des Populismus zu bekämpfen, müsse man die Analyse auf die Prinzipien der bürgerlichen Gesellschaft richten (). Schildbach übersieht m. E. den Kern der hegelschen Staatsidee und das Defizit derjenigen Sozialpolitik, die den Sozialstaat heutzutage wieder lebendig machen will. Die konkrete Staatsidee ist nach Hegel in besondere Kreise gegliedert. Sowohl bei Hegel wie auch bei der empirischen Armutsforschung spielen „gesellschaftliche Gruppen“, so Schildbach, jedoch „kaum eine bis keine Rolle“ (). In der hegelschen Konzeption der doppelten Vermittlung des Politischen zwischen sozialen Institutionen und politischer Repräsentation sieht Schildbach nur einen Beitrag zur Schaffung eines Bewusstseins des allgemeinen Problems der Armutsfrage (). Ausgehend von der hegelschen Rechtsphilosophie kommen Eduard Gans’ Vergesellschaftungskonzeption und die junghegelianische Auseinandersetzung um die soziale und die Verfassungsfrage zu anderen Schlüssen. Zeigen die letzten Wahlniederlagen der sozialdemokratischen Parteien uns nicht, dass sich der Sozialstaat nur wieder lebendig machen lässt, wenn der politische Wille von unten herauf durch die besonderen Kreise der sozialen Institutionen gebildet wird? Wenn das so ist, dann soll Rudas Diagnose, dass die von Armut Betroffenen „keinem Stand angehören“ (), doch als das Hauptmotiv des Untergangs der Sozialstaaten verstanden werden. Meine kritischen Bemerkungen sollen aber nur nebenbei als ein Impuls zur Diskussion verstanden werden. Schildbach liefert eine originelle Perspektive auf die soziale Frage, für die sich sowohl die Hegel-Forschung wie auch ein breites Publikum interessieren sollten. Emmanuel Nakamura Universidade Estadual de Campinas
Lorella Ventura. Hegel in the Arab World. Modernity, Colonialism, and Freedom. London et al.: Palgrave Pivot, . S. Seit ihrer Doktorarbeit widmet sich Lorella Ventura dem Verhältnis von Hegel und der arabischen Welt. Bereits erschien unter dem Titel Modernità, colonialismo, libertà: Hegel nel mondo arabo eine erweiterte und systematisierte Fassung dieser Arbeit. Mit dem vorliegenden Buch macht die Autorin nun auch der englischsprachigen Öffentlichkeit eine überarbeitete Fassung dieses Werkes verfügbar. Zugunsten einer besseren Zugänglichkeit verzichtet Hegel in the Arab World auf eine umfassende Bibliographie und greift auch nicht systematisch auf die in der Zwischenzeit von der Autorin verfassten Studien zu Hegels Islamverständnis zurück. Hauptsächliches Anliegen des Werkes ist es, den Einfluss von Hegels Philosophie in der arabischen Welt aufzuzeigen (x). Dieses Vorhaben wird in kurzen Kapiteln realisiert, die sich auf drei Teile aufteilen. Ein erster Teil diskutiert das Verhältnis von Hegels Philosophie und dem Islam. Ein zweiter widmet sich der frühen Rezeption hegelscher Ideen in Syrien und im Libanon des ausgehenden . und frühen . Jahrhunderts, während der dritte Teil die aktuelle Auseinandersetzung mit Hegel in der arabischen Welt diskutiert. Bereits im einleitenden Vorwort zeigt sich, dass Ventura sowohl Expertin für Hegel als auch die arabische Geschichte ist. Treffend differenziert sie zwischen der religiös gefassten Konzeption einer islamischen oder muslimischen Welt und dem von
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ihr präferierten, eher kulturell bzw. regional gefassten Konzept einer arabischen Welt, wobei sie besonders Syrien, Ägypten und den Libanon im Blick hat (). Auch die orientalistische Konstruktion des ‚Orients‘ wird diskutiert und liefert einen terminologischen Rahmen, um die kolonialistische Dimension der Rezeption westlicher Philosophie zu fassen. Die im ersten Teil vorgenommene Rekonstruktion von Hegels Blick auf den Islam und die arabische Welt bereitet im Wesentlichen eine wirkungsgeschichtliche Perspektive vor. Ihre intensiven Vorstudien erlauben es der Autorin, die zentralen Überlegungen Hegels pointiert herauszustellen. Dabei greift sie auf die deutschsprachigen Texte zurück und hat auch die komplexe Quellenlage der Berliner Zeit im Blick, ohne dabei jedoch die positiv erwähnte historisch-kritische Ausgabe der GW zum Anlass für eine systematische Rekonstruktion zu nehmen. Der Autorin geht es in diesen Kapiteln explizit nicht um eine detaillierte textkritische Aufarbeitung von Hegels Verhältnis zum Islam, sondern um die Herausstellung charakteristischer Merkmale, mit denen Hegels Positionen von anderen zeitgenössischen Vorstellungen unterschieden werden können ( f.). Inklusive Anmerkungs- und Quellenapparat nehmen die Diskussionen von „Hegel’s View of Islam“ und den damit einhergehenden geschichtsphilosophischen Überlegungen kaum Seiten ein, weshalb der Mehrwert für die Hegel-Forschung nicht in der Rekonstruktion von Hegels Position liegt, sondern dessen Einbettung in zeitgenössische Diskurse. Den mit Abstand umfangreichsten Teil stellt die im zweiten Teil vorgelegte Auseinandersetzung mit der frühen Hegel-Aneignung in der arabischen Welt des späten . und frühen . Jahrhunderts dar. Einleitend wird dazu auf die Tradierung westlicher Texte und moderner Vorstellungen in der arabischen Welt eingegangen und etwa auch die Übersetzungslage westlicher Texte in Ägypten diskutiert, wobei deutschsprachige Philosophie nicht berücksichtigt wurde (). Als entscheidende Akteure werden schließlich das amerikanisch-protestantische Syrian Protestant College (SPC) – später die American University of Beirut (AUB) – und die französisch-katholische Université Saint-Joseph (USJ) in den Fokus gerückt, die als Missionsschulen maßgeblich für die Vermittlung westlicher Vorstellungen in Syrien und Libanon verantwortlich waren. Mit einem wachen Blick für die politischen und religiösen Programme der Institute arbeitet das Buch die für einen Hegel-Einfluss entscheidenden Lehrinhalte und Positionen heraus. Im Mittelpunkt stehen hier das Verhältnis von Religion und Vernunft sowie das Verständnis von Geschichte und Modernität. Dabei kommt die Autorin zu dem Schluss, dass sich das protestantische College als „a vehicle of transmission of some Hegelian ideas“ () bezeichnen lässt. Bereits die Feststellung, dass so „some Hegelian ideas“ ihren Weg in das ottomanische Syrien gefunden haben, ist kein starkes Resultat. Bei näherer Betrachtung gelingt es der Autorin hier lediglich, die Verbreitung von amerikanisch-protestantischen Positionen nachzuweisen und deren stellenweise Übereinstimmungen mit hegelschen oder hegelianischen Positionen aufzuzeigen. Auch für diese These muss die Autorin allerdings einige Umwege in Kauf nehmen und etwa über den Einfluss des Theologen Josiah Strongs auf das amerikanische Missionarswesen argumentieren. Bei Strong finden sich zwar tatsächlich vereinzelte HegelZitate, die jedoch selber nur aus Zusammenstellungen des einflussreichen amerikanischen Philosophen George S. Morris entnommen sind. Eine intensive Auseinandersetzung mit Hegel oder eine Nähe zum amerikanischen Hegelianismus lässt sich damit auch für Strong nicht belegen, weswegen die Autorin dann auch nicht nur auf den Umweg über Morris hinweist, sondern auch die Unterschiede zwischen Strongs und Hegels jeweiligen Positionen herausstellt. Auch die Auseinandersetzung mit der katholisch-französischen USJ
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ergibt keine positiveren Ergebnisse, sondern kann im Gegenteil nur als Kontrastfolie für den vergleichsweise hegelaffinen protestantischen Geist des SPC dienen. So lässt sich konstatieren, dass sich keine Hinweise auf eine nähere Kenntnis Hegels – geschweige denn eine direkte Lektüre von Hegels Werken – in der arabischen Welt dieser Zeit finden lassen. Mit diesem für die Forschungsfrage äußerst ungünstigen Resultat geht die Autorin offen um, indem sie zwar mit profunder Quellenarbeit mögliche Parallelen aufzeigt, aber keine forcierte These strapaziert. Die direkte Rezeption Hegels wird so auch konsequent als ein junges Phänomen betrachtet, welches im abschließenden dritten Teil behandelt wird. Auch hier zeichnet sich kein allzu ergiebiges Bild ab. Eine nennenswerte Rezeption Hegels kann erst seit den mittleren er und frühen er Jahren beobachtet werden und hinkt so etwa einer Auseinandersetzung mit Nietzsche oder französischer Philosophie deutlich hinterher (). Um diese Situation zu erklären und die gegenwärtige Auseinandersetzung mit Hegel in der arabischen Welt darzustellen, sucht die Autorin schlaglichtartig Einflüsse Hegels in der arabischen Welt auf, indem sie dortige Hegel-Forscher interviewt. Den Anfang machen hier der Professor und Hegel-Forscher Yūsuf Salāma vom Institut Français du Proche-Orient (IFPO) in Damaskus sowie Josef Ma’alūf von der Lebanese University in Beirut. Beide Interviewpartner konstatieren einen eher ernüchternden Zustand der arabischen HegelForschung, der sich neben einer sich nur langsam bessernden Übersetzungslage primär durch eine sowjet-marxistische Verzerrung erklären lasse. Auch Ahmad Barqāwi, zum Interviewzeitpunkt noch Professor an der University of Damascus, kann diese Einschätzung bestätigen. Ergänzend zur verkürzten sowjet-marxistischen Aneignung, die auch zu einer Abwehrhaltung von religiöser Seite geführt habe, sieht er jedoch Spuren von Hegels Denken im (pan-)arabischen Nationalismus. Auch er muss aber ernüchternd konstatieren, dass Hegels Wirkung auf die arabische Geisteswelt schwächer sei als die anderer Denker: „In general, he is little present in contemporary Arab thought.“ () George Saddiqnī von der University of Damascus verortet selbst den Einfluss auf den arabischen Nationalismus eher bei Fichte und der Romantik und geht ebenfalls näher auf die Verbindung von Marxismus und Hegel in der arabischen Rezeption ein. Insgesamt beklagt er in der arabischen Welt ein weitgehendes Unverständnis für dialektische Philosophie (). Als letzten Gesprächspartner wählt Ventura schließlich den syrischen Autor Nadrah al-Yāzajī, dessen Philosophie Parallelen zu Hegels Denken aufweist, wenngleich eine explizite Bezugnahme fehlt. In der Tat bestätigt sich, dass al-Yāzajī Hegel als Denker der Freiheit und Anerkennung schätzt, womit Anknüpfungspunkte für eine aktualisierte Hegel-Rezeption in der arabischen Welt gegeben sind. In abschließenden Betrachtungen kann Ventura anhand der Interviews und Publikationen ein in der akademischen Welt durchaus präsentes Interesse an Hegel erkennen, das in Syrien von einer marxistisch geprägten Freiheitsdebatte bestimmt wird ( ff.), sich aber in Ägypten und Libanon zunehmend von einer einengenden sowjetmarxistischen Lesart emanzipiert. Lorella Venturas Arbeit gelingt eine umfassende und äußerst zugängliche Darstellung der arabischen Auseinandersetzung mit Hegel, die in vielen Punkten überzeugen kann. Vor dem Hintergrund politischer und religiöser Debatten der Zeit zeichnet sie ein differenziertes Bild von Hegels Islamverständnis und der kolonialen Bildungssituation und Einflussnahme auf die arabische Welt im . und . Jahrhundert. Die ausgezeichnete Recherchearbeit schlägt sich in kurzen und pointierten Kapiteln nieder, die durch Verschlagwortung und hilfreiche Abstracts für jedes Kapitel einen schnellen Zugang erlauben und so nicht nur für eng verwandte Forschungsfragen nützlich sein dürften. So kann das
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Buch einen äußerst pointierten Überblick über den Einfluss Hegels auf die arabische Welt vorlegen. Leider erweist sich das Thema selber als wenig ergiebig. Hegel scheint in der arabischen Welt schlicht und ergreifend keinen signifikanten Einfluss gehabt zu haben. Dieser in der Sache liegende Mangel kann der Autorin nicht angelastet werden, die durch große Kenntnis von Hegels Philosophie und der arabischen Welt in der Lage ist, auch indirekte Parallelen und Anknüpfungspunkte zu identifizieren. Andreas Giesbert Ruhr-Universität Bochum
Klaus Vieweg. Hegel: Der Philosoph der Freiheit. Biographie. München: C.H. Beck, . S. Eine Hegel-Biographie, die über eine Nacherzählung des bereits von Karl Rosenkranz Kanonisierten hinausgeht, indem sie eigenständig investigiert, neue Quellen entdeckt und alte neu auswertet, war längst überfällig. Klaus Viewegs um die Seiten umfassende Hegel-Biographie kommt nun nach fünf Jahren intensiver Arbeit und einigen Jahrzenten unbeirrter Hegel-Forschung, pünktlich zum . Jubiläumsjahr Hegels, um genau diese Lücke zu schließen. Bei allem Respekt für den ersten Biographen widerspricht Vieweg dessen Einschätzung entschieden, Hegels Leben sei „an sich so einfach, so mit einem Blick überschaulich, schlicht und ohne allen pikanten Schimmer von Intrigen und Geheimnissen“ gewesen () und rekonstruiert eindrucksvoll anhand von zahlreichen neuen Befunden ein Bild vom Charakter und Leben Hegels, das viel komplexer ist als bisher angenommen. Dass Viewegs Werk bereits wenige Monate nach seiner Erscheinung von den wichtigsten Tageszeitungen und vielen weiteren nicht fachphilosophischen Rezensionsorganen lobend wahrgenommen wurde, spricht nicht nur dafür, dass es aktuell ein signifikant wachsendes Interesse an der Philosophie Hegels zu geben scheint, sondern sicherlich auch für Viewegs Buch selbst. Der Titel des Buches, Hegel: Der Philosoph der Freiheit. Biographie, ist zugleich Programm. Vieweg geht es nicht um Anekdoten, sondern um die „intellektuelle[] Biographie“ () eines Philosophen, und zwar eines solchen, dessen zentrale Idee die Freiheit sei. Die Verknüpfung von Biographischem und Philosophischem ist, worauf es ankommt. In diesem Sinne hält Vieweg „ein Plädoyer für das durchgängige, die gesamte Lebensgeschichte prägende Credo Vernunft und Freiheit“ () und demonstriert mehrfach, dass unter diesem Gesichtspunkt bei Hegel „System und Leben nur Hand in Hand gehen“ (, , ). Damit setzt er die Tradition Joachim Ritters fort, der bereits die These aufgestellt hat, es gebe „keine zweite Philosophie, die so sehr und bis in ihre innersten Antriebe hinein Philosophie der Revolution ist wie die Hegels“, und baut massiv die Legende ab, die in Hegel einen reaktionären Staatsphilosophen Preußens sehen will. Das Buch teilt sich nach den örtlich definierten Lebensabschnitten Hegels in neun Kapitel, die jeweils den allgemeinen historischen Rahmen, Hegels Leben und das dazu gehörende Werk schildern. Besonders der Beitrag zur Erforschung und Darstellung des
J. Ritter, Hegel und die französische Revolution (Köln-Opladen, ), .
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Biographischen unter dem Gesichtspunkt der Freiheit verdient höchstes Lob. Hier sei auf nur wenige Aspekte der Biographie des „Philosophen der Freiheit“ eingegangen, welche Vieweg besonders betont. Hegels Sympathie für die Französische Revolution erschöpft sich keineswegs im sagenumwobenen Glas Champagner, das er angeblich an jedem . Juli getrunken habe. Vielmehr war er lebenslänglich den Idealen der Französichen Revolution unter äußerst ungünstigen Umständen tatkräftig verpflichtet. Bereits in seiner Studienzeit war er ein konspirativer Anhänger, und zwar „eine der Zentralfiguren der studentischen Revolutionsanhänger in [ganz] Württemberg“ (). In Frankfurt beteiligte er sich an der Übermittlung eines Briefs eines Stuttgarter Revolutionsanhängers an einen der Haupttheoretiker der Französischen Revolution in Paris, was zu dieser Zeit den Tatbestand des Hochverrats erfüllte (). Am selben Ort veröffentlichte er anonym die kommentierte Übersetzung der in der Schweiz verbotenen Schrift eines Girondisten ( ff.). Als Redakteur der Bamberger Zeitung verteidigte er wiederholt die Napoleonische Gesetzgebung ( ff.). In Nürnberg engagierte er sich in der „Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Industrie“, deren oberstes Prinzip ein sozialpolitisches, das „Allgemeinwohl“ war (). Und in Berlin unterstützte er verschiedene Studenten, „die unter Hochverratverdacht stehen“ (). Einer von diesen wird wegen nichts Geringerem als „der Mitwirkung an einer Verschwörung zum Sturz der preußischen Monarchie beschuldigt“ () und wird freigelassen, als Hegel (zusätzlich zu seiner schon bis dahin beständigen aktiven Unterstützung) seine Bereitschaft zur Kaution erklärt (). Dass Hegel jenen ‚Hochverräter‘ die wenigen Tage, die er nach seiner Freilassung in Berlin noch verbringen durfte, bei sich beherbergt, setzt ein deutliches Zeichen, das durchaus eine Provokation war gegenüber der restaurativen Willkür Preußens. Hegels freiheitlich-politisches Engagement war bereits zu seiner Lebenszeit weitgehend bekannt – vielleicht damals bekannter als heute. In den Akten der Geheimpolizei finden sich Einträge über Hegels Aktivitäten in Stuttgart, Bern und Frankfurt. Seine Schüler aus dem humanistischen Gymnasium in Nürnberg berichten: „[I]n mir entzündete er den unsterblichen Funken der Freiheit‘ (zit. a. ), während der Stadtkommissar zu Hegels Entlassung aus den Bayerischen Diensten „Kollisionen mit der Administration“ vermerkt, die nicht zuletzt damit einhergingen, dass „Hegel ja Ausländer, ein Württemberger, sei“ (). In Heidelberg ist die Burschenschaft zutiefst gespalten: Auf der einen Seite stehen „die Deutschen, Teutonen, Schwarzen“, die „ausländer- und judenfeindliche Fraktion“ mit Fries als Vordenker, auf der anderen „die Kosmopoliten“ (). Letztere werden „auch Hegelianer genannt“ (). „All die Kosmopoliten“, so die erzkonservative Polemik, „sei es Herr Hegel oder Carové“, Hegels erster Assistent, „sind Narren, die über ihren Ideen und Abstraktionen entweder die Wirklichkeit ganz übersehen oder sie gar nicht kennen, oder sie sind verrückt“ (). Hegel sprach seinerseits bereits seit seiner Nürnberger Zeit von „Deutschdumm“ (). Auch die langjährige Freundschaft mit Paulus wird aufgrund von politischen Differenzen beendet, und zwar öffentlich, als Hegel ihn als nur scheinheiligen Repräsentanten des Volkes kritisiert, der z. B. zwar für allgemeine Bürgerrechte eintrete, dabei aber „Frauen, Juden und Besitzlose“ ausschließe (). Und nicht zuletzt scheiterte die Aufnahme Hegels in die Berliner Akademie der Wissenschaften noch kurz vor seinem Tod an seinem Ruf als „prometheische[r] Hegel“, der „den politischen und akademischen Göttern das Feuer gestohlen“ hatte (). Hegels Porträt als eines freiheitlich-politisch engagierten Bürgers ergänzt Vieweg durch zahlreiche Berichte von Zeitgenossen, die unter anderem – anders als die wenigen Gemälde
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Hegels suggerieren – von einem heiteren Gemüt und – anders als die Stuttgarter Schulberichte () und die ihm zum Abschluss seines Theologie-Studiums attestierte mangelnde Kompetenz als Prediger () – von einer charismatischen Persönlichkeit zeugen (z. B. , f., f., , , ). Offenbar war der formal defizitäre Vortragsstil Hegels, wie er in der viel zitierten Beschreibung Heinrich Gustav Hothos festgehalten wird, nicht das Entscheidende in den Begegnungen mit ihm. Hegels innere Qualitäten wirkten tiefer und nachhaltiger und ließen schließlich sein Äußeres eher als einen Aspekt der Authentizität eines Genies erscheinen. Im ‚philosophischen‘ Anteil seines Buches verfolgt Vieweg nicht das Ziel, das hegelsche Werk erschöpfend zu referieren oder spezifische Probleme der Hegel-Forschung zu lösen. Auf eine Einführung im systematischen Sinne kommt es im Rahmen einer intellektuellen Biographie auch nicht an. Stattdessen gilt es hier, einige Grundgedanken hegelscher Philosophie hervorzuheben und in ihrer historischen Entwicklung vorzustellen. Die Thematiken von Skeptizismus, Wissenschaft, (monistischem) Idealismus, Begriff und Vorstellung, Unmittelbarkeit und Vermittlung sind nur einige, die sich wie verschiedene rote Fäden durch Viewegs ganzes Buch ziehen. Was jedoch all diesen Gedanken zugrunde liegt und sie, wie auch alle weiteren Inhalte hegelscher Philosophie, miteinander verbindet, ist nach Vieweg die Freiheit bzw. „Vernunft und Freiheit“ (). Vieweg informiert ausführlich über die Omnipräsenz und die Facetten des Freiheitsgedankens auf jeder Etappe der philosophischen Geschichte Hegels. Seine Vorliebe gilt aber der Rechtsphilosophie, in deren Kontext Vieweg einige seiner spannendsten und politisch heute besonders aktuellen Hegel-Interpretationen entfaltet. Dazu zählen zweifelsohne die Kritik des Neoliberalismus zugunsten einer vernünftigen Regulierung des Marktes ( ff.), Erklärung und Kritik von Populismus bei gleichzeitiger Einführung des Begriffs des ‚reichen Pöbels‘ () und die „theoretische[] Legitimation einer republikanischen, demokratischen Verfassung“ (). In Bezug auf Letzteres nimmt Vieweg sogar eine umfassende Umarbeitung des letzten Abschnitts der Rechtsphilosophie vor, die auf eine massive Einschränkung der Rolle des Monarchen im Staat abzielt und dieses Werk als „die antirestaurative Schrift aus dem Bereich der Philosophie“ () stilisiert. Die tatsächliche Fassung jenes Abschnitts sei ein „Täuschungsmanöver[]“ (), um die preußische Zensur zu umgehen. Hegel stütze sich an dieser Stelle „auf die Logik des noch nicht entfalteten, nicht erfüllten Begriffs […], anstatt auf das Ganze von drei Schlüssen“ (), welches wiederum Vieweg seiner eigenen Umarbeitung zugrunde legt. Nicht zuletzt kann Vieweg sich hier auf die Argumentationslinie Dieter Henrichs berufen. Außerdem argumentiert Vieweg originell und aufschlussreich gegen den vermeintlichen Eurozentrismus Hegels ( ff.). Besonders erfrischend wirkt seine Deutung von den verschiedenen ‚Enden‘ hegelscher Philosophie zu neuen ‚Anfängen‘: Das „Ende der Geschichte kann als der eigentliche Beginn humaner Existenz interpretiert werden, als Anfang eines Zeitalters, in dem der Mensch schlechthin, jeder Mensch […] als ‚neuer, höchster und letzter Heiliger‘ gilt“ (). „Die Französische Revolution ist für Hegel Ausdruck für die Dämmerung der Geschichte im Sinne des Abschlusses ihres Stufengangs zur Freiheit und zugleich die Morgenröte der neuen Zeit, der Beginn eigentlich humaner Existenz“ (). Das Ende der Kunst bedeute, dass es „nicht mehr darum [geht], ‚Werke der Kunst göttlich zu verehren und sie anbeten zu
D. Henrich, „Logische Form und reale Totalität. Über die Begriffsform von Hegels eigentlichem Staatsbegriff“, in: Hegels Philosophie des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre Logik, hg. v. dems. u. R.-P. Horstmann (Stuttgart, ), – .
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können‘“ (). Vielmehr gehe es nun um den „Triumph der konkreten Freiheit“, der bis hin zum künstlerischen „Festhalten des flüchtigen Scheins des augenblicklichen, alltäglichen, vermeintlich marginalen Daseins“ gehe (.). Und auch das „Ende der Philosophie bedeutet […] den Beginn freien Philosophierens. Vernunft und Freiheit seien beständig neu zu bearbeiten“ (). Bei aller Ausführlichkeit und Betonung von Freiheit im Buch Viewegs ist aus der Sicht des Rezensenten kritisch anzumerken, dass die eine, systematisch grundlegende und an bestimmter Stelle des hegelschen Werkes festgelegte Begriffserklärung von Freiheit noch fehlt. Zwar registriert Vieweg, wo „die Kernformel vom Bei sich selbst Sein im Anderen seiner selbst“ () zum ersten Mal bei Hegel auftaucht. Dort ist aber von Skeptizismus die Rede, bzw. von einer „Transformation der Logik des Verstandes in eine Logik der Vernunft“ () und (noch) nicht (explizit) von Freiheit. Zudem verweist Vieweg zutreffenderweise, wenn es um Freiheit im genuin hegelschen Sinne geht, antizipierend auf das Verhältnis von Allgemeinem (A), Besonderem (B) und Einzelnem (E) (z. B. f., ), was primär eine rein logische Angelegenheit ist, die eigens im ersten Kapitel der Begriffslogik exponiert wird. In seiner Besprechung der Begriffslogik aber gestattet sich Vieweg, um „einen Einblick in diese komplizierte Struktur [von A, B, E] zu ermöglichen, […] eine Antizipation auf Hegels spätere Philosophie des Rechts“ (), genau genommen auf die einleitenden „Paragraphen , und “, die „die logische Struktur des Willensbegriffs frei[legen]“ (). Beispiele von „Sklaven“ und „Verbrechen“ lenken dann das Augenmerk weiter von Hegels rein logischer Pointe auf den realphilosophischen „Begriff des freien Willens“ ( – ). Doch wäre die pointierte Auskunft über A, B und E anhand des ersten Kapitels der Begriffslogik (der vom Begriff als solchen handelt) von herausragender Bedeutung sowohl für die Freiheitsproblematik als auch für die ganze hegelsche Philosophie. Denn zum einen, wie Vieweg bei seiner weiteren Besprechung derselben Paragraphen im rechtsphilosophischen Zusammenhang treffend anmerkt, erschließt sich die „grundlegende Bestimmtheit des Begriffs des freien Willens als Prinzip und Anfang der Wissenschaft des Rechts […] im Rückgriff auf die Logik“ (), d. h. vorzüglich auf die Begriffslogik. Und überhaupt: Diese Logik (und nicht erst das in der Rechtsphilosophie Dargelegte) ist es, die den „Grundpfeiler für einen modernen Begriff von Freiheit“ () darstellt. Zum anderen macht Vieweg (ebenfalls mit Recht) geltend, dass A, B, E „der Grundcode“ hegelscher Logik ist (, , , ), der diese Logik von aller früheren grundsätzlich unterscheidet. Zudem betont er, dass der Begriff, der ja als solcher laut dem ersten Kapitel der Begriffslogik in der konkreten Einheit von A, B, E besteht, „den eigentlichen Standpunkt des absoluten Idealismus aus[macht]“, sogar das, „was die Welt im Innersten ausmacht, ihr ‚Lebenspuls‘, ihr ‚Nervenzentrum‘“ (, , ). In diesem Sinne sind von einer ausführlichen Besprechung des Begriffs im rein logischen Kontext aufschlussreiche Einsichten in „Hegels monistischen Idealismus“ () durchaus zu erwarten, und zwar in diesen Idealismus im Allgemeinen, in Hegels „idealistischen Monismus der Freiheit“ (), sowie in die begriffliche Bedeutung des ‚und‘ in Formulierungen wie „Hegels monistische[r] Idealismus als Wissenschaft der Vernunft und Freiheit“ (). Auch für den Begriff des Absoluten – welchen Vieweg überraschenderweise nur am Rande, etwa in wenigen Zeilen im wesenslogischen Kontext thematisiert () – sowie für das begriffliche Verhältnis des Absoluten zur Freiheit sollte diese Besprechung nicht irrelevant sein. Doch trifft dieser Einwand in erster Linie Hegels eigene Ausarbeitung und Darstellungsweise in Sachen Freiheit: Ein Buch oder ein Kapitel, das schlicht und explizit die Freiheit (als solche) oder den Begriff der Freiheit (überhaupt) exponiert und nicht den freien
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Willen, die Freiheit des Selbstbewusstseins oder dieselbe als Wesen des Geistes, als verwirklichte usw. abhandelt, hat Hegel selbst leider nicht hinterlassen. Vieweg folgt zwar Hegels Darstellungsweise und zeigt, inwiefern die erwähnte „Kernformel“ für die Freiheit („Bei sich selbst Sein im Anderen seiner selbst“) auf jeder neuen Stufe des hegelschen Denkens fortbestimmt wird. Doch auch ‚Sein‘, ‚Begriff‘, ‚absolute Idee‘ und ‚Geist‘ (um nur wenige Beispiele zu nennen) bilden nicht minder wichtige Themen bei Hegel, die ebenfalls auf mehreren Stufen fortbestimmt werden. Ihnen widmet aber Hegel wohl, und zwar an sehr prominenten Stellen, jeweils mindestens ein Kapitel. Entsprechend sollte nun auch die Freiheit vor ihrer Verwirklichung qua Selbstbewusstsein, Wille usw. eigens und als solche begreifbar sein. Wünschenswert wären des Weiteren mehr Verweise auf die Rezeptionsgeschichte Hegels gewesen. Obwohl Vieweg Hegels Originalität mit ausreichenden Verweisen auf die vorhegelsche Philosophiegeschichte belegt, markiert er dessen Aktualität im Hinblick auf laufende philosophische Debatten nicht mit gleichem Elan. Zwar verweist er häufig auf sie, wenn er etwa von „Myth of the Given“ (im englischen Original zitiert, z. B. , , , ) spricht, sich gegen „Empirismus“, „Materialismus“ und „Naturalismus“ ( f.) wendet oder die These vom Ende der „großen Erzählungen“ () kritisiert. Die Vertreter solcher Positionen nennt er aber eher selten. Doch es hätte für Viewegs Ziel, Hegels Philosophie von Vorurteilen zu befreien und insgesamt dem heutigen Publikum zugänglicher zu machen, nur förderlich sein können, zu heute allgemein bekannten, gar anerkannten Denkern, die gerne auf Hegels Erbe zurückgreifen, wie etwa Wilfrid Sellars oder Francis Fukuyama, Position zu beziehen und kurz anzumerken, inwiefern sie mit Hegel weiterdenken, über ihn hinausgehen oder hinter ihn zurückfallen. Vieweg schreibt temperamentvoll, manchmal gar stürmisch. Seine Pointen prägt er ins Gedächtnis seiner Leserschaft mit zahlreichen literarischen Bildern, Anspielungen und geschickten Stilbrüchen ein. Gerade seine Darstellung der ersten Lebens- und Denkphasen Hegels, für welche die Quellen rar und fragmentarisch sind, und in welchen die Lebensund Denkwege verschiedener Akteure sich überkreuzen und zusammenwachsen, ähnelt einem aufregenden Detektivroman. Dass Vieweg Hegel dabei philosophisch über alles schätzt, vertuscht er keinen Augenblick lang – er nennt ihn seinen „Bruder“ (). Vielleicht ist nun genau in solch einer Haltung ein nicht zu unterschätzender Grund dafür zu erkennen, warum es Vieweg gelingt, ein breiteres Publikum zu erreichen: Er zeigt sich nicht bloß als ein weiterer Fachmann, der akademisch distanziert über abgehobenes Fachwissen referiert, ältere Kollegen (in diesem Fall Hegel) womöglich verachtet oder gar beneidet, sondern als Denker, der mit Begeisterung genau das vorstellt, was er für richtig hält. Das ist eine genuin philosophische Tugend, die umso dringender wird, je wichtiger und komplexer die Sache ist, um die es geht – und etwas Wichtigeres als die Freiheit gibt es nach Vieweg und mit Hegel nicht. Viewegs Buch ist eine wert- und genussvolle Lektüre nicht nur für Spezialisten, sondern für jeden und jede, der und die sich für Hegel und Philosophie interessiert. Ermylos Plevrakis Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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D) Neuerscheinungen zu einzelnen Autoren der klassischen deutschen Philosophie Michael N. Forster. Herder’s Philosophy. Oxford et al.: Oxford University Press, . pp. In this engaging work, Michael Forster presents a thoroughgoing case for considering Johann Gottfried Herder a philosopher “of the very first importance” () by the standards of contemporary academic philosophy (i. e., philosophy after the ‘linguistic turn’). This is doubly significant. First, from his own time to the present, Herder has been aggressively denied such philosophical standing. This has been particularly the case in the Kantian tradition, starting with disparagements by the ‘sage of Königsberg’ himself. Even those who clearly drew upon his thought often made no acknowledgment of his influence, including such major figures as Schelling and Hegel. To reverse this historical injustice has been a major endeavor of Herder scholarship of the last generation, and Forster has long been a key force in this endeavor. Second, Forster asserts Herder’s eminent importance not only in this historicist sense but in a very strongly presentist sense, i. e., for current controversies within disciplinary philosophy. This is both very bold and distinctly characteristic of what disciplinary philosophy today means in recognizing others as part of the guild: they must have arguments that matter in the current argot. That is precisely how Forster wants to vindicate Herder. As behooves such an interpretation, Forster begins with an extended consideration of Herder’s philosophy of language, arguing both for its historical originality and for its correctness by current lights. In bringing it into direct and energetic conversation with current considerations, Forster offers especially interesting treatments of theories of animal mind and language, as well as non-verbal communication (‘expressivism’ in art, for example). In Forster’s view, Herder got the essential relationship between language and thought right (Forster is not at all shy about pronouncing such evaluative judgments). Likewise, Herder recognized the essential sense of philosophical meaning: “if concepts or meanings just are usages of words, and grasping concepts or meaning therefore just is being competent in usages of words, thought’s essential dependence on and boundedness by linguistic competence seems hereby both established and explained.” () Forster even argues that Herder may well have had a better sense of the embodied character of mind than the outright “anti-psychologism” that characterized the great pioneers of the recent linguistic turn, Frege and Wittgenstein ( – ). Herder insisted both that embodied sensation was central to thought but also, conversely, “that human perception generally, and human perception of non-linguistic art in particular, is of its nature laden with concepts, beliefs, and theory, and hence implicitly dependent on language.” () Thus, “all our concepts, and consequently also all of our thoughts, ultimately depend on our sensations in one way or another. And […] there is a dependence in the other direction: […] the character of our sensations depends on our concepts and beliefs” (). This interdependence is the specific difference of humans from other animals. In many ways, this discussion is a refined recapitulation of Forster’s earlier work, consolidating his intervention in the fields of Herder-studies and current philosophy of language. Building on it, Forster demonstrates how Herder elaborated pioneering positions in hermeneutics and theory of translation, with decisive influence on the formation of such
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disciplines as linguistics, comparative literature, cultural anthropology, and history. He then addresses in separate chapters how Herder can be understood under other contemporary academic-philosophical rubrics: philosophy of mind, aesthetics, moral philosophy, philosophy of history, political philosophy, and philosophy of religion. This systematic presentation is both a strength (insisting on the significance of Herder’s thought in many domains current philosophy takes seriously) and a weakness, because the endeavor causes Forster all too frequently to repeat himself (and Herder’s original statements) at length in each domain. Finding a more streamlined way of asserting systematic significance without redundancy would have resulted in a more elegant work. In his effort to establish Herder’s philosophical importance, Forster makes a convincing discrimination between ‘system’ and ‘systematicity’. The distinction had been articulated prominently in the eighteenth century by Condillac and D’Alembert, and Herder proved a brilliant exemplar. To be ‘systematic’ was to exempt no domain from critical investigation, but to undertake it with methodological self-consciousness. This contrasted with subsuming every proposition under an a priori first principle (the essence of ‘system’). Clearly, Herder despised system-building, but, as Forster notes, rejecting ‘system’ did not equate in Herder with rejecting ‘systematicity’. Much of Herder’s conflict with Kant arose from having learned ‘systematic’ critique from his great teacher in his youth only to come to believe later on that Kant himself betrayed it for ‘system’. System-builders such as Schelling and Hegel could hardly identify themselves with Herder’s posture, even as they assimilated a great many of his ‘systematic’ insights into their architectonics. Perhaps it was Nietzsche who most faithfully emulated Herder in his approach, though he did not accentuate this kinship. Another of Forster’s key claims is that Herder, far from deriving his key ideas on language and interpretation from J. G. Hamann, in fact influenced the latter to adopt ideas that Herder had himself pioneered (, – , ).While many of us agree that Hamann’s influence on Herder has been overstated and used to create a false image of Herder as a “counter-Enlightenment” figure, I suspect that Hamann’s personality and preoccupations exercised a more substantial influence on Herder’s style and orientation than Forster registers. While I agree that Kant proved ultimately more important, the literary and cultural concerns that caught up the young Herder seem distinctly different from the preoccupations even of the “gallant Magister” he knew and revered, and far more in keeping with Hamann’s taste (as Kant himself recognized with displeasure). Forster makes a very important critique of the effort to assimilate (or even subordinate) Herder’s hermeneutics to H. G. Gadamer’s more recent theory ( – , – ). Forster’s argument seems to me quite apt, even if he suspects me of a Gadamerian leaning (, fn.). The question that is at stake, here, is what to make of the “radical mental difference” () which occasions the hermeneutic problem itself., i. e., can we establish epistemic security in hermeneutic investigation. As Forster puts it, “interpretation is frequently going to be an extremely difficult task” (). How deep is the insecurity that follows? It seems entirely fruitless to believe in the utter incommensurability of cultural or historical positions. That, for Forster, is “what is wrong” with Gadamer’s position, “its implication that […] historical specificity is epistemically insurmountable” (). Herder certainly did not believe this: the labor might be difficult, but intense and systematic critical-historical inquiry together with an empirical-fallibilist modesty concerning outcomes was essential to Herder’s approach and remains so for any sound hermeneutics today. Herder insisted that the interpreter had to recognize the authenticity of the historically or culturally remote author,
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and thus he could never be assimilated to Gadamer’s view “that authors have no authority when it comes to assessing their own intentions and meanings” (, fn.). Yet it is not clear – either for Herder himself or for us – how much we may still unconsciously project into the ‘other’ elements of our own language, culture or individuality, and thus we must operate (as I believe Herder acknowledged) with a wary eye to our own proclivities (, fn.). This enables us to be keen simultaneously to the challenge of the “Other” and to the insistent presence of our own values, which neither can nor should simply be denied (, ). Forster does not attempt to resolve this vexing imbrication of skepticism with relativism, but acknowledges it as a dilemma intrinsic to the hermeneutic situation, as Herder clearly understood (). For Forster, Herder should be understood as a philosophical naturalist – “in the threefold sense that [Herder’s view] is not religious or other-worldly, that it is physicalist or at least compatible with physicalism, and that it supports a continuity between humans and (other) animals” (, ). Denial of any substantial gulf between mind and body, and hence openness towards a form of “physicalism”, was, in Forster’s view, “Herder’s most original, radical, and philosophically promising position on the mind-body question” (). Ontologically, Herder elaborated a “subtle position concerning the laws of nature and God, [a] combination of a firm insistence on the full explicability of nature in terms of natural laws with a conviction that this very explicability […] ultimately requires explanation in terms of God” (). This was an important component of Herder’s philosophy of religion, but also of his monistic, ‘neo-Spinozist’ ontology of ‘force’, which had enormous influence on the life science and the metaphysics of the generation around . Methodologically, the key element of Herder’s naturalism was its insistent rejection of a priori derivation, instead “adducing a wide variety of forms of indirect empirical evidence and […] demonstrating that these all point towards a single hypothesis” (). Forster ends his study with a reassertion of Herder’s seminal influence on a whole array of subsequent thinkers, most notably Hegel. As Forster has it, “Hegel’s philosophy turns out to be largely an elaborate, systematic development of Herder’s ideas” (, see also , , and – ). If for nothing else, that dramatic assertion makes this book important for Hegel studies. John H. Zammito Rice University, Houston
Birgit Sandkaulen. Jacobis Philosophie. Über den Widerspruch zwischen System und Freiheit. Hamburg: Felix Meiner, . S. Die Bedeutung von Birgit Sandkaulens im Jahr erschienener Habilitationsschrift Grund und Ursache für die Rezeption Friedrich Heinrich Jacobis kann wohl kaum überschätzt werden. Von den Nachkantianern Fichte, Schelling und Hegel wurde er als „Wendepunkt der geistigen Bildung der Zeit“ (Hegel) hochgeschätzt und gleichzeitig in bitteren Polemiken teils heftig bekämpft. Einerseits nahm er ihre Systemphilosophien vorweg und begründete ihre Spinoza-Rezeption. Andererseits widersprach er ihren eigenen Systementwürfen vehement im Namen personaler Individualität und Freiheit und
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blieb so ein steter Stein des Anstoßes. Im Verlauf des . Jahrhunderts wurde er allerdings von Schopenhauer und Heine zum religiösen Gefühls– und Glaubensphilosophen degradiert – ein Fehlurteil, das noch heute seine Rezeption verstellt. Ein nur kurzes Revival war Jacobi in der ersten Hälfte des . Jahrhunderts beschieden, als sich so namhafte Denker wie Leo Strauss, Ernst Cassirer und O. F. Bollnow wieder ernsthafter mit Jacobi auseinandersetzten. Die Lage änderte sich erst, als Dieter Henrich in seinem epochalen Werk Der Grund im Bewusstsein () die Bedeutung Jacobis für die nachkantischen Systementwürfe nachwies. Manfred Frank leistete fünf Jahre später in „Unendliche Annäherung“ ähnliches für Jacobis Einfluss auf die deutsche Frühromantik. Beide lesen Jacobi dabei jedoch immer noch durch die Brille seiner Rezipienten. Das Verdienst Sandkaulens bestand demgegenüber darin, Jacobis Philosophie personaler Freiheit erstmals in ihren eigenen Intentionen erschlossen und damit Jacobi auf Augenhöhe mit seinen berühmteren Zeitgenossen gebracht zu haben. Dabei räumte sie endgültig mit dem Vorurteil auf, Jacobis Glaube sei primär religiöser oder gar christlicher Natur. Stattdessen etablierte sie Jacobis Glauben als das präreflexive Handlungsbewusstsein des jeweiligen Individuums, das sich in seiner Praxis als wirkende Ursache erfährt, und das allen praktischen und theoretischen Akten des Menschen je schon zu Grunde gelegt werden muss. Diese ‚ursprüngliche Einsicht‘ hat Sandkaulen seitdem in zahlreichen Aufsätzen unter verschiedenen Hinsichten entfaltet und dabei deutlich gemacht, dass Jacobi nicht nur ein unverzichtbarer Wegbereiter des sogenannten ‚deutschen Idealismus‘ war, sondern eine stete Provokation blieb. Es war Jacobis Beharren auf dem personalen Handlungsbewusstsein, das seine Vertreter in immer neuen Entwürfen in ihr Systemdenken zu integrieren versuchten, woran sie jedoch, so Sandkaulen, letztlich scheiterten. Jacobis Insistieren auf der lebensweltlichen Selbsterfahrung des Individuums, wie es ist, ein Handelnder, ein ‚Wer‘ und kein bloßes ‚Was‘ zu sein, die in kein System integriert werden kann, war dabei für Sandkaulen nie eine historische Position unter anderen, sondern ein Anliegen, das uns auch heute noch beschäftigen sollte. Der hier rezensierte Band versammelt nun, unterteilt in zwei Teile, vierzehn dieser Aufsätze zu Jacobi. Der erste Teil entwickelt dabei schwerpunktmäßig Jacobis eigenständige Philosophie und deren Grundanliegen, der zweite konfrontiert die nachkantischen Systeme mit ihrem eigenen Anspruch, Jacobis Problemstellung in sich aufgehoben zu haben. Gleich der erste Aufsatz führt den Leser unmittelbar ins Zentrum von Jacobis Denken: seine „Doppelphilosophie“ () von System und Systemkritik, die er erstmals in seinen Spinozabriefen () unter der Losung seines „Spinoza und Antispinoza“ (JWA ,: ) publik macht. Sandkaulen stellt völlig zu Recht die, horribile dictu, noch immer vernachlässigte Bedeutung von Jacobis Spinoza-Rekonstruktion für die nachkantische Philosophie heraus, die der von Kants Kritiken nicht nachsteht. Jacobi zeigt nämlich, dass alle Systemphilosophie durch Spinozas Metaphysik der Immanenz hindurchgehen muss. Damit fundiert Jacobi die Spinoza-Begeisterung der Nachkantianer und verabschiedet den spätaufklärerischen Rationalismus. Zur Provokation wird diese Behauptung dadurch, dass dieses System theoretisch-diskursiv weder überboten noch widerlegt werden könne. Man könne sich nur durch einen Salto mortale aus diesem Denken befreien. Sandkaulens Interpretation dieses Saltos ist nun deshalb so augenöffnend gegenüber früheren Deutungen, weil sie nachweist, dass es sich hierbei für Jacobi um einen nur vom Individuum zu vollziehenden praktischen Widerspruch handelt (), für den man sich entscheiden muss. Jacobi stellt damit dem spekulativen Interesse, das sich in Spinoza befriedigt findet, das jemeinige Handlungsbewusstsein der Person entgegen. Ist Spinozas „Metaphysik der Immanenz“ für Jacobi also
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„das einzigartige Paradigma eines schlechthin konsequenten Denkens“, die unser spekulatives Interesse an einer „universale[n] und vollkommen rationale[n] Erklärung des Gesamtzusammenhangs der Welt“ () auf unüberbietbare Weise befriedigt, so negiert sie doch zugleich unser fundamentales Selbstverständnis als intentional Handelnde (). Im Vollzug des Salto mortale behauptet der Einzelne die Legitimität seiner „lebensweltlich[en] Praxis“ () und „Erfahrung menschlichen Handelns“ () gegenüber seinem rein rationalen Interesse. Anders als für die ‚Idealisten‘ kann die Verteidigung unserer Praxis für Jacobi nicht auf dem Wege logischer Gegenargumentation, sondern nur im „praktische[n] Vollzug“ () gelingen. Dieser Widerspruch gegen Spinoza und das Systeminteresse der Spekulation, kein vermeintlicher Sprung in den Abgrund des Irrationalismus ist das „Provokationspotential“ () Jacobis, an dessen Entschärfung sich all seine Nachfolger abarbeiten. Sandkaulen führt darüber hinaus aber auch vor, dass die Notwendigkeit des Sprungs aus dem Systemdenken von Jacobi zwar nicht logisch deduziert, aber doch in seiner Motivation einsichtig gemacht wird. Sie zeigt nämlich mit Jacobi, was im System rationaler Welterklärung notwendig verloren geht und durch welche begrifflichen Konfusionen dieser Verlust verschleiert wird. So konfundiert Spinoza die lebensweltliche Erfahrung eines offenen Zeitverlaufs mit der Bestimmung einer ewigen Zeit und den Begriff der Ursache mit dem logischen Begriff des Grundes. Von Ursache und Zeit – und damit auch von personal zurechenbaren Handlungen – dürfte nämlich im System Spinozas gar nicht mehr gesprochen werden. Diesen Sachverhalt kaschiert Spinoza durch seine Identifikation von Grund und Ursache, wohingegen Jacobi auf deren sachlicher Differenz insistiert: Ist der Grund, da er nur ein logisches Dependenzverhältnis kennzeichnet, immer gleichzeitig mit seiner Folge, so impliziert das Verhältnis der Ursache zu ihrer Wirkung eine zeitliche Sukzession (). Eben deshalb lässt sich letzteres aber auch nicht logisch entwickeln, sondern ist auf unsere Handlungspraxis angewiesen. Den Begriff der Ursache und die „genuine Wirklichkeit der zeitlichen Welt“ () gewinnen wir nur aus der Selbsterfahrung unseres eigenen Handelns. Als Handelnde machen wir in uns selbst nämlich die Erfahrung der Freiheit, in der Ausrichtung auf einen zukünftigen Zweck eine Veränderung in der Welt hervorrufen zu können. In dieser Erfahrung gründet für Jacobi unser präreflexives Bewusstsein eines Unbedingten, das nicht rational erklärt, sondern nur enthüllt werden kann. Gehalt und Charakter dieses präreflexiven Bewusstseins, das bei Jacobi auch unter dem Begriff des Glaubens firmiert, expliziert Sandkaulen im anschließenden zweiten Text. Mit fast spielerischer Leichtigkeit entlarvt Sandkaulen dabei die christlich-religiöse Deutung dieses Glaubens als eine oberflächlicher Textlektüre geschuldete „stereotype Fehldarstellung“ (). Fundament von Jacobis Glaubensbegriff ist nämlich gar nicht die Religion, sondern die Entgegensetzung unserer „existentiellen Freiheitserwartungen“ gegen ein in sich geschlossenes Vernunftsystem (), dessen Vollendung sich in Spinozas Metaphysik der Immanenz findet und das existentielle Freiheit unmöglich macht. Jacobis Glaube ist deshalb nicht als theoretische Einstellung zu begreifen, sondern als eine allem Begründen „vorgängige Praxis“ () freien Handelns, deren unmittelbare Gewissheit in allem Begründen je schon in Anspruch genommen wird. Würden wir nicht schon die Erfahrung der Freiheit machen, wären Argumente, Gründe und Schlüsse nur ein „Anliegen unserer Leiber“ (JWA ,: ), ein Schauspiel, dem das Bewusstsein nur zusehen könnte. Aber auch die Erfahrung der Realität des Wirklichen erschließt sich nach Jacobi eben nicht unserem theoretischen Weltverhältnis, sondern unserer Praxiserfahrung. Die Deutung dieses praktischen Glaubens als ein auf etwas referierendes theoretisches Bewusstsein ist also eher eine Karikatur als eine Interpretation Jacobis, die sich nach Sandkaulen nicht zuletzt Hegels polemischer Aus-
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einandersetzung mit Jacobi in Glauben und Wissen verdankt. Jacobis Originalität, sein fundamentaler Perspektivenwechsel, Philosophie nicht aus der distanzierten Perspektive des Urteilens, sondern aus dem Vollzug des Lebens zu begründen, in dem wir uns je schon als „Akteure unseres Handelns“ () erfahren, wurde damit für lange Zeit verstellt. Dieser Perspektivenwechsel hat nun nichts mit Irrationalismus zu tun, sondern begründet im Gegenteil erst unsere Rationalität. Mit ihm hebt Jacobi die Vernunft auf eine ganz andere Stufe als der Rationalismus vor ihm, wie der dritte Text Sandkaulens zeigt. Denn in unserer Selbsterfahrung als ursächlich Handelnde, die sich in ihrem Handeln auf Zwecke hin entwerfen, machen wir für Jacobi die Erfahrung einer Vernunft, die nicht nur eine Eigenschaft von uns ist, sondern die unser ganzes individuelles, lebendiges Dasein bestimmt. Diese Vernunft bezeichnet nicht nur unser Vermögen der Begriffsbildung, des Urteilens und Schließens, sondern den Leib und Intellekt übergreifenden menschlichen Geist, der sich in all unseren praktischen und theoretischen Vollzügen manifestiert. Als Grund unserer Rationalität kann diese Vernunft aber eben nicht mehr rational erklärt werden. Dies hieße nämlich, unser fundamentales, personales Selbstverhältnis zu einer Eigenschaft von uns zu machen. Sie kann stattdessen nur im eigenen individuellen Handlungsvollzug unmittelbar erfahren werden. Darin machen wir die Erfahrung menschlicher Freiheit – eines Unbedingten, das als menschliches zugleich bedingt ist. Im Handeln erfahren wir, dass wir durch Naturverhältnisse nicht vollständig bestimmt sind (). Mit dieser Erfahrung begründet Jacobi seine „Metaphysik der Freiheit“ (). Unsere spezifisch menschliche Freiheitserfahrung bedingter Unbedingtheit verweist dabei auf ein schlechthin Unbedingtes, einen Gott, der nicht ein abstrakt-absoluter Grund, sondern als absolute Ursache selbst Geist sein muss. Der vierte Artikel unterwirft Jacobis Freiheitskonzeption konsequent einer vertieften Analyse. Sandkaulen zeigt dabei, inwiefern Jacobis Freiheitskonzeption derjenigen Kants durchaus überlegen ist. Sie unterläuft nämlich Kants Dualismen. Entgegen Kants Dichotomie von Pflicht/Vernunft und Neigung/Sinnlichkeit wird das freie Handeln nach Jacobi von einer eigenen Freude begleitet, „ganz bei uns selbst zu sein“ (). Indem freies Handeln für Jacobi auf das Gute und nicht bloß das für uns selbst Nützliche bezogen ist, erfahren wir uns im Vollzug der Freiheit jedoch gerade nicht als isolierte Freiheitsatome, sondern sind immer schon „beim Andern“ (). In der Freiheit erfahren wir demnach auch eine andere Rationalität als die bloß instrumentelle (). Im Vollzug der Freiheit manifestiert sich vielmehr das Bewusstsein, dass wir uns von unseren Interessen, selbst unserem eigenen Selbsterhaltungsinteresse, distanzieren können. Freiheit ist deshalb bei Jacobi weit davon entfernt, ein bloßes Postulat zu sein. Vielmehr stellt sich uns die Wirklichkeit und Wirksamkeit der Freiheit in unserem am Guten orientierten Handeln je schon als unmittelbar gewisse Tatsache dar (). Für Jacobi ist es eine Grunderfahrung unseres personalen Selbstverständnisses, dass wir jemand (nicht etwas!) sein wollen, der in seinem Handeln zwischen Nutzen und Gutem unterscheidet. Zwar realisieren wir dieses Gute nicht immer, aber noch dieses Bewusstsein unserer Unzulänglichkeit kann ja nur verstanden (nicht erklärt!) werden, wenn wir ihm unsere Freiheit zum Guten zu Grunde legen. Jacobis Metaphysik der Freiheit basiert also wesentlich darauf, dass sie unser personales Selbstverständnis ernst nimmt. Damit gründet sie auf einem radikal anderen Fundament als
Bei aller vordergründigen Ähnlichkeit markiert dies den deutlichsten Unterschied zwischen der existenzphilosophischen Konzeption von Freiheit und derjenigen Jacobis: Für Jacobi ist Freiheit und Selbstsein gerade nicht mit Angst besetzt.
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die für die Neuzeit charakteristische Philosophie der Subjektivität, wie Sandkaulen weiter deutlich macht. Jacobis Freiheitsphilosophie liegt nicht die allgemeine Struktur eines impersonalen Selbstbezuges zu Grunde, gemäß der ein Mensch vom anderen gerade ununterscheidbar ist, sondern das Bewusstsein, diese einmalige, einzigartige Person zu sein: nicht die absolute Setzung des „Ich bin Ich“, sondern das existentielle, „lebendige Bewusstsein, ich selber zu sein und nicht dieser oder jener“ (). Dass Jacobi dieses Person-Sein noch auf Gott überträgt, war für Zeitgenossen, die Person-Sein als der bloßen Endlichkeit geschuldete Einschränkung absoluten Ich-Seins verstanden, eine Provokation. Der Grund, dem Absoluten das Person-Sein abzusprechen, liegt nach Sandkaulen jedoch gerade im Missverständnis des Person-Seins als ‚Was‘. Danach wird Person-Sein durch die bewusste Identifikation vergangener Gedanken und Handlungen als unser Selbst konstituiert (). Jacobis ursprüngliche Einsicht besteht darin, die Zirkularität dieses Reflexionsmodells bereits vor Fichte erkannt zu haben (; ). Die Identifizierung würde das Bewusstsein personaler Identität nämlich bereits voraussetzen, anstatt es zu begründen. Jacobi setzt diesem zirkulären Personkonzept die unmittelbare personale Selbsterfahrung des Individuums entgegen, ein ‚Wer‘, ein unvergleichbares Individuum, zu sein. Personen sind nicht Fälle der Art ‚Person‘ oder Instantiierungen der Menschheit. Sie können nicht begrifflich erfasst, sondern nur mit einem Namen bezeichnet werden. Das Bewusstsein, dieser und kein anderer zu sein, setzt dabei immer schon den Bezug auf den Anderen voraus. Auch dieser Andere ist bei Jacobi kein Begriff, sondern der singuläre Mensch mit Namen (). Diese Erfahrung machen wir gerade in der Freundschaft: In ihr sind wir immer auf ein konkretes Du bezogen und nicht auf die reine Subjektivität des Anderen. In der Freundschaft fragen wir nach dem ‚Wer‘ des Anderen, nicht nach seinem ‚Was‘. Dieser konkrete Andere ist trotz aller Nähe nicht derselbe wie man selbst. So liegt für Jacobi im Person-Sein ein Fall von Identität sui generis vor: eine Identität, die nicht über Bestimmungen und Prädikate erfasst werden kann, sondern die im Handeln wirklich und wirksam ist (). Das Bewusstsein, eine unverwechselbare Person zu sein, ist ohne existentielle Freiheit deshalb gar nicht zu denken. Denn nur durch sie ist der einzelne Mensch derjenige, der er ist, und unvergleichbar mit anderen (). Als ‚unvordenkliches Dass‘ kann Personalität nur unmittelbar in einem unserer Praxis vorrangigen Gefühl erfahren, aber nicht begrifflich konstruiert werden. Schon hier deutet sich an, was Sandkaulen dann weiter ausführt: Mit der Verabschiedung des Reflexionsmodells verabschiedet Jacobi zugleich das Bewusstseinsmodell als solches und ersetzt es durch eine radikal andere realistische Konzeption, die in unserer Handlungspraxis gründet (). Jacobis Realismus unterstellt keine Ähnlichkeitsrelation zwischen Vorstellungen und Welt, sondern hebelt das Vorstellungsmodell komplett aus. Jacobis Realismus meint dementsprechend keinen naiven Realismus, der immer noch an das Vorstellungsmodell gebunden ist, sondern einen Gegenentwurf zum Vorstellungsmodell als solchem. Dieses gründet in unserem rein theoretischen Weltbezug, Jacobi hingegen fundiert unsere Selbst- und Welterfahrung in unserer Praxis, in der wir uns als „Akteure in der Welt“ () und nicht als bloße Zuschauer erfahren. Selbstbewusstsein wird nicht durch einen Reflexionsakt konstituiert, sondern der Reflexion geht je schon eine unmittelbare Vertrautheit mit mir selbst voraus (): das existentielle Bewusstsein des eigenen, lebendigen Daseins. Die transzendentalphilosophische Alternative zwischen transzendentaler Ichheit und empirischem Ich wird von Jacobi damit „durchkreuzt“. An die Stelle beider setzt Jacobi „unser konkretes erstpersonales Ich“ (). Als Grund unserer existentiellen Vollzüge entzieht sich dieses Ich „prinzipiell jeder Vergegenständlichung“ (), als
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Handlungsbewusstsein ist es immer schon auf die Welt bezogen, denn ich lebe in der Welt. Die Gewissheit von Ich und Welt sind so gleichursprünglich. Auch die Kategorien sind für Jacobi in unserem Handlungsbewusstsein begründet (), sie sind genuin praktische Kategorien (). Die Kategorie der Kausalität gewinnen wir aus unserem existentiellen Bewusstsein, handelnde Wesen zu sein (): Ich betrachte nicht nur Veränderungen, sondern bin in selbige involviert, indem ich sie verursache (). In unserem Handeln sind aber auch immer schon andere Personen mit einbezogen. Diese Erfahrung der Unvertretbarkeit der erstpersonalen Perspektive im Handeln und ihres gleichursprünglichen Bezugs zu Anderem und Anderen, die Jacobi zur Geltung bringt, ist die bleibende Provokation für nachkantische Systementwürfe (). Erst das von Sandkaulen entwickelte, adäquate Verständnis von Jacobis Realismus erlaubt dann auch eine adäquate Interpretation seiner vielzitierten, aber zumeist missverstandenen Kritik an Kants Ding an sich, dass man ohne selbiges nicht in das kantische System hineinkomme, mit dem Ding an sich aber nicht darin verbleiben könne (). Jacobi kritisiert nämlich gerade nicht Kants Anwendung der Kausalität auf das Verhältnis zwischen Ding an sich und sinnlicher Affektion, obwohl Kategorien auf Erscheinungen begrenzt seien (). Dieses Jacobi nur unterstellte Argument unzulässiger Kategorien-Applikation bei Kant geht vielmehr nicht auf Jacobi, sondern auf Aenesidemus-Schulze zurück (). Jacobis Kritik argumentiert völlig anders: Will man wie Kant sinnvoll von Sinnlichkeit sprechen, dann muss man eine Affektion durch Dinge an sich voraussetzen (). Bedingung bedeutungsvoller Rede von Sinnlichkeit und affizierenden Gegenständen ist eine „Konfrontation mit Realem“, eine „reale Affektion durch reale Dinge an sich“ (). Diese notwendige Prämisse ist jedoch innerhalb der weiteren Explikation von Kants transzendentalem Idealismus als empirischem Realismus nicht haltbar. Kant behauptet dann nämlich nicht mehr die Wahrnehmung einer vom Subjekt unabhängigen Außenwelt, sondern die Wahrnehmung einer Welt, die vermittelst der Anschauungsform des Raumes als äußerlich vorgestellt wird (). Der Bezug auf das Ding an sich spielt hier keine Rolle mehr. So kann Kant seine Voraussetzung affizierender Dinge an sich nicht mehr einholen (). Damit kann die Sinnlichkeit nicht als Moment in den transzendentalen Idealismus integriert werden. Ein adäquates Verständnis der Sinnlichkeit und der Realität der Welt, das die Gleichursprünglichkeit von Ich und Welt voraussetzt, ist für Jacobi innerhalb einer reinen Erkenntnistheorie jedoch auch gar nicht möglich. Hierzu muss man sich vielmehr auf den Standpunkt des Lebens und nicht auf den der spekulativen Philosophie stellen. Der erste Teil des Buches hat die Handlungsmetaphysik Jacobis unter einer Vielfalt von Aspekten entwickelt. Ein zentrales Thema ist dabei immer wieder Jacobis ‚Spinoza und Anti-Spinoza‘: Spinozas Fatalismus ist systematisch unvermeidlich, widerspricht aber unseren praktischen bzw. „existentiellen Interessen der Freiheit“ (). Der zweite Teil des Buchs analysiert nun die Versuche der nachkantischen Systeme, diesen Widerspruch zwischen System und Freiheit aufzuheben. Denn sowohl die sogenannten Idealisten wie auch die Romantiker wollen in ihren Entwürfen die Konzeptionen Jacobis (Person, Freiheit, Standpunkt des Lebens) integrieren und dennoch am Systemcharakter der Philosophie festhalten. So ist es der Anspruch Fichtes, in seiner Wissenschaftslehre Spekulation und Leben einerseits zu vermitteln, andererseits auszudifferenzieren (). Sandkaulen gesteht ihm zu, Jacobis Grundanliegen, dass es vom Standpunkt des Lebens aus „auf das konkrete Individuum, auf die Person in ihrer jeweiligen Individualität“ () ankommt, erfasst zu haben. Sein Vermittlungsversuch scheitert jedoch an seiner Marginalisierung der Unterscheidung der Person von anderen Personen, die sie zu diesem konkreten ‚Wer‘
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macht, gegenüber der für Fichte einzig wesentlichen Unterscheidung von Personen überhaupt zu Sachen (). Damit eskamotiert Fichte den für Jacobi zentralen Aspekt personaler Bestimmtheit. Die Ichheit, die die Person für Fichte zur Person macht, ist eben nicht die konkrete Person, sondern das, worin sich einer vom anderen gerade nicht unterscheidet. Das individuelle lebendige Selbst, das sein Leben führen muss, ist für Fichte hingegen nur eine Einschränkung der Ichheit, die theoretisch irrelevant und praktisch zu negieren ist (). ‚Wer‘ einer ist, kann Fichte nicht deduzieren, weil die von ihm deduzierte Differenzierung der Personen dem konkreten Bewusstsein des Individuums, diese Person und keine andere zu sein, immer äußerlich bleibt. Fichte bleibt in seiner Bestimmung der Person deshalb auf der Ebene des ‚Was‘ stecken. Dies zeigt sich besonders in der Bestimmung des Menschen, in der Fichte ganz offensichtlich von Jacobis ‚Spinoza und Anti-Spinoza‘ ausgeht: Das spinozanische System befriedigt zwar das menschliche Erkenntnisinteresse, findet aber keinen Raum mehr für das menschliche Bewusstsein der Freiheit, sich Handlungen persönlich zuzurechnen (). Diesem Selbstverständnis des Menschen will Fichte in der praktischen Wissenschaftslehre Rechnung tragen. Gleichzeitig will er damit den von Jacobi diagnostizierten Nihilismus der Wissenschaftslehre durch einen praktischen Realismus überwinden. Im Handeln gewinnen wir nach Fichte die Existenz der im Wissen annihilierten Realität wieder (). Diese Realität wird durch die Gestaltung der Welt nach unseren moralischen Zwecken gestaltet (). Die Welt ist bei Fichte jedoch nur die Sphäre der Pflicht, deren sinnliche Bedingungen in die Vernunftwelt aufgehoben werden sollen. Das handelnde Ich erzeugt die Welt nach Gesetzen unseres Handelns (). Die persönliche Verantwortung des Einzelnen spielt hierbei keine Rolle mehr (). Das Individuum ist nur noch ein Instrument der absoluten Vernunft. Fichte wird also dem Selbstverständnis menschlicher Individuen, irreduzible Personen zu sein, nicht gerecht, sondern entwirft eine „Vernunftwelt zuletzt nach ganz spinozanischem Muster“ (). Dabei ersetzt er die natura naturans einfach „durch den Willen einer universalen Vernunft“ (). Wie Fichte scheitert nach Sandkaulen auch Schelling daran, die Intentionen Jacobis mit dem Systemanspruch zu vermitteln. So versucht Schelling in seiner Freiheitsschrift Jacobis Person-Konzeption in sein System zu integrieren. Denn Handlungsfreiheit lässt sich ohne Person nicht verstehen, da nicht allgemeine Entitäten handeln, sondern Personen (). Dass Schelling Persönlichkeit in dieser Schrift nicht mehr nur als Privation versteht, wird schon daran deutlich, dass das Absolute zu einem persönlichen Gott wird. Hier zeigt sich jedoch ganz deutlich, dass Schellings Konzeption aus Sicht Jacobis als gescheitert gelten muss: Denn um die Personalität Gottes zu konstruieren, fasst Schelling Gott als Einheit von Grund und Ursache. Damit verfällt er für Jacobi jedoch genau der Konfusion, die er bereits bei Spinoza diagnostiziert hatte (). Hegel wiederum versucht bereits in Glauben und Wissen das von Jacobi namhaft gemachte Problem der Zeit, die Spinoza nicht ohne Widerspruch in sein System integrieren kann, zu lösen. Für Jacobi negiert Spinozas System sowohl die Möglichkeit einer causa finalis, ohne die Handeln aber nicht verstanden werden kann, als auch die Möglichkeit einer nach vorne hin offenen Zeit. Damit geht ihm aber auch der Begriff der Ursache verloren, da Ursache und Wirkung als reales Verhältnis zeitliche Sukzession implizieren. Hegel hingegen eskamotiert die Zeit als spekulativ irrelevant aus der Philosophie ( ff.). Die zeitliche Existenz ist an sich nichts und nur ein Produkt unserer Einbildungskraft. Dass Jacobi die Nichtigkeit der Zeit zu etwas Wirklichem macht, zeigt für Hegel, dass Jacobi sich nicht zum spekulativen Denken erheben kann, sondern auf der Ebene der Einbildungskraft stehen bleibt. Diese Erkenntnis unterstellt Hegel, wie Sandkaulen zeigt, nun aber nur fälschlich
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Spinoza, der sehr wohl zwischen wesentlicher und zeitlich-aktualer Existenz unterscheidet ( f.). Die Imagination ist für Spinoza nicht für den Schein der Zeitlichkeit verantwortlich, sondern erkennt die aktuale Existenz der Welt eben nur nicht adäquat (). Jacobi sieht gegen Hegel ganz richtig, dass Spinoza für seine Erklärung des Erkennens die zeitliche Existenz der Welt voraussetzt. Hegel verabschiedet sich später so auch selbst von seinem früheren Theorem der Vernichtung des Zeitlichen und Endlichen (). Die Bedeutung Jacobis für Hegel zeigt sich auch darin, dass er im Vorbegriff der enzyklopädischen Logik als dritte Stellung des Gedankens zur Objektivität firmiert. Sandkaulen demonstriert jedoch, dass es Hegel hier, anders als in Hegels etwas früherer JacobiRezension, gar nicht darum geht, Jacobi gerecht zu werden, sondern diesen für sein eigenes Problem eines voraussetzungslosen Anfangs der Logik zu instrumentalisieren (). Hegel schreibt deshalb Jacobi Positionen der Unmittelbarkeit zu (Willkür, Abstrakheit, äußere Verwerfung der Reflexion), um dann seine eigene Unmittelbarkeit (Einheit von Vermittlung und unmittelbarer Beziehung auf sich selbst) ins Spiel bringen zu können (). Jacobis Position existentieller Unmittelbarkeit wird dabei jedoch von Hegel mit der Position von Descartes verschliffen und dadurch epistemisch neutralisiert (). Damit kann er dann auch Jacobis Insistieren auf der Individualität ignorieren. Dementsprechend gelingt es Hegel für Sandkaulen auch nicht, Jacobis eigene Position mit dem System der Immanenz Spinozas in seinem „System der Freiheit“ () und Jacobis unmittelbares Freiheitsbewusstsein in sich zu vermitteln. Hegels systematische Entwicklung vermittelst seines Konzept der bestimmten Negation kann Jacobis Salto mortale nicht ersetzen (), da er darin den Unterschied zwischen Endlichem und Unendlichem sowie den endlichen Individuen untereinander aufhebt und dies Freiheit nennt. Dies ist aber gerade nicht die Handlungsfreiheit des Individuums, die auch an die ontische Erfahrung der eigenen Endlichkeit gebunden ist. Diese ist Hegels logisch vermittelter Aufhebung der Endlichkeit in die Unendlichkeit jedoch entgegengesetzt ( f.). Birgit Sandkaulens in diesem Buch versammelte Aufsätze zu Jacobi lassen sich nur als augenöffnend bezeichnen. Aber auch formal ist das Werk in jeder Hinsicht überzeugend. Aufsatzsammlungen bedeutender Autoren zu einem bestimmten Thema sind für den Forscher ja immer dankbar, da sie seiner Bequemlichkeit entgegenkommen. Häufig können sie jedoch aufgrund scheinbar unvermeidbarer Redundanzen nicht wie eine Monographie gelesen werden. Dies ist bei Jacobis Philosophie nicht der Fall. In der Tat liest sich das Werk wie eine Monographie. Jacobis Philosophie wird in jedem Beitrag unter einem anderen Aspekt beleuchtet, Themen werden variiert und vertieft, nicht wiederholt. Sprache und Argumente sind trotz ihres hohen Niveaus klar und verständlich, was die Lektüre nicht nur lehrreich, sondern auch äußerst vergnüglich gestaltet. So ist Jacobis Philosophie eine Pflichtlektüre nicht nur für alle, die sich für Jacobi interessieren, sondern auch jeden, der sich mit klassischer deutscher Philosophie beschäftigt. Nun wird sicher nicht jeder Kantianer oder Hegelianer nach der Lektüre dieses Buches mit fliehenden Fahnen in das Lager Jacobis überlaufen. Diesen Anspruch erhebt das Buch auch nicht. Aber Sandkaulen macht doch den Frontverlauf zwischen Jacobi und seinen Zeitgenossen deutlich und weist nach, was in der Alternative zwischen Jacobis ‚Unphilosophie‘ und dem System auf dem Spiel steht: die Legitimität personaler Individualität, die Jacobis zeitgenössische Kritiker aufgrund ihres „negative[n] Vorurteil[s] gegenüber dem Individuum“ () nicht einholen können. Durch ihre „Marginalisierung des Individuums“ verlieren wir das „intentional[e] Freiheitsbewusstsein konkreter Personen“ (). Sandkaulen macht keinen Hehl daraus, dass sie Jacobis Position auch der Sache nach zustimmt. Dabei kann man ihr
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völlig Recht geben, dass die Anerkennung des Rechts des Individuums und seiner Perspektive gerade für einen freiheitlichen politischen und rechtlichen Diskurs essentiell ist. Kant und Hegel selbst haben ja die Bedeutung dieser Perspektive und des Rechts der Besonderheit im Recht gesehen. Kant macht das subjektive Recht der Selbstbestimmung zum Ausgangsprinzip seiner Metaphysik des Rechts und Hegel sieht die Bedeutung der Neuzeit gerade darin, das Recht des einzelnen Subjekts in seiner Besonderheit im allgemeinen Recht anerkannt zu haben. Die Frage wäre jedoch, ob die Integration des Rechts des Individuums von den ‚metaphysischen‘ Grundlagen ihrer Systeme aus bruchlos gelingen kann oder ob man ohne dieses Recht zwar nicht in ihre Rechtssysteme hineinkommen, mit ihm aber nicht darin verbleiben kann. Gezeigt zu haben, dass man diese Frage nicht ohne Auseinandersetzung mit Jacobi beantworten kann, ist ein weiteres Verdienst dieser Schrift. Stefan Schick Universität Regensburg
BIBLIOGRAPHIE LITERATUR ZUR HEGEL-FORSCHUNG
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Zusammenstellung und Redaktion: Swantje Bornheim und Johannes-Georg Schülein (Bochum)
Diese fortlaufende Berichterstattung sucht sowohl das nicht selbständig erschienene Schrifttum, also Abhandlungen aus Zeitschriften, Sammelbänden usw., als auch Bücher über Hegel möglichst breit zu erfassen. Sammelbände sowie Periodika-Sondernummern, die ausschließlich der Philosophie Hegels gewidmet sind, werden in der Abteilung Literaturberichte und Kritik als ganze rezensiert. In der Bibliographie werden die einzelnen Abhandlungen solcher Bände in der Regel nicht mehr angezeigt. Die Beiträge werden alphabetisch nach dem Namen der Autoren angeordnet. An der Bibliographie dieses Bandes haben Katharina Comoth (Berlin) und Lauri Kallio (Helsinki) mitgearbeitet. Die über Hegel arbeitenden Autorinnen und Autoren sind freundlich eingeladen, durch Einsendung von Sonderdrucken die Berichterstattung zu erleichtern. Allen, die solche Hilfe bisher schon geleistet haben, sei besonders gedankt.
Hegel-Studien / · © Felix Meiner Verlag · ISSN -
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ABHANDLUNGEN
IM
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Comoth, Katharina. „Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Bad Ems. ()“. Geschichtsverein Bad Ems. Vereinsnachrichten November (VN ): (mit Abb.).
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AN D R E A S A R N D T Professor emeritus, Lehrstuhl für Philosophie, Theologische Fakultät, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden , D- Berlin / Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Projektleiter des Vorhabens „Friedrich Schleiermacher in Berlin – “, Jägerstr. /, Berlin, Deutschland [email protected] EL I A S B U C H E T M A N N Ph.D. Researcher, European University Institute, Department of History and Civilization, Villa Salviati – Via Bolognese , Firenze, Italia [email protected] TH O M A S D W O R S C H A K Dr. phil., Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Philosophie der Universität Leipzig, Beethovenstraße , Leipzig, Deutschland [email protected] DA N I E L H Ä U S E R Doktorand am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin, Habelschwerdter Allee , Berlin, Deutschland [email protected] FR A N Z H E I L G E N D O R F F Promovierender am Institut für Philosophie der TU Dresden, Zellescher Weg , Dresden, Deutschland [email protected] SU S A N N E H E R R M A N N - S I N A I Lektor in German at the Faculty of Medieval and Modern Languages, University of Oxford and Associate Faculty Member at the Faculty of Philosophy, University of Oxford, Radcliffe Observatory Quarter , Woodstock Road, Oxford, OX GG, United Kingdom [email protected] CH R I S T I A N H O F M A N N Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim „Tutzinger Diskurs“ an der Akademie für Politische Bildung, Buchensee , Tutzing;
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Online-Betreuer im Bereich der Praktischen Philosophie an der FernUniversität in Hagen, Institut für Philosophie, Hagen, Deutschland [email protected] JÖ R G H Ü T T N E R Doktorand am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität, Schellingstraße , München, Deutschland [email protected] JE A N - F R A N Ç O I S K E R V É G A N Emeritus Professor of Philosophy, University of Paris (Panthéon-Sorbonne); Honorary Fellow, Institut Universitaire de France; professional address: Université Paris Panthéon-Sorbonne, UFR de Philosophie, rue de la Sorbonne, F- Paris Cedex , France kervegan@univ-paris.fr MA R C O K L E B E R Promovierender und Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie der TU Dresden, Zellescher Weg , Dresden, Deutschland [email protected] MO R I T Z M A Y Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Albert-LudwigsUniversität Freiburg i.Br., Platz der Universität , Freiburg i.Br., Deutschland [email protected] AM I R M O H S E N I Exzellenzcluster „Religion und Politik“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Johannisstr. – , Münster, Deutschland [email protected] LU D W I G S I E P em. Professor der Philosophie, Seniorprofessor Exzellenzcluster Religion und Politik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Philosophisches Seminar, Domplatz , Münster, Deutschland [email protected] MA R T I N W A L T E R Rodelbahn , Kirchseeon, Deutschland [email protected] BE N N O Z A B E L Professor für Strafrecht, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Fachbereich Rechts- und Staatswissenschaften, Bonn, Deutschland [email protected]