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German Pages 294 Year 2003
MATTHlAS PANNIER
Harmonisierung der Aktionärsrechte in Europa
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Dr. Stefan Grundmann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 23
Harmonisierung der Aktionärsrechte in Europa - insbesondere der Verwaltungsrechte -
Von Matthias Pannier
Duncker & Humblot . Berlin
Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D29 Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-11212-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 § Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2002/03 von der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nümberg als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript habe ich im August 2002 abgeschlossen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann für die Anregung und exzellente Betreuung dieser Arbeit sowie für den Freiraum während der Mitarbeit an seinem Lehrstuhl an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, auf die ich mit Dankbarkeit zurückblicke. Herrn Prof. Dr. Mathias Rohe danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Danken mächte ich außerdem Herrn Prof. Dr. Kar! AIbrecht Schachtschneider für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Berlin, im Juli 2003
Matthias Pannier
Inhaltsverzeichnis 1. Teil
Einführung und Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts §1
Einführung... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. 11.
§2
Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Ziel und Gang der Untersuchung. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts ............ 1.
Primärrechtliche Zielsetzung und Regelungsauftrag ............... 1. Gemeinsamer Markt und Binnenmarkt ....................... 2. Marktintegration durch die Grundfreiheiten ................... 3. Marktintegration durch Rechtsangleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11. Begriff des Europäischen Gesellschaftsrechts .................... III. Einfluss des Primärrechts auf das nationale Gesellschaftsrecht ..... 1. Wirkungsweise der EG-Grundfreiheiten ...................... a) Marktöffnende Beseitigung mitgliedstaatlicher Behinderungen b) Kontrollwirkung der Grundfreiheiten im Gesellschaftsrecht .. aa) Ausübungsmodalitäten .............................. bb) Überprüfung des zwingenden nationalen Gesellschaftsrechts ............................................. cc) Überprüfung des Gast- und Heimatrechts .............. 2. Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktionär als Unternehmer-Gesellschafter .................. b) Die Gesellschaft als Träger der Niederlassungsfreiheit und ihre Anteilseigner ...................................... aa) Gemeinschaftszugehörigkeit der Gesellschaften und die Nationalität der Anteilseigner ........................ bb) Auswirkung der Gleichstellung der Gesellschaften auf die Stellung der Unternehmer-Gesellschafter. . . . . . . . . .. 3. Kapitalverkehrsfreiheit ..................................... a) Aktionär als Anlegergesellschafter ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Anleger aus Drittstaaten ................................. 4. Gleichstellung bei Kapitalbeteiligung ........................ 5. Zusammenfassung ......................................... IV. Einfluss des EG-Sekundärrechts auf das nationale Gesellschaftsrecht
17 17 17 18 19 19 19 20 21 22 25 26 26 29 29 31 33 34 36 40 40 41 43 44 47 47 48 49
6
Inhaltsverzeichnis I. Rechtsang1eichung durch Sekundärrecht ...................... 2. Kompetenz der EG zur Setzung von Gesellschaftsrecht ........ a) Rechtsangleichung nach Art. 44 II lit. g EG ............... b) Rechtsvereinheitlichung nach Art. 95 EG ... . . . . . . . . . . . . . .. c) Andere Rechtsgrundlagen ............................... 3. Harmonisierungskonzept der Gemeinschaft im Gesellschaftsrecht a) Anfängliche Zielsetzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Inhaltliche Bereiche der Rechtsangleichung ................ aa) Kapitalgesellschaft als Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Außenverhältnis der Gesellschaft ..................... cc) Kapitalmarktrecht .................................. c) Nicht realisierte Angleichungsvorhaben ................... aa) Probleme des Harmonisierungskonzepts ............... bb) Das Konzept der Minimumharmonisierung ............ d) Neue Anstrengungen im Gesellschaftsrecht ................ 4. Regelungsinstrumente ...................................... a) Rechtsnatur der Sekundärrechtsakte ............ . . . . . . . . . .. aa) Verordnungen ...................................... bb) Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Umsetzungsfragen in Bezug auf Richtlinien ............... aa) Umsetzungspflicht des nationalen Gesetzgebers ........ bb) Durchsetzung der Richtlinienstandards ................ cc) Änderung des angeglichenen nationalen Rechts ........ dd) Strengere Lösung des nationalen Rechts. . . . . . . . . . . . . ..
49 50 50 52 53 54 54 57 57 58 60 60 60 63 65 67 67 67 68 69 70 70 73 74
2. Teil
§3
Ausgestaltung der Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
78
Einführung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Der Schutz der Aktionäre als Regelungsproblem ................. I. Trennung von Eigentum und Herrschaft ...................... a) Aktionärsschutz durch Mitgliedschaftsrechte ............... b) Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Schutz der Minderheitsaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Standardisierung der Aktien ................................ 11. Der Schutz der Aktionäre im Gemeinschaftsrecht ................ I. Ermächtigungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Informationsdominiertes Schutzkonzept ...................... a) Interne Unternehmenssteuerung .......................... b) Externe Unternehmenssteuerung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
78 78 78 79 81 82 83 83 84 84 85 86
I.
Inhaltsverzeichnis
§4
7
c) Dominanz von Informationsregeln ........................ aa) Vorrang von Informationsregeln ...................... bb) Informationsfähigkeit ............................... cc) Entscheidungsmöglichkeit ........................... 3. Überblick.................................................
87 87 89 89 90
Der Schutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen ........... I. Beteiligung des Aktionärs an Grundlagenentscheidungen .......... I. Mitentscheidungsrechte des Aktionärs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Kapitalmaßnahmen ..................................... aa) Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Kapitalherabsetzung ................................ cc) Erwerb eigener Aktien .............................. b) Umwandlung der Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Verschmelzung ..................................... bb) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Grenzüberschreitende Verschmelzung ................. c) Grenzüberschreitende Sitzverlegung ...................... d) Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft .............................................. e) Übernahmeangebote .................................... 2. Information zur Ausübung der Mitentscheidungsrechte ......... a) Kapitalmaßnahmen ..................................... b) Umwandlung einer Gesellschaft .......................... c) Grenzüberschreitende Sitzverlegung ...................... d) Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft .............................................. e) Übernahmeangebote .................................... 3. Absicherung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Kapitalmaßnahmen ..................................... b) Umwandlung der Gesellschaft ............................ c) Grenzüberschreitende Sitzverlegung ...................... d) Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft .............................................. e) Übernahmeangebote .................................... 11. Vermögens schutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen .... I. Bezugsrecht der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einzelregelungen ....................................... b) Strengeres nationales Recht möglich? ..................... 2. Einberufungs- und Informationspflicht bei schweren Verlusten .. 3. Zuzahlung beim Aktientausch und Abfindung ................. III. Minderheitenschutz bei Grundlagenentscheidungen .............. . 1. Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung ................
91 91 91 91 92 93 94 95 95 97 98 99 100 101 103 103 104 105 105 106 107 107 108 110 110 111 112 112 113 114 117 118 119 119
Inhaltsverzeichnis
8
§5
2. Schutz des dissentierenden Aktionärs ........................ a) Austrittsrecht des Aktionärs ......................... . .... b) Anfechtungsrecht des Aktionärs .......................... 3. Gleichbehandlungsgrundsatz ................................ 4. Obligatorisches Übemahmeangebot .......................... IV. Zusammenfassung............................................
119 120 121 123 124 126
Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung ... Harmonisierung der Aktionärsrechte durch die Struktur-Richtlinie .. 1. Organisationsverfassung als Regelungsproblem ................ a) Entwicklung und Regelungskonzept der Struktur-Richtlinie .. b) Dualistisches und monistisches Verwaltungs system in der Struktur-Richtlinie ...................................... 2. Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung ............. a) Zuständigkeit der Hauptversammlung ..................... b) Teilnahme an der Hauptversammlung ..................... aa) Einberufung der Hauptversammlung ............... . .. bb) Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsrecht ......................................... d) Stimmrecht und Stimmrechtsausübung .................... aa) "One Share - One Vote" ............................ bb) Stimmrechtsvertretung .............................. cc) Stimmbindungsvereinbarungen ....................... e) Gerichtliche Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen .. 11. Regelung der Aktionärsrechte im Statut der Europäischen Aktiengesellschaft .................................................... 1. Organisationsverfassung der SE als Regelungsproblem ......... a) Entwicklung und Regelungskonzept des SE-Statuts ......... b) Dualistisches und monistisches Verwaltungssystem der SE ... 2. Schutz des Aktionärs innerhalb der Hauptversammlung ........ a) Deregulierung der Aktionärsrechte ........................ b) Zuständigkeit der Hauptversammlung ..................... c) Einberufung der Hauptversammlung ...................... d) Beschlussmehrheiten .................................... III. Zusammenfassung ............................................
126 126 127 127
I.
128 130 130 131 131 133 133 134 134 135 136 136 137 137 137 141 142 142 143 144 144 145
3. Teil Ausgestaltung der Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
146
§6
Einführung............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 146
§7
Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung . ................ 147
Inhaltsverzeichnis Zuständigkeit der Hauptversammlung ........................... 1. Deutschland .............................................. 2. Frankreich ................................................ 3. Großbritannien ............................................ 4. Zusammenfassung ......................................... II. Teilnahme an der Hauptversammlung ........................... 1. Deutschland .............................................. a) Einberufung der Hauptversammlung ...................... b) Teilnahmerecht des Aktionärs ............................ 2. Frankreich ................................................ a) Einberufung der Hauptversammlung ...................... b) Teilnahmerecht des Aktionärs ............................ 3. Großbritannien ............................................ a) Einberufung der Hauptversammlung ...................... b) Teilnahmerecht des Aktionärs ............................ 4. Zusammenfassung ......................................... III. Auskunftsrecht des Aktionärs .................................. 1. Deutschland .............................................. a) Auskunftsrecht innerhalb der Hauptversammlung ........... b) Umfang des Auskunftsrechts ............................. 2. Frankreich ................................................ a) Vorgelagerte Einsichtsrechte ............................. b) Schriftliches Auskunftsrecht ............................. c) Auskunftsrecht innerhalb der Hauptversammlung ........... 3. Großbritannien ............................................ 4. Zusammenfassung ......................................... IV. Stimmrecht und Stimmrechtsvertretung ......................... 1. Deutschland .............................................. a) Stimmrechtsausübung ................................... b) Allgemeine Regelung der Stimmrechtsvertretung ........... c) Besondere Regelung für die organisierte Stimmrechtsvertretung .................................................. d) Legitimationszession .................................... 2. Frankreich ................... .. .......................... . a) Stimmrechtsausübung ................................... b) Allgemeine Regelung der Stimmrechtsvertretung ........... c) Blankovollmacht ("procuration en blanc") ................. d) Schriftliche Stimmabgabe ("vote par correspondance") ..... . 3. Großbritannien ............................................ a) Stimmrechts ausübung .................................. . b) Allgemeine Regelung der Stimmrechtsvertretung ("proxy") .. c) Verwaltungsstimmrecht .................................. 4. Zusammenfassung .........................................
I.
9 147 147 148 150 152 153 153 153 155 156 156 157 158 158 161 161 162 162 162 162 164 164 164 165 165 166 167 167 167 168 170 171 171 171 173 173 174 175 175 177 178 179
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Inhaltsverzeichnis V.
Gerichtliche Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen 1. Deutschland .............................................. a) Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen ........... b) Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen ........ aa) Verfahrensmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Inhaltsmängel (Sachkontrolle) .... . . . ...... . .......... c) Anfechtungsklage und -befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Frankreich ................................................ a) Nichtigkeit und Nichtigkeitserklärung ..................... b) Beschlussmängel, insb. "abus de majorite" ................ c) Nichtigkeitsklage ("action en nullite") .................... 3. Großbritannien ............................................ a) Beschränkung der Beschlusskontrolle ("Foss v. Harbottle") .. b) Klagemöglichkeiten des Aktionärs ........................ aal Individualklage ("personal action") ........ . .......... bb) Satzungsänderungen und "dass rights" ............... . cc) "fraud on the minoritiy" ............................. dd) Sec. 459 CA 1985 .................................. 4. Zusammenfassung .................................. . . . ... . VI. Zusammenfassung.............. . .............................
180 181 181 181 181 182 183 184 184 184 185 185 185 186 186 187 188 188 189 190
4. Teil Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
191
§8
Einführung.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I I. Ruf nach einer Angleichung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene ....................................................... 191 II. Fragestellungen in diesem Zusammenhang ...................... 193
§9
Bestimmung der richtigen Regelungsebene .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. I. Europarechtliche Harmonisierungsgrenzen ....................... I. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ................... 2. Erforderlichkeitskriterium .................................. 3. Subsidiaritätsprinzip als Leitprinzip .......................... 4. Zusammenfassung ......................................... II. Wettbewerb der Regelgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung ................................................ 2. Ökonomische Theorie ..................................... . a) Wettbewerb als Disziplinierungsinstrument - Marktversagen und Staatsversagen ..................................... b) Wettbewerb als Entdeckungsverfahren .................... c) Vor- und Nachteile .....................................
195 195 195 196 199 206 206 206 208 208 209 210
Inhaltsverzeichnis d) Voraussetzungen für einen Wettbewerb der Regelgeber ...... e) Leitgesichtspunkte für die Zuordnung der Regelungskompetenzen ................................................. 3. Entwicklung im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht ......... 4. Einfluss im Europäischen Gesellschaftsrecht .................. a) Ablehnung eines Wettbewerbs der Regelgeber .............
11
211 213 213 216 216
b) Unmöglichkeit eines Wettbewerbs ........................ 216 c) Gebot eines Wettbewerbs der Regelgeber im Europäischen Gesellschaftsrecht ...................................... 217 aa) Zunehmende Befürwortung eines Wettbewerbs ......... 217 bb) Entwicklung einer Europäischen Rahmenordnung - funktionierender Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 5. Insbesondere der Markt für Gesellschaftsfinanzierung .......... a) Unterscheidung verschiedener Segmente .................. b) Regulativer Wettbewerb bei den Regeln zum Gesellschaftsanteil ................................................... aa) Mobilität und Wahlmöglichkeit ................. . ....
221 221 222 222
bb) Negative Effekte des Wettbewerbs ................. . .. 224
III.
c) Notwendige Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ....... . .. 227 6. Zusammenfassung ........................................ . 228 Angleichung der Aktionärsrechte oder Pfadabhängigkeit? ......... 229 I. Einleitung ........................................... . .... 229 a) Aktionärsrechte als Teil der Corporate Govcrnance ......... 229 b) Pfadabhängigkeit als Harmonisierungsgrenze .............. 230 2. Pfadabhängige Unterschiede im Bereich der Aktionärsrechte .... a) Kontrollphilosophie: interne und externe Kontrolle ......... aa) Struktur des Aktienbesitzes und die Ausgestaltung des Auskunftsrechts .................................... bb) Einfluss der Banken und die Ausgestaltung der Stimmrechtsvertretung .................................... cc) Interessenausrichtung und Struktur der Unternehmensführung ........................................... b) Regelungsphilosophie: Satzungsstrenge und Gestaltungsfreiheit ................................................... 3. Marktbestimmte Konvergenz oder fortbestehende Divergenz? ...
231 232 233 236 238 239 241
4. Zusammenfassung ......................................... 242 IV. Private Regelgeber und Selbstregulierung ....................... 243 1. Rechtsnatur und Funktion der Corporate Governance Codes .... 243 2. Konvergenz im Bereich der Aktionärsrechte .................. 244 3. Vorteile der Corporate Governance Codes .................... 246 4. Zusammenfassung ......................................... 247
12
Inhaltsverzeichnis
5. Teil Wesentliche Ergebnisse und Thesen
249
§ 10 Wesentliche Ergebnisse ........................................... 249 § 11 Thesen .......................................................... 254
Literaturverzeichnis ................................................... 256 Stichwortverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287
Abkürzungsverzeichnis a.A. AB!.EG Abs. AcP a.F. AG AktG Art., Artt. BB Bd. BGB!. BGH BGHZ BT-Drs. CA 1985 CDE eh. CMLR DAI DB ders. DNotZ DStR DTI
DZWiR Ed(s). EEA EG EGV Ein!. endg. EP 2 Pannier
anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Absatz Archiv für civilistische Praxis alte Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Artikel Der Betriebs-Berater Band Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof für Zivilsachen Bundestags-Drucksache Companies Act 1985 Cahiers de droit europeen chapter Common Market Law Review Deutsches Aktieninstitut Der Betrieb derselbe Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht - Wochenschrift für Steuerrecht, Wirtschaftsrecht und Betriebswirtschaft Department of Trade and Industry Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Editor(s) Einheitliche Europäische Akte Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam vom 2.10.1997 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ursprünglich: Wirtschaftsgemeinschaft), in der Fassung des Vertrags über die Europäische Union vom 7.2.1992 Einleitung endgültig Europäisches Parlament
14 EU EuGH EuR EuZW EWiR EWIV EWS f. ff.
FAZ
Fn. FS GA GmbH GmbHR GRUR GS Hrsg. IPRax IStR JBI. JuS JZ KOM KritV KStG lit. MDR m.w.N. Nachw. NJW NZG RabelsZ RIW
RL
Rn. Rs. RTDE Rz. S. SA SE
Abkürzungsverzeichnis Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht - Betriebs-Berater für Europarecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Festschrift Generalanwalt Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Herausgeber Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts Internationales Steuerrecht Juristische Blätter Juristische Schulung Juristen-Zeitung Dokument der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Körperschaftssteuergesetz Buchstabe, litera Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen Nachweise Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rechtssache Revue trimestrielle de droit europeen Randziffer Satz; Seite Socitete Anonyme Societas Europaea
Abkürzungsverzeichnis sec. secs. Slg. SLIM UmwG Vgl. VO
vol. WM WP WSA ZaöRV z.B. ZBB ZEuP ZfRV ZtvgIRWiss ZGR ZHR Ziff. ZIP ZRP
2*
Section Sections Sammlung Simpler Legislation for the Internal Market Umwandlungsgesetz vergleiche Verordnung vols. volume(s) Wertpapiermitteilungen Working Paper Wirtschafts- und Sozialausschuss Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Bankbetrieb Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Gesellschaften und Unternehmensrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik
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1. Teil
Einführung und Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts § 1 Einführung
I. Problemstellung Neuemissionen und Börsenzulassungen haben in den letzten Jahren wesentlich zur Erhöhung der Börsenkapitalisierung beigetragen. Die Anzahl der an den Börsen der 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union notierten inländischen Aktiengesellschaften hat sich von 4.449 im Jahre 1986 kontinuierlich auf 7.958 im Jahre 2001 erhöht. l Die beachtliche Zunahme von Wertpapierhandel und Aktiennachfrage hat auch zu einer Veränderung des Anlageverhaltens vor allem der privaten Anleger geführt. Sie dehnen ihren Anlagehorizont allmählich auch auf andere europäische Länder aus? Durch die Einführung des Euro ist zudem eine wichtige Hemmschwelle weggefallen, die weniger spekulativ eingestellte Anleger von einer Kapitalanlage im Ausland abgehalten hat. Zwar ist der Handel mit Aktien von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten mittlerweile problemlos möglich. Jedoch stellt sich der ausländische Aktionär auch die Frage, wie seine Interessen im Ausland vertreten werden. Gerade bei den mit der Aktie verbundenen Rechten bestehen in den nationalen Aktienrechten der Mitgliedstaaten noch sehr viele Unterschiede. Vor diesem Hintergrund wird eine europaweite Angleichung der Aktionärsrechte für unabdingbar gehalten. 3 Der Aktionär sollte danach durch einheitliche Mindestrechte geschützt werden. Notwendig sei eine Angleichung vor allem deshalb, weil ein Europäischer Binnenmarkt 1 Deutsches Aktieninstitut, DAI-Factbook 2001, Abschnitt 02-3. Vgl. für weitere Zahlen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapiennärkte vom 15.2.2001, Anhang 5, S. 10 ff.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Govemance Codes Relevant to the European Union And Hs Member States, Final Report, S. 31. 2 Vgl. zur Aktionärsstruktur und zum Anteil ausländischen Aktienbesitzes in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten ausführlich: Deutsches Aktieninstitut, DAI-Factbook 2001, Abschnitt 08, insb. 08.7 ff. 3 Vgl. dazu: 4. Teil § 8 I.
18
1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
mit einem einheitlichen Kapitalmarkt auf eine Standardisierung und Homogenität der gehandelten Produkte nicht verzichten kann.
11. Ziel und Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung soll der Frage nachgehen, ob eine Angleichung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene tatsächlich sinnvoll erscheint oder ob es nicht auch Gründe gibt, die gegen eine Harmonisierung in diesem Bereich des Gesellschaftsrechts sprechen. Ausgangspunkt ist dabei die rechtliche Stellung des Aktionärs im Europäischen Gemeinschaftsrecht. Im ersten Teil der Arbeit wird daher zunächst das Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts dargestellt. Seine grundsätzliche Prägung erfährt dieses Konzept schon durch die Grundfreiheiten des EG-Vertrags und insbesondere durch die Niederlassungsfreiheit. Durch ihre spezifische Wirkungsweise gestalten sie die Stellung des Aktionärs im Europäischen Gesellschaftsrecht. Zentrale Formen sind hierbei der Typus des Unternehmer-Gesellschafters und der des Anleger-Gesellschafters. Die Stellung des Aktionärs wird aber auch wesentlich durch die Rechtsangleichung des nationalen Gesellschaftsrechts beeinflusst. Insbesondere sie ist der Grund, weshalb das Gesellschaftsrecht lange Zeit der Bereich des Privatrechts war, der am stärksten unter dem Einfluss des europäischen Rechts stand. Im zweiten Teil der Arbeit sollen die Elemente des Aktionärsschutzes im Europäischen Gesellschaftsrecht näher beleuchtet werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf das System der Aktionärsbeteiligung gelegt, dass die verschiedenen Informations- und Mitentscheidungsrechte konstituiert. Daneben wird aber auch auf die Elemente des Vermögens- und Minderheitenschutzes eingegangen. Von besonderem Interesse für die Frage der Aktionärsrechte ist schließlich auch der Vorschlag für eine Struktur-Richtlinie. Dies ist der zentrale Rechtsakt im Bereich internen Willensbildung der Gesellschaft. Der Vorschlag enthält viele der klassischen Aktionärsrechte. Jedoch konnte dieses Projekt wegen der unterschiedlichen Vorstellungen der Mitgliedstaaten über den Verwaltungsaufbau der Aktiengesellschaft und die Funktion ihrer Organe auch über 30 Jahre nach dem ersten Vorschlag noch nicht verabschiedet werden. Zu den Zielen der Gemeinschaft gehörte von Anfang an zudem die Schaffung von supranationalen Gesellschaftsformen, wie der Europäischen Aktiengesellschaft. Daher soll auch auf die Rechtsstellung des Aktionärs und die Ausgestaltung seiner Rechte in der nun verabschiedeten Verordnung für eine Europäische Aktiengesellschaft näher eingegangen werden.
Im dritten Teil der Arbeit wird für die drei wirtschaftlich wichtigsten Mitgliedstaaten der Europäischen Union Deutschland, Frankreich und Groß-
§ 2 Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts
19
britannien ein Überblick über die genaue Ausgestaltung der Aktionärsrechte erfolgen. Im Mittelpunkt sollen dabei die Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung stehen. Im vierten Teil der Arbeit wird schließlich aufbauend auf die Untersuchung im zweiten und dritten Teil die Notwendigkeit einer (weiteren) Harmonisierung der Aktionärsrechte diskutiert. Dabei soll nicht nur auf rechtliche Harmonisierungsgrenzen eingegangen werden, die sich beispielsweise aus dem Subsidiaritätsprinzip ergeben. Vielmehr werden darüber hinaus vor allem in der ökonomischen Literatur diskutierte Alternativkonzepte zu einer Angleichung herangezogen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf das Konzept eines Wettbewerbs der Regelgeber und insbesondere auf die Frage gelegt werden, ob ein solcher Wettbewerb im Vergleich zu einer gemeinschaftsweiten Standardisierung der Aktionärsrechte zu effizienteren Lösungsmöglichkeiten führen kann. Daneben soll auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit pfadabhängige Unterschiede in den einzelnen Unternehmensverfassungen einer weiteren Harmonisierung der Mitgliedschaftsrechte auf europäischer Ebene entgegenstehen können. Die Diskussion um die richtige Regelungsebene soll schließlich auch unter dem Aspekt diskutiert werden, inwieweit private Regelgeber zu einer effizienten Normsetzung im Bereich der Aktionärsrechte fähig sind.
§ 2 Regelungskonzept des Europäischen
Gesellschaftsrechts
I. Primärrechtliche Zielsetzung und Regelungsauftrag Ausgangspunkt für die Untersuchung der Stellung der Aktionäre im Europäischen Gesellschaftsrecht und insbesondere für die Frage, inwieweit Aktionärsrechte einer Harmonisierung bedürfen, müssen die Ziele des EGVertrags sein. Nur unter Berücksichtigung der zu erreichenden Ziele kann letztlich erkannt werden, ob eine Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte in diesem Bereich überhaupt Erfolg haben kann und sinnvoll ist. 1. Gemeinsamer Markt und Binnenmarkt
Das Primärrecht als Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union enthält sehr genaue Zielvorgaben für die Gemeinschaft. 4 Deren vorrangige 4 Die Wirkung dieser programmatischen Zielbestimmungen zeigt sich vor allem darin, dass die übrigen Bestimmungen des EG-Vertrages in ihrem Licht ausgelegt werden müssen. Vgl. EuGH, 4.7.1963 - Rs. 24/26 (Bundesrepublik Deutschlandl Kommission), Sig. 1963, 141 (153 ff.); EuGH, 13.7.1966 - Rs. 32/65 (Italien/Kom-
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
Aufgabe ist die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes (Art. 2 EG).5 Zwar wird dieser Begriff im EG-Vertrag selbst nicht definiert, der Europäische Gerichtshof hat ihn aber dahingehend umschrieben, dass die Errichtung des Gemeinsamen Marktes die Beseitigung aller Handelshemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ergebnis der Verschmelzung der nationalen Märkte umfasst. 6 Eine weitere Konkretisierung dieses Begriffs ist in Art. 3 EG zu finden. Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfasst danach insbesondere den Abbau der Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Art. 3 lit. c EG). Mit der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes ist ein weiteres Ziel der Gemeinschaft verbunden, die Herstellung des Binnenmarktes.? Das Binnenmarktkonzept wurde 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte in den EG eingefügt. 8 Der EG-Vertrag definiert den Binnenmarkt in Art. 14 als "einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist". 2. Marktintegration durch die Grundfreiheiten Der zentrale und gemeinsame Punkt der bei den Zielvorgaben Gemeinsamer Markt und Binnenmarkt ist die Verwirklichung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Dazu gehören die Warenverkehrs-, die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit. 9 Sie sind die "primären" Instrumente zur mission), Slg. 1966,457 (482 ff.); 9.7.1969 - Rs. 1/69 (Italien/Kommission), Slg. 1969, 277 (284 Rn. 4/5). 5 Nach Art. 2 EG sind der Gemeinsame Markt und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten nur ein Zwischenziel für weitere Ziele der Gemeinschaft, wie der harmonischen Entwicklung des Wirtschaftlebens und Stabilität der Wirtschaft. Vgl. dazu: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 101. 6 EuGH, 5.5.1982 - Rs. 15/81 (Gaston Schul), Slg. 1982, 1409 (1431, Rn. 33); EuGH, 17.5.1994 - Rs. C-41/93 (Frankreich/Kommission), Slg. 1994,1-1829 (1847, Rn. 19); Schwarze-Hatje, Art. 2 EG Rn. 27. 7 Im allgemeinen wird davon ausgegangen, dass der Binnenmarkt als moderneres Ziel ein höheres Integrationsniveau voraussetzt. Vgl. Dauses, EuZW 1990, 8 (10). Vgl. ausführlich zum Verhältnis der Begriffe Gemeinsamer Markt und Binnenmarkt: Streinz, Europarecht, Rn. 948-954; Eyles, S. 15-19; Schwarze-Hatje, Art. 14 EG Rn. 4 ff.; Everling, FS Steindorff, S. 1155 (1160 ff.); Langeheine, EuR 1988, 235 (239 ff.); Hayder, RabelsZ 53 (1986), 622 (635 ff.); Schwarze-Hatje, Art. 14 EG Rn. 4 ff. 8 Einheitliche Europäische Akte vom 17./28.02.1986: Schlussakte ABI. 1987 L 169/1 vom 29.06.1987 = Bulletin EG 1986, Beil. 2 = EuR 1986, 175; BGBI. 1986 11/1102, 1104; in Kraft seit dem 01.07.1987. 9 Artt. 23-31, 39-42,43-48,49-55,56-69 EG.
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Integration der nationalen Märkte. lo Im Wege des Abbaus zwischenstaatlicher Behinderungen sollen sie für die Mobilität der Produktionsfaktoren sorgen. I I Zu den wesentlichen Zielen der Gemeinschaft im Bereich des GeseIlschaftsrechts gehört damit, die Mobilität des Faktors Kapital, d. h. der Unternehmen und ihrer Anteile, sicherzustellen. Unternehmen sollen sich innerhalb des Gemeinsamen Marktes bzw. Binnenmarktes frei bewegen und umstrukturieren können. Für das Gesellschaftsrecht ist dabei neben der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EG) vor allem die Niederlassungsfreiheit von besonderer Bedeutung (Art. 43 ff. EG).12
3. Marktintegration durch Rechtsangleichung Ein weiteres wichtiges Instrument zur Integration der nationalen Märkte ist die Angleichung der innerstaatlichen Vorschriften durch sekundäres Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsangleichung soll dabei soweit vorgenommen werden, wie dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist (Art. 3 lit. h EG).13 Die primäre Aufgabe der Rechtsangleichung besteht also darin, zwischenstaatliche Markthindernisse zu beseitigen, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher mitgliedstaatlicher Vorschriften ergeben. 14 Diese Vorgaben werden durch die Ermächtigungsgrundlagen des EG-Vertrages zum Erlass von Sekundärrecht ergänzt. Neben den allgemeinen Ermächtigungsnormen der Artt. 94 ff. EG kommt im Bereich des Gesellschaftsrechts insbesondere der speziellen Kompetenznorm des Art. 44 11 lit. g EG entscheidende Bedeutung ZU. 15 Hieraus ergibt sich ein besonderer Regelungsauftrag für die Harmonisierung der nationalen Gesellschaftsrechte. Zielrichtung ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift die Koordinierung der Vorschriften zum Schutz der Gesellschafter sowie Dritter.
Vgl. zur Wirkung der Grundfreiheiten ausführlich: § 2 BI. 1. Bovies, Business Law in the European Union, S. 1; Abeltshauser, 11 Michigan Journal of International Law (1990), 1235 (1247). 12 Vgl. dazu ausführlich: § 2 III. 2. 13 Ähnlich wird auch die Vorschrift des Art. 14 EG zur Herstellung des Binnenmarktes als Gesetzgebungsauftrag an die Gemeinschaft verstanden. Vgl. Groebenl ThiesingIEhlermann-BardenhewerIPipkorn, Art. 7 a EG Rn. 6; Schwarze-Hatje, Art. 14 EG Rn. 1; Hayder, RabelsZ 53 (1986),622 (635 ff.). 14 Schwarze-Hatje, Art. 94 EG Rn. 1. IS Vgl. zu den verschiedenen Ermächtigungsnormen: unten § 2 IV. 2. 10 11
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
11. Begriff des Europäischen Gesellschaftsrechts Das Gesellschaftsrecht ist das Gebiet des Privatrechts, welches durch das europäische Recht am stärksten beeinflusst ist. 16 Seine besondere Bedeutung für die europäische Integration kommt schon darin zum Ausdruck, dass Gesellschaften im EG-Vertrag ausdrücklich angesprochen werden (Artt. 43,44, 48, 293 EG). Trotzdem lässt sich das Europäische Gesellschaftsrecht begrifflich schwer fassen. Traditionell versteht man unter Gesellschaftsrecht das Recht der privaten Zweckverbände, also der Personenvereinigungen des Privatrechts, in denen sich die Mitglieder zu einem vereinbarten gemeinsamen Zweck zusammenschließen. 17 In Anlehnung daran wird das Europäische Gesellschaftsrecht von Schwarz auch als das vom EG-Gesetzgeber gesetzte Recht für die privaten Zweckverbände europäischen und mitgliedstaatlichen Rechts verstanden. 18 Jedoch lässt eine solche, auf die Sekundärrechtsakte beschränkte Definition eine wichtige Rechtsquelle des Europäischen Gesellschaftsrechts außer Betracht, nämlich die primärrechtlichen Grundfreiheiten, insbesondere die Niederlassungsfreiheit. 19 Auch diese enthalten spezifische Vorgaben für das nationale Gesellschaftsrecht und gehören damit begrifflich zum Europäischen Gesellschaftsrecht. Das sich aus den Regelungen zur Niederlassungsfreiheit im Primärrecht und dem Bestand von schon verabschiedeten und vorgeschlagenen Sekundärrechtsakten ergebende Bild ist allerdings mit dem eines nationalen GeseIlschaftsrechts nicht vergleichbar. Es wirkt auf den ersten Blick "fragmentarisch" und "kompromisshaft"?O Die meisten Rechtsakte und selbst solche zur Schaffung supranationaler Gesellschaftsformen, wie der Europäischen Aktiengesellschaft, betreffen nur bestimmte Ausschnitte des Gesellschaftsrechts. Allerdings ist das Europäische Gesellschaftsrecht immer im Zusammenhang mit den mitgliedstaatlichen Vorschriften zu sehen. Es gibt nur wenige 16 Hopt, ZIP 1998, 96; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 2; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1; Klauer, S. 177; v. Hulle, EWS 2000, 521. 17 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 3; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 1; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 3 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 3; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1. 18 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 3. 19 Auch die Definitionen des Gemeinschaftsprivatrechts oder Europäischen Privatrechts umfassen neben dem Sekundärrecht regelmäßig auch die Grundfreiheiten. V gl. Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht, S. 7 (18); ders., NJW 1993, 13; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 9; Roth, ZEuP 1994,5 (6); Mülbert, WM 2001, 2085 (2087); Blaurock, ZEuP 1998,460 (461). 20 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (7); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 3.
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Regeln im Europäischen Gesellschaftsrecht, die gänzlich an die Stelle des nationalen Gesellschaftsrechts treten. Die Gesellschaftsrechte der Mitgliedstaaten gelten also grundsätzlich weiter. Dies ist auch unabdingbar für die Regelungstechnik im Europäischen Privatrecht. 21 Die EG-Richtlinie (Art. 249 III EG) als häufigste Handlungsform des Gemeinschaftsgesetzgebers im Bereich des Gesellschaftsrecht führt zu einem zwei stufigen Konzept der Rechtsangleichung, bei dem die Mitgliedstaaten die Vorgaben der Richtlinie in ihr nationales Recht umsetzen. 22 Es gehört damit auch zu den Eigenschaften des Europäischen Gesellschaftsrechts, dass es kein komplexes und vollständiges Gesellschaftsrecht enthält. Die Aufteilung der Regelungskompetenzen auf zwei Ebenen, der europäischen und der mitgliedstaatlichen, lässt es aber trotzdem zu, ein System von gemeinsamen RechtsprinzIpIen, Grundwerten und Schutzrichtungen für das Europäische Gesellschaftsrecht zu erkennen, in dessen Mittelpunkt die Regelungen zur Niederlassungsfreiheit stehen. 23 Wichtig für die begriffliche Umschreibung des Europäischen Gesellschaftsrechts ist auch das Verhältnis zu anderen Kernmaterien des Europäischen Privatrechts. Abzugrenzen ist das Europäische Gesellschaftsrecht zunächst vom Europäischen Schuldvertragsrecht. Dieses wird auch als das Recht der Unternehmensgeschäfte bezeichnet. 24 Damit hat es mit dem Europäischen Gesellschaftsrecht die Ausrichtung auf die Rechtsverhältnisse der Unternehmen gemein, was die wirtschaftliche Zielrichtung des Europäischen Privatrechts betont. Das zeigt sich letztlich auch in der Verknüpfung der bei den Rechtsgebiete innerhalb des Primärrechts. Das Europäische GeseIlschaftsrecht gestaltet die Niederlassungsfreiheit, das Schuldvertragsrecht dagegen vorrangig die Dienstleistungsfreiheit aus?S Das Europäische Schuldvertragsrecht dient damit, wie das Europäische Gesellschaftsrecht, 21 Müller-Graff, in: Müller-Graff (Hrsg.), Gemeinsames Privatrecht, S. 7 (17 ff.); Mülbert, WM 2001, 2085 (2087); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 3. 22 Vgl. dazu: § 2 IV. 4. a) bb) und b). 23 Vgl. insbesondere: Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (6 ff.); ähnlich auch Werlauff, EC Company Law, S. 5; Behrens, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. III. Rn. 18 ff.; für das Europäische Umwandlungsrecht: HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann, Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (272 ff.); kritisch: Bachmann, ZGR 2001, 351 (374 ff.), der die Bildung von allgemeinen Prinzipien des Gesellschaftsrechts innerhalb der Gemeinschaft oder eines spezifisch europarechtlichen Koordinatensystems zumindest außerhalb der Regelungen für die Aktiengesellschaft für wenig ertragsreich hält. 24 Vgl. dazu ausführlich: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 1 ff. (11-18); ders., AcP 202 (2002), 40 (57 ff.). 25 In den Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit wird weitgehend auf die Regelungen zur Niederlassungsfreiheit verwiesen. Vgl. dazu auch: Geiger, Art. 55 EG, Rn. 1 ff.
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I. Teil: Einführung und Regelungskonzept
der Beseitigung von Behinderungen im grenzüberschreitenden Handel. Im Unterschied zum Gesellschaftsrecht umfasst es aber nicht die Organisation des Unternehmens, sondern gibt den rechtlichen Gestaltungsrahmen für dessen geschäftliche Transaktionen vor. 26 Das Europäische Gesellschaftsrecht wird begrifflich zudem vom Europäischen Kapitalmarktrecht unterschieden. Gegenständlich umfasst es die Beziehungen der Teilnehmer auf dem Kapitalmarkt?7 Auch in diesem Bereich sind schon zahlreiche Sekundärrechtsakte erlassen worden. Eine strikte Trennung von Europäischem Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht ist aber im einzelnen schwierig und verdeckt zudem den Blick auf die mit einander verbundenen Steuerungsmechanismen der Gesellschaft. 28 Europäisches Gesellschaftsrecht und Europäisches Kapitalmarktrecht regeln jeweils spezifische Probleme der Unternehmensorganisation. Das Kapitalmarktrecht umfasst dabei vor allem die Fragen der Finanzierung der Gesellschaften und der Sicherheit des Handels mit ihren Effekten. Zu Überschneidungen mit dem traditionellen Gesellschaftsorganisationsrecht kommt es insbesondere bei Fragen des Anlegerschutzes oder der Publizität der Unternehmensinformationen?9 Gerade bei Gesellschaften, die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft agieren und deshalb am Kapitalmarkt auftreten können, ist die Problematik des angemessenen Schutzes der Aktionäre nicht notwendigerweise nur dem Gesellschaftsrecht zuzuordnen. 3D Hinzu kommt, dass insbesondere im Hinblick auf die großen Aktiengesellschaften die Steuerung 26 Es geht um den Abschluss, Inhalt und die Beendigung von Schuldverträgen. Vgl.: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 11; ders., JuS 2001, 946. 27 Heinze, S. 4 f.; Weber, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrecht, F.III., Rn. 6; a.A. Assmann/Buck, EWS 1990, 110 ff., 190 ff., 220 ff.; Mülbert, WM 2001, 2085 (2086 f.), die einen weiter geschnittenen Begriff des Europäischen Kapitalmarktrechts im Sinne eines Marktverfassungsrechts bevorzugen, das alle Regeln umfasst, die einen Bezug zum Kapitalmarkt haben und diesen unmittelbar und mittelbar beeinflussen; differenzierend: Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307 (314 f.). 28 Vgl. dazu: Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, § I Rn. 5 f., der das Europäischen Kapitalmarktrecht deshalb als das zweite Kernstück eines Europäischen Gesellschaftsrechts neben dem Organisationsrecht betrachtet. 29 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307 (317); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 4, die auch darauf hinweisen, dass z. B. der Vorschlag für eine dreizehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie zur Regelung von Übernahmeangeboten auch einen kapitalmarktrechtlichen Bezug aufweist. Dieser kommt schon durch Art. I dieser Richtlinie zum Ausdruck, der den Anwendungsbereich auf Wertpapiere beschränkt, die auf einem geregelten Markt gehandelt werden. Zu den Wechselbeziehungen von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht ausführlich: Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995; Möllers, ZGR 1997,334 ff.; ders., AG 1999,433 ff.
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der Untemehmensführung über den Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen, d. h. über den Kapitalmarkt, eine immer größere Rolle spielt. 31 Eines der vorrangigen Ziele des Kapitalmarktrechts ist jedoch der Funktionsschutz, d.h. die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes?2 Daher haben die Regeln des Kapitalmarkts auch immer einen Bezug zu Wertpapieren, die an einem Kapitalmarkt gehandelt werden. Im Unterschied dazu betrifft das Gesellschaftsrecht auch Regeln ohne einen strikten Kapitalmarktbezug, so dass trotz der häufigen funktionellen Überschneidungen zumindest eine begriffliche Differenzierung vorgenommen werden kann.
111. Einfluss des Primärrechts auf das nationale Gesellschaftsrecht Das Europäische Gesellschaftsrecht entfaltet seine Wirkung auf unterschiedliche Weise. Zuvörderst wirkt es als Schranke für nationales Gesellschaftsrecht. Diese Schrankenwirkung des Europäischen Gesellschaftsrechts resultiert maßgeblich aus dem primärrechtlichen Rahmen des EG-Vertrags. Die Grundfreiheiten folgen hier dem Mechanismus der Negativintegration, indem sie bestimmte nationale Regelungen für unanwendbar erklären?3 Europäisches Gesellschaftsrecht setzt also zunächst negative Standards. Zum anderen schreibt das Europäische Gesellschaftsrecht auch bestimmte positive Standards vor. Für diese Positiv-Integration ist maßgeblich das sekundäre Gemeinschaftsrecht verantwortlich. 34 Hier sorgen die verschiedenen Rechtsakte der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts für ein gewisses Regelungsniveau und gleichen dadurch die nationalen Gesellschaftsrechte an. Die Rechtsangleichung gehört, genauso wie die Grundfreiheiten, zur Konzeption des Binnenmarktes. 35 Sie ist auch der Grund, 30 So übernimmt beispielsweise nach der Konzeption des US-amerikanischen Aktienrechts auch das Kapitalmarktrecht den Schutz der Aktionäre und Gläubiger, was diesbezügliche Regelungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts weniger dringlich macht. Vgl. Habersack. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 4; Kübler. KritV 1994, 79 (83 ff.); ders. Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 55 ff.; ders., AG 1994, 141 (143). 31 Vgl. zu diesem Steuerungsmechanismus ausführlich: 2. Teil § 3 I. 1. b). 32 Heinze, S. 8; Schwark. FS Lutter, S. 1529 (1531); ders., FS Stimpel, S. 1087 (1091); Deckert, EWS 1998, 46 (48); Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307 (315, 317 ff.). Vgl. exemplarisch den 3. und 4. Erwägungsgrund der Wertpapierverkaufsprospekt-Richtlinie (891298/EWG) vom 17.4.1989, ABI. 1989 Nr. L 124/8. 33 Vgl. für das gesamte Europäische Privatrecht: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 38; Klauer, S. 23; Müller-Grajf, FS Börner, S. 303 (314 f.). 34 Vgl. zur Wirkung des Sekundären Gemeinschaftsrechts: § 3 IV. 1.
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warum das Gesellschaftsrecht der Bereich des Privatrechts ist, der durch europäisches Recht schon heute am meisten beeinflusst ist. 1. Wirkungsweise der EG-Grundfreiheiten
a) Marktäffnende Beseitigung mitgliedstaatlicher Behinderungen
Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages haben zur Folge, dass nationale Regelungen, die den grenzüberschreitenden Verkehr behindern und nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, keine Anwendung finden. 36 Sie können dem Marktteilnehmer, der in den Anwendungsbereich der einzelnen Grundfreiheit fällt, nicht entgegengehalten werden. Dies hat einen deregulierenden und marktöffnenden Charakter. 37 Alle Grundfreiheiten sind heute zudem unmittelbar anwendbar. 38 Privatrechtssubjekte der Mitgliedstaaten können sich also unmittelbar auf sie berufen, ohne dass es eines zusätzlichen innerstaatlichen Transformationsaktes bedarf. 39 Die in den Vorschriften der Grundfreiheiten enthaltenen "Rechte" wirken damit auch innerstaatlich und müssen von nationalen Behörden oder Gerichten beachtet werden. Die Grundfreiheiten verbieten zunächst jede offene oder verdeckte Diskriminierung der Marktteilnehmer aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. 4o ErVgl. dazu schon: § 2 I. 3. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 59 Rn. 45; Klauer, S. 23 f.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 114. Grundlegend zum Anwendungsvorrang: EuGH, 20.2.1964 - Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 ff. Die entsprechenden Normen des Gemeinschaftsrechts können jedoch keinen Geltungsvorrang beanspruchen, so dass die nationalen Regelungen auf rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbar bleiben: EuGH, 9.3.1978 - Rs. 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629 (644, Rn. 17/18). 37 Grundmann, JZ 2000, 1133 (1135); ders., Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 38; Klauer, S. 63. 38 Warenverkehr: EuGH, 22.3.1977 - Rs. 74/76 (lanelli & Volpi/Meroni), Slg. 1977, 557 (576, Rn. 13); Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH, 8.4.1976 - Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497 (511, 19/23); Niederlassungsfreiheit: EuGH, 21.6.1974 Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974,631 (652, Rn. 29/31); Dienstleistungsfreiheit: EuGH, 3.12.1974 - Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299 (1310 ff.); Kapitalverkehrsfreiheit: EuGH, 23.2.1995 - verb. Rs. C-358/93 und C-416/93 (Bordessa u.a.), Slg. 1995, 1-361 (387); vgl. auch: Streinz, Rn. 705. 39 Voraussetzung ist, dass die Norm klar und eindeutig, unbedingt, vollständig und rechtlich vollkommen ist. Grundlegend: EuGH, 5.2.1963 - Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, 1 (25 f.). 40 Das spiegelt sich auch im Wortlaut einiger Regelungen wider (Art. 39 11 EG: "Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung", Art. 43 11 EG: "nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen"). 35
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fasst sind dabei alle grundfreiheitenbeschränkenden Maßnahmen, die formal an der fremden Staatsangehörigkeit anknüpfen bzw. sich unabhängig von der Staatsangehörigkeit ausschließlich oder vorwiegend auf EG-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten auswirken. 41 Solche Diskriminierungen bedürfen der Rechtfertigung, welche nur durch die enumerativ in den Schutzklauseln (Artt. 30, 46 I, 58 I EG) aufgezählten Gründe möglich ist ("ordre public"Vorbehalt).42 Diesem Verständnis der Grundfreiheiten liegt das sog. Bestimmungslandsprinzip zugrunde. Danach ist im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr das Regulierungssystem desjenigen Mitgliedstaats anzuwenden, in dem die Waren und Dienstleistungen vermarktet werden sollen bzw. in dem sich die Personen betätigen wollen. 43 Nach inzwischen ganz überwiegender Auffassung beschränkt sich der Schutzgehalt der Grundfreiheiten aber nicht nur auf ein Diskriminierungsverbot. 44 Vielmehr hat der EuGH durch seine Rechtsprechung zur Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit die Entwicklung der Grundfreiheiten von einem Diskriminierungsverbot zu einem allgemeinen Beschränkungsverbot fortentwickelt. 45 Diese Entwicklung geht auch auf einen Wechsel vom Bestimmungslandprinzip zum Herkunftslandprinzip zurück. 46 In einem Binnenmarkt müssen Waren, Dienstleistungen und Personen auch dann überall hingelangen können bzw. uneingeschränkten Zugang zum Markt des Bestimmungslandes erhalten, wenn sie dem Standard des Herkunftslands entsprechen. 47 Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht dabei der Begriff der "Maßnahmen gleicher Wirkung" des Art. 28 EG, welcher nach der Rechtsprechung des EuGH alle nationale Regelungen umfasst, die den 41 Die Grundfreiheiten sind insoweit eine Konkretisierung des in Art. 12 EG niedergelegten allgemeinen Diskriminierungsverbots . Vgl. bereits: EuGH, 21.6.1974 Rs. 2/74 (Reyners), Sig. 1974, 631 (651, Rn. 16120) für die Niederlassungsfreiheit. Vgl. zum Begriff der Diskriminierung: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 133 f.; Schnichels, S. 87 ff.; Eyles, S. 51 ff.; Streinz, Rn. 667. 42 EuGH, 25.1.1977 - Rs. 46/76 (Bauhuis), Sig. 1977, 5 (15); EuGH, 17.6.1981 - Rs. 113/80 (Kommission/Irland), Sig. 1981, 1625 (1638); Bleckmann, Europarecht, Rn. 1522; Groeben/Thiesing/Ehlermann-(Müller-Gra.ff), Art. 36 EG Rn. 2528; Schnichels, S. 96 ff. 43 Behrens, EuR 1992, 145 (156 f.); Steindorff, ZHR 150 (1986), 687 (690); MülbertlSchmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 (239). 44 Behrens, EuR 1992, 145 (156 f.); Classen, EWS 1995, 97 (98); Eberhartinger, EWS 1997, 43 (44 ff.); Jarass, EuR 2000, 705 (710); Mülbert, WM 2001, 2085 (2089). 45 EuGH, 11.7.1974 - Rs 8/74 (Dassonville), Sig. 1974,837 (852 Rn. 5); EuGH, 20.2.1979 - Rs 120/78 (Cassis de Dijon), Sig. 1979,649 (664 Rn. 15); 3.12.1974Rs 33/74 (van Binsbergen), Sig. 1974, 1299 (1309 Rn. 10/12). 46 Vgl. dazu ausführlich: § 2 III. 1. b) cc). 47 Behrens, EuR 1992, 145 (156 f.); Steindorff, ZHR 150 (1986), 687 (691); MülbertlSchmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 (239).
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
grenzüberschreitenden Verkehr "unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell" behindern können. 48 Diese allgemein beschränkenden nationalen Regeln werden, wie die diskriminierenden Maßnahmen, einem Rechtfertigungszwang unterstellt. Eine Rechtfertigung ist aber im Fall der nicht-diskriminierenden Maßnahmen (zusätzlich) aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses möglich, die im Unterschied zu den oben genannten Ausnahmeklauseln für diskriminierende Regeln nicht abschließend und damit offener ausgestaltet sind. 49 Alle Rechtfertigungsgründe unterliegen aber als eng auszulegende Ausnahmen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH einer Verhältnismäßigkeitskontrolle. 50 Das Ziel im nationalen Recht, wie beispielsweise der Schutz der Minderheitsgesellschafter, ist also mit dem des Gemeinschaftsrechts, wie der Niederlassungsfreiheit, in praktische Konkordanz zu bringen. 51 Für die Dogmatik der Grundfreiheiten ist hierbei das durch den EuGH entwickelte Transparenz- oder Informationsmodell prägend. Zwingende Vorschriften des nationalen Rechts sind danach unverhältnismäßig, wenn das Schutzziel des nationalen Rechts auch durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie Informationsregeln, erreicht werden kann. 52 Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung der nationalen Regelungen hat dementsprechend eine zusätzliche deregulierende Wirkung. Im Bereich der für das Gesellschaftsrecht wichtigen Niederlassungsfreiheit hatte der EuGH zwar zunächst vertreten, dass Art. 43 EG nur ein Diskriminierungsverbot enthalte. 53 Nun interpretiert er aber auch sie als allge48 EuGH, 11. 7. 1974 - Rs 8174 (Dassonville), Slg. 1974, 837 (852 Rn. 5). Vgl. Groeben/Thiesing/Ehlermann-(Müller-Grajf), Art. 30 EG Rn. 40. 49 Grundlegend: EuGH, 20.2.1979 - Rs 120178 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649 (662 ff.). Zur Definition der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses vgl. Schwarze-Becker, Art. 30 EG Rn. 35 ff. Der größeren Möglichkeit von Beschränkungen durch die weite Defintion der Maßnahmen gleicher Wirkung steht damit eine offenere Definition der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses gegenüber. 50 Grundlegend wiederum: EuGH, 20.2.1979 - Rs 120178 (Cassis de Dijon), Slg. 1979,649 (insb. 664); EuGH, 22.6.1982 - Rs. 220/81 (Robertson), Slg. 1982,2349 (2360 ff.); 11.7.1984 - Rs. 51/83 (Kommission/Italien), Slg. 1984, 2793 (2805 f.); speziell für das Gesellschaftsrecht, EuGH, 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, 1-1459 (1495); und zuletzt: EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1396, Rn. 45). 51 EuGH, 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999,1-1459 (1495) in Abwägung mit dem Gläubigerschutz. 52 EuGH 20.2.1979 - Rs. 120178 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649 (664); 22.6.1982, Rs. 220/81 (Roberston), Slg. 1982,2349, (2360 ff.); 11.7.1984 - Rs. 51/ 83 (Kommission/Italien), Slg. 1984, 2793 (2805 f.); und speziell für das Gesellschaftsrecht EuGH 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, 1-1459 (1495). Vgl. dazu insbesondere: Grundmann, FS Lutter, S. 61 (62 ff.). 53 EuGH, 21.6.1974 - Rs 2174 (Reyners/Belgien), Slg. 1974,631 (651 Rn. 16/ 20); EuGH, 28. 4. 1977 - Rs 71/76 (Thieffry), Slg. 1977,765 (777 ff.). Vgl.: Roth, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I. Rn. 61 ff. m. w. N.
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meines Beschränkungsverbot, so dass nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der Niederlassungsfreiheit behindern oder weniger attraktiv machen, nur zulässig sind, wenn sie in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sind. 54 Dies wird auch von der Literatur weitgehend anerkannt. 55 Und auch die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 I EG) ist nun entgegen der früheren Regelung in Art. 67 I EG a. F. seit dem 1. 1. 1994 ein unmittelbar wirkendes Beschränkungsverbot. 56 In dieser Hinsicht sind die vier Grundfreiheiten heute also weitestgehend konvergent.
b) Kontrollwirkung der Grundfreiheiten im Gesellschaftsrecht aa) Ausübungsmodalitäten Für die Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote stellt sich auch die Frage nach ihrer Wirkung auf das nationale Gesellschaftsrecht. Insbesondere stellt sich die Frage, ob nun jede Vorschrift des nationalen Gesellschaftsrechts dem speziellen Rechtfertigungszwang der Grundfreiheiten ausgesetzt ist, denn im Einzelfall kann keiner dieser Rechtsvorschriften eine behindernde oder weniger attraktiv machende Wirkung abgesprochen werden, sobald sie über das Niveau der Regelungen in einem anderen Mitgliedstaat hinausgeht. 57 Ein solches Verständnis würde den Gestaltungsspielraum der mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber stark einschränken und dem Gerichtshof eine umfassende Grundfreiheitenkontrolle des nationalen Gesellschaftsrechts eröffnen. 58 54 EuGH 31.3.1993 - Rs 19/92 (Kraus), Sig. 1993, 1-1689 (1697 Rn. 32); 30.11.1995 - Rs 55/94 (Gebhardt), Sig. 1995, 1-4165 (4197 Rn. 37); zuletzt: 9.3.1999 - Rs C-212/97 (Centros), Sig. 1999,1-1459 (1491 Rn. 20 fO; 7.7.1998 Rs. C-255/97 (Pfeiffer), Sig. 1999, 1-2835 (2860, Rn. 19); vgl. ausführlich dazu: GroebenIThiesingIEhlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 46 ff. 55 Schnichels, S. 115 ff (insb. 140 f.); Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498 (510 f; ders., EuR 1992, 145 (158); Classen, EWS 1995, 97 (104); Knobbe-Keuk, DB 1991, 298; Jarass, RIW 1993, 1 (5); Steindorff, EuR 1988, 19 (20 ff.); a.A. noch Basedow, RabelsZ 55 (1991), 409 (432 f.); Everling, DB 1990, 1853 (1857); Eyles, S. 71 ff.; Nachbauer, S. 168. 56 EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1396); EuGH, 1.6.1999 - Rs. C-302/97 (Konle), Sig. 1999, 1-3099, Rn. 44. Vgl. dazu auch: Deckertlv. Rüden, EWS 1998, 46 (47). Durch die Liberalisierungsrichtlinien, insbesondere durch die 4. Richtlinie 88/361/EWG vom 24.6.1988, ABl.EG L 178/5 war der Kapitalverkehr aber schon seit 1990 vollständig liberalisiert. 57 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (246); Everling, GS Knobbe-Keuk, S. 607 (619); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 26; Mülbert, ZHR 159 (1995), 1 (31); Steindorff, JZ 1994,95 (97); Schnichels, S. 116 f 58 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 26; Mülbert, ZHR 159 (1995), 1 (31 0; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (246); Schnichels, S. 117. 3 Pannier
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Gegen eine solch umfassende Wirkkraft der Grundfreiheiten wird deshalb vorgebracht, dass diese prinzipiell nur Beschränkungen des Zutritts zu den nationalen Märkten betreffen, nicht aber die Ausgestaltung der nationalen Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit. 59 Als Abmilderung der umfassenden Einwirkung der Grundfreiheiten auf das nationale Recht werden in der Literatur daher die Grundsätze des "Keck"-Urteils des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit auch auf andere Grundfreiheiten übertragen. 6o Der Gerichtshof unterscheidet im Bereich des Warenverkehrs zwischen produktbezogenen und vertriebs bezogenen Regeln, wobei die letzteren als nichtdiskriminierende Verkaufsmodalitäten keine Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit darstellen und daher auch nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden müssen. 61 Es müsste dementsprechend auch für den Bereich des Gesellschaftsrechts zwischen Vorschriften unterschieden werden, die den Zugang zum Markt betreffen und solchen, die eine bloße Ausübungsmodalität darstellen. 62 Modalitäten der Ausübung der Niederlassungsfreiheit wären in analoger Anwendung der oben genannten Grundsätze nicht als Beschränkungen des Art. 43 EG zu bewerten, wodurch auch eine Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses entbehrlich bleibt. 63 Anders verhält es sich mit gesellschaftsrechtlichen Marktzugangsbeschränkungen. Diese unterfallen als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit dem Rechtfertigungszwang des Allgemeininteresses. 64 Man kann, wenn man die Anwendung der Grundsätze des "Keck"Urteils auf andere Grundfreiheiten, insbesondere auf die Niederlassungsfrei59 Schön, Rabe1sZ 64 (2000), 1 (13); ders., ZHR 160 (1996), 221 (247); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 27 f.; Steindorff, JZ 1994, 95 (97 f.) spricht von einem "Horrorbild"; für eine derartige Grundfreiheitenkontrolle des Privatrechts: Klauer, S. 71 ff. 60 EuGH, 24. 11. 1993 - Rs 267 & 268/91 (Keck), Slg. 1993, 1-6097 (6131 Rn. 16 ff); vgl.: Eberhartinger, EWS 1997, 43 (49); Everling, GS für KnobbeKeuk, S. 607 (618 ff.); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 28; Roth, GS Knobbe-Keuk, S. 729 (739 ff.); ähnlich: Schwarze-Schlag, Art. 43 EG Rn. 55; Schnichels, S. 117; dagegen: Lenz-Scheuer, Art. 43 EG Rn. 10. 61 EuGH, 24. 11. 1993 - Rs 267 & 268/91 (Keck), Slg. 1993, 1-6097 (6131 Rn. 16 ff); auch EuGH, 15.12.1993 - Rs. C-292/92 (Hünermund), Slg. 1993,1-6787 (6822 f.). 62 Eberhartinger, EWS 1997, 43 (49); Schwarze-Schlag, Art. 43 Rn. 55. So auch für die Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH, 27.1.2000 - Rs. C-190/98 (Graf), Slg. 2000, 1-493, (523, Rn. 24 f.); EuGH, 13.1.2000 - Rs. C-254/98 (TK-Heimdienst), Slg. 2000,1-151 (171, Rn. 30). 63 So: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 28: für die nationalen Bestimmungen die für die "einmal auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats niedergelassene Gesellschaft" gelten. Andere sogar gehen von einer generellen Überlagerung des Gründungsrechts der Gesellschaft durch tätigkeitsbezogenen Vorschriften des Rechts am tatsächlichen Satzungssitz aus: Vgl. Sandrock, BB 1999, 1337 (1343).
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heit, anerkennt, aber nicht pauschal das nationale Gesellschaftsrecht vollständig als kontrollfreie Modalität der Ausübung der Niederlassungsfreiheit verstehen. 65 Vielmehr ist für jede Vorschrift zu untersuchen, ob sie eine marktaufsplitternde Wirkung hat und deshalb als Marktzugangsbeschränkung in den Bereich der Grundfreiheitenkontrolle fällt. 66 bb) Überprüfung des zwingenden nationalen Gesellschaftsrechts Zusätzlich und noch stärker umstritten ist, inwieweit die international zwingenden Normen des nationalen Gesellschaftsrechts einer Überprüfung durch die Grundfreiheiten unterliegen. Die nicht-zwingenden Normen sind nach allgemeiner Ansicht von einer solchen Kontrolle ausgenommen, weil sie die Marktfreiheit wegen ihrer Abdingbarkeit schon nicht beeinträchtigen können. 67 Für den Bereich des Gesellschaftsrechts wurde unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH in der "Daily Mail"-Entscheidung von einem Teil der Literatur angenommen, dass auch die wegen der kollisionsrechtlichen Ausgestaltung international zwingenden Normen von der Grundfreiheitenkontrolle ausgenommen sind. 68 Mitgliedstaatliehe Hindernisse der grenzüberschreitenden Aktivitäten von Gesellschaften würden also gar nicht in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fallen. Begründet wurde dies vor allem damit, dass die Niederlassungsfreiheit wegen fehlender Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften in diesem Bereich (noch) nicht unmittelbar anwendbar ist69 bzw. wegen der Unterschiede in den Gesellschaftsrechten noch nicht voll umfänglich gewährleistet werden kann. 7o Insofern läge trotz möglicher Beschränkung der Niederlas64 Als beispielhaft kann hier die "Centros"-Entscheidung gelten, die eine Vorschrift des dänischen Gesellschaftsrechts über das Mindestkapital betraf, die letztlich den Zugang zum dänischen Markt behinderte. Allerdings hat der EuGH eine solche Unterscheidung nicht vorgenommen. Vg\.: EuGH, 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Sig. 1999,1-1459 (1491 Rn. 20 ff.) 65 So allerdings: Schön, ZHR 160 (1996), 221 (248); ähnlich auch Habersack, Rn. 28: "Eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete Kontrolle des nationalen Gesellschaftsrechts hat somit zu unterbleiben; nationales Gesellschaftsrecht kann den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften entgegengehalten werden, soweit es nicht diskriminierend ist". 66 Kritisch wegen der Schwierigkeit einer solchen eindeutigen Aufteilung zwischen Ausübungsmodalitäten und Marktzutrittsschranken: Kieninger, ZGR 1999, 724 (743 f.). 67 Vg\. dazu für das Schuldvertragsrecht: EuGH, 24.1.1991 - Rs. C-339/89 (Alstom Atlantique), Sig. 1991, 1-107 (124); ausführlich: Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (565 ff.). 68 EuGH, 27.9.1988 - Rs. 81/87 (Daily Maii), Sig. 1988,5483 (5512). 69 So insbesondere: Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 42. 3*
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sungsfreiheit kein Verstoß vor. Dies kann allerdings nach der "Centros"Entscheidung des EuGH nicht (mehr) so undifferenziert aufrechterhalten werden. Dort erstreckte der Gerichtshof den Prüfungsmaßstab der Grundfreiheiten auf die zwingenden dänischen Gastlandregeln, die das dänische Registergericht anwenden wollte, obwohl die Gründer das englische Recht gewählt hatten. 71 Die zwingende Anwendung des dänischen Gesellschaftsrechts wurde als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit angesehen, die einer Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses bedurfte. Zudem konnten sich die Gründer unmittelbar auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Damit passt sich diese Entscheidung in das allgemeine Konzept der Grundfreiheiten ein. Sie sind unmittelbar anwendbar und Beschränkungen durch zwingende nationale Regeln bedürfen der Rechtfertigung. Allerdings ist die Anwendung dieses allgemeinen Konzepts im Bereich der Niederlassungsfreiheit nicht unbestritten. 72 Dies hängt vor allem mit dem besonderen Status der Gesellschaften im Europäischen Gesellschaftsrecht zusammen. Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptniederlassung oder Hauptverwaltung innerhalb der Gemeinschaft haben, werden nach Art. 48 EG den natürlichen Personen gleichgestellt, können sich also wie diese auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Daraus ergibt sich das Problem, dass sich Anforderungen und Voraussetzungen für die Gründung und Rechtsfahigkeit einer Gesellschaft, abgesehen von den schon durch Richtlinien angeglichenen Rechtsvorschriften, primär nach nationalem Recht richten. Umgekehrt müssen diese nach nationalen Vorschriften gegründeten Gesellschaften aber auch die Möglichkeit haben, die primärrechtlichen Freiheiten zu nutzen, die die nationalen Vorschriften in diesem Bereich zurückdrängen können. Auch wenn hier im Einzelnen für den Bereich der Niederlassungsfreiheit noch viel umstritten ist, für die generelle Wirkung der Grundfreiheiten lässt 70 In dieser Richtung eher: Everling. GS Knobbe-Keuk, S. 607 (613); Roth, ZGR 2000, 311 (323); Ebke. RabelsZ 62 (1998), 195 (209); Sandrock, BB 1999, 1337 (1338). Vgl. ausführlich: Kruse, S. 70 ff. m. w.N.; Eyles, S. 348 ff.; Schön, FS Lutter, S. 685 (701). Vgl. dazu auch: MülbertlSchmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 ff. 71 EuGH, 9.3.1999 - Rs C-212/97 (Centros), Slg. 1999,1-1459 (1491 Rn. 20 ff.) 72 Viele Autoren nehmen auch nach der "Centros"-Entscheidung zumindest eine Bereichsausnahme für den Wegzug der Gesellschaften aus einem Mitgliedstaat an, in dem eine Überprüfung der kollisions- oder sachrechtlichen Hindernisse ausgeschlossen ist. Vgl. Forsthoff, DB 2000, 1109 (1112); ders., EuR 2000, 167 (182 ff.); Koblenzer, EWS 1999,418 (419); Behrens, IPRax 2000, 384 (385); Zimmer, ZHR 164 (2000), 23 (27, 33); Schön, FS Lutter, S. 685 (702 f.); a.A. aber Mülbertl Schmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 (254).
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sich zusammenfassend feststellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs 73 eine Überprüfung des zwingenden nationalen Rechts auch im Bereich des Gesellschaftsrechts, insbesondere des Kollisionsrechts, nicht pauschal ausgeschlossen ist. 74 Vielmehr kann sich auch bei zwingenden Vorschriften die Frage stellen, ob sie gegen die Niederlassungsfreiheit verstoßen. Die deregulierende Wirkung der Grundfreiheiten kommt damit aber auch im Bereich des zwingenden nationalen Gesellschaftsrechts zum Tragen. cc) Überprüfung des Gast- und Heimatrechts Für die Konzeption der Grundfreiheiten und ihre Wirkung auf das nationale Gesellschaftsrecht ist wie schon erwähnt das sog. Herkunftslandprinzip prägend. 75 Unternehmen sind danach grundsätzlich nur an ihr Heimatrecht gebunden. Zwar kann das Gastland auch Regeln schaffen, die das Unternehmen binden. Allerdings müssen diese Regeln durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Bei der Prüfung dieser Rechtfertigung und insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung des zwingenden Gastlandrechts müssen nach der Rechtsprechung des EuGH die Standards (Schutzstandards) des Heimatlandes Berücksichtigung finden bzw. anerkannt werden. 76 Wenn das Herkunftsland gleichwertige Schutzstandards entwickelt hat oder Kontrollen vorsieht, muss das Gastland dies berücksichtigen. Grundsätzlich genügt daher für die wirtschaftliche Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat die Einhaltung der rechtlichen Regelungen des Heimatlandes?7 Gerade dadurch wird die Mobilität im Binnenmarkt gefördert und zwingendes nationales Gastlandrecht zurückgedrängt. Insofern verstärkt das Herkunftslandprinzip noch die marktöffnende Wirkung der Grundfreiheiten. Dieser Grundsatz gilt auch für den Bereich EuGH, 9.3.1999 - Rs C-212/97 (Centros), Sig. 1999,1-1459 (1491 Rn. 20 ff.) So auch: Schön, FS Lutter, S. 685 (701); Kieninger, ZGR 1999, 714 (739 ff.); Forsthoff, EuR 2000, 167 (177). a.A. offenbar: Roth, ZGR 2000,311 (328 ff.). 75 Behrens, EuR 1992, 145 (156 ff.); Steindorff, ZHR 150 (1986), 687 (689 f.); Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (664 ff.); Mülbert/Schmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 (239 f.); Höpping, S. 83 ff.; ausführlich zum Herkunftslandprinzip: Drasch, Das Herkunftslandprinzip im internationalen Privatrecht, 1997. 76 Grundlegend: EuGH, 20. 2. 1979 - Rs 129/78 (Cassis de Dijon), Sig. 1979, 649 ff. Vgl. dazu: Roth, RabelsZ 55 (1991), 623 (664); Steindorff, ZHR 150 (1986), 687 (691); Höpping, Auswirkungen der Warenverkehrsfreiheit auf das IPR, S. 83 ff. 77 Insofern werden die Grundfreiheiten auch als versteckte Kollisionsnormen verstanden. Vgl.: Basedow, RabelsZ 59 (1995), 1 (13); Drasch, S. 206, 301 ff., 309 ff.; Grundmann, RabelsZ 64 (2000), 457 (459 ff.); a.A. Roth, ZHR 159 (1995), 78 (90 f.); Bemhard, EuZW 1992, 437 (440 f.); v. Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (11 ff.). 73
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des Gesellschaftsrechts. 78 Im "Centros"-Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die zwingenden Kapitalisierungsregeln des dänischen Gastlandrechts auf eine nach englischem Recht gegründete Gesellschaft nicht angewendet werden können, wenn die Gesellschaft in England ohne Kapitalisierung zum Verkehr zugelassen werde, auch wenn sie ihren tatsächlichen Verwaltungssitz dort nicht hat. 79 Zudem reicht es nach der Rechtsprechung des Gerichtshof aus, wenn sich die Gläubiger über die unterschiedlichen Schutzstandards informieren können. 8o Das Regelungskonzept der Grundfreiheiten wirkt sich also vor allem deregulierend für das Gastlandrecht aus. Es führt zu einer umfassenden Prüfung derjenigen Gastlandregeln, die auf den Binnenmarktteilnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat anwendbar sind. Die Liberalisierungswirkung der Grundfreiheiten nimmt jedoch auch das Herkunftslandrecht des Marktteilnehmers nicht aus. So hat der Gerichtshof für die Dienstleistungsfreiheit entschieden, dass auch Behinderungen durch Herkunftslandrecht eine Beschränkung der Grundfreiheiten darstellen können. 81 Im Bereich der Niederlassungsfreiheit ist die Frage der Überprüfung von Behinderungen durch das Herkunftslandrecht wegen des besonderen Status der Gesellschaften wiederum umstritten. 82 Insbesondere für sog. Wegzugsbeschränkungen der Gesellschaften wird teilweise eine Bereichsausnahme für die Anwendung von Art. 43 EG angenommen. 83 2. Niederlassungsfreiheit Entscheidend für die Wirkung der Grundfreiheiten auf das nationale GeseIlschaftsrecht ist die Reichweite der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG. Diese hat zum Ziel, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Eu78 So schon: Behrens, EuR 1992, 145 (158). Letztlich hängt die Anerkennung des Herkunftslandprinzip eng mit dem Verständnis der Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot zusammen. Vgl.: Schnichels, S. 115 ff. (insb. 120 f.). 79 EuGH, 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, 1459 (1495, Rn. 35). 80 EuGH, 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, 1459 (1495, Rn. 36). Dies sei schon wegen der erkennbaren ausländischen Herkunft der Gesellschaft möglich. Vgl. auch Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (22). Kritisch hierzu: Schön, FS Lutter, S. 685 (699). 81 EuGH, 10.5.1995 - Rs. C-384/94 (Alpine Investment), Slg. 1995, 1-1141 (1176-1178); EuGH, 8.3.2000 - Rs. C-405/98 (Konsumentenombudsmannen/Gourmet International Products), EuZW 2001, 251 (253, Rn. 37); Mülbert, WM 2001, 2085 (2090); vgl. dazu auch: Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (17); Schwarze-Holoubek, Art. 49 EG Rn. 60. 82 Vgl. dazu: Mülbert/Schmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 (257 ff.). 83 Vgl. dazu die Nachw.: in Fn. 72.
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ropäischen Gemeinschaft die freie Ausübung ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit in anderen Mitgliedstaaten durch auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einrichtung zu gewährleisten. 84 Die Niederlassungsfreiheit hat dabei eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung für den Binnenmarkt, denn sie schafft die Voraussetzungen für eine freie, nach ökonomisch bestimmten Kriterien bestimmte Standortwahl. 85 Jeder Marktteilnehmer soll also dort tätig werden können, wo die Produktionsfaktoren, die Infrastruktur, die sozialen, rechtlichen und sonstigen Bedingungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit am vorteilhaftesten sind. 86 Mit dem Aspekt der Standortwahl ist zugleich auch ein wichtiger Unterschied zu anderen Grundfreiheiten, insbesondere der Warenverkehrs- oder Dienstleistungsfreiheit angesprochen. Bei der Niederlassungsfreiheit geht es um die Errichtung eines ständigen oder zumindest dauerhaften, nicht nur vorübergehenden wirtschaftlichen Mittelpunktes, bei dem der Unternehmer nicht nur die Leistungen seines Unternehmens in eine fremde Volkswirtschaft einbringen, sondern darüber hinaus auch deren Produktions- oder sonstigen Kostenfaktoren nutzen will. 87 Diese Vorstellung liegt auch dem Niederlassungsbegriff des EuGH zugrunde, der die Niederlassung als tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitliedstaat auf unbestimmte Zeit definiert. 88 Für die Verbindung zum Gesellschaftsrecht ist zudem wichtig, dass die Niederlassungsfreiheit die selbständig, also unternehmerisch Tätigen anspricht. 89 Trotz des gemeinsamen personenbezogenen Charakters und der 84 EuGH, 25.7.1991 - Rs. C-221/89 (Factortame), Slg. 1991, 1-3905 (3965, Rn. 20); Eyles, S. 38 ff.; Kruse, S. 53; Schnichels, S. 27; Schön, FS Lutter, S. 685. 85 Groeben/Thiesing/Ehlennann-Troberg, Vorb. Art. 52-58 EG Rn. 3; Schnichels, S. 27; Everling, FS von der Groeben, S. 111 (113); Roth, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E.I. Rn. 2; ders., GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 729 (736); Nachbaur, S. 15. 86 Groeben/Thiesing/Ehlennann-Troberg, Vorb. Art. 52-58 EG Rn. 3; Schnichels, S. 27; gegen Rechtsunterschiede als legitime AuswahlglÜnde: Everling, FS von der Groeben, S. 111 (113); dafür: Roth, GS Knobbe-Keuk, S. 729 (736). 87 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 121; Schwarze-Schlag, Art. 43 EG Rn. 16; Kruse, S. 54; Eyles, S. 46; Schnichels, S. 34 ff. 88 EuGH, 25.7.1991- Rs. C-221/89 (Factortame), Slg. 1991, 1-3905 (3965, Rn. 20). Der EuGH stellt maßgeblich darauf ab, dass die wirtschaftliche Tätigkeit nicht nur vOrlÜbergehenden Charakter hat: EuGH, 30.11.1995 - Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995,1-4165 (4195 Rn. 27). 89 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 116; Kruse, S. 56; Eyles, S. 44; schwierig ist diese Abgrenzung bei hohen Managementpositionen, vgl. dazu Groeben/Thiesing/Ehlennann-Troberg, Art. 52 EGV Rn.24; Eyles, S. 92 f.; Schnichels, S. 31 f.
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engen Beziehung zum Faktor Arbeit unterscheidet sie sich damit von der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Relevant ist die Niederlassungsfreiheit aber auch für die Mobilität des Faktors Kapital, denn die Errichtung unternehmerischer Standorte in einem anderen Mitgliedstaat geht regelmäßig mit der Investition von Kapital in diesem Land einher. Im Bereich der Finanzierung des Unternehmens ergänzen sich dementsprechend Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit und schließen sich nicht, wie andere Grundfreiheiten, aus. 90 Festzustellen bleibt, dass die Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit für das Europäische Gesellschaftsrecht von besonderer Bedeutung sind. Die Niederlassungsfreiheit wurde von Lutter sogar als die "Magna Charta" des Unternehmensrechts in Europa bezeichnet. 91 Sie stellt diejenige subjektivöffentlichrechtliche Rechtsposition dar, die verschiedene Formen der Eingliederung von Unternehmern und Unternehmen in einem anderen Mitgliedstaat ermöglichen soll.92 a) Aktionär als Unternehmer-Gesellschafter
Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG beeinflusst mit ihrer wirtschaftlichen Funktion natürlich auch die Stellung der Gesellschafter. Sie enthält selbst schon "Rechte" für Aktionäre. 93 Dabei ist wichtig, dass Träger der Niederlassungsfreiheit nicht nur natürliche Personen sein können, welche die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, sondern nach Art. 48 EG auch Gesellschaften, die den natürlichen Personen unter gewissen Voraussetzungen gleichgestellt sind. 94 Diese Doppelstellung, einerseits als natürliche Person und andererseits als Teilhaber an der Gesellschaft, die selbst bestimmte Freiheiten wahrnehmen kann, ist prägend für das Bild des Gesellschafters im Europäischen Gesellschaftsrecht. Typisieren lässt er sich als Unternehmer-Gesellschafter, also als Gesellschafter, der wegen einer wesentlichen Beteiligung unternehmerischen Einfluss auf das Geschehen innerhalb der Gesellschaft ausüben kann. 95 90 Vgl. zum Verhältnis der Niederlassungsfreiheit zur Kapitalverkehrsfreiheit ausführlich: § 2 III. 2. a) und 3. a). 91 Lutter, Europäisches Untemehmensrecht, S. 36. 92 Eyles, S. 2, 39. 93 Eyles, S. 54 ("Teilhaberecht"); a. A. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 Rn. 68; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 114. ("kein subjektiv-öffentliches Recht"). 94 Vgl. zu den Voraussetzungen der Gleichstellung der Gesellschaft: § 2 III. 2. b) aa). 95 Siehe zu dieser Begriffsbildung: Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (11).
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Ein Unternehmer hat als Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats zunächst das Recht, in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen geltendem Recht ein Unternehmen zu gründen (Gründungsfreiheit).96 Dabei kann er zum einen den Schwerpunkt seiner unternehmerischen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlegen (primäre Niederlassungsfreiheit, Art. 43 I 1 EG).97 Hierbei ist zwischen der Wahrnehmung des Niederlassungsrechts durch eine natürliche Person und durch eine bereits bestehende Gesellschaft zu unterscheiden. Der Unternehmer-Gesellschafter als natürliche Person kann beispielsweise eine Aktiengesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat neu gründen und dadurch den Hauptsitz seiner Wirtschaftstätigkeit verlegen. 98 Dagegen würde die Sitzverlegung einer bereits bestehenden Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat zwar unter die primäre Niederlassungsfreiheit fallen, allerdings ist die Verlegung des Sitzes dann als Recht der Gesellschaft selbst zu betrachten. 99 Die primäre Niederlassungsfreiheit in Form der Neugründung steht damit nur natürlichen Personen offen. 100 Zum anderen kann der Gesellschafter seine unternehmerische Tätigkeit durch Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten ausdehnen, ohne dass der unternehmerische Schwerpunkt im Herkunftsland aufgegeben wird (sekundäre Niederlassungsfreiheit, Art. 43 I 2 EG).101 Der EG-Vertrag un96 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 37; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 144. 97 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 14; Kruse, S. 66 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 37. 9B Zur primären Niederlassungsfreiheit eines Gesellschafters gehört auch die herrschende Beteiligung an einer bereits bestehenden Gesellschaft. 99 Gerade die grenzüberschreitende Sitzverlegung ist aber wegen der unterschiedlichen kollisions- und sachrechtlichen Lage noch in vielfältiger Weise eingeschränkt oder unmöglich, wobei ein Hauptproblern darin liegt, dass die Gesellschaft bei der Sitzverlegung ins Ausland aufgelöst werden muss oder die Sitzverlegung mit einer steuerlich nachteiligen Aufdeckung der stillen Reserven verbunden ist. Vgl. dazu ausführlich: Kruse, S. 129 ff. 100 Eyles, S. 99; Schnichels, S. 41 f.; Grothe, S. 145. Zwar ist denkbar, dass die Gesellschaft von Anfang an ihren Verwaltungs sitz in einem anderen Staat als demjeningen, nach dessen Recht sie inkorporiert wurde, mit der Folge, dass sie schon im Zeitpunkt ihrer Entstehung über eine Hauptniederlassung außerhalb ihres Gründungsstaates verfügt. Trotzdem ist dieser Vorgang den Gründern, d.h. den kontrollierenden Gesellschaftern zuzurechnen. 101 Zur Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit vgl.: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 124; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 10; Kruse, S. 66 ff.; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 14; Schnichels, S. 41 f. Teils wird angemerkt, dass der EuGH in der "Centros"-Entscheidung eine Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Niederlassungsfreiheit praktisch aufgegeben hat: Schön, FS Lutter, S. 685 (702).
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
terscheidet hier zwischen den rechtlich unselbständigen Niederlassungen, wie Agenturen und Zweigniederlassungen und den rechtlich selbständigen, wie Tochtergesellschaften. Die ersteren unterliegen vollständig dem Personalstatut der Muttergesellschaft. 102 Dagegen haben Tochtergesellschaften ein eigenes, von der Muttergesellschaft unabhängiges Gesellschaftsstatut. 103 Diese letztere Form der sekundären Niederlassung steht aber denknotwendig nur den Gesellschaften als Niederlassungsberechtigte zur Verfügung. Gleichzeitig ergibt sich bei Tochtergesellschaften wegen der rechtlichen Selbständigkeit die Besonderheit, dass sie selbst auch die primäre oder sekundäre Niederlassungsfreiheit genießen. 104 Sie können also ihren Sitz verlegen oder selbst Tochtergesellschaften, Agenturen oder Zweigniederlassungen gründen. Dadurch umfasst die Niederlassungsfreiheit auch die Bildung und Leitung von Konzernen. 105 Neben der Gründungsfreiheit gewährleistet die Niederlassungsfreiheit auch die Freiheit des Unternehmers, unter den im betreffenden Mitgliedstaat verfügbaren Gesellschaftsformen zu wählen (Wahlfreiheit).106 Die Mitgliedstaaten können dementsprechend dem Unternehmer nicht vorschreiben, sich in der Rechtsform der Aktiengesellschaft zu organisieren oder seine Wahlfreiheit durch Steuerbestimmungen einzuschränken. 107 Schließlich kann der Unternehmer von der Niederlassungsfreiheit nicht nur durch Neugründung Gebrauch machen, sondern auch durch Beteiligung an einer bereits bestehenden Gesellschaft (Beteiligungsfreiheit).108 Die erstmalige herrschende Beteiligung eines Gesellschafters an einer bereits bestehenden Gesellschaft würde dementsprechend der primären Niederlassungsfreiheit zugeordnet werden. 109 Für den Schutz der Beteiligungsfreiheit im Rahmen des Art. 43 EG ist allerdings Voraussetzung, dass der Aktionär den Erwerb oder Verkauf von Aktien nicht nur als eine reine Kapitalanlage betrachtet, also auch unternehmerisch auftritt. 110 Den Schutz des Erwerbs 102 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 126; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 15. 103 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 126; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 15; Schwarze-Schlag, Art. 43 EG Rn. 20. 104 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 125. 105 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 41; Eyles, S. 106 ff. 106 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 37; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 145. 107 EuGH, 28.1.1986 - Rs. 270/83 (Kommission/Frankreich), Slg. 1986, 273 (305 Rn. 22 ff.); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 145. 108 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 38; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 146; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 10. In diesem Zusammenhang ist auch an die Regelung des Art. 294 EG zu denken. Vgl. zu seiner Wirkung auf das Europäischen Gesellschaftsrecht: § 2 III. 4. 109 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 125.
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oder Verkaufs von Aktien oder anderen Wertpapieren gewährleisten insoweit die Vorschriften über den freien Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 56 ff EG). Wegen des Vorbehalts des Art. 43 11 EG sind die Beschränkungen des freien Kapitals- und Zahlungsverkehrs, auch wenn sie zugleich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellen, primär anhand der Art. 56 ff. EG zu überprüfen. 111 Trotzdem bleiben Direktinvestitionen, wie der Ankauf einer Firma in einem anderen Mitgliedstaat mit dem Ziel, sie als Tochtergesellschaft weiterzubetreiben bzw. der Kauf von Anteilen, die dem Erwerber die faktische Kontrolle über das Unternehmen verschaffen, auch eine Form der Niederlassung. 112 Die Frage der Kontrolle und Herrschaft über die Gesellschaft ist ein weiterer wichtiger Punkt, der den Typus des Unternehmer-Gesellschafters beschreibt. Die Niederlassungsfreiheit umfasst nach dem Wortlaut des Art. 43 11 EG nicht nur die Gründung, sondern auch die Leitung von Unternehmen. Dadurch wird deutlich, dass zum primärrechtlich geschützten Bereich auch die grenzüberschreitende Steuerung der Gesellschaft durch gesellschaftsrechtliche Instrumente gehört. l13 Die Niederlassungsfreiheit umfasst damit beispielsweise auch die grenzüberschreitende Ausübung des Stimmrechts. Wenn die Instrumente, die das Gesellschaftsrecht für die Steuerung des Unternehmens bereitstellt, den ausländischen Unternehmer-Gesellschafter diskriminieren bzw. den Zugang zum inländischen Markt beschränken, so müssen diese Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. 114 Bei der Ausgestaltung der Aktionärsrechte dürfen die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber also nicht solche Lösungen wählen, die ausländischen Aktionären die Einflussnahme auf das Management der Gesellschaft verwehren. Solche Be110 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 146; Everling, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften, S. 20; Groß, AG 1990,530 (531). 111 Vgl. auch: EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1396 ff.), der sich vor allem auf eine Prüfung der Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt. Zur Niederlassungsfreiheit stellt er fest: "Soweit die fragliche Regelung Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit enthält, sind diese die unmittelbare Folge der vorstehend geprüften Hindernisse für den freien Kapitalverkehr, mit denen sie untrennbar verbunden sind". 112 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 123; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 12; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 11; Schwarze-Schlag, Art. 43 EG Rn. 20; Mülbert, WM 2001, 2085 (2088). 113 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (11). 114 Vgl. dazu auch: EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1396, Rn. 45), der die im Streit stehenden Regelungen zu sog. "Goldenen Aktien" allerdings vorrangig auf einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit überprüft. Vgl. zur Unterscheidung zwischen Marktzugangsbeschränkungen und bloßen Ausübungsmodalitäten und ihren unterschiedlichen Konsequenzen: § 2 III. I. b) aa).
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
hinderungen bedürfen als Marktzugangsbeschränkungen der Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses. 115
b) Die Gesellschaft als Träger der Niederlassungsfreiheit und ihre Anteilseigner aa) Gemeinschaftszugehörigkeit der Gesellschaften und die Nationalität der Anteilseigner Träger der Niederlassungsfreiheit können, wie schon erwähnt, nicht nur natürliche Personen sein, welche die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen, sondern nach Art. 48 I EG auch Gesellschaften. Die Gleichstellung mit natürlichen Personen setzt aber wegen des personenbezogenen Charakters der Niederlassungsfreiheit die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft voraus. Nach Art. 48 I EG müssen die Gesellschaften deshalb nach den Vorschriften eines Mitgliedstaats gegründet worden sein und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Dabei reicht es nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 48 I EG für die Gewährung der Niederlassungsfreiheit aus, wenn neben der wirksamen Gründung nach den Vorschriften eines Mitgliedstaats eines der drei dort aufgezählten Anknüpfungsmerkmale erfüllt ist. 116 Art. 48 EG lässt dementsprechend auch den Satzungssitz allein als Voraussetzung ausreichen. Die Mitgliedstaaten haben für die Festlegung der Voraussetzungen für die Gründung einer Gesellschaft auf ihrem Staatsgebiet also einen entsprechenden Freiraum. Allerdings ergibt sich in diesem Zusammenhang das Problem der kollisionsrechtlichen Anerkennung der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat. 117 Die hier existierenden Fragen, wie beispielsweise die des Verhältnisses von Art. 48 EG zu den nationalen Kollisionsnormen, sollen jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung sein. 118 115 Vgl. zur Vereinbarkeit von bestimmten Gestaltungsformen, wie Mehrfachund Höchststimmrechten mit den Grundfreiheiten sowie zur Zu lässigkeit von sog. "Golden Shares": § 2 III. 3. a). 116 Eyles, S. 356 ff.; Schön, FS Lutter, S. 685 (686); Schwarz, Europäisches GeseIlschaftsrecht, Rn. 152; Lenz-Scheuer, Art. 48 EG Rn. 2; Geiger, Art. 48 EG, Rn. 6; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 58 EGV Rn. 7; Schwarze-(Müller-Huschke}, Art. 48 Rn. 7; Forsthoff, EuR 2000, 167 (175); Schnichels, S. 55 f.;
Kruse, S. 61.
117 Die Gesellschaften bedürfen nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts der Anerkennung durch die Mitgliedstaaten, in denen sie am Rechtsverkehr teilnehmen wollen. Sie müssen von diesem als rechts- und geschäftsfähig und passiv und aktiv partei- und prozessfähig angesehen werden. Vgl. Kruse, S. 13 f.; Schön, FS Lutter, S. 685 (686); Behrens, ZGR 1978, 499 (500); Großfeld, RabelsZ 31 (1967), 1 ff.
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Vielmehr soll es um das Verhältnis der Gemeinschaftszugehörigkeit der Gesellschaft und der Nationalität der Gesellschafter gehen. Hier zeigt schon der Wortlaut des Art. 48 EG, dass die aus der sogenannten Kontrolltheorie kommende Überlegung, nach der das Gesellschaftsstatut der Gesellschaft nach der Nationalität der Anteilseigner bestimmt wird, für die Bestimmung der Gemeinschaftszugehörigkeit der Gesellschaften keine Rolle spielt. 119 Gesellschaften, deren Gesellschafter Staatsangehörige von Drittstaaten sind, können sich also auch auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Dies gilt ebenso für den innergemeinschaftlichen Fall, dass sich die ausländische Gesellschaft gegenüber dem Mitgliedstaat auf die Niederlassungsfreiheit beruft, dessen Staatsangehörigkeit die Gesellschafter besitzen. Auch hier handelt es sich, wenn die Gesellschaft wirksam in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurde, nicht mehr um einen inländischen Sachverhalt, der die Anwendung der Art. 43 EG ausschließen würde. 120 bb) Auswirkung der Gleichstellung der Gesellschaften auf die Stellung der Unternehmer-Gesellschafter Die Art, wie die Niederlassungsfreiheit die Rechtsform der Gesellschaft in den Blick nimmt, wirkt sich auch auf die Stellung der Gesellschafter aus. Durch die Gleichstellung der Gesellschaften mit natürlichen Personen wird die Gesellschaft zunächst als Subjekt des Gemeinschaftsrecht angesprochen. Darüber hinaus ermöglicht die Niederlassungsfreiheit aber auch die Gründung von Tochtergesellschaften, wodurch die Gesellschaft außerdem als Instrument des unternehmerischen HandeIns ihrer Gesellschafter anerkannt wird. Sie ist also auch Objekt der Niederlassungsfreiheit. Diese Doppelnatur l21 der Gesellschaften führt z. B. dazu, dass sich die herrschende Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat auf die sekundäre Niederlassungsfreiheit berufen kann, während der Tochtergesellschaft als inländisches Rechtssubjekt eine Berufung auf gemeinschaftsrechtliche Normen verwehrt bleibt. 122 118 Vgl. dazu ausführlich: Forsthoff, EuR 2000, 167 ff.; Eyles, S. 353 ff.; Kruse, S. 207 ff.; Kindler, NJW 1999, 1993 ff.; Kieninger, ZGR 1999, 724 ff.; Schön, FS Lutter, S. 685 ff.; Roth, ZGR 2000, 311 ff.; Mülbert/Schmolke, ZVgIRWiss 100 (2001), 233 ff. 119 Kruse, S. 62; Schön, FS Lutter, S. 685 (686); Schnichels, S. 58 f.; Eyles, S. 88; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 153; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 58 EGV Rn. 20; Schnichels, S. 58-61; Everling, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften, S. 40. 120 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 153; Schnichels, S. 60 f.; Kruse, S. 63; anders: BayObLGZ, 1986,351 (360), Ebke, ZGR 1987,245 (253). 121 Werlauff, S. 17 ff.; Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (10).
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Zwar gewährt Art. 48 EG den Gesellschaften und nicht den Gesellschaftern ein Recht auf Niederlassung, doch wird die Rechtsstellung dieser Gesellschafter durch Art. 48 EG zumindest mittelbar beeinflusst. Diese Simultanwirkung des Niederlassungsrechts von Gesellschaften ist auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt. In der "Fearon"-Entscheidung prüft der Gerichtshof nach der Verneinung eines Verstoßes gegen das Niederlassungsrecht der Gesellschaft auch die Vereinbarkeit der in Frage stehenden nationalen Vorschrift mit dem Niederlassungsrecht der Gesellschafter. 123 In der "Segers"-Entscheidung stellt er zudem fest, dass in der unmittelbaren Beeinträchtigung der mit der Gesellschaft in Verbindung stehenden Personen auch eine mittelbare Beeinträchtigung des Niederlassungsrechts der Gesellschaft liegen kann. 124 Die Gesellschafter können sich also auf das Niederlassungsrecht dergestalt berufen, dass einerseits die unmittelbare Beeinträchtigung ihres Niederlassungsrechts eine mittelbare Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft oder anderseits die unmittelbare Beeinträchtigung des Niederlassungsrechts der Gesellschaft eine mittelbare Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition nach sich zieht. 125 Strittig ist dies aber in Drittlandssachverhalten. Hier wird teilweise in Anlehnung an die Kontrolltheorie vertreten, dass zumindest einer der Gesellschafter die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen muss, damit sich die Gesellschaft auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann. 126 Weil Gesellschafter aus Drittstaaten für sich genommen keine Niederlassungsfreiheit genießen, könne für sie als Zusammenschluss von Drittstaatlern nichts anderes gelten. Zudem würden durch die Gewährung der Niederlassungsfreiheit für die Gesellschaft auch Aufenthaltsrechte für die Gesellschafter unter Umgehung des nationalen Ausländerrechts entstehen. Allerdings wird bei Anwendung der Grundsätze der Kontrolltheorie nicht ausreichend zwischen der rechtlichen Stellung der Gesellschaft und der der Gesellschafter unterschieden. l27 Die Gesellschaften sind den natürlichen Personen gleichgestellt und haben damit auch eigene Rechte im Rahmen der Niederlassungsfreiheit. 128 Wenn die Gesellschaft die mittelbare Beein122 EuGH, 17. 6. 1997 - Rs C-90/95 (Sodemar), Slg. 1997, 1-3395 ff.; Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (10). Die Niederlassungsfreiheit findet keine Anwendung auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale nicht über die Grenzen des Mitgliedstaats hinausreichen. Vgl.: EuGH, 16. 1. 1997, Rs C-134/95 (USSL N°47 Di Biella), Slg. 1997,1-195 (211 Rn. 23). 123 EuGH, 6.11.1984 - Rs. 182/83 (Fearon), Sig. 1984, 3677 (3685 Rn. 9). 124 EuGH, 10.7.1986 - Rs. 79/85 (Segers), Slg. 1986,2375 (2387 f. Rn. 15); dies kommt letztlich auch in der "Centros"-Entscheidung des EuGH zum Ausdruck: EuGH, 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Sig. 1999,1-1459 (1491 ff.). 125 Eyles, S. 91. 126 BayOLGZ 1986,351 (360); Ebke, ZGR 1987,245 (253). 127 Schnicheis, S. 60; Kruse, S. 63;
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trächtigung ihrer Niederlassungsfreiheit geltend macht, dann handelt es sich immer noch um ihre rechtliche Stellung. Eine solche Beeinträchtigung kann unabhängig davon eintreten, ob der Gesellschafter die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. 129 Beispielsweise kann eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft vorliegen, wenn der Unternehmer-Gesellschafter die Gesellschaft nicht leiten kann, weil ihm die Aufenthaltsberechtigung fehlt. Allerdings muss dieses Aufenthaltsrecht für die Gesellschaft unbedingt erforderlich sein und es muss im Namen der Gesellschaft geltend gemacht werden. Anders ist dagegen die rechtliche Stellung des Gesellschafters selbst zu beurteilen. Er kann sich, wenn er die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, nicht unmittelbar auf die Niederlassungsfreiheit berufen, denn Art. 43 EG macht deutlich, dass auf das Erfordernis der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats nicht verzichtet werden kann. l3O Bei Kapitalgesellschaften ergibt sich im Hinblick auf die Simultanwirkung der Niederlassungsfreiheit ein weiteres Problem. Zwar erfasst die Niederlassungsfreiheit neben der Gründung auch die Leitung der Unternehmen. 131 Wegen der üblicherweise vorliegenden Fremdorganschaft fallen Anteilsbesitz und Leitungsmacht aber regelmäßig auseinander. Trotzdem fallt die Direktinvestition eines Investors auch unter die Niederlassungsfreiheit, wenn er durch seine Beteiligung die faktische Kontrolle über das Unternehmen erlangt. l32 Die Simultanwirkung kommt damit jedenfalls dem Unternehmer-Gesellschafter i. S. eines herrschenden Gesellschafters zugute.
3. Kapitalverkehrsfreiheit Für die Stellung der Gesellschafter innerhalb des Gemeinschaftsrechts spielt auch die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. EG) eine entscheidende Rolle. Gemeinsam mit den anderen Grundfreiheiten bildet sie die Grundlage des privaten Wirtschaftens in der Europäischen Gemeinschaft. 133 Der Binnenmarkt als Ziel der Gemeinschaft kann nur gewährleistet werden, So auch Schnicheis, S. 60; Grothe, S. 186. Schnichels, S. 62 unter Berufung auf EuGH, 10.7.1986 - Rs. 79/85 (Segers), Slg. 1986, 2375 (2387, Rn. 15). Anders: Eyles, S. 89, mit dem Hinweis, dass der Betroffene in der Entscheidung des Gerichtshofs die Staatsangehörigkeit eines Mitglied staats besaß. 130 Schnicheis, S. 62; Eyles, S. 88 ff. 131 Vgl. dazu: § 2 III. 2. a). 132 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 12. Vgl. dazu schon: § 2 III. 2. a). 133 Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 1; Lenz-Weber, Art. 56 EG Rn. 2; GrabitziHilf-Ress/Ukrow, Art. 73 b Rn. 2 ff. 128
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wenn die hierfür erforderlichen Kapitaltransaktionen gesichert sind. So lassen sich Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit nur gemeinsam mit dem freien Kapitalverkehr verwirklichen, wie bereits die Vorbehaltsregelungen in den Art. 43 11 und 50 11 EG zeigen. 134 Die Verfügbarkeit und Mobilität von Kapital ist Voraussetzung für unternehmerisches Tätigwerden. a) Aktionär aLs AnlegergeselLschafter
Der EG-Vertrag enthält keine Definition des Kapitalverkehrs. Allgemein wird darunter der grenzüberschreitende Transfer von Werten in Form von Geld- oder Sachkapital, also Transaktionen verstanden, die sich nicht in einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpfen, sondern zu zeitlich gestreckten Geldforderungen oder -verpflichtungen führen. 135 Durch Art. 56 EG wird damit neben Anlagen in Immobilien, Niederlassungen, Finanzdienstleistungen und anderen Kapitalmarktpapieren auch die Direktinvestition in Form der Beteiligung an einem Unternehmen durch den Erwerb von Aktien oder anderen Wertpapieren mit Beteiligungscharakter geschützt. 136 Nicht nur die Niederlassungsfreiheit, sondern auch die Kapitalverkehrsfreiheit nimmt den Gesellschaftsanteil in den Blick. Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit schließen sich dabei nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander. 13 ? Zwar macht der Vorbehalt des Art. 43 11 EG klar, dass die im Rahmen der Niederlassung notwendigen Investitionen, Kapitaltransfers und Finanzierungen primär nach den Regeln über den freien Kapital- und Zahlungsverkehr zu beurteilen sind. 138 Gerade Müller, S. 87 Schön, GS Knobbe-Keuk, S. 743 (747); Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 73b EG Rn. 1; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 7. Der EG nennt ausschnittshaft in Art. 57 (für den Verkehr mit Drittländern) Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, die Niederlassung, die Erbringung von FinanzdienstIeitungen oder die Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten. 136 Vgl. EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1396, Rn. 37). Als weitere Begriffsbestimmung zieht der EuGH dazu die Bestimmungen der Richtlinie über den freien Kapitalverkehr 88/361/EWG vom 24. Juni 1988, ABl.EG 1988 L178/5 zusammen mit der Nomenklatur in ihrem Anhang ergänzend heran. Vgl. dazu auch: EuGH, 14.12.1995 - Rs. C-163/94 (Sanz de Lera), Slg. 1-4821 (4839 Rn. 34); Mülbert, WM 2001, 2085 (2088); Schön, GS Knobbe-Keuk, S. 743 (748). !37 Groeben/Thiesing/Ehlennann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 11; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 11; Müller, S. 192 f.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 122; Schön, GS Knobbe-Keuk, S. 743 (749); Mülbert, WM 2001, 2085 (2088 f.). 138 Dieser Vorbehalt bedeutet allerdings keine Einschränkung des Liberalisierungsgrades, da beide Grundfreiheiten heute grundsätzlich verwirklicht sind. Es ist nur ein Hinweis auf den Wechsel der Rechtsgrundlage. V gl. dazu Groeben/Thie134
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Investitionen zeigen aber, dass sie ein einheitlicher Vorgang sind, der zugleich auch eine Niederlassung i. S. der Art. 43 ff. EG darstellen kann. 139 Voraussetzung ist jedoch, dass die Investition als "Gründung und Leitung" von Unternehmen i. S. von Art. 43 11 EG betrachtet werden kann. Die Investition darf sich also nicht als reine Geldanlage erweisen (Portfolio- oder Finanzinvestitionen). Vielmehr muss der Investor auch einen gewissen Einfluss auf das Geschehen des Unternehmens gewinnen. Es muss sich also um eine Beteiligung handeln, die ihm die Möglichkeit gibt, sich tatsächlich an der Verwaltung oder Kontrolle dieser Gesellschaft maßgeblich zu beteiligen (Direktinvestition). 140 Beispielsweise wird der Erwerb eines Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat mit dem Ziel, es als Tochtergesellschaft weiterzubetreiben, stets auch eine Niederlassung darstellen. 141 Dasselbe muss auch für den Erwerb von Unternehmensanteilen gelten, wenn der Investor dadurch die faktische Kontrolle über das Unternehmen erlangt. Voraussetzung ist also, dass der Gesellschafter im Rahmen der Investition als Unternehmer erscheint (Unternehmer-Gesellschafter).142 Soweit dies nicht der Fall ist, fällt der Investitionsvorgang allein unter die Regelungen der Art. 56 ff. EG. Die Kapitalverkehrsfreiheit erfasst damit im Unterschied zur Niederlassungsfreiheit den Typus des Anleger-Gesellschafters, der nicht vorrangig unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben will, sondern dem es vor allem auf die ertragsbringende Kapitalanlage ankommt. 143 Der Umfang der Beteiligung an einem Unternehmen spielt bei sing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 8; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 12. 139 Vgl. EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1397, Rn. 55 f.), der feststellt, dass Hindernisse für den freien Kapitalverkehr untrennbar mit Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verbunden sind; Groeben/Thiesing/ Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 11; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 123; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 11; Mülbert, WM 2001, 2085 (2088). 140 Hier orientiert man sich an einer Definition der Direktinvestition in der Kapitalverkehrsrichtlinie. Vgl.: Anhang 1 Ziffer I. So auch GA Tesauro in: EuGH, 14.12.1995 - verb. Rs. C-163/94, C-165/94, C-250/94 (Sanz de Lera), Slg. 1995, 1-4821 (4827 0. Teils wird auf die Definition der Tochtergesellschaft in der siebten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zurückgegriffen, weil im Rahmen des Art. 43 EG die Definitionen aus den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien vorzuziehen seien. Vgl.: Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 12. Vgl. ausführlich: Schön, GS Knobbe-Keuk, S. 743 (750 0. 141 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 12; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 123. 142 Vgl. zur Beschreibung der Stellung des Unternehmer-Gesellschafters: § 2 III. 2. a). 143 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (12); ders., GS Knobbe-Keuk, S. 743 (750 0; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 52 EGV Rn. 11; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 123; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 11. 4 Pannier
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ihm keine Rolle. Geschützt ist also vorrangig der Transfer der Gesellschaftsanteile, aber auch ihre Zulassung zu den Kapitalmärkten. 144 Die Kapitalverkehrsfreiheit kann ihre deregulierende Wirkung auch im Bereich der Aktionärsrechte entwickeln. Das betrifft vor allem Fälle, in denen die Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte den grenzüberschreitenden Verkehr der Aktien behindern kann. Exemplarisch dafür sind die Urteile des EuGH zu sog. Goldenen Aktien ("special shares", "actionne specifique,,).145 Ziel solcher Regelungen ist, in Wirtschaftsbereichen, die ein Staat als wirtschaftlich und politisch besonderes wichtig empfindet, den Einfluss ausländischer Aktionäre bzw. Unternehmen möglichst gering zu halten. 146 Aktien von Unternehmen in diesen Wirtschaftsbereichen sind deshalb zum Teil mit Sonderrechten verbunden, die den Erwerb von Anteilen oder Stimmrechten bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte oder gewisse Verwaltungsentscheidungen von einer vorherigen Genehmigung des Staates abhängig machen oder eine Widerrufsmöglichkeit vorsehen.
Im "Elf-Aquitaine"-Urteil sah der EuGH in einer entsprechenden französischen Regelung einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. 147 Die durch solche Sonderrechte eintretende Beschränkung des Kapitalverkehrs kann zwar grundsätzlich durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, wie der Versorgungssicherheit mit Erdölprodukten, gerechtfertigt werden. Die konkrete Regelung hielt der EuGH aber nicht für verhältnismäßig, weil die Ausübung der Genehmigung bzw. des Widerrufsrechts, die in jedem Fall der Überschreitung durch den Wirtschaftsminister vorzunehmen war, keinen konkreten Voraussetzungen unterlag und die Anleger keinerlei Hinweis darauf erhielten, unter welchen objektiven Umständen eine Genehmigung des Anteilserwerbs oder -verkaufs erteilt oder versagt wird. 148 Wegen der fehlenden Rechtssicherheit ging sie über das hinaus, was zur Erhaltung der Versorgungssicherheit erforderlich ist. Eine ähnliche Regelung des belgischen Gesellschaftsrechts hielt der EuGH dagegen für verhältnismäßig, weil die dort vorgesehene Widerspruchsregelung von einem Tätigwerden der Regierungsbehörden abhängt und an konkretere und gerichtlich nachprüfbaren Kriterien gebunden ist, die dem Grundsatz der Rechtssicherheit entsprechen. 149 144
Schwarz,
Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn.
123; Schwarze-Glaesner,
Art. 56 EG Rn. 7; kritisch: Mülberf, WM 2001, 2085 (2089).
145 Vgl. EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 ff.; EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-503/99 (Kommission/Belgien), WM 2002, 1397 ff.; EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal), WM 2002, 1402 ff. 146 Ruge, EuZW 2002, 421. 147 EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1396 f., Rn. 35 ff.). 148 EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf-Aquitaine), WM 2002, 1393 (1397, Rn. 50).
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Die Überprüfung ähnlicher Gestaltungsforrnen, wie Mehrfach- oder Höchststimmrechte, die auch als Übernahmeschutz gebraucht werden können, muss dementsprechend für die jeweilige Regelung einzeln vorgenommen werden. Das gleiche gilt für die Vinkulierung von Aktien, den Stimmrechtsausschluss oder das Erfordernis eines bestimmten Quorums für die Ausübung von Aktionärsrechten. Zunächst müssen sie geeignet sein, den Erwerb von Anteilen an den betreffenden Unternehmen zu behindern oder Anleger aus anderen Mitgliedstaaten davon abzuhalten, in das Kapital dieser Unternehmen zu investieren. Sie müssen des Weiteren zwingend gelten, also nicht zur Disposition des Satzungsgebers stehen, was bei den oben genannten Regelungen zu den sog. Goldenen Aktien der Fall ist, nicht aber bei den meisten anderen Regelungen. Soweit solche Gestaltungsforrnen zudem als Marktzutrittsschranke und nicht als bloße Ausübungsmodalität einzuordnen sind, hängt ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit schließlich davon ab, ob die Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann. b) Anleger aus Drittstaaten
Die Kapitalverkehrsfreiheit hat aber im Unterschied zu anderen Grundfreiheiten die Besonderheit, dass sie vorbehaltlich Art. 57 und 58 EG sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch im Verhältnis zu Drittstaaten gilt ("erga omnes"-Prinzip).150 Natürliche und juristische Personen aus Drittstaaten können sich dementsprechend genauso wie Staatsangehörige der Gemeinschaft und juristische Personen mit Sitz in der Gemeinschaft auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen. 4. Gleichstellung bei Kapitalbeteiligung Die Bedeutung der Gesellschafter für den Gemeinsamen Markt kommt auch durch die Vorschrift des Art. 294 EG zum Ausdruck. Die Beteiligung am Kapital der Gesellschaft ist einer der direktesten Wege der Verflechtung der Volkswirtschaften der Gemeinschaft. Wegen dieser herausragenden Bedeutung der Kapitalbeteiligung wollte der EG-Vertrag die Mitgliedstaaten, vor allem im Hinblick auf das noch nicht so stark entwickelte Konzept der 149 EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-503/99 (Kommission/Belgien), WM 2002, 1397 (1401 f., Rn. 49 ff.). 150 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Kiemel, Art. 73b EG Rn. 19; Lenz-Weber, Art. 56 EG Rn. 25; Schwarze-Glaesner, Art. 56 EG Rn. 17 f. Vgl. auch: EuGH, 14.12.1995 - verb. Rs. C-163/94, C-165/94, C-250/94 (Sanz de Lera), Sig. 1-4821 (4841 ff.) (Driulandssachverhalt); Kimms, Die Kapitalverkehrsfreiheit im Recht der Europäischen Union, S. 204 f.
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Grundfreiheiten, von Anfang an auf gewisse Gleichbehandlungsgrundsätze verpflichten. 151 Art. 294 EG stellt auf dem Gebiet des Europäischen Gesellschaftsrechts damit eine Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Art. 12 I EG dar. 152 Allerdings gilt Art. 294 EG nur "unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des Vertrages". Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG) erfassen aber schon umfassend die grenzüberschreitenden Kapitalbeteiligungen. 153 So fällt die Beteiligung des Unternehmer-Gesellschafters, also desjenigen, der wegen einer wesentlichen Beteiligung unternehmerischen Einfluss auf das Geschehen innerhalb der Gesellschaft ausüben kann, schon unter die Regelungen der Niederlassungsfreiheit. Soweit es sich um eine Beteiligung des Anleger-Gesellschafters handelt, der nicht vorrangig unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben will, sondern dem es vor allem auf die ertragsbringende Kapitalanlage ankommt, wird diese schon durch die Kapitalverkehrsfreiheit geschützt. Die Regelung des Art. 294 EG hat aufgrund ihres subsidiären Charakters also keine praktische Bedeutung mehr. 154 Der Schutz geht auch in Bezug auf die mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte des Gesellschafters nicht über Art. 43 und 56 EG hinaus, da auch diese im Rahmen der Grundfreiheiten geschützt werden. 5. Zusammenfassung Für die Stellung des Gesellschafters im Europäischen Gesellschaftsrecht sind die Grundfreiheiten von besonderer Bedeutung. Der Schutz des Aktionärs bezieht sich dabei in umfassender Weise auf seine Kapitalbeteiligung. Als Unternehmer-Gesellschafter wird er durch die Niederlassungsfreiheit bezüglich seines grenzüberschreitenden unternehmerischen Einflusses geschützt. Als Anleger-Gesellschafter schützt ihn die Kapitalverkehrsfreiheit bezüglich seiner grenzüberschreitenden Kapitalanlage. Sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch die Kapitalverkehrsfreiheit untersagen dabei in ihrer Funktion als Beschränkungsverbote jede unangemessene, nichtdiskriminierende Behinderung, mit denen sich nationale Vorschriften der Gründung und Leitung von Unternehmen oder der grenzüberschreitenden Kapitalanlage entgegenstellen. Überprüft wird allerdings nicht jede Beschränkung Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 221 EG Rn. 1. Schwarze-(Müller-Huschke), Art. 294 EG Rn. 1. 153 Vgl.: § 2 III. 2. und 3. 154 In der bisherigen Praxis der EG hatte Art. 294 EG auch lediglich eine klarstellende Funktion oder wurde zur Ergänzung anderer Regelungen mit angeführt. Vgl. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 221 EG Rn. 2; Schwarze-(MüllerHuschke), Art. 294 EG R. 2; GrabitzlHilJ-Schweitzer, Art. 221 Rn. 4. 151
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durch nationales Recht, sondern nur diejenigen, die den Zugang zum anderen mitgliedstaatlichen Markt betreffen. Unsicher ist, ob Regelungen im Bereich der Aktionärsrechte als Marktzutrittsschranken oder bloße Beschränkungsverbote einzuordnen sind. Im Einzelfall muss jede Vorschrift auf ihre Wirkung hin überprüft werden.
IV. Einfluss des EG-Sekundärrechts auf das nationale Gesellschaftsrecht 1. Rechtsangleichung durch Sekundärrecht
Einen erheblichen Einfluss auf das nationale Gesellschaftsrecht hat auch das Sekundärrecht, das von der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts erlassen wurde. Diese abgeleiteten, d. h. von den Gemeinschaftsorganen erlassenen Rechtsakte, sind gegenüber dem Primärrecht nachrangig. 155 Im Unterschied zu den Grundfreiheiten beschränkt sich ihre Wirkung aber nicht in der Deregulierung des nationalen Gesellschaftsrechts. Das Sekundärrecht regelt vielmehr bestimmte gesellschaftsrechtliche Probleme selbst, gibt dem nationalen Gesellschaftsrecht also in verschiedenen Bereichen positive Standards vor (Positiv-Integration). Dadurch erhält das Europäische Gesellschaftsrecht seinen spezifischen Charakter. Anders als durch Primärrecht, das für das Gesellschaftsrecht keine genauen Vorgaben enthält, sondern nur einen gewissen Rahmen vorgibt, werden durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht für bestimmte Bereiche teils detaillierte Vorgaben gemacht, die für ein bestimmtes Regelungsniveau sorgen. Als Instrument für die Durchsetzung dieser Standards dient im Bereich des Gesellschaftsrechts vorrangig die Rechtsangleichung. 156 Die Hindernisse, die sich aus den unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Vorschriften ergeben, werden mit Rücksicht auf die beschränkten Ziele der Gemeinschaft (Gemeinsamer Markt, Binnenmarkt) vorrangig durch harmonisierende Angleichung der nationalen Rechte (Art. 3 I lit. h EG) beseitigt. Die nationalen Gesellschaftsrechte bestehen also in weitem Umfang fort. Die Gemeinschaft gibt den Mitgliedstaaten das Regelungsziel vor, überlässt jedoch die Frage des Wie der Regelung den Mitgliedstaaten selbst. Dazu dient das Regelungsinstrument der EG-Richtlinie (Art. 249 III EG). Eine Gesamtkodifikation wird nicht angestrebt. Auch die Vereinheitlichung des nationalen Groeben/Thiesing/Ehlermann-Schmidt. Art. 189 EG Rn. 22. Der EG-Vertrag verwendet die Begriff Angleichung synonym mit den Begriffen Koordinierung und Harrnonisierung. Allerdings beschränkt er den Inhalt, nicht wie hier auf die Rechtsangleichung i. e. S., sondern erfasst, wie Art. 95 EG zeigt, auch die Schaffung von unmittelbar geltenden Recht durch Verordnungen. Vgl. Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 212. 155
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Rechts durch Rechtsakte, die, wie die EG-Verordnung (Art. 249 11 EG), unmittelbar anwendbar sind, tritt im Gesellschaftsrecht weitgehend in den Hintergrund. Zu den Besonderheiten der Rechtsangleichung gehört außerdem, dass sie nicht nur positive Standards setzt, sondern in bestimmten Situationen auch eine gewisse Schrankenwirkung entfalten kann. Die Vorgaben des sekundären Gemeinschaftsrechts, die erst in nationales Recht umgesetzt werden müssen, wirken sich auch als Grenze für die Rechtsetzung und Rechtsfortbildung der Mitgliedstaaten aus. So geben die Sekundärrechtsakte ein bestimmtes Mindestmaß an Regelung vor, an dem sich strengere nationale Regelungen gegebenenfalls messen lassen müssen. Insbesondere bei den geseIlschaftsrechtlichen Richtlinien lässt sich die Frage, ob ihre Regelungen für das nationale Gesellschaftsrecht Höchst- oder aber Mindeststandards darstellen, nicht pauschal beantworten. 157
2. Kompetenz der EG zur Setzung von Gesellschaffsrecht Nach Art. 5 I EG wird die Gemeinschaft nur "innerhalb der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele" tätig (Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung). Zur Rechtsetzung im Bereich des GeseIlschaftsrechts bedarf sie also einer entsprechenden Ermächtigung im EGVertrag. a) Rechtsangleichung nach Art. 44 Ilfit. g EG Zentrale Vorschrift der Rechtsangleichung ist Art. 44 11 lit. g EG, der Grundlage aller bisher verabschiedeten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien war. Er ermächtigt den Gemeinschaftsgesetzgeber, "soweit erforderlich die Schutzbestimmungen zu koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Absatz 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese gleichwertig zu gestalten". Trotz seiner Stellung im Kapitel Niederlassungsrecht vertreten die Gemeinschaftsorgane und ein Großteil der Literatur eine an den allgemeinen Vertragszielen orientierte Auslegung, so dass die Angleichungsmaßnahmen auch über das für die Aufhebung der Niederlassungsbeschränkungen erforderliche Maß hinausgehen können. 158 Hinzu kommt, dass nach dem Wort157 Vgl. zur Problematik der Zulässigkeit von strengerem nationalen Recht ausführlich: § 2 IV. 4. b) dd). 158 Vgl. Pipkorn, ZHR 136 (1972), 499 (511) m.w.N.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 194; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 20; Eyles, S. 133; Hopt, ZIP 1998, 96 (98); Schön, ZHR 160 (1996), 221 (225); Bärmann, Europäische Integration im Gesellschaftsrecht, S. 45 ff.; Kindler, ZHR 158
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laut der Rechtsgrundlage die Zielrichtung einer Angleichungsmaßnahme die Koordinierung der Schutzbestimmungen ist, die zum Schutz der Gesellschafter und Dritten dienen. Doch nimmt schon der Begriff Schutzbestimmungen keinen bestimmten Bereich von der Rechtsangleichung aus, weil fast alle Vorschriften des Gesellschaftsrechts einen Schutzzweck haben. 159 Zudem wird die Koordinierung nicht auf das eigentliche Gesellschaftsrecht beschränkt, da die Vorschrift diesen Begriff gar nicht enthält. 160 Schließlich wird auch der Begriff des Dritten weit ausgelegt und nicht auf die Gläubiger der Gesellschaft beschränkt. 161 Nach Ansicht der Gemeinschaftsorgane können damit auch solche Richtlinien erlassen werden, die den Zweck haben, die rechtlichen Rahmenbedingungen für Gesellschaften im Binnenmarkt generell anzunähern. 162 Insofern enthalten einige Vorschläge für Richtlinien, die auf Art. 44 11 lit. g EG gestützt wurden, beispielsweise auch Regelungen zur Beteiligung der Arbeitnehmer. 163 Für eine Angleichung im Bereich der Aktionärsrechte bietet Art. 44 11 lit. g EG nach der weiten Auslegung der Gemeinschaftsorgane damit jedenfalls eine umfassende Rechtsgrundlage. 164 Wie schon erwähnt, steht im Bereich des Gesellschaftsrechts die Rechtsangleichung im Vordergrund. Eine Ursache dafür ist auch darin zu sehen, (1994), 339 (352 ff.); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 10; ablehnend: Wymeersch, WP 2001-06, S. 14; Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573 (2583); Kötz, RabelsZ 50 (1986), 1 (10); Everling, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften, S. 41 ff., die nur Regelungen zur Beseitigung der Niederlassungsbeschränkungen für zulässig halten; vgl. dazu ausführlich: Behrens, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. III. Rn. 4-14; Buxbaum/Hopt, Legal Harmonization and the Business Enterprise, S. 204 ff.; Edwards, S. 3-9; Deckert/ LilienthaI, EWS 1999, 121 (123 f.). 159 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 196; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (225); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 20; Bärmann, Europäische Integration im Gesellschaftsrecht, 1970, S. 47 f.; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 54 EGV Rn. 27. Vgl. dazu: Deckert/Lilienthal, EWS 1999, 121 (123 0. 160 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 196; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 54 EGV Rn. 27; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 20. 161 EuGH, 4.12.1997 - Rs C-97/96 (Daihatsu), Slg. 1997, 1-6843 (6864 f, Rn. 18 ff); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 20; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 197. 162 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 21. 163 Vgl. insbesondere den Dritten geänderten Vorschlag einer fünften gesellschaftlichen Richtlinie vom 20.11.1991 über die Struktur der Aktiengesellschaft, ABl.EG 1991 C 321/9. 164 Kritisch zu einer solch weiten Interpretation gerade in Bezug auf interne Angelegenheiten der Gesellschaft, wie die interne Struktur oder auch das Verhältnis der Gesellschafter zur Unternehmensführung: Wymeersch, WP 2001-06, S. 14.
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dass Art. 44 11 lit. g EG als lex specialis gegenüber anderen Ermächtigungsnormen den Gemeinschaftsgesetzgeber nur zum Erlass von Richtlinien ermächtigt. 165
b) Rechtsvereinheitlichung nach Art. 95 EG Als weitere Rechtsgrundlage im Bereich des Gesellschaftsrechts dient Art. 95 EG. Er ermöglicht Angleichungsmaßnahmen, "welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben". Diese Ermächtigungsnorm ist zwar subsidiär gegenüber der Spezialregelung des Art. 44 11 lit. g EG. Ein Anwendungsbereich im Gesellschaftsrecht eröffnet sich aber für diese Generalklausel insoweit, als sie, im Unterschied zu Art. 44 11 lit. g EG, auch zum Erlass von Verordnungen ermächtigt. 166 Vor allem die Rechtsakte zur Schaffung von supranationalen europäischen Gesellschaftsformen, wie die Europäische Genossenschaft, der Europäische Verein und die Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft stützt die Kommission auf Art. 95 EG. 167 Diese Vorgehensweise ist jedoch nicht unumstritten, da die Norm nur zur "Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten" ermächtigt. 168 Die angesprochenen, unmittelbar geltenden Rechtsakte schaffen aber völlig neue Rechtsinstitute, deren Rechtspersönlichkeit gerade unabhängig von mitgliedstaatlichem Recht bestehen SOll.169 Die Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft wie auch die zugehörige Arbeitnehmerergänzungsrichtlinie stützte der Rat daher auf Art. 308 EG. 170 Genauso wurde auch die Verordnung 165 Vg1. beispielsweise den Wortlaut des Art. 95 EG: "soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist". 166 Nach der Protokollerklärung zu Art. 95 EG (Art. 100a a. F.) in der Einheitlichen Europäischen Akte (Bull.EG Bei1. 2/86, S. 24) der Richtlinie grundsätzlich der Vorrang gegenüber der Verordnung eingeräumt werden. Ähnliches wird aus Art. 5 III EG hergeleitet. Jedoch besteht für die Richtlinie bereits Art. 44 11 lit. g EG als Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung. Art. 95 EG kann deshalb im Gesellschaftsrecht nur für den Erlass von Verordnungen Bedeutung haben. 167 Vg1. Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut des Europäischen Vereins vom 6.7.1993, AB1.EG 1993 C 236/1; Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Genossenschaft vom 6.7.1993, AB1.EG 1993 C 236/17; Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft vom 6.7.1993, AB1.EG C 236/40. 168 Kritisch: Abeltshauser, AG 1990, 289 (291 ff.); Lutter, AG 1990, 413 (415); Neye, ZGR 2002, 377 (378); Pfister, S. 64 f.; Wahlers, AG 1990,448 (451 ff.; Müller-Graff, EuR 1989, 107 (129); Eyles, S. 141 f. 169 Vg1. Art. 2 des Statuts des Europäischen Vereins, Art. I VII des Statuts der Europäischen Genossenschaft, Art. 1 IV des Statuts der Europäischen Gegenseitigkeitsgesellschaft.
§ 2 Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts
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über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) auf Art. 308 EG gestützt. 171 Bedeutung hat Art. 95 EG aber als Rechtsgrundlage für das Europäische Kapitalmarktrecht erlangt. Zwar beinhalten die von der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts erlassenen Richtlinien nicht das Gesellschaftsrecht im traditionellen Sinne. Jedoch haben auch sie einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten vor allem der großen Kapitalgesellschaften, deren Aktien an öffentlichen Kapitalmärkten notiert sind. Die Gemeinschaft stützt die kapitalmarktrechtlichen Richtlinien deshalb regelmäßig auf Art. 4411 lit. g i. V.m. Art. 95 EG. 172 c) Andere Rechtsgrundlagen
Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung können Gemeinschaftsorgane nur im Rahmen der ihnen im Vertrag zugewiesenen Befugnisse handeln. Mit Art. 308 EG wurde eine Vorschrift geschaffen, die auch für Bereiche eine Regelungskompetenz schafft, in denen sich keine ausdrückliche Befugnis der Gemeinschaft findet, eine solche aber notwendig erscheint, um eines der Gemeinschaftsziele zu erreichen. 173 Art. 308 EG gilt deshalb nur subsidiär, also nur dann, wenn sich die Regelungskompetenz nicht bereits aus dem Vertrag ergibt. 174 Der Rat stützte die Verordnung zur Schaffung der Europäischen Aktiengesellschaft und die dazugehörige Ergänzungsrichtlinie aber auch nach Inkrafttreten des Art. 95 EG auf Art. 308 EG. 175 Im Bereich des Gesellschaftsrechts bietet Art. 293 EG eine weitere Möglichkeit der Regelung an. Er sieht den Erlass von Staatsverträgen für be170 Auch nach Auffassung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments hätte die Verordnung allerdings auf Art. 95 EG gestützt werden müssen. VgL zu diesem Konflikt: Neye, ZGR 2002, 377 ff.; Wiesner, GmbHR 2001, R 461; Thomal Leuering, NJW 2002, 1449; Lutter, BB 2002, I (3); Hirte, NZG 2002, I (2). 17l Vgl. die Verordnung (2137/85) des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABLEG 1985 L 199/1. Allerdings wurde Art. 95 EG erst nach Erlass der Verordnung durch die EEA in den EG-Vertrag eingeführt. 172 Heinze, S. 12; Wymeersch, WP 2001-06, S. 3. 173 Art. 308 EG wird deshalb auch als Kompetenzerweiterungs- oder Kompetenzergänzungsvorschrift bezeichnet. Geiger, Art. 308 EG Rn. 1; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 207. 174 Insofern wurde die Bedeutung des Art. 308 EG im Bereich des Gesellschaftsrechts nach Einführung des Art. 95 EG als gering angesehen. VgL Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 14; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 18. Auch die Kommission stützt ihre Vorschläge für Verordnungen zur Schaffung supranationaler Rechtsfonnen auf Art. 95 EG. 175 Vgl. zu dieser Diskussion die Nachw. in: Fn. 168.
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
stimmte Bereiche, wie die grenzüberschreitende Sitzverlegung und Fusion vor. 176 Die Vorhaben eines Übereinkommens zur Anerkennung von Gesellschaften vom 29.2.1968 und eines Übereinkommens über die grenzüberschreitende Fusion sind letztlich gescheitert. l77 Der Staatsvertrag hat sich nicht als geeignetes Harmonisierungsmittel für die Regelung dieser gesellschafts- und kollisionsrechtlichen Probleme erwiesen. Heute wird auch in dem von Art. 293 EG angesprochenen Bereich das Instrument der Richtlinie bevorzugt. 178 3. Harmonisierungskonzept der Gemeinschaft im Gesellschaftsrecht a) Anfängliche Zielsetzung
Die Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte wird, historisch betrachtet, als Gegenstück der Niederlassungsfreiheit bezeichnet. 179 Sie hat also entsprechend der Stellung des Art. 44 11 lit. g EG im Kapitel Niederlassungsrecht die Zielsetzung, die Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten. Art. 43 EG bietet verschiedene Arten der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Unternehmen. 180 Zu Beginn der Gesellschaftsrechtsangleichung wurde dabei vor allem die Gefahr gesehen, dass Gläubiger einer ausländischen Tochtergesellschaft schlechter stehen könnten, als die Gläubiger der Muttergesellschaft. 181 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hatte also nicht nur den Abbau von Niederlassungsschranken im Blick, sondern es ging ihm auch darum, die Rechtssicherheit im innergemeinschaftlichen Rechtsverkehr sicherzustellen. 182 Darüber hinaus wollte er in umfassender Weise die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen angleichen. 183 Geleitet wurde er da176 Die Übereinkommen nach Art. 293 EG stellen sog. begleitendes Gemeinschaftsrecht dar. 177 Lutter, S. 12; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 209. 178 Vgl. den Vorschlag einer zehnten Richtlinie des Rates nach Art. 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl.EG 1985 C 23/11; Vorentwurf für eine vierzehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgebenden Rechts vom 20.4.1997, KOM XV /6002/97. 179 Timmennans, RabelsZ 48 (1984), 1 (12); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 2; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 6; Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (269). ("quid pro quo") 180 Vgl. dazu: § 2 III. 2. a). 181 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 6; Wouters, 37 CMLR (2000), 257 (270). 182 Wouters, 37 CMLR (2000), 257 (270). Das Motiv spiegelt sich deutlichsten in der ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Publizitäts-Richtlinie) wider.
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bei von der Ansicht, dass die Unternehmen ihre Standortentscheidung vor allem nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht primär nach dem für sie vorteilhaftesten Schutzstandard für Gesellschafter oder Dritte treffen sollten. 184 Das Gesellschaftsrecht sollte kein Standortfaktor, sondern "standortneutral" ausgestaltet werden. 185 Diese Herangehensweise geht auch auf die Forderung einiger Gründerstaaten zurück, die das Recht auf freie Niederlassung ausländischer Unternehmen in ihrem Land nur hinnehmen wollten, wenn deren Gesellschaftsstatut insbesondere den Gläubigem einen dem eigenen Gesellschaftsrecht gleichwertigen Schutz bieten würde. 186 Gerade in Anbetracht des sehr liberalen niederländischen Gesellschaftsrechts mit einer traditionell großen Gestaltungsfreiheit sorgte man sich, dass die Ausübung der Niederlassungsfreiheit zu einem "Delaware-Effekt,,187 innerhalb Europas führen könnte, indem sich die Unternehmen in dem Land mit dem niedrigsten Schutzstandard niederlassen. 188 Historisch gesehen war diese Befürchtung das wichtigste Motiv für die Einführung des Art. 44 11 lit. g EG im Kapitel Niederlassungsfreiheit. 189 Das Wettbewerbsprinzip wurde vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht als sachgerechter Maßstab angesehen, vielmehr war es gerade Ziel der Europäischen Gemeinschaft, einen Wettbewerb der mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen zu verhindern. 19o Der EG-Vertrag strebt nach dieser Ansicht einen 183 Großfeld, AG 1987,261 (262); Lutter, EuR 1975,44 (48); Pipkorn, ZHR 136 (1972), 499 (511); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 6; Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (268 f.); Behrens, FS Mestmäcker, S. 831; Wymeersch, WP 2001-06, S. 1, 15. 184 Vgl. den ersten Vorschlag der Kommission für eine erste gesellschaftsrechtliche Richtlinie, Vorschlag vom 21.2.1964, BT-Drucks. IVI2014); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 7; Pipkorn, ZHR 136 (1972), 499 (511); Behrens, FS Mestmäcker, S. 831 (840). 185 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 7; Steding, NZG 2000, 913 (914). 186 Timmmermans, RabelsZ 48 (1984), 1 (13); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (269). 187 Vgl. dazu ausführlich: 4. Teil § 9 H. 3. 188 Timmermans, RabelsZ 48 (1984), 1 (13, 14); Schön, ZHR 160 (1996), 221 (224); Hopt, ZIP 1998,96 (98); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 15; Lutter, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (135); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (269); Timmerman, FS Lutter, S. 173 (181). 189 Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (269); Lutter, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (135). 190 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (547); Timmermans, RabelsZ 48 (1984), 1 (14); Blaurock, ZEuP 1998, 460 (462 f.); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 15; Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (207); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (281 ff.).
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Wettbewerb der Unternehmen, ihrer Standorte und Erzeugnisse ohne künstliche, durch das Recht bedingte Verfälschungen an. 191 Zu den Zielen der Rechtssetzung der Gemeinschaft im Gesellschaftsrecht gehörte außerdem von Anfang an die Schaffung supranationaler Gesellschaftsformen, wie der Europäischen Aktiengesellschaft (SE).I92 Der Gemeinschaftsgesetzgeber geht davon aus, dass für die Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft neben dem Abbau der Niederlassungsbeschränkungen auch eine gemeinschaftsweite Reorganisation der Produktionsfaktoren notwendig ist. 193 Um die Schwierigkeiten, die bei der Umstrukturierung und Kooperation von Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten auftreten, zu beseitigen, reicht es nicht aus, die nationalen Rechte anzugleichen. Vielmehr soll den Gesellschaften eine Gesellschaftsform zur Verfügung gestellt werden, die sowohl die Gründung als auch die Leitung von Gesellschaften europäischen Zuschnitts ermöglicht und somit europaweit agierenden Unternehmen, die verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen, die Wahl einer bestimmten nationalen Rechtsform erspart. 194 Diese anfänglichen Zielsetzungen spielten auch für die Auslegung der Kompetenznormen, insbesondere für Art. 44 11 lit. g EG, eine Rolle. Hier vertraten die Gemeinschaftsorgane eine weite Interpretation. 195 Es wurde davon ausgegangen, dass der Schutz der Gesellschafter und Dritter und die Gewährleistung der unternehmerischen Handlungsfreiheit komplementäre Funktionen im nationalen wie im europäischen Gesellschaftsrecht sind. 196 Diese Betrachtungsweise ließ den Schluss zu, das gesamte nationale Gesellschaftsrecht als Schutzbestimmung i. S. v. Art. 44 11 lit. g EG zu betrachten. 197
191 Mestmäcker, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 53 (62). 192 Vgl. die Verordnung (2157/2001) des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl.EG 2001 L 294/1. Die Europäische Aktiengesellschaft war das erste Vorhaben im Bereich des Europäischen Gesellschaftsrechts. Vgl. zur Geschichte des Statuts für eine Europäischen Aktiengesellschaft (SE-Statut): 2. Teil § 5 11. 1. a). 193 Präambel, Erwägungsgrund 1 SE-Statut. 194 Präambel, Erwägungsgrund 3 und 7 SE-Statut. 195 Vgl. zur Auslegung des Art. 44 11 lit g EG: § 2 IV. 2. a). 196 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (225); Bärmann, Europäische Integration im GeseIlschaftsrecht, 1970, S. 46 ff.; Pipkorn, ZHR 136 (1972), 499 (513). 197 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (225); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (268).
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b) Inhaltliche Bereiche der Rechtsangleichung aa) Kapitalgesellschaft als Rechtsform Bis heute konnten im Gesellschaftsrecht neun Richtlinien und zwei Verordnungen verabschiedet werden. Diese hatten teilweise erheblichen Einfluss auf die nationalen Gesellschaftsrechte. Im Gegensatz zum Anwendungsbereich des Art. 48 EG, auf den sich alle Gesellschaften mit Erwerbszweck berufen können,198 konzentriert sich die Rechtssetzungstätigkeit der Gemeinschaft auf Kapitalgesellschaften, insbesondere auf die Aktiengesellschaften und die ihr vergleichbaren Gesellschaftsformen. 199 Nach den Erwägungsgründen des Gemeinschaftsgesetzgebers spricht für eine Begrenzung der zu harmonisierenden Gesellschaftsformen auf die Kapitalgesellschaften, dass die Tätigkeit dieser Gesellschaften häufig über die Grenze der Mitgliedstaaten hinausreicht. 20o Den Grund für die Konzentration auf die Aktiengesellschaft und die ihr vergleichbaren Gesellschaftsformen sehen die Gemeinschaftsorgane darin, dass die Aktiengesellschaft in der Wirtschaft der Mitgliedstaaten vorherrsche und ihre grenzüberschreitende Tätigkeit eine erhebliche Bedeutung erlangt hat. 201 In Anbetracht der unterschiedlichen Verbreitung der Gesellschaftsformen der Aktiengesellschaft und der GmbH in den Mitgliedstaaten ist diese Konzeption aber vielfach kritisiert worden?02 Es mache oft keinen Sinn, Kapitalgesellschaften ihrer Rechtsform nach unterschiedlich zu behandeln, vielmehr 198 Vgl.: Eyles, S. 82; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 148; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Troberg, Art. 58 EGV Rn. 2; Schwarze-(Müller-Huschke), Art. 48 EG Rn. 3; Schnichels, S. 53; Kruse, S. 60 f. 199 Die Kommission verfolgt dabei eine enumerative Regelungstechnik, es werden also keine Allgemeinbegriffe, wie etwa Kapitalgesellschaften, verwendet, sondern die zu harmonisierenden Rechtsformen werden konkret benannt. Vgl.: die zweite, dritte und sechste gesellschaftsrechtliche Richtlinie und die Verordnung für das Statut einer Europäischen Aktiengesellschaft, sowie die Vorschläge für eine fünfte, neunte, zehnte und dreizehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie, die ausschließlich die Aktiengesellschaft betreffen. Die GmbH wird auch von der ersten, vierten, siebten, achten, elften und zwölften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie erfasst. 200 Vgl.: erste und zweite gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, Präambel, 1. Erwägungsgrund. Vgl. dazu auch: Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 14, 293, mit dem Argument, dass diese Gesellschaften, im Unterschied zu den Personengesellschaften, weniger nationale Differenzen aufweisen und sich daher auch leichter harmonisieren lassen. 201 Vgl.: Präambel, Erwägungsgrund 1 der zweiten, Erwägungsgrund 3 der fünften, Erwägungsgrund 1 der neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie. 202 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 50. Vgl. zur unterschiedlichen Verbreitung: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 15, 530 ff.; Wymeersch, in: HoptiKanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Corparative Corporate
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komme es auf die Unterschiede nach Größe und wirtschaftlicher Bedeutung an. 203 Im Hinblick auf die Möglichkeiten für Unternehmen, die sich aus der "Centros"-Entscheidung des Gerichtshofs ergeben, gibt es sogar Vorschläge, den Anwendungsbereich der zweiten gesellschaftsrechtliche Richtlinie, die nur auf Aktiengesellschaften anwendbar ist, auch auf die GmbH und die ihr vergleichbaren Gesellschaftsformen auszuweiten. 204 bb) Außenverhältnis der Gesellschaft Für die Aktiengesellschaft entwickelte die Kommission im Laufe der Jahre ein Konzept, das fast alle wichtigen Regelungsprobleme von der Gründung bis zur Liquidation enthielt. 205 Allerdings konnten nicht alle geplanten Vorhaben verwirklicht werden. Der überwiegende Teil der lex lata des Europäischen Gesellschaftsrechts betrifft daher primär das Außen verhältnis der Gesellschaft, d.h. das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten?06 Das Ziel der ersten bei den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien wird vor allem darin gesehen, die Gesellschaft für den jeweiligen Geschäftspartner und Gläubiger verlässlich erscheinen zu lassen. 207 Die handelsrechtliche Publizität der Gesellschaft, die unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht der Vertretungsorgane der Gesellschaft und die Regelung der Nichtigkeit einer Gesellschaft sind die zentralen Punkte der ersten gesellGovernance - The State of the Art and Emerging Research, S. 1045 (1049); ders., WP 2001-06, S. 5. 203 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 50; Hopt, ZIP 1988, 96 (103); Wymeersch, WP 2001-06, S. 6 ff. In einigen Mitgliedstaaten dehnt der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes auch auf andere Rechtsformen (Frankreich) aus. Andere Mitgliedstaaten, die nur eine Rechtsform der Kapitalgesellschaft kannten, führten dagegen die Rechtsform der GmbH erst ein (Niederlande, Dänemark). Und auch in Großbritannien führte die Umsetzung der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zu einer stärkeren Differenzierung zwischen "public" und "private companies". Vgl. dazu auch: Lutter, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 49 (53) (Dänemark, Niederlande, Dänemark), (55) (Großbritannien). 204 Lutter, ZGR 2000, 1 (7, 9 f.); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 25; ablehnend: Wymeersch, WP 2001-06, S. 6; Grundmann, FS Lutter, S. 61 (81) 205 Vgl.: Zwölfte Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (89/667/EWG), ABI.EG 1989 L 395/40, die die Gründung von Einpersonen-Gesellschaften ohne persönliche Haftung des Gesellschafters europaweit sicherstellen und damit die Gründung von kleineren und mittleren Unternehmen fördern will. 206 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (70 ff.); Wymeersch, WP 2001-06, S. 15 f. 207 Lutter, ZGR 2000, 1 (3); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (123 ff.).
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schaftsrechtlichen Richtlinie (Publizitäts-Richtlinie)?08 Mit der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Kapital-Richtlinie) wurde, beschränkt auf die Aktiengesellschaft, das System des festen Kapitals und die damit verbundenen Grundsätze der realen Kapitalaufbringung und realen Kapitalerhaltung europaweit eingeführt?09 Das Außen verhältnis der Gesellschaft betreffen aber auch die Bilanzrichtlinien, die vierte, siebte und achte gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Bilanz-Richtlinien), die im Interesse der Anleger und Gläubiger die Rechnungslegung, Prüfung und Publizität von Jahresabschlüssen und Konzemabschlüssen regeln?1O Demgegenüber ist das Innenverhältnis, d.h. das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftsorganen nur in wenigen Punkten harmonisiert. Hier sind allein die dritte und sechste gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Verschmelzungs- und Spaltungs-Richtlinie) zur nationalen Fusion und Spaltung verabschiedet. 211 Auch die Kapital-Richtlinie enthält nur wenige, das Verhältnis der Gesellschaftsorgane zueinander betreffende Regelungen.
208 Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 II des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl.EG 1968 L 65/8. Die Publizität der Zweigniederlassungen ist demgegenüber in der Elfte Richtlinie 89/ 666/EWG de Rates über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden. die dem Recht eines anderen Staates unterliegen; ABl.EG 1989 L 395/36 geregelt. 209 Zweite Richtlinie des Rates 77/911EWG vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG 1976 L 26/1. 210 Vierte Richtlinie des Rates vom 25.7.1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (78/660/EWG), ABl.EG L 1978, 222/11; Siebente Richtlinie des Rates vom 13.6.1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (83/349/EWG), ABl.EG L 1983 193/1; Achte Richtlinie des Rates vom 10.4.1984 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über die Zulassung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen (84/253/EWG), ABl.EG L 1984 126/20. 211 Dritte Richtlinie des Rates 78/855/EWG vom 9.10.1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABl.EG 1978 L 295/36; Sechste Richtlinie des Rates 82/891/EWG vom 17.12.1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften, ABl.EG 1982 L 378/47.
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
cc) Kapitalmarktrecht Für das Harmonisierungskonzept der Gemeinschaft im Bereich des GeseIlschaftsrecht sind auch die Rechtsakte auf dem Gebiet des Europäischen Kapitalmarktrechts relevant. 212 Die zahlreichen Richtlinien zum Primär- 213 und Sekundärmarkt214 enthalten auch verschiedene Vorgaben für Kapitalgesellschaften, deren Wertpapiere an amtlichen Wertpapierbörsen und anderen geregelten Märkten notiert sind bzw. öffentlich angeboten werden. 215 Vorrangig sind dies verschiedene Publizitäts- und Informationspflichten über das gehandelte Anlageinstrument. 216 Ziel der Rechtsakte im Europäischen Kapitalmarktrecht ist dabei, neben dem allgemeinen Funktionsschutz des Marktes, auch für einen Schutz des individuellen Kapitalanlegers als eine "außerhalb" der Gesellschaft stehende Person zu sorgen?17 Auch das Europäische Kapitalmarktrecht betrifft daher, wie die bisher erlassenen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien, primär das Außen verhältnis der Gesellschaft. 2I 8 c) Nicht realisierte Angleichungsvorhaben
aa) Probleme des Harmonisierungskonzepts Den schon verabschiedeten Rechtsangleichungsmaßnahmen stehen allerdings auch Harmonisierungsprojekte gegenüber, bei denen schon über einen langen Zeitraum keine Einigung erzielt werden konnte. Dies ist zum einen Vgl. zur Abgrenzung zum Europäischen Gesellschaftsrecht: § 211. Vgl. die Richtlinie über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen vom 28.5.2001, ABl.EG L 184/1, welche nun die konsolidierten Börsenrichtlinien der Jahre 1979 bis 1994 zusammenfasst; vgl. dazu Mülbert, WM 2001, 2085 (2086); Wertpapierverkaufsprospektrichtlinie (89/298/EWG), ABl.EG 1989 L 124/8. Vgl. ausführlich: Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 75 ff., 139 ff., 207 ff., 450 ff., 528 ff.; Heinze, S. 30 ff., 35 ff. 214 Beispielsweise die Insider-Richtlinie: Richtlinie des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte (89/592/EWG), ABl.EG 1989 L 334/30 und die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie: Richtlinie des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (93/22/EWG), ABl.EG 1993 L 141/27. 215 Insbesondere durch die Wertpapierverkaufsprospektrichtlinie hat der Gemeinschaftsgesetzgeber seine Transparenzpolitik auf den gesamten öffentlich zugänglichen Kapitalmarkt erstreckt. Vgl. Heinze, S. 188. 216 Vgl. dazu ausführlich: Heinze, S. 92 ff. 217 Lutter, ZGR 2000, 1 (6); Heinze, S. 9; Schön, ZGR 2000, 706 (710 ff.); Hommelhoff, ZGR 2000, 748 (749 f.); Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 307 (317 f.). 218 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (70 ff. insb. 74). 212 213
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die fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Struktur-Richtlinie), das zentrale Angleichungsvorhaben im Bereich des Innenverhältnisses der Gesellschaft. 219 Sie betrifft die Organisationsverfassung, also Regelungen zu den Organen und der Organzuständigkeiten in der Aktiengesellschaft. 22o Auch der Entwurf einer neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Verbindung zwischen den Unternehmen, insbesondere Konzernen (Konzern-Richtlinie), sowie die zehnte und vierzehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie, die die grenzüberschreitende Sitzverlegung und Fusion betreffen (lnt. Verschmelzungs- und Sitzverlegungs-Richtlinie), wurden noch nicht verabschiedet. 221 Die Verabschiedung der dreizehnten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Regelung von Übernahmeangeboten (Übernahme-Richtlinie) scheiterte im Juli 2001 im Europäischen Parlament. 222 Die Gründe dafür sind auch in dem bis dahin verfolgten Harmonisierungskonzept der Gemeinschaft zu suchen. Aufgrund des umfassenden Rechtsangleichungskonzepts war es schon unter den ursprünglichen Mitgliedstaaten schwierig gewesen, einen Konsens über die zu erlassenden Rechtsakte zu erzielen. 223 Durch den Beitritt weiterer Staaten musste zudem auf andere Rechtstraditionen und gesellschaftsrechtliche Konzepte Rücksicht genommen werden. So waren die Regelungen der ersten und zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie aus deutscher Sicht zum großen Teil eine Bestätigung des bisherigen Regelungskonzeptes. 224 Dagegen mussten Mitgliedstaaten, wie Großbritannien und Irland, im 219 Dritte Änderung des Vorschlag für eine fünfte Richtlinie des Rates nach Artikel 54 Absatz 3 des Vertrages über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe vom 20.11.1991, ABl.EG 1991 C 321/9. 220 Vgl. ausführlich: 2. Teil § 5. 221 Entwurf einer neunten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie auf der Grundlage von Art. 54 Absatz 3 des Vertrages über die Verbindung zwischen Unternehmen, insbesondere über Konzerne, abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 244 ff Vgl. Nachweise zur 10. und 14. Richtlinie: Fn. 178. 222 Vgl. nun aber den Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates betreffend Übernahmeangebote, von der Kommission vorgelegt am 2.10.2002, KOM (2002) 534 endg. Vgl. zum abgelehnten Vorschlag: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues related to Take Over Bids, 10 January 2002, Annex 6, S. 80 ff bzw. Neye, ZIP 2001, 1120 (1123 fO; HommelhofflWitt, RIW 2001, 561 ff; Pluskat, WM 2001,1937 ff. 223 Schwartz, FS von der Groeben, S. 336 (338); Hopt, ZGR 1992, 265 (270 ff); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 37; Wouters, CMLR 37 (2000), 257
(271).
224 Umstritten war allerdings auch im deutschen Schrifttum lange Zeit die Regelung der Rechnungslegungspublizität auch für GmbH's in der ersten Richtlinie. Vgl. dazu: Skaupy, AG 1966, 13 (15 f); Ficker, NJW 1967, 1160 (1161); Lutter, EuR 1969, 1 (5 0.
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Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinien ein festes Mindestkapital der Aktiengesellschaft erst einführen und zudem die "ultra-vires"-Lehre aufgeben. 225 Als Hindernis für fast alle bislang nicht verwirklichten Rechtsakte stellte sich die Frage der Mitbestimmung, d.h. der Beteiligung der Arbeitnehmer an der Willensbildung der Gesellschaft heraus?26 Die Angleichung der Mitbestimmungsregeln, aber auch genereller Fragen der internen Willensbildung, wie sie durch die fünfte, neunte, zehnte und vierzehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie zumindest in Teilaspekten vorgenommen werden sollte, war ein Grund dafür, dass diese Projekte nicht realisiert werden konnten. Hier war wegen der unterschiedlichen Konzepte eine Einigung viel schwieriger zu erzielen als bei den Regelungen des Außenverhältnisses der Gesellschaft. Beispielhaft ist der Streit über die Einführung der zweigliedrigen Unternehmens führung, der auch eng mit der Mitbestimmungsfrage verknüpft ist oder der erst kürzlich geführte der Streit über die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen bei Übernahmeangeboten?27 Hindernisse ergaben sich aber auch aufgrund der konkreten Ausgestaltung der Rechtsakte. Ausgehend von der anfänglichen Zielsetzung der Rechtsangleichung im Gesellschaftsrecht und der damit verbundenen weiten Auslegung der Ermächtigungsnorm durch die Gemeinschaftsorgane sollte eine Angleichung auf dem Niveau der detailliertesten, formalistischsten und anspruchsvollsten Rechtsordnung vorgenommen werden. 228 Als Beispiel, das gerade das Innenverhältnis der Gesellschaft betrifft, lässt sich der ursprüngliche Vorschlag für eine fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie (Struktur-Richtlinie) anführen. 229 Der erste Entwurf war so konzipiert, dass er ein nahezu vollständiges Aktiengesetz eingeführt hätte, welches dem ei225 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 52; Davies, in: Gower's Principles of Modem Company Law, S. 207; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EUHandbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 131. 226 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 55, 72 f.; Hopt, ZIP 1998, 96 (99 ff.); Lutter, ZGR 2000, 1 (17); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (133). 227 Vgl. zu dieser Diskussion: Merkt, ZHR 165 (2001), 224 ff.; Pluskat, WM 2001, 1937 (1938); Grunewald, AG 2001, 288 (289 f.); Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258 ff.; MülbertlBirke, WM 2001, 705 ff.; Kirchner, WM 2000, 1821 ff. Die Einwände vor allem der deutschen Vertreter richteten sich letztlich gegen die als unzureichend betrachteten Möglichkeiten der Zielgesellschaft, sich gegen feindliche Übernahmen zu wehren. Dagegen wurde in den ersten Stellungnahmen zum Richtlinienvorschlag von 1989 vor allem das Pflichtangebot diskutiert. Vgl. Grunewald, WM 1989, 1233 (1236, 1239); HommelhofflKleindiek, AG 1990, 106 (108 ff.); Mertens, AG 1990, 252 (256 ff.); gegen ein solches Pflichtangebot auch heute noch: Altrneppen, ZIP 2001, 1073 (1082 f.). 228 Boucourechliev, RIW 1999, 1 (2). 229 Vorschlag für eine fünfte Richtlinie des Rates nach Artikel 54 Absatz 3 des Vertrages über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe vom 9.10.1972, ABl.EG 1972 C 131/49.
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nes nationalen Gesetzes (insbesondere dem des deutschen)23o sehr ähnlich gewesen wäre. Er enthielt sehr viele detaillierte und zwingende Bestimmungen, die weder den mitgliedstaatlichen Gesetzgebern noch den Gesellschaften in der Satzung Spielräume ließ. 231 Genauso waren die ersten Entwürfe einer Verordnung für ein Statut einer Europäischen Aktiengesellschaft sehr detailliert und an den gesellschafts- und unternehmensrechtlichen Konzeptionen einzelner Mitgliedstaaten ausgerichtet, wobei hier allerdings über eine Angleichung der Gesellschaftsrechte hinaus eine neue supranationale Gesellschaftsform geschaffen werden sollte. Die Harmonisierungsbestrebungen kamen Anfang der achtziger Jahre fast gänzlich zum Stillstand?32 bb) Das Konzept der Minimumharmonisierung Mit dem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarkts 233 von 1985 gelang der Kommission eine Veränderung ihres Harmonisierungskonzepts. Die neue Konzeption beinhaltete eine Abkehr von der Rechtsgleichheit und der Zuwendung zur Gleichwertigkeit und gegenseitigen Anerkennung nationaler Vorschriften. 234 Harmonisiert werden sollte danach nur noch das für unabdingbar erachtete Minimum, also die wichtigsten Eckpunkte, wobei die Mitgliedstaaten den Rest ihrer nationalen Regelungen gegenseitig anerkennen sollten (Minimumharmonisierung).235 Damit wurde das anfängliche Konzept, Rechtsgebiete vollständig durchzuharmonisieren, zugunsten eines Harmonisierungsansatzes verworfen, der allein den unverzichtbaren Mindestbestand erfasst. 236 Dieser Ansatz zeigte sich beispielsweise beim geänderten Vorschlag der Kommission für das Statut einer Europäischen Aktiengesellschaft von 1991, bei dem auf eine umfassende Kodifikation verzichtet wurde. 237 Auch der 1997 vorgelegte dritte geänderte Vorschlag der Über230 Chmielewicz, in: Chmielewicz/Forster (Hrsg.), Unternehmensverfassung und Rechnungslegung in der EG, ZfbF 1991, Sonderheft 29/91, S. 15 (18); Hopt, ZGR 1992, 265 (272 0; ders., 1 International and Comparative Corporate Law Journal 1999, 43 (45); Bovis, Business Law in the European Union, S. 22 (für die SE). 231 Boucourechliev, RIW 1999, 1 (2). 232 Hopt, ZIP 1998, 96 (97); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 39; Boucourechliev, RIW 1999, 1 (2); Behrens, FS Mestmäcker, S. 831 (832). 233 Kommission, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, KOM (85) 310 eng., Rn. 133 ff. 234 Hopt, ZIP 1998, 96 (97); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 38; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (222); Eyles, S. 23; Hayder, RabelsZ 53 (1989), 622 (6320; Bruha, ZaöRV 46 (1986), 1 ff.; Slot, Harmonisation, 21 EL Rev. (1996), 378 (389 ff.). 235 Ausführlich dazu: Dougan, CMLR 37 (2000), 853 ff. 236 Vgl.: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 18 ff.
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nahmerichtlinie war nochmals stärker vereinfacht und als bloße Rahmenrichtlinie konzipiert. 238 Konzeptionell stützt sich der veränderte Ansatz der Rechtsangleichung auf die schon angesprochene Rechtsprechung des EuGH, die bei Mindestvergleichbarkeit nationaler Regeln die Berufung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses untersagt. 239 Ziel der Rechtsangleichung ist es, die Voraussetzungen für einen Binnenmarkt zu schaffen. Die Entwicklung der Grundfreiheiten von einem Diskriminierungsverbot zum Beschränkungsverbot und die stärkere Betonung des Herkunftslandprinzips führten jedoch zu einer primärrechtlich erzwungenen Öffnung der Märkte, die nicht mehr ausschließlich von einer vorhergehenden sekundärrechtlichen Angleichung abhängt. 24o Eine Harrnonisierung ist also nur noch in dem Bereich notwendig, in dem sich die Mitgliedstaaten trotz der Pflicht der gegenseitigen Anerkennung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses berufen können. 241 Neben dieser Entwicklung eröffnete die Einführung des Art. 95 EG durch die Einheitliche Europäische Akte von 1986 über die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen einen größeren Spielraum für weitere Harrnonisierungsbestrebungen. 242 Abgesehen von den Fortschritten im Bereich des Kapitalmarktrechts 243 und der elften und zwölften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 244 sind trotz des Strategiewechsels und des größeren Spielraums bis heute keine wesentlichen Erfolge zu konstatieren. Das Subsidiaritätsprinzip, das durch den Maastrichter Vertrag 245 eingeführt wurde, sorgte zudem für eine zusätzliche 237 Wehlau, CMLR 29 (1992), 473 (478); Hauschka, ZRP 1990, 179 (182), dem dieser Ansatz aber noch nicht weit genug geht. 238 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 26; Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (482); kritisch: Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (380 f.). 239 Vgl. ausführlich: § 2 III. 1. 240 Mestmäcker, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 53 (59). Vgl. zur Konzeption der Grundfreiheiten und insbesondere zum Herkunftslandprinzip: § 2 III. 1. b) cc). 241 Umgekehrt können Beschränkungen der Mitgliedstaaten in dem schon sekundärrechtlich harmonisierten Bereich nicht mehr durch die Berufung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses primärrechtlich gerechtfertigt werden. Vgl.: Grundmann, RabelsZ 64 (2000), 457 (473); a.A. Roth, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.), Europäisches Kaufgewährleistungsrecht, S. 113 (126); ders., ZEuP 1994, 5 (32 f.). 242 Hopt, ZIP 1998, 96 (97); ausführlich dazu: Hayder, RabelsZ 53 (1989), 622 (654 ff). 243 Vgl. dazu: § 2 IV. 3. b) cc). 244 Vgl. Nachweise in: Fn. 205 und 208. 245 Vertrag über die Europäische Union, unterzeichnet zu Maastricht am 07. Februar 1992, ABl.EG 1992 C 19111; in Kraft seit dem 01.11.1993.
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Diskussion über den Nutzen der Gesellschaftsrechtsangleichung?46 Von einer Konzeptions- oder Legitimationskrise und zuletzt von einem "Torso" war die Rede. 247 d) Neue Anstrengungen im Gesellschaftsrecht
Trotz der Schwierigkeiten bemühte sich die EG-Kommission um neue Anläufe und Konzepte. Diese reichen von weiteren Harmonisierungsanstrengungen bis zu Deregulierungsvorhaben. Für den Bereich des Innenrechts der Gesellschaft, genauer der Organisationsstruktur von Aktiengesellschaften, hatte die Kommission 1995 bei der internationalen Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "Ernst & Young" eine Studie in Auftrag gegeben. 248 Diese Studie und die daraufhin durchgeführte Fragebogenaktion führte aber zu keinem wesentlichen Ergebnis. 249 Erfolgreicher waren die Anstrengungen der Gemeinschaft bei der Verordnung für das Statut einer Europäischen Aktiengesellschaft. 25o Hier erzielte der EU-Ministerrat am 20.12.2000 eine politische Einigung. Eine endgültige Verabschiedung der Verordnung und der zugehörigen Richtlinie erfolgte am 8. Oktober 2001. Das Inkrafttreten der Regelungen ist für 2004 vorgesehen. 251 Insbesondere die Vorarbeiten der Sachverständigenkommission zur Arbeitnehmermitbestimmung ("Davignon-Gruppe") führten hier nach längerer Diskussion zu einer flexiblen und damit letztlich für alle Mitgliedstaaten akzeptablen Lösung für die besonders umstrittene Mitbestimmungsfrage, die frühere Einigungsversuche scheitern ließ. 252 Deckert, RabelsZ 64 (2000), 479 (480). Vgl. dazu ausführlich: 4. Teil § 9 I. 3. Hopt, ZIP 1998, 96 (97); Deckert, OStR 1997, 874 (879); Behrens, FS Mestmäcker, 831 (833 ff.); ders., EuZW 1996, 193; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 26; zuletzt: Lutter, ZGR 2000, 1 (8); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (275). 248 Abschlussbericht: Ernst & Young, La simplification de la reglementation sur le fonctionnement des societes anonymes dans I'Union europeenne, Rapport detinitif (Dezember 1995); Deckert, RabelsZ (64) 2000, 478 (480); Hopt, ZIP 1998, 96 (101). 249 Hopt, ZIP 1998,96 (102); Deckert, RabelsZ (64) 2000, 478 (480). 250 Verordnung (215712001) des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl.EG 2001 L 29411. Vgl. dazu: Klapdor, EuZW 2001, 677; Lutter, BB 2002, 1; Hopt, EuZW 2002, Editiorial Heft 1; Hirte, NZG 2002, 1 ff. Zur Entwicklung und Regelungskonzept des SE-Statuts: 2. Teil § 5 11. 1. a). 251 Art. 70 SE-Statut. 252 Jahn/Heifs-Röttgen, OB 2001, 631; Hommelhoff, AG 2001, 279; Schulz/ Geismar, OStR 2001, 1078; ausführlich: Pluskat, OStR 2001, 1483; zweifelnd noch: Wiesner, ZIP 2000, 1792 (1798). 246
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Fragen der Unternehmensstruktur sind auch Teil des "Aktionsplans für Finanzdienstleistungen" der Kommission vom 11. Mai 1999. 253 Zudem wurde auch im Sommer 2000 eine Studie zur Ermittlung der rechtlichen und administrativen Hemmnisse sowie daraus resultierender Unterschiede bei der Regelung zur Unternehmensverfassung vergeben?54 Mit der Regelung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene befasste sich des Weiteren die Expertengruppe, die von der Kommission für die Ausarbeitung eines neuen Richtlinienvorschlags für die Abwicklung von Übernahmeangeboten eingerichtet wurde. 255 Im Moment untersucht diese Gruppe die obersten Prioritäten für die Modernisierung des Gesellschaftsrechts in der Europäischen Union, wobei auch die Möglichkeit für die Einrichtung eines "level playing field" für Aktionärsrechte in Betracht gezogen wird. 256 Einen anderen Weg bestritt die Kommission mit ihrer 1996 begonnenen sog. SLIM-Initiative (Simpler Legislation for the Internal Market), die seit 1998 auch das Gesellschaftsrecht umfasst. 257 Wie der Name der Initiative schon andeutet, geht es dabei um eine Überprüfung und Deregulierung von schon bestehenden Rechtsvorschriften. Die erarbeiteten Vorschläge betreffen vor allem die erste und zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie und reichen von der Einführung eines elektronischen Systems der Unternehmenspublizität bis zu Erleichterungen beim Erwerb von eigenen Aktien und Einschränkungen für das Bezugsrecht. 258 Diese Vorschläge passen zur allgemeinen Tendenz, die erreichte Regelungsdichte auf nationaler, aber auch europäischer Ebene kritisch zu betrachten?59 Zugleich bieten solche Initia253 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, Mitteilung vom 11. 5. 1999, KOM (1999) 232 endg., S. 14. 254 Wiesner, ZIP 2000, 1792 (1794). 255 Vgl. dazu: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues related to Take Over Bids v. 10. Januar 2002. Vgl. dazu auch: Pluskat, WM 2001, 1937 (1938 f.). 256 Vgl. auch das Konsultationsdokument der High Level Group of Experts on Corporate Law (HLG), v. 25. April 2002, abrutbar unter: http://europa.eu.intl commlinternal_marketlcompany/company/modern/consult. Die Stellungsnahme namhafter Vertreter der deutschen Lehre ist abgedruckt in: ZIP 2002, 1310 ff. 257 Vgl. dazu: Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament v. 28.2.2000, KOM (2000) 104 endg.; Wiesner, ZIP 2000, 1792 (1793); Wymeersch, FS Lutter, S. 213; ders., 1 International and Comparative Corporate Law Journal (2000), 331 (332-335); Wymeersch, WP 2000-09, S. 1 ff.; Drygala, AG 2001, 291 ff.; Kallmeyer, AG 2001, 406 ff. 258 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ergebnisse der vierten Phase der SLIM-Initative vom 4.2.2000, KOM (2000) 56 endg., S. 13 ff.; Drygala, AG 2001, 291 (292 ff.); Wymeersch, 1 International and Comparative Corporate Law Journal (2000), 331 (332-335); Wymeersch, WP 2000-09, S. 1 ff.; Kallmeyer, AG 2001, 406 (407 ff.). 259 Vgl. dazu ausführlich: 4. Teil § 9.
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tiven auch die Möglichkeit, das einmal angeglichene nationale Recht an notwendige Entwicklungen anzupassen, die durch die Entwicklung neuer Kommunikationstechnik und durch den Einfluss der Kapitalmärkte auf die Untemehmensfinanzierung notwendig werden. 4. Regelungsinstrumente Die Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts erfolgt, wie schon erörtert, vorrangig durch EG-Richtlinien. Die Bedeutung der EGVerordnung ist dagegen, wie im übrigen Europäischen Privatrecht, ungleich geringer. Sie dient im Europäischen Gesellschaftsrecht nur der Schaffung supranationaler Gesellschaftsformen. a) Rechtsnatur der Sekundärrechtsakte
aa) Verordnungen Nach Art. 249 11 EG hat die Verordnung allgemeine Geltung, ist in all ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Verordnung kann daher als "europäisches Gesetz" bezeichnet werden. 260 Zum einen schafft sie wegen ihrer allgemeine Geltung eine Regelung, die Rechtswirkungen gegenüber einem allgemein und abstrakt umrissenen Personenkreis hat, wodurch sie sich auch von der individuell geltenden Entscheidung (Art. 249 IV EG) unterscheidet. 261 Zum anderen besitzt die Verordnung Gesamtverbindlichkeit und ist unmittelbar anwendbar. Sie ist also, im Unterschied zur Richtlinie, nicht nur hinsichtlich ihrer Zielvorgaben verbindlich, und es bedarf außerdem grundsätzlich keines zusätzlichen Transformationsaktes des nationalen Gesetzgebers?62 Damit kann sich der einzelne direkt auf die Verordnungs bestimmungen berufen, soweit diese Regelungen enthält, aus denen sich Rechte und Pflichten ableiten lassen. Die Verordnung schafft also einheitliches Recht in allen Mitgliedstaaten mit Wirkung für und gegen jeden Gemeinschaftsbürger. Das durch die Verordnung geschaffene Recht verdrängt zudem entgegenstehendes nationales Recht, welches keine Anwendung findet. Soweit der Gemeinschaftsgesetzgeber, also etwa durch Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft, eine Gesellschaftsform geschaffen hat, kann deren Existenz oder Tätigkeit vom nationalen Gesetzgeber weder beschränkt noch beseitigt werden?63 Schwarze-Biervert, Art. 249 Rn. 18. Schweitzer/Hummer, Rn. 350. 262 Schweitzer/Hummer, Rn. 351 f.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 74; Lutter, Europäisches Untemehmensrecht, S. 14 f. 260 261
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Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Verordnung bewusst Lücken zur Ausfüllung durch den nationalen Gesetzgeber mit nationalem Recht lässt, wie dies im Fall der EWIV und auch der Europäischen Aktiengesellschaft in großem Umfang geschehen ist. Gerade im Europäischen Gesellschaftsrecht ist daher trotz der grundsätzlichen unmittelbaren Wirkung der Verordnungen regelmäßig ein zusätzlicher Transformationsakt in Form eines Begleitgesetzes notwendig. 264 bb) Richtlinien Dagegen ist die Richtlinie nach Art. 249 III EG an die Mitgliedstaaten gerichtet und nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie ist ein typisches Instrument des Gemeinschaftsrechts, die im nationalen Recht keine Entsprechung hat. 265 Die Richtlinien dienen der Rechtsangleichung i. e. S., d.h. es geht vorrangig darum, die Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Rechten zu verringern und einen bestimmten Grad materieller Gleichwertigkeit zu schaffen. 266 Das nationale Recht behält weiterhin seine Gültigkeit. Es wird zwar verändert aber grundsätzlich nicht verdrängt. Dazu dient ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren. 267 Die Regelungen der Richtlinie treten also nicht, wie die der Verordnung, sofort an die Stelle der mitgliedstaatlichen Vorschriften, sondern sie müssen in das nationale Recht umgesetzt werden. Das zweistufige Verfahren hat den Vorteil, dass die Richtlinienregelungen an die Besonderheiten des jeweiligen nationalen Rechts angepasst werden können. 268 Zugleich schützt es auch die Souveränität der nationalen Gesetzgeber. 269 Diese haben die Möglichkeit, ihre eigene Rechtsnormgestaltung und -systematik zu verwenden.
Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 15. Vgl. Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 14, Fn. 15; ders., BB 2002, (6). Vgl. zur Verweisungstechnik des SE-Statuts: 2. Teil § 5 11. 1. a). Dies gilt auch für nationale Maßnahmen, die erlassen werden müssen, um die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Verordnung zu gewährleisten. EuGH, 22.6.1993 - Rs. C-54/91 (Deutschland/Kommission), Slg. 1993, 1-3399 (3430, Rn. 38); 7.12.1995 Rs. C-52/95 (Kommission/Frankreich), Slg. 1995, 1-4443 (4466, Rn. 28). Vgl. dazu auch: Schwarze-Biervert, Art. 249 EG Rn. 21. 265 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Schmidt, Art. 189 EG Rn. 35. 266 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 213; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 29 f.; Wymeersch, WP 2001-06, S. 7. 267 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 29; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 222. 268 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 30; Wymeersch, WP 200106, S. 7. 269 Bleckmann, Rn. 417; Grundmann, JZ 1996,274 (282). 263
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Der Umfang der Angleichung richtet sich nach dem Richtlinienziel. Dieses Ziel bezieht sich aber nicht auf die allgemeinen Vertragsziele, wie sie in Artt. 2 und 3 EG aufgeführt sind. Vielmehr ist damit die Rechtswirkung gemeint, die sich aus den Regelungen der Richtlinie ableiten lässt. Die Umsetzungspflicht besteht nur insoweit, als das nationale Recht hinter dem Richtlinienziel zurückbleibt. So ergaben sich für den deutschen Gesetzgeber bei der Umsetzung der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie vergleichsweise wenige Rechtspflichten, weil das deutsche Aktienrecht den Regelungszielen der Richtlinie schon weitgehend entsprach. 27o Aber auch dieses textlich unveränderte nationale Recht, das im Anwendungsbereich der Richtlinie liegt, ändert seinen Rechtscharakter insofern, als es jetzt europäisiertes nationales Recht ist. 271 Sogar für den Fall, dass der nationale Gesetzgeber über das Richtlinienziel hinaus nationale Regelungen schafft, also beispielsweise die Richtlinienregelung auch auf andere als in der Richtlinie genannte Gesellschaftsformen erweitert, können die Richtlinienregelungen Wirkung zeigen. 272 In solchen Fällen ist, wenn das nationale Recht den gleichen Rechtsbegriff oder das gleiche Regelungskonzept sowohl im unharmonisierten wie auch im harmonisierten Bereich verwendet, eine einheitliche Interpretation gefordert. 273 In diesem Bereich handelt es sich also nicht um rein nationales Recht. Zwar überlässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und der Mittel, um diese Ziele in die mitgliedstaatliche Rechtsordnung umzusetzen. Dies hindert den Gemeinschaftsgesetzgeber allerdings nicht, in die Richtlinie auch detaillierte Vorgaben aufzunehmen, so dass ein Um setzungsspielraum praktisch gar nicht mehr besteht. 274 b) Umsetzungsjragen in Bezug auj Richtlinien
Die Rechtsnatur der Richtlinie als Rechtsangleichungsinstrument bringt aber auch verschiedene Probleme mit sich, die im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie stehen. 270 Lutter, Europäisches Untemehmensrecht, S. 16. So beispielsweise § 7 AktG, der ein Art. 6 1 UA 1 der Kapital-Richtlinie entsprechendes Mindestkapital der Aktiengesellschaft schon vorsah. 271 Lutter, JZ 1992, 593 (595); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 225. 272 Wie im Fall der Neuregelung des deutschen Umwandlungsrechts im Rahmen der Umsetzung der dritten und sechsten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie. 273 EuGH, 17.7.1997 - C 28/95 (Leur-Bloem) Slg. 1997, 1-4161 (4200-4202, Rn. 32); 17.7.1997 - C 130/95 (Giloy), Slg. 1997, 1-4291 (4302-4304, Rn. 28). Vgl. dazu auch: Roth, in: Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg.), Europäisches Kaufgewährleistungsrecht, S. 113 (129). 274 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 75, 213; Groeben/Thiesing/ Ehlermann-Schmidt, Art. 189 EG Rn. 37; Bleckmann, Rn. 425 ff.
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aa) Umsetzungspflicht des nationalen Gesetzgebers Die von den Mitgliedstaaten gewählten Umsetzungsmaßnahmen müssen geeignet sein, das verbindliche Richtlinienziel tatsächlich zu erreichen. Dazu ist erforderlich, dass die Umsetzung hinreichend bestimmt und klar ist, so dass, soweit eine Richtlinie dem Einzelnen Rechte verleiht, dieser von seinen Rechten Kenntnis erlangen und diese gegebenenfalls vor Gericht durchsetzen kann. 275 Zwar ist es nicht notwendig, dass der Mitgliedstaat Gesetze erlässt, jedoch muss der Rechtszustand den Erfordernissen der Eindeutigkeit und Bestimmtheit voll gerecht werden; sie darf nicht von nationalen Gerichten jederzeit abänderbar sein?76 Folglich wurde auch der in Art. 42 der zweiten gesellschafts-rechtlichen Richtlinie festgeschriebene Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre in das deutsche Recht umgesetzt, obwohl dieser Grundsatz bereits vor Erlass der Richtlinie in der Rechtsprechung anerkannt war. 277 Auch wenn damit keine sachliche Änderung beabsichtigt war,278 so zeigt die Regelung trotzdem Wirkung, weil es sich (nunmehr) um einen europäischen Begriff handelt. 279 bb) Durchsetzung der Richtlinienstandards Für die Durchsetzung der Richtlinienstandards hat der EuGH verschiedene Mechanismen entwickelt, die im Fall der mangelnden Übereinstimmung von nationalem und europäischem Recht eingreifen. Neben der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 11 EG sind dies die unmittelbare Wirkung von Richtlinien, die richtlinien-konforme Auslegung des nationalen Rechts und die Staatshaftung der Mitgliedstaaten. Der direkteste Weg der Durchsetzung der Ziele der Richtlinie wäre ihre unmittelbare Anwendbarkeit. Die Rechtsnatur der Richtlinie als Rechtsangleichungsinstrument mit zweistufigem Charakter steht dem zwar grundsätzlich entgegen. Trotzdem hat der EuGH schon frühzeitig im Wege der Rechtsfortbildung anerkannt, dass sie unter bestimmten Bedingungen unmittelbare Wirkung hat: Voraussetzung ist, dass die Richtlinie nach Ablauf der 275 EuGH, 30.5.1991 - Rs. 361/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991,1-2567 (2600 Rn. 15); 18.5.1995 - Rs. C-433/93 (KommissionIDeutschland), Sig. 1995, 1-2303 (2317, Rn. 18 ff.). 276 EuGH, 6.5.1980, Rs. 102/79 (Kommission/Belgien), Sig. 1980, 1473 (1486, Rn. 11); 3.3.1988 - Rs. 116/86 (Kommission/Italien), Sig. 1988, 1323 (1338, Rn. 15). 277 RGZ 113, 152 (156); 118,67 (70); 120, 177 (180). 278 Eine sachliche Änderung war durch die Einführung des § 53 a AktG nicht beabsichtigt. Vgl. dazu: BT-Drucks. 8/1678, S. 13; Ganske, DB 1978,2461 (2462); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 228. 279 Vgl. zur Frage der Richtlinienwirkung: § 2 IV. 4. a) bb).
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Umsetzungsfrist nicht oder nicht richtig umgesetzt wurde und Regelungen enthält, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, so dass sich der Einzelne darauf berufen kann. 28o Von einer unmittelbaren Wirkung ist aber nur auszugehen, wenn sich der Einzelne gegenüber einer staatlichen Stelle auf eine ihn begünstigende Richtlinienregelung beruft (vertikale unmittelbare Wirkung).281 Der Gerichtshof begründet diese Rechtsprechung vor allem mit dem Gedanken des Rechtsrnissbrauchs (estoppel)?82 Die Mitgliedstaaten handeln treu widrig, wenn sie sich auf die ihnen zuzurechnenden Fehler bei der Umsetzung der Richtlinie berufen. Deswegen wird die Ausdehnung des Prinzips der unmittelbaren Wirkung auf Rechtsverhältnisse zwischen Privaten (horizontale unmittelbare Wirkung) abgelehnt. 283 Von dieser Rechtsprechung sind auch die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien betroffen, die ganz überwiegend das Rechtsverhältnis zwischen Privaten regeln. Hier kann sich der Einzelne nicht gegenüber einem anderen auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen. Etwas anderes würde für den Bereich der kapitalmarktrechtlichen Richtlinien gelten, wo die Gesellschaften als Emittenten in der Regel auch mit staatlichen Überwachungsorganen zu tun haben?84 Insoweit handelt es sich dann um eine vertikales Verhältnis. Im Verhältnis der Privatrechtssubjekte hat der EuGH jedoch mit der richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts durch die nationalen Gerichte einen Mechanismus entwickelt, der dem Richtlinienziel auch hier zum Erfolg verhelfen kann?85 Soweit der Mitgliedstaat in Bezug auf die 280 EuGH, 6.1 0.1970 - Rs. 9/70 (Grad/Finanzamt Traunstein), Slg. 1970, 825 (838 Rn. 5); 4.12.1974 - Rs. 41/71 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348 Rn. 12 ff.); 5.4.1979 - Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642, Rn. 20 ff.); 19.1.1982 - Rs. 8/81 (Becker/Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (71 Rn. 25). 281 Berufen kann sich der Einzelne gegenüber allen Einrichtungen der öffentlichen Hand, auch wenn sie keine hoheitlichen Aufgaben wahrnimmt, sondern sich wie jedermann am Wirtschaftsleben beteiligt. Vgl.: EuGH, 26.02.1986 - Rs. 152/84 (MarshalI), Slg. 1986, 723 (748 f., Rn. 46 ff.); 22.2.1990 - Rs. C-221188 (Busseni), Slg. 1990, 1-495 (525). 282 EuGH, 5.4.1979 - Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1642) Rn. 18 ff.; später auch: EuGH, 26.02.1986 - Rs. 152/84 (MarshalI), Slg. 1986, 723 (748 f., Rn. 46 ff.); 22.2.1990 - Rs. C-221188 (Busseni), Slg. 1990, 1-495 (525). Die frühere Rechtsprechung stützte sich noch vorrangig auf den Gedanken der praktischen Wirksamkeit (effet utile). Vgl. EuGH, 4.12.1974 - Rs. 41/71 (Van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1348 Rn. 12 ff.); auch noch: 19.1.1982 - Rs. 8/81 (Becker/ Finanzamt Münster-Innenstadt), Slg. 1982, 53 (71 Rn. 25). 283 EuGH, 26.2.1986 - Rs. 152/84 (MarshalI), Slg. 1986, 723 (748 f.); 14.7.1994 - Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, 1-3325 (3356 Rn. 24). Vgl. dazu auch Müller-Graf!, NJW 1993, 13 (20 Fn. 120 m. w.N. zu Gegenmeinungen). 284 Wymeersch, WP 2001-06, S. 8. 285 Im Unterschied zur unmittelbaren Wirkung ergibt sich die materielle Rechtslage für den Einzelnen direkt aus der richtlinienkonform ausgelegten nationalen
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Richtlinie einen Gesetzgebungswillen hatte, der dahin ging, das nationale Recht in Konformität mit der Richtlinie zu gestalten, ordnet der Gerichtshof eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts an. 286 Für den Fall eines solchen Gesetzgebungswillens kann man die richtlinienkonforme Auslegung auch mit der Rechtsnatur der Richtlinie rechtfertigen. Sie soll die Souveränität der nationalen Gesetzgeber und vor allem ihren Umsetzungsspielraum schützen. Wenn der Gesetzgeber die Richtlinienvorgaben beachten wollte, greift man nicht in seine Souveränität ein, wenn man das Ziel der Richtlinie gegenüber dem nationalen Recht durchsetzt. 287 Zudem sind die nationalen Gerichte als Träger öffentlicher Gewalt im Rahmen ihrer Zuständigkeit ebenfalls an das Richtlinienziel gebunden. 288 Mittels Auslegung ist daher ein richtlinienkonformes Ergebnis auch entgegen dem Wortlaut und der Systematik des nationalen Rechts durchzusetzen?89 Das gilt für das gesamte mitgliedstaatliche Recht, soweit es in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, auch wenn es schon vorher bestand und nicht auf einer Umsetzungsmaßnahme beruht. 29o Dies war auch der Fall in der "Marleasing"-Entscheidung des Gerichtshofs?91 Hier hatte der spanische Gesetzgeber Vorschriften, die zu einer Nichtigkeit der Aktiengesellschaft führen können, entgegen der Vorgabe der Publiziäts-Richtlinie nicht Norm und nicht aus der Richtlinienbestimmung. Die richtlinienkonforme Auslegung ist daher auch als primäre Maßnahme zur Gewährleistung der Übereinstimmung des nationalen Rechts mit den Richtlinienzielen ansehen. Nur wenn dies nicht zum Erfolg führt, stellt sich die Frage nach der unmittelbaren Wirkung. Vgl.: EuGH, 15.5.1986 - Rs. 222/84 (Johnston), Slg. 1986, 1651 (1690 Rn. 53 ff.); 20.11.1988Rs. 31/87 (Gebroeders Beentjes BV), Slg. 1988, 4635 (4662 Rn. 39 ff.); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 261; Heinze, S. 26; ähnlich: Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 28. 286 EuGH, 10.4.1984 - Rs. 14/83 (von Colson und Kamann), Slg. 1984, 1891 (1909 f.); 10.4.1984 - Rs. 79/83 (Harz), Slg. 1984, 1921 (1942); für das Gesellschaftsrecht 13.11.1990 - Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990,1-4135 (4159). Vgl. ausführlich: Grundmann, ZEuP 1996, 399 ff. 287 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 117; ders., JZ 1996, 274 (282). 288 EuGH, 13.11.1990 - Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, 1-4135 (4159 Rn. 8); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 244. 289 Im Verhältnis zu den nationalen Auslegungsmethoden verbietet der EuGH nicht nur jede richtlinienwidrige Auslegung, sondern fordert eine richtlinienkonforme Auslegung auch in den Fällen, in denen die nationalen Auslegungsmethoden keine Spielräume mehr zulassen. Vgl. Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 116 ff.; ders., JZ 1996, 274 (282). 290 EuGH, 16.12.1993 - Rs. C-334/92 (Wagner Miret), Slg. 1993, 1-6911 (6932 Rn. 20); 14.7.1994 - Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Slg. 1994, 1-3325 (3356 Rn. 24); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 244; Everling, ZGR 1992, 376 (378 f.). 291 EuGH, 13.11.1990 - Rs. C-106/89 (Marleasing), Slg. 1990, 1-4135 (4159 Rn. 8).
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geändert. Diese Regelungen mussten dennoch, so der EuGH, entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut so ausgelegt werden, dass die Nichtigkeit einer Aktiengesellschaft nicht aus anderen als den in Art. 11 Publizitäts-RL abschließend aufgezählten Gründen ausgesprochen werden konnte. Als die letzte Möglichkeit, die rechzeitige und richtige Umsetzung von Richtlinien und damit Beachtung des Richtlinieninhaltes zu erwirken, hat der Gerichtshof die Staatshaftung der Mitgliedstaaten wegen mangelnder Umsetzung der EG-Richtlinien entwickelt. 292 Diese Haftung greift auch ein, wenn eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie bei Vorliegen eines Horizontalverhältnisses zu verneinen ist und die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts nicht weiterhilft. 293 cc) Änderung des angeglichenen nationalen Rechts Die Pflicht der Mitgliedstaaten beschränkt sich aber nicht nur auf die einmalige Umsetzung der Richtlinie. Vielmehr muss das einmal erreichte Angleichungsergebnis auch für die Zukunft gesichert werden. Im Bereich des von der Richtlinie erfassten nationalen Rechts ist der nationale Gesetzgeber daher verpflichtet, spätere Änderungen nur insoweit vorzunehmen, als sie nicht gegen das Angleichungsziel der Richtlinie verstoßen ("stand-still,,)?94 Richtlinienwidriges nationales Recht, das nachträglich eingeführt wird, entfaltet deshalb keine Wirkung. 295 So konnte sich der klagende Aktionär in der "Karella"-Entscheidung des EuGH gegenüber einer nachträglich geänderten Vorschrift des griechischen Gesellschaftsrechts direkt auf Art. 25 I Kapital-RL berufen. 296 Der Gerichtshof folgt also auch im Fall der nachträglichen Richtlinienwidrigkeit des nationalen Rechts den Regeln, die für den Fall der mangelnden Umsetzung galten. Allerdings handelte es sich in 292 EuGH, 19.11.1991 - Rs. C-6/90 und C-9/90 (Francovich/Bonifaci), Sig. 1991,1-5357 (5413-5416); EuGH, 8.10.1996 - verb. Rs. C-178 und 179/94, C-188 bis 190/94 (MP Travel Line), Sig. 1996 1-4845 (4878 ff.) und für den Fall der fehlerhaften Umsetzung: EuGH, 26.3.1996 - Rs. C-392/93 (British Telecommunications), Sig. 1996, 1-1631 (1668 f.); EuGH, 17.10.1996 - verb. Rs. C-283/94, C-291/94 und C-292/94 (Denkavit), Sig. 1996,1-5063 (5101 f.). 293 EuGH, 14.7.1994 - Rs. C-91/92 (Faccini Dori), Sig. 1994, 1-3325 (3356 Rn. 27; EuGH, 7.3.1996 - Rs. C-192/94 (EI Corte Ingles), Slg. 1996,1-1281 (1282 Rn. 22). 294 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 22; Schwarz, Europäisches GeseIlschaftsrecht, Rn. 233; Timmermans, RabelsZ 48 (1984), I (7, 28 f.). Diese Pflicht ergibt sich aus Art. 249 III und Art. 10 EG. 295 EuGH, 30.5.1991 - verb. Rs. C-19/90 und 20/90 (Karella und Karellas), Slg. 1991, 1-2691 (2712, 2717 Rn. 24 ff.); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 22; Everling, FS Reimer Schmidt, S. 165 (174 f.). 296 EuGH, 30.5.1991 - verb. Rs. C-19/90 und 20/90 (Karella und Karellas), Slg. 1991,1-2691 (2712,2717 Rn. 24 ff.).
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der angesprochenen Entscheidung um eine vertikale Rechtsbeziehung, d. h. zwischen dem Mitgliedstaat und einem Privatrechtssubjekt. Ob die Richtlinienvorschriften im Fall der nachträglichen Änderung des nationalen Rechts darüber hinaus auch eine horizontale unmittelbare Wirkung haben können, ist zweifelhaft. 297 Auch eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts scheint wegen des entgegenstehenden Gesetzgebungswillens des nationalen Gesetzgebers in diesen Fällen auszuscheiden?98 Durch das "stand-still"-Gebot besteht also in gewissem Umfang die Gefahr der Versteinerung des durch die Rechtsangleichung betroffenen nationalen Rechts. Auf Änderungen, die wegen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung notwendig erscheinen, muss nun auf Gemeinschaftsebene reagiert werden, denn durch die Angleichung ist die Gesetzgebungskompetenz in dem Umfang, in dem die Mitgliedstaaten gebunden sind, auf die Gemeinschaft übergegangen. 299 Aufgrund dessen sehen einige Richtlinien selbst schon Mechanismen vor, die eine Überprüfung und Änderungen der Regelungen ermöglicht. 300 Des Weiteren setzt die Kommission auch selbst Komitees zur Überprüfung des angeglichenen Rechts ein. 30l dd) Strengere Lösung des nationalen Rechts Allerdings muss nicht jede Abweichung vom Richtlinienstandard einen Verstoß gegen das "stand-still"-Gebot darstellen. Ausgehend von der Überlegung, dass die Richtlinie ein Rechtsangleichungsinstrument ist und daher primär die Gleichwertigkeit der von ihr umfassten Bereiche anstrebt, stellt sich die Frage, ob die Richtlinie nicht auch strengeres nationales Recht zulassen kann. 302 Wenn es Ziel der Angleichung mittels Richtlinien ist, ge297 Dafür: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 235 mit dem Argument, dass sich der Einzelne in diesen Fällen direkt auf die vor Erlass der richtlinienwidrigen Änderungen bestehenden nationalen Vorschriften beruft. 298 Lutter, JZ 1992, 593 (607): "Hier (wäre) Rechtsfortbildung contra legern erforderlich, um die Richtliniennorm gegen die nationale Norm zur Durchsetzung zu verhelfen." . 299 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 23; Schwarz, Europäisches GeseIlschaftsrecht, Rn. 238. Vgl. dazu auch: Hopt, in: Buxbaum/Hopt (Hrsg.), Legal Harmonization and the Business Enterprise, S. 232 ff. 300 Vgl.: Art. 52 der vierten Richtlinie, Art. 47 Siebte Richtlinie, Art. 63c fünfte Richtlinie. 301 Zu erwähnen ist insbesondere die SLIM-Initiative ("Simpler Legislation for the Internal Market") zur Vereinfachung des Europäischen Gesellschaftsrechts, die sich auf Änderungen im Bereich der ersten und zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie konzentriert. Vgl. dazu: § 2 IV. 3. d). 302 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 238; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 24. Neben der Zulässigkeit strengeren nationalen Rechts wird
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wisse nationale Besonderheiten und Unterschiede beizubehalten, muss nicht jede Verschärfung des von der Richtlinie vorgegebenen Standards unzulässig sein. So lassen die meisten Richtlinien im Bereich des Schuldvertragsrechts eine strengere nationale Regel ausdrücklich ZU. 303 In diesen Fällen soll die Richtlinie also nur einen einheitlichen Mindestschutz sicherstellen. Dies passt auch zur Strategie einer Minimumharmonisierung, die die Kommission seit dem Weißbuch von 1985 verfolgt. 304 Auf die Vollharmonisierung mit Festschreibung eines einheitlichen (niedrigen) Standards soll gerade verzichtet werden. 305 Eine solch klare Regelung, wie sie viele schuldvertraglichen Richtlinien enthalten, ist in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien in der Regel nicht zu finden. Trotzdem wird überwiegend angenommen, dass auch im Bereich des Gesellschaftsrechts die Beibehaltung oder Neueinführung strengeren nationalen Rechts prinzipiell zulässig ist. 306 Einige Vorschriften, wie Art. 11 Publizitäts-RL und Art. 5 I Kapital-RL, untersagen zwar ausdrücklich eine strengere nationale Regelung. Gerade aus der Existenz solcher ausdrücklichen Verbote wird aber geschlossen, dass Richtlinien im Übrigen grundsätzlich Mindestregelungen enthalten, weil es sich bei den genannten Vorschriften um Fälle einer ausnahmsweisen Bindung "nach oben" handelt. 307 Jedoch ist auch bei den übrigen Regelungen der Richtlinie die Frage nach ihrem Charakter als Höchst- oder Mindestnorm nicht pauschal zu beantworten. 308 Vielmehr ist die Zulässigkeit von strengerem nationalen Recht nur im Wege der Auslegung der einzelnen Richtlinienvorschrift und der erkennbaren speziellen Zielsetzung der Richtlinie festzustellen. 309 Allerdings ist auch seine Durchsetzung gegenüber EG-Ausländem diskutiert. Vgl. Grundmann, JZ 1996, 274 (278 ff.). 303 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 77 ff. 304 Harmonisiert soll nur das für unabdingbar erachtete Minimum. Im Übrigen erfolgt eine Anerkennung der mitgliedstaatlichen Regelungen. 305 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 80; ders., JZ 1996, 274 (278). 306 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 79; ders., JZ 1996, 274 (277); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 24 f.; Hopt, ZGR 1992, 265 (285 0; Steindorff, ZHR 156 (1992), 1 (11-14); differenzierend: Knobbe-Keuk, DB 1990, 2573 (2582-2584). 307 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 25; ders., JZ 1992, 593 (606); Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 51. 308 So hilft auch der Umstand, dass die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien auf Art. 44 II lit. g EG gestützt sind, nicht weiter. So auch: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 42. Teilweise wird aus der Stellung des Art. 44 EG im Kapitel der Niederlassungsfreiheit geschlossen, dass die Richtlinien als Höchstnormen zu interpretieren sind, weil es um den Abbau aller Schranken und Beschränkungen geht. Vgl.: Steindorff, EuZW 1990, 251 (253). 309 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 241; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 42; letztlich auch: Lutter, Europäisches Unternehmensrecht,
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1. Teil: Einführung und Regelungskonzept
auch dies im Einzelnen mit Schwierigkeiten verbunden, wie die Diskussion im Rahmen der Kapital-Richtlinie zeigt. 3 !O So bezweckt die Richtlinie nach dem 2. Erwägungsgrund der Präambel "beim Schutz der Aktionäre einerseits und der Gläubiger der Gesellschaft andererseits ein Mindestmaß an Gleichwertigkeit sicherzustellen." Daraus wird nun teilweise geschlossen, dass die Richtlinie für ein Mindestmaß an Angleichung und damit für eine Angleichung auch "nach oben" sorgen will. 3 !1 Allerdings enthält die Richtlinie selbst schon einige Vorschriften, die ausdrücklich als Mindestregelungen konzipiert sind, die strengeres nationales Recht zulassen. 312 Und auch der EuGH legt beispielsweise Art. 29 I i. V. m. IV Kapital-RL als Mindestregelung aus, so dass die strengeren deutschen Regelungen, die im Unterschied zur Richtlinie ein Bezugsrecht der Aktionäre nicht nur bei Barkapital-, sondern auch bei Sachkapitalerhöhungen vorsehen, mit dem Ziel der Richtlinie übereinstimmen. 313 Ein über die Richtlinienregelung hinausgehender Aktionärsschutz wird hier also als zulässig erachtet. 314 Jedoch enthält gerade die zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie auch Vorschriften, die nicht nur dem Gesellschafterschutz, sondern auch dem Schutz von Gläubigem der Gesellschaft dienen. Dies gilt beispielsweise auch für die Regelungen über die Erbringung einer Sacheinlage. Hier müssen die verschiedenen Interessen der Gläubiger an einer realen Kapitalaufbringung und die Interessen der Aktionäre, auf diese Weise Kapital in die Gesellschaft einzubringen, zum Ausgleich gebracht werden. Deshalb ist insbesondere für S. 25; ders., JZ 1992, 593 (606); GA Tesauro, in: EuGH, 16.7.1992, Rs. C-83/91 (Meilicke), Slg. 1992,1-4871 (4907 f. Rn. 12). 310 Vgl. ausführlich: Drinkuth, insb. S. 58 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 139 ff.; Lutter/Gehling, WM 1989, 1445 (1458 f.); Hopt, ZGR 1992, 265 (285 f.); Knobbe-Keuk DB 1990, 2573 (2582-2584). 311 GA Tesauro, in: EuGH, 16.7.1992 - Rs. C-83/91 (Meilicke), Slg. 1992, 1-4871 (4907 f., Rn. 12); Steindorff, EuZW 1990, 251 (252); Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (352 f.). 312 Vgl. Art. 2 und 3 der 2. Richtlinie über die Offenlegung der Unternehmensdaten oder Art. 6, der ein Mindestkapital der Aktiengesellschaft von 25.000 € festlegt. 313 EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, 1-6028 (6035 Rn. 19 ff.); näher dazu: Drinkuth, S. 245 ff. und Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 202 m. w. N.; Groß, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 189 (196 ff.); Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (245 ff.). Kritisiert wird, dass der EuGH nicht die Gelegenheit genutzt hat, generell zur Auslegung Stellung zu nehmen: Kindler, ZGR 1998, 35 (47). 314 Drinkuth, S. 250; kritisch: Klauer, S. 220 ff. Auch in der "Karella"-Entscheidung stellt der EuGH fest, dass "die 2. Richtlinie also einen Mindeststandard des Aktionärsschutzes zum Gegenstand hat". Vgl.: EuGH, 30.5.1991 - verb. Rs. C-I9/ 90 und 20/90 (Karella und Karellas), Slg. 1991,1-2691 (2716, Rn. 25).
§ 2 Regelungskonzept des Europäischen Gesellschaftsrechts
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Art. 11 Kapital-RL umstritten, ob er eine Mindestvorschrift darstellt und somit den über den Regelungsgehalt der Richtlinie hinausgehenden Schutz des deutschen Aktienrechts gegen Umgehungen der Sacheinlagevorschriften zulässt (verdeckte Sacheinlage).315 Im Gesellschaftsrecht muss also für jede Richtlinienregelung individuell festgestellt werden, ob sie als Höchst- oder Mindestnorm zu betrachten ist.
315 Für eine Vereinbarkeit der genannten Grundsätze mit Art. 11 der 2. Richtlinie: BGHZ 110,47 (68 ff.) (IBH/Lemmerz); BGHZ 118, 83 (103 f.); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 163 m. w. N. Der EuGH lehnte in der "Meilicke"Entscheidung eine Beantwortung der Vorlagefrage in einem ähnlich gelagerten Fall ab. Vgl. EuGH, 16.7.1992 - Rs. C-83/91 (Meilicke), Slg. 1992, 1-4871 (4934, Rn. 29-31). Kritisch: Klauer, S. 207 ff. Vgl. dazu auch: Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (236 ff.); Drinkuth, S. 167 ff. 6 Pannier
2. Teil
Ausgestaltung der Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht § 3 Einführung Die Rechtsstellung des Aktionärs ist seit jeher Gegenstand intensiver rechtspolitischer Überlegungen und Maßnahmen auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. 1 Dies hängt vor allem mit den Aufgaben der Aktiengesellschaft und den daraus resultierenden vielfältigen Regelungsproblemen zusammen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei zumeist die klassische Kapitalsammel- und Kapitalanlagefunktion der Aktiengesellschaft, also die Sicherstellung der Unternehmensfinanzierung durch Transformation der privaten Ersparnisse in dauerhaft gebundenes, unternehmerisch eingesetztes Anlagekapital. 2
I. Der Schutz der Aktionäre als Regelungsproblem 1. Trennung von Eigentum und Herrschaft
Das erste Regelungsproblem, das im Zusammenhang mit der Kapitalsammel- und Kapitalanlagefunktion der Aktiengesellschaft entsteht, lässt sich auf die Überlegungen von Berle und Means zurückführen. Danach geht die Ansammlung von Kapital in großen Publikumsgesellschaften zumeist mit einer Trennung von Eigentum und Herrschaft einher? Die Streuung des I Vgl. für das deutsche Recht: Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 54 ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 161; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 357 ff., 404 ff., 472 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, S. 96 ff. 2 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 152, 157; Assmann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, Einl. Rn. 291. 3 Berle/Means, The Modem Corporation and Private Property, 1932 ("separation of ownership and control"). Vgl. dazu auch: Roe, Strong Managers and Weak Owners, S. 26 ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 165; Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 7 ff.; Birk, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Public!y Held Corporations, S. 53 (60 f.).
§ 3 Einführung
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Anteilsbesitzes bei Publikumsgesellschaften führt zu einer Verselbständigung des Managements und damit zu einem Verlust eigentums vermittelter Unternehmenssteuerung durch die Aktionäre. 4 Ohne gegensteuernde Regelungen, die einen solchen Verlust ausgleichen, besteht nach dieser These die Gefahr, dass sich das Management bei der Ausübung der Herrschaft auf Kosten der Aktionäre begünstigt. 5 Für dieses Kontroll- und Steuerungsproblem sind verschiedene Regelungskonzepte denkbar, die sich ergänzen aber auch u. U. ganz ersetzen können. a) Aktionärsschutz durch Mitgliedschaftsrechte
Zum einen kann man die Stellung des Aktionärs als "wirtschaftlichen Eigentümer" der Gesellschaft betonen, indem man ihm gesellschaftsinterne Steuerungsinstrumente an die Hand gibt. Innerhalb eines solchen verbandsrechtlichen Regelungskonzepts verkörpert die Aktie deshalb auch vor allem die Mitgliedschaft in der Gesellschaft. 6 Da die Mitgliedschaft als ein rechtformübergreifendes Strukturmerkmal der Beziehungen des einzelnen Gesellschafters zur Gesellschaft gesehen wird, ist auch die Stellung des Aktionärs in ähnlicher Weise ausgestaltet, wie die eines Gesellschafters einer GmbH oder vergleichbarer Kapitalgesellschaften. 7 Der Schutz der verbandsrechtlichen Position des Aktionärs erfolgt, wie bei diesen Gesellschaftsformen, primär über verschiedene Verwaltungs- und Vermögensrechte, die mit der Mitgliedschaft verbunden sind. 8 4 Berle/Means, The Modem Corporation and Private Property, 1932, S. 84-89. Jensen/Meckling, Journal of Financial Economics 3 (1976), 305 ff.; Fama/Jensen, Journal of Law and Economics 26 (1983), 301 ff.; ShleiferiVishny, 52 Journal of Finance (1997), 737 (740 ff.); Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 7 (8).
Berle/Means, The Modem Corporation and Private Property, 1932, S. 121-122.
6 Vgl. vor allem: Lutter, Der Aktionär in der Marktwirtschaft, S. 12 ff., 22 ff.; Henn, Handbuch des Aktienrechts, S. 16; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 9 Rn. 6; Brändel, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, § 1 Rn. 79; Hüjfer, AktG, § 1 Rn. 13; Wellkamp, S. 1; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 357 ff.; Brondics, Die Aktionärsklage, S. 79 ff. Vgl. dazu ausführlich: Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 69 ff.; Schwark, FS Stimpel, S. 1087 (1094 ff.). 7 Lutter, AcP 180 (1980), 84 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 882 ff.; vgl. dazu ausführlich: Habersack, Die Mitgliedschaft - subjektives und "sonstiges" Recht, S. 28 ff. m. w. N. (insb. 98 ff.). B Kühler, Gesellschaftsrecht, S. 173 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, S. 56 ff.; Hüjfer, AktG, § 118 Rn. 7. Teilweise werden auch noch Kontrollrechte des Aktionärs unterschieden: Wellkamp, S. 1; Birk, in: PintolVisenti (Eds.), in: The Legal Basis of Corporate Governance in Publicly Held Corporations, S. 53 (68). 6*
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Der internen Unternehmenssteuerung dienen dabei vor allem die Verwaltungsrechte, von denen das wichtigste das Stimmrecht ist. 9 Gerade das Stimmrecht ermöglicht einen direkten Einfluss des Aktionärs auf die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft, zumindest in den Fällen, in denen wesentliche Entscheidungen getroffen werden. lo Das Stimmrecht wird als Ausgleich für das Auseinanderfallen von Eigentum und Herrschaft und das Fehlen anderer Sicherungsmechanismen für ihre Investition betrachtet. 11 Es stellt also eine Art ex-post - Sicherung des Aktionärs dar. Zum anderen wird aber die Richtigkeitsgewähr einer solchen verbandsrechtlichen Entscheidungsfindung betont. 12 Solange die Aktionäre durch das Stimmrecht einen wesentlichen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens und seinen wirtschaftlichen Erfolg behalten, sind diejenigen zur Entscheidung berufen, die von Erfolg und Misserfolg der Gesellschaft in besonderer Weise abhängen. 13 Die damit verbundenen Anreize fördern die Qualität des Entscheidungsfindungsprozesses und des Entscheidungsergebnisses. 14 Weitere klassische Verwaltungsrechte sind das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung, das Auskunftsrecht und das Anfechtungsrecht. 15 Daneben umfasst die Mitgliedschaft des Aktionärs auch verschiedene Ver9 Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, p. 109 (110); ders., in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Governance - the State of the Art and Emerging Research, S. 545 (547); Wymeersch, WP 2001-04, p. 43; Hohn Abad, S. 3; Birk, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Public1y Held Corporations, S. 53 (68). 10 Baums, in: Baums/Wymeersch, Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, p. 109 (110); Wymeersch, WP 2001-04, p. I; Fanto, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Public1y Held Corporations, S. I (16). 11 Vgl.: Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, p. 109 (111); ders., in: Hopt/Kanda/Roe/ Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 545 (547 ff.); EasterbrooklFischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 67 ff. Im Unterschied zu anderen Kreditgebern, wie Inhaber von Schuldverschreibungen, haben die Aktionäre keine genau festgelegten Erträge. 12 Baums, in: HoptiKanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 545 (547); Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 560 f.; Habersack, Die Mitgliedschaft - subjektives und "sonstiges" Recht, S. 81; ders., AcP 189 (1989), 403 (406 ff.). Vgl. dazu auch Lutter, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18. 13 Vgl. zu diesem Aspekt auch: EasterbrooklFischel, The Economic Structure of Corporate Law, S. 69. Baums, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Governance, S. 545 (547) 14 ReichertlHarbarth, AG 2001, 447 (448); und die Nachw. in Fn. 13. 15 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 174 f.; Siehe dazu: Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 602 ff., 805 ff.; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, S. 99 ff.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 183 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 366 ff.
§ 3 Einführung
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mögensrechte, wie den Gewinn- bzw. Dividendenanspruch oder Ausgleichsansprüche, wie das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen. 16 b) Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht
Zum anderen kann man aber auch versuchen, das Kontrollproblem über Mechanismen der Außensteuerung zu lösen. Hierbei spielt die Funktion des Kapitalmarktes bei der Finanzierung der Unternehmen eine entscheidende Rolle. Dieses Regelungskonzept geht davon aus, dass der Kapitalmarkt, insbesondere die Unternehmensübernahmen, ein wirksames Instrument zur Steuerung des Verhaltens des Managements darstellt, welches die internen Instrumente ergänzen bzw. sogar ganz substituieren kann (Markt für Unternehmenskontrolle).17 Der Aktionär wird weniger als "wirtschaftlicher Eigentümer" der Gesellschaft betrachtet, sondern primär als Anleger am Kapitalmarkt. 18 Maßgeblich ist deshalb der indirekte Einfluss der Aktionäre, indem sie über den Verkauf der Aktien Druck auf den Aktienkurs und damit reflexartig auch auf das Management auslösen. 19 Über diesen Mechanismus sollen die Ziele der Aktionäre, wie Kurssteigerung und Ausschüttungen, durchgesetzt werden. In einem solchen Konzept findet der Aktionärsschutz vor allem über Regelungen statt, die gleichzeitig die Funktionsfähigkeit des Marktes sichern sollen?O Funktionsschutz und Individualschutz können deshalb nicht immer klar von einander getrennt werden. 21 Dazu gehören beispielsweise Publizitätsregeln, das Verbot der Marktmanipulation durch Insider-Handel, Aufsichts- und Wohlverhaltensregeln für Intermediäre, die Gewährleistung eiVgl. dazu die Nachw. in: Fn. 8. Manne, 75 Journal of Political Economy (1965),110 (114-120); Posner, Economic Analysis of Law, S. 412 ff.; ShleijerlVishny, 52 Journal of Finance (1997), 737 (756); Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 9; EasterbrooklFischel, S. 109 ff.; SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (150, 167 ff.); Lutter, FS Zöllner, S. 363 (375): "Gesellschaftsrechtliche Schutzinteressen können zurückgenommen werden, wenn der Markt das gleiche oder annähernd das gleiche leistet - wie bislang - die Rechtsordnung." Vgl. dazu auch: Hopt, ZHR 140 (1977), 389 (432) Schwark, FS Lutter, S. 1529 ff.; ders., FS Stimpel, 1985, S. 1987 ff. 18 Vgl. zum Begriff des Anlegers im gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Sinn ausführlich: Ekkenga, S. 15-26. 19 Vgl. ausführlich zu diesem Steuerungsmechanismus: 4. Teil § 9 III. 2. a). 20 SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (171); Schwark, FS Lutter, S. 1529 (1531). 21 Deckertlv. Rüden, EWS 1998, 46 (48); Hopt, ZGR 1991, 17 (26); Möllers, ZGR 1997, 334 (337). 16 17
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
ner unabhängigen, externen Prüfung des Jahresabschlusses oder Regelungen für Gesellschaftsübernahmen. 22 Wesentliche Grundlage ist damit der Schutz des Anlegers durch Information. 23
2. Schutz der Minderheitsaktionäre Ein zweites Regelungsproblem innerhalb der Aktiengesellschaft betrifft nicht das Verhältnis der Aktionäre zum Management, sondern das Verhältnis der Aktionäre zueinander. Es geht hier um den Schutz der Minderheitsaktionäre. Typischerweise tritt dieses Regelungsproblem bei Aktiengesellschaften mit konzentriertem Aktienbesitz auf, bei der das Management als verlängerter Arm der Hauptaktionäre erscheint. 24 Ähnlich ist die Lage beim Konzern, d. h. bei der Beherrschung einer Gesellschaft durch ein anderes Unternehmen. In diesen Situationen besteht die Gefahr, dass die Mehrheit ihre Position dazu ausnutzt, sich Sondervorteile zum Nachteil der Minderheitsaktionäre zu verschaffen oder die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft zu verdrängen. 25 Um dieser Gefahr vorzubeugen, werden den Minderheitsgesellschaftern verschiedene Rechte zugestanden, wie beispielsweise die Einberufung der Hauptversammlung und Einflussnahme auf die Tagesordnung oder die Bestellung von Sonderprüfern oder Abfindungsrechte und Sonderbeschlüsse außenstehender Aktionäre. 26 Minderheitenschutz findet des Weiteren auch durch Vorschriften über qualifizierte Mehrheiten oder Stimmverbote bei Interessenkollisionen statt. 27 Schließlich dient auch der Grundsatz der Gleich22 Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 24 f.; Deckertlv. Rüden, EWS 1998,46 (49 ff.); Weitbrechtl Wilken, EWS 1994,418 (419 ff.); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 89 ff., 450 ff.; AssmannlBuck, EWS 1990, 110 ff., 190 ff., 220 ff.; Assmann, in: Hoptl Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, Ein!., Rn. 246 ff. (für das deutsche Recht). Der Schutz der Anleger erfolgt hier aber auch ergänzend durch vertragliche Vereinbarungen und individuelle Anreize für die Manager, um auf diese Weise die Interessen der Manager und Anleger eine gleiche Ausrichtung zu geben. V gl. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 7 (9). 23 Möllers, AG 1999, 433 (434); Deckertlv. Rüden, EWS 1998, 46 (49). Vgl. dazu auch: § 3 11. 2. 24 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 164 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 408 f.; Birk, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Publicly Held Corporations, S. 53 (60). 25 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 165; Henn, Handbuch des Aktienrechts, S. 378. 26 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 476; Henn, Handbuch des Aktienrechts, S. 378; Schwark, Anlegerschutz, S. 18. 27 Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 475; Schwark, Anlegerschutz, S. 18. Auch wenn diese Vorschriften keine Minderheitsrechte im technischen Sinn darstellen, so
§ 3 Einführung
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behandlung und die gesellschaftsrechtliche Treupflicht dem Schutz der Minderheitsaktionäre. 28 Jedoch kann auch dieser Schutz nicht unbegrenzt sein. Das folgt schon daraus, dass die Minderheitsaktionäre auch Teil der Gesamtheit der Aktionäre sind. Deshalb sind diese Rechte in der Regel so ausgestaltet, dass sie gleichzeitig auch ein Schutz der Mehrheit gegen einen übermäßigen Einfluss der Aktionäre mit einem geringen Kapitalanteil beinhalten?9 Im Unterschied zu den klassischen Verwaltungsrechten (Individualrechten) ist zur Ausübung der Minderheitsrechte daher zumeist eine gewisse Anzahl von Aktionären oder ein gewisser Anteil am Kapital der Gesellschaft notwendig. Die Mehrheit soll also bei diesen Rechten gleichzeitig auch vor der Willkür einzelner Aktionäre geschützt werden. 3. Standardisierung der Aktien Schließlich kommt noch ein weiteres Regelungsproblem hinzu. Die Kapitalsammelfunktion der Aktiengesellschaft erfordert einen funktionierenden Kapitalmarkt mit Fungibilität und einfacher Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile. Dies wiederum verlangt eine gewisse Standardisierung dieser Produkte, wozu auch die Standardisierung der mit der Beteiligung verbundenen Rechte gehört. 3o Auch aus diesem Zusammenhang ergibt sich ein Regelungsbedürfnis der Aktionärsrechte, unabhängig davon, ob sie verbandsrechtlich oder kapitalmarktrechtlich ausgestaltet werden.
11. Der Schutz der Aktionäre im Gemeinschaftsrecht Die soeben geschilderten verschiedenen Regelungsprobleme ergeben sich auch im Europäischen Gesellschafts- bzw. Untemehmensrecht. Durch Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte und Schaffung supranationaler ist die Integration der Minderheit in die Gesellschaft um so stärker, je höher das Quorum ist. Und bei einem Stimmverbot kann, wenn es die Mehrheit betrifft, die Minderheit zur tonangebenden Gruppe in der Gesellschaft werden. Vgl.: Henn, Handbuch des Aktienrechts, S. 378; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 420 f. 28 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 427 ff.; lUg, S. 13 ff.; Piepenburg, S. 9 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 473 ff. 29 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 419; Brodmann, Aktienrecht, § 250 HGB Anm. 2a; Brondics, S. 48. 30 Lutter, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (140); ders., ZGR 2000, 1 (10); Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 153. PellenslHillebrandt, AG 2001, 57 (66); vgl. dazu auch: Mertens, ZGR 1994, 426 (428 ff.); Behrens, FS Mestmäcker, S. 831 (841); Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, Deutschland, Europa und USA, S. 61 ff.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Gesellschaftsformen macht die Gemeinschaft auch für den Aktionär und dessen Schutz bestimmte Vorgaben. Die nachfolgende Untersuchung soll zeigen, welches Konzept die Gemeinschaft dabei verfolgt und welche Lösungen sie für den Schutz der Stellung der Aktionäre bereithält. 1. Ermächtigungsnorm
Schon die zentrale Ermächtigungsnorm im Bereich des Europäischen GeseIlschaftsrechts nimmt den Aktionär in den Blick?1 Sie ermächtigt ausdrücklich zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die für Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter vorgeschrieben sind. Der Schutz des Aktionärs war also von Anfang an einer der Beweggründe für die Gesellschaftsrechtsharmonisierung, was sich auch in den Erwägungsgründen vieler Sekundärrechtsakte widerspiegelt. 32 2. Informationsdominiertes Schutz konzept
Welches Konzept die Gemeinschaft bei der Regelung des Aktionärsschutzes verfolgt, lässt sich nur erkennen, wenn man die Gesamtheit der Regelungsakte in den Blick nimmt. Das heißt, dass nicht nur die schon verabschiedeten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien, sondern auch die noch nicht verwirklichten Regelungsvorhaben, wie beispielsweise der Vorschlag für eine 5. gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die Struktur der Aktiengesellschaft oder der Vorschlag einer 13. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Regelung von Übernahmeangeboten, Berücksichtigung finden müssen. 33 Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil neue Richtlinienentwürfe an die schon vorhandenen Rechtsakte anknüpfen und somit wechselseitige Bezüge haben. 34 Vgl. zur Auslegung des Art. 44 11 lit. g EG ausführlich: 1. Teil § 2 IV. 2. a). Vgl. 2. Erwägungsgrund der Kapital-RL, 4. Erwägungsgrund Verschm-RL, 1. Erwägungsgrund Bilanz-RL, 5., 12., 13., 14. Erwägungsgrund Struktur-RL, 6. Erwägungsgrund Spaltungs-RL, 1. Erwägungsgrund Konzembilanz-RL, 13., 14. Erwägungsgrund Konzem-RL, 2., 3., 5., Erwägungsgrund Übemahme-RL, 7. Erwägungsgrund Sitzv-RL. 33 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (7); vgl. auch die Darstellung bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 44 ff.; Behrens, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Rn. 18 ff. 34 Vgl. beispielsweise Art. 25 I Kapital-RL, 6 Verschm-RL, Art. 4 Spaltungs-RL, die auf Art. 3 Publizitäts-RL verweisen. Darüber hinaus hat der EuGH sogar zur Auslegung der Vertretungsregeln in der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie auf eine Vorschrift des Vorschlags für eine 5. gesellschaftsrechtliche Richtlinie, d.h. auf eine noch nicht verabschiedete Richtlinie zurückgegriffen. Vgl. EuGH 10.12.1997 Rs C-104/96 (Coöperative Rabobank), Sig. 1997, 1-7211 (7227 Rn. 25). 31
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a) Interne Unternehmenssteuerung Zu Beginn der Gesellschaftsrechtshannonisierung verfolgte die Gemeinschaft ein Konzept, dass gerade für die Aktiengesellschaft fast alle wichtigen Regelungsprobleme umfasste. 35 Zu diesem Konzept gehörte auch eine umfassende Angleichung der typischen Aktionärsschutznonnen mitgliedschaftlicher Ausprägung. Gerade im Bereich der Innenverhältnisse der Gesellschaft konnten aber (bisher) nur wenige Rechtsakte verabschiedet werden, so dass die nationalen Gesellschaftsrechte nur in wenigen Punkten harmonisiert sind. Trotzdem finden sich auch in den schon verabschiedeten Richtlinien einige Regeln, die traditionell dem Konzept der internen Unternehmenssteuerung folgen. So legt die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie ein gemeinschaftsweites System des festen Kapitals für Aktiengesellschaften fest, in dessen Rahmen auch Teilaspekte eines mitgliedschaftlichen Schutzes, wie das Bezugsrecht der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen, geregelt werden?6 Sie enthält zudem einen generellen Anspruch auf Gleichbehandlung durch die Organe der Aktiengesellschaft. 37 Auch die 3. und 6. gesellschaftsrechtliche Richtlinie enthalten verschiedene Infonnations- und Beteiligungsrechte der Aktionäre bei Verschmelzung und Spaltung, die ihre Entsprechung in den Vorschlägen der 10. und 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie für die Fälle der grenzüberschreitenden Verschmelzung und grenzüberschreitenden Sitzverlegung findet. 38 Die umfassendste Regelung interner Unternehmenssteuerung beinhaltet der Vorschlag für eine 5. gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft, die jedoch bis jetzt und auch nach mehreren Änderungen noch nicht verabschiedet werden konnte. 39 Dieser Richtlinienvorschlag regelt viele der klassischen Aktionärsrechte, die mit dem mitgliedschaftlichen Verständnis des Anteilsbesitzes an einer Gesellschaft verbunden sind. So finden sich Regelungen für das Stimmrecht, das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung sowie Infonnations- und Auskunftsrechte. Genauso enthält der Richtlinienvorschlag verschiedene Minderheitsrechte, wie das Recht zur Einberufung der Hauptversammlung und Änderung der Tagesordnungspunkte. 4o Wie schon erörtert, ist die Angleichung gerade in diesem Bereich wegen der Unterschiede in den nationalen Gesellschaftsrechten aber auf dauerhaften Widerstand gestoßen. 41
35 36
37 38 39 40
Vgl. V gl. Vgl. Vgl. Vgl. V gl.
dazu: dazu: dazu: dazu: dazu: dazu:
1. Teil § 2 IV. 3. § 4 11. 1. § 4 III. 3. § 4 I. 1. b), c). § 5 I. § 5 I. 2.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Trotz der fehlenden Harmonisierung der internen Struktur der Aktiengesellschaft lässt sich aus dem Gesamtbild der Richtlinien und Richtlinienvorschläge ein System der Aktionärsbeteiligung erkennen, das auf zentralen und einheitlichen Wertungen beruht. Dies gilt vor allem für den Bereich der Strukturänderungen. Hier ist ein Schutzmechanismus erkennbar, der in seiner Grundstruktur in fast allen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und sogar in der Verordnung für eine Europäische Aktiengesellschaft wiederzufinden ist. 42 Die wesentlichen Elemente sind (1) die Entscheidungsmacht des Betroffenen, entweder kollektiv (innerhalb der Hauptversammlung) oder auch individuell (Annahme eines Übernahmeangebots oder Austrittsrecht), (2) die Information über den jeweiligen Vorgang und (3) die Informationskontrolle. 43 b) Externe Unternehmens steuerung
Informationsregeln sind auch prägend für andere Bereiche des Europäischen Gesellschafts- und Unternehmensrechts. 44 Gerade wegen der Probleme bei der Harmonisierung der inneren Struktur der Gesellschaft betrifft der größte Teil der verabschiedeten Rechtsakte auf dem Gebiet des Gesellschafts- und Unternehmensrechts primär das Außenverhältnis der Gesellschaft. Aber auch diese Rechtsakte beinhalten Regelungen, die aktionärsschützenden Charakter aufweisen. Sie dienen nicht nur dem Gläubigerschutz, sondern auch den Interessen des Anlegerpublikums. 45 Ein wesentliches Informationsinstrument in diesem Bereich ist die Bilanz, deren Regelung im Mittelpunkt der 4., 7., 8. gesellschaftsrechtliche Richtlinie steht. 46 Nicht nur Dritten, sondern auch den Gesellschaftern soll nach den Erwägungsgründen der 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie "ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft" vermittelt werden. 47 Für den Schutz der Aktionäre können zwei Aspekte unterschieden werden. Zum 41 Das bisher größte Hindernis für die Verabschiedung der 5., 9., 10. und 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie war die Frage der unternehmerischen Mitbestimmung. 42 Vgl. dazu: § 4 I. 43 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (7, 24 ff.); Hirte, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 211 (221); HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (272). 44 Grundmann, FS Lutter, S. 61 ff. 45 Lutter, ZGR 2000, 1 (5 f.); Schön, ZGR 2000, 706 (710 ff.). 46 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (74); Schön, ZGR 2000, 706 (710); Hommelhoff, ZGR 2000, 748 (749 ff.). 47 Vgl. 1. und 4. Erwägungsgrund der Bilanz-Richtlinie.
§ 3 Einführung
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einen dient die in der Bilanz enthaltene Information der effektiven Überwachung der Unternehmensführung. 48 Zum anderen hat die Bilanz auch eine Ausschüttungsbemessungsfunktion und dient damit auch den Vermögensinteressen den Aktionäre. 49 Zum Regelungskonzept der Gemeinschaft gehörte von Anfang an auch das Kapitalmarktrecht. 5o Neben dem Funktionsschutz des Marktes ist eines der Ziele kapitalmarktrechtlicher Regelungen auch der Schutz des Aktionärs als Anleger (Individualschutz). Im Mittelpunkt des Europäischen Kapitalmarktrechts steht dabei, wie beim Bilanzrecht, die Information. Dazu dienen einerseits die primärmarktrechtlichen Publizitätsinstrumente, wie der Börsenzulassungsprospekt, der Zwischen- oder Halbjahresbericht und die ad-hoc-Meldung. 51 Aber auch die sekundärmarktrechtlichen Regelungen, wie die Verhaltensregeln der Wertpapierdienstleistungs- und Insider-Richtlinie, stellen im Wesentlichen Informationsregeln dar. 52 c) Dominanz von Informationsregeln
Der Schutz der Aktionäre wird innerhalb des Gesamtkonzepts der Gemeinschaft also auf verschiedene Weise geregelt. Neben Regelungen interner Steuerungsmechanismen, wie Aktionärsrechten, umfasst das Konzept auch Regelungen der externen, kapitalmarktbasierten Steuerung der Gesellschaft. Gemeinsames Merkmal aller Schutzbestimmungen ist aber die Dominanz von Informationsregeln. aa) Vorrang von Informationsregeln Schon aus den Grundfreiheiten leitet sich eine Entscheidung für den Vorrang von Informationsregeln ab. 53 Im Wesentlichen geht dies auf die "Cassis de Dijon"-Entscheidung des EuGH zurück. 54 Danach ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das bloße Informationsgebot einer inhaltlich zwingenden Verbotsnorm vorzuziehen. Es reicht danach aus, wenn die zu schützende Person durch die Information in den Stand gesetzt werden kann, selbst rational nutzenmaximierend zu entscheiden. 55 Auch das von der GeSchön, ZGR 2000, 706 (710). Schön, ZGR 2000, 706 (711). 50 Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 3. b) cc). 51 Heinze, S. 34 ff.; Hommelhoff, ZGR 2000, 748 (752). 52 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (74); Deckert/v. Rüden, EWS 1998,46 (49). 53 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (62 0; ders., JZ 2000, 1133 (1138); Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S. 304 f.; Roth, ZEuP 1994, 5 (15-18). 54 EuGH, 20.2.1979 - Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979,649. 55 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (62); ders., JZ 2000, 1136 (1138). 48
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
meinschaft verfolgte Konzept der Minimumharmonisierung wird auf diese Grundsätze zurückgeführt. 56 Zudem gilt für den Gemeinschaftsgesetzgeber das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 III EG), wonach die Maßnahmen nicht über das zur Erreichung der Ziele erforderliche Maß hinausgehen dürfen. Der Vorrang der weniger einschneidenden Informationsregel vor dem inhaltlich zwingenden Ge- oder Verbot ist also auch beim Erlass von sekundärem Gemeinschaftsrecht zu beachten. 57 Der Vorrang der Informationsregeln kann auch mit ihren Vorteilen begründet werden. Ein Vorteil der Informationsregeln ist beispielsweise, dass sie keine bestimmte zwingende Lösung vorgeben. Es ergibt sich damit eine breitere Palette von Gestaltungs- und Anpassungsmöglichkeiten. Zum Schutz der Aktionäre werden nicht bestimmte Maßnahmen der Unternehmensführung gänzlich untersagt, sondern nur an die Entscheidung und vorherige Information der Gesellschafter gebunden. 58 Insofern wird der Marktmechanismus weitgehend erhalten und Privatautonomie gefördert. 59 Wenn keine bestimmte Einheitslösung vorgeschrieben wird, hat dies auch integrationspolitische Vorteile. Im Gesetzgebungsverfahren auf Gemeinschaftsebene ist eine gemeinsame Lösung leichter zu finden, wenn weniger inhaltliche Vorgaben gemacht werden und mehr Raum für die Umsetzung der Regelung in das nationale Recht bleibt. 6o Dafür ist gerade das Europäische Gesellschaftsrecht beispielhaft. Dort, wo die Gemeinschaft zwingende inhaltliche Vorgaben machen wollte, wie im Bereich der internen Organisation der Gesellschaft, konnte man sich bis heute auf keine Lösung einigen. Dagegen weist der Bereich des Außenverhältnisses der Gesellschaft, wo Informationsregeln dominieren, eine größere Harmonisierungsdichte auf. Bei einer Rechtsgestaltung durch Informationsregeln sind zwei Aspekte zu unterscheiden. Dies ist zum einen die Informationsfähigkeit des Betroffenen und zum anderen seine Entscheidungsmöglichkeit. Veranschaulichen lässt sich das auch anhand der Aktionärsschutznormen des Europäischen Gesellschafts- und Unternehmensrechts. Dies gilt für Regelungen zur internen, wie auch zur externen Unternehmenssteuerung. Grundmann, FS Lutter, S. 61 (62). Vgl. dazu auch: 1. Teil § 2 III. 1. b) cc). Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist, wie auch die nationalen Gesetzgeber, an die Grundfreiheiten gebunden: EuGH, 20.4.1978 - verb. Rs. 80 und 81/77 (Commissionaires Reunies und Fils de Henri Ramel), Sig. 1978, 927 (944-947); EuGH, 14.7.1998 - Rs. C-341/95 (Bettati), Sig. 1998, 1-4355 (43800; Grundmann, FS Lutter, S. 61 (63); ders., JZ 2000, 1136 (1138). 58 Genauso kann auch bei der Ausgestaltung der mit der Aktie verbundenen Rechte und Pflichten ein gewisser Spielraum bleiben und auf die Festlegung einer bestimmten Form verzichtet werden, wenn die Information über die Ausgestaltung ausreicht. 59 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (66); ders., JZ 2000, 1133 (1143). 60 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (660; ders., JZ 2000, 1133 (1143). 56
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bb) Informationsfähigkeit Ein Regelungsproblem des Aktionärsschutzes ist das Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle und die damit einhergehende Notwendigkeit der Kontrolle des Managements. Informationsregeln können dieses Problem dadurch lösen, dass sie den Aktionären als schlechter informierte Seite Informationen über die Geschäfte der Unternehmensführung und die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft vermitteln. Es geht also um die Beseitigung von Informationsasymmetrien. Dazu dienen die Informationsgebote, die als Primärpflichten die Preisgabe der Information anordnen. 61 Aber nicht nur das Fehlen von Informationen ist ein Problem der Informationsfähigkeit, sondern auch die fehlende Verarbeitungsmöglichkeit der vermittelten Information auf Seiten der Aktionäre. Informationsintermediäre können hier zum einen für die Verarbeitung der komplexen Informationen und zum anderen auch für deren Überprüfung sorgen. Hiermit ist gleichzeitig ein weiteres Regelungsproblem angesprochen, die Absicherung der Information. Dazu dienen Sekundärpflichten, die für die Richtigkeit der vermittelten Information sorgen. 62 Die Rechtsakte im Europäischen Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht sehen daher zumeist auch Regeln zur Haftung der Unternehmensführung für die vermittelte Information bzw. des für die Überprüfung der Information zuständigen Sachverständigen oder Intermediärs VOr. 63 cc) Entscheidungsmöglichkeit Für ein solches informationsbasiertes Regelungskonzept ist aber auch die Entscheidungsmöglichkeit des Aktionärs von Bedeutung. Über die bloße Informationsvermittlung hinaus ist es wichtig, dass die "schwächere" Seite die Möglichkeit hat, auf diese Information zu reagieren. Denn ohne Reaktion wird die vermittelte Information auch weniger Auswirkungen auf die Unternehmensführung haben. 64 Für den Fall der externen Unternehmenssteuerung ist dies in der Regel unproblematisch. Hier sollen die aktuellen und zukünftigen Aktionäre als Adressaten des kapitalmarktrechtlichen Informationssystems zu einer eigenverantwortlichen Kauf- oder Verkaufsentscheidung befähigt werden (Exit).65 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (67). Grundmann, FS Lutter, S. 61 (67); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn 222; HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (274) (für die dritte gesellschaftsrechtliche Richtlinie). 63 Ein Beispiel dafür ist die Haftung des Abschlussprüfers. Vgl. dazu: § 4 I. 3. 64 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (78, 79). 61
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Bei den Regelungen, die die interne Unternehmenssteuerung betreffen, ist dies problematischer. Hier müssen den Aktionären (flankierend) bestimmte Entscheidungsrechte eingeräumt werden (Voice). Diese Entscheidungsrechte ermöglichen es den Aktionären, auf das Verhalten des Managements direkten Einfluss zu nehmen. Die Information ist dann Voraussetzung für eine rational gewinnmaximierende Entscheidung des Aktionärs. Im Europäischen Gesellschaftsrecht wird den Aktionären ein solches Mitentscheidungsrecht insbesondere bei wesentlichen Strukturentscheidungen eingeräumt. 66 Das Entscheidungsrecht wird dabei in der Regel kollektiv im Rahmen der Hauptversammlung, teils aber auch individuell als Einzelzustimmung oder Ablehnung ausgestaltet.
3. Überblick Im Folgenden sollen nun die einzelnen Elemente des Aktionärsschutzes im Europäischen Gesellschaftsrecht näher beleuchtet werden. Besonderes Augenmerk soll hier auf die Elemente der internen Unternehmenssteuerung, also auf die klassischen Aktionärsrechte gelegt werden. Im vierten Kapitel (§ 4) wird daher näher auf das System der Aktionärsbeteiligung an der Willensbildung innerhalb der Gesellschaft eingegangen, dass sich durch verschiedene Informations- und Mitentscheidungsrechte auszeichnet. Ausgangspunkt ist dabei der Aktionärsschutz im Bereich der Grundlagenentscheidungen. Daneben sollen aber Aspekte des Vermögens- und Minderheitenschutzes erläutert werden. Wichtigster Rechtsakt für die Ausgestaltung der Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft ist der Vorschlag für eine 5. gesellschaftsrechtliche Richtlinie. Im fünften Kapitel (§ 5) soll deshalb genauer auf Entwicklung und Regelungskonzept dieses Rechtsaktes eingegangen werden. Von besonderem Interesse sind hierbei die Regelungen zur Hauptversammlung und die darin enthaltenen Aktionärsrechte. Zu den Zielen der Gemeinschaft gehörte von Anfang an die Schaffung der Europäischen Aktiengesellschaft als supranationale Gesellschaftsform. Neben dem Vorschlag für eine Struktur-Richtlinie soll deshalb im fünften Kapitel auch die Rechtsstellung des Aktionärs und die Ausgestaltung seiner Rechte durch das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft genauer untersucht werden.
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Hommelhoff, ZGR 2000, 748 (753 f.). V gl. dazu: § 4 I. 1.
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§ 4 Der Schutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen I. Beteiligung des Aktionärs an Grundlagenentscheidungen 1. Mitentscheidungsrechte des Aktionärs
Ein wichtiges Element des Aktionärsschutzes im Europäischen Gesellschaftsrecht ist die Mitwirkung des Aktionärs an der Willensbildung der Gesellschaft. Es gehört zu den Prinzipien des Eignerschutzes, den Gesellschafter an wichtigen Strukturmaßnahmen durch ein Entscheidungsrecht zu beteiligen. 67 Insofern schreiben die meisten Richtlinien einen Beschluss der Hauptversammlung für solche Grundlagenentscheidungen vor. Dadurch können die Aktionäre die Entwicklung der Gesellschaft zumindest für den Fall wesentlicher Änderungen mitgestalten und direkt auf das Verhalten der Unternehmensleitung Einfluss nehmen. Auch der EuGH hat das subjektive Recht des Aktionärs an der Teilhabe an der Entscheidungsgewalt der Gesellschaft bereits mehrmals in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellt. 68 Mitentscheidungsrechte bilden außerdem die Ergänzung zu den vielen Informationspflichten, denn durch sie kann die Information in eine rationale, gewinnmaximierende Entscheidung umgesetzt werden. 69 a) Kapitalmaßnahmen
Im Mittelpunkt der zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie steht neben Fragen der Gründung und des Satzungsinhalts vor allem die Schaffung eines festen (Mindest-)Grundkapitals für die Aktiengesellschaft?O Da die Aktionäre nicht persönlich für die Gesellschaftsschulden einzustehen haben, soll die Gesellschaft zum Schutz der Gläubiger über ein bestimmtes Min67 HommelhojflRiesenhuber, in: Grundmann, (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, 259 (272); Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (27); Hommelhoff, ZGR 1993, 452 (453). Vgl. auch die Wertung der Holzmüller-Entscheidung des BGH, BGHZ 83, 122 (131 f.). 68 EuGH 30.5.1991 - Rs C 19, 20/90 (Karella), Sig. 1991, 1-2691; EuGH 24.3.1992 - Rs C-581/89 (Evangeliki Ekklesia), Sig. 1992, 1-2112 (2134); 12.11.1992 - Rs C-134, 135/91 (Kerafina), Sig. 1992,1-5699 (5713); 12.3.1996 Rs C-441/93 (Panagis Pafitis), Sig. 1996,1-1347; Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (27). 69 HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (274). 70 Vgl. ausführlich zur Kapital-Richtlinie etwa: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 135 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 566 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 109 ff.; Drinkuth, S. 117 ff.; Ganske, DB 1978, 2461 ff.; Hüjfer, NJW 1979, 1065 ff.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
destkapital verfügen, das durch Vorschriften über die Kapitalerbringung und -erhaltung gesichert wird. 71 Die Regeln zur Erhaltung, Erhöhung und Herabsetzung des Kapitals der Gesellschaft dienen aber nicht nur dem Schutz der Gläubiger, sondern auch der Aktionäre. 72 Geschützt werden soll vor allem das Interesse der Aktionäre an der relativen Beteiligung in der Gesellschaft und ihrer damit verbundenen Verwaltungs- und Vermögensrechte. 73 Insbesondere in den Fällen, in denen der Aktionär eine Sperrminorität hält oder das für die Geltendmachung von Minderheitsrechten erforderliche Quorum hält, kann die Änderung der Kapitalstruktur durch die Verwaltung oder einen Großaktionär zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse in der Gesellschaft führen. Die zweite gesellschaftsrechtlichen Richtlinie sieht daher bei Änderungen der Kapitalstruktur der Gesellschaft einen Beschluss der Hauptversammlung vor. aa) Kapitalerhöhung Besondere praktische Bedeutung hat die Kapitalerhöhung. Nach Art. 25 I Kapital-RL muss diese von der Hauptversammlung beschlossen werden. Eine Regelung der Mehrheitserfordernisse ist dabei nicht vorgesehen, denn Art. 40 Kapital-RL umfasst die Kapitalerhöhung gerade nicht. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass für sie eine einfache Mehrheit ausreicht. 74 Allerdings handelt es sich hier nur um einen Mindeststandard, wodurch eine nationale Regelung mit strengeren Anforderungen möglich bleibt. 75 Dies ist auch regelmäßig der Fall, denn wegen Art. 2 lit. c Kapital-RL ist die Höhe des Grundkapitals ein notwendiger Bestandteil der Satzung und die Kapitalerhöhung bzw. Kapitalherabsetzung somit eine Satzungsänderung. 76 Der Beschluss sowie die Durchführung der Kapitalerhöhung sind nach dem in Art. 3 Publizitäts-RL vorgesehenen Verfahren offen zu legen (Art. 25 I 2 Kapital-RL). 71 Vgl. Erwägungsgrund 4 Kapital-RL; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 137; Kübler, Aktie, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 29 ff., 61 f.; ders., Kapitalmarktgerechte Aktien?, WM 1990, 1853 ff.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 225 ff., Rn. 607 ff. n 2. und 5. Erwägungsgrund Kapital-RL. 73 Hirte, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, 211 (222); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 187; Kübler, AG 1994, 141 (147). 74 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 615. 7.\ Drinkuth, S. 224 ff.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 190; Meilicke, OB 1996, 513 (517). Vgl. zur Frage der Zulässigkeit von strengerem nationalem Recht im Verhältnis zu Richtlinienregelung: I. Teil § 2 IV. 4. b) dd). 76 Vgl. die rechtsvergleichende Übersicht bei Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 549. Für die Satzungsänderung sieht Art. 39 Struktur-RL allgemein eine 2/3 Mehrheit bzw. zumindest eine qualifizierte Mehrheit vor.
§ 4 Der Schutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen
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In Abweichung von diesem Grundsatz lässt Art. 25 11 Kapital-RL die Möglichkeit zu, ein anderes Gesellschaftsorgan durch Satzung, den Errichtungsakt oder Beschluss der Hauptversammlung zu einer Kapitalerhöhung über einen bestimmten Höchstbetrag für einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren zu ermächtigen ("genehmigtes Kapital"). Die oberste Entscheidungszuständigkeit über die Durchführung einer solchen Grundlagenentscheidung kann also auch delegiert werden. 77 Zwar wird insoweit das Mitentscheidungsrecht des Aktionärs abgeschwächt, jedoch ist das genehmigte Kapital von erheblicher praktischer Bedeutung für die Handlungsfähigkeit und Finanzierung der Unternehmen. 78 Andere Abweichungen von dem Grundsatz des Hauptversammlungsbeschlusses sind nach der Rechtsprechung des EuGH trotz der Vorschrift des Art. 41 I Kapital-RL aber nicht möglich?9 So kann weder das Verwaltungsoder Leitungsorgan 80 noch eine staatliche Verwaltungsbehörde81 über die Kapitalerhöhung anstelle der Hauptversammlung beschließen und auch Ausnahmen für bestimmte Wirtschaftssektoren wie Banken verstoßen gegen Art. 25 I Kapital-RL. 82 bb) Kapitalherabsetzung Auch die Kapitalherabsetzung, die in der Regel mit der Beseitigung einer Unterbilanz verbunden ist und der Sanierung der Gesellschaft dient, berührt die Interessen der Aktionäre. 83 Mit ihr geht zwangsläufig auch eine Verkürzung der mitgliedschaftlichen Befugnisse einher. 84 Das Beschlusserforder77 Einige nationale Gesellschaftsrechte lassen dagegen nur eine Übertragung der Entscheidung über das Wie einer Kapitalerhöhung auf den Vorstand zu. Hirte, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, 211 (222). Vgl. auch für das französische und britische Recht: Wiedemann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, § 182 AktG Rn. 17 ff., § 186 Rn. 23 ff.; Hirte/Butlers, ZBB 1998, 286 (289 ff.); Drinkuth, S. 229. 78 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 619; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 186. 79 EuGH 30.5.1991 - Rs C 19, 20/90 (Karella), Slg. 1991, 1-2691; EuGH 24.3.1992 - Rs C-581/89 (Evangeliki Ekklesia), Slg. 1992, 1-2112 (2134); 12.11.1992 - Rs C-134, 135/91 (Kerafina), Slg. 1992,1-5699 (5713); 12.3.1996 Rs C-441/93 (Panagis Pafitis), Slg. 1996, 1-1347. Vgl. auch: Drinkuth, S. 224 ff.; Klinke, ZGR 1993, 1 (22 ff.); Tellis, EuZW 1992,657 (659); Trimidas, 17 EL Rev. (1992), 158 ff. 80 EuGH, 12.11.1992 - Rs C-134, 135/91 (Kerafina), Slg. 1992,1-5699 (5713). 81 EuGH 30.5.1991 - Rs C 19, 20/90 (Karella), Slg. 1991, 1-2691; EuGH 24.3.1992 - Rs C-581/89 (Evangeliki Ekklesia), Slg. 1992, 1-2112 (2134). 82 EuGH, 12.3.1996 Rs C-441/93 (Panagis Pafitis), Slg. 1996, 1-1347; Klinke, ZGR 1996,567 (587 ff.); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 616. 7 Pannier
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
nis gilt nach Art. 30 I Kapital-RL deshalb auch für jede Form der Kapitalherabsetzung. Dieser Beschluss muss nach Art. 40 I Kapital-RL mit der Mehrheit von grundsätzlich zwei Dritteln 85 beschlossen und wie der Beschluss über die Kapitalerhöhung veröffentlicht werden. ce) Erwerb eigener Aktien Genauso führt der Erwerb eigener Aktien zu einer Veränderung der Kapitalverhältnisse innerhalb der Gesellschaft, die den Schutz der Aktionäre erfordert. Dies betrifft beispielsweise die Kompetenzabgrenzung innerhalb der Gesellschaft, die gefährdet ist, wenn die Gesellschaft ihr eigener Aktionär ist. So könnte die Unternehmensführung die Rechte aus den eigenen Aktien, insbesondere das Stimmrecht ausüben und so eine wirksame Kontrolle der Verwaltung verhindern. 86 Zudem könnte er durch den Erwerb eigener Aktien Einfluss auf die Aktionärsstruktur der Gesellschaft nehmen und auf diesem Weg unliebsame Aktionäre "ausschalten". Die Kapital-Richtlinie untersagt daher grundsätzlich die Zeichnung eigener Aktien (Art. 18 I Kapital-RL) oder die Zeichnung eigener Aktien durch Dritte (Art. 18 11 KapitalRL). Nur in den Ausnahmefällen des Art. 19 Kapital-RL ist ein Eigenerwerb zulässig. Zu den dafür erforderlichen Bedingungen gehört ein Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung (Art. 19 I lit. a Kapital-RL), der auch die Einzelheiten des vorgesehenen Erwerbs festlegt. 87 Allerdings ist der Erwerb eigener Aktien auch dann auf 10 % des Grundkapitals beschränkt (Art. 19 I lit. b Kapital-RL).88 83 Berührt sind in erster Linie die Interessen der Gläubiger, denn durch die Kapital herabsetzung kann bislang gebundenes Vermögen an die Aktionäre ausgeschüttet werden (Art. 15 I lit. a Kapital-RL) bzw. können diese von noch offenen Einlageverpflichtungen befreit werden. Vgl.: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 203. 84 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 203. 85 Nach Art. 40 11 Kapital-RL können die Mitgliedstaaten auch vorschreiben, dass eine einfache Mehrheit ausreicht, sofern mindestens die Hälfte des gezeichneten Kapitals vertreten ist. 86 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 599; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 178; Huber, FS Duden, S. 137 (140 ff.); v. Rosen/Helm, AG 1996,434 (438). Zu weiteren Erwerbsgründen, wie Kursentwicklung und Verhinderung von Übernahmen: Skog, ZGR 1997, 306 (308 ff.). 87 Ausnahmen vom Beschlusserfordernis bestehen in den Fällen des Art. 19 11 und III Kapital-RL (Schadensabwehr und Belegschaftsaktien). Art. 20 Kapital-RL regelt darüber hinaus noch andere Fälle des zulässigen Eigenerwerbs. 88 Im Bereich des Erwerbs eigener Aktien hat die SLIM-Expertengruppe Gesell- . schaftsrecht weitere Erleichterungen vorgeschlagen. Dazu gehört auch die Lockerung der 10 % Grenze. Diese sollte nach dem Vorschlag der SLIM-Gruppe durch die Begrenzung des Erwerbs in Höhe des ausschüttungsfähigen Vermögens ersetzt werden. Auch die Geltungsdauer der Ermächtigung der Hauptversammlung an den
§ 4 Der Schutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen
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Wenn der Eigenerwerb in bestimmten Fällen zulässig ist, besteht aber weiterhin das schon angesprochene Kompetenzproblem. Die Vorschrift des Art. 22 I lit. a Kapital-RL versucht dem dadurch entgegenzuwirken, dass sie den eigenen Aktien kein Stimmrecht zuerkennt. 89 Nach Art. 24a Kapital-RL gilt dies auch für Aktien, die von einer abhängigen Gesellschaft gehalten werden. b) Umwandlung der Gesellschaft
Auch die mit einer Umstrukturierung der Gesellschaft verbundene Veränderung lässt den Schutz der Gesellschafter als dringlich erscheinen. 9o So können Teilung, Zusammenfassung oder Änderung der Rechtsform auch Auswirkungen auf die Stellung der Aktionäre und insbesondere auf das Beteiligungsverhältnis und die damit verbundenen Verwaltungs- und Vermögensrechte haben. Das bestehende Europäische Gesellschaftsrecht regelt die Strukturmaßnahmen aber nur ausschnittweise. Verabschiedet wurden bisher nur die 3. und 6. gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die nationale Verschmelzung und Spaltung von Aktiengesellschaften. Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Aktiengesellschaften ist Gegenstand des Vorschlags einer 10. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie. aa) Verschmelzung Die Verschmelzung der Aktiengesellschaft hat zur Folge, dass die Altaktionäre der übertragenden Gesellschaft(en) ipso iure Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft werden. Es kommt also grundsätzlich zu einem Aktientausch. 91 Das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft(en) geht auf die übernehmende Gesellschaft über und die übertragende(n) Gesellschaft(en) erlöschen. Aus diesen Rechtsfolgen leitet sich auch das Schutzbedürfnis der Aktionäre ab. 92 Neben dem Schutz der Gläubiger ist der Schutz der Aktionäre deshalb auch ein wesentliches Ziel der Vorstand sollte nach diesem Vorschlag von 18 Monate auf 5 Jahre erhöht werden. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ergebnisse der vierten Phase der SLlMInitative vom 4.2.2000, KOM (2000) 56 endg., S. 15, Ziff. 2.4. Vgl. ausführlich zur SLlM-Initiative: Drygala, AG 2001, 291 ff.; Wymeersch, WP 2001-06, S. 27 ff.; Kallmeyer, AG 2001, 406-409. 89 Allerdings verhindert diese Regelung nicht, dass sich beim Erwerb eigener Aktien die Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Gesellschaft ändern. Vgl.: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 599. 90 Vgl. 3. und 4. Erwägungsgrund der Verschm-RL; 5. und 6. Erwägungsgrund der Spaltungs-RL. 91 Vgl. zu den Ausnahmen: § 4 11. 3. 7*
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
3. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie. 93 Darüber hinaus bezweckte sie aber auch eine generelle Einführung von Regeln über die Verschmelzung, da diese nicht in allen Mitgliedstaaten vorgesehen waren. 94 Die Richtlinie regelt zwei Fälle der Verschmelzung, die Verschmelzung durch Aufnahme (Art. 3 Verschm-RL) und die Verschmelzung durch Neugründung (Art. 4 Verschm-RL). In beiden Fällen bedarf die Verschmelzung nach Art. 7 I S. 1 Verschm-RL der Zustimmung der Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften. Für den Beschluss ist eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln notwendig (Art. 7 I 2 VerschmRL).95 Im Fall der Verschmelzung durch Neugründung ist darüber hinaus die Zustimmung beider Hauptversammlungen der übertragenden Gesellschaften zum Verschmelzungsplan und der Satzung der neuen Gesellschaft notwendig (Art. 23 III Verschm-RL). Von der Zustimmung der Hauptversammlung können die nationalen Vorschriften nur für die übernehmende Gesellschaft absehen und auch nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (Art. 8 Verschm-RL). Das ist zum einen die ausreichende Information des Aktionärs über den geplanten Vorgang (Art. 8 lit. a und b). Zum anderen muss das nationale Recht für Minderheitsaktionäre der begünstigten Gesellschaft ein Recht auf Einberufung der Hauptversammlung vorsehen, in der über die Zustimmung zur Spaltung beschlossen wird (Art. 8 lit C).96 Besonders geregelt ist die konzerninterne Verschmelzung (Artt. 24 ff. Verschm-RL). Im Fall der Verschmelzung einer mindestens 90%igen Toch92 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 207, 221. Die Rechtsfolgen einer Verschmelzung sind in Art. 19 Verschm-RL geregelt. 93 VgI. zur Verschmelzungs-Richtlinie: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 207 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 634 ff.; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 128 ff.; Behrens, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. III. Rn. 80 ff.; Wooldridge, 1 The Company Lawyer (1980), 75 ff.; Barbasso, Journal of Business Law 1984, 176 ff.; Ganske, DB 1981, 1551 ff.; Kalss, JBI. 1995,420 ff.; Lehmann, DB 1984, 333 ff.; Sonnenberger, AG 1971,76 ff. 94 VgI.: 3. Erwägungsgrund und Art. 2 der Verschm-RL. Unbekannt war die Verschmelzung in den Niederlanden. Hier war die Verschmelzung nur einem freiwilligen Verhaltenskodex unterworfen. VgI. Ganske, DB 1981, 1551 Fn. 7. Auch in Großbritannien wird diese Form der Umstrukturierung nicht oft genutzt. VgI. Edwards, S. 91; Hallhuber, CMLR 38 (2001), 1385 (1406 f.); HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann, Systemdenken und Systembildung, S. 259 (266); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 207; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 637. 95 Auch hier können die Mitgliedstaaten vorschreiben, dass eine einfache Mehrheit ausreicht, sofern mindestens die Hälfte des gezeichneten Kapitals vertreten ist (Art. 7 I S. 3 Verschm-RL). 96 Der Mindestprozentsatz am gezeichneten Kapital darf nach Art. 8 lit. c Verschm-RL von den Mitgliedstaaten auf nicht mehr als 5 % festgesetzt werden.
§ 4 Der Schutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen
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tergesellschaft auf die Muuergesellschaft kann neben anderen Formerfordernissen auch auf die Zustimmung der Hauptversammlung unter den schon erwähnten Voraussetzungen verzichtet werden (Aru. 25 und 27 VerschmRL). bb) Spaltung Während durch die Verschmelzung das Aktiv- und Passivvermögen von Gesellschaften zusammengefügt wird, kommt es bei der Spaltung zu einer Aufteilung von Vermögen. Aber auch hier werden die Aktionäre der gespaltenen Gesellschaft ipso iure Aktionäre einer oder mehrerer begünstigter Gesellschaften. Die Spaltung ist daher für die Aktionäre ein der Verschmelzung ähnlicher Vorgang. 97 Die Schutzkonzeption der 3. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie wird daher auch weitestgehend auf die 6. gesellschaftsrechtliche Richtlinie übertragen. 98 Von der Entstehungsgeschichte her hat die Spaltungs-Richtlinie vor allem den Zweck, die in einigen Mitgliedstaaten vorgesehenen Umgehungsmöglichkeiten zu den schon vorher durch die Verschmelzungsrichtlinie angeglichenen Regelungen zur Fusion anzugleichen. 99 Anders als die Verschmelzungs-Richtlinie schreibt die SpaltungsRichtlinie daher die Einführung des Instituts der Spaltung nicht vor, sondern macht nur für den Fall, dass das mitgliedstaatliche Recht die Spaltung vorsieht, inhaltliche Vorgaben, die denen der Verschmelzung ähneln (Art. 1 Spaltungs-RL).100 Wie die Verschmelzungs-Richtlinie erfasst die Spaltungs-Richtlinie zunächst zwei Arten der Umstrukturierung, die Spaltung durch Übernahme (Art. 2 ff. Spaltungs-RL) und die Spaltung durch Neugründung (Art. 21 ff. Spaltungs-RL). Darüber hinaus stellt sie auch die Abspaltung, bei der die gespaltene Gesellschaft als Rest fortbesteht (Art. 25 Spaltungs-RL), den zuletzt genannten Vorgängen gleich. Für die verschiedenen Arten der Spaltung ist auch im Rahmen der Spaltungs-Richtlinie sichergestellt, dass die Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 248. Der 4. Erwägungsgrund spricht von einer Verwandtschaft von Verschmelzung und Spaltung. Dies erklärt auch die vielen Verweise auf die Vorschriften der Verschmelzungs-Richtlinie. 99 So hätten im französischen Recht die stärker schützenden Regeln zur Fusion mit Hilfe der sog. "fusion-scission" umgangen werden können. Vgl. Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 196; HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann, Systemdenken und Systembildung, S. 259 (267). Vgl. zu diesem Hintergrund auch: DudenlSchilling, AG 1974, 202 (204 ff.); Teichmann, AG 1980, 85 ff.; Micheler, RIW 1993, 15 ff. 100 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 234; Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 196; HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann, Systemdenken und Systembildung, S. 259 (267). 97
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Aktionäre der beteiligten Gesellschaften in der Hauptversammlung einen Beschluss fassen (Art. 5 I Spaltungs-RL i. V. m. Art. 7 Verschm-RL). Auch hier kann, unter den gleichen Voraussetzungen wie beim Verschmelzungsbeschluss, von einer Zustimmung der Hauptversammlung abgesehen werden (Art. 6 Spaltungs-RL). cc) Grenzüberschreitende Verschmelzung Von besonderer Bedeutung für die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften ist auch die Umstrukturierung über die nationalen Grenzen hinweg. Trotzdem stoßen gerade solche Vorgänge noch immer auf sach- und kollisionsrechtliche Hindernisse. 101 Dazu gehört auch die grenzüberschreitende Verschmelzung, die Gegenstand der noch nicht verabschiedeten 10. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie ist. 102 Aufbauend auf den Regelungen der 3. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie über die nationale Fusion beschränkt sich die Richtlinie im Wesentlichen auf die Regelung der Probleme, die im grenzüberschreitenden Fall von Bedeutung sind. I03 Der Schutz der Aktionäre folgt daher im Wesentlichen dem Konzept der Verschmelzung-Richtlinie. Auch für die Zustimmung der Hauptversammlung zu einer grenz-überschreitenden Verschmelzung wird auf die Vorschriften für die nationale Verschmelzung verwiesen (Art. 7 S. I IntVerschm-RL). Für die grenzüberschreitende Fusion ist daher wie bei anderen Grundlagenentscheidungen grundsätzlich ein Beschluss der Hauptversammlung notwendig. 104 Das nationale Recht darf für diesen Beschluss zudem keine größere Mehrheit als im Fall einer nationalen Verschmelzung vorsehen (Art. 7 S. 2 IntVerschm-RL).105
101 Vgl. dazu: 1. Teil § 2 III. 2. a); für die Wirkung der Grundfreiheiten auf international zwingende nationale Normen aber: 1. Teil § 2 III. 1. b) bb). 102 Vgl. ausführlich zum Vorschlag für eine zehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie: Farmery, Business Law Review 1987, 35 f., 53; Ganske, DB 1985, 581 ff.; Großfeld, AG 1996, 302 (306); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 840 ff.; Behrens, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. III. Rn. 125. 103 Kennzeichnend sind daher die zahlreichen Verweisungen auf die Verschm-RL. Kritisch: Ganske, DB 1985, 581 (582 f.). Vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der IntVerschm-RL. 104 Auf ihn kann nur unter bestimmten Voraussetzungen verzichtet werden. Vgl. Art. 8 Verschm-RL. 105 Vgl. auch den 11. Erwägungsgrund der IntVerschm-RL, wonach für den Beschluss der Hauptversammlung keine strengeren Anforderungen als für den Beschluss einer nationalen Verschmelzung gestellt werden.
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c) Grenzüberschreitende Sitzverlegung
Nicht nur die grenzüberschreitende Umstrukturierung der Gesellschaft, sondern auch ihre grenzüberschreitende Sitzverlegung innerhalb der Gemeinschaft gehört zu den Formen der Niederlassungsfreiheit. 106 Allerdings stehen auch dieser Niederlassungsform sach- und kollisionsrechtliche Hindernisse entgegen. Der Vorentwurf für eine vierzehnte gesellschaftsrechtliche Richtlinie hat deshalb das Ziel, die Sitzverlegung innerhalb der Gemeinschaft bei Wahrung der Rechtsfähigkeit und Identität der Gesellschaft, also ohne Auflösung im Wegzugsstaat und Neugründung im Zuzugsstaat, zu ermöglichen. 107 Allerdings wird dabei unter Rücksichtnahme auf die verschiedenen Gesellschaftskollisionsrechte in den Mitgliedstaaten keine "große Lösung" angestrebt, bei der eine identitätswahrende Sitzverlegung unter Beibehaltung des bisherigen Gesellschaftsstatuts möglich ist. 108 Vielmehr wird eine "kleine Lösung" angestrebt, nach der die sitzverlegende Gesellschaft in jedem Fall das Gesellschaftsstatut des Zuzugsstaats annehmen muss (Art. 3 S. 2, 2. HS Sitzv-RL). Dieser Ansatz schlägt sich auch in der Definition der Sitzverlegungsarten nieder. Die Richtlinie unterscheidet zwischen der Verlegung des Satzungssitzes und der Verlegung des tatsächlichen Sitzes. Der letztere Begriff vereint nach Art. 2 lit. b Sitzv-RL den Ort der Hauptverwaltung und den des Satzungssitzes. 109 Eine Sitzverlegung ist dementsprechend nur durch Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes allein oder gemeinsam mit dem tatsächlichen Sitz der Gesellschaft möglich. In bei den Fällen hat die Verlegung den Wechsel des Gesellschaftsstatuts zur Folge. Ein Sitzwechsel hat auch für die Aktionäre verschiedene rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen. Dies betrifft vor allem Änderungen der mitgliedschaftlichen Rechte, die mit dem Wechsel des Gesellschaftsstatuts oder Vgl. 1. Teil § 2 III. 2. a). und 5. Erwägungsgrund der Sitzv-RL. Vgl. Art. 1 und 3 Sitzv-RL. Vgl. zum Richtlinienvorentwurf ausführlich: Priester, ZGR 1999, 36 ff.; Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43 ff.; Hügel, ZGR 1999, 71 ff.; Rajak, EBLR 11 (2000), 43 ff.; ders., ZGR 1999, 111 ff.; Meilicke, GmbHR 1998, 1053 ff.; Di Marco, ZGR 1999, 3 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 806 ff.; Timmerman, ZGR 1999, 147 ff. 108 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begründung der Kommission zum Vorentwurf der 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, ZIP 1997, 1721 (1722); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 811; Hügel, ZGR 1999, 71 (75); Hoffmann, ZHR 164 (2000), 43 (53); Meilicke, GmbHR 1998, 1053 (1055); 109 Dadurch schafft die Richtlinie einen neuen Anknüpfungsbegriff (anstelle des effektiven Verwaltungssitzes) und vermeidet eine Entscheidung zwischen der Sitzund der Gründungstheorie. Vgl. dazu: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Begründung der Kommission zum Vorentwurf der 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, ZIP 1997, 1721 (1722 f.); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 811, 816. 106 107
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einer etwaigen Satzungsänderung einhergehen. Die Sitzverlegung kann zudem die räumliche Distanz zu ihrer Gesellschaft vergrößern. IID Wie bei anderen Grundlagenentscheidungen sieht auch der Richtlinienentwurf deshalb in Art. 6 I einen Verlegungsbeschluss der Hauptversammlung vor. Dieser muss, wie die meisten anderen Beschlüsse, mit einer Mehrheit von grundsätzlich zwei Dritteln gefasst werden (Art. 6 11 und III Sitzv-RL). d) Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft Mit der Europäischen Aktiengesellschaft soll den Unternehmen, die dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, eine zusätzliche Alternative zu den oben genannten Möglichkeiten der Umstrukturierung und Kooperation gegeben werden. Der supranationale Charakter der Europäischen Aktiengesellschaft soll ermöglichen, europaweit mit nur einer Gesellschaftsform zu agieren und so die Wahl einer Gesellschaftsform, für die ein bestimmtes nationales Recht gilt, zu vermeiden. Für die Gründung einer solchen Gesellschaft sieht der Verordnungsentwurf für das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft fünf verschiedene Möglichkeiten vor: Die Gründung durch Verschmelzung (Art. 2 I SE-Statut), die Gründung einer Holding-SE (zwei nationale Aktiengesellschaften schaffen sich ihre europäische Muttergesellschaft, Art. 2 11 SE-Statut), die Gründung einer Tochter-SE (Art. 2 III SE-Statut), die Umwandlung einer nationalen Aktiengesellschaft in eine SE (Art. 2 IV SE-Statut) und schließlich die Gründung einer Tochter-SE aus einer schon bestehenden Europäischen Aktiengesellschaft (Art. 3 11 SE-Statut). III Auch in den Gründungsregeln spiegelt sich das Konzept der Aktionärsbeteiligung wieder. Wie bei anderen Umstrukturierungsmaßnahmen sieht auch das SE-Statut eine Beteiligung der Aktionäre durch Beschluss der an der Gründung beteiligten Hauptversammlung(en) vor (Artt. 23 I, 32 VI, 37 VII S. 1 SE-Statut). I 12 Die Europäische Aktiengesellschaft hat zudem die Möglichkeit, ihren Sitz innerhalb der Gemeinschaft unter Wahrung der Rechtsfähigkeit und Priester, ZGR 1999, 36 (38). Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Gründungsformen: Hirte, NZG 2002, 1 (3 ff.); Hommelhoff, AG 2001, 279 (280 ff.); Bungert/Beier, EWS 2002, 1 (6 ff.); Blanquet, ZGR 2002, 20 (44 ff.); SchulziGeismar, DStR 2001, 1078 (1079 ff.); Teichmann, ZGR 2002, 383 (409 ff.); Thoma/Leuering, NJW 2002, 1449 (1450 ff.). Für die ersten vier unmittelbaren Gründungsformen müssen die Gründungsgesellschaften eine schon zuvor vorhandene grenzüberschreitende Gesellschaftsstruktur aufweisen (grenzüberschreitendes Element). 112 Für die Gründung einer Tochtergesellschaft wird dagegen auf die nationalen Vorschriften verwiesen (Art. 36 SE-Statut). 110
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Identität zu verlegen (Art. 8 I SE-Statut). Wie bei der Verlegung einer nationalen Aktiengesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat ist hierfür ein Beschluss der Hauptversammlung notwendig (Art. 8 IV, VI SE-Statut). Dieser bedarf wiederum der Mehrheit von grundsätzlich zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen (Art. 8 VI, 59 I, 11 SE-Statut). e) Übernahmeangebote
Auch ein Kontrollwechsel in einer Gesellschaft im Wege der Übernahme berührt die Interessen der Aktionäre. 113 Der Vorschlag einer 13. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, der zuletzt im Europäischen Parlament abgelehnt wurde, I 14 hatte denn auch als vorrangiges Ziel den Schutz der Aktionäre durch bestimmte Mindestregelungen für die Durchführung des Übernahmeangebots. 115 Im Unterschied zu den schon erläuterten Umstrukturierungen der Gesellschaft und Änderungen des Grundkapitals ist die Übernahme der Aktiengesellschaft aber ein Akquisitionsvorgang, der auf dem Kapitalmarkt abläuft. Sie ist ein Element der externen Unternehmenssteuerung. 116 Die Übernahme erfolgt daher nicht durch einen Vertrag mit der Zielgesellschaft, dem die Hauptversammlung zustimmen muss, sondern durch eine Vielzahl von Aktienkäufen. Der Aktionär hat zwar wie bei anderen Grundlagenentscheidungen ein Entscheidungsrecht. Allerdings ist dieses Recht hier nicht kollektiv ausgestaltet, sondern der Aktionär trifft diese Entscheidung individuell. Hinzu kommt noch, dass der Aktionär bei einer ablehnenden Entscheidung, d. h. beim Verkauf seiner Aktien, nicht mehr Mitglied in der Gesellschaft ist und insofern auch die möglicherweise negativen Auswirkun113 Vgl. ausführlich zu diesem Problem: Reul, Die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre bei privaten Kontrolltransaktionen, 1991. 114 Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 3. c) aa). 115 V gl. 2. und 3. Erwägungsgrund der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote. Der Untersuchung wird der Text zugrunde gelegt, der vom Vermittlungsausschuss am 6. Juni 2001 gebilligt wurde und wie er sich aus dem Dokument PECONS 3629/01 ergibt; abgedruckt in: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Report of the High Level Group of Company Law Experts on Issues related to Take Over Bids, 10 January 2002, Annex 6, S. 80 ff. bzw. Neye, ZIP 2001, 1120 (1123 ff.). 116 Insofern liegen Unternehmensübernahmen an der Schnittstelle zwischen Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht. Vgl.: v. Hein, AG 2001, 213 (219); Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (374-376); Kirchner, WM 2000, 1821 (1823). Die Nähe der 13. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zum Kapitalmarktrecht zeigt schon ihr Anwendungsbereich, der auf Wertpapiere beschränkt ist, die an einem geregelten Markt gehandelt werden (Art. 1 Übernahme-RL). Vgl. zum Verhältnis von Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht: 1. Teil § 2 11.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
gen der Übernahme der Gesellschaft in der Zukunft nicht mehr wirtschaftlich zu tragen hat. I 17 Trotzdem passen sich auch die Regelungen der Übernahme-Richtlinie relativ widerspruchsfrei in das Informationskonzept der Gemeinschaft ein. 118 Die individuelle Entscheidung des Aktionärs wird auch hier durch verschiedene Informationspflichten abgesichert. 119 Darüber hinaus enthält die Richtlinie in Art. 9 eine Regelung zur Neutralitätspflicht des Leitungs- oder Verwaltungsorgans. 120 Daraus ergibt sich eine Kompetenz der Hauptversammlung für bestimmte Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft gegenüber dem Übernahmeangebot, wodurch der Interessenkonflikt zwischen Unternehmensführung und Aktionären gemindert werden SOll.121 Nach Art. 9 I lit. a S. 1 u. 2 Übernahme-RL bedürfen daher Abwehrmaßnahmen der Zielgesellschaft, durch die das Angebot vereitelt werden könnte, ab dem Zeitpunkt, in dem das Leitungs- oder Verwaltungsorgan der Zielgesellschaft die Angebotsunterlagen erhalten hat, der vorherigen Genehmigung durch die Hauptversammlung. Ausgenommen von dieser Pflicht ist ausdrücklich die Suche nach einem konkurrierenden Angebot. Die Mitgliedstaaten können den Zeitpunkt, in dem eine Genehmigung eingeholt werden muss, sogar auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegen (Art. 9 I lit. a S. 3 Übernahme-RL). Gerade die Ausgestaltung des Neutralitätsgebots und die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen war aber zuletzt immer wieder diskutiert und mehrfach geändert und gelockert worden. l22 Kritiker wiesen vor allem auf die fehlende Waffengleichheit wegen der Unterschiede in den Rechten der Mitgliedstaaten hin, die teilweise Regelungen, wie Höchst- und Mehrfachstimmrechte sowie "golden shares" zulassen, die ebenfalls als Abwehrmittel genutzt werden können. 123 Die unterschiedlichen Vorstellungen über die 117 Vergleichbar ist die Situation bei der Spaltung der Gesellschaft, wo in Art. 5 11 der Spaltungs-RL ein Austrittsrecht des Aktionärs vorgesehen ist. Vgl. dazu: § 4 III. 2. b). 118 Hommelhoff/Riesenhuber, in: Grundmann, Systemdenken und Systembildung, S. 259 (278). 119 Vgl. dazu ausführlich: § 4 I. 2. e). 120 In der Literatur werden auch andere auch weitere Begriffe verwendet und bevorzugt. Vgl. ausführlich zur Neutralitätspflicht im Zusammenhang mit der Übernahme-Richtlinie etwa: Hopt, PS Lutter, S. 1361 ff.; Merkt, ZHR 165 (2001), 224 ff.; Kirchner, BB 2002, 105 ff.; Meier-Reimer, ZHR 165 (2001, 258 ff.; Mülbert/Birke, WM 2001, 705 ff. 121 Merkt, ZHR 165 (2001), 224 (233); Mülbert/Birke, WM 2001, 705 (709 ff.); Krause, AG 2000, 217 (218 ff.); kritisch vor allem: Kirchner, BB 2000, 105 (108 f.); ders., AG 1999,481 (483 f.). 122 Neye, AG 2000, 289 (294); Neye, ZIP 2001, 1120 (1122 f.). Vgl. dazu auch: 1. Teil § 2 IV. 3. c) aa). 123 Sog. Argument der Waffengleichheit: etwa: Kirchner, BB 2000, 105 (113); vgl. dazu auch die Nachw. bei: Neye, ZIP 2001, 1120 (1121 f.); Merkt, ZHR 165
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Ausgestaltung dieser Regelung waren letztlich einer der Hauptgründe dafür, dass die Verabschiedung im Europäischen Parlament scheiterte. 124 2. Information zur Ausübung der Mitentscheidungsrechte Zweites Element des Systems der Aktionärsbeteiligung ist die Information zur Ausübung der Mitwirkungsrechte. Deshalb sehen die meisten Richtlinien des Europäischen Gesellschaftsrechts auch eine Informationspflicht der Unternehmensführung der beteiligten Gesellschaft(en) vor. Hier sollen die jeweilige Strukturmaßnahme und ihre Hintergründe transparent gemacht werden, so dass sich die Aktionäre ein Bild darüber machen können, ob sie wirtschaftlich zweckmäßig ist und den gesetzlichen Anforderungen genügt. 125 Den Aktionären soll so eine rationale, gewinnmaximierende Entscheidung, entweder im Wege der Stimmabgabe innerhalb der Hauptversammlung oder auch individuell bei der Annahme oder Ablehnung des Übernahmeangebots, ermöglicht werden.
a) Kapitalmaßnahmen Für die Änderungen des Grundkapitals enthält die Kapital-Richtlinie keine gesonderte Regelung für eine solche, die Entscheidung des Aktionärs vorbereitende Informationspflicht. Allerdings ist zu beachten, dass der Vorschlag für eine 5. gesellschaftsrechtliche Richtlinie über die Struktur der Aktiengesellschaft von Anfang an eine Regelung in dieser Hinsicht enthielt. So muss nach Art. 24 11 lit. f) und g) Struktur-RL jede Einberufung der Hauptversammlung die Tagesordnung und die Vorschläge zu den Tagesordnungspunkten enthalten. Des weiteren enthält die Struktur-Richtlinie in Art. 31 auch eine Regelung, die dem Aktionär ein Informationsrecht innerhalb der Hauptversammlung für den jeweiligen Tagesordnungspunkt zuspricht. 126
(2001), 224 (236 f.). Zu weiteren Abwehrmöglichkeiten: Hopt, PS Lutter, S. 1361 (1362 f.). 124 Vgl. aber zu den neuen Anstrengungen der Kommission: I. Teil § 2 IV. 3. d). 125 HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten der Europäischen Privatrechts, S. 259 (274); Hommelhoff, ZGR 1993,452 (453 f., 466); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 129; Sonnenberger, AG 1971, 76 (78). 126 Vgl. zum Auskunftsrecht des Aktionärs ausführlich: § 5 I. 2. c).
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
b) Umwandlung einer Gesellschaft Für die im Europäischen Gesellschaftsrecht geregelten Fälle der Umwandlung einer Aktiengesellschaft ist die Berichtspflicht der Verwaltungsoder Leitungsorgane dagegen sehr ausführlich niedergelegt und geradezu exemplarisch und prägend für das gesamte System der Aktionärsbeteiligung im Bereich des Innenverhältnisses der Gesellschaft. 127 Alle drei Richtlinien in diesem Bereich sehen als zentrale Informationsgrundlage die Aufstellung eines Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplans vor (Art. 5 Verschm-RL, Art. 3 Spaltungs-RL und Art. 5 IntVerschm-RL). Dieser muss bestimmte Mindestangaben enthalten. Dazu gehören beispielsweise die für die Aktionäre wichtigen Informationen über das Umtausch verhältnis und die gegebenenfalls zu zahlende Zuzahlung sowie über die Rechte, die die Aktien der übernehmenden bzw. begünstigten Gesellschaft gewähren. Der Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplan ist mindestens einen Monat vor der diesbezüglichen Hauptversammlung im Handelsregister zu veröffentlichen (Art. 6 Verschm-RL, Art. 4 Spaltungs-RL, Art. 6 IntVerschm-RL).128 Über den Verschmelzungsplan hinaus sind die Verwaltungs- oder Leitungsorgane der beteiligten Gesellschaften verpflichtet, auch einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstellen, der den Verschmelzungsplan und insbesondere das Umtauschverhältnis der Aktien rechtlich und wirtschaftlich erläutert (Art. 9 Verschm-RL, Art. 7 Spaltungs-RL, Art. 2 I IntVerschm-RL i. V. m. Art. 9 Verschm-RL).129 In diesem Bericht ist auch auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der beteiligten Unternehmen, soweit solche aufgetreten sind, hinzuweisen. Diese Angaben dienen aber vorrangig einer Plausibilitätskontrolle. Die Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit, rechtlichen Unbedenklichkeit sowie der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses ist dagegen Aufgabe der Sachverständigen, die diese Informationsträger überprüfen. 130 127 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (76); HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann, Systemdenken und Systembildung, S. 259 (272 ff.). 128 Im Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung sind nach Art. 6 II und III IntVerschm-RL einige zusätzliche Angaben der sich verschmelzenden Gesellschaften, wie Rechtsform, Sitz und Ort des Registers, bekannt zu machen. 129 Vgl. genauer zum Berichtsumfang und den damit verbundenen Problemen: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 646; Priester, ZGR 1990,420 (421428); Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten der Europäischen Privatrechts, 235 (252) m. w. N.; Meyer-Ladewig, BB 1970, 1517 (1519). 130 Vgl. dazu: Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten der Europäischen Privatrechts, S. 235 (254); Lutter, UmwG, § 8 Rn. 14; Kallmeyer-Marsch-Barner, UmwG, § 8 Rn. 1 ff.; Mertens, AG 1990, 20 (22 f.).
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Die Infonnationspflichten der Untemehmensführung werden schließlich noch durch ein Informationsrecht des Aktionärs ergänzt. Dieser hat das Recht, den Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplan, den Bericht des Verwaltungs- oder Leitungsorgans und weitere Unterlagen mindestens einen Monat vor dem Tag der Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft zur Kenntnis zu nehmen (Art. 11 I Verschm-RL, Art. 9 I Spaltungs-RL, Art. 2 I i. V. m. 10 RL Art. 11 I Verschm-RL).13I c) Grenzüberschreitende Sitzverlegung
Auch für den Verlegungsbeschluss der Hauptversammlung sieht die 14. gesellschaftsrechtliche Richtlinie eine solche Infonnationspflicht des Verwaltungs- oder Leitungsorgans vor. So muss, wie bei Verschmelzung und Spaltung, ein Verlegungsplan und ein Bericht erstellt werden, der die Auswirkungen der Sitzverlegung und der damit verbundenen Auswirkungen für die Gesellschafter genauer erläutert (Artt. 4 und 5 I Sitzv-RL).132 Nach Art. 5 11 Sitzv-RL haben die Aktionäre auch hier das Recht, die Unterlagen einzusehen und Abschriften zu erhalten. 133 d) Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft In den Regelungen zur Gründung und Sitz verlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft finden sich in ähnlicher Weise die Informationspflichten des Leitungs- oder Verwaltungsorgans wieder. So muss für die verschiedenen Gründungsfonnen und die Sitzverlegung ein Plan erstellt werden. 134 Ergänzt wird dieser Plan auch hier jeweils durch einen Bericht, der die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der jeweiligen Maßnahme erläutert und begründet sowie die Auswirkungen des Übergangs in die Rechtsfonn der SE bzw. der Sitzverlegung für die Aktionäre darstellt. 135
131 Auf Wunsch sind die genannten Unterlagen dem Aktionär als Abschrift auch schriftlich zu erteilen (Art. 11 III Verschm-RL, Art. 9 III Spaltungs-RL). 132 Vgl. dazu: Priester, ZGR 1999, 36 (39 ff.). 133 Im Unterschied zu den Regelungen der Verschmelzungs- und Spaltungs-Richtlinie steht das Einsichtsrecht aber auch Gesellschaftsgläubigern und Arbeitnehmervertretern zu. 134 Artt. 8 11, 20 I, 32 11, 37 IV SE-Statut. Nur die Gründung einer SE-Tochtergesellschaft richtet sich gemäß Art. 36 SE-Statut allein nach nationalem Recht. 135 Artt. 8 III, 18 SE-Statut i. V. m. Art. 9 Verschm-RL, Art. 32 11, Art. 37 IV SEStatut.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
e) Übernahmeangebote
Schließlich enthält auch die Übernahme-Richtlinie verschiedene Informationspflichten, die den Aktionären eine Entscheidung hinsichtlich des Übernahmeangebots erleichtern soll. Schon in den allgemeinen Grundsätzen ist geregelt, dass dem Aktionär als Empfänger des Angebots genügend Zeit und hinreichend Information gegeben werden muss, um in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden zu können (Art. 3 I lit. b Übernahme-RL). Die Informationspflicht richtet sich hier, im Unterschied zu den oben erläuterten Strukturmaßnahmen, vorrangig an die Bietergesellschaft. Diese hat eine Angebotsunterlage mit den notwendigen Informationen zu erstellen (Art. 6 11 S. I Übernahme-RL). In Art. 6 III Übernahme-RL ist der Mindestgehalt dieser Unterlage aufgeführt. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die angebotene Gegenleistung sowie die bei der Bestimmung der Gegenleistung angewandte Bewertungsmethode und für den Fall, dass die Gegenleistung in Wertpapieren besteht, die Angaben zu diesen Wertpapieren (Art. 6 III lit. d) und j) Übernahme-RL). Daneben muss die Angebotsunterlage auch Angaben über die Frist für die Annahme des Angebots machen und die Bedingungen enthalten, an die das Angebot gebunden ist sowie Angaben über die Bietergesellschaft, insbesondere über die Anteile, die sie bereits besitzt (Art. 6 III lit. b), f) und g) Übernahme-RL). Des weiteren muss das Angebot auch die Absichten des Bieters in Bezug auf die künftige Tätigkeit der Zielgesellschaft und die Beschäftigungspolitik offen legen (Art. 6 III lit. h) Übernahme-RL).136 Daneben enthält die Richtlinie zahlreiche Regelungen, die für die ausreichende Bekanntmachung des Übernahmeangebots sorgen sollen. 137 Die erforderlichen Informationen und Unterlagen sind so offen zulegen, dass sie den Aktionären als Empfänger des Angebots umgehend zur Verfügung stehen (Art. 811 Übernahme-RL). Nicht nur die Bietergesellschaft, sondern auch das Verwaltungs- oder Leitungsorgan der Zielgesellschaft treffen Informationspflichten. Nach Art. 9 I lit. d) Übernahme-RL hat diese eine mit Gründen versehene Stellungnahme zum Übernahmeangebot zu veröffentlichen. Die Stellungnahme muss sich auf die gesamten Umstände des Angebots und deren Auswirkungen auf die Zielgesellschaft, ihre Aktionäre und ihre Beschäftigten erstrecken.
Vgl. dazu: Hopt, ZHR 161 (1997), 368 (377). So die in Art. 6 I und 11 Übernahme-RL enthaltenen Regelungen für die Bekanntgabe der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots und für die Übermittlung der Angebotsunterlagen. 136 137
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107
3. Absicherung der Information
Drittes Element des Systems der Aktionsbeteiligung ist die Absicherung der Information, die dem Aktionär für seine Entscheidung zu Verfügung zu stellen ist. Eine rationale, gewinnmaximierende Entscheidung der Aktionäre ist nur möglich, wenn er auf die Information, die ihm von den Verwaltungs- oder Leitungsorgan(en) zur Verfügung gestellt wird, auch vertrauen kann, sie also nicht unzutreffend ist. Deshalb sind auch Regelungen notwendig, die für eine Richtigkeitsgewähr der Information sorgen (Sekundärpflichten). 138 Der erste Mechanismus, der in den Richtlinien für eine solche Absicherung vorgesehen ist, ist die externe Prüfung der Information. Unabhängige Sachverständige sollen die Information der Verwaltungs- oder Leitungsorgane überprüfen und dies in einem Bericht für die Aktionäre zusammenfassen. Auch dieser Bericht dient der Vorbereitung der Aktionärsentscheidung. Zweiter Mechanismus ist die zivilrechtliehe Haftung der Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans als auch der sachverständigen Prüfer gegenüber den Aktionären. Damit sollen die genannten Personenkreise zu einer gewissenhaften Erfüllung ihrer Pflichten angehalten werden. 139 Die Ausgestaltung der Haftung ist zwar grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten. Allerdings haben sie dabei das Effizienzgebot und den Grundsatz der Gleichwertigkeit zu beachten, so dass die Haftungsregel den Kläger nicht schlechter stellen darf, als bei ähnlichen nationalen Vorgängen, sowie wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss. 140 Als weiteres Instrument der Sicherung der Aktionärsinformation sehen die Richtlinien die amtliche Überprüfung oder öffentliche Beurkundung der Strukturänderung vor. Bevor das geplante Vorhaben Wirksamkeit erlangt, soll es also einer staatlichen oder notariellen Kontrolle unterzogen werden, um den Vollzug einer rechtswidrigen, aber gleichwohl grundSätzlich bestandskräftigen Änderung zu verhindern. a) Kapitalmaßnahmen
Wie schon festgestellt, enthält die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie für die Änderung des Grundkapitals keine speziellen Informationspflichten der 138 Grundmann, FS Lutter, S. 61 (67). Vgl. auch: Lutter, in: Lutter, UmwG, § 5 Rn. 18 m.w.N. 139 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 225. 140 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 226; Grundmann, FS Lutter, S. 61 (68).
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Unternehmensführung. Folglich sind auch keine Vorschriften bezüglich der externen Überprüfung oder Haftung vorgesehen. Trotzdem ist auch der Kapital-Richtlinie das Instrument der unabhängigen Kontrolle nicht fremd. Wie bei der Gründung der Gesellschaft muss im Fall der Kapitalerhöhung durch Sacheinlagen vor Durchführung der Kapitalerhöhung grundsätzlich ein besonderer Bericht durch einen oder mehrere öffentlich bestellte und unabhängige Sachverständige erstellt werden (Art. 27 11 S. 1 Kapital-RL).
b) Umwandlung der Gesellschaft Für den Fall der Umwandlung der Gesellschaft wird die Absicherung der Information dagegen ausführlich geregelt. Dazu dient zunächst die in allen drei Richtlinien vorgesehene Verschmelzungsprüfung. Für jede der sich verschmelzenden bzw. an der Spaltung beteiligten Gesellschaften prüfen ein oder mehrere öffentlich bestellte, unabhängige Sachverständige den vom Verwaltungs- bzw. Leitungsorgan aufgestellten Verschmelzungsplan (Art. 10 I S. 1 Verschm-RL, Art. 8 I S. 1 Spaltungs-RL, Art. 8 I, 11 IntVerschmRL).141 Besondere Bedeutung hat dabei die Prüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses der Aktien bzw. des Maßstabs für ihre Aufteilung. 142 Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, haben die Sachverständigen ein umfassendes Auskunfts- und Informationsrecht. 143 Der von den Sachverständigen im Rahmen dieser Prüfung zu erstellende Prüfungsbericht muss zur Vorbereitung der Entscheidung der Aktionäre mindestens einen Monat vor den Hauptversammlungen zur Einsicht bei den Gesellschaften ausliegen. 144 Die pflichtgemäße Erstellung der Informationen sowie des Prüfungsberichts wird durch die zivilrechtliche Haftung der Verpflichteten der übertragenden Gesellschaft sichergestellt. Die Richtlinien schreiben deshalb eine 141 Die mitgliedstaatlichen Vorschriften können aber auch die Bestellung eines oder mehrerer Sachverständiger für alle beteiligten Gesellschaften vorsehen, wenn die Bestellung auf gemeinsamen Antrag der Gesellschaften durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde erfolgt (Art. 10 I S. 2 Verschm-RL, Art. 8 I S. 2 Spaltungs-RL, Art. 8 III IntVerschm-RL). 142 Vgl. den in Art. 10 11 Verschm-RL geregelten Mindestumfang der Überprüfung. 143 Art. 10 III Verschm-RL, Art. 8 11 Spaltungs-RL i. V. m. Art. 10 III VerschmRL, Art. 8 I IntVerschm-RL i. V.m. Art. 10 III Verschm-RL). 144 Art. 10 I lit. e Verschm-RL, Art. 9 I lit. e Spaltungs-RL, Art. 2 I IntVerschmRL i. V. m. Art. 10 I lit. e Verschm-RL. Der Prüfungsbericht soll eine ergänzende Maßnahme sein und die Informationspflicht des Leitungs- oder Verwaltungsorgans nicht ersetzen. Vgi.: Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten der Europäischen Privatrechts, S. 235 (253).
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zivilrechtliche Haftung der Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans für schuldhaftes Verhalten bei der Vorbereitung und des Vollzugs der Verschmelzung bzw. Spaltung vor (Art. 20 Verschm-RL, Art. 18 SpaltungsRL, Art. 14 IntVerschm-RL i. V.m. Art. 20 Verschm-RL). Zu diesen Pflichten gehört insbesondere auch die Aufstellung des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplans sowie die Erstellung eines diesbezüglichen Berichts. Des Weiteren schreiben die Richtlinien auch die Haftung des unabhängigen Sachverständigen für schuldhaftes Verhalten bei der Prüfung des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplan und der Erstellung des Berichts für die Aktionäre vor (Art. 21 Verschm-RL, Art. 18 Spaltungs-RL, Art. 14 IntVerschm-RL i. V. m. Art. 20 Verschm-RL). Die Haftung soll in bei den Fällen (nur) gegenüber den Aktionären der übertragenden Gesellschaft eintreten. Die Richtlinie hat hier vor allem den Fall im Auge, dass das Umtauschverhältnis zum Nachteil der Aktionäre der übertragenden Gesellschaft berechnet worden ist. 145 In diesem Fall fehlt es nämlich an einem Schaden der Gesellschaft, so dass nur ein Anspruch der Gesellschafter in Betracht kommt. 146 Schließlich sehen die Richtlinien auch Regelungen vor, die die Rechtmäßigkeit der Umwandlung und damit auch dabei bereitzustellenden Informationen sichern sollen. So ist für den Fall, dass die mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften eine vorbeugende gerichtliche oder Verwaltungskontrolle der Rechtmäßigkeit der mit der Verschmelzung oder Spaltung zusammenhängenden Rechtshandlungen nicht vorsehen, zumindest die öffentliche Beurkundung der Niederschriften der Hauptversammlung bzw., wenn die Zustimmung der Hauptversammlung nicht notwendig ist, des Verschmelzungsbzw. Spaltungsplans vorzusehen (Art. 16 I Verschm-RL, Art. 14 SpaltungsRL, Art. 10 11 S. 1 IntVerschm-RL i. V.m. Art. 16 I Verschm-RL).147 Im Fall der öffentlichen Beurkundung hat die zuständige Stelle in umfassender Weise die Rechtmäßigkeit der Umwandlung, insbesondere des Verschmelzungs- bzw. Spaltungsplans zu prüfen (Art. 16 11 Verschm-RL, Art. 14 Spaltungs-RL, Art. 10 IntVerschm-RL i. V.m. Art. 16 I Verschm-RL).
Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 225. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 225; Martens, AG 1986, 57 (63); Lutter-Grunewald, UmwG, § 25 Rn. 14 f. Allerdings berührt eine falsche Berechnung des Umtauschverhältnisses auch die Interessen der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft. Insofern sieht das deutsche Recht eine Haftung gegenüber allen beteiligten Rechtsträgern und Anteilseignem vor. Vgl. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 656. 147 Auch diese Vorschrift wird als Mindestvorschrift verstanden, so dass, wie im deutschen Recht, auch eine Kumulation von vorbeugender gerichtlicher Kontrolle und öffentlicher Beurkundung möglich ist. Vgt.: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 227. Vgl. dazu auch: Kalss, JBt. 1995,420 (428). 145
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
c) Grenzüberschreitende Sitzverlegung
Im Fall der grenzüberschreitenden Sitzverlegung sind zwar umfassende Informationspflichten des Verwaltungs- oder Leitungsorgans vorgeschrieben. Die Regelung einer externen Prüfung des Verlegungsplans bzw. diesbezüglichen Berichts ist dagegen nicht vorgesehen. Genauso wenig findet sich eine Regelung der Haftung des Verwaltungs- oder Leitungsorgans für das schuldhafte Verhalten seiner Mitglieder bei der Durchführung der Sitzverlegung, wie dies bei der schon beschriebenen Verschmelzung und Spaltung der Fall ist. Allerdings ist eine umfassende Absicherung und Kontrolle der Information wie in diesen Fällen auch nicht zwingend notwendig. Die Sitzverlegung kann zwar auch wirtschaftliche Auswirkungen für die Aktionäre haben. So können sich mit der Änderung des Gesellschaftsstatuts auch die mit der Aktie verbundenen Rechte ändern. Jedoch bleibt bei der Sitzverlegung die Struktur der Gesellschaft grundsätzlich erhalten. Insbesondere die Verteilung des Anteilsbesitzes und die damit zusammenhängende Wertrelation ändert sich im Unterschied zur Verschmelzung oder Spaltung nicht. 148 Allerdings sieht die Sitzverlegungs-Richtlinie eine Rechtmäßigkeitskontrolle vor. 149 Nach Art. 9 Sitzv-RL muss vor Verlegung des Gesellschaftssitzes durch das zuständige Gericht, durch einen Notar oder eine andere zuständige Behörde eine Verlegungsbescheinigung erteilt werden, aus der hervorgeht, dass die der Verlegung vorausgehenden Handlungen und Formalitäten abgeschlossen sind. Zu diesen gehört auch die Erstellung des Verlegungsplans und Berichts durch das Verwaltungs- oder Leitungsorgan der Gesellschaft. d) Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft
Auch das SE-Statut enthält für die verschiedenen Gründungsformen der Europäischen Aktiengesellschaft Regeln, die für eine Absicherung der Information sorgen. 150 Am umfassendsten ist dies für die Gründung einer SE im Wege der Verschmelzung geregelt. Hier finden sich alle Schutzinstrumente, die auch für die nationale Verschmelzung geregelt sind (externe Prüfung, Haftung und Rechtmäßigkeitskontrolle).151 Für den Fall der Gründung einer Holding-SE sieht das SE-Statut dagegen nur eine externe Prüfung des 148 Dieses Argument wird auch für den Fall der Umwandlung einer nationalen Aktiengesellschaft in eine Europäische Aktiengesellschaft herangezogen. Vgl. Hommelhoff, AG 1990,422 (425); Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1127. 149 Vgl. dazu: Priester. ZGR 1999, 36 (44 f.). ISO Für die Errichtung einer Tochter-SE verweist das SE-Statut dagegen auf die nationalen Rechtsvorschriften (Art. 36 SE-Statut).
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Gründungsplans vor (Art. 32 IV SE-Statut). Der Bericht des unabhängigen Sachverständigen muss insbesondere auf die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses der Aktien eingehen (Art. 32 V SE-Statut). Eine Haftung des Verwaltungs- oder Leitungsorgans oder der unabhängigen Prüfer sowie eine Rechtmäßigkeitskontrolle ist dagegen nicht gesondert geregelt. Das Gleiche gilt für die Gründung einer SE im Wege der Umwandlung. Auch hier ist nur eine Umwandlungsprüfung vorgesehen (Art. 37 VI SEStatut).152 Der unabhängige Sachverständige soll hier, im Unterschied zur Verschmelzung und Gründung einer Holding-SE, (nur) bescheinigen, dass die Gesellschaft über ausreichend Nettovermögenswerte in Höhe ihres Grundkapitals verfügt. Es geht nicht um eine vorbeugende Kontrolle des Umtauschverhältnisses, da es bei dieser Gründungsform nicht zu einem Aktientausch kommt. Zumindest für den Fall der Gründung einer Holding-SE erscheint die Nichtregelung der Haftung und Rechtmäßigkeitskontrolle nicht systemstimmig, denn auch hier geht es um einen Aktientausch und um die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses. 153 e) Übernahmeangebote
Auch für den Fall eines Übernahmeangebots ist für eine Absicherung der Information gesorgt. Nach Art. 4 I Übemahme-RL müssen die Mitgliedstaaten ein oder mehrere Aufsichtsorgane benennen, die den gesamten Ablauf des Angebotsvorgangs überwachen. In bestimmten Arten von Fällen und in Einzelfällen, in denen es angemessen erscheint, können die Mitgliedstaaten den Aufsichtsorganen ermöglichen, auch Ausnahmen von den Regelungen der Richtlinie zu erteilen (Art. 4 V Übemahme-RL). Jedoch müssen auch dabei die in Art. 3 I Übemahme-RL aufgeführten allgemeinen Grundsätze beachtet werden und die Entscheidung der Aufsichtsbehörde muss mit Gründen versehen werden. Zu den Überwachungspflichten des Aufsichtsorgans gehören insbesondere auch die Formalitäten, die in Bezug auf die offenzulegende Angebotsunterlage einzuhalten sind. Mit Bekanntgabe der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots muss das Aufsichtsorgan daher von der Bietergesellschaft unterrichtet werden (Art. 6 I S. 1 Übemahme-RL). Auch die Angebotsun151 Art. 18 SE-Statut i.V.m. Artt. 10,20,21 Verschm-RL; Artt. 22, 24, 25, 26 SE-Statut. 152 Für eine Umwandlung einer SE in eine nationale Aktiengesellschaft: Art. 66 V SE-Statut. 153 Im Vorschlag für ein SE-Statut von 1991 war für den Fall der Gründung durch Umwandlung keine Prüfung vorgesehen. Dies wurde insoweit als systemstimmig betrachtet, als es hier nicht zu einem Aktientausch komme. Vgl. Hommelhoff, AG 1990,422 (425).
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
terlage ist dem Aufsichtsorgan vor ihrer Offenlegung zu übermitteln (Art. 6 11 S. 2 Übernahme-RL). Zudem muss das nationale Recht ein Auskunftsrecht des Aufsichtsorgans gegenüber den Parteien des Angebots vorsehen (Art. 6 IV Übernahme-RL). Insofern kommt es auch hier zu einer zumindest vorgelagerten Rechtmäßigkeitskontrolle.
11. Vermögensschutz des Aktionärs bei Grundlagenentscheidungen Nicht so umfassend wie die Beteiligung des Aktionärs an der Willensbildung der Gesellschaft bei Grundlagenentscheidungen scheint der Schutz seiner Vermögensposition ausgestaltet zu sein. Die Position des Aktionärs wird hier eher reflexartig durch seine Beteiligung an den Grundlagenentscheidungen (Mitentscheidung und Information) gesichert. Insbesondere die Information spielt beim Vermögensschutz des Aktionärs eine große Rolle. Er wird durch die verschiedenen Informationsträger, wie Verschmelzungs-, Spaltungs-, Sitzverlegungs- oder Gründungsplan sowie durch die Angebotsunterlage über die mit der Grundlagenentscheidung verbundenen finanziellen Konsequenzen informiert. Der Aktionär kann anhand dieser Information entscheiden, ob er der Maßnahme zustimmt oder nicht. 154 Trotzdem finden sich in den Richtlinien daneben auch einige Regelungen, die vorrangig die Vermögensposition des Aktionärs sichern sollen. Im Mittelpunkt steht dabei der Schutz des Aktionärs vor einer Verwässerung des Wertes seines Gesellschaftsanteils. 1. Bezugsrecht der Aktionäre
Im Zusammenhang mit der Erhöhung des Grundkapitals der Aktiengesellschaft enthält die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie eine Regelung des Bezugsrechts der Aktionäre. Das Bezugsrecht soll zunächst sicherstellen, dass der Aktionär bei einer Erhöhung des Grundkapitals seine Beteiligungsquote wahren kann. 155 Ohne Bezugsrecht würde der Anteil am Grundkapital prozentual sinken und damit auch seine mitgliedschaftlichen Rechte, wie das Stimmrecht, der Anspruch auf Gewinn- und Liquidationsverteilung oder bestimmte Minderheitsrechte, entsprechend reduziert werden. Des Weiteren soll das Bezugsrecht auch einer Verwässerung des Anteilswertes vorbeugen, denn der Emissionskurs der neuen Aktien wird regelmäßig unter dem der Zum Minderheitenschutz der dissentierenden Gesellschafter vgl.: § 4 III. 2. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 196; ders., Die Mitgliedschaft - subjektives und "sonstiges" Recht, S. 259; Hirte, DStR 2001, 577; Wymeerseh, AG 1998, 382 (391) (rechtsvergleichend); Wiedemann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, § 186 Rn. 49 ff.; Martens, ZIP 1994,669 ff. 154
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alten Aktien liegen. 156 Mit einem Ausschluss des Bezugsrechts würde dann eine Quersubventionierung der neuen Aktionäre durch die Altaktionäre einhergehen. 157 a) Einzelregelungen
Nach Art. 29 I Kapital-RL ist den Aktionären bei einer Kapitalerhöhung ein Bezugsrecht auf die neuen Aktien zu gewähren. Allerdings betrifft dies nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur die Kapitalerhöhung durch Bareinlagen, nicht jedoch bei Sacheinlagen. Das Bezugsrecht kann nach Art. 29 IV S. 1 Kapital-RL zwar weder durch Satzung noch durch den Errichtungsakt beschränkt oder ausgeschlossen werden. Art. 29 IV S. 2 Kapital-RL erlaubt jedoch den Ausschluss oder die Beschränkung durch einen Hauptversammlungsbeschluss. 158 Dieser Beschluss ist von der Zustimmung der Hauptversammlung zur Kapitalerhöhung nach Art. 25 I S. 1 Kapital-RL zu unterscheiden. Es bedarf also eines gesonderten Beschlusses über den Bezugsrechtsausschluss. Dieser muss nach Art. 40 Kapital-RL mit einer Mehrheit von grundsätzlich zwei Dritteln gefasst werden. Wie bei den oben beschriebenen Grundlagenentscheidungen findet sich auch für diesen Beschluss eine Informationspflicht des Verwaitungs- oder Leitungsorgans der Gesellschaft. Dieses hat nach Art. 29 IV S. 3 einen schriftlichen Bericht über die Gründe des Ausschlusses oder der Beschränkung des Bezugsrechts zu erstatten und den vorgeschlagenen Ausgabekurs zu begründen. Der Bericht soll auch hier den Aktionären eine sachgerechte Entscheidung ermöglichen. 159 156 Drinkuth, S. 242 f; Hirte, S. 227; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 196, 199; ders., Die Mitgliedschaft - subjektives und "sonstiges" Recht, S. 260; Hirte, DStR 2001, 577. 157 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 196; Wiedemann, Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, § 186 Rn. 56. 158 Zu diesem Punkt schlägt die SLIM-Arbeitsgruppe Gesellschaftsrecht eine weitere Beschränkungsmöglichkeit vor. Danach sollte eine generelle Ermächtigung der Hauptversammlung (beschränkt auf 5 Jahre) an den Vorstand zur Ausgabe von Aktien ohne Bezugsrecht zulässig sein, soweit die Ausgabe annähernd zum Börsenkurs geschieht. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Ergebnisse der vierten Phase der SLIM-Initative vom 4.2.2000, KOM (2000) 56 endg., S. 15, Ziff 2.6. Drygala, AG 2001, 291 (293) versteht den Vorschlag so, dass den Gesellschaften in dieser Frage eine weitgehende Satzungsautonomie eingeräumt werden soll, die einen Ausschluss des Bezugsrechts schon durch die Satzung ermöglicht. 159 Unklar ist, inwieweit deshalb auch inhaltliche Anforderungen an den Bericht zu stellen sind. Vgl. dazu: Drinkuth, S. 245 ff; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 199; Hirte, DStR 2001, 577 (579 ff); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 52. Dies hängt insbesondere davon ab, inwieweit der Ausschluss des Bezugsrecht auch von materiellen Voraussetzungen abhängt.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Im Rahmen des genehmigten Kapitals kann nach Art. 29 V Kapital-RL das zur Kapitalerhöhung ermächtigte Organ zusätzlich auch dazu ermächtigt werden, das Bezugsrecht zu beschränken bzw. auszuschließen. Erforderlich ist dazu ebenfalls ein Beschluss der Hauptversammlung, der die Voraussetzungen des Art. 40 Kapital-RL erfüllt. Nach dem Richtlinienwortlaut wird für den Ermächtigungsbeschluss allerdings kein vorbereitender Vorstandsbericht gefordert, wie er für den Beschluss der Hauptversammlung über den Bezugsrechtsausschluss nach Art. 29 IV Kapital-RL notwendig ist. Gerade wegen der oben schon dargestellten Bedeutung der BerichtspfIichten im Europäischen Gesellschaftsrecht und der gleichen Schutzbedürftigkeit der Aktionäre erscheint es systemgerecht, auch hier einen solchen Bericht zu fordern. 160 Allerdings ist dann der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Vorstand die Ausschlussentscheidung trifft und nicht schon der Zeitpunkt des Ermächtigungsbeschlusses selbst. 161 b) Strengeres nationales Recht möglich?
Die Regelung des Bezugsrechts durch die Richtlinie wirft verschiedene Fragen auf, die letztlich alle zu dem Problem führen, inwieweit eine strengere nationale Norm zulässig oder anders formuliert, ob die Richtlinienbestimmung als Mindest- oder Höchstnorm anzusehen ist. 162 Strittig ist zum einen, inwieweit die Richtlinie auch ein Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen durch Sacheinlagen zulässt. 163 Hierfür enthält die Richtlinie keine Regelungen. Dies entspricht auch der Rechtslage in vielen anderen Mitgliedstaaten, die ein Bezugsrecht bei Sachkapitalerhöhungen nicht vorsehen. 164 Begründet wird dies zumeist damit, dass die SacheinlageverpfIichtung, soweit sie nicht auf die Einbringung marktgängiger Gegenstände gerichtet ist, nicht von jedermann erfüllt werden kann. 165 Nach deutschem Recht steht den Aktionären dagegen ein Bezugsrecht nicht nur bei Barsondern auch bei Sacheinlagen ZU. 166 Hirte, DStR 2001, 577 (580) m.w.N. zu Gegenansichten. Hirte, DStR 2001, 577 (581). 162 Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 4. b) dd). 163 Vgl. dazu: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 623; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 202; Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 239 (251). Gegen die Zulässigkeit eines Bezugsrechts bei Sachkapitalerhöhungen im nationalen Recht namentlich: Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (360 f., 370); ders., ZGR 1998, 35 (42). 164 Drinkuth, S. 241 f.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 623; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 202; Wiedemann, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Großkommentar AktG, § 186 AktG Rn. 167 m. w. N. in Fn. 281. 165 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 202. 160
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Zum anderen ist umstritten, inwieweit nach der Richtlinienregelung eine weitere Inhaltskontrolle des Bezugsrechtsausschlusses im nationalen Recht zulässig ist. Art. 29 IV Kapital-RL enthält neben den formellen Voraussetzungen des Hauptversammlungsbeschlusses und des Berichts des Verwaltungs- oder Leitungsorgans keine weiteren materiellen Voraussetzungen für den Ausschluss des Bezugsrechts. Allerdings wird aus dem Erfordernis einer Berichtspflicht in Art. 29 IV S. 3 Kapital-RL geschlossen, dass auch eine Inhaltskontrolle notwendig ist, denn die Berichtspflicht lasse sich nur an Hand sachlicher Erfordernisse des Bezugsrechtsausschlusses konkretisieren. 167 Allerdings ist unklar, ob die Kriterien für die Inhaltskontrolle allein der Richtlinie zu entnehmen sind oder dafür auch auf nationales Recht zurückgegriffen werden kann. Der Richtlinie selbst sind als Kriterien nur zu entnehmen, dass der Ausschluss im Interesse der Gesellschaft liegen und der Grundsatz der Gleichberechtigung nach Art. 42 Kapital-RL Beachtung finden muss. 168 Deshalb wird zumeist davon ausgegangen, dass das nationale Recht weitere inhaltliche Schranken des Bezugsrechtsausschlusses aufstellen kann. 169 Teilweise wird aber auch vertreten, dass ein Rückgriff auf das nationale Recht in diesem Fall nicht möglich ist und allein die Kriterien der Richtlinie maßgeblich sind. 170 Auch für den Ausschluss des Bezugsrechts im Rahmen des genehmigten Kapitals stellt sich die Frage, ob das nationale Recht weitere inhaltliche Voraussetzungen für den Schutz der Altaktionäre einführen kann. 171 Genau über diese Streitpunkte hatte der EuGH im Fall "Siemens/Nold" zu entscheiden. l72 Der BGH legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage 166 Vgl. § 186 1 AktG. Dagegen gilt in Frankreich und Großbritannien das Bezugsrecht nur bei Barkapitalerhöhungen. Vgl. Jaeger, S. 90 ff. 167 Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, S. 72; ders., WM 1994, 321 (324); Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (356 f.); Lutter, ZGR 1979, 401 (407 ff.); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 199; Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (248); Natterer, ZIP 1995, 1481 (1487). 168 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 622 Fn. 707; Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (248); Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (356 ff.); Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 52 f.; Drinkuth, S. 245. 169 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 200; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 622; Drinkuth, S. 250; Natterer, ZIP 1995, 1481 (1487 f.); Hirte, WM 1994,321 (324); Groß, EuZW 1994,395 (399). 170 Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (357 ff.) 171 Dafür: Drinkuth, S. 251 f.; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 201; Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (251 f.); a.A. Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (363 ff.). 172 EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Sig. 1996,1-6028 ff.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
vor, ob es mit der Kapital-Richtlinie vereinbar ist, dass ein Hauptversammlungsbeschluss über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre nach den Grundsätzen der Inhaltskontrolle, die nach dem deutschen Recht gelten, auf seine Rechtmäßigkeit überprüft wird. 173 Die Frage nach der Zulässigkeit der inhaltlichen Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluss umfasst dabei auch die Frage nach der Zulässigkeit eines Bezugsrechts bei Sachkapitalerhöhungen. 174 Hinsichtlich der Vorlagefrage hat der EuGH entschieden, dass die Kapital-Richtlinie eine nationale Regelung nicht ausschließe, die bei Sachkapitalerhöhungen ein uneingeschränktes Bezugsrecht begründet und die Rechtmäßigkeit des Beschlusses, durch den dieses Bezugsrecht ausgeschlossen wird, einer Inhaltskontrolle der vom BGH entwickelten Art unterwirft. 175 Nach Ansicht des EuGH hat der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Beschränkung des Bezugsrechts auf die Fälle der Barkapitalerhöhung der Rechtslage in den meisten anderen Mitgliedstaaten Rechnung tragen wollen, die ein solches Bezugsrecht nicht vorsehen. 176 Den Mitgliedstaaten stehe es daher frei, für diesen Fall ein Bezugsrecht vorzusehen. 177 Auch eine Regelung, durch die das Bezugsrecht unter bestimmten Voraussetzungen wieder eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden kann, entspreche einem der Ziele der KapitalRichtlinie, das darin bestehe, einen wirksamen Schutz der Aktionäre zu gewährleisten. 178 Aus der Entscheidung wird zumeist auch geschlossen, dass eine (weitergehende) Inhaltskontrolle des Bezugsrechtsausschlusses nach nationalem Recht auch in den Fällen der Barkapitalerhöhung zulässig ist. 179 Auch für weitergehende (strengere) Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsaus173 BGH, NJW 1995, 2656. Kritisch zu dieser Fragestellung: Kindler, ZGR 1998, 35 (41 f.). Vgl. zur Inhaltskontrolle im Rahmen des Anfechtungsrechts des Aktionärs auch: 3. Teil § 7 V. 174 Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (246). 175 EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, 1-6017 (6034 Rn. 12,6036 Rn. 21, 22). Vgl. die Anm. Klinke, ZGR 1998,212 (236 ff.). 176 EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, 1-6017 (6034 Rn. 15 f.). 177 EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, 1-6017 (6035 Rn. 18); Zustimmend: Drinkuth, S. 245. 178 EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, 1-6017 (6035 Rn. 19); kritisch: Kindler, ZGR 1998, 35 (44 ff.) mit dem Argument, dass die Richtlinie auch dem Gläubigerschutz diene und die Bezugsrechtsregelung den Interessen der Gläubiger zuwiderlaufe. 179 Generalanwalt Tesauro, in: EuGH, 19.11.1996 - Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, 1-6017 (6022); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 623; Henze, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 235 (250).
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schluss im Rahmen des genehmigten Kapitals wird man daher davon ausgehen müssen, dass sie nicht gegen die Regelung des Art. 29 Kapital-RL verstoßen. 180
2. Einberufungs- und Informationspflicht bei schweren Verlusten Im Zusammenhang mit dem Grundkapital enthält die 2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie auch eine weitere aktionärsschützende Regelung. Art. 17 Kapital-RL regelt eine Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung für den Fall von "schweren Verlusten des gezeichneten Kapitals." Die Einberufungspflicht dient zunächst der Information der Gesellschafter. Sie werden durch die Einladung zur Hauptversammlung und Festsetzung der Tagesordnung über die krisenhafte Zuspitzung unterrichtet. Die Einberufungspflicht dient darüber hinaus aber auch der Herstellung der Handlungsfähigkeit der Aktionäre, die nach dem oben geschilderten System der Beteiligung des Aktionärs an Grundlagenentscheidungen i. d. R. nicht tätig werden können, ohne zur Hauptversammlung zusammenzutreten. 181 Die Aktionäre sollen also für diesen Fall die Möglichkeit haben, über das weitere Schicksal der Gesellschaft zu entscheiden. So können sie sich für die Sanierung der Gesellschaft durch Kapitalmaßnahmen und Umstrukturierungen, die Abberufung von Organwaltem oder letztlich für die Auflösung der Gesellschaft entscheiden. Art. 17 Kapital-RL hat allerdings fragmentarischen Charakter und überlässt das Nähere der Ausgestaltung durch die Mitgliedstaaten. 182 So setzen sie die Frist für die Einberufung der Hauptversammlung fest (Art. 17 I Kapital-RL). Beschränkt sind die Mitgliedstaaten nur bei der Festlegung der Höhe des als schwer zu erachtenden Verlustes, der nicht mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals betragen darf (Art. 17 11 Kapital-RL). Die Richtlinie regelt zwar auch nicht, wie der Verlust zu ermitteln ist und welche Sanktionen für den Fall der Untätigkeit des Vorstands zu ergreifen sind. 183 Dennoch ist die Freiheit des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers insoweit durch das Effizienzgebot beschränkt, das der EuGH auf der Grundlage 180 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 201; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 624; Hirte, DStR 2001, 577 (581); Drinkuth, S. 251 f; a.A. Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (363 ff). 181 Vgl. dazu: § 4 I. 1. 182 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 174; Ankele, BB 1970, 988 (991 ). 183 Kritisch deshalb: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 174 ff; Lutter, EuR 1975, 44 (57 f.). Bei den oben dargestellten Informationspflichten ist dagegen einen Haftung des Leitungs- oder Verwaltungsorgans gegenüber den Aktionären in den Richtlinien geregelt. Vgl. dazu: § 4 I. 3.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
von Art. 10 EG entwickelt hat. So müssen die Sanktionen, die der Umsetzung einer Richtlinienregelung dienen, jedenfalls so wirksam und abschreckend sein, dass die dort vorgesehenen Pflichten tatsächlich befolgt werden. 184
3. Zuzahlungen beim Aktientausch und Abfindung Der Schutz der Vermögensinteressen des Aktionärs bei Verschmelzung und Spaltung der Aktiengesellschaft oder auch Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft wird vor allem durch die umfassenden Informations- und Kontrollpflichten hinsichtlich der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses der Aktien gesichert. 185 Die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden ipso iure Aktionäre einer oder mehrerer begünstigter Gesellschaften (Art. 19 I lit. b Verschm-RL, Art. 17 I lit. b Spaltungs-RL). Es kommt also grundsätzlich zu einem Aktientausch, bei dem sie für den Verlust ihrer Anteile eine vermögensmäßig entsprechende Beteiligung am übernehmenden Rechtsträger bekommen. Eine Abfindung der Aktionäre ausschließlich in Aktien der übertragenden Gesellschaft scheitert aber häufig an den unterschiedlichen Wertverhältnissen. 186 Die Richtlinie sieht deshalb neben dem Aktientausch auch die Möglichkeit vor, eine bare Zuzahlung zu leisten. Allerdings darf diese den zehnten Teil des Nennwert oder des rechnerischen Werts der gewährten Aktien nicht überschreiten (Art. 3 I Verschm-RL, Art. 2 I und 21 I SpaltungsRL).187 Aus dem Wort "Zuzahlung" wird geschlossen, dass jedenfalls eine Abfindung ausschließlich in Geld nicht eingeführt werden kann. 188 Nur für den Fall der nichtverhältniswahrenden Spaltung können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Minderheitsaktionäre der gespaltenen Gesellschaft ihre Aktien aufkaufen lassen können (Art. 5 11 S.l SpaltungsRL).189 In diesem Fall haben sie dann einen Anspruch auf ein dem Wert ihrer Aktien entsprechendes Entgelt (Art. 5 11 S. 2 Spaltungs-RL).
184 EuGH, 21.9.1989 - Rs. 68/88 (Kommission/Griechenland), Slg. 1989, 2965 (2985); EuGH, 10.7.1990 - Rs. C-326/88 (Hansen), Slg. 1990, 1-2911 (2935). Vgl. dazu ausführlich: Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 127. 185 Vgl. dazu: § 4 1. 1. und 2. 186 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 215. 187 Jedoch eröffnet die Richtlinie auch die Möglichkeit, Verschmelzungen und Spaltungen zuzulassen, wenn die bare Zuzahlung 10% übersteigt (Art. 30 VerschmRL, Art. 24 Spaltungs-RL). Für diese Vorgänge gelten dann auch die Vorschriften der Richtlinie. 188 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 218; a.A. Kalss, JBI. 1995, 420 (423 ff.) für der Verschmelzung gleichgestellte Vorgänge.
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III. Minderheitenschutz bei Grundlagenentscheidungen Auch der Schutz der Minderheitsaktionäre scheint auf den ersten Blick im Europäischen Gesellschaftsrecht nicht so stark ausgeprägt. Jedoch finden sich auch hier einzelne Regelungen, die auf seinen Schutz ausgelegt sind. 1. Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung
Für einen Minderheitenschutz im Europäischen Gesellschaftsrecht sorgt zunächst wiederum die Beteiligung des Aktionärs an der Grundlagenentscheidung. Die mit dieser Entscheidung verbundenen Informationspflichten, die unabhängige Prüfung und die Haftung der Informationsverpflichteten ermöglichen jedem Aktionär eine wohl informierte und erwogene Stimmrechtsausübung und fehlerfreie Willensbildung. Man kann in Anlehnung an die vertragsrechtliche Lehre von einer "Richtigkeitsgewähr" sprechen. 190 Die Verbindlichkeit des Abstimmungsergebnisses auch für die dissentierenden Gesellschafter beruht auf der Idee der interessenausgleichenden Wirkung der Mehrheitsbildung, der eine ähnliche Richtigkeitsgewähr zugesprochen wird, wie einem ausgehandelten Vertrag. 191 Damit kommt der Minderheit zumindest ein reflex artiger Schutz insofern zu, als die informierte und überlegte Entscheidung der Mehrheitsaktionäre eine größere Gewähr für die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Entscheidung bietet. 192
2. Schutz des dissentierenden Aktionärs Allerdings verliert der Abstimmungsmechanismus seine interessenausgleichende Wirkung, wenn sich die Kapital- bzw. Stimmenmehrheit im Besitz einer stabilen Gruppe befindet. 193 In diesen Fällen kann man auch nicht mehr von einer Richtigkeitsgewähr des Beschlusses reden. Vielmehr handelt es sich dem Inhalt nach um einseitige Willensakte des Mehrheitsaktio189 Strittig ist, ob die Zu lässigkeit einer nichtverhältniswahrenden Spaltung, wie im deutschen Recht (§ 128 UmwG) von der Zustimmung aller Aktionäre zum Spaltungsplan abhängig gemacht werden kann. So: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 243, der die Regelung der Richtlinie als Mindestvorschrift versteht; a.A. Heidenhain, EuZW 1995, 327 (328); zweifelnd: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 690 Fn. 873. 190 HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (274); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 222; ders., AcP 189 (1989), 403 ff. 191 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 406. 192 HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (274). 193 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 406.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
närs. Ein solcher Mehrheitsgesellschafter entscheidet dann auch mittelbar über das eingebrachte Kapital der Minderheit. Problematisch erscheint die Mehrheitsentscheidung vor allem in Fällen, in denen es zum Konflikt mit den Interessen der Minderheitsaktionäre kommt. So beispielsweise, wenn der Mehrheitsaktionär seine Macht ausnutzt, um sich zusätzlich zu bereichern und dabei den Minderheitsaktionär finanziell zu benachteiligen oder aus der Gesellschaft zu drängen. In solchen Fällen scheint der Minderheitenschutz rechtsethisch notwendige Ergänzung des Mehrheitsprinzips zu sein. 194 Einige Rechtsakte regeln dieses Problem nicht selbst, ermächtigen die Mitgliedstaaten aber zum Erlass von Minderheitsschutznormen. Danach können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Sitzverlegungs-Richtlinie und des SE-Statuts Vorschriften erlassen, die einen angemessenen Schutz der Minderheitsgesellschafter gewährleisten, die sich gegen die Verlegung ausgesprochen haben. 195 a) Austrittsrecht des Aktionärs
Die Rechtsakte selbst enthalten selbst kaum Vetopositionen für Minderheitsaktionäre. 196 Sie erschweren den Beschluss für die Mehrheit primär durch qualifizierte Stimm- und Kapitalerfordernisse. 197 Ein Austrittsrecht des dissentierenden Gesellschafters ist nur für den Fall der nichtverhältnisWiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 406. Vgl. Art. 7 Sitzv-RL für die Sitzverlegung; dazu: Rajak, EBLR II (2000), 43 (45); ders., ZGR 1999, 111 (122); Di Marco, ZGR 1999,3 (10) und Artt. 8 V, 24 11, 34 SE für die Sitzverlegung einer SE, die Gründung im Wege der Verschmelzung sowie der Gründung einer Holding-SE. Vgl. auch den 25. Erwägungsgrund des SE-Statuts. Im Fall der Gründung einer SE im Wege der Verschmelzung sind die Modalitäten für die Ausübung dieser Minderheitsrechte nach Art. 21 lit. d SEStatut im Amtsblatt des Mitgliedstaats zu veröffentlichen, dessen Recht die betreffende Gesellschaft unterliegt. 196 Vgl. aber Art. 25 III S. I SE-Statut für die Gründung durch Verschmelzung. Die Aktionäre einer Gesellschaft, nach deren Recht ein Verfahren zur Kontrolle und Änderung des Umtauschverhältnisses nicht vorgesehen ist, müssen bei ihrer Zustimmung zum Verschmelzungsplan ausdrücklich akzeptieren, dass die Aktionäre der anderen beteiligten Gesellschaft(en), nach deren Recht ein solches Verfahren vorgesehen ist, auf dieses zurückgreifen können. Vgl. dazu: Teichmann, ZGR 2002, 383 (427 ff., 437). 197 Die Vorschriften sehen i. d. R. eine Mehrheit von zwei Dritteln für den Beschluss der Hauptversammlung vor. Daneben können die Mitgliedstaaten aber auch vorsehen, dass eine einfache Mehrheit ausreicht, sofern mindestens die Hälfte des gezeichneten Kapitalsvertreten ist (Anwesenheitsquorum). Solche Schranken werden aber nicht als ausreichend angesehen, um die Richtigkeit des Mehrheitsbeschlusses im Einzelfall zu gewährleisten. Der Missbrauch der Mehrheitsmacht wird zwar erschwert, aber nicht ausgeschlossen. Vgl. Kreß, S. 6 für das deutsche Recht. 194
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wahrenden Spaltung der Gesellschaft vorgesehen (Art. 5 11 SpaltungsRL).198 Hier werden die Aktionäre nicht ipso iure Aktionäre der aufnehmenden Gesellschaft, sondern haben auch die Wahl, sich zwischen dem Verbleib in der Gesellschaft oder dem Austritt mit Abfindung zu entscheiden. Eine weitere Ausnahme besteht für den Fall der Gründung einer Holding-SE. Hier ist eine Einbringungspflicht, d.h. ein Zwangsübergang der Aktien der Minderheit, die gegen den Gründungsplan gestimmt haben, nicht vorgesehen. 199 Statt dessen haben die Aktionäre die Wahl, ob sie Aktionäre der Holding-SE werden oder in ihrer jeweiligen Gründungsgesellschaft verbleiben (Art. 33 I SE-Statut). b) Anfechtungsrecht des Aktionärs Als weitere Möglichkeit des Schutzes der (Minderheits-)Aktionäre sehen die Richtlinien auch die nachträgliche gerichtliche Kontrolle von Beschlussmängeln vor?OO Die Richtlinien regeln diese Kontrolle aber nur hinsichtlich der möglichen Nichtigkeitsgründe, die für die Strukturmaßnahmen in Betracht kommen. Diese Gründe werden sogar beschränkt, um so mehr Rechtssicherheit in den Beziehungen zwischen den beteiligten Gesellschaften, zwischen diesen und Dritten sowie unter den Aktionären zu schaffen?OI Eigene Verfahrensregeln oder ein individuelles Klagerecht sehen die Richtlinien nicht vor, sondern verweisen diesbezüglich auf die mitgliedstaatlichen Prozessordnungen. 202
Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Gesellschafterbeschlüssen kommt es also zu einem Zusammenspiel von europäisch geprägtem materiellen Recht und mitgliedstaatlich geprägtem Verfahrensrecht. 203 Dies gilt insbesondere für die Frage der Einschränkung von rechtsmissbräuchlichen Anfechtungsklagen .204 198 Kritisch: HommelhofflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (279). 199 So aber noch die Regelung des Art. 31 I SE-Statut 1989. 200 Vgl. zur gerichtlichen Kontrolle in den einzelnen Mitgliedstaaten: 3. Teil § 7 V. 201 Vgl. 9. Erwägungsgrund Verschm-RL, 11. Erwägungsgrund Spaltungs-RL, 16. Erwägungsgrund IntVerschm-RL. 202 Vgl. Art. 22 lit. b Verschm-RL, Art. 19 lit. b Spaltungs-RL, Art. 15 IntVerschm-RL. Vgl. zu den nationalen Vorschriften: 3. Teil § 7 V. 203 Vgl. dazu ausführlich: 3. Teil § 7 V. 204 Ausführlich hierzu: Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (28 ff.). Vgl. dazu auch: Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 189, 229; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 617; Lutter, ZGR 1998, 191 ff.; Klinke, ZGR 2002, 163 (181 ff.).
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Nach der Rechtsprechung des EuGH sind die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Missbrauchseinwands nicht gänzlich frei?05 Dies hängt damit zusammen, dass es bei dem Teilhaberecht des Aktionärs an der Entscheidungsgewalt in der Gesellschaft um eine gemeinschaftsrechtliche Position handelt. 206 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs darf die Durchsetzung solcher gemeinschaftsrechtlichen Rechte durch die Ausgestaltung des Verfahrensrechts nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden. 207 Zudem darf die Anwendung solcher nationalen Vorschriften nicht die praktische Wirksamkeit und einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen?08 Zwar ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet, jedoch stellt die bloße Berufung auf die gemeinschaftsrechtliche Position keinen Missbrauch dar. 209 Allerdings ist es auch nach dem EuGH rechtsmissbräuchlich, wenn der Aktionär die Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Strukturmaßnahme zu dem Zweck erhoben hat, widerrechtliche Vorteile zum Nachteil der Gesellschaft zu erlangen?IO In solchen oder ähnlichen Fällen ist eine Einschränkung des Anfechtungsrechts des Aktionärs also zulässig?ll Das Problem des Rechtsmissbrauchs stellt sich auch im Zusammenhang mit den Informationspflichten, die in den Richtlinien geregelt sind. 2l2 Gerade die Berichtspflichten des Verwaltungs- und Leitungsorgans nach Art. 9 Verschm-RL waren in Deutschland ein bevorzugter Angriffspunkt für Anfechtungsklagen. 2J3 Da der BGH allerdings das Vorliegen eines Rechtsmiss205 EuGH, 12.3.1996 - Rs. C-441193 (Pafitis), Slg. 1996,1-1347 (1382, Rn.69).; EuGH, 12.5.1998 Rs. C-367/96 (Kefalas), Slg. 1998, 1-2843 (2869 f., Rn. 22 ff.); EuGH, 23.3.2000 - Rs. C-373/97 (Diamantis), Slg. 2000, 1-1705 (1734, Rn. 34). Vgl. dazu: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 617. 206 EuGH, 30.5.1991 - Rs C 19, 20/90 (Karella), Slg. 1991, 1-2691 (2718, Rn. 26); 24.3.1992 - Rs C-581189 (Evangelikis Ekklesias), Slg. 1992, 1-2111 (2146, Rn. 40). Vgl. auch: Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (29 ff.). 207 EuGH, 21.9.1983 - Rs. 205-215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633 (2666, Rn. 22 f.); EuGH, 2.12.1997 - Rs. C-188/95 (Fantask), Slg. 1997, 1-6783 (6838 Rn. 47); EuGH, 15.9.1998 - Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, 1-4951 (4990 Rn. 34); und für das Zustimmungsrecht des Aktionärs zur Kapitalerhöhung: EuGH, 12.3.1996 - Rs. C-441193 (Pafitis), Slg. 1996,1-1347 (1382 Rn. 68). 208 EuGH, 12.3.1996 - Rs. C-441193 (Pafitis), Slg. 1996, 1-1347 (1382 Rn. 68); EuGH 12.5.1998 Rs C-367/96 (Kefalas), Slg. 1998,1-2843 (2869 Rn. 22). 209 EuGH 12.5.1998 Rs C-367/96 (Kefalas), Slg. 1998, 1-2843 (2869 Rn. 20 ff.). Vgl. zu dieser Diskussion auch: Klinke, ZGR 2002, 163 (186). 210 EuGH 12.5.1998 Rs C-367/96 (Kefalas), Slg. 1998, 1-2843 (2871 Rn. 28). 211 Vgl. dazu: EuGH, 23.3.2000 - Rs. C-373/97 (Diamantis), Slg. 2000, 1-1705 (1736 f., Rn. 42 ff.). 212 Vgl. dazu: Hirte, in: Grundmann (Hrsg.), Systemdenken und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 211 (224); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 229; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 646.
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brauchs auf die Fälle beschränkte, in denen der Kläger eine ihm nicht gebührende Sonderleistung erstrebte, ist auch hier eine Einschränkung der Beschlussanfechtung europarechtlich zulässig. 214
3. Gleichbehandlungsgrundsatz Als weiteres Instrument des Minderheitenschutzes enthält das Europäische Gesellschaftsrecht den Gleichbehandlungsgrundsatz?15 Es handelt sich also nunmehr um einen europäischen Begriff. 216 Ausdrücklich niedergelegt ist dieser Grundsatz in der Generalklausel des Art. 42 KapitalRL. 217 Danach müssen die Mitgliedstaaten die Gleichbehandlung der Aktionäre sicherstellen, die sich in denselben Verhältnissen befinden. Sie dürfen also nicht ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt werden. Unklar bleibt zunächst, welche Abweichungen sachlich gerechtfertigt sind?18 Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt aber auch in einer Vielzahl von anderen Richtlinienregelungen zum Ausdruck und erfährt auf diese Weise eine weitere Ausprägung. So steht den Aktionären nach Art. 29 I KapitalRL bei jeder Kapitalerhöhung grundSätzlich ein Bezugsrecht zu. Hierdurch wird sichergestellt, dass jeder Aktionär entsprechend seiner Beteiligung am bislang gezeichneten Kapital auch an der Kapitalerhöhung beteiligen und dadurch seine Kapitalquote wahren kann?19 Zum anderen wird der Gleichbehandlungsgrundsatz auch in den vielen Regelungen zur Information des Vgl. dazu ausführlich: 3. Teil § 7 V. Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 229; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 646. 215 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (25); Drinkuth, S. 268 f.; Schmitthoff, 15 CMLR (1978), 43 (53); Zwar gilt dieser für alle Aktionäre, schützt aber in praxi in erster Linie die Minderheitsaktionäre. Vgl. Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 427 ff.; Hüffer, § 53 a AktG Rn. 4. 216 Nach seinem ausdrücklichen Wortlaut ist sein Geltungsbereich auf den Regelungsbereich der Kapital-Richtlinie beschränkt. Jedoch ist auch für diesen Begriff, soweit das nationale Recht den gleichen Rechtsbegriff oder das gleiche Regelungskonzept sowohl im unharmonisierten wie auch im harmonisierten Bereich verwendet, eine einheitliche Interpretation gefordert. Vgl. dazu ausführlich: 1. Teil § 2 IV. a) bb). 217 Eine Umsetzung der Regelung in das deutsche Recht durch § 53 a AktG sollte nach Regierungsbegründung (BR-Drs. 2/78, S. 15) keine sachliche Änderung des Rechtszustandes mit sich bringen. Die Verankerung des Gleichbehandlungsgebots wurde daher von der Literatur für entbehrlich gehalten. Vgl. Hüf!er, NJW 1979, 1065 (1068); Lutter, FS Ferid, S. 599 (606). 218 Kritisch: Lutter, Europäisches Untemehmensrecht, S. 111; ders., FS Ferid, S. 599 (605 ff.). 219 Vgl. zum Bezugsrecht ausführlich: § 4 11. 1. 213
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Aktionärs verwirklicht. So hat beispielsweise jeder Aktionär nach Art. 11 I Verschm-RL das Recht, vom Verschmelzungsplan oder vom Bericht des Verwaltungs- oder Leitungsorgans und des unabhängigen Sachverständigen Kenntnis zu nehmen. Schließlich ordnet auch Art. 3 I lit. a Übernahme-RL an, dass "alle Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die sich in gleichen Verhältnissen befinden", gleichbehandelt werden müssen.
4. Obligatorisches Übernahmeangebot Ziel des Vorschlags einer 13. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie ist die Schaffung gewisser Mindestregeln für die Durchführung eines Übernahmeangebots, die einen angemessenen Schutz der Aktionäre sicherstellen. 22o Die Mitgliedstaaten müssen daher beispielsweise die Gleichbehandlung sowie die ausreichende Information des Aktionärs über das Übernahmeangebot sicherstellen. Neben diesem allgemeinen Regelungsziel verfolgt die Richtlinie aber auch speziell den Schutz der Minderheitsaktionäre?21 Aus diesem Grund sieht sie in Art. 5 Übernahme-RL die Einführung eines sog. Pflichtangebots VOr. 222 Ein Pflichtangebot verpflichtet den Aktienerwerber, für den Fall, dass er die Kontrolle über ein Unternehmen erlangt, den übrigen Aktionären ein Angebot zur Übernahme ihrer Aktien zu unterbreiten. 223 Den verbliebenen Wertpapierinhabern wird also im Zusammenhang mit dem Kontrollwechsel die Möglichkeit zum Ausstieg aus der Gesellschaft geboten. 224 Insofern kann man das Pflichtangebot als ex-ante Schutz des Aktionärs qualifizieren. 225 Vgl. vor allem 3. Erwägungsgrund der Übemahme-RL. Neye, AG 2000, 289 (292); Krause, NZG 2000, 905 (908); kritisch zur Verbindung beider Schutzziele: Raas, WM 1996, 2177 (2183 f.); ausführlich zum Minderheitenschutz durch ein Pflichtangebot: Hauben, WM 2000, 1873 (1876 ff.). Vgl. auch den 5. Erwägungsgrund der Übemahme-RL. 222 Entgegen dem jetzigen Vorschlag und den Vorschlägen 1989/90 sahen die Vorschläge von 1996/97 wegen der Kritik am Pflichtangebot ein Wahlrecht für die Mitgliedstaaten vor (ABI. EG 1997 C 378110, v. 13.12.1997). Nach Artt. 3 I, 10 a. F. konnten sie statt eines Pflichtangebots auch andere geeignete, mindestens gleichwertige Vorkehrungen für den Schutz der Minderheitsaktionäre vorsehen. Vgl. dazu und zum Streit, ob der deutsche konzernrechtliche Minderheitenschutz diese Anforderungen erfüllte: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 795; Neye, AG 2000, 289 (293) jeweils m. w.N. 223 Hauben, WM 2000, 1873 (1876). 224 Man kann deshalb von einer gewissen funktionalen Entsprechung von Pflichtangebot und Austrittsrecht sprechen. Vgl. HammelhafflRiesenhuber, in: Grundmann (Hrsg.), Systemdenken und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 259 (279). 225 Hauben, WM 2000, 1873 (1876). 220
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Nach Art. 5 I S. I Übernahme-RL ist ein Ptlichtangebot abzugeben, wenn der Erwerber von Aktien "unmittelbar oder mittelbar einen bestimmten, die Kontrolle begründenden Anteil an den Stimmrechten dieser Gesellschaft" erworben hat. Die Richtlinie beihaltet also keine genaue Aussage darüber, wie hoch der Anteil am Grundkapital oder der Stimmrechte sein muss, um die Kontrolle zu vermitteln. Nach Art. 5 V Übernahme-RL bestimmt sich der genaue Grenzwert für das Vorliegen einer Kontrollmehrheit vielmehr nach den Vorschriften des Sitzmitgliedstaats der Gesellschaft. 226 Die Mitgliedstaaten haben nach Art. 5 I S. 2 Übernahme-RL zudem dafür Sorge zu tragen, dass das Angebot allen Wertpapierinhabern für alle ihre Wertpapiere zu einem angemessenen Preis unterbreitet wird. Ein Teilangebot, das nur einen bestimmten Teil der Wertpapiere umfasst, kann entgegen früherer Regelung nicht mehr unterbreitet werden. 227 Soweit die Gegenleistung nicht aus liquiden Wertpapieren besteht oder der Anbieter in der Endphase vor dem Angebot oder während der Laufzeit des Angebots mehr als 5 % der Aktien oder Stimmrechte an der Zielgesellschaft gegen Barzahlung erworben hat, muss er alternativ eine Geldleistung anbieten (Art. 5 I S. 3 u. 4 Übernahme-RL). Auch der Kontrollerwerb durch ein (vorheriges) freiwilliges Übernahmeangebot kann den Bieter zur Abgabe eines Pflichtangebots zwingen. 228 Nach Art. 5 11 Übernahme-RL hat ein freiwilliges Übernahme angebot nur befreiende Wirkung, wenn es bereits die Regeln des Ptlichtangebots einhält, sich also insbesondere an alle Aktionäre der Zielgesellschaft mit all ihren Aktien gerichtet hat. Letztlich muss also nach der Richtlinie jeder Erwerber, der eine kontrollvermittelnde Beteiligungshöhe erwirbt, allen Aktionären anbieten, alle ihre Anteile zu einem angemessenen Preis zu kaufen.
226 Die Vorschläge von 1989/90 sahen in Art. 4 eine Kontrollschwelle von einem Drittel der Stimmrechte vor. Kritisch zu dieser Regelung: Roos, WM 1996, 2177 (2183). Im deutschen WÜG § 29 II 30%, englischer City Code Rule 9.1. 30% dazu: Zinser, RIW 2001, 481 (484); Frankreich Art. 5-5-2 RCMF 1/3 des Grundkapitals bzw. mehr als 1/3 der Stimmrechte, dazu: Klein/Stucki, RIW 2001, 488 (490); Italien: Art. 105 T.V. 30 % der Stammaktien, dazu: HommelhofflWitt, RIW 2001, 561 (567); zu anderen Mitgliedstaaten: Zinser, NZG 2000, 573 ff. 227 Art. 10 des Vorschlags 1997 sah noch ein Teilangebot vor, dass aber grundsätzlich eine Schwelle von 70% der Wertpapiere nicht unterschreiten durfte. Bei einer Überzeichnung des Angebots wären die Aktionäre pro rata zu berücksichtigen gewesen. Vgl. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 794; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 348; kritisch: Hapt, ZHR 161 (1997), 368 (389); befürwortend: Kallmeyer, ZIP 1997,2147 f.; Schander, NZG 1998,799 (806). m Vgl. zur Regelung des deutschen Übernahmerechts: Altrneppen, ZIP 2001, 1073 (1081).
9 Pannier
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
IV. Zusammenfassung Bei wichtigen Strukturentscheidungen wird der Aktionär durch ein System von grundlegenden Beteiligungsrechten geschützt, das sich in nahezu allen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien bzw. Richtlinienvorschlägen und auch im SE-Statut widerspiegelt. Die dabei vorgegebenen Standards sollen vor allem der Gefahr begegnen, dass der Anteil an der Gesellschaft im Rahmen von Strukturmaßnahmen seinen wesentlichen Gehalt verliert. Geschützt wird dementsprechend primär das Interesse der Aktionäre an der relativen Beteiligung in der Gesellschaft. Zentrale Elemente des Schutzes sind die Mitentscheidungsbefugnis des Aktionärs, die Pflicht der Unternehmensleitung, den Aktionär über die Umstrukturierung zu informieren sowie die Absicherung dieser Information. Dem Aktionär wird also bei wesentlichen Strukturänderungen, die den Umfang der Beteiligung beeinflussen können, die letzte Entscheidung überlassen. Damit diese Entscheidung rational und gewinnmaximierend getroffen werden kann, sind die Verwaltungs- bzw. Leitungsorgane der beteiligten Gesellschaften verpflichtet, den Aktionär über die geplante Maßnahme und insbesondere über ihre Auswirkungen auf den Anteil seiner Beteiligung zu informieren. Die Richtigkeitsgewähr dieser Information soll durch die externe Prüfung der Information und die zivilrechtliche Haftung der Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans sowie der sachverständigen Prüfer gegenüber den Aktionären gewährleistet werden. Daneben wird einer Verwässerung des Anteils dadurch entgegengetreten, dass dem Aktionär ein Bezugsrecht bei Barkapitalerhöhungen zugestanden wird. Im Übrigen wird das Vermögen des Aktionärs vor allem durch die Information über die geplante Strukturänderung geschützt. Der Schutz des Minderheitsaktionärs ist im Bereich der Grundlagenentscheidungen weniger ausgeprägt. Einen gewissen Beitrag leistet hier die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung und der Gleichbehandlungsgrundsatz.
§ 5 Der Schutz des Aktionärs
innerhalb der Organisationsverfassung I. Harmonisierung der Aktionärsrechte durch die Struktur-Richtlinie Wie die Rechtsakte im Bereich der Grundlagenentscheidungen (§ 2) hat auch der Vorschlag einer 5. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie das Ziel, die Stellung des Aktionärs bei der Mitwirkung an der unternehmerischen Wil-
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
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lensbildung zu stärken. 229 Allerdings regelt die Struktur-Richtlinie den Schutz der Aktionäre losgelöst von einem konkreten unternehmerischen Vorgang, sondern vielmehr allgemein im Rahmen der gesamten Struktur der Aktiengesellschaft. Sie war als der zentrale Rechtsakt für die Harmonisierung der internen Unternehmens führung im Rahmen des Europäischen Gesellschaftsrechts geplant. Der Vorschlag umfasst als Schwerpunkt die Organisation der Verwaltung der Gesellschaft sowie die Beteiligung der Arbeitnehmer innerhalb der Unternehmensverfassung. 23o Ferner regelt er aber auch Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung und in diesem Zusammenhang viele der klassischen mitgliedschaftlichen Aktionärsrechte?31 So finden sich Regelungen für das Stimmrecht, das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung sowie Informations- und Auskunftsrechte innerhalb der Hauptversammlung. Genauso enthält der Richtlinienvorschlag verschiedene Minderheitsrechte, wie das Recht zur Einberufung zur Hauptversammlung und Änderung der Tagesordnungspunkte. Schließlich regelt die Struktur-Richtlinie auch die Feststellung und Prüfung des Jahresabschlusses der Aktiengesellschaft. 232 1. Organisationsverfassung als Regelungsproblem
a) Entwicklung und Regelungskonzept der Struktur-Richtlinie
Die Harmonisierung der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft gehört zu den ersten Angleichungsvorhaben der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Schon 1972 unterbreitete die Kommission einen Vorschlag einer 5. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie. 233 Allerdings konnte die Struktur-Richtlinie bis jetzt und auch nach mehreren Änderungen noch nicht verabschiedet werden. Als Haupthindernis stellten sich, wie schon erörtert, die unterschiedlichen Vorstellungen über den Aufbau der Verwaltung der Aktiengesellschaft und insbesondere die damit verbundene Frage der Arbeitnehmermitbestimmung heraus. Dem ersten Vorschlag zuVgl. 12.-14. Erwägungsgrund der Struktur-RL. Art. 2-21u Struktur-RL. 231 Art. 22--47 Struktur-RL. 232 Art. 48--63 Struktur-RL. 233 Vorschlag für eine fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates nach Artikel 54 EWG-Vertrag über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe vom 9.10.1972, ABl.EG 1972 C 131/49. Vgl. dazu: Sonnenberger, AG 1974, 1 ff.; Conlon, 24 International and Comparative Law Quaterly (1975), 348 ff.; Müller, DB 1977, 1883 ff.; Temple Lang, 7 Irish Jurist (1972), 306-328. 229
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
folge sollten Aktiengesellschaften ausschließlich nach dem dualistischen System strukturiert werden. Dieses System sieht, im Gegensatz zum monistischen, bei dem Leitung und Aufsicht der Aktiengesellschaft in einem Verwaltungsorgan kombiniert werden, eine Aufteilung dieser Funktionen auf zwei getrennte Organe, dem Leitungs- und Aufsichtsorgan vor. 234 Für das Aufsichtsorgan war eine obligatorische Beteiligung der Arbeitnehmer vorgesehen?35 Aufgrund der Stellungsnahmen und teilweise heftigen Kritik am ersten Entwurf unterbreitete die Kommission 1983 einen grundlegend überarbeiteten Vorschlag,236 der für die Verwaltungsstruktur und Arbeitnehmerbeteiligung flexiblere Vorschriften vorsah?37 Diese sollten den Mitgliedstaaten die Beibehaltung des monistischen Systems sowie der verschiedenen Arten der Beteiligung der Arbeitnehmer ermöglichen. Der zweite und dritte Vorschlag von 1990 und 1991 brachte dagegen nur noch einige Änderungen vor allem bei den Regelungen zur Hauptversammlung. 238 Der dritte und bisher letzte Vorschlag einer Struktur-Richtlinie liegt seit 1991 beim Rat zur Feststellung eines gemeinsamen Standpunktes vor. Wegen der weiterhin bestehenden Meinungsverschiedenheiten in wichtigen Fragen wurde trotz weiterer Bemühungen der Kommission bisher keine Einigung erzielt. 239
b) Dualistisches und monistisches Verwaltungssystem in der Struktur-Richtlinie Nach Art. 2 I S. 1 Struktur-RL ist die Struktur der Gesellschaft grundsätzlich entsprechend dem dualistischen System mit der Trennung zwischen dem geschäftsführenden Leitungsorgan und dem Aufsichtsorgan als Kontrollinstanz zu regeln. Allerdings können die Mitgliedstaaten nach Art. 2 I S. 2 Struktur-RL ein Wahlrecht einführen, das den Gesellschaften auch die Entscheidung zugunsten des monistischen Systems ermöglicht. 234 Als Vorbild diente dabei vor allem das deutsche Aktienrecht. Vgl. Striebeck, S. 18; Kolvenbach, AG 1974, 1 (2); Müller, DB 1977, 1883. 235 Nach Art. 4 I, 11 Struktur-RL 1972 für Gesellschaften, die 500 Arbeitnehmer und mehr beschäftigen. 236 Geänderter Vorschlag vom 19.8.1983, ABl.EG 1983 C 24012. Vgl. dazu: Kolvenbach, DB 1983,2235 ff.; Welch, 8 EL Rev. (1983), 83 ff. 237 Hier sind jetzt 4 verschiedene Systeme der Arbeitnehmerbeteiligung zur Wahl gestellt (Art. 4 b-h Struktur-RL). Vgl. dazu: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 550 ff.; Striebeck, S. 43 ff.; Abeltshauser, Stukturalternativen für eine europäische Unternehmensverfassung, S. 63 ff.; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 51 ff. 238 Vgl. Zweite Änderung des Vorschlags vom 20.12.1990, ABl.EG 1991 C 7/4; Dritte Änderung des Vorschlags vom 20.11.1991, ABl.EG 1991 C 321/9. Vgl. dazu: Striebeck, S. 24 ff.; Boyle, 13 The Company Lawyer (1992), 6 ff.; Du Plessis/Dine, Journal of Business Law (1997), 23 ff. 239 Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 3. c) aa).
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
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Trotz dieser Wahl möglichkeit ist die Entscheidung der Richtlinie zugunsten des dualistischen Systems unverkennbar. 24o Schon in der Begründung des ersten Vorschlags der Struktur-Richtlinie bemerkte die Kommission, dass sie eine klare Trennung der Verantwortlichkeiten der Unternehmensführung zum Schutz der Aktionäre und Dritter für notwendig erachtet. Insofern sei es auch notwendig, die Geschäftsführung einerseits und die Überwachung andererseits auf zwei getrennte Organe zu übertragen?41 Diese Überzeugung schlägt sich auch in den Richtlinienregelungen für das monistische System in den späteren Vorschlägen nieder. 242 Nach der Vorstellung der Kommission ist das monistische System mit solchen Merkmalen auszustatten, dass seine Funktionsweise dem des dualistischen Systems angeglichen ist. 243 Daher besteht das Verwaltungsorgan im monistischen System aus geschäftsführenden und nichtgeschäftsführenden Mitgliedern, wobei die letzteren, wie das Aufsichtsorgan im dualistischen System, für die Überwachung der Geschäftsführung zuständig sind. 244 Wegen der weitgehenden Übereinstimmungen der Regelungen zur Verwaltung der Gesellschaft hat die Entscheidung der Gesellschaft für das eine oder andere Verwaltungssystem auch keine wesentlichen Auswirkungen auf die Stellung der Aktionäre. Beispielsweise sind in beiden Systemen nicht die Hauptversammlungen, sondern die Mitglieder des Aufsichtsorgans bzw. die nichtgeschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsorgans für die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans bzw. der geschäftsführenden Mitglieder zuständig (Art. 3 I lit. b bzw. Art. 21 a I lit. b Struktur-RL).245
Striebeck, S. 33 f.; Kolvenbach, OB 1983, 2235 (2240). Vgl. 7. Erwägungsgrund des Vorschlags 1972. 242 Art. 21a - 21u Struktur-RL. 243 V gl. 7. Erwägungsgrund der Vorschläge von 1983 und 1991. Kritisch: Striebeck, S. 33 f.; Kolvenbach, OB 1983,2235 (2240). 244 Das Kapitel IV des Richtlinienvorschlags enthält fast wortgetreu die gleichen Vorschriften, wobei die Begriffe Mitglieder des Vorstand bzw. Aufsichtsrats mit geschäftsführende bzw. nichtgeschäftsführende Mitglieder des Verwaltungsorgans ausgetauscht wurden. Zwar findet man diese Unterscheidung auch in den meisten monistischen Systemen der Mitgliedstaaten. Trotzdem bleiben entscheidende Unterschiede bestehen, insbesondere was die Aufgaben der verschiedenen Organe betrifft. Vgl. dazu: 3. Teil § 7 I. 245 (Artt. 3 I lit. b, 13 I bzw. Artt. 21a I lit. b, 21t I Struktur-RL). Dagegen ist in den nationalen Rechten, die ein monistisches System vorsehen, in der Regel die Hauptversammlung zuständig. Vgl. dazu: 3. Teil § 7 I. 3. 240
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
2. Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung Die Beteiligung des Aktionärs an der Willensbildung der Gesellschaft ist in der Regel so ausgestaltet, dass er seine Entscheidung nicht individuell, sondern kollektiv innerhalb der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft zu treffen hat. 246 Mehr als die meisten Rechtsakte im Europäischen Gesellschaftsrecht folgt der Vorschlag für eine Struktur-Richtlinie dem mitgliedschaftlichen System des Aktionärsschutzes. Im Rahmen der Regelungen für die Hauptversammlung (Kapitel V.) gestaltet die Struktur-Richtlinie die Rechte, welche die Anteile an der Gesellschaft vermitteln, näher aus. Diese Vorschriften gelten für beide Verwaltungssysteme gleichermaßen, so dass nach den Vorstellungen des Richtliniengebers die Funktion der Hauptversammlung in beiden Systemen gleich ist. 247 a) Zuständigkeit der Hauptversammlung Wesentlich für die Intensität der Aktionärsbeteiligung ist zunächst die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Hauptversammlung und den anderen Organen der Gesellschaft. Eine katalogartige Zuständigkeitsverteilung, wie sie beispielsweise im deutschen Recht vorgesehen ist, enthält der Richtlinienvorschlag nicht. Vielmehr ergeben sich die Zuständigkeiten der Hauptversammlung aus den einzelnen Bestimmungen der Struktur-Richtlinie und der anderen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien. Schon aus den Vorschriften zur Verwaltung der Aktiengesellschaft ergibt sich aber, dass die Hauptversammlung grundsätzlich keine Entscheidungszuständigkeit für Fragen der Geschäftsführung und Aufsicht hat?48 Der Aktionärsversammlung werden vielmehr vor allem die Entscheidungen über die wesentlichen Grundlagen der Gesellschaft überantwortet. So sieht die Struktur-Richtlinie in Art. 37 I eine generelle Zuständigkeit der Hauptversammlung für Satzungsänderungen vor?49 Die wesentlichen Grundlagenentscheidungen werden damit schon durch Art. 37 I Struktur-RL erfasst. Die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung wird daneben auch regelmäßig ausdrücklich in der Richtlinie festgelegt, die sich mit der jeweiligen Grundlagenentscheidung befasst. 25o
Vgl. dazu: § 41. 1. Kritisch hierzu: Striebeck, S. 34. 248 Artt. 3 I lit. a, 21 a I lit. a Struktur-RL. 249 Allerdings kann die Hauptversammlung nach Art. 37 II lit. a-c Struktur-RL in drei begrenzten Fällen auch ein anderes Organ zur Satzungsänderung ermächtigen. Ein Beispiel ist der Ermächtigungsbeschluss zu einer Kapitalerhöhung (genehmigtes Kapital), der dann auch die Befugnis zur Änderung der Satzung umfasst (lit. a). 246 247
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Des Weiteren enthält die Struktur-Richtlinie auch Kompetenzzuweisungen, die als regelmäßig wiederkehrende Entscheidungen charakterisiert werden können. Sie ist zuständig für die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsorgans (Artt. 4 I, 13 11 Struktur-RL) bzw. der nichtgeschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsorgans (Artt. 21 b I, 21 t 11 StrukturRL) sowie der für die Rechnungsprüfung der Gesellschaft zuständigen Abschlussprüfer (Artt. 55 I, 61 Struktur-RL). Sie ist auch grundsätzlich zuständig für die Feststellung des Jahresabschlusses (Art. 48 I Struktur-RL)?51 Ferner trifft sie die Entscheidung über die Verwendung des Jahresüberschusses (Art. 50 I Struktur-RL) und über die gerichtliche Geltendmachung von Ersatzansprüchen bzw. über einen Vergleich oder Verzicht (Artt. 15 I, 18 11 lit. b Struktur-RL). b) Teilnahme an der Hauptversammlung
Da die Aktionäre ihre Entscheidungen grundsätzlich im Rahmen der Hauptversammlung fällen, sieht die Struktur-Richtlinie auch Regelungen vor, die eine Teilnahme des Aktionärs an der Hauptversammlung sichern sollen. Dies sind zum einen bestimmte Formalien und Minderheitsrechte, die die Einberufung der Hauptversammlung betreffen, und zum anderen das Teilnahmerecht des Aktionärs. aa) Einberufung der Hauptversammlung Die Hauptversammlung ist nach Art. 22 I Struktur-RL zumindest einmal im Jahr einzuberufen (ordentliche Hauptversammlung).252 Im Übrigen können das Leitungsorgan oder die geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsorgans die Hauptversammlung nach Art. 22 11 Struktur-RL auch jederzeit einberufen (außerordentliche Hauptversammlung)?53 Da die Regelung zudem nur als Mindestgarantie betrachtet wird, kann das Recht zur Einbe250 Vgl. beispielsweise Artt. 25 I und 30 I Kapital-RL, Art. 7 I Verschm-RL, Art. 5 I Spaltungs-RL. 251 Allerdings können die Mitgliedstaaten nach Art. 48 11 Struktur-RL für Gesellschaften mit dualistischer Struktur eine Zuständigkeitsverlagerung auf das Leitungsund Aufsichtsorgan vorsehen. Eine Entscheidung der Hauptversammlung ist dann nur in den Fällen vorgesehen, in denen die Organe dies beantragen oder sich über die Feststellung nicht einigen können. 252 Soweit die Hauptversammlung für die jährliche Feststellung des Jahresabschlusses zuständig ist und ein Gewinnverwendungsbeschluss getroffen werden kann, ist dies ohnehin schon notwendig. Vgl. Artt. 48, 50 Struktur-RL. 253 Eine Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung besteht nach Art. 17 Kapital-RL für den Fall von schweren Verlusten des Grundkapitals. Vgl. dazu: § 4 11. 2.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
rufung auch anderen Personen oder Organen, wie dem Aufsichtsorgan oder Abschlussprüfern, übertragen werden. 254 Zum Schutz der Minderheitsaktionäre sieht Art. 23 I Struktur-RL auch eine Einberufungsmöglichkeit der Aktionäre selbst vor. Aktionäre, die einen Anteil am gezeichneten Kapital von mindestens 5 % oder Aktien im Wert von 100.000 ECU besitzen, können die Einberufung der Hauptversammlung und Festsetzung der Tagesordnung bei der Gesellschaft beantragen. Wenn diesem Antrag innerhalb eines Monats nicht stattgegeben wird, kann nach Art. 23 11 Struktur-RL das zuständige Gericht angerufen werden, welches die Einberufung selbst anordnet oder die antragsstellenden Aktionäre dazu ermächtigt. Die genaue Regelung dieses Verfahrens obliegt den Mitgliedstaaten,z55 Um die Teilnahmemöglichkeit des Aktionärs an der Hauptversammlung sicherzustellen, sieht die Richtlinie eine Einberufungsfrist von mindestens 21 Tagen vor (Art. 24 III Struktur-RL). Für den Fall, dass alle Aktien der Gesellschaft Namensaktien sind, reicht für die Einberufung nach Art. 24 I lit. a Struktur-RL eine Mitteilung an die Aktionäre. Im Übrigen muss sie in bestimmten nationalen Amtsblättern bekannt gemacht werden (Art. 24 I lit b Struktur-RL). Die Einberufung muss nach Art. 24 11 lit. abis g Struktur-RL auch einen gewissen Mindestinhalt aufweisen. 256 Damit soll der Aktionär über Anlass und Inhalt der Hauptversammlung informiert werden. Von besonderem Interesse sind dabei die Tagesordnungspunkte und die diesbezüglichen Vorschläge der Unternehmensführung oder Mitgesellschafter. Für die Einberufung der Hauptversammlung, auf der über den Jahresabschluss oder die Gewinnverwendung entschieden wird, legt Art. 30 I Struktur-RL fest, dass jedem Aktionär auch der Jahresabschluss, der Vorschlag für die Gewinnverwendung, der Lagebericht und die Erklärung der mit der Rechnungsprüfung beauftragten Personen zur Verfügung stehen müssen. Schließlich hat eine Aktionärsminderheit, die eine Einberufung verlangen kann, auch das Recht, die Tagesordnung um weitere Gegenstände zu erweitern (Art. 25 Struktur-RL).
Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 755. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 756. 256 Firma und Sitz der Gesellschaft, Art der Hauptversammlung, Förmlichkeiten in Bezug auf das Teilnahme- oder Stimm- oder Vertretungsrecht, die in der Satzung enthalten sind, Tagesordnung und Vorschläge zu ihren Gegenständen. 254 255
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bb) Teilnahmerecht Die Struktur-Richtlinie enthält auch eine Regelung des Teilnahmerechts. Voraussetzung für die Teilnahmeberechtigung ist die Erfüllung der durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebenen Förmlichkeiten (Art. 26 StrukturRL). Dies können die Hinterlegung der Aktie bei einem Notar, einer Bank oder der Gesellschaft selbst, die Mitteilung des Aktionärs über seine Teilnahme oder die Eintragung von Namensaktien in das Register der Gesellschaft sein. 257 Neben diesen Förmlichkeiten dürfen an die Teilnahme an der Hauptversammlung keine weiteren Anforderungen, wie beispielsweise der Besitz einer bestimmten Zahl von Aktien oder die volle Leistung der Einlage, gestellt werden. 258 c) Auskunftsrecht
Informationsrechte der Aktionäre sind im Europäischen Gesellschaftsrecht besonders ausgeprägt. Insbesondere für die Vorbereitung der Entscheidung bei wichtigen Grundlagenentscheidungen sind in der Regel Informationspflichten der Untemehmensführung und auch unabhängiger Sachverständiger vorgesehen, die dem Aktionär eine interessengerechte Entscheidung ermöglichen sollen?59 Die Struktur-Richtlinie statuiert daneben auch ein allgemeines Auskunftsrecht über Angelegenheiten der Gesellschaft. Dieses dient nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 31 I Struktur-RL der sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungspunkte, ist aber gleichzeitig auch auf diese Gegenstände beschränkt. Die Auskunft muss zudem (nur) "in der Hauptversammlung" erteilt werden. Im Gegensatz dazu sind die Informationspflichten bei Grundlagenentscheidungen der Hauptversammlung in der Regel vorgelagert und müssen mindestens einen Monat vor der Hauptversammlung offengelegt oder den Aktionären zugänglich gemacht werden?60 Die Informationspflicht trifft nach Art. 31 11 Struktur-RL das Leitungsorgan bzw. die geschäftsführenden Mitglieder des Verwaltungsorgans?61 Eine Auskunftsverweigerung ist nur möglich, wenn die Erteilung der Auskunft der Gesellschaft einen schwerwiegenden Schaden zufügen würde oder die Gesellschaft gesetzlich zur Geheimhaltung verpflichtet ist (Art. 31 III lit a Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 761. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 761. 259 Vgl. dazu: oben § 4 I. 2. 260 Vgl. beispielsweise: Art. 6 und ll Verschm-RL. 261 Allerdings können die Mitgliedstaaten nach der Begründung der Kommission auch weitere Personen, wie beispielsweise die Mitglieder des Aufsichtsorgans verpflichten. Vgl. Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 762. 257 258
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
und b Struktur-RL). Nach der Fonnulierung der Vorschrift können die Mitgliedstaaten keine weiteren Auskunftsverweigerungsgründe vorsehen. 262
d) Stimmrecht und Stimmrechtsausübung aa) "One Share - One Vote" Art. 33 I Struktur-RL legt fest, dass das Stimmrecht dem durch die Aktie verkörperten Anteil am gezeichneten Kapital entspricht und statuiert damit den Grundsatz "One share One vote". Die Ausgabe von Höchst- und Mehrstimmrechtsaktien ist somit generell ausgeschlossen. Vorzugsaktien sind nach Art. 33 11 Struktur-RL zwar grundsätzlich zulässig. Allerdings schränkt die Richtlinie die Ausgabe stimmrechtsloser oder stimmrechtsbeschränkter Aktien ein. Sie dürfen nur bis zu einer Höhe von 50% des gezeichneten Kapitals ausgegeben werden. Für den Fall, dass die Gesellschaft den mit den Vorzugsaktien verbundenen Verpflichtungen nicht nachkommt, werden diese Aktien wie Aktien mit vollem Stimmrecht behandelt. Diese Regelung soll sicherstellen, dass den Aktionären das Stimmrecht nicht ohne Gegenleistung vorenthalten wird. 263 Die Richtlinie lässt für bestimmte Fälle auch Stimmverbote zu. So kann die Ausübung des Stimmrechts nach Art. 33 III Struktur-RL ausgeschlossen werden, wenn der Aktionär seine Einlage noch nicht geleistet hat und diese mindestens einen Monat vor der Hauptversammlung von der Gesellschaft eingefordert wurde. Durch die Monatsfrist wird verhindert, dass die Gesellschaft durch eine kurzfristige Einforderung der Einlage bestimmte Aktionäre auf unbillige Weise von ihrem Stimmrecht ausschließt. 264 Daneben enthält Art. 34 Struktur-Richtlinie noch vier Stimmverbote, die aus einem Interessenkonflikt der Gesellschaft mit dem Aktionär resultieren (Entlastung des Aktionärs [lit a], Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Aktionär [lit b], Befreiung des Aktionärs von Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft [lit cl, Zustimmung zu Verträgen zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär [lit d].265 Diese Verbote gelten nach Art. 34 Struktur-RL nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für die Vertreter, und es ist zudem unerheblich, ob das Stimmrecht für eigene oder fremde Aktien 262 Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 762; kritisch: Sonnenberger. in: Lutter (Hrsg.). Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 73 (82). 263 Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht. Rn. 763. 264 Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 764. 265 Bezüglich des letzten Falls ist umstritten. ob Art. 34 lit d Struktur-Richtlinie auch Untemehmensverträge umfasst. Vgl. Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht. Rn. 764.
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
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ausgeübt wird. Sie sind auch dann zwingend, wenn die Mehrheit der Aktionäre von der Abstimmung ausgeschlossen wird. 266 bb) Stimmrechtsvertretung Die Richtlinie regelt auch die Stimmrechtsvertretung. So legt Art. 27 I Struktur-RL allgemein fest, dass sich jeder Aktionär auf der Hauptversammlung vertreten lassen kann. Hinsichtlich der Auswahl der Vertreter lässt Art. 27 11 Struktur-RL eine satzungsmäßige Einschränkung auf "eine oder mehrere Gruppen von Personen" zu. Die Bestellung eines anderen Aktionärs als Vertreter muss aber stets zulässig sein. Die für die Stimmrechtsvertretung erforderliche Vollmacht muss nach Art. 27 III Struktur-RL schriftlich erteilt und der Gesellschaft ausgehändigt werden. Um die Feststellung etwaiger Gründe für einen Stimmrechtsausschluss zu ermöglichen, muss der Vertreter nach Art. 29 S. 2 lit. b Struktur-RL zudem seinen Namen und Wohnort und auch den des vertretenen Aktionärs angeben. Eine verdeckte Stellvertretung, bei welcher der Vertreter zwar im fremden Namen handelt, aber die Person des Vertretenen nicht aufdeckt, ist damit nicht möglich. 267 Zum Schutz der Aktionäre sieht die Richtlinie in Art. 28 Struktur-RL besondere Regelungen vor, die für den Fall gelten, dass sich jemand nach mitgliedstaatlichem Recht "öffentlich erbieten darf, die Vollmacht eines Aktionärs einzuholen und für ihn einen Vertreter zu bestellen" (Art. 28 Struktur-RL). Dies können beispielsweise Kreditinstitute, Aktionärsvereinigungen oder auch die Aktiengesellschaft selbst sein?68 In diesen Fällen soll eine zu starke Bindung an einen einmal gewählten Stimmrechtsvertreter vermieden werden. Daher gilt die Vollmacht nur für eine Hauptversammlung bzw. für eine zweite mit derselben Tagesordnung (lit. a) und ist widerruflich (lit. b)?69 Andererseits soll durch das Vertretungssystem eine zahlreiche Mitwirkung der Aktionäre gesichert werden. 27o Die Aufforderung zur Erteilung der Vollmacht muss daher an alle nach Namen und Wohnort Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 764 Kritisch: Striebeck, S. 92, der eine Abschaffung der verdeckten Stimmrechtsvertretung vor dem Hintergrund der Transparenz-Richtlinie (88/627/EWG) für überflüssig hält. Das Informationsbedürfnis der anderen Aktionäre über Mehrheitsbeteiligungen werde schon durch Art. 4 I der Transparenz-Richtlinie gewährleistet, der beim Überschreiten oder Unterschreiten bestimmter Schwellenwerte eine Meldepflicht des Erwerbers oder des Veräußerers vorschreibt. Vgl. zur Transparenz-Richtlinie: Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 586 f. Die notwendige Eintragung des vertretenen Aktionärs in das Teilnehmerverzeichnis würde auch einer Legitimationszession, bei der ein Dritter ermächtigt wird, fremde Stimmrechte im eigenen Namen auszuüben, entgegenstehen. 268 Vgl. Art. 28 11 Struktur-RL. 266
267
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
bekannten Aktionäre gerichtet werden (lit. c). Des Weiteren muss die Aufforderung einen bestimmten Mindestinhalt haben (Iit. d), der den Aktionären eine interessengerechte Entscheidung auch bei der Vollmachtserteilung ermöglicht. Daher müssen zumindest die Tagesordnung der Hauptversammlung, die Vorschläge zu den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung und die Mitteilung, dass dem Aktionär auf Verlangen die Unterlagen über den Jahresabschluss oder die Gewinnverwendung zu Verfügung stehen, enthalten sein. Die Aktionäre müssen zudem aufgefordert werden, Weisungen zu erteilen und darüber informiert werden, wie der Vertreter andernfalls das Stimmrecht ausüben wird. Ein weiterer Schutzmechanismus ist die grundsätzliche Bindung des Vertreters an seine Mitteilung oder die Weisung des Aktionärs (Iit. e). Der Vertreter darf aber davon abweichen, wenn Umstände eintreten, die noch nicht bekannt waren und die Interessen des Aktionärs andernfalls gefährdet würden (lit. f). Der Aktionär ist davon unverzüglich unter Angabe von Gründen zu informieren (lit. g). Andere Modelle der Stimmrechtsvertretung oder Abstimmungsformen, wie eine Briefwahl, sind in der Richtlinie nicht vorgesehen. cc) Stimmbindungsvereinbarungen Um zu verhindern, dass die Verwaltung der Aktiengesellschaft in der Hauptversammlung übermäßigen Einfluss auf die Abstimmungsergebnisse erlangt, sind Verpflichtungen, nach Weisung oder Vorschlägen der Gesellschaft oder eines ihrer Organe bzw. als Gegenleistung für besondere Vorteile zu stimmen oder überhaupt nicht zu stimmen, nach Art. 35 lit. a-c Struktur-RL nichtig. Andere Stimmbindungsvereinbarungen, d.h. vor allem solche zwischen Aktionären oder zwischen Aktionären und Dritten, bleiben den Aktionären dagegen unbenommen?71 Allerdings stellt Art. 35 StrukturRichtlinie nur eine Mindestregel auf, so dass es den Mitgliedstaaten möglich ist, weitere Verbote von Stimmrechtsbindungen zu erlassen. 272 e) Gerichtliche Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen
Zum Schutz der Aktionäre gegen Verletzungen bei der Vorbereitung und beim Verlauf der Hauptversammlung sowie der dabei zu beachtenden Aktionärsrechte enthält Art. 42 Struktur-RL einen Katalog bestimmter Inhalts269 Gegen eine solche Regelung wird vorgebracht, dass sie zu einem administrativen Mehraufwand führe und das Ziel, die Aktionäre stärker an einer Willensbildung zu beteiligen nicht erreicht werde. Vgl. Striebeck, S. 87. 270 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 767. 27\ Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 765. 272 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 765.
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und Verfahrensfehler, bei denen vorbehaltlich gutgläubig erworbener Rechte Dritter ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig ist oder für nichtig erklärt werden kann. Auch diese Vorschrift ist als Mindestregel zu verstehen, so dass die Mitgliedstaaten weitere Beschlussmängel vorsehen können. 273 Art. 43 Struktur-RL regelt parallel zu den Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsgründen, unter welchen Mindestvoraussetzungen der Aktionär klagebefugt ist. Die Klagefrist muss nach mitgliedstaatlichen Vorschriften gemäß Art. 44 Struktur-RL zwischen mindestens 3 Monaten und höchstens 1 Jahr liegen. Die Nichtigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung kann nach Art. 45 S. 1 Struktur-RL durch erneute ordnungsgemäße Beschlussfassung geheilt werden. Die Mitgliedstaaten müssen vorsehen, dass das zuständige Gericht der Gesellschaft dazu eine Frist einräumen kann (Art. 45 S. 2 Struktur-RL).
11. Regelung der Aktionärsrechte im Statut der Europäischen Aktiengesellschaft Neben den Regelungen für die einzelnen Gründungsformen enthält die Verordnung für das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft auch zahlreiche Vorschriften zur Verwaltungsstruktur und Hauptversammlung der SE. Auch für die Europäische Aktiengesellschaft stellt sich also die Frage, wie die Stellung der Aktionäre im Verhältnis zu den anderen Organen der SE ausgestaltet ist und wie ihr Schutz innerhalb der Organisationsstruktur gewährleistet wird. 1. Organisationsverfassung der SE als Regelungsproblem a) Entwicklung und Regelungskonzept des SE-Statuts
Die Europäische Aktiengesellschaft ist das älteste Kodifizierungsvorhaben im Bereich des Europäischen Gesellschaftsrechts. 274 Mit ihr sollte ursprünglich eine von den nationalen Gesellschaftsrechten losgelöste, rein supranationale Gesellschaftsform geschaffen werden. Insofern zeichneten sich die ersten Vorschläge von 1970/75 auch durch eine sehr hohe RegeSchwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 771. Vgl. zur frühen Entwicklung: Sanders, AWD 1960, 1 ff.; ders., Journal of Business Law 1968, 184 ff.; ders., CMLR 8 (1971), 29 ff.; Bayer, RabelsZ 35 (1971),201 ff.; Ficker, European Business Law 1971, 167 ff.; Litzmann, AG 1961, 57 ff.; Mann, 19 International and Comparative Law Quaterly (1970), 468 ff.; Thompson, 10 International and Comparative Law Quarterly (1961), 851 ff. und ausführlich zur jüngeren Entwicklung: Blanquet, ZGR 2002, 20 (23 ff.); Lutter, BB 2002, I ff.; Pluskat, DStR 2001, 1483 ff. 273
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
lungsdichte aus. 275 Sie regelten sämtliche Fragen der Gründung, Struktur, Rechnungslegung, Umwandlung, Verschmelzung, Besteuerung, Auflösung, Arbeitnehmerbeteiligung sowie des Konzernrechts der SE. Wegen der Unterschiede in den Mitgliedstaaten stieß eine derart weitreichende und verschiedene Rechtsgebiete umfassende Vereinheitlichung jedoch auf erheblichen politischen Widerstand?76 Wie im ersten Vorschlag einer StrukturRichtlinie war auch in den ersten Verordnungsvorschlägen für ein SE-Statut die Einführung des dualistischen Verwaltungssystems mit Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der SE für alle SE vorgesehen. 277 Gerade im Hinblick auf die umstrittene Mitbestimmungsfrage konnte letztlich keine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten erreicht werden. 278 Die Kommission startete im Zusammenhang mit dem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes von 1985 einen neuen Versuch zur Wiederbelebung des Projekts "Europäischen Aktienaktiengesellschaft" , in dessen Folge die Verordnungsvorschläge von 1989 und 1991 vorgelegt wurden?79 Hierbei verfolgte die Kommission einen anderen Regelungsansatz, der auf eine umfassende Vereinheitlichung des Sachrechts der SE, wie sie noch in den ersten Vorschlägen vorgesehen war, verzichtete. Insofern wiesen die neuen Vorschläge auch eine viel geringere Regelungsdichte auf, die durch die Ausklammerung vieler Regelungsbereiche und durch zahlreiche Verweisungen auf nationales Recht erreicht wurde. 28o Des Weiteren wurde das Gesamtprojekt auf zwei Rechtsakte aufgespalten, was auch mit einer Änderung der Rechtsgrundlagen verbunden war?81 Die Regelung der Mitbe275 Vorschlag vom 30.6.1970, ABl.EG C 124/1; Geänderter Vorschlag vom 30.4.1975, KOM (75) 150. 276 Lutter, BB 2002, 1; Pluskat, DStR 2001, 1483; dies., EuZW 2001, 524; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1087; Heinze, AG 1997,289 (291). 277 Vgl. Artt. 62, 74a, 137 SE-Statut 1975. 278 Blanquet, ZGR 2002, 20 (23); Krieger, FS Rittner, S. 303 (310 f.); Pluskat, EuZW 2001, 524; dies., DStR 2001, 1483; Kolvenbach, NZA 1998, 1323 (1324). 279 Zweiter geänderter Vorschlag vom 25.8.1989, ABl.EG C 263/41; vgl. dazu: Kolvenbach, DB 1989, 1957 ff.; Hauschka, EuZW 1990, 181 ff.; Hommelhoff, AG 1990, 422 ff.; Kallmeyer, AG 1990, 103 ff., 157 ff.; Lutter, AG 1990, 413 ff. Dritter geänderter Vorschlag vom 16.5.1991, ABl. EG C 176/1; vgl. dazu: Ebenrothl Wilken, JZ 1991, 1014 (1015 ff.); Maitland-Walker, 3 ECLR (1991), 97 ff.; TrojanLimmer, RIW 1991, 1010 ff.; Merkt, BB 1992,652 ff.; Rasner, ZGR 1992, 314 ff.; Wehlau, ZGR 1992, 640 ff. 280 Gegenüber ca. 400 Artikeln in den Entwürfen 1970/75 waren in den Vorschlägen 1989/1991 nur noch 138 bzw. 108 Artikel enthalten. Begründet wurden die Verweisungstechnik mit den zwischenzeitlich erreichten Harmonisierungsgrad im Bereich des Aktienrechts. Vgl. 9. Erwägungsgrund Präambel SE-Statut 1991. 281 Vgl. dazu kritisch: Abeltshauser, AG 1990, 289 (294); ders., EWS 1991, 58 (590; Lutter, AG 1990,413 (415); Wahlers, AG 1990,448 ff.; Pfister, S. 67 und 1. Teil § 2 IV. 2. b).
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
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stimmung innerhalb der SE wurde auf eine ergänzende Richtlinie ausgelagert. 282 Die Regelungen der Organisationsverfassung der SE blieben zwar in den neuen Verordnungsvorschlägen enthalten, sie sahen aber, wie bei den geänderten Vorschlägen für eine Struktur-Richtlinie, flexiblere Vorschriften vor. Diese legten für den Verwaltungsaufbau der SE nicht mehr zwingend das dualistische System fest, sondern eröffneten den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, für SE mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet auch das monistische System vorzuschreiben. 283 Dementsprechend enthielten diese Vorschläge auch Regelungen für beide Systeme. Im Bereich der Hauptversammlung der SE blieben die Regelungen im Wesentlichen erhalten. Aber auch diese Vorschläge scheiterten letztlich an der Mitbestimmungsfrage. 284 Erst die durch die "Davignon-Sachverständigengruppe" entwickelte Verhandlungslösung ermöglichte im Dezember 2000 eine Einigung in der Mitbestimmungsfrage und führte zur Verabschiedung der bei den Rechtsakte am 8. Oktober 2001. 285 Die Verordnung für das SE-Statut enthält nun noch weniger Regelungsbereiche und beschränkt sich auf die Vorgabe der wesentlichen Rahmenbedingungen, die für den supranationalen Charakter der SE notwendig sind?86 Auffallig ist beispielsweise der Verzicht auf die Vorschriften über das Kapital der SE. 287 Geregelt ist hier nur noch, dass die SE ein in Aktien zerlegtes Grundkapital von 120.000 € haben muss (Art. 4 11 SE-Statut). Im Übrigen wird nach Art. 5 SE-Statut für das Kapital der SE, dessen Erhaltung und dessen Änderung auf die mitglied staatlichen Vorschriften verwiesen, welche natürlich durch die Kapital-Richtlinie eine gewisse Angleichung erfahren haben. Das gleiche gilt für den Jahresabschluss und konsolidierten Abschluss der SE (Art. 61 f. SE-Statut), für den schon in den früheren Regelungen auf die Vorschriften der Bilanz-Richtlinien verwiesen wurde. 288 Aber auch im nichtharmonisierten Bereich der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wurde auf einige Regelungen verzichtet, vor allem bei den Regelungen zur Hauptversammlung der SE.
282 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des SE-Statuts hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer, 25.8.1989, ABl.EG C 263/69; Geänderter Vorschlag vom 6.4.1991, ABl.EG C 138/8. 283 Vgl. Art. 61 2. Spiegelstrich S. 2 SE-Statut 1991. 284 Pluskat, EuZW 2001, 524 (525); dies., DStR 2001, 1483 (1484); Heinze, AG 1997, 289 (291); Kolvenbach, NZA 1998, 1323 ff.; Wiesner, GmbHR 1999, R 301; Wißmann, RdA 1992, 320 ff. 285 Vgl. dazu die Literatur in: 1. Teil § 2 IV. 3. d) Fn. 250. 286 Pluskat, EuZW 2001, 524 (526); kritisch: Lutter, BB 2002, 1 (3) ("Es ist ein Torso und weit davon entfernt, auch nur ein halbwegs vollständiges Aktiengesetz zu sein".); Bungert/Beier, EWS 2002, 1 (2). 287 Titel III, Artt. 38-56 SE-Statut 1991. 288 Titel V, Artt. 101-112 SE-Statut 1991.
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Kennzeichnend für das Regelungskonzept ist deshalb ein Gemengelage zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, was auch zur Konsequenz hat, dass es nicht eine einheitliche SE gibt, sondern viele verschiedene. 289 Dies wird vor allem bei Betrachtung der zentralen Verweisungsnorm des Art. 9 SE-Statut deutlich. Danach unterliegt die SE grundSätzlich den Bestimmungen der Verordnung und den Satzungsbestimmungen, die durch die Verordnung ausdrücklich zugelassen sind (Art. 9 I lit. a und b SE-Statut)?90 Wenn die Verordnung einen Bereich gar nicht oder nur teilweise regelt und auch keine Satzungsautonomie gewährt, gilt subsidiär das Recht des Mitgliedstaats, in dem die SE ihren Sitz hat (Art. 9 I lit. c SEStatut)?91 Dies gilt vor allem für die Bereiche, die wie das Steuerrecht, gar nicht mehr in der Verordnung geregelt sind. Innerhalb des für die SE geltenden nationalen Rechts unterscheidet die Verordnung zwischen Ergänzungs- und Ausführungsvorschriften, die speziell für die SE erlassen wurden (i), Rechtsvorschriften, die für nationale Aktiengesellschaften gelten (ii) und Satzungsbestimmungen, die nach nationalem Recht zulässig sind (iii).292 Daneben enthält die Verordnung für Bereiche, die sie zumindest teilweise regelt, wie das Kapital der Aktiengesellschaft, die Rechnungslegung oder die Hauptversammlung der SE, noch Spezialverweise auf das mitgliedstaatliehe Recht. 293 289 Hirte, NZG 2002, 1 (2); Pluskat, EuZW 2001, 524 (528); Lutter, BB 2002, 1 (3); Ebke, EWS 2002, Heft 1, Die Erste Seite. 290 In den durch das SE-Statut geregelten Bereichen besteht also grundSätzlich keine Satzungsfreiheit. Inwieweit die Satzung der SE von zwingenden gesetzlichen Vorschriften abweichen kann ist umstritten. Dabei ist zu beachten, dass in den meisten Mitgliedstaaten nicht das Prinzip der Satzungsstrenge gilt, wie es in § 23 V AktG vorgesehen ist. Vgl. zu den entsprechenden Regelungen in den früheren Art. 7 SE-Statut 1989 und 1991: Lutter. AG 1990,413 (417); Trojan-Limmer. RIW 1991, 1010 (1012); Sagasser/Swienty. DStR 1991, 1188 (1191); Merkt. BB 1992, 652 (656 f.); Hommelhoff, AG 1990,422 (434). 291 Es bestehen aber gewisse Abgrenzungsprobleme. So muss erst durch Auslegung ermittelt werden, ob eine Regelung, welche die Verordnung zu einem bestimmten Punkt trifft, abschließend ist oder ob eine Regelungslücke besteht, die einen Rückgriff auf das nationale Recht ermöglicht. Vgl. hierzu: Trojan-Limmer. RIW 1991, 1010 (l012); Raiser. FS Semler, 277 (282 f); Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1098; Wenz. S. 33. 292 Die durch das SE-Statut vorgesehenen Regelungsaufträge und Wahlrechte eröffnen dem nationalen Gesetzgeber einen gewissen Spielraum, den er durch ein Anpassungsgesetz nutzen kann. Für einen Gleichlauf mit dem für nationale Aktiengesellschaft geltenden Recht: Teichmann. ZIP 2002, 1109 (1110 ff.). 293 Das SE-Statut enthält hier Verweise auf das Sitzstaatrecht, auf die Durchführungsbestimmungen zu bestimmten in der Verweisung genannten Richtlinien, die durch den Sitzstaat erlassen wurden bzw. auf das Recht der Gründungsgesellschaft. Vgl. zu diesen Unterscheidungen: Schwarz. Europäisches Gesellschaftsrecht,
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
141
Trotz der Schwierigkeiten, die mit einer solchen Verweisungstechnik verbunden sind, kann sie aber auch positive Wirkungen haben. So ermöglicht ein solches Regelungskonzept einen Wettbewerb unter den nationalen Gesetzgebern um die interessanteste und attraktivste nationale aktien- und mitbestimmungsrechtliche Lösung für Unternehmen in Form einer SE. 294 b) Dualistisches und monistisches Verwaltungssystem der SE Für die Organisationsverfassung der SE enthält das Statut eine wesentliche Neuregelung. Nach Art. 38 lit. b SE-Statut ist es nunmehr zur Disposition des Satzungsgebers gestellt, ob die einzelne SE nach dem dualistischen System mit einem Leitungs- und einem Aufsichtsorgan oder nach dem monistischen System mit nur einem Verwaltungsorgan aufgebaut sein soll. Im Unterschied zu den Regelungen in der Struktur-Richtlinie und in den Verordnungsvorschlägen von 1989/91 können die Mitgliedstaaten den SE in ihrem Hoheitsgebiet die Wahl zwischen den Systemen also nicht mehr vorenthalten295 - vielmehr wird ein echtes Unternehmenswahlrecht eingeführt, wie es beispielsweise im französischen Aktienrecht zu finden ist. 296 Dies erscheint gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten und den grenzüberschreitenden Charakter einer SE sehr sinnvoll. Das Wahlrecht ermöglicht die Schaffung flexiblerer und auf die jeweilige Situation abgestimmter Strukturen unabhängig vom Sitz der Gesellschaft. Auf der anderen Seite entstehen dadurch auch gewisse Anpassungsprobleme, die der nationale Gesetzgeber bzw. der Satzungsgeber der SE zu bewältigen hat. 297 So müssten beispielsweise für die mitbestimmte SE, die das monistische System wählt, Lösungen gefunden werden, die eine Rn. 1104 ff.; allgemein zur Spezialverweisungstechnik: Grote, S. 175; zum Problem des Verweises auf durch EG-Richtlinien harmonisiertes Recht: Lutter, AG 1990, 413 (417 f.). 294 Lutter, BB 2002, I (3); Hommelhoff, AG 2001, 279 (285); schon früher schon: Wehlau, CMLR 29 (1992), 473 (501 f.). Vgl. zum Wettbewerb der Regelgeber im Europäischen Gesellschaftsrecht ausführlich: 4. Teil § 9 11. 295 Vgl. Art. 2 I S. I und 2 Struktur-RL, Art. 61 Spiegelstrich 1 SE-Statut 1991. Danach war es den Mitgliedstaaten möglich, ein bestimmtes Verwaltungssystem vorzuschreiben. 296 Befürwortend: Hommelhoff, AG 2001, 279 (283); Teichmann, ZGR 2002, 383 (389); zur französischen Regelung: Hopt, ZGR 2000, 779 (815); Guyon, FS Lutter, S. 82 (85 ff.); Teichmann, ZGR 2001, 645 (664). Insgesamt haben zwar nur 2% aller Aktiengesellschaften von der Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht; allerdings sind dies etwa ein Viertel aller großen börsennotierten Gesellschaften. Vgl. dazu auch: Hirte, NZG 2002, I (5). 297 Für die Mitgliedstaaten ist hierfür in Art. 43 IV SE-Statut eine Regelungsermächtigung vorgesehen. 10 Pannier
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Einpassung der Arbeitnehmermitbestimmung in die eingliedrige Unternehmensführung ermöglichen. 298 Bemerkenswert ist auch, dass das SE-Statut keine verdeckte Entscheidung zugunsten des dualistischen Systems trifft, wie dies bei den Regelungen der Struktur-Richtlinie der Fall ist. 299 Zwar wird noch im 14. Erwägungsgrund der Präambel klargestellt, dass auch für die SE eine klare Abgrenzung der Verantwortungs bereiche jener Personen, denen die Geschäftsführung obliegt, und der Personen, die mit der Aufsicht betraut sind, wünschenswert ist. Jedoch findet sich diese strikte Trennung ausdrücklich nur in den Regelungen zum dualistischen System wieder. Hier legt Art. 39 I S. 1 SE-Statut eindeutig und klar fest, dass das Leitungsorgan "die Geschäfte der SE in eigener Verantwortung" führt. Dies wird durch Art. 40 I SE-Statut noch deutlicher gemacht, wonach das Aufsichtsorgan die "Führung der Geschäfte durch das Leitungsorgan" überwacht und zudem nicht berechtigt ist, "die Geschäfte der SE selbst zu führen". Für das monistische System sind dagegen nur punktuelle Regelungen zu finden. So schreibt das SE-Statut eine solche Trennung nicht ausdrücklich vor. Vielmehr bleibt es nach Art. 43 I S. 2 SE-Statut dem mitglied staatlichen Recht überlassen, zwischen "executive directors", die die laufenden Geschäfte führen, und "non-executive directors" zu unterscheiden?OO Eine gewisse Trennung findet sich aber in Art. 48 I SE-Statut, der dem Satzungs geber der SE einen Regelungsauftrag erteilt, die Arten von (außergewöhnlichen) Geschäften festzulegen, für die ein ausdrücklicher Beschluss des gesamten Verwaltungsrats notwendig ist. 301
2. Schutz des Aktionärs innerhalb der Hauptversammlung a) Deregulierung der Aktionärsrechte Im Unterschied zu früheren Verordnungsentwürfen enthält das SE-Statut nur noch wenige Vorschriften zur Hauptversammlung?02 Auffällig ist insbesondere der Wegfall der Regelungen für die wichtigsten Aktionärsrechte, wie das Teilnahmerecht, das Stimmrecht und die Stimmrechtsvertretung 298 Hommelhoff, AG 2001, 279 (282 f.); Hirte, NZG 2002, 1 (5 ff.); vgl. zu diesem Konvergenzproblem ausführlich: Davies, ZGR 2001, 268 ff. 299 Vgl. dazu: § 5 I. 1. b). 300 Dazu auch: Hommelhoff, AG 2001, 279 (284). 301 Nach Art. 48 II SE-Statut können die Mitgliedstaaten aber auch bestimmte Arten von Geschäften vorschreiben, die in die Satzung aufzunehmen sind. 302 Vgl. zum SE-Statut 1975: Sonnenberger, in: Lutter (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 73 ff.; zum SE-Statut 1989: Hommelhoff, AG 1990, 422 (428 ff.); zum SE-Statut 1991: Trojan-Limmer, RIW 1991, 1010 (1016); Merkt, BB 1992, 652 (657).
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
143
und der Gleichbehandlungsgrundsatz bezüglich Informationen, die noch im Verordnungsvorschlag von 1991 enthalten waren. 303 Die Vorschläge von 1975 und 1989 regelten sogar noch das Auskunftsrecht und das Anfechtungsrecht des Aktionärs. 304 Mit der nun verabschiedeten Verordnung setzt sich also hier der allgemeine Deregulierungstrend des SE-Statuts fort. Allerdings trifft es hier einen Bereich, der, im Unterschied zu den Vorschriften zum Kapital der SE, die ebenfalls bis auf wenige Regelungen herausgenommen wurden, (noch) nicht durch Richtlinien harmonisiert wurde. Der mitgliedschaftliche Schutz der Aktionäre der SE richtet sich damit vorrangig nach dem Recht des Sitzstaates der SE. Zwar sind noch einige Bestimmungen zur Einberufung und Beschlussfassung der SE erhalten geblieben. Im Übrigen wird jedoch nach Art. 53 SE-Statut für die Organisation und den Verlauf der Hauptversammlung sowie für das Abstimmungsverfahren auf dessen Rechtsvorschriften verwiesen. b) Zuständigkeit der Hauptversammlung
Auch die Kompetenzen der Hauptversammlung orientieren sich im Wesentlichen an den Vorschriften des Sitzstaats der SE (Art. 52 S. 2 SE-Statut). Nach Art. 52 S. 1 lit. a und b SE-Statut beschließt sie zwar auch über die Angelegenheiten, die ihr durch Verordnung oder die Arbeitnehmer-Ergänzungsrichtlinie übertragen worden sind. Allerdings überträgt die Verordnung selbst nur noch wenige Zuständigkeiten. 30s So ist die Hauptversammlung nach Artt. 40 11 und 43 III SE-Statut für die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats der SE zuständig. Für die Bestellung des Leitungsorgans ist nach Art. 39 11 S. 1 SE-Statut, wie im dualistischen System üblich, aber das Aufsichtsorgan berufen. Hiervon macht das SE-Statut jedoch in Art. 39 11 S. 2 eine Ausnahme. Die Mitgliedstaaten können danach vorsehen, dass die Hauptversammlung auch die Mitglieder des Leitungsorgans bestellt bzw. abberuft. Zudem bedarf nach Art. 59 I SE-Statut jede Satzungsänderung eines Beschlusses der Hauptversammlung. Vgl. Artt. 86, 87, 89, 92, 100 SE-Statut 1991. Vgl. Artt. 90, 100 SE-Statut 1989, Artt. 90, 95 SE-Statut 1975. Artt. 97 ff. SE-Statut 1975 enthielten sogar ein Antragsrecht auf Bestellung eines Sonderprüfers. Vgl. ausführlich zur Stellung des Aktionärs im SE-Statut 1975: Lutter, in: Lutter (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 55 ff. 305 In Art. 83 SE-Statut 1975, Art. 81 SE-Statut 1989 waren dagegen noch ausführliche Kompetenzkataloge enthalten. Allerdings sollte auch diese Kataloge die Kompetenzen der Hauptversammlung nicht abschließend festlegen. Hommelhoff, AG 1990,422 (428); a.A. noch: Sonnenberger, in: Lutter (Hrsg.), Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 73 (74). 303
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2. Teil: Aktionärsrechte im Europäischen Gesellschaftsrecht
Im Übrigen ist die Hauptversammlung nach Art. 52 S. 2 SE-Statut für alle Angelegenheiten zuständig, die den nationalen Aktiengesellschaften durch die Rechtsvorschriften des Sitzstaats der SE bzw. durch der mit diesen Rechtsvorschriften im Einklang stehenden Satzung übertragen worden sind. 306 c) Einberufung der Hauptversammlung
Die Hauptversammlung der SE ist nach Art. 54 I S. I SE-Statut zumindest einmal im Jahr einzuberufen. Sie kann im Übrigen aber auch jederzeit von jedem Organ der SE oder jeder zuständigen Behörde nach den für die Aktiengesellschaften im jeweiligen Sitzstaat der SE maßgeblichen Rechtsvorschriften einberufen werden. Zum Schutz der Minderheitsaktionäre sieht Art. 55 SE-Statut auch ein Einberufungsrecht derjenigen Aktionäre vor, die einen Anteil am gezeichneten Kapital von mindestens 10% besitzen, wobei die Satzung oder die einzelstaatlichen Vorschriften auch einen niedrigeren Prozentsatz vorsehen können. 307 Unter den gleichen Voraussetzungen können Minderheitsaktionäre nach Art. 56 SE-Statut auch die Ergänzung der Tagesordnung verlangen. Vorschriften zur Bekanntmachung, zum Inhalt der Einberufung oder eine Regelung des Teilnahmerechts des Aktionärs enthält das SE-Statut dagegen nicht mehr. 308 d) Beschlussmehrheiten Eine Regelung findet sich noch für die Beschlüsse der Hauptversammlung der SE. Diese werden nach Art. 57 SE-Statut grundsätzlich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen 309 gefasst, soweit die Verordnung oder das mitgliedstaatliche Recht keine größeren Mehrheiten vorsehen. Eine Satzungsänderung bedarf nach Art. 59 I SE-Statut mindestens der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. 310 Bei mehreren Aktiengattungen ist nach Art. 60 I SE-Statut ein Beschluss der Inhaber der Aktiengattung notwendig, deren Rechte durch den Beschluss berührt werden. Im Vgl. zu diesen Unterschieden ausführlich: 3. Teil § 7 I. Hierzu auch: Hommelhoff, AG 1990, 422 (433), der die hohe Schwelle kritisiert. kritisch auch: Leupold, S. 109. 308 Vgl. Artt. 84, 86 SE-Statut 1989, Art. 86, 87 SE-Statut 1975. 309 Eine nähere Erläuterung dieses Begriffs enthält Art. 58 SE-Statut. 310 Die Mitgliedstaaten können hier nach Art. 59 I SE-Statut größere Mehrheiten vorsehen aber nach Art. 59 11 SE-Statut auch eine einfache Mehrheit ausreichen lassen, soweit mindestens die Hälfte des gezeichneten Kapitals vertreten ist. 306 307
§ 5 Der Schutz des Aktionärs innerhalb der Organisationsverfassung
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Fall der Satzungsänderung gilt das jeweilige Mehrheitserfordernis nach Art. 60 11 SE-Statut auch für die gesonderte Abstimmung.
IH. Zusammenfassung Der eigentliche Inhalt des Gesellschaftsanteils wird, abgesehen von bestimmten "Grundrechten" bei Strukturentscheidungen, durch Europäisches Gesellschaftsrecht kaum angeglichen. Das betrifft vor allem die mit der Aktie verbundenen Verwaltungsrechte, wie das Teilnahmerecht, das Auskunftsrecht, das Stimmrecht und die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der Beschlüsse. In diesem Bereich macht das europäische Recht nur marginale Vorgaben. Die Struktur-Richtlinie als das zentrale Vorhaben in diesem Bereich gilt als gescheitert. In vielen Punkten folgt sie einem detailliert ausgestalteten System des Aktionärsschutzes, das dem des deutschen Aktienrechts sehr ähnlich ist. Selbst die nun verabschiedete Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft enthält nur punktuelle Vorgaben für die Ausgestaltung der Aktionärsrechte. Der mitgliedschaftliche Schutz der Aktionäre der SE richtet sich deshalb vorrangig nach mitgliedstaatlichem Recht.
3. Teil
Ausgestaltung der Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien § 6 Einführung Für den Schutz der Aktionäre hält das Europäische Gesellschaftsrecht verschiedene Mechanismen bereit. So werden sie bei wichtigen Grundlagenentscheidungen durch ein ausgeprägtes Beteiligungs- und Informationssystem geschützt. Wesentliche Bestandteile dieses Systems sind die Beteiligung des Aktionärs an wichtigen Grundlagenentscheidungen der Gesellschaft, die Information über den die jeweilige Maßnahme und die Informationskontrolle. Die genaue Ausgestaltung dieses Beteiligungsrechts ist jedoch grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen. Hier sind europäische Vorgaben kaum zu finden. Insbesondere bei Regelungen zur Einberufung der Hauptversammlung, zu den Teilnahmevoraussetzungen, zur Ausübung des Stimmrechts, zur Stimmrechtsvertretung, zur Information des Aktionärs innerhalb der Hauptversammlung und zur Beschlussanfechtung haben die Mitgliedstaaten weitgehende Gestaltungsfreiheit. In diesem Bereich sollte die Struktur-Richtlinie für eine Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte sorgen. 1 Auch in der jetzt verabschiedeten Verordnung für das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft finden sich für diesen Bereich kaum gemeinschaftsrechtliche Vorgaben. 2 Vielmehr wird für die Organisation und den Verlauf der Hauptversammlung sowie für das Abstimmungsverfahren sogar größtenteils ausdrücklich auf das Recht des Sitzstaats der SE verwiesen. Aufbauend auf die Untersuchung im 2. Teil soll deshalb für die drei wirtschaftlich wichtigsten Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ein Überblick über die Ausgestaltung der Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung gegeben werden. 3 Untersucht werden soll dabei vor Vgl. dazu: 2. Teil § 5 I. Vgl. dazu: 2. Teil § 5 11. 3 So erwirtschafteten Deutschland, Frankreich und Großbritannien 1999 mehr als die Hälfte des gesamten Bruttoinlandsproduktes der Gemeinschaft, vgl. Eurostat, I
2
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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allem das Recht der deutschen Aktiengesellschaft (AG), der französischen "societe anonyme" (SA) und der britischen "public company".4
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der
Hauptversammlung
I. Zuständigkeit der Hauptversammlung In allen untersuchten Rechtsordnungen gehört die Hauptversammlung selbstverständlich zur Struktur der Aktiengesellschaft. Sie ist bei deutschen, französischen und auch britischen Aktiengesellschaften grundsätzlich das einzige Medium, durch das die Aktionäre handeln können. Was aber die gen aue Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen der Gesellschaft betrifft, gibt es einige Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten. Dies liegt zum einen an der Existenz verschiedener Verwaltungssysteme und der damit verbundenen unterschiedlichen Aufgabenverteilung innerhalb der Gesellschaft. 5 Zum anderen spiegeln sich bei der Frage der Zuständigkeit der Hauptversammlung aber auch die unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungskonzepte der drei Mitgliedstaaten wieder.
1. Deutschland In Deutschland sind die Kompetenzen der Hauptversammlung weitgehend durch das Aktiengesetz festgelegt. 6 So bestimmt § 119 I AktG, dass die Hauptversammlung nur in den im Gesetz oder in der Satzung ausdrückNews Release, 78/2000 v. 7. Juli 2000, S. 4. Zudem kommen von den 100 größten Unternehmen in Europa 76 aus diesen drei Mitgliedstaaten. Vgl. FAZ, 8. Juli 2002, Nr. 155/Seite 22. 4 Wegen der größeren Ähnlichkeit der "public limited" mit der deutschen Aktiengesellschaft und der französischen "Societe Anonyme" und weil sich die Harmonisierungsbestrebungen der Gemeinschaft im Bereich des Innenrechts vor allem auf diese Gesellschaftsform beschränken, bleiben andere Gesellschaftsformen weitgehend unberücksichtigt. Vgl. zur Unterscheidung zwischen "private" und "public company": § 7 I. 3. 5 Vgl. zur Unterscheidung zwischen monistischen und dualistischen Verwaltungssystem: 2. Teil § 5 I. 1. b). 6 Für börsennotierte Aktiengesellschaften ist zudem der Deutsche Corporate Governance Kodex als Instrument mittelbarer Regulierung von Bedeutung. Dieser soll die Aktiengesellschaften nach § 161 AktG über eine Entsprechungserklärung zur Beachtung der in dem Kodex enthaltenen Vorgaben anregen. Für die Kompetenz der Hauptversammlung enthält der Kodex allerdings keine weiteren Vorgaben, sondern wiederholt im Wesentlichen den Gesetzeswortlaut. Vgl. ausführlich zur Rechtsnatur und zum Inhalt des Deutschen Corporate Governance Kodex: 4. Teil § 9 IV. 2.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
lich bestimmten Fällen beschließt. 7 Die Kompetenz der Hauptversammlung umfasst beispielsweise die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsrats, die Verwendung des Bilanzgewinns 8 oder die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. 9 Weiterhin ist die Hauptversammlung für Satzungsänderungen und andere Strukturmaßnahmen zuständig. lO Kennzeichnend für das deutsche Aktienrecht ist zudem eine strikte Kompetenzverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen. §§ 76 I und 119 11 AktG stellen klar, dass die Hauptversammlung für Fragen der Geschäftsführung grundSätzlich keine Zuständigkeit besitzt. Sie kann sich insbesondere nicht durch entsprechenden Beschluss zuständig machen. 11 Über solche Fragen kann sie nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 11 AktG).12
2. Frankreich Auch innerhalb der französischen "Socit~te Anonyme" ist die Zuständigkeit der Hauptversammlung ("assemblee d'actionnaires") weitgehend durch Gesetz festgelegt. Regelungen zur SA finden sich seit dem 18. 9. 2000 13 7 Wegen der aktienrechtlichen Satzungsstrenge (§ 23 V AktG) ist der Spielraum für eine Zuständigkeitsbegründung kraft Satzung allerdings sehr klein. Vgl. Hüjfer, AktG § 119 Rn. 10; Birk, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Publicly Held Corporations, S. 53 (59). Die in § 119 I Nr. 1 bis 8 AktG aufgezählten Zuständigkeiten sind schon nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nicht abschließend. 8 Für die Feststellung des Jahresabschlusses ist hingegen nach § 172 AktG die Hauptversammlung nur zuständig, sofern Vorstand und Aufsichtsrat beschließen, die Feststellung der Hauptversammlung zu überlassen. 9 Vgl. § 119 I Nr. 1,2,3 AktG. 10 V gl. § 119 I Nr. 5, 6, 8. Das Erfordernis eines Beschlusses findet sich aber auch jeweils in den Vorschriften zu den einzelnen Maßnahmen (bspw. §§ 179 I S. I, 182 I S. I, 193 I S. 1,202 II S. 2 AktG). 11 Hüjfer, AktG, § 119 Rn. 11. 12 Eine Ausnahme gilt für gesetzlich nicht geregelte Strukturmaßnahmen von herausragender Bedeutung, bei denen der Vorstand nach der Rechtsprechung verpflichtet ist, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. Vgl. BGHZ 83, 122 (Holzmüller) für die Übertragung eines wertvollen Teils des Gesellschaftsvermögens auf eine Tochtergesellschaft. Vgl. auch Hüjfer, § 119 AktG Rn. 16 ff. m. W.N. 13 Bis zu dieser Änderung galten die Vorschriften des 2. Buches im Gesetz über die Handelsgesellschaften vom 24.7.1966 geregelt (Loi no. 66-537 du juillet 1966 sur les societes commerciales). Durch den "Nouveau Code de Commerce" wurden die bis dahin verstreuten handelsrechtlichen Regelungen in einem Gesetz zusammengefasst. Durch diese Neuordnung waren jedoch keine materiellen Änderungen beabsichtigt. Vgl. GroßerichterlRageade, RIW 2001, 771; SonnenbergeriGroßerichterlRageade, RIW 2000, 942. Vgl. zur Geschichte des französischen Aktienrechts: Lutter, NJW 1967, 1153 ff.; Sonnenberger, S. 106 ff.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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vor allem im 2. Buch des "Nouveau Code de Commerce" (L)14 und in der Durchführungsverordnung vom 23.3.1967 (D).15 Das französische Aktienrecht unterscheidet zwischen ordentlichen und außerordentlichen Hauptversammlungen. 16 Die Befugnisse der ordentlichen Hauptversammlung sind in Art. L 225-100 geregelt. Danach kann sie über alle Fragen beschließen, die den Abschluss des abgelaufenen Geschäftsjahres betreffen (Art. L 225-199 III). Sie ist also zuständig für die Feststellung des Jahresabschlusses sowie der konsolidierten Abschlüsse von kontrollierten Gesellschaften, die Entscheidung über die Verwendung des Gewinns und gegebenenfalls über die Ausschüttung einer Dividende. 17 Art. L 225100 IV enthält zudem Verweise auf weitere Zuständigkeiten in den einzelnen Vorschriften des Gesetzes. So ist die ordentliche Hauptversammlung beispielsweise auch zuständig für die Ernennung und Abberufung der Abschlussprüfer und der Mitglieder des Verwaltungsrats ("conseil d'administration") bzw. des Aufsichtsrats ("conseil de surveillance"), je nach dem, ob das eingliedrige oder das zweigliedrige Verwaltungssystem gewählt wurde (Artt. L 225-18, L 225-75, L 225-78).18 Über Satzungsänderungen, wie beispielsweise Veränderungen des Grundkapitals, entscheidet nach Art. L 225-96 allein die außerordentliche Hauptversammlung. 19 Grundlegend für die Kompetenzverteilung zwischen Hauptversammlung und Geschäftsführung ist Art. L 225-35 I bzw. Art. L 225-64 1. 20 Danach 14 Code de commerce, Annexe a l'ordonnance no. 2000-912 du 18 septembre 2000, Livre II, Des Societes Commerciales et des Groupements d'interet economique. 15 Decret no. 67-236 du 23 mars 1967 sur les societes commercia1es. Gemeinsame Regeln für alle Gesellschaften finden sich in den Artt. 1832-1873 des Code Civil. Vgl. Tillmanns, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 2; Edelmann, AnwBI. 1995, 71 ff.; Michalsky, DStR 1991, 1563 (1566); ChaussadeKlein, S. 1 f. 16 Vgl. insb. Artt. L 225-96, L 225-98 L. l7 Vgl. auch: Jura Europae, 30.10., Nr. 115, 135, 137; Sonnenberger, S. 175; Hüpper, AG 1973, 330 (333 f.); Tillmanns, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch GeseIlschaftsrecht, Rn. 243 ff.; Aretz, European Company Law, S. 77. 18 Im dualistischen Verwaltungssystem besteht die SA, wie im deutschen Aktienrecht aus Vorstand ("directoire") und Aufsichtsrat ("conseil de surveillance"), im monistischen System dagegen, wie im britischen "board"-System aus einem Verwaltungsrat ("conseil d'administration"). Vgl. Artt. L 225-17-L 225-56, L 225-57-L 225-93. Vgl. dazu: Sonnenberger, S. 173 ff.; Tillmanns, in: Hohloch (Hrsg.), EUHandbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 223 ff.; Michalsky, DStR 1991, 1563 (1567); Chaussade-Klein, S. 55; Aretz, European Company Law, S. 70 ff.; Maitland-Walker, S. 206 ff.; v. Bernstorff, EWS 1998,398 (404). 19 Vgl. für eine Aufzählung verschiedener Satzungsänderungen: Hüpper, AG 1973, 330 (332 f.). . 20 Durch das Gesetz Nr. 2001-420 vom 15.5.2001 "Nouvelles Regulations Economiques" (NRE), Journal Officiel (1.0.) vom 16.5.2001, S. 7776 ff. wurde die in-
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
sind Verwaltungsrat bzw. Direktion ("directoire") insoweit handlungsbefugt, als keine ausdrückliche gesetzliche Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht. Außerdem darf die Hauptversammlung, auch wenn sie als das oberste Organ der Gesellschaft betrachtet wird, nicht uneingeschränkt in die Zuständigkeit der anderen Organe eingreifen, sich also beispielsweise nicht in die tägliche Geschäftsführung einmischen. 21 Jedoch wird umgekehrt eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für wichtige Geschäfte außerhalb der täglichen Geschäftsführung bejaht und es wird als möglich erachtet, dass die Satzung Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Hauptversammlung für bestimmte Maßnahmen oder Geschäfte vorsieht. 22
3. Großbritannien In Großbritannien ist die Zuständigkeitsverteilung innerhalb der "public company" dagegen gesetzlich nicht so strikt ausgestaltet. Neben dem "common law" ist vor allem der "Companies Act 1985" (CA 1985) Quelle für Regelungen der Kapitalgesellschaften?3 Er gilt für "private" und "public companies" gleichermaßen, wobei es sich hierbei nicht um zwei unterschiedliche Gesellschaftsformen handelt, sondern um ähnliche Typen einer einheitlichen Kapitalgesellschaftsform, der "company".24 terne Kompetenzverteilung der Geschäftsführung, d.h. der Befugnisse des Verwaltungsrats und seiner Mitglieder, gesetzlich präziser definiert und von denen der Generaldirektion abgegrenzt, Art. L-235-35 I, III. Vgl. dazu ausführlich: Storp, RIW 2002,409 (411 ff.). Davon ist die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Hauptversammlung und Geschäftsführung unberührt geblieben. 21 Jaeger, S. 116 f. 22 Jaeger, S. 117. 23 Der "Companies Act 1985" gilt zwar nur für in England (einschließlich Wales) und Schottland gegründete "companies". Das nordirische Kapitalgesellschaftsrecht enthält aber nahezu identische Vorschriften. Vgl. Triebel/Hodgson/ Kellenter/Müller, Rn. 559, 1318 ff.; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 3, 4; Baums, in: HoptiKanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Governance - the State of the Art and Emerging Research, S. 545 (562). Vgl. zum CA 1985: Meinhardt, RIW 1987, 10 ff.; Gesetzliche Regelungen finden sich aber auch in einigen ergänzenden Gesetzen, zu denen auch der "Companies Act 1989" gehört. Vgl. dazu: Herrmann, RIW 1991,378 ff. 24 Der maßgebliche Unterschied ist, dass eine "public company" in ihrem "memorandum of association" ein Grundkapital von 50.000 Pfund festsetzen muss (sees. 11, 101 (1), 117, 118 CA 1985). Zudem muss sie auch als "public company" beim "registrar of companies" eingetragen worden sein (sec. 1 (3) CA 1985). Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Aktien und Schuldverschreibungen der "private companies" nicht öffentlich gehandelt werden können (sec. 81 CA 1985). Die immer weiter fortschreitende Differenzierung zwischen "private" und "pub1ic companies" geht letztlich auch auf die Umsetzung der Regelungen der KapitalRichtlinie zurück, die nur auf "public companies" anwendbar ist (Art. 1 I KapitalRL). Vgl. genauer: Farrar, in: Farrars' Company Law, S. 42 ff.; Triebel/Hodgson/
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Die Festlegung der Hauptversammlungszuständigkeiten ist, im Unterschied zum deutschen und französischen Recht, traditionell weitgehend dem Satzungsrecht ("articles of association,,)25 überlassen?6 Zwar werden in dieser Hinsicht durch eine Art "Mustersatzung"27 gewisse Vorgaben gemacht. Diese sind aber insoweit dispositiv, als sie nur verbindlich gelten, wenn die "company" darauf verzichtet, beim "registrar of companies" eigene "articles" vorzulegen bzw. die vorgelegten "articles" die Vorgaben der Mustersatzung nicht ausschließen oder ändem?S Gesetzlich zwingend ist die Hauptversammlung ("general meeting") jedoch auch im britischen Recht für Änderungen der Satzungsrechts oder des Grundkapitals zuständig, die zumeist auf einer außerordentlichen Hauptversammlung behandelt werden. 29 Zudem sind der "Companies Act" und die "Mustersatzung" nicht die einzigen Vorschriften, die eine "public company" zu beachten hat. Für Aktiengesellschaften, die an der Londoner Börse notiert sind, bestimmen die "Listing Rules" der "Financial Service Authority" (FSA) beispielsweise noch weitere Zuständigkeiten. 3o Im Übrigen aber besitzt die HauptverKellenter/Müller, Rn. 575 ff.; Davies, AG 1998, 346; Jura Europae, 90.20., Nr. 1 ff.; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 15 ff., 122 f.; v. Bernstorff, EWS 1998,433. 25 Die "articles of association" gelten für das Innenverhältnis der "company" und sind neben dem "memorandum of association", das für das Außenverhältnis der Gesellschaft gilt, Teil der Vorschriften, die in deutschen oder französischen in der Satzung zu finden wären. Das "memorandum" hat jedoch hat im Fall des Widerspruchs zwischen bei den den Vorrang vor den "articles". Vgl. Jura Europae, 90.10, Nr. 3; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Rn. 632; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 126; Michalsky, DStR 1991, 1660 (1661); v. Bernstorff, EWS 433 (434 f.). 26 Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 563; TriebellHodgson/Kellenter/Müller, Rn. 631; Jura Europae, 90.10., Nr. 11; Jaeger, S. 117; Wilt, AG 2000, 257 (263); v. Bernstorff, EWS 1998,433 (434); Güthoff, S. 21. 27 The Companies (Tables A to F) Regulations 1985 (S.l. 805) Table A. 28 Vgl. sec. 8 II CA 1985; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, Rn. 603, 630; Witt, AG 2000, 257 (263); Jura Europae, 90.10., Nr. 12; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 134; Meinhardt, RIW 1987, 10. Bei einer "private company" können die Aktionäre aber auch ohne Abhaltung einer Hauptversammlung durch eine sog. "written resolution" zustimmen. Vgl. sec. 381A CA 1985. 29 Vgl. sees. 2 VII, 4, 9 I, 121 I, 135 I, 166 I CA 1985. Auch die Company Law Review Steering Group schlägt in dieser Hinsicht keine wesentlichen Änderungen vor. Andere Punkte als der Jahresabschluss oder die Ernennung der Abschlussprüfer sollten gesetzlich nicht festgelegt werden. Vgl. Cornpany Law Review Steering Group, Modem Company Law - For a Competitive Economy, Final Report, 2001, eh. 7.9. 30 Vgl. UKLA Sourcebook, welches die verschiedenen "Listing Rules" und den "Combined Code" enthält; abrufbar unter: http://wwwJsa.gov.uk/ukla. Vgl. auch: Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 563; Kreß, S. 76; Triebel/
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
sammlung die Befugnisse, die sich aus den "articles" der Gesellschaft ergeben. Zu den Gegenständen, die üblicherweise bei der jährlichen Hauptversammlung ("annual general meeting") behandelt werden, gehören die Vorlage des Jahresabschlusses sowie die Berichte der Direktoren und der Abschlussprüfer, schließlich die Festsetzung der Dividenden und die Bestellung oder Wiederbestellung der Direktoren und Abschlussprüfer. 31 Der größere Gestaltungsspielraum für die Kompetenzverteilung in britischen "companies" darf zwar nicht dazu führen, dass die Geschäftsführung insgesamt auf die Hauptversammlung übergeht. 32 So sieht auch die Mustersatzung in Art. 70 Table A vor, dass das Verwaltungsorgan ("directors") die Geschäfte der Gesellschaft führen soll. Allerdings bleibt die Möglichkeit, den Direktoren durch einen Beschluss Anweisungen in Geschäftsführungsangelegenheiten zu erteilen. 33 Umgekehrt ist es aber auch möglich, die Geschäftsführung durch spezielle Satzungs bestimmung ausschließlich auf die "directors" zu übertragen, so dass die Hauptversammlung keine Möglichkeit hat, auf die Geschäftsführung einzuwirken. Möglich ist auch, für bestimmte Angelegenheiten die Zuständigkeit sowohl der "directors" als auch des "general meetings" vorzusehen. Im Konfliktfall geht dann die Entscheidung der Hauptversammlung als der "superior authority" VOr. 34
4. Zusammenfassung Festzustellen ist, dass in allen untersuchten Rechtsordnungen die Hauptversammlung für die grundlegenden Entscheidungen der Gesellschaft zuständig, also traditionell der Prinzipal im Beziehungsgeflecht der Gesellschaft ist. 35 Für das britische und französische Aktienrecht findet sich auch oft die Aussage, dass die Hauptversammlung das oberste Organ der GesellHodgson/Kellenter/Müller, Rn. 660. Vgl. zur Rechtsnatur des "Combinded Code" ausführlich: 4. Teil § 9 IV. 31 Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 563. Die Feststellung bzw. Billigung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung ist nur sehr seiten in den Satzungsbestimmungen vorgesehen. Vgl. Jura Europae, 90.10., Nr. 108, 122 ff. 32 Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 183 ff.; Jaeger, S. 117. 33 Dine, S. 150 ff.; Jaeger, S. 118. Umstritten sind aber Reichweite und Voraussetzung einer solchen Anweisung. Vgl. Leader/Dine, in: Pinto/Visentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Publicly Held Corporations, S. 219 (227); Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 186 f. 34 Jaeger, S. 118. 35 Wymeersch, WP 2001-04, S. 15; Hocker, FS Bezzenberger, S. 147 (150); DSW-Europastudie, S. 9; für das französische Recht: Fanto, in: Pinto/Visentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Publicly Held Corporations, S. 1 (16).
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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schaft ist. 36 Was die genaue Zuständigkeitsverteilung und insbesondere das Verhältnis der Hauptversammlung zur Geschäftsführung betrifft, finden sich aber sehr unterschiedliche Konzepte. Während das deutsche Aktienrecht eine strikte Abgrenzung der jeweiligen Aufgabenbereiche vorsieht, lassen das französische und britische Aktienrecht flexiblere Strukturen mit Zustimmungsvorbehalten der Hauptversammlung oder sogar Einzelanweisungen an die Geschäftsführung der Gesellschaft zu. Die größere Satzungsfreiheit bezüglich des Innenverhältnisses in der "public company" hängt damit zusammen, dass das britische Gesellschaftsrecht die sich aus den "articies of association" ergebenden Rechte und Pflichten der Gesellschaft und der Gesellschafter mit dem Vertragsdogma erklärt. 37 Eine strengere gesetzliche Ausgestaltung des Innenverhältnisses würde als Eingriff in die internen Verhältnisse der Gesellschaft angesehen. 38
11. Teilnahme an der Hauptversammlung Die Aktionäre üben ihre Rechte überwiegend in der Hauptversammlung aus. Auffällig ist, dass es in allen drei Mitgliedstaaten sehr ausführliche Regelungen zur Einberufung der Hauptversammlung gibt, die dem Aktionär die informierte Teilnahme ermöglichen soHen. 1. Deutschland a) Einberufung der Hauptversammlung
Die Hauptversammlung wird in deutschen Aktiengesellschaften nach
§ 120 I AktG zumindest einmal im Jahr zum Beschluss über die Entlastung
der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einberufen (ordentliche Hauptversammlung). Einberufungspflichtig ist insoweit der Vorstand, der die Hauptversammlung aber auch in den anderen durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen einzuberufen hat (§ 121 I, 11 AktG). Dazu gehört 36 Im deutschen Recht wird hingegen wegen der strikten Aufteilung der Kompetenzen nicht von einem Über- und Unterordnungsverhältnis von Hauptversammlung und den anderen Gesellschaftsorganen ausgegangen. Vgl. für das deutsche Recht: Schmidt, S. 845; Hüjfer, AktG, § 119 Rn. 1; für das französische Recht: Jura Europae, 30.10 Nr. 100; Michalsky, DStR 1991, 1563 (1567); für das englische Recht: Michalsky, DStR 1991, 1660 (1662); differenzierend: Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 183 ff. Vgl. dazu auch: Hohn Abad, S. 4 f. 37 Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 115 ff.; Triebell HodgsonlKelienterlMüller, Rn. 604; Witt, AG 2000, 257 (264); Du PlessislDine, Journal of Business Law 1997,23 (27 f.). 38 Wilt, AG 2000, 257 (264). Vgl. zur Satzungsfreiheit auch: Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 106 ff. (insb. 115 ff.).
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
beispielsweise die Pflicht zur Einberufung bei schweren Verlusten (§ 92 I AktG)39 sowie dann, wenn das Wohl der Gesellschaft es fordert (§ 121 I AktG). Im letzteren Fall hat auch der Aufsichtsrat eine Einberufungspflicht (§ 111 III AktG). Daneben kann auch eine Aktionärsminderheit mit 5 % des Grundkapitals die Einberufung bzw. Ergänzung der Tagesordnung verlangen (§ 122 I, 11 AktG).4o Jeder Aktionär hat zudem unabhängig von der Größe des Aktienbesitzes das Recht, bis eine Woche vor dem Tag der Hauptversammlung Gegenanträge oder andere Wahlvorschläge der Gesellschaft zu unterbreiten (§§ 126, 127 AktG).41 Die Einberufung erfolgt unabhängig davon, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche Hauptversammlung handelt, mit einer Frist von mindestens einem Monat (§ 123 I AktG). Sie ist zeitgleich mit der Tagesordnung in den Gesellschaftsblättem (Bundesanzeiger) bekannt zu geben (§§ 121 III S. 1, 124 I S. 1 AktG).42 Wenn die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt sind (insb. Namensaktien), kann die Einberufung und die Tagesordnung auch mit eingeschriebenem Brief mitgeteilt werden, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt und eine weniger strenge Mitteilung, wie beispielsweise eine elektronische Benachrichtigung, zulässt (§§ 121 IV S. 1, 124 I S. 3 AktG).43 Im Zusammenhang mit der Tagesordnung treffen den Vorstand auch noch weitere Bekanntmachungs- und Mitteilungspflichten. 44 Über Gegenstände, die nicht ordnungsgemäß bekannt Vgl. zur Regelung des Art. 17 Kapital-RL: 2. Teil § 4 11.2. Für die Ergänzung der Tagesordnung reicht nach § 122 11 AktG alternativ auch ein anteiliger Betrag am Grundkapital von 500.000 €. 41 Durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) v. 17.5.2002 (BGBI. I 2002, 2681) wurde diese Frist zugunsten der Aktionäre verlängert. Die entsprechenden Regelungen treten nach Art. 5 S. 1 des Gesetzes am 1.1.2003 in Kraft. Nach der früheren Regelung musste der Gegenantrag eine Woche nach Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung gestellt werden. Vgl. dazu: Ihrig/ Wagner, BB 2002, 789 (794); Noack, DB 2002, 620 (6220; Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1276); Seibert, NZG 2002, 608 (611). 42 Die Satzung kann nach § 25 S. 2 AktG neben dem Bundesanzeiger auch "elektronische Informationsmedien", wie das Internet als Gesellschaftsblätter bezeichnen. Auch hier hat das TransPuG (vgl. die Nachw. in: Fn. 41) eine Änderung gebracht. Nach § 25 I AktG n. F. soll der Bundesanzeiger ab dem 1.1.2003 in elektronischer Form erscheinen. 43 Spindler, ZGR 2000, 420 (430); Claussen, AG 2001, 166 (167); Riegger, ZHR 165 (2001), 204 (206). 44 So sind die Ergänzungsanträge der Minderheitsaktionäre bekanntzumachen (§ 124 I S. 2 AktG). Des Weiteren hat der Vorstand die Tagesordnungspunkte in der Bekanntmachung näher zu erläutern (§§ 124 11, III AktG). Schließlich muss er nach §§ 125-127 AktG auch Aktionärsvereinigungen, Kreditinstitute, Aufsichtsratsmitglieder und bestimmte Aktionäre (Namensaktien, § 125 11 Nr. 3 AktG) über die Einberufung der Hauptversammlung, die Bekanntmachung der Tagesordnung, etwaige Anträge und Wahlvorschläge von Aktionären einschließlich des Namens, der Be39
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§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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gemacht wurden, dürfen grundsätzlich keine Beschlüsse gefasst werden (§ 124 IV S. 1 AktG). Jedoch können auch ohne die Förmlichkeiten der Einberufung Hauptversammlungsbeschlüsse gefasst werden, wenn alle Aktionäre erschienen oder wirksam vertreten sind (§ 121 VI AktG). b) Teilnahmerecht des Aktionärs
Grundsätzlich kann jeder Aktionär einer deutschen Aktiengesellschaft an der Hauptversammlung teilnehmen, unabhängig davon, ob er stimmberechtigt ist oder nicht. 45 Eine Beschränkung dieses Teilnahmerechts ist allein in der Weise möglich, dass die Satzung die Teilnahme davon abhängig macht, ob die Aktien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Versammlung hinterlegt wurden oder die Aktionäre sich vor der Versammlung angemeldet haben (§ 123 11 S. 1 AktG). Dabei genügt jedenfalls eine Hinterlegung oder Anmeldung am siebten Tag vor der Versammlung (§§ 123 III S. 1, 123 IV AktG). Nach Inkrafttreten des TransPuG46 ist nun in § 118 III AktG ausdrücklich geregelt, dass die Hauptversammlung in Bild und Ton übertragen werden kann, sofern die Satzung oder die Geschäftsordnung dies bestimmen. 47
gründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung zu informieren. Auch hier hat die Mitteilung wegen des offeneren Wortlauts nicht mehr ausschließlich in schriftlicher Form zu erfolgen (vgl. § 125 11 " ... Mitteilung ... zu machen"). Auch für die Gegenanträge der anderen Aktionäre reicht es nach Inkrafttreten des Transparenz- und Publizitäts gesetz v. 17.5.2002 aus, wenn Gegenanträge den anderen Aktionären zugänglich gemacht werden (§ 126 I AktG). Sie müssen also nicht mehr in gedruckter Form an die übrigen Aktionäre versandt werden, sondern es reicht eine Veröffentlichung im Internet. Vgl. dazu: lhrig/Wagner, BB 2002, 789 (794); Noack, DB 2002, 620 (622). 45 Grunewald, S. 266; Schmidt, S. 847. Das Teilnahmerecht kann aber im Fall der missbräuchlichen Ausübung beschränkt werden. Vgl. Hüf!er, § 118 Rn. 13, § 129 Rn. 22. 46 Vgl. dazu: Nachw. in Fn. 41. 47 Möglich wird damit zwar ausdrücklich eine Online-Übertragung im Internet. Jedoch führt dies (noch) nicht zu einer sog. rein "virtuellen Hauptversammlung". Eine solche ist nach überwiegender Ansicht in der Literatur unzulässig. Vgl. Pik6/ Preissler, AG 2002, 223 (224) m. w.N. Das Stimmrecht selbst muss vielmehr immer noch innerhalb der Hauptversammlung ausgeübt werden. Vgl. zu dieser Diskussion und zur Möglichkeit der elektronischen Stimmrechtsvollmacht: § 7 IV. 1. b). In der Praxis hatten auch ohne diese ausdrückliche Satzungsermächtigung viele Gesellschaften ihre Hauptversammlungen im Internet übertragen. Vgl. Noack, NZG 2001, 1057 (1060); Pik6/Preissler, AG 2002, 223 (225); Seibert, NZG 2002, 609 (611).
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
2. Frankreich a) Einberufung der Hauptversammlung
Die ordentliche Hauptversammlung muss in französischen Aktiengesellschaften ebenfalls zumindest einmal im Jahr in den ersten sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres einberufen werden (Art. L 225- 100).48 Soweit der eingliedrige Verwaltungsaufbau gewählt wurde, wird die Hauptversammlung grundsätzlich vom Verwaltungsrat einberufen. Anderenfalls sind die Direktion bzw. der Aufsichtsrat einberufungspflichtig (Art. L 225103 1).49 Aber auch Minderheitsaktionäre, die mindestens 5 % des Grundkapitals oder 5 % der Aktien der betroffenen Aktiengauung repräsentieren, können eine Einberufung verlangen, wenn diese Organe nicht handeln (Art. L 225-103, Art. 122 D).50 Die Einberufungsfrist beträgt grundSätzlich 15 Tage und 6 Tage bei den folgenden Einberufungen (Art. 126 D). Bei börsennotierten SA muss die EinberufungsmiUeilung (,,1' avis de reunion") allerdings 30 Tage vorher veröffentlicht werden (Art. 130 III D). Die Einberufung, die die Tagesordnung enthalten muss, erfolgt grundsätzlich durch Anzeige in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt, im Fall einer börsennotierten SA im "Bulletin officiel des annonces legales obligatoires (BALO)" (Art. 130 D).51 Inhabern von Namensaktien muss die Einberufung zudem individuell mitgeteilt werden (Art. 125 D). Für den Fall, dass alle Aktien auf den Namen lauten, kann auf eine öffentliche Anzeige verzichtet werden (Art. 124 D).52 In diesem Fall und auch, wenn die Satzung es ausdrücklich bestimmt, muss die Einberufung durch eingeschriebenen Brief mitgeteilt werden Zu den Befugnissen der ordentlichen Hauptversammlung vgl.: § 7 I. 2. Im zweig1iedrigen Verwaltungssystem sind grundSätzlich beide Verwaltungsorgane gleichberechtigt einberufungs befugt. Die Satzung kann aber eine Hierarchie festlegen. Vgl. Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (96). 50 Die Schwelle für die Ausübung dieses Rechtes wurde erst kürzlich durch das "NRE) (vgl. dazu die Nachw. in: Fn. 20) von 10% auf 5% herabgesetzt. Die Einberufung erfolgt in diesem Fall durch einen Bevollmächtigten, der auf Antrag der Minderheitsaktionäre oder sogar auf Antrag von jedermann, der ein rechtliches Interesse an der Einberufung hat, eingesetzt wird. Daneben kann die Einberufung auch durch Abschlussprüfer und Liquidatoren verlangt werden (Art. L 225-103 11). Vgl. auch: Aretz, European Company Law, S. 78. 51 Vgl. auch: Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 95 (96); Jura Europae, 30.10., Nr. 104; Baums, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Governance - the State of the Art and Emerging Research, S. 545 (553). 52 Seit 1982 sind alle Aktien von nichtbörsennotierten Gesellschaften ("societes non cotees") zwingend Namensaktien. Vgl. Maier, RIW 1986,677 (681). 48 49
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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(Art. 124, 125 D).53 Die Tagesordnungspunkte sind so abzufassen, dass Inhalt und Tragweite der Verhandlungsgegenstände klar verständlich sind (Art. 123 D). Auch im französischen Aktienrecht gilt der Grundsatz, dass über Tagesordnungspunkte, die nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wurden, grundsätzlich kein Beschluss gefasst werden kann (Art. L 225105 III S. 1).54 Zudem können auch in der SA Minderheitsaktionäre einen Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung stellen (Artt. 128, 129, 130 11 D). Der hierzu notwendige Anteil am Grundkapital liegt abhängig von dessen Höhe zwischen 0,5 und 5 % (Art. 160 11, 128 11 D). Die Aktionäre haben außerdem bestimmte Fristen für den Ergänzungsantrag einzuhalten. So muss der Aktionär den Antrag bei börsennotierten SA innerhalb von 10 Tagen nach Veröffentlichung der Anzeige im BALO einreichen (Art. 130 11 D). Bei anderen SA reicht ein Zeitraum von 25 Tagen vor Beginn der Hauptversammlung (Art. 129 D).55 b) Teilnahmerecht des Aktionärs
Die Teilnahmeberechtigung der Aktionäre der SA hängt im französischen Aktienrecht von der Art der Hauptversammlung ab. An der außerordentlichen Hauptversammlung kann jeder Aktionär teilnehmen; jede gegenteilige Bestimmung ist nichtig (Art. L 225-113). Für die Teilnahme an der ordentlichen Hauptversammlung konnte früher die Satzung der SA eine Mindestanzahl von Aktien vorsehen, wobei diese die Anzahl von zehn nicht überschreiten durfte (Art. L 225-112 I a.F.). Diese Vorschrift wurde durch das "NRE" vom 15.5.2001 56 aufgehoben. 57
53 Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95; Jura Europae, 30.10., Nr. 104. 54 Dies gilt nach Art. L 225-115 III S. 2 nicht für die Abberufung und Neueinsetzung von Mitgliedern des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats. 55 Aufgrund der kürzeren Einberufungsfrist von 15 Tagen können die Minderheitsaktionäre deshalb 35 Tage vorher um Angabe des Hauptversammlungstennins ersuchen (Art. 129 D). Vgl. dazu auch: Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (100). 56 Vgl. dazu die Nachw. in: Fn. 20. 5? Unklar ist allerdings, inwieweit die bisherigen Satzungsvorschriften Geltung behalten. Vgl. dazu: Storp, RIW 2002, 409 (417). Um die satzungsmäßige Mindestanzahl zu erreichen, konnten sich allerdings schon früher mehrere Aktionäre zusammenschließen (Art. L 225-112 11 a.F.).
tl Pannier
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
3. Großbritannien a) Einberufung der Hauptversammlung
Auch in britischen Aktiengesellschaften muss eine Hauptversammlung zumindest einmal im Jahr stattfinden, wobei zwischen den Versammlungen nicht mehr als fünfzehn Monate liegen dürfen (sec. 366 I, III CA 1985).58 Die Einberufung erfolgt für gewöhnlich durch die Direktoren der "company" (Art. 37 Table A). Soweit die "articles" nichts anderes bestimmen, können aber auch zwei oder mehr Aktionäre, die zusammen mindestens 10 % des ausgegebenen Grundkapitals besitzen, eine Hauptversammlung, auch die jährliche, einberufen (sec. 370 I, III CA 1985). Aktionäre, deren stimmberechtigte Anteile mindestens 10 % des gesamten auf die stimmberechtigten Anteile eingezahlten Kapitals umfassen, haben nach sec. 368 I, n CA 1985 aber auch das Recht, die Direktoren zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung aufzufordern (sec. 368 I, n CA 1985).59 Die Einberufungsfrist hängt bei britischen Aktiengesellschaften von der Art der Hauptversammlung und Beschlussfassung ab. 6o Für die jährliche Hauptversammlung erfolgt die Einberufung mit einer Frist von 21 Tagen, wobei die "articles" zwar eine längere, nicht jedoch eine kürzere Frist vorsehen können (sec. 369 I, n CA 1985). Allerdings bleibt die Möglichkeit, 58 Soweit die Gesellschaft sie nicht innerhalb dieses Zeitraums abhält, hat das "Department of Trade and Industry" die Befugnis, sie auf Antrag eines beliebigen Mitglieds der Gesellschaft einzuberufen (sec. 367 I CA 1985). Zudem besteht auch für die Gerichte die Möglichkeit, die Hauptversammlung einzuberufen, um eine Entscheidung der Aktionäre zu Stande zu bringen (sec. 371 I CA 1985 und nach "common law"). Vgl. dazu: Jura Europae, 90.10. Nr. 114; Boyle&Birds', S. 352; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 312. Bei einer "private company" kann allerdings auf die Abhaltung einer jährlichen Hauptversammlung verzichtet werden (secs. 366A, 379A CA 1985). Die Aktionäre können sich dann einer sog. "written solution" bedienen (sec. 381A-C CA 1985). Vgl. Hohloch, in: Hoh1och (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 176; Davies, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 331 (333). 59 Vgl. zu beiden Möglichkeiten: Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 568 f. Nach sec. 371 CA 1985 kann eine außerordentliche Hauptversammlung aber auch durch Gericht einberufen werden. 60 Bei den Beschlüssen unterscheidet man zwischen dem ordentlichen Beschluss ("ordinary resolution"), dem Sonderbeschluss ("special resolution") und dem außerordentlichen Beschluss ("extraordinary resolution"). Vgl. secs. 378, 379 CA 1985; Jura Europae, 90.10. Nr. 109; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 178 ff.; Michalsky, DStR 1991, 1660 (1662); Boyle&Birds', S. 365 ff.; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 585 ff.; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 320 ff.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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dass sich alle teilnahme- und stimmberechtigten Mitglieder61 in der Hauptversammlung einstimmig mit einer kürzeren Frist einverstanden erklären (sec. 369 III a CA 1985).62 Die Mitteilung über die außerordentliche Hauptversammlung muss dagegen mindestens 14 Tage vor ihrer Abhaltung erfolgen (sec. 369 I, 11 CA 1985).63 Auch hier können die Aktionäre aber einem kürzeren Einberufungszeitraum zustimmen (sec. 369 III b CA 1985).64 Die Benachrichtigung über die Einberufung der Hauptversammlung erfolgt, da Namensaktien ("registered shares") die gebräuchlichste Aktienart sind,65 in der Regel per Post an die Adresse der Mitglieder der Gesellschaft (sec. 370 11 CA 1985).66 Insofern ist eine Veröffentlichung in amtlichen Blättern nicht vorgeschrieben. 67 Eine Änderung des "Companies Act" durch die "Companies Act 1985 (Electronic Communications) Order 2000" ermöglicht nun, wie im deutschen Recht, auch eine elektronische Benachrichtigung der Aktionäre über die Einberufung der Hauptversammlung (sec. 369 IV A-G CA 1985).68 Wie im deutschen und französischen Recht sind auch nach britischem Aktienrecht die Tagesordnungspunkte je nach Art des 61 Mitglieder der Gesellschaft sind nach sec. 22 II CA 1985 diejenigen Anteilseigner, die im Mitgliedsregister der Gesellschaft eingetragen sind. 62 Vgl. auch Art. 38 Table A; Boyle&Birds', S. 358 f.; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 571; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 310. 63 Für den Fall, dass auf ihr ein Sonderbeschluss ("special resolution") gefasst werden soll, beträgt die Einberufungsfrist auch 21 Tage (sec. 378 II CA 1985). Die Company Law Steering Group schlägt diesbezüglich vor, dass die Einberufungsfrist generell für alle Hauptversammlungen auf 14 Tage festgesetzt werden sollte. Vgl. Company Law Review Steering Group, Modem Company Law - For a Competitive Economy, Final Report, 2001, eh. 7.10. 64 Hier ist eine Zustimmung von 95 % der teilnahme- und stimmberechtigten Mitglieder notwendig. Vgl. Jura Europae, 90.10, Nr. 111; Boyle&Birds', S. 358; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 311. 65 Triebel/HodgsonIKellenterIMüller, Rn. 657; Güthoff, S. 31; DSW-Europastudie, S. 39; Hocker, FS Bezzenberger, S. 147 (148 f.); 66 Die "articles" sehen in der Regel vor, dass die zufällige Nichtbenachrichtigung einzelner Aktionäre die Hauptversammlung und die von ihr gefassten Beschlüsse nicht ungültig macht (Art. 39 Table A). Nach Art. 122 Table A erfolgt die Benachrichtigung ausländischer Aktionäre nur, wenn sie eine Adresse in Großbritannien angeben. Vgl. auch: Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 572. 67 Jura Europae, 90.10, Nr. 110; DSW-Europastudie, S. 40. 68 Vgl. sec. 18 der "Companies Act 1985 (Electronic Communications) Order 2000", die im Zusammenhang mit dem "Electronic Communications Act 2000" (sees. 8, 9) erlassen wurde und am 22. 12. 2000 in Kraft getreten ist. Vgl. dazu ausführlich: Siems, RIW 2002, 202 ff.; vgl. auch: HasselbachlSchumacher, ZGR 2000, 258 (280); Vorpfeil, RIW 2001, 218 (223); ders., RIW 2000, 865 (869 f.). Die Benutzung der elektronischen Kommunikationsmittel muss aber mit dem einzelnen Aktionär vereinbart werden. Der Text der beiden Rechtsakte ist abrufbar unter: http://www.hmso.gov.uk. Vgl. auch die Stellungsnahmen des Departement of Trade and Industry unter: http://www.dti.gov.uk/cld/elecinfo.htm. II *
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
Beschlusses so zu bezeichnen, dass sich Umfang und Tragweite des Beschlussgegenstandes genau erkennen lassen. 69 Im Zusammenhang mit der Einberufung haben Minderheitsaktionäre, die über mindestens 5 % der Stimmen auf der Hauptversammlung verfügen, oder eine Zahl von mindestens einhundert Anteilseignern, die im Durchschnitt eine Summe von 100 Pfund auf ihre Anteile einbezahlt haben, wie in den anderen untersuchten Rechtsordnungen, das Recht, einen Ergänzungs- oder Änderungsvorschlag einzubringen (sec. 376 CA 1985). Die Direktoren haben dann die Pflicht, den Abstimmungsvorschlag und unter bestimmten Voraussetzungen auch den Text einer zugehörigen Begründung zu veröffentlichen. Allerdings muss der Ergänzungs- oder Änderungsvorschlag spätestens sechs Wochen vor der jährlichen Hauptversammlung eingebracht werden, darf grundsätzlich nicht mehr als 1000 Wörter beinhalten und die Minderheitsaktionäre haben die im Einzelfall beträchtlichen Kosten der Bekanntmachung selbst zu tragen (sec. 377 CA 1985).70 Es steht den Aktionären aber frei, sich über Rundschreiben ("circulars") ohne Zuhilfenahme der Direktoren und ohne die genannten gesetzlichen Beschränkungen an die übrigen Gesellschafter zu wenden. 71
Eine nichtordnungsgemäße Ladung gilt auch nach britischem Recht nach sec. 369 III a CA 1985 als wirksam, wenn alle teilnahme- und stimmberechtigten Mitglieder die Ordnungsmäßigkeit feststellen.
69 Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 573 f.; Jura Europae, 90.10, Nr. 112; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 313 f Nach sec. 366 I, 378 I, II CA 1985 muss bei außerordentlichen Beschlüssen oder einem ordentlichen Beschluss, der einem besonderen Bekanntmachungsverfahren unterliegt, der Beschluss vorschlag in seinem vollen Wortlaut enthalten sein. Im Übrigen muss nur der Inhalt des ordentlichen Beschlusses mitgeteilt werden. Im Übrigen bleibt es den Direktoren natürlich unbenommen, zu den einzelnen Tagesordnungspunkten umfangreiche Stellungnahmen abzugeben, insbesondere, wenn es sich um streitige Fragen handelt. Für bestimmte Punkte der jährlichen Hauptversammlung kann allerdings auf die Mitteilung und Erläuterung verzichtet werden. Vgl. Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 179. 70 Kritisch deshalb: Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 574 f; ders., in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Ri~hts and Practices in Europe and the United States, S. 331 (348 ff.) m. w. N. für Anderungsvorschläge zu diesem Minderheitsrecht. Vgl. dazu auch: Boyle&Birds', S. 365. 71 Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 576 ff; ders., in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 331 (348 f.); Jura Europae, 90.10, Nr. 115. Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 179; Leader/Dine, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Publicly Held Corporations, S. 219 (231).
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
161
b) Teilnahmerecht des Aktionärs Die Teilnahmeberechtigung der Aktionäre hängt bei britischen Aktiengesellschaften von der Aktienart ab. So sind Inhaber von Vorzugsaktien, im Unterschied zum deutschen Recht, nicht zur Teilnahme berechtigt. 72 Grundsätzlich muss der Aktionär zur Teilnahme im Aktienbuch registriert sem. Die Mindestdauer der Eintragung wird durch die Satzung festgelegt.
4. Zusammenfassung Hinsichtlich der Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung finden sich in den untersuchten Rechtsordnungen überwiegend ähnliche Regeln. Eine Hauptversammlung findet überall zumindest einmal im Jahr statt und der Aktionär ist jeweils rechtzeitig über die Einberufung und den Inhalt der Hauptversammlung zu informieren. Die Einladung zur Hauptversammlung erfolgt auf ähnliche Weise, allerdings abhängig von der Aktienart, bei Inhaberaktien durch Pflichtveröffentlichung in einem nationalen Amtsblatt und bei Namensaktien über eine persönliche Einladung. 73 Minderheitsaktionäre haben in allen drei Rechtsordnungen ein Recht auf Einberufung der Hauptversammlung bzw. Ergänzung der Tagesordnungspunkte. Abweichend ist aber jeweils die Frist und das Quorum geregelt. Für die Einberufung der Hauptversammlung liegen diese zwischen 15 Tagen und einem Monat je nach Versammlungsart und Art der Aktiengesellschaft (börsennotiert oder nicht), wobei im britischem Recht sogar noch kürzere Fristen vereinbart werden können. Stärkeren Beschränkungen unterliegt im britischen Recht auch das Ergänzung- bzw. Änderungsrecht hinsichtlich der Tagesordnungspunkte. Sehr unterschiedlich ist auch das Teilnahmerecht des Aktionärs an der Hauptversammlung ausgestaltet. Während das deutsche Recht ein Teilnahmerecht für alle Aktionäre vorsieht, geWährleistet das französische Recht dies nur für die außerordentliche Hauptversammlung. Das britische Recht bindet die Teilnahme dagegen an das volle Stimmrecht der Aktie.
72 Dies ergibt auch aus den Regeln zur Stimmrechtsausübung und zum Quorum: vgl. Art. 40 Table A; vgl. auch: Furey, in: Farrar's Company Law, S. 317 Fn. 11; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 583 f.; DSW-Europastu-
die, S. 41.
73 Wobei die britischen "companies" in der Regel Namensaktien und die deutschen Aktiengesellschaften Inhaberaktien emittieren. Es besteht aber auch bei deutschen Aktiengesellschaften zunehmend die Tendenz zu Namensaktien. V gl. § 7 IV. 4.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
III. Auskunftsrecht des Aktionärs Neben den vorgelagerten Informationspflichten, die die Verwaltung im Rahmen der Einberufung der Hauptversammlung treffen, regeln die untersuchten Aktienrechte auf unterschiedliche Weise auch das Auskunftsrecht des Aktionärs. 1. Deutschland
a) Auskunftsrecht innerhalb der Hauptversammlung
Im deutschen Aktienrecht findet sich eine sehr umfassende Regelung dieses Auskunftsrechts. 74 Nach § 131 I AktG ist jedem Aktionär auf sein Verlangen hin innerhalb der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen, sofern dies zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich ist. Das Auskunftsrecht steht dem Aktionär unabhängig vom Umfang seiner Beteiligung und Stimmberechtigung ZU. 75 Die Frage kann mündlich oder schriftlich gestellt werden. 76 Zudem muss sie nach allgemeiner Ansicht in der Hauptversammlung gestellt werden, weil sie auch hier beantwortet werden muss?7 b) Umfang des Auskunftsrechts
Hinsichtlich des Gegenstands des Auskunftsrechts wird der Begriff "Angelegenheiten der Gesellschaft" weit ausgelegt, so dass nach allem gefragt werden kann, was sich auf die Aktiengesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht. 78 Auch die Voraussetzung, dass die Auskunft zur sachgemäßen Beur74 Vgl. zur Geschichte des Auskunftsrechts im deutschen Recht: faussen, AG 2000, 241 ff.; zu anderen, insbesondere den kollektiven Informationsrechten bei Kapital- und Umstrukturierungsmaßnahmen: Groß, AG 1997,97 (101 ff.). 75 Hüjfer, § 131 AktG Rn. 3; Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 109 (121); Geißler, NZG 2001, 539 (540). 76 Hüjfer, § 131 AktG Rn. 8. Die Satzung kann mündliche Fragen wegen des zwingenden Charakters des § 131 AktG nicht ausschließen. 77 Hüjfer, § 131 AktG Rn. 8. Eine vorherige Ankündigung ist grundSätzlich nicht erforderlich, ist aber bei komplizierten Fragen u. U. geboten. Auch die Ausübung des Auskunftsrecht via Internet oder "Online-Teilnahme" ist nicht zugelassen, die Auskunft kann nur von einem teilnehmenden Aktionär oder dessen Stimmrechtsvertreter gestellt werden. Vgl. Claussen, AG 2001, 161 (170); Riegger, ZHR 165 (2001), 204 (212); Spindler, ZGR 2000, 420 (437); a.A. HasselbachlSchumacher, ZGR 2000, 258 (272). 78 Eine wesentliche Einschränkung des Auskunftsrecht wird dadurch also nicht erreicht. Vgl.: Hüjfer, § 131 AktG Rn. 11; Grunewald, S. 278; Schmidt, S. 850 f.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
163
teilung der Tagesordnungspunkte erforderlich sein muss, schränkt das Auskunftsrecht in seinem Umfang nicht umfassend ein. 79 Zudem muss der Vorstand auch auf Fragen zu solchen Gegenständen eingehen, die er bei hinreichender Vorbereitung und unter Zuhilfenahme von sachverständigen Mitarbeitern und bereitzuhaltenden Unterlagen beantworten kann. 8o Das deutsche Recht sieht aber umgekehrt auch eine Reihe von abschließenden Gründen vor, in denen der Vorstand die Auskunft verweigern darf (§ 131 III AktG).81 Dazu gehört insbesondere der Fall, dass die Erteilung der Auskunft geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (§ 131 III Nr. 1 AktG). Daneben wird aber auch überwiegend angenommen, dass dem Auskunftsrecht des Aktionärs im Einzelfall mit dem Einwand des Rechtsrnissbrauchs entgegengetreten werden kann, wenn er ausschließlich oder überwiegend selbstsüchtige, nicht auf eine sachliche Aufklärung gerichtete Zwecke verfolgt. 82 Nach § 132 AktG kann die begehrte Auskunft gerichtlich erzwungen werden. Jedoch kann das Rechtsschutzbedürfnis des Aktionärs entfallen, wenn er die in der Hauptversammlung geforderte Auskunft schon auf andere Weise vollständig erhalten hat. 83
Kritisch in dieser Hinsicht, vor allem wegen der Ausuferung der Hauptversammlung und des Risikos einer Anfechtungsklage wegen Auskunftsverweigerung: Jaussen, AG 2000, 241 (248 ff.). § 131 I S. 2 stellt zudem klar, dass sich die Auskunftspflicht auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu einem verbundenen Unternehmen erstreckt. Vgl. dazu: Schneider, FS Lutter, S. 1193 ff. 79 So erfordern bestimmte Tagesordnungspunkte, wie Jahresabschluss, Gewinnverwendung und Entlastung des Vorstands oder Aufsichtsrats, eine umfangreichere Information der Aktionäre. Vgl. Grunewald, S. 278; Geißler, NZG 2001, 539 (540 f.); Hüjfer, § 131 AktG Rn. 12 m.w.N zur Rsp. Zudem sind einem Aktionär auch diejeningen Auskünfte zu erteilen, die einem anderen Aktionär in seiner Eigenschaft als Aktionär außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden, auch wenn diese nicht zur sachgemäßen Beurteilung des Tagesordnungspunktes erforderlich sind (§ 131 IV S. I AktG). 80 Schmidt, S. 851; Hüjfer, § 131 AktG Rn. 9 f. m.w.N.; Groß, AG 1997, 97 (104). 81 Vgl. ausführlich: Hüjfer, § 131 AktG Rn. 23 ff.; Schmidt, S. 851 ff.; Geißler, NZG 2001, 539 (541); Groß, AG 1997,97 (104). 82 BayObLGZ 1999, 193 (198); ausführlich: Geißler, NZG 2001, 539 (541 ff.) Schmidt, S. 852; Hüjfer, § 131 AktG Rn. 33 ff. Zu alternativen Lösungen für die Einschränkung des Auskunftsrechts des Aktionär, wie die Einführung eines Quorums für den Widerspruch zur Niederschrift vgl.: Jaussen, AG 2000, 241 (252 ff.). Vgl. zur rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Anfechtungsrechts: § 7 V. 1. c). 83 BayObLG, Beschluss v. 21.3.2001 - 3Z BR 318/00, AG 2001, 424 (426).
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
2. Frankreich a) Vorgelagerte Einsichtsrechte Im Zusammenhang mit der Abhaltung der Hauptversammlung sieht das französische Recht verschiedene Informationsrechte vor. 84 Allerdings sind diese Rechte der Hauptversammlung zumeist vorgelagert. Die Aktionäre haben zunächst ein umfassendes Einsichtsrecht. Als allgemeiner Grundsatz gilt hierbei, dass die Verwaltung der SA den Aktionären die Unterlagen zu übersenden oder zur Verfügung zu stellen hat, die erforderlich sind, um sich in voller Sachkenntnis über die Geschäftsführung und den Geschäftsgang der Gesellschaft zu äußern und hierüber ein fundiertes Urteil zu fällen (Art. L 225-109 I). Die Unterlagen, die eingesehen werden können, werden durch Art. L 225-115 und Art. 135 0 gen au er festgelegt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Berichte und Begründungen, die mit dem Abschluss des Geschäftsjahres oder der Tagesordnung der Hauptversammlung im Zusammenhang stehen. 85 Von den Unterlagen, die mit der gerade bevorstehenden ordentlichen Hauptversammlung zusammenhängen, kann der Aktionär erst ab dem Zeitpunkt der Einberufung, aber mindestens 14 Tage vor der Hauptversammlung Kenntnis nehmen (Art. 139 0). Das Gleiche gilt für die Kenntnisnahme der Aktionärsliste, die die Gesellschaft 15 Tage vor jeder Hauptversammlung zu erstellen hat (Art. L 225-116, Art. 140 I, 11 0).86 Hinsichtlich der Unterlagen, Protokolle und Anwesenheitslisten 87 für die in den letzten drei Geschäftsjahren abgehaltenen Hauptversammlungen kann der Aktionär sein Einsichtsrecht allerdings jederzeit ausüben (Art. L 225117, Art. 1420). b) Schriftliches Auskunftsrecht Ein Recht auf Auskunft im Sinne eines Fragerechts, wie es im deutschen Recht vorgesehen ist, regelt Art. L 225-108 III. 88 Allerdings besteht dieses 84 Vgl. dazu: Fanto, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in PublicIy Held Corporations, S. 1 (14 ff.); Maitland-Walker, S. 205; Hüpper, AG 1973, 330 (335 f.). Durch das "NRE" vom 15.5.2001 (vgl. dazu die Nachw. in Fn. 20) wurden die Informationsrechte der Aktionäre nochmals erweitert. Dies betrifft vor allem die Ämterhäufung, die Vergütung der Geschäftsführung sowie die Einräumung von Aktienoptionen (Art. L 225-102,225-184). 85 Vgl. dazu auch: Witt, AG 2000, 257 (265); Jura Europae, 30.10., Nr. 133; Fanto, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in PublicIy Held Corporations, S. 1 (14); Chaussade-Klein, S. 64; Hüpper, AG 1973, 330 (335). 86 Der Inhalt der Aktionärsliste wird durch Art. 140 11 D festgelegt. 87 Der Inhalt der Anwesenheitsliste wird durch Art. 145 D festgelegt.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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Fragerecht für die Aktionäre nur zwischen Einberufung und Eröffnung der Hauptsammlung. Zudem müssen die Fragen schriftlich gestellt werden. Der Verwaltungsrat oder die Direktion müssen diese dann innerhalb der Hauptversammlung beantworten. Sofern die Fragen mit den Tagesordnungspunkten im Zusammenhang stehen und das Auskunftsrecht nicht missbräuchlich ausgeübt wird, bestehen hierfür keine wesentlichen Beschränkungen. 89 Die Fragen müssen allerdings so gestellt werden, dass den Verwaltungsmitgliedern eine ausreichende Vorbereitung möglich bleibt. 90 Schließlich ist im französischen Recht noch ein Fragerecht einer Minderheit von Aktionären vorgesehen, die mindestens 10% des Grundkapitals halten. Nach Art. L 225-232 können diese an den Vorstand oder den Verwaltungsrat zweimal im Jahr schriftliche Fragen über jede Geschäftsführungshandlung richten, die die zukünftige Entwicklung des Geschäftsbetriebes gefährden könnte. 91 c) Auskunftsrecht innerhalb der Hauptversammlung
Gesetzlich nicht geregelt ist dagegen das Recht, innerhalb der Hauptversammlung selbst (mündlich) Fragen zu stellen. 92 Von der Literatur wird es allerdings als zulässig betrachtet. 93 Ein genauer Tatbestand und die Grenzen dieses Auskunftsrechts werden aber nicht konkretisiert. 94
3. Großbritannien Im britischen Aktienrecht ist ein Auskunftsrecht des Aktionärs innerhalb der Hauptversammlung gesetzlich nicht festgelegt. Selbst die Musterartikel sehen ein solches nicht vor. Allenfalls finden sich in der Literatur Hinweise, dass ein solches Auskunftsrecht der Aktionäre in der Praxis gewährt und auch als zulässig erachtet wird, wenn die Fragen an die Direktoren im 88 Vgl. dazu: Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (101 ff.); ders., ZGR 1988, 240 (247). 89 Jaeger, S. 125. 90 Jaeger, S. 125. 91 Vgl. dazu auch: Jura Europae, 30.10., Nr. 133; Guyon, ZGR 1988,240 (247). 92 Witt, AG 2000, 257 (266); Jaeger, S. 125. 93 Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (02); Sonnenberger, S. 151 f.; Witt, AG 2000, 257 (266); Jaeger, S. 125. 94 Erwähnt wird nur der allgemeine Rechtsmissbrauch. Vgl. Jaeger, S. 126; Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (102).
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
Zusammenhang mit dem Beschlussgegenstand stehen. 95 Zwar wird diskutiert, ob Aktionären ein solches Auskunftsrecht im Wege einer "AntwortFrage-Stunde" ("question-and-answer-session"), eines spezifischen Fragerechts in der Hauptversammlung oder, wie im französischen Recht, als Fragerecht im Vorfeld der Hauptversammlung zugebilligt werden soll.96 Im Moment wird eine solche diesbezügliche gesetzliche Regelung (im "Companies Act") aber nicht befürwortet. Vielmehr wird eine flexible Regelung durch "best practice" als ausreichend erachtet. 97
4. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch das Auskunftsrecht des Aktionärs sehr unterschiedlich geregelt ist. Das deutsche Recht gestattet grundsätzlich nur Fragen während der Hauptversammlung und versucht zudem, die Grenzen des Fragerechts näher auszugestalten. 98 Das französische Recht regelt (nur) ein schriftliches Fragerecht, welches im Vorfeld der Hauptversammlung auszuüben ist. 99 Allerdings wird auch hier ein Fragerecht innerhalb der Hauptversammlung als zulässig betrachtet. Die Grenzen des Auskunftsrechts werden aber nicht näher festgelegt. Ähnliches gilt für das britische Gesellschaftsrecht. Hier finden sich überhaupt keine gesetzlichen Regelungen für das Auskunftsrecht der Aktionäre innerhalb der Hauptversammlung. Zwar wird auch hier ein Auskunftsrecht des Aktionärs als zulässig erachtet, es hat jedoch eine sehr viel geringere Bedeutung als im deutschen Aktienrecht. 95 Davies, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 331 (351); ders., Gower's Principles of Modem Company Law, S. 563, 583; Furey, in: Farrar's Company Law, S. 310. 96 Auch die aktuellen Vorschläge der Company Law Review betonen immer wieder die Bedeutung einer ausreichenden Kommunikation zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern, ohne jedoch die Regelung eines rechtlich festgelegten Auskunftsrechts vorzuschlagen. Vgl. Company Law Review Steering Group, Modem Company Law - For a Competitive Economy, Final Report, ch. 7.1 (Corporate Governance: Shares and Shareholders). 97 Davies, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 331 (351); Furey, in: Farrar's Company Law, 4. Ed., S. 310 f. m. w. N. So fordert auch der "Combined Code" in sec. C.2. nur allgemein, dass die "Boards" die Hauptversammlung nutzen sollen, um Kontakt mit den Kleinaktionären aufzunehmen und ihre Teilnahme zu fördern. Dazu sollten sich verschieden Board-Mitglieder auch für Fragen bereithalten (C.2.3.). 98 Kritisch: Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 109 (122); foussen, AG 2000, 241 (248 ff.). 99 Anders als im deutschen Recht hat der Aktionär einer französischen SA aber umfangreiche Einsichtsrechte in bestimmte Unterlagen.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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IV. Stimmrecht und Stimmrechtsvertretung Auch zur Ausübung des Stimmrechts finden sich in allen drei Rechtsordnungen Regelungen. Interessant sind hierbei vor allem die in den einzelnen Aktienrechten vorgesehenen Beschränkungen des Stimmrechts. Unterschiede zeigen sich insbesondere auch bei den Vorschriften zur Stimmrechtsvertretung.
1. Deutschland a) Stimmrechtsausübung Das Stimmrecht steht im deutschen Aktienrecht grundsätzlich jedem Aktionär zu (§§ 12 I S. 1 AktG). Dafür muss er, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, seine volle Einlage geleistet haben (§ 134 11 AktG). Ausnahmen bestehen dagegen für Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 12 I S. 2, 139 ff. AktG)IOO und für eigene Aktien der Gesellschaft, die der Aktiengesellschaft keine Stimmrechte in der eigenen Hauptversammlung gewähren (§ 71 b AktG). Die Stimmkraft bestimmt sich nach den Aktiennennbeträgen bzw. nach der Zahl der Stückaktien (§ 134 I S. 1 AktG). Mehrstimmrechtsaktien sind seit dem KonTraG 10 I generell (§ 12 11 AktG) und Höchststimmrechte nur noch in nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften zulässig (§ 134 I S. 2 AktG).I02 Damit folgt das deutsche Recht weitgehend dem Prinzip "One Share - One Vote".I03 Interessenkollisionen wird im deutschen Recht vorwiegend mit Stimmverboten vorgebeugt, die durch § 136 I AktG festgelegt werden. 104 Danach darf das Stimmrecht nicht ausgeübt werden, wenn es um die Entlastung des 100 Das Stimmrecht lebt aber wieder auf, wenn der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht ordnungsgemäß bezahlt wird und der Rückstand auch im nächsten Jahr zusammen mit dem Vorzug dieses Jahres nachgezahlt wird (§ 140 II AktG). 101 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 6.3.1998, BGBI. I 1998, 786; Ziel war dabei vor allem die Transparenz gegenüber den Kapitalmarktteilnehmern zu erhöhen. Vgl. dazu: Möllers, AG 1999, 433; Schiessl, AG 1999,442; Claussen, AG 1996,481 ff. 102 Begründet wurde die Abschaffung der Mehrstimmrechte durch das KonTraG auch damit, dass die Struktur-Richtlinie die ausnahmslose Unzulässigkeit von Mehrstimmrechten vorsieht, BT-Drucks. 1397/12, S. 12. Vorher waren Mehrstimmrechte aber auch nur mit Ministererlaubnis zulässig. 103 Vgl. Zimmer, NJW 1998,3521 (3527 f.).; Claussen, AG 1996,481 (491 ff.); LingemannlWasmann, BB 1998, 853 (854 f.). 104 Ein anderes Instrument Interessenkollisionen zu beschränken ist die nachträgliche Inhaltskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses. Vgl. dazu: § 7 V.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
Stimmrechtsinhabers (Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die selbst Aktien halten), die Befreiung von einer Verbindlichkeit oder um die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Stimmrechtsinhaber geht. Aus dem selben Grund ist ein Stimmrechtsverbot auch beim Beschluss über die Bestellung eines Sonderprüfers vorgesehen (§ 142 I S. 2, 3 AktG). Stimmbindungsverträge unter den Aktionären oder mit Dritten, in denen sich die Aktionäre verpflichten, die Stimme allgemein oder in Einzelfragen in bestimmter Weise abzugeben, sind grundSätzlich zulässig. 105 Insofern können sich die Aktionäre auch zu einem sog. Stimmenpool zusammenschließen. lo6 Nichtig sind allerdings Verträge, durch die sich der Aktionär verpflichtet, nach Weisung der Gesellschaft, des Vorstands oder des Aufsichtsrats bzw. für die jeweiligen Vorschläge des Vorstands oder Aufsichtsrats zu stimmen (§ 136 11 AktG). Dadurch soll verhindert werden, dass die Unternehmensleitung übermäßigen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft gewinnt. 107 Unzulässig ist außerdem der sog. Stimmenkauf. 108 Das Stimmrecht muss auch nach den letzten Reformen des deutschen Aktienrechts (noch) innerhalb der Hauptversammlung ausgeübt werden; eine elektronische Abgabe der Stimme oder eine "Briefwahl" ist dementsprechend nicht zulässig. I09 b) Allgemeine Regelung der Stimmrechtsvertretung
Nach deutschem Recht kann sich der Aktionär bei der Stimmabgabe von einer beliebigen Person vertreten lassen. 110 Eine Einschränkung des Personenkreises ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sie kann aber nach h. M. durch eine entsprechende Satzungsregelung erfolgen, wobei die Entscheidungsfreiheit des Aktionärs nicht unzumutbar eingeschränkt werden darf. 111 Hüjfer, § 133 Rn. 25 ff.; § 136 Rn. 25; Raiser, S. 256 f. Raiser, S. 256; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 418 (insb. 421). 107 Raiser, S. 257; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 425. 108 Vgl. § 405 III Nr. 6 und 7 AktG. Solche Stimmbindungsverträge sind ordnungswidrig und damit gemäß § 134 BGB nichtig. Vgl. Raiser, S. 257; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 425. 109 Ein entsprechender Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance und der Bundesnotarkammer wurde vom Gesetzgeber auch durch das TransPuG (noch) nicht aufgegriffen. Vgl. dazu: Noack, DB 2002, 620 (623); ders., NZG 2001, 1057. Zur Möglichkeit der elektronischen Stimmrechtsbevollmächtigung: § 7 IV. l. b). 110 Hüjfer, § 134 Rn. 25; Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 109 (126); Noack, ZIP 2001,57. 105
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Der Aktionär kann aber, soweit die Gesellschaft dies vorsieht, auch einen von der Gesellschaft bestimmten Stimmrechtsvertreter bevollmächtigen (§ 134 III S. 3 AktG).ll2 Eine solche Möglichkeit, die einem Verwaltungsbzw. Proxy-Stimmrecht ähnlich ist, wurde erst kürzlich durch das NaStraG I13 eingeführt. 114 Vorher wurde die Zulässigkeit solcher Regelungen im deutschen Aktienrecht zumeist verneint. 115 Die für die Vertretung notwendige Vollmacht muss, soweit die Satzung keine Erleichterungen zuläßt, in schriftlicher Form erteilt werden (§ 134 III S. 2 AktG).116 Damit wird nun auch eine elektronische Vollmachtserteilung ermöglicht. 117 Dies gilt ebenso für die organisierte Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen, bei deren Bevollmächtigung auch auf die Schriftform verzichtet wird. 118 Die Vollmacht gilt grund111 Hü!fer, § 134 AktG Rn. 26; Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 109 (126). 112 Nach Ziff. 2.3.3. des Deutschen Corporate Governance Kodex werden die börsen notierten Gesellschaften zur Bestellung eines solchen Vertreters aufgefordert. Vgl. dazu: 4. Teil § 9 IV. 2. 113 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz, NaStraG) vom 18.1.2001, BGBI. 12001,123. 114 Vgl. dazu: Noack, FS Lutter, S. 1463 (1474 ff.); ders., ZIP 2001, 57 (61 ff.); Hüther, AG 2001, 68 (70 ff.); Seibert, ZIP 2001, 53 (55 f.); Hanloser, NZG 2001, 355 ff.; Bachmann, AG 2001, 635 ff.; Bunke, AG 2002, 57 ff.; Wiebe, ZHR 166 (2002), 182 ff. 115 Unzulässig war (und ist) jedenfalls die Bevollmächtigung der Gesellschaft oder ihrer Organe, weil dies dem Rechtsgedanken des § 136 11 AktG widerspräche. Die schließt jedoch nicht generell eine Bevollmächtigung einzelner Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats aus. Umstritten war auch die nun mögliche Einsetzung von Stimmrechtsvertretern, die von der Gesellschaft bestimmt wurden. Vgl. Hü!fer, § 134 AktG, Rn. 25; Behnke, NZG 2000, 665 (671) m. w.N.; Hohn Abad, S. 18 ff. 116 Auch dies ist eine Erleichterung, die durch das NaStraG eingeführt wurde. Allerdings wird die Gesellschaft auch im Fall der Formerleichterung nicht auf einen geeigneten Nachweis der Vollmachtserklärung verzichten können. Vgl. Noack, ZIP 2001, 57 (58). Gesetzlich ist diese Pflicht aber nur für den Gesellschaftsvertreter und die organisierten Stimmrechtsvertreter geregelt. Vgl. §§ 134 III 3, 135 11 3, 4 AktG. 117 Vgl. Spindler, ZGR 2000, 420 (431); Habersack, ZHR 165 (2001), 172 (176 f.); Weber, NZG 2001, 337 (342); Noack, ZIP 2001,57; Seibert, ZIP 2001, 53 (54); Zätzsch, NZG 2000, 393 (398). Diese darf nicht mit einer elektronischen Stimmabgabe (via E-mail) verwechselt werden. Denn es gilt immer noch der Grundsatz, dass das Stimmrecht nur in der Hauptversammlung ausgeübt werden kann. Es bleibt also beim Modell der Präsenzversammlung (keine virtuelle Hauptversammlung). Vgl. zu dieser Diskussion: Spindler, ZGR 2000, 420 (440 ff.); Timm, FS Lutter, S. 157 (167); Claussen, AG 2001, 161 (166, 168 f.); Riegger, ZHR 165 (2001), 204 (207 ff., 213, 216); Habersack, ZHR 165 (2001), 172 (180 f.); Büllesbachl KlawitterlMiedbrodt, DStR 2001,666 (667); Noack, NZG 2001, 1057 ff. 118 Vgl. §§ 135 I S. 1 und 12811 S. 5 AktG für die Weisungserteilung.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
sätzlich zeitlich unbeschränkt, 119 muss aber jederzeit widerruflich sein, weil diese sonst die Wirkung einer unzulässigen Stimmrechtsabtretung hätte. 12o c) Besondere Regelung für die organisierte
Stimmrechtsvertretung
Für die organlSlerte Stimmrechtsvertretung durch Kredit-, Finanzdienstleistungsinstitute, Aktionärsvereinigungen und andere geschäftsmäßig handelnde Aktionärsvertreter enthält das deutsche Aktienrecht in §§ 135, 128 AktG spezielle Regelungen. Der Grund dafür ist vor allem in der besonderen Rolle der Banken als Depotbanken für die von deutschen Aktiengesellschaften bisher hauptsächlich emittierten Inhaberaktien zu suchen. 121 Mit dem sog. "Depotstimrnrecht" nehmen die Kreditinstitute die Stimmrechte für Aktien wahr, die bei ihnen verwahrt werden. 122 Neben den Vorteilen eines solchen Systems für eine stärkere Beteiligung des Aktionärs an der Willens bildung und der Verbeugung von Zufallsmehrheiten hat, birgt das Depotstimmrecht aber wegen der Funktion der deutschen Kreditinstitute als Universalbanken die Gefahr von Interessenkonflikten. 123 Insofern dürfen Kreditinstitute das Stimmrecht für Aktien, die bei ihnen verwahrt werden, nur ausüben, wenn sie dazu bevollmächtigt bzw. ermächtigt wurden (§ 135 I S.l AktG).124 Zudem dürfen sie in der eigenen Hauptversammlung und in Hauptversammlungen von Unternehmen, an denen sie einen Anteilsbesitz von mehr als 5 % des Grundkapitals haben, das Stimmrecht aufgrund dieser Vollmacht nur ausüben, wenn dazu ausdrückliche Einzelweisungen des Aktionärs vorliegen (§ 135 I S. 2, 3 AktG). Das Kreditinstitut hat den Aktionär zudem jährlich deutlich auf die jederzeitige Möglichkeit des Widerrufs und andere Vertretungsmöglichkeiten hinzuweisen (§ 135 11 S. 2 AktG). Eine Unterbevollmächtigung ist nur ausnahmsweise gestattet (§ 135 III). 119 Durch das NaStraG wurde nun auch für Kreditinstitute eine Dauervollmacht eingeführt. Vorher konnte diese nur für 15 Monate erteilt werden. Vgl. auch: Weber, NZG 2001, 337 (343); Seibert, ZIP 2001, 53 (54, 56). 120 HüJjer, § 134 AktG Rn. 21. Vgl. dazu ausführlich: Reichert/Harbarth, AG 2001,447 ff. 121 Hüther, AG 2001, 68 (69 f.); Huep, WM 2000, 1623; Kölling, NZG 2000, 631 (632); Noack, FS Lutter, S. 1463 (1464); Weber, NZG 2001, 337; Siems, NZG 2000, 626 (628). 122 Schmidt, S. 862; Grunewald, S. 268 f.; Raiser, S. 261 ff.; Hirte, Rn. 383c. 123 Insofern sind die Banken Anteilsbesitzer, Kreditgeber und Stimmrechtsvertreter in einer Person. Vgl. dazu ausführlich: Behnke, NZG 2000, 665 (667); Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 109 (127); Noack, FS Lutter, S. 1463 (1464 ff.); Hohn Abad, S. 13 ff.; Raiser, S. 261. 124 Umgekehrt ist das Kreditinstitut unter bestimmten Voraussetzungen zur einer Stimmrechtsvertretung verpflichtet (§ 135 X AktG).
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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Besonders ausführlich geregelt sind die Informationspflichten der Kreditinstitute. So sind die Aktionäre über das Abstimmungsverhalten ihrer Depotbank zu unterrichten und auch darüber, dass sie durch Weisungen darauf Einfluss nehmen können (§§ 135 V, VIII, 128 AktG). An diese Weisungen ist das Kreditinstitut gebunden; soweit keine Weisungen erteilt wurden, muss es grundsätzlich nach seinen, dem Aktionär vorher mitgeteilten Vorschlägen abstimmen (§§ 135 V, 128 II, III AktG). Bei diesen Vorschlägen hat sich das Kreditinstitut zudem vom Interesse des Aktionärs leiten zu lassen. Auch muss es organisatorische Vorkehrungen treffen, die den Einfluss von Eigeninteressen der Bank möglichst ausschalten (§ 128 II S. 3 AktG).
d) Legitimationszession Schließlich sieht das deutsche Aktienrecht neben der Stimmrechtsvertretung auch die sog. Legitimationszession vor, durch die ein Dritter ermächtigt wird, das Stimmrecht im eigenen Namen auszuüben (§ 129 III AktG). Hierdurch wird eine verdeckte Stimmrechtsvertretung ermöglicht. 125
2. Frankreich a) Stimmrechtsausübung Auch das französische Recht wird, wenn auch weniger als das deutsche, durch den Grundsatz "One Share - One Vote" dominiert. 126 So steht das Stimmrecht grundsätzlich jedem Aktionär zu. Die Stimmkraft richtet sich auch hier nach dem Nennwert der Aktien, wobei mit einer Aktie mindestens eine Stimme verbunden ist (Art. L 225-122). In einigen Fällen lässt das französische Recht aber Ausnahmen von diesem Grundsatz zu. So kennt auch das französische Recht Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ("actions a dividende prioritaire") (Art. L 228-12 bis 228-20).127 Zudem muss der Aktionär seine volle Einlage gezahlt haben, um stimmberechtigt zu sein 125 Dies gilt auch für den Fall eines "Handeins für den, den es angeht", dass Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen möglich ist (§ 129 11 AktG). Vgl. dazu Schmidt, S. 861; Hüjfer, § 129 Rn. 11; ReichertlHarbarth, AG 2001, 447 (4520. Das NaStraG ermöglicht nun auch eine verdeckte Stimmrechtsausübung bei Namensaktien (§ 135 VII S. 1 AktG). Kritisch zu dieser Regelung: Noack, ZIP 2001, 57 (58 f.). 126 Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 95 (103). 127 Auch hier können die Aktionäre das Stimmrecht wiedererlangen, wenn die Zusatzdividende während einer Dauer von drei Geschäftsjahren nicht voll ausgezahlt wird (Art. 269-3 L). V gl. ausführlich zur Vorzugsaktie im französischen Aktienrecht: Jura Europae, 30.10. Nr. 36 bis; Maier, RIW 1986,677 (680 0.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
(Art. L 228-29 I). Wie das deutsche versagt auch das französische Recht das Stimmrecht für eigene Aktien der Gesellschaft (Art. L 225-111). Wichtigster Unterschied ist, dass durch die Satzung ein Höchststimmrecht vorgesehen werden kann (Art. L 225-125). Zudem lässt das französische auch ein doppeltes Stimmrecht zu, das durch die Satzung bestimmten Inhabern von Namensaktien zuerkannt werden kann (Art. L 225-123)Y8 Wie in der deutschen Aktiengesellschaft wird typischen Fällen von Interessenkollisionen mit einem Stimmrechtsausschluss vorgebeugt.!29 So ist der Aktionär, der eine Sacheinlage einbringen will, bei der Beschlussfassung ausgeschlossen (Art. L 225-10 III); das Gleiche gilt bei einer Beschlussfassung über Geschäfte zwischen der Gesellschaft und einem Aktionär, der gleichzeitig Verwaltungsmitglied ist (Artt. L 225-40 IV, L 225-88 IV). Zur Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen findet sich im französischem Recht keine ausdrückliche Regelung.!30 Lediglich der Stimmkauf ist unzulässig und strafbar (Art. L 242-9). Entgegen der früheren Ansicht in Rechtsprechung und Literatur wird aber nun von einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Stimmrechtsvereinbarungen ("conventions de vote") ausgegangen, die, wie im deutschen Recht, gewissen Schranken unterliegen.!3! So dürfen Stimmbindungsvereinbarungen nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen werden oder dem Gesellschaftsinteresse zuwiderlaufen.!32 In der Diskussion über die Zulässigkeit von Stimmbindungsverträgen spiegelt sich auch der Streit über das Verständnis des Stimmrechts im französischen Aktienrecht wieder. Dieses galt traditionell als konstitutives und damit unabdingbares Merkmal der GesellschaftersteIlung des Aktionärs.!33 Allerdings ist dieses Verständnis durch die Entwicklung neuer Beteiligungsformen, wie stimmrechtsloser Vorzugsaktien und der Zulässigkeit von Stimmrechtsvereinbarungen, immer mehr zurückgedrängt worden.!34 128 Das doppelte Stimmrecht kann Aktionären mit französischer Staatsangehörigkeit oder mit Staatsangehörigkeit eines EG-Mitgliedstaats vorbehalten werden (Art. L 225-123 II1). Das doppelte Stimmrecht wird in französischen Aktiengesellschaften sehr häufig genutzt. Vgl. Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (104); Fanto, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Public1y Held Corporations, S. 1 (17); Davies, S., Shareholder Rights Abroad, S. 91. 129 Hüpper, AG 1973, 330 (339). 130 Jaeger, S. 133; KondringlTeipel, RIW 1992, 264 (267). Indirekt wird die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen aber durch Artt. L 233-3, 233-10, 233-16 anerkannt. 131 Jaeger, S. 134; KondringlTeipel, RIW 1992, 264 (265 ff.). 132 Jaeger, S. 134; KondringlTeipel, RIW 1992, 264 (267 ff.). Auch Mehrheitskonsortien und Stimmenpools sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. 133 Vgl. KondringlTeipel, RIW 1992, 264 (265); SonnenbergeriGroßerichterl Rageade, RIW 2000, 942 (948) m. w. N.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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Im Unterschied zum deutschen Aktienrecht wurden in Frankreich jüngst die Voraussetzungen für eine direkte Online-Teilnahme des Aktionärs geschaffen, die ihm auch eine Abstimmung direkt auf elektronischem Weg ermöglichen soll. \35 b) Allgemeine Regelung der Stimmrechtsvertretung Auch im französischem Recht braucht der Aktionär nicht persönlich an der Hauptversammlung teilnehmen, sondern kann sich vertreten lassen. 136 Der Pe~sonenkreis der Vertreter ist allerdings, anders als im deutschen Recht, auf Ehegatten oder andere Aktionäre beschränkt (Art. L 225-106 1). Damit soll der Einfluss gesellschaftsfremder Personen soweit wie möglich ausgeschlossen werden. 137 Die Vollmacht muss schriftlich erteilt werden und gilt jeweils nur für eine Versammlung bzw. auch für die folgenden Hauptversammlungen mit der gleichen Tagesordnung (Art. 132 I, 11, III D). Sie kann aber auch für eine ordentliche und eine außerordentliche Hauptversammlung gültig sein, wenn diese innerhalb von 15 Tagen stattfinden (Art. 132 11 S. 2 D). Die Stimmrechtsvollmacht ist auch im französischen Recht stets widerruflich und kann mit einer Weisung verbunden werden. 138 c) Blankovollmacht ("procura!ion en blanc
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Die gebräuchlichste Art der Stimmrechtsvertretung ist die Blankovollmacht ("procuration en blanc,,).139 Bei dieser ist die Person des Beauftragten bzw. Bevollmächtigten namentlich nicht genannt. 140 Nach Art. L 225106 IV hat die Abgabe einer "procuration en blanc" zur Folge, dass der Vorsitzende der Hauptversammlung als Bevollmächtigter für die Vorschläge 134 Grundlegendes Merkmal ist nicht mehr das Stimmrecht sondern vielmehr das Beteiligungsrecht des Aktionärs, welches auch gegeben ist, wenn das Stimmrecht fehlt. Kondring/Teipel, RIW 1992, 264 (269); Sonnenberger/Großerichter/Rageade, RIW 2000, 942 (948) m. w. N., dass die Rechtsprechung sich wieder dem klassischen Verständnis des Stimmrechts annähert. 135 Noack, DB 2002, 620 (622). So ist bei der Abhaltung der Hauptversammlung durch das "NRE" vom 15.5.2001 jedes Telekommunikationsmittel zugelassen, wobei die Formen und Bedingungen durch ein Ausführungsdekret zu definieren sind. Vgl. dazu: Storp, RIW 2002, 409 (417). 136 Vgl. zur Stimmrechtsvertretung im französischen Recht ausführlich: Hohn Abad, S. 61 ff. Vgl. zum Teilnahmerecht: § 7 II. 2. 137 Behnke, NZG 2000, 665 (667); Hohn Abad, S. 63. 138 Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (l05); Behnke, NZG 2000, 665 (667). 139 Vgl. Sonnenberger, Rn. III 169; Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 95 (l05 ff.); Behnke, NZG 2000, 665 (668); Hohn Abad, S. 62. 12 Pannier
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
der Verwaltung stimmt. 141 Insofern wird die Blankovollmacht auch oft von der Verwaltung der SA genutzt, um ihre Position zu stärken. 142 Die damit verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten versucht man dadurch zurückzudrängen, dass zugesandte Vollmachtsformulare zwingend mit den Einberufungsunterlagen, die auch die Vorschläge der Verwaltung enthalten, und einem ausdrücklichen Hinweis auf die Folgen der Abgabe einer Blankovollmacht verbunden werden müssen (Artt. 133, 134 D). Eine Einzelweisung, die von den Vorschlägen der Verwaltung abweicht, ist durch die Blankovollmacht allerdings nicht möglich. 143
d) Schriftliche Stimmabgabe (" vote par correspondance ") Neben der Stimmrechtsvertretung kennt das französische Recht mit der schriftlichen Stimmabgabe eine zusätzliche Möglichkeit, durch die der Aktionär sein Stimmrecht ausüben kann, ohne an der Hauptversammlung teilnehmen zu müssen (Art. L 225-107). Die "vote par correspondance" ist aber kein Fall der Stimmrechtsvertretung, sondern eine Art Briefwahl. 144 Die Stimmabgabe erfolgt hierbei durch ein Formblatt, das dem Aktionär erlaubt, für die Annahme oder Ablehnung der Vorschläge zu den Tagesordnungspunkten zu stimmen. Das Formblatt wird dem Aktionär auf einen per Einschreiben gestellten Antrag hin, spätestens sechs Tage vor der Versammlung zugeschickt (Art. 131-1 D). Außerdem ist es immer auch einem zugesandten Vollmachtsformular hinzuzufügen (Art. 133 Nr. 5 D). Im Unterschied zur "proeuration en blanc" wird die Zurücksendung eines unausgefüllten Formblatts im Fall der "vote par correspondance" aber immer als Gegenstimme gewertet, worauf der Aktionär ausdrücklich hinzuweisen ist (Art. 132-2 IJ D). Vollmacht und schriftliche Abstimmung schließen sich 140 Vgl. auch Art. 132 I D wonach zwar der Name und die Adresse des Aktionärs nicht aber die des Vertreters in der Vollmacht genannt werden muss. Vgl. dazu auch: Hohn Abad, S. 64. 141 Vgl. zu den damit verbundenen Schwierigkeiten: Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (106). 142 Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (106); Baums, in: Hopt/Kanda/Roe/ Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Govemance - the State of the Art and Emerging Research, S. 545 (554). 143 In diesem Fall muss sich der Aktionär einen anderen Stimmrechtsvertreter suchen, der bereit ist, nach seinen Wünschen abzustimmen (Artt. 161 IV, 134 11 D). Vgl. Behnke, NZG 2000, 665 (668); Guyon, ZGR 1985, 74 (82). 144 Behnke, NZG 2000, 665 (668). Vgl. auch: Guyon, ZGR 1988, 240 (248); ders., ZGR 1985, 74 (82); Hohn Abad, S. 70; Baums, in: Hopt/Kanda/Roe/ Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Govemance - the State of the Art and Emerging Research, S. 545 (554).
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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zudem gegenseitig aus (Art. 133 I Nr. 8 D). Für den Fall, dass sowohl das Vollmachtsfonnular als auch das Fonnblatt für die schriftliche Abstimmung eingesandt werden, kommt der Vollmacht der Vorrang zu (Art. 133 11 D).145 Auch wenn in Frankreich, wie in Deutschland, Inhaberaktien vorherrschend sind, beschränkt sich die Aufgabe der Banken vor allem auf die Informations- und Vollmachtsweitergabe. 146 Spezielle Regeln für deren Stimmrechtsausübung existieren nicht. Zudem dürfen sie die Vertretung der Aktionäre auch nur übernehmen, wenn sie selbst Aktionär der SA sind (Art. L 225-106 I). Für Aktien, die sie (nur) aufbewahren, können die Banken das Stimmrecht also nicht ausüben. In der Praxis übernehmen sie allerdings die Aufgabe, die Blankovollmachten für die Verwaltung einzuholen und weiterzuleiten. 147
3. Großbritannien a) Stimmrechtsausübung
Das Stimmrecht des Aktionärs ist im britischen Aktienrecht gesetzlich kaum festgelegt, sondern wird, wie das gesamte Innenverhältnis der Gesellschaft, weitgehend dem Satzungsrecht überlassen. 148 Die Standardregelung dafür ist in Art. 54 Table A zu finden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen zwei Abstimmungsmethoden, dem "show of hands" und dem "poIl", die je nach Abstimmungsmethode und Präsenz auf der Hauptversammlung in der Praxis zu sehr unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen führen können. Beim "show of hands", einer Abstimmung nach Köpfen, hat jeder persönlich erschiene Aktionär nur eine Stimme, unabhängig von der Anzahl seiner Aktien. 149 Beim "poIl" richtet sich die Stimmkraft des Aktionärs dagegen, wie im deutschen und französischen Recht, grundsätzlich nach der Höhe seiner Kapitalbeteiligung. 150 Er hat hier, soweit die "articles" nichts anderes vorsehen, eine Stimme für jede gehaltene Aktie. Das britische Recht sieht zudem vor, dass jeder Hauptversammlungsteilnehmer das Recht hat, ein Behnke, NZG 2000, 665 (668). Behnke, NZG 2000, 665 (668 f.); Hohn Abad, s. 69. 147 Guyon, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 95 (106). 148 Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 564; Boyle&Birds', S.369. 149 Furey, in: Farrars' Company Law, S. 322; Boyle&Birds', S. 369; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 589. 150 Furey, in: Farrars' Company Law, S. 322; Boyle&Birds', S. 369; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 590. 145
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
"poll" zu verlangen. 151 Die "articles" können dieses Recht nur für die Wahl des Vorsitzenden der Hauptversammlung oder für die Entscheidung über die Vertagung der Hauptversammlung völlig ausschließen (Art. 373 I lit. a CA 1985). Für alle anderen Angelegenheiten kann das Recht, ein "poll" zu verlangen, nur soweit eingeschränkt werden, dass für den Antrag zumindest 5 Hauptversammlungsteilnehmer oder 10% des in der Hauptversammlung vertretenen Kapitals gestimmt haben müssen (Art. 373 I lit. b CA 1985). Das Grundkapital der Gesellschaft kann durch "memorandum" oder "articles" in zwei oder mehrere Klassen aufgeteilt werden ("classes of shares,,).152 Neben den gewöhnlichen Aktien ("ordinary shares") können, wie in den anderen Rechtsordnungen, Vorzugsaktien ohne oder mit nur beschränktem Stimmrecht ("preference shares") ausgegeben werden. 153 In Abweichung vom Grundsatz "One Share - One Vote" ist auch eine Festlegung von Mehrfach- oder Höchststimmrechten durch die "articles" möglich. 154 Für den Fall, dass der Aktionär seine Einlage nicht voll eingezahlt hat, wird er nicht als Mitglied der Gesellschaft betrachtet und hat dementsprechend kein Stimmrecht innerhalb der Hauptversammlung. 155 Ein Stimmrechtsausschluss bei typischen Fällen von Interessenkollisionen ist im britischen Recht grundsätzlich nicht vorgesehen. 156 Vielmehr wird der Grundsatz betont, dass der Aktionär das Stimmrecht als Eigentumsrecht so ausüben kann, wie es seinem Interesse entspricht, auch wenn sein Interesse dem Interesse der Gesellschaft entgegensteht. 157 Die Stimmrechtsausübung unterliegt aber einer allgemeinen nachträglichen Kontrolle des Einzelfalls. So darf das Stimmrecht beispielsweise nicht in einer Weise ausge151 Furey, in: Farrars' Company Law, S. 323; Dine, S. 138; Boyle&Birds', S. 369 f.; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 590. 152 Hannigan, in: Farrar's Company Law, S. 229; Jura Europae, 90.10., Nr. 55 ff.; Aretz, European Company Law, S. 125. 153 Hannigan, in: Farrar's Company Law, S. 230; Dine, S. 259 ff.; Jura Europae, 90.10., Nr. 58 ff.; Leader!Dine, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Public1y Held Corporations, S. 219 (233); Triebel!Hodgson! Kelienter!Müller, Rn. 654; Hohloch, in: Hohloch (Hrsg.), EU-Handbuch Gesellschaftsrecht, Rn. 235 ff. Ausgegeben werden können auch Nachzugsaktien ("defferred shares") und gewöhnliche Aktien ohne Stimmrecht ("non-voting ordinary shares"). 154 Boyle/Bird's, S. 369; Güthoff, S. 31; Aretz, European Company Law, S. 129. ISS Jura Europae, 90.10., Nr. 36. Vgl. auch Art. 57 Table A. 156 Eine Ausnahme ist in secs. 164 V und 174 11 CA 1985 vorgesehen, wonach der Aktionär sich nicht an einem Beschluss über den Erwerb seiner Aktien durch die "company" beteiligen darf. 157 Boyle&Birds', S. 368; Dine, S. 139; Jaeger, S. 129. Vgl. dazu auch Leader! Dine, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Public1y Held Corporations, S. 219 (231); Du Plessis!Dine, Journal of Business Law 1997, 23 (25); Güthoff, S. 45.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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übt werden, die die Minderheitsaktionäre unterdrücken würde ("fraud on the minority,,).158 Weil das Stimmrecht als Eigentumsrecht betrachtet wird, können die Aktionäre nach britischem Recht auch Stimmbindungsverträge ohne wesentliche Beschränkungen vereinbaren. 159 Diese sind ohne Rücksicht auf das Gesellschaftsinteresse und sogar als Stimmkauf zulässig. 160 b) Allgemeine Regelung der Stimmrechtsvertretung ("proxy")
Jeder teilnahme- und stimmberechtigte Aktionär kann sich auch nach britischem Recht auf der Hauptversammlung vertreten lassen (sec. 372 I CA 1985).161 Allerdings besteht diese Möglichkeit nur bei einem "poll", denn bei einem "show of hands" muss der Aktionär persönlich erscheinen (sec. 372 II CA 1985, Art. 54 und 57 Table A).162 Die Einberufungsmitteilung muss einen ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit der Stimmrechtsvertretung enthalten (sec. 372 III, IV CA 1985). Die Person des Vertreters ist dabei nicht, wie im französischen Recht, auf Mitaktionäre beschränkt. Die Vollmacht ist grundsätzlich schriftlich zu erteilen und gilt nur für eine Aktionärversammlung einschließlich der Vertagungstermine (Artt. 60, 61 Table A). Allerdings lässt der "Companies Act" nach der Änderung durch die "Companies Act 1985 (Electronic Communications) Order 2000" nun, wie das deutsche Recht, auch eine elektronische Vollmachtserteilung ("electronic transmission of proxy appointments") zu (sec. 372 II A, B CA 1985).163 Wegen des dispositiven Charakters der Vgl. zu diesen Schranken der Stimmrechtsausübung: § 7 V. 3. Dine, S. 140. 160 Zulässig sind insbesondere auch sog. Stimmrechtskonsortien ("voting trust"), bei den die Aktien in einen "pool" eingebracht werden und ein Treuhänder das Stimmrecht im Sinne der Mehrheitsentscheidung ausübt. Furey, in: Farrars' Company Law, S. l37 ff. 161 Bei einer "private company" hat der Stellvertreter auch das Rederecht (sec. 372 I, 11, VII CA 1985). 162 Furey, in: Farrars' Company Law, S. 316; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 580; Behnke, NZG 2000, 665 (669); Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller, S. 266. Jedoch können auch hier die "articles" vorsehen, dass ein Vertreter abstimmen kann. Allerdings hat er auch in diesem Fall nur eine Stimme. Vgl. Furey, in: Farrars' Company Law, S. 322. Die Company Law Review Steering Group schlägt zudem vor, dass die Stimmrechtsvertretung auch bei einem "show of hands" ermöglicht werden sollte. Vgl. Company Law Review Steering Group, Modem Company Law - For a Competitive Economy, Final Report, 2001, eh. 7.2. 163 Sec. 19 "Companies Act 1985 (Electronic Communications) Order 2000". Eine elektronische Stimmabgabe wird aber nicht ermöglicht. Vgl. das "statement" des DTI unter: http://www.dti.gov.uk/cld/elecinfo.htm. 158
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
Mustersatzung kann zudem auch eine unbefristete Vollmacht ermöglicht werden. l64 Die Vollmacht ist, wie in den anderen Rechtsordnungen, grundsätzlich frei widerruflich. 165 Die Mustersatzung sieht zwei Möglichkeiten der Vollmachtserteilung vor. Zum einen die sog. "general proxy", bei der zwar der Name des Bevollmächtigten angegeben ist, aber keine Weisung erteilt wird (Art. 60 Table A). Hier kann der Stellvertreter also nach eigenem Ermessen abstimmen. Zum anderen die sog. "two-way-proxy", bei der die Abstimmung für oder gegen einen Antrag ermöglicht wird (Art. 61 Table A).166 Sofern die "articles" keine kürzere Frist bestimmen, genügt es, wenn die Bevollmächtigung spätestens 48 Stunden vor der Hauptversammlung bei der Gesellschaft eingegangen ist (sec. 372 V CA 1985). c) Verwaltungsstimmrecht
In der Praxis ist es vielfach üblich, dass die "company" auch selbst "proxy"-Formulare an die Aktionäre versendet. 167 In der Regel sind in den Vollmachtsvordrucken schon bestimmte Vertreter, zumeist die Direktoren benannt. 168 Soweit die Gesellschaft die "proxy"-Formulare unaufgefordert versendet, müssen sie, im Unterschied zum französischen Recht, an alle Aktionäre verschickt werden (sec. 372 VI S. 1 CA 1985), um zu verhindern, dass nur Aktionäre berücksichtigt werden, deren Unterstützung sich die Verwaltung sicher iSt. 169 Soweit die Versendung der "proxy"-Formulare auf eine schriftliche Anfrage bestimmter Aktionäre zurückgeht, kann die Gesellschaft sich entscheiden, nur diesen ein Formular zuzuschicken (sec. 372 VI S. 2 CA 1985). Gesellschaften, die an der Londoner Börse registriert sind, dürfen zudem als "proxy"-Formulare nur "two-way-proxies" verwenden, um den Aktionären eine Opposition zu erleichtern. 170 164 Vgl. auch: Behnke, NZG 2000, 665 (669); Furey, in: Farrars' Company Law, S.316. 165 Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber auch eine unwiderrufliche Vollmacht erteilt werden. Vgl. Behnke, NZG 2000, 665 (669); Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 580; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 316. 166 Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 580; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 315 f. Falls hier zu bestimmten Tagesordnungspunkten die Entscheidung für oder gegen den Antrag fehlt, kann der Stimmrechtsvertreter selbst entscheiden, ob er sich enthält oder dafür stimmt (Art. 61 Table A). 167 Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 579 f. 168 Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 579; Jaeger, S. 137. 169 Furey, in: Farrars' Company Law, S. 315 f.; Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 580; Behnke, NZG 2000, 665 (669); Jaeger, S. 137. 170 Behnke, NZG 2000, 665 (670); Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 579; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 316.
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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4. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle drei untersuchten Rechtsordnungen zumindest im Grundsatz dem Prinzip "One Share - One Vote" folgen. Auch Ausnahmen von diesem Prinzip sind in allen drei Mitgliedstaaten bekannt. So kennen alle Mitgliedstaaten Vorzugsaktien ohne oder mit beschränktem Stimmrecht. Was andere Beschränkungen des Stimmrechts betrifft, so finden sich aber auch signifikante Unterschiede. Während das deutsche Recht die Möglichkeit von Höchst- und Mehrfachstimmrechten weitgehend ausschließt, sind diese im französischen und vor allem britischen Recht zulässig und auch weit verbreitet. Auch zeigt sich am Beispiel der Stimmrechte wieder exemplarisch, dass das britische Recht für das Innenverhältnis eine weitgehende Satzungsfreiheit vorsieht. Für den Fall von Interessenkollisionen bei der Stimmrechtsausübung stehen sich dagegen zwei Systeme gegenüber. Während das deutsche und französische Recht hier für wichtige Fälle einen Stimmrechtsausschluss vorsehen, belässt es das britische Recht bei einer allgemeinen Missbrauchskontrolle. In besonders wichtigen Fällen kommen jedoch beide Systeme zum gleichen Ergebnis. Unterschiede lassen sich auch bei der Frage der Zulässigkeit von Stimmbindungsvereinbarungen feststellen. Auch hier findet sich die strikteste Regelung im deutschen Recht mit genau festgelegten Ausnahmefällen, während das britische Recht hier von einer weitgehenden Vertragsfreiheit ausgeht. Am auffälligsten sind die Unterschiede bei der Stimmrechtsvertretung. Zwar ist diese bis auf den Fall eines "show of hands" im britischen Recht in allen drei Rechtsordnungen möglich. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede bei den Anforderungen an die Person des Vertreters, bei der Fonn und der Dauer der Vollmacht. Während in Deutschland und Großbritannien hinsichtlich der Person des Vertreters kaum Einschränkungen bestehen, kann sich der Aktionär in der französischen Aktiengesellschaft nur durch einen anderen Aktionär oder Ehegatten vertreten lassen. Eine Dauervollmacht kennt nur das deutsche Recht, während die Vollmacht in Großbritannien und Frankreich zumeist auf eine Hauptversammlung beschränkt ist. 171 Eine alternative Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung, wie die Briefwahl, ist nur in Frankreich geregelt. Jedoch ennöglichen auch das deutsche und englische Recht mit einem Verzicht auf die schriftliche Fonn der Vollmacht beispielsweise eine Abstimmung durch elektronische Medien (Bildschinnfonnular), wenn auch nicht direkt, sondern nur über einen Stimm171
In Großbritannien kann dies durch die "articles" vorgesehen werden.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
rechtsvertreter, der durch die Verwaltung eingesetzt wurde. Annäherungen gibt es jedoch beim sog. Verwaltungsstimmrecht, das nun auch im deutschen Recht geregelt ist. Schließlich ist noch die unterschiedliche Bedeutung der Banken bei der Stimmrechtsvertretung zu erwähnen. WeilInhaberaktien in Großbritannien unüblich und statt dessen Namensaktien weit verbreitet sind, sind die Banken als Informationsintermediär und Stimmrechtsvertreter nicht in der Weise erforderlich, wie dies insbesondere in Deutschland der Fall iSt. 172 Jedoch ist auch in Deutschland wegen der Öffnung deutscher Aktiengesellschaften gegenüber den internationalen Kapitalmärkten eine Entwicklung in Richtung Namensaktie zu verzeichnen, wodurch sich auch die Bedeutung der Kreditinstitute für die Stimmrechtsausübung verringert. 173
V. Gerichtliche Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen Neben dem Schutz des Aktionärs im Vorfeld des Hauptversammlungsbeschlusses durch Gewährleistung der Teilnahme und Stimmabgabe finden sich in allen untersuchten Rechtsordnungen auch Regelungen für die nachträgliche Kontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses. Diese Vorschriften haben den Zweck, die Macht der beschlussfassenden Mehrheit gegenüber den Minderheitsaktionären zu begrenzen. 174 Es geht also um den Schutz des dissentierenden Aktionärs. Allgemein wird diese Begrenzung auch durch qualifizierte Anforderungen an die Beschlussmehrheit erreicht. 175 Hier soll es aber vorrangig um Regelungen gehen, die die nachträgliche Kontrolle des Inhalts und des Verfahrens der Beschlussfassung ermöglichen.
172 In Frankreich besteht die Funktion der Banken, wie in Deutschland, in der Herstellung des Kontakts zwischen Gesellschaft und Aktionär. Als Stimmrechts vertreter können die Banken allerdings nur eingesetzt werden, wenn sie selbst an der Gesellschaft beteiligt sind. Vgl. Behnke, NZG 2000, 665 (668 f.). Vgl. zur Rolle der Banken bei der Stimmrechtsausübung zudem: 4. Teil § 9 III. 2. a) bb). 173 Huep, WM 2000, 1623; Hüther, AG 2001, 68 (70); Kölling, NZG 2000, 631 (632); Noack, FS Lutter, S. 1463 (1466); ders., FS Bezzenberger, S. 291 (293 ff.); Siems, NZG 2000, 626 (628 f.); Maul, NZG 2001, 585; Weber, NZG 2001, 337; Preissler, WM 2001, 113. 174 Vgl. zum Minderheitenschutz im Europäischen Gesellschaftsrecht: 2. Teil § 4 III. 175 Kreß, S. 6.
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1. Deutschland
a) Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Hinsichtlich der Beschlussmängel unterscheidet das deutsche Recht zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen. 176 Die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen sieht das Gesetz im Interesse der Rechtssicherheit aber nur in besonders schwerwiegenden und restriktiv auszulegenden Fällen vor (§§ 241, 250, 253, 256 AktG).177 Dazu zählen beispielsweise bestimmte Einberufungs- und Beurkundungsmängel (§ 241 Nr. 1, 2 AktG), aber auch Verstöße gegen Gläubigerschutzvorschriften oder Vorschriften im öffentlichen Interesse sowie die Sittenwidrigkeit des Beschlusses (§ 241 Nr. 3, 4 AktG).178 Die Nichtigkeit kann von jedermann jederzeit geltend gemacht werden. 179 Darüber hinaus können Aktionäre, der Vorstand sowie die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats nach § 249 AktG auch Klage auf Feststellung der Nichtigkeit erheben.
b) Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Andere Mängel, die nicht zu einer Nichtigkeit führen, begründen dagegen lediglich die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses. Anfechtungsgründe sind dabei die Verletzung des Gesetzes oder der Satzung (§ 243 I AktG). Sie sind im Unterschied zu den Nichtigkeitsgründen also nicht genau festgelegt. 180 aa) Verfahrensmängel Unterschieden wird im allgemeinen zwischen Verfahrens- und Inhaltsfehlem. 181 Um zu vermeiden, dass auch völlig irrelevante Fehler zu einer An176 Zur Abgrenzung von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit: HüjJer, § 241 AktG Rn. 4 f. Allerdings greifen Nichtigkeitsgründe auch bei Mehrheitsentscheidungen ein und dienen damit nicht nur dem Schutz der Aktionäre. Vgl. Kreß, S. 7. 177 Schmidt, S. 865 f.; Grunewald, S. 273. 178 Gerade bei den letzteren generalklauselartig gefassten Nichtigkeitsgründen ist die Reichweite umstritten. Nach h. M. fallen darunter aber satzungsändemde Beschlüsse, die vom zwingenden Aktienrecht abweichen, kompetenzüberschreitende Hauptversammlungsbeschlüsse und Verstöße gegen Mitbestimmungsvorschriften. Vgl. HüjJer, § 241 Rn. 14 ff. 179 Schmidt, S. 866; Grunewald, S. 272. 180 Daneben enthält das Gesetz Anfechtungsgründe in §§ 243 I1, 251, 254, 255 AktG. 181 Schmidt, S. 868; Grunewald, S. 274; Raiser, S. 277 ff.; Hüf!er, § 243 AktG Rn. 11 ff.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
fechtung berechtigen, schränkt die deutsche Rechtsprechung und herrschende Lehre die Anfechtungsmöglichkeit bei Verfahrensfehlern, also formellen Mängeln beim Zustandekommen des Beschlusses, insoweit ein, als der Mangel für das Beschlussergebnis zumindest potentiell kausal oder relevant sein muss. 182 Bei Verstößen gegen wichtige Informationspflichten oder Eingriffen in das Teilnahmerecht des Aktionärs ist diese potentielle Kausalität aber grundsätzlich anzunehmen. 183 bb) Inhaltsmängel (Sachkontrolle) Inhaltsfehler beziehen sich dagegen nicht auf das Zustandekommen, sondern auf das Ergebnis der Beschlussfassung. Dies sind neben den gesetzlich geregelten Fällen l84 insbesondere Verstöße gegen die gesellschaftsrechtliche Treupflicht der Aktionäre und das Gleichbehandlungsgebot, die auch die Grundlage für die materielle Beschlusskontrolle der Mehrheitsentscheidungen im deutschen Aktienrecht bilden. 185 Die Rechtsprechung geht bei einigen Gesellschafterbeschlüssen über eine Missbrauchs- und Willkürkontrolle hinaus und fordert, dass der Beschluss durch das Gesellschaftsinteresse sachlich gerechtfertigt und nach Abwägung des Gesellschaftsinteresses und der Interessen der Minderheitsaktionäre auch verhältnismäßig ist. 186 Um182 Die bisherige Rechtsprechung stellte vor allem auf die hypothetische Kausalität des Verstoßes ab. Vgl.: BGHZ 14, 264 (267 0; 36, 121 (139); 103, 184 (185); 122, 211 (239). Die jüngste Rechtsprechung und Teile der Literatur stellen dagegen auf die Relevanz des Normverstoßes ab. Vgl. BGH, ZIP 2002, 172; Zöllner, in: Kölner Komm., § 243 Rn. 84 ff., insb. 96; Hüjfer, § 243 AktG Rn. 13 m. w. N. Im Übrigen kann die Mehrheit die Anfechtungsklage verhindern, wenn sie den angefochtenen Beschluss ohne die gerügten Mängel bestätigt (§ 244 AktG). 183 Hüjfer, § 243 AktG Rn. 14 ff.; Raiser, S. 279; Schmidt, S. 868. Vgl. auch § 243 IV AktG nachdem es unerheblich ist, dass die Aktionäre oder die Hauptversammlung erklärt haben, dass die Verweigerung der Auskunft ihre Beschlussfassung nicht beeinflusst hat. Etwas anderes gilt bei bloßen Feststellungsfehlern. 184 Vgl. § 251 AktG für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, § 254 AktG für den Gewinnverwendungsbeschluss oder § 243 11 2 AktG für die Verschaffung von Sondervorteilen. 185 Vgl. Hüjfer, § 243 Rn. 20 ff. m.w.N.; Raiser, S. 280; Schmidt, S. 868; Grunewald, S. 275; ausführlich: Kreß, S. 11 ff.; Timm, ZGR 1987, 403 (408 f.); kritisch: Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 229 ff. 186 Dies gilt vor allem für Beschlüsse im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen. Grundlegend: BGHZ 71, 40 (43 ff.) für den Bezugsrechtsausschluss ("Kali und Salz"); BGHZ 83, 319 (321) für die Schaffung genehmigtes Kapital ("Holzmann"); BGHZ 120, 141 (145 f.) für den Bezugsrechtsausschluss bei Genussrechten ("Bremer Bankverein"); anders dagegen noch: BGHZ 70, 117 (123 ff.) für die Einführung des Höchststimmrechts ("Mannesmann"); aber auch in: BGHZ 108, 183 (190) (Kapitalherabsetzung) und insbesondere BGHZ 136, 133 (138 ff.) für den Bezugsrechtsausschluss im Rahmen des genehmigtes Kapital ("Siemens/Nold"); vgl. auch: Hüjfer, § 243 Rn. 24 ff. m. w. N. zur umfangreichen Rechtsprechung. Vgl. zur
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stritten ist allerdings, welche Beschlüsse einer solch intensiven materiellen Beschlusskontrolle nach den Kriterien der Erforderlichkeit und Angemessenheit unterliegen sollen und bei welchen Beschlüssen sich die Inhaltskontrolle auf eine Willkür- und Missbrauchskontrolle beschränkt. 187 c) Anfechtungsklage und -befugnis
Die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses erfolgt durch eine Klage, die innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben werden muss (§§ 243 I, 246 I AktG). Anfechtungsbefugt ist jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, der gegen den Beschluss einen Widerspruch erklärt hat bzw. jeder Aktionär, der eine Verletzung seines Teilnahmerechts geltend macht (§ 245 Nr. 1, 2 AktG).188 Der Aktionär braucht auch keinen bestimmten Minimumanteil am Grundkapital besitzen. Die geringen Voraussetzungen bei der Anfechtungsbefugnis und die weiten inhaltlichen Schranken der Hauptversammlungsbeschlüssen haben allerdings dazu geführt, dass verschiedene Aktionäre Beschlüsse nur angefochten haben, um sich die Klage von der Gesellschaft später abkaufen zu lassen ("räuberischer Aktionär,,).189 In solchen Fällen kann nach der Rechtsprechung die Anfechtungsklage wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen werden. 190 "Siemens/Nold"-Entscheidung: Volhard, AG 1998, 397 ff. Vgl. in diesem Zusammenhang auch: 2. Teil § 4 11. 1. 187 Während einige Vertreter die weite InhaltskontroHe auf aHe Hauptversammlungsbeschlüsse erstrecken wollen, nehmen andere einzelne Beschlussgegenstände mit unterschiedlichen Erwägungen und Differenzierungen aus. Vgl. für die Darstellung der unterschiedlichen Meinungen: Kreß, S. 27 ff.; Timm, ZGR 1987, 403 (410 ff.); Hüjfer, § 243 AktG Rn. 22 ff. 188 Anfechtungsbefugt ist nach § 245 Nr. 3 AktG auch jeder Aktionär, der die Verfolgung von Sondervorteilen beanstandet. 189 Bei Umwandlungsmaßnahmen ergab sich hier zumeist das Problem, dass die angefochtenen Maßnahmen während der Dauer des Rechtsstreits nicht durchgeführt werden konnten (Registersperre). Vgl. zu dieser Problematik und der Vorschrift des § 16 III UmwG, die nun auch die Eintragung einer angefochtenen Umwandlung zulässt: Hirte, KapitalgeseHschaftsrecht, Rn. 451, 458, 936 ff. Vgl. zur Europarechtskonformität des § 16 III UmwG: Schön, RabelsZ 64 (2000), 1 (33 ff.). 190 So die Rechtsprechung: RGZ 146, 385 (395); BGHZ 36, 121 (135 ff.); BGHZ 107, 296 (311) ("Kochs-Adler"); vgl. ausführlich: Hüjfer, § 245 AktG Rn. 22 ff. m.w.N.; Zöllner, AG 2000,145 ff.; Götz, ZIP 1995, l310 (1311 f.). Zur Vereinbarkeit solcher Einschränkungen mit dem Europäischen Gesellschaftsrecht: 2. Teil § 4 11. 1. b). Die Problematik des Missbrauchs des Anfechtungsrechts beschäftigte auch den 63. Deutschen luristentag 2001. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass "räuberische" Anfechtungsklagen in einem Spruchstellenverfahren behandelt werden sollten. Der registersperrenden Wirkung der Anfechtungsklage soHte zudem ein Freigabeverfahren gegenübergestellt werden. Schließlich sollen Abfindungsvergleiche künftig veröffentlicht werden. Vgl. SchindlerlWitzel, NZG 2001, 577 ff.
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
2. Frankreich a) Nichtigkeit und Nichtigkeitserklärung
Im französischen Recht unterscheidet das Gesetz hinsichtlich der Beschlusskontrolle zunächst zwischen satzungsändernden und nichtsatzungsändernden Beschlüssen. Erstere sind nach Art. L 235-1 I nur nichtig, wenn diese Rechtsfolge im Gesetz ausdrücklich angeordnet wird. Schon der Wortlaut der Vorschrift zeigt, dass die Nichtigkeit eines Beschlusses im Interesse der Rechtssicherheit nur in bestimmten Fällen zugelassen werden SOll.19I Ausdrücklich ist die Nichtigkeit beispielsweise bei Verletzung der Vorschriften im Zusammenhang mit Kapitalmaßnahmen und der Ausgabe von Obligationen (Artt. L 225-157, 225-165, 225-176), aber auch bei der Verletzung bestimmter Vorschriften über den Ablauf, die Tagesordnung, die Beschlussmehrheiten der Hauptversammlung sowie die Beteiligung des Abschlussprüfers vorgesehen (Artt. L 225-121 1,225-227). Für nichtsatzungsändernde Beschlüsse bestimmt Art. L 235-1 11, dass sich die Nichtigkeit aus der Verletzung einer zwingenden Gesetzesvorschrift ergeben kann. l92 Die Nichtigkeit der Beschlüsse kann vom Gericht ausgesprochen werden, sie sind also anfechtbar. b) Beschlussmängel, insb. "abus de majorite"
Wie im deutschen Recht wird hier zwischen Verfahrens- und Inhaltsfehlern unterschieden und erstere müssen auch im französischen Recht Einfluss auf die Beratung und die Beschlussfassung gehabt haben können. 193 Als wichtigster Fall eines inhaltlichen Mangels hat sich im französischen Recht der Missbrauch der Mehrheitsmacht ("abus de majorite") entwickelt. 194 Voraussetzung ist allgemein, dass die Mehrheit den Beschluss entgegen dem Gesellschaftsinteresse mit dem Ziel gefasst hat, sich selbst auf Kosten der Minderheit zu begünstigen. 195 Ein Missbrauch der Mehrheits191 Allerdings ist dieser Grundsatz durch den Verweis in Art. 235-1 I auf die Vorschriften, die die Nichtigkeit von Verträgen vorsehen, also auf die allgemeine Vertragsiehre, aufgeweicht. So ist anerkannt, dass satzungsändernde Beschlüsse auch wegen des Missbrauchs der Mehrheitsmacht für nichtig erklärt werden können ("abuse de majorite"). Vgl. Kreß, S. 41 f.; Jaeger, S. 172. 192 Die Nichtigkeit kann sich auch aus der Verletzung von Verordnungen (decret) ergeben, wenn eine zwingende Vorschrift auf die Verordnung verweist und damit in die gesetzliche Regelung aufnimmt (vgl. Artt. L 225-115, L 225-116 i.V.m. Art. 135 ff. D). 193 Jaeger, S. 171. 194 Kreß, S. 43 ff.; Jaeger, S. 171; Aretz, European Company Law, S. 78; Kindler, ZHR 158 (1994), 339 (347).
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macht wird aber in der Regel verneint, wenn der beanstandete Beschluss dem Gesellschaftsinteresse in irgendeiner Form dienlich war, dann nämlich kommt es auf das Maß der Beeinträchtigung der Minderheitsinteressen nicht an. 196 c) Nichtigkeitsklage ("action en nullitC")
Zur Feststellung oder Erklärung der Nichtigkeit oder des Hauptversammlungsbeschlusses kann eine "action en nullite" erhoben werden. Dies muss innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Auftreten des Mangels geschehen (Art. 235-9). Die Klagebefugnis steht grundsätzlich allen Personen zu, die ein legitimes Interesse an der Nichtigkeitsklage haben. 197 Soweit durch den Beschluss Vorschriften verletzt wurden, die, wie Regelungen der Einberufung, vor allem dem Schutz der Aktionäre dienen, können nur die Aktionäre die Klage erheben, die ein legitimes Interesse am Klageerfolg haben. 198 Wegen der Filterfunktion dieses prozessualen Erfordernisses spielt der Rechtsrnissbrauch von Minderheitsrechten ("abus de minorite"), im Unterschied zur deutschen Rechtslage, keine so große Rolle und führt nur in seltenen Fällen zu einer Abweisung der Nichtigkeitsklage. 199
3. Großbritannien a) Beschränkung der Beschlusskontrolle (" Foss v. Harbottle ") Im britischen Gesellschaftsrecht bestand lange Zeit eine starke Zurückhaltung gegenüber der Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen?OO Diese geht maßgeblich auf die sog. "Foss v. Harbottle"-Regel zurück, die einem Urteil aus dem Jahre 1843 entspringt. 201 Sie besagt, dass im Fall der Rechtsverletzung gegenüber der Gesellschaft nur die Gesellschaft selbst klaKreß, S. 43 ff, insb. 73 f; Jaeger, S. 171 f Etwas anderes gilt für den Fall der Einbehaltung von Gewinnen, wo ein "abus de majorite" bejaht wird, wenn das Interesse der Gesellschaft an der beanstandeten Beschlussfassung im Vergleich zu den beeinträchtigten Interessen der Minderheitsaktionäre offensichtlich außer Verhältnis steht. Vgl. Kreß, S. 56 ff., insb. 60. 197 Jaeger, S. 172. 198 Jaeger, S. 172; Bellinghausen, RIW 1997, 100 (101). 199 Bellinghausen, RIW 1997, 100 (101). Zudem fehlt der Suspensiveffekt der Nichtigkeitsklage, der in deutschen Fällen eines Missbrauchs erst das Erpressungspotential beinhaltete. Vgl. Bellinghausen, RIW 1997, 100 (104). 200 Vgl. zur gerichtlichen Beschlusskontrolle im englischen Kapitalgesellschaftsrecht ausführlich: Kreß, S. 75 ff; Boyle&Birds', S. 491 ff; Davies, Gowers' Princip1es of Modem Company Law, S. 658 ff; Furey, in: Farrars' Company Law, S. 429 ff.; Lutter, ZGR 1998, 191 (193 ff.). 201 Foss v. Harbottle (1843) 2 Hare 461 = 67 ER 189. 195
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
gebefugt ist. 202 Soweit diese Regel anwendbar ist, scheitert die Überprüfung des Gesellschafterbeschlusses also schon an der Klagebefugnis des einzelnen Aktionärs, der sich gegen den Beschluss wenden will. Über eine Klageerhebung entscheidet vielmehr die Mehrheit der Aktionäre in der Hauptversammlung ("majority rule,,)?03 Die traditionelle Zurückhaltung gegenüber der Beschlusskontrolle resultiert auch daraus, dass das Stimmrecht im britischen Recht als Eigentumsrecht qualifiziert wird. 204 Es kann deshalb grundsätzlich so ausgeübt werden kann, wie der Aktionär es für richtig hält, eine Treueverpflichtung zur Gesellschaft mit bestimmten Pflichten besteht dabei nicht. 205 b) Klagemöglichkeiten des Aktionärs
Von der grundsätzlichen Beschränkung der Klagemöglichkeit des einzelnen Aktionärs haben sich aber im Verlauf der Zeit verschiedene Ausnahmen bzw. Fallgruppen entwickelt, in denen eine Klagebefugnis des Aktionärs angenommen wird. Unklar ist aber, ob diese Klagemöglichkeiten unabhängig von der "Foss v. Harbottle"-Regel bestehen oder als Ausnahmen von ihr zu qualifizieren sind?06 aa) Individualklage ("personal action") Erstens wird die Regel aus "Foss v. Harbottle" im allgemeinen so verstanden, dass sie nur auf Klagen anwendbar ist, mit deren Hilfe der Gesellschafter im Namen der Gesellschaft eine Rechtsverletzung gegenüber der Gesellschaft oder ihren Organen geltend machen möchte, die sog. "derivative action".207 Danach hat der Aktionär die Möglichkeit, eine Individual202 Vgl. auch: Prudential Assurance Co. Ltd. v. Newman Industries Ltd. (No. 2) [1982] 1 All ER 354; vgl. dazu: Boyle&Birds'. S. 492 f; Dine, S. 236 ff; Davies, Gowers' Principles of Modern Company Law, S. 569; Kreß S. 80 f; Hanningan. in: Farrars' Company Law, S. 430 f 203 Kreß, S. 81; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller. S. 258; Boyle&Birds'. S. 492; Davies. Gowers' Principles of Modern Company Law. S. 660. 204 Kreß, S. 84; Triebel/Hodgson/Kellenter/Müller. S. 255; Du Plessis/Dine. Journal of Business Law 1997,23 (25). Vgl. dazu auch: § 7 IV. 3. a). 205 Insofern existieren auch keine Stimmverbote und Stimmrechtsbindungen sind erlaubt. 206 Vgl. zu den Schwierigkeiten der Einordnung und Abgrenzung der einzelnen Fälle: Kreß. S. 81, 87, 97, 101; Hanningan. in: Farrars' Company Law, S. 433 ff 207 Hanningan. in: Farrars' Company Law, S. 433; Davies. Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 660 ff; Jura Europae, 90.10., Nr. 154. Teilweise wird die "derivative action" auch als "representative action" bezeichnet. Vgl. zu allem ausführlich: Kreß. S. 81 ff.
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klage ("personal action") zu erheben, mit der er eine Verletzung seiner individuellen Mitgliedschaftsrechte rügen kann?08 Die "majority rule" findet hier keine Anwendung. Allerdings hat sich für die Individualklage noch keine klare Linie herausgebildet. Unklar ist vor allem, in welchen Fällen eine Rechtsverletzung als Beeinträchtigung eines Individualrechts zu betrachten ist. 209 Insgesamt ist von einer restriktiven Handhabung der Individualklage auszugehen?lO bb) Satzungsänderungen und "dass rights" Des Weiteren wird im Ergebnis unstreitig auch eine Klagebefugnis gegen satzungsändemde Beschlüsse oder Änderungen von "dass rights", d.h. Rechten, die mit einer bestimmten Aktiengattung verbunden sind, angenommen?ll Es handelt sich in diesen Fällen um Maßnahmen, die einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit voraussetzen, ein solcher Beschluss aber nicht oder nicht ordnungsgemäß gefasst wurde?12 Die inhaltliche Kontrolle des Beschlusses beschränkt sich im Fall einer Satzungsänderung aber auf ein allgemeines Missbrauchsverbot, es wird also nur geprüft, ob die Mehrheitsmacht für fremde Zwecke missbraucht wurde. 213 Bei der Änderung von "dass rights" ist darüber hinaus vereinzelt auch eine Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen der übrigen Aktionäre der Aktiengattung angenommen, was in manchen Fällen auch zu einer Art Verhältnismäßigkeitsprüfung führte. 214 208 Kreß, S. 81 ff.; Boyle&Birds', S. 494; Davies, Gowers' Principles of Modem Company Law, S. 661; Hanningan, in: Farrars' Company Law, S. 433. 209 Teilweise wird die Rechtsverletzung sowohl als Beeinträchtigung des Individualrechts als auch als Rechtsverletzung gegenüber der Gesellschaft eingeordnet. Vgl. Sealy, Cases and Materials in Company Law, S. 527 f. (unter Bezugnahme auf Prudential Assurance Co. Ltd. v. Newman Industries Ltd. (No. 2) [1982] 1 All ER 354 (364 ff.). Vgl. auch Kreß, S. 82 f. m.w.N. 210 Kreß, S. 83; Hanningan, in: Farrars' Company Law, S. 435. 211 Vgl. Kreß, S. 87 ff.; LeaderlDine, in: Pinto/Visentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Publicly Held Corporations, S. 219 (241); Boyle&Birds', S. 493; Hanningan, in: Farrars' Company Law, S. 433 f. Vgl. zur Unterscheidung zwischen Vorzugsaktien "preference shares" oder gewöhnlichen Aktien "ordinary shares": § 7 IV. 3. a). 212 TriebellHodgsonlKellenterlMüller, S. 259. 213 Kreß, S. 87 ff. (insb. 94); Farrar, in: Farrar's Company Law, S. 584. Die Schwere der Beeinträchtigung der Minderheitsinteressen bleibt außer Betracht. Die Mehrheit darf sich nicht von gesellschaftsfremden Motiven leiten lassen. Sog. "bona fide for the benefit for the company as a whole"-Test und die "proper purpose"Doktrin. 214 Kreß, S. 95; Schmitthoff, ZGR 1978, 447 (452); inbs. Leader/Dine, in: Pintol Visentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Govemance in Publicly Held Corpo-
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
cc) "fraud on the minority" Eine wichtige Ausnahme zu "Foss v. Harbottle" sind die Fälle einer missbräuchlichen Ausnutzung der gesellschaftlichen Machtposition, sog. "fraud on the minority".215 In diesen Fällen kann der einzelne Aktionär oder eine Aktionärsminderheit eine Klage für die Gesellschaft ("derivative action") erheben, obwohl die Mehrheit der Aktionäre dafür gestimmt hat. 216 Ein Fall eines "fraud on the minority" liegt vor, wenn die herrschenden Gesellschafter ihre Mehrheitsmacht in einer Weise ausüben, die einen finanziellen Verlust für die Gesellschaft oder eine unfaire und diskriminierende Behandlung der Minderheitsaktionäre mit sich bringt. 217 dd) Sec. 459 CA 1985 Schließlich wurden aber auch im Gesetzesrecht einige Klagemöglichkeiten für Minderheitsaktionäre entwickelt, die von der Regel in "Foss v. Harbottle" abweichen. Für die Kontrolle eines Hauptversammlungsbeschlusses ist besonders der Antrag nach sec. 459 CA 1985 von Bedeutung. 218 Nach sec. 459 I CA 1985 kann jedes Mitglied der Gesellschaft eine Anordnung des Gerichts beantragen, wenn die Angelegenheiten der Gesellschaft in einer Weise geführt werden, welche seine Interessen als Mitglied unbillig beeinträchtigt ("unfair prejudice"). Der Begriff "unfair prejudice" setzt nicht notwendig eine Verletzung des Gesetzes oder der Satzungs bestimmungen voraus. Nach der Rechtsprechung sind unter Umständen auch legitime Erwartungen ("legitimate expectations") eines Mitglieds durch sec. 459 CA 1985 geschützt. 219 Die Interessen der Minderheitsaktionäre werden also viel rations, S. 219 (241), die Beispiele für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Gerichte bringen. 215 Kreß, S. 98 ff.; Boyle&Birds', S. 494 ff.; Leader/Dine, in: PintolVisentini (Eds.), The Legal Basis of Corporate Governance in Publicly Held Corporations, S. 219 (243); Hanningan, in: Farrars' Company Law, S. 436 ff. 216 Insofern wird sie auch teilweise als einzige echte Ausnahme zu "Foss v. Harbottle" bertrachtet. Vgl. Hanningan, in: Farrars' Company Law, S. 435. 217 Hanningan, in: Farrars' Company Law, S. 436 f.; Kreß, S. 98 ff. Das gleiche Ergebnis könnte in Deutschland durch ein Stimmrechtsverbot erreicht werden. 218 Vgl. zu den Änderungsvorschlägen der Company Law Review Steering Group: Company Law Review Steering Group, Modern Company Law - For a Competitive Economy, Final Report, 2001, ch. 7.41. Daneben haben die Aktionäre nach secs. 122 I, 124 IA 1986 die Möglichkeit, einen Antrag auf Auflösung der Gesellschaft zu stellen, wenn dies billig und gerecht ("just and equitable") ist. Vgl. zu den Vorgängerregelungen in sec. 210 CA 1948: Kreß, S. 108 ff.; Müller, RIW 1997, 994; Dine, S. 249. 219 Müller, RIW 1997, 994. Allerdings ist die Rechtsprechung bei großen "public companies" mit der Annahme eines solchen Falls zurückhaltender. V gl. Hanningan,
§ 7 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung
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stärker als bei den oben genannten Ausnahmen berücksichtigt. Zudem ist durch den Wortlaut der Vorschrift klargestellt,220 dass die Beeinträchtigung auch in Fällen einer formalen Gleichbehandlung vorliegen kann, die sich aber trotzdem auf einzelne Aktionäre nachteilig auswirkt. 221 Soweit eine unbillige Beeinträchtigung vorliegt, stehen dem Gericht nach sec. 461 CA 1985 über eine Nichtigkeitserklärung des Beschlusses auch weitergehende Befugnisse ZU. 222
4. Zusammenfassung Festzustellen ist zunächst, dass die Aktionäre in allen untersuchten Rechtsordnungen die Möglichkeit haben, die gerichtliche Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen zu verlangen. Dabei waren die Ausgangspunkte sehr unterschiedlich. Während im deutschen und französischen Recht die Anfechtbarkeit von Versammlungsbeschlüssen gesetzlich festgelegt war, ging das britische Recht mit der "Foss v. Harbottle"-Regel nach "common law" grundsätzlich von einer Nichtüberprüfbarkeit von Mehrheitsentscheidungen aus. Erst durch die Entwicklung von bestimmten Ausnahmefällen und durch die Antragsmöglichkeit nach sec. 459 CA 1985 entwickelte sich hier ein vergleichbarer Minderheitenschutz. Im Ergebnis haben sich damit für die Inhaltskontrolle von Beschlüssen ähnliche Rechtsgrundsätze herausgebildet. Während in Deutschland die gesellschaftsrechtliche Treupflicht und das Gleichbehandlungsgebot die Grundlage für die materielle Beschlusskontrolle der Mehrheitsentscheidungen bilden, wird in Frankreich auf die Rechtsfigur der "abus de majorite" zurückgegriffen. In Großbritannien finden ähnliche Instrumente vor allem in der "fraud on the minority"-Ausnahme und bei der Frage nach einem "unfair prejudice" im Rahmen des Antrags nach sec. 459 CA 1985 ihre Entsprechung. Den Mindeststandard bildet dabei in allen drei Rechtsordnungen das Verbot von Beschlüssen, die zum Zweck der Verkürzung von Minderheitsrechten eingesetzt werden. 223 in: Farrars' Company Law, S. 452 f. Vgl. dazu auch: Vorpfeil, RIW 2000, 544 (545) m. W.N. 220 Diese KlarsteIlung ("interests of its members generally or of some part of its members") erfolgte durch sec. 145 CA 1989. Vgl. Müller, RIW 1997, 994 (995); Kreß. S. 113. 221 Müller, RIW 1997,994 (995); Kreß. S. 122. 222 Dazu zählen beispielsweise die Anordnung einer neuen Gesellschafterversammlung unter Aufsicht von neutralen Beobachtern (sec. 461 11 lit. a CA 1985). In der Praxis die wichtigste Rolle spielen sog. "purchase orders". Das Gericht ist dabei befugt, den Kauf der Anteile eines Gesellschafters durch andere Gesellschafter oder die Gesellschaft selbst anzuordnen (sec. 461 11 lit. d CA 1985). Von den Möglichkeiten andere Anordnungen, die in sec. 461 CA 1985 vorgesehen sind, haben die Gerichte bisher kaum Gebrauch gemacht. Vgl. Müller. RIW 1997,994 (996). 13 Pannier
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3. Teil: Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien
VI. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bei den wichtigsten Verwaltungsrechten trotz einiger Grundtendenzen noch viele Differenzen in den nationalen Aktienrechten gibt. Auffällig sind die Unterschiede schon beim Teilnahmerecht des Aktionärs sowie bei der Frist und dem Quorum für die Einberufung der Hauptversammlung. Sehr verschiedenartig geregelt ist auch das Auskunftsrecht des Aktionärs innerhalb der Hauptversammlung. Am auffälligsten sind die Unterschiede jedoch beim Stimmrecht und der Möglichkeit der Stimmrechtsvertretung. Die bestimmtesten Regelungen finden sich zumeist im deutschen Recht. Hier scheint insbesondere der Minderheitenschutz tendenziell am stärksten ausgebildet. So finden sich längere Ladungsfristen, niedrigere Anteilserfordernisse für das Ladungsrecht oder Ergänzungsanträge sowie ein sehr weitgehendes Auskunftsrecht. Bemerkenswert ist auch, dass das deutsche Recht im Unterschied zum französischen und britischen den Grundsatz "One Share - One Vote" am striktesten durchsetzt. Das deutsche Recht sieht auch eine sehr genaue Abgrenzung der jeweiligen Aufgabenbereiche von Hauptversammlung und Unternehmensleitung vor, während das französische und britische Aktienrecht flexiblere Strukturen mit Zustimmungsvorbehalten der Hauptversammlung oder sogar Einzelanweisungen an die Geschäftsführung der Gesellschaft zulassen. Insgesamt auffälligster Unterschied bei den Aktionärsrechten im deutschen, französischen und britischen Recht ist das Ausmaß an Gestaltungsfreiheit, dass die aktienrechtlichen Vorschriften zulassen. Hier stehen sich verschiedene Regelungskonzepte gegenüber. Während das deutsche und tendenziell auch das französische Aktienrecht überwiegend zwingend ausgestaltet ist, zeichnet sich das britische Aktienrecht durch weitgehende Satzungsfreiheit aus.
223 Kreß. S. 159; ähnlich: Jaeger, S. 185. Über den Mindeststandard hinaus wird durch deutsche Gerichte in bestimmten Fällen auch eine sachliche Rechtfertigung des Beschlusses unter Abwägung der Interessen verlangt. Im britischen Recht wird die Minderheit nach Rechtsprechung britischer Gerichte zumindest in personalistisch strukturierten Gesellschaften auch hinsichtlich legitimer Erwartungen geschützt.
4. Teil
Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte § 8 Einführung Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft gehören zu den aktienrechtlichen Regelungen, die durch Europäisches Gesellschaftsrecht (bisher) kaum harmonisiert worden sind.! Insofern ist es nicht überraschend, dass gerade bei wichtigen Mitgliedschaftsrechten trotz einiger Gemeinsamkeiten und Grundtendenzen noch erhebliche Unterschiede in den nationalen Aktienrechten bestehen. 2
I. Ruf nach einer Angleichung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene Gerade in jüngster Zeit mehren sich die Stimmen, die in diesem Bereich des Innenverhältnisses der Aktiengesellschaft eine Angleichung der nationalen Vorschriften durch europäische Regelungen für unabdingbar halten? Der Anleger sollte durch einheitliche Mindestrechte europaweit geschützt werden. Notwendig sei eine Angleichung vor allem deshalb, weil ein Europäischer Binnenmarkt mit einem einheitlichen Kapitalmarkt auf eine Standardisierung und Homogenität der gehandelten Produkte nicht verzichten kann. 4 Aus diesem Grund sollten Aktien im Wesentlichen gleiche Rechtsprodukte sein oder ihre Unterschiede offen ausweisen. 5 Vgl. dazu: 2. Teil § 5. Vgl. dazu: 3. Teil § 7. 3 Lutter, ZGR 2000, 1 (10); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (140); Strenger, DStR 2001, 2225 (2228); Tune, Andre, Corporate Law, in: Buxbaum, Richard M./Hertig, Gerard/Hirsch, Alan/Hopt, Klaus J. (Eds.), European Economic and Business Law - Legal and Economic Analysis on Integration and Harmonization, S. 199 (215); Hommelhoff, ZGR 2001 , 238 (264); ähnlich auch: Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (296). Vgl. dazu auch die Empfehlungen der DSW-Europastudie, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, S. 95 ff.; zusammenfassend: Hocker, FS Bezzenberger, S. 147 (158 ff.). I
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4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Auch eine vom Deutschen Aktieninstitut durchgeführte rechtsvergleichende Studie kommt zu dem Schluss, dass es erhebliche Erschwernisse für die Aktionäre bei der Ausübung ihrer Aktionärsrechte in Europa gibt und sich deshalb eine Vereinfachung von Verfahrensabläufen und die Schaffung von Mindeststandards auf europäischer Ebene empfiehlt. 6 Genauso enthält auch der von der EG-Kommission in Auftrag gegebene Ernst & Young Bericht die Empfehlung, dass für große Publikumsgesellschaften eine Angleichung im Bereich der Rechte und Pflichten der Aktionäre, insbesondere der Stimmrechte und Verhältnis zwischen Stimmrechten und gezeichnetem Kapital und des Schutzes der Minderheitsaktionäre vorgenommen werden sollte. 7 Schließlich stellt auch die EG-Kommission im "Aktionsplan für Finanzdienstleistungen" fest, dass Differenzen in der Gesellschaftsstruktur zu einer unnötigen Verunsicherung bei den Anlegern führen und zu Hindernissen für die Entwicklung eines EU-Finanzmarktes werden können, wobei für ein Beispiel auf die unterschiedlichen Regeln zur Ausübung des Stimmrechts rekurriert wird. 8 Auch der Schlussbericht des Ausschusses der Weisen unter dem Vorsitz von Lamfalussy betont, dass die Unterschiede bei der Unternehmensverfassung der Entwicklung eines integrierten europäischen Finanzmarktes entgegenstehen. 9
4 Lutter, ZGR 2000, 1 (10 f.); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (140); Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (264); PelienslHiliebrandt, AG 2001, 57 (66). Vgl. zur Diskussion über die Notwendigkeit der Homogenität der Anteile für das Funktionieren des Kapitalmarkts: Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 159; Mertens, ZGR 1994, 426 (428 ff.); Behrens, FS Mestmäcker, S. 831 (841); Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, Deutschland, Europa und USA, S. 61 ff. 5 Lutter, ZGR 2000, 1 (10); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (140); Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (264). 6 Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, S. 95; vgl. auch: Hocker, FS Bezzenberger, S. 147 ff. 7 Ernst & Young, The Simplification of the Operating Regulations for Public limited companies in the European Union - Final Report, 1995, S. 49-50, Rn. 179. Vgl. dazu auch: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 710; Wiesner, AG 1996, 390 (392); ders., EuZW 1998, 619 (620); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (296). 8 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, vom 11. 5. 1999, KOM (1999) 232 endg., S. 14: Allerdings sollte sich ein etwaiges Engagement der EU in diesem Bereich zu diesem Zeitpunkt auf die Ennittlung von Hindernissen beschränken, die sich aus den Regelungen zur Unternehmensverfassung für die Entwicklung des EU-Finanzmarkts ergeben. Vgl. dazu: Hertig, Journal of International Economic Law 2000, S. 349 ff.
§ 8 Einführung
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Die Forderung nach einer Angleichung der Aktionärsrechte ist vor allem vor dem Hintergrund des zunehmenden Trends zu internationalen Investments zu sehen. Neuemissionen und Börsenneuzulassungen haben wesentlich zur Erhöhung der Börsenkapitalisierung in Europa beigetragen und private Anleger dehnen ihren Anlagehorizont allmählich auch auf andere europäische Länder aus. IO Und auch die zunehmende Zahl von grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen führt zu einer Veränderung der Aktienlandschaft. Zwar ist der Handel mit Aktien von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten mittlerweile problemlos möglich. Jedoch stellt sich der ausländische Investor auch die Frage, wie seine Interessen im Ausland vertreten werden. Wegen der unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird eine effiziente grenzüberschreitende Ausübung der Aktionärsrechte nicht für möglich gehalten. II Insbesondere die grenzüberschreitende Stimmrechtsausübung (Cross-Border Voting) wird immer wieder problematisiert. 12
11. Fragestellungen in diesem Zusammenhang Allerdings wirft die Rechtsangleichung auf europäischer Ebene gerade angesichts der Schwierigkeiten und des Scheiterns vieler geplanter Vorhaben im Gesellschaftsrecht verschiedene Fragen auf, die sich hauptsächlich darum drehen, ob das Gemeinschaftsrecht tatsächlich die richtige Regelungsebene für Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung ist und welche Regelungsintensität solche Gemeinschaftsregelungen haben müss9 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapierrnärkte v. 15.02.2001, Anhang 5, S. 12,20 f. 10 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapierrnärkte, v. 15.02.2001, Anhang 5, S. 10, wonach die Kapitalisierung der 15 EU-Märkte im Jahre 1999 bei 109% des BIP (85% für die 11 Länder des Euro-Währungsgebiets) lag. Dies ist mit dem Gesamtwert von 181 % des BIP in den USA vergleichbar. Die Anzahl der an den Börsen der 15 Mitgliedstaaten notierten Unternehmen hat sich von 6401 im Jahre 1995 kontinuierlich auf 8111 im Jahre 1999 erhöht (den größten Anteil daran hatten die 11 Länder des Euro-Währungs gebiets mit einer Zunahme von 3475 auf 4416). 11 Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, S. 5 f.; Hocker, FS Bezzenberger, S. 147. Vgl. auch die Nachw. in: Fn. 3 und 4. 12 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Governance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report & Annexes I-V, S. 7; Teichmann, ZGR 2001, 645 (671 ff.); DäublerGmelin, WM 1999, 169; Habersack, ZHR 165 (2001), 172 (193); Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (262); Strenger, DStR 2001, 2225 (2228); vgl. auch: Noack, ZIP 2002, 1215 f. zu den Aktivitäten einer internationalen Expertengruppe zum Problem des Cross-Border Voting.
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4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
ten. 13 Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, welche Gründe es gibt, die für und gegen eine Standardisierung der Beteiligungsrechte auf europäischer Ebene sprechen. Eingegangen werden soll dabei nicht nur auf rechtliche Grenzen, die sich aus den Kompetenznormen oder dem Subsidiaritätsprinzip ergeben, sondern darüber hinaus auch Alternativkonzepte, die in der ökonomischen Literatur diskutiert werden und einer weiteren Harmonisierung in diesem Bereich des Gesellschaftsrechts entgegenstehen können. 14 Besonderes Augenmerk soll dabei auf das Konzept eines Wettbewerbs der Regelgeber gerichtet werden, insbesondere auf die Frage, inwieweit ein solcher Wettbewerb eine gemeinschaftsweite Standardisierung der Aktionärsrechte überflüssig macht oder die Entwicklung effizienterer Regelungen auf mitgliedstaatlicher Ebene ermöglicht. Die Ausgestaltung der Aktionärsrechte beeinflusst auch die Stellung der Gesellschafter innerhalb der Unternehmensverfassung. Aktionärsrechte gehören zu den Regeln, die die innergesellschaftliche Entscheidungsfindung und Entscheidungskontrolle ausgestalten und sind damit auch ein zentraler Baustein in der Diskussion um die interne Corporate Governance. Aufbauend auf die Untersuchung der Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien soll deshalb auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit pfadabhängige Unterschiede in den einzelnen Unternehmensverfassungen einer weiteren Harmonisierung der Mitgliedschaftsrechte auf europäischer Ebene entgegenstehen können. 15 Die Frage nach der richtigen Stelle der Regelsetzung soll schließlich auch unter dem Aspekt diskutiert werden, inwieweit auch Regelgeber auf einer unteren Regelungsebene zu einer effizienten Normsetzung im Bereich der Aktionärsrechte fähig sind. 16 Zu denken ist hier an private Codices oder auch an Vorschriften der Börsengesellschaften oder -zulassungsstellen, die als weitere Regelgeber neben die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten treten.
13 Vgl. zum Hannonisierungskonzept und zur Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts: 1. Teil § 2 IV. 3. 14 Vgl. dazu: § 9 11. 15 Vgl. dazu: § 9 III. 16 Vgl. dazu: § 9 IV.
§ 9 Bestimmung der richtigen Regelungsebene
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§ 9 Bestimmung der richtigen Regelungsebene I. Europarechtliche Harmonisierungsgrenzen Vorgaben für die Aufteilung der gesetzgeberischen Zuständigkeiten enthält schon der EG-Vertrag. Die Rechtsangleichung gehört zu den Hauptinstrumenten zur Durchsetzung der Ziele. 17 Sie soll vorgenommen werden, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist (Art. 3 lit. h EG). Zwar wird schon hierdurch klargestellt, dass die Rechtsangleichung kein Selbstzweck ist, sondern die übergeordneten Ziele fördern soll.18 Jedoch sagen die weitgefassten vertraglichen Zielvorgaben nicht viel über die tatsächlichen rechtlichen Grenzen der Rechtsangleichung aus. Solche Grenzen ergeben sich vielmehr aus den einzelnen Kompetenzvorschriften und Kompetenzausübungsschranken des EG-Vertrages. 1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
Schon aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 lEG) folgt, dass die Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechte eine über die allgemeinen Ziel vorgaben hinausgehende ausdrücklich im Vertrag verankerte Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers voraussetzt. 19 Die Gemeinschaft besitzt also keine Kompetenz-Kompetenz zur Setzung von Gemeinschaftsrecht. Vielmehr scheint es, als sei durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eine strikte Grenzlinie gezogen, die die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zum Regelfall werden lässt. 2o Jedoch ist die kompetenzbeschränkende Wirkung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung durch den Verweis auf die im "Vertrag zugewiesenen Befugnisse" vor allem von der jeweiligen tatbestandlichen Ausgestaltung der Kompetenznormen abhängig. 21 Gerade im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sind diese Vorschriften aber mit funktionalen bzw. finaVgl. dazu: 1. Teil § 2 I. Dreher, JZ 1999, 105; Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (485). 19 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ergibt sich auch aus den Vorschriften der Artt. 3 I, 4 I, 7 I S. 2, 10 und 249 I EG. Nach Art. 5 EUV gilt es auch für den gesamten Bereich der EU. Vgl. dazu ausführlich: Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 7 ff.; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 2; Schön, ZGR 1995,1 (11 f.); Calliess-Wichard, Art. 5 EUV Rn. 3. 20 So: Schön, ZGR 1995, 1 (12); Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 12 spricht von einer Vermutung für die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. 21 Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 8; Reher, S. 27; Dreher, JZ 1999, 105 (108); Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 158. 17 18
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4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
len Kriterien verbunden, so z. B. mit der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit (Art. 44 I EG), mit der Errichtung oder dem Funktionieren des Binnenmarktes (Art. 95 I 2 EG) bzw. mit den Zielen im Rahmen des Gemeinsamen Marktes (Art. 308 EG). Durch die Verknüpfung mit diesen wirtschafts- und integrationspolitischen Zielen wird den Gemeinschaftsorganen ein sehr weiter Spielraum eröffnet, der es ihnen beispielsweise ermöglicht, in Art. 44 11 lit. g EG über den eigentlichen Wortlaut der Vorschrift hinaus das gesamte nationale Gesellschaftsrecht und damit zusammenhängende Bereiche als angleichungsfähige Schutz norm zu verstehen. 22 Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung sind somit problemlos als Schutzbestimmungen im Sinne des Art. 44 11 lit. g EG zu verstehen. Aber auch die Zielrichtung der Artt. 95 und 308 EG steht nicht im vornherein einer Vereinheitlichung in diesem Bereich des Gesellschaftsrechts entgegen. 23 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung führt also nicht zu einer wesentlichen Einschränkung der Gesetzgebungsbefugnisse des Gemeinschaftsgesetzgebers. 24
2. Erforderlichkeitskriterium Allerdings ist in den Kompetenzgrundlagen im Bereich des Gesellschaftsrechts eine wichtige Harmonisierungsgrenze selbst enthalten. Artt. 44 11 lit. g, 308 und auch 95 EG gewähren eine Kompetenz zur Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte nämlich nur, soweit sich eine solche Rechtsangleichungsmaßnahme als "erforderlich" erweist. 25 Jedoch wirkt sich auch hier die Verknüpfung der Ermächtigungsnormen mit den allgemeinen Zielen des EG-Vertrags aus. Dem Gemeinschaftsgesetzgeber wird deshalb auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Rechtsangleichungsmaßnahme zumeist ein erheblicher Ermessensspielraum zugesprochen?6 Zwar ist auch Vgl. zur Auslegung des Art. 44 11 lit. g EG ausführlich: 1. Teil § 2 IV. 2. a). Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 2. b), c). 24 Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (486); Schön, ZHR 160 (1996), 221 (228); ähnlich auch: Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 9. 25 Diese Voraussetzung ergibt sich allgemein für alle Rechtsangleichungsmaßnahmen aus Art. 3 lit. h EG. Auch im Rahmen des Art. 95 soll die Rechtsangleichung nur dann und insoweit erfolgen, soweit dies für das "Funktionieren des Binnenmarktes" erforderlich ist. Zwar enthält Art. 95 EG nicht ausdrücklich das Erforderlichkeitskriterium. Wegen der Verbindung zum Ziel des Binnenmarktes in Art. 14 EG ("die Gemeinschaft trifft die erforderlichen Maßnahmen") und zu Art. 3 lit. h EG ist die Ang1eichung aber auch hier an die Erforderlichkeit der Maßnahme gebunden. Vgl. Schwarze-Herrn/eid, Art. 95 EG Rn. 25; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 159. 26 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (227); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 198; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 22; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 160; Reher, S. 30; Müller-Graff, ZHR 159 22 23
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der Begriff der Erforderlichkeit justiziabel. 27 Allerdings dürfte sich der Prüfungsumfang des EuGH, wie beim Subsidiaritätsprinzip, auf eine Willkürkontrolle beschränken?8 Exemplarisch für den umfangreichen Ermessenspielraum ist das anfängliche Harmonisierungskonzept der Gemeinschaft im Bereich des Europäischen Gesellschaftsrechts, das eine sehr weitgehende Angleichung geseIlschaftsrechtlicher Rahmenbedingungen durch detaillierte Regelungen zum Ziel hatte. 29 Die Erwägungsgründe für den Erlass der Richtlinien beschränkten sich zudem meist auf die Feststellung, dass die Koordinierung der jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften notwendig sei, um beim Schutz der Aktionäre oder Dritter ein Mindestmaß an Gleichwertigkeit sicherzustellen. 3o Dass eine Maßnahme auf Gemeinschaftsebene erforderlich war, wurde aber nicht eigentlich materiell begründet. 31 Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt. Die Notwendigkeit einer Rechtsangleichung ist immer unter Beachtung des übergeordneten Ziels einer fortschreitenden Integration zu beurteilen. Daher unterliegen die Kompetenznormen einer dynamischen Interpretation, die dem jeweiligen Stadium der Verwirklichung des Binnenmarktes bzw. Gemeinsamen Marktes angemessen ist. 32 So verfolgt die Gemeinschaft beispielsweise seit dem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes ein Konzept der Minimurnharmonisierung, das allein auf die Angleichung des unverzichtbaren Mindestbestands abzielt. 33 Diese konzeptionelle Veränderung ging mit einem Wandel in der Grundfreiheitenrechtsprechung des EuGH einher, die wegen der damit verbundenen stärkeren primärrechtlichen Öffnung der Märkte eine umfangreiche Rechtsangleichung weniger dringlich erscheinen ließ. 34 Wirkung zeigte dieses neue Konzept auch im Europäischen Gesellschaftsrecht, wo spätere Richtlinienvorschläge weniger detailliert ausgestaltet waren und auch die Begründung der Erforderlichkeit einer gemeinschaftsweiten Regelung mehr in den Blickpunkt genommen wurde?5 Ausmaß und Intensität der (1995), 34 (72); Schwarze-Herrn/eid, Art. 95 Rn. 26; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (227); Eyles, S. 138; Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 109. 27 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (228). 28 Vgl. dazu: EuGH, 12.11.1996 - Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich), Slg. 1996, 1-5755 (5811, Rn. 58) ("offensichtlicher Irrtum oder Ermessensmissbrauch"); für die Regelung des Art. 5 II, III EG; Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (279). 29 Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 3. a). 30 Vgl. Präambel, Erwägungsgrund 2 und 5 der Kapital-RL, Erwägungsgrund 3 der Verschm-RL und Erwägungsgrund 5 der Spaltungs-RL. 31 Kritisch: Hopt, ZIP 1998, 96 (98). 32 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (228); Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (486); Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 159. 33 Vgl. dazu ausführlich: 1. Teil § 2 IV. 3. 34 Vgl. dazu ausführlich: 1. Teil § 2 III. 1.
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Rechtsangleichung sind also auch vom jeweiligen Integrationsstand abhängig. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, inwieweit die Reichweite der Grundfreiheiten generell als Maßstab für das gesamte Binnenmarktkonzept und damit auch als Grenze für die Rechtsangleichung betrachtet werden kann. 36 Überwiegend anerkannt ist zunächst, dass die Rechtsangleichung in den Bereichen möglich und sogar erforderlich ist, wo mitgliedstaatliehe Vorschriften trotz Eingriff in die Grundfreiheiten aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. 37 Soweit aber bestimmte Regelungen vom Rechtfertigungsgebot ausgenommen sind, also gar nicht in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallen, wird die Erforderlichkeit der Rechtsangleichung teilweise abgelehnt. 38 Diese Ansicht sieht in der Keck-Rechtsprechung des EuGH ein Bekenntnis zu einem unvollkommenen Binnenmarkt, so dass Normen, die als Verkaufs- oder Ausübungsmodalitäten ein geringeres Behinderungspotential aufweisen, einer Rechtsangleichung nicht zugänglich sind. Jedoch haben Rechtsangleichung und Grundfreiheiten unterschiedliche Voraussetzungen und Wirkungen. Die Rechtsangleichung ist ein Instrument, das die Hindernisse, die sich aus den Unterschieden in den einzelstaatlichen Vorschriften ergeben, beseitigen soll, auch wenn diese Vorschriften nicht gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages verstoßen. 39 Insofern können Rechtsangleichungsmaßnahmen auch aus anderen Gesichtpunkten, wie Standardisierung oder Informationsverbes35 Vgl. bspw. Erwägungsgrund 3 des Vorschlags für eine Übernahme-RL. "Nur ein Vorgehen auf Gemeinschaftsebene kann einen angemessenen Schutz der Aktionäre innerhalb der Europäischen Union gewährleisten und sicherstellen, dass gewisse Mindestregeln für die Durchführung eines Übernahmeangebots zur Verfügung stehen. Die Mitgliedstaaten sind vor allem bei grenzüberschreitenden Übernahmen oder dem Erwerb einer die Kontrolle begründenden Beteiligung alleine nicht in der Lage, dasselbe Schutzniveau zu garantieren." 36 Vgl. zu diesem Streit: GroebenIThiesingIEhlermann-Müller-Graf{, Art. 30 Rn. 346 ff., insb. 350 m. w.N.; DeckertlLilienthal, EWS 1999, 121 (127). 37 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Müller-Graf{, Art. 30 Rn. 349; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 20 f. für das Europäische Schuldvertragsrecht. Und selbst in den Fällen, in denen eine Rechtfertigung nicht möglich ist und die nationalen Vorschriften unter das Verbot der Grundfreiheiten fallen, wird die Notwendigkeit einer Hannonisierung nicht generell abgelehnt. Vgl. Deringer, FS Hans Kutscher, S. 95 (107); Bleckmann, GRUR Int. 1986, 172 (182); differenzierend: Schwarze-Herrn/eid, Art. 94 Rn. 17; Bruha, ZaöRV 1986, 1 (22 f.). 38 Vgl. Steindorff, ZHR 158 (1994), 149 (168); Mülbert, WM 2001, 2085 (2093). Vgl. zur Keck-Rechtsprechung und zum Begriff der Verkaufs- bzw. Ausübungsmodalitäten: 1. Teil § 2 III. 1. b) aa). 39 EuGH, 9.12.1981 - Rs. 193/80 (Kommission/Italien), Sig. 1981, 3019 (3033); GroebenIThiesingIEhlermann-Müller-Graf{, Art. 30 Rn. 346. Dies ergibt sich aber auch aus Art. 3 lit. c und h EG, der beide Instrumente alternativ nebeneinander stellt.
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serung, in Betracht kommen. 4o Allerdings führt das geringere Behinderungspotential von Ausübungsmodalitäten dazu, dass in diesem Bereich eine gewisse Vermutung besteht, dass das Erforderlichkeitskriterium nicht erfüllt ist oder zumindest die Begründungslast für die Erforderlichkeit einer Angleichungsmaßnahme steigt. 41 Insgesamt betrachtet, ist der kompetenzbegrenzende Gehalt des Erforderlichkeitskriteriums, zumindest für die Bestimmung der richtigen Regelungsebene, nur sehr schwer zu fassen. 42 Trotz des erheblichen Spielraums, der den Gemeinschaftsorganen dabei zugestanden wird, führt es jedoch zu einem Begründungs- und Rechtfertigungszwang für gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen: Die Gemeinschaftsorgane werden gezwungen, über die Wirkung der jeweiligen Maßnahme genauer nachzudenken; bei evidenten Verstößen wird eine Überprüfung und ggf. Nichtigkeitserklärung erleichtert. 43 Eine größere Rolle spielt das Erforderlichkeitskriterium aber bei der Frage nach der Regelungsintensität und -dichte der gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen. In diesem Zusammenhang schreibt es vor, dass unter mehreren möglichen Maßnahmen die am wenigsten einschneidende Maßnahme zu wählen ist, was vor allem dazu führt, dass vorrangig Informationsregeln und nicht Verbote vorzusehen sind. 3. Subsidiaritätsprinzip als Leitprinzip Zu den Kompetenzausübungsschranken des Europäischen Gemeinschaftsrechts gehört auch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 11 EG). Vor ihm muss grundsätzlich jede gesetzgeberische Maßnahme der Gemeinschaft Bestand haben. Es geht dabei nicht um eine Kompetenzverteilung, sondern um die Frage der Kompetenzausübung im Hinblick auf die durch Einzelermächtigungen bereits festgelegten Kompetenzen. 44 Die Regelung hat somit das Groeben/Thiesing/Ehlermann-Müller-Graff, Art. 30 Rn. 350. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Müller-Graff, Art. 30 Rn. 350; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 97 f.; ähnlich auch: Schwarze-Herrn/eid, Art. 94 EG Rn. 17; anders: Schwartz, ZEuP 1994,559 (583), der durch die Keck-Rechtsprechung sogar einen weiteren Bereich eröffnet sieht. Weil die Verkaufsmodalitäten nun nicht mehr in den Anwendungsbereich des Art. 30 EG fallen, ist hier eine Rechtsangleichung in besonderem Maße erforderlich. 42 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (227); Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 22; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 160 f.; Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenzen, S. 108 f.; ähnlich auch: Deckert, RabelsZ 64 (2000),478 (486); Lenz-Röttinger, Art. 94 Rn. 12. 43 Ähnlich für das Subsidiaritätsprinzip: Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 31; Lenz-Langguth, Art. 5 EG Rn. 38. 44 Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 2; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 161; GroebenlThiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 18; Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 12; GrabitzlHilJ-v. Bogdany/Nettesheim, 40
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Ziel, diese Ausübung zusätzlich zu beschränken. Im Bereich des Gesellschaftsrechts ist allerdings umstritten, inwieweit dieses Prinzip zu einer (weiteren) Begrenzung der Gesetzgebungskompetenzen führen kann. 45 Zum einen ist schon strittig, ob das Subsidiaritätsprinzip im Bereich des Gesellschaftsrechts überhaupt anwendbar ist, denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 5 11 EG greift es bei einer ausschließlichen Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht ein. 46 Welche Bereiche in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen oder wie sie bestimmt werden, schreibt der EG-Vertrag allerdings nicht vor. Die Kommission nimmt für sich in Anspruch, dass sie für alle Maßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes und damit auch die Rechtsangleichung ausschließlich zuständig ist. 47 Dies hätte zur Folge, dass alle wesentlichen Rechtsangleichungsmaßnahmen im Privatrecht, und insbesondere auch im Bereich des Gesellschaftsrechts, von der Subsidiaritätskontrolle des Art. 5 11 EG ausgenommen wären. Insofern ist es überzeugender mit einem Teil der Literatur anzunehmen, dass die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Bereich des Binnenmarktes nicht generell ausgeschlossen werden kann. 48 Zwar ist die Herstellung des Binnenmarktes nur schwer als Aufgabe der Mitgliedstaaten zu begreifen; die Zuordnung der Zuständigkeit im Sinne einer ausschließlichen oder konkurrierenden Kompetenz könne sich Art. 3 b EGV Rn. 19. Eine Konkretisierung erfährt das Subsidiaritätsprinzip durch das mit dem Vertrag von Amsterdam eingefügte Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. 4S Vgl. dazu: Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 22 f.; Schön, ZGR 1995, 1 (37); ders., ZHR 160 (1996), 221 (228 ff.); Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (486); Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (223 f.); Merkt, RabelsZ 61 (1997),647 (672). v. Borries, FS Deringer, S. 22 (34 f.); Müller-Graf!, ZHR 159 (1995), 34 (66 ff.); Ulmer, Hannonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 161 ff.; Reher, S. 30 ff.; Hopt, 1 International and Comparative Corporate Law Journal (1999), 41 (48 f.). 46 Reher, S. 31 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 22; Ulmer, Hannonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 161 ff.; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (228 f.); Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (223); DeckertlLilienthal, EWS 1999, 121 (128 f.). 47 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bericht der Kommission an den Europäischen Rat über die Anpassung der geltenden Rechtsvorschriften an das Subsidiaritätsprinzip, KOM (93) 545 endg.; zustimmend: Behrens, FS Mestmäcker, S. 831 (837); Toth, Eur.Law Rev. 1994, 268 (282); Reich, CMLR 1992, 861 (894 f.). 48 Schön, ZGR 1995, 1 (21); ders., ZHR 160 (1996), 221 (229); Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 24 ff.; ders., EuZW 1995,693 (700); GrabitziHilf-v. BogdanylNettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 29; Reher, S. 32 f. und Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (224); Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 23; Ulmer, Hannonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 165 ff. allerdings differenzierend zwischen Rechtsangleichungs-Richtlinien und Vereinheitlichungsmaßnahmen zur Schaffung von supranationalen Gesellschaftsfonnen.
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jedoch nicht nur nach den allgemeinen Zielen der Rechtsangleichung richten, weil sich letztlich für fast jeden Bereich ein Binnenmarktbezug herstellen lässt. 49 Zudem zeigt die teleologische Auslegung des Subsidiaritätsprinzips, dass es als allgemeines Vertragsprinzip in den EG integriert wurde und die ausschließliche Gemeinschaftskompetenz daher als Ausnahme zu betrachten ist. 50 Trotz Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips im Bereich des Gesellschaftsrechts bleibt jedoch zweifelhaft, ob es neben dem Erforderlichkeitskriterium der Kompetenznormen (Artt. 44 11 lit. g, 95 oder 308 EG) überhaupt eine weitergehende kompetenzbegrenzende Wirkung hat. Nach Art. 5 11 EG ist eine Regelung auf Gemeinschaftsebene nur zulässig, "sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkung besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können." Nach allgemeiner Ansicht werden dadurch zwei kumulative Kriterien aufgestellt. 51 Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass die Gemeinschaft nicht handeln darf, wenn entweder die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten ausreichend erreicht werden können (komparativer Effizienztest) oder wenn sie von der Gemeinschaft nicht besser erreicht werden können (Mehrwerttest).52 Das Vorliegen eines dieser Merkmale führt bereits zur Unzulässigkeit gemeinschaftlichen HandeIns. Jedoch werden die konkreten Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme durch die Gemeinschaftsorgane selbst festgelegt, so dass schon hierdurch die Richtung der Subsidiaritätsprüfung vorgeben wird. 53 Wenn die Gemeinschaftsorgane als Ziel des Regelungsaktes beispielsweise die "Schaffung eines einheitlichen Mindestschutzes für Aktionäre" wählen, so schränkt dies den Prüfungsumfang im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips für beide Kriterien ein. Zum einen ist schwer vorstellbar, wie einheitliche 49 Reher, S. 32 f.; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (229); Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 166; Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 24 ff.; ders., EuZW 1995,693 (695). 50 Reher, S. 33; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 166; Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 24 ff.; ders., EuZW 1995, 693 (695). 51 Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 17; GroebenIThiesingIEhlermann-Zuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 19 ff., 23; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 170; GrabitzlHilJ-v. BogdanylNeuesheim, Art. 3 b EGV Rn. 31; Darauf verweist auch Nr. 5 des Subsidiaritätsprotokolls 1997 52 Schwarze-Lienbacher. Art. 5 EG Rn. 17; GrabitzlHilJ-v. BogdanylNettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 32; Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 35 ff. 53 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (229); ders., ZGR 1995, I (22 f.); Reher, S. 34; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 169; Hopt, 1 International Comparative Corporate Law Journal 1999, 41 (48); GroebenIThiesing/EhlermannZuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 19; Müller-Graf!, ZHR 159 (1995), 34 (68 ff.); kritisch: GrabitzlHilJ-v. BogdanylNettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 33.
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Standards auf Ebene der Mitgliedstaaten bzw. durch Handeln der Mitgliedstaaten erreicht werden können. 54 Aber auch für die zweite Frage, ob die Ziele besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können, scheint, in Anbetracht der Tatsache, dass allein die Maßnahmen der Mitgliedstaaten als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können, die Schaffung einheitlicher Standards schon im vornherein effizienter auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen zu sein. 55 Bei einer derartigen Zielbestimmung kommt dem Subsidiaritätsprinzip also keine kompetenz beschränkende Wirkung zu. Hinzu kommen noch zwei weitere Aspekte. Zum einen wird den Gemeinschaftsorganen auch im Rahmen der Subsidiaritätsprüfung - trotz grundsätzlicher Justiziabiliät - ein weiter Errnessensspielraum zugesprochen. 56 Zum anderen sind einzelne Aspekte der Subsidiaritätsprüfung, wie die Effizienz einer gemeinschaftsrechtlichen Maßnahme, auch im Rahmen der Prüfung der "Erforderlichkeit" in den verschiedenen Kompetenznorrnen zu prüfen. Zumeist wird daher angenommen, dass bei Vorliegen der Voraussetzung der Errnächtigungsnorrnen, insbesondere soweit die Erforderlichkeit der Rechtsangleichungsmaßnahme außer Frage steht, das Subsidiaritätsprinzip eine gemeinschaftsrechtliche Maßnahme im Bereich des Gesellschaftsrechts nicht weitergehend beschränken kann. 57 Jedoch wird ein solches Verständnis der Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips als grundlegendes Leitprinzip für das Handeln der Gemeinschaftsorgane nicht gerecht. Die Einführung des Grundsatzes der Subsidiarität 54 Als Negativbeispiel wird oft auf das gescheiterte Übereinkommen zur Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen vom 25. Februar 1968 verwiesen, wofür Art. 293 EG einen Handlungsauftrag erteilt. Vgl. Schön, ZHR 160 (1996), 221 (230); Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 169 f.; Reher, S. 35 f. 55 Ulmer, Hannonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 171; Schön, ZHR 160 (1996), 221 (230); Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 37; Reher, S. 36. Vgl. auch: EuGH, 12.11.1996 - Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich), Slg. 1996,1-5755 (5808, Rn. 47) "Sobald der Rat also festgestellt hat, dass ... die in diesem Bereich bestehenden Bedingungen ... harmonisiert werden müssen, setzt die Erreichung des Ziels durch das Setzen von Mindestvorschriften unvermeidlich ein gemeinschaftsweites Vorgehen voraus."). 56 Hopt, 1 International Comparative Corporate Law Journal 1999,41 (48); ders., ZIP 1998,96 (99); Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 61,65 ff. Vgl. zur Justiziabilität des Begriffs der Subsidiarität in Art. 5 EG: Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 60 ff. m.w.N.; Schön, ZGR 1995,1 (34 ff.); zweifelnd: Toth, EurLawRev 19 (1994), 268 (270 ff.). Vgl. hierzu wiederum: EuGH, 12.11.1996 - Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich), Slg. 1996,1-5755 (5811, Rn. 58 ("offensichtlicher Irrtum oder Ermessensmissbrauch "). 57 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 23; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 23; Schön, ZGR 1995, 1 (23); ders., ZHR 160 (1996), 221 (230); Reher, S. 37 f.; Ulmer, Hannonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 171; Hopt, ZIP 1998, 96 (99).
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durch den Vertrag über die Europäische Union ist vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Integration und der stetigen Verdichtung der Kompetenzen der Gemeinschaft zu sehen, die auf Seiten der Mitgliedstaaten zu einer zunehmenden Skepsis hinsichtlich des Fortschreitens der europäischen Integration geführt hat. 58 Der Sinngehalt des Subsidiaritätsprinzips liegt also insbesondere darin, das bisher bestehende Kompetenzgefüge der Gemeinschaft im Verhältnis zu ihren Mitgliedstaaten deutlicher zu gestalten. 59 Zudem ist das in Art. 5 11 EG geregelte Subsidiaritätsprinzip eine Ausprägung und Konkretisierung des weiteren Subsidiaritätsprinzips, das in der Präambel, Art. 2 S. 2 und Art. 6 III des EU-Vertrags verankert ist und die EU zur Wahrung der nationalen Vielfalt und Identität verpflichtet. 60 In einer immer enger werdenden Union der Völker Europas sollen Entscheidungen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip möglichst bürgernah und unter Beachtung der Geschichte, Kultur und Traditionen der verschiedenen Mitgliedstaaten getroffen werden. 61 Der Grundsatz der Achtung der nationalen Identität wird daher auch als Vorbeugung gegen eine schleichende Kompetenzerweiterung verstanden. 62 Insofern muss sich auch die Anwendung und Auslegung des Art. 5 11 EG an diesem weiteren Verständnis des Subsidiaritätsprinzips orientieren. 63 An Bedeutung verliert Art. 5 11 EG vor allem deshalb, weil die Bestimmung der Ziele der jeweiligen Maßnahme ausschließlich in die Hände der Gemeinschaftsorgane gelegt wird. Gerade dadurch kann ein mitgliedstaatliches Handeln erschwert oder sogar ganz ausgeschlossen werden. 64 Die Regelung des Art. 5 11 EG sollte daher dahingehend ausgelegt werden, dass schon die Zielauswahl mit dem Gedanken der Subsidiarität vereinbar sein muss. 65 Nach Sinn und Zweck des Subsidiaritätsprinzips würde daher die 58 Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 3; GrabitzlHilj-v. Bogdany/Nettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 19; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 19l. 59 Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 1; GrabitzlHilj-v. Bogdany/Nettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 1, 3. 60 Vgl. den 11. Erwägungsgrund der Präambel des EU-Vertrages. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 1; Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 172; Dreher, JZ 1999, 105 (108); Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (487 0; Schwarze-Stumpf, Art. 2 EUV Rn. 22, Art. 6 EUV Rn. 42 ff. 61 Vgl. 4. und 11. Erwägungsgrund des EU-Vertrages. 62 Dreher, JZ 1999, 105 (108). 63 Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 173; ähnlich auch: Steindorff, ZHR 163 (1999), 395 (398 fO; v. Borries, EuR 1994, 263 (273); GrabitzlHilj-v. Bogdany/Nettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 31, 33.; Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 3 spricht vom "Subsidiaritätsprinzip im engeren Sinn". Vgl. dazu auch: Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (487 0. 64 GrabitzlHilj-v. Bogdany/Nettesheim, Art. 3 b EGV Rn. 33.
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"gemeinschaftseinheitliche Geltung" als primäres Regelungsziel einer Gemeinschaftsregelung unzulässig sein, da in diesem Fall eine mitgliedstaatliche Handlungsalternative schon im vornherein ausscheidet. 66 Dem folgend dürfte erstens die Zielsetzung der jeweiligen Gemeinschaftsmaßnahme nicht allein auf die Schaffung einheitlicher Standards abzielen, sondern, einen Schritt zurück, auf die Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Aktionäre in einem funktionierenden Binnenmarkt gerichtet sein. In diesem Fall besteht bei der Prüfung der ersten Voraussetzung, nämlich der Prüfung, ob die Mitgliedstaaten in der Lage sind, einen solchen Schutz zu gewährleisten, ein größer Beurteilungsspielraum. Dann kann auch danach gefragt werden, ob unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten einen ausreichenden Schutz der Aktionäre tatsächlich verhindern. Auch auf der zweiten Ebene, der Prüfung der Effizienz der Gemeinschaftsmaßnahme, ermöglicht eine derartige Formulierung des Harmonisierungsziels beispielsweise die Frage, ob nicht der Wettbewerb zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtordnungen zu einem effizienteren Angleichungsergebnis bzw. Schutzniveau führt. 67 Zudem erlaubt sie die Untersuchung, inwieweit pfadabhängigen Unterschiede in den einzelnen Rechtsordnungen eine Angleichung von Aktionärsschutznormen auf Gemeinschaftsebene weniger sinnvoll erscheinen lassen und eine europäische Regelung dementsprechend zur Erreichung des Ziels weniger geeignet ist, als eine nationale Regelung. 68 Zweitens ergibt eine solche an der Bedeutung des Subsidiaritätsprinzip orientierte Auslegung des Art. 5 11 EG, dass die Gemeinschaft nicht grenzenlos in die rechtskulturellen Eigenheiten der Mitgliedstaaten eingreifen kann. 69 Gerade im Bereich des wesensgebenden Kerns des nationalen Rechts kann das Subsidiaritätsprinzip deshalb nicht wirkungslos bleiben. 7o Drittens kann auch die Gleichsetzung mit dem Erforderlichkeitskriterium nicht gänzlich überzeugen. Zwar umfasst auch das Subsidiaritätsprinzip die Prüfung der Erforderlichkeit einer Gemeinschaftsregelung und hat durch seine Einbettung in die Kompetenznormen auch einen engeren Bezug zum jeweiligen Sachbereich. Jedoch ist im Rahmen des Art. 5 EG eine viel konkretere Erforderlichkeitsprüfung vorzunehmen. So sind für die Frage des Ob einer Regelung schon zwei kumulative Voraussetzungen zu prüfen. 71 Im 65 Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 175; GrabitziHilf-v. Bogdany/Nettesheim. Art. 3 b EGV Rn. 33; v. Borries. EuR 1994, 263 (273). 66 GrabitziHilf-v. Bogdany/Nettesheim. Art. 3 b EGV Rn. 33. 67 Vgl. dazu: § 9 11. 68 Vgl. dazu: § 9 III. 69 Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 175 ff. 70 Ulmer, Harmonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 177.
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Übrigen sollte das Subsidiaritätsprinzip das bisher bestehende Kompetenzverhältnis genauer ausgestalten. Dazu gehört auch das Erforderlichkeitskriterium, das schon seit Beginn des Vertrages in den Kompetenznormen der Artt. 44 11 lit. g und 308 EG zu finden ist. 72 Unter Berücksichtigung dieser Aspekte, insbesondere bei der Zielauswahl der Gemeinschaftsmaßnahmen, ist dem Subsidiaritätsprinzip eine kompetenzbegrenzende Wirkung nicht abzusprechen. Letztlich hängt seine Effektivität aber entscheidend von der Umsetzung der Vorgaben in die alltägliche Praxis ab. 73 Hier haben die Gemeinschaftsorgane schon früh einen Rahmen geschaffen, der für eine starke Integration des Subsidiaritätsgedankens in das Rechtssetzungsverfahren der Gemeinschaft sorgt. 74 Besondere Bedeutung hat dabei vor allem die Begründung der Maßnahme, die über die Erwägungsgründe hinaus auch die Darlegung und Begründung der Subsidiaritätsprüfung enthalten muss (Subsidiaritätsbogen).75 An diese Begründungspflicht (Art. 253 EG) werden gerade wegen des Ermessensspielraums, der den Gemeinschaftsorganen zugestanden wird, hohe Anforderungen gestellt, da nur sie eine gerichtliche Überprüfung der jeweiligen Maßnahme möglich macht. 76 Die interne Selbstkontrolle fördert und ermöglicht also zugleich die Kontrolle durch Dritte und insbesondere durch den EuGH. Aber auch im Vorfeld des Rechtssetzungsverfahrens spiegelt sich der Einfluss des Subsidiaritätsprinzips wieder. So bezieht die Kommission als Initiativorgan immer mehr auch Wirtschaft und Lehre in die Untersuchung über die Notwendigkeit und Möglichkeit gemeinschaftsrechtlicher Regelungen ein. 77 Dies ermöglicht eine breitere und inhaltlich intensivere Diskus71 Hinzu kommt, dass Art. 5 III EG in Bezug auf die Regelungsintensität, d.h. das Wie der Regelung eine gesonderte Regelung enthält. Anders: Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 53, der im Erforderlichkeitskriterium die speziellere Regelung erblickt, da sie sowohl die Frage des Ob als auch des Wie in sich vereint. 72 Das gleiche gilt für die Regelung des Art. 3 lit. h EG. 73 Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 58. 74 Vgl. Nr. 9 bis 12 des Subsidiaritätsprotokolls 1997. Vgl. für Nachweise der früheren Konzepte und Vereinbarungen: Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 58. 75 Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 59. 76 EuGH, 1.7.1986 - Rs. 185/85 (Usinor), Slg. 1986, 2079 (2099, Rn. 22); EuGH, 13.5.1997 - Rs. C-233/94 (Deutschland/Europäisches Parlament), Slg. 1997, 1-2405 (2452, Rn. 26); Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 65, Art. 253 EG Rn. 17,23. 77 Beispielhaft gerade für das Gesellschaftsrecht sind der "Emst&Young-Bericht" oder die von der Kommission eingerichteten verschiedenen Expertengruppen. Vgl. dazu: l. Teil § 2 IV. 3. d). Im Gesellschaftsrecht führte die von der Kommission eingesetzte High Level Group of Experts on Corporate Law (HLG) von April bis Juni 2002 ein sehr umfangreiches Konsultationsverfahren zur zukünftigen Entwicklung des Gesellschaftsrechts durch. Vgl. dazu auch die Stellungsnahme namhafter Vertreter der deutschen Lehre in: ZIP 2002, 1310 ff. und den Fragenkatalog der Expertenkommission, abrufbar unter: http://europa.eu.inticomm/intemaLmarket/ 14 Pannier
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si on unter Einbeziehung vielfältiger Ideen. Insbesondere ermöglicht die Beteiligung von Vertretern aus den verschiedensten Mitgliedstaaten die Berücksichtigung der rechtskulturellen Eigenheiten und Unterschiede, die einer europäischen Einheitslösung entgegenstehen. 4. Zusammenfassung Trotz der Probleme bei der Anwendung der rechtlichen Harmonisierungsschranken kann ihnen eine kompetenzbegrenzende Wirkung nicht gänzlich abgesprochen werden. Zwar steht das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung einer Regelung der Aktionärsrechte auf Gemeinschaftsebene nicht entgegen. Die Diskussion um die Begriffe der Erforderlichkeit und der Subsidiarität zeigen jedoch, dass es keine Rechtsangleichung um ihrer selbst Willen geben kann. 78 Vielmehr haben die Gemeinschaftsorgane trotz ihres Ermessensspielraums genau zu prüfen, welche Gründe für und gegen eine Harmonisierung in diesem Bereich des Aktienrechts sprechen und dies in der Begründung der Rechtsakte entsprechend darzulegen. 79 Soweit davon ausgegangen wird, dass die Gemeinschaftsorgane bei der Bestimmung der Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme nicht gänzlich frei sind, kann das Subsidiaritätsprinzip zu einer interessengerechten Kompetenzverteilung zwischen gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Regelungsebene führen, bei der sowohl rechtliche als auch wirtschaftspolitische und ökonomische Gründe Berücksichtigung finden können.
11. Wettbewerb der Regelgeber 1. Einleitung
Die Diskussion um die Bestimmung der richtigen Regelungsebene und Regelungsintensität wird gerade im Europäischen Gesellschaftsrecht in letzter Zeit immer mehr vom Gedanken des Wettbewerbs der Regelgeber beherrscht. 80 Dieses Konzept ökonomischer Effizienzüberlegungen steht nicht company/company/modern/consult. Es gehört außerdem zu den Empfehlungen Empfehlung des im Februar 2001 veröffentlichten Lamfalussy-Berichts, dass alle beteiligten Kreise vor dem Erlaß neuer Rechtsvorschriften im Wertpapierbereich frühzeitig, umfassend und systematisch konsultiert werden sollten. V gl. den Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Wertpapiermärkte vom 15.2.2001, S. 8 ff. 78 Lutter, ZGR 1992,435 (447). 79 Calliess-Callies, Art. 5 EG Rn. 65; Schwarze-Lienbacher, Art. 5 EG Rn. 31; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3 b EGV Rn. 27. 80 Vgl. zur Terminologie: Apo/te, Die ökonomische Konstitution eines föderalen Systems - dezentrale Wirtschaftspolitik zwischen Kooperation und institutionellem
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losgelöst von den gerade beschriebenen rechtlichen Harmonisierungsschranken. Vielmehr ist mit ihm, wie auch mit dem Subsidiaritätsprinzip, die Frage verbunden, ob eine Normsetzung auf zentraler Ebene tatsächlich notwendig ist. Rechtsvielfalt wird dabei nicht notwendigerweise als Hindernis betrachtet, sondern eher als Möglichkeit, durch einen Wettbewerb der Lösungsideen auf dezentraler Ebene zu effizienteren Ergebnissen zu kommen. In diesem Fall würden die Voraussetzungen, die das Subsidiaritätsprinzip für ein gesetzgeberisches Handeln der Gemeinschaft aufstellt, nicht erfüllt sein. Ein Handeln auf mitgliedstaatlicher Ebene wäre nicht nur ausreichend, sondern auch "besser" als eine Gemeinschaftsmaßnahme. Gerade weil die Harmonisierung der verschiedenen Bereiche des Innenverhältnisses der Gesellschaft von Anfang an auf Widerstand der Mitgliedstaaten gestoßen ist, könnte eine nähere Untersuchung auch für die Frage, ob eine Angleichung der Aktionärsrechte tatsächlich notwendig ist, aufschlussreich sein. Zunächst soll die der Idee des Systemwettbewerbs zugrundeliegende ökonomische Theorie dargestellt und daraus Leitgesichtspunkte für die Zuordnung von Regelungskompetenzen und das richtige Maß einer Harmonisierung abgeleitet werden. 81 Ein Grund für die Diskussion im Europäischen Gesellschaftsrecht ist, dass die Idee eines Wettbewerbs der Regelgeber im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht eine prominente Stellung einnimmt. Dort steht die Debatte um die Vor- und Nachteile eines solchen Wettbewerbs schon lange im Zentrum der gesellschaftsrechtlichen Diskussion. 82 Für das Europäische Gesellschaftsrecht stellen sich vor allem zwei Fragen, die eng mit einander zusammenhängen. 83 Zum einen, ob sich ein Wettbewerb der Regelgeber auch zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entwickeln kann und zum anderen, ob ein solcher Wettbewerb überhaupt wünschenswert ist, d.h., ob er tatsächlich zu effizienteren Ergebnissen führen kann. Hierbei soll segmentspezifisch zwischen der Mobilität der Anteile am Unternehmen und der Mobilität des Unternehmens selbst unterschieden werden. Da für die Frage der Harmonisierung der Aktionärsrechte gerade der Wettbewerb im Markt der Gesellschaftsanteile von besonderer Bedeutung ist, soll dieser besonders in den Blickpunkt genommen werden. 84 Wettbewerb, 1999; Vanberg/Kerber, 5 Constitutional Political Economy (1993), 193 ff.; Müller, Systemwettbewerb, Harmonisierung und Wettbewerbsverzerrung, S. 199 ff.; Buxbaum, FS Sandrock, 149 (160). 81 Vgl. dazu: § 9 H. 2. 82 Vgl. dazu: § 9 11. 3. 83 Vgl. dazu: § 9 H. 4. 84 Vgl. dazu: § 9 H. 5. 14*
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2. Ökonomische Theorie a) Wettbewerb als Disziplinierungsinstrument Marktversagen und Staatsversagen
Ein Ausgangspunkt für die Idee eines Wettbewerbs der Regelgeber ist der Zusammenhang zwischen Marktversagen und Staatsversagen. Allgemein wird davon ausgegangen, dass es Aufgabe des Staates ist, Marktversagen entgegenzutreten. 85 Die dabei geführte Diskussion zeigt jedoch auch, dass nicht nur Märkte versagen können, sondern auch Staaten, wenn sie bei der Regulierung des Marktversagens ineffiziente Lösungen wählen. 86 Für den Staat kann es wegen fehlender Anreizmechanismen bzw. den im Zusammenhang mit der Regulierungstätigkeit bestehenden vielfältigen anderen Zielen schwierig sein, nach gesamtwirtschaftlicher Effizienz und sinnvollen Regulierungsmustern zu streben. 87 Diese Form des Staatsversagens wird auch als ein wesentlicher Grund für die Notwendigkeit eines Wettbewerbs der Regelgeber angesehen. 88 In Anlehnung an die Ideen von Tiebout soll der Regulierungswettbewerb und die damit verbundene Exit-Option für die mobilen Faktoren die staatlichen Akteure zwingen, die Präferenzen der Besitzer von mobilen Faktoren zu beachten, indem sie für mangelnde oder falsche Regulierungstätigkeit durch Abwanderung bestraft werden. 89 Gesetzgeber werden also als Produzenten, gen au er als Produzenten rechtlicher 85 Grundlegend: Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, insb. S. 241 ff.; vgl. dazu auch: Peters, S. 195 ff.; Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (82); Vanbergl Kerber, 5 Constitutional Political Economy (1993), 193 (212 ff.); SiebertlKoop, Aussenwirtschaft 1990,439 (455 f.); Grundmann, ZHR 163 (1999), 635 (648 ff.). Vgl. zum Zusammenhang von Marktversagen und Staatsversagen auch: Mestmäcker, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 53 (55). Zu den verschiedenen Fonnen des Marktversagens: FritschlWeinlEwers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 73 ff. 86 Apolte, S. 97 f.; Grundmann, RabelsZ 64 (2000), 458 (470); Zu diesen sog. Public-Choice Problemen grundlegend: Buchanan, The Limits of Liberty - Between Anarchy and Leviathan, 1975; ders., Liberty, Market and State (1985); ders., The Domain of Constitutional Economics, Constitutional Political Economy 1990, I ff.; vgl. dazu auch: BuxbaumlHopt, Legal Hannonization and the Business Enterprise, S. 8 ff. 87 Apolte, S. 97 f.; Grundmann, RabelsZ 64 (2000), 458 (470). 88 Apolte, S. 98 (Regulierungswettbewerb als Disziplinierungsinstrument, nicht nur als Entdeckungsverfahren); Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. I (14); ders., RabelsZ 64 (2000), 458 (470). 89 Tiebout, A Pure Theory of Local Expenditures, 64 Journal of Political Economy (1956), 416 ff.; vgl. auch: Apolte, S. 98; EstylGeradin, Journal of International Economic Law (2000), 235 (238 0; GatsioslHolmes, in: Newman, P. (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271; Sinn, S. 2.
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Regelungen und Strukturen, verstanden. Wie Produzenten anderer Güter sollten auch sie durch Marktkräfte diszipliniert werden. 9o b) Wettbewerb als Entdeckungsveifahren
Als weiterer Ausgangspunkt für die Idee eines Wettbewerbs der Regelgeber dienen die Erkenntnisse der evolutorischen Marktprozeß- und Wettbewerbstheorie. Diese sieht in der innovativen Suche nach neuen, besseren Problemlösungen die zentrale Strategie für erfolgreiches Handeln in einer sich schnell verändernden Welt und betrachtet insofern den Wettbewerb als zentrales Mittel für die Schaffung und Verbreitung neuen Wissens (Innovationen).91 Letztlich geht es darum, dass für viele Probleme noch keine endgültigen Lösungen gefunden bzw. für neue, bisher unbekannte Probleme noch keine Lösungen entwickelt wurden. Das Problem mangelnden Wissens ist damit ein Faktor, der zu Staatsversagen bei der Regulierung von Problemen führen kann und daher ein zusätzliche Argument für einen Wettbewerb der Regelungsideen. Wenn rechtliche Regeln als Lösungen für auftretende Probleme angesehen werden, kann aufgrund des Hayekschen Problems mangelnden Wissens nicht davon ausgegangen werden, dass die bestehenden Regeln die jeweiligen Probleme bereits optimal lösen, sondern im Prinzip nur verbesserungswürdige Problemlösungsversuche darstellen. 92 Auch in einer sich rapide verändernden Welt müssen neue rechtliche Regelungen entstehen und sich ausbreiten können. Bei Gesetzgebung auf zentraler Ebene besteht das Problem, dass der Anbieter der Regeln aufgrund seiner MonopolsteIlung keinem Wettbewerb ausgesetzt ist und es somit für Recht, insbesondere für zwingendes Recht, keinen experimentellen Marktprozeß mit den Möglichkeiten des dezentralen Ausprobierens und wechselseitigen Lernens gibt. 93 Dagegen kann in einem dezentralen System mit mehreren unterschiedlichen Rechtsordnungen Innovation dadurch gefördert 90 EstylGeradin, Journal of International Economic Law (2000), 235 (238 0; GatsioslHolmes, in: Newman, P. (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271; HauserlHösli, 46 Aussenwirtschaft (1991), 497 (501 0. 91 Grundlegend: Schumpeter, The Theory of Economic Development, 1934; v. Hayek, Competition as a Discovery Procedure, in: v. Hayek, F.A. (Ed.), New Studies in Philosophy, Politics, Economics and the History of Ideas, Chicago, 179 ff.; Sinn, S. 10; vgl. dazu auch: Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (68); Apolte, S. 97 ff.; Vanberg/Kerber, 5 Constitutional Political Economy (1994), 193 (198); SiebertlKoop, Oxford Review of Economic Policy (1993), 15 (17). 92 Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (71); HeinelKerber, 13 European Journal of Law and Economics (2002), 47 ff.; VanberglKerber, 5 Constitutional Political Economy (1993), 193 (201 fO; SiebertlKoop, Oxford Review of Economic Policy (1993),15 (17).
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werden, dass aufgrund des direkten Wettbewerbs zwischen den Staaten rechtliche Regeln als kollektive Problemlösungsversuche generiert und ausprobiert werden. 94 Die Unterschiede in den Untemehmensrechten der einzelnen Mitgliedsstaaten sind demnach auch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, ob die Fähigkeit von Rechtsordnungen gefördert wird, Problemlösungen innovativ weiterzuentwickeln und sich neuen Entwicklungen flexibel anzupassen. c) Vor- und Nachteile
Die sich aus den oben dargestellten Ansätzen ergebenden möglichen Vorteile eines Wettbewerbs der Regelgeber und der damit verbundenen Dezentralisierung der Regelungskompetenzen werden vor allem darin gesehen, dass aufgrund der größeren Diversität und Innovationsmöglichkeit in den einzelnen Systemen ein besserer Zuschnitt auf die jeweiligen Probleme und Präferenzen in den lokalen Systemen möglich ist. 95 Zugleich führt der Wettbewerb auch zu einer Vereinfachung der Gesetzgebungsprozedur. Zum einen ist eine Einigung auf zentraler Ebene oft schwieriger herzustellen und wird oftmals nur eine Durchschnittslösung darstellen. 96 Zum anderen wird die Gefahr eines Fehlers bei der Regulierung wegen der Disziplinierungsfunktion des Wettbewerb vermindert. 97 Auf der andere Seite werden aber auch Nachteile eines Regulierungswettbewerbs konstatiert. Dies sind insbesondere Probleme im Bereich des Marktversagens, d.h. des Versagens eines regulativen Wettbewerbs. 98 Dies 93 Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (72). 94 Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (78); SiebertlKoop, Außenwirtschaft 45 (1990), 439 ff. 95 GatsioslHolmes, Regulatory Competition, in: Newman, (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (273); Woolcock, in: Bratton/McCahery/ Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, Oxford (Clarendon Press) 1996, pp. 289 (298 f.). 96 Woolcock, in: Bratton/McCahery/Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, Oxford (Clarendon Press) 1996, S. 289 (299); Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (85). 97 Woolcock, in: Bratton/McCahery/Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, Oxford (Clarendon Press) 1996, 289 (299). 98 EstylGeradin, Journal of International Economic Law (2000), 235 (240 f.); GatsioslHolmes, Regulatory Competition, in: Newman, (Ed.), The New Palgrave of
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betrifft beispielsweise Transaktionskosten und Unsicherheiten, die wegen der vielen unterschiedlichen Regelungen entstehen. 99 Insbesondere Informationskosten und Informationsprobleme, die mit der Vielfalt der Regelungen zusammenhängen, können hier eine Rolle spielen, denn es gehört zu einem effizient funktionierenden Markt, dass die Nachfrager ausreichend Informationen über die verschiedenen "Produkte" haben. IOO Zudem wird in diesem Kontext auch die Gefahr einer Verschlechterung des Schutzniveaus ("race to the bottom") diskutiert. 101 d) Voraussetzungen für einen Wettbewerb der Rege/geber
Der Nutzen des Regulierungswettbewerbs ist aber sehr stark davon abhängig, in welchem Ausmaß er sich entwickeln kann. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Eine entscheidende Rolle spielt hier die Mobilität. Je ausgeprägter die Mobilität der Faktoren, wie Kapital und Unternehmen, um so stärker ist das Ausmaß der Innovations- und Disziplinierungsfunktion eines Wettbewerbs der Regelgeber mit seinen Anreizen und Sanktionen für einen besseren oder schlechteren Regelungsrahmen. 102 Der Grund ist vor allem darin zu sehen, dass Faktormobilität eine wesentliche Bedingung für die freie Wahl zwischen den unterschiedlichen Regelungsangeboten ist. Für einen effektiven Regulierungswettbewerb ist es damit von besonderer Bedeutung, dass die Marktteilnehmer den Regelungsrahmen wählen können, der ihren Präferenzen am meisten entspricht. Economics and the Law, S. 271 (273); Woolcock, in: Bratton/McCahery/Picciotol Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the Uni ted States, Oxford (Clarendon Press) 1996, pp. 289 (300). 99 Esty/Geradin, Journal of International Economic Law (2000), 235 (240 f.); Woolcock, in: Bratton/McCahery/Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, Oxford (Clarendon Press) 1996, 289 (300); Siebert/Koop, 45 Aussenwirtschaft (1990), 439 (445). 100 Esty/Geradin, Journal of International Economic Law (2000), 235 (241); Hauser/Hösti, 46 Aussenwirtschaft (1991), 497 (509). 101 Vgl. dazu ausführlich: § 9 11. 3. 102 Siebert/Koop, 45 Aussenwirtschaft (1990), 439 (444); Woolcock, in: Brattonl McCahery/Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, 289 (302); Esty/Geradin, Journal of International Economic Law (2000), 235 (242); Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (80); Dreher, JZ 1999, 105 (109).
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Mobilität und Wahlfreiheit als Voraussetzung für einen Wettbewerb, das betrifft insbesondere die Seite der Nachfrage. Im Gesellschaftsrecht sind dies zum einen die Gesellschaften und zum anderen die Anleger. Für die Gesellschaft kann man dabei zwei verschiedene Stufen unterscheiden. lo3 Auf der ersten Stufe ist die Wahlfreiheit der Gesellschaft an weitere Voraussetzungen geknüpft, wie die Verlegung des Verwaltungssitzes. Auf der zweiten Stufe kann die Gesellschaft das Recht durch bloße Registrierung (Inkorporation) wählen. Der Anleger hat im allgemeinen die Freiheit zwischen den verschiedenen Produkten, d. h. Gesellschaftsanteilen, zu wählen, deren Ausgestaltung sich allerdings nach den jeweiligen Gesellschaftsrechten richtet. Die Wahlfreiheit ist also in diesem Fall nur mittelbar, da er zwar den bevorzugten Anteil an einer Gesellschaft mit einer bestimmten rechtlichen Ausgestaltung wählen, nicht jedoch den Anteil und das bevorzugte Gesellschaftsrecht frei kombinieren kann. 104 Auf der Seite des Angebots ist die Frage nach den Voraussetzungen zum einen mit der Problematik der Anreize verbunden. Auch für den Anbieter der rechtlichen Regelungen muss ein Anreiz für eine Weiterentwicklung und Verbesserung der rechtlichen Regeln vorhanden sein. 105 Dabei können vielfältige Anreize eine Rolle spielen, wie Steuereinnahmen oder generell die Attraktivität des Standortes für die Finanzierung und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Allerdings spielen hier nicht nur die staatlichen und mit staatlicher Autorität ausgestatteten Regelgeber eine Rolle, sondern auch die privaten, die sowohl internationale, als auch nationale Regeln entwickeln. Beispielhaft seien hier die "International Accounting Standard Commission" oder die nationalen Kommissionen zur Corporate Governance erwähnt. 106 Ein weiterer Punkt, der im Rahmen der Voraussetzungen eines Wettbewerbs der Regelgeber erwähnt werden muss, ist die Wirkung einer zentralen Regelgebung. Grundsätzlich scheint eine zentrale Regelung die Diversität und damit die Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Regeln zu nehmen. Allerdings sind auch Fälle denkbar, die den Wettbewerb anregen können. Das betrifft insbesondere die Transferinstrumente, die die Wahlmöglichkeit und Mobilität erst schaffen. 107
103 Vgl. dazu: Grundmann, ZGR 2001, 783 (794); Gatsios/Holmes, in: Newman, (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (274); Kerber, Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, 67 (75-81) mit einer Unterscheidung von vier Stufen. 104 Grundmann, ZGR 2001, 783 (795). Vgl. dazu: § 9 11. 5. 105 Reher, S. 139; Grundmann, ZGR 2001, 783 (795). 106 Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1; Schneider/Strenger, AG 2000, 106; Sünner, AG 2000, 492. Vgl. dazu ausführlich: § 9 IV.
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e) Leitgesichtspunkte für die Zuordnung der Regelungskompetenzen
Zusammenfassend kann man aus der ökonomischen Diskussion folgende Schlussfolgerung ziehen: Die Zuordnung zur dezentralen Regelungsebene ist um so eher zu bevorzugen, je mehr die Präferenzen der einzelnen Nachfrager divergieren und der Wettbewerb für eine weitere Entwicklung, also als Entdeckungsverfahren, notwendig erscheint und je mehr Kontrolle über die Gesetzgeber wegen der Immunität gegenüber den verschiedenen Präferenzen angezeigt iSt. 108 Umgekehrt ist eine zentrale Regelung notwendig, je mehr externe Effekte und Transaktionskosten durch die Diversität auftreten oder die Mobilität wegen fehlender Instrumente eingeschränkt ist.
3. Entwicklung im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht Das Konzept eines Wettbewerbs der Regelgeber geht vor allem auf die Entwicklung im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht zurück. 109 Ausschlaggebend ist dabei zum einen, dass die Regelungskompetenzen zwischen Bund und Einzelstaaten aufgeteilt sind. Für einige Bereiche, wie das Kapitalmarktrecht, gilt Bundesrecht, während für die verbleibenden Bereiche, die vor allem die inneren Angelegenheiten der Gesellschaft betreffen, eines der 50 einzelstaatlichen Gesellschaftsrechte anwendbar ist. IIO Zum anderen sorgen die US-amerikanischen Gesellschaftskollisionsrechte und die höchstrichterliche Rechtsprechung dafür, dass hier die Voraussetzungen für einen Wettbewerb der Gesetzgeber entstehen konnten, in dem die Einzelstaaten die Rolle der Anbieter in einem Wettbewerb um die Inkorporation von Gesellschaften einnehmen können. III In den US-amerikanischen \07 Grundmann, ZGR 2001, 783 (797); Wouters, 37 CMLR (2000), 257 (292); Schön, ZHR 160 (1996), 221 (244 f.). 108 Grundmann, ZGR 2001, 783 (807); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (15). 109 Vgl. dazu: Bebchuk, 105 Harvard Law Review (1992), 1435 (1444-1448); Alva, 15 Delaware Journal of Corporate Law (1990), 885 ff.; BuxbaumlHopt, Legal Harmonization and the Business Enterprise - Corporate and Capital Market Law Harmonization Policy in Europe and the U.S.A., 1988, pp. 25 seq.; Romano, The Genius of American Corporate Law, 1993, pp. 14 seq.; Butler, 14 Journal of Legal Studies (1985), 129 ff.; Conard, 71 Michigan Law Review (1973), 623 ff. 110 Für die Abgrenzung von Bundesrecht und Einzelstaatenrecht hat die sog. "commerce clause" eine herausragende Bedeutung. Vgl. dazu: Reher, S. 69 ff.; Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (213 f.); de Kluiver, 1 Maastricht Journal (1994), 139 (140 f.) \ \ \ Besondere Bedeutung kommt hierbei der sog. "internal affairs doctrine" zu. Vgl. Camey, in: Wouters/Schneider (Ed.), Current issues of cross-border establishment of companies in the European Union, 1995, 249 (255 ff.); DeMott, 48 Law
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Gesellschaftsrechten gilt im Grundsatz die Gründungstheorie, so dass die Gesellschaften eine unmittelbare Wahlfreiheit sowohl bei der Gesellschaftsgründung als auch bei einer späteren Sitzverlegung haben. 112 Ein weiterer Punkt, der im Zusammenhang mit der Entstehung eines Gesetzgebungswettbewerbs im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht betont wird, ist, dass die amerikanischen Einzelstaaten von der jeweiligen Inkorporation durch Gebühren- bzw. Steuereinnahmen profitieren. l13 Dementsprechend besteht der Anreiz für den Gesetzgeber, das Gesellschaftsrecht so auszugestalten, das sich möglichst viele Gesellschaften im jeweiligen Staat inkorporieren. Insbesondere dem kleinen Staat Delaware ist es gelungen, einen Großteil der Gesellschaften anzuziehen. 114 Hier macht der Anteil der Registrierungsgebühren (incorporation fee) und der periodisch erhobenen Konzessionssteuer (franchise tax) fast ein Viertel des Abgabenaufkommens aus. 115 Der Wert dieses Wettbewerbs ist allerdings sehr umstritten. Am Anfang stand vor allem Kritik. Der sogenannte "Delaware-Effekt" wurde abgelehnt, von einem "race to the bottom" war die Rede, da der Wettbewerb der Regelgeber dazu führe, dass sich das Gesellschaftsrecht mit dem geringsten Regelungsumfang und Schutzniveau durchsetzt. 116 Die Interessen der Untemehmensleitung würden einseitig zu Lasten der Anleger gefördert, da sie die Entscheidung über den Sitzwechsel treffen. Als Hintergrund für diese Kritik ist neben dem deregulierenden Charakter dieses Wettbewerbs noch ein weiterer Aspekt zu erwähnen. Die Entwicklung eines zwingenden Kapitalmarktrechts auf Bundesebene und die Möglichkeit, die Aktionäre auf diese Weise zu schützen, wurde geradezu als Ermächtigung zu einer weiteand Contemporary Problems (1985), 161 ff; Reher, Gesellschaftsrecht in Gemeinsamen Märkten, 1997,67 ff.; Butler, 14 Journal of Legal Studies (1985), 133 (155). ll2 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (560); Reher, S. 74 ff; Grundmann, ZGR 2001, 783 (785 f.). Durchbrochen wird der Grundsatz durch sog. "pseudo-foreign corporation statutes", wie beispielsweise in Kalifornien und New York. Ziel ist es dabei, einige gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, wie Gläubiger- und Arbeitnehmerschutznormen, auf Gesellschaften anzuwenden, deren Tätigkeit sich auf diese Staaten konzentriert. Dazu: Reher, S. 76 f 113 Macey/Miller, 65 Texas Law Review (1986), 469 (472 f.); Bebchuk, 105 Harvard Law Review (1992), 1435 (1443); Cary, 83 Yale Law Review (1974), 663 (668 f.); Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (553 f.); Reher, S. 139. 114 Ungefähr die Hälfte aller an der New York Stock Exchange notierten, sowie 500 der größten Kapitalgesellschaften sind hier registriert und Statutenwechsel führen fast ausschließlich in Richtung Delaware. Vgl. Bebchuk, 105 Harvard Law Review (192), 1435 (1443); Romano, in: Newman, (Ed.), The New Palgrave of Economies and the Law, S. 364 f; dies., 1 Journal of Law, Economics and Organization (1985),225 (242-265); aktuell ebenso: www.state.de.us/corp. 115 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (553 f.). 116 Cary, 83 Yale Law Journal (1974), 663 ff Eisenberg, U.Miami L.Rev. (1983), 187 (188 f.); Justice Brandeis prägte den Begriff eines "race for laxity"; dazu: Conard, Mich.L.Rev. 71 (1973),621 (631-648).
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ren Deregulierung in diesem Bereich angesehen, ohne die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte dabei zu gefährden. 1 17 Andere standen dem Wettbewerb der Regelgeber aufgrund der oben erläuterten ökonomischen Überlegungen positiv gegenüber. Sie sahen den legislativen Wettbewerb als "race to the top", bei dem sich aufgrund der Selektion der effizientesten Regeln das beste Gesellschaftsrecht durchsetzt. 118 Insbesondere führe dieser Wettbewerb nicht zu einer Bevorzugung der Unternehmens leitung, denn diese ist auf die Anleger angewiesen. Diese haben die Möglichkeit, ihre Anteile am Unternehmen zu kaufen oder zu verkaufen und können auf diese Weise ihre Interessen durchsetzen. Die Unternehmensleitung werde also gezwungen, das für sie vorteilhafteste Recht zu wählen. 119 Im Endeffekt wird deshalb davon ausgegangen, dass sich langfristig das beste Gesellschaftsrecht durchsetzen wird. Diese Überlegungen wurden später noch empirisch untermauert und damit zusätzlich gestärkt. 120 Insbesondere wurde belegt, dass sich Gesellschaften, die sich in Delaware inkorporierten, verglichen mit anderen Gesellschaften, die nicht wechselten, in ihren Börsenkursen und anderen Indikatoren überproportional verbesserten oder jedenfalls nicht verschlechterten. 121 Dabei wurde ein Aspekt herausgestellt: Der Erfolg Delawares hing auch mit der starken Professionalität der Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Rechtsvertretung zusammen, die insgesamt zu mehr Rechtssicherheit führte. 122 Die Gesellschaften bevorzugen danach vor allem den Staat, der für die größte Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit steht. Schließlich entwickelten sich auch vermittelnde Ansichten, die den Wettbewerb der Regelgeber positiv sahen, aber für die Fälle von Marktversagen auch Eingriffe zulassen wollen. 123 Als wesentliche Punkte des Marktversagens wurden hierbei Informations- und Minderheitsprobleme ausgemacht. Gerade in diesen Fällen sollte deshalb eine Regelung auf zentraler Ebene, d.h. durch Bundesrecht, gerechtfertigt sein. 124 Reher, S. 79; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (552). Winter, 6 Journal of Legal Studies (1977), 251 ff., der sich auf die Überlegungen von Tiebout stützt. 119 MaceylMiller, 65 Texas Law Review (1987), 469 (473); Alva, 15 Delaware Journal of Corporate Law (1990), 885 (918). 120 Romano, 1 Journal of Law, Economics and Organization (1985), 225 ff.; dies., The Genius of American Corporate Law, 1993, S. 20 (Übersicht), S. 60-75. 121 Vgl. Romano, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 364 (367-369); Kostel, 79 Virginia Law Review (1993), 2129; GatsioslHolmes, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (274). Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 23 (Tabelle). 122 Vgl. Nachw. in: Fn. 120. 123 Bebchuk, 105 Harvard Law Review (1992), 1435 (1437). 117
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4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
4. Einfluss im Europäischen Gesellschaftsrecht a) Ablehnung eines Wettbewerbs der Regelgeber
In Europa wurde lange Zeit angenommen, dass das Wettbewerbsprinzip kein sachgerechter Maßstab für den Gemeinschaftsgesetzgeber sei. 125 Vielmehr sollte ein Wettbewerb der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gerade verhindert werden. 126 Dabei wurde vor allem auf die Nachteile hingewiesen, die ein gesetzgeberischer Wettbewerb hat, wie etwa der Abbau drittschützender Normen. 127 Diese ablehnende Haltung ist auch heute noch teilweise in der Literatur zu finden. 128 Angleichungsbemühungen werden daher vor allem in den Bereichen gegenüber einem Wettbewerb der Regelgeber bevorzugt, in denen es um den Schutz von Gläubigem und Gesellschaftern geht. 129 Schutzregeln werden hier als Voraussetzung gesehen, um in diesem Bereich einen "race to the bottom" zu vermeiden, der bei Rechtswahlfreiheit und Regulierungswettbewerb entstehe. 130 b) Unmöglichkeit eines Wettbewerbs Andererseits wird der Wettbewerb zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, aber wegen der bestehenden Unterschiede zwischen den amerikanischen und europäischen Verhältnissen für unmöglich gehalten. Zum einen fehle in Europa der Anreiz für die Mitgliedstaaten an einem solchen Wettbewerb zu 124 Kritisch aber: Kostei, 79 Virginia Law Review (1993), 2129 (2140-2149), der bezweifelt, dass der Bundesgesetzgeber in diesen Fällen des Marktversagens besser handeln könne, als die Einzelstaaten. Vgl. dazu: Grundmann, ZGR 2001, 783 (788). 125 Kolvenbach, 11 U.PaJ.Int.Bus.L. (1990) 709, 711 f.; Schmitthoff, in: Schmitthoff (Hrsg.), The harmonization of European Company Law, 1973, S. 3 (9); Wiedemann, S. 783. 126 Abeltshauser, 11 Michigan Journal of International Law (1990), 1235 (1246); Conard, 89 Michigan L. Rev. (1991), 2150 (2154 und 2161); Timmermans, RabelsZ 48 (1984), 1 (12-14); Schmitthoff, in: Schmitthoff (Hrsg.), The Harmonization of European Company Law, p. 3 (9) ("the Community cannot tolerate the establishment of a Delaware in its territory"); vgl. Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (269 f.). V gl. zum Harmonisierungskonzept der Gemeinschaft im Europäischen Gesellschaftsrecht: 1. Teil § 2 IV. 3. 127 Vgl. Schmitthoff, in: Schmitthoff (Hrsg.), The Harmonization of European Company Law, 1973, S. 2 (9). 128 Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 25; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 17; Behrens, EuZW 1996, 193; Koenig, EWS 1999, 401 (404); Blaurock, 31 Cornell International Law Journal (1998), 377 (381); Dreher, JZ 1999, 105 (108-110). 129 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 17. 130 Koenig, EWS 1999,401 (404); Blaurock, 31 Comell International Law Journal (1998), 377 (381).
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217
partizipieren, da die Einnahmen, wie Inkorporationsgebühren und Konzessionssteuern, keinen nennenswerten Anteil an ihrem Einkommen darstellen (Angebotsseite).131 Zum anderen fehle es in Europa auch an der Wahlfreiheit und Mobilität als Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb der Regelgeber (Nachfragerseite).132 Dies resultiere aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Gesellschaftskollisionsrechte, aus steuerlichen Hindernisse und aus dem teilweisen Fehlen der privatrechtlichen Instrumente für die grenzüberschreitende Sitzverlegung oder Fusion. 133 Des Weiteren verhindere schon die Komplexität und interessenpluralistische Ausrichtung einiger europäischer Gesellschaftsrechte eine eindeutige Wahl, da zu viele Aspekte in die Entscheidung einflössen. 134 c) Gebot eines Wettbewerbs der Regelgeber
im Europäischen Gesellschaftsrecht
aa) Zunehmende Befürwortung eines Wettbewerbs Jedoch gibt es gerade in jüngster Zeit auch Stimmen, die einen Regulierungswettbewerb im Europäischen Gesellschaftsrecht unter bestimmten Voraussetzungen befürworten. 135 Dabei spielen verschiedene Aspekte eine 131 Romano, in: Bratton/McCahery/Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, S. 127 (142); dies., The Genius of American Corporate Law, S. 133; Reher, S. 140; Charny, 32 Harvard International Law Journal (1991), 423 (447); Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (564 f.). 132 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (560--564); Romano, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 364 (369); dies., The Genius of American Corporate Law, S. 118-140; Reher, S. 135 f 133 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (560); Wouters, 37 CMLR (2000), 257 (284); zu den steuerlichen Hindernissen: Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195 (208); Romano, in: Bratton/McCahery/Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, S. 127 (141); StaudingerlGroßfeld, Internationales Gesellschaftsrecht, 1998, Rn. 610 (657); Behrens, ZGR 1994, 1 (8). Vgl. auch: Grundmann, ZGR 2001, 783 (789 f, 820 f.) 134 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545 (554-560); Romano, in: Bratton/McCahery/ Piccioto/Scott (Eds.), International Regulatory Competition and Coordination - Perspectives on Economic Regulation in Europe and the United States, Oxford (Clarendon Press) 1996, 127 (140); GatsioslHolmes, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (274). 135 Kübler, KritV 1994, 79 (87); ders., AG 1994, 141 (145); Wouters, 37 CMLR (2000), 257 (283); BuxbaumlHopt, Legal Harmonization and the Business Enterprise, 1988, S. 8-14; Wymeersch, ZGR 2001, 294 (309); v. Hulle, EWS 2000, 521 (523); Hopt, ZGR 2000, 779 (813); ders., ZIP 1998, 96 (99); Reich, 29 CMLR (1992), 861 ff ("A new paradigm of EC Law") allerdings für das gesamte Gemeinschaftsrecht; sowie vor allem die in Fn. 140 Genannten.
218
4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Rolle. Zum einen wird das Scheitern wichtiger Vorhaben im Europäischen Gesellschaftsrecht zum Anlaß genommen, das Konzept der Rechtsangleichung gerade im Hinblick auf die tatsächliche Legitimität einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung mehr und mehr in Frage zu stellen. 136 Zum anderen hat auch die Internationalisierung der Wertpapiermärkte zu einer veränderten Sichtweise beigetragen. Der zunehmende Wettbewerb um Kapital ist zu einem der Hauptantriebskräfte des gesellschaftsrechtlichen Wandels geworden. 137 Schließlich kann das "Centros"-Urteil des EuGH 138 als Entscheidung in Richtung Rechtswahlfreiheit verstanden werden. 139 bb) Entwicklung einer Europäischen Rahmenordnung funktionierender Wettbewerb Aber auch die ökonomische Forschung hat zu einem Sinneswandel beigetragen. Hier wurden Ideen entwickelt, die für das Europäische Gesellschaftsrecht den Wettbewerb der Regelgeber, d.h. eine Mehrrechtsordnung, als grundlegendes Konzept vorsehen. 140 Die wesentlichen Bedingungen und Prinzipien für das Funktionieren eines solchen Konzepts werden dabei nicht losgelöst von den übrigen Prinzipien des Europäischen Gemeinschaftsrechts gesehen, sondern eng mit ihnen verbunden. Schon die Ziel vorgaben des EG-Vertrages zeigen in diese Richtung. Zentraler und gemeinsamer Punkt der Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes ist die Beseitigung von Hemmnissen im grenzüberschreitenden Handel. Dazu dienen vorrangig die Grundfreiheiten des EG-Vertrages. 141 Schon die Wirkung der Grundfreiheiten ist eng mit den Voraussetzungen eines Wettbewerbs verbunden. Sie sollen die Mobilität der Faktoren über die Grenzen ermöglichen. Ohne diese Faktormobilität ist ein 136 Vgl. Hopt, 1 International and Comparative Corporate Law Journal (1999), 41 (50 f.); ders., ZGR 2000, 779 (813). 137 Wymeersch, ZGR 2001, 294 (297, 309). 138 V gl. dazu: 1. Teil § 2 III. 1. b) bb). 139 Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (22); Deckert, RabelsZ 64 (2000), 478 (491); Wymeersch, I International and Comparative Corporate Law Journal (2000), 331 (339); Behrens, IPRax 1999, 323 (325); Kieninger, ZGR 1999, 724 (731,749); Ebke, JZ 1999,656 ff. 140 Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 67 (88 ff.); Kincaid, in: Gerken (Ed.), Competition among Institutions, S. 259 ff.; Siebert/Koop, 45 Aussenwirtschaft (1990), 439 (455 f.); Vanberg/Kerber, 5 Constitutional Political Economy (1994), 193 (212-216); dem folgend und den für das Europäische Gesellschaftsrecht ausbauend: Grundmann, ZGR 2001, 783 ff. 141 Vgl. zur Wirkung der Grundfreiheiten ausführlich: 1. Teil § 2 III. 1.
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Regulierungswettbewerb wiederum nicht vorstellbar. Zwar stehen diese Freiheiten unter dem Vorbehalt zwingender Gründe des Allgemeininteresses, die Faktormobilität bei grenzüberschreitenden Transaktionen kann also durch zwingende nationale Normen behindert werden. Jedoch müssen diese Normen durch tatsächlich zwingenden Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein und werden daraufhin vom EuGH überprüft. 142 Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung des Herkunftslandprinzips. Dieses stellt den zentralen Mechanismus dar, mit dem ein Wettbewerb und zugleich Praktikabilität im Gemeinschaftsrecht gefördert werden können. 143 Zwingende Regeln des Gastlandes sind danach nicht anwendbar, wenn das angebliche Schutzinteresse bereits durch die Anwendung des Heimatlandstandards befriedigt werden kann. l44 Damit ermöglicht das Herkunftslandprinzip eine Öffnung der Märkte ohne vorherige Harmonisierung und führt damit zur Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen des Systemwettbewerbs. 145 Als weitere Möglichkeit für mehr Integration, d. h. Beseitigung von HandeIshemmnissen, zu sorgen, sieht der EG-Vertrag die Rechtsangleichung vor. Auch für diesen Bereich existieren bestimmte Vorgaben, die mit einem Wettbewerb der Regelgeber eng verbunden sind. So steht das Subsidiaritätsprinzip in engem Zusammenhang mit dem Wettbewerbs gedanken und wird häufig sogar als Auftrag zu einem Wettbewerb der Systeme verstanden. 146 Wettbewerb der Rechtsordnungen sei Ausdruck praktizierter Subsidiarität. 147 142 Diese Prüfung umfasst eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die auch beinhaltet, dass bloßen Informationsregeln gegenüber zwingenden Regeln der Vorzug gegeben wird, EuGH 20.2.1979 - Rs. 120178 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, 664; 22.6.1982, Rs. 220/81 (Roberston), Slg. 1982,2349,2361 f.; 11.7.1984 - Rs. 51/83 (Kommission ./. Italien), Slg. 1984, 2793, 2805 f.; und speziell für das Gesellschaftsrecht EuGH 9.3.1999 - Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999,1-1459, 1495 und EuGH, 4.6.2002 - Rs. C-483/99 (Elf Aquitaine), ZIP 2002, 1085 (1089). 143 Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (16); SunlPelkmans, 33 Journal of Common Market Studies (1995), 67 (70); GatsioslHolmes, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (272); HauserlHösli, 46 Aussenwirtschaft (1991), 497 (500). 144 Vgl. zur Wirkung des Herkunftslandprinzips: 1. Teil § 2 III. 1. b). 145 Mestmäcker, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 53 (59); HauserlHösli, 46 Aussenwirtschaft (1991), 497 (500). 146 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, S. 19; Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (282); EstylGeradin, Journal of International Economic Law (2000), 235; GatsioslHolmes, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (272); de Kluiver, Maastricht Journal 1994, 139 (152). 147 Dreher, JZ 1999, 105 (111).
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4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Zum Teil wird auch das Konzept der Minimumharmonisierung der Kommission mit dem ökonomischen Modell eines kreativen Wettbewerbs der mitgliedstaatlichen Gesetzgeber begründet. 148 Für den Bereich der Mindestharmonisierung ist ein gesetzgeberischer Wettbewerb zwar ausgeschlossen. Jedoch bleibt für die Bereiche, in denen die Richtlinie strengere nationale Regeln zulässt, ein Wettbewerb der Regelgeber erhalten bzw. wird sogar verbessert. 149 Im Mittelpunkt eines auf diese Prinzipien und Zielvorgaben aufbauenden Konzepts steht der Begriff des funktionierenden Wettbewerbs. 15o Es geht also um die Festlegung einer Rahmenordnung, die zum einen die Voraussetzungen für das Entstehen von Regulierungswettbewerb schafft und zum anderen aber auch Möglichkeiten vorsieht, gegen negative Effekte eines vorhandenen Wettbewerbs vorzugehen. Unter diesen Voraussetzungen ist es auch schwieriger, gegen einen Wettbewerb der Regelgeber zu argumentieren. Denn soweit eine solche Rahmenordnung auch die Fälle von Marktversagen erkennt und reguliert, ist es schwer vorstellbar, dass ein System ohne Wettbewerb bessere Resultate erreichen kann. 151 Gleichzeitig ermöglicht eine solche Rahmenordnung eine genauere Festlegung des Aufgabenbereichs der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. 152 Dies ist zum einen die Gewährleistung der Wahlfreiheit durch Schaffung und Erhaltung von Mobilität für die Marktteilnehmer, vor allem im grenzüberschreitenden Bereich. Faktormobilität ist nicht nur Voraussetzung für das Funktionieren eines regulativen Wettbewerbs ist, sondern auch eines der wichtigsten Ziele des EG-Vertrages. Zum anderen ist dies die Regulierung von Marktversagen, d.h. der negativen Effekte, wie Informationsdefizite und Externalitäten. 153 Innerhalb einer solchen Rahmenordnung wird auch die Aufgabe der Rechtsangleichung deutlich. Sie verhindert nicht notwendigerweise einen Wettbewerb der Regelgeber, sondern schafft durch Beseitigung von Mobilitätsschranken und negativen Effekten teilweise erst die Bedingung für einen funktionierenden Wettbewerb. Insoweit ermächtigen die
148 Schön, ZHR 160 (1996), 221 (222); Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (282); SunlPelkmans, 33 Journal of Common Market Studies (1995), 67 (70); GatsioslHolmes, in: Newman (Ed.), The New Palgrave of Economics and the Law, S. 271 (273). 149 Grundmann, ZGR 2001, 783 (797 f.). Vgl. zur Frage der Zulässigkeit von strengerem nationalen Recht im harmonisierten Bereich des Gesellschaftsrechts: 1. Teil IV 4. b) dd). 150 Grundlegend: Grundmann, ZGR 2001, 783 (793 ff.). 151 Grundmann, ZGR 2001, 783 (792). 152 Wouters, 37 CMLR (2000), 257 (283 ff., insb. 289 ff.). 153 Zur Definition der externen Effekte vgl.: Fritsch/WeinIEwers, Marktversagen und Wirtschaftpolitik, 1999, S. 71 ff.
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Rechtsangleichungskompetenzen der Artt. 44 11 lit. g, 95 und 308 EG zu Regelungen auf Gemeinschaftsebene. Ein Aspekt ist in diesem Zusammenhang noch interessant. Die Dogmatik der Grundfreiheiten mit dem Vorbehalt zwingender Gründe des Allgemeininteresses eröffnet sogar den Weg, dass Mitgliedstaaten einem Versagen des legislativen Wettbewerbs (Marktversagen) entgegentreten. 154 Um Marktversagensproblemen zu begegnen, muss damit nicht notwendigerweise Gemeinschaftsrecht erlassen werden. Dies hat verschiedene Vorteile. Zum einen muss nicht in jedem Fall eine gemeinschaftsrechtliche Regelung erlassen werden. Zum anderen ermöglicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gerichtshofs in diesem Bereich eine zusätzliche Überprüfung der mitgliedstaatlichen Regelung auf ihre Konsistenz und Stimmigkeit und beugt damit einem Staatsversagen auf untergeordneter Ebene vor. 155 Wenn man nach dem Wert eines Wettbewerbs der Regelgeber im Europäischen Gesellschaftsrecht fragt, so muss die Frage zumindest, wenn man das Konzept eines funktionierenden Wettbewerbs zugrunde legt, grundsätzlich positiv beantwortet werden. Im einzelnen hängt die Beantwortung der Frage jedoch davon ab, wie viel Wettbewerb tatsächlich existiert und welche Formen des Marktversagens auftreten. Im Folgenden soll deshalb der Frage nach der Existenz eines regulativen Wettbewerbs genauer nachgegangen werden.
5. Insbesondere der Markt für Gesellschaftsfinanzierung a) Unterscheidung verschiedener Segmente
Die Frage nach der Existenz eines gesetzgeberischen Wettbewerbs, insbesondere nach möglichen Formen des Marktversagens, kann nicht pauschal für das gesamte Gesellschaftsrecht beantwortet werden. Vielmehr ist, wie in sonstigen Märkten, etwa Produktmärkten, zwischen verschiedenen Segmenten zu unterscheiden. 156 Dies ist zum einen ein Segment, in dem es um die Mobilität der gesamten Organisation geht, also der Gesellschaft selbst. Der Diskussion im USamerikanischen Gesellschaftsrecht folgend wird dieser Bereich auch für das Europäische Gesellschaftsrecht am intensivsten diskutiert. Daher ist es auch nicht überraschend, wenn die Existenz eines regulativen Wettbewerbs in Grundmann, ZGR 2001, 783 (8020. Grundmann, ZGR 2001, 783 (804). 156 Grundmann, ZGR 2001, 783 (791 f., insb. 808 ff.); Grundmann, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 1 (23). 154 155
15 Pannier
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4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Europa in der Regel verneint wird. Verglichen mit Verhältnissen im USamerikanischen Recht bestehen im Bereich der Mobilität und Rechtswahlmöglichkeit der Gesellschaften tatsächlich noch erhebliche rechtliche Beschränkungen. 157 Besonders die Gründungs- bzw. Auflösungserfordernisse der unterschiedlichen kollisionsrechtlichen und steuerrechtlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten schließen die Mobilität der Gesellschaft, insbesondere im Fall der grenzüberschreitenden Sitzverlegung oder Fusion, praktisch aus. Der sich unter diesen Bedingungen entwickelnde "bloße" Standortwettbewerb wird im Vergleich zur Situation in den USA für weniger erstrebenswert gehalten. Jedoch lässt eine solche Betrachtungsweise ein zweites Segment außer Betracht, nämlich den Markt für Gesellschaftsfinanzierung und insbesondere den Bereich der Gesellschaftsanteile. Dieser Bereich ist gerade für die Frage der Aktionärsrechte von besonderer Bedeutung, denn hier kommen die einzelnen Anleger als Nachfrager in einem regulativen Wettbewerb hinzu. Die Wahl zwischen verschiedenen Gesellschaftsanteilen eröffnet ihnen zugleich auch die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Rechten und Pflichten, die mit den Anteilen verbunden sind, zu wählen. Selbst wenn die Gesellschaften keine vollständige Wahlfreiheit besitzen, kann sich auch im Wege des Kaufs und Verkaufs von Gesellschaftsanteilen ein Wettbewerb der Regelgeber entwickeln. Im Folgenden soll deshalb genauer auf den Markt der Gesellschaftsfinanzierung eingegangen werden. Insbesondere soll untersucht werden, inwieweit hier Mobilität und Wahlfreiheit tatsächlich gewährleistet sind. Schließlich soll auch darauf eingegangen werden, welche Marktversagensprobleme in diesem Segment auftreten und wie sie minimiert werden können. b) Regulativer Wettbewerb bei den Regeln zum Gesellschaftsanteil
aa) Mobilität und Wahlmöglichkeit Im Unterschied zur Mobilität der Gesellschaft als gesamter Organisation ist die Mobilität der Gesellschaftsanteile weitestgehend gewährleistet. Aktien sind frei handelbar und die kapitalmarktrechtlichen Regelungen zum Handel von Wertpapieren ermöglichen einen offenen und freien Zugang zu den verschiedenen Kapitalmärkten. 158 Das zeigt sich auch daran, dass Anleger ihren Anlagehorizont in den letzten Jahren zunehmend auch auf Aktien 157 Grundmann, ZGR 2001, 783 (33 ff., 38 ff.); vgl. zur Unmöglichkeitsthese die Nachweise in: Fn. 131-134. 158 Grundmann, ZGR 2001, 783 (810 0; Lutter, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121
(140).
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aus anderen Ländern erweitern. 159 Daraus ergibt sich für sie die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Produkten auf den Kapitalmärkten zu wählen. Erweitert wird diese Wahlfreiheit zusätzlich durch die Diversität der gehandelten Gesellschaftsanteile. Gerade die mit den Aktien verbundenen individuellen Rechte und Pflichten sind europarechtlich kaum harmonisiert, so dass sich mit der Wahl einer bestimmten Aktie auch die Wahl eines bestimmten mitgliedstaatlichen Standards verbindet. So gibt es beispielsweise mitgliedstaatliche Rechte, die Mehrfach- oder Höchststimmrechte zulassen, während andere stärker dem Grundsatz "One Share - One Vote" folgen, wodurch sich die Stimmkraft nach den Aktiennennbeträgen bzw. nach der Zahl der Stückaktien bestimmt. 160 Einige Aktienrechte sehen ein umfangreiches Auskunftsrecht innerhalb der Hauptversammlung vor, während andere dem Aktionär ein solches Recht (nur) im Vorfeld der Hauptversammlung zugestehen. 161 Die unterschiedlichen "Produkte" der Emittenten können dementsprechend im Binnenmarkt konkurrieren. Trotz dieser Bedingungen ist diese Wahl nur eine mittelbare, denn es fehlt die Wahlmöglichkeit eines zweiten Mitspielers auf der Nachfragerseite. Die Gesellschaften als Emittenten können, wie oben schon dargestellt, nicht gänzlich frei zwischen verschiedenen nationalen Standards wählen, sondern sind als Anbieter der Produkte in der Regel an ihre Heimatstandards gebunden. 162 Insofern ist die Wahl der Anleger nur reflexartig, sie können nicht Aktien und den für die Aktien bevorzugten rechtlichen Standard (durch den Emittenten) frei kombinieren. 163 Aber auch ohne die unmittelbare Wahlmöglichkeit der Gesellschaften scheint sich schon durch die Internationalisierung der Kapitalmärkte und die damit verbundene erweiterte Wahlmöglichkeit der Anleger ein erheblicher Wettbewerbsdruck zu entwickeln. Dies zeigt sich vor allem auf der Angebotsseite. So gingen die meisten Gesellschaftsrechtsreformen der letzten Jahre auf die Forderung nach Veränderung der aktienrechtlichen Regelungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Kapitalmärkten zurück. 164 Der Wettbewerb um Kapital war einer der Hauptantriebskräfte Vgl. Nachw. in Fn. 10. Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 161 Vgl. dazu: 3. Teil § 7 III. 162 Vgl. zum Herkunftslandprinzip: 1. Teil § 2 1II. 1 b) cc). 163 Anders ist dies in den Fällen, in denen der rechtliche Gehalt der Aktie auch durch die Börsenzulassungsbedingungen beeinflusst wird. In diesem Fall haben auch die Emittenten durch die Wahl des Börsenplatzes eine gewisse Wahlmöglichkeit. Vgl. Grundmann, ZGR 2001, 783 (811). 164 Vgl. für Deutschland: Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Untemehmensbereich (KonTraG) vom 6.3.1998, BGBI. I 1998, 786; Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) vom 20.4.1998, BGBI. I 1998, 707; Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) vom 18.1.2001, 159 160
15'
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4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
für die Veränderung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Gerade die mit der Aktie verbundenen Rechte, wie das Stimmrecht und die Stimmrechtsausübung und -vertretung sowie Teilnahme an der Hauptversammlung, standen dabei in Deutschland im Mittelpunkt. Dieser Effekt wird zudem durch einen Wandel auf der Nachfragerseite begünstigt. Nicht nur die steigende Aktionärszahl, sondern auch das Auftreten von institutionellen Investoren hat hier zu einem größeren Wettbewerbsdruck geführt. 165 Sie engagieren sich nicht nur aktiv am Markthandel, sondern üben auch Einfluss auf eine effizientere Ausgestaltung der Unternehmensverfassung der Gesellschaft aus. 166 Insbesondere fordern sie die von führenden Märkten gesetzten Standards und lehnen anderslautende Vorschriften ab. 167 Auch ohne Wahlfreiheit der Gesellschaften scheinen die Bedingungen für einen Wettbewerb der Regelgeber in diesem Segment also vorhanden zu sein. Schon die vorhandene Mobilität der Gesellschaftsanteile und der Druck des Kapitalmarktes führten zumindest in diesem Bereich zu spürbaren gesellschaftsrechtlichen Veränderungen. 168 Eine bessere Wahlmöglichkeit für Gesellschaften würde diesen Effekt allerdings wohl noch verstärken. bb) Negative Effekte des Wettbewerbs Ob ein regulativer Wettbewerb im Bereich der Regeln zum Gesellschaftsanteil tatsächlich erstrebenswert ist, hängt jedoch auch von der Frage ab, inwieweit in diesem Segment Marktversagen festzustellen ist und ob dieses regulierbar erscheint. Zwar erscheint die Diversität der Aktien und der mit ihnen verbundenen Aktionärsrechte wegen der Wahlmöglichkeit der Anleger positiv. Umgekehrt werden aber gerade die unterschiedlich ausgestalteten Regeln über die Ausübung der Aktionärsrechte immer wieder als eines der wesentlichen Hindernisse eines integrierten Europäischen Kapitalmarktes heraus gestellt. 169 Die Unterschiede führen insbesondere zu Schwierigkeiten bei der BGBl. I 2001, 123 und schließlich Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) vom 15.11.2001, BGBl. 2001, 3822; für England: Company Law Review Steering Group, Modem Company Law - For a Competitive Economy, Final Report, 2001. 165 Wymeersch, ZGR 2001, 294 (317 f.). 166 Vgl. zu den Initiativen des Califomia Public Employees' Retirement System System (CalPERS): Andre, 73 Tulane Law Review (1998), 69 ff. 167 Wymeersch, ZGR 2001, 294 (317). 168 Grundmann, ZGR 2001, 783 (795 f.); ähnlich auch: Wiesner, ZIP 2000, 1792. 169 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, vom 11. 5. 1999, KOM (1999) 232 endg., S. 14; Lutter,
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grenzüberschreitenden Ausübung der wichtigsten Mitverwaltungsrechte. Dies betrifft beispielsweise die Teilnahme an der Hauptversammlung. Insbesondere kurze Einberufungsfristen, wie die 14-tägige im britischen Recht, lassen die persönliche Teilnahme des ausländischen Aktionärs sehr schwierig erscheinen. Auch erschwert die unterschiedliche Verbreitung von Namens- und Inhaberaktien die rechtzeitige Information der ausländischen Aktionäre. 17o Während bei Namensaktien die Einladung zur Hauptversammlung in der Regel durch persönliche Benachrichtigung erfolgt, ist der ausländische Aktionär beim Besitz von Inhaberaktien auf die Benachrichtigung in amtlichen Veröffentlichungsblättem und Tageszeitungen angewiesen. Im letzteren Fall gestaltet sich der Informationsfluss zum ausländischen Aktionär also schwieriger. Dies hat letztlich auch Auswirkungen auf andere Minderheitsrechte der Aktionäre. So sind das Recht auf einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt, auf einen Gegenantrag oder das schriftliche Fragerecht an die Einhaltung bestimmter Fristen gebunden, die ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung laufen. 171 Am wichtigsten erscheinen jedoch die Probleme bei der grenzüberschreitenden Stimmrechtsausübung und -vertretung. l72 Die hier vorhandenen Unterschiede erschweren dem Aktionär die tatsächliche Beteiligung an der Willensbildung der ausländischen Aktiengesellschaft. Dies betrifft vor allem die Möglichkeiten desjenigen Aktionärs, der sein Stimmrecht nicht persönlich auf der Hauptversammlung ausüben möchte. So ist die Vertretung in einer französischen SA nur durch Ehegatten oder andere Aktionäre möglich. Auf der anderen Seite sieht das französische Recht die Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe und die Abgabe einer Blankovollmacht vor, die im deutschen oder britischen Recht in dieser Form nicht zulässig sind. 173 In Großbritannien ist die Stimmrechtsvertretung bei bestimmten Abstimmungen sogar ganz ausgeschlossen.1 74 Für den ausländischen Aktionär bedeutet es zudem einen erhöhten Aufwand, wenn die Dauer der Vollmacht, wie im französischen Recht, grundsätzlich auf eine Hauptversammlung beschränkt ist. 175
ZGR 2000, 1 (10); ders., in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 121 (140); Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (264); ähnlich auch: Wouters, CMLR 37 (2000), 257 (296). 170 Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 2. d), 4. \7\ Vgl. dazu: 3. Teil § 7 n. \72 Vgl. dazu: Nachw. in Fn. 169. 173 Vgl. 3. Teil § 7 IV. 2. d). 174 Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 3. b). 175 Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 2. b). Dagegen ist nach deutschem und britischen Recht eine Dauervollmacht möglich. Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 1. b), 3. b).
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4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Diese Hindernisse könnten letztlich auch hemmend für einen Wettbewerb der Regelgeber wirken. Soweit sich die Anleger wegen des fehlenden Vertrauens in ausländische Aktien vom europäischen Markt zurückziehen, würde auch die Mobilität und Nachfrage, die für einen solchen Wettbewerb notwendig ist, fehlen. Ein Teil der hier aufgezählten Hindernisse sind vorrangig Informationsprobleme. Es gehört zu einem effizient funktionierenden Markt, dass Nachfrager ausreichend Informationen über die verschiedenen "Produkte" haben. Die Unterschiede bei den Regeln zum Gesellschaftsanteil haben allerdings zur Folge, dass es für den ausländischen Aktionär schwerer ist, die relevanten Informationen über die rechtliche Ausgestaltung der Aktien zu bekommen bzw. zu verarbeiten. Beispielsweise muss sich der Anleger erst über die jeweiligen Möglichkeiten und Beschränkungen bei der Stimmrechtsausübung oder -vertretung informieren. Dies betrifft vor allem die kleineren, privaten Anleger, denn von den professionell handelnden Markteilnehmern, wie den institutionellen Investoren, kann erwartet werden, dass sie sich die relevanten Informationen verschaffen und auch zu niedrigeren Kosten verarbeiten können. 176 Hemmnisse treten zudem beim Informationsfluss zwischen Gesellschaft und Aktionär auf. Gerade die Regeln zur Teilnahme an der Hauptversammlung erschweren hier oft eine rechtzeitige und umfassende Information des ausländischen Aktionärs. Zum Teil fehlt es aber nicht nur an der rechtzeitigen und umfassenden Information des Aktionärs, sondern auch am Vorhandensein wirksamer Instrumente für eine grenzüberschreitende Ausübung der Aktionärsrechte. l77 Dies betrifft vor allem die grenzüberschreitende Stimmrechtsausübung und Stimmrechtsvertretung. Die hier vorhandenen Unterschiede und Beschränkungen, vor allem im Bereich der Stimmrechts vertretung, verhindern eine ausreichende Beteiligung des ausländischen Aktionärs an der Willensbildung der Gesellschaft. Im grenzüberschreitenden Bereich machen sich besonders die Unterschiede bei alternativen Möglichkeiten der Stimmrechtsausübung oder Stimmrechtsvertretung, wie der Briefwahl oder der Nutzung moderner Kommunikationsmittel bemerkbar. Das Fehlen effizienterer Instrumente führt letztlich zu einem de facto-Ausschluss der ausländischen Aktionäre von der Willensbildung der Gesellschaft.
176 Infonnationsintermediäre haben deshalb gerade hier eine wichtige Funktion. Vgl. Grundmann, ZGR 2001, 783 (811). m Wymeersch, ZGR 2001, 294 (320).
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227
c) Notwendige Maßnahmen auf
Gemeinschaftsebene
Festzustellen ist, dass die Voraussetzungen für einen Wettbewerb der Regelgeber in dem hier untersuchten Marktsegment gut sind. Die Mobilität der Gesellschaftsanteile und Wahlmöglichkeiten der Anleger sind weitestgehend vorhanden. Jedoch zeigt der sich hier entwickelnde Wettbewerb auch negative Effekte. Die mangelnde Harmonisierung der Aktionärsrechte, die einen Wettbewerb erst möglich zu machen scheint, bringt vor allem für die Anleger auch Probleme mit sich. Soweit man die Konzeption eines funktionierenden Wettbewerbs zugrundelegt, ist eine Regelung auf übergeordneter Ebene bei den Punkten angezeigt, in denen der Wettbewerb negative Effekte mit sich bringt. Für den hier untersuchten Teilbereich der Aktionärsrechte schafft die Diversität der Gesellschaftsanteile vor allem Informationsprobleme. Des Weiteren erschweren die Unterschiede in den nationalen Gesellschaftsrechten auch die Ausübung der Aktionärsrechte. Hier fehlen zum Teil die dazu notwendigen Instrumente. Jedoch scheint der Schluss, dass diese Probleme einer Regulierung auf Gemeinschaftsebene bedürfen, voreilig. Das betrifft vor allem die Herstellung von Instrumenten für die grenzüberschreitende Ausübung der Aktionärsrechte, insbesondere des Stimmrechts. Gerade in diesem Regelungsbereich haben sich die mitgliedstaatlichen Rechte sehr stark entwickelt. Beispielhaft sind das deutsche und britische Gesellschaftsrecht, wo Gesetzesreformen erst kürzlich die Möglichkeit der Erteilung einer Vollmacht unter Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel eingeführt haben. 178 In Frankreich ist sogar eine direkte elektronische Stimmabgabe zulässig. 179 Der Wettbewerbsdruck des Kapitalmarktes zeigt also gerade bei diesen Regelungen Wirkung und führt zu einer Überprüfung und Anpassung durch die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber (Disziplinierung). Gleichzeitig handelt es sich auch um einen Bereich, in dem die Entwicklung schnell voranschreitet und immer neue Möglichkeiten der Kommunikation entdeckt werden, die dann auch im Gesellschaftsrecht Wirkung zeigen und die Beteiligung des ausländischen Aktionärs an der Willensbildung der Gesellschaft verbessern helfen. So würde eine Stimmrechtsabgabe per E-mail bzw. die unmittelbare Online-Teilnahme eine schnelle Willenserklärung des Aktionärs ermöglichen, ohne dass kurze Einladungsfristen ein wesentliches Hindernis darstellen. Mit der Vision einer Online-Hauptversammlung verbindet sich zugleich die Hoffnung auf eine Aktivierung und Verbesserung der 178 Vgl. dazu: 3. Teil, § 7 IV. 1. b), 3. b) (NaStraG und Companies Act 1985 [Electronic Communicationsl Order 2000). 179 Vgl. dazu die Nachw. in: 3. Teil § 7 IV. 2. a).
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4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Kontrollfunktion der Aktionärsversammlung. 18o Der Wettbewerb ist also auch in der Lage, die Entwicklung neuer Lösungen auf diesem Gebiet voranzutreiben (Entdeckungsverfahren). Gerade angesichts der Fülle der denkbaren Modelle einer solchen Beteiligung der Aktionäre und des Fehlens von Erfahrungen auf diesem Gebiet scheint eine Regulierung auf zentraler Ebene nicht angebracht. 181 Teilweise gilt dies auch für verschiedene Informationsprobleme. Insbesondere beim Informationsfluss zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär haben sich neue Möglichkeiten der schnellen und umfassenden Information über modeme Kommunikationsmittel entwickelt und werden, wenn auch zumeist alternativ zu den herkömmlichen Möglichkeiten, immer mehr von den Gesellschaften eingesetzt. Der Anleger wird per E-mail über die bevorstehende Hauptversammlung informiert und kann auf der gesellschaftseigenen Website die für seine Entscheidungsfindung notwendigen Informationen einsehen. Unter Beachtung der oben herausgearbeiteten Leitgesichtpunkte für die Zuordnung der Regelungskompetenzen scheint eine Lösung auf dezentraler Ebene daher für diesen Bereich zu effizienteren Ergebnissen zu führen. Die Mitgliedstaaten können auf die notwendigen Entwicklungen im Bereich der modemen Kommunikationsmittel sehr viel schneller reagieren und der Wettbewerb auf den internationalen Kapitalmärkten führt zu einer Überprüfung der auf dieser Regelungsebene gefundenen Lösungen. Etwas anderes gilt jedoch für die Information über das Produkt selbst, d.h. über die Aktie und die mit ihr verbundenen Mitgliedschaftsrechte. Die hier vorhandenen Unsicherheiten könnten durch bessere Informationspflichten gemindert werden, so dass die Unterschiede auch für das breite Anlegerpublikum sichtbarer werden. Eine Festlegung bestimmter Lösungen ist damit aber nicht verbunden. Vielmehr geht es darum, dass die Unterschiede offen ausgewiesen werden.
6. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Überlegungen, die dem Konzept eines Wettbewerbs der Regelgeber zugrunde liegen, gegen eine umfassende Harmonisierung der Aktionärsrechte auf Gemeinschaftsebene sprechen. Das Konzept zeigt, dass es nicht notwendigerweise einer Vereinheitlichung der Aktie und der mit ihr verbundenen Rechte bedarf. Vielmehr 180 Claussen, AG 2001, 161 (163 f.) Riegger, ZHR 165 (2001), 204 (217); differenzierend: Spindler, ZGR 2000, 420 (440 ff.). 181 Ähnlich auch: Bachmann, AG 2001, 635 (644); Spindler, ZGR 2000, 420 (445).
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lassen die Vorteile eines regulativen Wettbewerbs im Bereich der Aktionärsrechte eine Regelung auf mitgliedstaatlicher Ebene effizienter erscheinen. Eine umfassende Harmonisierung in diesem Bereich würde die vorhandenen Wahl möglichkeiten der Anleger und mitglied staatlichen Gesetzgeber einschränken und einen regulativen Wettbewerb verringern. Selbst die meisten der angesprochenen negativen Effekte des Wettbewerbs scheinen die nationalen Gesetzgeber besser oder jedenfalls ausreichend regulieren zu können.
III. Angleichung der Aktionärsrechte oder Pfadabhängigkeit? 1. Einleitung
a) Aktionärsrechte als Teil der Corporate Governance
Aktionärsrechte, die in der Hauptversammlung ausgeübt werden, haben zumeist das Ziel, dem Aktionär eine stärkere Beteiligung an der Willensbildung innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen und die Unternehmensführung zu kontrollieren. 182 Aktionärsrechte gehören damit auch zu den Fragen, die innerhalb der Debatte um die Corporate Governance diskutiert werden. Hier geht es zum einen um die Willensbildung innerhalb der Gesellschaft, insbesondere um die optimale Ausgestaltung des Informationsflusses, der Entscheidungsfindung und der Entscheidungskontrolle (interne Corporate Governance).183 Daneben sind mit dem Begriff Corporate Governance auch Fragen der Kontrolle einer Gesellschaft durch die Kapitalmärkte, genauer durch den Markt für Unternehmenskontrolle, angesprochen (externe Corporate Governance).184 Auch wenn es einen gewissen Bestand Europäischen Gesellschafts- bzw. Kapitalmarktrechts zur Corporate Governance gibt, existieren gerade in diesem Bereich noch sehr verschiedene Grundmodelle in den einzelnen Mitgliedstaaten. 185 Auffällig sind die Unterschiede vor allem im Bereich der Vgl. zu Sinn und Zweck der Aktionärsrechte: 2. Teil § 3. Vgl. zu den unterschiedlichen Begriffen der Corporate Governance: Hoptl Prigge, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance - The State of the Art and Emerging Research, S. V; SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (146 f.); Shleijer/Vishny, 52 Journal of Finance (1997), 737 ff. sowie: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Governance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report, S. 28 ff. 184 Vgl. zu zur Unterscheidung der verschiedenen Corporate Governance-Mechanismen: Hopt, ZGR 2000, 779 (783 ff.); Teichmann, ZGR 2001, 645 (646 f.). 18S Vgl. dazu: § 9 UI. 2. 182 183
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4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
internen Corporate Governance, für den nur sehr wenige europäische Vorgaben existieren. Projekte der Gemeinschaft, die, wie die Struktur-Richtlinie, die Angleichung der Unternehmensverfassung zum Ziel hatten, waren gerade wegen der unterschiedlichen Vorstellungen über den Verwaltungsaufbau der Aktiengesellschaft, das Verhältnis ihrer Organe zueinander sowie über das Ausmaß der Arbeitnehmerrnitbestimmung immer wieder auf Widerstand einiger Mitgliedstaaten gestoßen. 186 Aber auch die wechselvolle Entwicklung der Übernahme-Richtlinie, ein Rechtsakt im Grenzbereich zwischen interner und externer Unternehmensführung, zeigt deutlich die noch vorhandenen divergierenden Grundvorstellungen. 187 Die Kommission hat den Bereich der Corporate Governance nun in ihren Aktionsplan zur Umsetzung des Finanzmarktrahmens aufgenommen. 188 Im Moment beschränkt sich die Aktivität der EU zwar auf die Bestandsaufnahme der möglichen Hindernisse, die sich aus den unterschiedlichen Regelungen zur Unternehmens verfassung für die Entwicklung eines europäischen Finanzmarktes ergeben. Jedoch zeigt die Aufnahme in den Aktionsplan, dass eine gemeinschaftsrechtliche Regelung dieses Bereichs für die Zukunft in Betracht gezogen wird. 189 In der Literatur hingegen wird eine Angleichung im Bereich der Corporate Governance zumeist abgelehnt oder für unmöglich gehalten. 19o Zur Begründung wird dabei in letzter Zeit zunehmend auf das Konzept der Pfadabhängigkeit zurückgegriffen. b) Pfadabhängigkeit als Harmonisierungsgrenze
Dem Konzept der Pfadabhängigkeit liegt die Idee zugrunde, dass die Übernahme eines kompletten Regelungskonzepts oder einzelner Regelungen aus anderen Corporate Governance-Systemen ökonomisch ineffizient sein kann und oft iSt. 191 Da die Anfangsbedingungen der verschiedenen Systeme Vgl. dazu: 2. Teil § 5 I. Vgl. dazu: 1. Teil § 2 IV. 3. c), d). 188 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan, vom 11. 5. 1999, KOM (1999) 232 endg., S. 14. 189 Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (262); GrundmannlMülbert, ZGR 2001, 215 (217); Hopt, ZGR 2000, 779 (812 f.). 190 SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (185 ff.); Wiesner, BB 2001, Beil. 8, S. 4; ders., ZIP 2000, 1792 (1794); ähnlich: v. Hulle, EWS 2000, 521 (522); Seibert, AG 1999, 337 (339); differenzierend: Hopt, ZGR 2000, 779 (813 ff.); differenzierend auch: Lutter, ZGR 2000, 1 (18); Hommelhoff, ZGR 2001, 238 (262 ff.), die eine Angleichung im Bereich der Aktionärsrechte wiederum für notwendig halten. 191 Grundlegend: BebchucklRoe, 52 Stanford Law Review (1999), 127 ff. Vgl. auch: Roe, in: Hopt/Wymeersch (Eds.), Comparative Corporate Govemance, S. 165 186
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unterschiedlich waren, haben sich Lösungen entwickelt, die zum jeweiligen rechtlichen, ordnungspolitischen oder auch kulturellen Umfeld passen. Eine pfadabhängige Entwicklung kann deshalb dazu führen, dass rechtliche Lösungen, die ein System für bestimmte Probleme bieten, in einem anderen System ohne flankierende Maßnahmen wirkungslos bleiben. Bestimmte Regelungskonzepte oder auch einzelne Regelungen können sich in einem System positiv und in einem anderen gar nicht oder sogar negativ auswirken, weil es aufgrund unterschiedlicher Problemstellungen auch unterschiedlicher Regelungen bedarf. Pfadabhängigkeit kann damit auch als Argument gegen eine Harmonisierung im Bereich der Corporate Govemance herangezogen werden, jedenfalls soweit die Angleichung zur Folge hat, dass sich die auf europäischer Ebene gewählte Lösung in bestimmten mitglied staatlichen Rechtsordnungen effizienzmindernd auswirkt. Wenn die Angleichung die Konsistenz der bestehenden Corporate Govemance-Systeme vermindert, wäre eine Lösung auf mitglied staatlicher Ebene vorzuziehen. Teilweise wird sogar angenommen, dass pfadabhängige Unterschiede auch eine Grenze für einen Wettbewerb der Regelgeber sein können, zumindest soweit die verschiedenen Systeme wegen der hohen Umstellungskosten in sich konsistent sind und wegen der hohen Umstellungskosten auf der Nachfrageseite keine Anreize für die Wahl eines anderen Rechts bestehen. 192 Aufbauend auf die schon vorgenommene Untersuchung der Aktionärsrechte in Deutschland, Frankreich und Großbritannien soll deshalb im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob pfadabhängige Unterschiede in den einzelnen Unternehmensrechtsordnungen bestehen, die eine Grenze für eine Angleichung im Bereich der Aktionärsrechte darstellen können.
2. Pfadabhängige Unterschiede im Bereich der Aktionärsrechte Die Einflussfaktoren für die Herausbildung unterschiedlicher Corporate Govemance-Systeme können sehr vielfältig sein. So ist die Entwicklung abhängig von tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten, aber auch von un(167 f., 170 ff.); SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (186 f.); Schmidtl Spind/er, Working Paper Series: Finance & Accounting, No. 27. 192 HeineiKerber, 13 European Journal of Law and Economics (2002), 47 ff. Vgl. dazu auch: SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (186). Differenzierend: Grundmann, ZGR 2001, 783 (826 f.), der die Pfadabhängikeit eher als Problem des Gesetzgebers, d.h. des Anbieters rechtlicher Lösungen sieht. Dagegen bestehe für die Gesellschaften als Nachfrager wegen der pfadabhängigen Unterschiede in Europa sogar mehr Wahlfreiheit als im homogenen US-amerikanischen Gesellschaftsrecht.
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terschiedlichen rechtlichen Traditionen und rechtspolitischen Vorgaben. 193 Aus der Fülle von Faktoren sollen beispielhaft einige herausgegriffen werden, die sich besonders auf die Stellung des Aktionärs und vor allem auf die konkrete Ausgestaltung der Aktionärsrechte auswirken. a) Kontrollphilosophie: interne und externe Kontrolle
Eine der zentralen Fragen im Bereich der Corporate Governance ist die nach der richtigen Kontrolle des Managements der Gesellschaft. Grundlage für diese Diskussion ist die Erkenntnis, dass es in einer größeren Kapitalgesellschaft zu einer Trennung von Eigentum und Herrschaft kommt. Unterschieden werden in der Literatur im Wesentlichen zwei verschiedene Grundmodelle, zum einen das Modell, in dem die interne Kontrolle der Gesellschaft im Mittelpunkt steht ("insider control system") und zum anderen das Modell, in dem die Kontrolle vorrangig über externe Steuerungsmechanismen abläuft ("outsider control system,,).194 Im ersten Modell erfolgt die Kontrolle des Geschäftsleitung maßgeblich über innergesellschaftliche Überwachungs- und Steuerungsmechanismen unter Einbeziehung verschiedener Interessengruppen (Stakeholder) mit privilegierten Informations- und Einflussmöglichkeiten. 195 Wesentliche Entscheidungen werden hier im Regelfall durch eine intensive informelle Abstimmung zwischen den Vertretern der verschiedenen Interessengruppen vorbereitet. Beim zweiten Modell findet die Überwachung des Unternehmenserfolgs dagegen hauptsächlich über den Kapitalmarkt statt. 196 Dabei hat das Verhalten von Akteuren, die außerhalb der Gesellschaft stehen und keinen persönlichen Einfluss oder privilegierte Informationen haben, eine wesentliche Steuerungsfunktion. Mit Blick auf Europa spiegelt sich das Modell der externen Kontrolle vor allem im Corporate Governance-System Großbritanniens wider, während sich das Modell der internen Kontrolle am deutlichsten in Deutschland zeigt. 197 193 In welche Richtung die Kausalzusammenhänge verlaufen, ob also die rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgaben Voraussetzung oder Folge einer bestimmten Corporate Govemance-Philosophie sind, ist jedoch nicht vollständig geklärt. Vgl. dazu: Teichmann, ZGR 2001,645 (650 f.). 194 SchmidtlSpindler, S. 13 ff.; Wymeersch, AG 1995, 299 (308 ff.); ders., AG 1998, 382 (391), der die Begriffe markt- bzw. unternehmensorientiertes Modell benutzt; Hopt, ZGR 2000, 779 (782 ff.); Teichmann, ZGR 2001, 645 (646 ff.). 195 SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (149); SchmidtlSpindler, S. 13. 196 SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (149); SchmidtlSpindler, S. 13; Wymeersch, AG 1995,299 (310). 197 Wymeersch, AG 1995, 299 (308); ders., AG 1998, 382 (391); SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (149 f.); SchmidtlSpindler, S. 13 ff.
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aa) Struktur des Aktienbesitzes und die Ausgestaltung des Auskunftsrechts Bei Betrachtung der verschiedenen Einflussfaktoren für die Herausbildung unterschiedlicher Corporate Governance-Systeme ist am auffälligsten, dass das jeweils praktizierte System eng mit der Struktur des Aktienbesitzes auf dem jeweiligen Kapitalmarkt zusammenhängt. 198 So weisen britische "companies" eine sehr breit gestreute Aktionärsstruktur auf, während sich die Anteile deutscher Aktiengesellschaften zumeist im Mehrheitsbesitz von nur wenigen Großaktionären ("blockholder") befinden. 199 In Großbritannien liegt der durchschnittliche Stimmrechtsanteil beispielsweise bei ungefähr 10%, wohingegen er in Deutschland 50% überschreitet und über 20% der Aktionäre sogar einen Anteil von über 90% der Stimmen haben?OO Eine unterschiedliche Verteilung des Aktienbesitzes erfordert auch unterschiedliche Steuerungs- und Kontrollmechanismen. Ein typisches Problem einer breiten Aktienstreuung besteht in der rationalen Apathie der Kleinaktionäre bei der Ausübung ihrer Kontrollrechte. 201 Die geringe Beteiligungsquote hat zur Folge, dass für den einzelnen Aktionär nur sehr wenig Anreiz besteht, sich aktiv an der Überwachung des Managements der Gesellschaft zu beteiligen. Grundsätzlich ist es zwar im Interesse des Aktionärs, die Handlungen des Managements zu kontrollieren, jedoch stehen die Informationskosten für Kleinaktionäre in keinem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen. Insofern kann es für sie sogar individuell rational sein, gar nicht abzustimmen oder als sog. "Free Rider" darauf zu vertrauen, dass andere Aktionäre gut informiert abstimmen und sie an dem daraus entste198 Behnke, NZG 2000, 665 (674); SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (151); Teichmann, ZGR 2001, 645 (651); Wymeersch, AG 1995,299 (315). 199 Vgl. für empirische Daten vor allem: BechtlRäell, European Economic Review 43 (1999), 1049 (1051 fO; vgl. auch: BechtlBähmer, Transparency of Ownership and Control in Germany, 1999. 200 BechtlRäell, European Economic Review 43 (1999), 1049 (1053); vgl. für weitere Zahlen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Govemance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report, S. 31. 201 Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 109 (111 0; ders., in: Hopt/Kanda/Roel Wymeersch/Prigge, Comparative Corporate Govemance, S. 545 (547 0; EasterbrooklFischel, S. 66; BaumslSchmitz, Arbeitspapier Nr. 76, S. 4 f.; Teichmann, ZGR 2001, 645 (651); PellenslHillebrand, AG 2001, 57 (59); Davies, Gower's Principles of Modem Company Law, S. 565; v. Rosen, in: Feddersen/Hommelhoffl Schneider (Hrsg.), Corporate Govemance, S. 289 (291 ff.). Vgl. zu diesem Problem auch: 2. Teil § 3 I. 1. b).
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henden Nutzen partizipieren. Gerade deshalb haben sich in Systemen mit breiter Aktienstreuung externe Überwachungsmechanismen herausgebildet. Die Kontrolle der Unternehmensleitung findet hauptsächlich über den Kapitalmarkt statt. Maßgeblich ist also nicht so sehr der direkte Einfluss des Aktionärs durch die Abgabe seiner Stimme, sondern der indirekte Einfluss durch die Möglichkeit des Verkaufs seiner Aktien ("Exit"),z02 Dadurch wird Druck auf den Aktienkurs und mittelbar auf die Unternehmensführung ausgeübt, denn der sinkende Aktienkurs lässt das Unternehmen zu einem potentiellen Übernahmekandidaten werden (Markt für Unternehmenskontrolle),z03 Die Herausbildung von kapitalmarktrechtlichen Regeln zur Sicherung der Funktion und Effektivität des Kapitalmarkts, wie Rechnungslegungs- und Publizitätsvorschriften, steht damit in engem Zusammenhang. 204 In Systemen mit konzentriertem Aktienbesitz sind die Probleme dagegen anders gelagert. Das mit der Trennung von Eigentum und Herrschaft einhergehende Kontrollproblem ist hier weniger ausgeprägt. Ein Mehrheitsaktionär ist in der Lage, seine Interessen gegenüber dem Management durchzusetzen, und wird auch nicht die Informationskosten einer aktiveren Überwachung der Unternehmens politik scheuen. 205 Insofern ist ein Management, das sich (nur) gegenüber einem oder mehreren Großaktionären rechtfertigen muss, sehr viel stärker an dessen bzw. deren Interessen gebunden,zo6 Die Voraussetzungen für eine gesellschaftsinterne Kontrolle der Unternehmensführung scheinen daher insgesamt besser. Die Kehrseite dieser intensiveren Bindung ist jedoch das Problem des Minderheitenschutzes. Zwar ist es vorstellbar, dass Minderheitsaktionäre als "Free Rider" von den Entscheidungen der Mehrheitsaktionäre profitieren, allerdings sind deren Interessen in der Regel anders gelagert als die der Minderheit, die zumeist ausschließlich an Dividenden und Kurssteigerungen interessiert ist. 207 Mehrheitsaktionäre legen tendenziell mehr Wert auf einen langfristigen Erfolg des Unterneh202 Manne, 75 Journal of Political Economy (1965), 110 ff.; ShleijerlVishny, 52 Journal of Finance (1997), 737 (756); SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und System lücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (169). 203 V gl. dazu: 2. Teil § 3 I. 1. b). 204 Wymeersch, AG 1995, 299 (308). 205 Teichmann, ZGR 2001, 645 (6520. 206 Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 109 (112); Prigge, in: HoptiKanda/Roe/ Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 943 (983 fO; SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (159); Teichmann, ZGR 2001, 645 (653); Shleijer/Vishny, 52 Journal of Finance (1997), 737 (755). 207 Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the Uni ted States, S. 109 (112); SchmidtlGrohs, in: Grundmann
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mens und nicht auf eine kurzfristige Kurssteigerung. Wegen dieses Interessenkonfliktes gehören verbandsrechtliche Minderheitsrechte in Systemen mit konzentriertem Aktienbesitz zu wichtigen Elementen des gesellschaftsinternen Steuerungsmechanismus. Dagegen spielt die Kontrollfunktion des Marktes in diesen Systemen keine so große Rolle. Das Vorhandensein von Großaktionären und die schwächer ausgeprägte Liquidität auf dem Kapitalmarkt hindert die Entwicklung eines funktionierenden Marktes für Unternehmenskontrolle. 208 Die unterschiedlichen Steuerungs- und Kontrollmechanismen wirken sich letztlich auch auf die konkrete Ausgestaltung der Aktionärsrechte aus. Exemplarisch hierfür ist insbesondere das Auskunftsrecht des Aktionärs. Dieses ist in den hier untersuchten Rechtsordnungen sehr unterschiedlich geregelt. Im deutschen und französischen Recht finden sich relativ umfangreiche Regelungen zum individuellen Auskunftsrecht des Aktionärs?09 Inhaltlich und zeitlich ist es in bei den Rechtsordnungen an die Abhaltung der Hauptversammlung gebunden?1O Darin zeigt sich der primär verbandsrechtliche Ansatz, der bei der Regelung des Auskunftsrechts zum tragen kommt. Es geht vor allem um die Stärkung der internen Willensbildung der Gesellschaft. Das Auskunftsrecht soll dem Aktionär eine sachgemäße Beurteilung der Tagesordnungspunkte der jeweiligen Hauptversammlung ermöglichen. Darüber hinaus spiegelt sich in den Regelungen des deutschen und französischen Rechts aber auch die größere Bedeutung des Minderheitenschutzes in Corporate Governance-Systemen mit tendenziell stärker konzentriertem Aktienbesitz wieder. Das Auskunftsrecht dient in seiner Ausgestaltung nicht nur der Kontrolle der Unternehmensführung, sondern ermöglicht auch ein Vorgehen gegen die Entscheidungen der Mehrheitsaktionäre. Diese Kontrollfunktion ergibt sich aus der Verknüpfung des Auskunftsrechts mit der Möglichkeit einer nachträglichen Beschlusskontrolle. Gerade die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen wegen Verletzung des Auskunftsrechts hat im deutschen Aktienrecht eine große praktische Bedeutung?ll (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (159). 208 Behnke, NZG 2000, 665 (674); Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387 (391); SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (159); Wymeersch, AG 1995, 299 (311). 209 Vgl. dazu: 3. Teil § 7 III. 1., 2. 210 Im deutschen Recht kann das Auskunftsrecht nach allgemeiner Ansicht nur in der Hauptversammlung gestellt werden. Dagegen ist das Auskunftsrecht im französischen Recht zumeist im Vorfeld der Hauptversammlung auszuüben. 211 So ist die Verletzung von Informationspflichten der am häufigsten geltend gemachte Anfechtungsgrund. Vgl. Zöllner, AG 2000, 145 (152).
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4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
Dagegen ist das individuelle Auskunftsrecht des Aktionärs im britischen Recht überhaupt nicht geregelt und hat auch eine sehr viel geringere Bedeutung als in den beiden anderen Rechtsordnungen?J2 Mit Blick auf die stärker kapitalmartorientierte Corporate Governance-Philosophie im britischen Aktienrecht ist dies auch nicht überraschend. Die Überwachung der Unternehmensführung erfolgt weniger durch den direkten Einfluss des Aktionärs als vielmehr durch den Kapitalmarkt selbst, der die Überwachungsfunktion der Hauptversammlung weniger dringlich macht. Der Aktionär wird dementsprechend weniger durch gesellschaftsinterne Auskunftsrechte geschützt. Ein gesetzlich festgelegtes Auskunftsrecht im Rahmen der Hauptversammlung würde sogar eine wesentliche Änderung des britischen Aktienrechts darstellen. 2J3 Größere Bedeutung haben kapitalmarktrechtliche Informationspflichten der Gesellschaften. Zudem macht die breitere Aktienstreuung der britischen "public companies" einen Minderheitenschutz durch gesellschaftsinterne Auskunftsrechte weniger dringlich. bb) Einfluss der Banken und die Ausgestaltung der Stimmrechtsvertretung Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor für die Herausbildung unterschiedlicher Corporate Governance-Systeme in Europa ist die unterschiedliche Rolle, die Banken bei der Unternehmensfinanzierung spielen. Auch dieser Unterschied zeigt sich wiederum am deutlichsten in Großbritannien und Deutschland?14 Während in Großbritannien die Aufgabe der Unternehmensfinanzierung vorrangig durch den Kapitalmarkt erfüllt wird, nehmen in Deutschland teilweise Banken eine ähnliche Funktion ein. Dies wird auch als weiterer Grund gesehen, warum die Kontrollfunktion des Kapitalmarktes im deutschen Corporate Governance-System weniger ausgeprägt ist. 2J5 Der Einfluss der Banken auf deutsche Unternehmen ist sehr vielfältig. Sie sind nicht nur Kreditgeber dieser Unternehmen, sondern haben seit langem ein intensives Netz von wesentlichen Beteiligungen aufgebaut und besetzen viele Aufsichtsratsposten in großen deutschen Unternehmen. 216 Für Vgl. dazu: 3. Teil § 7 III. 3. Davies, Gower's Principles of Modem Company Law, S. 565. 214 Hopt, ZGR 2000, 779 (802 ff.); ders., in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Govemance, S. 243 (261); Schmidt/Spindler, S. 14. 215 Hopt, ZGR 2000, 779 (803); Schmidt/Spindler, S. 14; Kaplan, in: Hopt/Wymeersch (Eds.), Comparative Corporate Govemance - Essays and Materials, S. 195 (200 f.); Hommelhoff, FS Zöllner, S. 235 (240); Baums/v. Randow, AG 1995, 145 (151); Escher- Weingart, ZV glRWiss 99 (2000), 387 (392). 216 Vgl. Hopt, ZGR 2000, 779 (804); Escher-Weingart, ZVglRWiss 99 (2000), 387 (393); ders., in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, S. 243 (251 ff.); Hommelhoff, FS Zöllner, S. 235 (238 ff.). 212 213
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den Bereich der Aktionärsrechte ist aber vor allem die Funktion der deutschen Banken als Stimmrechtsvertreter von Interesse. 217 In Deutschland ist es, anders als in Frankreich und Großbritannien üblich, dass Aktionäre ihre Depotbank zur Stimmrechtsausübung bevollmächtigen, so dass ein sehr beträchtlicher Anteil der Stimmrechte durch Banken ausgeübt wird?18 Aufgrund dieser besonderen Situation wurden im deutschen Aktienrecht spezielle Regelungen für die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute entwickelt. 219 Wichtigstes Regelungsproblem ist hierbei die Gefahr von Interessenkonflikten, die darauf beruht, dass deutsche Banken auch Kreditgeber oder Anteilsbesitzer der jeweiligen Unternehmen sind und daher andere Interessen verfolgen, als der vertretene Aktionär, der vor allem an Dividenden und Kurssteigerungen interessiert ist. 22o Die Ausübung des Stimmrechts unterliegt deshalb sehr strengen Anforderungen. So muss das Kreditinstitut den Aktionär ausführlich über ihr Abstimmungsverhalten informieren und diesbezügliche Vorschläge unterbreiten, bei denen sie sich vom Interesse des Aktionärs leiten lassen sol1. 22 \ In Frankreich und Großbritannien, wo Banken als Stimmrechts vertreter keine wesentliche Rolle spielen, haben sich dagegen andere Vertretungsmechanismen entwickelt, die vor allem die Verwaltung der Gesellschaft mit einbezieht. 222 So hat die Blankovollmacht ("procuration en blanc"), die gebräuchlichste Art der Stimmrechtsvertretung, zur Folge, dass der Vorsitzende der Hauptversammlung als Bevollmächtigter für die Vorschläge der Verwaltung stimmt. Ähnlich ist es 217 Wiebe, ZHR 166 (2002), 182 ff.; Hommelhoff, FS Zöllner, S. 235 (248 ff.); Hopt, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider (Hrsg.), Corporate Govemance, S. 243 (256 ff.); Escher-Weingart, ZVgIRWiss 99 (2000), 387 (392). 218 So hatten die Banken in 20 von 24 der größten Aktiengesellschaften in mehrheitlichen Streubesitz 1992 die Mehrheit der Stimmrechte und in 18 Hauptversammlungen konnten sie mit mehr als drei Viertel der Stimmen abstimmen, so dass sie faktisch zu einer Satzungsänderung in der Lage waren. Vgl. Baums, in: Baums/Wymeersch (Eds.), Shareholder Voting Rights and Practices in Europe and the United States, S. 109 (114); Baums/Fraun, AG 1995, 97 (103 Tab. 6); Wiebe, ZHR 166 (2002), 182 (183). 219 Vgl. dazu schon: 3. Teil § 7 IV. 1. c). 220 Schmidt/Grohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kemgebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (158); Hommelhoff, FS Zöllner, S. 235 (239 ff.); Baums/v. Randow, AG 1995, 145 (150); Baums, AG 1996, 11 (13). Teilweise wird daraus geschlussfolgert, dass die deutschen Universalbanken das Management zum Nachteil der Aktionäre stützen würden, weil das Management keinem Druck durch den Kapitalmarkt ausgesetzt ist. Vgl. Wenger/Kaserer, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), S. 499 (522). Differenzierend: Hopt, ZGR 2000, 779 (803). 221 Vgl. dazu ausführlich: 3. Teil § 7 IV. 1. c). 222 Da Inhaberaktien im britischen Aktienrecht unüblich sind, ist die Mitwirkung der Banken als Stimmrechtsvertreter dort auch nicht in dem Maß erforderlich. Vgl. dazu ausführlich: 3. Teil § 7 IV. 2., 3.
16 Pannier
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4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
in britischen "companies" üblich, dass die Gesellschaft selbst "proxy"-Formulare an die Aktionäre versendet, in denen zumeist die Direktoren als Stimmrechts vertreter benannt werden. cc) Interessenausrichtung und Struktur der Unternehmens führung Auch andere Einflussfaktoren beeinflussen die Herausbildung unterschiedlicher Corporate Governance-Systeme. Zu den zentralen Punkten in der Corporate Governance-Diskussion gehörten dabei von Anfang an die Arbeitnehmermitbestimmung und die Verwaltungsstruktur der Gesellschaft. 223 Auch hier sind die Unterschiede wiederum am deutlichsten im britischen und deutschen System zu erkennen. Die schwach ausgeprägte Arbeitnehmermitbestimmung und der eingliedrige Verwaltungsaufbau bewirken, dass das britische System stärker als das deutsche auf die Interessen der Aktionäre als einzige Stakeholder ausgerichtet ist (Shareholder Value)?24 Durch die Präsenz der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der deutschen Aktiengesellschaft fließen dagegen auch Interessen anderer Stakeholder in die Unternehmenssteuerung ein. Auch diese Unterschiede wirken sich letztlich auf die Stellung der Aktionäre in der Gesellschaft aus. Durch die Berücksichtigung auch anderer Interessen als die der Aktionäre scheint der Schutz der Eigenkapitalgeber im deutschen System auf den ersten Blick geringer zu sein. Zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und dem Aktionärsinteresse bestehen potentielle Zielkonflikte, denn Aktionären kommt es zumeist allein auf die Maximierung ihrer Investition an, während Arbeitnehmer unabhängiger vom geschäftlichen Erfolg entlohnt werden und statt dessen die Sicherung ihres Arbeitsplatzes oder höhere Löhne anstreben. 225 Jedoch trifft dies nicht notwendigerweise auf die im deutschen System vorherrschenden Mehrheitsaktionäre zu. Diese legen tendenziell mehr Wert auf eine langfristige Entwicklung des Unternehmens und berücksichtigen dabei auch andere Interessen. Daher scheint die Arbeitnehmerrnitbestimmung für solche Anteilseigner 223 Vgl. dazu ausführlich: Hopt, ZGR 2000, 779 (798 fO; ders., in: Hopt/Wymeersch (Eds.), Comparative Corporate Governance - Essays and Materials, S. 3 (0); Davies, ZGR 2001, 268 ff.; Ulmer, Hannonisierungsschranken des Aktienrechts, S. 51 ff.; Du PlessislDine, Journal of Business Law 1997, 23 (25 f.); BebchucklRoe, Stanford Law Review, 52 (1999), 127 (150); SchmidtlSpindler, S. 14; Wymeersch, in: in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 1045 (1078 ff.). 224 SchmidtlGrohs, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken in Kerngebieten des Europäischen Privatrechts, S. 145 (167 0; Wymeersch, AG 1995, 299 (310); Hopt, ZGR 2000, 779 (798 ff.). 225 Romano, S. 129 f.; Merkt, Rabe1sZ 59 (1995), 545 (558); Reher, S. 148.
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239
auch Vorteile zu bringen. 226 Im Übrigen finden Aktionäre mit einem großen Aktienanteil immer Wege, ihre Interessen gegenüber dem Management der Gesellschaft durchzusetzen. Für den im britischen System vorherrschenden Kleinaktionär ist dagegen die Shareholder Value-Orientierung des Managements von größerer Bedeutung. Diese ist zudem eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren externer Überwachungsmechanismen, denn der Markt für Unternehmenskontrolle ist auf eine einfache und schnelle Entscheidungsfindung der Anleger beim Kauf und Verkauf ihrer Aktien angewiesen. b) Regelungsphilosophie: Satzungsstrenge und Gestaltungsfreiheit
Auffälligster Unterschied bei den Regelungen der Aktionärsrechte im deutschen, französischen und britischen Recht ist das Ausmaß an Gestaltungsfreiheit, dass die aktienrechtlichen Vorschriften zulassen. Hier stehen sich verschiedenen Regelungskonzepte gegenüber. Während das deutsche und tendenziell auch das französische Aktienrecht überwiegend zwingend ausgestaltet sind, zeichnet sich das britische Aktienrecht durch weitgehende Satzungsfreiheit aus. 227 Im deutschen Recht setzt der Gestaltungsfreiheit vor allem die Vorschrift des § 23 V AktG eine Grenze, wonach die Satzung von den Vorschriften des Aktiengesetzes grundsätzlich nur abweichen kann, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. 228 Weil das deutsche Aktienrecht das Innenverhältnis der Gesellschaft sehr detailliert ausgestaltet, ist dies aber nur sehr selten der Fall. Auch wenn das französische Aktienrecht im Vergleich zum deutschen Recht mehr Satzungsspielraum zugesteht, sind viele Bereiche des Innenverhältnisses der SA gesetzlich zwingend festgelegt. 229 Im britischen Gesellschaftsrecht wird das Innenverhältnis der "company" traditionell zu einem großen Teil dem Satzungsrecht überlassen. Die größere Bedeutung der Satzungsfreiheit im britischen Recht hat ihren Grund 226 Dieser besteht in der vertrauensvolleren und effizienteren Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerschaft. Vgl. zu diesem Aspekt: Hopt, ZGR 2000, 779 (801); Grundmann, ZGR 2001, 783 (826); GerumlWagner, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Govemance, S. 341 ff. 227 Vgl. dazu auch: Hopt, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 123 (133, 137); Guyon, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 297 ff.; Schmidt, D., in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 291 ff.; Rajak, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 187 (208 ff., 213). 228 Zur Kritik an der aktienrechtlichen Satzungsstrenge: Hirte, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 61 ff.; Spindler, AG 1998,53 ff. 229 Guyon, in: Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 297 (305). 16*
240
4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
vor allem in der stärkeren Betonung der vertraglichen Grundlagen des Innenverhältnisses. Zwar werden durch die sog. Mustersatzung bestimmte Vorgaben gemacht, jedoch sind diese nur verbindlich, wenn die Gesellschaft nicht durch eigene Satzungsregeln davon abweicht. 23D Die unterschiedlichen Regelungskonzepte zeigen sich schon bei der Festlegung der Zuständigkeit der Hauptversammlung und ihrem Verhältnis zur Geschäftsführung der Gesellschaft. 231 Hier lassen das britische und mit Einschränkungen auch das französische Aktienrecht flexiblere Aufgabenverteilungen zu, als das deutsche, das die Zuständigkeiten der Gesellschaftsorgane sehr genau festlegt. Exemplarisch für den unterschiedlichen Gestaltungsspielraum in den drei untersuchten Rechtsordnungen sind aber auch die Regelungen zum Stimmrecht des Aktionärs. 232 Die strikteste Regelung findet sich wiederum im deutschen Recht. Höchst- und Mehrfachstimmrechte sind hier weitgehend ausgeschlossen, während sie im französischen und britischen Recht zulässige Gestaltungsformen darstellen. Ähnliches gilt auch für die Zulässigkeit von Stimmbindungsvereinbarungen. Während das deutsche und tendenziell auch das französische die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen einzuschränken, können sie im britischen Recht ohne wesentliche Beschränkungen vereinbart werden. Dies hängt auch eng mit dem unterschiedlichen Verständnis des Stimmrechts zusammen. So sehen das deutsche und französische Recht in typischen Fällen von Interessenkollisionen einen Stimmrechtsausschluss vor. Dagegen wird im britischen Recht der Eigentumscharakter des Stimmrechts stärker betont, weshalb das Stimmrecht allenfalls einer nachträglichen Missbrauchskontrolle unterliegt. Schließlich steht auch die geringere Bedeutung des Auskunfts- sowie des Anfechtungsrechts der Aktionäre im britischen Gesellschaftsrecht in engem Zusammenhang mit dem schon angesprochenen Vertragsdogma?33 Als prozessuale Entsprechung der vertraglichen Freiheit im Innenverhältnis der Gesellschaft hat sich die sog. "majority rule" entwickelt, die dazu führt, dass einem derartigen Minderheitenschutz im britischen Gesellschaftsrecht sehr viel engere Grenzen gesetzt sind, als dies im deutschen oder französischen Recht der Fall ist. 234
230
Vgl. dazu ausführlich: 3. Teil § 7 I. 3.
231 Vgl. dazu: 3. Teil § 7 I. 232
233 234
Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. Witt, AG 2000, 257 (264). Vgl. zur "majority rule": 3. Teil § 7 V. 3. a).
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241
3. Marktbestimmte Konvergenz oder fortbestehende Divergenz?
Wenn auch viele Unterschiede im Bereich der Corporate Governance noch fortbestehen, kann nicht angenommen werden, dass die Faktoren, die das jeweilige System beeinflussen, auf lange Sicht hin unveränderlich bleiben. Vielmehr sind, gerade was die Rolle der Aktionäre betrifft, europaweit vielfach einheitliche Entwicklungen zu konstatieren. So hat die fortschreitende Internationalisierung und zunehmende Bedeutung der Kapitalmärkte für die Unternehmensfinanzierung auch in Ländern wie Deutschland Auswirkungen auf die Aktionärsstruktur. Während noch vor 10 Jahren die Zahl der börsennotierten Aktiengesellschaften immer mehr zurückging, ist sie in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen und auch die Zahl der Aktionäre hat zugenommen. 235 Zugleich verstärkt sich auch der Einfluss von institutionellen Investoren, die eher an kurzfristigen Erträgen interessiert sind und sich aktiv am Aktienhandel beteiligen. 236 Schließlich scheint sich auch die Geschäftsstrategie der deutschen Banken von der traditionellen Fremdfinanzierung der Unternehmen hin zum Investmentgeschäft zu verlagern?37 Dies alles scheint die Tendenz zum Abbau beherrschender Gesellschafterstellungen im deutschen System zu fördern, so dass es mehr Aktionäre gibt, deren Anlagestrategien von denen der klassischen Großaktionäre abweichen. 238 Die Steigerung des Shareholder Value rückt mehr in den Mittelpunkt der Unternehmenspolitik. Damit gewinnt auch die Funktion des Kapitalmarktes als Bewertungs- und Kontrollmechanismus sehr viel mehr an Bedeutung. Den veränderten Umständen tragen auch die letzten Reformen des deutschen Aktienrechts Rechnung. So zeigt das erst kürzlich verabschiedete deutsche Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)239, dass dem Kapitalmarkt auch in Deutschland allmählich eine wichtigere Kontrollfunk235 Vgl. ausführlich zur Zahl der Aktiengesellschaften in Deutschland: Deutsches Aktieninstitut, DAI-Factbook 2001, Abschnitt 01. Die Zahl der Aktiengesellschaften und der ihr vergleichbaren Formen ist danach in Deutschland von 2.685 im Jahr 1990 auf 12.468 im August 2001 angestiegen. 236 Wymeersch, ZGR 2001, 294 (299); Davies, ZGR 2001, 268 (291). Sünner, AG 2000, 492 (493). 237 Hopt, ZGR 2000, 779 (806); ähnlich auch: Davies, ZGR 2001, 268 (291). Vgl. auch: Breuer, in: HoptlKanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Governance - the State of the Art and Emerging Research, S. 537 ff. Denn auch Banken werden zunehmend an Kriterien wie der Qualität ihrer Kreditportfolien gemessen. Sie müssen Risiken bei der klassischen Finanzierung verringern, die ihr Ergebnis verschlechtern können. Die Kapitalmarktorientierung hat die Situation und auch die Kreditpolitik der deutschen Banken gründlich verändert. 238 Dazu trägt auch das neue Steuerrecht bei, dass die Veräußerung beherrschender Stellungen prämiert: § 8b KStG; vgl. dazu: Vögele/Edelmann, IStR 2000, 463
(464).
242
4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
tion zukommt. Aber auch die Reformen, die bei der internen Willensbildung der Gesellschaft ansetzen, hatten zumeist auch das Ziel, das Aktienrecht an die Bedürfnisse der international agierenden deutschen Aktiengesellschaften und deren internationale Investoren anzupassen. Auswirkungen, die sich bei den Aktionärsrechten zeigen, sind beispielsweise die Durchsetzung des Prinzips "One Share - One Vote" durch das KonTraG sowie die Neuregelungen des Rechts der Namensaktie und die Einführung eines Gesellschaftsvertreters durch das NaStraG?40 Gerade die Renaissance der Namensaktie im deutschen Aktienrecht geht darauf zurück, dass deutsche Unternehmen verstärkt auch die internationalen Kapitalmärkte nutzen wollen?41 Letztlich kann man feststellen, dass auch, wenn in Europa weiterhin grundlegende Unterschiede im Bereich der Corporate Governance existieren, die Marktkräfte und der internationale Wettbewerb zu einer fortschreitenden Angleichung der rechtlichen Praxis führen. 242 Das spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen die These der Pfadabhängigkeit. Vielmehr zeigt die aktuelle Entwicklung, dass der Annäherung der Corporate GovernanceSysteme eine Angleichung der jeweiligen EinfIussfaktoren vorausgeht, die für die Herausbildung unterschiedlicher rechtlicher Lösungen verantwortlich waren.
4. Zusammenfassung Die vorausgegangenen Überlegungen zeigen, dass die Pfadabhängigkeit der Corporate Governance-Systeme ein Aspekt ist, der auch bei der Harmonisierung der Aktionärsrechte zu beachten ist. Die mitgliedstaatlichen Regeln im Bereich der Aktionärsrechte sind auf das jeweilig vorherrschende Corporate Governance-System und die dort auftretenden Problemstellungen abgestimmt. Daher kann sich eine gemeinschaftsrechtliche Regelung, die isoliert als die scheinbar beste Lösung erscheint, in einem System positiv, in einem anderen wiederum negativ auswirken, weil sie die gerade dort auftretenden Defizite nicht wirksam kompensieren kann. Das würde sie letztlich insgesamt ökonomisch ineffizient erscheinen lassen, so dass eine Regelung auf Ebene der Mitgliedstaaten vorzuziehen wäre. 239 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) vom 15.1l.2001, BGBI. I 2001, 3822, in Kraft getreten zum l.l.2002. Vgl. dazu: Zschocke, OB 2002, 79 ff.; Krieger, BB 2002, 53 ff. 240 Vgl. dazu ausführlich: 3. Teil § 7 IV. l. 241 Beispielsweise erhalten nur Namensaktien eine Zulassung and der New York Stock Exchange ("NYSE"). Vgl. Grumann/Soehlke, OB 2001, 576; Meyer-Sparrenherger, WM 1996, 117 (1118). 242 Hopt, ZGR 2000, 779 (817).
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Auch die schrittweise Annäherung der Corporate Governance-Systeme in Europa ändert daran nichts, denn diese ist marktbestimmt und basiert deshalb auf selbstregulativen Kräften, die den mitliedstaatlichen Gesetzgebern die Möglichkeit lassen, neue rechtliche Regeln in die jeweiligen Systeme einzupassen. Pfadabhängigkeit stellt damit eine weitere Grenze für die Harmonisierung der Aktionärsrechte dar.
IV. Private Regelgeber und Selbstregulierung Zu einem weiteren Regelungsinstrument für börsennotierte Aktiengesellschaften haben sich in den letzten Jahren die sog. "Corporate Governance Codes" entwickelt. In fast allen Mitgliedstaaten und auch auf internationaler Ebene existieren mittlerweile solche Codices. Sogar die EG-Kommission hat diese Regelwerke zuletzt in ihre Überlegungen zur Gesellschaftsrechtsharmonisierung einbezogen. 243 Bei der Suche nach der richtigen Regelungsebene und -intensität im Bereich der Aktionärsrechte ist bei börsennotierten Gesellschaften daher noch eine weitere (Zwischen-)Ebene zu beachten.
1. Rechtsnatur und Funktion der Corporate Governance Codes Allgemein definiert sind Corporate Governance Codes nichtbindende Prinzipien, Standards und Praktiken, die von einer nichtstaatlichen Einrichtung geschaffen werden und zur Verbesserung der Corporate Governance in börsennotierten Unternehmen beitragen sollen?44 Es handelt sich um eine Form der mittelbaren Regulierung, teils auch als "soft law" bezeichnet,245 wobei die Quasi-Bindung der Gesellschaften an den jeweiligen Codex sehr ähnlich gestaltet ist. So liegt vielen Regelwerken das sog. "Comply or Explain"-Prinzip zugrunde. Die Verhaltensregeln der Codices sind damit in der Regel nicht zwingend. Die Unternehmen werden jedoch zur Abgabe einer Entsprechenserklärung verpflichtet, durch die sie Akzeptanz des jeweiligen Codex bestätigen bzw. Abweichungen begründend erläutern müssen?46 Diese Erklärungspflicht trifft grundSätzlich börsennotierte Gesell243 Vgl. für einen rechtsvergleichenden Überblick: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Govemance Codes Relevant to the European Union And Hs Member States, Final Report & Annexes I-V, S. 2, 14 ff. 244 Ähnlich die Definition rechts vergleichenden Studie der Kommission, S. 1. Vgl. Nachw. in: Fn. 243. 245 Vgl. U/mer, ZHR 166 (2002), 150 (160); Lutter, ZGR 2000, 1 (18); Ramme/hoff, ZGR 2001, 238 (246).
244
4. Teil: Harmonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
schaften. Vorbildcharakter hat hier insbesondere der britische "Combined Code", bei dem die Entsprechenserklärung sogar Zulassungsvoraussetzung bzw. Zulassungsfolgepflicht für die Notierung an der Londoner Börse ist. 247 Im deutschen Recht ist die Pflicht zur Abgabe der Erklärung dagegen im Aktiengesetz festgelegt. 248 Ziel der Codices ist zum einen die Qualität der Unternehmensführung durch Vorgabe bestimmter international anerkannter Verhaltensstandards zu verbessern. Hinzu kommt aber, insbesondere beim Deutschen Corporate Governance Kodex, auch das Informationsziel. 249 So soll der Kodex die für deutsche Aktiengesellschaften geltende Unternehmensverfassung und gesetzlichen Verhaltensmaßstäbe für Unternehmensleitung und -überwachung in einer für ausländische Investoren verständlichen Form darstellen und auf diese Weise das deutsche Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen, um den Zugang der Gesellschaften zu internationalen Kapitalmärkten zu verbessern?SO
2. Konvergenz im Bereich der Aktionärsrechte Die Unterschiede, die in den Corporate Governance Systemen der verschiedenen Mitgliedstaaten bestehen, resultieren vorrangig aus den aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Regelungen, weniger jedoch aus den Vorgaben der unterschiedlichen Codices. Inhaltlich weisen die verschiedenen Corporate Governance Codes vielmehr viele Übereinstimmungen auf, und es ist sogar ein Trend zur Konvergenz zu erkennen. 251
246 Vgl. ausführlich zur sog. Entsprechungserklärung: Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (170 ff.); Seibt, AG 2002, 249 (251 ff.); Schüppen, ZIP 2002, 1269 (1271 ff.). Vgl. zu den verschiedenen Durchsetzungsmechanismen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Govemance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report & Annexes I-V, S. 16 ff. 247 Vgl. für das britische Recht: Art. 12.43 (a) und (b) der "Listing Rules" der Londoner Börse und Präambel Nr. 4 und 5 des "Combined Code", i.d.F. v. Mai 2000, abrufbar unter: wwwJsa.gov.uk.; dazu: Davies, ZGR 2001, 268 (273 f.). 248 Vgl. § 161 AktG, der durch das TransPuG (vgl. dazu die Nachw. in: 3. Teil, Fn. 41) eingeführt wurde und Erwägungsgrund 9 des Deutschen Corporate Governance Kodex, v. 26.2.2002, abrufbar unter: www.corporate-govemance-code.de. Nach Erwägungsgrund 11 des Deutschen Corporate-Govemance-Kodex wird auch nicht börsennotierten Gesellschaften die Beachtung der Vorgaben des Kodex empfohlen. 249 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 (153); Seibt, AG 2002, 249 (250 ff.); Seibert, BB 2002,581. 250 V gl. Erwägungsgrund 1 des Deutschen Corporate Govemance Kodex.
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Dies gilt insbesondere für den Bereich der Aktionärsrechte. Soweit die verschiedenen Corporate Governance Codes diesen Bereich ansprechen, fordern sie beispielsweise übereinstimmend die Gewährleistung der Gleichbehandlung der Aktionäre. Insbesondere Abweichungen vom Grundsatz "One Share - One Vote" sollen grundsätzlich vermieden oder zumindest offen gelegt werden. 252 Die Codices stimmen zumeist auch darin überein, dass sie den Abbau von Hindernissen für die Teilnahme an der Hauptversammlung und insbesondere der Stimmrechtsausübung oder Stimmrechtsvertretung fordern. 253 So bestimmt der Deutsche Corporate Governance Kodex, dass die Gesellschaften den Aktionären die persönliche Wahrnehmung ihrer Rechte erleichtern und sie bei der Stimmrechtsvertretung unterstützen sollen?54 Um auch ausländische Aktionäre stärker einzubinden, legt der Kodex fest, dass auch ausländischen Aktionären die Einberufung der Hauptversammlung mitsamt der Einberufungsunterlagen mitgeteilt werden sol1.255 Etwas allgemeiner fordert dagegen der "Combined Code" von den Gesellschaften eine konstruktive Nutzung der Hauptversammlung, um die Teilnahme der Privataktionäre zu stärken?56 Nach den Empfehlungen der französischen Hellebuyck Kommission wiederum sollen die Gesellschaften die Aktionäre an die Ausübung ihrer verschiedenen Aktionärsrechte gesondert erinnern 251 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Governance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report & Annexes I-V, S. 6. 252 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Governance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report, S. 40 f, Annex V, S. 331 ff. Am ausführlichsten regeln diesen Bereich die internationalen Codices, beispielsweise die OECD Principles of Corporate Governance in Ziff. 11. Vgl. dazu: Seibert, AG 1999, 337 ff. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (vgl. Ziff. 2.1.2.) wiederholt dazu im Wesentlichen die gesetzliche Regelung: vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 1. a). 253 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Governance Codes Relevant to the European Union And Its Member States, Final Report, S. 41 f., Annex V, S. 341 ff. 254 Vgl. Ziff. 2.3.3. des Kodex. Den Gesellschaften wird darin auch empfohlen, einen von der Gesellschaft bestimmten Stimmrechtsvertreter zu bestellen. Vgl. dazu: 3. Teil § 7 IV. 1. b). Angeregt wird ferner, dass dieser auch während der Hauptversammlung erreichbar ist (Anregungen gehören nicht zu den Regelungen, die von der Entsprechungserklärung umfasst sind). 255 Vgl. Ziff. 2.3.2. des Kodex. Angesprochen ist hier das Problem, dass im Fall von Inhaberaktien ausländische Kreditinstitute durch das Aktiengesetz selbst nicht verpflichtet werden können, die relevante Information weiterzuleiten. Selbst wenn die ausländischen Institute weiterleiten, werden die Termine bei herkömmlicher postalischer Übermittlung oft überschritten. Vgl. dazu: Noack, DB 2002, 620 (622). 256 Vgl. lit. C.2. der Principles of Good Governance und lit. C.2. des Code of Best Practice.
246
4. Teil: Hannonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
und über die dafür bestehende Voraussetzung in einem "Guide" informieren. 257 Ein weiteres Anliegen vieler Codices im Bereich der Aktionärsrechte ist die Verbesserung der Informationsweitergabe durch Nutzung moderner Kommunikationsmittel. Hier fordert beispielsweise der Deutsche Kodex über die Anforderungen des Aktiengesetzes hinausgehend, dass die Gesellschaft die im Zusammenhang mit der Einberufung der Hauptversammlung stehenden Berichte und Unterlagen einschließlich des Geschäftsberichts nicht nur auszulegen und zu übermitteln, sondern auch auf der InternetSeite der Gesellschaft zusammen mit der Tagesordnung zu veröffentlichen hat. 258 Des Weiteren soll die Einberufung mitsamt der Einberufungsunterlagen auf Verlangen auch auf elektronischem Wege mitgeteilt werden?59 In ähnlicher Weise empfiehlt auch die Hellebuyck Kommission den Gesellschaften die nötigen Informationen für die Hauptversammlung in elektronischer Form zu übermitteln bzw. bereitzustellen?60 Darüber hinaus sollten die Gesellschaften generell für die Möglichkeit einer elektronischen Stimmabgabe in der Hauptversammlung zu sorgen. 261
3. Vorteile der Corporate Governance Codes Die Entwicklung der Corporate Governance Codes hat das Aktienrecht in den letzten Jahren stark beeinflusst. So hat die in diesem Bereich geführte Diskussion dazu beigetragen, dass bestimmte Regelungspunkte aufgedeckt wurden, die von den am Wirtschaftsleben selbst beteiligten Personen für verbesserungswürdig erachtet werden. Zudem sind die Vorgaben der Codices in der Regel nicht zwingend und der Unternehmensführung bleibt die Möglichkeit, davon abzuweichen, soweit sie dies im Interesse der Gesellschaft für nötig halten. Somit können die Unternehmen flexibel und zielgenau auf zukünftige Entwicklungen reagieren und ihre eigenen Corporate Governance Regeln anzupassen. Wie die Aktienrechtsreformen der letzten Jahre gezeigt hat, führte die Corporate Governance-Debatte darüber hinaus zu einem gewissen Anpassungsdruck für die nationalen Gesetzgeber. Dies gilt nicht nur für Systeme, in denen das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft in einem geringeren 257 Vgl. § I. B. 1. und 4. der Empfehlungen der Association Fran9aise de la Gestion Financiere - Association des Societes et Fonds Fran9ais d'Investissement ("AFG-ASFFI") (Hellebuyck Commission Recommendations), v. September 2001, abrufbar: www.afg-asffi.com. 258 Vgl. Ziff. 2.3.1. und Ziff. 6.4., 6.8. des Kodex. 259 Vgl. Ziff. 2.3.2. des Kodex. 260 Vgl. § 1. B. 2. der Empfehlungen. 261 Vgl. § I. C. 6. der Empfehlungen.
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Maß zwingend ausgestaltet ist und das positive Recht viele Lücken lässt. Auch in Systemen, wie dem deutschen, die schon eine hohe Regulierungsdichte aufweisen und deshalb für Empfehlungen eines Codex weniger Spielraum bieten, wurden viele der vorher diskutierten Punkte in Gesetzesrecht umgesetzt. 262 Schließlich sorgen die Corporate Governance Codes auch dafür, dass sich ausländische Anleger über die verschiedenen Corporate Governance Systeme und die darin für bestimmte Probleme gewählten Lösungen ohne großen Zeit- und Kostenaufwand vor eine Investition oder Deinvestition informieren können. 263 Die offengelegte Entsprechenserklärung ermöglicht letztlich auch eine Überprüfung, inwieweit die jeweilige Gesellschaft bestimmte Standards einhält oder davon begründet abweicht.
4. Zusammenfassung Die Corporate Governance Codes tragen gestärkt durch den Druck der Kapitalmärkte zu einer zunehmenden Angleichung der Regeln für börsen notierte Gesellschaften im Bereich der Corporate Governance bei. Gerade im Bereich der Aktionärsrechte trifft man bei der Untersuchung der unterschiedlichen Codices auf bemerkenswerte Übereinstimmungen, wobei die Entwicklung immer noch im Fluss ist und jeder nationale Codex an das jeweilige Aktienrecht angepasst ist. 264 Inhaltlich geht es den Codices zumeist um eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Aktionären. Angesprochen werden der Abbau von Hindernissen für die Teilnahme an der Hauptversammlung, insbesondere für die Stimmrechtsausübung oder Stimmrechtsvertretung, aber auch bei der Informationsweitergabe, auch an ausländische Aktionäre. Den Bereich, in dem eine Angleichung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene gefordert wird, haben die Regelgeber der Corporate Governance Codes in den Blick 262 So hat sich die deutsche Regierungskommission "Corporate Govemance Unternehmensführung - Unternehmenskontrolle - Modemisierung des Aktienrechts" in ihrem Abschlussbericht vom Juli 2001 nicht nur für einen Corporate Govemance Kodex ausgesprochen, sondern auch für bestimmte Änderungen des Aktienrechts. Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Govemance, 2001, BT-Drs. 14/7515. 263 Vgl. dazu auch: Seibert, BB 2002, 581; Seibt, AG 2002, 249 (250). 264 Gerade deshalb spricht sich auch die von der Kommission eingesetzte Untersuchungsgruppe gegen einen Kodex auf europäischer Ebene aus. Vielmehr würden die Vorteile, die eine solche flexible Art der Regulierung mit sich bringt, überwiegen. Zudem seinen die Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Codices so gering, dass eine Beeinträchtigung des Gemeinsamen Marktes nicht vorliege. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Comparative Study Of Corporate Govemance Codes Relevant to the European Union And Hs Member States, Final Report, S. 6.
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4. Teil: Harrnonisierungsgrenzen im Bereich der Aktionärsrechte
genommen. Auch wenn hier keine detaillierten Vorgaben gemacht werden, müssen die Gesellschaften zumindest erklären, inwieweit sie diese Vorgaben in die Praxis umsetzen. Der ihnen dabei überlassene Spielraum ermöglicht es, die Vorgaben an die jeweiligen Bedürfnisse der Gesellschaft, die vorhandene Aktionärsstruktur und den Stand der Kommunikationstechnik anzupassen. Einen wichtigen Beitrag leistet insbesondere der deutsche Kodex zur Verbesserung der Information über das Produkt selbst, d. h. über die Aktie und die mit ihr verbundenen Mitgliedschaftsrechte. Das trägt dazu bei, die Besonderheiten des deutschen Rechts auch für das internationale Anlegerpublikum sichtbarer werden zu lassen. Soweit die Regelgeber der Corporate Governance Codes in der Zukunft in der Lage sind, für eine effiziente Normsetzung im Bereich der Aktionärsrechte zu sorgen, steht auch dies einer Harmonisierung auf europäischer Ebene entgegen.
5. Teil
Wesentliche Ergebnisse und Thesen § 10 Wesentliche Ergebnisse Das Konzept des Aktionärsschutzes im Europäischen Gesellschaftsrecht erfährt seine grundsätzliche Prägung schon durch die Grundfreiheiten des EG-Vertrages. Der Schutz des Aktionärs bezieht sich dabei in umfassender Weise auf seine Kapitalbeteiligung. Unterscheiden kann man den Typus des Unternehmer-Gesellschafters und den des Anleger-Gesellschafters. Den Unternehmer-Gesellschafter schützt vor allem die Niederlassungsfreiheit. Angesprochen ist hier der Gesellschafter, der durch die Größe seiner Beteiligung unternehmerischen Einfluss auf das Geschehen innerhalb der Gesellschaft ausüben kann. Vom Schutz eingeschlossen ist nicht nur die Gründung, sondern auch die Beteiligung an einer bereits bestehenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat. Außerdem gehört zum primärrechtlich geschützten Bereich auch die grenzüberschreitende Steuerung der Gesellschaft durch gesellschaftsrechtliche Instrumente. Die Niederlassungsfreiheit umfasst beispielsweise auch die grenzüberschreitende Ausübung des Stimmrechts. Der Anleger-Gesellschafter wird dagegen vor allem durch die Kapitalverkehrsfreiheit geschützt. Angesprochen ist hier der Gesellschafter, der nicht vorrangig unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben will, sondern dem es vor allem auf die ertragsbringende Kapitalanlage ankommt. Der Umfang der Beteiligung an einem Unternehmen spielt bei ihm keine Rolle. Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt damit insbesondere auch die Direktinvestition durch den Erwerb von Aktien oder anderen Wertpapieren mit Beteiligungscharakter. Im Bereich der Aktionärsrechte zeigen die Grundfreiheiten vor allem in den Fällen Wirkung, in denen die Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte den grenzüberschreitenden Verkehr der Aktien behindert. Wenn Instrumente, die das Gesellschaftsrecht für die Steuerung des Unternehmens bzw. für die Ausübung der mit der Kapitalanlage verbundenen Rechte bereitstellt, den Zugang zum inländischen Markt beschränken, so müssen diese Beeinträchtigungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Bei den einzelnen Gestaltungsformen, wie beispielsweise Mehrfach- oder Höchststimmrechte, muss allerdings jede Regelung einzeln auf ihre Wirkung hin überprüft werden.
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5. Teil: Wesentliche Ergebnisse und Thesen
Auch durch Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte und Schaffung supranationaler Gesellschaftsformen macht die Gemeinschaft für den Aktionär und dessen Schutz bestimmte Vorgaben. Ausgangspunkt für die Regelung von Aktionärsrechten ist zumeist das Kontroll- und Steuerungsproblem, dass mit dem Auseinanderfallen von Eigentum und Herrschaft einhergeht. Zur Lösung dieses Problem sind verschiedene Regelungskonzepte denkbar, die sich ergänzen aber auch ganz ersetzen können. Zum einen kann man dem Aktionär gesellschaftsinterne Steuerungsinstrumente an die Hand geben. Der Schutz des Aktionärs erfolgt dann primär über verschiedene Verwaltungs- und Vermögensrechte, die einen Ausgleich für das Fehlen anderer Sicherungsmechanismen für ihre Investition bringen sollen. Dies soll den direkten Einfluss des Aktionärs auf die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft zumindest in den Fällen ermöglichen, in denen wesentliche Entscheidungen getroffen werden. Zum anderen kann man das Kontrollproblem über Mechanismen der Außensteuerung lösen. Zentrales Instrument ist hier die Kontrollfunktion des Kapitalmarktes. In einem solchen Konzept findet der Aktionärsschutz vor allem über Regelungen statt, die gleichzeitig die Funktionsfähigkeit des Marktes sichern sollen. Ein zweites Regelungsproblem innerhalb der Aktiengesellschaft betrifft nicht das Verhältnis der Aktionäre zum Management, sondern primär das Verhältnis der Aktionäre zueinander. Es geht hier um den Schutz der Minderheitsaktionäre. Typischerweise tritt dieses Regelungsproblem bei Aktiengesellschaften mit konzentriertem Aktienbesitz auf, bei der das Management als verlängerter Arm der Hauptaktionäre erscheint. Um der Gefahr vorzubeugen, dass die Mehrheit ihre Position dazu ausnutzt, sich Sondervorteile zum Nachteil der Minderheitsaktionäre verschaffen, werden den Minderheitsgesellschaftern verschiedene Rechte zugestanden, wie beispielsweise die Einberufung der Hauptversammlung oder die Einflussnahme auf die Tagesordnung. Dem Minderheitenschutz dienen des Weiteren der Gleichbehandlungsgrundsatz oder auch die Vorschriften über qualifizierte Mehrheiten oder Stimmverbote bei Interessenkollisionen. Die soeben geschilderten verschiedenen Regelungsprobleme ergeben sich auch im Europäischen Gesellschafts- bzw. Unternehmensrecht. Das Regelungskonzept der Gemeinschaft trifft dabei keine Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Systems, vielmehr kombiniert es die verschiedenen Steuerungsmechanismen. Neben Regelungen der internen Steuerung, wie Aktionärsrechten, umfasst das Konzept auch Regelungen der externen, kapitalmarktbasierten Steuerung der Gesellschaft. Gemeinsames Merkmal aller Schutzbestimmungen ist dabei die Dominanz von Informationsregeln. Dies gilt nicht nur für Rechtsakte, die primär das Außenverhältnis der Gesellschaft betreffen. Die Informationsbasis der Anleger soll hier durch Bilanz und primärmarktrechtliche Publizitätsinstrumente verbessert werden.
§ 10 Wesentliche Ergebnisse
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Auch im Innenverhältnis dominieren Informationsregeln. Drei Elemente stechen dabei besonders hervor: (1) Regeln, die die Preisgabe der Information anordnen (2) Regeln, die die Richtigkeit der Information verbürgen und (3) Regeln, die eine Reaktion auf die Information ermöglichen sollen. Bei wichtigen Strukturentscheidungen verbinden sich diese Elemente zu einem Beteiligungssystem, das sich in nahezu allen gesellschaftsrechtlichen Richtlinien bzw. Richtlinienvorschlägen und auch im SE-Statut widerspiegelt. Zentrale Elemente des Schutzes sind (1) die Mitentscheidungsbefugnis des Aktionärs, (2) die Pflicht der Unternehmensleitung, den Aktionär über die Umstrukturierung umfassend zu informieren sowie (3) die Absicherung dieser Information. Dem Aktionär wird also bei wesentlichen Strukturänderungen, wie der Verschmelzung, der Spaltung, der grenzüberschreitenden Sitzverlegung, der Gründung einer Europäischen Aktiengesellschaft und letztlich auch bei der Übernahme die letzte Entscheidung überlassen. Diese trifft er in der Regel kollektiv innerhalb der Hauptversammlung, teilweise jedoch auch individuell durch den Verkauf der Aktie oder dem Austritt aus der Gesellschaft. Damit diese Entscheidung rational und gewinn-maximierend getroffen werden kann, sind die Verwaltungs- bzw. Leitungsorgane der beteiligten Gesellschaften verpflichtet, den Aktionär über die geplante Maßnahme und insbesondere über ihre Auswirkungen auf den Anteil seiner Beteiligung zu informieren. Die Richtigkeitsgewähr dieser Information soll durch die externe Prüfung der Information und der zivilrechtlichen Haftung der Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans als auch der sachverständigen Prüfer gegenüber den Aktionären gewährleistet werden. Wenn man die Regelungsbereiche der Richtlinien betrachtet, ist zu erkennen, dass die hier vorgegebenen Standards vor allem der Gefahr begegnen sollen, dass der Anteil an der Gesellschaft im Rahmen von Strukturmaßnahmen seinen wesentlichen Gehalt verliert. Geschützt wird dementsprechend primär das Interesse der Aktionäre an der relativen Beteiligung in der Gesellschaft. Ergänzt wird dieser Schutz für den Fall von Barkapitalerhöhungen durch ein Bezugsrecht. Der Schutz des Minderheitsaktionärs ist im Europäischen Gesellschaftsrecht dagegen weniger ausgeprägt. Einen gewissen Beitrag leistet hier allerdings die Richtigkeitsgewähr der Mehrheitsentscheidung und der Gleichbehandlungsgrundsatz. Abgesehen von diesen "Grundrechten" bei Strukturentscheidungen wird der eigentliche Inhalt des Gesellschaftsanteils durch Europäisches Gesellschaftsrecht kaum angeglichen. Für die mit der Aktie verbundenen Verwaltungsrechte, wie das Teilnahmerecht, das Auskunftsrecht, das Stimmrecht und die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der Beschlüsse macht das europäische Recht nur marginale Vorgaben. Die Struktur-Richtlinie, das zentrale Vorhaben in diesem Bereich, gilt als gescheitert. In vielen Punkten folgt ihr Regelungskonzept einem detailliert ausgestalteten System des Ak-
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tionärsschutzes, das dem des deutschen Aktienrechts sehr ähnlich ist. Auch die Verordnung über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft enthält nur punktuelle Vorgaben für die Ausgestaltung der Aktionärsrechte. Der mitgliedschaftliche Schutz der Aktionäre einer Europäischen Aktiengesellschaft richtet sich deshalb vorrangig nach mitgliedstaatlichem Recht. In den drei wirtschaftlich wichtigsten Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien gibt es im Bereich der Verwaltungsrechte trotz einiger Grundtendenzen viele Unterschiede. Auffällig ist dies schon beim Teilnahmerecht des Aktionärs und den Regelungen zur Einberufung der Hauptversammlung. Sehr verschiedenartig ist auch das Auskunftsrecht des Aktionärs innerhalb der Hauptversammlung ausgestaltet. Besonders auffällig sind die Unterschiede jedoch beim Stimmrecht und der Möglichkeit der Stimmrechtsvertretung. Die striktesten Regelungen finden sich zumeist im deutschen Recht. Der Schutz der Minderheitsaktionäre scheint hier tendenziell am stärksten ausgebildet. Das zeigt sich an längeren Ladungsfristen, niedrigeren Anteilserfordemissen für das Ladungsrecht oder die Ergänzungsanträge und an einem umfangreichen Auskunftsrecht. Differenzen gibt es auch bei der Frage, wie viel Gestaltungsfreiheit die aktienrechtlichen Vorschriften zulassen. Während das deutsche und zu einem großen Teil auch das französische Aktienrecht überwiegend zwingend ausgestaltet ist, zeichnet sich das britische Aktienrecht durch weitgehende Satzungsfreiheit aus. Angesichts der geringen Harmonisierungsdichte mehren sich in jüngster Zeit die Stimmen, die eine Angleichung der nationalen Vorschriften im Bereich der Aktionärsrechte für unabdingbar halten. Schon wegen der rechtlichen Harmonisierungsgrenzen stellt sich allerdings die Frage, ob eine Regelung auf nationaler oder anderer untergeordneter Ebene nicht ausreichend ist. Insbesondere die Ideen, die dem Konzept eines Wettbewerbs der Regelgeber zugrunde liegen, sprechen dabei gegen eine umfassende Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene. Die Vorteile, die ein regulativer Wettbewerb in diesem Segment zeigt, lassen eine Regelung auf unterer Ebene effizienter erscheinen. Zwar gibt es wegen der Diversität der Gesellschaftsanteile negative Effekte, die die Ausübung der Aktionärsrechte, insbesondere des Stimmrechts, erschweren. Jedoch spricht dies allein noch nicht zwingend für eine Harmonisierung, denn gerade bei den Instrumenten für die Ausübung des Stimmrechts hat sich das mitgliedstaatliehe Recht in den letzten Jahren weiter entwickelt. Der Wettbewerbs druck zeigt gerade bei diesen Regelungen Wirkung und führt zu einer Überprüfung und Anpassung durch die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber. Gleichzeitig handelt es sich auch um einen Bereich, in dem die Entwicklung schnell voranschreitet und immer neue Möglichkeiten der Kommunikation entdeckt werden. Diese finden später auch im Gesellschaftsrecht ihren Anwendungsbereich und tragen letzt-
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lich zur Verbesserung der Beteiligung des ausländischen Aktionärs an der Willens bildung der Gesellschaft bei. Gerade angesichts der Fülle der denkbaren Modelle einer Aktionärsbeteiligung und des Fehlens von Erfahrungen auf diesem Gebiet scheint eine Regulierung auf zentraler Ebene nicht angebracht. Ähnliches gilt auch für verschiedene Informationsprobleme. Insbesondere beim Informationsfluss zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär haben sich neue Möglichkeiten der schnellen und umfassenden Information über modeme Kommunikationsmittel entwickelt und werden immer mehr von den Gesellschaften eingesetzt. Auf diese Entwicklungen können Regelgeber auf untergeordneter Ebene effizienter reagieren. Auch die pfadabhängigen Unterschiede im Bereich der Aktionärsrechte sind ein Aspekt, der bei der Frage nach der richtigen Regelungsebene zu beachten ist. Die nationalen Vorschriften sind auf das jeweilig vorherrschende Corporate Governance-System und die dort auftretenden Problemstellungen abgestimmt. In deutschen System, in dem der Aktienbesitz stark konzentriert ist, spielen Mechanismen der internen Kontrolle eine sehr viel größere Rolle. Auch der Schutz der Minderheitsaktionäre ist in einem solchen System sehr viel stärker ausgeprägt. Exemplarisch dafür ist die Ausgestaltung des individuellen Auskunftsrechts, das im deutschen Recht sehr weitgehend geregelt ist. Im britischen System, in dem der Aktienbesitz weiter gestreut ist, erfolgt die Überwachung der Unternehmensführung dagegen weniger durch den direkten Einfluss des Aktionärs. Größere Bedeutung hat hier die Kontrolle der Unternehmensleitung über den Kapitalmarkt, weshalb kapitalmarktrechtliche Informationspflichten ein stärkeres Gewicht haben. Der Aktionär wird dementsprechend weniger durch gesellschafts interne Auskunftsrechte geschützt. Die breitere Aktienstreuung macht in diesem System einen Minderheitenschutz durch gesellschaftsinterne Auskunftsrechte auch weniger dringlich. Ein weiteres Beispiel pfadabhängiger Unterschiede im Bereich der Aktionärsrechte ist die Herausbildung der verschiedenen Mechanismen für die Stimmrechtsvertretung. In Frankreich und Großbritannien, wo Banken als Stimmrechts vertreter keine wesentliche Rolle spielen, haben sich Vertretungsmechanismen entwickelt, die vor allem die Verwaltung der Gesellschaft mit einbeziehen. In Deutschland gibt es dagegen spezielle Regelungen für die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute. Das zeigt, dass eine gemeinschaftsrechtliche Regelung, die isoliert als die scheinbar beste Lösung erscheint, sich auch negativ auswirken kann, wenn sie die in den verschiedenen Systemen auftretenden unterschiedlichen Regelungsprobleme nicht lösen kann. In diesem Fall wäre eine Regelung auf Ebene der Mitgliedstaaten vorzuziehen. Den Bereich, in dem eine Angleichung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene gefordert wird, nehmen auch die Regelgeber der Corporate Governance Codes zunehmend in den Blick. Die Codices tragen hierbei, 17 Pannier
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gestärkt durch den Druck der Kapitalmärkte, zu einer weiteren Angleichung der Regeln für börsen notierte Gesellschaften im Bereich der Corporate Governance bei. Inhaltlich geht es diesen Regelwerken zumeist um eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Unternehmensführung und Aktionären. Angesprochen werden der Abbau von Hindernissen für die Teilnahme an der Hauptversammlung, insbesondere für die Stimmrechtsausübung oder Stimmrechts vertretung, aber auch die Verbesserung der Informationsweitergabe an ausländische Aktionäre. Der Spielraum, den die Codices dabei lassen, ermöglicht es den Gesellschaften, die Vorgaben an die jeweiligen Bedürfnisse der Gesellschaft, insbesondere an die vorhandene Aktionärsstruktur und den Stand der Kommunikationstechnik anzupassen. Bei der Information über das Produkt selbst, d. h. über die Aktie und die mit ihr verbundenen Mitgliedschaftsrechte, leistet insbesondere der deutsche Kodex einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Informationsverbreitung, so dass die Unterschiede bei den Aktionärsrechten auch für das breite Anlegerpublikum sichtbarer werden. Auch diese Entwicklung spricht gegen eine Harmonisierung der Aktionärsrechte auf europäischer Ebene.
§ 11 Thesen Die vorangegangene Untersuchung lässt sich in folgenden Thesen zusammenfassen: - Vorrangiges Ziel des Europäischen Gesellschaftsrechts ist der Abbau von Beschränkungen grenzüberschreitender Kapitalbeteiligungen. Schon die Grundfreiheiten des EG-Vertrages schützen den Aktionär in der Weise, dass sie in Fällen, in denen die Ausgestaltung der Mitgliedschaftsrechte den grenzüberschreitenden Verkehr der Aktien behindern, deregulierend auf das nationale Gesellschaftsrecht wirken. - Das Konzept des Aktionärsschutzes im Europäischen Gesellschaftsrecht zeichnet sich durch Dominanz von Informationsregeln aus, die sich bei wichtigen Strukturentscheidungen zu einem umfassenden Beteiligungssystem verbinden. Zentrale Elemente sind hierbei die Mitentscheidungsbefugnis des Aktionärs, die Informationspflicht der Unternehmensführung und die Absicherung dieser Information durch externe Überprüfung und Haftungsvorschriften. Die durch das Sekundärrecht vorgegebenen Standards sollen vor allem der Gefahr begegnen, dass der Anteil an der Gesellschaft im Rahmen von Strukturmaßnahmen seinen wesentlichen Gehalt verliert. - Die mit der Aktie verbundenen Verwaltungsrechte, wie das Teilnahmerecht, das Auskunftsrecht, das Stimmrecht und die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der Beschlüsse, werden durch das Europäische
§ 11 Thesen
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Gesellschaftsrecht kaum angeglichen. Trotz eInIger Gemeinsamkeiten und Grundtendenzen in den Aktienrechten Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens bestehen erhebliche Unterschiede, die die grenzüberschreitende Ausübung der Aktionärsrechte behindern können. - Eine Angleichung der Aktionärsrechte innerhalb der Hauptversammlung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt trotzdem nicht empfehlenswert. - Die Möglichkeit eines Wettbewerbs der Regelgeber im Bereich der Aktionärsrechte spricht gegen eine gemeinschafts weite Standardisierung. Es ist zu erwarten, dass der Wettbewerb auch in diesem Marktsegment zu effizienteren Angleichungsergebnissen führt. Auch die negativen Effekte, die die Diversität der Gesellschaftsanteile mit sich bringt, sprechen nicht zwingend für eine Harmonisierung, denn gerade bei den Instrumenten für die Ausübung des Stimmrechts oder der Information der Aktionäre zeigt der Wettbewerbsdruck Wirkung und führt zu einer Überprüfung und Anpassung durch die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber. - Die Unterschiede bei den Aktionärsrechten sind zum Teil pfadabhängig. Die einzelnen Regelungen sind auf das jeweilige Corporate GovernanceSystem abgestimmt. Eine gemeinschaftsrechtliche Lösung, die isoliert als die scheinbar beste Lösung erscheint, kann sich in den unterschiedlichen Systemen effizienzmindernd auswirken, so dass eine Regelung auf mitgliedstaatlicher Ebene vorzuziehen wäre. - Auch die Entwicklung im Bereich der Corporate Governance Codes spricht gegen eine Harmonisierung der Aktionärsrechte. Die Codices nehmen auch die Probleme bei der grenzüberschreitenden Ausübung der Aktionärsrechte zunehmend in den Blick und tragen bei börsennotierten Gesellschaften gestärkt durch den Druck der Kapitalmärkte zu einer weiteren Angleichung der Aktionärsrechte bei.
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Stichwortverzeichnis Abfindung 82, 118, 121 abuse de majorite 184 f. action en nullite 185 actionne specifique 46 f. Aktionärsschutz 78 ff. Anfechtungsklage 183 f. Anfechtungsrecht 180 ff. Anlegergesellschafter 18, 44 ff. Anlegerschutz 24, 44 ff., 81 ff., 191 ff. articles of association 151 assemblee d'actionnaires 148 Auskunftsrecht 80, 133 f., 162 ff., 233 ff. Austrittsrecht 86, 120 f. Ausübungsmodalität 29 f., 47, 198 f. Banken 93, 170, 175, 180, 236 ff. Beschlusskontrolle 180 ff., 185, 235 Beschlussmehrheiten 82 f., 92 ff., 113, 119, 144 f., 170 Beschränkungsverbot 27 ff., 64 Bezugsrecht 66, 76, 81, 85, 112 ff., 251 Bilanz-Richtlinien 59 Blankovollmacht 173 f. c1ass rights 187 Code de commerce 149 Combined Code 151, 166, 244 f. common law 150, 189 Companies Act 1985 150 Comply or Explain 243 conseil d'administration 149 conseil de surveillance 149 Corporate Govemance 147, 212, 229 ff., 243 ff. 19*
Corporate Govemance Codes 253
243 ff.,
Delaware-Effekt 55, 214 f. Deutscher Corporate Govemance Kodex 147, 169, 244 f. Dienstleistungsfreiheit 20, 23, 27, 34 f., 44 Direktinvestitionen 39, 43 ff. Diskriminierungsverbot 26 ff., 48, 64 Dividende 81, 149, 152, 234, 237 Dualistisches Verwaltungssystem 128 ff., 138, 139, 141 f. Eigene Aktien 94 f., 167, 172 Einberufung der Hauptversammlung 82, 85, 96, 103, 117 f., 127, 131 f., 144, 146, 153 ff., 225, 245 f., 250 Einsichtsrechte 108, 164 Elektronische Kommunikationsmittel 154, 159, 168 f., 173, 177,227,246 Erforderlichkeitskriterium 196 ff. Europäische Aktiengesellschaft 52, 56, 105 f., 110 f., 137 ff. Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung 53, 68 Europäisches Gesellschaftsrecht 22 ff. Europäisches Kapitalmarktrecht 24 Europäisches Schuldvertragsrecht 23 Faktormobilität 21, 35 f., 55, 208 ff., 218 ff. Financial Service Authority 151 fraud on the minority 177, 188 Fremdorganschaft 43 Fusion 54, 59, 61, 97 f., 217, 222 general meeting 151 f.
288
Stichwortverzeichnis
Gestaltungsfreiheit 55, 146, 190, 239 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz 70, 85, 123 f. Goldene Aktien 46 f., 102 Grenzüberschreitende Sitzverlegung 37,54,61, 85, 99 f., 105, 110, 120, 217 Grenzüberschreitende Verschmelzung 54,61,85,95,98 f., 104 f., 217 Grundfreiheiten 18, 20 ff., 25 ff., 87, 198,218 Grundlagenentscheidung 91 ff. Harmonisierungsgrenzen 191 ff. Harmonisierungskonzept 54 ff., 191 ff. Hellebuyck Kommission 245 Herkunftslandprinzip 27,33,64,219 Höchststimmrechte 47, 167, 172, 176, 223,249 Inhaltsmängel 182 Informationsmodell 28, 84 ff., 87 ff. Informationsprobleme 211, 226 ff., 253 Informationsregeln 84 ff., 87 ff. Internationale Verschmelzung 54, 61, 85, 95, 98 f., 104 f., 217 Internationale Verschmelzungs-Richtlinie 59,61,98 f., 104 f. Kapitalerhöhung 76, 81, 85, 92 ff., 108, 113 ff., 123, 126, 251 Kapitalgesellschaft 43, 57 f., 60, 232 Kapitalherabsetzung 93 f. Kapitalmarktrecht 24 f., 53, 60, 64, 81 f., 87, 89, 196, 213 Kapital-Richtlinie 59, 76, 92, 103, 108, 116, 139 Kapitalverkehrsfreiheit 21, 29, 36, 43 ff. Kompetenz 50 ff., 195 ff. Kontrollphilosophie 232 ff. Kontrolltheorie 41
Kreditinstitute 236 ff.
135,
169 ff.,
180,
Legitmationszession 171 Listing Rules 151 Marktversagen 208 f. Marktzugangsbeschränkungen 30 f., 39 f., 47 Maßnahme gleicher Wirkung 27 f. Mehrfachstimmrechte 47, 102, 179, 240 Mehrheitsentscheidung 82 f., 92 ff., 113, 119, 144 f., 170 Minderheitenschutz 18, 82 f., 90, 119 ff., 180 ff. Minderheitsaktionäre 82 f., 96, 119ff., 132, 144, 156f., 160, 177, 180 ff., 192, 234 Mindestharmonisierung 54 ff., 220 Mindestkapital 62 Minimumharmonisierung 63 ff., 75, 88, 197, 220 Mitgliedschaftsrechte 46, 48, 79 ff. Monistisches Verwaltungssystem 128 ff., 139, 141 f. Mustersatzung 151 Namensaktien 132 f., 154, 156, 159, 161, 172, 180,225 Negative Effekte 220, 224 ff., 252 Niederlassungsfreiheit 18, 20 ff., 25 ff., 34 ff. Nouveau Code de Commerce 149 OECD Principles 245 One Share - One Vote 134 f., 167, 171, 176, 179, 190,223,242,245 Online-Teilnahme 154, 162, 173, 227 personal action 186 f. Pfadabhängigkeit 194, 204, 230 ff., 253 Primäres Gemeinschaftsrecht 25 ff.
Stichwortverzeichnis Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 50, 53, 195 f. private company 151, 158, 177 Private Regelgeber 243 ff. procuration en blanc 173 f. Proxy 169,177 f. public company 147, 150 ff. Publizitäts-Richtlinie 59 Rechtsangleichung 18, 21, 49 ff., 191 ff. Rechtsvereinheitlichung 52 Rechtswahlfreiheit 212, 216 ff. Regelungsebene 19, 195 ff. Regelungskonzept 19 ff., 54 ff., 191 ff. registered shares 159 Richtlinie 68 ff. Satzungsstrenge 140, 148, 239 ff. Schriftliche Stimmabgabe 174 f. Sekundäres Gemeinschaftsrecht 49 ff. Shareholder Value 238 f. 54, 85, Sitzverlegungs-Richtlinie 99 f., 105, 110, 120 SLIM-Initiative 66, 94, 113 Societas Europea socitete anonyme 147 f. soft law 243 Spaltungs-Richtlinie 59, 97 ff., 104 f., 108 ff. special shares 46 f. Staatsversagen 208 f., 221 Standortwettbewerb 55 f., 222 Statut der Europäischen Aktiengesellschaft 52, 56, 63, 65, 100 f., 105, 110 f., 137 ff. Stimmbindungsvereinbarung 136 Stimmrecht 39, 80, 134 ff., 167 ff., 226 Stimmrechtsausschluss 47, 135, 172, 176, 179, 240 Stimmrechtsvertretung 135 f., 167 ff., 190, 225, 226, 236 ff., 245, 252 ff.
289
strengeres nationales Recht 74 ff., 114 ff. Struktur-Richtlinie 18, 61, 90, 103, 126 ff., 230, 251 Subsidiaritätsprinzip 19, 64, 199 ff. Teilnahmerecht 133, 142, 144, 153 ff. Transparenz 28, 84 ff. Treupflicht 83, 182, 189 Übernahmeangebote 62, 66, 101 ff., 106 f., 111 f. Übernahme-Richtlinie 61, 66, 84, 102, 106 f., 111 f., 124 f., 230 Umsetzung 21,67 ff. Umstrukturierung 56, 95 ff., 117, 251 Unternehmergesellschafter 18, 36 ff. Unternehmens steuerung 85 ff., 238 Verfahrensmängel 181 f. Vermögensschutz 80 f., 112 ff. Verordnungen 67 f. Verschmelzung 59, 85, 95 ff., 104 f., 108 ff., 118, 124, 138,251 Verschmelzungs-Richtlinie 59, 95 ff., 104 f., 108 ff. Verwaltungsstimmrecht 178, 180 Verwaltungssystem 128 ff., 141 f., 147, 149 Vinkulierung 47 vote par correspondance 174 f. Warenverkehrsfreiheit 30 Wertpapiere 25, 39, 44, 60, 106, 124 f., 222 Wettbewerb der Regelgeber 55, 141, 194, 206 ff. Wettbewerbsprinzip 55, 216 Wohlverhaltensregeln 81 Zahlungsverkehr 16, 39,44 Zuständigkeit der Hauptversammlung 130 f., 143 f., 147 ff., 214