Hanns Eisler im USA-Exil: Zu den politischen, ästhetischen und kompositorischen Positionen des Komponisten 1938 bis 1948 [Reprint 2021 ed.] 9783112541524, 9783112541517


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German Pages 236 [237] Year 1979

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Hanns Eisler im USA-Exil: Zu den politischen, ästhetischen und kompositorischen Positionen des Komponisten 1938 bis 1948 [Reprint 2021 ed.]
 9783112541524, 9783112541517

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Jürgen Schebera

Hanns Eisler im USA-Exil

Literatur und Gesellschaft Herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften der DDR Zentralinstitut für Literaturgeschichte

Jürgen Schebera

Hanns Eisler im USA-Exil Zu den politischen, ästhetischen und kompositorischen Positionen des Komponisten 1938 bis 1948

Akademie-Verlag • Berlin 1978

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1978 Lizenznummer: 202 • 100/185/78 Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen / DDR • 5129 Bestellnummer: 753 369 9 (2150/58) • LSV 8384 Printed in GDR DDR 7,50 M

Inhalt

Vorbemerkung

7

Die Bedeutung des Exils für die Entwicklung einer sozialistischen deutschen Kultur Exilland USA Die politische Situation der USA vom Beginn der Weltwirtschaftskrise bis 1948 Die deutsche antifaschistische Emigration in den USA . . . Die Politik der USA gegenüber den Emigranten . . . . Zentren und Entwicklungsphasen der deutschen antifaschistischen Emigration in den USA Musiker im USA-Exil Leben und Werk Eislers in den USA von 1935 bis 1948 . . . Die erste USA-Reise: Februar bis Mai 1935 Die zweite USA-Reise: Oktober 1935 bis April 1936 . . . Exil in den USA: 1938 bis 1948 New York/Ostküste: 1938 bis 1942 Kalifornien/Westküste: 1942 bis 1948 Die Kampagne gegen die Brüder Eisler und das Verhör 1947 Zur Entwicklung der ästhetischen Positionen des Komponisten im USA-Exil Die Positionen zwischen 1933 und 1943 „Komposition für den Film" (1944)

11 20 20 24 24 30 36 42 42 54 64 64 85 94

103 103 112

Zur Entwicklung der kompositorischen Positionen von 1938 bis 1941 122 5

Anbang Verhörprotokoll: Hanns Eisler vor dem Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit (24. bis 26. September 1947 in Washington)

139

141

Anmerkungen

202

Auswahlbibliographie

224

Personenregister

230

Vorbemerkung

Wenn in der Reihe Literatur und Gesellschaft hiermit eine Arbeit vorgelegt wird, in deren Mittelpunkt die Untersuchung einer wesentlichen Lebens- und Schafiensperiode des Komponisten Hanns Eisler steht, so geschieht dies weder zufällig noch im Widerspruch zum Titel der Reihe. Wie kaum ein anderer Musiker unseres Jahrhunderts hat Eisler neben seinem kompositorischen Werk lebenslang ästhetische und kulturpolitische Überlegungen gleichermaßen gewichtiger Art vorgelegt, wie kaum ein anderer Musiker hat er aktiv in die Klassenkämpfe seiner Zeit eingegriffen. In einer über dreißigjährigen intensiven Arbeitsfreundschaft mit Bertolt Brecht - oft zwar räumlich, doch nie gedanklich voneinander getrennt - entstand im wechselseitigen produktiven Austausch von Meinung und künstlerischem Resultat ein Lebenswerk, das heute zum besten Bestand proletarischrevolutionärer und sozialistischer Kunst zählt. Ein Werk von großer gesellschaftlicher Relevanz, das in seiner musikalischen wie verbalen Hervorbringungen mehr denn je im Zentrum interdisziplinärer Beschäftigung mit der Ästhetik, der Musik- und Literaturwissenschaft steht. Ein Werk, dessen Weite und Vielfalt ganz außerordentlich zu nennen ist und dessen künstlerische wie wissenschaftliche Aneignung ebenso wie seine enorme Anregung und Ausstrahlung uns noch lange beschäftigen wird. Mehr als zehn Jahre sind seit dem Tode Hanns Eislers vergangen. Die wissenschaftliche Erschließung, Aufarbeitung und Veröffentlichung des hinterlassenen Gesamtwerkes - sowohl der Kompositionen als auch der zahlreichen Schriften und verbalen Äußerungen des Komponisten - hat mit der Herausgabe der ersten Bände der Gesammelten Werke begonnen1*, der Abschluß dieses umfangreichen editorischen Unternehmens wird noch geraume Zeit in An* Die mit einem Stern gekennzeichneten Anmerkungsziffern verweisen auf Sachanmerkungen.

7

Spruch nehmen. Vorhandene Einzelausgaben und die begonnene Eterna-Schallplattenedition müssen bis dahin dem Interessenten genügen. 2 * Die vorhandenen Publikationen über Hanns Eisler sind größtenteils populärer Art 3 oder behandeln spezielle Aspekte seines Schaffens4. Sowohl eine umfassende Biographie wie ausführliche monographische Arbeiten fehlen bis heute. Die marxistische Musikwissenschaft hat hier noch Beträchtliches zu leisten, zumal die Auseinandersetzung mit Eislers Leben und Werk ständig zunimmt und es nicht an Versuchen sowoihl der bürgerlichen Ideologen und Musikwissenschaftler als auch der linksextremistischen Gruppen fehlt, Hanns Eisler für sich zu reklamieren und ein verzerrtes Eislerbild auf ihre jeweiligen Medien zu projizieren. Während die bürgerlichen Ideologen nicht müde werden, den Schönbergschüler zu bemühen und - wie sie das schon vergeblich bei Brecht versuchten5 - durch einseitiges und demagogisches Zitieren vor allem aus den Gesprächen des Komponisten Hanns Eisler zum „Nonkonformisten" zu stempeln (ein angesichts Eislers lebenslanger parteilicher Haltung aussichtsloses Unterfangen), konstruieren die Linksextremisten eine scharfe Trennung von Eislers Kampfmusikperiode - der ihrer Meinung nach im Schaffen des Komponisten einzigen revolutionären Periode - , seiner Exilzeit und seinem Leben und Schaffen in der D D R 6 * , Eislers „gespanntes Verhältnis zur DDR-Hierarchie" 7 ist eines ihrer Lieblingsthemen. Diesen Versuchen einer Verfälschung des Eislerbildes, einer einseitigen und unwissenschaftlichen Betrachtungsweise, die das alleinige Ziel verfolgt, den Kommunisten Hanns Eisler in seiner Verbindung zum sozialistischen Aufbau in der D D R zu diffamieren (bzw. die sozialistische D D R in ihrem Verhältnis zu Hanns Eisler), hat die Musikwissenschaft der D D R ihre Arbeitsergebnisse gegenüberzustellen. Dabei spielt sowohl die marxistische, historisah richtige Darstellung der Biographie des Komponisten als auch eine marxistische Analyse und historisch-dialektische Einordnung seiner Kompositionen eine große Rolle. Gerade Hanns Eisler darf als paradigmatischer Fall für die untrennbare Einheit von politisch-weltanschaulicher und ästhetisch-kompositorischer Position eines sozialistischen Komponisten gelten. Die vorliegende Arbeit will einen Baustein zum marxistischen Eislerbild liefern. Sie beschäftigt sich mit dem Jahrzehnt von Hanns Eislers Exil in den USA, einer wesentlichen Schaffensperiode im Gesamtwerk des Komponisten, über die bisher kaum Veröffentlichungen vorliegen8. Die Ursache dafür liegt sicher in der Schwerzugäng8

lichkeit des Materials, das auch vom Verfasser mit Sicherheit nicht vollständig aufgearbeitet werden konnte, so daß in der Folgezeit Ergänzungen und neue Fakten noch zu erwarten sein werden. Grundlage der Arbeit bildet die lückenlose Aufarbeitung aller im Hanns-EislerArchiv der Akademie der Künste der DDR vorliegenden Materialien zum Zeitraum 1938 bis 1948 sowie Gespräche mit erreichbaren USA-Emigranten jener Jahre. Der Charakter der Arbeit bedingt eine Vielzahl von Materialzitaten, die größtenteils erstmalig in deutscher Übertragung vorgelegt werden. Damit soll der künftigen Eislerforschung sowohl Material als auch Anstoß zur detaillierten Beschäftigung mit dem „amerikanischen Jahrzehnt" geliefert werden. Über die Person Hanns Eislers hinaus soll damit ein Beitrag auch zur Erforschung des antifaschistischen Exils geleistet werden, bei der ebenfalls Rückstände zu verzeichnen sind. Einer großen Anzahl von Veröffentlichungen in den USA und in jüngster Zeit auch in der BRD stehen bisher nur wenige DDR-Publikationen gegenüber.9* Wie das Thema Hanns Eisler steht auch die generelle Problematik Exil im Brennpunkt der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Ideologie. So verfolgen Untersuchungen aus der BRD das klar erkennbare Ziel der Eliminierung bzw. Umfunktionierung aller konsequent antifaschistischen Inhalte der künstlerischen Leistungen der deutschen antifaschistischen Emigranten von 1933 bis 1945 und versuchen, diese für ihr Erbe zu annektieren. In einem Sammelband jüngeren Datums10 zur Exilliteratur lesen wir: „Die literarische Emigration war in ihrer lokalen, politischen und ideologischen Aufsplitterung ein höchst heterogenes Phänomen."11 Und das darauf folgende Zitat Ludwig Marcuses (aus dem Jahre 1935!) zeigt, wohin die Richtung der Arbeit geht: „Auch außerliterarisch besteht eine . . . Gemeinsamkeit nicht, nicht einmal in einem politisch gleichartigen Wollen."12 Zur DDR-Exilforschung wird im Sinne dieser Konzeption dann folgerichtig angemerkt, sie habe „ein monolithisch geschlossenes Methodenmodell"13. Als Zeugnis für diese Feststellung werden Bemerkungen des DDR-Literaturwissenschaftlers Klaus Jarmatz auf dem II. Symposium zur Erforschung des deutschsprachigen Exils 1972 in Kopenhagen bemüht, „daß wir Exilforschung als gesellschaftlichen Auftrag auffassen, jene humanistischen Positionen, die seinerzeit ausgebildet wurden, ins Leben, in die gesellschaftliche Wirklichkeit treten zu lassen, daß wir von daher, von dieser Verbindung von Kunst und Gesellschaft . . . her unsere gesellschaftlichen Grundprinzipien ableiten"14. Diese Methode ist alles andere als ein „monolithisches Methodenmodell", sie ist die lebendige 9

dialektische Methode der marxistischen Wissenschaft, im Gegensatz zur Exilforsühung des Klassengegners, deren Ziel eindeutig darin besteht, „das internationale Ansehen der D D R , das zu einem großen Teil auf ihrer antifaschistischen Herkunft und Haltung beruht, zu untergraben und unglaubwürdig zu machen" 15 . So will die vorliegende Arbeit neben der wichtigen Aufarbeitung der historischen Periode auch einen aktuellen Beitrag zum Gegenstand Exil und Erbe leisten. Für die verständnisvolle Bereitschaft, mit dem Verfasser Gespräche zum Thema der Arbeit zu führen, möchte ich Louise Eisler-Fischer (Wien), Georg Eisler (Wien) und Prof. Paul Dessau (Zeuthen b. Berlin) herzlich danken. Besonderer Dank gilt dem Hanns Eiisler-Ardhiv der Akademie der Künste der D D R zu Berlin und seinem Leiter Dr. Manfred Grabs, der das Zustandekommen dieser Arbeit maßgeblich beförderte. Für Rat und Unterstützung ist Prof. Walther Siegmund-Schultze (Halle) und Dr. Werner Wolf (Leipzig) zu danken.

Die Bedeutung des Exils für die Entwicklung einer sozialistischen deutschen Kultur

Am 30. Januar 1933 begann die faschistische Diktatur in Deutschland. Was die Führung der KPD in den zugespitzten Klassenkämpfen der Krisenjahre ab 1929 immer wieder mahnend ausgesprochen hatte: „Hitler - das bedeutet Krieg!", sollte bald blutige Realität werden. Eine in der neueren deutschen Geschichte beispiellose Fluchtbewegung setzte ein, Zehntausende Menschen verließen das faschistische Deutschland. Die Gründe für die Flucht waren unterschiedlich. Zahlenmäßig an erster Stelle standen die Bürger jüdischer Herkunft, die auf Grund der rassischen und religiösen Verfolgung Deutschland verließen und bei denen nicht primär politische Gründe ausschlaggebend für die Emigration waren. Zugleich - und von ungleich größerem Gewicht im Angesicht der Weltöffentlichkeit - vollzog sich jedoch der „Auszug des Geistes"16. Politiker, Wissenschaftler und Künstler von unterschiedlichster Weltanschauung gingen in die Emigration, unter ihnen gleichermaßen Kommunisten wie Sozialdemokraten und Parteilose, unter ihnen proletarisch-revolutionäre Künstler wie Vertreter der bürgerlich-kritischen Richtung. Für alle war angesichts des Programms der Faschisten der Schritt in die Emigration eine klare Entscheidung, die jedoch vor allem von den Künstlern schweren Herzens getroffen wurde. Die Empfindungen formulierte Thomas Mann: „Ich bin ein viel zu guter Deutscher, mit den Kultur-Überlieferungen und der Sprache meines Landes viel zu eng verbunden, als daß nicht der Gedanke eines jahrelangen oder auch lebenslänglichen Exils eine sehr schwere, verhängnisvolle Bedeutung für mich haben müßte." 17 Gleichermaßen aber ist die Entscheidung klar, wenn Thomas Mann im selben Atemzug über den Nationalsozialismus schreibt: „[Er ist seinem] Wesen nach nicht 'Erhebung', was [seine] Träger auch sagen und sahreien mögen, sondern Haß, Raohe, gemeine Totschlagelust und kleinbürgerliche Seelenmesquinerie. Es kann nichts Gutes daraus kommen, ich glaube es nimmermehr, 11

weder für Deutschland noch für die Welt, und bis zum Äußersten vor den Mächten gewarnt zu haben, die dieses moralische und geistige Elend brachten, wird gewiß einmal ein Ehrentitel sein für uns."18 Die Geschichte der deutschen Literatur, Musik und bildenden Kunst der Jahre 1933 bis 1945 wurde zum überwiegenden Teil außerhalb der Landesgrenzen geschrieben, fast alle ihre namhaften Vertreter verließen Deutschland. Zurück blieben die Apologeten des Faschismus und wenige aufrechte Künstler, die von den Machthabern entweder getötet wurden (wie Carl v. Ossietzky oder Erich Mühsam), den Freitod wählten (wie die Maler Ernst Ludwig Kirchner und Bruno Gimpel), im Gefängnis und Konzentrationslager überlebten (wie Günther Weisenborn und Ernst Wiechert) oder permanentes Berufsverbot erhielten und Repressalien ausgesetzt waren (wie Erich Kästner). Die emigrierten Künstler alle zu nennen, ist unmöglich, zu groß ist ihre Zahl. Allein die Bibliografie von Wilhelm Sternfeld und Eva Tiedemann19 verzeichnet über 1900 Schriftsteller und Publizisten, die emigrierten Musiker und bildenden Künstler nicht mitgezählt. Sie alle - unabhängig von Weltanschauung und künstlerischem Standort - einte eine Haltung, die Ernst Toller wenige Wochen nach dem Verlassen Deutschlands in einem Offenen Brief an den Reichspropagandaminister Goebbels ausdrückte: „Wir sind nicht schuldlos an unserem Sohicksal, wir haben viele Fehler begangen, der größte war unsere Langmut. Wir werden, dank der Lehre, die Sie uns gaben, unsere Fehler überwinden. Und das ist Ihr Verdienst. Wir versprechen Ihnen, daß Ihre Verfolgungen uns härter, Ihr Haß uns reifer, Ihr Kampf uns kämpferischer machen werden."20 Für die emigrierten Künstler brachte das Exil - stärker noch als für andere Emigranten - primäre Existenzprobleme mit sich. In Hitlerdeutschland waren ihre Werke verboten, wurden weder gedruckt noch aufgeführt, in den Exilländern waren sie - mit Ausnahme weniger Werke etwa von Thomas Mann oder Stefan Zweig - kaum in größerem Maße übersetzt oder verbreitet. Die wenigen Exilverlage, die in deutscher Sprache veröffentlichten, die wenigen Orchester, die Kompositionen von Emigranten aufführten, konnten nur einigen helfen. Hinzu kam, daß das fremde Land neue, bisher nicht gekannte Schaffensprobleme mit sich brachte, Fragen der Sprache, der ungewohnten Umgebung und der nationalen Kultur des Exillandes. Dazu Alfred Döblin: „Wenn ich schon nicht in das Innere der Sprache drang, so mußte ich wenigstens ihr Äußeres lernen. Ich mußte ihren Rockzipfel ergreifen. Aber auch das, sogar das gelang nur schwer."21 Mit den äußeren Schwierigkei12

ten, die viele Künstler zwangen, außerhalb ihres eigentlichen Schaffens tätig zu werden, als Dozenten an Universitäten, als Drehbuchautoren bei Filmgesellschaften, als Publizisten bei verschiedenen Zeitschriften, wuchs gleichermaßen ihre antifaschistische Grundhaltung, wuchs ihre Realitätssicht, die neue Stoffe und neue künstlerische Positionen beförderte. Lion Feuchtwanger hat 1943 in den USA programmatisch über dieses Thema gesprochen: „Der Schriftsteller, der den Leserkreis seines eigenen Landes verliert, verliert mit ihm sehr häufig das Zentrum seiner wirtschaftlichen Existenz . . ., den gutgemeinten Anregungen mancher Verleger, Konzessionen an den Geschmack des ausländischen Publikums zu machen, können und wollen viele exilierte Schriftsteller nicht nachkommen . . . Die ökonomischen Schwierigkeiten und der aufreibende Kampf mit Nichtigkeiten, die nicht aufhören, sind das äußere Kennzeichen des Exils . . . Wer Glück hat, wer um das alles herumkommt, der sieht sich bei seiner Arbeit inneren Schwierigkeiten gegenüber . . . Da ist zunächst die bittere Erfahrung, abgespalten zu sein vom lebendigen Strom der Muttersprache . . . Einige von uns haben es mit einigem Erfolg versucht, in der fremden Sprache zu schreiben: wirklich geglückt ist es keinem. Es kann keinem glücken . . . Das neue Land, in dem wir leben, beeinflußt die Waihl unserer Stoffe, beeinflußt die Form. Die äußere Landschaft des Dichters verändert seine innere . . . Denn wenn das Exil zerreibt, wenn es klein und elend macht, so härtet es auch und macht groß. Es strömt dem Schriftsteller im Exil eine ungeheure Fülle neuen Stoffes und neuer Ideen zu . . . Manche von uns hat das Exil eingeengt, aber den Kräftigeren . . . gab es mehr Weite und Elastizität, es machte ihren Blick freier für das Große, Wesentliche und lehrte sie, nicht am Unwesentlichen zu haften . . . Wenn sich die Flut verlaufen haben wird, wenn mit einem sicheren Maß gewogen werden wird . . ., dann werden sich unter den Werken der Epoche diejenigen, die im Exil geschrieben wurden, nicht als die schlechtesten erweisen." 22 Diese Bemerkungen Feuchtwangers über das Schaffen des Schriftstellers sind auoh für die anderen Genres der emigrierten deutschen Kunst gültig. In den Jahren des Exils vollzog sich im Schaffen der unterschiedlichsten Künstler aller Gattungen die Ausprägung einer deutschen Nationalkultur als sozialistischer Kultur. Sowohl das Schaffen der proletarisch-revolutionären Künstler der Weimarer Republik, das Schaffen derer, die in jenen Jahren den Schritt an die Seite der Arbeiterklasse vollzogen hatten, als auch das Schaffen von Künstlern, 13

die 1933 auf bürgerlich-kritischen Positionen standen, kulminierte in reifen Werken sozialistischer Kunst sowie eines neuen bürgerlichkritischen Realismus mit sozialistischen Ansätzen. Sie alle zeichneten sich bei unterschiedlichster künstlerischer Gestaltung durch eine eindeutig antifaschistische Haltung und die Parteinahme für eine neues, demokratisches Deutschland aus. Dabei muß festgestellt werden, daß das Bild einer - bei aller Unterschiedlichkeit der künstlerischen Handschriften und politischen Standorte - relativ geschlossenen antifaschistischen Bewegung in der Literatur des Exils wesentlich ausgeprägter war als bei den emigrierten Musikern, Komponisten und Musikwissenschaftlern. Die Isolation vieler Komponisten im Exil symptomatischer Ausdruck der spätbürgerlichen Musikentwicklung ist auf die Zersplitterung und mangelnde weltanschauliche Einsicht zurückzuführen. Hanns Eisler, auch Paul Dessau und Ernst Hermann Meyer stellen hier deutliche Ausnahmeerscheinungen dar. Entsprechend der unterschiedlichen weltanschaulichen Position, entsprechend der unterschiedlichen geografischen Ansiedlung, der Haltung zum Exil und der persönlichen Lage gab es auch tragische Ereignisse, wie den Freitod von Walter Benjamin, Ernst Toller oder Stefan Zweig, gab es erschütternde persönliche Schicksale, wie die permanente Mittellosigkeit des greisen Heinrich Mann in den USA, der nur durch Hilfsaktionen von Freunden überleben konnte. Eine zu schreibende Geschichte des Exils wird diese Schicksale als Memento aufzeichnen. Die deutschen Künstler waren verstreut über fast den gesamten Erdball, kaum ein Land gab es, in dem nicht emigrierte Schriftsteller und Künstler Zuflucht suchten. Dennoch konzentrierte sich das Geschehen an einigen Orten, die wir als Exilzentren bezeichnen können. Prag und Paris waren in den ersten Jahren nach Ausbruch des Faschismus Zentren des antifaschistischen Kampfes deutscher Künstler, sowohl die Tschechoslowakei als auch Frankreich nahmen viele der Ausgebürgerten auf (mit der Veröffentlichung auf den Ausbürgerungslisten des faschistischen Reichsanzeigers wurde den Emigranten die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt, ihre deutschen Pässe wurden automatisch ungültig). In Prag gruppierte sich um die Zeitschriften Neue Weltbühne (1933-1939), Gegenangriff (1934-1936) und Neue Deutsche Blätter (1934-1935) eine Gruppe kommunistischer Schriftsteller und Künstler, die sehr wirkungsvoll antifaschistische Arbeit leisteten. Prag war auch die erste Exilstation Hanns Eislers, in der Neuen Weltbühne erschienen mehrere Beiträge von ihm. Zur gleichen Zeit bildete Paris ein Zentrum der deutschen Künstler-Emi14

gration. Hier begannen - im Schutzverband deutscher Schriftsteller unter Heinrich Manns Schirmherrschaft-die Bemühungen der Schriftsteller und Künstler um eine Volksfrontbewegung gegen Hitlerdeutschland, wie sie von der KPD konsequent vertreten wurde. Am 10. Mai 1934, dem ersten Jahrestag der faschistischen Bücherverbrennungen, wurde in Paris die Deutsche Freiheitsbibliothek gegründet, deren Ziel es war, „alle im Dritten Reich verbotenen, verbrannten, zensurierten oder totgeschwiegenen Werke und die Büoher zum Studium des Hitlerfaschismus zu .sammeln"23. Die von Heinrich Mann herausgegebenen Blätter der Deutschen Freiheitsbibliothek waren eine publizistische Tribüne der Volksfrontbewegung in Frankreich. Als wesentliches Zentrum der Emigration unmittelbar nach 1933 ist die Sowjetunion zu nennen. Deutsohe kommunistische Künstler wie Johannes R. Becher, Friedrich Wolf, Willi Bredel und viele andere fanden hier ihre Exilheimat. Die seit 1933 von Becher redigierte deutsche Ausgabe der Internationalen Literatur (1931-1945) und die Zeitschrift Das Wort (1936-1939 von Bredel, Brecht und Feuchtwanger herausgegeben) waren neben der Deutschen ZentralZeitung die publizistischen Organe der in die UdSSR emigrierten Künstler. Die Bemühungen der in Moskau ansässigen Kommunistischen Internationale um ein Internationales Musikbüro, an dem Hanns Eisler maßgeblich beteiligt war, führten den Komponisten in den ersten Exiljahren ebenfalls mehrfach in die Sowjetunion, wo inzwischen Ernst Busch auf Konzerten und im Rundfunk Eislers Lieder zu großer Popularität beförderte. Höhepunkte im antifaschistischen Kampf der ersten Jahre nach 1933 bildeten der I. Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller 1934 in Moskau und der Internationale Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur 1935 in Paris. Auf beiden Kongressen traten deutsche emigrierte Schriftsteller leidenschaftlich für die Volksfront gegen Hitler ein. An den Moskauer Kongreß schrieb Heinrioh Mann: „Die emigrierte Literatur . . . [ist] auf dem Wege, besser zu werden, als sonst der Durchschnitt der Literatur es war. Wenn das spätere Deutschland selbst einmal besser werden sollte, als es sonst war, dann wird diese Literatur sich hoffentlich herausstellen als seine geistige Vorwegnahme."24 Auf dem Pariser Kongreß sagte Erich Weinert: „Wir werden nicht schwächer, wir werden stärker mit der Dauer der Emigration, denn wir saugen unsere Kräfte aus -dem fruchtbarsten Nährboden der Revolution, aus der unbesieglichen deutschen Arbeiterklasse."25 Die Arbeit des Internationalen Musikbüros, 15

die Organisation und Durchführung der 1. Arbeiter-Musik-Olympiade 1935 in Strasbourg waren Höhepunkte der proletarischen Musikbewegung im Exil der ersten Jahre, an denen Hanns Eisler großen Anteil hatte. 1936 entfesselte die Reaktion in Spanien den Bürgerkrieg, sehr bald leistete Hitlerdeutschland aktive Hilfe im Kampf gegen die spanische Republik. Die spanische Volksfront wurde von den Internationalen Brigaden unterstützt, der heldenhafte Kampf des spanischen Volkes war auch für die deutschen Emigranten von großer Bedeutung. Zahlreiche Künstler kämpften in den Internationalen Brigaden, zahlreiche Werke entstanden, die heute zu reifen Leistungen sozialistischer deutscher Kunst zu zählen sind. Viele Künstler, unter ihnen Ludwig Renn, Willi Bredel, Bodo Uhse, kämpften in Spanien an der Seite des Volkes, Eisler und Busch traten in den Schützengräben auf - unmöglich auch hier, alle beteiligten antifaschistischen deutschen Künstler zu nennen. Das letztliche Scheitern des Kampfes bestärkte bei vielen Emigranten die feste Einsicht in die Notwendigkeit einer geschlossenen Volksfront gegen den Faschismus. Mit dem „Anschluß" Österreichs 1938, dem Einmarsch in Prag 1939 und dem Beginn des faschistischen Weltkrieges wurde die Lage für die Emigranten in Europa immer schwieriger. Die drohende Okkupation Frankreichs, des letzten noch verbliebenen bedeutenden Zufluchtslandes, führte ab 1938/39 dazu, daß viele bisher in Westeuropa verbliebene Emigranten versuchten, in überseeische Länder zu fliehen. Die USA und Mexiko wurden zu neuen Zentren des politischen Exils. Während die USA seit jeher ein „Auswandererland" waren und ab 1933 vor allem jüdische Emigranten und zahlreiche Akademiker aufgenommen hatten, verstärkte sich jetzt der Zustrom antifaschistischer Künstler, die teils in New York an der Ostküste, teils in Los Angeles und Hollywood an der Westküste sich niederließen. In Mexiko gründeten kommunistische Emigranten 1941 die Zeitschrift Freies Deutschland, die zu einer wichtigen Tribüne der Volksfrontpolitik wurde. Auch in verschiedenen Ländern Südamerikas und in Palästina wurden deutsche Emigranten aufgenommen. In dieser Phase des antifaschistischen Kampfes war es wiederum die KPD, die 1939 auf ihrer Berner Konferenz die Strategie und Taktik ausarbeitete. In Fortführung der Ergebnisse der Brüsseler Parteikonferenz von 1935 wurden sowohl die Bildung einer Volksfront aller gegen Hitler opponierenden Kräfte als auch das Programm für ein neues demokratisches Deutschland und die Bildung einer einheitlichen revolutionären Partei der Arbeiterklasse beraten. In der Resolution 16

der Konferenz heißt es: „Der Kampf gegen die nationalsozialistische Diktatur, der Kampf um ein Regime, das den Interessen der deutschen Nation entspricht, ist daher nicht nur ein Kampf im Interesse einer einzelnen Klasse oder Schicht, ob Arbeiter, Bauer oder Mittelstand, sondern gleichzeitig der Kampf um die Interessen des ganzen Volkes und um die Rettung der deutschen Nation. Dieser Kampf ist die Aufgabe aller wirklich nationalgesinnten Deutschen. Das deutsche Volk für diese Aufgabe zu einigen - das will die deutsche Volksfront." 26 Die Berner Konferenz verabschiedete einen Aufruf an die deutschen Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler, der Ausdruck dafür ist, wie hoch die Partei die Bedeutung der künstlerischen Beiträge für den Klassenkampf einschätzte, und der als direkte Fortführung der Kulturpolitik der KPD vor Ausbruch des Faschismus betrachtet werden kann. In dem Aufruf heißt es u. a.: „Wir grüßen Euch, deutsche Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler, verstreut über viele Länder und im Exil zu Bewahrern der echten deutschen Kultur geworden . . . Wir Vertreter der Kommunistischen Partei . . ., die unermüdlich für die Einigung aller Hitlergegner in einer deutschen Volksfront wirkt, grüßen in Euch die Vorkämpfer der . . . lebendigen Kultur unseres Volkes. Die Kultur Deutschlands . . . wird nach dem Sturz Hitlers in einem befreiten Deutschland neu in Freiheit und Größe erstehen."27 Die auf dieser Konferenz gegebene Einschätzung der gegenwärtigen Lage sowie der historischen Perspektive weist eindrucksvoll darauf hin, wer in den Jahren des Faschismus die Führung im Kampf der Antifaschisten innehatte und daß der neuerdings formulierte Anspruch der SPD auf diese Führungsrolle28* historisch unhaltbar ist. In keinem Dokument der emigrierten SPD-Führung (SoPaDe) finden sich Programmpunkte, die mit den Dokumenten der K P D vergleichbar sind. Außer antikommunistischer Stellungnahme und der Verbreitung einer „Desperado-Stimmung" - „Wenn die deutsche Sozialdemokratie, die deutsche Arbeiterbewegung durch den Gang der Ereignisse dazu verurteilt sein sollte, für lange Zeit völlig unterzugehen . . ." (Friedrich Stampfer, ehemaliger Voraw/i-Chefredakteur, am 15. 1. 1934 in der NVZ New York) - hat die Führung der Sozialdemokratie weder für eine Volksfront, noch für ein demokratisches Deutschland konstruktive Beiträge geleistet. Dies ist sicher eine Ursache dafür, daß sich viele aufrechte Sozialdemokraten in den Jahren der Emigration von ihrer Führung abwandten. Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges und dem Eintritt von immer mehr Staaten in den Krieg verschlechterte sich 2

Hanns Eislec

17

die Lage der emigrierten Künstler erneut. In manchen Ländern, z. B. den USA, nun als „feindliche Ausländer" registriert, gehörten in den ersten Kriegsjahren, als die faschistischen Aggressoren ein Land nach dem anderen besetzten, Mut und eine feste Weltanschauung dazu, an die Niederlage Hitlers zu glauben. Auf Initiative des ZK der K P D wurde 1943 in der Sowjetunion das Nationalkomitee Freies Deutschland gegründet Unter der Präsidentschaft von Erich Wednert verfolgte das NKKD das Ziel, sowohl den Krieg rasch zu beenden und die Hitlerregierung zu stürzen, als auch die Voraussetzungen für den Neuaufbau eines antifaschistisch-demokratischen Deutschland zu schaffen. In zahlreichen Ländern verstärkten Emigrantengruppen unter kommunistischer Führung ihre Tätigkeit, so in Nord- und Mittelamerika, in Großbritannien und Schweden. Nach der Zerschlagung des Faschismus verging entsprechend der Situation in den Exilländern noch unterschiedliche Zeit, bis die Emigranten zurückkehren konnten. Während Johannes R. Becher als einer der ersten sohon 1945 wieder in Berlin eintraf, mußten viele der Übersee-Emigranten noch jahrelang auf ihre Ausreise warten - wie etwa Hanns Eisler und Brecht. Diejenigen Künstler, die in den Jahren des Exils konsequent gegen den Faschismus gekämpft hatten und in ihren Werken Positionen der sozialistischen Kunst erreicht hatten, kehrten in das demokratische Deutschland, die spätere D D R , zurück und hatten hier maßgeblichen Anteil an der sozialistischen Umgestaltung. Schriftsteller wie Johannes R. Beoher, Erich Weinert, Arnold Zweig, Anna Seghers, Bertolt Brecht oder Willi Bredel; Theaterleute wie Wolfgang Langhoff, Friedrich Wolf oder Gustav von Wangenheim ; Komponisten wie Hanns Eisler, Paul Dessau oder Ernst Hermann Meyer; bildende Künstler wie Lea Grundig oder John Heartfield - sie alle hatten mit bedeutenden Kunstwerken im Exil eine sozialistische deutsche Kunst geschaffen, die nun, beim Aufbau eines neuen Deutschland, neben den proletarisch-revolutionären Werken der Jahre bis 1933 die Grundlage für die Entwicklung der sozialistischen Nationalkultur der D D R bildete, unser sozialistisches Erbe. Ebenso bedeutungsvollwaren die in der Émigration errungenen neuen Positionen des bürgerlich-kritischen Realismus, die viele Künstler zu Bundesgenossen der Arbeiterklasse werden ließen. Die qualitativ neuen Züge der im Exil entstandenen Werke - ob Anna Seghers' Siebtes Kreuz, ob Hanns Eislers Deutsche Sinfonie, ob Friedrich Wolfs Professor Mamlock - erbrachten eine sozialistisch-realistische Kunst, die zum unwiderruflichen Besitz der sozialistischen Gesellschaft gehört. Die 18

vorliegende Arbeit will vor allem unter diesem Aspekt das Exil als Periode neuer künstlerischer Qualität und unmittelbarer Vorbereitung der sozialistischen Kunst der DDR betrachten und die Entwicklung Hanns Eislers von den Kampfliedpositionen der Jahre bis 1933 über das Schaffen im Exil bis zum Komponisten der Neuen Deutschen Volkslieder 1950 untersuchen.

Exilland USA

Die politische Situation der USA vom Beginn der Weltwirtschaftskrise bis 1948 In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts wurden die Vereinigten Staaten von Amerika zum mächtigsten imperialistischen Staat der Erde. Aus den Rüstungslieferungen an die Entente-Mächte des ersten Weltkrieges hatten die mächtigen amerikanischen Monopole Milliardenprofite erzielt, die die Entwicklung zum staatsmonopolistischen Kapitalismus beschleunigten und Grundlage für das Weltmachtstreben der USA nach dem ersten Weltkrieg wurden. Gleichzeitig war im Ergebnis dieses Krieges der USA-Kapitalismus in die erste Etappe seiner allgemeinen Krise eingetreten. Das Jahrzehnt von 1920 bis 1930 war geprägt von der verschärften Ausbeutung der Arbeiterklasse (u. a. durch die volle Einführung des Fließbandsystems) und von der verschärften Unterdrückung der Arbeiterbewegung mit der 1921 gegründeten Kommunistischen Partei der USA an der Spitze. Unter Präsident Coolidge, der 1923 sein Amt antrat, und Präsident Herbert Hoover, der 1929 die Geschäfte übernahm, wurde außenpolitisch der Weltmachtanspruch der USA verkündet. Sowohl das Festhalten an der Monroe-Doktrin von 1823, das die USA faktisch zur Polizeimacht auf dem gesamten amerikanischen Kontinent machte 29 , als auch die Politik des Isolationismus, die sich u. a. im USA-Boykott der Arbeit des Völkerbundes ausdrückte 30 , waren Mittel einer reaktionären Politik, die sich auch darin äußerte, daß die USA keine völkerrechtlichen Beziehungen zur UdSSR herstellten. 1929 hatte die scheinbare Prosperität einen Höhepunkt erreicht, die Aktienkurse stiegen in schwindelnde Höhen, und als Präsident Hoover im März 1929 sein Amt antrat, verkündete er prahlend: „Wir in Amerika sind dem endgültigen Sieg über die Armut näher, als es jemals ein anderes Land war." 31 Der neue Reichtum aber war zum größten Teil nur in die Taschen des Monopols gewandert, die Lage der Farmer und Arbeiter war während des gesamten Jahrzehnts angespannt. Das Farmeinkommen z. B. war zwischen 1920 und 1932 von fünfzehn20

einhalb Milliarden auf fünfeinhalb Milliarden gesunken, die Arbeitslosigkeit betrug 1921 vier Millionen und fiel zu keiner Zeit unter anderthalb Millionen. Der Lohnindex der Arbeiter stieg von 1923 bis 1928 nur um 10 Prozent, während der Index der Aktienanlagen auf 410 Prozent stieg. Der Zusammenbruch kam im Oktober 1929. A m 21. dieses Monats war der erste Börsenkrach, am 24. wurden über zwölf Millionen Aktien verkauft und am 29. kam die Katastrophe. Millionen Menschen hatten ihre gesamten Ersparnisse verloren, Geschäfte und Fabriken gingen bankrott, Banken meldeten Konkurs an, Millionen Arbeiter und Farmer verloren ihre Arbeit - die Weltwirtschaftskrise nahm von den U S A aus ihren Anfang. Selbst konservative USA-Historiker erklärten die Ursachen damit, daß „ein zu großer Teil des nationalen Einkommens von einem kleinen Prozentsatz der Nation verdient wurde" 3 2 . Die allgemeine Krise des Kapitalismus war mit den tiefgehenden wirtschaftlichen Zerrüttungen auf dem Höhepunkt ihrer ersten Etappe angelangt. 1932 war die Zahl der Arbeitslosen auf über zwölf Millionen gestiegen, 32 000 Farmen waren bankrott gegangen, das Nationaleinkommen war von achtzig Milliarden Dollar 1929 auf vierzig Milliarden gesunken. Die Republikaner und ihr Präsident Hoover waren unfähig, ein Programm zur Bekämpfung der Krise vorzulegen. Im November 1932 erlitt Hoover eine gravierende Wahlniederlage, neuer Präsident der U S A wurde der Demokrat Franklin D . Roosevelt, der bis zu seinem Tode im Jahre 1945 im Amt blieb. Roosevelt vertrat einen gemäßigten politischen Kurs, sowohl seine Politik gegenüber der U d S S R als auch gegenüber den antifaschistischen Emigranten - wir werden noch darauf zurückkommen - unterschied ihn wesentlich von seinem Vorgänger Hoover wie seinem Nachfolger Truman. Dennoch, dies sei ausdrücklich gesagt, um gewissen „Roosevelt-Legenden" der bürgerlichen Exilforschung entgegenzutreten, war auch ein Mann wie Roosevelt an der Spitze des staatsmonopolistischen USA-Staates nur Repräsentant der herrschenden Monopole. So beschrieb ihn z. B. nach einer Begegnung im Weißen Haus Klaus Mann: „Franklin Delano Roosevelt ging uns alle an. . . E r liebte das Volk, aber er liebte auch das politische Spiel, in dem er Meister war. E r liebte die Macht." 3 3 Im März 1933 an die Macht gekommen, legte Roosevelt als erstes sein Programm zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise vor, die Politik des „ N e w D e a l " , des neuen Handelns. Mit verschiedenen administrativen Maßnahmen wurde die wirtschaftliche L a g e des Landes stabilisiert, das Reform21

Programm machte Roosevelt bei der Bevölkerung populär. Tatsächlich war der „New Deal" ein Mittel zur Sicherung des Fortbestandes der kapitalistischen Wirtschaftsordnung, ein Mittel zur Beschwichtigung der um ihre nackte Existenz ringenden Volksmassen und ein Mittel zur Abwendung der Gefahr revolutionärer Aktionen. Allerdings erleichterte der „New Deal" auch in der Folgezeit den Aufschwung der Arbeiterbewegung im Lande und brachte begrenzte Fortschritte in der Sozialgesetzgebung. Erster Hauptbestandteil war ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm. Große öffentliche Baumaßnahmen absorbierten über drei Millionen Arbeitslose, zahlreiche Firmen erhielten zur Ankurbelung ihrer Produktion Staatskredite. Auch in der Landwirtschaft verbesserte ein System von Staatsbeihilfen die Arbeitslage. Der zweite Hauptbestandteil des „New Deal" war die Reform der Arbeitslosenunterstützung und "Versicherung. Die erstmalige Zulassung von Gewerkschaften in allen Betrieben führte zu einem großen Aufschwung der Arbeiterbewegung, mächtige Gewerkschaften wie die der Hafenarbeiter und der Automobilarbeiter entwickelten sich. Gleichzeitig wurden auch proletarische Kulturorganisationen zugelassen, die wenige Jahre später für viele deutsche Emigranten - wir werden es im Fall Eisler sehen - eine große Rolle spielten. Die Förderung von Schriftstellern und Künstlern sowie kulturellen Projekten durch die Regierung war ebenfalls ein Bestandteil des „New Deal". Mit einem solchen innenpolitischen Programm gelang es der Regierung Roosevelt, schrittweise die katastrophalen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu überwinden. Der Präsident erlangte große Popularität bei der Bevölkerung, gleichzeitig mußte er von der starken amerikanischen Rechten heftige Angriffe in Kauf nehmen. An der Spitze dieser öffentlichen Kampagnen gegen den Präsidenten stand der Pressekönig William Randolph Hearst, dessen Blätter den „New Deal" als „Raw Deal" (Gewaltstreich) bezeichneten. Außenpolitisch war Roosevelt bestrebt, die Monroe-Doktrin durch eine „Politik der guten Nachbarschaft" abzulösen. Als erstes vereinbarte er 1933 diplomatische Beziehungen mit der UdSSR, was ihm wiederum von rechts heftige Attacken und die Bezeichnung Kommunist einbrachte, ein Vorwurf, der auf den Großbourgeois Roosevelt gewiß am wenigsten zutraf. Mit dem faschistischen deutschen Staat unterhielten die USA normale diplomatische Beziehungen, auch die Auslandsorganisation der NSDAP in den USA sowie der faschistische German-American-Bund waren offiziell erlaubt und durften beispielsweise noch 1939 (!) im New 22

Yorker Madison Square Garden eine Massenkundgebung abhalten. 34 Ebenso ohne jeden Eingriff seitens der Roosevelt-Regierung durfte die Hearst-Presse die Nazis feiern und zur gleichen Zeit den Zusammenschluß der antifaschistischen Kräfte hintertreiben. 35 * Die offizielle USA-Politik kam indirekt einer Ermunterung des Faschismus gleich. Mit der „Neutralitätsgesetzgebung" der Jahre 1935 bis 1937 leisteten die USA dem Faschismus direkt Schützenhilfe. Zu einem Zeitpunkt, als sich die aggressiven Absichten Deutschlands, Italiens und Japans bereits deutlich abzeichneten, verabschiedete der USAKongreß ein Gesetz, das die Lieferung bzw. Ausfuhr von USAKriegsmaterial an alle „kriegführenden" Mächte verbot. Damit wurden Aggressor und Opfer gleichgestellt und z. B. der ökonomischen Erdrosselung der spanischen Republik direkt Beihilfe geleistet. So wurde durch die USA in den Jahren bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges (die „Neutralitätsgesetzgebung" wurde erst im November 1939 teilweise aufgehoben) objektiv die Vorbereitung dieses Krieges durch die Faschisten begünstigt. Der zunehmende Reohtsradikalismus jener Jahre in den USA, die antikommunistische Massenpropaganda der Hearst-Presse führten zu einem sehr gespaltenen Verhältnis der Nation gegenüber den antifaschistischen Emigranten aus Europa. Auch die Einsetzung eines Ausschusses des Repräsentantenhauses im Jahre 1938 zur „Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit" war Ausdruck dieser Haltung. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges, nach Hitlers Überfall auf Polen, änderte sich die USA-Politik immer noch nur zögernd. Über ein Jahr mußte vergehen, bis die USA ihr gewaltiges Rüstungspotential gegen den Faschismus einsetzten. Im März 1941 ermöglichte der „Lend-Lease-Act" den Verkauf bzw. die leihweise Übergabe von Kriegsmaterial an Staaten, die von den Faschisten bedroht waren. Naoh dem Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion kam es durch Initiativen der UdSSR zur Ausbildung der Anti-Hitler-Koalition. Die USA schlössen zunächst mit Großbritannien die Atlantikcharta ab, der die UdSSR im September 1941 beitrat. Am 7. Dezember 1941 erfolgte der japanische Überfall auf Pearl Harbour und damit die aktive Einbeziehung der USA in den zweiten Weltkrieg. Nach der Washingtoner Deklaration von 1942, in der sechsundzwanzig Staaten sich verpflichteten, alle ihre militärischen und ökonomischen Potentiale gegen den Faschismus einzusetzen, nahm die Frage der Eröffnung einer zweiten Front den zentralen Platz in den Beziehungen der Verbündeten ein. Die USA hatten ihre diesbezüglichen Verpflichtungen vom Sommer 1942 nioht 23

eingehalten, so daß die UdSSR die Hauptlast des Krieges zu tragen hatte. Erst im Juni 1944 landeten amerikanische Truppen in Europa, zu einem Zeitpunkt, als der Krieg bereits entschieden war. Mit dem Sieg der Roten Armee über den Faschismus war das Ende der erzwungenen Kriegskoalition der USA mit der UdSSR gekommen, die reaktionären Monopolkreise hatten ihr Ziel, die UdSSR zu schwächen und im Ergebnis des zweiten Weltkrieges das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu verändern, nicht erreicht. Mit dem errungenen Sieg ging die Sowjetunion noch stärker aus dem Krieg hervor, ihre internationale Autorität wuohs bedeutend. Im April 1945 starb Präsident Roosevelt; der schon lange nur noch durch die große Popularität des Verstorbenen zurückgehaltene und aufgestaute Rechtsradikalismus führender amerikanischer Kreise wurde nunmehr, unter Roosevelts Nachfolger Harry S. Truman, schlagartig wirksam. Die USA leiteten ihre berüchtigte Nachkriegspolitik des Antiikommunismus, der imperialistischen Einmischung und des erneuten Weltmachtstrebens ein. Eine Welle der Kommunistenverfolgung begann im Lande, der „Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit" wurde reaktiviert und erlangte unter Senator McCarthy traurige Berühmtheit. Die vorübergehende - und duroh den zweiten Weltkrieg erzwungene - Liberalisierung der USA-Politik war beendet, der Imperialismus zeigte sein ungeschminktes Gesicht. Mit dieser - hier nur sehr kurz skizzierten - politischen Landschaft in den USA waren die deutschen Emigranten konfrontiert.

Die deutsche antifaschistische

Emigration in den USA

Die Politik der USA gegenüber

den

Emigranten

Eine 1945 durch das „Committee for the Study of Recent Immigration from Europe" (Komitee zum Studium der gegenwärtigen Einwanderung aus Europa) vorgelegte Studie 36 beziffert die Zahl der Einwanderer in die USA von 1933 bis 1944 auf nahezu 300000, davon 53,1 Prozent, also etwa 150000, aus Deutschland und Österreich. Dies bedeutet, daß die USA den zahlenmäßig größten Teil deutscher Emigranten, vor allem ab 1936/37, aufnahmen. Die gleiche Studie weist mit hoher Verläßlichkeit, auf Grund der Auswertung von 11000 Bogen einer Repräsentativbefragung bei Emigranten 37 , nach, daß 67,5 Prozent dieser deutsch-österreichischen Emigranten „wegen religiöser 24

oder rassischer Verfolgung" nach den U S A kamen und nur 5 Prozent „wegen Opposition gegen das politische Regime in Deutschland". Der größte Teil der nach den U S A Flüchtenden bestand aus jüdischen Geschäftsleuten, die in den U S A eine neue Existenz suchten und auch 1945 - wiederum in der genannten Studie ausgewiesen - nicht die Absicht hatten, nach Deutschland zurückzukehren. D i e U S A waren seit jeher ein Ziel deutscher Auswanderer gewesen, das ganze 19. Jahrhundert verzeichnet Auswanderungen in die „neue Welt", vorwiegend aus ökonomischen Gründen, nur teilweise politisch motiviert, wie etwa die Auswanderung nach der mißglückten Revolution von 1848 mit Karl Schurz an der Spitze 38 . In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich in den U S A bereits eine zahlenmäßig große Gruppe von Deutschamerikanern gebildet, die auch eigene Organisationen unterhielt. Im Verlaufe der historischen Entwicklung und der unvermindert bestehenden Bindungen an die ehemalige Heimat, das kaiserliche Deutschland, machten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer mehr reaktionäre K r ä f t e unter den Deutschamerikanern bemerkbar, vor allem wuchs bei vielen seit Mitte der zwanziger Jahre die Sympathie für die faschistische Bewegung. „ D i e Deutschamerikaner des Jahres 1933 hatten . . . mit dem Geist ihrer Vorfahren von 1848 nur noch wenig zu tun. Nationalismus und Antisemitismus waren unter ihnen verbreitet." 3 9 Von hier gab es für die politischen Flüchtlinge aus Hitlerdeutschland kaum Berührungspunkte oder Hilfe bei der Einwanderung. D i e offizielle Einwanderungspolitik der U S A war seit Jahren bemüht, die Zahl der Einwanderer in die U S A zu begrenzen. Mit dem „Immigration Act" von 1924 wurde die Quotierung der Visa eingeführt. Von diesem Zeitpunkt ab gab es eine sogenannte „Barred Zone" (gesperrte Zone), aus der keinerlei Einwanderer zugelassen wurden (alle Länder Asiens und Ozeaniens, mit Ausnahme von China und den Philippinen); eine sogenannte „Unrestricted A r e a " (uneingeschränktes Gebiet), aus der alle Einwanderungsgesuche bewilligt wurden (alle Länder Nord-, Mittel- und Südamerikas). Alle übrigen Länder der Welt wurden zu „Quoted countries" (quotierten Ländern) erklärt, aus ihnen durften insgesamt pro Jahr 150000 Menschen einwandern, aufgeteilt auf Länderquoten. In demselben „Immigration Act" war festgelegt worden, daß für ein ordentliches Einreisevisum, das zu längerem bzw. dauerndem Aufenthalt in den U S A berechtigte (Immigrant visa), folgende Unterlagen vorzulegen waren: Paß, Geburtsurkunde, Heirats- bzw. Scheidungsurkunde, polizeiliches Füh25

rungszeugnis, Armeezeugnis, Vermögensbescheinigung. Bei Nichtvorlage einzelner dieser Dokumente (welcher antifaschistische Emigrant konnte bei den Umständen seiner Flucht aus Deutschland beispielsweise ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen?) lag es im Ermessen des amerikanischen Einwanderungsbeamten (Immigration officer), lediglich ein Besuchervisum (Visitors visa) zu erteilen, das nur ein Jahr gültig war und dessen Verlängerung sehr schwierig war. Auch nach dem Ausbruch des Fasohismus blieb diese bürokratische Festlegung voll gültig bis Anfang 1939, so daß die Länderquote Deutschland/Österreich bis 1938 ständig unausgelastet blieb und viele Emigranten kräftezehrende Kämpfe um Besuchervisa und deren Verlängerung führen mußten. Die Länderquote für Deutschland/Österreich betrug pro Jahr 27 230 mögliche Einwanderungen, in Wirklichkeit wurde sie wie folgt ausgelastet: 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

5,3 Prozent 13,7 20,2 24,3 „ 42,1 65,3 100,0 „ 95,3 47,7 17,4 „ 4,7 4,8

Ausgenommen von dieser Quotierung waren lediglich als sogenannte „Nonquota immigrants" Frauen, die USA-Bürger heirateten, sowie deren Kinder, Studenten, die in den USA ein Studium aufnahmen sowie Professoren und deren Familien. Der letztere Umstand erklärt die starke akademische Emigration in die USA sofort naoh 1933. Erst 1939, nach dem Überfall Hitlers auf Polen, setzte Roosevelt gegen den starken Widerstand seiner Administration durch, daß für antifaschistische Emigranten, die sich in akuter Gefahr befanden, sogenannte „Emergency visa" (Gefahrenvisa) erteilt wurden. Doch auch zu diesem Zeitpunkt war die bürokratische Abwicklung in den USA-Konsulaten für viele Emigranten eine akute Lebensgefahr. So war beispielsweise zum Zeitpunkt, als der deutsch-französische Waf26

fenstillstandsvertrag 1940 Hitlerdeutschland das Recht zubilligte, jederzeit die Auslieferung mißbilliger Emigranten zu verlangen, die entschlossene und fast abenteuerliche Hilfe eines von Roosevelt initiierten Komitees, des „Emergency Rescue Committee", und seines Abgesandten Varian Fry in Paris und Marseille nötig, um bei den offiziellen USA-Konsulatsbeamten Visabearbeitungen zu beschleunigen und so z. B. Lion Feuchtwanger, Franz Werfel und Heinrioh sowie Golo Mann die Flucht zu ermöglichen. 40 * Der Kongreßabgeordnete E. Celler dazu: „Es dauert Monate und Monate, bis das Visum bewilligt wird, und dann bezieht es sich gewöhnlich auf eine Leiche." 41 Der amerikanische Historiker Arthur D. Morse hat die erschreckende Chronik der US-Einwanderungsbürokratie in einem bemerkenswerten Buch dargestellt, das bereits im Titel die Anklage formuliert: While six millions died. Carl Zuckmayer berichtet über die Erfahrungen im Schweizer USA-Konsulat: „Wir kannten noch nicht den absoluten Legalismus des amerikanischen Beamten, dem nichts als der Buchstabe des Gesetzes gilt und zwar genau bis aufs Haar . . . Wir fanden es komisch, daß wir auf den behördlichen Fragebogen eidesstattlich versichern mußten, wir seien weder geisteskrank, leprös, syphilitisch noch lebten wir von der Prostitution . . . Verständnis hatten wir von den 'Immigration Officers', den harten, abgebrühten Exekutoren der alltäglichen Paßkontrolle, nicht zu erwarten." 42 Das zweite Problem der Emigranten in den USA ~ nach der Visafrage - war die Frage des Lebensunterhalts. Eine staatliche Unterstützung gab es nicht. Während viele der aus rassischen Gründen Geflohenen von jüdischen und deutschamerikanischen Hilfsorganisationen unterstützt wurden und so Arbeitsplätze finden konnten, war das bei den geflohenen antifaschistischen Künstlern und Wissenschaftlern nicht der Fall. Viele von ihnen erhielten von amerikanischen Universitäten und Colleges Lehraufträge und Jahresverträge als „lecturers". Diese Unterstützung war für viele Wissenschaftler, Schriftsteller und Musiker lebenswichtig, sie ist für das Exilland USA typisch und gehört im Buch der antifaschistischen Emigration zu den amerikanischen Ruhmesblättern. Die New School for Social Research in New York mit ihrem Direktor Alvin Johnson wurde zur „University in Exile" und gab zahlreichen Wissenschaftlern und Künstlern die Möglichkeit zur Einwanderung und Existenz in den USA. Auch die Columbia University New York, die University of Southern California in Los Angeles, die University of Chicago und das Institute of Advanced Study in Princeton gaben zahlreichen deutschen Emigran27

ten Arbeitsmöglichkeiten. Einrichtungen wie die Rockefeller-Foundation oder der Oberlaender-Trust stellten größere Geldmittel für Forschungsprojekte deutscher Emigranten bereit. Zahlreiche emigrierte Künstler, vor allem Schriftsteller, lebten jedoch in ständiger Existenznot und waren gezwungen, aus Gründen des Broterwerbs zum Teil entwürdigende Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen, wie die Arbeit in den Script-Abteilungen der Hollywooder Filmstudios, oder Konzessionen an den amerikanischen Publikumsgeschmack zu machen, wie etwa die Regisseure und Schauspieler, die in Hollywood Anstellungen fanden. Wem das nicht gelang oder wer nicht wie etwa Thomas Mann oder Lion Feuchtwanger zu den übersetzten und in den USA vielgedruckten deutschen Autoren gehörte, der lebte jahrelang an der Grenze des Existenzminimums oder überhaupt nur durch die Hilfe von Freunden. Mit Ausnahme des 1945 gegründeten Aurora-Verlages New York (einer Fortführung von Wieland Herzfeldes Malik-Verlag) gab es keinen nennenswerten deutschen Exilverlag in den USA, auch die Veröffentlichung der antifaschistischen deutschen Literatur der Emigration in den USA-Verlagen blieb gering an Zahl und Auflage, mit einer Ausnahme: Anna Seghers' Siebtes Kreuz wurde in den USA ein Bestseller. Hier spiegelt sich deutlich die Einstellung eines Großteils der amerikanischen Gesellschaft zu den antifaschistischen Emigranten wider: sie wurden als Fremdkörper verstanden, als nicht der Gesellschaft zugehörig, ja als lästig. Eine Umfrage der amerikanischen Zeitschrift Fortune im Jahre 1939 ergab z. B., daß auf die Frage: „Wenn Sie Mitglied des Kongresses wären, würden Sie zu einem Gesetz, das die Tore der Vereinigten Staaten für eine größere Anzahl europäischer Flüchtlinge über die gesetzlichen Quoten hinaus öffnet, Ja oder Nein sagen?" 83 Prozent der Befragten mit Nein antworteten43. Offiziell wurde diese Haltung gegenüber den Emigranten mehrfach durch Kongreßabgeordnete formuliert. Dafür zwei Belege: „Vielleicht, wenn das Volk der Vereinigten Staaten genug Bauchschmerzen von der Geschäftigkeit dieser ausländischen Importe bekommen hat, . . . vielleicht wird sich dann das amerikanische Volk erbrechen und dieses Futter wieder loswerden, das anfing, im amerikanischen Magen zu gerinnen und dem ganzen amerikanischen Körper Kummer zu machen." (Kongreßabgeordneter G. A. Phelps, 1940.)44 „Wir müssen die Tränen, das Schluchzen der Sentimentalen ignorieren und die Tore unseres Landes für alle Zeiten verriegeln und verschließen gegenüber einer neuen Einwanderungswelle, und wenn 28

wir das getan haben, sollten wir die Schlüssel fortwerfen." (Abgeordneter des Repräsentantenhauses M. Dies, erster Vorsitzender des „Ausschusses zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit", 1939.)45 Die emigrationsfeindliche Haltung ging Hand in Hand mit antikommunistischen Bestrebungen zahlreicher offizieller USA-Behörden. Aber auch zahkeiche liberale und progressive Amerikaner, Organisationen und Zeitschriften standen dem Problem der Emigranten aufgeschlossen und hilfreich gegenüber. Dies betrifft sowohl den Präsidenten Roosevelt, der sich dafür wütender Angriffe der HearstPresse ausgesetzt sah und im Apparat seiner Regierung nicht in der Lage war, die emigrantenfeindliche Haltung des State Department und der ihm unterstellten Auslandsvertretungen entscheidend zu verändern, als auch etwa die einflußreiche Journalistin Dorothy Thompson, die 1933 in Deutschland als Korrespondentin tätig gewesen war und von den Faschisten 1934 auf Grund ihres Buches I saw Hitler ausgewiesen wurde. Dorothy Thompson wurde zu einer Schlüsselfigur der amerikanischen Anti-Hitlerbewegung, ihre wöchentliche Kolumne Ort the record wurde von zahlreichen Amerikanern gelesen und versuchte, für die Emigranten Partei zu nehmen. Die Thompson war es auch, die den Präsidenten mehrfach auf die Problematik der Einwanderungspolitik hinwies und zahlreichen deutschen Emigranten - unter ihnen auch Hanns Eisler - bei der Visäbeschaffung aktive Hilfe leistete. Das bereits genannte Emergency Rescue Committee und die League of American Writers waren zwei der verschiedenen Organisationen, die antifaschistischen Emigranten Unterstützung und Hilfe gewährten. Insgesamt aber überwog bis 1941 die geschilderte Emigrantenfeindlichkeit in der amerikanischen Gesellschaft, die gleichzeitig einherging mit einem Anwachsen des Antikommunismus und sehr oft die Hetze gegen den Kommunismus mit der Hetze gegen die Emigranten verband, ein bevorzugtes Mittel der Hearst-Presse. So lesen wir in allen Blättern Hearsts z. B. am 25. Juni 1941: „Es [ist] ebenso wichtig, sich der akuten und bewiesenen Gefahr der russischen kommunistischen Agenturen bewußt zu werden, die über das ganze Land verstreut sind!"46 Nadh dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg verschärfte sich die Lage der Emigranten. Sie wurden als „Enemy aliens" (feindliche Ausländer) registriert, ein System der „Limitations of personal Freedom" (Begrenzungen der persönlichen Freiheit) trat in Kraft, die Emigranten mußten sich regelmäßig bei der Polizei melden, erhielten einen besonderen Ausweis, mußten für Reisen innerhalb des Landes polizeiliche Geneh29

migungen einholen und durften (in Kalifornien) nach 20 Uhr das Haus nicht mehr verlassen. An der einsetzenden offiziellen AntiHitler-Propaganda der Westalliierten waren deutsche Emigranten teilweise beteiligt. Dies betrifft sowohl die Filmarbeit in Hollywood als beispielsweise Thomas Manns Rundfunkreden für die B B C und zahlreiche publizistische Beiträge in verschiedenen amerikanischen Zeitschriften. D i e nach Roosevelts Tod einsetzende verstärkte antikommunistische Welle betraf auch zahlreiche Emigranten, die durch Verleumdung oder direkte Schikanemaßnahmen der Truman-Regierung in Mitleidenschaft gezogen wurden. Verhöre vor dem „Unamerikanischen Ausschuß", Verzögerungen beantragter Ausreisen und erneute Presseattacken waren Mittel der Truman-Administration. So zeigten sich die U S A von 1933 bis 1945 und in den unmittelbaren Nachkriegsjahren wenig emigrantenfreundlich. Zwar in der Zahl der insgesamt Aufgenommenen an der Spitze stehend, war jedoch speziell für die antifaschistischen deutschen Künstler das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten" ein Land sehr begrenzter Möglichkeiten. Für die meisten von ihnen galt jedoch nichtsdestoweniger, was Heinrich Mann programmatisch dem deutschen Lesebuch Morgenröte-Aurora voransetzte, das 1947 in Herzfeldes Aurora-Verlag erschien: „In einem Exil, das vielen nichts als ein langes Elend, allen ein herabgesetztes, obwohl heftiges Stück Leben war, beklagten sie doch nie, was sie selbst, nur, was Deutschland verlor." 4 7

Zentren und Entwicklungsphasen der deutschen Emigration in den USA

antifaschistischen

D i e bereits erwähnte Studie des „Committee for the Study of Recent Immigration from Europe" gibt die Zahl der 1933 bis 1944 in die U S A emigrierten Künstler wie folgt an: Schriftsteiler, Publizisten, Wissenschaftler Schauspieler Verleger Musiker

1900 767 457 1 015 4 8

Diese große Zahl verteilte sich auf alle Teile des Landes, so daß von ausgesprochenen Exilzentren in den U S A nicht gesprochen werden kann, weil sich die Emigranten in allen Bundesstaaten ansiedel-

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ten. Dennoch gab es zu bestimmten Zeiten räumliche Konzentrierungen, und es gab amerikanische Einrichtungen, an denen besonders viele deutsche Emigranten tätig waren - jedoch nicht so ausschließlich wie in anderen Exilländern. Die deutsche Emigration nadh den USA vollzog sich in zwei großen Wellen. Ab 1933 kamen zunächst zahlreiche exilierte Wissenschaftler in die USA (auf Grund der Bestimmung der „Nonquota Visa"), eine akademische Emigration mit Albert Einstein als prominentestem Vertreter. Sie konzentrierte sich Mitte der dreißiger Jahre in New York an der Ostküste, bedingt durch die Metropolenstellung der Stadt, durch das Vorhandensein zahlreicher, meist jüdischer Hilfsorganisationen und einiger wissenschaftlicher Einrichtungen, die großzügig Arbeitsmöglichkeiten für Emigranten boten. Neben der New School for Social Research waren dies vor allem die Columbia University, die 1933 dem von der Frankfurter Universität verbannten Institut für Sozialforschung unter Leitung von Max Horkheimer Asyl gewährte, und die University of Chicago, an der u. a. der Philosoph Leo Strauss, der Theologe Paul Tillich und der Sozialwissenschaftler Arnold Bergstraesser Lehraufträge erhielten. D i e Ostküste und New York waren auch der Sitz der meisten Publikationsorgane der deutschen Emigration. Ende der dreißiger Jahre, als aus bereits erwähnten Gründen zahlreiche Künstler nach den USA kamen, bildete sich als zweites räumliches Zentrum die Westküste heraus, sowohl auf Grund der dort ansässigen Filmindustrie, die zahlreiche Emigranten beschäftigte, als auch durch die University of Soutihern California in Los Angeles, die viele Lehraufträge an Emigranten darunter etwa Arnold Schönberg und Hanns Eisler - vergab. Zu dieser Zeit ist auch das Institute of Advanced Study in Princeton zu nennen, an dem seit 1933 Einstein Mitglied war und das ab 1938 u. a. Thomas Mann, Hermann Broch und Erich Kalhler Arbeitsmöglichkeiten bot. Nennen wir einige Emigranten, die sich in den beiden hauptsächlichen Regionen niederließen: In New York und an der Ostküste lebten u. a. Hermann Budzislawski (ab 1940), Hanns Eisler (ab 1938), Gerhart Eisler (ab 1941), Oskar Maria Graf (ab 1938), Wieland Herzfelde (ab 1939), Paul Hindemith (ab 1936), Stefan Heym (ab 1935), Hermann Kesten (ab 1940), Klaus Mann (ab 1936), Hans Marchwitza (ab 1941), Albert Norden (ab 1941), Erwin Piscator (ab 1938), Maximilian Scheer (ab 1941), Ernst Toller (ab 1936), Walter Victor (ab 1940) und F. C. Weiskopf (ab 1938). Über den Alltag des Exils in dieser Region, über New York als „Stadt ohne 31

Gnade" haben Hans Marchwitza und Maximilian Scheer bewegende Berichte geschrieben49, bei Soheer findet sich der bemerkenswerte Satz: „[Die USA] - ein Land, das kein Feudalstaat, kein - zu Beginn des zweiten Weltkriegs noch kein - Militärstaat ist; ein Land aber, in dem Industrielle die Macht von Feudalherren, Bankherren die Macht von Generälen besitzen; in dem der Mensch zum Material der Industrie geworden ist und mit unbarmherziger Hand benutzt, ausgelaugt und abgestoßen wird; ein Land des industriellen Schützengrabens." 50 An der Westküste, um Hollywood und Los Angeles, lebten u. a. Bertolt Brecht (ab 1941), Alfred Döblin (ab 1940), Hanns Eisler (ab 1942), Lion Feuchtwanger (ab 1941), Leonhard Frank (ab 1940), Thomas Mann (ab 1940, vorher in Princeton), Heinrich Mann (ab 1940), Arnold Schönberg (ab 1933) und Franz Werfel (ab 1940). Viele Emigranten mußten sich hier an die Traumfabrik Hollywood verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Filmdrehbuchverträge hatten u. a. Brecht, Heinrich Mann, Döblin, Leonhard Frank, Alfred Neumann, Alfred Polgar und Walter Mehring. Die ungewohnten Arbeitsbedingungen, die Eingliederung in die hochkapitalistische Maschinerie fiel den meisten unsagbar schwer, sowohl den Filmleuten wie den Schriftstellern. Brecht notiert 1942: „kortner kann keine rolle bekommen, eisler erzählt, daß die Leute in rko bei der Vorführung von Probeaufnahmen laut gelacht hätten . . ., eigentliches spiel [ist] hier verpönt." 51 Döblin schreibt voller Bitterkeit: „Wir in den Filmstudios merkten bald, die Gesellschaften hatten nur Wohltätigkeit üben wollen und meinten es nicht ernst mit unserer Arbeit. Wir konnten schreiben, was wir wollten." 52 Die Schriftstellerin Vicki Baum erzählt: „Das MGM-Gelände war damals ein kleinstädtisches Konglomerat in aller Eile zusammengenagelter Bauten. Die Autoren hatte man in den übelsten Slums dieser kleinen Gemeinde untergebracht . . . Diese armseligen Holzbaracken, die 'Autorenhäuser' mit ihren knarrenden Eingangsstufen und den kleinfenstrigen, winzigen Stübchen, die in den kalifornischen Hitzewellen schmorten . . ." 53 Der deutsche Filmregisseur Ludwig Berger bemerkt rückschauend: „Alles trug sich in Hollywood nackt zu: Verdienst, Verbrechen, Begierde und Vergnügen. Auch Venus wandelte ohne Schleier, dafür hielt sie das Scheckbuch in der Hand . . . Es herrschten Tyrannen. Kein Zar konnte absolutistischer sein als die Kaiser der großen Filmkonzerne, kein preußisches Reglement war härter im Geist als die Organisation der Filmkasernen." 54 In den Jahren 1938 bis 1945 wurde in Hollywood kein einziger Drehbuchentwurf eines deutschen Emi32

granten wirklich verfilmt, sieht man von Brechts Mitarbeit an dem Film Hangmen also die (1942) ab, der von einem Amerikaner entgegen Brechts Intentionen im Drehbuch verändert und fertiggestellt wurde. Auch von den zahlreichen emigrierten Filmschaffenden machten lediglich der Regisseur Fritz Lang und der Schauspieler Peter Lorre eine bedeutende Karriere in Hollywood, allerdings unter weitgehender Preisgabe ihrer künstlerischen Positionen vor 1933. Die Konfrontation mit dem Phänomen Hollywood - von Brecht und Eisler in den Hollywood-Elegien künstlerisch beschrieben - brachte den Emigranten zwar notwendige Mittel zum Lebensunterhalt, aber zugleich als bittere Erfahrung Einblicke in die ungeschminkte kapitalistische Kunstindustrie, „ich merke jetzt, daß diese arbeit am film mich fast krank gemacht hat . . . gewöhnt daran, meine würde zu nehmen von der würde der aufgabe . . ., wo bleibe ich, wenn die aufgabe unwürdig ist?" 55 Die räumliche Zersplitterung der deutschen Emigranten war der eine Grund für das Fehlen eines geschlossenen Auftretens, einer geschlossenen Wirkung im öffentlichen Leben des Gastlandes. Der zweite Grund lag in der uneinheitlichen politischen Gruppierung der deutschen Emigration, im uneinheitlichen politischen Auftreten. Hinzu kam, daß die Aktionsfähigkeit der kommunistischen Emigranten durch die Einwanderungsgesetzgebung der USA äußerst eingeschränkt war, bei kommunistischer Betätigung war eine sofortige Ausweisung aus den USA vorgesehen. Dennoch gab es die von Stefan Heym 1937 bis 1939 redigierte Zeitschrift Deutsches Volksecbo und ab 1942 in der von Kurt Rosenfeld herausgegebenen Zeitschrift The GertnanAmerican zahlreiche Beiträge u. a. von Gerhart Eisler und Albert Norden. Beide Organe waren Instrumente der Volksfrontpolitik, die die kommunistischen Emigranten im Sinne der Beschlüsse der Brüsseler und Berner Konferenzen der K P D verfolgten. Die führenden Gruppen der Sozialdemokratie in den USA beteiligten sich jedoch in der überwiegenden Mehrheit nicht an der Volksfrontpolitik, sondern steuerten - vor allem in ihrer von Gerhart Seger, dem ehemaligen Chefredakteur des Vorwärts, ab 1936 geleiteten Neuen Volkszeitung - einen offen antikommunistischen Kurs. 1935 schrieb Seger: „Die sozialistische Bewegung wird nur Erfolg haben, wenn sie jedes Schielen nach der kommunistischen Seite unterläßt."56 Damit wurde im USA-Exil ein Kurs fortgesetzt, der bereits in der ersten ExilNummer des Vorwärts 1933 in Prag zum Programm der SPD-Führung erklärt worden war: „Der Kommunismus ist ein einziges Ver3

Hanns Eislcr

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brechen an der deutschen Arbeiterklasse und ein furchtbares Verhängnis für sie." 57 In Verkennung der historischen Notwendigkeiten begab sich die SPD-Führung damit in eine Isolation, die der gesamten Emigration schadete und die auch von der amerikanischen Öffentlichkeit durchaus registriert wurde. So schreibt - angesichts einer Artikelfolge in Segers NVZ 1944 - der einflußreiche Journalist Norman Shirer: „Keine Nazi-Zeitung in Deutschland blickt auf die Siege der Russen mit größerer Sorge als dieses 'Anti-Nazi-Blatt' in New York." 58 Viele aufrechte Sozialdemokraten wandten sich von diesem Kurs rechter SPD-Führer ab und arbeiteten auch in den USA an der Volksfrontbewegung mit. Den rechten Flügel der USA-Emigration markierten der Kreis um den ehemaligen Kanzler Brüning und die Gruppe des Nationalsozialisten Otto Strasser. Hier müssen auch die Aktivitäten des German-American-Bund und der Auslandsorganisation der NSDAP genannt werden, die antikommunistische und profaschistische Ziele vertraten, allerdings in der amerikanischen Öffentlichkeit oft gegenteilige Reaktionen auslösten. „Wenn heute Jugendliche in Uniform und mit Hakenkreuz im Madison Square Garden Parade marschieren, wird die . . . Nazi-Gefahr glaubhaft." 09 Zahlreiche Deutschamerikaner zählten zu den Mitgliedern und Sympathisanten des „Bundes", während die Zeitschrift der Deutschamerikaner, der 1934 gegründete Aufbau als Organ des GermanJewish-Club, bürgerliche Positionen vertrat und auch zahlreichen emigrierten Schriftstellern Gehör verschaffte. Wichtig für die Volksfrontpolitik waren zunächst ab 1937 zwei Kulturorganisationen. 1937 erfolgte die Gründung des Deutsch-Amerikanischen Kulturverbandes (DAKV), mit Otto Sattler als Vorsitzenden und Thomas Mann als Ehrenpräsidenten. Diese überparteiliche Organisation diente als Plattform der Volksfrontpolitik. Wie stark der kommunistische Einfluß war, zeigt ein Bericht der NVZ über eine Kundgebung des DAKV im Jahre 1937: „Als er (der Redner Kurt Rosenfeld - J. S.) die Sozialdemokraten Mierendorf und Schumacher nannte, die seit Beginn des Hitlerregimes in Konzentrationslagern schmachten, eisige Ruhe; aber sobald das Wort Thälmann laut wurde, ging der Jubel los."60 1938 wurde die German-American-Writers Association (GAWA) gegründet, ein Organ, das dem Schutzverband deutscher Schriftsteller aus der Zeit des französischen Exils glich und die Einigung aller Autoren im Sinne der Volksfront anstrebte. 1939 zählte die GAWA 150 Mitglieder, Oskar Maria Graf und Ferdinand Bruckner waren die Vorsitzenden, wiederum Thomas Mann der Ehren34

Präsident. Nachfolgeorganisation dieser beiden Vereinigungen wurde die im Frühjahr 1942 gegründete German-American Emergency Conference, in der Oskar Maria Graf, Lion Feuchtwanger und weitere Emigranten führende Positionen innehatten und die wiederum für die Volksfront aller Hitlergegner arbeitete. Als Gegenorganisation unter SPD-Führung hatte sich der German-American Congress for Democracy etabliert, mit Gerhart Seger und Max Brauer als Vorstand, „eine ausgesprochen antikommunistische Gruppierung" 61 . Es ist wiederum symptomatisch, daß in diesen Organisationen keine emigrierten Musiker mitarbeiteten. Die Geschichte dieser Organisationen (viele kleine Splittergruppierungen bleiben ungenannt) zeigt eindringlich die Uneinigkeit der deutschen Emigration in den USA, die auch durch die Aktivitäten der Kommunisten und der ihnen Nahestehenden nicht aufgehoben werden konnte. Die antikommunistische Richtung eines Teils der Emigranten wurde auch durch Renegaten wie Arthur Koestler, Karl August Wittfogel, Ruth Fischer (Eislers Schwester - auf ihr unrühmliches Verhalten wird noch zurückzukommen sein) und Willi Schlamm befördert. Zehn Monate nach der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland in der UdSSR konstitutierte sich im März 1944 in New York der Council for a Democratic Germany, der als wichtigstes Volksfrontorgan in der USA-Emigration etwa ein Jahr tätig war. Unter dem Vorsitz des Theologen Paul Tillich vereinigte er vierundzwanzig Mitglieder verschiedener politischer Parteien und Weltanschauungen, die für ein demokratisches Deutschland nach der Zerschlagung des Faschismus eintraten. Mitglieder waren u. a. S. Aufhäuser (ehemaliger SPD-Reichstagsabgeordneter), F. Bärwald (ehemaliger Zentrum-Politiker), Bertolt Brecht, Hermann Budzislawski, Paul Hagen, Julius E. Lips, Albert Norden, Maximilian Scheer, Albert Schreiner, Walter Victor, Berthold Viertel und Jakob Walcher. Thomas Mann lehnte die Mitarbeit ab, er war zu dieser Zeit einer von Emil Ludwig vertretenen Haltung nahe, die Hitler und Deutschland gleichsetzte und es ablehnte, für ein neues Deutschland einzutreten. 62 Der Council for a Democratic Germany veröffentlichte ein eigenes Bulletin, seine Beschlüsse und Denkschriften (etwa die Denkschrift vom 14. Juli 1944 über den Wiederaufbau der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland) sind echte Dokumente der aktiven Arbeit gegen den Faschismus. Brecht schrieb in diesen Tagen: „Wir sind bereit zu kämpfen, für ein großes freies deutsches Volk, Herr im eigenen Hause und Freund aller anderen Völker." 63 Im Bulletin Nr. 1 3*

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vom 1. September 1944 des Council lesen wir: „Diese Männer (die Mitglieder des Council - J. S.) haben von Atibeginn an ihren Abscheu vor Hitler und seinen Verbrechen durch entschlossenen Kampf bewiesen. Und sie haben jetzt noch etwas bewiesen: Daß die demokratischen Anti-Nazi-Kräfte Deutschlands ihre Gegensätze von gestern begraben können für das Ziel einer friedliebenden deutschen Republik von morgen."64 Der Council for a Democratic Germany blieb die einzige konsequente Volksfrontaktion in den USA, er erreichte keine Massenbasis unter den Emigranten, bleibt aber in seiner Bedeutung der politische Höhepunkt der deutschen antifaschistischen Emigration in den USA. Eine gründliche Analyse der Ursachen, die zum Faschismus führten, war das 1945 von Albert Norden, Gerhart Eisler und Albert Schreiner in New York herausgegebene Buch The Lesson of Germany. Nach der Zerschlagung des Faschismus vergingen viele Monate, ehe die Emigranten aus den USA ausreisen konnten. Zu denen, die in das demokratische Deutschland zurückkehrten und hier den Aufbau des Sozialismus mit ihren Mitteln unterstützten, gehörten die Kommunisten und viele bürgerliche Künstler, die in den Jahren des USA-Exils zu neuen Positionen gefunden hatten. Im USAExil entstanden bedeutende Kunstwerke, die heute zum bleibenden Besitz der sozialistischen Nationalkultur gehören - etwa die reifen Stücke Brechts, die Romane Lion Feuchtwangers, die Exilkompositionen Hanns Eislers oder Heinrich Manns Lebensbuch Ein Zeitalter wird besichtigt - , es entstanden große Werke eines neuen bürgerlich-kritischen Realismus - wie etwa Thomas Manns JosephTetralogie, Klaus Manns Wendepunkt oder Schönbergs NapoleonOde. Es gab Tragödien, wie den Freitod Ernst Tollers oder die jahrelange Mittellosigkeit des greisen Heinrich Mann. Inmitten einer wenig emigrantenfreundlichen Umwelt des imperialistischen Exillandes einte eine Hoffnung die antifaschistischen Emigranten, die Hoffnung auf die Niederlage des Faschismus und auf den demokratischen Wiederaufbau Deutschlands.

Musiker im USA-Exil Es ist unmöglich, alle in die USA emigrierten Musikschaffenden hier zu erwähnen, zu groß ist ihre Zahl. Davie - und er stützt sich auf Unterlagen des National Committee for Refugee Musicians - gibt die Zahl 1015 an und untergliedert wie folgt: 36

Musikwissenschaftler und -pädagogen Komponisten Dirigenten Sänger Instrumentalsolisten, Instrumentalisten Verschiedene unklar

275 69 107 215 330 19

Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Emigration nach 1933, etwa den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen oder auch der Literatur, die in ihrer Wirkung und Ausstrahlung auf das Gastland doch sehr beschränkt waren, ist der Impuls der emigrierten Musiker für die USA von größter Bedeutung gewesen. Das Musikleben der USA war relativ wenig entwickelt, es gab bis 1933 kaum eine systematische Musikwissenschaft, kaum eine bedeutende Kammermusikpflege, und die Orchester der USA hatten wenige bedeutende Dirigenten. Die 1933 einsetzende Emigration bedeutender europäischer Musiker veränderte die Szene grundlegend. Zunächst war man in den USA gar nicht darauf eingestellt, auf die vielen neuen Potenzen entsprechend zu reagieren. „Es ist wahr, daß Amerika nicht reif war für eine plötzliche musikalische Renaissance durch diese unmittelbare Berührung mit der intensiveren und in diesem Sinne weitaus höher entwickelten musikalischen Kultur Europas . . . Wir waren nicht sofort in der Lage, sie in unsere musikalischen Aktivitäten einzureihen." 65 Dies stellt Mark Brunswick, der Vorsitzende des National Committee for Refugee Musicians und Präsident der amerikanischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für neue Musik, 1946 rückschauend fest. „Die Anwesenheit bedeutender und berühmter musikalischer Persönlichkeiten in diesem Land gereicht uns natürlich zur Ehre und zu großem Nutzen. Schönberg, Strawinsky, der späte Bartök, Hindemith, Schnabel, Walter, Serkin und eine große Zahl weiterer bedeutender geflüchteter Musiker haben alle einen gewichtigen Beitrag für die Gegenwart und Zukunft unseres musikalischen Lebens geleistet." 66 Da die Situation in den einzelnen Bereichen sehr unterschiedlich war, sollen die nachfolgenden Betrachtungen getrennt nach Gebieten des Schaffens erfolgen. Das Schicksal der Komponisten war unterschiedlich, je nachdem, wie ihnen die Assimilation an die amerikanischen Verhältnisse gelang. Sie alle konnten vom Komponieren allein nicht leben, ihre Werke wurden selten aufgeführt, in Europa waren sie verfemt und als „entartet" von den Faschisten verboten. In den USA übernahmen die meisten Komponisten 37

Lehraufträge an verschiedenen Universitäten und Colleges „und beeinflußten eine ganze Generation junger amerikanischer Musiker" 67 . So lehrte Arnold Schönberg am Malkin Conservatory in Boston und später an der University of Southern California in Los Angeles, Darius Milhaud am Mills College in Kalifornien, Paul Hindemith an der Yale University, Ernst Toch und Hanns Eisler an der New School for Social Research, Eisler ebenfalls in Los Angeles, Ernst Krenek am Black Mountain College in Nordkarolina und später am Vassar-College in New York. Es kamen in die USA Igor Strawinsky, Béla Bartók, Darius Milhaud, Bohuslav Mattimi, Mario Castelnouvo ; es kamen Kurt Weill, Paul Dessau, Hanns Eisler, Jaromil Weinberger und Erich Korngold. „Die neuangekommenen Komponisten fanden Leute und Organisationen, die bereit waren, ihnen Hilfe und Schutz zu geben . . . Einige Stiftungen stellten Gelder zur Verfügung und ermöglichten Lehraufträge an verschiedenen Ausbildungsinstituten." 68 Ernst Toch berichtet über seine Lehrtätigkeit: „Die Situation ist recht anders als in Europa, auch ziemlich anders geartete Schüler . . . Das musikfachliche Wissen war nicht hoch. Doch waren die Schüler sehr aufgeschlossen, und es war eine Freude zu versuchen, diesen jungen Menschen neue Perspektiven zu geben, nicht nur in Dingen des Fachs . . . Einen amerikanischen Verlag für ernste Musik, der sich mit den europäischen dieser Art vergleichen läßt, gibt es nicht."69 Die Musik der Wiener Schule war in den USA wie auch fast alle andere zeitgenössische europäische Musik - kaum bekannt. Mit den Emigranten kamen auch ihre Kompositionen nach Amerika und erlebten einige Aufführungen. Dabei kam es teilweise zu grotesken Reaktionen: So leitete Theodor Adorno zeitweise einen Zyklus zeitgenössischer Musik an der Städtischen Radiostation New York. Nach der Aufführung einer Oboensonate eines modernen europäischen Komponisten rief der Oberbürgermeister La Guardia im Sender an und verlangte, die Serie unverzüglich abzubrechen. „Diese Musik galt mehr oder minder als Ausdruck verrückter Europäer. Die moderne Musik hat ein verborgenes Leben geführt." 70 Schönberg schreibt zum selben Thema in einem Brief an Otto Klemperer nach seiner Übersiedlung nach Los Angeles, als das dortige Orchester ein Werk von ihm aufführen will: „Ich finde es unerhört, daß diese Leute, die 25 Jahre lang meine Werke in dieser Gegend unterdrückt haben, mich nun als Staffage . . . verwenden wollen, weil ich zufällig . . . hier bin." 71 Die Wirkung der Aufführungen blieb gering, während die Lehrtätigkeit dagegen zahlreiche junge amerikanische 38

Musiker prägte. So wichtig jedoch diese Lehrtätigkeit für die Existenz des Komponisten war, das wichtigste bleibt doch immer die Musik, die er schafft. Auch auf diesem Gebiet beeinflußte die „Neue Welt" die entstehenden Werke, fügte neue Elemente hinzu, veränderte das Schaffen. Hindemith komponierte das American Requiem nach Texten von Walt Whitman, Strawinsky schuf das Concerto Dumbarton Oaks und das Ebony Concerto, Darius Milhaud das Opus Americanum, die Kentuckiana und - als Pendant zu Gershwin Un Français à New York, Castelnuovo schrieb die American Rhapsody, Hanns Eisler das Woodburry-Liederbüchlein und die Suite für Septett Nr. 1 - Variationen über amerikanische Kinderlieder. Elemente der amerikanischen Volksmusik, des Jazz und musikalische Ausdrücke des neuen Lebensgefühls, der neuen Umwelt flössen in die Kompositionen der amerikanischen Exiljahre ein. Einige Komponisten arbeiteten für den Film, Hanns Eisler und Erich Korngold schrieben Musiken für große Hollywoodspielfilme, Korngold erhielt 1937, Eisler 1944 einen „Oscar" für die beste Filmmusik des Jahres. Kurt Weill gelangte am Broadway mit zahlreichen Musicals zu Ruhm - er ist der einzige, der die volle Assimilation in die Musik Amerikas anstrebte und der zum „amerikanischen" Komponisten wurde, allerdings unter Preisgabe erreichter Positionen der Jahre vor 1933. Daneben gab es auch Komponisten, denen die Gewöhnung an die neue Umwelt, an die veränderten künstlerischen Schaffensbedingungen nicht gelang. Béla Bartók bekannte 1941 : „Niemals in meinem Leben war ich in einer so schrecklichen Lage, wie ich es sicher sehr bald sein werde." 72 Im Zusammenhang mit der raschen Entwicklung der technischen Medien Radio, Tonfilm und Schallplatte leitete die Emigration einen neuen Abschnitt der amerikanischen Musiikentwicklung ein. „Die Ankunft eröffnete eine 'Ära', in der die Musik eine Popularität und Verbreitung fand, die vorher unvorstellbar gewesen wäre. Das plötzliche Bedürfnis nach Musik in Amerika war so dramatisch, daß es Jaques Barzun in seinem Buch Music in American Life eine kulturelle Revolution nannte." 73 Dies war zweifellos ein Verdienst auch der emigrierten Dirigenten und Instrumentalisten, die die Aufführungskultur der amerikanischen Konzerte entscheidend verbesserten. Arturo Toscanini, schon 1926 bis 1936 ständiger Gastdirigent in den USA, kam 1937 für immer in die Staaten und übernahm das NBCSinfonieorchester; Bruno Walter dirigierte ab 1941 verschiedene Orchester in zahlreichen Städten, sein Einfluß auf das musikalische 39

Verständnis und die Interpretationsauffassungen vieler amerikanischer Orchestermusiker war beträchtlich. Otto Klemperer wurde ab 1933 Chef des Los Angeles Symphonie Orchestra, Pierre Monteux ab 1936 des San Francisco Orchestra; George Szell dirigierte am Opera Workshop der New School for Social Research und an der Metropolitan Opera, Vladimir Golschmann leitete ab 1934 das St. Louis Civic Orchestra. „Ihre Erfahrungen waren wie der Farbstoff, der erst die Details eines mikroskopischen Stoffträgers sichtbar macht, der in diesem Fall unsere eigene amerikanische Musikkultur darstellt." 74 Dies trifft ebenso auf die Instrumentalisten zu, etwa die Geiger Nathan Milstein, Bronislaw Huibermann, Joseph Szigeti und Adolf Busch; die Pianisten Artur Schnäbel, Vladimir Horowitz, Artur Rubinstein und Rudolf Serkin; die Cembalistin Wanda Landowska und die Cellisten Nikolai Graudoux und Gregor Piatigorsky. Sie wirkten als Solisten und Pädagogen, Serkins Klavierklasse am Curtis Institute of Music in Philadelphia brachte eine Reihe hervorragender junger amerikanischer Pianisten hervor. Die Europäer weckten ein enormes Interesse an der Kammermusik in Amerika. Höhepunkt der New Yorker Konzertsaison 1938 bildete z. B. die Aufführung sämtlicher Beethovenscher Sonaten für Violine und Klavier durch Adolf Busch und Rudolf Serkin. Ungenannt bleiben die vielen emigrierten Orchestermusiker, die in amerikanischen Orchestern ihre neue Heimat fanden. Weitaus schwieriger war die Situation für die emigrierten Sänger. In Amerika gab es - im Unterschied zu Europa weitaus weniger Opernhäuser, hinzu kamen Sprachschwierigkeiten und das Fehlen der Tradition der Liederabende. So mußten die meisten als Gesangspädagogen ein sehr schwieriges Leben in ständiger Existenznot führen. Den weitaus größten Einfluß, den die antifaschistische Emigration der Künstler und Wissenschaftler auf die Entwicklung einer Disziplin in den USA ausübte, ging jedoch im Bereich der Musikwissenschaft vonstatten. Auf keinem anderen G e b i e t sieht man von vielleicht gewissen Einflüssen der Kunstwissenschaft ab - hat es Vergleichbares gegeben. 1933 existierte praktisch eine eigenständige amerikanische Musikwissenschaft noch nicht, wer auf diesem Gebiet Kenntnisse erwerben wollte, mußte nach Europa gehen. Der erste amerikanische Lehrstuhl für Musikwissenschaft wurde erst 1933 am Cornell College von dem in Deutschland ausgebildeten Otto Kinkeldey begründet, ihm folgte noch im gleichen Jahr ein Lehrstuhl an der New Yorker Columbia University, begründet von dem in Ungarn geborenen Paul Henry Lang, der 1928 40

in die USA gekommen war. Außer diesen beiden ersten Gründungen war die Musikwissenschaft an keiner Ausbildungsstätte vertreten, als 1933 die ersten Emigranten aus Deutschland und Österreich ankamen. Schon sieben Jahre später, 1940, hatte die Musikwissenschaft an vielen Universitäten und Colleges ihren festen Platz gefunden, die meisten Professoren und Dozenten waren Emigranten aus Europa. „Unter ihnen jene aus Deutschland, die die gegenwärtige Generation von amerikanischen Musikwissenschaftlern ausgebildet und geformt haben und einer Menge junger Musiker ein unersetzliches theoretisches und musikwissenschaftliches Rüstzeug mitgaben." 75 So begründeten musikwissenschaftliche Lehrstühle u. a. Willi Apel an der University of Indiana, Manfred Bukofzer an der University of California, Hans David und Hans Nathan an der University of Michigan, Alfred Einstein am Smith College, Gerhard Herz an der University of Louisville, Eduard Lowinsky an der University of Chicago, Curt Sachs an der New York University und Leo Schrade an der Yale University. Der „Auszug des Geistes" war in der Musikwissenschaft ebenso vollständig erfolgt wie in der Literatur. Nahezu alle bedeutenden deutschen und österreichischen Persönlichkeiten hatten dem Faschismus den Rücken gekehrt. In den USA, in die sie als „Nonquota immigrants" einreisen konnten, fanden sie eine neue Heimat für ihre Forschungs- und Lehrtätigkeit. Die Gastfreundschaft der Universitäten bereits als hervorragendes amerikanisches Spezifikum gegenüber der Emigration gewürdigt - führte zu einem bislang in den USA unbekannten Aufschwung der Musikwissenschaft. Es war im wesentlichen den Emigranten und ihren Schülern zuzuschreiben, daß jetzt niemand mehr, wie noch vor zwei Jahrzehnten, nach Europa zu gehen brauchte, um sich dort seine musikwissenschaftliche Ausbildung zu holen. Daneben übten die Musikwissenschaftler noch eine weitere bedeutende kulturelle Funktion aus. Durch allgemeine, einfache Einführungs- und Übersichtskurse an den Graduate Faculties der Universitäten und Colleges für Studenten aller Fachrichtungen weckten sie bei ungezählten jungen Menschen musikalische Neigungen, förderten und schulten sie. So schrieben exilierte deutsche und österreichische Musikwissenschaftler ein Ruhmesblatt in der Geschichte der antifaschistischen Emigration in den USA und ihrer Auswirkung auf das Gastland.

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Leben und Werk Eislers in den USA von 1935 bis 1948

Die erste USA-Reise:

Februar bis Mai

1935

Lion Feuchtwanger sagt über den Helden seines Romans Exil, den bürgerlichen deutschen Komponisten Sepp Trautwein, an einer Stelle des Buches: „Er sah den Wartesaal, aber mehr noch hörte er ihn. Er hörte, wie die Züge ausgerufen wurden, wie sie ankamen und leer wieder weiterfuhren, oder auch wie sie durchfuhren, höhnisch langsam an den Wartenden vorbei, und er hörte den Jammer der Wartenden, ihre Verzweifelung, ihre Flüche, ihre Resignation . . . und ihre . . . immer neue Hoffnung."76 Der Kommunist Hanns Eisler hat fünfzehn Jahre im Exil gelebt, in zahlreichen Ländern Europas und schließlich in den USA. Er hat den „Wartesaal" nicht nur gesehen und gehört, Verzweiflung und Hoffnung registriert, sondern er ist in diesen Jahren mit dem Einsatz seiner Persönlichkeit und mit den Mitteln seiner Kunst aktiv für das Ende der Barbarei des Faschismus und für ein neues Deutschland eingetreten. Am 30. Januar 1933, dem Beginn der faschistischen Diktatur, befand sich Eisler in Wien. Er mußte nicht erst aus Deutschland emigrieren: Wien wurde zur ersten Station seines Exils. Nun erst recht kämpfte Hanns Eisler mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln aktiv gegen den Faschismus, war er unter den emigrierten deutschen Musikern der hervorragendste antifaschistische Vertreter. Seine Kompositionen, Konzerte, Vorträge, seine Tätigkeit im Internationalen Musikbüro oder für den Ausschuß zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront, sein Anteil an der Organisation von Arbeitermusikfesten - alle diese Aktivitäten bestimmen die ersten Jahre des Exils von Hanns Eisler. Von Wien aus ging er noch 1933 nach Frankreich, Holland und Belgien; es entstanden die Filmmusiken zu Dans les rues (1933 Paris, Regie: Viktor Trivas) und zu dem Dokumentarfilm Nieuwe Gronden/Neue Erde (1933 Amsterdam, Regie: Joris Ivens). Im Winter 1934/35 hielt sich Eisler in London auf, hier entstand im Auftrage des Internationalen Revolutionären Theaterbundes, dessen Präsident damals 42

Erwin Piscator war, das Einheitsfrontlied nach einem Text von Bertolt Brecht. Die produktive Zusammenarbeit Eislers mit Brecht setzt sich auch während der ersten Exiljahre fort, oft ist Eisler bei Brecht in Skovbostrand (Dänemark) zu gemeinsamer Arbeit zu finden. So entstand 1934 Eislers umfangreiche Bühnenmusik zu Brechts Anti-NaziStück Die Rundköpfe und die Spitzköpfe, in der bedeutende Lieder und Songs ihren Platz haben, unter anderem das Lied von der Tünche und die Ballade vom Wasserrad. Das Stück wurde 1936 im Riddersaalen-Theater von Kopenhagen uraufgeführt. Ab April 1934 befand sich Eisler in Paris, im Pariser Exilverlag Editions du Carrefour erschien zu dieser Zeit die Sammlung Lieder, Gedichte, Chöre von Brecht mit einem umfangreichen Notenteil Eislerscher Vertonungen. In der zweiten Hälfte des Jahres 1934 wohnt Eisler in London, er trifft den jungen Alan Bush und weitere progressive Musiker. Zu einem weiteren Anti-Hitler-Film, einer Parodie im historischen Gewände, Abdul Hamid / Abdul der Verdammte (1935 London, Regie: Karl Grüne), schreibt Eisler die Musik. Sowohl Viktor Trivas, mit dem Eisler bereits bei dem Film Niemandsland 1931 zusammengearbeitet hatte, als auch Karl Grüne gehörten zu den Vertretern einer progressiven Filmkunst in Deutschland vor 1933 und waren nun ebenso wie Eisler Emigranten. Gemeinsam mit Brecht, der zu dieser Zeit ebenfalls in London war, entsteht 1934 das Saarlied, das im November in der englischen Presse veröffentlicht wird.77 Im Kommentar einer Zeitung heißt es: „Hier ist ein Lied, das gerade in der Saar populär wird, wo im Januar nächsten Jahres der Volksentscheid stattfindet, der über die Zukunft dieses Gebietes entscheidet."78 Eisler und Brecht reagierten mit diesem Lied, wie in vielen anderen Beispielen vor 1933, schnell und operativ auf ein politisches Zeitereignis. Ende 1934 komponiert Eisler in London eine Bühnenmusik für die Aufführung von Ernst Tollers Stück Feuer aus den Kesseln, die am 14. Februar 1935 in Manchester stattfand.79 1935 ist eines der ereignisreichsten Jahre in Eislers Exilzeit. Von Februar bis Mai unternimmt er eine Vortrags- und Konzerttournee durch die USA, unmittelbar nach der Rückkehr organisiert er im Auftrage des Internationalen Musikbüros die I. Internationale Arbeiter-Musik- und Gesangs-Olympiade, die vom 8. bis 10. Juni in Strasbourg stattfand. Im Anschluß daran nimmt Eisler am Nordböhmischen Arbeitermusikfest in Reichenberg (Liberec) teil und reist im Juli nach Moskau, wo er zum Präsidenten des Internationalen Musikbüros gewählt und mit dessen Reorganisation beauftragt wurde. Das Internationale Musik43

büro war eine Organisation, die mit Unterstützung der Kommunistischen Internationale 1932 in Moskau konstituiert wurde und wie auch andere internationale proletarische Kulturorganisationen sich in die Kulturfront der internationalen Arbeiterklasse einreihte. Im September 1935 nimmt Eisler am XIII. Fest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) in Prag teil und führt im Anschluß daran im Sinne der kommunistischen Einheits- und Volksfrontpolitik Verhandlungen mit der sozialdemokratischen Internationale der Arbeitersänger. Ende September dieses Jahres reist Eisler wieder in die USA, um einen Kompositionskurs an der New School for Social Research zu leiten und mit Brecht die amerikanische Erstaufführung der Mutter vorzubereiten. Im Frühjahr 1936 kehrt Eisler nach London zurück, um die Musik zu der Bajazzo-Verfilmung 11 Pagliacci (London 1936, Regie: Karl Grüne) zu schreiben. Im Herbst führen ihn Konzerte und Vorträge erneut nach Belgien, Holland und Frankreich. Im Januar 1937 fährt Eisler nach Spanien, wo seit Ende Juni 1936 die Volksfront gegen den Militärputsch der faschistischen Offiziere kämpfte. Eisler beteiligt sich aktiv an der politisch-kulturellen Arbeit der Internationalen Brigaden, er komponiert das Lied der 7. Brigade und den Marsch des 5. Regiments. Zusammen mit Ernst Busch tritt er im Schützengraben auf improvisierten Konzerten auf. Die Atmosphäre eines solchen ungewöhnlichen Konzertes ist in einem ganzseitigen Bild-Text-Bericht der Prager Zeitung lllustrovany Casopis bewahrt.80 Ludwig Renn, Kommandeur der Internationalen Brigaden, widmet Eisler in diesen Tagen das folgende Gedicht, das in heiterer Form die Bedeutung der Eislerschen Musik für den politischen Kampf wiedergibt: „Steckbrief für Hanns Eisler Genosse Eisler, wo steckst Du wohl in Moskau, New York oder an 'nem Pol ? Wir bitten Dich sehr, verton uns das. Uns wird es schwer, und Dir ist's Spass. Und schick uns dann gleich die Kompositiona Nach Madrid her und auch nach Barcelona."81 Im Frühsommer 1937 ist Eisler noch einmal zu Besuch bei Brecht in Dänemark, von Oktober bis Dezember 1937 lebt er in Prag. Im Januar 1938 reist der Komponist in die USA, sein dortiges zehnjähriges Exil beginnt. 44

Diese äußerst gedrängte Darstellung der ersten fünf Jahre von Eislers Exil zeigt, daß die politisch-künstlerische Aktivität des Komponisten, die er in den Jahren des Klassenkampfes bis 1933 in Deutschland an der Seite der Arbeiterklasse und der KPD entwickelt hatte, auch im Exil unvermindert fortgeführt wird. Eisler ist von 1933 bis 1937 einer der rastlosesten emigrierten antifaschistischen Künstler, er arbeitet auf dem Gebiet der Arbeitermusikbewegung für die Realisierung der Volksfrontpolitik. 82 Mit der Übersiedlung in die USA verschieben sich die Akzente, direkte politische Aktivität ist in den USA ab 1938 kaum noch möglich, die antifaschistische Position Eislers kommt nun wesentlich in den entstehenden Werken zum Ausdruck. Die ausführliche Darstellung von Eislers Weg und Schaffen in den USA wird diese Akzentverschiebung zu zeigen haben. Die erste Begegnung des Komponisten mit den USA fand von Februar bis Mai 1935 statt. Im Auftrage der englischen Zweigstelle des „Hilfskomitees für die Opfer des deutschen Faschismus" (nach seinem Vorsitzenden auch Lord-Marley-Komitee genannt) unternahm Eisler eine Vortrags- und Konzerttournee zugunsten der antifaschistischen Solidarität, insbesondere zur Unterstützung der Kinder der Saarflüchtlinge, durch zahlreiche Städte der USA. Sechs proletarische und z. T. der Kommunistischen Partei der USA nahestehende Kulturorganisationen der USA hatten, vereint in einem Hanns EislerTour-Committee, die Tournee vorbereitet: die Workers Music League (Arbeitermusik-Liga), der John-Reed-Club, die League of Workers Theatres (Liga der Arbeitertheater), die Workers Dance League (Arbeiter-Tanz-Liga), der German Workers Club (Deutscher Arbeiter-Klub) und die Anti-Nazi-Federation (Anti-Nazi-Vereinigung). Am 13. Februar 1935 traf Eisler an Bord des Dampfers „Berengaria" in New York ein. Vor seiner Ankunft schrieb das Organ der Kommunistischen Partei der USA, Daily Worker, am 15. Januar 1935: „Hanns Eisler wird hier eintreffen . . . Dieser berühmte revolutionäre Komponist, der seit der Machtergreifung Hitlers im Exil in Paris und London gelebt hat, ist sowohl in Europa als auch in Amerika für seine brillanten Kompositionen bestens bekannt." Kurz nach Eislers Ankunft schreibt Sergej Radamski an gleicher Stelle: „Der bekannte Komponist der Komintern traf zu einer USA-Tournee ein. Hanns Eisler, der berühmte deutsche revolutionäre emigrierte Komponist, traf vor wenigen Tagen in diesem Lande ein . . . In der kulturellen und musikalischen Entwicklung wurden die deutschen Arbeiter von Hanns Eisler geführt. Der Klassenkampf in Deutschland, 45

Streiks, Barrikaden, Maifeiern und andere Demonstrationen sind mit seinem Namen verbunden . . . Erst als Eisler sich am Kampf der Arbeiterklasse beteiligte, fand er seinen Gegenstand, und damit wuchs seine Macht, Musik zu komponieren, die nicht nur das Leben und den Kampf der deutschen Arbeiter ausdrückte, sondern der Arbeiterklasse der ganzen Welt." 83 Im Verlauf der Tournee trat Eisler auf zahlreichen Massenveranstaltungen in verschiedenen Großstädten der USA auf. Die erste Veranstaltung war am 22. Februar in New York, Eisler sprach über den deutschen Faschismus und über die Krise der bürgerlichen Musik, danach dirigierte er einen Massenchor von tausend Sängern. Der Daily Worker veröffentlichte am Tage nach dem Konzert ein Foto und berichtete: „Chor der 1000 begrüßt Eisler Eisler in New York begrüßt - Unser Foto zeigt den bedeutenden revolutionären deutschen Komponisten bei der Ankunft auf der Probe für sein hiesiges Konzert."84 Das Konzert wurde am 2. März in New York wiederholt, am Tage vor diesem zweiten New Yorker Konzert erschien im Daily Worker ein umfangreicher Artikel von Joe Foster Hanns Eisler - revolutionary composer. Darin heißt es u. a.: „In jeder Stadt der Welt artikulieren Tausende von Arbeitern ihren Massenprotest gegen die Ausbeutung durch die herrschende Klasse. Sie gedenken ihrer gequälten und eingekerkerten Kameraden, der ungezählten Leiden, die ihr Schicksal waren. Wenn sie marschieren, vereinigen sich Tausende von Stimmen in kämpferischen Liedern, die den Kampf um ihre Freiheit ausdrücken. In den aufrüttelnden Rhythmen dieser revolutionären Lieder formulieren sie ihren Anspruch gegen die Feinde, die herrschende Klasse. Hinter dieser Musik steht Hanns Eisler - der wichtigste revolutionäre Komponist. Er wird von den Massen in allen Ländern geliebt. In Prag, Holland, Wien, Saarbrücken, Paris, London und anderen Städten haben sich Tausende versammelt, ihn zu hören. Und das ist kein Wunder. Denn seine Musik reflektiert mit großer Genauigkeit die Realität ihres Lebens, verleiht ihnen Mut und stellt einen Impuls für ihren weiteren Kampf dar . . . Natürlich mußte er als einer der ersten gehen, als Hitler an die Macht kam. Seine Musik wurde zerstört, seine Schallplatten zerbrochen. Unter Androhung schwerer Strafen wurde seine Musik verbannt. Aber trotz der Tatsache, daß der Terror gegen alle Kultur grausam durch Deutschland tobte, bewahrten viele Arbeiter seine Schallplatten und spielten sie in Momenten relativer Sicherheit. Das bewegte die Nazi-Inquisitoren so, daß bereits der bloße Besitz einer Eisler-Schallplatte Grund für Mißhandlung und Gefängnis wurde. 46

Gegen diese Brutalität und Barbarei hat Hanns Eisler einen unentwegten Kampf geführt. Er hat nicht nur Musik für die Arbeiter komponiert, er hat alle Künstler zum Kampf aufgerufen. In Mitteilungen an seine Kollegen überall in Europa hat er ausgedrückt, daß jetzt alle Künstler betroffen sind. Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß der allgemeine antifaschistische Kampf auch jeden Komponisten angeht. Ob er bürgerlich oder radikal ist, die Freiheit der künstlerischen Äußerung steht auf dem Spiel und damit ist jeder Künstler betroffen, der an der künstlerischen Freiheit interessiert ist. Er hat auch ausgeführt, daß der Künstler nicht frei von der ökonomischen Krise lebt. Alle Musik ist von der Realität beeinflußt. Musik entspringt der sozialen Ordnung und der Künstler ist das Instrument ihres Ausdruckes. Ein neuer Typ des Künstlers wird der sein, der soziale Verhältnisse nicht nur reflektiert, sondern nach ihrer Veränderung strebt. Dies ist Eislers Definition des Fortschritts in der Kunst. Wie hervorragend diese Sätze in seiner Musik reflektiert werden, haben die Arbeiter Europas längst begriffen. Wir in Amerika werden davon eine Vorstellung bekommen, wenn wir Eisler zuhören, wie er am 2. März auf der Bühne des Mecca Temple über 1000 Stimmen bei Massenliedern dirigieren wird."85 Über den Charakter dieser Massenveranstaltungen, bei denen Berichte Eislers und amerikanischer Redner sowie Musik einander ergänzten, gibt in heiterer Weise ein Leserbrief im kommunistischen Wochenmagazin New Masses Auskunft, in dem der Absender darüber klagt, „so vielen Reden bei den Konzerten zuhören zu müssen, die der große proletarische Künstler Eisler gibt"86. Auf der Fahrt quer durch den amerikanischen Kontinent schreibt Eisler am 14. März 1935 an Ernst Hermann Meyer in London: „Meine Meetings sind sehr interessant. In New York war das größte. 4800 Menschen, eine Überfülle, die mich überrascht hat."87 Ständiger Begleiter Eislers war der junge amerikanische Tenor Mordecai Baumann, der Eislers Lieder vortrug. Die Tournee hatte aktivierende Bedeutung für die amerikanische Arbeitersängerbewegung, bei den Massenmeetings sangen neben Baumann amerikanische Chöre, z. T. unter Eislers Leitung, z. T. unter Leitung amerikanischer Dirigenten, internationale Kampflieder und Eislersche Lieder und machten damit proletarisches Liedgut populär. Damit wurden die Bestrebungen der Workers Music League, der amerikanischen Sektion des Internationalen Musikbüros, wirkungsvoll unterstützt. Die League hatte - wie auch der New Yorker Pierre-Degeyter-Club - seit 1932 mehrere proletarische Liederbücher veröffentlicht. Diese Liederbücher, 47

u. a. das Red Song Book (1932), das auf dem Rückentitel Eislers Kominternlied abdruckte, das Song-Buch America Sings (1934), das Rebel Song Book (1935), das Workers Song Book (1935) und die Serie Mass Song Series88, enthielten zahlreiche Lieder von Hanns Eisler. In vielen Diskussionen, z. B. im Pierre-Degeyter-Club und im John-Reed-Club in New York, referierte Eisler über das Wesen des Faschismus und über die Aufgaben der Musik im Klassenkampf. Am 14. Februar, seinem ersten Abend in New York, widmete Eisler dem Pierre-Degeyter-Club ein Notenblatt: „Die herzlichsten revolutionären Grüße und Wünsche dem Pierre-Degeyter-Club", und darunter notierte er eine Sequenz aus dem Kominternlied.89 Zwölf Jahre später waren diese „kommunistischen Umtriebe" Gegenstand des Verhörs vor dem Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit. Die Tournee wurde durch die Veranstalter breit popularisiert, eine erhaltene Notiz auf einem Manuskript Eislers weist darauf hin, daß in allen Veranstaltungsstädten die Vorbereitung von eigens dazu ins Leben gerufenen Komitees übernommen wurde: „Hanns-Eisler-Empfangskomitee. Abt. Publicity. Hinweis für die Hanns-Eisler-Empfangskomitees: Benutzen Sie dieses Material für Ihr lokales Werbematerial, das die Ankunft Eislers vorbereitet."90 Der Text von Eislers Ansprachen auf den Veranstaltungen ist im englischen Manuskript erhalten, er wird hier erstmalig vollständig in deutscher Übersetzung wiedergegeben: „Meine Damen und Herren, meine Freunde! Es ist eine große Ehre für mich, im Namen meiner deutschen Freunde zu sprechen, die jetzt ein Beispiel von so großem Heroismus geben. So lange wir nichts über die Aktivitäten unserer Freunde im Widerstand in Deutschland lesen, so lange ist es nicht so schlimm. Aber wenn wir von unseren Freunden lesen, dann ist es unweigerlich in Verbindung mit dem Erscheinen vor einem NaziRichter oder ihrer Verschleppung in ein Konzentrationslager. Während der letzten Jahre haben wir viele Verbrechen gegen die Arbeiterklasse und die Intelligenz in vielen Ländern beobachtet, aber die größten aller Verbrechen sind die Hitlers. Die Menschen vergessen zu leicht, und deshalb ist es meine Pflicht, Sie zu erinnern an das, was geschehen ist. Die Verhältnisse in Deutschland sind uns eine Lehre. Die Arbeiter und Intellektuellen aller Länder können sehen, daß niemand ihnen helfen kann außer sie selbst. Aber wenn sie sich helfen wollen, müssen sie zunächst ihre eigene Position verstehen. Sie müssen ihre Illusionen verlieren, sie dürfen nicht sagen: 'Eines Tages wird es besser werden', sondern sie müssen es besser machen, und 48

dies kann nicht ohne Kampf geschehen. Indem wir der deutschen Arbeiterklasse helfen, helfen wir auch uns selbst. Wenn wir sagen: 'Wir sind international', dann ist das nicht nur ein Wort oder eine abstrakte Konzeption oder etwas, das wir aus einem guten Herzen heraus sagen, denn jede Niederlage der Arbeiterklasse in einem anderen Land schwächt die amerikanische Arbeiterklasse, und jeder Sieg, wie in der Sowjetunion, trägt zum Erfolg der amerikanischen Arbeiter bei. Die Arbeiter und Intellektuellen der Welt sind in Siegen und Niederlagen untrennbar verbunden. Wenn man einen Arbeiter, einen Intellektuellen oder einen Studenten in den Straßen von London, Paris oder Zürich anhält und ihn fragt, welche Menschen seinem Herzen teuer sind, wird er antworten: der Deutsche Thälmann, der Bulgare Dimitroff, der Ungar Räköczi, der österreichische Ingenieur Wissel, der gehängt wurde, Münichreiter, ebenfalls gehängt, die Kohlenarbeiter von Asturias in Spanien, Tom Moony und die armen Jungen von Scottsboro mit ihren Müttern in Amerika und viele andere. 91 * Obgleich wir sie nicht persönlich kennen, sind sie alle unsere Freunde, nicht zuletzt deshalb, weil wir wissen, daß ihr Fall auch unser Fall ist. Nun einige Worte über die Bedingungen der Arbeitermusikbewegung in Deutschland, die Hitler versucht hat zu vernichten. In Deutschland spürten wir die Auswirkungen der Krise in der Musik der kapitalistischen Gesellschaft sehr früh. Die Trennung zwischen ernster Musik und Unterhaltungsmusik wurde überall auf der Welt immer größer. Die Zahl der Hörer bei ernster Musik, klassischer oder moderner, wurde ständig kleiner, und das Anwachsen der billigen Musik wurde eine Bedrohung, die zur musikalischen Barbarei führt. Dabei muß auch berücksichtigt werden, daß die Entwicklung von Radio und Grammophon die Musik in nie gekanntem Ausmaß überall auf der Welt verbreitet hat. Das ist das typische Bild einer Krise. Die technischen Möglichkeiten wachsen, aber das kulturelle Niveau sinkt. Der Zweck der Musik in der Gesellschaft wird zunehmend fraglich, und die Kluft zwischen konkretem sozialem Leben und der Musik vergrößert sich. Die modernen Komponisten haben im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre diese Krise sehr tief gefühlt, ihre Konzerte sind immer weniger besucht, sie sind isoliert und entfernen sich immer weiter von den Volksmassen. Sie haben unzählige Experimente gemacht, um einen Ausweg zu finden, und das Ende dieser fünfzehn Jahre des Experimentierens ist, daß keiner mehr weiß, was moderne Musik eigentlich ist und wie die richtige Lösung dieser Probleme ist. Alle diese Experimente waren ab4

Hanns Eistet

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strakt, die Meister wünschten zu erfahren, was moderne Musik sein könnte, aber sie haben nicht gelernt, die Wirklichkeit zu verstehen, und haben ihre Musik außerhalb der Wirklichkeit errichtet. In dieser Zeit gewaltiger Klassenkämpfe starrten die Meister zum Himmel empor und stritten, wie Fischweiber um ihre Waren, wessen Fisch besser riecht und wessen Musik moderner ist. Ich möchte nicht voreingenommen erscheinen. Diese Experimente haben einiges Praktische ergeben und Material für neue Musik geliefert, aber die Frage der modernen Musik lautet: Wer schreibt sie für wen? Heute, nachdem wir so viel Material gesammelt haben, kann ein Komponist nicht länger beim Experimentieren verweilen . . . Wo ist der Ausweg? Wir sehen einen Ausweg nur in der Gemeinschaft der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Intellektuellen. Die Arbeiterklasse muß die Intellektuellen politisch erziehen, in Gedanke und Aktion, und die Intellektuellen bringen der Arbeiterklasse musikalische Technik. Dieser Weg wurde von den Faschisten energisch bekämpft, sie nannten diese Intellektuellen Kulturbolschewisten. Die Zeitungen haben genügend über die Auswanderung der großen bürgerlichen Künstler berichtet. Um so nötiger ist es, nicht zu vergessen, daß das Los der Funktionäre der Arbeiter-Musikorganisationen wesentlich tragischer ist. Sie hatten ein viel schwereres Schicksal. Viele von ihnen sind eingekerkert, die meisten von ihnen haben ihren Lebensunterhalt verloren. Viel tragischer, als daß ein berühmter Dirigent jetzt nur Dollars und Pfund verdienen kann, ist die Tatsache, daß eine ganze Generation junger moderner Komponisten, die sich der Arbeiterklasse verbunden haben, zum Schweigen gebracht ist und ihre künstlerische Entwicklung gestoppt wurde. Das ist von viel größerer Gefahr für die Musik in Deutschland als d i ^ Tatsache, daß einige Virtuosen nicht mehr da sind. In den zwei Jahren der Hitlerherrschaft ist es ihm gelungen, das Niveau der Musik in Deutschland enorm zu senken. Auch auf dem Gebiet der Musik ist Deutschland von der Barbarei bedroht. Was war es, das diese Musikbewegung so gefährlich für Hitler machte, daß er sie vernichten mußte? Bürgerliche Musik besteht darauf, daß sie keinen anderen Zweck hat als Musik zu sein. Das ist exakt dasselbe, als würde ein Architekt sagen, er baue Häuser zum Wohle des Häuserbauens, aber nicht dafür, daß Leute darin wohnen sollen. Diese scheinbare Hilflosigkeit der bürgerlichen Musik hat in Wirklichkeit einen großen Nutzen, indem sie den Kapitalismus stützt. Die Menschen werden von ihren Problemen abgelenkt. Die Hungrigen werden nicht gesättigt, das ist wahr, aber

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sie werden getröstet, und den Frierenden wird ein Schimmer einer besseren Welt gezeigt. Proletarische Musik ist nicht hilflos, sondern will helfen und den Kampf der Arbeiter und Intellektuellen für die Freiheit befördern. D a s ist auch von Nutzen für die Musik. Obgleich die Anfänge proletarischer Musik sehr oft primitiv sind, weil die Arbeiterklasse arm ist und darum kämpfen muß, eine musikalische Ausbildung zu erhalten, so lernt sie doch aus dem Verfall der bürgerlichen Musik, daß die Arbeiterklasse und die Intellektuellen die einzigen Kräfte sind, die dazu in der Lage sind, das große E r b e der bürgerlichen Musik anzutreten und eine neue Musikkultur aufzubauen. D a s ist eine schwere Aufgabe, aber wie groß sie auch ist, wir müssen sie lösen. Eine solche mächtige Kunst mußte Hitler verbieten und alle ihre Vertreter rigoros verfolgen, so als würde er sich von einem gefährlichen Feind befreien. Aber die revolutionäre Musik in Deutschland kann man nicht verbieten. D i e Traditionen der revolutionären Musik in Deutschland, die verbotenen Lieder gehen von Mund zu Mund, werden geschmuggelt, sie sind charakteristische Kennzeichen, und eines Tages werden sie Signale sein für den Generalangriff der Arbeiter und Intellektuellen der Mittelschichten gegen die blutige Diktatur Hitlers. Nun ein paar Worte zum Programm dieses Abends. Ein revolutionärer Komponist hat drei Aufgaben. D i e erste ist die der Agitation und Propaganda, die zweite ist die des technischen Experimentierens mit Orchesterwerken und Filmmusik, und die dritte ist eine pädagogische - die notwendigen Methoden der musikalischen Erziehung für die Arbeiterklasse. Heute können wir leider nur die agitatorisch-propagandistische Seite zeigen. Dies darf uns jedoch nicht erlauben, unsere anderen Aufgaben zu vergessen. Ich möchte all jenen danken, die geholfen haben, diesen Abend zugunsten der Kinder der Opfer Hitlers zu arrangieren. Vor allen anderen möchte ich meinen Freunden, den Sängern, danken, die sich im echten Geist der Solidarität für diesen Zweck zur Verfügung gestellt haben. Freunde, Kameraden, im Gedenken an unsere heldenhaften Kämpfer in Deutschland wollen wir uns enger zusammenschließen und den Kampf mit noch größerer Intensität fortführen. Wieder und wieder sei es gesagt: Faschismus in jeglicher Form bedeutet Barbarei, Massenelend, Chaos und Krieg. Jeder Mensch, gleich ob Arbeiter, Professor oder Büroangestellter, muß gegen ihn kämpfen als seinen Hauptfeind. E i n e wichtige Waffe in diesem Kampf ist die Solidarität mit allen Opfern des Faschismus." 9 2 Während der Tournee, auf der Reise von Denver nach San Fran4*

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cisco, berichtet Eisler in einem Brief an Brecht: „Meine Reise durch dieses sehr eigenartige Land beginnt, großartige Formen anzunehmen und zwar in bezug auf die politische Wirkung. Es ist mir gelungen, zum ersten Mal in diesem Land die Frage Musik neu zu stellen und die Wirkung ist kaum beschreibbar!" Und auf einem separaten Blatt dieses -Briefes, gesperrt geschrieben: „Deine Lieder sind hier ein riesiger Erfolg!" 93 In San Francisco besuchte Eisler zusammen mit amerikanischen Genossen den eingekerkerten Arbeiterführer Tom Mooney, der 1916 verhaftet und 1917 als „deutscher Agent" zum Tode verurteilt worden war, danach war die Strafe in lebenslängliches Zuchthaus umgewandelt worden. Als Eisler Tom Mooney besuchte, war dieser bereits neunzehn Jahre im Gefängnis. Ein erhaltenes Manuskript Eisler«, Text für einen Artikel im Daily Worker94, schildert das Zusammentreffen mit dem Arbeiterführer: „Mein Besuch bei Tom Mooney - Nach einer Stunde Warten kommt ein Beamter und führt uns mit einigen Freunden ins Sprechzimmer zu Tom Mooney. Wir drücken ihm erschüttert die Hand und fangen vor Rührung fast alle durcheinander zu sprechen an. Die ersten Worte Tom Mooneys sind: 'Genossen, wir müssen unser Gespräch organisieren, sonst verlieren wir zuviel Zeit. Die Besuchszeit ist sehr kurz.' So beginnt ein Revolutionär das Gespräch mit seinen Freunden. Einer von uns erklärt ihm, woher ich komme . . . Dann fragt mich Tom Mooney nach der Sowjetunion. Ich erzähle ihm von den riesigen Erfolgen der letzten Jahre. Er unterbricht mich und fragt: 'Und wie ist der erste Mai?' Ich versuche ihm ein Bild des ungeheuren Aufmarsches des ersten Mai in Moskau zu geben. Tom Mooney sagt: 'Ich möchte diesen ersten Mai erleben.' . . . Tom Mooney: 'Was hören Sie yon Ernst Thälmann? Ich bin sehr besorgt um ihn.' Wir berichten, daß man seit Monaten von Thälmanns Befinden nichts mehr erfahren kann, daß aber die internationale Arbeiterschaft nicht aufgehört hat, für ihn in mächtigen Kampagnen zu kämpfen, und daß besonders in Amerika breite Schichten der antifaschistischen Einheitsfront für die Befreiung Thälmanns und damit auch für ihn, Tom Mooney, und die Befreiung aller politischen Gefangenen kämpfen . . . Wir sprechen die Abschiedsworte und sagen Tom Mooney, daß sein Name für die Arbeiter der ganzen Welt ein teurer geworden ist, daß sein Name eine Losung im Kampf gegen die Klassenjustiz geworden ist und daß er in den entsetzlichen Tagen seiner Haft nie vergessen soll, daß das internationale Proletariat mit Liebe an ihn denkt . . . Ein letzter Händedruck, auf Wiedersehen, auf baldiges Wiedersehen."95 52

Anfang Mai reist Eisler wieder nach Europa zurück, er berichtet am 9. Mai von Bord des Dampfers „Britannic" in einem Brief Brecht von der Abreise.96 Von der New School for Social Research hatte er die Einladung als visiting professor für einen Kurs im Herbstsemester erhalten. Im Verlaufe seiner Tournee war der Komponist u. a. in New York, Pittsburgh, Chicago, Denver, San Francisco, Los Angeles, St. Louis und Detroit aufgetreten und hatte auch Hollywood besucht. Die genaue Zahl der Konzerte ist nicht feststellbar, jedoch dürfte Eislers spätere Bemerkung „. . . über 50" nicht zutreffend sein. Louise Eisler spricht von etwa dreißig bis vierzig. Über seine Eindrücke berichtete Eisler kurz nach seiner Rückkehr in Berichten für die Moskauer Abendzeitung Wetscbernaja Moskwa und die Sowjetskoje isskustwo, sowie in einem Rundfunkvortrag anläßlich der Arbeiter-Musik-Olympiade in Strasbourg und einem Artikel in der Emigrationszeitschrift Der Gegenangriff vom 23. Juni 1935: „Ich kann von Amerika berichten, daß in 50 Versammlungen amerikanische Arbeiter und Intellektuelle gegen den blutigen Terror der Hitlerdiktatur protestierten. Ich kann weiter berichten, daß man in Amerika mit großer Liebe und Sorge an alle eingekerkerten und vom Tode bedrohten Antifaschisten denkt. Für uns deutsche Antifaschisten muß auch diese Tatsache ein Ansporn sein, uns noch fester in einer breiten Einheitsfront gegen den braunen Mord zusammenzuschließen."97 Seine amerikanischen Eindrücke gelten danach der Krise der bürgerlichen Musik in den USA: „Ich besuchte in New York ein Konzert, in dem das berühmte Pro-Arte-Streichquartett aus Brüssel neben anderem ein Quartett von Bartök, dem berühmten ungarischen Komponisten, uraufführte. Man müßte doch annehmen, daß eine solche Uraufführung eines international anerkannten, modernen Komponisten durch eines der besten Streichquartette der Welt auf ein gewisses Interesse stoßen könnte. Es ist traurig zu berichten, daß dieser Abend in einem ganz kleinen Saal stattfand, und noch trauriger ist es, daß dieser an sich kleine Saal nur zur Hälfte gefüllt war. Es hatten sich nicht mehr als 200 Leute eingefunden. Ein amerikanischer Freund sagte mir, daß dies immer so wäre. Diese traurige Tatsache beweist nichts anderes, als daß die moderne Musik in einem ungeheuren Maße isoliert von den breiten Massen ist und völlig getrennt von der Realität des gesellschaftlichen Lebens."98 Gleichzeitig berichtet Eisler von jungen amerikanischen Musikern, die einen Ausweg aus dieser Krise suchen, „das sogenannte New Yorker Komponistenkollektiv. Diesem Kollektiv gehören eine Reihe der bedeutend53

sten Talente an, ich zähle einige Namen auf: Copland, Riegger, Cowell, Seeger, Siegmeister . . . Ich möchte mich ganz deutlich ausdrücken: Diese Komponisten kämpfen gegen die veraltete Epigonenmusik, gegen den Kitsch des Tonfilms und der Jazzmusik, gegen die snobistische, isolierte moderne Konzertmusik. Sie kämpfen für einen neuen, modernen Stil, der sich auf die letzten Errungenschaften der modernen Musik stützt, aber diese ausnützt für den Kampf der Arbeiter und Angestellten gegen Unterdrückung, für Brot und Freiheit." 99 Es darf wiederholt werden: Die Konzert- und Vertragstournee, die erste Begegnung des Komponisten mit den USA, war für Eisler eine Station seines konsequenten antifaschistischen Kampfes im Sinne der Volksfrontpolitik, gleichzeitig für die amerikanische Arbeitermusikbewegung ein wichtiges, stimulierendes Ereignis. Die politischen und ästhetischen Positionen Eislers wurden durch die Eindrücke im mächtigsten imperialistischen Land der Erde bestärkt. Zum Komponieren kam er in dem ereignisreichen ersten Halbjahr 1935 nicht viel, wie er am 1. Juni resümierend Brecht mitteilt: „Seit Januar habe ich ca. 16 000 Meilen zurückgelegt und weiß gar nicht mehr, wie Notenpapier aussieht. Ich glaube, da gibt es 5 Linien und da muß man Punkte machen, die auf Striche aufgesetzt werden. Die gute alte Musik." 100

Die ¡zweite USA-Reise: Oktober 1935 bis April 1936 Im Juni fuhr Eisler nach Moskau, die letzten Wochen der Vorbereitung des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale (25. 7.-20. 8.1935) erforderten seine Anwesenheit im Internationalen Musikbüro. Eisler erkrankte jedoch und verbrachte mehrere Wochen in einem Moskauer Krankenhaus. Tretjakow schreibt am 19. 7.1935 in einem Brief an Brecht: „Eisler liegt immer noch zusammen mit Lou in einer scharfen Furunkulose." 101 Nach seiner Genesung wohnte Eisler im August 1935 in Thuroe in Dänemark, wo ihm Karin Michaelis ein Häuschen vermittelt hatte - in der Nähe von Brechts Domizil Skovbostrand. Die wenigen Wochen der Ruhepause nutzte Eisler zum Komponieren. Wie Louise Eisler berichtet, benutzte er dazu nur in den seltensten Fällen das Klavier, meist komponierte er am Tisch sitzend. Nach einem Aufenthalt in Prag reiste Eisler Ende September 1935 von Marseille aus zum zweiten Mal in die USA. Kurse an der New School for Social Research sowie die be54

vorstehende amerikanische Erstaufführung der Mutter waren Anlaß der Reise. Die New School for Social Research in New York gehörte zu denjenigen amerikanischen Institutionen, die zahlreichen deutschen Emigranten Arbeit und damit die Einreise in die USA ermöglichten. Sie wurde 1919 als Abenduniversität für Berufstätige gegründet und bezog 1932 ein neues, mit revolutionären mexikanischen Fresken ausgestattetes Gebäude am Rande des New Yorker Literatenviertels Greenwich Village. Ihr langjähriger Direktor Alvin Johnson (1873-1973), Vorstandsmitglied der „American Guild for German Cultural Freedom", formulierte das Ziel der Schule folgendermaßen: „Ich bin überzeugt, daß unser Typ der Erwachsenenausbildung eine dringende Lücke im sozialen Leben Amerikas ausfüllt." 102 Ab 1933 wurde die New School zur „University in exile" (Universität im Exil) und gab zahlreichen Emigranten Beschäftigung. Johnson kannte die Entwicklung in Deutschland aus zahlreichen persönlichen Besuchserlebnissen. „Ich habe Deutschland nach dem ersten Weltkrieg mehrfach besucht. Ich fühlte, etwas könnte in Deutschland geschehen. Und was geschehen würde, würde schrecklich sein . . . Im Sommer 1932 besuchte ich Deutschland wieder. Die Gewalt war auf dem Vormarsch." 103 So entstand bereits im Januar 1933 der Plan der Universität im Exil, der von verschiedenen Hilfskomitees und später auch von Stiftungen wie der Rockefeller-Foundation und dem Oberlaender-Trust finanziert wurde. Johnson berichtete: „Im Sommer 1933 trafen die ersten Mitglieder meiner neuen Fakultät ein, Schiff um Schiff." 104 Bis 1940 arbeiteten über sechzig emigrierte Wissenschaftler und Künstler für kurze oder - wie im Falle Eisler längere Zeit an der New School, unter ihnen der Komponist Ernst Toch, der Regisseur Erwin Piscator und andere. Es ist zu vermuten, daß Eisler im Spätsommer 1935 von Alvin Johnson einen ähnlichen Brief erhielt, wie er nachfolgend von einem erhaltenen Exemplar wiedergegeben wird als Dokument uneigennütziger Hilfe für deutsche antifaschistische Emigranten, die mit diesem Brief ein amerikanisches Visum beantragen konnten: „The New School for Social Research 66 W Twelfth St. New York

October 16, 1935

Mein lieber Professor . . . Im Namen des Verwaltungsrates der New School for Social Research biete ich Ihnen hiermit eine Anstellung als Associate Professor für 55

Alte Geschichte für den Zeitraum von zwei Jahren an, beginnend mit dem 1. November oder bei Ihrer Ankunft in New York. Das Gehalt beträgt 2000 Dollar pro Jahr. Bitte benachrichtigen Sie mich von Ihrem Einverständnis. Hochachtungsvoll Alvin S. Johnson Präsident"103 Johnson arbeitete eng mit dem „Hilfskomitee für entlassene ausländische Professoren" zusammen, das 1933 unter Vorsitz von Stephan Duggan gegründet wurde und im Laufe der Jahre der Emigration 335 europäischen, meist deutschen Hochschullehrern, Wissenschaftlern und Künstlern Anstellungen an amerikanischen Universitäten und Colleges vermittelte.106 Nach der Okkupation Frankreichs durch Hitlerdeutschland gründete Johnson an der New School noch eine französische Abteilung, die Ecole Libre des Hautes Etudes. Hanns Eisler traf am 4. Oktober 1935 wieder in New York ein. Als Gastprofessor leitete er zwei Kurse an der New School for Social Research, Kompositionslehre und Die Krise der modernen Musik. Am 2. Oktober erscheint im Daily Worker ein umfangreicher Artikel von L. E. Swift, The return of Hanns Eisler. Darin heißt es: „Die Ankunft Hanns Eislers, des weltberühmten deutschen revolutionären Komponisten . . . in New York ist ein Ereignis von besonderer Bedeutung für all jene Arbeiter und Berufsmusiker, die aktiven Anteil an der Entwicklung der proletarischen Musik in diesem Lande haben. Eisler, dessen erster Besuch in den Vereinigten Staaten im Frühjahr einer Konzerttournee zugunsten der Kinder von Opfern des Hitlerfaschismus galt, kehrt nun zu einem längeren Aufenthalt nach einer ausgedehnten Europareise zurück. In Moskau wurde der deutsche Musiker zum Vorsitzenden des reorganisierten Internationalen Musikbüros gewählt, dessen Aktivitäten er jetzt nach New York mitbringt. Das ist von größter Wichtigkeit für die Entwicklung der amerikanischen proletarischen Musik, insofern es den Beginn engerer Beziehungen zwischen der relativ jungen amerikanischen Arbeitermusikbewegung und der der europäischen Länder markiert. Dieses Frühjahr waren Eislers Erfahrungen hier von enormem Wert, nicht nur auf dem schöpferischen Gebiet und bei den Konzerten, sondern auch deshalb, weil sie den verschiedenen neuformierten Arbeitermusikgruppen überall im Lande die Anregungen eines in musik-organisa56

torischen Fragen langgeübten Geistes brachten. In diesem Lande ist die Musik die letzte der Künste, die sich von der hundertprozentig reaktionären l'art pour l'art-Ideologie löst. Aber seit der Depression, die auch zehntausende Musiker arbeitslos gemacht hat, Opernhäuser und Konzerthallen zur Schließung zwang und die Aufführung neuer Werke der amerikanischen Komponisten ernsthaft einschränkte, hat die große Menge der Musiker und Musikliebhaber zu spüren begonnen, daß etwas nicht in Ordnung ist. Jedoch ist eine klare marxistische Kritik der gesamten Funktion der Musik in der bürgerlichen Gesellschaft nicht ausgearbeitet und nicht unter unseren amerikanischen Musikern verbreitet worden. Dies ist sicher einer der Gründe für das relative Zurückbleiben der proletarischen Musik in diesem Lande im Vergleich mit der Entwicklung von proletarischer Literatur, Theater, Tanz und bildender Kunst. Hanns Eislers viele Jahre der Erfahrung in der höher entwickelten deutschen Arbeitermusikbewegung, die vor ihrer Unterdrückung durch die Nazis immerhin 275 000 Laien- und Berufsmusiker umfaßte, wird von großer Hilfe für die Aktivierung der Arbeitermusikbewegung in diesem Lande sein. Um seine Erfahrungen konkret zu vermitteln, wird Eisler diesen Herbst zwei Kurse an der New School for Social Research leiten: Kompositionslehre und Die Krise der modernen Musik. Im ersten wird der deutsche Komponist konkrete Unterweisungen im Schreiben von Choral und Massenlied geben. Kompositionsstudenten und Komponisten, die daran interessiert sind, für Arbeitergruppen zu schreiben, werden hier eine ungewöhnliche Möglichkeit haben, die spezielle Technik von einem Komponisten zu lernen, dessen Werke von Millionen in jedem Land gesungen werden. Der zweite Kurs, den Eisler an der New School leitet, ist nicht nur für Kompositionsstudenten, sondern für alle, die an moderner Musik interessiert sind. In diesem Kurs wird Eisler eine detaillierte und tiefgründige Analyse der Position der Musik in der heutigen Welt vornehmen und die neuesten ökonomischen und soziologischen Entwicklungen einbeziehen. Unter den Themen, die der Kurs behandelt, sind: Die materielle Basis der Krise der modernen Musik; soziologische Kritik von Werken Schönbergs, Strawinskys, Hindemiths und anderer. Alle Interessenten an der Stellung der Musik in der heutigen Gesellschaft und eines tieferen Verstehens der Kräfte, die in der modernen Musik von heute wirken, sind aufgefordert, einen oder beide dieser Kurse zu besuchen." 107 Am 7. Oktober bringt der Daily Worker Auszüge aus einem Ge57

spräch Eislers mit Charles Hatchard: „Hanns Eisler, der führende Komponist von Musik und Liedern für die Arbeiter der Welt, kehrte Freitag . . . nach Amerika zurück. Als Weltvorsitzender des Internationalen Musikbüros. Ein pausbäckiger Mann mit funkelnden grauen Augen, brachte der Komponist Neuigkeiten von der Entwicklung der Arbeitermusik mit nach Europa, an der er selbst keinen kleinen Anteil hat. Das Internationale Musikbüro, das er seit drei Monaten leitet, hat Erfolge beim Zusammenschluß von Berufs- und Laienmusikern sowie zeitgenössischen Komponisten zu verzeichnen. Eine große Ausgabe seiner Kompositionen wird dieses Jahr im Staatsverlag der Sowjetunion erscheinen. 'Musik vereint die Arbeiter', bemerkt Eisler mit einem warmen Lächeln, 'die Lieder der Arbeiter werden in der gegenwärtigen Situation aus den Schützengräben beiderseits des Niemandslandes emporsteigen. In dieser Einheit der Stimmen und der Aktion liegt unsere Hoffnung für die Zukunft der Welt.'" 108 Diesen Gedanken hatte Eisler bereits bei seiner Ankunft geäußert: „'Die Bedeutung der Musik in einer Zeit internationaler Konflikte wie unserer besteht darin, daß die Soldaten auf beiden Seiten unsere proletarischen Lieder singen können und so eine Brüderschaft über das Niemandsland hinweg entsteht', erklärte Hanns Eisler am Pier 57, North River, gestern bei seiner Rückkehr nach Amerika, wo er von seiner Frau und einer Gruppe von Musikern willkommengeheißen wurde." 109 Beide Kurse Eislers liefen vom 5. Oktober 1935 bis zum 18. Januar 1936 mit je fünfzehn Lektionen, sie wurden jedoch nur von elf Schülern besucht, davon acht in Kompositionslehre und drei in Krise der modernen Musik. Eisler erhielt dafür 100 Dollar Honorar.110 Im November/Dezember 1935 arbeitete Eisler an Schallplattenaufnahmen in New York. „Eisler macht Schallplattenaufnahmen der Internationale und anderer revolutionärer Lieder, von denen einige von ihm selbst stammen. Damit sind erstmalig Schallplatten revolutionärer Lieder für die Arbeiter dieses Landes erhältlich und dafür sind wir Hanns Eisler zu Dank verpflichtet."111 Es wurden drei Schallplatten mit Mordecai Baumann produziert, darauf finden sich das Solidaritätslied, das Einheitsfrontlied und Lieder aus der Mutter. Ende Oktober 1935 kam auch Brecht nach New York, um die Aufführung der Mutter durch die Theatre Union mit vorzubereiten. Der Plan der Aufführung reicht in das Frühjahr 1935 zurück, Brecht hatte mehrfach Bedenken gegen eine naturalistische Bearbeitung und Aufführungskonzeption angemeldet. Die der KP der USA naheste58

hende Arbeitertheatergruppe schlug jedoch Brechts und auch Eislers Änderungsvorschläge aus, die Aufführung, an der Eisler und Brecht auf Grund der Streitigkeiten nicht teilnehmen durften, wurde ein eklatanter Mißerfolg. Eisler dazu in der Rückerinnerung im Gespräch mit Hans Bunge: „Es war eine Katastrophe, weil: ich konnte damals zuwenig Englisch, um das zu verstehen, und leider der Brecht auch. Die Übersetzung ist eine Katastrophe. Man hat das nämlich - wissen Sie - umgearbeitet. Man hat daraus einen Gerhart Hauptmann gemacht . . . Es war furchtbar . . . Es ging auf der Bühne zu wie bei den Tegernseer Bauernfestspielen. Es war ganz abscheulich. Dazu bearbeitete ich meine Musik für zwei Klaviere . . . Aber als dann in dem Chor Die Partei ist in Gefahr . . . als dieses Lied, statt ins Publikum zu singen, der kranken Mutter ins Gesicht gebrüllt wurde, verließ mich die Geduld und Brecht auch. Allerdings, das muß ich hier sagen, die Wahrheit habe ich auch sehr laut gesagt diesem Regisseur . . . Nach einigem Hin und Her frug mich dann dieses Aufsichtsratsmitglied des Theaters: 'Warum schreien Sie so, Herr Eisler?' Ich sagte: 'Ich schreie nicht. Wissen Sie, ich versuche nur dem Regisseur zu erklären, daß ich ihn für einen entsetzlichen Idioten halte.' Darauf - das ist Amerika, das ist nicht Deutschland - wurden wir also nicht direkt verprügelt, aber wir wurden beide sanft aber bestimmt von zwei anderen Leuten aus dem Theater geschmissen . . . Und wir durften das Theater nicht mehr betreten. Und die Vorführung fand statt ohne uns, es war eine Pleite - ich kann Ihnen sagen gigantischer Art. Die Presse ließ an uns kein gutes Haar." 112 Im Mai 1936 folgte noch eine konzertante Aufführung der Eislerschen Mutter-Musik im Auditorium der New School for Social Research. 113 * Nach Beendigung seiner beiden Kurse an der New School fanden verschiedene Konzerte und Symposien statt, auf denen Eisler auftrat, so z. B. am 3. April 1936 in New York auf einem „Konzert und Symposium Musik in der Krise", zusammen mit Eisler trat Aaron Copland auf. Das letzte Konzert fand am 9. April 1936 in Chicago im Peoples Auditorium unter Schirmherrschaft der Workers Cultural Organization statt. Ein Flugblatt für das Konzert kündigt „Hanns Eisler, den gefeierten revolutionären Komponisten"114 an. Am 11. April verläßt Eisler zum zweiten Mal die USA. Beide Reisen hatte er mit einem Visum als zeitweiliger Besucher (Temporary visitors visa) gemacht, das am 23. Januar 1935 in London ausgestellt worden war. Daß die reaktionäre Administration in den USA bereits bei diesen zwei Besuchen Eislers Tätigkeit auf59

merksam beobachtete und registrierte, wurde Jahre später deutlich, als 1948 der Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit beim Verhör Eislers Akten und Unterlagen aus den Jahren 1935/36 präsentierte. Bereits am 25. Februar 1935 schrieb der Polizeichef von Phoenix/Arizona an die Einwanderungsbehörde in Washington, er habe im Daily Worker über Eislers USA-Tournee gelesen und jetzt sei angekündigt, daß „der revolutionäre deutsche Komponist ein Konzert im Repertory Theatre, 264 Huntington Avenue, Boston gibt, wo Eislers 'aufrüttelnde revolutionäre Lieder' von verschiedenen Arbeiterchören, darunter der Chor der Workers Music League, der Russische Ukraine-Chor, der Laisve-Chor und der Gesangsverein Freiheit, gesungen werden sollen und danach Hanns Eisler über die Zustände in Deutschland spricht". Weiter fährt der Polizeichef fort: „Wir haben schon eine Horde von Agitatoren unter uns, die alles daransetzen, Sand ins Getriebe unseres Staates zu streuen, umsoweniger können wir einem weiteren Agitator erlauben, Unruhe und Streit unter unsere ohnehin verbitterten, arbeitslosen und mittellosen Männer und Frauen zu bringen. Deshalb muß Eisler deportiert werden." 115 Im Mai 1935 schreibt ein Mr. Baxter vom Einwanderungsdepartment in einem Memorandum: „Dies könnte leicht ein neuer Fall Strachey werden. 116 * Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wahrscheinlich sehr wenige Amerikaner außerhalb kommunistischer Kreise jemals etwas von Eisler gehört, aber es würde viel Lärm um ihn geben, wenn sich herausstellte, daß er ausgewiesen oder deportiert würde mit der Begründung, daß seine kommunistischen Töne mit Gewalt die Regierung bedrohen. Wie es auch sei, der Mann kann sehr wohl ein Kommunist sein, und tatsächlich kann ein populär werdendes kommunistisches Lied mehr explosive revolutionäre Kraft entwickeln als hundert Pamphlete oder Reden." 117 Am 28. Januar 1936 schreibt Senator Hayden (Arizona) unter Bezug auf verschiedene Zeitungsartikel über Eisler an die Einwanderungsbehörde, warum dieser nicht deportiert werde. Darauf antwortet die Behörde dem Senator, daß Zeitungsartikel als Beweisstücke für Deportationsverfahren nicht zugelassen seien und daß Eisler ein ordnungsgemäß in London ausgestelltes Visitors visa habe, daß aber „jedem Versuch, den Eisler für eine Ausdehnung seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten machen wird, sorgfältige Aufmerksamkeit geschenkt wird" 1 1 8 . Dazu kam es diesmal noch nicht, Eisler beendete seinen zweiten Aufenthalt nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des Visums. Auch die deutschen Faschisten in den USA verfolgten Eislers 60

Aktivitäten aufmerksam, wie ein Bericht des deutschen Generalkonsulats in San Francisco an das Berliner Auswärtige Amt nachweist, der über Eislers Tourneeauftitt in San Francisco berichtet: „Vor ungefähr 450 Personen, von denen mehr als 400 Juden, etwa 20 Neger und der Rest weiße Sozialisten und Kommunisten waren, hielt der angeblich aus einem deutschen Konzentrationslager entwichene Komponist Hanns Eisler am Abend des 20. März d. J. im hiesigen Scottish Rite Auditorium einen fast einstündigen Musikvortrag . . . Das dritte Lied hieß 'Praise of Learning' (Lob des Lernens) und forderte in präziser Form und kategorischer Weise zur Selbstausbildung des Arbeiters auf, wobei der beschwörende Ton des Kehrreims 'You must be ready to take over' dem Ganzen eine Eindringlichkeit verlieh, von der eine sehr starke Wirkung auf die Zuhörer ausging . . . Die letzte Darbietung 'United Front' (Einheitsfrontlied) deutete in klarer musikalischer Sprache die Forderungen des Proletariats an und rief zur Beschreitung des der Arbeiterschaft vorgezeichneten Weges auf und endete mit einer ins Fanatische gesteigerten Note des Triumphs."119 Eislers zweite amerikanische Reise hatte die Kontakte mit der amerikanischen Arbeitermusikbewegung und mit jungen progressiven Komponisten gefestigt; mit der New School for Social Research war ein fester Arbeitskontakt entstanden. Sicher hat der Komponist bei seiner Abreise im April 1936 nicht daran gedacht, zehn Jahre Exil in den USA verbringen zu müssen. Seit Oktober 1937 weilt Eisler in Prag, um an der Uraufführung einiger seiner Kammerkantaten unter Leitung von Karl Ancerl am 3. Dezember teilzunehmen. Wie die Naziherrscher auf das Exilschaffen Eislers reagierten, zeigt der gereizte Bericht des Berliner Tageblattes über dieses Konzert: „In Wallung geriet er (der Saal - J. S.) erst im zweiten Teil, als eine Reihe von Kantaten von Hanns Eisler uraufgeführt wurden. Plötzlich merkte man, daß um uns herum im Saal sehr viel deutsch gesprochen wurde. Aber es stammte überwiegend von Juden . . . Nun verwandelte sich das Programm zusehends. Zuchthausballade, Weißbrotkantate und Gottseibeiuns-Kantate standen jetzt auf dem Zettel . . . Es wurde jedermann klar, daß die Vereinigung für zeitgenössische Musik sich jetzt mit großer Heftigkeit in eine Vereinigung für antideutsche Pamphlete verwandelt hatte . . . Insbesondere bei Partien, in denen sehr massive eindeutige Beleidigungen des Reiches gesungen wurden, dröhnten Beifallsrufe aufs Podium."120 Während seines Aufenthaltes in Prag schilderte Eisler in einem Gespräch mit der Zeitung Tvorba seine Eindrücke von den 61

beiden Amerikareisen. Das Gespräch wird hier erstmalig in deutscher Übersetzung wiedergegeben: „Über die amerikanische Intelligenz - Ein Gespräch mit Hanns Eisler. Der bekannte deutsche Komponist Hanns Eisler, der gerade in Prag weilt, ist nicht nur ein Musiker, sondern ein allseitig kulturell erfahrener Mann. Er ist zuerst Künstler, der mit Verstand und Gefühl und mit Erfolg für die Menschen arbeitet. Er hat ständig neue Ideen, man konnte schon vieles über ihn in der Presse lesen, aber manches Neue kann er noch erzählen. Eisler ist Professor in New York gewesen, er kennt die amerikanische Intelligenz genau und bezeugt den neuen Geist, der sich in ihr immer stärker verkörpert. Eisler sagt: 'In Krisenzeiten verliert die Intelligenz die Prosperität, auf deren Basis die jungen Leute ihre Zukunft gebaut haben. In ihrer Vorstellung von Zukunft spielt die Sowjetunion eine immer größere Rolle, es gibt eine wachsende Begeisterung für sowjetische Filme und Literatur. Das Reisen, die größte amerikanische Nationalgewohnheit, zielt neuerdings mehr und mehr nach der UdSSR. Jedes Jahr fahren viele Studenten mit ihren Professoren dorthin. Vor einigen Jahren war das Ziel noch Paris, jetzt ist es Moskau. Die Auswirkungen dieser Erscheinung sind in dieser Zeit besonders im politischen Leben Hollywoods zu beobachten, im öffentlichen Auftreten bekannter Stars gegen den Faschismus.' Eisler nennt als Beispiel aus jüngster Zeit den Aufruf der Schauspieler 'Ein Waggon Medikamente für Madrid', das ist ein Waggon, der die Schande abtragen soll, die in Hollywood nach dem Besuch von Mussolinis Sohn entstanden ist. Charakteristisch ist auch, daß die Filmgesellschaften für die Schauspielerverträge eine neue Klausel entwickelt haben, in der der Schauspieler unterschreiben muß, daß er nichts Politisches äußern darf. Ein großes Echo in der Intelligenz findet die antifaschistische Kampagne gegen die Hearst-Presse. Viele tragen eine Plakette: Lies nicht die Hearst-Presse! Die Wirkung dieser Kampagne war großartig >und zwang den Hearst-Konzern in die Knie, vierzehn seiner Blätter stellten ihr Erscheinen ein, er nahm seinen Ton zurück. Hauptträger der antifaschistischen Aktion der Intelligenz und ihres Kontaktes mit den Arbeitern ist die Zeitung New Masses, die zu den verbreitetsten amerikanischen Magazinen gehört. Eine andere Aktivität ist das linke Theater. In New York bestehen einige, wie das New Tbeatre und das Group Theatre, die im antifaschistischen und revolutionären Geist arbeiten. Wir fragen nach dem künstlerischen Profil dieser Theater. Eisler antwortet: 'Wenn man von Avantgardismus sprechen will, dann besteht er im 62

Inhalt dieser Theater. Das, was man in Europa darunter versteht, hat in Amerika keinen Zweck. Für den Charakter des neuen amerikanischen Theaters ist es bezeichnend, daß das auch bei uns bekannte Stück Waiting for Lefty in der Zeit des großen Chauffeurstreiks entstand und zugunsten der Streikenden gespielt wurde. Der Autor Clifford Odets hat es in wenigen Tagen geschrieben und mit etwa fünfzehn Freunden einstudiert. In letzter Zeit gewinnen Theater, Musik und Gesang in der Arbeiterklasse an Bedeutung. Viele Gruppen in New York (an der Spitze der Pierre-Degeyter-Klub), in Philadelphia, Pittsburgh und Chicago machen ein frisches und vielfältiges Programm.' Eisler betont mehrfach, daß diese Gruppen und ihr kulturelles Leben charakteristische Züge einer neuen Massenkultur darstellen, die bisher am ausgeprägtesten in Frankreich vorhanden war. Diese Bewegung hat zwei Ursachen: zum einen das wachsende politische Bewußtsein der Massen der Arbeiterklasse, die selbstbewußter geworden sind und sich in den Gewerkschaften stark organisiert haben, die mit Erfolg kämpfen und die zunehmend Appetit auf Kultur entwickeln. Zum zweiten ist die Teilnahme der Künstler an der Massenkulturbewegung zahlreicher geworden und hat neue Akzente gesetzt. Die Künstler tun das, weil sie sonst in Isolation und Snobismus geraten, weil sie jetzt das Gefühl haben, daß sie in den Massen neue Kraft finden."121 Sicher überschätzt Eisler in diesem Gespräch einige der Impressionen seiner Reise, wie etwa den Einfluß einiger Studienreisen von USA-Studentengruppen in die UdSSR, insgesamt aber gibt sein Bericht sehr treffend die Auswirkungen des New Deal auf die kulturellen Bestrebungen der amerikanischen Arbeiterklasse wieder. Nach der erzwungenen kompositorischen Pause des bewegten ersten Halbjahres 1935 - wir zitierten Eislers Brief an Brecht - ist die Zeit von Sommer 1935 bis Ende 1937 für das Schaffen des Komponisten von großer Bedeutung. Während seiner ersten USA-Reise war der Plan gereift, eine große Sinfonie mit Chören zu schreiben, eine Konzentrationslagersymphonie, wie er Brecht in einem Brief aus Moskau am 20. Juli 1935 mitteilt. „Es wird auch in einigen Stellen Chor angewendet, obwohl es durchaus ein Orchesterwerk ist. . . Die ersten Skizzen, die ich dazu gemacht habe (in Detroit) sind äußerst vielversprechend. Ich hoffe, daß das etwas Großartiges wird." 122 Ein reichliches Jahr später, am 15. Oktober 1936, berichtet er Brecht, „der dritte Satz der Deutschen Sinfonie ist in Partitur fertig" 123 . Es kann als sicher gelten, daß Ende 1936 die ersten drei Sätze der Deut63

sehen Sinfonie fertiggestellt waren, zwei davon reichte Eisler noch 1936 der Jury der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik ein, die eine Aufführung auf dem XV. IGNM-Fest im Juni 1937 in Paris vorsah, dann jedoch eine Intervention der Nazi-Regierung fürchtete und Eisler unzumutbare Änderungsvorschläge machte, so daß dieser das Werk zurückzog. Anfang 1937 umfaßte die Konzeption schon zehn Sätze, wie aus einem Gespräch mit Eisler in der Amsterdamer Zeitung Het Volk vom 30. März 1937 hervorgeht. Die Deutsche Sinfonie, die den Komponisten über viele Jahre hindurch beschäftigte, wurde zum bedeutendsten musikalischen Werk der antifaschistischen deutschen Emigration. Bis Ende 1937 entstanden weiter die Neun Kammerkantaten, verschiedene Lieder und das LeninRequiem. Trotz der - wie wir gesehen haben - äußerst bewegten Jahre gab es keinerlei Nachlassen in der kompositorischen Arbeit, aus politischer Haltung und Aktivität wuchs immer wieder auch schöpferische Kraft.

Exil in den USA: 1958 bis 1948 New York/Ostküste:

1958 bis 1942

Die dritte Reise des Komponisten nach Amerika - wenige Tage nach jenem Gespräch mit der Prager Tvorba - erfolgte unter veränderten Vorzeichen. Die Situation für die Antihitler-Emigranten in Europa wurde immer komplizierter. Mit der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland im März 1935, der Besetzung der entmilitarisierten Rheinzone 1936, der Bildung des faschistischen Blocks mit Japan 1936 und Italien 1937, der faschistischen Intervention in Spanien ebenfalls 1936 wurden die aggressiven Ziele der faschistischen Machthaber immer offener sichtbar, die Annexion Österreichs im März 1938 und das Münchner Abkommen vom September 1938 bestätigten die bereits 1936/37 offen zutage tretenden Kriegsabsichten der Faschisten. Österreich und die Tschechoslowakai als wichtige Exilländer der ersten Jahre nach 1933 wurden für die Emigranten verschlossen, Frankreich, in das viele weiterflohen, wurde 1940 okkupiert. So setzte von 1937 bis 1941 eine verstärkte zweite Emigrationswelle nach den USA ein. Hanns Eisler hatte 1937 eine erneute Einladung von Alvin Johnson zur Fortführung seiner Lektionen an der New School for Social 64

Research erhalten, die er sich entschloß anzunehmen. In einem Brief aus Prag schreibt Eisler am 4. Oktober 1937 an die New School: „Ich möchte Ihnen herzlich danken, weil Ihr Brief erneut zeigt, in welch kameradschaftlicher Weise Sie sich für mich einsetzen . . . Darf ich mich bei der Visabeantragung auf die Schule beziehen? Für diesen Zweck wäre ein Dokument nötig, oder soll ich wieder auf Besuchervisum reisen und mich dafür auf die Schule beziehen? Ich wäre Ihnen für eine Antwort sehr verbunden." 124 Daraufhin erhielt Eisler am 12. November eine von Alvin Johnson unterschriebene offizielle Einladung als Gastprofessor für Musik, beginnend mit dem 1. Februar 1938. Eislers Anfrage zeigt deutlich, daß er sich um ein Emigrantenvisum bemühte, offenbar aber genügte Johnsons Brief dem USA-Konsul in Prag nicht, so daß er nur ein Besuchervisum ausstellte. Am 18. Dezember 1937 erhielt Eisler dieses Besuchsvisum, und im Januar 1938 fährt er auf dem Dampfer Lafayette nach New York, wo er am 20. Januar 1938 eintrifft. Eisler ist jetzt nicht mehr nur ein Besucher, er ist Emigrant wie Feuchtwanger, Thomas und Heinrich Mann, Brecht und viele andere, die in den Jahren 1937 bis 1941 in den USA Asyl suchen. Erneut widmet die Presse Eislers Ankunft Aufmerksamkeit, diesmal neben den kommunistischen Zeitungen auch die großbürgerlichen Blätter: „Hanns Eisler und seine Frau bei ihrer gestrigen Ankunft an Bord der Lafayette - Aus Deutschland emigrierter Komponist Eisler ist zusammen mit 189 Passagieren angekommen." {New York Herald Tribüne v. 21. 1.1938) „Hanns Eisler angekommen - Am 31. Januar beginnen an der New School for Social Research 12 Lektionen von Hanns Eisler über 'Die Zukunft der Musik'." ( N e w York Times v. 23. 1. 1938) „Der Komponist Hanns Eisler, deutscher Emigrant, will in den nächsten Wochen die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen. Er hat bereits ein Angebot vom Federal Theatre." ( N e w York Post v. 29.1.1938) Die Meldung, daß Eisler sofort nach seiner Ankunft die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragen wollte, ist nicht richtig. Eisler hat dies erst 1941 getan, hat aber die Staatsbürgerschaft nicht erhalten. „Hanns Eisler, der an einer Oper Goliath arbeitet, wird über die Zukunft der Musik Lektionen halten und eine Werkstatt für Liedkompositionen im Frühjahrssemester an der New School for Social Research leiten." ( N e w York Times v. 30.1. 1938) 5

Hanns Eisler

65

Dieses letztgenannte Projekt wurde nicht realisiert. Der Daily Worker schrieb: „Hanns Eisler nach ausgedehnten Reisen durch Europa in den USA angekommen. - Nach zweijähriger Abwesenheit kehrte Hanns Eisler letzte Woche in dieses Land zurück, überquellend von Neuigkeiten musikalischer Aktivitäten aus der antifaschistischen Landschaft Europas, und nur flüchtig auf seinen eigenen großen und reichen Beitrag während dieser Zeit eingehend." (1. 2. 1938) Unmittelbar nach seiner Ankunft begann Eisler die Arbeit an der New School, die er mit Unterbrechungen bis 1942 ausübte. Nachfolgend eine genaue Aufstellung seiner Kurse und Honorare:

2. 2.1938 - 20. 4.1938 5. 2.1938 - 21. 5.1938 5. 2.1938 - 14. 5.1938 5 . 1 0 . 1938 - 25. 1.1939 8. 10.1938 - 18. 2.1939 8. 2.1939 - 24. 5 . 1 9 3 9

11. 2.1939 - 20. 5.1939 4 . 1 0 . 1 9 3 9 - 24. 1.1940 4. 10.1939 - 24. 1.1940 13. 3.1940 - 29. 5 . 1 9 4 0 13. 3. 1940 - 29. 5. 1940 3 0 . 1 0 . 1 9 4 0 - Januar 1941 3. 2 . 1 9 4 1 - 12. 5 . 1 9 4 1

Die Zukunft der Musik 1 Lektion (danach abgebrochen) Kontrapunkt 10 Lektionen 20 Dollar Kompositionslehre 15 Lektionen 143,25$ Musik als menschliche Ausdrucksform 15 Lektionen 204,00 § Kompositionslehre 13 Lektionen 43,25$ Einführung in die Musik Was wir wissen müssen 15 Lektionen 153.91 $ Kompositionslehre 8 Lektionen (1. 4.1939 abgebrochen) Einführung in die Musik 15 Lektionen 267,84$ Kompositionslehre 15 Lektionen 19,38$ Einführung in die Musik 12 Lektionen 144,63$ Kompositionslehre 5 Lektionen (24. 4 . 1 9 4 0 abgebrochen) Die Kunst des Musikhörens 15 Lektionen 207,88$ Die Kunst des Musikhörens 15 Lektionen

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238,25 $

30. 9.1941 - 13. 1.1942 4. 2.1942 - 13. 5.1942

Die Kunst des Musikhörens 15 Lektionen 416,68$ Die Kunst des Musikhörens 15 Lektionen 65,89$ 125

Da Eisler jeweils 50 Prozent der Studiengebühren der Teilnehmer als Honorar erhielt, kann man aus den angegebenen Honoraren die sehr unterschiedlichen Zuhörerzahlen seiner Kurse ersehen. Die Kontakte zur amerikanischen Arbeitermusikbewegung nahm Eisler ebenfalls nach seiner Ankunft wieder auf. Im Februar 1938 meldet eine Pressenotiz: „Hanns Eisler wird als Preisrichter beim jährlichen Kinderfestival der Internationalen Workers Order fungieren."126 Am 27. Februar findet im Auditorium der New School ein Willkommenskonzert statt, Welcome Concert for Hanns Eisler. Veranstalter ist die American Music League, die Begrüßungsrede hält Marc Blitzstein, im Programm erklingen Kammerkantaten Eislers, wiederum gesungen von Mordecai Baumann. Eisler spricht über die Funktion der Musik im Klassenkampf, und später schreibt Marc Blitzstein: „Als Eisler geendet hatte, wurde es den Komponisten und Musikern plötzlich klar, daß hier ein Weg für die Musik im gegenwärtigen sozialen Konflikt sichtbar wurde." In New Masses vom 15. März 1938 ist über das Konzert zu lesen: „Musik mit einem Zweck. Das Morgen gehört uns, so singen wir heute gemeinsam." Am 6. April 1938 veranstaltete das Composers Forum Laboratory einen Hanns-Eisler-Abend, auf dem der Komponist selbst dirigierte. Am Tage der Aufführung schreibt die New York Times: „Ungewöhnliches Interesse gilt schon jetzt den zwei Veranstaltungen mit Hanns Eisler im Composers Forum Laboratory am 6. und 20. April, bei denen seine neuesten wie auch schon besser bekannte Werke zu hören sein werden." Auch in Kreisen der deutschen Emigranten in New York tritt Hanns Eisler auf, wie eine erhaltene Einladung zu einem Abend der Deutschen Freiheitsbibliothek mit Hanns Eisler am 10. Februar 1938 belegt. Im April erhielt der Komponist ein Arbeitsstipendium von der American Guild for German Cultural Freedom mit besonderer Fürsprache von Ernst Toller. Am 25. Juni 1938 sprach Eisler vor dem Chor der Internationalen Gewerkschaft der Textilarbeiterinnen in New York über Arbeit, Arbeiterbewegung und Musik. Der Text seiner Rede ist erhalten, einige Auszüge sollen Eislers Position des Jahres 1938 belegen. Am Anfang seiner Rede spricht Eisler über die Krise der bürgerlichen Musik in der gegenwärtigen 5*

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kapitalistischen Welt, über die Trennung von ernster und Unterhaltungsmusik. Dann kommt er zu den Möglichkeiten der Arbeitermusikbewegung und schlägt den Chormitgliedern vor: „1. Die Hauptfrage ist das Repertoire. Das Repertoire muß so gewählt werden, daß es für Zuhörer und Sänger gleichermaßen interessant i s t . . . Musik und Text müssen interessant und anregend sein . . . Dafür gibt es nur einen Weg: Suchen Sie Kontakt mit modernen fortschrittlichen Komponisten . . . Diese Chance ist die beste: Zusammenarbeit der fortschrittlichen Arbeiterklasse mit fortschrittlichen Komponisten. 2. Methoden besserer Organisation der Konzerte: Zur Hölle mit all dieser eisernen Steifheit . . . Suchen Sie einen guten Sprecher, stellen Sie ihn auf die Bühne, lassen Sie ihn die Stücke, die gesungen werden, erklären, nicht in steif-akademischer Weise, sondern in dem frischen und lebendigen Geist der Arbeiterklasse . . . 3. Es ist wichtig, daß alle Ihre Unternehmungen Humor, Pep und Satire haben . . . Ich komme zum Schluß. Was ist das Wichtigste? Ein guter moderner Dirigent, ein guter Kontakt (und ein wenig Geld dafür) zu Ihrem modernen Komponisten; die besten sind gerade gut genug für Sie! Sie müssen die besten jungen Dichter haben. All das ist möglich. Versuchen Sie es l"127 Unter den vielen Begegnungen, die Eisler 1938 in New York hat, sind zwei besonders wichtig: die Wiederbegegnung mit Joris Ivens und das Zusammentreffen mit Joseph Losey. Joris Ivens (geb. 1898), mit dem Eisler 1932 in der UdSSR den Film Heldenlied, und 1934 in Holland den Film Neue Erde gemacht hatte, war gerade aus China zurückgekehrt, wo er im Frühjahr 1938 in verschiedenen Teilen des Landes einen Film über den Widerstand gegen die japanische Invasion gedreht hatte. In New York gewann er Eisler dafür, eine umfangreiche Filmmusik zu schreiben. Der Film 400 Millionen wurde von der Firma History Today Inc. produziert und in New York fertiggestellt.128* „Die Rohmontage war in Hollywood gemacht worden, und danach siedelten sie wieder nach New York über, um in einem kleinen Schneideraum und Mischatelier hoch über dem Times Square die letzten Feinheiten am Film in Angriff zu nehmen. Einer der bekanntesten Drehbuchautoren Hollywoods, Dudley Nichols, schrieb den Kommentar . . . und einer der bedeutendsten Schauspieler Hollywoods, Frederic March, der gerade mit Greta Garbo Anna Karenina gedreht hatte, sprach den Kommentar."129 Joris Ivens über 68

die Zusammenarbeit bei diesem Film: „Es folgte eine wunderbare Zusammenarbeit . . . Du machtest für den Film 400 Millionen die Musik. Es war wie schon in Magnitogorsk, aber auf einem höheren Niveau. Als ich Dir das Bombardement (das ist der Anfang des Films) zeigte, hast Du mir erklärt, an was für eine Musik Du denkst. Das war sehr schwierig. Ich verstehe überhaupt nichts von Musik. Ich kann nur, wenn ich Musik höre, fühlen, ob sie mit dem Bild übereinstimmt. Und ich kann beurteilen, ob sie bestimmte Dinge in der Dramaturgie des Films weiterführt . . . Anders bei Dir. Du hast mich die Musik so plastisch hören lassen: mit Deinem Klavier, mit Deiner Stimme, mit Deinem Geschrei, mit Deinem Geklopf, daß ich tatsächlich ein ganzes Orchester gehört habe und ganz genau wußte, wie das klingen würde. Gewöhnlich ist bei mir die visuelle Montage vorrangig, und die Musik schweigt dann in dieser Disziplin der stummen Montage. Bei der Bombardement-Szene haben wir es nicht so gemacht, Du hast mir ein paar Mal sehr schön den Ball zurückgeworfen und gesagt: hier möchte ich es so und so machen. Da habe ich meine Montage geändert... Das war sehr schwierig, aber ich glaube, daß es uns beiden gelungen ist (und am meisten ist es Dein Verdienst, ein Bombardement mit wenig Geräusch musikalisch so zu beschreiben, daß man weiß, was alles geschieht...) Du hast dazu eine Musik geschrieben, die unsterblich ist. Bei dieser Musik war auch noch etwas anderes sehr wichtig: das Zurückgehen. Man sieht zum Beispiel die Bombardements, und plötzlich gehe ich mit dem Film in das innere China zurück und damit auch gleichzeitig zweitausend Jahre in der Geschichte. Das mit Musik aufzufangen - ohne in eine Imitation chinesischer Musik zu verfallen und auch ohne die Verwendung rein europäischer Tonalität - war eine unglaubliche Leistung von Dir. Das ist alles so gut durchdacht."130 Aus Eislers Filmmusik zu 400 Millionen gingen als selbständige Kompositionen die Fünf Orchester stücke, das Scherzo mit Solovioline und die Variationen über ein marschartiges Thema (Der lange Marsch) hervor. Den Regisseur Joseph Losey (geb. 1909) hatte Eisler zur Zeit der Mutter-Aufführung 1935 kennengelernt. Losey inszenierte bei verschiedenen linken Theatergruppen. Er hatte sich als Regisseur verschiedener progressiver Stücke, unter anderem von Clifford Odets und Maxwell Anderson, einen Namen gemacht.131 1937 gründete Losey in New York das Political Cabaret, das bis 1939 bestand. Eisler wurde 1938 Mitarbeiter dieses Kabaretts, wie aus einer Zeitungsnotiz hervorgeht: „Politisches Kabarett, in diesen Breiten eine vergleichsweise 69

Seltenheit, hat sich unter der Schirmherrschaft des Theatre Arts Committee etabliert. Die Ein-Stunden-Programme mit liberalen politischen Kommentaren beginnen voraussichtlich am 9. Mai unter der Regie von Philipp Loeb, Joseph Losey und Charles Friedman, Mitwirkende: Haywood Brown, Emanuel Eisenberg, Kyle Crichton . . . und Hanns Eisler." 132 Welcher Art Eislers Mitwirkung war, ist bisher nicht feststellbar. Als Ende 1938 Losey von der Petroleumindustrie dej: USA den Auftrag erhält, einen Werbefilm für die New Yorker Weltausstellung im Sommer 1939 herzustellen, gewinnt er Eisler für die Filmmusik. Der 20-Minuten-Farbfilm, an dem auch Joris Ivens' engste Mitarbeiterin Helen van Dongen (Schnitt) mitarbeitete, war Loseys erste Filmarbeit. Pete Roleum and bis Cousins, so hieß der Film über die Geschichte und Entwicklung der Ölindustrie, fand ziemlich breites Interesse in der amerikanischen Öffentlichkeit. „Ein Film für die Ausstellung - Es bedeutet für Eisler eine bemerkenswerte Leistung, einen Text in einer ungewohnten Sprache mit Musik zu versehen, die launisch und spritzig genug ist, um Joseph Loseys amüsantes und phantasievolles Szenarium auszumalen. Einige der Effekte in Eislers ökonomischer und knapper Orchestrierung sind auf dem Filmstreifen nicht klar wiedergegeben (im Vergleich mit dem Studiovorspiel), aber es bleibt eine höchst phantasiereiche und provokante Filmmusik - an Hollywoods Standards gemessen ein wahres Meisterwerk." 133 * Dieser im Auftrage eines der mächtigsten Industriegruppen der USA, auch was die Meinungsbildung der Amerikaner betraf, entstandene Film festigte Eislers Ruf als bedeutender Filmkomponist in Amerika und wirkte sich günstig sowohl für die späteren Arbeitsmöglichkeiten in Hollywood als auch auf die Gewährung des Rockefeller-Stipendiums 1940 aus. Auch Joseph Loseys spätere Hinwendung zum Film (ab 1941 Dokumentarfilm, ab 1948 Spielfilm) wurde durch die „Fingerübung" mit dem Puppentrickfilm Pete Roleum and bis Cousins zweifellos befördert. Die Jahre von 1938 bis 1940 waren für Eisler belastet durch den Kampf mit den Einwanderungsbehörden um ein Immigrant Visa, das für den weiteren Aufenthalt in den USA unumgänglich war. Die nervenzehrenden Anstrengungen Eislers sind ein klassisches Beispiel dafür, wie die antikommunistische Haltung der USA-Behörden ab 1938 auch Emigranten in Existenzschwierigkeiten brachte. Das Pauschalbild der USA als emigrantenfreundlichster Staat, wie es heute die bürgerliche Exilforschung aufzubauen bestrebt ist, bedarf einer wesentlich differenzierteren Darstellung, wir sagten es bereits ein70

gangs dieser Arbeit. Die nachfolgende Dokumentation der Odyssee Hanns Eislers um sein Visum - beileibe kein Einzelfall - ist ein Beleg für die emigrantenfeindliche Arbeit der USA-Paßbürokratie. Eislers im Dezember 1937 in Prag ausgestelltes Besuchervisum hatte nur sechs Monate Gültigkeit. Nach dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach der Annexion durch Hitlerdeutschland erhielt Eisler von Vertretern der tschechoslowakischen Regierung in New York einen „Nansen-Paß" für Staatenlose. Damit beantragte er im März 1938 beim USA-Konsul in Havanna ein Immigrant Visa (dieser Antrag mußte bei einem ausländischen Konsulat erfolgen), die notwendige persönliche Vorsprache wollte er aber erst dann vornehmen, wenn die Erteilung des Visums sicher war, sonst wäre die Wiedereinreise in die USA unmöglich gewesen. Von dieser Antragstellung hatte Eisler dem State Department in Washington Mitteilung gemacht: „Sehr geehrte Herren, hiermit möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich und meine Frau Carol King (eine bekannte Rechtsanwältin - J. S.) . . . bevollmächtigt haben, uns in der Angelegenheit unseres Antrages auf Immigration Visas für die Vereinigten Staaten zu vertreten, welche wir beim amerikanischen Konsulat in Havanna, Kuba, beantragt haben. Hochachtungsvoll Hanns Eisler." 134 Den Antrag Eislers unterstützte Alvin Johnson, der ebenfalls an den Konsul nach Havanna schrieb und mitteilte, daß Eisler an seiner New School als Professor angestellt sei und damit die Bedingungen für ein Nonquota Visa erfülle, so daß die Wartezeit für ein Quota Visa entfallen konnte. Die Visaerteilung ließ jedoch auf sich warten. Am 20. Juni 1938, nachdem Johnson verschiedene Regierungsbeamte konsultiert hatte, schrieb er an Eisler: „Ich nehme an, daß Ihr Visum aufgehalten wird, weil der Daily Worker Sie als 'Genossen' bezeichnet hat, das heißt, als Kommunisten. Ich persönlich habe keine Vorurteile gegen Kommunisten und kann keinen einleuchtenden Grund dafür sehen, warum ein guter Kommunist nicht ein guter Musiker sein kann. Ich bin aufgefordert, dem Departement in der Frage Auskunft zu geben, daß ich verneine, daß Sie mit der Kommunistischen Partei übereinstimmen. Wenn das nicht so ist, kann ich in dieser Richtung natürlich nichts aussagen. Wollen Sie mir bitte offen mitteilen, wie Sie in dieser Angelegenheit stehen?" 135 Eisler antwortete am 21. Juni 1938: „Ich bin Ihnen zu großem Dank für Ihre tatkräftige Hilfe wegen unserer Visa verpflichtet. Wie Sie wissen, haben so unterschiedliche Zeitungen wie die New York Times, die New York Herald Tribüne und verschiedene Musikblätter über 71

mich als fortschrittlichen Komponisten geschrieben. Es ist sicher mehr als ein Zufall, daß das Immigration Department ausgerechnet den Daily Worker unter allen Zeitungen ausgewählt hat. Sie wissen, meine Gefühle sind antifaschistisch, aber ich versichere, d a ß ich kein Mitglied einer politischen Partei bin, auch nicht der Kommunistischen Partei. Ich bin ein Komponist. Alle meine Ziele sind musikalische, und ich sehe alles von einem musikalischen Standpunkt aus." 136 Einen Tag später schreibt Johnson der Behörde: „Hier ist der spezielle Fall eines Mannes, der besondere Fähigkeiten hat, um zur Entwicklung dieses Landes beizutragen, gerade in der jetzigen Zeit, wo alle Zeichen auf eine Renaissance des Liedes und der Musik hindeuten und auf eine große Vielfalt der Amateurmusik." 1 3 7 Die Dokumente berühren einen Punkt, der von der bürgerlichen und auch von der ultralinken Eisler-Interpretation immer wieder bewußt falsch gewertet wird. Eisler hat in den USA seine politische Haltung nicht geändert, er ist der konsequente Antifaschist, der konsequente Verbündete der Arbeiterklasse und speziell der Arbeitermusikbewegung geblieben. Natürlich haben ihn die Bedingungen der Emigration, die Gesetze der USA-Einwanderungsbehörden, die jeden Kommunisten ausschlössen, gezwungen, die Frage, ob er Kommunist sei, zu verneinen. Eisler hat dies jedoch stets mit einer Haltung getan, die ihm das beste Zeugnis ausstellt. W i e auch zehn Jahre später beim Verhör durch den Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit, beantwortet er hier Johnsons Frage, ob er Kommunist sei, mit der Erklärung, kein Mitglied der Kommunistischen Partei zu sein. Dies entsprach den Tatsachen, denn bis auf einen Aufnahmeantrag von 1926 ist keine aktive Mitgliedschaft Eislers in der Partei nachweisbar. Er selbst hat später Brecht einen „Kommunisten ohne Parteibuch" genannt, eine auch Eisler charakterisierende Haltung. Seine vielfältigen Aktionen an der Seite der Arbeiterklasse, sein Bekenntnis in Worten und Noten, seine klare politische Haltung waren stets die eines Kommunisten, woraus er nie ein Hehl machte. Die USA-Behörden schätzten Eislers politische Haltung durchaus richtig ein. In einem „streng vertraulichen Memorandum" war dem Konsulat in Havanna schon am 31. Mai 1938 mitgeteilt worden, daß „keinerlei Aktionen in der Visaangelegenheit dieses Ausländers zu unternehmen sind, bevor weitere Instruktionen vom State Department eintreffen" 138 . Im Oktober 1938 heißt es in einem zweiten vertraulichen Memorandum: „Die vorliegenden Beweise zeigen, d a ß Eisler ein Kommunist ist, obwohl er offensichtlich kein eingetragenes Mitglied der Kommunistischen Par72

tei ist. Seine Anschauung ist antifaschistisch und prokommunistisch, er hat den Kommunisten in den Vereinigten Staaten und in anderen Ländern Hilfe und aktive Unterstützung in ihrer Sache gegeben . . . Wie die Angelegenheit steht, muß Havanna die Anweisung erhalten, daß Eisler nicht tragbar für ein Immigrant Visa ist." 139 Im Juni 1938 wird das Besuchervisum in New York zunächst bis August verlängert, die Ausstellung eines ordentlichen Visums in Havanna jedoch wird weiter verzögert, schließlich erfolgt eine letzte Verlängerung des Besuchervisums bis 21. Januar 1939. Jede dieser Verlängerungen ist mit langen Verhören verbunden. Eisler schaltet eine weitere Anwaltsfirma, Soffer & Rediker, ein, um vom Arbeitsministerium eine Bescheinigung zu erhalten, daß er unter die Bestimmungen des Nonquota-Visums zu rechnen ist. Inzwischen hat die einflußreiche progressive Journalistin Dorothy Thompson im Herbst 1938 eine Initiative für Hanns Eisler ins Leben gerufen. Durch ihre Vermittlung sie war eine der einflußreichen Persönlichkeiten in der Umgebung des Präsidenten Roosevelt - kommt es zu zahlreichen Protesten prominenter amerikanischer Persönlichkeiten an die Einwanderungsbehörden. Dorothy Thompson, deren wöchentliche Kolumne On the record von 1936 bis 1941 in der New York Herald Tribüne eine starke meinungsbildende Funktion bei vielen Amerikanern ausübte (zeitweise arbeitete auch Hermann Budzislawski als „ghost writer" der Thompson), gelang es sogar, die Gattin des Präsidenten, Eleanor Roosevelt, zu einem Schreiben an den stellvertretenden Außenminister Sumner Welles in Sachen Eislers im Januar 1939 zu bewegen. Aber selbst die Autorität von Frau Roosevelt vermochte nicht, die festgefaßte Meinung der Einwanderungsadministration über den „gefährlichen Kommunisten" Eisler zu ändern. 1939 wartete Eisler immer noch ergebnislos auf sein Visum, die Situation spitzte sich zu, als am 21. Januar das zweimal verlängerte Besuchervisum ablief und nicht mehr verlängert wurde. Am 2. März 1939 ordnen die Behörden die Ausweisung Eislers an. Erneut setzen sich zahlreiche progressive Amerikaner für ihn ein. Der Regisseur und Produzent George Cukor schreibt am 25. März an Präsident Roosevelt: „Darf ich voller Respekt darum ersuchen, daß Sie eine Verlängerung des Passes von Johannes Eisler und seiner Gattin bewirken . . . Mr. Eisler, ein österreichischer Bürger, dessen antifaschistische Haltung ihn in seiner Heimat in Gefahr gebracht hat, ist ein bekannter Komponist... wenn er gezwungen würde, jetzt nach Österreich zurückzukehren, würde ihm Gefängnis oder Schlimmeres drohen . . ."14D Der Dramatiker 73

Clifford Odets schreibt: „Mr. Eisler ist ein Mann, der einen wertvollen und dauerhaften Beitrag zum kulturellen Leben Amerikas leisten kann. Aus diesem Grund bin ich froh, diesen Brief in seiner Angelegenheit schreiben zu können." 141 Alle diese Appelle sind nutzlos, Eisler droht die Zwangsausweisung. Eisler wendet sich um Hilfe an das benachbarte Mexiko, das unter dem fortschrittlichen Präsidenten Cardenas zu dieser Zeit Asylland für viele Antifaschisten ist. In einem Brief vom 9. März 1939 heißt es: „Ein Visum für Mexiko ist für uns eine Lebensfrage. Wir wissen, daß Mexiko das einzige Land ist, das politischen Flüchtlingen Asylrecht gewährt und deshalb wage ich es, mich an Sie mit der Bitte um Hilfe zu wenden. Ich bin Komponist (mein Name gehört zu den fünf bekanntesten der modernen Musik), Schüler von Arnold Schönberg. Ich bin auch selbst Lehrer in Komposition und Harmonielehre. Meine Kompositionen werden in allen Hauptstädten Europas und auch Amerikas aufgeführt, auch habe ich die Musik zu vierzehn Filmen und Theaterstükken geschrieben. Ich bin überzeugt, daß ich auch in Mexiko der Musikbewegung nützlich sein kann. Jedenfalls aber werde ich Ihrem Lande in keiner Weise zur Last fallen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn es Ihnen möglich wäre, rasch zu helfen." 142 In dieser Situation gewährt der mexikanische Präsident Cardenas dem Komponisten eine zeitweilige Aufenthaltserlaubnis für Mexiko, und Eisler erhält aus Mexiko die Einladung für eine Gastprofessur am Konservatorium von Mexico-City. Diese Einladung - mit ausdrücklicher Unterstützung der mexikanischen Regierung ausgesprochen - ist eines von vielen Beispielen für die emigrantenfreundliche Haltung dieses südlichen Nachbarstaates der USA, der auch zahlreichen ehemaligen Spanienkämpfern Exil gewährte. 143 Am 12. April 1939 reiste Eisler nach Mexiko. Bereits zu dem Zeitpunkt, als zahlreiche Telegramme sowie Bitten prominenter Persönlichkeiten, ihm in Mexiko Asyl zu gewähren, zu der Entscheidung des Präsidenten geführt hatten, schrieb die große mexikanische Tageszeitung Mexico Today: „Mexiko öffnet seine Pforten für Hanns Eisler Eisler wurde eingeladen mit ausdrücklicher Unterstützung von Präsident Lazaro Cardenas, nachdem zahlreiche Telegramme so bedeutender Persönlichkeiten wie Thomas Mann, Albert Einstein, Dorothy Thompson, Ernest Hemingway, Leopold Stokovsky und anderer um diese Gastfreundschaft baten . . . Die Bestrebungen zu Eislers zwangsweiser Ausweisung laufen in Washington seit mehr als einem Monat . . . Eisler hat in den USA einen 5-Jahresvertrag als 74

Professor angeboten bekommen, aber das dazu nötige Immigration Visa ist ihm bisher verweigert worden." 1 ' 14 Nach Eislers Ankunft in Mexico-City schreibt die gleiche Zeitung: „Hanns Eisler bringt seinen Genius nach Mexiko - Eisler, dessen moderne revolutionäre Musik Hitler dazu brachte, einen Preis von 1500 Mark für seinen Kopf auszusetzen, kam auf Einladung von Dr. Mendoza, dem Direktor des Nationalkonservatoriums, nach Mexiko. Er wird moderne Harmonie und Instrumentation lehren und Ende Mai ein Konzert im Bellas Artes Theater in Mexiko geben." 145 Eine Einladung zu Eislers Kursen am „Conservatorio Nacional de Musica de Mexico" ist erhalten, sie lädt ein zum „Curso sobre Armonia Contemporanea a carge del Sr. Prf. Hanns Eisler" 146 . In Mexiko traf Eisler auch Joris Ivens wieder. „Du hast in dem alten Gebäude einer Gesandtschaft gewohnt, einem sehr komischen Haus . . . Erinnerst Du Dich unserer Spaziergänge in Mexiko? Du hast mich in der Akademie der Künste herumgeführt und mir viel von der mexikanischen Kunst gezeigt." 147 Eislers Kurse liefen bis August 1939. Mittlerweile hatte Eislers Anwältin Carol King veranlaßt, daß die Unterlagen für die Visaerteilung von Havanna nach Mexiko in das dortige Konsulat geschickt wurden, doch auch die Konsularbeamten hier verschleppten die Angelegenheit weiter. Eisler erhält lediglich am 7. September 1939 ein neues Besuchervisum, diesmal gültig für nur zwei Monate, mit dem er nach New York zurückkehren und seine Kurse an der New School fortsetzen kann. Vom Dezember 1939 lebt er ohne gültiges Visum in New York. Wieder appellieren zahlreiche Freunde und Persönlichkeiten an die USA-Behörden, darunter der Regisseur W i l l i a m Dieterle, Oscar Wagner, der Direktor der Juillard School of Music, Rudolf Kolisch und die German American Writers Association sowie Joseph Losey: „Dieser Brief betrifft Hanns Eisler, der ein persönlicher Freund von mir ist. Mr. Eisler schrieb die Musik zu dem Trickfilm, den ich für die Ausstellung der Petroleumindustrie auf der Weltausstellung produziert habe. W i e Sie vielleicht wissen, hat die Filmmusik große Aufmerksamkeit erregt und ist von den New Yorker Kritikern sehr hoch eingeschätzt worden . . . Mit einer großen Zahl weiterer Freunde hoffe ich, daß alles Mögliche getan wird, um Mr. Eisler endlich den Aufenthalt in den USA auf dauerhafter Basis zu ermöglichen." 148 Am 17. Juli 1940 - ungeachtet aller Proteste - erlassen die Einwanderungsbehörden Haftbefehl gegen Hanns Eisler wegen Paßvergehens. Von Hollywood aus, wo er sich gerade aufhält, muß Eisler erneut nach Mexiko fahren, am 17. September 1940, 75

und dort wird er wieder auf dem USA-Konsulat wegen seines Visums vorstellig. Am 20. September 1940 erteilt Vizekonsul Myers vom USA-Konsulat in Mexicali dem Komponisten ein Nonquota Immigrant Visa. Acht Jahre danach stellt der Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit fest, dieser Konsul sei ein „schlafender KonsularOffizier" gewesen und hätte bei genauer Durchsicht der Akte Eisler das Visum nie erteilen dürfen.149 Noch einmal hat Eisler die Bürokratie der Behörden zu spüren: Als er mit seinem ordnungsgemäß ausgestellten Visum am 20. September im Grenzort Calexico ankommt, verweigern ihm die USA-Beamten die Einreise. Bis zum 26. September dauert es, dann wird Eisler einem langwierigen Verhör unterzogen und unter fadenscheinigen Gründen (man bezog sich auf den zitierten Protest von 1935 aus Arizona gegen den „Kommunisten") festgehalten. Eine der das Verhör charakterisierenden Fragen berichtet Louise Eisler. Als der Beamte fragt: „Glauben Sie an Klassenunterschiede zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat?", antwortet Eisler listig: „Hitler glaubt daran." Eisler legte beim Berufungsausschuß der Obersten Einwanderungsbehörde in Washington schriftlichen Protest ein. Fast einen Monat mußte er nun in dem kleinen Grenzort warten, bis am 22. Oktober 1940 der Bescheid eintrifft, daß seiner Berufung stattgegeben wird. Am Abend des 22. Oktober 1940 betritt Eisler, nach mehr als zweijährigem Kampf mit den Behörden, endlich mit einem ordnungsgemäßen Immigrant Visa die USA und kehrt nach New York zurück. Daß derartige Zustände der Ungewißheit die Schaffensbedingungen eines Künstlers ernsthaft belasten müssen, ist eindeutig. Doch kehren wir zu Eislers Schaffen in New York zurück. Sehr enge Kontakte hat Eisler zu den linken Theaterleuten in New York, die während der dreißiger Jahre, der sogenannten „Red Decade", eine hervorragende Rolle in der geistigen Auseinandersetzung der Zeit spielen und offen die Leistungen der Sowjetunion in der amerikanischen Öffentlichkeit bekanntmachen. Für eine große Lenin-Gedächtnisfeier der Kommunistischen Partei der USA im New Yorker Madison Square Garden zum Jahrestag der Oktoberrevolution im November 1938 wird die Aufführung des Stückes A Song about America von Hofmann R. Hays, einem jungen progressiven Dramatiker, vorbereitet. Eisler wird die Komposition der Bühnenmusik übertragen, die er - um nicht der direkten Zusammenarbeit mit den amerikanischen Kommunisten verdächtigt werden zu können, ein Tatbestand, der zur Deportation des Emigranten führen kann 76

unter dem Pseudonym John Garden schreibt. Die Musik wird ein großer Erfolg, besonders das Auftrittslied Sweet Liberty Land gelangt rasch zu großer Popularität bei den amerikanischen Arbeitern. Der Autor Hays erinnert sich: „Sweet Liberty Land war für die Linken ein Hit und wurde für einige Zeit praktisch zur Nationalhymne der amerikanischen Kommunistischen Partei in jenen glücklichen Tagen der Einheitsfront. Die Partei hat seitdem kein vergleichbares Lied zustande gebracht."150 Mit dem Stückeschreiber Hays setzt Eisler auch später die Zusammenarbeit fort, er arbeitet mit ihm in Mexiko und schreibt 1940 die Bühnenmusik zu Hays Stück Mediane Show, das Joseph Losey in New York inszeniert. Losey hatte 1937 mit dem Federal Theatre begonnen, aktuelle Revuen, The Living Newspaper, aufzuführen. Im März 1940 inszenierte er in diesem Stil das Stück Medicine Show, „a new living newspaper-play". Bereits vorher war Eislers Musik für die Aufführung von Clifford Odets' Night Music am Broadhurst Theatre im Februar aufgeführt worden, „eine höchst effektvolle musikalische Ausstattung von Hanns Eisler, die die schrillen Töne der dröhnenden Stadt höchst gegenwärtig macht"151. Die vorwiegende Arbeit mit „angewandter Musik" wie Eisler seine Bühnen- und Filmmusik stets nannte, erhält im Frühjahr 1940 eine für die nächsten Exiljahre des Komponisten bestimmende Bedeutung : er erhält von der Rockefeller-Foundation ein Stipendium für ein umfangreiches „Research Project", das Film-Musik-Projekt. Die 1909 gegründete Rockefeller-Stiftung, die zunächst vorwiegend auf dem Gebiet der Naturwissenschaften Forschungen gefördert hatte, erweiterte 1935 ihre Arbeit. „1935 entschlossen sich die Treuhänder, neben der Beibehaltung der alten Interessen versuchsweise in neue Gebiete vorzustoßen, sie bevollmächtigten die Funktionäre der Stiftung, Projekte auszuarbeiten, die sich auf Bibliotheken und Museen, auf Theater, Rundfunk und Film, auf das Sammeln und die wissenschaftliche Auswertung folkloristischen Materials . . . erstrecken sollten."152* Rundfunk und Film „als die Werkzeuge der Meinungsbildung, die geeignet scheinen, dem Volk soziale Ideen und ästhetische Normen zu vermitteln"153, wurden durch folgende Projekte gefördert: „World Wide Broadcasting Corporation", ein vielsprachiges Kulturprogramm an einem Bostoner Kurzwellensender; „Princeton Radio Research Project" an der School of Public and International Affairs der Universität Princeton unter Leitung von Paul F. Lazarsfeld, das mit dem Eintritt der USA in den Weltkrieg zum „Office of Radio 77

Research" an der Columbia-University erweitert wurde. An diesem Projekt arbeitete Theodor W. Adorno mit; „Film Music Project" an der New School for Social Research unter Leitung von Hanns Eisler; Einrichtung einer Filmsammlung im Museum of Modern Art, New York, der „Museum of Modern Art Film Library." Bereits in den dreißiger Jahren hatte die Rockefeller-Stiftung verschiedene Forschungsvorhaben der New School for Social Research finanziert. Den ersten Kontakt in Sachen Film-Musik-Projekt zur Stiftung stellte Joseph Losey her. Am 26. September 1939 schrieb er an Alvin Johnson: „Ich habe mit John Marshall von der RockefellerFoundation wegen Hanns gesprochen . . . Hanns' Filmarbeit und so weiter wird ihn nicht zum Stipendiaten machen können, aber als Forschung für Sie könnte es gehen. Mr. Marshall dachte ebenso." 154 Daraufhin wandte sich Alvin Johnson offiziell an die Stiftung, sandte Marshall einen Entwurf des Film-Musik-Projektes und schrieb dazu am 1. November 1939: „Die Rockefeller-Stiftung hat eine wunderbare Arbeit geleistet, indem sie es vielen vertriebenen Gelehrten möglich machte, während der Zeit der Eingliederung zu e x i s t i e r e n . . . Die Künste indes sind weit schwieriger zu unterstützen. Es dürfte schwerfallen, einen Mann wie Eisler im Rahmen des üblichen Unterrichts zu binden. Notwendigerweise wird er Verbindungen mit der [Film] Industrie aufnehmen. Dies immerhin mit einer Industrie, "die eine äußerst wichtige Rolle in unserer Kultur spielt oder spielen sollte; und jeder Beitrag, der versucht, das Niveau ihrer Leistungen zu heben, verdient Unterstützung." 155 Daraufhin billigte die Stiftung das Projekt und stellte am 19. Januar 1940 der New School for Social Research einen Betrag von 20 160 Dollar zur Verfügung, „für experimentelle Studien der Musik in der Filmproduktion für eine 2-Jahresperiode, beginnend am 1. Februar 1940. Diese Studien verlaufen unter Leitung von Dr. Hanns Eisler, einem Mitglied der Fakultät (der New School - J. S.) und bekanntem Komponisten von Filmmusik. Seine Studien werden die Möglichkeit der Verwendung neuer Typen von musikalischem Material in der Filmproduktion untersuchen, die Probleme von Instrumentation, Musik und Geräuscheffekten und das mehr ästhetische Problem der Musik in Beziehung zum optischen Inhalt des Films" 156 . Das Projekt lief bis zum 31. Oktober 1942 und ermöglichte dem Komponisten zum einen künstlerische Experimente auf dem Gebiet der Filmmusik, zum anderen und das war für den Emigranten mindestens ebenso wichtig - einen Lebensunterhalt für wenigstens zwei Jahre. Eisler erhielt in dieser 78

Zeit 8250 Dollar als Honorar, das bedeutete pro Woche etwa 80 Dollar. Der restliche Betrag von 12 000 Dollar wurde für verschiedenste Zwecke, wie Musikergagen, Studiomieten und sonstige Kosten verwendet. In der detaillierten Kostenaufstellung findet sich neben Honoraren etwa für Jascha Horenstein oder Rudolf Kolisch auch einmal ein Honorar für Arnold Schönberg (13. Mai 1942 - 300 Dollar) und am gleichen Tag für Bertolt Brecht (250 Dollar). 157 * Wichtiger Mitarbeiter Eislers am Projekt war der Rockefeller-Stipendiat Harry Robin, der als Toningenieur und Techniker das Projekt betreute. Eisler und Robin waren sich schon 1938 begegnet, als Robin bei Marc Blitzstein Kontrapunkt lernte und Eislers Lektionen für die New School ins Amerikanische übersetzte. Hauptinhalt von Eislers Arbeit war die Komposition und klangliche Realisierung mehrerer Partituren für unterschiedliches Filmmaterial, das Eisler von der Filmindustrie sowie von Joseph Losey und Joris Ivens erhielt. Die künstlerischen Resultate des Projekts waren für die Filmsammlung des New Yorker Museum of Modern Art bestimmt und befinden sich seit 1954 in der Juillard School of MuSi'c. Außerdem gehörte die theoretische Auswertung der Ergebnisse in einem Buch zum Projekt, das für die Veröffentlichung beim Verlag Oxford University Press geplant war und dort auch 1947 erschien.158 Bereits wenige Tage nach Beginn der Arbeit berichtete die Presse: „Professor Eisler, emigrierter deutscher Komponist, will unsere Filmmusik reformieren - Prof. Eisler hat soeben eine Stiftung der Rockefeller-Foundation in Höhe von 20160 Dollar erhalten, um sie (die Situation der Filmmusik - J. S.) zu verbessern . . . Wenn der Auftrag fertig ist, wird er neue Musik für etwa 30 Sequenzen aus bekannten Filmen geschaffen haben . . . Eisler will vor allem versuchen, die Titelmusiken und das obligate Schluß-Hallelujah zu verbannen."159 Folgende Filme bzw. Filmsequenzen wurden im Verlauf des Projekts bearbeitet: Kinderszenen in einem Camp (Aus einem Dokumentarfilm); Naturszenen - auch als White Flood bezeichnet (Dokumentarfilm); Ausschnitte aus Wochenschauen/Kriegsszenen - auch als Music to a newsreel bezeichnet; Ausschnitte aus dem Spielfilm Grapes of Wrath (Regie John Ford) auch als Four Descriptions of the Death of a Peasant bezeichnet; Ausschnitte aus dem dokumentarischen Spielfilm Forgotten Village (Regie Herbert Kline); der Dokumentarfilm Regen (Regie Joris Ivens).160* 79

Die Sequenzen aus Forgotten Village entstammten einem Film, zu dem Eisler die gesamte Filmmusik komponiert hat. Er weilte zu diesem Zweck mit dem Aufnahmestab vom 10. Dezember 1940 bis 6. Januar 1941 erneut in Mexiko. Forgotten Village, Eislers erste amerikanische Spielfilmarbeit, wurde von dem progressiven Regisseur Herbert Kline gedreht, der bis 1939 Mitglied der New Yorker Dokumentariilmgruppe „Frontier Films" gewesen war und Eislers JorisIvens-Filmmusiken genau kannte. Das Drehbuch stammte von John Steinbeck, produziert wurde der Film von der Firma Pan-American-Films. Über Eislers Musik schrieb Theodore Strauß in der New York Times: „Musikalisches Marathon - In der Filmmusik zu Forgotten Village stellte Eisler einen Qualitätsrekord auf. - Mr. Eisler, der nicht für sich in Anspruch nimmt, ein Beethoven zu sein, konnte nur neun Musiker benutzen, und mit dieser begrenzten Zahl von Tonfarben und Schattierungen hatte er eine Musik zu schaffen, die über 80 Minuten differenziert und überraschend sein mußte. Sie sehen das Problem . . . Als er am 15. Dezember (recte 10. 12. - J. S.) in Mexico City eintraf, sah er eine Rohschnitt-Fassung des Films und begann sofort mit der Arbeit. Aus Dörfern von 80 Meilen Entfernung begann er eine buntgemischte Prozession eingeborener Musikanten in Klines Zimmer zu schleppen, barfuß, verarmt, aber voller Grazie. Hier fand er die verstümmelten Einflüsse von spanischer, französischer, kubanischer Musik, von Hollywood und Tin Pan Alley-Musik, aber alles mit dem rhythmischen Elementargefühl der Eingeborenen. Eisler sagt: 'Sie begrüßten mich als ihren Kollegen, als sie gingen. Sie mit ihrer jahrhundertealten Indianermusik, ich mit dem Hintergrund des modernen Europa, und da waren 2000 Jahre zwischen uns.' . . . Eisler vollendete seine Filmmusik mit der Stoppuhr. Zum Schluß sagt er uns: 'Und bitte denken Sie daran, ich bin ein wirklicher Komponist, und sagen Sie also nicht, daß ich nur Filmmusik schreibe. Das würde mein Bild einseitig wiedergeben.' " 161 Anschließend an diese Arbeit schrieb Eisler die Musik für einen kurzen Lehrfilm Our Acre im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums, den ebenfalls Joseph Losey vermittelt hatte. Im August 1940 war der Komponist zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem Film-Musik-Projekt in Hollywood gewesen. „Mr. Eisler besucht Hollywood - Eisler sagt: 'Hollywood hat eine Anzahl bemerkenswerter Filmmusiken hervorgebracht. Es wäre närrisch und 80

taktlos von mir, hierherzukommen und zu versuchen, Künstlern wie Korngold, Steiner, Hapeman und Newman zu sagen, welche Art Musik und wie sie sie schreiben sollen.' Eisler hält sich in Hollywood auf, um für die Rockefeiler Foundation Untersuchungen zu machen und Experimentalmusik zu schreiben."162 „Eisler sagt: 'Jede Note muß eine dramaturgische Funktion haben, was nicht bedeutet, die Handlung auf der Leinwand nachzuäffen.'" 163 Im Ergebnis der Arbeiten für das Film-Musik-Projekt entstanden - eine häufige Praxis Eislers - zahlreiche selbständige Kompositionen: Aus der Musik zu Kinderszenen in einem Camp das Septett Nr. 1. (Variationen über amerikanische Kinderlieder); aus der Musik zu Naturszenen die Kammersinfonie; aus der Musik zu Forgotten Village das Nonett Nr. 2; aus der Vertonung von Joris Ivens Stummfilm Regen das Quintett Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben. Welche Musik ELsler zu den Wochenschausequenzen und den Sequenzen von Grapes of Wrath schrieb, ist noch nicht geklärt. Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben, das wohl beste Kammermusikwerk Eislers, widmete er Arnold Schönberg zum siebzigsten Geburtstag. Joris Ivens, für dessen Film die Musik geschrieben wurde, hörte sie erstmalig 1964 und schrieb dazu: „Hanns, Du hast mir viele Male gesagt, daß Du eine Musik Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben gemacht hast. Du schriebst sie in New York, aber ich hatte niemals Gelegenheit, sie zu hören . . . Aber jetzt hat der Direktor des Filmmuseums in Amsterdam, Jan de Vaal, das Band dieser Musik vom Museum of Modern Art in New York nach Holland geholt. In der Projektionskabine habe ich die Musik zum ersten Mal gehört . . . Du warst beim Anhören dieser Musik eigentlich dabei. Ich erinnerte mich: Du hast immer still zugeschaut und am Ende, wenn ich nicht sofort etwas gesagt hatte, wurdest Du ein bißchen wütend, weil ich immer sofort sagen sollte, ob es gut oder schlecht war. Dieses hier war so gut, daß es, weil Du nicht mehr da bist, sehr schwierig war, es zu hören."164 Alle genannten Kompositionen entstanden in den Jahren 1940 und 1941. Die letzten Arbeiten am Projekt fanden im März 1943 statt, als Eisler bereits nach Kalifornien gezogen war. 1944 schrieb der Komponist - zusammen mit Theodor W. Adorno das Buch Composing for the films, das drei Jahre später gedruckt wurde. Im Vorwort schrieb Eisler damals: „Mit Bezug auf das vorliegende Buch gilt mein Dank vor allem Th. W. Adorno, der die 6

Hanns Eistet

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Musikabteilung eines anderen Rockefeller-Projektes, des Princeton Radio Research Project, leitete. Die Probleme, mit denen er sich zu befassen hatte, sind gesellschaftlich, musikalisch und selbst technisch denen des Films eng verwandt . . ." 165 Als der Verfasser der gedruckten Ausgabe zeichnete jedoch Eisler allein, wie er das auch in die erste deutsche Ausgabe 1949 im Henschelverlag übernahm. Als Adorno 1969 in der BRD eine Ausgabe des Buches veröffentlichte und als „erste deutsche Originalausgabe" bezeichnete 160 , richtete er im Nachwort heftige Angriffe gegen Eisler, der ohne sein Wissen für die Ausgabe 1949 Änderungen vorgenommen habe. Zugleich aber disqualifizierte sich Adorno selbst, wenn er im gleichen Zusammenhang schreibt: „Ich hatte mit jenen Aktivitäten (die antikommunistische Kampagne gegen Eisler in Vorbereitung des Verhörs vor dem Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit 1947 - J. S.) nichts zu tun . . . Keinen Anlaß hatte ich, Märtyrer einer Sache zu werden, die nicht die meine war und nicht die meine ist. Angesichts des Skandals trat ich von der Mitautorschaft zurück." 167 Wie groß Adornos Anteil an dem Buch ist, erscheint aus heutiger Sicht ungeklärt, während seine Äußerung von 1969 über die politische Haltung genug sagt. Wir werden auf das Buch und auf die Beziehung Eisler-Adorno noch zurückkommen. Das Film-Musik-Projekt war ein wichtiger Abschnitt in Eislers USA-Exil, es inspirierte zahlreiche bedeutende Kompositionen und begründete mit dem Buch Composing for the films eine ästhetische und soziologische Theorie der Filmmusik, die bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Außerdem trug das Projekt weiter dazu bei, Eislers Ruf als Komponist außergewöhnlicher Filmmusik in den USA zu festigen, was ihm in den folgenden Jahren zahlreiche, freilich künstlerisch unterschiedlich gewichtige Kompositionsaufträge in Hollywood und damit wiederum Sicherung des Lebensunterhaltes einbrachte. Doch wieder zurück in das Jahr 1941. Nach Beendigung des Frühjahrssemesters an der New School verbrachte Eisler auf Einladung von Dr. Joachim Schumacher dreieinhalb Sommermonate, vom 15. Juni bis 30. September 1941, in dem kleinen Ort Woodburry im USAStaat Connecticut, etwa vierhundert Kilometer von New York entfernt. Hier entstand das Woodburry-Liederbüchlein für dreistimmigen Kinder- oder Frauenchor. Die zwanzig Lieder sind nach amerikanischen Volksliedern, Mörike- und Goethetexten sowie eigenen Textvorlagen gestaltet, das Vokalwerk ist bisher in seiner Bedeutung wohl unterschätzt worden. Nach der Rückkehr aus Woodburry lebte 82

der Komponist von Oktober 1941 bis April 1942 wieder in New York. Alle erhaltenen Berichte schildern einen äußerst kontaktfreudigen, vitalen Eisler, der zu vielen fortschrittlichen amerikanischen Künstlern Verbindung hatte. Ludwig Renn beschreibt einen Abend bei Eisler in New York: „Stets blieb mir unklar, wie er es bei unserem sehr geringen Einkommen fertigbrachte, für jeden Besucher einen Kaffee zu haiben . . . Man geriet in eine freudigere Welt, sobald man in Eislers kleine Wohnung kam. Ich weiß nicht mehr, weshalb ich eines Tages mit zwei arbeitslosen Negern zu ihm ging. Als wir bei ihm eintraten, fanden wir da den Negerdichter Längstem Hughes, der von meinen Begleitern freudig begrüßt wurde . . . Eisler ging ans Klavier und spielte ein paar Takte, wobei er Langston Hughes etwas erklärte . . . Die beiden Arbeitslosen blicken . . . Eisler auf die Hände . . . Er meinte wohl, er müsse ihnen auch etwas bieten, wandte sich dem Klavier zu und begann einen Negro Spiritual zu singen, ein geistliches Lied von Moses, der sein Volk aus Ägypten führte . . . Als wir Eisler verließen, überfielen mich die beiden Neger mit Fragen über ihn. Sie konnten nicht begreifen, daß dieser äußerlich so ungeschickte Mensch einer der bedeutendsten Komponisten der Welt war." 168 Während seines gesamten Aufenthaltes in den USA versuchte Eisler mit großer Energie und Beharrlichkeit, aber auch mit ständigen Mißerfolgen, der Sprache des Exillandes mächtig zu werden. Als großer Freund von Diskussionen und Geselligkeit ließ er keine Gelegenheit aus, auf Gesellschaften, Parties und bei ähnlichen Gelegenheiten seine Sprachkenntnisse auszuprobieren. Ebenso suchte Eisler jede Gelegenheit, das amerikanische Leben ungeschminkt zu studieren und Kontakt zu den einfachen Leuten herzustellen. „Professor Eisler verbringt viel Zeit in den Tabakläden unweit seiner Wohnung in der 74. Straße, weil er hier Amerika sehen kann" 169 - diese Pressenotiz ist mehr als ein heiterer Mosaikstein, sie ist Ausdruck einer Haltung, die sich sehr von der vieler bürgerlicher Emigranten unterschied, die einen Rückzug in eine selbstgewählte Isolation und Resignation antraten. Im Gegensatz dazu versuchte Eisler voller Vitalität, im Leben des Exillandes Fuß zu fassen. Zitieren wir einige Stimmen für diese Haltung Eislers, z. T. bereits vorgreifend auf die kalifornische Zeit: Alan Bush - „Eisler war der klügste Mensch, den ich je traf, und dazu einer der geistvollsten. Aber Sprachen beherrschte er nur mangelhaft. Nachdem er schon ein Jahr in Amerika gelebt hatte, war sein Englisch immer noch miserabel . . . Ich erinnere mich an ein 6'

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gemeinsames Essen . . . Aus irgendeinem Grund saßen Eisler und ich an einem Tisch zusammen, während die übrige Gesellschaft, ausschließlich Frauen, an einem anderen Tisch saß. Nach langer Zeit bediente die Kellnerin zwar uns Männer, aber die Frauen mußten weiterhin warten. 'Da siehst Du es', sagte Eisler, 'Blonts prefär Gentlemens!' Die an sich schon treffliche Bemerkung wirkte durch das schauderhafte Englisch besonders komisch. Es machte Eisler nichts aus, wenn er die Grammatik ganz und gar ignorierte." 170 Salka Viertel - „Für die Filmkolonie waren die Brechts Fremde, ein merkwürdiges europäisches Ehepaar, das nicht Englisch sprach. Brecht verstand zwar alles und konnte sogar schwierigen Diskussionen folgen, doch lehnte er es ab, sich fehlerhaft in einer fremden Sprache auszudrücken - im Gegensatz zu Hanns Eisler, der sich nicht viel um Grammatik kümmerte und mit seinem komischen deutschen Akzent und seinem reichen, phantasievoll angewendeten Wortschatz die langweiligsten Parties belebte." 171 Fritz Kortner - „Brecht nahm an keiner der Parties der HollywoodFilmwelt teil, zum Unterschied von seinem sybaritischen Freund Hanns Eisler, der von Dinner zu Dinner . . . trollte." 172 Thomas Mann - „Ich kenne den Mann recht gut, er ist hoch gebildet, geistvoll, im Gespräch sehr amüsant, und oft habe ich mich mit ihm, namentlich über Wagner, glänzend unterhalten." 173 Ruth Berlau - „Auf dem Rückweg lachen wir über Eislers verblüffende Art zu reden. Wenn er ein Wort nicht schnell findet, spricht er das deutsche Wort in amerikanischer Facon aus - 'und zwar ohne Hemmungen' sagt Brecht imponiert."174 Nach dem Überfall der Japaner auf Pearl Harbour und dem damit verbundenen Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg verschärfte sich die Lage der Emigranten, die jetzt als „enemies alien" (feindliche Ausländer) registriert wurden, deren Schritte überwacht wurden und die sich in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlichen Repressalien ausgesetzt sahen. In Kalifornien z. B. herrschte für sie ab 25. März 1942 von 20 Uhr bis 6 Uhr Ausgangssperre, während der übrigen Zeit durften sie sich ohne besondere Erlaubnis nur zwischen Wohn- und Arbeitsort sowie in einem Umkreis von fünf Meilen bewegen. 175 Angesichts dieser Tatsachen wird erklärlich, daß Eislers Kontakte zu amerikanischen Personen oder Gruppen, die der Arbeiterbewegung angehörten oder nahestanden, in dieser Zeit nicht fortgeführt wurden, zumal er aus zahlreichen Verhören während seines Kampfes um das Visum wußte, daß seine Schritte 84

in den USA genau beobachtet wurden. Noch einmal sei deshalb an dieser Stelle vermerkt, daß es nicht haltbar ist, wenn in Publikationen der BRD etwa vorwurfsvoll resümiert wird, „in den . . . Jahren, die Eisler in den USA verbringt, gerät er in eine zunehmende Isolation von der Arbeiterbewegung"176, oder noch gehässiger gefolgert wird, „das ergibt eher das Bild eines geschickten Pragmatikers als das eines politisch engagierten Künstlers"177. Eisler hat auch nach 1940 nie seine konsequente antifaschistische Haltung aufgegeben, wie seine Kompositionen ausweisen. In den Jahren des Exils in New York zählten zu Eislers festem Freundeskreis vor allem einige bereits genannte progressive amerikanische Film- und Theaterleute, wie Joseph Losey, Clifford Odets und Harold Clurman. Auch zu verschiedenen Schauspielern des Group Theatre, wie Lee Strasberg und Victor Adler, bestand freundschaftlicher Kontakt. Neben der bereits geschilderten Begegnung mit Langston Hughes traf Eisler 1940 auch mit dem legendären Blues-Jazzmusiker W. C. Handy zusammen. Von den deutschen Emigranten, die in New York lebten, waren es vor allem Erwin Piscator und Alfred Kantorowicz, mit denen Eisler eng befreundet war. Es gab in New York nicht - wie später in Kalifornien - eine „deutsche Kolonie" progressiver Emigranten, die sich regelmäßig trafen ; dazu war wohl die Stadt und das Leben zu vielfältig, außerdem befanden sich, wieder im Gegensatz zu der Situation an der Westküste, die deutschen Emigranten nicht in einer Isolation zu den Amerikanern. Kalifornien/Westküste:

1942 bis 1948

Als nach Forgotten Village weitere Filmarbeit in Aussicht ist, entschließt sich der Komponist, von der Ostküste wegzuziehen und nach Kalifornien zu gehen. Am 15. April 1942 verläßt er New York und wohnt zunächst bis 1. September im Highland Hotel in Hollywood. Danach bezieht er bis 15. Februar 1943 eine Wohnung in Los Angeles, bis er danach ein Haus in Pacific Palisades mietet, einem der vielen kleinen Orte zwischen Los Angeles und Hollywood. Drei Gründe haben mit Sicherheit den Wechsel von der Ost- zur Westküste bestimmt: Die nach dem Abschluß des Film-Musik-Projekts erneut vor Eisler stehende Existenzfrage und damit verbunden die Nähe Hollywoods; eine in Aussicht stehende Professur an der University of California in Los Angeles und nicht zuletzt die Tatsache, daß seit dem 21. Juli Bertolt Brecht in Santa Monica, einem Ortsteil von Hollywood, lebte. Auch Brecht war durch einen Brief Alvin John85

sons an den USA-Konsul in Helsinki in den Besitz eines USA-Visums gekommen, Johnson hatte ihn als Professor für Literatur eingeladen.178 Brecht hat aber nicht an der New School gearbeitet, sondern blieb nach der Ankunft in den USA in Kalifornien. Der Kontakt Eislers mit Brecht war seit 1937 nicht abgebrochen, Brecht hatte Eisler öfters seine neuentstandenen Gedichte geschickt, und Eisler hatte z. B. 1939 aus den eben fertiggestellten Svendborger Gedichten einige Stücke vertont. Beide hatten jedoch immer wieder die intensive Zusammenarbeit vergangener Jahre, die unmittelbare produktive Arbeitsfreundschaft vermißt, und Brechts Eintragung in seinem Arbeitsjournal vom 21. April 1942, nach der Wiederbegegnung mit Eisler steht symptomatisch für diese Haltung: „ein wenig ist es, als würde ich, in irgendeiner menge stolpernd, mit unklarem köpf, plötzlich angerufen mit meinem alten namen, wenn ich eisler sehe."179 Die intensive Zusammenarbeit beider Künstler von 1942 bis 1947 bringt einige bedeutende Werke der deutschen Emigration hervor. Dabei ist der Anteil, den jeder am Schaffen des anderen hat, nicht exakt bestimmbar, fest steht aber, daß Brecht viele Vorschläge Eislers aufnahm wie auch umgekehrt Eisler von Brecht. „Eislers Anwesenheit ist ein Glück . . . Immer wieder, wo Brecht auch angelangt ist, hofft er auf Eislers Anwesenheit . . . Brecht liest selten etwas vor, er gibt es Eisler mit. Eisler geht in den Garten und liest es sofort. Er sagt, Brecht erwartet das von ihm, da darf er nicht faul sein. Dann kommt er wieder hinein in Brechts Arbeitszimmer: 'Großartig, hervorragend' - aber dann kommen Änderungen und Vorschläge. Brecht notiert sich das sofort auf ganz kleine Zettel, die er nie wiederfinden kann. Sie sind sich völlig einig: so einen Satz kann man nie wieder konstruieren, und der Zettel wird gesucht. Brecht hat ein schlechtes Gewissen. Eisler tröstet ihn und gibt eine neue Replik. Aber Brecht ist nicht befriedigt, 'der Zettel muß her!' Das ganze Haus sucht den Zettel. Dann fischt Brecht ihn aus einer seiner unglaublich vielen Taschen. Jetzt wird gearbeitet. Sie laufen umeinander herum, auf und ab. Was Brecht noch in der Schreibmaschine hat, liest er vor. Ich verstehe kein Wort, so lacht er dabei, und das mit der Zigarre im Mund. Eisler aber versteht alles. Sie geben sich nie die Hand, sagen nie Guten Tag oder Auf Wiedersehen, sondern fangen jedes Gespräch dort an, wo sie aufgehört haben."180 Die Zusammenarbeit Eislers und Brechts ist einer der seltenen Glücksfälle unseres Jahrhunderts und ein Quell äußerster künstlerischer Produktivität auf beiden Seiten. Eisler sagte dazu später: „[Er] gab mir so einen Um86

schlag mit ungefähr dreißig Gedichten und sagte: 'Schau doch mal nach, vielleicht ist etwas Brauchbares für Dich drin.' Es war also das als Kompositionsvorlage gedacht. Das waren diese gelben Schreibmaschinenzettel. Ich schaute da nach . . . und ging zu Brecht und sagte: 'Du, Brecht, das ist kolossal!' Sagte er: 'Wirklich? Hältst Du das für brauchbar?' Mehr hat er nie gesagt. 'Brauchbar', das war die Formulierung . . . Ich habe es sofort komponiert und spielte es ihm vor. Er war damit sehr einverstanden. Das war seine Haltung zu seinen Gedichten. Ist es was, ist es brauchbar. Er hat nicht gefragt 'ist es schön' - sondern 'hat es irgendeinen Sinn.'"181 In den knapp fünf Jahren der kalifornischen Zusammenarbeit entstand ein bedeutendes Liedwerk und entstanden die Stücke und Bühnenmusiken Die Gesichte der Simone Machard, Leben des Galilei und Schwejk im zweiten Weltkrieg, um nur die bedeutendsten gemeinsamen Werke zu nennen. Als erstes komponiert Eisler ab Mai 1942 Gedichte aus Brechts Steffinischer Sammlung, die dieser aus Dänemark, Schweden und Finnland mitgebracht hatte. Schon am 29. Juni 1942 notiert Brecht: „eisler hat die meisten der finnischen gedichte in einem HOLLYWOODER LIEDERBÜCHLEIN komponiert."182 Einen Monat später: „eisler sagt, er habe jetzt die ganzen finnischen gedichte auskomponiert . . . er erzählt, wie die gedichte bei längerer beschäftigung mit ihnen gewonnen hätten, für mich ist seine Vertonung, was für stücke eine aufführung ist: der test. er liest mit enormer genauigkeit."183 Als nächstes entstehen in gemeinsamer Arbeit die Hollywood-Elegien, ein Zyklus von acht Liedern für Gesang und Klavier, in denen nahezu vollendet die Situation in Hollywood, der nackte Warencharakter des Films und der Filmindustrie gegeißelt und in feiner musikalischer Ironie dem Urteil des Hörers ausgeliefert werden. Aus der Arbeitsphase an den Hollywood-Elegien sollen einige Belege zitiert werden: Brecht: „dieses land zerschlägt mir meinen tuiroman. hier kann man den verkauf der meinungen nicht enthüllen, er geht nackt herum."184 Eisler: „In diesem trübsinnigen ewigen Frühling in Hollywood sagte ich Brecht: 'Das ist der klassische Ort, wo man Elegien schreiben muß.' . . . Ich sagte: 'Wir müssen auch da irgend etwas schaffen. Man ist nicht ungestraft in Hollywood.' Und Brecht brachte mir dann - ich glaube . . . acht Hollywoodelegien . . . Ich habe die Gedichte sofort komponiert . . . Das war die entsetzliche Idylle dieser Landschaft . . . Man leidet ja auch ungeheuer in diesem ozeani87

sehen Klima an einer fehlenden Konzentration . . . Und das führte aber auch zu diesem ganz knappen und konzisen Stil als Gegengift." 185 Für die gesamte Zusammenarbeit Brechts und Eislers gilt, was der Komponist im Gespräch treffend formulierte: „Wir wohnten sehr nahe, und es gab doch keinen Tag, wo ich Brecht nicht mindestens einmal gesehen habe . . . Es wurde produziert! Wir waren nämlich sehr fleißig. Und wenn ich etwas loben kann an dieser Vergangenheit, das ist unser Fleiß. Und unser echter Glaube, daß, was wir für den Schreibtisch schreiben, das nie Aufführbare, ganz groß einmal aufgeführt wird . . . Wir glaubten nicht nur an uns, wir glaubten an die Sache. Wir hatten nichts für uns, außer die Einsicht in die Entwicklung der Zeit. Sie müssen zugeben, 1934 Werke anzufangen, die dann . . . vielleicht erst bei mir 1970 gespielt werden, dazu gehört schon ein langer Atem. Der lange Atem ist nicht Talent, Fleiß oder Genie - sondern ist der unerbittliche Glaube: wenn man etwas Richtiges zu sagen hat, kommt es dann auch an." Als weitere Produktivkraft der Emigration führt Eisler die Langeweile an: „Inspiration in der Emigration ist nicht nur unsere Einsicht in die Klassenverhältnisse, unser echter und - ich hoffe - anständiger Kampf gegen den Faschismus, für den Sozialismus, sondern [auch] die quälende . . . Langeweile eines Emigranten, der zwölf Stunden nur sich betrachten kann."186 Neben Brecht-Texten komponiert Eisler in den Jahren bis 1947 auch Texte von Hölderlin, Mörike, den Anakreontikern und anderen Autoren, was die Weite und Vielfalt des Eislerschen Liedschaffens im Exil - das bis heute nur ungenügend bekannt ist - dokumentiert. Auch auf politische Ereignisse reagieren Brecht und Eisler wie in früheren Jahren, so entsteht nach einer Offensive der Roten Armee 1942 das Lied In Sturmesnacht. Eine weitere Selbstäußerung zum Liedschaffen in den USA (das Gegenstand einer gesonderten Arbeit sein müßte) soll die Ausführungen dazu beschließen. 1943 komponierte Eisler verschiedene Hölderlin-Fragmente, unter anderem den Text Erinnerung. Dazu der Komponist: „Das war ungefähr um die Zeit von Stalingrad . . . also wo für uns Deutsche kein Mensch einen Groschen gab . . . Als ich Brecht das vorspielte . . ., war er entsetzt über meinen Nationalismus . . . Ich habe es komponiert. Wissen Sie warum? Das gehört zur Dialektik des Künstlers . . . Stellen Sie sich vor: Ich sitze als alter Kommunist, emigriert in Amerika; ich sehe die Panzerschlachten . . . und schreibe ein Gedicht zur Verherrlichung Deutschlands. Sie müssen zugeben: wenn es Dialektik gibt, ist das Dialektik . . . Mit einem Wort, wir haben ge88

schrieben für die Diktatur des Proletariats in der Form, die wir heute nennen: Deutsche Demokratische Republik. Aber können wir uns deswegen rühmen? Nein!" 187 Die Hölderlin-Lieder sind wie auch die Deutsche Sinfonie künstlerischer Ausdruck eines Ringens um das wahre Deutschland, das sich gleichermaßen etwa in Bechers Exillyrik oder bei Brecht vollzieht. „Deutschland, meine Trauer, du mein Fröhlichsein" - diese Verszeile Bechers drückt wohl auch die Gefühle Eislers in dieser Zeit aus. Ende 1942 erhält Eisler von der Hollywood-Firma Arnold Productions den Auftrag, die Musik zu dem Fritz-Lang-Film Hangmen also die zu schreiben. Der Film geht auf ein Script von Bertolt Brecht zurück, der jedoch am endgültigen Drehbuch nicht mehr beteiligt war 188 *, und beschreibt in einer am Ende stark auf HollywoodKlischees gebrachten Handlung Ereignisse um die Ermordung des Stellvertretenden Reichsprotektors von Böhmen und Mähren, Heydrich, durch tschechoslowakische Patrioten 1942 in Prag. Der Film ist Ausdruck eines Themenwandels in Hollywood nach Beginn des zweiten Weltkrieges und verstärkt nach dem USA-Kriegseintritt. Von 1940 bis etwa 1944 entstanden in Hollywood etwa einhundertzwanzig Spielfilme im Sinne des Antifaschismus und der Anti-HitlerKoalition, genannt seien hier stellvertretend die Filme Confessions of a Nazi-Spy (1940, Regie Anatol Litvak), Mission to Moscow (1942, Regie Michael Curtiz) und The Seventh Gross (1944, Regie Fred Zinnemann). Viele der Schöpfer dieser Filme wurden nach dem neuerlichen Erstarken des Antikommunismus und dem Abklingen dieser Produktionsthematik nach 1945 diffamiert und im Verhör der „Hollywood Ten" (Zehn von Hollywood) 1948 vor dem Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit verleumdet und danach verhaftet. Hangmen also die hatte 1943 Premiere, es ist der politisch akzentuierteste Film, den der emigrierte Regisseur Fritz Lang im Exil drehen konnte. Hanns Eislers Filmmusik darf ebenfalls zu den bedeutendsten seiner Exiljahre gezählt werden. In seinem Buch Composing for the ftlms hat er Teile der Musik beschrieben. Die Presse schrieb 1943: „Die Musik Hanns Eislers treibt und unterstreicht die bis zum Bersten mit Geschehen geladene Handlung dieses außerordentlichen Films auf das zwingendste!" 189 „Trotz der Tatsache, daß sie aus der Endfassung als 'zu brutal' entfernt wurde, ist eine Szene besonders erwähnenswert . . . Der Henker Heydrich ist gerade erschossen worden und liegt mit gebrochenem Rückgrat im Bett. Ein Nazikomponist würde heroische Musik geschrieben haben und selbst 89

der nicht mit ihm Sympathisierende könnte ein wenig Mitleid mit dem Sadisten empfinden. Aber für Eisler war das die Todesszene einer Ratte, kein Moment Mitleid; seine Musik ist genauso schrill und quiekend wie der letzte Schrei eines sterbenden Nagetieres."190 Eislers Partitur wird am 2. März 1944 von der Academie of Motion Pictures, Arts and Sciences, deren Mitglied Eisler 1943 wurde, mit dem „Academy Award", dem Oscar für die beste Filmpartitur des Jahres ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung siegte Eislers HangmenMusik gegen Partituren von Aaron Copland, Max Steiner, Dmitri Tjomkin und anderen. Die Erklärung der Fiknakademie, die im Programm der Verleihungszeremonie abgedruckt ist, zeigt ganz das damalige Bemühen, mit dem Mittel des Films die Kriegführung der USA zu unterstützen. So waren wohl sicher für die Preisverleihung an Eisler auch politische Motive, den Film Hangmen also die betreffend, maßgeblich. Damit soll die Qualität der Eislerschen Partitur keineswegs abgewertet werden. Zitieren wir die Preisverleiher: „Die gesamte Filmindustrie widmet all ihre Potenzen dem Kampf des Krieges. Jede Abteilung der Filmakademie hat im vergangenen Jahr wichtige Kriegsbeiträge geliefert; hat der Nation ihre Manneskraft und ihre speziellen Fähigkeiten offeriert. Die Akademie stellt heute stolz fest, daß alle Möglichkeiten der Filmindustrie genutzt worden sind, um in den Kampf für die Demokratie einzugreifen. Academy of Motion Pictures, Arts and Sciences."191 Auch Eislers nächste Filmarbeit, die Musik zu dem sozialkritischen Film None but the lotiely heart (Nichts als das einsame Herz, 1944, Regie Clifford Odets), wurde mit dem Oscar ausgezeichnet. „Eislers Musik ist warm, sprechend und beruhigend - ein Schlag auf den Rücken mit der gleichzeitigen Warnung, daß es auf dieser Welt keine Flucht aus der Wirklichkeit gibt, daß der, der eine bessere Welt will, sie dahingehend verändern muß, nicht nur davon träumen kann."192 „Eine erstaunliche Mischung von gut und schlecht, authentisch und unecht; der Film darf auf der positiven Seite die Experimente verbuchen, die Odets und Eisler mit der flexiblen Wechselwirkung von Musik, Geräuscheffekten und Worten gemacht haben."193 An der University of California (UCLA) in Los Angeles beginnt Eisler 1944 mit beachtlicher Resonanz seine Tätigkeit als Gastprofessor für Komposition. „Der Hörsaal bei Eislers Vorlesungen an der Universität ist voll."194 Bereits im Oktober 1943 sprach der Komponist auf einem Schriftstellerkongreß der UCLA über Zeitgenössische Musik und Film und trug Ergebnisse des Film-Musikprojektes vor. Der dreitägige 90

Kongreß, an dem Feuchtwanger und Thomas Mann teilnahmen, leistete seine Arbeit in verschiedenen Seminaren und Diskussionsgruppen. Eisler sprach in der Diskussionsgruppe Musik im Krieg, an der auch Darius Milhaud teilnahm.195 Im Herbst 1944 wiederholte Eisler diesen Vortrag in erweiterter Form und begleitete ihn mit Filmvorführungen. Wie groß die Resonanz war, zeigt ein erhaltener Pressebeleg: „Ein moderner Beitrag zur Filmmusik - Hanns Eisler rückt die Klischees beiseite. 1500 Zuschauer sahen auf einer Veranstaltung des Music Institute der UCLA Ausschnitte aus Filmen und applaudierten Hanns Eislers durchgängig dissonanter Musik zu dem Experimentaliilm 'White Flood' stark, die die Anwendbarkeit der Zwölftontechnik für die Film-Musik prüfen will . . . Es liefen zwei Sequenzen aus 'White Flood', 'Ein Schiff fährt in die Arktis' und 'Schneesturm' . . . Eisler als Person ist weniger konventionell als in seiner Musik. Ein bemerkenswertes soziales Bewußtsein bestimmt sein ganzes Schaffen, und dabei ist er selbst die Quintessenz von Humor, ein Mann, den Charles Laughton die Wiederverkörperung von Mr. Pickwick genannt hat."196 Die folgenden Filmarbeiten Eislers sind nicht von gleichem künstlerischen Anspruch, dies betrifft sowohl die Musik zu Spanish Main (1944, Regie Frank Borzage), zu ]ealousy (1945, Regie Gustav Machaty) als auch zu A Scandal in Paris (1946, Regie Douglas Sirk). Die Musik zu dem letztgenannten Film kann Eisler infolge eines Weihnachten 1945 erlittenen Autounfalls, der ihn mehrere Wochen ans Krankenhausbett fesselt, nicht vollenden, dies übernimmt dann L. Burnes. Eisler selbst schreibt in mehreren Briefen von „Brotarbeit": „Jetzt habe ich gerade einen idiotischen Schinken fertiggemacht, er heißt Spanish Main. Das ist reiner Unsinn, Schwachsinn etc. Ich mußte es des Geldes wegen machen."197* Erst die letzten drei Spielfilmmusiken, die in den USA entstanden, haben wieder mehr Bedeutung, entsprechend den gewichtigeren Vorlagen: Deadline at Dawn (1946, Regie Harold Clurman), The Woman on the Beach (1947, Regie Jean Renoir) und So well Remembered (1947, Regie Edward Dmytryk). Alle genannten Filme entstanden bei den beiden Firmen Arnold Productions und RKO. Wir sehen, daß Eislers Filmarbeit in den USA mehr als eine Nebenarbeit war. Immerhin hat er neben dem Experimentalprogramm des Film-Musik-Projekts zwei Dokumentarfilme, einen Kurzfilm und neun Spielfilme komponiert. An der UCLA fanden auch Konzerte von Eislers Schülern statt, so traten 1946 in der Brown Hall der Universität in einem 91

„Program of Compositions by members of the classes of Hanns Eisler" u. a. Marjorie Lewis, Clarence Francois, Mott Doran und Raymor Brown auf. 198 In Kalifornien hatte Eisler ständigen Kontakt mit zahlreichen deutschen Emigranten, die an der Westküste wohnten. Zum festen Freundeskreis zählten neben Brecht und dessen Frau Helene Weigel Lion Feuchtwanger, Fritz Kortner, Peter Lorre, Berthold Viertel, Oskar Homolka, Thomas Mann und andere. Auch mit den emigrierten Vertretern des ehemaligen Frankfurter Instituts für Sozialforschung, vor allem mit Theodor W . Adorno und Max Horkheimer, hatte Eisler in dieser Zeit Kontakte und Begegnungen, ebenso wie mit dem Physiker Hermann Reichenbach. Brechts Arbeitsjournal verzeichnet eine Anzahl derartiger Begegnungen. Eislers Verhältnis zu Arnold Schönberg ist in diesen kalifornischen Jahren eng und frei von den Spannungen vergangener Jahre. Schönberg, der an der U C L A eine Professur hat und nicht weit von Eisler und Brecht entfernt wohnt, hat häufig private Begegnungen mit Eisler, sowohl in dessen Haus als auch umgekehrt in seinem Domizil. Oft ist Brecht bei diesen Treffen anwesend. Bevorzugter Gegenstand der Gespräche sind Schönbergs Klagen darüber, d a ß niemand in den USA seine Musik aufführt, und daraus hervorgehend Gespräche über die Situation der modernen Musik. Eisler übernimmt mehrere Male Vorlesungen Schönbergs, als dessen Gesundheitszustand schlecht ist. Mehrfach besucht er auch mit Brecht Vorlesungen Schönbergs an der U C L A . Louise Eisler berichtet, daß die Abende mit Brecht und Schönberg zu den anregendsten der kalifornischen Exilzeit zählten. In jene Zeit fällt auch die erneute Begegnung mit Th. W . Adorno, der bei Eislers Ankunft bereits in Malibu wohnte. Schönberg, so berichtet Louise Eisler weiter, haßte Adorno wegen seiner anbiedernden Haltung und bezeichnete ihn stets als „Sklave von Horkheimer". Eislers Verhältnis zu Adorno war ein gespaltenes. Während er die Arbeit des emigrierten Frankfurter Instituts mit Horkheimer, Adorno und Pollock ebenso wie Brecht scharf angriff und die Ergebnisse dieser Forschung ironisierte, da ihnen der gesellschaftliche Kausalzusammenhang fehlte, hatte er zu Th. Adorno ein gutes persönliches Verhältnis, beide trafen sich oft, Eisler besprach seine gerade entstehenden Kompositionen mit Adorno und schätzte ihn als geistreichen Gesprächspartner. Im Gegensatz zur amerikanischen Ostküste, wo die Emigranten fest in das Leben des Gastlandes integriert waren, blieb die deutsche Kolonie an der exklusiveren Westküste meist unter sich, die dort 92

ansässigen amerikanischen Intellektuellen und Geschäftsleute isolierten sich bewußt von den Emigranten. „An diesem Sonntag hatte ich zahlreiche Emigranten eingeladen . . ., doch sie wurden von meinen amerikanischen Gästen kaum beachtet."199 „Thomas Mann war an einem Ende des Raumes von einem Schwärm von Emigranten umgeben, Sinclair Lewis am anderen Ende von einem Haufen Amerikaner; die beiden Gruppen mischten sich nicht und der Gastgeber brachte den Abend damit zu, zwischen ihnen hin und herzueilen und zu versuchen, die Kluft zu überbrücken."200 Eine Ausnahme bildete Charles Chaplin, der mit Eisler gut befreundet war. Eisler hatte ihn schon im Herbst 1942 auf einer Abendgesellschaft bei Theodore Dreiser kennengelernt und beide trafen sich häufig. Eisler hatte Anteil an Chaplins Musik zu dessen Film Monsieur Verdoux (1944 bis 1947), wie er später berichtete: „. . . ich hab ihm bei 'Verdoux' geholfen; es war quälend, denn er komponierte ja alles selber . . . Wenn ich bei ihm war, so hat er irgendeinen fabelhaften Einfall gehabt, und den mußte ich ihm erst einmal aufschreiben. Und einiges habe ich ihm instrumentiert, und zwar einen Cancan für Verdoux. Das war aber eine Freundschaftsache . . . Aber dann . . . haben wir einen echten Vertrag gemacht, ich soll zu dem stummen Film Zirkus eine Musik komponieren. Ich fing auch an, Skizzen zu machen. Dann wurde ich aber . . . vor dieses 'Unamerican Committee' geschleift . . . Die Skizzen habe ich dann zu einer Kammermusik verarbeitet, zum Septett Nr. 2."201 Zweifelsohne ist die lexikalische Bemerkung „1942-1947 Musikalischer Assistent bei Charlie Chaplin" bei Fleming/Bailyn202 dennoch zu hoch gegriffen, was die Zusammenarbeit der Künstler betrifft. Als die Kampagne gegen den Komponisten einsetzte, engagierte sich Chaplin in der Öffentlichkeit mehrfach für seinen Freund. 1945 und 1947 wurden zwei Bühnenmusiken Eislers zu Stücken von Bertolt Brecht aufgeführt, im Juni 1945 unter Regie von Berthold Viertel The Private Life of Master Race (der amerikanische Titel der Szenenfolge Furcht und Elend des dritten Reiches) in New York, und 1947 unter der Regie von Joseph Losey Leben des Galilei mit Charles Laugthon in der Hauptrolle, zuerst im Juli 1947 in Beverly Hills, einem Vorort von Los Angeles, und dann im Dezember 1947 in New York. Darüber hinaus arbeitete Eisler in diesen Jahren an Bühnenmusiken zu Brechts Schwejk im zweiten Weltkrieg und Der kaukasische Kreidekreis, die erst viel später uraufgeführt wurden (das letztgenannte Stück mit Musik von Paul Dessau, der ab Juli 1944, als er Brechts Mitarbeiterin Elisabeth 93

Hauptmann heiratete, häufig in Santa Monica mit Brecht und Eisler zusammentraf und zusammenarbeitete).

Die Kampagne gegen die Brüder Eisler und das Verhör 1947 Die innenpolitische Situation in den USA hatte sich mittlerweile gewandelt. Die nach dem Kriegseintritt der USA für eine Zeit verstummten Antikommunisten gewannen mehr und mehr von ihren Positionen zurück, ab 1946 war das Einschwenken der ultrarechten Kräfte um den Präsidenten Truman im vollen Gange, zügelloser Antikommunismus breitete sich wieder über das Land aus. Zielscheibe war bevorzugt immer wieder Hollywood, wo bereits 1944 eine „Vereinigung zum Schutz der amerikanischen Ideale" gegründet worden war und das naturgemäß im Zentrum der Aufmerksamkeit vieler Bürger stand. Ende 1946 wurde das „Committee on un-American Activities" reaktiviert, das 1938 im Zuge der Kommunistenverfolgungen gegründet worden war und etwa ein Jahr lang gearbeitet hatte. Dieser Ausschuß unter Vorsitz von J. Parnell Thomas (ab 1948 unter dem berüchtigten Senator McCarthy) führte Untersuchungen und Verhöre gegen zahlreiche fortschrittliche Amerikaner und Emigranten und wurde zum traurigen Symbol für die Ära des Antikommunismus. Die inszenierte Affäre gegen die Brüder Eisler sowie die Verhandlung gegen die Hollywood-Ten zählten zu den spektakulärsten und unrühmlichsten Höhepunkten der Arbeit des Ausschusses. Dieses Dokument der Ära des Kalten Krieges ist auch heute noch von großer Aktualität. Ganz zu schweigen von der Bedeutung im Leben Hanns Eislers, soll die Affäre hier ausführlich dokumentiert werden. Die Kampagne gegen Hanns Eisler begann schon 1946 in Zusammenhang mit einer inszenierten Affäre gegen seinen Bruder Gerhart Eisler (1897-1968). Dieser war bis Ende der zwanziger Jahre leitender Funktionär der KPD, während der dreißiger Jahre arbeitete er für die Kommunistische Internationale. Nach der Verhaftung in Frankreich und der Einlieferung in das Konzentrationslager Vernet gelang es ihm, im Frühjahr 1941 nach New York zu fahren. Sein Plan, nach Mexiko weiterzureisen, wurde von den USABehörden vereitelt. Gerhart Eisler wurde verhaftet, wieder freigelassen und durfte die USA nicht mehr verlassen, so daß er seit 1941 als Emigrant in New York lebte. Er schrieb dort Beiträge für verschiedene Presseorgane. Die Brüder Hanns und Gerhart standen in 94

den Jahren des USA-Exils in ständigem Kontakt. Nach Gerharts Ankunft in New York sahen sie sich häufig, als dann Hanns 1942 nach der Westküste ging, bestand ein ständiger Briefkontakt zwischen beiden. 1947 besuchte Gerhart seinen Bruder in Kalifornien, als bereits die Kampagne gegen beide auf Hochtouren lief. Die Feststellung von Hanns Eisler, daß er sich stets zu seinem Bruder bekannt habe und auf ihn stolz war, wird aus den vorliegenden Dokumenten und Erinnerungen klar belegt. 1946, wenige Tage vor seiner geplanten Abreise nach Deutschland, wurde Gerhart Eisler auf Grund einer Denunziation des Renegaten und gekauften Spitzels Louis Budenz (ein ehemaliger leitender Redakteur beim Daily W orker) als „Agent Moskaus", als „Cäsar unter den Roten Legionen in Amerika" 203 bezeichnet und an der Ausreise gehindert. Ein inszenierter Pressefeldzug gegen ihn und seinen Bruder Hanns begann und im Februar 1947 stand Gerhart Eisler vor dem Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit, im Juni 1947 vor Gericht. Auch Ruth Fischer (1895-1961), die Schwester von Gerhart und Hanns Eisler, leistete mit mehreren Denunziationen einen unrühmlichen Beitrag für die Kampagne. Ruth Fischer, ultralinke KPD-Renegatin, 1926 aus der Partei ausgeschlossen, betrieb in den USA ein aus undurchsichtigen Quellen finanziertes Blatt The Network, ein „Information Bulletin of European Stalinism", in dem sie unter anderem Thomas Mann, Elisabeth Bergner, Professor Tillich, Fritz Kortner und andere Emigranten als „Agenten und Spione Stalins" bezeichnete. Im November 1947 veröffentlichte sie in dem berüchtigten Hearst-Blatt Journal America sechs Artikel mit dem Titel Der amerikanische Agent der Komintern. So wurde Ruth Fischer neben Budenz zur Hauptbelastungszeugin gegen Gerhart Eisler, der mehrmals verhaftet, wieder freigelassen wurde und erst 1949 auf dem polnischen Schiff „Batory" fliehen konnte.204 In unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Kampagne begann etwa ab November 1946 auch die Verleumdung von Hanns Eisler in der amerikanischen Presse: „Wir sprachen gestern mit einem Komponisten über Eisler und dessen Fähigkeiten und erhielten zur Antwort: 'Er hat nicht viel von einem Komponisten, aber wegen seiner Anschauungen scheint er Jobs zu bekommen, wo andere von uns, mit mehr Fähigkeiten, keine Anstellungen finden. Sie wissen, er schrieb eine Menge kommunistischer Kompositionen und vielleicht verschafft ihm das besseren Eintritt in einige Studios als denen von uns, die es ablehnen würden, so etwas zu komponieren." (The Hollywood Reporter v. 29.10. 1946) In Vorbereitung des Verhörs 95

schrieb das Ausschußmitglied Richard Nixon: „Der Fall Eisler ist vielleicht der wichtigste, der je vor den Ausschuß gekommen ist."205 Am 11. Mai 1947 fand Eislers erstes Verhör durch den Ausschuß statt; der Vorsitzende Thomas, der Haupt-Befrager Stripling und das Ausschußmitglied McDowell waren extra nach Kalifornien gereist, um im Biltmore Hotel von Los Angeles die Befragung durchzuführen. Kurz zuvor berichtete eine Zeitung über Eislers Haltung vor dem Verhör: „Eisler, der in den Fünfzigern zu sein scheint, ist beleibt, kahlköpfig und sehr gelassen. 'Meine Arbeit beim Film ist mein Lebensunterhalt', sagt der Komponist. 'Meine ernste Musik bringt sehr wenig ein. In diesem Land ist sie kaum aufgeführt worden'."206 Die Presse stürzte sich auf das Verhör, wie Belege zeigen: „Eisler bei der roten Probe ausweichend - Vorsitzender verspricht Enthüllungen. Vorsitzender J. Parnell Thomas vom Komitee des Repräsentantenhauses, der in Hollywood unamerikanisches Verhalten überprüft, versprach eine Enthüllung im Zusammenhang mit Hanns Eisler. 'Wir haben Eisler jetzt entlassen und ihn aufgefordert, zu einem öffentlichen Verhör am 16. Juni in Washington zu erscheinen, und ich hoffe, daß sein Gedächtnis dann besser sein wird als heute . . . Eisler versuchte allem auszuweichen . . . Er machte ein Geständnis sein erstes - daß er an einer kommunistischen Versammlung teilgenommen hat.' Eislers Antworten gegenüber dem Ausschuß waren doppelsinnig, sagte Thomas und erklärte es: 'Ein Beispiel für Eislers Ausweichtaktik war, als wir ihn fragten, ob er an das System der amerikanischen Regierung glaube. Eisler antwortete, er habe daran unter Roosevelt geglaubt und auch kurze Zeit unter Truman, aber er sei im unklaren, ob er weiter unter Truman daran werde glauben können.' Zur Presse sagte Eisler: 'Macht gute Bilder. Ich bin sehr eitel.' Vor dem Biltmore Hotel . . . demonstrierten Studenten mit Tafeln . . . Der Ausschuß ignorierte [sie], packte seine Koffer und fuhr nach San Francisco zum nächsten Auftritt."207 Einem Blatt gegenüber äußerte der Ausschußvorsitzende den Zweck von Eislers Einvernahme: „. . . um gewisse Teile des Falles Eisler zu vervollständigen, an dem der Ausschuß seit vier Monaten arbeitet; und eine intensive Untersuchung möglicher kommunistischer Aktivitäten in der Filmindustrie."208 Nach Eislers Verhör äußerte Mr. Thomas: „In den acht Jahren, die ich in Untersuchungsausschüssen arbeite, habe ich noch nie einen Zeugen gesehen, der so ausweichend war wie Mr. Eisler."209 Auch zwei kommunistische Presseorgane greifen das Verhör auf. In The Worker schreibt David Platt: „Der 96

Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit hat seine Hexenjagd gegen 'Kommunisten in der Filmindustrie' begonnen. Unter denen, die für die 'Untersuchung' vorgemerkt sind, befindet sich der bekannte deutsche Emigrant und Komponist Hanns Eisler, der jetzt in Hollywood arbeitet. E r sagt: 'Ich denke, die Kampagne gegen Gerhart und mich ist der Beginn einer Kampagne gegen die liberalen und progressiven Kräfte in diesem Land.' Allerdings gibt es Dinge in Hollywood, die einer Untersuchung dringend bedürfen, zum Beispiel die Entlassung Tausender Filmarbeiter, die antiquierten Produktionsgesetze, der faschistische Film-Trend . . . Aber der Ausschuß ist nur daran interessiert, jene zu untersuchen, die daran glauben, daß die mächtige W a f f e Filmkunst zur Einigung benutzt werden könnte." 2 1 0 D e r kommunistische Schriftsteller und Drehbuchautor Alvah Bessie veröffentlicht im Magazin New Masses ein Interview mit Eisler: „Treffen mit Hanns-Eisler - 'Ich werde mit dem größten Vergnügen aussagen', sagt Eisler stolz. Ein Interview mit dem Komponisten von Alvah Bessie - Ich fürchte, daß im Falle eines Eisler-Verhörs kaum Schlagzeilen für die Hearst-Presse herauskämen. Ich würde folgende vorschlagen: Komponist schreibt Musik! Österreichischer Komponist bekennt, dass er stets Hitler hasste! M o d e r n e r K o m p o n i s t g i b t z u , s e i n e n e i g e n e n B r u d e r z u l i e b e n ! Eisler geht in seinem Raum auf und ab und unterstreicht, was er zu sagen hat, mit Bewegungen einer Zigarettenspitze (Das brennende Ende der Zigarette war r o t ! ) 'Ich bin kein Politiker', sagt er, 'ich bin K o m p o n i s t . . . Natürlich bin ich nicht uninteressiert daran, was in der Welt vorgeht und deshalb habe ich Meinungen darüber. Ich hoffe, das wird erlaubt sein. Ich fürchte mich nicht. Ich werde gern, nein besser - mit dem größten Vergnügen aussagen. Um dem Ausschuß meine Meinungen mitzuteilen. D a s sind Ansichten eines Künstlers' . . . 'Und wie denken Sie über die Rückreise? Würden Sie gern nach Europa zurückgehen?' 'Sehr gern', sagt e r . " 2 1 1 Das öffentliche Hauptverhör gegen Hanns Eisler fand vom 24. bis 26. September 1947 in Washington statt, vorher und nachher lief die Pressekampagne auf Hochtouren. Auch die großen bürgerlichen Massenblätter beteiligten sich daran. Sarkastisch kommentierte das Magazin Newsweek: „Mit einer Starbesetzung, darunter Charlie Chaplin, Jack Warner, Sumner Welles und Eleanor Roosevelt, öffnet am 24. September ein neuer Zirkus in Washington. D i e Produzenten: 7

Hanns Eisler

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Der Ausschuß 2ur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit. Der Titel: Kommunismus in Hollywood." 212 D i e Sitzung des Ausschusses wurde von J. Parnell Thomas geleitet, von den Ausschußmitgliedern waren (in Form eines Unterausschusses) anwesend John McDowell, John S. Wood, John E. Rankin; Chefermittlungs-Beamter Robert E. Stripling und weitere zwei Ermittlungsbeamte. Der spätere USAPräsident Richard Nixon, Mitglied des Ausschusses, fehlte bei Eislers Verhör. Eisler selbst erschien in Begleitung der Rechtsanwälte Greenberg und Forer. Das vollständige Protokoll des Verhörs von Hanns Eisler wird im Anhang zu diesem Band erstmals veröffentlicht, bisher liegen nur Teilabdrucke in deutscher Sprache vor. 213 Eisler sollte im Verlauf des Verhörs nachgewiesen werden, daß er Mitglied der Kommunistischen Partei war bzw. mit kommunistischen Organisationen der UdSSR und der USA zusammengearbeitet hatte. Außerdem wollte man den Komponisten des Paßvergehens überführen. Im Verlauf des Verhörs, das von Eislers Seite mit dialektischer Taktik, „Leninscher List" und großem Mut geführt wurde, bezeichnete Stripling den Komponisten an einer Stelle als „Karl Marx auf dem Gebiet der Musik" 214 . Außerdem verfolgte das Verhör das Ziel, im Zuge der reaktionären Politik der Truman-Regierung ehemalige leitende Beamte aus der Roosevelt-Ära zu diskriminieren und damit die gesamte Politik des Rooseveltschen „New Deal" in Frage zu stellen. D a der gesamte Text im Anhang nachzulesen ist, sparen wir uns hier die Wiedergabe charakteristischer Sequenzen. Obwohl keine der Anschuldigungen bewiesen werden konnte, übergab der Ausschuß den Fall an das Justizministerium, das ein Deportationsverfahren einleitete. Eislers freiwillige Rückreise aus den USA wurde verweigert. Auch nach dem Verhör sorgte die Presse wieder für Schlagzeilen. Dafür einige Belege: „Hanns Eisler als Karl Marx der roten Musik bezeichnet - Hanns Eisler, ein ziemlich obskurer Filmkomponist, wurde heute verhört." {Daily News Los Angeles v. 24. 9.1947) „Vergangene Woche schlug Hanns Eislers Stunde im Rampenlicht - Vor den Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit geladen . . . erschien der kahlköpfige Eisler, 49, zuerst so, wie er aussehen wollte - als ernster Komponist, der in eine politische Jam Session getapst ist. Aber nach drei Tagen Verhör wurde ein anderer Eisler sichtbar . . . Der Ausschuß entschied, dem Justizministerium vorzuschlagen, Eisler wegen Meineids und Paßvergehens anzuklagen und zu deportieren." ( N e w s w e e k v. 6 . 1 0 . 1 9 4 7 ) „Justizministerium soll Eisler verurteilen" (Los Angeles Herald. Express 98

v. 27. 9.1947) Ende Oktober 1947 fanden die Verhöre gegen die Hollywood Ten statt, die alle verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. 215 * Auch Brecht stand am 30. Oktober 1947 vor dem Ausschuß, wurde jedoch danach nicht behelligt und konnte die USA am darauffolgenden Tag verlassen. 216 * Was der Drehbuchautor Dalton Trumbo nach dem Verhör äußerte, trifft unverändert auf das Verfahren gegen Eisler zu: „Für diejenigen, die sich an die deutsche Geschichte im Herbst 1932 erinnern, ist hier im Raum der Geruch von Rauch spürbar."217 Thomas Mann äußerte über die Verhöre: „Als amerikanischer Bürger deutscher Herkunft bezeuge ich, daß ich mit gewissen politischen Entwicklungen schmerzlich vertraut bin. Geistige Intoleranz, politische Inquisition und abnehmende Gesetzessicherheit, dies alles im Namen eines angeblichen 'Gefahrenzustandes' . . ., so begann es in Deutschland. Was folgte, war Faschismus und was dem Faschismus folgte, war Krieg." 218 Hanns Eisler hatte für das Verhör eine Erklärung verfaßt, die er jedoch nicht verlesen durfte. Sie erschien wenige Wochen später im kommunistischen Magazin New Masses und zeigt Eislers standhaftes, mutiges und kluges Verhalten im Angesicht des Klassengegners: „Dieses Verhör ist in gleicher Weise boshaft und lächerlich. Der Ausschuß interessiert sich ja gar nicht für irgendeinen Beweis, den ich antreten könnte . . . Im Gegenteil, dieser Ausschuß hat mich ausschließlich aus dem Grund vorgeladen, um seine Verleumdungen gegen mich in der Presse fortzusetzen, denn er hofft, dadurch die Künstler im ganzen Land einzuschüchtern und nach den politischen Leitlinien dieses Ausschusses ausrichten zu können . . . Warum werde ich also dieser widerlichen Belästigung ausgesetzt? . . . Die Antworten auf all diese Fragen sind sehr einfach. Ich bin angeklagt, weil ich der Bruder Gerhart Eislers bin, den ich liebe und bewundere und den ich verteidige und weiter verteidigen werde . . . Es ist schrecklich, daran zu denken, was aus der amerikanischen Kunst werden wird, wenn dieser Ausschuß darüber zu richten hat, welche Kunst amerikanisch und welche unamerikanisch ist. Derartiges haben schon Hitler und Mussolini versucht. Sie hatten keinen Erfolg, und auch der Ausschuß für unamerikanische Tätigkeit wird ihn nicht haben." 219 Bezeichnenderweise wurde der Vorsitzende Thomas fünf Monate nach dem Verhör wegen Fälschung von Lohnlisten verhaftet. 220 Mit welchen Mitteln die Kampagne gegen Eisler vorbereitet und geführt wurde, zeigen u. a. Louise Eislers Erinnerungen. So hatte das F B I eine Hausangestellte bei Eislers eingeschmuggelt, die in der Zeit vor dem Verhör Briefe und Dokumente stahl. 7«

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Während des Verhörs wurden in Eislers Haus in Malibu die Fensterscheiben eingeworfen und der Rundfunk verbreitete Lügenmeldungen über Eislers Leben in Hollywood. Gegen das eingeleitete Ausweisungsverfahren wurde eine internationale Protest- und Solidaritätsaktion zahlreicher progressiver Persönlichkeiten und Künstler organisiert. Bereits am 6. Oktober 1947 hatte die Gattin von Ernest Hemingway, Martha Gelhorn, eine Flugschrift Crying shame veröffentlicht. Ende Oktober 1947 wurde ein „National Committee for Justice for Hanns Eisler" (Nationalkomitee für Gerechtigkeit gegenüber Hanns Eisler) gegründet. Vorsitzender war Aaron Copland, sein Stellvertreter Leonard Bernstein. Es bestand ein „East Coast Committee" (Komitee der Ostküste) und ein „West Coaist Committe" (Komitee der Westküste), denen vor allem Frauen von Künstlern angehörten, u. a. Salka Viertel, Bette Odets und Charlotte Dieterle. „Das Komitee wird dafür arbeiten, den Fall von Hanns Eisler, einem international anerkannten Komponisten, der Öffentlichkeit bekanntzumachen und Geldmittel für seine Verteidigung aufzubringen." 221 Das Komitee organisierte Meetings, Konzerte und Solidaritätsaktionen. Charles Chaplin hatte inzwischen eine weitere Aktion für Eisler eingeleitet und in Telegrammen an Jean Cocteau, Louis Aragon, Pablo Picasso und Henri Matisse darum gebeten, Eisler in Frankreich aufzunehmen und ihm Arbeit nachzuweisen für das Visum. Daraufhin formierte sich ein französisches Komitee 222 und telegrafierte an Chaplin: „Bitte verschaffen Sie Eisler Visum nach Frankreich, wo wir ihn erwarten, um die Musik zu dem Film Alice im "Wunderland, zu schreiben."223 In Los Angeles fand am 14. Dezember 1947 ein Solidaritätskonzert für Hanns Eisler statt, zu dessen Förderern u. a. Igor Strawinsky und Ernst Toch zählten. Am 15. Dezember 1947 wurde dem Generalstaatsanwalt Clark eine Petition gegen das Ausweisungsverfahren überreicht, die u. a. die Unterschriften von Thomas Mann und Albert Einstein trug. Auf Grund dieser massiven Protestbewegung im In- und Ausland wurde endlich im Frühjahr 1948 nach einem erneuten Verhör vor der Einwanderungsbehörde am 6. Februar eine „freiwillige" Ausweisung Eislers verfügt, eine Erlaubnis, so schnell als möglich in jedes Land außer Mexiko und Kanada auszureisen, das bereit war, ein Visum zu erteilen, und nie wieder die USA zu betreten. Am 28. Februar 1*948 fand in der Town Hall New York ein Abschiedskonzert des HannsEisler-Komitees statt. Als Initiatoren zeichneten auf dem Programmzettel Leonard Bernstein, Aaron Copland, David Diamond, Roy Har100

ris, Walter Piston, Roger Sessions und Randall Thompson. In Anwesenheit des Komponisten sprach Leonard Bernstein, und danach erklangen das Septett Nr. 1, sechs Lieder, die Sonate für Violine und Klavier, die 7 Klavierstücke für Kinder und das Septett Nr. 2 sowie Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben, wozu Joris Ivens' Film Regen gezeigt wurde. Die Alien Cantata, die Eisler für dieses Konzert schreiben wollte, war nicht fertig geworden. Am 26. März 1948 verließ Hanns Eisler nach zehnjährigem Exil die USA in Richtung London-Prag. Sein Bruder Gerhart verabschiedete ihn auf dem Flugplatz. „Nachdem das Flugzeug gestartet war, wurde den Reportern eine von Eisler unterzeichnete Erklärung übergeben . . . Darin sagt Mr. Eisler, er hoffe, daß das amerikanische Volk die Rankins, Thomas' und McDowells auf den Misthaufen der Geschichte schicken wird."224 Die Gefühle aller fortschrittlichen Amerikaner hatte die Journalistin Mildred Norton zum Ausdruck gebracht, als sie schrieb: „Beste Wünsche für Hanns Eisler; möge er seine Wahlheimat nach dem Verhalten dieser Männer (des EislerKomitees - J. S.) beurteilen und nicht nach jenen, die Haß und Intoleranz im Namen von 'Amerikanismus' versprühen."225 Die Erklärung Eislers kurz vor der Abreise ist im englischen Typoskript erhalten, sie wird hier erstmals deutsch wiedergegeben: „Ich verlasse dieses Land nicht ohne Bitternis und Zorn. Ich konnte es gut verstehen, als 1933 die Hitlerbanditen einen Preis auf meinen Kopf aussetzten und mich vertrieben. Sie waren das Übel der Epoche; ich war stolz darauf, vertrieben worden zu sein. Aber ich fühlte mich betroffen davon, auf diese lächerliche Weise aus diesem wunderbaren Land vertrieben zu werden. Wessen bin ich angeklagt? Der Beteiligung am Kampf des amerikanischen Volkes in den ernsten Angelegenheiten? Unglücklicherweise nicht. Ich habe nicht gegen Reaktion und Faschismus in diesem Land gekämpft. Ich habe nicht gegen jene gekämpft, die die Welt in einen neuen Krieg verwickeln wollen. Ich habe nicht gegen die Schamlosigkeit und Korruption sowie den Kommerzialismus einer gewissen Presse gekämpft, die einen Papiervorhang ausbreitet, der die amerikanischen Menschen von den politischen und ökonomischen Realitäten abtrennt. Ich habe nicht für das Recht der Veteranen auf angemessenes Wohnen gekämpft. Ich habe nicht gegen die Unverschämtheit von Profiteuren gekämpft, die das Leben der einfachen Menschen unerträglich machen. Ich habe nicht für die klassische Tradition dieses großen Landes gekämpft, Anstand und Freiheit für den kleinen Mann aufrechtzuerhalten. Ich habe nicht 101

gegen die Schamlosigkeit des Taft-Hardley-Gesetzes gekämpft. Ich habe nicht gegen die Monopolisierung in den Künsten gekämpft, in der Musik, im Film, in der Literatur, im Radio. Ich habe nicht gegen korrupte politische Mechanismen gekämpft. Ich habe nicht gegen die Rassendiskriminierung gekämpft, die meine farbigen Brüder unterdrückt. Ich habe nicht gegen den Anti-Semitismus gekämpft. Nein, ich bin nicht angeklagt, ein Kämpfer zu sein. Mein Ärger begann, als ich als Zeuge vor den Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit geladen wurde. Ich hörte die Reden und die Fragen dieser Leute und ich sah ihre Gesichter. Als einem alten Antifaschisten wurde mir klar, daß diese Männer den Faschismus in seiner direktesten Form verkörpern. D a ß sie die Ignoranz und Barbarei verkörpern, die zu einem neuen Krieg führen können. Ich war gegen sie. E s gibt eine Grenze für die Geduld des Künstlers. Ich sah diese üblen Leute die Angelegenheiten dieses großen Landes übernehmen in einer Zeit, die in der Tat kompliziert und gefährlich für uns alle ist. Und ich mußte gegen diese Männer aufstehen, unabhängig von den Folgen. Als Komponist weiß ich, daß Musik von Menschen für Menschen geschrieben wird und eine Fortsetzung des Lebens ist, nicht irgend etwas von ihm Abgesondertes. Und ich hatte die Musik zu verteidigen. Beim Verlassen dieses Landes nehme ich das Bild der wahren amerikanischen Menschen mit. Ich bin jetzt zum Verlassen gezwungen. Aber das Bild der wahren amerikanischen Menschen, das ich liebe, nehme ich mit mir." 2 2 6 Zehn Jahre USA-Exil lagen hinter Hanns Eisler, Jahre fruchtbaren kompositorischen Schaffens in allen musikalischen Genres; Jahre, in denen der Antifaschist Eisler fern von Deutschland seinen Beitrag geleistet hatte im Kampf gegen den Faschismus; Jahre, in denen Persönlichkeit und Oeuvre gereift waren zu jenen Positionen, die sein weiteres Schaffen ab 1949 in der D D R vorbereiteten. Geben wir noch einmal Lion Feuchtwanger das Wort: „Mit Schmerz und Lust i n e i n e m spürte er die Erinnerung der Jahres des Exils, ihre Q u a l und ihren Triumph. E s waren böse Jahre gewesen, es waren gute Jahre gewesen, und wie er so saß, ganz still, dachte er, ihm seien sie zum Heil gewesen." 2 2 7

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Zur Entwicklung der ästhetischen Positionen des Komponisten im USA-Exil

Seit Eislers bewußter Hinwendung zum Marxismus in den Jahren 1927/28 beschäftigen ihn in seinen zahlreichen ästhetischen Äußerungen, die immer im Kontext zu seinen politischen Aktivitäten und zu seinen Kompositionen gelesen werden müssen, zwei zentrale Probleme: Die Krise der modernen bürgerlichen Musik und die neue gesellschaftliche Funktion und Beschaffenheit einer Musik für die Arbeiterklasse. Es ist für die Erschließung des Werkes von Hanns Eisler außerordentlich wichtig, die Veränderungen zu untersuchen, die seine Positionen während der fünfzehnjährigen Emigration erfahren und die - um zwei markante Orientierungspunkte im Werk zu nennen - hinführen und überleiten von den Kampfliedern der Jahre 1929 bis 1933 zu den Neuen Deutschen Volksliedern des Jahres 1950.

Die Positionen %wischen 1933 und 1943 Als der Faschismus in Deutschland an die Macht kam, hatte Eisler mit zahlreichen populären Werken seinen Kampfliedstil geprägt, seine Lieder waren Bestandteil des proletarischen Klassenkampfes. Die ästhetische Positionsbestimmung seiner Musik hatte Eisler so formuliert: „Die Arbeitermusikbewegung muß sich über die neue Funktion der Musik, das sind: Aktivierung zum Kampf und politische Schulung, klar werden. Dies bedeutet, daß sämtliche Musikformen und die Technik der Musikstücke aus dem eigentlichen Zweck, das ist der Klassenkampf, entwickelt werden müssen. In der Praxis ergibt das nicht, was die Bourgeoisie 'Stil' nennt. Ein bürgerlicher Komponist, der 'Stil' hat, wird alle musikalischen Aufgaben auf ähnliche Weise lösen, so daß die bürgerliche Ästhetik dann von einer 'künstlerischen Persönlichkeit' spricht. In der Arbeitermusikbewe103

gung streben wir nicht einen 'Stil' an, sondern neue Methoden der musikalischen Technik, die es möglich machen, die Musik noch besser und intensiver im Klassenkampf auszunützen . . . Die Musik der Lehrstücke und Chöre wird eine scharfe, kalte Grundhaltung haben müssen, denn die muß ein Chor einnehmen, wenn er vor großen Massen politische Losungen oder Theorie aussagt." 228 Hier wird das agitatorische Element der Kampfmusik - übrigens nicht in Übereinstimmung mit zu gleicher Zeit entstandenen Liedern und Chören Eislers, die stark emotionale Wirkungen hervorrufen! - überbetont, die enge Bindung an Brechts abstrahierende Lehrstücktheorie jener Jahre ist deutlich sichtbar.229 Beide Künstler haben diese theoretische Position der Jahre 1931 bis 1933 später modifiziert. Zur Einschätzung der Krise der bürgerlichen Musik schreibt Eisler ebenfalls 1932: „Die Verschärfung der gesellschaftlichen Krise hat auch auf dem Gebiete der Musik eine riesige Anzahl von Widersprüchen in immer wachsendem Maße produziert." 230 Als Ursachen dafür benennt er die technische Entwicklung, sowohl die Entwicklung der Kompositionstechnik als auch die Technifizierung der Reproduktionsmedien Rundfunk, Tonfilm und Schallplatte; die fehlende musikalische Vorbildung der Arbeiterklasse und zunehmend auch der Mittelschichten; endlich die fehlenden „neuen Methoden des Denkens" in der Musik. Danach fährt Eisler fort: „Daß die sogenannte Unabhängigkeit der Musik von der Gesellschaft, ferner daß die sogenannte Zweck- und Tendenzlosigkeit der Musik in Wirklichkeit einen ganz bestimmten konkreten Zweck hat und eine ganz bestimmte Tendenz bedeutet, ist äußerst schwierig, diesen holden Träumern zu erklären. Denn zwecklose Kunst ist in Wirklichkeit die Kunst der Besitzenden, und diese Zwecklosigkeit hat den Zweck, durch unverbindliche Erholung Arbeitskraft im kapitalistischen Sinne zu reproduzieren." 231 Im weiteren Verlauf der hier zitierten Arbeit aus dem Jahre 1932 führt Eisler eine scharfe Polemik gegen einen Artikel Theodor Adornos mit dem Titel Zur gesellschaftlichen Lage der Musik. Trotz einiger mit Eislerschem Denken verwandter Prämissen - etwa der Feststellung, daß die Gesellschaftsfremdheit der Musik nur gesellschaftlich aufgehoben werden könne - ist bei Adorno das Ziel dieser Veränderungen lediglich die imaginäre Fiktion einer Gesellschaft ohne Klassen. Die Rolle des Proletariats als treibende Kraft des historischen Prozesses hat Adorno nie erkannt. Und schließlich bezeichnet Adorno die Arbeiter- und Kampfmusik als „fragwürdige Mischung aus Abfällen innerbürgerlich überholter Stilformen" 232 . Eisler entgegnet darauf 104

„Auch ein Herr Wiesengrund-Adorno aus Frankfurt, der . . . sich bemüht, 'marxistische Methoden' anzuwenden, bleibt bei der reinen Interpretation der Wirklichkeit stehen, ohne auch nur den Versuch zu machen, die Kräfte, die sie ändern könnten, zu erforschen. Es ist ein eigentümlicher Fall der Verwechslung des dialektischen Materialismus mit dem dialektischen Mystizismus und es genügt nicht, anstelle des lieben Gottes . . . die Zwölftontechnik zu substituieren. Die jungen Musiker müßten lernen, und hierin müßte sie die Arbeiterklasse kontrollieren, sich die neuen Denkmethoden des dialektischen Materialismus anzueignen."233 Wir finden also bereits hier, kurz vor der Emigration, erste Ansätze Eislers zu Überlegungen, wie neue Kompositionstechniken und neues musikalisches Material in den Dienst der Arbeiterklasse gestellt werden können - Gedanken, die Eisler während der gesamten Jahre des Exils theoretisch wie kompositionspraktisch beschäftigen werden. Halten wir als Ausgangspositionen von 1932 fest: starke Betonung der agitatorischen Funktion proletarischer Musik und erste Überlegungen zur Krise der bürgerlichen Musik sowie zur Nutzung der Mittel der modernen bürgerlichen Musik für die Arbeiterklasse. Die ersten gewichtigen theoretischen Überlegungen der Exilzeit finden sich in dem 1935 geschriebenen und als Broschüre geplanten Aufsatz Einiges über das Verhalten der Arbeitersänger und -musiker in Deutschland. Zu dieser Zeit arbeitete Eisler rastlos für eine Volksfront der Arbeitermusiker und -sänger gegen den Faschismus. In seiner Arbeit untersucht er zunächst die Beziehungen des Proletariats zur klassischen Musik im faschistischen Deutschland und stellt fest, daß die faschistische Praxis der Aufführung klassischer Werke für die Arbeiter eindeutige Ziele verfolgt. „Die Faschisten verwenden Musik, um über die Wirklichkeit hinwegzutäuschen."234 Sodann wiederholt Eisler die Feststellung, daß dem Proletariat die notwendigen Voraussetzungen fehlen, um klassische Musik wirklich rezipieren zu können. „Es kennzeichnet die Barbarei, in der wir leben, daß für den größten Teil des Volkes diese Werte kaum verwendbar sind. Wir müssen immer wieder betonen, daß die Arbeiterschaft sich diese erst erobern muß. Nach ihrem Sieg ist sie Erbe und Verwalter der großen klassischen Musik." 235 Diese Forderung des Jahres 1935, die Notwendigkeit musikalischer Bildung des Proletariats, hat der Komponist nach der Rückkehr in den sozialistischen deutschen Staat ab 1949 in zahlreichen Äußerungen und praktischen Vorschlägen zu verwirklichen versucht; die volle Realisierung ist eines der perma105

nenten Ziele heutiger sozialistischer Kulturpolitik, auf dem Wege zu seiner Verwirklichung ist noch vieles zu leisten. Zweiter Hauptpunkt des Aufsatzes ist die Auseinandersetzung mit dem demagogischen Volksliedverständnis und der „Volksliedpflege" des Faschismus. „Wir revolutionären Arbeitersänger und -musiker haben eine unkritische Art der Volksliedpflege immer bekämpft . . . Was der Arbeiter als Volkslied vorgesetzt bekommt, ist . . . eine höchst fragwürdige Angelegenheit . . . D a s Proletariat hat sich für seine Klassenzwecke etwas viel Verwendbareres geschaffen, das Kampflied. D a s Kampflied ist das eigentliche Volkslied des Proletariats." 2 3 6 Mit dieser Feststellung wird die zitierte Position von 1932 ausgeweitet, über die agitatorische Funktion hinaus weist Eisler dem Kampflied jetzt - wie das in den Liedern selbst längst vollzogen war - auch eine reiche emotionale Wirkung zu. Für Eislers weiteres Liedschaffen ist die erweiterte ästhetische Sicht auf das Kampflied und auf das, was er als Volkslied des Proletariats verstanden wissen will, von großer Wichtigkeit. Der dritte Teil des Aufsatzes beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Proletariat und moderner Musik. Erstmals stellt Eisler hier, 1935, mit Entschiedenheit fest: „Vom revolutionären Gesichtspunkt aus ist dieser moderne Stil als ein innerhalb des Kapitalismus (äußerst) fortschrittlicher zu bezeichnen. Er täuscht nicht Zusammenhänge zwischen Menschen vor, die es in der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr gibt, er erweckt keine 'gemütlichen' Stimmungen, er liefert keine harmonischen Zusammenhänge . . . E r ist also in seinem wahren Wesen kapitalistisch und dadurch auch wirklich zeitgemäß, denn er spiegelt die Verworrenheit der kapitalistischen Zustände wider, ohne sie zu beschönigen, allerdings auch ohne sie zu kritisieren. J e besser das Handwerk des modernen Komponisten, desto deutlicher diese Widerspiegelung." 2 3 7 Eine bemerkenswerte Einschätzung der spätbürgerlichen Musik, die zugleich Leistung, Größe und Grenzen aufzeigt! Gleichzeitig nennt Eisler auch die Gründe, die zum Verbot der modernen Musik im faschistischen Deutschland führten: „ E s ist klar, daß moderne Musik, die kapitalistische Zustände in all ihrer Häßlichkeit und Verworrenheit widerspiegelt, für diese Zwecke des Volksbetrugs weniger geeignet ist, denn sie sagt zuviel über die Fäulnis und Zersetzung unserer Zeit aus." 2 3 8 Breiten Raum nehmen danach Eislers Überlegungen dazu ein, wie das Verhältnis des Proletariats zur modernen spätbürgerlichen Musik auszusehen habe - ein Thema, das den Komponisten theoretisch wie

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praktisch von dieser Zeit an während aller folgenden Jahre des Exils brennend interessierte und beschäftigte. 1935 stellt er dazu fest: „Der revolutionäre Arbeitersänger muß sich darüber im klaren sein, daß die moderne bürgerliche Musik vom Proletariat im allgemeinen weder verstanden noch verwendet werden kann. Trotzdem wäre es von unserem Standpunkt aus falsch, sie in Bausch und Bogen abzulehnen . . . Wir sind dafür, daß die bürgerlichen Musiker den höchsten Stand der bürgerlichen Musik halten, damit die Arbeiterklasse auch auf diesem Gebiet eine reiche Erbschaft antreten kann. Der Kampf der Faschisten gegen die moderne Musik gibt uns die Möglichkeit, moderne Komponisten als Bundesgenossen zu gewinnen. Auch müssen wir bedenken, daß uns nach Ergreifung der Macht neue Methoden der Musik sehr nützlich sein können. Wir werden . . . dann manches aus dieser neuen Technik dadurch, daß wir ihr andere Zwecke und Inhalte geben, neu zur Entwicklung bringen."239 Diese Sätze sind außerordentlich bedeutungsvoll und liefern die theoretische Begründung für Eislers zu dieser Zeit verstärkt einsetzende zwölftönige Kompositionen. Während die bürgerliche Eislerforschung diese Werke als wehmütige Rückbesinnung und „Heimkehr" zum Lehrer Schönberg, als Abwendung von der proletarischen Musik interpretiert, erschließt sich aus der Beschäftigung mit den ästhetischen Äußerungen eine völlig andere Motivierung, eine vorwärtsweisende progressive Haltung im Sinne der zitierten Sätze. Das nur kurze Zeit nach der Niederschrift des zitierten Aufsatzes komponierte Lenin-Requiem zeigt eindeutig, worum es Eisler bei der Verwendung der modernen bürgerlichen Kompositionstechnik eigentlich ging um das Auffinden neuer Möglichkeiten für eine proletarische Musik. Noch eines ist bedeutsam an der Position des Jahres 1935: Der Kommunist Eisler läßt keinen Zweifel an seiner Überzeugung, daß der Faschismus in Deutschland zum Untergang verurteilt ist; seine ästhetischen und kompositorischen Überlegungen zielen bereits auf eine neue, sozialistische Gesellschaftsordnung in Deutschland. Diese Haltung - sie wird mit zahlreichen weiteren Dokumenten der Jahre bis 1945 belegt werden können - weist Eisler eine führende Position in der vielfältig gebrochenen Landschaft des antifaschistischen deutschen Exils zu. Im gleichen Jahr schreibt der Komponist anläßlich der I. Internationalen Arbeitermusik-Olympiade in Strasbourg (Frankreich) zur Situation des modernen Komponisten: „In den letzten 20 Jahren waren auch die Komponisten Zeugen riesiger historischer Ereignisse. 107

Aber alle diese Ereignisse sind spurlos an der Musik vorübergegangen . . . und dadurch wird die moderne Musik uninteressant für die Allgemeinheit. Man muß nun weiterfragen, womit sich denn die modernen Komponisten in den letzten 20 Jahren beschäftigt haben. Im allgemeinen mit der sogenannten Eroberung eines neuen Materials, mit neuen Kompositionsmitteln, Formproblemen u. a. So nützlich auch das Streben nach neuen Formen in der Musik ist, so ist doch zu sagen, daß sich die technischen Probleme der Musik nur lösen lassen, wenn der Komponist einen bestimmten gesellschaftlichen Zweck mit seiner Musik verfolgt . . . Nur in einem Bündnis mit diesen Schichten (der Arbeiterklasse - J. S.) kann sich der moderne Komponist einen neuen gesellschaftlichen Standort erobern, von dem aus es wieder möglich ist, Musik zu machen."240 Eisler spricht hier an, was ihn während des gesamten Exils bewegt, die Herstellung eines Bündnisses zwischen modernen bürgerlichen Komponisten und der Arbeitermusikbewegung. Erste Ergebnisse auf diesem Wege sah er in Frankreich, auch später in den USA, wo er zahlreiche junge Komponisten, wie etwa Marc Blitzstein, in dieser Entwicklung bestärkte und förderte. 1937 antwortet Eisler in einem Zeitungsinterview auf die Frage, ob es im Gegensatz zur faschistischen Musikpraxis in Deutschland bereits Erfolge der Volksfrontbewegung auf musikalischem Gebiet gebe: „Ja. Und zwar im günstigsten Sinn. Das beste Beispiel dafür ist Frankreich. Die 'Front musique polulaire' vereinigt die besten Fachleute Frankreichs. Sie alle haben Werke für die Volksfrontbewegung geschrieben. Unvergeßlich ist mir zum Beispiel das große Fest der Humanité im vergangenen Juli, bei dem Zehntausende von Zuhörern den neuen Kompositionen moderner Meister lauschten." 241 Welche Werke Eisler hier im Sinn hatte, konnte noch nicht festgestellt werden. Sicher ist, daß sich unter den Initiatoren der Veranstaltung wie auch der 'Front musique populaire' René Leibowitz befand und daß Darius Milhaud und Arthur Honegger (beide Mitglieder des Ehrenkomitees der Strasbourger Olympiade) der Bewegung nahestanden. Im gleichen Interview formuliert Eisler einen weiteren bemerkenswerten Satz. Auf die Frage, was er vom Volkslied halte, antwortet er: „Ich bin dafür, neue einfache Lieder und Gesänge zu schaffen, die von den Volksmassen aufgenommen werden können. Bloße Nachahmung alter Volkslieder würde zu Kitsch führen, zu dem, was heute in Deutschland 'neues deutsches Volkslied' h e i ß t . . . Wir wollen das Erbe pflegen, um es auf neue Weise lebendig zu machen."242 Hier finden sich die ersten Äußerungen zum Problem 108

der neuen Volkstümlichkeit, einem Problem, das ihn, wie die Frage der Verwendbarkeit der modernen Kompositionstechnik, während des gesamten Exils beschäftigte. Interessant auch, daß - belegt durch diese Äußerung - die Titelwahl des Becher/Eislerschen Liedzyklus von 1950 offenbar auf lange zurückliegende Überlegungen hinweist. Der oben zitierte Satz aus dem Jahre 1937 muß besonders festgehalten werden, da sich gerade an Eislers Liedern, die er unter diesem Aspekt schuf, die Interpretation besonders erhitzt hat und Eislers große Leistung, die er auf dem Gebiet neuer volkstümlicher Kompositionen ohne Zweifel erreicht hat, gern ihres ideologischen Aspekts entkleidet und primär als ein Zurückgehen in der Kompositionstechnik gesehen wind. Zu dieser Zeit, 1937, lagen die ersten beiden USA-Reisen bereits hinter dem Komponisten, und die dabei gewonnenen Eindrücke und Einsichten festigen seine ästhetischen Überlegungen in Hinsicht auf die neue Funktion der modernen Musik. Er schreibt: „ D i e moderne Musik . . . muß sich an die breiten Massen des Volkes wenden . . . Für mich war es einer der größten Eindrücke, diese Gedanken so frisch, kräftig und mutig bei den besten Komponisten von Amerika lebendig zu finden. Sie haben bereits eine Organisation geschaffen, das sogenannte New Yorker Komponistenkollektiv . . . Mit dem Kollektiv sympathisieren bereits eine Reihe auch international äußerst bekannter Fachleute . . . Sie publizieren jährlich ein Sammelheft von Vokalwerken für die Arbeiterklasse. In diesen Heften finden wir eine große Anzahl oft ganz ausgezeichneter Lieder und Chöre . . . Sie kämpfen für einen modernen Stil, der sich auf die letzten Errungenschaften der modernen Musik stützt, aber diesen ausnützt für den Kampf der Arbeiter und Angestellten." 2 4 3 Eislers immer wieder vorgetragene Forderung, daß die Musik, die über die fortgeschrittensten technischen Mittel verfügt, sich auch verbünden muß mit der fortgeschrittensten Klasse und deren gesellschaftlichen Zielen und Zwecken - diese Position stellt den Komponisten an die Spitze der emigrierten Musiker, wenn wir etwa Positionen anderer emigrierter Komponisten wie Hindemith oder Schönberg damit vergleichen. Nur die konsequent marxistische Ästhetik Eislers ist in der Lage, der spätbürgerlichen Musik einen Ausweg aus ihrer Krise zu zeigen. Leider sind nur wenige Komponisten wie etwa Paul Dessau oder Ernst Hermann Meyer - Eisler in jenen Jahren auf diesem Wege gefolgt. D i e Erfahrungen und Erlebnisse der ersten USA-Emigrationsjahre, als Eisler engen Kontakt mit der 109

amerikanischen Arbeitermusikbewegung hatte, bestätigen ihn in seinem ästhetischen Programm. 1939 schreibt er im Daily Worker: „Die Teilnahme an diesem Kampf (des Proletariats - J. S.) . . . bedeutet nichts weniger als eine vollkommene Veränderung in der Funktion der Musik, nämlich den Kampf gegen das Alte und für die neue Gesellschaftsordnung. Anstatt danach zu streben, einen Zustand psychischer Betäubung oder anarchischer Aufreizung beim Zuhörer zu erreichen, muß die Musik für die Aufklärung des Bewußtseins der fortgeschrittensten Klasse, der Arbeiterklasse arbeiten. Den Kriterien Erfindung, technische Fertigkeit und Gefühl muß das entscheidende Kriterium der sozialen Funktion hinzugefügt werden. Fortschritt bedeutet darum nicht nur die Einführung neuer technischer Methoden, sondern eben die Einführung neuer technischen Methoden für neue gesellschaftliche Zwecke."2/,,/i Wenn Eisler in seinen letzten Lebensjahren oft von einer „Dialektik der Musik" sprach, so verstehen sich alle die hier zitierten Äußerungen - die ja nie unter dem Aspekt einer geschlossenen Theorie niedergeschrieben wurden, sondern einzeln über verschiedene Zeiträume und zu verschiedenen Anlässen - als ein theoretisches Werk von hohem Niveau, sie weisen den Komponisten Eisler als einen ebenso scharfen und brillanten Theoretiker aus. Der eben zitierte Aufsatz von 1939 enthält wiederum einen neuen Aspekt innerhalb des ästhetischen Denkens Eislers, und zwar im Hinblick auf die Funktion der Musik für die Arbeiterklasse. W a r es noch 1932 eine primär agitatorische Funktion, mit der die Musik den Klassenkampf unterstützen sollte, so tritt jetzt eine wesentliche Funktion hinzu: Die „Aufklärung des Bewußtseins" der Arbeiterklasse, also Musik als Mittel der Bewußtseins- und Persönlichkeitsbildung, Musik, die dazu dient, die volle Schöpferkraft des Menschen freizusetzen - auch dieser Gedanke hat Eisler bis zu seinem Tode beschäftigt. Resümieren w i r : In den Jahren bis 1940 arbeitet Eisler die Notwendigkeit für die spätbürgerliche Musik heraus, ihre fortgeschrittenen Mittel in den Dienst fortgeschrittener gesellschaftlicher Ziele zu stellen. Er sieht eine echte Möglichkeit, mit Mitteln der Zwölftontechnik musikalische Beiträge für die Ziele der Arbeiterklasse zu leisten. Das gleichzeitig - so Eisler - ist die einzige Möglichkeit für die modernen Komponisten, eine Funktion und einen Platz in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Zeit zu bewahren, die vorwärts weisen. Er selbst leistet mit zahlreichen Kompositionen praktische Beiträge zu dieser theoretischen Auffassung. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Eisler nunmehr etwa ab 1935 nur noch dodekapho110

nisch komponierte - er selbst demonstrierte in der Weite und Vielfalt seines Werkes beispielgebend, wo er die verschiedenartigen Kompositionstechniken einsetzen konnte und wo nicht. Er bewies überzeugend, daß politisch engagierte Kunst mit avancierten Mitteln eine künstlerische Einheit bilden kann, weil beide dem Wesen nach zusammengehören. Er hat im Bereich der einfachsten wie der kompliziertesten musikalischen Formen mit der Zwölftonmethode probiert und gearbeitet, stets gilt für ihn, was er 1955 rückschauend sagte: „Ein Komponist müßte zumindest wissen, welches Genre die Zwölftontechnik verträgt. Sie darf nicht zum Stil werden, sondern nur eine Methode unter anderen."2'" Wie viele andere antifaschistische Künstler bewegt Eisler im Exil die Frage, wie das humanistische deutsche Geistes- und Kulturerbe vor dem Zugriff der Faschisten bewahrt werden kann, wie die großen Leistungen der Vergangenheit von den Exilierten bewahrt und in den Fundus einer neuen deutschen Nationalkultur eingebracht werden können. In der weitgespannten, von der Moskauer Emigrationszeitschrift Das Wort (redigiert von Willi Bredel, Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger) ausgehenden und einer grundsätzlichen Positionsbestimmung gleichkommenden Expressionismus-Debatte gewann Eislers gemeinsam mit Ernst Bloch geschriebener Aufsatz Die Kunst zu erben große Bedeutung.246* In scharfer Polemik mit Georg Lukäcs' die Debatte auslösender Gleichsetzung von gesellschaftlichem und kulturellem Niedergang des Bürgertums verteidigt Eisler die Avantgarde. „Das Wie der Erbemethode, die lebendige Beziehung des heute lebenden und progressiven Menschen zur Vergangenheit [spielt] eine schlechthin entscheidende Rolle . . . Viel notwendiger wäre es zu zeigen, unter welch konkreten Schwierigkeiten der Produzierende von den Klassikern für die eigene Produktionsweise zu lernen h a t . . . Der wahre Kenner der Vergangenheit darf einem jungen Komponisten auch nicht verschweigen: Das musikalische Material ist nirgendwo in der Geschichte statisch, sondern es steht überall in einem nicht abreißenden historischen Prozeß . . . Der Formalismus wird nicht durch Akademismus überwunden, sondern einzig von den neuen Stoffen her, die nach einer ihnen gemäßen, inhaltlich bestimmten Form drängen. Nicht anders haben es auch die großen Alten gehalten. Diese Frische, Kühnheit und Echtheit, dieses konkrete Verhalten zum Jetzt haben wir von ihnen zu lernen. Nur dann können wir auch ihre Formen verstehen und weiterentwickeln. Nur auf diese Weise gelingt ein produktiver Antritt des kulturellen Erbes."247

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Eislers ständige intensive Beschäftigung mit dem musikalischen und literarischen Erbe, seine nicht zuletzt an Hegel geschulte dialektische Betrachtungsweise, seine zahlreichen Studien über Bach, Mozart und Beethoven sowie die im Exil entstandenen meisterhaften Vertonungen etwa Hölderlinscher oder Mörikescher Texte - all dies verweist auf den meisterhaften Umgang mit eben dem Erbe, für dessen Aneignung er in dem wichtigen Artikel, den wir zitierten, streitet.

„Komposition

für den Film" (1944)

Mit der Arbeit am Film-Musik-Projekt ab 1940 und den vielen damit zusammenhängenden Fragen entsteht Eislers gewichtigste theoretische Arbeit der Exiljahre, das Buch Composing for tbe films, das im Jahre 1944 geschrieben und 1947 erstmalig veröffentlicht wurde. Bevor wir uns einer Betrachtung des Werkes zuwenden, muß das Verhältnis Hanns Eislers zu Theodor W. Adorno etwas ausführlicher dargestellt werden, da die Zusammenarbeit der beiden an diesem Buch seit Adornos Bemerkungen in der BRD-Ausgabe von 1969248 im Mittelpunkt vieler Spekulationen und einseitiger Interpretationen steht. Zur direkten Zusammenarbeit Eislers und Adornos kam es 1944, da beide die Ergebnisse von Projekten der Rockefeller-Stiftung zusammenfaßten, die sioh mit neuen künstlerischen Möglichkeiten in den technischen Medien Film (Eisler) und Radio (Adorno) beschäftigt hatten. Hinzu kam, daß Adorno in Malibu in Kalifornien lebte, wohin Eisler 1942 zog, so daß eine räumliche Berührung ohnehin gegeben war. Beide kannten sich aus der Zeit der frühen zwanziger Jahre in Deutschland, Adorno hatte verschiedentlich über den angehenden bürgerlichen Musiker Eisler publiziert, sich aber dann sehr skeptisch - wir zitierten ihn - über Eislers Schritt an die Seite der Arbeiterklasse und die damit verbundene grundsätzliche Wandlung der Eislerschen Musik geäußert. Bereits damals, auch geprägt durch die Erfahrungen mit der Musik der Wiener Schule, hatte Adorno begonnen, seine im Umkreis des Frankfurter Instituts für Sozialforschung und dessen Frankfurter Schule angesiedelte Philosophie und Soziologie zu entwickeln, die bei allen progressiven Denkansätzen stets die Einbeziehung der gesellschaftlichen Realität in die Theorie ablehnt. Es ist hier nicht der Platz, von Adornos Theoriegebäude zu sprechen, dazu sei u. a. auf die Arbeiten von Dawydow und Reichel249 112

hingewiesen. Im Zusammenhang mit Eisler ist Adornos Ausgangspunkt zunächst ein durchaus richtiger: „Soweit Musik nicht Erscheinung von Wahrheit, sondern wirklich Ideologie ist, also in der Gestalt, in der sie von den Bevölkerungen erfahren wird, diesen gesellschaftliche Realität vermittelt, stellt sich notwendig die Frage nach ihrem Verhältnis zu den sozialen Klassen." 250 Der nun notwendige nächste Schritt - Einsicht in die Dialektik des Klassenkampfes aber wurde von Adorno nicht mehr getan, anstelle der Dialektik der gesellschaftlich-politischen Umwälzung entwirft er eine abstrakte Dialektik des Stillstands, projiziert er eine imaginäre Zukunft. „Dem Proletariat, als bloßem Herrschaftsobjekt der Gesamtgesellschaft, war es sowohl seiner eigenen, durch Repressalien geprägten Beschaffenheit wie seiner Stellung im System nach verwehrt, sich als musikalisches Subjekt zu konstituieren. Erst in der Verwirklichung der Freiheit, unter keiner Verwaltung, würde es das. Im Bestehenden ist überhaupt an der Existenz anderer als bürgerlicher Musik zu zweifeln." 251 Diese Sätze wurden 1958 gedruckt, aber mit dem gleichen Mißverstand hatte Adorno schon 1932 Eislers Musik beurteilt, wenn er schrieb: „Sobald aber diese Musik (Eislers Kampflieder - J. S.) aus der Front der unmittelbaren Aktion heraustritt, reflektiert und sich als Kunstform setzt, ist unverkennbar, daß die produzierten Gebilde gegenüber der fortgeschrittenen bürgerlichen Produktion nicht standhalten . . . Immerhin verdient es Aufmerksamkeit, daß in der Figur des bislang konsequentesten proletarischen Komponisten Eisler die Schönbergschule, aus der er hervorging, mit Bestrebungen sich berührt, die scheinbar ihr konträr entgegengesetzt sind. Damit diese Berührung fruchtbar würde, müßte der Gebrauch seine Dialektik finden: es müßte nicht die Musik sich passiv einseitig nach dem Stand des Verbraucherbewußtseins, auch des proletarischen, richten, sondern mit ihrer Gestalt selber aktiv ins Bewußtsein eingreifen." 252 Deutlich zeigen sich die Fehler der Adornoschen Betrachtung: Sehr wohl hat Eislers Kampfmusik äußerst aktiv ins Bewußtsein der Arbeiter eingegriffen, und kompositionstechnisch war Eisler auch in seinen Kampfliedern durchaus auf einem sehr fortgeschrittenen Stand. 253 Die Differenzen zwischen Adorno und Eisler bestanden seit jener Zeit vor allem in den Auffassungen über die Funktion der Musik im Prozeß der revolutionären Veränderung der spätbürgerlichen Gesellschaft. Die Konfrontation ist die gleiche wie zwischen den Theoretikern der Frankfurter Schule und marxistischen Philosophen und Künstlern, wie etwa Brecht. Mit der Emigration aber 8

Hanns Eislet

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und dem übergreifenden Gedanken des antifaschistischen Kampfes traten solche grundsätzlichen theoretischen Meinungsverschiedenheiten etwas in den Hintergrund, ohne etwa dadurch verwischt zu werden. Allein die Tatsache der Nähe und Nachbarschaft anderer Emigranten führte zwangsläufig unter den Bedingungen des Exils zu Begegnungen mit den anderen, zu Gesprächen und vielen Diskussionen, wie etwa in Kalifornien die Begegnungen Brechts und Eislers mit Adorno, Horkheimer, Pollock und anderen. Dabei führte die räumliche Annäherung keineswegs zu einer ideologisch-theoretischen; Ernst Wimmer überliefert dafür eine treffende Episode: „Adorno, der elegant-apathische Negativist, habe Eisler gegenüber einmal melancholisch geäußert, er wünschte angesichts des 'Immergleichen' seine philosophischen Arbeiten auf einen Satz zu reduzieren, den Satz auf einen Zettel zu kritzeln, den Zettel in einer Flasche zu verbergen und diese als Flaschenpost ins Meer zu werfen, bis sie vielleicht eines Tages ein Fidschi-Insulaner fände. Eisler fragte darauf, was zum Teufel denn der arme Insulaner mit einem Zettel solle, auf dem: 'Ich bin ein metaphysischer Miesmacher' steht."254 Das Frankfurter Institut hatte sich 1934 unter Leitung Max Horkheimers in New York, danach ab 1940 in Los Angeles an der UCLA neu etabliert, so daß Horkheimer, Pollock und Adorno ihren Wohnsitz in Kalifornien besaßen, als zunächst Brecht und dann auch Eisler sich an der Westküste niederließen. Brecht hatte wie Eisler schon früher die Frankfurter Schule heftig kritisiert und dabei vom „Warencharakter des Intellekts" 255 , von der Käuflichkeit mancher Intellektueller, gesprochen, die er schon 1931 als „Frankfurtisten" bezeichnete: „Der große Anschauungsunterricht für ein neues Sehen der Dinge war der Krieg . . . Wenn man nun unter Verstehen Auswertenkönnen versteht, dann haben ihn niemand besser verstanden als die Frankfurtisten . . . Wie faßte die fortgeschrittenste republikanische, gegen rechts und links kämpfende, aber herrschende bürgerliche Gruppe, die frankfurtistische, den Krieg auf? [Sie] sah in ihm ein Fiasko der vor ihnen herrschenden industriell-feudalistischen Schicht, und zwar ein vermeidliches Fiasko." 256 Noch schärfer werden Brechts Bemerkungen in seinem Arbeitsjournal aus den amerikanischen Jahren 1941/42. Zum Beispiel notiert er im August 1941: „und nun zu den überlebenden! auf einer gartenparty den doppelclown horkheimer und pollock getroffen, die zwei tuis vom frankfurter soziologischen institut. horkheimer ist millionär . . ."257 Die Bezeichnung „Tui" ist eine Erfindung Brechts, der in seinem Tui-Roman wie später in dem 114

Stück Turandot käufliche Intellektuelle so benannte. Eine weitere Eintragung vom Januar 1942: „wiesengrund-adorno hier, er ist rund und dick geworden und bringt einen aufs atz über R I C H A R D W A G N E R , nicht uninteressant, aber ausschließlich nach Verdrängungen, komplexen, hemmungen im bewußtsein des alten mythenschmieds stöbernd, in dieser routine der lukäcs, bloch, stern, die alle nur eine alte psychoanalyse verdrängen." 258 Oder im Mai 1942: „mit eisler bei horkheimer zum lunch. danach schlägt eisler für den tuiroman als handlung vor: die geschichte des frankfurter soziologischen institutes. ein reicher alter mann (der weizenspekulant weil) stirbt, beunruhigt über das elend auf der weit, er stiftet in seinem testament eine große summe für die errichtung eines instituts, das die quelle des elends erforschen soll, das ist natürlich er selber." 259 An diesem Abend erinnerte sich Eisler später im Gespräch und bezeichnete bei dieser Gelegenheit die Frankfurter Gruppe als „Vorzugsschüler des Untergangs" 260 . Über Adorno sagte er 1956: „Das eigentümliche an Adorno ist, daß man nie recht weiß, was er eigentlich will. So geschieht es, daß die hohe Begabung und Denkkraft-Erfordernis in Schlauheit umschlägt, die so fein ziseliert ist wie eine Laubsägearbeit. Aber man kann durch sie hindurchsehen." 2G1 Unter diesen Vorzeichen einer Emigranten-Nachbarschaft bei grundsätzlich verschiedenen weltanschaulich-ästhetischen Positionen entstand 1944 das Manuskript des Filmmusik-Buches. Louise Eisler berichtet, daß Eisler und Adorno mündlich diktierten und Gretel Adorno das Manuskript im Stenogramm aufnahm. Unter diesen Umständen wird wohl nicht mehr rekonstruierbar, welchen exakten Anteil jeder der beiden am Text hat. Adornos eindeutiges Abrücken von Eisler - wir zitierten die betreffenden Passagen seiner Einleitung zur BRD-Ausgabe - führte dann dazu, daß er selbst von der Mitautorschaft zurücktrat und Eisler bei der Veröffentlichung als alleiniger Autor erschien 262 * sowie die erste deutsche Ausgabe 1949 allein besorgte 263 . Das Buch, das außerdem 1951 in London erschien, weist in allen vier Druckfassungen (1947/1951 englisch, 1949/1969 deutsch) Unterschiede auf, eine Originalfassung ist offenbar nicht mehr rekonstruierbar 264 . Jedoch werden Adornos Äußerungen in der Ausgabe von 1969 über „zahlreiche Änderungen" Eislers, „die er ohne meine Kenntnis vorgenommen hatte" 2 6 5 - nachdem wenige Zeilen vorher erklärt wird, man sei aus politischen Gründen selbst von der Mitautorschaft zurückgetreten! - , durch die inzwischen nachgewiesenen Manipulationen desselben Adorno bei der Edition ihm anver8»

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trauter Texte Walter Benjamins266 mehr als fragwürdig. Über sein späteres Verhältnis zu Adorno äußerte Eisler 1960: „Er würde sich öffentlich mit mir kaum zeigen, geschweige denn seinen Namen hergeben."267 Diese ausführliche Darstellung der Vorgeschichte des Buches erschien nötig, da sowohl das Verhältnis Eisler-Adorno als die Geschichte des Buches heftig diskutiert werden. Es ist wohl richtig, daß der Text als Gemeinschaftsarbeit jetzt in die Gesamtausgaben der Werke Eislers wie Adornos aufgenommen ist. 268 * Die nachfolgenden Ausführungen zum Buch beziehen sich auf die Ausgabe des Henschelverlages von 1949, die Eisler selbst besorgte und die bis zum Vorliegen des Textes in der Gesamtausgabe als der authentische deutsche Text anzusehen ist. 269 * Komposition für den Film enthält neben dem Bericht über die Arbeiten des Film-MusikProjektes umfangreiche Überlegungen Eislers für eine Ästhetik der Filmmusik und darüber hinaus zahlreiche Gedanken zur Funktion der modernen Musik; das Buch stellt die Summe der ästhetischen Auffassungen Eislers in den Jahren des Exils dar. Eine umfassende Analyse des 150 Seiten starken Textes würde eine gesonderte Untersuchung bedingen, wir beschränken uns nachfolgend auf die Darstellung der wichtigsten Problemkreise. Einleitend untersucht Eisler ausgehend von seinen Überlegungen zur Krise des bürgerlichen Musikbetriebes, in denen er mehrfach von der Verflachung der Musik in den sich entwickelnden technischen Massenmedien gesprochen hatte - die „schlechten Gewohnheiten" des amerikanischen Filmbetriebs auf dem Gebiete der Musik. Bereits im Vorwort heißt es: „Dieses Büchlein wurde gewissermaßen in der 'Höhle des Löwen' geschrieben : in Hollywood . . . In Hollywood darf der fortschrittliche Künstler, wenn er nicht entweder in billigen Zynismus verfallen oder sich der Kulturindustrie gleichschalten will, keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, um durch praktische Vorschläge wenigstens die Korrumpiertheit der Industrie aufzuzeigen oder durch persönliche Leistungen das Bessere anzustreben."270 Beides hat Eisler getan, sowohl mit dem vorliegenden Buch als mit einigen seiner Hollywood-Filmmusiken entsprechend der Qualität der Filmstoffe. Zunächst beschreibt der Komponist den Film als typisches Produkt der Massenkultur des 20. Jahrhunderts, die, von Monopolen beherrscht, als mächtige Vergnügungsindustrie künstlerische Inhalte weitgehend demontiert. Aber: „Es ist nicht die Technik als solche für die Barbarei der kapitalistischen Kulturindustrie verantwortlich zu machen . . . Die Möglichkeiten, welche die technische 116

Apparatur für Kunst in der Zukunft bietet, sind unabsehbar, und noch im verkommensten Film sind Augenblicke, wo diese Möglichkeiten sichtbar aufblitzen . . . Die Auseinandersetzung mit Massenkultur muß es sich zur Aufgabe setzen, die Verschränkung beider Elemente, der ästhetischen Potentialitäten der Massenkunst einer freien Gesellschaft und ihres ideologischen Charakters in der kapitalistischen, sichtbar zu machen." 271 Bereits hier - übrigens darf Eislers Satz hinzugefügt werden, daß selbstverständlich auch in der sozialistischen Gesellschaft die Massenkunst ideologischen Charakter hat - wird deutlich, wie sehr auch Eislers Filmmusik-Buch bereits von den Überlegungen für die Zeit nach der Beendigung des Faschismus in Deutschland geprägt ist, die alle Emigranten mit heißem Herzen herbeisehnten und für die sie arbeiteten. Eisler geißelt sodann mit trefflichen Beispielen und Formulierungen, die oft an die gestochene Schärfe der Brechtschen theoretischen Schriften erinnern, die Praxis der herkömmlichen Filmmusik. Er zählt „abgestandene Erfahrungsregeln" auf: - die Verwendung von Leitmotiven („Die Leistung des Leitmotivs reduziert sich auf die eines musikalischen Kammerdieners, der seinen Herrn mit bedeutsamer Miene vorstellt, während den Prominenten ohnehin jeder erkennt." 272 ); - die Forderung nach Melodie und Wohllaut („Die optische Filmhandlung hat den Charakter von Prosa, von Unregelmäßigkeit und Asymmetrie . . . Infolgedessen besteht ein Bruch zwischen dem Bildvorgang und einer symmetrisch gegliederten konventionellen Melodie. Keine achttaktige Periode ist wahrhaft synchron mit dem photographierten Kuß." 273 ); - die Forderung nach Filmmusik, die man nicht hören soll („Die Forderung nach der Unauffälligkeit von Musik bedeutet . . . Banalität schlechtweg. Musik soll danach in demselben Sinn unauffällig sein wie das Boheme-Potpourri im Cafehaus" 274 ); - die optische Rechtfertigung des Gebrauchs von Musik („Die Musik wird auf die Handlung nivelliert und zu einem Requisit, einer Art akustischem Möbelstück gemacht." 275 ); - die Illustration durch Musik, vor allem in Naturszenen („Es ist der . . . heruntergekommene Naturbegriff aus der Lyrik des 19. Jahrhunderts, und zur ausverkauften Lyrik werden die entsprechenden Klänge hinzugeschmiert."276) ; - die Verwendung genormter Kartothekmusik („Die unermüdliche Anwendung einer kleinen Anzahl abgestempelter Musikstücke, die 117

durch . . . ihre Titel mit den Situationen zusammengebracht werden, die sie im Film begleiten. Also: Mondscheinnacht - der erste Satz der Mondscheinsonate, ganz sinnwidrig instrumentiert."277); - die Verwendung musikalischer Klischees („Die Standardisierung dessen, was mit dem Anspruch auftritt, ein Individuelles zu sein."278); - die Standardisierung der musikalischen Interpretation („Der leitende Gesichtspunkt ist die Herstellung eines bequemen, lackierten Wohlklanges."279). Betrachten wir die Hollywoodfilme der dreißiger und vierziger Jahre, aber darüber hinaus auch eine Vielzahl heutiger Spielfilme, so wird deutlich, wie scharf Eislers Analyse die musikalischen Unsitten erkennt und beschreibt und wieviel gültige Aussagen für das Filmschaffen bis heute in dem Buch enthalten sind. Im Kapitel Filmmusik und Dramaturgie bestimmt Eisler anhand von Sequenzbeschreibungen aus eigenen Filmmusiken die Funktion, die die Musik im Film einnehmen muß, um zu einem echten dramaturgischen Element zu werden. Dabei sind die Einflüsse Brechts aus der Zusammenarbeit an der Theorie des epischen Theaters bis 1933 und auch danach nicht zu übersehen. Ausgangspunkt bildet wieder die allgemeine Krise der bürgerlichen Musik im Kapitalismus. „Das Verhältnis der Musik zum Film ist nur der ausgeprägteste Fall dessen, was ihr in der monopolkapitalistischen Kultur zugemutet wird."280 Eisler fordert für die Filmmusik, „nicht Ornament, sondern wesentlicher Träger des szenischen Sinnes zu sein"281, als „Schwesterkunst" (Brecht) gleichberechtigte Aussagen zu liefern. Die Funktion als dramaturgischer Kontrapunkt, Musik als Gegensatz zum Oberflächengeschehnis, wird ebenso dargestellt wie die musikalische Dramaturgie von Spannung und Unterbrechung im Film. Da diese beiden genannten Funktionen im Zusammenhang mit der Bühnenmusik bereits ausführlich dargestellt vorliegen282, kann hier auf weitere Ausführungen verzichtet werden. Danach folgen Überlegungen zur Verwendung des neuen musikalischen Materials im Film. Zunächst definiert Eisler: „Als Elemente und Techniken der neuen Musik wird verstanden, was im modernen Stil in den letzten dreißig Jahren ausgebildet worden ist."283 Die Strukturveränderungen der musikalischen Sprache werden als gegeben angesehen durch „die Auflösung der vorgegebenen, konventionellen musikalischen Sprache", Eisler spricht von der „Zurückführung der Musik auf konstruktive Notwendigkeit"284 und bezeichnet dies als Sachlichkeit, die mit den Gegebenheiten des Mediums 118

Film übereinstimmt. Analog zu Brechts Überlegungen zu einer „Kunst des wissenschaftlichen Zeitalters" kommt Eisler zu der Feststellung, daß der „entwickeltste Stand der Kompositionserfahrung" durch Rationalisierung, Konstruktion und Planung bestimmt ist; er spricht von „sachlich geplanter Musik", vom „Niveau des planmäßigen Komponierens" 285 . Gleichzeitig versucht Eisler zu zeigen, wie sehr die Verwendung neuen musikalischen Materials die Funktion der Filmmusik befördern kann. „Das, was die neue Musik durch ihre Spezifikation leisten kann, ist freilich nicht die Abbildung begrifflich vermittelter Vorstellungen wie etwa in der Programmusik, die Wasserfälle rauschen und Schafe blöken läßt. Aber sie trifft den Ton einer Szene, die besondere Gefühlslage, den Grad von Ernst oder Unlust, Bedeutung oder Gleichgültigkeit, Echtheit oder Schein."286 Wer einmal Gelegenheit hatte, Joris Ivens' Film 400 Millionen mit der Musik von Eisler zu sehen und zu hören - um ein Beispiel zu nennen - oder aus jüngerer Zeit Alain Resnais' Film Muriel mit der Musik von Hans Werner Henze, der erkennt anschaulich, welche vielfältigen und leider viel zu selten praktizierten Möglichkeiten sich im genannten Eislerschen Sinn für die moderne Musik im Film ergeben. Solche Filme sind Einzelfälle, weil viele Produzenten zu keinen Experimenten auf musikalischem Gebiet bereit sind. Eisler hat hier eine bis zum heutigen Tage gültige Pionierarbeit geleistet, sein Buch ist aktuell wie zum Zeitpunkt seines Entstehens. Gleichzeitig mit der Untersuchung der Möglichkeiten warnt Eisler jedoch auch hier wieder entschieden vor einer Verabsolutierung der neuen musikalischen Mittel. „Bedenklich ist . . . das verantwortungslose Draufloskomponieren mit den neuen Mitteln, Neutönertum im schlechten Sinn. Darunter ist die Anwendung von fortgeschrittenem Material um seiner selbst willen, nicht aus dem Zwang des Inhalts, zu verstehen." 287 Eisler selbst hat stets genau gewußt, wo er mit welchen Mitteln komponieren konnte, auch in seinen zahlreichen Filmmusiken. Aus der zitierten Äußerung spricht kluge Ökonomie des Komponisten, Abwägen des Nutzens oder Unnutzens einer Kompositionsweise. Weit über eine Ästhetik der Filmmusik hinaus weisen auch die Anmerkungen zu den Gefahren des neuen Stils: „Oberkomplexheit des Details, die Sucht, jedes Moment der musikalischen Begleitung möglichst interessant zu machen, Pedanterie, formalistische Spielereien. Insbesondere ist zu warnen vor einer leichtfertigen Übernahme der Zwölftontechnik, die zur Fleißaufgabe entarten kann, in der das arithmetische 'Stimmen' der Reihe das echte Stimmen des musikalischen Zusammenhanges ersetzen soll 119

und in Wahrheit verhindert."288 Die brillant geschriebenen Soziologischen Bemerkungen zur Geschichte der Filmmusik erhärten Eislers Einschätzung der Vermarktung der Musik im Kapitalismus - sie sind ein Kabinettstück der pointierten Formulierungskunst des Komponisten. Im Kapitel Ideen zur Ästhetik finden sich Bemerkungen, die das bisher Gesagte zur Frage der Verwendung der neuen Kompositionstechniken weiter erhärten, wenn Eisler feststellt, daß von einer Autonomie des Materials keine Rede sein kann: „Die Musik [hat] heute eine Phase erreicht, in der Material und Verfahrensweise auseinandertreten, und zwar in dem Sinn, daß das Material gegenüber der Verfahrensweise relativ gleichgültig wird. Die Kompositionsweise ist so geworden, daß sie nicht länger mehr die Konsequenz aus ihrem Material sein muß, sondern daß sie gleichsam jedes Material sich unterwerfen kann."289 Hier wird der gesellschaftlichen Blindheit mancher bürgerlicher Komponisten die Bewußtheit über den gesellschaftlichen Standort der Musik gegenübergestellt, die nämlich die „Verfahrensweise", das Komponieren, bestimmt. Die revolutionäre Praxis etwa eines Eisler ist der übergeordnete Aspekt, ein Faktor, der in der gesamten negativen Dialektik Adornos an keiner Stelle erscheint. Das letzte Kapitel enthält den Bericht über die Arbeiten des Film-Musik-Projektes. Interessant ist hier, wie Eisler in der Beschreibung die zu den jeweiligen Filmsequenzen gewählten musikalischen Formen aus dem Bildablauf heraus begründet, etwa die zwölftönige Musik zu den Naturszenen (daraus entstand die Kammer Sinfonie). Das Buch Komposition für den Film stellt eine bemerkenswerte theoretische Leistung dar. Neben der speziellen Thematik enthält es wichtige Materialien zur Ästhetik des Komponisten, zeigt dessen Souveränität und Schöpfertum im Umgang mit dem Neuen in der Musik und läßt keinen Moment Zweifel an der marxistischen Grundhaltung der ästhetischen Erörterungen zu. Neben der kritischen Analyse der Praxis des Hollywooder Filmkapitalismus auf musikalischem Gebiet und Neuerungsvorschlägen für die Verwendung moderner Musik im Film liegt die Hauptbedeutung des Buches für Eislers Ästhetik darin begründet, daß die Überlegungen des Komponisten zur Verwendung des fortgeschrittenen musikalischen Materials - aus den Jahren ab 1935 - anhand des Mediums Film weitergeführt werden und Eislers Folgerungen grundsätzlicher Art sind. Der Komponist als souveräner Beherrscher und Benutzer unterschiedlichen musikalischen Materials, unterschiedlicher Kompositionsweisen, immer 120

er und sein Weltbild das Primäre, damit die Zwecke und Addressaten seiner Musik, und niemals umgekehrt ein Komponist beherrscht von Zwängen einer Kompositionstechnik: dies ist das den Filmbereich weit überragende Credo des Buches. Es scheint dringend nötig, dem Buch endlich zu der Popularität und Anwendung in der Praxis zu verhelfen, die ihm zukommt. Mit dem Erscheinen des Buches 1947 im Verlag Oxford University Press war gleichzeitig das bevorstehende Ende des Exils für Bisler absehbar. Innerhalb von fast fünfzehn Jahren hatte er seine ästhetischen Positionen weiterentwickelt, hatte intensiv um die Verbindung von fortgeschrittenster Kompositionstechnik mit den fortgeschrittensten gesellschaftlichen Zielen gerungen und gleichzeitig praktisch an diesem Ziel gearbeitet. Zugleich hatte er neue Überlegungen im Sinne der Weiterentwicklung einer auf neue Weise volkstümlichen Musik angestellt und auch dazu Kompositionen geschrieben. Alle seine Überlegungen und Werke zielen auf die Verwendbarkeit in einem sozialistischen Deutschland, an dessen Entstehung er auch in den „finsteren Zeiten" jener Exiljahre nie zweifelte. Zurückgekehrt nach Europa, zunächst nach Österreich und danach in die D D R , ging er daran, das zu leisten, wozu er die Fundamente im Exil geschaffen hatte und das er am 7. Oktober 1948 in einem Interview formulierte: „Anzustreben ist eine eigen gewachsene moderne Musik, die größte Volkstümlichkeit haben müßte." 290

Zur Entwicklung der kompositorischen Positionen von 1938 bis 1947

Wir haben schon an anderer Stelle auf die große Produktivität des Komponisten in den Jahren des Exils hingewiesen, auf die vor allem in den USA entstandenen Werke verschiedenster musikalischer Genres. Es wird im folgenden versucht, anhand weniger ausgewählter Beispiele zu zeigen, wie die politische und ästhetische Position des Komponisten ihren ädaquaten Ausdruck in der kompositorischen Praxis fand. Vor der Betrachtung der Werke sind jedoch noch einige Bemerkungen nötig. Auf dem Autograph der Titelseite für das Hollywooder Liederbuch findet sich von Eislers Hand ein „Vorwort", datiert vom 5. Juni 1943 (offenbar später für eine Bearbeitung gestrichen, aber noch leserlich), das über dem gesamten Exilwerk des Komponisten stehen könnte. Es lautet: „In einer Gesellschaft, die ein solches Liederbuch versteht und liebt, wird es sich gut und gefahrlos leben lassen. Im Vertrauen auf eine solche sind diese Lieder geschrieben. Hanns Eisler. PS: Was kann Musik nebst vielem anderen für die Zukunft tun? Sie kann helfen, falsche . . ." (Rest unleserlich).291 Hier wird in kürzester Form deutlich, wie Eisler seine Arbeit im Exil auffaßte: als künstlerische Produktion im Vorfeld des neuen sozialistischen Deutschland. Die Exilwerke Eislers - komponiert mit der Gewißheit erst viel späterer Aufführungsmöglichkeit sind Ausdruck dieser Haltung, die ideologische Position des Komponisten findet sich in ihnen wieder. Die theoretischen Überlegungen der Exiljahre, das ästhetische Ringen um die Möglichkeit einer neuen Funktion der modernen Musik, führte in der Kompositionspraxis zu zahlreichen Instrumental- und Vokalwerken mit z. T. komplizierter musikalischer Faktur. Die Rezeption dieser Werke durch die breiten Massen der Hörer ist auch nach dem Sieg der Arbeiterklasse noch nicht vollzogen - es bedarf weiterhin, auch aus heutiger Sicht, großer Anstrengungen, um Eislers Absichten durch seine Musik zu verwirklichen. Eisler selbst hat in seinem Schaffen nach 1949 diesen Fakt 122

berücksichtigt, der von ihm im Gespräch mk Bunge gebrauchte Terminus der „Zurücknahme" - seitdem viel zitiert - ist jedoch nicht als Resignation aufzufassen, sondern als neue Überlegung zur Frage des „Einfachen, das schwer zu machen ist" (Brecht). Eisler selbst hat sich über die Dialektik von Schlichtem und Simplem in einem bisher wenig beachteten Gespräch zu den Neuen Deutschen Volksliedern geäußert.292 Das seit dem Übergang zum Marxismus klar bestimmte Ziel des Komponisten, eine Musik fair die Arbeiterklasse zu schreiben, ist gradlinig von den Kampfliedern über das Exilwerk bis zum Schaffen in der DDR erkennbar. Die unterschiedlichen musikalischen Mittel entsprechen dabei der jeweiligen ästhetischen Position Eislers. Einen Bruch zwischen den drei wesentlichen Schaffensperioden zu konstruieren, wie das neuerdings besonders von ultralinks getan wird, ist angesichts Eislers ästhetischer Äußerungen und seiner Werke schlechthin unmöglich - es sei denn, man geht unwissenschaftlich vor und überbewertet einzelne zugespitzte Gesprächsäußerungen des begeisterten Diskutanten und Polemikers aus den Bunge-Gesprächen. Die Weite und Vielfalt des Eislerschen Werkes wird stets durch das übergreifende Element der eindeutigen ideologischen Position bestimmt. Verliert man dies (bewußt oder unbewußt) aus den Augen, ist der Fehlinterpretation Tür und Tor geöffnet. Schmerzlich berührt es freilich, daß die Aufführung vieler bedeutender Instrumentalwerke der Exiljahre auch heute noch nicht zur Selbstverständlichkeit unserer sozialistischen Musikkultur gehört, daß Eislers Gesprächsformulierung „Sie müssen zugeben, 1934 Werke anzufangen, die dann . . . vielleicht erst bei mir 1970 gespielt werden, dazu gehört ein langer Atem"293 auch heute noch nicht gegenstandslos geworden ist. So erfreulich die Zunahme der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Eisler, die Edition seiner Werke in Büchern, Noten und auf Schallplatten ist, so viel haben wir auf dem Gebiet der Aufführung und Aneignung des Gesamtwerkes noch zu leisten. Ohne eine Gesamtaufzählung vorzunehmen, sollen nachfolgend einige der wichtigsten Werke der Jahre 1938 bis 1948 genannt werden, dabei Klemrns Werkverzeichnis als bisher exaktestem Material folgend. 294 Die Deutsche Sinfonie op. 50, entstanden ab 1935, ist das bedeutendste Exilwerk Hanns Eislers und darüber hinaus wohl das wichtigste musikalische Werk der deutschen antifaschistischen Emigration überhaupt. Im instrumentalen Bereich sind weiter zu nennen di e Fünf Or ehester stücke von 1938 und die Kammer sinfonie von 1940 sowie 123

die kammermusikalischen Werke Streichquartett op. 75 (1938), Nonett Nr. 1. (1939), Septett Nr. 1 (1940), Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben op. 70 (1941), Nonett Nr. 2 (1941) und Septett Nr. 2 (1947) - z. T. im Ergebnis der Filmarbeit entstanden. Das Vokalwerk 'der amerikanischen Jahre ist umfangreich, neben dem Woodburry-Liederbüchlein entstanden annähernd „200 Lieder für eine Singstimme und Klavier, . . . eine Liedersammlung, die man als klingendes Tagebuch bezeichnen kann" 295 *. Dieses Liedwerk umfaßt zahlreiche Vertonungen Brechtscher Gedichte und entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Freund und Dichter. Eisler hatte vor, die Lieder in einem Hollywooder Liederbuch zu sammeln und zu veröffentlichen, ein Plan, den er später wieder fallenließ. Daneben entstanden Musiken zu neun Spielfilmen und zahlreiche Bühnenmusiken. Wir wollen nachfolgend einige dieser Werke als charakteristische und stellvertretende Beispiele für Eislers Exilschaffen näher betrachten. Dabei ist weniger die musikalische Analyse das Ziel als vielmehr das Sichtbarmachen der Übereinstimmung von politischer, ästhetischer und kompositorischer Haltung, der Nachweis also von Eislers ideologischer Position im Musikalischen. Die Deutsche Sinfonie, Eislers bedeutendstes Werk, ist gleichzeitig eines der am seltensten aufgeführten - ein Widerspruch, der wohl weniger in der oft bemühten „Kompliziertheit" des Werkes, im nötigen aufwendigen Apparat begründet liegt (denn der gleiche Apparat steht für die zahlreichen Aufführungen vergleichbarer klassischer Werke doch stets zur Verfügung!) als vielmehr in der mangelnden EislerPflege unserer Orchester. Eine veröffentlichte Schallplatteneinspielung des Rundfunksinfonieorchesters Leipzig und veröffentlichte Teile der Partitur ermöglichen zwar die Beschäftigung mit dem Werk, aber selbst zur offiziellen Eisler-Ehrung 1973 gab es in der D D R nur eine (!) Aufführung in Halle. Die Aufarbeitung des sozialistischen Musikerbes - und die Deutsche Sinfonie markiert einen Gipfel dieses Erbes - hat gegenüber den anderen Künsten erhebliche Rückstände aufzuweisen. Eisler komponierte die Deutsche Sinfonie von 1935 bis 1937 (Teil 1 bis 9), von 1938 bis 1947 (Teil 10 und Überarbeitungen 1 bis 9) und fügte anläßlich der Uraufführung am 24. April 1959 Anfang 1959 einen Epilog an. 296 * Schon die Tatsache dieser jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Werk weist ihm eine besondere Bedeutung im Gesamtwerk zu. Bereits der Titel ist Programm und verweist auf die zentrale Thematik der emigrierten Künstler: die Auseinander124

Setzung mit Deutschland, sowohl in der Bewahrung der humanistischen Werte der Kultur als in der scharfen Anprangerung der faschistischen Herrschaftsmethoden, der Anklage des Faschismus mit Mitteln der Kunst. Hier steht Eislers Deutsche Sinfonie in einer Reihe etwa mit Heinrich Manns Henri Quatre-Romanen, Lion Feuchtwangers Wartesaal-Xyklus, Thomas Manns Joseph-Tetralogie, Anna Seghers' Siebtem Kreuz, Bertolt Brechts Furcht und Elend des dritten Reiches oder Johannes R. Bechers Sonetten im Exil - nur mit dem Unterschied, daß alle genannten Bücher und Stücke heute weit mehr in der sozialistischen Gesellschaft angeeignet sind als Eislers Sinfonie. Diese führt die Auseinandersetzung, das Ringen um Deutschland, von den Grundpositionen des Kommunisten aus, mit jener schmerzlichen Siegeszuversicht, die die Trauer um Deutschland vereint mit dem Fröhlichsein dessen, der um die historische Perspektive weiß - um zwei Worte am Bechers berühmtem Vers zu benutzen, der Eisler sehr beeindruckte: „Ich kann sagen, daß es (1935 - J. S.) ein sehr großer Eindruck für mich war, als die Sonette Klagen um Deutschland erschienen. Das las ich in New York, und ich schrieb ihm (Becher - J. S.) einen Brief darüber, wie großartig ich das fand."297 Die Deutsche Sinfonie bedient sich nicht des herkömmlichen sinfonischen Zyklus - sie ist ein großangelegtes zyklisches Werk, dessen elf Teile sowohl die verschiedensten vokalsinfonischen Formen benutzen als auch rein sinfonische Sätze. Über das Wort-TonVerhältnis im Werk hat Reinhard Szeskus eingehend geschrieben298, außer den dort genannten Beweggründen für die Verwendung so verschiedener Wort-Ton-Verbindungen scheint die Feststellung wichtig zu sein, daß Eislers Neuerertum (er beschäftigte sich gerade in den Jahren ab 1935 eingehend mit der Krise der bürgerlichen Musik und dem Verfall der althergebrachten musikalischen Formen) in der Deutschen Sinfonie danach strebte, die verschiedensten musikalischen Mittel zur Gestaltung der Deutschland-Thematik zu benutzen, sie nach ihrer Brauchbarkeit im Sinne der ästhetischen Überlegungen zu befragen. Wenn der Gesamteindruck des Werkes dennoch ein sehr geschlossener ist, spricht das für die Meisterschaft des Komponisten. Nicht zufällig auch ist die Verwendung der Texte: Neben Bertolt Brecht, von dem die meisten Vorlagen stammen, werden ein altes deutsches Bauernlied sowie eigene Texte Eislers verwendet. Die musikalische Einrichtung, Veränderung und Kompilation der Originaltexte - ein für Eisler charakteristisches Schaffensprinzip - ist ebenfalls von Szeskus anhand zahlreicher Beispiele erläutert worden. 125

Der gedankliche Aufbau des Werkes zeigt Eislers tiefes marxistisches Eindringen in die historischen Zusammenhänge. Zunächst werden im Präludium die „Leiden an Deutschland" formuliert, Bertolt Brechts poetisches Bild von der „besudelten, bleichen Mutter" wird musikalisch als Chorsatz gestaltet, umschlossen von zwei den Hörer sofort packenden orchestralen Largo-Partien 299 . Deutschland ist besudelt vom „Blut seiner besten Söhne" - die antifaschistische Grundhaltung des Werkes und die Siegeszuversicht werden musikalisch verdeutlicht durch ein von den Trompeten vorgetragenes Zitat des Anfangs der Internationale im Teil A I des Präludiums. Nach dem Präludium, dem klagenden Beginn, erfolgt sofort die Konkretisierung der Klage in eine Anklage gegen die Faschisten und ihren Terror und ein Hohelied auf die „wahren Führer Deutschlands", die in den Konzentrationslagern schmachtenden Antifaschisten. D i e Sicht des Komponisten ist historisch-materialistisch, weit entfernt von der kontemplativen Geschichtsauffassung, wie sie sich etwa in Schönbergs Ode to Napoleon Buonaparte oder in Hindemiths Requiem When Lilacs Last In The Door-Yard Bloomed im Exil äußert. Logisch schließt sich im Teil 4 Erinnerung die Frage an, wie es zum Faschismus kommen konnte. Brechts Gedicht 2 « Potsdam unter den Eichen wird dazu von Eisler als durchkomponierte Solokantate gestaltet, ein Chorteil akzentuiert die eindringliche Mahnung an den Hörer: So hat es angefangen, wir haben diesen militanten Anfängen nicht genügend Widerstand entgegengesetzt. Danach folgt nochmals - im Teil 5 - die Darstellung der Leiden in den Konzentrationslagern, gestaltet nach Brechts Gedicht Sonnenburg, jetzt aber wird als Fortführung der Gedanken aus dem Teil 2 am Schluß der dreiteiligen Solo-Kantate nach der Beschreibung des Kampfes der Häftlinge die historische Perspektive gezeigt, die aktivierende Weiterführung von Klage und Heldenlied: der arme, magere Mann muß aus den Ketten gerissen werden, „dann hätte in Sonnenburg das Lager einen Nutzen, wenn die Reichen den Armen die Stiefel putzen". Eislers Musik dazu ist nüchtern und von unsentimentaler Melodik, immer wieder gibt es Momente - im Brechtschen Sinne die Drehpunkte dieses Teils - , an denen Eisler die Sänger (Bariton und Mezzosopran alternierend) anweist, „freundlich" zu singen, einen Gestus einzunehmen, der dem Hörer gesellschaftliche Einsichten ohne dozierenden Ton vermittelt. Die Entwicklung Eislers ist auch hier wieder sichtbar: für die Vermittlung ebenderselben gesellschaftlichen Einsichten hatten die Chöre der Maßnahme von 126

1931 noch die Anweisung, „Kalt und scharf zu singen". Der anschließende Teil 6 - ebenso wie die Teile 3 und 10 rein instrumental - gestaltet die Dialektik von Hoffnung und Trauer, Leiden und Zuversicht. Zuerst wird im getragenen Allegretto das Passacaglia-Thema aus Teil 2 aufgenommen, daran schließt sich ein neues, weiträumiges Thema, das Eislers Ringen um Deutschland musikalisch ausdrückt. Dem folgenden Teil 7 liegt Brechts Gedicht Begräbnis des Hetzers im Zinksarg zugrunde - nach der Darstellung von Leiden und Größe der antifaschistischen Kämpfer folgt jetzt die offene Bloßstellung der infamen faschistischen Propaganda, die „Hetzer" und „Untermensch" dort gebraucht, wo „Held" und „Kämpfer" die eigentlich treffenden Begriffe sind. Eislers Musik stellt die Antinomie zu den lapidaren Textzeilen großartig her. Eine direkt vom Kampfliedstil abgeleitete Musik liefert den Kontext zum Wort. Danach folgt als Teil 8 eine Bauernkantate, die den Faschismus in den Teilen A und B im übertragenen, überhöhten Sinne anspricht („Ein armer Mann ist nie in Sicherheit, hat man ein Haus, kommt ein Erdbeben"), Teil C bringt Flüstergespräche aus dem faschistischen Deutschland, und die Kantate endet im Teil D mit dem aufrüttelnden Lied Bauer steh auf!, das kämpf musikartig aktivierende antifaschistische Wirkung ausübt. Teil 9 ist der umfangreichste des ganzen Werkes, Eisler nennt ihn Arbeiterkantate und legt eines der bedeutendsten Brechtschen Exilgedichte zugrunde, das Lied vom Klassenfeind, das er früher bereits als Lied vertont hatte. Wort und Musik, Soli, Chor und Orchester, liefern eine dialektische Beschreibung des Klassenkampfes der deutschen Arbeiter bis zum Ausbruch des Faschismus. „General, Fabrikant und Junker - unser Feind, der bist du!" - Diese Schlußzeilen des Chores sind das musikalisch formulierte Programm. Der sich anschließende Teil 10 ist ein kompliziertes Allegro für Orchester, das bei aller Kleingliedrigkeit der motivischen Verarbeitung, bei aller konstruktiven Dichte dennoch jenen dialektischen Gestus von Leid und Zuversicht besitzt, der das gesamte Werk auszeichnet. Der abschließende Teil 11 ist ein Epilog auf einen Vierzeiler aus Brechts Kriegsfibel. Für die Aufführung empfiehlt Eisler die Projektion eines Fotos aus diesem 1955 erschienenen Buch. Angesichts des Textes „Seht unsre Söhne taub und blutbefleckt/ . . . Wärmt sie, es ist ihnen kalt." und des bekannten Fotos halberfrorener deutscher Soldaten vor Stalingrad formuliert die Musik des Jahres 1958 einen freundlichen Gestus: Bei aller Tragik des Geschehenen waren es 127

doch immer auch Deutsche, die von den faschistischen Führern irregeleitet worden waren. Die etwa zur gleichen Zeit entstandene Winterschlacht-Musik verfährt ähnlich. So schließt sich der ideelle Bogen der Deutschen Sinfonie: Das Leiden für Deutschland, die Entsagungen und Kämpfe der deutschen Antifaschisten haben dem deutschen Volk mit der Zerschlagung des Faschismus eine neue Perspektive gegeben. Das Werk ist fast durchgängig zwölftönig geschrieben. Was Eisler in seiner Ästhetik formulierte, ist hier meisterhaft vollzogen: Es werden Formen und Elemente der modernen bürgerlichen Kompositionstechnik verwendet, die jedoch in ihrer Variation und durch den neuen Inhalt, zu dessen Ausdruck sie verwendet werden, „für die fortgeschrittensten gesellschaftlichen Ziele" nutzbar werden. Eisler übernimmt zwar bestimmte Elemente der Dodekaphonie, er arbeitet mit zwölftönigen Reihen, mit Umkehrung, Krebs und Spiegelkrebs, er verwendet Augmentation und Diminution, aber er verwendet diese Elemente auf neuartige Weise. Oft handhabt Eisler die Anlage der Reihen-Themen zu tonalen Ausdehnungen im mehrstimmigen Satz, oft prägt er die Reihensegmente so, daß sie „Dreiklangbildungen, tonale Fortschreitungen, Leittonwirkungen und ähnliches enthalten, damit aber auch eine Brücke zur musikgeschichtlichen Tradition herstellen"^. An mehreren Stellen des Werkes finden sich auch Kampfliedintonationen. Eisler ist im zitierten Sinne seiner Ästhetik nie Sklave der Technik, sondern er benutzt diese souverän für seine Zwecke: für die gesellschaftliche Aktivierung seines Hörers mit Mitteln der Musik. Insofern ist die gesamte Deutsche Sinfonie eine großartige und souveräne kompositorisch-ästhetische Einheit. Die Textbearbeitung Eislers für die Einrichtung der Sinfonie - einer eigenen Betrachtung wert - ist ein wichtiges Beispiel für Eislers Umgang mit dem Text, für die von ihm bevorzugte Methode beim Komponieren von Vokalmusik. Er selbst meinte dazu: „Das ist keine wissenschaftliche Methode, das ist eine künstlerische . . . Es verlangt . . . eine gewisse Lebenserfahrung. Und zwar Lebenserfahrung nicht des Spießbürgers, im spießbürgerlichen Sinne, sondern Lebenserfahrung eines alten Kommunisten. Er muß genau wissen: worauf es ankommt, was kann er sagen - und was nützt das Gesagte. In diesem Fall wird das Gesagte nützen: Die Bereicherung eines sozialistischen Zuhörers."301 Eisler kürzt, stellt um, kompiliert im Interesse der musikalischen Dramaturgie, der Sangbarkeit und nicht zuletzt der gesellschaftlichen 128

Konkretisierung. Wie Eisler hier die „Verbindung von bewußter Einfachheit und strengster Durchformung" 302 schafft, kann meisterhaft genannt werden. Die Musik der Deutschen Sinfonie nimmt insgesamt eine heroische Haltung ein, sie beschreibt die Leiden der Kämpfer und gleichzeitig ihre Größe. Klar verspürbar durch den Hörer wird die historische Perspektive, Geschichtsabläufe werden mit Mitteln der Kunst erlebbar - eben das verstehen wir unter dem Ausdruck der ideologischen Position des Komponisten im Musikalischen. Zu Eislers Freunden in den USA gehörten der Musikpädagoge Dr. Joachim Schumacher und seine Gattin, die Pianistin Sylvia Schumacher. Eisler hatte bereits seit 1938 - damals wohnten die Schumachers im New Yorker Vorort Valley Cottage - engen Kontakt mit ihnen. Zu diesem Kreis gehörte damals auch Ernst Bloch, dessen Sohn, der von Bloch stets „Herr Meyer" tituliert wurde, Eisler 1938 die Kantate zu Herrn Meyers erstem Geburtstag gewidmet hatte. 1940 zogen die Schumachers in das ca. vierhundert Kilometer von New York entfernte Woodburry, Joachim Schumacher hatte dort eine Anstellung als Musiklehrer in der Mädchenschule des Ortes angenommen. Im Mai 1941 lud die Familie Schumacher die Eislers ein, einige Sommermonate in Woodburry zu verbringen. Da Louise Eisler gerade eine Arbeit als Erzieherin und Sprachlehrerin in New York hatte, die für den Lebensunterhalt wichtig war, reiste Eisler allein und lebte vom 15. Juni bis 30. September in Woodburry. In dieser Zeit entstand das Woodburry-Liederbüchlein, eine Folge von zwanzig chorischen Miniaturen für Frauenchor a cappella. Das Werk ist bisher zu Unrecht wenig beachtet worden 303 *, gerade im Zusammenhang mit der ästhetischen Entwicklung in den USA-Jahren gewinnt es stark an Bedeutung und ist eine wichtige Station auf dem Wege zum Nachkriegsschaffen. Bemerkenswert ist bereits die Zusammenstellung der einzelnen Beiträge des Liederbuches. Es enthält sechzehn Vertonungen amerikanischer Kinderlieder aus einem Nursery rhymesBuch, einer weitverbreiteten amerikanischen Sammlung von Kinderversen und -gedichten. Dazu stellt Eisler drei von ihm bearbeitete Texte der deutschen Klassik (Nr. 16 An den Schlaf - nach Mörike/ Nr. 18 Ode an die Langeweile - nach Goethe und Schubert/Nr. 19 Sommer adieu - Nach Des Knaben Wunderhorn - 3 0 4 J und als Nr. 17 Zwei Sprüche für Lou, die er nach Texten von Ignacio Silone schuf. In dem zitierten Zeitungsinterview von 1948 hatte Eisler bezeugt, daß ihn in den USA Stoffe, die aus dem Volke kamen, besonders interessiert haben. Zweifellos gehörten die Nursery rhymes dazu, die 9

Hanns Eisler

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Eisler bereits 1940 bei der Arbeit an der Filmmusik zu den Kinderszenen und dem daraus hervorgegangenen Septett Nr. 1 intensiv beschäftigt hatten. Gleichzeitig verweist die Benutzung von Mörike, Goethe, Schubert, Arnim und Brentano auf die Bemühungen des Emigranten, das deutsche humanistische Erbe zu bewahren und produktiv zu pflegen - auf die eminent politische Bedeutung dieser Haltung nicht nur bei Eisler haben wir bereits hingewiesen. Die Langeweile als ein Motiv künstlerischer Produktion im Exil (Ode an die Langeweile) hat Eisler später bezeugt: „Was soll ich denn ab acht Uhr früh machen in der Emigration außer komponieren? . . . Mit einem Wort: die größte Inspiration der Emigration ist nicht nur unsere Einsicht in die Klassenverhältnisse, unser echter und - ich hoffe anständiger Kampf gegen den Faschismus, für den Sozialismus, sondern die quälende . . . Langeweile eines Emigranten, der zwölf Stunden lang nur sich betrachten kann. Das ist produktive Kraft. Heute produzieren wir viel weniger, weil es in der DDR gar nicht langweilig ist."305 So gewinnt das kleine Lied große Bedeutung für eine wichtige Haltung Eislers in den Exiljahren: „Du holdes Kind, o zehnte Muse/ Göttin der Langeweile, sei mir gegrüßt / Durch wieviel traurige Stunden / Hast du mich sanft hindurchgeführt / Du holdes Kind, ich danke dir." Exemplarisch sind auch die Zwei Sprüche Nr. 17,Lou (d. ¡.Louise Eisler) gewidmet. Auf dem Autograph findet sich der Vermerk „Geschrieben nach einer Zeitungsnachricht, die nicht gut war", und es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß damit der Überfall der Faschisten auf die UdSSR am 22. Juni 1941 gemeint ist. Damit entschlüsseln sich die beiden Chorsätze als eminent politische Werke. Im zweiten Spruch (nach Silone) heißt es: „Da sagten die Leute: Schlechtes Wetter geht vorüber / und setzten sich im Regen nieder. / Da sagte ich: Freunde, laßt uns lieber weiterwandern / und setzte mich im Regen nieder zu den anderen / Nun sitzen im Regen wir hier, im endlosen Regen." Der Überfall auf die UdSSR und die Anfangserfolge des faschistischen Feldzuges gegen die Sowjetunion gehörten zu den schwersten Stunden der deutschen Antifaschisten im Exil. Trotz der Gewißheit um die historische Vergänglichkeit des „braunen Spuks" (Brecht) brachten diese Ereignisse lange Momente der Niedergeschlagenheit für die Emigranten mit sich. Die beiden Sprüche im WoodburryLiederbüchlein - bewußt eingebettet in die heitere Sorglosigkeit der Kinderlieder - sind beredter künstlerischer Ausdruck dieser Situation. Auch musikalisch sind die beiden „Sprüche" deutlich gegen 130

die anderen Chöre abgesetzt. Während Kinderlieder und KlassikAdaptionen in reiner Funktionsharmonik komponiert sind, treten in den Sprüchen zum einzigen Mal kräftige Dissonanzen auf. Daß Eisler diese beiden Sätze in das Liederbüchlein aufnahm, zeigt den politischen Künstler. Ein unbeschwertes Phantasieren über amerikanische Kinderlieder ist 1941 nicht möglich, zu sehr ist der Faschismus, der Eisler aus Deutschland vertrieben hat, auch in Woodburry gegenwärtig. Die Komposition des Woodburry-Liederbüchleins ist von höchst durchdachter Einfachheit, sie nimmt 1941 bereits Positionen ein, die Eislers Schaffen nach 1949, seine Suche nach einer neuen Volkstümlichkeit, auszeichnen. Bereits hier trifft zu, was der Komponist später in bezug auf die Neuen deutschen Volkslieder äußerte: „Sie (die Gedichte Bechers - J. S.) haben den Tonfall der Einfachheit und der Schlichtheit trotz eines oft differenzierten Inhalts . . . In der Musik ist es ähnlich. Die Musik zu den Volksliedern ist gar nicht so simpel . . . So einfach geht das dort nicht zu. Aber der Ton der Schlichtheit, des Nichtprätentiösen, des Nichtliterarischen und des Nicht-Konzertgemäßen (konzertgemäß im schlechten Sinne verstanden) ist . . . in diesen Liedern getroffen."306 Die Lieder des Woodburry-Liederbüchleins stellen eine bedeutende Leistung auf dem Wege Eislers zu den Nachkriegspositionen dar, sie als Gelegenheitsarbeit oder Fingerübung abzutun, ist weitgefehlt. W oodburryLiederbüchlein und Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben, beide etwa gleichzeitig in den USA entstanden, vermögen außerdem besser als Worte über Weite und Vielfalt Eislerscher Musik Auskunft zu geben. Eislers Liedschaffen in den USA ist von großer quantitativer wie qualitativer Vielfalt, es ist sehr schwer, anstelle einer gründlichen Gesamtdarstellung hier exemplarisch einige wenige Lieder auszuwählen. Der ursprüngliche Plan eines Hollywooder Liederbuches, für das das Vorwort schon entworfen war und dessen Veröffentlichung Eisler vorbereitete307, wurde jedoch mit der Herausgabe der Lieder und Kantaten offenbar fallengelassen. Drei Hauptgruppen von Liedern (wenn eine solche Klassifizierung überhaupt möglich ist) entstanden im Exil in den USA: - Lieder, die analog zur Funktion der Kampflieder unter den veränderten politischen Bedingungen des Exils aktuelle politische Ereignisse aufgriffen und zur Exilsituation Stellung nahmen; - Lieder, die die Reflexion und Auseinandersetzung mit dem humanistischen deutschen Geistesgut unter aktuellen Bezügen zum Inhalt haben; 9*

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- Lieder, die sich kritisch mit dem kapitalistischen Kulturbetrieb des Gastlandes beschäftigten. Der wichtigste Textautor war Bertolt Brecht, über die ungeheuer produktive Wechselbeziehung der beiden befreundeten Künstler wurde bereits berichtet. Für die zweite genannte Liedgruppe sind Hölderlin, Mörike und die Anakreontiker von besonderer Bedeutung, jedoch reicht die Palette der verwendeten Texte auch ins 20. Jahrhundert, etwa zu Karl Kraus. Das Liedwerk ist ebenso wie die Deutsche Sinfonie und die Instrumentalwerke Bestandteil von Eislers künstlerischem Beitrag zur sozialistischen deutschen Kultur im Exil. Zwar war sich der Komponist unter den geschilderten Emigrationsbedingungen in den USA, zunehmend ab 1941, darüber im klaren, daß die meisten dieser Lieder für kommende Zeiten geschrieben wurden und in den USA keine Aufführungschancen hatten, doch verstand Eisler gerade die Lieder als äußerst aktuelle und operative Beiträge zum antifaschistischen Kampf. So finden sich auf zwei Autographen die Bemerkungen „Für Radiosendungen nach Deutschland"308 und „Vier Lieder für Kurzwellensendung nach Deutschland"309. Diese Notizen stammen aus dem Jahre 1943, also aus der Zeit, in der Thomas Mann in Kalifornien seine Rundfunkreden Deutsche Hörer! für die BBC auf Band sprach. Es ist noch ungeklärt, ob Eisler Kontakte zur BBC hatte und ob etwa einige seiner Lieder gesendet wurden oder ob die Notizen lediglich einen Wunsch des Komponisten darstellen. Die musikalische Gestaltung der Lieder ist so unterschiedlich wie ihre Sujets. Eislers Bemerkung aus dem Filmbuch, der Komponist müsse genau wissen, wo er welche Kompositionstechnik anwenden könne, ist auch in seinem Liedwerk exemplarisch umgesetzt. Neben Liedern in Zwölftontechnik stehen solche in freier Tonalität, stehen Werke der Funktionsharmonik und im klassischen Liedstil. Eislers Exillieder verraten die solistische Handhabung der Technik des Komponierens, die nie zum Selbstzweck gerät, sondern entsprechend dem Inhalt und der Funktion des Liedes zum Einsatz kommt. Es sei der Versuch unternommen, drei Lieder etwas näher zu betrachten, die in den Jahren 1939 bzw. 1942 entstanden sind. Dabei wird bewußt kein Lied aus der Gruppe der Klassikadaptionen gewählt, da Eisler anhand seiner Hölderlin-Bearbeitungen dazu selbst umfangreich mit seiner brillanten analytischen Kunst Stellung genommen hat310 und eine instruktive Arbeit von Manfred Grabs dazu vorliegt.311 Wir wählen ein Lied der Reflexion über das Exil (Spruch 1939), ein Lied 132

zu einem aktuellen politischen Ereignis (In Sturmesnacht) sowie ein Lied aus den Hollywood-Elegien. Spruch 1939 ist die Vertonung eines der Svendborger Gedichte Brechts. Es steht dort als Motto über dem zweiten Teil. Interessant ist zunächst wieder, wie Eisler selbst einen so unprätentiösen Vierzeiler verändert. Stellen wir die beiden Fassungen nebeneinander: Brecht In den finsteren Zeiten Wird da auch gesungen werden? Da wird auch gesungen werden Von den finsteren Zeiten31^

Eisler In den finsteren Zeiten Wird da noch gesungen werden? Ja! Da wird gesungen werden Von den finsteren Zeiten313

Indem Eisler 'auch' gegen 'noch' austauscht, verstärkt er die Drohung, die mit den finsteren Zeiten daherkommt; es ist nicht zu fragen, ob da neben anderem 'auch' gesungen wird, die Frage lautet vielmehr, ob da überhaupt 'noch' gesungen werden kann. Um so entschiedener dann die kräftige Bejahung der Frage durch das von Eisler hinzugefügte 'Ja!' Und nun fällt sogar das 'noch' gänzlich weg: „Ja! Da wird gesungen werden" heißt im Eislerschen Sinne: Nun erst recht! Ein kleines weiteres Beispiel für die Dialektik in Eislers Textbehandlung. Die Kompositionsweise des Liedes ist rein dodekaphonisch, alles steht im Zeichen strengster Konstruktion. Das Lied beginnt mit einem achttaktigen Klaviervorspiel, das zunächst die zwölftönige Grundreihe vorstellt; ab Takt 9 folgt die Umkehrung der Grundreihe in der Singstimme. Nach zwei Zwischentakten bringt wiederum die Singstimme den Krebs und kurz darauf den Spiegelkrebs. In den drei Schlußtakten des Klaviernachspiels folgt nochmals die Umkehrung des Grundthemas, von wuchtigen Oktavakkorden der linken Hand vorgetragen. Trotz der kompliziert verzahnten Konstruktion erreicht Eisler durch die „ohne Sentimentalität" vorzutragende kontrapunktische Entgegensetzung von Gesang und Klavier einen Gestus des Nachdenklichen, des Reflektierenden, der in vielen Exilliedern anzutreffen ist und genau die Situation des Emigranten trifft und nachvollziehbar werden läßt. Allerdings ist die Starre des Konstruktionsprinzips bei diesem Lied von Eisler in vielen anderen Liedern gelockert worden. 1942 entstand das Lied In Sturmesnacht (Lied vom Juli 1942) nach dem gleichnamigen Gedicht von Brecht. Dieses Lied kommentiert die Kriegsereignisse des Sommers 1942 an der Front in der Sowjet133

union. Es zitiert Stalins berühmten Satz aus dem Tagesbefehl an die Rote Armee vom 23. Februar 1942: „Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk bleibt bestehen" (bei Brecht: bestehet). Im Juli 1942 war es der Roten Armee gelungen, die neue Offensive der Faschisten, die zu den kaukasischen Ölfeldern vorstoßen wollten, bei Grosny zum Stillstand zu bringen. Später ermöglichte dieser Stillstand der Front die Gegenoffensive und Wende des Krieges bei Stalingrad. Nach den monatelangen Meldungen vom Vorwärtsrollen der faschistischen Kriegsmaschine bedeutete diese Nachricht für die Emigranten neue Hoffnung. So kann man das vorliegende Lied als poetische Formulierung dieser Hoffnung interpretieren: „In Sturmesnacht, in dunkler Nacht / ist ein Reis erblühet. / In Ängsten bin ich aufgewacht / und fand das Reis erblühet. / Der Hitlerspuk, der blutige Spuk / wird auch einst sein verwehet / 'Die Hitler kommen und gehen / das deutsche Volk bestehet.' / Der Hitler wird verjaget sein / wenn wir uns nur bemühen / und unser liebes Deutschland / wird wieder blühen." Gegenüber Brechts Text verändert Eisler lediglich die letzte Zeile. Aus 'wieder' wird bei Eisler 'endlich allen' - die lange Zeit des Wartens und Hoffens wird verstärkt in dem Wort 'endlich' ausgedrückt. Der bewußt an alte Volkslieder angenäherten Diktion des Textes entspricht Eisler mit einer klassisch einfachen, ebenfalls am Volkslied geschulten Liedkamposition. Die drei Gedichtstrophen werden in der Form A-A1-A2 in unmittelbarer Abfolge komponiert. Die Melodie ist einfach singbar, sofort verständlich und im echten Sinne volksliedhaft, im Umfang von nur wenigen Tönen komponiert. Das reine a-Moll und der ruhige %-Takt vermitteln große Wärme und Sicherheit. Die sparsame Klavierbegleitung mit ihren reinen Dreiklängen assoziiert wiederum - wie schon in einigen Sätzen des Woodburry-Liederbüchleins - Vergleiche zu Eislers späteren Liedern, etwa zu Texten von Becher und Strittmatter. Dies festzuhalten ist deshalb wichtig, weil es nicht an Versuchen fehlt, gerade diese Entwicklungslinie im Eislerschen Werk bewußt abzuqualifizieren. Das Gegenteil ist richtig: Hier äußert sich - bereits ab 1941 eine neue reife Qualität des Komponisten, echte und große Volkstümlichkeit auf durchaus neue Weise. Das Lied In Sturmesnacht ist dafür ein treffliches Beispiel. Bei der Schlußzeile „Unser liebes Deutschland" läßt Eisler ein Brahms-Zitat anklingen (aus dem Chorsatz In stiller Nacht), andeutend, wie sehr ihm dieses Deutschland mit all seiner kulturellen Tradition und seinen Meistern am Herzen liegt. 134

Betrachten wir abschließend eine Komposition aus dem gleichen Jahr 1942, das Lied Nr. II aus den Hollywood-Elegien. Hier finden wir einen der nicht häufigen Fälle, in denen Eisler den Brecht-Text ohne jede Veränderung komponiert: „Die Stadt ist nach den Engeln genannt / und man begegnet allenthalben Engeln / Sie riechen nach Öl und tragen goldene Pessare / Und mit blauen Ringen um die Augen / Füttern sie allmorgendlich die Schreiber in ihren Schwimmpfühlen."314 Die Hollywood-Elegien, Stücke voll beißender enthüllender Ironie, entstanden kurz nach Eislers Umzug an die Westküste und dem Wiederbeginn der intensiven Zusammenarbeit mit Brecht. Sie sind - obwohl beide Künstler zum Zeitpunkt des Entstehens erst kurze Zeit in Hollywood lebten - eine äußerst treffende tiefgründige und zugespitzte Demaskierung des Filmindustriebetriebs, der kommerziellen Wolfsgesetze, von denen die Stadt beherrscht wird. Eisler sagte dazu: „In diesem trübsinnigen ewigen Frühling in Hollywood sagte ich Brecht . . .: 'Das ist der klassische Ort, wo man Elegien schreiben muß . . . Man ist nicht ungestraft in Hollywood. Man muß das . . . beschreiben.' . . . Und das hat wirklich eine Distanz ganz außerordentlicher Art . . . In dieser, seltsamen, getünchten Idylle muß man sich auch knapp ausdrücken . . . Das führte zu diesem ganz knappen und konzisen Stil als Gegengift."315 Die Hollywood-Elegien umfassen sieben Lieder, hinzuzurechnen ist das Lied Hollywood, das bereits etwas eher entstand. Die Abweichungen von Brechts Texten sind erheblich, lediglich das hier zu besprechende zweite Lied des Zyklus ist im Text ohne Änderung übernommen. Ziel aller Lieder ist die äußerste Bloßstellung des zu Beschreibenden. Eislers Musik - in freier Tonalität - erzeugt dies treffend. Die Absicht des Komponisten wird bereits aus der Anweisung „Mit finsterem Schmalz vorzutragen" deutlich: die Kritik des Hörers soll „hinter die Dinge" kommen können. Das einteilige, vierundzwanzig Takte umfassende Lied im 3/.i~Takt, der lediglich im Takt 3 und 4 von 4/4 abgelöst wird, beginnt quasi rezitativisch. Bereits die einleitende Sequenz der Singstimme erzeugt den Gestus von etwas gekünstelt Großartigem. Die folgenden großen Intervallsprünge der Melodie heben jeweils die Punkte hervor, die voller beißendem Spott dem Hörer das „Dazwischenkommen" (Brecht) ermöglichen sollen. In äußerster Verknappung und ständig wechselnder Harmonik liefert die Musik mit ihren Mitteln eine Verstärkung der Aussage des Textes, tritt diesmal nicht in kontrapunktischen Gegensatz zu diesem, sondern bedient ihn gleichsam verstärkend. Die Hollywood-Elegien sind auf ihre Weise 135

in meisterhafter - allerdings nicht sofort eingänglicher Form - ein Beitrag zum Abbau der Traumstadt-Idylle. Äußerste Desillusion einer großen Illusion wird angestrebt und beim Hörer erreicht. Die wichtigste Spielfilmmusik Eislers in den USA entstand zu Fritz Längs Hangmen also die im Jahre 1941. Eine umfängliche Analyse der amerikanischen Spielfilmmusiken Eislers ist derzeit noch nicht möglich, da die vollständigen Partituren nicht im Hanns-Eisler-Archiv, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Archiven der Filmproduzenten liegen. Eine Rekonstruktion anhand der Filme ist ebenfalls nicht möglich, da die Kopien in der DDR nicht zugänglich sind. Eine Ausnahme bildet der Fritz-Lang-Film Hangmen also die, von dem sich eine - allerdings leider verstümmelte und unvollständige - Kopie im Staatlichen Filmarchiv befindet. Anhand ebenfalls vorhandener Partiturskizzen sollen dennoch hier einige Anmerkungen zur Musik folgen, da die Spielfilmarbeit ein wichtiger Bereich von Eislers Arbeit in den USA war. Erhalten sind sieben unterschiedlich lange Skizzen, die alle bezeugen, wie genau Eisler im Sinne seiner im Filmbuch niedergelegten Ästhetik der Filmmusik hier gearbeitet hat Alle Skizzen zeigen, daß Eisler entsprechend den Anforderungen des Mediums mit der Stoppuhr komponierte, die Minuten und Sekunden sind jeweils von seiner Hand eingetragen. Zu einer Einstellung am Beginn des Films, bei der die Kamera ein Massengrab von gefallenen Soldaten zeigt, komponiert Eisler in der Besetzung 2,2,2,2/4,3,2,1/ Schi., Klavier ein Largo. Getragen im 4/4-Takt entwickeln die Streicher ein trauermarschartiges Thema, zu dem eine Solotrompete mit schneidenden Synkopen hinzutritt. Die Trauer um die Gefallenen soll gleichzeitig Nachdenken darüber erzeugen, wer für den Tod dieser Menschen verantwortlich war.316 Die gleiche Kontrastwirkung im Sinne kontrapunktischer Funktion erzielt die Musik zu der Szene Heydrich im Kaffeehaus, die den im Verlauf des Films einem Attentat zum Opfer fallenden Reichsprotektor beim Besuch eines Prager Kaffeehauses zeigt. Einer fast gemütlich anmutenden Streichermelodie tritt kalt und scharf mit äußerstem fortissimo eine Solo-Celesta entgegen. Der da das Kaffeehaus betritt, signalisiert die Musik, ist ein Henker.317 Eine weitere Szene: Hradschin - Hitlers Bild beginnt Eisler als Largo. Streicher, Oboe und Klarinette entwickeln ein verhaltenes, pianissimo gespieltes Thema. Jetzt kommt mit einem langen Kameraschwenk ein Hitlerbild in die Totale - Eislers Musik steigert sich im Verlauf von nur vier Takten ins fortissimo, die Sequenz endet mit einer schrillen Dissonanz in einer langen Fermate. Die Musik 136

liefert ihrerseits den Kommentar für den Betrachter.318 Höhepunkt des Films ist die von Eisler im Film-Musik-Buch beschriebene Szene Der Tod einer Ratte. Der beim Attentat schwerverletzte Heydrich liegt im Krankenhaus, er erhält eine Bluttransfusion, die ihn aber nicht mehr retten kann und stirbt wenige Augenblicke danach. Es sind zwei Entwürfe Eislers zu dieser Szene erhalten.319 Streicher und Klavier beginnen in As-Dur ein ruhiges Thema, zu dem die Piccoloflöte mit eiligen Zweiunddreißigstel-Läufen, chromatisch in höchster Höhe die widerlichen Geräusche einer sterbenden Ratte erzeugt. Der von der Musik gelieferte Kontext für den Betrachter ist beeindruckend: Der da trotz aller Bemühungen stirbt, hat wenig Menschliches an sich, der da stirbt, gleicht einem Ungeziefer, einer Ratte. Es ist nur zu verständlich, daß der amerikanische Verleih - siehe die zitierte Pressenotiz - diese allzu eindeutig akzentuierte Sequenz geschnitten hat. Mit diesen wenigen Beispielen wollten wir zeigen, wie Eislers kompositorisches Schaffen in den USA an Weite und Vielfalt gewann, dabei unverändert in seinem gesellschaftlichen Anspruch blieb, dem erstrebten Ziel entgegen: Musik zu sein für eine befreite Hörerschaft im nachfaschistischen neuen Deutschland. Fragen der Aufarbeitung und produktiven Aneignung des sozialistischen Erbes stehen im Zentrum der wissenschaftlichen Bemühungen von Literatur-, Kunst- und Musikwissenschaft unserer Tage. Dabei gebührt der Exilproblematik zunehmende Bedeutung, zumal der Vorlauf gegenüber der bürgerlichen Forschung gerade auf diesem Gebiet nicht vorhanden ist. Leben und Werk von Hanns Eisler treten immer mehr in das Zentrum musikwissenschaftlicher Forschung, da die fortschreitende Veröffentlichung der Kompositionen wie der zahlreichen verbalen Materialien ständig neue Entdeckungen bringt. Wie kaum ein anderer Künstler (sehen wir von Brecht einmal ab) sieht sich Eisler dabei von Seiten der bürgerlichen wie der ultralinken Kräfte Verleumdungen, Mißdeutungen sowie bewußten Fehlinterpretationen ausgesetzt. Es fehlt auch nicht an Versuchen, Eislers Verhältnis zur DDR sowie die Eisler-Aneignung und -pflege in diesem sozialistischen Staat zu diskriminieren. Fördernd für alle diese Versuche wirkt sich aus, daß die Aneignung der Eislerschen Werke im Konzertalltag der DDR noch lange keine solche Selbstverständlichkeit ist wie etwa die Aufführung Brechtscher Stücke oder die Veröffentlichung Becherscher Gedichte. Auch wurde über einen längeren Zeitraum hinweg das Eislersche Vokalwerk einseitig als Schwerpunkt innerhalb seines Schaffens behandelt. Wir stehen heute mehr 137

denn je vor der Aufgabe, die Kanonisierung Eislers als Klassiker der sozialistischen Musik zu ersetzen durch die produktive Aneignung und Nutzung seines reichen und vielfältigen Gesamtwerkes für die sozialistische Musikkultur. Mit der Aneignung dieses Erbes wird sich aufs neue die unverminderte Aktualität einer Musik erweisen, die bei „Hörer und Ausübenden die mächtigen Impulse und Einblicke eines Zeitalters [entwickelt], in dem die Produktivität jeder Art die Quelle aller Vergnügung und Sittlichkeit ist. Sie erzeugt neue Zartheit und Kraft, Ausdauer und Wendigkeit, Ungeduld und Vorsicht, Anspruchsfülle und Selbstaufopferung." 320 W a s Willi Bredel über Eislers Spanienlieder schrieb, darf mit Fug und Recht für das gesamte Werk gelten: „Werden wir endlich der Größe dieser Lieder wert. Und lassen wir aus der Kraft dieser Lieder neue, bessere Taten erstehen." 321 Die Beschäftigung mit dem stets kämpferischen und streitbaren Lebenswerk Eislers vermittelt gleichermaßen Einblick in die revolutionäre Haltung eines Künstlers und Komponisten, wie sie deutlich macht, daß Eisler innerhalb der deutschen antifaschistischen Emigration ein vorderer Platz gebührt, unter den emigrierten Musikern mit Sicherheit der vorderste. Zu zeigen war neben der ersten Gesamtdarstellung jener zehn amerikanischen Jahre und der Aufhellung vieler bislang nur wenig oder nicht bekannter Fakten und Details, daß die Exilperiode als konsequente Fortführung der Positionen bis 1933 in der Konfrontation mit der neuen historischen Situation zu neuen ästhetischen und künstlerischen Überlegungen führte, wobei jedoch die Grundhaltung des Kommunisten Eisler keine Veränderung erfuhr und damit auch nicht die Zielrichtung seiner Kunst. Zu zeigen war schließlich, daß im Exil Positionen vorbereitet und ausgebildet wurden, die das Schaffen ab 1949 wesentlich bestimmen. Endlich sollte aus den Mosaiksteinen der zusammengetragenen Dokumente und Materialien auch das Bild der Person Hanns Eislers entstehen, jenes „leidenschaftlichen und triumphalen Hassers der Dummheit" 322 , jenes brillanten und streitbaren Polemikers, jenes großen, zutiefst menschlichen Künstlers, als den ihn alle schildern, die ihn kannten.

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Anhang

Verhörprotokoll: Hanns Eisler vor dem „Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit" (24. bis 26. September 1947 in Washington)1* Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Schebera

Mittwoch, 24. September 1947 Repräsentantenhaus, Ausschuß zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit, Washington, D. C. Der Ausschuß trat um 10.30 Uhr zusammen, J. Parnell Thomas (Vorsitzender) führt den Vorsitz. VORSITZENDER: Der Ausschuß beginnt seine Arbeit. Nehmen Sie zu Protokoll, daß sich ein Unterausschuß konstituiert hat, der aus Mr. McDowell, Mr. Wood, Mr. Rankin und Mr. Thomas besteht. Die anwesenden Mitarbeiter sind Mr. Robert Stripling, leitender Ermittlungsbeamter, Mr. Louis J. Russell und Mr. Donald T. Appell, Ermittlungsbeamte. Mr. Stripling, würden Sie bitte feststellen, ob alle Zeugen hier sind? STRIPLING: Ja, Herr Vorsitzender. Ist Mr. Sumner Welles hier? (Mr. Welles erhebt sich.) STRIPLING: Mr. Messersmith? (Mr. Messersmith erhebt sich.) STRIPLING: Mr. Savoretti? (Mr. Savoretti erhebt sich.) STRIPLING: Mr. Porter? (Mr. Porter erhebt sich.) STRIPLING: Mr. Hutton? (Keine Antwort.) STRIPLING: Mr. P. C. Hutton? 2 (Keine Antwort.) STRIPLING: Mr. Eisler? EISLER: Ja. STRIPLING: Herr Vorsitzender, alle Zeugen außer Mr. Hutton sind hier. Ich nehme an, er wird in Kürze erscheinen. Er befindet sich in der Stadt. Ich beantrage, daß alle Zeugen aufgefordert werden, hier141

zubleiben und die Aussagen der anderen Zeugen anzuhören, die wir im Verlauf des Verhörs befragen werden. V O R S I T Z E N D E R : Der Vorsitzende möchte den Zeugen sagen: Wollen Sie bitte während der Aussagen aller Zeugen hier anwesend bleiben, weil zu verschiedenen Zeiten Dinge besprochen werden, die wichtig sein können für Sie. Mr. Stripling, wollen Sie den ersten Zeugen aufrufen? S T R I P L I N G : Der erste Zeuge ist Hanns Eisler. Mr. Eisler. V O R S I T Z E N D E R : Mr. Eisler, wollen Sie bitte aufstehen, die rechte Hand heben und sich vereidigen lassen. Schwören Sie, daß die Aussagen, die Sie machen werden, die Wahrheit sind, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, so wahr Ihnen Gott helfe? E I S L E R : Das tue ich. V O R S I T Z E N D E R : Setzen Sie sich. S T R I P L I N G : Mr. Eisler, werden Sie von einem Anwalt begleitet? E I S L E R : Ja, Sir. S T R I P L I N G : Sie wünschen einen Anwalt? E I S L E R : Ich wünsche einen Anwalt. S T R I P L I N G : Würden Sie Ihren Anwalt benennen? E I S L E R : Ja. Mr. Greenberg und Mr. Forer. S T R I P L I N G : Bitte nennen Sie Ihre vollständigen Namen für das Protokoll und Ihre Adresse. G R E E N B E R G : Herman A. Greenberg - G-r-e-e-n-b-e-r-g - und Joseph Forer - F-o-r-e-r - beide 1105 K Street NW, Washington. S T R I P L I N G : Sie sind Mr. Forer? F O R E R : Das ist richtig. S T R I P L I N G : Mr. Greenberg? G R E E N B E R G : Das ist richtig, Mr. Stripling. Herr Vorsitzender V O R S I T Z E N D E R : Einen Moment. G R E E N B E R G : Entschuldigung, Sir. S T R I P L I N G : Mr. Eisler. E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Haben Sie irgendwelche Ersuchen, die Sie dem Ausschuß vortragen möchten? E I S L E R : Ja. Ich möchte, daß meine Anwälte sie vortragen. S T R I P L I N G : Sie wünschen Sie durch die Anwälte vorzutragen? E I S L E R : Ja. R A N K I N : Herr Vorsitzender. V O R S I T Z E N D E R : Einen Moment, Mr. Rankin. S T R I P L I N G : Herr Vorsitzender, als Mr. Eisler gestern in Zusam142

menhang mit einer Vorladung erschien, die ihm am 12. Juli, glaube ich, zugegangen war, brachte er gegenüber dem Beamten gewisse Ersuchen vor, die entgegengenommen wurden. Jetzt verlangt er, daß seine Anwälte ermächtigt werden, diese Ersuchen dem Ausschuß vorzutragen. VORSITZENDER: Gut, gibt es zunächst von einem Ausschußmitglied Einwände dagegen, daß Mr. Eisler Rechtsbeistand erlaubt wird? RANKIN: Herr Vorsitzender, ich denke, die Untersuchung sollte von den Ermittlungsbeamten geführt werden, ohne Einmischung von außerhalb. VORSITZENDER: Die Untersuchung wird von den Ermittlungsbeamten geführt, es wird keine Einmischung von außerhalb geben, dessen kann ich Sie versichern. Gibt es Einwände dagegen, daß Mr. Eisler Rechtsbeistand erlaubt wird? (Keine Erwiderung.) Damit, Mr. Eisler, ist Ihnen Rechtsbeistand erlaubt. Nun wollen Sie bitte für das Protokoll die beiden Anwälte benennen. Sie haben erst einen benannt, den anderen noch nicht. STRIPLING: Mr. Greenberg hat die Personalien angegeben. EISLER: Mr. Herman Greenberg und Mr. Forer. STRIPLING: Wollen Sie bitte Ihren Namen angeben? FORER: Mr. Joseph Forer. STRIPLING: Joseph Forer. FORER: F-o-r-e-r, das ist richtig. 1105 K Street Washington. STRIPLING: Mr. Eisler, Sie sind hier vor dem Ausschuß auf Grund einer Vorladung, die Ihnen am 12. Juli in Ihrer Wohnung - nein, ich glaube, die Vorladung wurde in Los Angeles, 5488 Rodeo Road ausgehändigt. Ist das korrekt? EISLER: Ja. STRIPLING: Sie erschienen gestern auf Grund dieser Vorladung? EISLER: Ja - der neuen Vorladung. STRIPLING: Sie erhielten eine neue Vorladung? EISLER: Ja, Sir. STRIPLING: Die Sie aufforderte, heute um 10.30 Uhr zu erscheinen? EISLER: Ja. STRIPLING: Und auf Grund dieser Vorladung sind Sie hier? EISLER: Ja. Herr Vorsitzender, darf ich um Erlaubnis für meinen Anwalt bitten, eine Bemerkung zu machen? RANKIN: Herr Vorsitzender, dazu möchte ich etwas sagen. Wenn er wünscht, seinen Anwalt um Rat zu fragen, das ist in Ordnung; aber wir wünschen nicht, daß irgendein Anwalt hier Aussagen macht, der nicht vereidigt wurde. 143

V O R S I T Z E N D E R : Mr. Eisler, es ist Brauch dieses Ausschusses, den Zeugen Anwälte zu genehmigen, aber der Anwalt kann den Zeugen lediglich in bezug auf seine verfassungsmäßigen Rechte beraten. E I S L E R : Ja. V O R S I T Z E N D E R : Und zu keiner anderen Frage. Deshalb möchte ich den Anwälten sagen, daß es Ihnen erlaubt ist hierzubleiben und den Zeugen über seine verfassungsmäßigen Rechte zu beraten. Jedoch können Sie nicht darüber hinausgehen. Und wenn Sie das tun, wird der Vorsitzende Sie auffordern müssen, den Zeugenstand zu verlassen. G R E E N B E R G : Wir verstehen das, Sir. Dies sind Verfahrensfragen. Ich möchte die Gelegenheit benutzen und die Ersuchen wiederholen, die gestern dem Unterausschuß vorgetragen wurden. Sie sind nicht V O R S I T Z E N D E R : Mr. Eisler wird Gelegenheit haben, dieses Ersuchen vorzutragen. G R E E N B E R G : Mit anderen Worten, dem Rechtsbeistand wird hier das Recht entzogen, Ersuchen vorzutragen? V O R S I T Z E N D E R : Dem Rechtsbeistand wird hier keinerlei Recht entzogen. Aber der Anwalt darf den Zeugen lediglich hinsichtlich seiner verfassungsmäßigen Rechte beraten. Darüber hinaus darf der Anwalt nichts sagen. Nun, Mr. Eisler, wenn Sie etwas haben, das Sie zu sagen wünschen G R E E N B E R G : Ich übernehme das, Sir V O R S I T Z E N D E R : Es ist Ihrerseits genug. G R E E N B E R G : Danke. E I S L E R : Ich möchte die Ersuchen wiederholen, die von meinem Anwalt gestern vorgetragen wurden, sowie zu verschiedenen Fragen der Verfahrensweise. Als erstes beantrage ich, daß mein Verhör verschoben wird auf denselben Termin wie die Verhöre der anderen Zeugen aus der Filmindustrie. Der Ausschuß hat festgelegt, daß er die Verhöre für die Industrie verschieben wird, bis er vollzählig ist. Es gibt keinen Grund, mich von der übrigen Filmindustrie abzusondern. Mir müssen gleiche Behandlung und Rechte gegeben werden, die Sie anderen Zeugen einräumen, die aus Hollywood gerufen werden. Als zweites bestehe ich auf dem Recht meiner Anwälte, jeden Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen, der über mich aussagt. Dieser Ausschuß beschuldigt mich bereits längere Zeit grundlos und hat alles Mögliche getan, mich am Verdienen meines Lebensunterhaltes zu hindern. Ich denke, ich habe ein Recht auf den elementaren Schutz, Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen. Sollte der Ausschuß mir dieses 144

Grundrecht verweigern, verlange ich Erlaubnis, meine Fragen dem Vorsitzenden zu übermitteln, damit dieser sie den Zeugen stellt. Dieses Recht wurde vor kurzem Mr. Howard Hughes eingeräumt, und der verstorbene Mr. Wendell Willkie 3 * legte dem Vorsitzenden dieses Ausschusses Fragen vor für die Zeugenbefragung. STRIPLING: Herr Vorsitzender, zum ersten Punkt, den Mr. Eisler vorbringt, gebe ich zu bedenken, daß dieses Verhör sich mit einer völlig anderen Sache befaßt als das Hollywood-Verhör. Dieses Verhör hat ausschließlich mit der Aktivität von Mr. Eisler zu tun. Zur Frage des Kreuzverhörs: Es war niemals Praxis dieses Ausschusses, und nur in sehr wenigen Fällen hat jemals ein Ausschuß in der Geschichte des Kongresses ein Kreuzverhör zugelassen. VORSITZENDER: Wünschen Sie noch etwas zu sagen? STRIPLING: Will der Vorsitzende zu den beiden Punkten eine Entscheidung treffen? VORSITZENDER: Ja. Es ist der einmütige Beschluß des Ausschusses, daß die Antwort sowohl zu erstens als zu zweitens „nein" ist. STRIPLING: Der dritte Punkt, Herr Vorsitzender, war, ob er dem Ausschuß Fragen übermitteln kann oder nicht, die den anderen Zeugen gestellt werden, Fragen, die als Kreuzverhör zählen würden? VORSITZENDER: Die Antwort zu drittens ist „nein". EISLER: Herr Vorsitzender, darf ich dann um die Erlaubnis bitten, eine Erklärung4 zu verlesen? VORSITZENDER: Zeigen Sie mit bitte Ihre Erklärung. EISLER: Würden Sie so freundlich sein. (Die Erklärung wird dem Vorsitzenden gereicht.) VORSITZENDER: Mr. Eisler, wir haben diese Erklärung gelesen. Der Ausschuß verfährt damit genauso wie im Falle Ihres Bruders. Wir nehmen diese Erklärung zur Kenntnis. EISLER: Wie bitte? VORSITZENDER: Wir nehmen die Erklärung zur Kenntnis. Die Erklärung wird jetzt nicht verlesen. Mr. Stripling, fahren Sie mit den Fragen fort. EISLER: Darf ich Sie fragen, Mr. Greenberg STRIPLING: Mr. Forer GREENBERG: Einen Moment. EISLER: Darf ich meinen Anwälten eine Frage stellen? STRIPLING: Ja. EISLER: Entschuldigen Sie. (Er berät mit den Anwälten.) Kann ich irgend etwas dagegen tun, daß ich nicht das Recht habe, meine Er10

Hanns Eisler

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klärung zu verlesen? (Antwort des Anwalts unverständlich.) Ich erhebe Einspruch dagegen, daß mir nicht erlaubt wird, meine Erklärung zu verlesen, nach allem, was ich im letzten Jahr durchgemacht habe V O R S I T Z E N D E R : Der Einspruch ist abgelehnt. Fahren Sie mit Ihren Fragen fort, Mr. Stripling. STRIPLING: Mr. Eisler, wollen Sie bitte Ihren vollständigen Namen angeben? EISLER: Johannes Eisler - J-o-h-a-n-n-e-s E-i-s-l-e-r. Ich nenne mich Hanns - H-a-n-n-s, eine Abkürzung von Johannes. STRIPLING: Wann und wo sind Sie geboren? EISLER: Am 6. Juli, Leipzig, Deutschland. STRIPLING: In welchem Jahr? EISLER: 1898. STRIPLING: Wie ist Ihre gegenwärtige Adresse? E I S L E R : Meine gegenwärtige Adrese ist 188 Malibu, Malibu, Pacific Palisades. STRIPLING: Sie sind gegenwärtig Bürger welchen Landes? EISLER: Ich bin im Besitz der ersten Papiere für die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten. R A N K I N : Wie war die Antwort, Herr Vorsitzender? Ich konnte es nicht hören. E I S L E R : Ich besitze erste Papiere für die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten. Ich bin aber noch kein Bürger. M C D O W E L L : Herr Vorsitzender, das beantwortet die Frage nicht. V O R S I T Z E N D E R : Ich möchte den Ausschußmitgliedern vorschlagen, soweit als möglich alle Fragen zurückzustellen, bis der Chefermittler mit seinen Fragen weiter vorangeschritten ist. STRIPLING: Mr. Eisler, Bürger welchen Landes waren Sie, bevor Sie die Staatsangehörigkeit der Vereinigten Staaten beantragt haben? EISLER: Österreich. STRIPLING: Österreich? E I S L E R : Ja. STRIPLING: Haben Sie in den Vereinigten Staaten irgendwelche Verwandte? E I S L E R : Ja. STRIPLING: Wollen Sie sie dem Ausschuß nennen? EISLER: Gerhart Eisler; Fräulein Ruth Fischer. STRIPLING: Was ist Ihre Beschäftigung? EISLER: Ich bin ein Komponist. 146

S T R I P L I N G : Musikkomponist? E I S L E R : Musikkomponist - darf ich hinzufügen, von internationalem Ansehen. S T R I P L I N G : Von internationalem Ansehen? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : In welchen Einrichtungen erhielten Sie Ihre musikalische Ausbildung? E I S L E R : In Wien, an der Akademie. Ich bin Schüler des berühmten Komponisten Arnold Schönberg, eines der größten lebenden Meister der modernen Musik. S T R I P L I N G : Herr Vorsitzender, die Lautsprecheranlage scheint nicht zu arbeiten, ich bin sicher, jeder hat Schwierigkeiten mit dem Verständnis. Darf ich um eine kleine Pause bitten, um zu prüfen, ob die Anlage instandgesetzt werden kann? V O R S I T Z E N D E R : In Ordnung, wir legen eine Pause ein, bis ich Sie wieder rufe. (Daraufhin tritt eine kurze Pause ein.) V O R S I T Z E N D E R : In Ordnung, wir fahren fort. Mr. Stripling. S T R I P L I N G : Herr Vorsitzender, ich möchte für das Protokoll festhalten, daß Mr. P. C. Hutton vom Außenministerium eingetroffen und im Saal anwesend ist. Alle Zeugen sind damit hier. Mr. Eisler, wann haben Sie Österreich verlassen? Und sprechen Sie bitte in das Mikrofon, in Richtung auf den Ausschuß. E I S L E R : Ja. Ich verließ Österreich, ich glaube, '24 und ging nach Berlin. S T R I P L I N G : Wie lange blieben Sie in Berlin? E I S L E R : Bis 1933, Februar, als ich aus Deutschland fliehen mußte, nachdem Hitler den Reichstag angezündet hatte. S T R I P L I N G : Sie verließen Deutschland '33? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Und wohin gingen Sie? E I S L E R : Ich ging nach Paris. S T R I P L I N G : W i e lange blieben Sie in Paris? E I S L E R : Ich war dort wenigstens vom März bis Juli, denke ich. S T R I P L I N G : '33? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : In welchen anderen europäischen Ländern haben Sie sich aufgehalten? E I S L E R : Ich lebte eine Zeit in London. S T R I P L I N G : Während welcher Zeit? 147

EISLER: Ich lebte in London im Februar, denke ich - nein; den Herbst '34 bis etwa Februar oder März, soweit ich mich erinnere und kam zurück nach London - warten Sie - '36, im Februar und blieb das ganze Jahr in London. STRIPLING: Waren Sie jemals in Dänemark? EISLER: Ich war sehr oft in Kopenhagen. Meinen Sommer habe ich auf einer kleinen Insel verbracht - Fünen - in einem kleinen Fischerdorf, um zu komponieren. STRIPLING: Waren Sie jemals in der Sowjetunion, Mr. Eisler? EISLER: Ja, ich war auch in der Sowjetunion auf kurzen Reisen. STRIPLING: Wie oft sind Sie in der Sowjetunion gewesen? EISLER: Das letzte Mal, an das ich mich erinnere, war '35; ich muß aber auch '32, '31 dort gewesen sein. STRIPLING: '31, '32 und '35? EISLER: Vielleicht war ich auch noch einmal dort, aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, müssen Sie wissen. STRIPLING: Sie erinnern sich an drei Male? EISLER: Dreimal, ja. Es könnte auch '29 oder so gewesen sein, ich kann mich daran nicht erinnern. STRIPLING: Warum sind Sie in die Sowjetunion gefahren, Mr. Eisler? EISLER: Ich machte dort Filme. Die Jugend übernimmt den Boden ist der Titel des Films.5 Das machte zwei Reisen nötig. STRIPLING: In welchen Jahren? EISLER: Das war '31 und '32, oder '33; '35 gab es einige Konzerte dort, einige Vorträge. Der Staatsverlag druckte eine Sinfonie von mir. Ich hatte auch Gespräche mit diesem Verlag. Ich blieb fünf oder sechs Wochen, würde ich sagen. STRIPLING: Waren Sie jemals in irgendeiner Eigenschaft von der Sowjetunion angestellt? EISLER: Nein. Ich war, wie viele, viele Künstler, Gast. STRIPLING: Haben Sie jemals von der sowjetischen Regierung Geld erhalten? EISLER: Nein; natürlich erhielt ich mein Honotar von dem Verlag, so wie es jeder Autor von jedem Verlag der Welt erhält. STRIPLING: Haben Sie jemals von einer Einzelperson oder nur von dem Verlag, den Sie erwähnten, Geld erhalten? EISLER: Nein. STRIPLING: Mr. Eisler, wann kamen Sie zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten? 148

E I S L E R : Ich kam das erste Mal in die Vereinigten Staaten, um exakt zu sein, '35, es muß April gewesen sein, der 2. April, oder E n d e Februar, wenn ich mich nicht irre. S T R I P L I N G : Wie lange blieben Sie? E I S L E R : Ich machte eine Vortrags- und Konzertreise. E s müssen zweieinhalb oder drei Monate gewesen sein. Ich reiste unter der Schirmherrschaft des Lord-Marley-Komitees. Lord Marley ist ein Mitglied des britischen Oberhauses. E r hatte ein Komitee gegründet, um den Flüchtlingskindern zu helfen, die in großer Not, sogar in Lagern, in Frankreich lebten. Er bat mehrere Künstler um Mitarbeit. Der alte Scholer - er ist jetzt tot - ein bekannter deutscher Schriftsteller, war auch hier. V O R S I T Z E N D E R : Ich denke, Sie haben die Frage beantwortet. E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Nun, Mr. Eisler, erinnern Sie sich Ihrer Ankünfte und Abreisen in den Vereinigten Staaten? Können Sie sie dem Ausschuß angeben? E I S L E R : Ich tue mein bestes. Ich kam an, glaube ich, Ende Februar oder Anfang April. S T R I P L I N G : Ich schlage folgendes vor, Mr. Eisler E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Lassen Sie mich ihre Ankünfte und Abfahrten vorlesen. E I S L E R : Das wäre wundervoll. S T R I P L I N G : Und wenn das entgegen Ihrer Erinnerung unkorrekt ist, sagen Sie es mir. E I S L E R : E s ist das beste, so zu verfahren. S T R I P L I N G : Be2ugnehmend auf die Informationen, die wir vorliegen haben, Herr Vorsitzender - sie kommen aus den offiziellen Unterlagen der Regierung - erhielt Mr. Eisler die erste Einreiseerlaubnis als zeitweiliger Besucher im Februar 1935. E r kam auf dem Dampfer „Berengaria" an und hatte Erlaubnis für drei Monate. Ist das korrekt? E I S L E R : Korrekt, Sir. S T R I P L I N G : Als nächstes kam er in die Vereinigten Staaten am 4. Oktober 1935 auf dem Dampfer „Lafayette" und hatte eine Einreiseerlaubnis als Besucher für sechs Monate. E I S L E R : Korrekt. S T R I P L I N G : Nun, Mr. Eisler, Sie kamen im Februar 1935 auf der „Berengaria" an. D i e nächste Ankunft war am 4. Oktober 1935. Wo waren Sie in der Zwischenzeit? 149

E I S L E R : In Paris - nein; ich nehme an, ich fuhr zu einem Urlaub nach Dänemark, wenn ich mich recht erinnere. S T R I P L I N G : Sie waren nicht in Moskau, waren Sie da? E I S L E R : Oh ja; ich war auch in Moskau, sicher, ja. S T R I P L I N G : Wie lange waren Sie in Moskau? E I S L E R : Fünf oder sechs Wochen. S T R I P L I N G : Als nächstes kamen Sie in den Vereinigten Staaten am 21. Januar 1938 an. E I S L E R : Korrekt. S T R I P L I N G : Zugelassen als zeitweiliger Besucher für einen Zeitraum von sechs Monaten. E I S L E R : Korrekt. S T R I P L I N G : Erinnern Sie sich, was für eine Art von Paß oder Visum Sie bei Ihrer Ankunft im Januar 1938 vorzeigten? E I S L E R : Ich hatte einen österreichischen Paß. S T R I P L I N G : Hatten Sie ein Visum? E I S L E R : Ja, ich hatte ein Besuchervisum. S T R I P L I N G : Ausgestellt von welchem Konsul? E I S L E R : Ich denke, das Besuchervisum war vom Konsul in Prag, Tschechoslowakei, ausgestellt. S T R I P L I N G : Das ist korrekt, Mr. Eisler, übereinstimmend mit den Unterlagen, die wir haben. Im Juni 1938 beantragten Sie eine Verlängerung Ihres zeitweiligen Aufenthaltes um drei Monate; ist das korrekt? E I S L E R : Ich denke. S T R I P L I N G : Und am 5. August 1938 unterzeichnete der amtierende Staatssekretär für Arbeit ein Papier, das es Ihnen und Ihrer Frau erlaubte, bis 21. Januar 1939 zu bleiben, ehe Sie aus den Vereinigten Staaten abreisten. Ist das korrekt? E I S L E R : Ich denke, es ist korrekt. S T R I P L I N G : Irgendwann 1938, in der Jahresmitte 1938, haben Sie und Ihre Frau ein Quota Visum beantragt? E I S L E R : J a ; oder sogar ein Nonquota Visum - nein; ein Quota Visum. S T R I P L I N G : Ein Quota Visum? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Wo stellten Sie den Antrag? E I S L E R : Es ist für mich schwer, mich daran zu erinnern. Sie müssen es in den Unterlagen haben. Ich denke, ich tat das Übliche, was jeder tut. Können Sie es mir vorlesen? 150

STRIPLING: Sie richteten den Antrag an den amerikanischen Konsul in Havanna, Kuba. EISLER: Ja, ich denke so war es. STRIPLING: Am 9. Januar 1939 reichten Sie ein Gesuch ein, die Dauer Ihres zeitweiligen Aufenthaltes um sechs Monate zu verlängern. EISLER: Ja. STRIPLING: Ab 21. Januar 1939, ist das korrekt? EISLER: Ja. STRIPLING: Am 2. März 1939 ordnete der Unterstaatssekretär für Arbeit Ihre Deportation aus den Vereinigten Staaten an, ebenso die Ihrer Frau. EISLER: Ja, ich erinnere mich sehr gut an das alles. STRIPLING: Und man gab Ihnen eine Verlängerung bis 7. April 1939, um abzureisen. Erinnern Sie sich an die Verlängerung? E I S L E R : Ja; ich bat um eine Verzögerung der Deportation. Hitler war schon in Österreich, nach Deutschland deportiert zu werden, hätte meine Hinrichtung bedeutet. STRIPLING: Und am 6. April baten Sie um eine erneute Verlängerung? EISLER: Ja. STRIPLING: Diese wurde genehmigt? EISLER: Ja. STRIPLING: Bis 15. April? EISLER: Ja. STRIPLING: Dann, am 12. April 1939, wohin gingen Sie? EISLER: Ich denke, ich ging nach Mexico City. Ich schickte ein Telegramm an den Präsidenten und bat ihn um eine zeitweilige Aufenthaltserlaubnis. E r war sehr nett. Ich wurde Gastprofessor am Konservatorium in Mexiko City. STRIPLING: Nun, als Sie nach Mexiko reisten, fuhren Sie über Laredo, Texas? 6 * EISLER: Ja. STRIPLING: Dann kamen Sie im selben Jahr, am 11. September 1939, nach Laredo zurück und reisten als Besucher zwecks Geschäften und Vergnügen ein? EISLER: Ja. STRIPLING: Um bis 28. Januar 1940 zu bleiben? EISLER: Ja. STRIPLING: Ist das korrekt? 151

E I S L E R : Korrekt. Ich hatte die Musik für eine Broadway-Show zu schreiben. S T R I P L I N G : Am 26. Januar 1940 reichten Sie ein Gesuch ein, die Dauer Ihres zeitweiligen Aufenthaltes zu verlängern? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Ist das korrekt? E I S L E R : Korrekt. S T R I P L I N G : Am 21. Februar 1940 verweigerte der Unterstaatssekretär für Arbeit die Verlängerung des Aufenthaltes und ordnete an, daß Sie unverzüglich zu deportieren seien - Sie und Ihre Frau? V O R S I T Z E N D E R : Ist das korrekt? E I S L E R : Ich erinnere mich nicht genau, aber ich nehme an, es muß korrekt sein, wenn es in den Unterlagen steht. Es ist sehr leicht nachzuprüfen. S T R I P L I N G : Am 31. Mai 1940 wurde durch die Einwanderungsbehörde festgestellt, daß weder Sie noch Ihre Frau irgendwelche Anstalten machten abzureisen. Machten Sie Anstalten abzureisen? E I S L E R : Ja. Ich denke, wir unternahmen alles, aber manchmal ist es sehr schwierig. S T R I P L I N G : Am 17. Juli 1940 wurde Haftbefehl gegen Sie und Ihre Frau Louise Eisler erlassen mit der Begründung, daß Sie Ihre Aufenthaltsperiode in den Vereinigten Staaten länger als erlaubt ausgedehnt hatten. E I S L E R : 1940? Das muß ein Fehler sein. S T R I P L I N G : Am 17. Juli 1940. E I S L E R : Daran erinnere ich mich nicht. Das ist vielleicht ein Fehler. Ich erinnere mich nur einmal der Gefahr der Deportation, wenn ich mich nicht irre 1939, aus dem einfachen Grund, daß mein Paß ablief und ich eine Verlängerung wollte. Ich wollte nicht nach Deutschland gehen. Ich hasse die Nazis. S T R I P L I N G : Mr. Eisler, sind Sie sich dessen bewußt, daß die Anordnung für Ihre Deportation und die Ihrer Frau vom Arbeitsministerium getroffen worden ist? E I S L E R : Sie werden schon recht haben. Sie wissen das besser als ich. Sie haben die Unterlagen vor sich liegen. S T R I P L I N G : Ja. Wurden diese Haftbefehle gegen Sie jemals ausgeführt? E I S L E R : Ich denke nein. Ich erinnere mich nicht. S T R I P L I N G : Wohin gingen Sie? E I S L E R : Wie bitte? 152

S T R I P L I N G : Wohin gingen Sie? Warum sind die Haftbefehle nicht angewendet worden? E I S L E R : Würden Sie bitte so freundlich sein und das Datum wiederholen? S T R I P L I N G : 17. Juli 1940. E I S L E R : 17. Juli 1940? Ich nehme an, Sie haben recht. - Ich meine, Sie müssen recht haben. Ich erinnere mich daran nicht. S T R I P L I N G : Die Haftbefehle wurden niemals gegen Sie angewandt, nicht wahr? E I S L E R : Niemals angewandt. S T R I P L I N G : Sie wurden niemals angewandt? E I S L E R : Nein. S T R I P L I N G : Gingen Sie nach Mexiko? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Freiwillig? E I S L E R : Um auszuwandern. S T R I P L I N G : Auszuwandern? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Aber die Haftbefehle wurden niemals gegen Sie angewendet, um Sie zu deportieren? 7 * E I S L E R : Es ist möglich, daß die Befehle angewandt wurden, aber ich kann mich an diesen Fakt nicht erinnern. S T R I P L I N G : Sie lebten in New York, als die Haftbefehle ausgestellt wurden? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Gingen Sie dann nach Bucks County, Pennsylvania? E I S L E R : Ich hielt mich mit einigen Freunden in Bucks County auf. Ich pendelte, wissen Sie, zwischen New York und Bucks County. Ich hatte in einer Schule zu unterrichten, und das Übliche S T R I P L I N G : Sie gingen dann von Bucks County nach Los Angeles? E I S L E R : Ja. STRIPLING: Und von Los Angeles gingen Sie nach Mexiko? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Und Sie beantragten E I S L E R : Ein Nonquota Visum. S T R I P L I N G : Ein Nonquota Visum? E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Am 26. September 1940 erschienen Sie und Ihre Frau vor einem Spezialuntersuchungsausschuß in Calexico, Kalifornien, weil Sie in die Vereinigten Staaten einreisen und dort Ihren ständigen 153

Wohnsitz nehmen wollten; waren Sie zu diesem Zeitpunkt im Besitze eines Nonquota-Einreisevisums? EISLER: Ja. STRIPLING: Wer stellte dieses Visum aus? E I S L E R : Der amerikanische Konsul oder Vizekonsul in Mexicali, so heißt das. STRIPLING: Mexicali? 8 * E I S L E R : Ja. STRIPLING: Nun, verwehrte der Spezialuntersuchungsausschuß Ihnen und Ihrer Frau die Einreise, als Sie vor ihm erschienen? E I S L E R : Ja. Sie machten uns eine Menge Schwierigkeiten. STRIPLING: Sie machten Ihnen eine Menge Schwierigkeiten? E I S L E R : Ja. STRIPLING: Legten Sie Beschwerde gegen diese Entscheidung ein? E I S L E R : Ich hatte ein legales Recht, mich nach Washington zu wenden STRIPLING: Ich fragte Sie: Legten Sie Beschwerde ein? E I S L E R : Absolut. STRIPLING: Wurde Ihre Beschwerde sofort bearbeitet? E I S L E R : Nein. Ich mußte vier oder fünf, sechs Wochen warten. Dann kam die übliche Antwort, ich durfte einreisen. STRIPLING: Gut, in Übereinstimmung mit den Akten, am 16. Oktober 1940 entschied der Ausschuß für Einwanderungsgesuche Ihre Beschwerde und die Ihrer Frau zu Ihren Gunsten, und Sie wurden als Nonquota Einwanderer zugelassen. EISLER: Ja. STRIPLING: Und, in Übereinstimmung mit dieser Entscheidung, wurden Sie und Ihre Frau am 22. Oktober 1940 in die Vereinigten Staaten hereingelassen. Und am 30. Oktober 1940 wurden die Haftbefehle, die am 17. Juli 1940 erlassen worden waren, durch den Ausschuß für Einwanderungsfragen zurückgenommen. Am 29. November 1940 füllten Sie in New York County, N. Y., einen Antrag für eine Aus- und Wiedereinreise aus, mit der Begründung, im Zusammenhang mit einer Anstellung bei der Pan-American Films, Inc. nach Mexiko fahren zu müssen. EISLER: Ja. STRIPLING: Erinnern Sie sich daran, diesen Antrag gestellt zu haben? EISLER: Ja. Ich schrieb für den Film Forgotten village von John Steinbeck. 154

STRIPLING: Nun, die Wiedereinreiseerlaubnis wurde am 5. Dezember 1940 ausgestellt, ist das korrekt? EISLER: Ja. STRIPLING: Und am 6. Januar 1941 reisten Sie über Brownsville, Texas, mit dem Flugzeug wieder in die Vereinigten Staaten ein; ist das richtig? EISLER: Ja. STRIPLING: Am 10. Juni schrieben Sie im US-Bezirksgericht für den Süddistrikt von New York Ihre Absichtserklärung aus, ein Bürger der Vereinigten Staaten zu werden? EISLER: Ja. STRIPLING: Am 19. Juni dieses Jahres beantragten Sie in Los Angeles, Kalifornien, eine Aus- und Wiedereinreisegenehmigung? EISLER: Ja. STRIPLING: Wurde diese ausgestellt? EISLER: Nein. STRIPLING: Am 27. Juni 1947 wurde vom Außenministerium in einem Memorandum ersucht, die Wiedereinreisegenehmigung so lange zurückzuhalten, bis entschieden ist, ob eine Ausreiseerlaubnis ausgestellt werden kann. Am 30. Juni 1947 wurde an alle Büros der Einwanderungsbehörde ein Telegramm geschickt, um die Ausreise Eislers zu verhindern, wenn dieser nicht im Besitz von Beweisen dafür war, daß eine Ausreiseerlaubnis erteilt wurde. EISLER: Ich tue nicht STRIPLING: Nun, Mr. Eisler, wohin wollten Sie gehen? EISLER: Ich wollte nach Paris gehen, um die Musik zu Alice im Wunderland zu schreiben. In der Zwischenzeit ist der Vertrag für mich verloren, und ich könnte nicht mehr fahren. STRIPLING: Nun, Mr. Eisler, mit Ausnahme der kurzen Zeit, die Sie in Mexiko verbrachten, leben Sie seit 1940 in den Vereinigten Staaten? EISLER: Ja. STRIPLING: Während dieser Zeit waren Sie in unterschiedlichen Berufen beschäftigt? EISLER: Ja. STRIPLING: Würden Sie das für den Ausschuß ausführen - ihre Beschäftigung? EISLER: Ich war beschäftigt als Professor für Musik an der New School for Social Research. Und ich erhielt ein Stipendium von der Rockefeller-Stiftung 155

STRIPLING: Einen Moment. Die New School for Social Research in New York City, ist das richtig? E I S L E R : Ja. Ich arbeitete mit einem Stipendium der RockefellerStiftung. Ich lehrte, studierte und komponierte. STRIPLING: Sie lehrten und was? E I S L E R : Ich komponierte meine Musik. Ich war ein Lehrer. Ich machte meine Forschungsarbeit für die Rockefeller-Stiftung. STRIPLING: Nun, neben der New School for Social Research, waren Sie jemals von der amerikanischen Regierung beschäftigt? EISLER: Niemals. STRIPLING: Halfen Sie nicht bei der Herstellung eines Films für das Landwirtschaftsministerium? EISLER: Ja, aber ich würde das nicht Beschäftigung nennen. Es war ein kleiner Film. Ich wollte das freiberuflich machen. Ich bekam, glaube ich, hundert oder zweihundert Dollar dafür. STRIPLING: Sie waren vom Landwirtschaftsministerium angestellt? EISLER: Würden Sie das Anstellung nennen? STRIPLING: Ja, wenn Sie Geld dafür erhielten. E I S L E R : Ich weiß nicht. Wenn Sie so denken STRIPLING: Waren Sie jemals beim Federal Theatre Project beschäftigt? E I S L E R : Niemals. STRIPLING: Waren Sie jemals in der Filmindustrie beschäftigt? EISLER: Aber ja. Ich bin ein freier Mann. Wenn immer jemand etwas Außergewöhnliches in moderner Musik wünscht, stellt er mich an. STRIPLING: Sie schreiben Musik für Filme? EISLER: Ja. Aber das ist nur ein Teil meines Berufes. Ich bin ein Komponist. Ich habe vieles geschrieben, sinfonische und Kammermusik, Lieder. Und einmal oder zweimal im Jahr schreibe ich eine Filmmusik, aus verschiedenen Gründen. Es interessiert mich und ich brauche das Geld. STRIPLING: Würden Sie dem Ausschuß die verschiedenen Studios nennen, in denen Sie beschäftigt waren? EISLER: Ja. Ich war ein-, zwei- dreimal von der Independent angestellt. Ich machte Hangmen also die für United Artists. Dann gab es eine unabhängige Produktionsgruppe, die sich Arnold Productions nannte. Dann habe ich den Film Scandal in Paris gemacht, für dieselbe Gruppe. Dann einen Film Jealousy, der für die Gong Produktion gemacht wurde, glaube ich, auch eine kleine unabhängige Produk156

tionsgruppe. Dann machte ich fünf - lassen Sie sehen - None but tbe lonely Heart, Deadline at clawn, Spanisb Main, Woman ort the Beach und So well remembered - fünf Filme für das RKO-Studio. Aber ich war stets als freier Mitarbeiter dort, ich wurde von Auftrag zu Auftrag beschäftigt. STRIPLING: Ihre letzte Anstellung war bei RKO-Keith? EISLER: RKO, korrekt, Sir. Ich schrieb die Musik zu einem Film, den sie in England gedreht haben - So well remembered. STRIPLING: Herr Vorsitzender, Mr. Eisler wird, wie Sie wissen, in Verbindung mit der Untersuchung der kommunistischen Infiltration in der Filmindustrie vorgeladen werden. Es gibt eine Anzahl Fragen, die der Ausschuß bezüglich seiner Aktivitäten in Hollywood hat. Ich nehme jedoch an, daß diese Fragen zurückgestellt werden bis zu jenen Verhören. VORSITZENDER: Kein Einwand, es wird so angeordnet. STRIPLING: Nun, Mr. Eisler, sind Sie jetzt oder waren Sie jemals ein Kommunist?9* EISLER: Ich war es, wie ich Ihnen in meinem ersten Verhör sagte RANKIN: Herr Vorsitzender, wir können die Antworten nicht hören, bei all dem Lärm um uns herum. VORSITZENDER: Würden Sie ein wenig lauter sprechen? EISLER: Ja. STRIPLING: Sprechen Sie in das Mikrofon, Mr. Eisler. EISLER: Ja. RANKIN: Will der Beamte die Frage wiederholen? EISLER: Ich werde mein bestes tun. STRIPLING: Ja. Sind Sie jetzt, oder waren Sie jemals ein Kommunist? EISLER: Ich bin jetzt kein Kommunist. Ich erinnere mich, als ich ein junger Mann war, 1926, bewarb ich mich bei den deutschen Kommunisten; aber ich fand sehr schnell heraus, daß ich meine künstlerischen Aktivitäten nicht mit den Forderungen einer politischen Partei verbinden konnte, so nahm ich nicht mehr teil. STRIPLING: Sie nahmen nicht mehr teil? EISLER: Ich nahm nicht mehr teil. STRIPLING: Ich denke, sie bewarben sich. EISLER: Ja. STRIPLING: Wenn man sich bewirbt, hört man nicht auf teilzunehmen. EISLER: Oh, ja, Sir. Schauen Sie! Wenn ich einer Gewerkschaft 157

beitrete und keine Beiträge bezahle, dann bin ich nach einigen Monaten ausgeschlossen. S T R I P L I N G : Ich verstand, daß Sie sich beworben haben. E I S L E R : Ja. S T R I P L I N G : Also, traten Sie bei? E I S L E R : Sie wissen, das ist die natürliche Folge, aber ich kümmerte mich nicht mehr darum. Ich ließ es eben laufen. S T R I P L I N G : Traten Sie der Kommunistischen Partei bei? E I S L E R : Ich bewarb mich. S T R I P L I N G : Traten Sie ein? E I S L E R : Das ist so: Sie bewerben sich. Sie bekommen eine Antwort S T R I P L I N G : Herr Vorsitzender, die Frage ist einfach. Was ich gefragt habe, ist: Sind Sie jetzt oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei? E I S L E R : Ich sage, daß ich jetzt kein Mitglied der Kommunistischen Partei bin. Ich habe Ihnen zu erklären versucht, daß ich mich 1926 bei der Kommunistischen Partei in Deutschland zu bewerben versucht habe, ich bin aber den Aktivitäten nicht gefolgt. Ich nahm nicht mehr teil. Ich bekam eine Antwort, aber ich war nicht aktiv in politischen Gruppen V O R S I T Z E N D E R : Mr. Eisler, lassen Sie mich die Frage ein wenig differenziert stellen. Sie bewarben sich? E I S L E R : Ja. Sir. V O R S I T Z E N D E R : Und Sie traten bei, nicht wahr? E I S L E R : Ich trat nicht wirklich bei. Ich bewarb mich, und ich erhielt eine Antwort, aber ich vernachlässigte die ganze Angelegenheit. V O R S I T Z E N D E R : Dann ist Ihre Antwort, Sie waren niemals ein Mitglied der Kommunistischen Partei? E I S L E R : J a - das ist nicht korrekt. Ich möchte korrekt sein. Sie können das so auffassen, daß ein Mann, der sich bewarb beizutreten, es war. V O R S I T Z E N D E R : Waren Sie Mitglied? E I S L E R : Nicht im eigentlichen Sinn. V O R S I T Z E N D E R : Lassen Sie den eigentlichen Sinn. Waren Sie Mitglied oder waren Siekein Mitglied? E I S L E R : Ich habe Ihnen gesagt, Herr Vorsitzender - und ich wiederhole das - ich habe mich beworben, aber vernachlässigte V O R S I T Z E N D E R : Ich weiß. Ist Ihre Antwort nun J a oder Nein? E I S L E R : Das ist meine Antwort, Herr Vorsitzender. 158

VORSITZENDER: Nein. Sie müssen das genauer sagen. Wir wollen wissen, ob Sie ein Mitglied der Kommunistischen Partei waren. EISLER: Ich war, würde ich sagen, niemals ein Mitglied in der Kommunistischen Partei. Wenn ein Mann, der sich nicht beteiligt VORSITZENDER: Aber Sie bewarben sich als Mitglied? EISLER: Ja. VORSITZENDER: Und wurde die Bewerbung angenommen? EISLER: Ja. VORSITZENDER: Das genügt. STRIPLING: Mr. Eisler, haben Sie jemals an Treffen der Kommunistischen Partei teilgenommen? EISLER: Parteitreffen? Nein. STRIPLING: Mr. Eisler, wie feststeht, waren Sie die herausragendste Figur auf musikalischem Gebiet in der revolutionären Bewegung der Sowjetunion? EISLER: Nein, Sir. Die Sowjetunion hat wundervolle Komponisten, und ich war niemals in der Sowjetunion in der vorderen Reihe. STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich habe eine Ausgabe des Daily Worker; ein Ausschnitt aus dem Daily Worker vom 15. Januar 1935. Ich möchte dies zu den Akten geben. Er lautet (er liest)-. „Hanns Eisler wird am 27. Januar hier ankommen. Dieser berühmte revolutionäre Komponist, der seit Hitlers Machtantritt im Exil in Paris und London lebt, ist in Europa und Amerika für seine brillanten Kompositionen bekannt, darunter K-u-h-l-e W-a-m-p-e - " Würden Sie das für uns aussprechen? EISLER: Sie sind so freundlich? STRIPLING: K-u-h-l-e W-a-m-p-e? EISLER: Kuhle Wampe. Das ist ein Film, den ich 1932 in Berlin gemacht habe.10 STRIPLING (fährt fort vorzulesen): „Hölle( auf Erden, Komintern, M-a-s-s-n-a-h-m-e - " u * EISLER: Was war das letzte, bitte? STRIPLING: M-a-s-s-n-a-h-m-e. EISLER: M-a-s - würden Sie so freundlich sein? (Stripling zeigt den Zeitungsausschnitt) Maßnahme, das ist ein deutsches Wort, es heißt „expedient". STRIPLING: Und das nächste. EISLER: Tempo der Zeit, das heißt „The Tempo of our Times".12 STRIPLING: Und das nächste. EISLER: Rot Front, das heißt „Red Front". 159

STRIPLING: Rot Front? EISLER: Ja. STRIPLING: Und alles das haben Sie komponiert? EISLER: Ja. STRIPLING: Der Artikel führt weiter aus, Herr Vorsitzender (er fährt fort vorzulesen): „Seine Ankunft in Amerika bedeutet die weitere Ausdehnung einer internationalen Tournee, die bis jetzt Vorträge und Konzerte in Leningrad, Moskau, Kopenhagen, Brüssel, Paris und London enthielt. Das Hanns-Eisler-Tour-Komitee, das sich aus Vertretern der Arfoeiter-Musikliga, des John-Reed-Klubs, der Liga der Arbeitertheater, der Arbeiter-Tanzliga, der Anti-Nazi-Vereinigung, des Deutschen Arbeiterklubs und anderer Gruppen zusammensetzt, trifft alle Vorbereitungen für einen gebührenden Empfang dieses mutigen revolutionären Komponisten und Musikers für den 8. Februar." Ich möchte das als Beweis zu den Akten geben, Herr Vorsitzender. Es werden im Verlauf dieses Verhörs noch zahlreiche andere Dokumente vorgelegt werden, die ich auch als Beweisstücke zu den Akten geben möchte. VORSITZENDER: Es wird so angeordnet. RANKIN: Herr Vorsitzender, woher stammt das? STRIPLING: Es ist aus dem Daily Worker, dem offiziellen Organ der Kommunistischen Partei. RANKIN: Das wollte ich wissen. STRIPLING: Nun, Mr. Eisler, hier steht, daß die Workers Music League an Ihrer Tour beteiligt war. Sind Sie vertraut mit der Workers Music League? EISLER: Ich erinnere mich, das waren nette junge Männer, die sehr freundlich zu mir waren und daran interessiert, Musik für arbeitende Leute zu komponieren, wofür ich viel Sympathie habe. STRIPLING: Nun, halten Sie die Workers Music League für eine kommunistische Organisation? EISLER: Nein. Sicher gibt es einige Kommunisten darin, aber es ist eine musikalische Organisation, die soziale Tendenzen hat. STRIPLING: Soziale Tendenzen? EISLER: Ganz bestimmt. STRIPLING: Ich habe hier, Herr Vorsitzender, eine Ausgabe von der Workers Music League, datiert vom Dezember 1932, Band 1, Nr. 1, offizielles Organ der Workers Music League, 55 West 19th Street, New York City. Ich werde Mr. Eisler auffordern, dem Aus160

schuß das Emblem der Organisation zu erläutern, denn es enthält Hammer und Sichel und einige Musiknoten. EISLER : Ja, sicher. STRIPLING: Wie würden Sie dieses Firmenzeichen der Organisation, um es so zu nennen, beschreiben - das Emblem der Organisation? EISLER: Würden Sie so freundlich sein und auf das Datum schauen? Da steht 1932. Ich war nicht in diesem Land VORSITZENDER: Die Frage ist, Mr. Eisler, wollen Sie das Emblem dort beschreiben. EISLER: Sichel und Hammer ist das kommunistische Zeichen. VORSITZENDER: Hammer und Sichel? EISLER: Ja. Aber es ist mit einem Violinschlüssel, und so ist es nicht STRIPLING: Sie halten die Workers League nicht für eine kommunistische Organisation, Mr. Eisler? EISLER: Nein. Eine kommunistische Organisation ist eine, die sich selbst als kommunistische Organisation bezeichnet. STRIPLING: War es nicht der amerikanische Zweig des Internationalen Musikbüros? EISLER : Ich erinnere mich dunkel eines Musikbüros. STRIPLING: Sie sind sehr eng verbunden mit dem Internationalen Musikbüro, mit dem Hauptquartier in Moskau? EISLER : Ja. Es war eine von meinen Ideen. STRIPLING: Es war Ihre Idee? EISLER: Ja. STRIPLING: Sie halfen es organisieren, nicht wahr? EISLER: Nein. Ich würde VORSITZENDER: Halfen Sie es organisieren? Das war die Frage. EISLER: Nein. STRIPLING: Sie haben nicht geholfen, das Internationale Musikbüro zu organisieren? EISLER: Nein. Es war eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Arbeitergruppen. Ich bin kein Organisator. Ich bin Komponist. Ich berate sie. STRIPLING: In Ordnung, Mr. Eisler. Wir kommen in wenigen Minuten zum Internationalen Musikbüro. EISLER: Ja. STRIPLING : Ich bin sicher, Sie werden zugeben, daß Sie sehr aktiv bei seiner Organisation und Reorganisation waren? 11

Hanns Eisler

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EISLER: Ich beriet. Ich gebe zu - ich gab meinen Rat, wenn jemand mich fragte, aber ich bin nicht, was Sie einen Organisator nennen. STRIPLING: Als nächstes, Herr Vorsitzender, habe ich den Daily Worker vom 18. Februar 1935, der einen Artikel enthält „Der berühmte Komponist von Komintern trifft zu einer USA-Konzerttour ein - Hanns Eisler ist aus Deutschland geflohen und seine Musik ist verbannt." Der Artikel ist von Sergej Radamski. (Er liest): „Hanns Eisler, der berühmte revolutionäre deutsche geflüchtete Emigrant, traf vor einigen Tagen in diesem Land ein". Ich möchte den Artikel nicht vollständig vorlesen, Herr Vorsitzender. Aber ich möchte einige Auszüge verlesen. (Er fährt fort zu lesen) „Die Ausbreitung der revolutionären Musik unter den deutschen Arbeitern war kein Zufall, noch war sie einfach zustande zu bringen. Die Kommunistische Partei in Deutschland mußte die alte Biergarten-Atmosphäre und nationalistische Liedchen des Mittelstandes bekämpfen, die ihren Weg in die Massen angetreten hatten. In dieser kulturellen und musikalischen Entwicklung wurden die deutschen Arbeiter von Hanns Eisler geführt. Der Klassenkampf in Deutschland, Streiks, Barrikaden, Maidemonstrationen sind mit seinem Namen verbunden . . . Eisler jedoch war nicht glücklich in der Umgebung der bürgerlichen Musik. Einer aus der großen Anzahl dekadenter Musiker zu sein bedeutete eine Stagnation seines Talents. Erst als Eisler mit dem Klassenkampf der Arbeiter in Berührung kam, fand er seinen Gegenstand, und damit wuchs seine Kraft, Musik zu komponieren, die nicht nur Leben und Kampf der deutschen Arbeiter ausdrückte, sondern der Arbeiterklasse der ganzen Welt." VORSITZENDER: Woraus stammt das, was Sie jetzt lesen? STRIPLING: Aus dem Daily Worker, Herr Vorsitzender, es betrifft Mr. Eislers Ankunft in den Vereinigten Staaten 1935. VORSITZENDER: Einen Moment, Mr. Stripling. RANKIN: Ist das der kommunistische Daily Worker - das Organ der Kommunistischen Partei der USA? STRIPLING: Es ist das offizielle Organ der Kommunistischen Partei. RANKIN: Das ist es, was ich in das Protokoll haben wollte. STRIPLING (liest)-. „Diejenigen, die sein Solidaritätslied aus 'Kuhle Wampe' kennen, die 'Ballade vom Soldaten', 'Roter Wedding', 'Komintern', 'Anrede an ein neugeborenes Kind', kennen auch die aufrüttelnde Botschaft seiner Musik. Die Arbeiter und Bauern der Sowjetunion haben sie schnell begriffen, und sein 'Komintern' und andere Lieder sind ungeheuer populär. Man hört sie, wo immer sich Arbei162

ter versammeln . . . Dies alles hat Eisler mit großem Erfolg geleistet. Wir in den Vereinigten Staaten sind mit einigen seiner Lieder vertraut, aber bei weitem nicht in dem Grad, den er verdient und den wir brauchen. Es ist einer der führenden Köpfe in der Musik für Arbeiter, ein außergewöhnlicher Musiker, ein Genosse, und immer Seite an Seite mit seinen Genossen." Stellen Sie irgendeine Nichtübereinstimmung mit diesem Artikel fest, den Sergej Radamski am 18. Februar 1935 im Daily Worker schrieb? EISLER: Ich kann nicht alle Zeitungsartikel identifizieren, die über mich geschrieben wurden, aber ich denke, dieser war gut gemeint, und sie wollten zeigen, daß ich in Deutschland viel Musik geschrieben habe, besonders in den letzten Jahren, bevor Hitler an die Macht kam; und ich habe als Künstler mein bestes getan, mit meiner Musik in diesem sehr schwierigen Kampf zu helfen. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen Zeitungsausschnitte aus derselben Zeit aus der Hearst-Presse zeigen, die sagen, daß ich ein Monarchist bin und die Rückkehr Kaiser Wilhelms wünsche. STRIPLING: Mr. Eisler, ich habe die gesamte New Yorker Presse dieses Zeitabschnittes durchgesehen und habe keine solchen Ausschnitte gefunden. EISLER: Ich werde Ihnen einen solchen Ausschnitt geben. STRIPLING: Nun, fünf Tage später bringt der Daily Worker, das offizielle Organ der Kommunistischen Partei, unter der Überschrift „Eisler in New York begrüßt" ein Bild. Es zeigt mehrere hundert Personen, die alle mit geballter Faust den kommunistischen Gruß leisten. Es heißt da (er liest): „Ein Teil der Sopranistinnen in einem Massenchor von 1000, der Hanns Eisler begrüßt. - Der berühmte deutsche revolutionäre Komponist bei der Ankunft zur Leitung einer Probe für seine hiesigen Konzerte." Nun, im Vordergrund des Bildes sind Sie selbst, Mr. Eisler, auch den kommunistischen Gruß leistend. EISLER: Das ist ein deutscher Gruß, der nicht STRIPLING: Würden Sie sich auf diesem erkennen? EISLER: Ja, selbstverständlich. Hier. STRIPLING: Und es ist keine Frage, daß Sie den Gruß leisten? EISLER. Ja. Aber STRIPLING: Würden Sie dem Ausschuß den Gruß demonstrieren, den Sie leisteten? (Mr. Eisler demonstriert den Gruß.) EISLER: Darf ich hinzufügen, daß dieser Gruß in Deutschland aufkam und nicht nur von Kommunisten, sondern von allen unseren Antifaschisten benutzt wurde. Es ist kein Parteigruß. Ii*

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VORSITZENDER: Mr. Stripling, wo fand dieses Treffen statt? STRIPLING: In New York, Herr Vorsitzender. RANKIN: Aus welcher Zeitung stammt das? STRIPLING: Das ist der Daily Worker. RANKIN: Der kommunistische Daily Worker? STRIPLING: Ja. Nun, am 1. März gibt es im Daily Worker einen Artikel von Joe Foster, aus dem ich Auszüge vorlesen möchte. (Er liest): „In jeder Stadt der Welt artikulieren Tausende von Arbeitern ihren Massenprotest gegen die Ausbeutung durch die herrschende Klasse. Sie gedenken ihrer gequälten und eingekerkerten Kameraden, der ungezählten Leiden, die ihr Schicksal waren. Wenn sie marschieren, vereinigen sich Tausende von Stimmen in kämpferischen Liedern, die den Kampf um ihre Freiheit ausdrücken. In den aufrüttelnden Rhythmen dieser revolutionären Lieder formulieren sie ihren Anspruch gegen die Feinde, die herrschende Klasse. Hinter dieser Musik steht Hanns Eisler - der wichtigste revolutionäre Komponist." EISLER: Sie sehen VORSITZENDER: Einen Moment. Er ist noch nicht fertig. EISLER: Verzeihung. STRIPLING: Das war alles, was ich aus diesem speziellen Artikel vorlesen wollte, Herr Vorsitzender. Ich wäre froh, wenn es in die Akten aufgenommen würde. VORSITZENDER: Ohne Einwand wird angeordnet, den Artikel vollständig zu den Akten zu nehmen. STRIPLING: Mr. Eisler, ich habe hier den Daily Worker vom 7. Oktober 1935 mit einem Artikel von Charles Hatchard unter der Überschrift Musik eint die Arbeiter - Eisler beschreibt Erfahrungen in Europa. Dieser Artikel wurde geschrieben, nachdem Sie aus Moskau zurückgekehrt waren, ist das richtig? EISLER: Ich erinnere mich nicht an den Artikel. STRIPLING: Er ist von Oktober 1935. EISLER: Ich erinnere mich nicht an diesen Artikel. STRIPLING: Er beginnt (er liest)-. „Hanns Eisler, der deutsche Emigrant und in der Welt führende Komponist von Musik und Liedern für die Arbeiter, kehrte am Freitag nach Amerika zurück, nach einer Tournee durch Frankreich, die Tschechoslowakei, und die Sowjetunion; als Weltvorsitzender des Internationalen Musikbüros. Ein pausbäckiger Mann mit funkelnden grauen Augen, brachte der Komponist Neuigkeiten von musikalischen Bestrebungen der Arbeiter in Europa, an deren Entwicklung er selbst keinen kleinen Anteil hat." Und später heißt es: 164

„Das Internationale Musikbüro, das er seit drei Monaten leitet, hat große Erfolge bei der Zusammenführung von Berufs- und Laienmusikern sowie zeitgenössischen Komponisten." Und mit Bezug auf Ihre Kompositionen heißt es: „Eine große Auswahl seiner Kompositionen wird dieses Jahr vom Staatsverlag der Sowjetunion herausgegeben. Eisler arbeitet auch an einer Musik für einen sowjetischen Film unter der Regie von Ivens - " EISLER: Ja, Regie Ivens. STRIPLING: Wir kommen zu Mr. Ivens später. Der Artikel fährt fort: „In der Glut der Oktoberrevolution, so erinnert Eisler alle Musiker, wurde die proletarische Liebe zur Musik machtvoll von den Sowjets entwickelt. Nach der Übernahme der Macht brachte die Prawda einen langen Artikel, der alle Arbeiter und Rotarmisten aufrief, Lieder und Musik zu lernen. 'Weil die Musik die Arbeiter vereint', bemerkt Eisler mit einem warmen Lächeln. 'In dieser Einheit der Stimmen und Aktionen liegt unsere Hoffnung für die Zukunft der Welt'." Stimmen Sie mit irgend etwas nicht überein, was Mr. Hatchard gesagt hat? EISLER: Ich konnte nicht über einen Deutschen sprechen, als ich dort war, aber natürlich versucht dieser Artikel meine Position in Deutschland zu reflektieren. Natürlich, wir waren Künstler, wir taten unser bestes, am Kampf gegen Hitler mitzuhelfen, und wir wußten 1933 und 1932, daß Hitler tatsächlich Krieg bedeutet. Dieser Autor hat das Recht zu schreiben, was er will. Ich kann nur für mich selbst sprechen. Ich bin nicht für jeden Artikel verantwortlich, der über mich geschrieben wurde. STRIPLING: Mr. Eisler, bezugnehmend auf den Daily Worker vom 2. Oktober 1935, dort steht - von L. E. Swift (er liest): „Die Rückkehr von Hanns Eisler Die Ankunft Hanns Eislers, des weltberühmten deutschen revolutionären Komponisten, am 3. Oktober in New York ist ein Ereignis von besonderer Bedeutung für all jene Arbeiter und Berufsmusiker, die aktiven Anteil an der Entwicklung der proletarischen Musik in diesem Lande haben . . . In Moskau wurde der deutsche Musiker zum Vorsitzenden des reorganisierten Internationalen Musikbüros gewählt, dessen Aktivitäten er jetzt nach New York mitbringt. Das ist von größter Wichtigkeit für die Entwicklung der amerikanischen proletarischen Musik, insofern es den Beginn engerer Beziehungen 165

zwischen der relativ jungen amerikanischen Arbeitermusikbewegung und der der europäischen Länder markiert." Herr Vorsitzender, ich bitte, daß auch dieser Artikel aus dem Daily Worker vollständig in die Akten aufgenommen wird. VORSITZENDER: Ohne Einspruch, es wird so angeordnet. STRIPLING: Mr. Eisler, der Ausschuß hat eine Menge Beweise hier EISLER: Ich sehe. STRIPLING: Das Internationale Musikbüro betreffend. EISLER: Ja. STRIPLING: Das Sie organisiert und reorganisiert haben. Würden Sie jetzt dem Ausschuß eine vollständige Erklärung Ihrer Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Internationalen Musikbüro geben? EISLER: Ja, sehr gern. Es war meine Idee, antifaschistische Künstler, Komponisten zusammenzuführen und zu versuchen, etwas wie ein Musikbüro zu machen. Ich sprach mit verschiedenen Freunden in Frankreich und in Berlin, und wir entschlossen uns, solch eine Sache zu machen. Unglücklicherweise nahm es nie Gestalt an. Wir waren alle zu beschäftigt. Ich glaube, der Artikel war gut gemeint, aber es existierte niemals so. Es mag Gespräche darüber gegeben haben. Weil ich einige Lieder für Filme geschrieben hatte und für das Theater, die in der Arbeiterbewegung sehr populär wurden, war es natürlich, daß meine Kollegen in London und Paris sagten, ich solle versuchen, die Sache zum Laufen zu bringen. Wir wollten kulturelle Erfahrungen austauschen. Vergessen Sie nicht, dies ist Musik und nichts anderes. STRIPLING: Mr. Eisler, was das betrifft, Sie sagen, es ist Musik und nichts anderes; haben Sie nicht bei vielen Gelegenheiten tatsächlich geäußert, daß die Musik eine der mächtigsten Waffen für das Heranreifen einer Revolution ist? EISLER: Sicher. Napoleon der Erste sagte VORSITZENDER: Wir reden hier nicht von Napoleon. Wir reden von Ihnen. EISLER: Ich halte mich hier für einen Schüler Napoleons. Ich denke, in der Musik kann ich den Unterdrückten beim Kampf um ihre Rechte helfen. In Deutschland waren wir nicht erfolgreich. Es sind freundliche Worte von diesem Mann im Daily Worker, aber die Wahrheit ist, daß Lieder den Faschismus nicht vernichten können; aber sie sind notwendig. Es ist eine Frage des musikalischen Geschmacks, ob Sie sie mögen. Ich bin ein Komponist, kein Gedichteschreiber. Wenn 166

Ihnen meine Lieder nicht gefallen, tut es mir leid - Sie können ja Open the Door, Richard13* hören. STRIPLING: Sie haben eine Menge Lieder geschrieben, Mr. Eisler, nicht wahr? EISLER: Ich habe nicht nur Lieder geschrieben, ich habe in meinem Beruf alles geschrieben. Hier (er zeigt es) ist ein Buch, das eine subversive Organisation, die Oxford University Press, gedruckt hat, aber ich könnte nicht sagen, daß ich ein Mitglied der Oxford University Press bin.14 Das ist vor zwei Wochen erschienen. Ich würde Sie bitten, Mr. Stripling, dieses Buch zu studieren. Ich habe für die Rockefeller-Stiftung gearbeitet. STRIPLING: Mr. Eisler, wenn wir mit dem Internationalen Musikbüro fertig sind, werden wir zu Ihrer Arbeit für die RockefellerStiftung kommen - für die Sie zwanzigtausend Dollar erhielten. EISLER: Mein Gehalt betrug genau fünfundsechzig Dollar wöchentlich. STRIPLING: Wir werden zu dem genauen Betrag kommen, den Sie erhielten. EISLER: Ja. STRIPLING: Das Internationale Musikbüro wurde in Moskau organisiert, nicht wahr? EISLER: Ich sprach mit einigen der deutschen Flüchtlinge in Moskau. STRIPLING: Wurde es in Moskau organisiert? EISLER: Nein. Wenn wir jemals dazu kämen,.ein Büro zu haben, wollten wir es in Paris, London oder Prag. Ich war nicht in Moskau. Wie konnte da in Moskau ein Büro sein, wenn ich der Kopf sein sollte? Es war meine Idee, so eine Sache zu organisieren. VORSITZENDER: Einen Moment. Die Frage lautete: Wurde das Internationale Musikbüro in Moskau organisiert? EISLER: Nein. VORSITZENDER: Sie können das in einem Wort beantworten. EISLER: Nein. STRIPLING: Herr Vorsitzender, in Verbindung damit möchte ich die Übersetzung eines Artikels erwähnen, der in der Sowjetmusik Nr. 2, der März/Aprilausgabe 1933 auf den Seiten 126 und 127 erschien, betitelt Für eine feste Front aller proletarischen und revolutionären Musiker von P. Weis. (Er liest): „Im November 1932 wurde die erste Internationale Musikkonferenz veranstaltet, an der Vertreter folgender Länder teilnahmen: USA, Japan, Frankreich, Ungarn, Österreich, Holland, Belgien, Mexiko 167

und Litauen. Das erste Internationale Musikbüro wurde gewählt, dessen Aufgabe es war, die Basis für eine internationale Vereinigung der revolutionären Musiker zu schaffen, deren Notwendigkeit offensichtlich war - " EISLER: Ich war nicht dort. VORSITZENDER: Einen Moment. STRIPLING (fährt fort): „Die Schaffung einer Einheitsfront in der Musikbewegung kann nur durch Politisierung erreicht werden. Wir sollten keinen Jota vom Programm des Klassenkampfes abweichen. Wir können in unseren Bemühungen nur erfolgreich sein, wenn wir wissen, wie wir unsere politischen Losungen in die Sphäre der Musik übertragen. Es ist nicht ausreichend, nur den Verrat der ReformFührer herauszustellen; wir sollten auch in der Lage sein zu zeigen, wie die faschistische Ideologie sich in speziellen Formen der musikalischen Bewegung und in Musikschöpfungen darstellt. Es ist nicht ausreichend, nur generell die Krise des Kapitalismus darzustellen; wir sollten auch die Dekadenz aller bürgerlichen Kultur konkret zeigen, speziell der Musikkultur. Wir müssen nachweisen, daß der einzig richtige Weg für Kunstwerke, auch musikalische, darin besteht, den Zielen der proletarischen Revolution zu dienen. Abschließend, es ist nicht ausreichend, zu predigen, daß das Proletariat die Musik als Waffe im Klassenkampf benutzen soll. Das ist die fundamentale Lehre des Marxismus-Leninismus. Man wird uns lediglich Prahler nennen, wenn wir nicht Musik schaffen können, die das Klassenbewußtsein der werktätigen Massen weckt und stärkt. Deshalb ist der wichtigste Punkt, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken müssen, die Schaffung revolutionärer Musik . . . Revolutionäre und proletarische Musiker aller Länder, vereinigt Euch in der Roten Einheitsfront der Arbeiter!" Das erschien in der Sowjetmusik, einer sowjetischen Publikation. Sie haben gesagt, daß Sie der Inspirator für das Internationale Musikbüro gewesen sind. Hier wird das Original und seine Genesis bekundet. EISLER: Ich war nicht in diesem Land, Herr Vorsitzender. Darf ich Einspruch erheben gegen das Verlesen von Artikeln dieser Art, alten Artikeln aus einer anderen Zeit, das nur den Zweck verfolgt, eine Hysterie gegen mich zu erzeugen. Wenn Sie etwas für mich tun wollen, bitte befragen Sie mich zu diesen Dingen. VORSITZENDER: Mr. Stripling, was ist der Zweck Ihres Verlesens all dieser Artikelauszüge? 168

STRIPLING: Der Zweck ist zu zeigen, daß Mr. Eisler der Karl Marx des Kommunismus auf musikalischem Gebiet ist und daß er sich dessen sehr wohl bewußt ist. E I S L E R : Sie schmeicheln mir. STRIPLING: In Kalifornien gab er zu, das einzige, was er je getan hat, war, einen Antrag auf Aufnahme in die Kommunistische Partei zu stellen - er hatte keine Ahnung vom Kommunismus. Als er beim Betreten dieses Landes von der Untersuchungskommi&sion gefragt wurde, ob er vertraut mit dem Kommunismus sei, sagte er „Nein". Als er gefragt wurde, ob er jemals mit der Sowjetunion zusammengearbeitet hat, war seine Antwort „Nein". E I S L E R : Aber habe ich denn geleugnet, daß ich in Moskau war? Habe ich eine der Arbeiten, die ich geschrieben habe, verleugnet? Wurde ich nicht über jedes Lied, das ich geschrieben habe, befragt und gab Antwort? Was wollen Sie denn, Mr. Stripling? STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich beabsichtige zu zeigen, daß das Internationale Musikbüro als eine Sektion der Kommunistischen Internationale ein Hauptprogrammpunkt der Sowjetunion in ihrem Bemühen war, eine Weltrevolution zu entwickeln und eine proletarische Diktatur zu errichten. Dieses Internationale Musikbüro, das Mr. Eisler 1935 schuf und reorganisierte, nachdem er hier in den Vereinigten Staaten gewesen war, entwickelte starke Aktivitäten, die ich gerne zu den Akten geben möchte. Nun, Mr. Eisler, ich möchte Sie nach dem Anfang fragen. Sie haben zugegeben, daß es Ihre Idee war? E I S L E R : Es war meine Idee und die Idee meiner Freunde. Ich versichere Sie, es war die Idee meiner Freunde. VORSITZENDER: Sie haben die Frage beantwortet. E I S L E R : Ja. Ich übernehme alle Verantwortlichkeit für solch eine Sache, aber ich versichere Sie VORSITZENDER: Sie haben die Frage bereits beantwortet, Mr. Eisler. Eine neue Frage. E I S L E R : Könnte ich meinen Satz beenden, Herr Vorsitzender? VORSITZENDER: Sie haben geantwortet. Bitte fahren Sie fort mit der nächsten Frage. STRIPLING: Die Januar/Februarausgabe der Sow)etmusik, 1933 Nr. 1, Seite 142 bringt unter dem Titel Internationales Büro der revolutionären Musik folgendes (er liest): „Im Februar 1932 wurde eine Firma gegründet, um die Internationale Union der revolutionären Musiker in Angriff zu nehmen. Auf Initia169

tive des Sekretariats des Internationalen Arbeiter-Theater-Bundes wurde innerhalb dieser Organisation eine Musiksektion gegründet. Innerhalb einer vergleichsweise kurzen Zeit hat die Musiksektion des MORT eine beachtliche Arbeit geleistet bei der Festigung der internationalen musikalischen Verbindungen. Im November 1932 fand in Moskau die erste internationale Musikkonferenz von großer historischer Bedeutung statt, die durch die Aktivität der Musiksektion des MORT und des sowjetischen Komponistenverbandes zustande kam . . . Es wurde entschieden, anstelle der Musiksektion des Internationalen Revolutionären Theaterbundes (MORT) ein Internationales Musikbüro zu schaffen, das die Funktion des Organisators für die Gründung einer Internationalen Union der revolutionären Musik hat. Folgende Mitglieder wurden für das Büro ausgewählt: Genosse Eisler (Deutschland), Shafer (London), Adomian, Keller (Vereinigte Staaten von Amerika) - " Ich will die übrigen Mitglieder des Büros nicht verlesen, Herr Vorsitzender. Ich möchte betonen, daß Mr. Eisler der erste war, der als Mitglied des Büros gewählt wurde. Der Artikel fährt fort (er liest): „Zur Leitung der Arbeit des Büros wurde ein Sekretariat gebildet, dem folgende Mitglieder angehören - " Nun sind die Mitglieder aufgeführt und da ist der Name von Mr. Eisler dabei. (Er fährt fort zu lesen): „Die prinzipiellen Aufgaben des IMB sind, alle revolutionären musikalischen Kräfte aller Länder zu vereinen,' musikalische Erfahrungen und musikalisches Material innerhalb verschiedener Länder auszutauschen, die besten Vertreter der proletarischen Intelligenz in die Bestrebungen der musikalischen Front einzubeziehen, Sektionen in den kapitalistischen Ländern aufzubauen und einen Weltkongreß zur Organisation der Internationalen Union der revolutionären Musik vorzubereiten. Die amerikanische Workers Music League, die deutsche Vereinigung zur Beförderung revolutionärer Musik und die japanische Union der proletarischen Musiker sind bereits nationale Sektionen des IMB geworden." Mr. Eisler, als ich Beweisstück zwei verlesen habe und Sie bat, das Emblem der Workers Music League zu erläutern, sagten Sie, daß es nichts mit der Internationalen Union zu tun habe. EISLER: Ich weiß das wirklich nicht. Das war ein Artikel von 1932. Ich weiß nicht, welche Beziehungen es gab. Ich war hier als Komponist. Wenn mich jemand über Musik befragt, dann werde ich darüber sprechen. Ich würde Reden für Amateurorchester über Beethoven halten und so weiter. 170

STRIPLING: Mr. Eisler, wer hat die Internationale komponiert? EISLER: Ein Mann names Pierre Degeyter. Sie wurde um 1888 geschrieben. STRIPLING: Gehörten Sie jemals einer Organisation an, die als Pierre-Degeyter-Musik-Klub bekannt ist? EISLER: Ich hielt dort einmal einen Vortrag. STRIPLING: In den Vereinigten Staaten. EISLER: Ja. Im Pierre-Degeyter-Klub. STRIPLING: Halten Sie ihn für eine kommunistische Organisation? EISLER: Mr. Stripling, ich frage nicht jeden, ob er Kommunist ist oder nicht, wenn ich in einen Klub gehe und spreche. Ich war in vielen Klubs und bei vielen Konzerten. Ich zähle sie nicht nach. STRIPLING: Also, wissen Sie nun, ob das eine kommunistische Organisation ist oder nicht? EISLER: Ich weiß es nicht. STRIPLING: Mr. Eisler, haben Sie jemals im Hauptquartier der Kommunistischen Partei Vorträge gehalten? EISLER: Nein. STRIPLING: Sie haben keine gehalten? EISLER: Nein. STRIPLING: Sind Sie im November 1935 mit Ihrem Bruder Gerhart Eisler im Hauptquartier der Kommunistischen Partei gewesen? EISLER: Beim besten Willen, ich erinnere mich nicht. STRIPLING: Sie hielten Vorträge über die kulturelle Bewegung in den Vereinigten Staaten. EISLER: Ich wurde niemals von der Kommunistischen Partei für etwas vorgesehen. STRIPLING: Ihre Antwort ist also, Sie haben es nicht getan? EISLER: Nach bestem Gewissen und Erinnerung, das ist nicht wahr. VORSITZENDER: Ihre Erinnerung ist heute besser, als sie es in Los Angeles war, nicht wahr? EISLER: Ja. VORSITZENDER: Dann können Sie ja bestreiten, daß Sie ein solches Treffen mit Ihrem Bruder Gerhart hatten. EISLER: Das kann ich wirklich nicht bestreiten. Ich bin kein Feigling. Ich bestreite das wirklich nicht. VORSITZENDER: Ist Ihre Antwort „ja" oder „nein"? EISLER: Meine Antwort ist, daß ich mich nicht erinnern kann. STRIPLING: Waren Sie Mitglied des Pierre-Degeyter-Klubs? EISLER: Niemals. 171

STRIPLING: Sie waren es nicht? EISLER: Ich war Gast. Zu dieser Zeit war ich genau zehn Tage in New York. Als ich zurückkam, war er schon aufgelöst. Wie konnte ich da Mitglied sein? Vielleicht haben sie nette Bemerkungen über mich gemacht, aber das weiß ich nicht. STRIPLING: Herr Vorsitzender, wir haben die Unterlagen des Pierre-D egeyter-Klubs. Hier ist das Mitgliedsverzeichnis des PierreDegeyter-Klubs. Unter „E" ist eingetragen als Mitglied, ich glaube, Nummer 12, Eisler, 147 Abfoey Road, London. Ich glaube, -das ist Ihre Handschrift. EISLER: Es ist nett von diesen jungen Männern, mich zu wählen, aber ich lebte in London, wußte davon nichts. STRIPLING: Ist das Ihre Handschrift? EISLER: Nein. STRIPLING: War das Ihre Adresse zu dieser Zeit? EISLER: In London, ja. STRIPLING: Herr Vorsitzender, hier steht „Mitgliederverzeichnis". Nun, ist das Ihre Handschrift (er zeigt sie)? EISLER: Sicher, das ist sie. STRIPLING: Es ist in deutsch geschrieben, ich möchte, daß Sie das dem Ausschuß übersetzen. EISLER: Die herzlichsten Grüße und Wünsche - revolutionäre Grüße und Wünsche für den Pierre-Degeyter-Klub. STRIPLING: Es heißt also: „Die herzlichsten revolutionären Grüße und Wünsche für den Pierre-Degeyter-Klub"? EISLER: Ja. STRIPLING: Unterschrieben Hanns Eisler? EISLER: Ja. STRIPLING: Ist das richtig? EISLER: Ja. STRIPLING: Sie haben das geschrieben? EISLER: Ja. STRIPLING: Herr Vorsitzender, unter den Unterlagen, die dem Ausschuß bezüglich des Pierre-Degeyter-Klubs vorliegen, ist eine, die heißt: „Der Pierre-Degeyter-Klub - Vorgänger der American Music League". Der Pierre-Degeyter-Klub wurde also in die American Music League umgewandelt. Ich habe hier Unterlagen über eine Zusammenkunft der American Music League vom 15. Juni 1936 (er liest): „Das Protokoll der Zusammenkunft vom 8. Juni 1936 wird verlesen und gebilligt. Folgende Dokumente werden verlesen: 1. Ein Brief 172

des Distrikts 2 der Kommunistischen Partei, der uns auffordert, eine Protestresolution gegen die Aktionen des Obersten Gerichtshofes, die die mindesten Rechtsnormen aufheben, und gegen die Macht des Obersten Gerichts zu verabschieden. Es wurde der Antrag gestellt, Telegramme an unsere Kongreßabgeordneten und an Präsident Roosevelt zu senden, in denen gegen die Entscheidungen des Obersten Gerichts protestiert wird und in denen gefordert wird, daß die Macht des Obersten Gerichts eingeschränkt wird. Es wird der Zusatzantrag gestellt, Briefe anstatt Telegramme zu senden, und der Antrag wird angenommen . . . 4. Ein Brief aus der Sowjetunion zum Problem des Reichtums der Musikkultur der Völker der Sowjetunion. Dazu wurde ein Antrag gestellt und angenommen, daß dieser ziemlich lange Brief auf der offenen Zusammenkunft am nächsten Montag verlesen wird und Bestandteil des Programms wird." Dieses möchte ich, Herr Vorsitzender, ebenfalls den Akten beifügen, um das Aussehen dieser Organisation zu belegen. Der Pierre-Degeyter-Musik-Klub veröffentlichte eine Reihe von Liedern, einige davon von Mr. Eisler, aber seine Aktivitäten waren nicht so ausgedehnt wie die des Internationalen Musikbüros, zu dem ich zurückkehren möchte. Ich habe hier, Herr Vorsitzender, eine so betitelte Internationale Sammlung Revolutionärer Lieder. Auf dem Umschlag ist Hammer und Sichel. Innen, unter dem Datum 1933, ist wieder Hammer und Sichel. Es heißt dort: „Internationales Musikbüro des MORT, Internationale Sammlung revolutionärer Lieder". Auf Seite 24 erscheint ein Lied Kominternmarscb von Hanns Eisler. Nun, Mr. Eisler, haben Sie die Musik für den Kominternmarscb geschrieben? EISLER: Ich habe für ein Theaterstück 1926 oder 1927 einen Marsch geschrieben, der später populär wurde und einen anderen Titel bekam. Ich bin der Autor dieses Liedes. STRIPLING: Des Kominternmarsches? EISLER: Ja. STRIPLING: Würden Sie dem Ausschuß erläutern, was die Komintern ist? EISLER: Die Komintern war eine internationale Organisation der Arbeiter. VORSITZENDER: Ich kann Sie nicht verstehen. EISLER: Eine internationale Organisation der Arbeiter. Es gab die Erste, Zweite und Dritte Internationale. Sie kamen zusammen, um die Einigung zu versuchen. STRIPLING: Das ist in drei verschiedenen Sprachen erschienen. 173

Im Vorwort haben sie in großer Länge ausgeführt, was für eine große Waffe die Musik im Klassenkampf darstellt. Es heißt (er liest): „Wir wissen aus einigen sehr wichtigen historischen Beispielen, wie das Lied als mächtige Waffe für revolutionäre Agitation diente, so wie in der Russischen Revolution 1917. Diese enorme Wichtigkeit wurde erneut demonstriert durch die Tatsache, daß fast dreiviertel eines Leitartikels in einer der ersten Ausgaben der Prawda von 1917 (Ausgabe Nr. 5) der Frage des Liedes gewidmet waren. Dort lesen wir das f o l g e n d e . . . " Der Auszug aus der Prawda, auf den sie Bezug nehmen, führt aus, wie die Arbeiter hinter den Barrikaden die Internationale singen und was für eine Inspiration das sei, und so fort. Hier ist eine andere Ausgabe, die vom Internationalen Musikbüro 1935 in der Sowjetunion herausgegeben wurde. „Internationale Sammlung revolutionärer Lieder" Herausgegeben vom Internationalen Musikbüro zusammen mit dem MORT unter Leitung von V. Ramm, Moskau Musgis 1933. Die Sammlung umfaßt 13 revolutionäre Lieder des Internationalen Proletariats, übersetzt ins Englische, Deutsche und Russische. Daneben ist jedes Lied in seiner Originalsprache gedruckt. Lieder, die von Sowjetkomponisten arrangiert wurden, mit Ausnahme 3, 4 und 11, wurden vom Internationalen Musikbüro beim MORT gesammelt. Ein Teil von ihnen ist von Genossen in Ost und West in den revolutionären Arbeiterorganisationen populär gemacht worden. Auf dem Titel heißt es in vier Sprachen „Arbeiter aller Länder, vereinigt Euch." Ist das nicht die Losung der Kommunistischen Partei? EISLER: Das ist die Losung der Arbeiterbewegung seit über hundert Jahren. VORSITZENDER: Mr. Eisler, bedeutet Ihre Antwort, daß das nicht die Losung der Kommunistischen Partei ist? EISLER: O, ja. VORSITZENDER: Es ist also die Losung? EISLER: Ja. Auch die Losung vieler politischer Gruppen. Nicht ausschließlich der Kommunistischen Partei. STRIPLING: Die Losung ist gut bekannt, Herr Vorsitzender, sie erscheint auf vielen Veröffentlichungen und so weiter. In dieser speziellen Ausgabe, viersprachig in Moskau herausgegeben, erscheint ein anderes Lied von Hanns Eisler, betitelt Fünfzigtausend stark15. Haben Sie das komponiert, Mr. Eisler? EISLER: Ja; ich komponierte das 1930 in Berlin. 174

STRIPLING: Würden Sie das als revolutionäre Musik bezeichnen? EISLER: Absolut. Revolutionäre Musik ist ein bißchen hochgegriffen dafür. Ich würde es ein Lied der Arbeiter nennen. STRIPLING: Würde es im Klassenkampf helfen? EISLER: Wie bitte? STRIPLING: Würde Ihr Lied im Klassenkampf helfen? EISLER: Ich hoffe, das hat es getan. STRIPLING: Sie hoffen, daß es das getan hat? EISLER: Ich hoffe das. STRIPLING: Sie haben diese Hoffnung auch aufrechterhalten, seit Sie in den Vereinigten Staaten sind? EISLER: Meine Lieder sind völlig vergessen. Das ist tatsächlich, würde ich sagen, eine vergangene Angelegenheit. STRIPLING: Nun, Mr. Eisler, wir wollen sehen, ob das vergessen ist. Ich habe hier ein Liederbuch, betitelt Rotes Liederbuch, herausgegeben und zusammengestellt von der Workers Music League, mit Hammer und Sichel auf dem Umschlag, von der Sie ja sagten, sie sei keine kommunistische Organisation, und sie bringen auf der Rückseite Ihr Lied, Komintern, von Hanns Eisler. Ich werde dem Ausschuß den Text des Liedes vorlesen. EISLER: Ein Vergnügen. STRIPLING: Wollen Sie ihn lesen? EISLER: Sie haben eine bessere Aussprache als ich. STRIPLING: (liest. . J 1 6 Ist dies eines Ihrer kleinen Liedchen, das sich jemand anders zu eigen gemacht hat? EISLER: Dieses Lied wurde 1926 geschrieben. Das ist eine Übersetzung. Wann wurde das Lied hier gedruckt? STRIPLING: Wie bitte? EISLER: Wann wurde das hier gedruckt? STRIPLING: Es wurde 1932 in New York veröffentlicht. EISLER: 1932 war ich in Berlin. Ich bin nicht für literarische Übersetzungen verantwortlich. Mein Lied wurde in Deutschland geschrieben, für eine Theateraufführung am Jahrestag der deutschen Revolution von 1918. MCDOWELL: Wer schrieb den Text, Mr. Stripling? STRIPLING: Victor Jerome.17 EISLER: 1932. STRIPLING: Andere Lieder in dieser Ausgabe sind die Internationale, Die Barrikaden, Die Bauleute, Genossen, Die Hörner schallen, u. a. Solidarität, Arbeitertrauermarsch 175

E I S L E R : Das sind sehr schöne Melodien. STRIPLING: Hier habe ich eine andere Ausgabe, Mr. Eisler, betitelt Amerika singt. E I S L E R : Ja. STRIPLING: Herausgegeben vom Workers Book Shop, 50 East 13th Street New York, dem offiziellen Verlagshaus der Kommunistischen Partei. Es hat ein Vorwort von Earl Robinson. Unter den Liedern, die in Amerika singt enthalten sind, ist Komintern auf Seite 11, Genossen, Die Hörner schallen, Internationale, Rote Luftflotte, Rote Fahne, Patrouillen, Salut dem Leben, Jungs von Scottsboro, Solidarität für immer - und aus unerfindlichen Gründen Star Spangled Banner18 auf Seite 5. Herr Vorsitzender, hier habe ich einen Artikel Die Revolutionäre Musikfront von G. Schneerson, der in der Sowjetmusik Nr. 3 Mai/Juni 1933 erschienen ist. Darin heißt es: „Die Liga" - das bezieht sich auf die Workers League - „hat verschiedene Massenlieder veröffentlicht . . . Lieder von Eisler und von Sowjetkomponisten, die ins Englische übersetzt wurden . . . Die amerikanischen Genossen haben mit Erfolg eine Anzahl hervorragender Musiker und Theoretiker in die Arbeit der Bewegung einbezogen. An der Spitze der verschiedenen Gruppen sind qualifizierte Leiter tätig. Die größte Hilfe bei der Lösung des Hauptproblems der theoretischen Kurse leistet ein Musik-Klub mit dem Namen Pierre-Degeyter in New York, der von der League organisiert ist. Die Klubarbeit wird von so großen Musikern wie Prof. Henry Cowell, Charles Seeger und anderen geleitet. Die League hat über 6000 aktive Mitglieder. Eine Anzahl von großen Chören und Orchestern macht die League zu einem der stärksten Bestandteile in der Internationalen Revolutionären Musikfront." Das ist die Organisation, der Sie revolutionäre Grüße ins Buch schrieben? E I S L E R : Sicher. STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich habe hier eine sowjetische Publikation Das internationale Theater, Nr. 1, 1934. Auf Seite 62 heißt es unter der Überschrift: Neues vom Internationalen Musikbüro (er liest): „Das Internationale Musikbüro hat eine Reihe von Briefen verschiedener Musik- und Chorensembles aus Frankreich und dem Elsaß erhalten, die danach fragen, Kontakte zu Orchestern und Chören der großen Kolchosen in der UdSSR aufzunehmen. Gemeinsam mit der Kulturabteilung des Zentralrats der Gewerkschaften der UdSSR hat das Internationale Musikbüro einen Plan zur Organisation derartiger Beziehungen in großer Breite ausgearbeitet. Erwin 176

Schulhof, der Autor einer Musik zum Kommunistischen Manifest, hat eitlen Liederzyklus 'Lieder der Revolution von 1917' geschrieben, den er Während seines nächsten Besuches in der UdSSR aufzuführen plant. Das Internationale Musikbüro hat musikalische Rundfunkprogramme zu revolutionären Themen ausgearbeitet. Sie sollen in speziellen Programmen revolutionärer Musik viermal monatlich über den Sender der Komintern ausgestrahlt werden. D a s Programm enthält die Werke von Eisler, Szabo, Schulhof, Adomian, Schaffner und anderen K o m ponisten." Hier habe ich auch ein Heft des Internationalen Theaters Nr. 2, 1932. Auf Seite 11 erscheint der folgende Artikel: „Die revolutionäre Musikbewegung In einer Anzahl von Ländern nimmt die revolutionäre Musikbewegung immer breitere Formen an und führt immer neue Massen von Arbeitern sowie der revolutionären Intelligenz in die Reihen der Kämpfer für eine klassengebundene Kunst. Diese Bewegung ist besonders stark in Deutschland, das bereits eine Reihe hervorragender revolutionärer Komponisten hervorgebracht hat (Eisler, Vollmer, Wölpe und andere), in den Vereinigten Staaten (Schaffer, Libich, Adomian), und in Japan, wo viele revolutionäre Lieder komponiert wurden und wo, ungeachtet der brutalen Verfolgung, eine Vereinigung der proletarischen Musiker besteht, die eine große Arbeit unter den werktätigen Massen leistet und die bereits verschiedene Bücher mit revolutionären Liedern veröffentlicht hat. D i e Arbeiterchöre und Orchester in England, Frankreich, der Tschechoslowakei, der Schweiz, Elsaß-Lothringen, Holland und anderswo haben sich beachtlich entwickelt. D i e revolutionäre Musikbewegung umfaßt jetzt Zehntausende Arbeiter in allen kapitalistischen Ländern. D i e Musik in den Händen der Arbeiterklasse wird eine tatsächliche Waffe im Kampf gegen die Bourgeoisie. Nicht ein großes Ereignis, keine Demonstration, kein Meeting usw. vergeht, ohne daß revolutionäre Lieder gesungen werden oder ein Arbeiterchor bzw. Orchester auftritt." Sie haben nie Einwände gehabt, daß sie Ihre Musik benutzen, M r . Eisler? E I S L E R : Überhaupt nicht. Ich habe keinen Einwand, wenn jemand meine Musik spielen will. S T R I P L I N G : Mr. Eisler, als Sie 1935 in Moskau waren, haben Sie Interviews gegeben oder Artikel geschrieben? E I S L E R : Ich denke, ich habe wie üblich Interviews gegeben. Meist mit Gedanken über Deutschland. 12

Hanns Eisler

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STRIPLING: Ich habe hier einen Artikel von Ihnen, erschienen in Sowjetskoje lskusstwo, am 29. Juli 1935 auf Seite 2. Er zeigt Ihr Foto und ist in Russisch gedruckt. Der Titel lautet Die Zerstörung der Kunst. Ich möchte das nicht alles vorlesen. Wenn Sie es aber wünschen, werde ich es gerne tun. Sie sagen dort (er liest .. J 1 9 Mr. Eisler, was meinen Sie mit „auf der anderen Seite der Barrikade"? EISLER: Würden Sie die Überschrift des Artikels wiederholen? STRIPLING: Der Titel lautet Die Zerstörung der Kunst. EISLER: Von wem? STRIPLING: Von Hanns Eisler. EISLER: Nein. Ich habe die Kunst nicht zerstört. Da können Sie mich nicht kritisieren. Ich sprach davon - ich bin sicher, daß Sie das finden werden wie der Faschismus die Kunst zerstört hat. VORSITZENDER: Ich glaube nicht, daß das zur Klärung der Frage wichtig ist. Wie lautete Ihre Frage, Mr. Stripling? STRIPLING: Ich habe ihn gefragt, was er mit „auf der anderen Seite der Barrikade" meinte. EISLER: Ich meinte damit, in Deutschland gegen Hitler zu kämpfen. Das war meine feste Überzeugung. STRIPLING: Als nächstes, Herr Vorsitzender, möchte ich die Übersetzung eines Interviews zu den Akten geben, eines Interviews mit Hanns Eisler, das am 27. Juni 1935 in Wetschernaja Moskwa erschien. Hier werden Ihre Worte zitiert, Mr. Eiisler: (er liest) „Ein Interview mit Hanns Eisler Ich verließ Deutschland nach dem Reichstagsbrand. Deshalb habe ich über die letzten Ereignisse im musikalischen Leben Deutschlands nur Informationen aus zweiter Hand. Es ist normal und logisch, daß alle Anstrengungen, die Musikbewegung der Arbeiter zu entwickeln, vom faschistischen Regime radikal unterdrückt werden. In Deutschland existierte eine große Arbeitersängerbewegung. Es gab auch eine Gemeinschaft der Arbeitersänger. Beide wurden bereits seit langem gesprengt. Nicht nur die Arbeitervereinigungen wurden von den Faschisten verfolgt, auch die linken Elemente unter den bürgerlichen Komponisten. Selbst Paul Hindemith, der angesichts des Mangels von Persönlichkeiten auf musikalischem Gebiet von den Nazis anfänglich akzeptiert wurde, hat nun ihr Vertrauen verloren. Es wird einige Zeit dauern, bis eine junge Generation zweitklassiger Musiker heranwächst, die die politischen und künstlerischen Erwartungen Adolf Hitlers erfüllen kann. Solange ist die Führung in der musikalischen 178

Welt Deutschlands geteilt zwischen Hans Pfitzner und dem sehr alten Richard Strauß. Über Pfitzner kann man tatsächlich sehr wenig sagen. Seine Popularität war nie sehr groß und immer auf das brave Deutschland beschränkt. Aber Strauß war einmal groß. D a s war vor langer Zeit. D i e Musik, die er jetzt schreibt, fügt der Geschichte seiner schöpferischen Kunst keine Ruhmesblätter hinzu. Kürzlich war die erste Aufführung seiner neuen Oper nach einem Libretto von Stefan Zweig in Dresden. D i e Erlaubnis, ein Stück von Zweig aufzuführen, der J u d e ist, zeigt den brennenden Wunsch (oder die Notwendigkeit?) des gegenwärtigen Deutschland, Strauß für seine Zwecke einzuverleiben. Aber seine Oper hatte einen sehr zweifelhaften Erfolg. In London, wohin ich direkt von Deutschland ging, komponierte ich eine große Sinfonie, in der ich eine Reihe rein musikalisch-technischer Probleme zu lösen versuchte. Dort leitete ein hervorragender französischer Dirigent, Georges Ansermet, die erste Aufführung meiner Sinfonie. Ich möchte diese Arbeit fortsetzen mit einer neuen Sinfonie, die ich den Opfern des faschistischen Terrors widme. In England schrieb ich auch die Musik für den populären Film 'Abdul Hamid' (oder der Fall eines Diktators), er handelt vom Kampf junger türkischer Revolutionäre mit ihren Feudalherren. Trotz dieses Stoffes, der aus einem Geschichtsbuch stammt, kann der aufmerksame Zuschauer natürlich die Ähnlichkeit zwischen dem alten türkischen Diktator und dem gegenwärtigen Reichskanzler und Führer sehen. Der Film wurde von Grüne inszeniert und hatte großen Erfolg. D i e Hauptrolle des Abdul Hamid spielte der brillante Schauspieler Fritz Kortner. Von den Werken, die ich in London komponierte, möchte ich ferner die Musik zu Ernst Tollers Schauspiel 'Feuer aus den Kesseln' erwähnen, das vom revolutionären Aufstand deutscher Matrosen 1917 berichtet, und eine kleine Anzahl revolutionärer Lieder. Ich glaube, die besten Stücke in diesem Liedbändchen sind das 'Einheitsfrontlied' und das 'Solidaritätslied'. Von England kam ich nach Amerika. Ich habe große Eindrücke von dieser Reise. Als erstes hatte ich großen Erfolg mit einer Vielzahl von Konzerten, die ich für die Opfer der faschistischen Verfolgung gab. Als zweites hielt ich Vorträge über den deutschen Faschismus. Überall hatte ich große Zuhörerzahlen. Zum Beispiel kamen in N e w York nahezu 5000 Menschen zu meiner Veranstaltung., In Hollywood und Los Angeles kamen nicht nur Arbeiter, sondern auch Vertreter der progressiven Intelligenz. D i e reaktionäre Presse in Los 12«

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Angeles startete eine Kampagne gegen mich und forderte meine Deportation zurück nach Deutschland. Natürlich stimmten die Autoren der Artikel meinen Ansichten über die gegenwärtige deutsche Kultur zu. Sie waren bereit, gemeinsam mit mir gegen den sogenannten Kitsch in der deutschen Musik (süße und sentimentale Banalität) zu protestieren. 'Diese Ideen sind sehr gut', schrieben die Zeitungen, 'sie sollten benutzt werden, aber der Autor muß zurückgeschickt werden zu Hitler.' Ich bin sehr erfreut zu berichten, daß unter der künstlerischen Intelligenz Amerikas ein großer Ruck nach links verzeichnet werden kann. Ich glaube, es ist nicht übertrieben zu sagen, daß die besten Köpfe der musikalischen Welt Amerikas (mit wenigen Ausnahmen) sehr progressive Ideen vertreten. Ihre Namen? Das sind Aaron Copland, Henry Cowell, Dr. Riegger (der beste Musikerzieher), der hervorragende Musiktheoretiker Professor Seeger, der größte Spezialist für moderne Musik, Slonimsky, und schließlich der hellste Stern am musikalischen Horizont Amerikas, der große Dirigent Leopold Stokowsky. Er hat es gewagt, im philharmonischen Konzert die 'Internationale' zu spielen. Das war natürlich ein unerhörter Zwischenfall, der danach gestoppt wurde. Vor meiner Abreise aus Amerika wurde mir ein Lehrstuhl für Komposition an einem New Yorker Kunstinstitut angeboten. Ich nahm das Angebot erfreut an, weil ich hoffe, dort etwas zur jungen amerikanischen Musikentwicklung beitragen zu können. Ich werde am 1. September nach New York zurückkehren. Vorher muß ich den deutschen Dichter Bert Brecht in Dänemark besuchen, mit dem ich an einem neuen musikalischen Stück zusammenarbeite über die Käuflichkeit bürgerlicher Kunst und Wissenschaft. Ein Telegramm aus Moskau vom Musikbüro des MOPR forderte mich auf, am Festival in Strasbourg teilzunehmen. Über die Zeit, die ich in Strasbourg und Reichenberg, auf dem internationalen tschechischen Festival verbracht habe, habe ich bereits am ersten Morgen nach meiner Ankunft hier mit dem Vertreter Ihres Blattes gesprochen. Zum Schluß möchte ich über meine Eindrücke von Moskau sprechen, wohin ich eingeladen wurde, um das Musikbüro des MOPR zu reorganisieren. Ich war drei Jahre nicht hier. Ich erkenne Moskau nicht wieder. Um damit zu beginnen, ich durchfuhr die proletarische Metropole mit der Untergrundbahn. Sicher ist dies die beste Metro der Welt. Was für eine Ordnung und blitzende Sauberkeit! Am meisten von allem war ich beeindruckt von dem Ausdruck des Glücks, der ziemlich fröhlichen Sorgenfreiheit auf den Gesichtern der Sowjet180

bürger. In der kapitalistischen Welt ist ein solcher Ausdruck seit langem von den Gesichtern der Menschen verschwunden, die von der Sorge um das Morgen verdüstert sind. Sie können sich die Gefühle eines Ausländers nicht vorstellen angesichts dieser Sowjetbürger, die so große Möglichkeiten und eine solch ruhmreiche Zukunft vor sich haben. Ich werde in Amerika nicht müde werden, alles zu berichten, was ich hier gesehen habe. Die Arbeiter dort und die progressive Intelligenz verfolgen mit großer Aufmerksamkeit und voller Sympathie jeden neuen Schritt im Leben Ihres großen Heimatlandes. Diese Sympathie ist nicht nur passiv. Ich werde nie den großen Eindruck vergessen, den zwei machtvolle Meetings in New York auf mich machten, organisiert als Protest gegen die verlogenen Attacken der Hearstpresse gegen die UdSSR. Über 35 000 Menschen besuchten diese Meetings. Die Arbeiter, Männer und Frauen, spendeten ihr schwerverdientes Geld und riefen: 'Druckt Zeitungen gegen Hearst!' Ich wünschte mir, daß ein großer Künstler ein Bild schaffen würde, das für immer die Geschichte dieses Akts internationaler Solidarität erzählen könnte." VORSITZENDER: Würden Sie bitte einen Moment herkommen, Mr. Stripling. (Es tritt eine Unterbrechung ein.) STRIPLING: Mr. Eisler, haben Sie ein Lied mit dem Titel Lob des Lernens geschrieben? EISLER: Ja. STRIPLING: Ich will den Text eines Verses lesen. Da heißt es (.. .) 20 Was meinen Sie mit „Du mußt die Führung übernehmen"? EISLER: Dieses Lied stammt aus einem Stück, zu dem ich die Musik schrieb. Es wurde 1929 in Berlin geschrieben. Das Stück fußte auf dem berühmten Roman von Gorki. Dieses Lied wurde von Arbeitern auf der Bühne gesungen. Danach wurde es in einem gewissen Grad populär. Es war ein historisches Stück über den Kampf des russischen Volkes von 1905 bis 1917. VORSITZENDER: Und Sie meinen nicht, daß sie jetzt die Führung übernehmen müssen? EISLER: Wie bitte? VORSITZENDER: Ich sage, Sie sind nicht der Meinung, jetzt die Führung übernehmen zu müssen? EISLER: Ich kann Ihre Frage nicht verstehen. VORSITZENDER: Sie sagten, daß es sich auf Deutschland bezog. EISLER: Nicht nur auf Deutschland. Es war ein Theaterstück, ein Lied in einem Theaterstück. Es bezog sich auf die Situation auf der Bühne. 181

VORSITZENDER: Würde es sich auch hier auf die Vereinigten Staaten beziehen? STRIPLING: Es ist in den Staaten aufgeführt worden. Er schrieb die Musik dazu in den Vereinigten Staaten.21* E I S L E R : Nein, ich schrieb die Musik 1929 oder 1930 in Berlin. Es wurde in Kopenhagen, in New York - ich glaube in Paris aufgeführt. Es war ein Theaterstück. VORSITZENDER: Es bezieht sich nicht nur auf Deutschland, sondern bezieht sich auch auf Frankreich, Italien und die Vereinigten Staaten? E I S L E R : Es ist aus einer Bearbeitung von Maxim Gorki, dem bekannten Dichter. Das Lied basiert auf einer Idee von Maxim Gorki. Dieses Lied bezieht sich auf die historische Lage des russischen Volkes von 1905 bis 1917. VORSITZENDER: Würden Sie das gleiche Lied jetzt hier schreiben? E I S L E R : Wenn ich ein historisches Stück über Rußland zu schreiben hätte, würde ich es schreiben - und der Dichter würde mir den Text überlassen. VORSITZENDER: Würden Sie jetzt hier in den Vereinigten Staaten das gleiche Lied „Du mußt die Führung übernehmen" schreiben? E I S L E R : Nein. VORSITZENDER: Dann haben Sie also Ihre Meinung geändert? E I S L E R : Nein, aber ich bin hier Gast, ein Fremder, und die Arbeiterbewegung kann ihre Angelegenheiten selbst austragen. Das meine ich damit. STRIPLING: Mr. Eisler, haben Sie der Sowjetunion jemals Grüße geschickt? E I S L E R : Sicher. Ich erinnere mich nicht, aber so etwas hat es gegeben. STRIPLING: Die Sowjetmusik vom Oktober 1936, Nr. 10, bringt auf Seite 6 einen Artikel Ausländische Musiker zur Stalinschen Verfassung. Sie hassen Stalin nicht, Mr. Eisler? E I S L E R : Wie bitte? STRIPLING: Hassen Sie Stalin? E I S L E R : Nein. STRIPLING: Warum haben Sie unserer Einwanderungsbehörde gesagt, sie haßten Stalin? E I S L E R : Daran kann ich mich nicht erinnern. Wenn ich wirklich so eine dumme Bemerkung gemacht habe, war ich ein Idiot. 22 * STRIPLING: Sie haben geäußert „Ich hasse Stalin ebenso wie ich Hitler hasse", als Sie vor der Einwanderungsbehörde standen. 182

EISLER: Ich bin überrascht. Das muß ein Mißverständnis sein, oder es ist eine völlig idiotische, hysterische Bemerkung. VORSITZENDER: Erinnern Sie sich daran? EISLER: Ich erinnere mich nicht an diese Bemerkung. Ich glaube, daß Stalin eine der größten historischen Persönlichkeiten unserer Zeit ist. STRIPLING: Diese Botschaft, Herr Vorsitzender, schickte Hanns Eisler anläßlich der Stalinschen Verfassung. Sie lautet: (Er liest.. J 2 3 Das ist 1936 geschrieben, nachdem Sie in diesem Land waren. EISLER: Habe ich das geschrieben? STRIPLING: Hier steht „Von Hanns Eisler, mit herzlichen Grüßen" EISLER: Ich kann mich nicht erinnern. Es ist schon möglich, daß ich das geschrieben habe. Wo ist das gedruckt? STRIPLING: Es erschien in der Sowjetmusik. EISLER: Aha. STRIPLING: Nr. 10 vom Oktober 1936. EISLER: Dann habe ich das natürlich geschrieben. STRIPLING: Die Große Sowjetenzyklopädie, Mr. Eisler, herausgegeben in Moskau 1933, gibt im Band 63 in den Spalten 157-158 Ihr Bild und schreibt dazu: „Hanns Eisler - geboren 1898, Komponist, Kommunist, Führer der proletarischen Bewegung in der deutschen Musik." Ist das etwa ein Irrtum seitens der Großen Sowjetenzyklopädie, Sie als Kommunisten zu bezeichnen? EISLER: Es ist ein Irrtum. Sie nennen jeden, der wie ich aktiv war, einen Kommunisten. Ich gäbe es zu, meine Herren - ich fürchte mich vor nichts - ich würde es zugeben. Aber ich habe kein Recht dazu, besonders heute, nachdem die deutschen Kommunisten in den letzten fünfzehn Jahren so viele Opfer gebracht haben und solche Kämpfe ausgetragen haben - ich wäre ein Lügner, wenn ich mich einen Kommunisten nennen würde. Ich habe kein Recht dazu. Die kommunistischen Widerstandskämpfer in allen Ländern haben bewiesen, daß sie Helden sind. Ich bin kein Held. Ich bin ein Komponist. VORSITZENDER: Zu dieser Sache, Sie sagten, daß Sie sich beworben hatten EISLER: Ja. VORSITZENDER: Um Mitglied zu werden. EISLER: Ja. VORSITZENDER: Und daß die Bewerbung angenommen wurde. EISLER: Ja. 183

V O R S I T Z E N D E R : Wie lange waren Sie Mitglied? E I S L E R : Ich sage Ihnen, ich erinnere mich, daß ich den Antrag etwa im Januar oder Februar in Berlin stellte. Ich ging im März oder Mai 1926 nach Paris und vergaß die ganze Angelegenheit, ich besuchte keine politische Versammlung. Ich hing an meiner Musik. Ich verstehe nichts von Politik. V O R S I T Z E N D E R : Für wieviel Jahre waren Sie Mitglied der Kommunistischen Partei? E I S L E R : Ich war kein richtiges Mitglied. Ich zahlte keine Mitgliedsbeiträge. Ich war nicht aktiv in der politischen Organisation der Kommunistischen Partei. V O R S I T Z E N D E R : Sie haben zugegeben, einen Antrag gestellt zu haben, um Mitglied der Kommunistischen Partei zu werden. E I S L E R : 1926 in Berlin. V O R S I T Z E N D E R : Sie haben zugegeben, daß der Antrag angenömmen wurde. E I S L E R : Ja. V O R S I T Z E N D E R : Ich möchte wissen, wie lange Sie Mitglied waren. E I S L E R : Herr Vorsitzender, da ich plötzlich nach Paris fuhr und erst im Herbst nach Berlin zurückkehrte V O R S I T Z E N D E R : Das ist - alles in Ordnung. Wieviel Jahre? E I S L E R : Keine Jahre. V O R S I T Z E N D E R : Wieviel Monate waren Sie Mitglied? E I S L E R : Technisch vielleicht für einige Monate. V O R S I T Z E N D E R : Zwei Monate? E I S L E R : Sehen Sie, Herr Vorsitzender, wenn man einer Vereinigung beitritt und keine Mitgliedsbeiträge zahlt und sich nicht an den Aktivitäten beteiligt - wird man doch automatisch ausgeschlossen. V O R S I T Z E N D E R : Sie haben eben gesagt, daß Sie als Mitglied eintraten. E I S L E R : Ich beteiligte mich nicht. V O R S I T Z E N D E R : Sie beteiligten sich nicht. Wieviel Zeit lag zwischen dem Datum Ihrer Antragstellung, die befürwortet wurde, und der Zeit, in der Sie sich nicht beteiligten? E I S L E R : Ich stellte einen Antrag V O R S I T Z E N D E R : Einen Moment. Waren es zwei Monate? E I S L E R : Das kann ich nicht feststellen. Ich würde es gerne beantworten. V O R S I T Z E N D E R : Denken Sie, daß es zwei Monate waren? E I S L E R : Ich kann es so nicht sagen. 184

V O R S I T Z E N D E R : Was ist Ihre Meinung? E I S L E R : Meine Meinung ist, daß ich, als ich wieder nach Berlin zurückkam, mich nicht beteiligte und mein Leben als Künstler lebte. V O R S I T Z E N D E R : Sie haben aber bereits zugegeben, daß Sie E I S L E R : Man muß Mitgliedsbeiträge bezahlen. Ich tat das nicht. V O R S I T Z E N D E R : Würden Sie sagen, daß zwei Monate eine faire Annahme wären? E I S L E R : Das würde ich nicht sagen. V O R S I T Z E N D E R : Wie lange dann? Was würden Sie denn sagen, wäre eine mögliche Zeit? E I S L E R : Ich kann es nicht sagen. V O R S I T Z E N D E R : Was? E I S L E R : Ich könnte die Frage nicht beantworten, wie ich erklärte. V O R S I T Z E N D E R : Wie haben Sie sich übrigens zurückgezogen? E I S L E R : Auf die einfache Art, daß ich mich nicht beteiligte an einer politischen Organisation der Kommunistischen Partei Deutschlands, daß ich keine Mitgliedsbeiträge zahlte, so daß ich automatisch ausgeschlossen war. V O R S I T Z E N D E R : Sie waren ausgeschlossen? E I S L E R : Automatisch. V O R S I T Z E N D E R : Automatisch. Wann war das? E I S L E R : Das muß 1926 gewesen sein, Ende 1926. V O R S I T Z E N D E R : Ende 1926? E I S L E R : Ja, '26. V O R S I T Z E N D E R : Und wann traten Sie ein? E I S L E R : Im Januar 1926. V O R S I T Z E N D E R : Das ist alles. S T R I P L I N G : Herr Vorsitzender, ich glaube nicht, daß es noch irgendeine Frage darüber gibt, ob Mr. Eisler Kommunist ist oder nicht. Die Frage, wegen der alles dieses Material dem Ausschuß vorgelegt wird, ist, zu zeigen, daß es Mr. Eisler erlaubt wurde, dieses Land Mal um Mal zu betreten und zu verlassen, obgleich die Einwanderungsgesetze dieses Landes besagen, daß ein Kommunist in diesem Lande nicht erlaubt ist. E I S L E R : Ich habe bereits gesagt, daß meine Beziehungen zur Kommunistischen Partei eine lose Angelegenheit waren - eine lose Sache. Ich werde nie aufhören, den deutschen Kommunisten, nicht nur ihnen, sondern allen Menschen, die gegen Hitler kämpften, meinen tiefsten Respekt und meine Sympathie zu zollen. Das bedeutet nicht, daß ich ein Politiker bin - weil ich nicht viel von Politik verstehe. 185

VORSITZENDER: Sie haben bereits zugegeben, daß Sie für fast ein Jahr Kommunist waren. Fahren Sie fort, Mr. Stripling. STRIPLING: Die sowjetische Regierung, die Komintern, würden nicht eine Person einladen, nach Moskau zu kommen und das Internationale Musikbüro zu reorganisieren, wenn diese Person nicht ein Kommunist wäre, glauben Sie nicht, Mr. Eisler? E I S L E R : Wir waren Flüchtlinge. Wir standen alle zusammen, unabhängig von unseren politischen Überzeugungen - von Einzelheiten unserer politischen Überzeugung. Wir standen zusammen. 1933 war es nicht einmal möglich, der Kommunistischen Partei beizutreten. Das war eine Kampforganisation. Sie hätten einen Komponisten oder einen Dummkopf wie mich nicht akzeptiert. STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich habe als nächstes eine Ausgabe der Internationalen Literatur, herausgegeben 1933 in Moskau. Es ist eine Januarausgabe mit der Titelbezeichnung „1933-34". Darin findet sich ein Artikel von Sergej Tretjakow Hanns Eisler, ein revolutionärer Komponist - Ein sowjetischer Schriftsteller über einen deutschen Musiker. In diesem Artikel werden Sie, Mr. Eisler, als Genosse bezeichnet, „Genosse Eisler". E I S L E R : Ja. Das ist in der Sowjetunion so üblich. Man nennt dort einen Mann nicht „Mister". STRIPLING: Hier steht (er liest) „Eisler setzt sich ans Klavier. Er patscht mit den Flächen seiner kleinen Hände auf die Tasten wie ein kleines Kind auf das Wasser in seiner Badewanne. Er tritt nicht aufs Pedal, er zertritt es, als sei es eine Otter. Er schnauft laut im Takt des Liedes. Seine Stimme ist heiser, rasend. Die Spannung des Marsches der Krüppel steigert sich: Wir sind die Krüppelgarde / Das stärkste Bataillon / Die allererste Reihe / In der Weltrevolution." Das ist nicht wie Open the Door, Richard, Mr. Eisler! E I S L E R : Entschuldigen Sie, das habe ich nicht geschrieben. Ein Schriftsteller hat das über mich geschrieben. STRIPLING: Hier ist eine direkte Äußerung E I S L E R : Was für ein Buch ist das? STRIPLING: Internationale Literatur, herausgegeben in Moskau 1934, ein aktueller Artikel über Hanns Eisler. (Er liest .. J 2 4 EISLER: Er hat sein Interview geschrieben, und er tat das in seinem Stil. Dies ist kein Artikel von mir. STRIPLING: Schrieben Sie die Musik zu einem Stück Die Maßnahme? E I S L E R : Sicher. 186

STRIPLING: Würden Sie das dem Ausschuß beschreiben? Beschreiben Sie dem Ausschuß die Handlung. EISLER: Dieses Stück geht auf ein altes japanisches Stück zurück und wurde von einem deutschen Autor geschrieben. 25 * Ich schrieb die Musik dazu. Drei oder vier Männer werden in einen OrganisationsKampf verwickelt. Das ist die Grundhandlung des Stückes. Es ist tatsächlich die Bearbeitung eines alten japanischen Stückes. Es wurde 1929 in Deutschland geschrieben. RANKIN: Darf ich fragen, wann wir Pause machen werden? VORSITZENDER: Wir machen in wenigen Minuten Pause und beginnen wieder um 14 Uhr. Dann wird Mr. Sumner Welles der erste Zeuge sein. RANKIN: Ich habe um 13 Uhr eine Besprechung mit dem Roten Kreuz wegen Unterstützung für die hochwassergeschädigten Gebiete entlang der Golf-Küste; ich werde um 14 Uhr noch nicht zurücksein können, ich komme aber sobald als möglich. STRIPLING: Mr. Eisler, S i e EISLER: Das Stück wurde nach einem alten klassischen japanischen Stück geschrieben. Ich habe den Namen vergessen. Es wurde vom Autor lediglich modernisiert, es war ein symbolisches, philosophisches Stück, das ist alles. STRIPLING: Es handelt von Parteistrategie? EISLER: Ja. STRIPLING: Es geht um vier junge Kommunisten, nicht wahr? EISLER: Ja, Sir. STRIPLING: Und drei der Kommunisten töten einen vierten, weil sie glauben, daß er ein Hindernis für die Erledigung des Auftrages ist; ist das korrekt? EISLER: Ja. STRIPLING: Das ist das Thema des Stückes? EISLER: Ja. STRIPLING: Wir wollen das nicht weiter untersuchen. Als die Einwanderungsbehörde Sie nach diesem Stück fragte, erinnern Sie sich, was Sie ihnen sagten? EISLER: Ich denke, daß ich die Musik zu dem Stück geschrieben habe. VORSITZENDER: Sie sagten, es war nur ein Theaterstück? STRIPLING: Als man ihn dazu befragte, hat Eisler das Stück als einen Versuch bezeichnet und festgestellt, daß es seiner Natur nach nicht kommunistisch sei. Der richtige Titel des Stückes ist „Disziplinarmaßnahmen", ist das richtig? 187

EISLER: J a ; es ist ein poetisches philosophisches Stück. STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich glaube nicht, daß wir vor dem Mittagessen mit Mr. Eisler fertig werden. Wir werden ihn nachher weitervernehmen müssen. VORSITZENDER: In Ordnung; wir legen eine Pause bis 14 Uhr ein. Mr. Eisler, Sie werden um 14 Uhr weiterbefragt. EISLER: Ja. VORSITZENDER: Ich danke Ihnen.

(Worauf um 12.45 Uhr das Verhör bis 14 Uhr unterbrochen

wurde.)

Nachmittagssitzung VORSITZENDER: Das Verhör wird fortgesetzt. Mr. Eisler, wollen Sie bitte Platz nehmen? Mr. Stripling. STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich bitte darum, daß Mr. Joseph Savoretti ebenfalls Platz nimmt. Ich möchte aber, daß Mr. Ei$ler ebenfalls bleibt. Mr. Savoretti. VORSITZENDER: Dann wird er der erste Zeuge sein? STRIPLING: Mr. Eisler, würden Sie bitte zurücktreten? EISLER: Mit Vergnügen. Zeugenaussage von Joseph Savoretti 26 * STRIPLING: Nach den Informationen, die der Ausschuß hat, erschien Mr. Eisler vor einem Spezialuntersuchungsausschuß in Calexico, Kalifornien, am 25. September 1940. Haben Sie das Protokoll der Fragen und Antworten dieses Verhörs mitgebracht? SAVORETTI: Ja. STRIPLING: Nehmen Sie das bitte zur Hand . . . Lesen Sie vor. SAVORETTI: Frage: Was ist Ihre politische Überzeugung? Antwort: Meine politische Überzeugung ist: Ich bewundere sehr die Vereinigten Staaten. Ich hasse den Faschismus in jeder Form und ich hasse Stalin in gleicher Weise, wie ich Hitler hasse. Frage: Haben Sie jemals einer politischen Partei angehört? Antwort: Niemals. Mein Leben ist ganz der Musik gewidmet. Frage: Sind Sie vertraut mit den Prinzipien der Kommunistischen Partei? Antwort: Nein. 188

Frage:

Sind Sie sich der Tatsache bewußt, daß die Partei den gewaltsamen Umsturz in den Vereinigten Staaten plant? Antwort: Ja. Frage: Waren Sie jemals in irgendeiner Weise mit der Kommunistischen Partei verbunden? Antwort: Nein. Frage: Haben Sie jemals mit der gegenwärtigen Sowjetregierung zusammengearbeitet? Antwort: Nein. S T R I P L I N G : Nun, Mr. Savoretti, haben Sie in Ihren Unterlagen auch das Protokoll einer Aussage, die in Zusammenhang mit der Beantragung einer Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gemacht wurde? S A V O R E T T I : Eine Aussage, die Mr. Eisler am 27. März 1939 im New Yorker Büro der Einwanderungsbehörde vor Inspektor McDowell 2 7 machte. Vielleicht kann ich wieder einige der Fragen und Antworten vorlesen? V O R S I T Z E N D E R : E s wird so angeordnet. SAVORETTI: Frage: Planen Sie den Umsturz der gegenwärtigen amerikanischen Regierungsform ? Antwort: Nein. Frage: Sind Sie Abonnent irgendeiner Zeitung - damit meine ich irgendwelche radikalen Zeitungen? Antwort: Nein. Frage: Sie waren Gastdozent an der New School for Social Research. Welchen Gegenstand lehren Sie dort? Antwort: Ich lehre Kompositionstechnik und Einführung in die Musik. Frage: Was ist das Prinzip der Schule? E s ist politisch? Antwort: Besonders ist man dort an Soziologie und Philosophie interessiert. Frage: Seit Ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten am 21. Januar 1938 im Hafen von New York, in welchen Städten waren Sie? Antwort: Nur in New York. Aber im Sommer war ich in Valley Cottage. Frage: Dieses Valley Cottage, ist das der N a m e irgendeiner Kolonie, die von einer Organisation betrieben wird? Antwort: E s war ein Privathaus, das wir für die Sommermonate gemietet hatten. 189

Frage:

In den Liedern, die Sie in der Vergangenheit komponiert haben, würden Sie sagen, daß der Umsturz der Regierung das Hauptthema war? Antwort: Nein. Frage: Waren sie antifaschistischen Charakters? Antwort: Ja. Frage: Wurden Sie jemals verhaftet und verurteilt? Antwort: Nein. Frage: Waren Sie jemals irgendwann oder irgendwo in Schwierigkeiten mit der Polizei? Antwort: Nicht eigentlich; aber in der letzten Woche meines Aufenthaltes in Berlin wurde ich von der Polizei befragt nach meinem Tun. Frage: Haben Sie seit Ihrer Ankunft am 21. Januar 1938 an irgendwelchen Demonstrationen oder politischen Treffen teilgenommen? Antwort: Nein. Frage: Ich habe einen Artikel vor mir, in dem Hanns Eisler als revolutionärer deutscher Komponistenflüchtling bezeichnet wird. Würden Sie sagen, daß diese Aussage richtig ist? Antwort: Das ist unkorrekt. Ich bin Anti-Nazi-Flüchtling. Frage: Wissen Sie, daß eine solche Aussage über Ihre politischen Aktivitäten im Daily Worker stand? Antwort: Daran erinnere ich mich nicht. Frage: Haben Sie jemals mit solchen Zeitungen, die Artikel über Ihre politischen Aktivitäten druckten, Kontakt gehabt? Antwort: Nein. Ich habe sie schreiben lassen. Frage: Haben Sie sich seit Ihrer Ankunft irgendeiner Organisation in den Vereinigten Staaten angeschlossen? Antwort: Nein. Frage: Bei diesem Meeting in Boston28, machten Sie da Bemerkungen in bezug auf Ihre politischen Überzeugungen? Antwort: Nein. Frage: Waren Sie Mitglied irgendeiner Arbeiterpartei in Deutschland? Antwort: Nein. Frage: Waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei? Antwort: Nein. STRIPLING: Ich glaube, das genügt. Mr. Savoretti, diese Aussagen wurden unter Eid gemacht? 190

SAVORETTI: Das ist richtig, Sir. STRIPLING: Gibt es eine Strafe für falsche Aussagen in solchen Verhören? SAVORETTI: Ja. Die Strafe steht auf Meineid. STRIPLING: Mr. Savoretti, das ist alles. Mr. Eisler, würden Sie das Mikrofon nehmen, bitte, und es vor sich aufstellen. Zeugenaussage von Hanns Eisler - Fortsetzung STRIPLING: Mr. Eisler, Sie haben ausgesagt, daß Sie eine Schwester in den Vereinigten Staaten haben? EISLER : Ja. STRIPLING: Mit dem Namen Ruth Fischer. EISLER: Ja. STRIPLING: Erinnern Sie sich, daß Sie einen Brief von ihr vom 27. April 1944 erhalten haben, adressiert an Sie und Ihre Frau? EISLER: Ich erinnere mich nicht. Was für ein Brief war das, bitte? STRIPLING: In diesem Brief beschuldigt sie Sie und Ihren Bruder Gerhart, Agenten der GPU zu sein. Sie schreibt wie folgt (er liest): „Wenn die örtlichen Abteilungen der GPU auch mit klugen Arrangements natürlicher Todesfälle erfolgreich sind, so werden sie diesmal keinen Erfolg haben. Kein Erfolg für Dich, und keiner für Gerhart Eisler, den Chef der deutschen Abteilung der GPU in den USA . . . Diesmal wird es nicht so einfach für Euch werden. Du spielst immer mit dem Terror und fürchtest Dich immer, die Verantwortung für Deine Handlungen zu übernehmen. Ich habe folgende Vorbereitungen getroffen: No. 1, drei Ärzte haben mich gründlich untersucht, ich bin bei guter Gesundheit. Es gibt keine Ursache für natürlichen Tod. Ich bin ständig in der Obhut eines Arztes und passe gründlichst auf mich selbst auf. Die Ärzte sind informiert, daß sie im Falle irgendeines Zwischenfalles entsprechende Untersuchungen machen. 2, eine Anzahl renommierter Journalisten und Politiker sind informiert und besitzen eine Kopie dieses Briefes. Eine Zahl deutscher Emigranten ist ebenfalls verständigt."29* Erinnern Sie sich an diesen Brief? EISLER: Wirklich nicht. VORSITZENDER: Wie war die Antwort? EISLER: Wirklich nicht. Ich erinnere mich nicht, einen solchen Brief erhalten zu haben. Ich glaube, der Brief ist absolut idiotisch. 191

V O R S I T Z E N D E R : Glauben Sie nicht, Mr. Eisler, wenn Sie einen solchen Brifcf erhalten hätten, daß Sie in der Lage wären, sich zu erinnern, ob Sie ihn erhalten haben oder nicht? EISLER: Vielleicht wurde er an die falsche Adresse geschickt V O R S I T Z E N D E R : Wie bitte? EISLER: Aber ich habe ähnliche Dinge gelesen. V O R S I T Z E N D E R : Würden Sie sagen, Sie erhielten niemals diesen Brief? EISLER: Es kann möglich sein. V O R S I T Z E N D E R : Würden Sie sagen, Sie erhielten diesen Brief? EISLER: Oh, lassen Sie uns sagen, ich erinnere mich nicht genau. V O R S I T Z E N D E R : Nun, nun, geben Sie Ihrer Erinnerung einen Stoß, weil sie sich schon wieder dorthin bewegt, wo sie in Kalifornien war. EISLER: Ja. V O R S I T Z E N D E R : Wenn ich oder irgendein anderer hier im Raum einen solchen Brief erhalten hätte, würden wir es wissen, insbesondere wenn er von unserer Schwester wäre. Wir würden uns erinnern, ob wir ihn erhalten haben oder nicht. EISLER: Ja. V O R S I T Z E N D E R : Und so fordere ich Sie auf zu antworten, ob Sie den Brief erhalten haben oder nicht. EISLER: Es ist schon möglich, daß ich den Brief erhielt. V O R S I T Z E N D E R : Das ist keine Antwort auf die Frage. EISLER: Ich sage, Herr Vorsitzender, es ist schon möglich, daß ich den Brief erhalten habe. Das muß eine ausreichende Antwort sein. Ich erinnere mich nicht an diesen Brief. Ich habe keinen Grund, ihn zu verleugnen, aber ich erinnere mich nicht genau. V O R S I T Z E N D E R : Ja. Aber glauben Sie nicht, sie würden sich daran erinnern, wenn Sie ihn erhalten hätten? EISLER: Nein. Er ist so närrisch und idiotisch V O R S I T Z E N D E R : Deshalb müssen Sie sich gerade an ihn erinnern, wenn Sie sagen, er war närrisch. EISLER: Vielleicht hat ihn meine Frau weggeworfen. Es ist möglich. Aber, lassen Sie uns um des Protokolls wegen sagen, ich erhielt diesen Brief. V O R S I T Z E N D E R : Sie erhielten ihn. In Ordnung, für das Protokoll, er erhielt ihn. STRIPLING: In Ordnung. Herr Vorsitzender, ich möchte den Ausschuß nicht damit belasten, weiter bei diesem Beweisstück zu blei192

ben. Ich möchte jedoch eine Reihe von Büchern als Beweise zu den Akten geben, die Lieder von Mr. Eisler enthalten. Zum Beispiel habe ich hier eins, herausgegeben von der Rand School New York, betitelt Rebellen-Liederbucb, das enthält E I S L E R : Das Lied Komintern, mit einem anderen Titel. STRIPLING: Wir marschieren, Genossen von Hanns Eisler. E I S L E R : Es ist das Kominternlied, mit einem anderen Titel in diesem Buch. STRIPLING: Ich habe auch ein anderes Buch, Herr Vorsitzender, betitelt Arbeiter-Liederbuch, herausgegeben 1935 von der Workers Music League. Vorwärts und nicht vergessen, von Hanns Eisler. V O R S I T Z E N D E R : Sind das alle, die Sie haben, Mr. Stripling? STRIPLING: Nein. Ich habe noch ein oder zwei andere, die ich vorlegen möchte. Hier habe ich Sowjetrußland heute, die Maiausgabe 1936. Auf Seite 33 steht {er liest): „Für den Ersten Mai und jeden Tag neue Schallplatten mit Arbeiterliedern. Eine ist 'Steh a u f ; eine andere bringt die 'Internationale' und eine weitere enthält 'Lob des Lernens', geschrieben von Hanns Eisler und Bertolt Brecht für 'Die Mutter', ein Stück mit Musik nach Gorkis gleichnamigen Roman. 30 Die Version der Schallplattenaufnahmen wurde vom Komponisten neu arrangiert, er hat die Aufnahmen überwacht. Die Frische, die diese Lieder ausstrahlen, zusammen mit dem hervorragenden Klang machen diese Schallplatten besonders interessant." E I S L E R : Das ist genau das, was ich Ihnen gesagt habe STRIPLING: Die anderen enthaltenen Lieder, wie ich sage, sind Die Internationale, Vorwärts und nicht vergessen, Das Lied von der Suppe und Einheitsfrontlied von Brecht und Eisler. E I S L E R : Ich biete Ihnen auch noch mein Buch als Beweisstück an. V O R S I T Z E N D E R : Einen Moment. Haben Sie noch mehr, Mr. Stripling? STRIPLING: Ja, Herr Vorsitzender, ich habe eine Anzahl, aber ich glaube nicht, daß sie in die Akten aufgenommen werden sollten. V O R S I T Z E N D E R : Aber dieses wollen Sie noch aufgenommen haben? E I S L E R : Ich .bitte darum. Hier. (Er händigt es aus.) V O R S I T Z E N D E R : Wie heißt das? E I S L E R : Komposition für den Film. V O R S I T Z E N D E R : Ohne Einwand, es wird so angeordnet. M C D O W E L L : Darf ich das sehen? (Das Buch wird Mr. McDowell gereicht.) 13

Hanns E i slet

193

STRIPLING: Herr Vorsitzender, dies sind alle Fragen, die ich im Moment an Mr. Eisler habe. Ich möchte aber betonen, daß es nötig werden könnte, ihn nochmals als Zeuge aufzurufen. Außerdem wird er eine Vorladung für die Hollywood-Verhöre erhalten. RANKIN: Herr Vorsitzender, unter geltendem Recht ist es nicht erforderlich, einen Zeugen erneut vorzuladen. Er ist lediglich aufzufordern, in Reichweite des Gerichts zu bleiben. VORSITZENDER: Ich bin überzeugt, daß Mr. Eisler das tun wird. EISLER: Wie bitte? VORSITZENDER: Ich bin überzeugt, daß Sie in Reichweite des Ausschusses bleiben werden. EISLER: Selbstverständlich. GREENBERG: Legen Sie ihm geographische Begrenzungen auf, wenn Sie „in Reichweite des Ausschusses" sagen? VORSITZENDER: Überall innerhalb der Vereinigten Staaten, aber nicht außerhalb der Staaten. EISLER: Oh, ja, sicher. GREENBERG: Das ist in Ordnung. VORSITZENDER: Mr. McDowell, haben Sie irgendwelche Fragen? MCDOWELL: Ja. Mr. Eisler, Sie wurden in Österreich geboren? EISLER: Ich bin in Leipzig geboren, war aber immer österreichischer Bürger. MCDOWELL: Waren Sie während des ersten Weltkrieges Mitglied der österreichischen oder deutschen Armee? EISLER: Der österreichischen Armee. MCDOWELL: Haben Sie gearbeitet, bevor Sie Soldat wurden? Hatten Sie eine Anstellung? EISLER: Nein. Ich besuchte die Schule. MCDOWELL: Sie waren Student? EISLER: Ja. MCDOWELL: Und nachdem der Krieg vorbei war, gingen Sie zu Ihrer Schule zurück und setzten Ihr Studium fort? EISLER: Ja. MCDOWELL: Haben Sie jemals für jemanden gearbeitet? Hatten Sie jemals, was man in Amerika einen Job nennt? EISLER: Ja. Ich war Dozent für Musik am Wiener Konservatorium. MCDOWELL: Sie lehrten? Sie waren Lehrer? EISLER: Ich war Student, postgradualer Musikstudent. Ich lehrte dort.

194

MCDOWELL: In dem Lied Rot Front, das ich vor . mir habe Musik von Hanns Eisler - in der Publikation Der Arbeitermusiker heißt es u. a.: „Wir tragen die Fahne der Arbeiterklasse im Angesicht unseres Klassenfeindes" und so weiter, und in verschiedenen anderen Publikationen, die Ihren Namen tragen, entweder für Musik oder Text oder beides, beziehen Sie sich auf die Arbeiterklasse. Nun, aus Ihren Aussagen hier schließe ich, daß Ihre Vorstellungen zu Fragen der Arbeit, wie wir Arbeit hier in den Vereinigten Staaten verstehen, rein akademische sind. EISLER: Ich bin Komponist, das Komponieren ist mein ganzes Leben. Das ist auch Arbeit. MCDOWELL: Das sind alle Fragen, die ich habe. VORSITZENDER: Mr. Rankin? RANKIN: Ich glaube, Mr. Stripling hat in den Fragen alles sehr gut behandelt. VORSITZENDER: Mr. Eisler, zur Frage der Arbeit, Sie sind jetzt bei RKO angestellt? EISLER: Nein. Ich war freischaffend dort. Ich habe keine Anstellung in den letzten VORSITZENDER: Haben Sie im letzten Jahr für RKO eine Arbeit gemacht? EISLER: Warten Sie. Ja, im Frühjahr oder am Jahresanfang schrieb ich die Musik zu einem Film. VORSITZENDER: Was ist der Gesamtbetrag der Bezahlung, die Sie von RKO erhalten haben? EISLER: Das kann ich nicht auf Anhieb sagen. Ich kann sagen, daß mein normales Einkommen in Hollywood zwischen 7000 und 9000 Dollar liegt. VORSITZENDER: Was war der Gesamtbetrag EISLER: Pro Jahr. VORSITZENDER: Erhalten von RKO? EISLER: Da müßte ich nachschauen. Ich kann das nicht aus dem Gedächtnis sagen. VORSITZENDER: Würde es insgesamt 20 000 Dollar übersteigen? EISLER: In den letzten vier Jahren, ja. VORSITZENDER: Es würde 20 000 Dollar übersteigen? EISLER: Nicht unbedingt übersteigen, würde ich sagen; aber in vier Jahren würde ich jedes Jahr fünf- oder sechstausend Dollar von RKO erhalten - manchmal mehr, manchmal weniger. VORSITZENDER: Mr. Wood? 13»

195

WOOD: Ich habe nichts. MCDOWELL: Ich habe noch eine Frage. VORSITZENDER: Mr. McDowell. MCDOWELL: Mr. Eisler, haben Sie die Ballade vom Paragraph 218 geschrieben?31 EISLER: Ich schrieb nur die Musik. MCDOWELL: Sie schrieben nur die Musik? EISLER: Ich schrieb nur die Musik. MCDOWELL: Erinnern Sie sich an die Worte? EISLER: Natürlich, ich erinnere mich an die Worte. MCDOWELL: Schrieben Sie die Ballade Anrede an den Kran Karl?32 EISLER: Ich schrieb die Musik dazu. MCDOWELL: Nur die Musik? EISLER: Ich schreibe niemals Worte. MCDOWELL: Haben Sie den Text gelesen? EISLER: Sie meinen gelesen? MCDOWELL: Haben Sie die Worte gelesen? EISLER: Natürlich. MCDOWELL: Haben Sie die Ballade von den Krüppeln33 geschrieben? EISLER: Von wem, bitte? MCDOWELL: Die Ballade von den Krüppeln - den Verletzten, den Verstümmelten? EISLER: Natürlich. MCDOWELL: Die Ballade von den Krüppeln? EISLER: Ich schrieb die Musik dazu. MCDOWELL: Schrieben Sie den Text? EISLER: Ich schreibe niemals Texte. MCDOWELL: Haben Sie den Text gelesen? EISLER: Ja. MCDOWELL: Haben Sie die Ballade vom Nigger Jim34 geschrieben? EISLER: Ich schrieb die Musik dazu. MCDOWELL: Sie haben den Text nicht geschrieben? EISLER: Nein. MCDOWELL: Sie haben den Text gelesen? EISLER: Ich habe den Text gelesen. MCDOWELL: Haben Sie das Lied vom Trockenbrot geschrieben?35 EISLER: Ja. Das war in einem Stück. Es war ein Lied aus einem Akt. 196

MCDOWELL: Es war Teil eines Stückes. Haben Sie die Worte geschrieben? EISLER: Nein, ich schreibe niemals Texte. MCDOWELL: Haben Sie den Text gelesen? EISLER: Natürlich. MCDOWELL: Haben Sie das Lied von Angebot und Nachfrage36 geschrieben? EISLER: Das ist eines der Lieder aus MCDOWELL: Haben Sie die Worte geschrieben? EISLER: Nein. MCDOWELL: Haben Sie den Text gelesen? EISLER: Ja. MCDOWELL: Als Komponist der verschiedenen Stücke, die ich hier genannt habe, sind Sie da wegen der Texte konsultiert worden, die Sie vertont haben? EISLER: Nein. Ich bekomme den Text und dann schreibe ich dazu die Musik. MCDOWELL: Ich möchte hier zum Ausdruck bringen - Herr Vorsitzender und alle Mitglieder des Ausschusses - daß ich der Meinung bin, alle Mitglieder unseres Ausschusses sollten diese Beweisstücke prüfen, die ich gerade Mr. Eisler genannt habe, der behauptet, der Komponist der Vertonungen zu sein. Das sind Dinge, die man in den Vereinigten Staaten nicht einmal mit der Post verschicken könnte. Sie handeln von Angelegenheiten, die völlig außerhalb der politischen Fragen stehen, völlig außerhalb überhaupt von allem, außer vielleicht der Medizin; Obszönität ist dafür ein armes Wort. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland oder Österreich Sitte ist, aber solche Worte wie in diesen Blättern haben keinen Platz in irgendeiner Zivilisation. EISLER: Sie werden als große Dichtung bezeichnet. MCDOWELL: Bezeichnetals was? EISLER: Große Dichtung. MCDOWELL: Große Dichtung? EISLER: Ja. MCDOWELL: Also, große Dichtung, wie wir sie in Amerika gelehrt bekommen, hat mit dieser Art von Unrat nichts zu tun. Unter anderem gibt es da ein Lied, das offenbar geschrieben oder gewidmet ist dem Gesetz, das die Abtreibung verbietet. EISLER: Ja. MCDOWELL: In Deutschland. EISLER: Ja. 197

MCDOWELL: Dieses Lied macht das Gesetz lächerlich EISLER: Ja. MCDOWELL: Es nimmt gegen das Verbot der Abtreibung Stellung. EISLER: Ja. MCDOWELL: Mit anderen Worten, dieses Lied würde, nehme ich an, in Ihrer kommunistischen Denkungsart fordern, daß das Gesetz, welches die Abtreibung verbietet, aufgehoben wird. VORSITZENDER: Ich schlage vor, daß wir hier nicht weiter die Frage der Abtreibung behandeln. EISLER: Mr. McDowell, wiederholen VORSITZENDER: Mr. Rankin. RANKIN: Wie ich verstehe, haben Sie sich beschwert, daß dieser Ausschuß Sie zu Unrecht beschuldigt hat. EISLER: Ja, Mr. Rankin. RANKIN: Wenn Sie diese Beschuldigung erheben, erheben Sie sie gegen einen Ausschuß des Parlaments der Vereinigten Staaten. Ist Ihnen das klar? EISLER: Ja. MCDOWELL: Dieser Ausschuß geht nach den Regeln des Repräsentantenhauses vor. Nichts, was dieser Ausschuß getan hat, verletzt die Regeln des Hauses oder ist in Konflikt mit den Bürgerrechten. Woher also nehmen Sie das Recht zu behaupten, dieser Ausschuß hätte Sie grundlos beschuldigt? EISLER: Natürlich habe ich kein Recht dazu, und wenn Sie ein Verhör gemacht hätten, ohne in den letzten zwölf Monaten wöchentlich Dinge über mich zu verbreiten, die nicht einmal teilweise der Wahrheit entsprachen, wäre es schwer. Aber wenn alle Verdrehungen und Erfindungen, die irgend jemand einem Mitglied dieses Ausschusses erzählt, für wahr gehalten werden; wenn eine solche unglaubliche Pressekampagne gegen einen Künstler entfacht werden kann - ich bin sicher, jeder wahrhafte Künstler wird nach einem Jahr, nachdem Sie ihn beinahe ruiniert haben, darüber verärgert sein.37* RANKIN: Ich bin überzeugt, wenn ich mir diesen Unrat hier ansehe, über den Mr. McDowell gesprochen hat EISLER: Entschuldigung, Mr. Rankin. Das ist kein Unrat. RANKIN: Ich bin überzeugt, daß jemand, der solches Zeug schreibt, sicher nicht viel Respekt vor dem Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten hat. Aber dieser Ausschuß hat Ihnen mehr als eine faire Verfahrensweise zugebilligt, mehr als einen fairen Prozeß, mehr als 198

Sie in irgendeinem anderen Land der Welt bekommen hätten. In jedem anderen Land der Welt wäre es Ihnen schlechter ergangen als in den Vereinigten Staaten, wenn Sie die gleiche Art von Verhalten gezeigt hätten, die in dieser Untersuchung herauskam. EISLER: Ich weiß nicht, Mr. Rankin, wie vertraut Sie mit der amerikanischen Lyrik sind. RANKIN: Mit der amerikanischen - was? EISLER: Lyrik. RANKIN: Lyrik? EISLER: Und der amerikanischen Prosa. Dies ist nicht amerikanische Lyrik oder amerikanische Prosa. Dies wurde in Deutschland geschrieben. Es ist nicht übersetzt. Es wurde in Berlin 1927 oder 1928 oder 1929 geschrieben. Ich sage es noch einmal, das ist große Dichtung. Wir können unterschiedlichen Geschmack in der Kunst haben, aber ich kann nicht erlauben, Mr. Rankin, daß Sie meine Arbeit mit solchen Ausdrücken belegen. Ich protestiere dagegen. RANKIN: "Ich nehme an, daß ich genauso vertraut mit amerikanischer und englischer Dichtung bin wie jedes Mitglied dieses Hauses. Und jemand, der mir zu sagen versucht, daß dieser Unrat Dichtung ist, stellt sich außerhalb der Normen jedes amerikanischen Dichters, der jemals vom amerikanischen Volk anerkannt wurde. EISLER: Das tut mir leid. RANKIN: Ich glaube nicht, daß ich noch etwas habe, Herr Vorsitzender. VORSITZENDER: Mr. Wood? WOOD: Keine Fragen. VORSITZENDER: Mr. McDowell, Sie haben noch etwas? MCDOWELL: Ja, Mr. Eisler, Sie schrieben ein Gedicht über das Töten, Über das Töten? EISLER: Das war ein Zitataus einer Dichtung. MCDOWELL: Es war ein Zitat? EISLER: Ein Zitat. MCDOWELL: Aber Sie sind der Autor des Gedichts? EISLER: Nein; ich stellte es aus einer Dichtung zusammen. Ich kann keine Worte schreiben, wissen Sie. MCDOWELL: Sie stellten das nur zusammen? EISLER: Ja, aus der Dichtung. Ich bin kein Schriftsteller. MCDOWELL: Herr Vorsitzender, ich bitte um die Erlaubnis, diese neun Zeilen vorzulesen, die das ganze Gedicht ausmachen, das Mr. Eisler zusammengestellt hat. 199

RANKIN: Ich behalte mir vor zu protestieren. Aber wir wollen ihn hören: MCDOWELL: (liest)'® „Furchtbar ist es, Blut zu vergießen Schwer ist es, Töten zu lernen Schlimm ist es, Menschen sterben zu sehen bevor ihre Zeit um ist Aber wir müssen Töten lernen Aber wir müssen Menschen sterben sehen vor ihrer Zeit Wir müssen Blut vergießen Damit kein Blut mehr vergossen wird." EISLER: Das ist ein völlig korrektes antifaschistisches Gefühl. VORSITZENDER: Mr. Stripling, haben Sie noch etwas? EISLER: Geschrieben 1929 oder 1930 in Deutschland. Und als in Prag Heydrich vom tschechischen Volk getötet wurde, stimmte ich dem zu. Das ist Dichtung und keine Realität. Der Unterschied zwischen Kunst und wirklichem Leben muß beachtet werden. Nehmen Sie doch Hollywood, an jeder Straßenecke kann man die grausamsten Produkte der Kunst sehen; und in den Magazinen, die in jedem Laden zu kaufen sind, kann man schreckliche Geschichten lesen. Solches Zeug mag ich nicht. Dies hier ist ein kleines philosophisches Gedicht, das sich gegen Verbrecher richtet. VORSITZENDER: Haben Sie noch Fragen? STRIPLING: Nein, keine weiteren Fragen, Herr Vorsitzender. Das ist im Moment alles. RANKIN: Herr Vorsitzender, das amerikanische Volk hat gerade Hitler zum Teufel gejagt, aber was mich schockiert, ist: Während unsere Jungs zu Tausenden starben, um Hitlers Joch zu brechen, kommen einige dieser Leute hierher und versuchen, in den Vereinigten Staaten eine Revolution anzuzetteln. Es ist höchste Zeit, daß das amerikanische Volk erwacht und dem Einhalt gebietet. VORSITZENDER: Mr. Eisler, es wird angeordnet, daß Sie in den Vereinigten Staaten zu bleiben haben. EISLER: Das werde ich. VORSITZENDER: Bis Sie von uns entlastet werden. EISLER: Ja. STRIPLING: Und lassen Sie ihn sich für die Verhöre bereithalten, Herr Vorsitzender. VORSITZENDER: Und erwarten Sie unsere Aufforderung für die kommenden Verhöre, die am 20. Oktober beginnen.39* 200

EISLER: Ja. Muß ich jetzt in Washington bleiben? Brauchen Sie mich morgen oder an anderen Tagen? V O R S I T Z E N D E R : Brauchen Sie ihn noch? STRIPLING: Herr Vorsitzender, ich bitte darum, daß er noch diesen Nachmittag hierbleibt. V O R S I T Z E N D E R : Bleiben Sie während des heutigen Tages in Washington. EISLER: Muß ich in diesem Raum bleiben? STRIPLING: In diesem Raum. V O R S I T Z E N D E R : In diesem Raum. G R E E N B E R G : Das ist in Ordnung. V O R S I T Z E N D E R : Das ist alles, Mr. Eisler. Danke sehr.

Anmerkungen Zitate ohne deutschen Nachweis sind vom Verfasser übersetzt.

Abkürzungen

BBAJ

- B. Brecht; Arbeitsjournal. Bd. 1 1 9 3 8 - 1 9 4 2 ; Bd. 2 1942

BBGW

- B. Brecht: Gesammelte Werke in 20 Bänden. Frankfurt/M.

Hearings

-

bis 1955. Hg. v. W. Hecht. Frankfurt/M. 1973. 1967. Hearings regarding

Hanns

Eisler.

Hearings

before

the

Committee of un-American Activities. House of Representatives. Eightieth Congress. First Session. Public Law 601. Washington 1947. H E G W III, 1

- H. Eisler: Gesammelte Werke, begründet von Nathan Notowicz. Hg. im Auftrag der Akademie der Künste der D D R v. St. Eisler u,. M. Grabs. Serie I I I Band 1 : Musik und Politik. Schriften 1 9 2 4 - 1 9 4 8 . Leipzig 1973.

H E G W III, 7

- H. Eisler: Gesammelte Werke. Serie I I I Band 7 : Gesprä-

HEK

- H. Eisler: Komposition für den Film. Berlin 1949.

HESF

- Sinn und Form. Sonderheft Hanns Eisler. Berlin 1964.

che mit Hans Bunge. Leipzig 1975.

Jürgen Schebera: Hanns Eisler im USA-Exil 1 H. Eisler: Gesammelte Werke. - Die Edition ist in drei Serien konzipiert (Serie I Vokalmusik 25 Bände; Serie I I Instrumentalmusik 12 Bände; Serie III Schriften und Dokumente 10 Bände) und erscheint seit 1972 im V E B Deutscher Verlag für Musik Leipzig. Bis Ende 1976 liegen vor: Serie I Band 18 und Serie III Band 1 und 7. 2 H. Eisler: Lieder und Kantaten. Band 1 - 1 0 . Leipzig 1 9 5 5 - 1 9 6 6 . -

Die

ersten fünf Bände dieser Ausgabe hat Eisler noch selbst zusammengestellt. 3 H. Brockhaus: Hanns Eisler. Leipzig 1961; Eisler, Reden und Aufsätze. Hg. v. W . Höntsch. Leipzig 1 9 6 1 ; Eisler, Materialien zu einer Dialektik der Musik. Hg. v. M. Grabs. Leipzig 1973. E . Klemm: Hanns Eisler - Für Sie porträtiert. Leipzig 1973. E . Klemm: Hanns Eisler. Berlin 1973.

202

4 J. Eisner: Zur vokalsolistischen Vortragsweise der Kampfmusik Hanns Eislers. Leipzig 1971. 5 Vgl. dazu besonders: A. Müller: Kreuzzug gegen Brecht. Berlin 1962. 6 Ein Beispiel dafür ist das Heft 20/21 der Sozialistischen Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft (Westberlin 1973), das unter dem Titel Hanns Eisler, Musik im Klassenkampf eine ganze Reihe derartiger Versuche enthält. 7 Peter Hamm im III. Programm des BRD-Fernsehsenders Norddeutscher Rundfunk am 1. Mai 1975. 8 Zwanzig Seiten bei Brockhaus und zwei Seiten bei Klemm. 9 K. Jarmatz: Literatur im Exil. Berlin 1966. - Seit der Veröffentlichung dieser Überblicksdarstellung sind in der D D R lediglich Publikationen zu Spezialaspekten des Exils vorgelegt worden. 10 Die deutsche Exilliteratur 1933-1945. Hg. v. M. Durzak. Stuttgart 1973. 11 Ebenda, S. 18. 12 Ebenda. 13 Ebenda, S. 16. 14 Protokoll des II. Symposiums zur Erforschung des deutschsprachigen Exils nach 1933 in Kopenhagen 1972. Hg. v. H. Müssener. Stockholm 1972, S. 21. 15 W. Mittenzwei: Vorstellungen über Möglichkeiten zur Realisierung eines Exilprojekts. Manuskript. Berlin 1974, S. 2. 16 Titel einer Sendereihe von Radio Bremen im Jahre 1962. 17 An Lavinia Mazzucchetti v. 1 3 . 3 . 1 9 3 3 . In: Thomas Mann: Briefe 18891936. Berlin 1965, S. 364. 18 An Albert Einstein v. 15. 5. 1933. In: Ebenda, S. 368. 19 W. Sternfeld/E. Tiedemann: Deutsche Exil-Literatur 1933-1945. Eine Bibliographie. 2. verb. u. stark erweiterte Aufl. Heidelberg 1970. 20 Zit. nach: Nation im Widerspruch. Hg. v. E. Schwarz. Hamburg 1963, S. 186. 21 A. Döblin: Schicksalsreise. Frankfurt/M. 1949, S. 139. 22 L. Feuchtwanger: Die Arbeitsprobleme des Schriftstellers im Exil. In: Sinn und Form 6 (1954) 3, S. 349-353. 23 H. Mann: Verteidigung der Kultur. Berlin 1974, S. 502. 24 H. Mann: An den Kongreß der Sowjetschriftsteller. In: Internationale Literatur (1934) 4, S. 86. 25 E . Weinert: Die Bedeutung der Emigrantenliteratur für die illegale Arbeit in Deutschland. Abgedr. in: Zur Tradition der sozialistischen Literatur in Deutschland. Berlin 1967, S. 713. 26 Die Berner Konferenz der K P D 1939. Hg. v. K. Mammach. Berlin 1974, S. 123-124. 27 Ebenda, S. 149-150. 28 Mammach verweist u. a. auf die antikommunistische, „hinsichtlich der Quellenbenutzung äußerst dürftige Schrift" (Ebenda, S. 13) von H. Duhnke: Die KPD von 1933 bis 1945. Köln 1972. 29 Vgl. dazu: Wörterbuch der Außenpolitik. Berlin 1965, S. 435.

203

30 Ebenda, S. 334. 31 A. Nevins/H. Commager: Die Geschichte der Vereinigten Staaten. NewYork 1944, S. 400. 32 Ebenda, S. 402. 33 K . Mann: Der Wendepunkt. Frankfurt/M. 1963, S. 367. 34 Vgl. dazu: V . Sheean: Dorothy and Red. New York 1958, S. 2 3 1 - 2 3 3 . 35 Zahlreiche Belege dafür bietet G . Honigmann: Chef weist an. Berlin 1972, S. 2 0 3 - 2 1 0 . 36 M. R. Davie: Refugees in America. Report of the Committee for the Study of recent Immigration from Europe. New York 1947. 37 Ebenda, S. 4 1 6 - 4 1 8 . 38 Vgl. dazu: The reminiscences of Carl Schurz. New York 1907. 39 H. Pross: Die deutsche akademische Emigration nach den Vereinigten Staaten. Berlin (West) 1955, S. 127. 40 Vgl. dazu : V . Fry : What happened them since. In : Publishers Weekly, New York, v. 23. 6. 1945. -

Hier wie bei den folgenden zitierten Quellen aus

amerikanischen Zeitungen und Zeitschriften ist die jeweilige Seitenangabe nicht möglich, da die Originale als Ausschnitte ohne Seitenbezifferung im Hanns Eisler-Archiv vorliegen und lediglich handschriftlich der Titel und der Erscheinungstag notiert sind. D i e Übersetzung aller Zeitungsquellen ins Deutsche besorgte der Autor. 41 A. D . Morse: While six millions died. New York 1968, S. 9 0 - 9 2 . 42 C. Zuckmayer: Als wars ein Stück von mir. Frankfurt/M. 1969, S. 393. 4 3 Zit. nach: Die deutsche Exilliteratur 1 9 3 3 - 1 9 4 5 . Hg. v. M. Durzak. Stuttgart 1973, S. 145. 44 Zit. nach J . Radkau: Die deutschen Emigranten und die Ära Roosevelt. Gütersloh 1971, S. 88. 45 Zit. nach: K . R. Großmann: Emigration. Frankfurt/M. 1969, S. 258. 46 G. Honigmann: Chef weist an. Berlin 1972, S. 224. 47 H. Mann: Einführung. In: Morgenröte-Aurora. Ein Lesebuch. New York 1947, S. 21. 48 M. R. Davie: Refugees in America. Report of the Committee for the Study of recent Immigration from Europe. New York 1947, S. 41. 49 H. Marchwitza: In Amerika. Berlin 1 9 5 7 ; M. Scheer: Paris - New York Berlin 1966. 50 Ebenda, S. 137. 51 B B A J , S. 490. 52 A. Döblin: Schicksalsreise. Frankfurt/M. 1949, S. 355. 53 V. Baum: Es war alles ganz anders. Berlin (West) 1962, S. 452. 54 L. Berger: Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind. Tübingen 1953, S. 247. 55 B B A J , S. 534. 56 N V Z (New York) v. 14. 12. 1935. 57 Vorwärts (Prag) v. 18. 6. 1933.

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58 New York Herald Tribune v. 9. 8. 1944. 59 Vgl. dazu: J. Reraak: The Bund and German-American Relations: In: Journal of Modern History (1957) 29, S. 113-124. 60 NVZ (New York) v. 24. 4.1937. 61 Anonymer Leserbrief. In: Aufbau (New York) v. 14. 3. 1941. 62 Vgl. dazu: BBAJ, S. 597; 599; 602; 621. 63 B. Brecht: Bericht über die Stellung der Deutschen im Exil. In: BBGW 20, S. 283. 64 Bulletin of the Council for a Democratic Germany. No. 1. New York 1944, S. 1. 65 M. Brunswick: Refugee Musicians in America. In: The Saturday Review of Literature New York v. 26. 1. 1946. 66 Ebenda. 67 L. Fermi: Illustrious Immigrants. Chicago 1968, S. 221. 68 M. Brunswick: Refugee Musicians in Amerika. In: The Saturday Review of Literature New York v. 26. 1. 1946. 69 Auszug dot Geistes. Bremen 1962, S. 180. 70 Ebenda, S. 185. 71 A. Schönberg: Briefe. Mainz 1958, S. 207. 72 L. Fermi: Illustrious Immigrants. Chicago 1968, S. 8. 73 Ebenda S. 216. 74 M. Brunswick: Refugee Musicians in America: In: Saturday Review of Literature New York v. 26. 1. 1946. 75 L. Fermi: Illustrious Immigrants. Chicago 1968. S. 228. 76 L. Feuchtwanger: Exil. Berlin 1963, S. 579. 77 The Sunday Referee, London v. 18. 11. 1934. 78 Ebenda. 79 Daily Dispatch, Manchester, v. 12.2. 1935 kündigt die Aufführung für den 14. Februar an. 80 H. Eisler: Koncert na fronte. In: Illustrovany casopis (1937) 11. 81 Typoskript im Hanns Eisler-Archiv der Akademie der Künste der Deutschen Demokratischen Republik (nachfolgend HEA genannt). 82 Vgl. dazu: I. Lammel: Hanns Eislers Wirken für die Einheitsfront in der internationalen revolutionären Musikbewegung. In: Hanns Eisler heute. Berlin 1974 (Arbeitshefte der Akademie der Künste 19). 83 Daily Worker v. 18. 2. 1935. 84 Ebenda, v. 23. 2.1953. 85 Ebenda, v. 1. 3. 1935. 86 New Masses v. 12. 3. 1935. 87 Maschinenschriftl. Brief im HEA. 88 Mass Song Series. A Publication of Pierre Degeyter Club New York. Erschien ab 1935, so z. B. Vol. I, No. 3 Nieder mit dem faschistischen Terror (Text Earl Robinson, Musik Julius Keil); Red Song Book. Prepared in Collaboration with the Workers Music League. New York 1932; Ame-

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rica Sings. Book of Songs published by the Workers Bookshop. New York 1934; Rebel Song Book. New York 1935; Workers Song Book. Published by Workers Music League (U. S. A. Section of International Music Bureau). New York 1935. 89 Faksimile in New York World Telegram, 2 1 . 1 0 . 1946. 90 Typoskript How 'The peat bog Soldiers' was composed im HEA. 91 Matyas Rakocsi war 1925 zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt worden. Die gleiche Strafe hatte 1917 der Arbeiterführer Tom Mooney aus San Francisco erhalten. In Scottsboro (Alabama) wurden 1931 neun Negerjungen zum Tode verurteilt. 92 Englische Fassung in HEGW III, 1 S. 266. 93 Handschriftl. Brief v. 16. 3. 1953. Bertolt-Brecht-Archiv (nachfolgend BBA genannt) 479/31-34. Zit. nach: E. Klemm: H. Eisler an B. Brecht 1933 bis 1936. In: Deutsches Jahrbuch der Musikwissenschaft für 1972. Leipzig 1974. 94 Daily Worker, undatierter Ausschnitt (I am worried im HEA (vermutlich Mai 1935).

about

Thaelmann)

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HEGW III, 1, S. 280-282. Handschriftl. Brief BBA 479/18-28. HEGW III, 1, S. 301. Ebenda, S. 287. Ebenda, S. 288. Handschriftl. Brief BBA 479/36-39. Maschinenschriftl. Brief im Besitz von Louise Eisler-Fischer (Wien). Gespräch mit dem Autor am 5. 9. 1975.

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A. Johnson: Pioneers Progress. New York 1952, S. 317. Ebenda, S. 332. Ebenda, S. 345. In: Auszug des Geistes. Bremen 1962, S. 27. Vgl. dazu: H. Pross: Die deutsche akademische Emigration nach den Vereinigten Staaten. Berlin (West) 1965, S. 49-55.

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Daily Worker, New York v. 2. 10. 1935. Ebenda, v. 7. 10.1935. Ebenda, v. 5. 10.1935. Hearings, S. 83. Daily Worker v. 19. 12. 1935. HEGW III, 7, S. 99-100. Im Rahmen des Frühjahrskonzertes der New School mit dem Chor The New Singers unter Leitung von Lou Adomian. Die Angabe, daß Eisler die Aufführung geleitet hat (B. Brecht: Die Mutter. Materialien. Hg. v. W. Hecht. Berlin 1970, S. 215), ist unrichtig.

114 Hearings, S. 100. 115 Ebenda, S. 98. 116 John Strachey, ein englischer Kommunist, war 1935 aus den USA nach

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Großbritannien deportiert worden. Der Fall verursachte großes Aufsehen in der Öffentlichkeit beider Länder. Hearings, S. 99. Ebenda, S. 100. Bericht des deutschen Generalkonsulats San Francisco v. 21.3. 1935. Zit. nach A. Betz: Hanns Eisler. Musik einer Zeit, die sich eben bildet. München 1976, S. 126-127. Berliner Tageblatt v. 29. 12. 1937. Tvorba v. 26. 12. 1937. Übers, ins Deutsche: Otto Simanek, Prag. Maschinenschriftl. Brief, BBA 479/15-16. Maschinenschriftl. Brief, BBA 479/10. Hearings, S. 80. Ebenda, S. 93. The New York Times v. 12. 2. 1938. Englische Fassung in: HEGW III, 1, S. 426-428. Heldenlied!Komsomol UdSSR 1932. Produktion: Meshrabpom-Film Moskau. Regie: Joris Ivens, Drehbuch: Skljut, Liedtexte: Sergej Tretjakow, Musik: Hanns Eisler, Uraufführung Oktober 1932 Moskau. Neue ErdelNieuwe Gronden Niederlande 1934. Produktion: Copi-Films, Amsterdam. Drehbuch, Regie: Joris Ivens, Musik: Hanns Eisler. 400 MillionenIThe 400 Millions USA 1939. Produktion: History Today Inc. New York. Drehbuch: Joris Ivens unter Mitarbeit von Dudley Nichols, Regie: Joris Ivens, Musik: Hanns Eisler, Uraufführung März 1939 New York. H. Wagner: Joris Ivens. Berlin 1965, S. 89. J. Ivens: Monolog auf Hanns Eisler. In: HESF, S. 39. Vgl. dazu das Verzeichnis der Inszenierungen Joseph Loseys. In: T. Milne: Losey on Losey. London 1968, S. 191-194. Zeitungsauschnitt (ohne Datierung und Lokalisierung) im HEA. New Look, New York v. 16.5. 1939; Pete Roleum and bis cousins. Produktion: Petrol Industries Exhibition Inc. New York. Drehbuch, Regie: Joseph Losey, Puppenführung: Howard Bay, Schnitt: Helen van Dongen, Musik: Hanns Eisler, Mitarbeit Oscar Levant, Farbe von Technicolor. Hearings, S. 141. Ebenda, S. 81. Ebenda, S. 82. Ebenda. Ebenda, S. 96. Ebenda, S. 103. Ebenda, S. 135. Ebenda, S. 136.

134 135 136 137 138 139 140 141 142 Maschinenschriftl. Brief an Lombardo Toledano in Mexico City v. 9. 3, 1939. Kopie im HEA.

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143 Vgl. dazu: W. Kießling: Alemania Libre in Mexiko. Band 1, 2. Berlin 1974 (Literatur und Gesellschaft). 144 Mexico Today, Mexico-City v. 20. 3. 1939. 145 Ebenda, v. 22. 4.1939. 146 Original im HEA. 147 HESF, S. 40. 148 Hearings, S. 138. 149 Ebenda, S. 170-171. 150 Zit. nach: A. Betz: Hanns Eisler. Musik einer Zeit, die sich eben bildet. München 1976, S. 145. 151 Daily News, New York v. 25. 2. 1940. 152 R. D. Fosdick: Die Geschichte der Rockefeller-Stiftung. Wien 1955, S. 220. Fosdick war von 1938 bis 1950 Präsident der Stiftung. 153 Ebenda, S. 224. 154 Hearings, S. 84. 155 Zit. nach: A. Betz: Hanns Eisler. Musik einer Zeit, die sich eben bildet. München 1976, S. 153. 156 Annual Report of the Rockefeller Foundation for 1940. New York 1941, S. 316. 157 Rockefeller Music Fund-Expenses Hanns Eisler. In: Hearings, S. 87-88. Obwohl das Projekt Ende Oktober 1942 abgeschlossen wurde, weist die Kostenabrechnung noch bis 30. März 1943 Honorarzahlungen aus. 158 H. Eisler: Composing for the films. New York 1947. Dass. London 1951. Deutsch: H. Eisler: Komposition für den Film. Berlin 1949. 159 New York World Telegramm v. 26. 2.1940. 160 Grapes of Wrath, USA 1940, Drehbuch: John Steinbeck, Regie: John Ford, Musik: Alfred Newman. Forgotten Village, USA 1941. Drehbuch: John Steinbeck, Regie: Herbert Kline, Musik: Hanns Eisler. Riegen, Niederlande 1929 (Stummfilm). Drehbuch, Regie: Joris Ivens unter Mitarbeit von Mannus Franken. Im Jahre 1932 stellte Helen van Dongen eine Tonfilmversion des Streifens mit Musik von Lou Lichtfeld her. 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173

New York Times v. 30. 11. 1941. Pasadena Star News v. 21. 9. 1940. The News, Los Angeles v. 16. 9. 1940. HESF, S. 32. Englisches Typoskript im HEA. Th. W. Adorno/H. Eisler: Komposition für den Film. München 1969. Ebenda, S. 213. HESF, S. 370. New York World Telegram v. 26. 2. 1940. HESF, S. 331. S. Viertel: Das unbelehrbare Herz. Hamburg 1970, S. 377. F. Kortner: Aller Tage Abend. München 1959, S. 500. Th. Mann: Briefe 1937-1947. Berlin 1965, S. 591.

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174 HESF, S. 329. 175 Vgl. dazu das Zeitungsfaksimile in: BBAJ, S. 397. 176 Sozialistische Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft, Berlin (West), (1973) 20/21, S. 11. 177 P. J. Korn: Er schrieb immer, was gebraucht wurde. In: Die Welt v. 7. 8.1972, S. 6. 178 Vgl. dazu: Hearings, S. 89-91. 179 BBAJ, S. 422. 180 HESF, S. 328. 181 HEGW III, 7, S. 143. 182 BBAJ, S. 479. 183 Ebenda, S. 497. 184 Ebenda, S. 418. 185 HEGW III, 7, S. 43. 186 Ebenda, S. 70-71. 187 Ebenda, S. 194-195. 188 Über den allmählichen Abbau der Brechtschen Mitarbeit und die Verflachung des Brechtschen Scripts findet sich eine ausführliche Darstellung bei: W. Gersch: Der Fall Hangmen also die. In: Prisma. Kino- und Fernsehalmanach 3. Berlin 1972, S. 217-235. 189 Aufbau (New York) v. 16. 4. 1943. 190 Arts and Architecture (1944) 12. 191 Programm der Preisverleihung am 2. 3. 1944 in Graumans Chinese Theatre Hollywood, Original im HEA. 192 Art and Architecture (1944) 12. 193 Theatre Arts, New York (1944) 12. 194 HESF, S. 329. 195 Vgl. dazu: E. Bahr: Der Schriftstellerkongreß 1943 an der UCLA. In: Deutsche Exilliteratur seit 1933. Bd. 1: Kalifornien. Bern 1976, S. 40-61. 196 Arts and Architecture (1944) 12. 197 Undatierter handschriftl. Brief an den Sohn Georg in England. Kopie im HEA. - Da die Premiere von Spanish Main im Januar 1945 stattfand, muß der Brief etwa vom Dezember 1944 stammen. 198 Vervielfältigter Programmzettel, Original im HEA. 199 S. Viertel: Das unbelehrbare Herz. Hamburg 1970, S. 375. 200 M. Schorer: Sinclair Lewis. München 1964, S. 776. 201 N. Notowicz: Wir reden nicht von Napoleon, wir reden von Ihnen. Berlin 1973, S. 189-190. 202 D. Fleming/B. Bailyn: The Intellectual migration. Cambridge/Mass. 1969, S. 34. 203 J. Polansky: The Communist Trail in America. New York 1951, S. 114. 204 Vgl. dazu die Anmerkungen von G. Mayer in: HEGW III, 1, S. 498-501. 205 Los Angeles Examiner v. 26. 4. 1947. 206 Hollywood Citizen News v. 19. 4. 1947. 14

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Los Angeles Herald Express v. 13. 5. 1947. Ebenda, v. 9. 5. 1947. Los Angeles Examiner v. 13. 5. 1947. The Worker, New York v. 11. 5. 1947. New Masses, New York v. 18. 5. 1947. Newsweek, New York v. 25. 8. 1947.

213 In: Alternative. Berlin (West) (1972) 87. Ausgewählt und kommentiert von Dave Harris; In: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 17 214 Vgl. dazu auch: J. Schebera: Wenn Ihnen meine Lieder nicht gefallen. (1975) 4. Ausgewählt, übers, u. kommentiert von Jürgen Schebera. In: Sonntag (1973) 12, S. 3 - 4 . 215 Die vor den Ausschuß zitierten und verurteilten Hollywood, Ten (Zehn von Hollywood) waren die Filmautoren Alvah Bessie, Lester Cole, Ring Lardner jr., John Howard Lawson, Albert Maitz, Samuel Ornitz, Dalton Trumbo; die Regisseure Herbert Biberman und Edward Dmytryk sowie der Produzent Adrian Scott. Siehe dazu: E. Bentley: Thirty years of treason. New York 1971; A. Bessie: Inquisition in Eden. One of the Hollywood-Ten. New York 1965; G . K a h n : Hollywood on Trial. New York 1948; D . Trumbo: The Time of the Toad. Los Angeles 1949. 216 Der Text des Verhörs von Bertolt Brecht vor dem Ausschuß am 30. Oktober 1947 ist in deutscher Übersetzung erstmalig erschienen in: Nachrichtenbrief Nr. 10 des Arbeitskreises Bertolt Brecht. Düsseldorf 1963. Jetzt auch in: Brecht im Gespräch. Hrsg. v. W. Hecht. Frankfurt/M. 1975, S. 5 7 - 7 8 (edition suhrkamp 771). 217 S. Kahn: Hollywood on Trial. New York 1948, S. 84. 218 Th. Mann: Vorwort. In: Ebenda, S. V. 219 New Masses, New York v. 14. 10. 1947 - Erste deutsche Veröffentlichung in HESF. Zu den verschiedenen erhaltenen Fassungen vgl.: H E G W III, 1, S. 494-523. 220 N. Notowicz: Wir reden nicht von Napoleon, wir reden von Ihnen. Berlin 1973, S. 203. 221 Los Angeles Daily News v. 23. 12. 1947. 222 Vgl. dazu: HESF, S. 28-29. 223 Daily News, New York v. 23. 12. 1947. 224 Denver Post v. 27. 3. 1948. 225 Daily News, New York v. 25. 12. 1947. 226 H E G W III, 1, S. 529. 227 L. Feuchtwanger: Exil. Berlin 1963, S. 773. 228 H E G W III, 1, S. 169-170. 229 Vgl. dazu: W. Mittenzwei: Brecht - Von der Maßnahme zu Leben des Galilei. Berlin 1962, S. 114-128; R. Steinweg: Das Lehrstück. Stuttgart 1972.

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230 H E G W III, 1, S. 184. 231 Ebenda, S. 188. 232 Th. Adorno: Zur gesellschaftlichen Lage der Musik. In: Zeitschrift für Sozialforschung (1932) 1, S. 123-124. 233 H E G W III, 1, S. 188. 234 Ebenda, S. 244. 235 Ebenda, S. 248. 236 Ebenda, S. 252-253. 237 Ebenda, S. 255. 238 Ebenda, S. 256-258. 239 Ebenda, S. 257. 240 Ebenda, S. 298. 241 Neue Illustrierte (Prag) v. 1. 12. 1937. 242 Ebenda. 243 H E G W III, 1, S. 288. 244 Daily Worker, New York v. 22. 8. 1939. 245 H. Eisler: Arnold Schönberg. In: Materialien zu einer Dialektik der Musik. Hg. v. M. Grabs. Leipzig 1973, S. 238 (Reclams Universalbibliothek 538). 246 Eine ausführliche Darstellung der Expressionismus-Debatte liegt außerhalb des Rahmens der vorliegenden Arbeit. Verwiesen sei deshalb auf den Band: Die Expressionismusdebatte. Hg. J. Schmidt. Frankfurt/M. 1973, der alle Belege der Debatte zusammenträgt. 247 H E G W III, 1, S. 409. 248 Th. W. Adorno/H. Eisler: Komposition für den Film. München 1969. 249 J. Dawydow: D i e sich selbst negierende Dialektik. Berlin 1971; P. Reichel: Verabsolutierte Negation. Berlin 1972. 250 Th. Adorno: Einleitung in die Musiksoziologie. Hamburg 1968, S. 65. 251 Th. Adorno: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt/M. 1958, S. 124. 252 Th. Adorno: Zur gesellschaftlichen Lage der Musik. In: Zeitschrift für Sozialforschung (1932) 1, S. 124. 253 Vgl. dazu: J. Eisner: Zur melodischen Gestaltung der Kampflieder Hanns Eislers. In: HESF, S. 173-192. 254 Th. Wimmer: Adorno - Philosophischer Pessimismus. In: Schweizer Vorwärts, Bern v. 21. 8. 1968. 255 B. Brecht: Schwierige Lage der deutschen Intellektuellen. I n : BBGW, 20, S. 51. 256 B. Brecht: Anschauungsunterricht für neues Sehen der Dinge. In: BBGW 15, S. 208. 257 BBAJ, S. 295. 258 Ebenda, S. 360. 259 Ebenda, S. 443. 260 H E G W III, 7, S. 40. 261 H. Eisler: Materialien für eine Dialektik der Musik. Typoskript im H E A . 262 Die Zurücknahme der Autorenschaft erst kurz vor Erscheinen des Buches

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geht daraus hervor, daß zwar Eisler als alleiniger Autor in der Buchausgabe erscheint, der Verlag aber noch in seiner Auslieferung mit beiden Autoren operiert, wie aus einem Verlagsbrief hervorgeht, mit dem Alan Bush in London vom Verlag ein Freiexemplar erhielt: send you a copy of the book by Eisler and Adorno." Brief der Oxford University Press New York an Alan Bush v. 23. 9. 1947. Original im HEA. 263 H. Eisler: Komposition für den Film. Berlin 1969. 264 Vgl. dazu die textvergleichende Arbeit von H. Lück in: Die neue Linke nach Adorno. München 1969. 265 Th. Adorno/H. Eisler: Komposition für den Film. München 1969, S. 213. 266 Vgl. dazu: H. Brenner: Th. Adorno als Sachwalter des Benjaminschen Werkes. In: Die neue Linke nach Adorno. München 1969. 267 H E G W III, 7, S. 45. 268 Sowohl in der Gesamtausgabe der Werke Eislers als in der Gesamtausgabe der Werke Adornos wird die gemeinsame Arbeit an dem Buch Composing for tbe Films anerkannt, indem die Eislerausgabe (Deutscher Verlag für Musik Leipzig) und die Adornoausgabe (Suhrkamp-Verlag Frankfurt/M.) Adorno/Eisler in alphabetischer Folge als Autoren nennen. 269 Bei Drucklegung dieser Arbeit lag die Veröffentlichung des Buches in der Gesamtausgabe ( H E G W III, 4) leider noch nicht vor, so daß nachfolgend nach der Ausgabe des Henschelverlages von 1949 zitiert wird. 270 H E K , S. 5. 271 Ebenda, S. 7 - 8 . 272 Ebenda, S. 1 1 - 1 2 . 273 Ebenda, S. 14. 274 Ebenda, S. 16. 275 Ebenda, S. 18. 276 Ebenda. 277 Ebenda, S. 20. 278 Ebenda, S. 21. 279 Ebenda, S. 23. 280 Ebenda, S. 25. 281 Ebenda, S. 29. 282 J . Schebera: Zur Funktion der Bühnenmusik für die sozialistische Dramatik. In: Theater der Zeit 27 (1972) 2, Beilage Studien. 283 H E K , S. 37. 284 Ebenda, S. 38. 285 Ebenda, S. 87. 286 Ebenda, S. 3 9 - 4 0 . 287 Ebenda, S. 47. 288 Ebenda. 289 Ebenda, S. 83. 290 Tägliche Rundschau Berlin v. 7. 10. 1948.

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HEA, Mappe 129/5. H. Eisler/E. Stein: Interview über Joh. R. Becher, in: HESF, S. 208-218. HEGW III, 7, S. 71. E. Klemm: Hanns Eisler. Berlin 1973, S. 59-86. Tägliche Rundschau Berlin v. 7. 10. 1948. - Allerdings hat Eisler in diesem Gespräch die Zahl zu hoch angesetzt; tatsächlich sind im Exil 1933 bis 1948 nach Angaben von M. Grabs ca. 50 Lieder entstanden. Schallplattenveröffentlichung: Eterna 820481/82 von 1964 mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig, Leitung Adolf Fritz Guhl. Partiturteile in: H. Eisler: Lieder und Kantaten, Bd. 1-10. Leipzig 1955-1966. Der exakte Arbeitsbeginn an diesem Werk ist nicht genau feststellbar. Der zitierte Brief (Anmerkung 122) deutet mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf Anfang 1935, während Eislers erster USA-Reise. Der Komponist schreibt von „ersten Skizzen", die er in Detroit gemacht habe. Die Untersuchung von Edith Schneider (H. Eislers Deutsche Sinfonie. Diplomarbeit. Leipzig 1970) spricht von Ende 1934, was nicht wahrscheinlich ist. Die Autographen geben keine eindeutigen Datierungen. HESF, S. 209. R. Szeskus: Bemerkungen zu Eislers „Deutscher Sinfonie". In: Musik und Gesellschaft 23 (1973) 7, S. 435-443. Vgl. dazu sowie zu den folgenden Ausführungen auch die Werkeinführung von H. A. Brockhaus im Beiheft der Schallplatte Eterna 820481/82, Berlin 1964. Ebenda. HEGW III, 7, S. 220-221. R. Szeskus: Bemerkungen zu Eislers „Deutscher Sinfonie". In: Musik und Gesellschaft 23 (1973) 7, S. 436. In der Eislerliteratur wird das Werk meist nur kurz erwähnt. Leider beschäftigt sich wissenschaftlich bisher nur eine Diplomarbeit (E. Stiehl in Halle 1971) mit dem Woodburry-Liederbücblein, diese jedoch mit vielen Fehlern im Faktenmaterial. Auskunft von Louise Eisler-Fischer. Das Lied ist bisher stets ohne Verfasserangabe publiziert worden. HEGW III, 7, S. 71-72. HESF, S. 212. So finden sich auf mehreren Autographen handschriftliche Bemerkungen Anhang für das Hollywood Liederbuch (HEA Mappe 166/96) oder Im Anhang des Hollywooder Liederbuches zu drucken (Mappe 129/5). HEA, Mappe 129/5. HEA, Mappe 166/96. Vgl. dazu besonders das Elfte Gespräch mit Hans Bunge vom 6. 11. 1961. In: HEGW III, 7, S. 217-233. M. Grabs: Zur Aussage der Hölderlin-Vertonungen Hanns Eislers. In: Beiträge zur Musikwissenschaft (1973) 1 - 2 , S. 49-60.

213

312 313 314 315 316 317 318 319 320

BBGW 9, S. 641. H. Eisler: Lieder und Kantaten, Bd. 1-10. Leipzig 1955-1966. BBGW 10, S. 849. HEGW III, 7, S. 43-44. HEA, Mappe 40/40-60. HEA, Mappe 208/43. Ebenda. HEA, Mappe 41/79-81 und 172/57-70. B. Brecht: Zum Geleit. In: H. Eisler: Lieder und Kantaten Bd. 1-10. Leipzig 1955-1966. 321 Beiheft zur Aurora-Schallplatte 580001/002 Canciones de las Brigadas. Internacionales, Berlin 1964. 322 Manfred Wekwerth im Hanns Eisler-Film des DDR-Fernsehens 1973 (Regie: Günter Lippmann).

Anmerkungen

zum

Verhörprotokoll

1 Das hier veröffentlichte Verhörprotokoll ist ein nur kleiner, ja bescheidener Teil aus der Arbeit eines sehr realen antikommunistischen Mechanismus, der vor allem in den Jahren 1947 bis 1955 seine abscheuliche Blütezeit in den USA hatte: des Ausschusses zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit. Dieser Untersuchungsausschuß war ein Organ des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten. 1938 gegründet, arbeitete er bis 1944 unter dem Namen Special Committee on Un-American Activities (Dies Committee), wobei in Klammer der Name des Vorsitzenden für jenen Zeitraum, A. Dies, steht. 1945 wurde der Ausschuß geringfügig umbenannt, er hieß nun Committee on Un-American Activities und erhielt mit J. Parnell Thomas einen neuen Vorsitzenden, der Ende 1948 von John McCarthy abgelöst wurde, mit dessen Namen die Hexenjagd wohl am engsten verbunden ist. Der Ausschuß verfügte über ein eigenes Ermittlungssystem mit eigens dazu fest angestellten Beamten und entsprechenden Geldmitteln, er verfügte über große Macht und großen Einfluß und maßte sich zunehmend Gerichtsfunktionen an. Der Leser wird dies unschwer am gesamten Ablauf und Ton des Verhörs feststellen. Sämtliche durchgeführten Verhöre des Ausschusses wurden dokumentiert, sie liegen in Dünndruckbänden (mit dem Vermerk: Gedruckt für den Gebrauch des Ausschusses zur Untersuchung unamerikanischen Verhaltens), geordnet nach den jeweiligen zweijährigen Sitzungsperioden des Parlaments, vor. Für den Zeitraum 1939 bis 1943 sind es 8 Bände mit Protokollen Nichtöffentlicher Verhöre sowie 17 Bände mit Protokollen Öffentlicher Verhöre. Ab 1945 waren alle Verhöre öffentlich, es liegen vor: 79. Sitzungsperiode (1945 bis 1947) 1 Band; 80. Sitzungsperiode (1947 bis 1949) 6 Bände; 81. Sitzungsperiode (1949 bis 1951) 7 Bände; 82. Sitzungsperiode (1951 bis 1953) 8 Bände; 83. Sitzungsperiode (1953 bis 1955)

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12 Bände. Dabei umfaßt jeder Band der Nachkriegsvethöre etwa 800-1000 Seiten. Eric Bentley hat in seinem Buch Thirty Years of Treason die unrühmliche Arbeit des Ausschusses gründlich analysiert und dokumentiert. Der interessierte Leser findet dort umfangreiches Material. Das hier wiedergegebene Verhör fand während der 80. Sitzungsperiode des Parlaments vom 24. bis 26. September 1947 in Washington statt. Der Ausschuß hatte damals folgende Besetzung: J. Parnell Thomas, New Jersey Vorsitzender; Mitglieder: Karl E. Mündt, Süddakota; John McDowell, Pennsylvania; Richard M. Nixon, Kalifornien; Richard B. Vail, Illinois; John S. Wood, Georgia; John E. Rankin, Mississippi; J. Hardin Peterson, Florida; Herbert C. Bonner, Nordcarolina. Dazu gehörten noch Robert E. Stripling, der Hauptbefrager, sowie Benjamin Mandel, der Direktor für Nachforschung. Von diesen waren bei Eislers Verhör neben dem Vorsitzenden die Ausschußmitglieder McDowell, Wood und Rankin sowie Chefbefrager Stripling anwesend. Das Verhörprotokoll Hearings regarding Hanns Eisler (Washington 1947) umfaßt 209 Druckseiten. Davon entfallen auf die Verhöre 187 Seiten, 22 Seiten umfaßt der Anhang. Das Protokoll des ersten Tages, des 24. September 1947 (überschrieben Hearings regarding Hanns Eisler), ist auf Seite 1-73, der zweite Tag (wie auch der dritte überschrieben Investigations of Un-American Propaganda Activities in the United States) auf Seite 75 bis 150, der dritte Tag auf Seite 151-187. Die Tagungszeit war am ersten und zweiten Tag von 10.30 bis 16 Uhr, am dritten Tag von 10.30 bis 12 Uhr, worauf die Ausschußmitglieder am Nachmittag in Klausur tagten. Im Verlaufe des Verhörs wurden neben Eisler in der Reihenfolge ihres Auftretens folgende Zeugen vernommen: 24. 9. 1947 - Joseph Savoretti, Assistant Commissioner beim Zentralbüro der Einwanderungsbehörde in Philadelphia. Savoretti hatte aus der zentralen Registratur zahlreiche Akten aus der Paß- und Visaaffäre Eislers mitgebracht. - Sumner Welles, zum Zeitpunkt des Verhörs im Ruhestand (er bezeichnete sich auf Befragen als „Autor"), von 1937 bis 1943 stellvertretender US-Außenminister. Er wurde vor allem zu Eleanor Roosevelts Eingreifen in den Fall Eisler befragt. 25. 9. 1947 - Donald T. Appell, ein Untersuchungsbeamter des Ausschusses, der Anfang 1947 Eislers Verbindungen und den Status der New School for Social Research gründlich geprüft hatte und dazu befragt wurde sowie Unterlagen der New School vorlegte. - George S. Messersmith, zum Zeitpunkt des Verhörs im Ruhestand, von 1940 bis 1942 (Jan.) US-Botschafter in Kuba; 1942 (Febr.) bis 1946 215

US-Botschafter in Mexiko. E r -wurde zu Eislers Visaanträgen und zur Visaarbeit seiner Botschaften befragt. 26. 9. 1947 - Clarence R. Porter, Einwanderungsoffizier am US-Grenzübergang Calexico, Kalifornien, dort auch schon seit 1938 tätig. E r wurde zu Eislers Einreise in die USA und zur dortigen Überprüfung befragt. - P. C. Hutton, Zweiter Sekretär der US-Botschaft in Guatemala, von 1939 bis 1941 Konsul für Visaangelegenheiten im US-Generalkonsulat für Mexiko. E r war der Vorgesetzte jenes Vizekonsuls Myers, der im USKonsulat in Mexicali am 20. September 1940 unter Nr. 36 für Eisler und seine Frau Nonquoto Visa erteilt hatte, und wurde zur Arbeit seiner Abteilung verhört. Die Seitenzählung des Protokolls: Verhör Eisler S. 1 - 5 0 / 5 4 Mitte - 61 Verhör Savoretti S. 5 1 - 5 4 Mitte/75-77/168-172 Verhör Welles S. 6 2 - 7 3 Verhör Appell S. 7 8 - 9 0 Verhör Messersmith S. 91-150 Verhör Hutton S. 151-167/173-179 Verhör Porter S. 180-187 Vakat S. 74/188 Anhang S. 189-209 Der Anhang besteht aus dem Verzeichnis der 122 im Verlauf des Verhörs von Stripling eingebrachten Beweisstücke (die im Text jeweils numeriert und als Fußnote ausgewiesen sind, wobei der Abdruck unterschiedlich ist. Zum Teil werden nur die von Stripling verlesenen Ausschnitte aus den Büchern, Briefen, Artikeln etc. gedruckt, bei einem anderen Teil folgt das komplette Dokument unmittelbar nach dem von Stripling verlesenen Ausschnitt) und aus einer eigens für das Verhör angefertigten Übersetzung (vom 18. 9. 1947, Englisch von Elizabeth Hanunian) des Textes der Maßnahme von Brecht/Eisler nach dem Klavierauszug der Universal-Edition Wien von 1931. Die Verhöre der außer Eisler geladenen Zeugen haben in ungeheurer, die Bürokratie des Vorgehens belegender Länge Einzelheiten der Visabeantragung, -bearbeitung und -erteilung des Falles Eisler zum Inhalt sowie die Einbeziehung leitender Regierungskreise in die Angelegenheit. Sie liefern zwar manches interessante Detail für die Aufhellung jener amerikanischen Jahre Eislers, sind jedoch insgesamt für den deutschen Leser als Originaldokument von untergeordneter Bedeutung. Anders verhält es sich mit dem Verhör Eislers. Die Wiedergabe folgt streng dem gedruckten Protokoll. Auslassungspunkte im Text entsprechen denen

216

im Original. In Klammern gesetzte und mit Anmerkungsziffern versehene Auslassungspunkte verweisen auf die wenigen, aus Platzgründen erfolgten Abweichungen unserer Fassung vom Original, die sich ausschließlich auf „Beweisstücke" erstrecken: Stripling verliest an mehreren Stellen des Verhörs schlechte englische Übersetzungen Brechtscher Gedichte. Hier wird auf das Originalgedicht verwiesen. An drei Stellen liest Stripling Texte von Hanns Eisler und Sergej Tretjakow, die in der Eisler-Gesamtausgabe, Serie III, Bd. 1 bzw. im Sonderheft Hanns Eisler von Sinn und Form vorliegen, auf die ebenfalls verwiesen wird. Bei einem längeren Presseartikel (Interview mit Wetscbernaja Moskwa), den Stripling ebenfalls verlas, erfolgt trotz Vorliegen eines fast gleichen Textes in HEGW III, 1 infolge der Abweichungen der Abdruck in unserer Fassung. Hier war eine originalgetreue Wiedergabe des Auftretens eines deutschen antifaschistischen Künstlers vor einem Machtorgan des Exillandes zu leisten. Die Wiedergabe folgt ohne jede Kürzung, Auslassung oder Veränderung dem gedruckten Protokoll; Auslassungspunkte entsprechen also dem Original. Die deutsche Übersetzung bleibt bewußt sehr nahe am Original. Dies schließt vielleicht gelegentlich Längen nicht aus, um so deutlicher aber wird, wie hartnäckig die Befrager ihr Ziel verfolgten. Über den während des gesamten Verhörs schweigenden Wood kann nichts ausgesagt werden. Thomas und sein Vollzugsbeamter Stripling haben nichts anderes im Sinn, als Eisler die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei sowie konspirative Arbeit für die Sowjetunion anzulasten, damit dieser lästige Ausländer endlich des Meineides und damit des unberechtigten Erhalts eines amerikanischen Visums bezichtigt und abgestraft werden kann. Der wohl wütendste Antikommunist im Quintett ist Mr. Rankin aus Mississippi, in dessen ungeheuerlichem Schlußausbruch sich die negativste Seite von Haltungen gegenüber den antifaschistischen Emigranten dokumentiert, die die USA aufzuweisen hatten. McDowell dagegen tritt als „Schöngeist" auf; sein Dialog mit Eisler über Brechtsche Gedichte mutet wie absurdes Theater an. Auf der „anderen Seite der Barrikade" Hanns Eisler: seit den ersten Presseangriffen und dem kalifornischen Vorverhör unentwegt einer Kampagne ausgesetzt, die Lüge und Diffamierung über das ganze Land verbreitete, also voller berechtigtem Zorn auf den Ausschuß und seine Praktiken. Andererseits wohl wissend, daß dieser Ausschuß die Macht hatte, durch eine Verhaftung und Verurteilung die sehnlich erwünschte und vorbereitete Abreise nach Europa auf lange Zeit unmöglich zu machen. Natürlich wußte Eisler, daß es im Zentrum des Verhörs darum gehen würde, ihm aktive Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei nachzuweisen und damit einen Meineid, geleistet 1938 bei Betreten der USA, der zu nachträglichem Entzug der Aufenthaltserlaubnis führen konnte. Natürlich hatte der Kommunist Eisler

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(wobei es hier angesichts der Persönlichkeit und der Haltung von untergeordneter Bedeutung ist, ob die Mitgliedschaft in der Partei aktiv oder passiv verlaufen ist) bei verschiedenen Verhören und Überprüfungen im Zuge der Visaerlangung bei den USA-Behörden zahllose Fragen zu beantworten und natürlich nur sind in den Jahren 1939 und 1940, als die übrigen Zufluchtsländer der Welt bereits verschlossen sind, Antworten des asylsuchenden Emigranten, die dem ins Auge gefaßten Gastland und seiner damaligen politischen Situation entgegenkamen. Nur so, als tagespraktische Beförderung eines Visagesuches, ist etwa die zitierte Äußerung Eislers zu Stalin zu interpretieren. Eislers gesamtes Auftreten vor dem Ausschuß darf mutig, entschieden, klug und listig genannt werden. Bedürfte es noch eines Beweises für die kämpferische antifaschistische Haltung des Kommunisten im neunten Jahr seines USA-Exils, hier ist er nachzulesen. 2 Zu den genannten Personen siehe Anm. 1. 3 Howard R. Hughes (geb. 1905), Filmproduzent. Wegen des Anti-Nazifilms Hell's Angel (1939) wurde er wie auch Eisler im Frühjahr 1947 in Kalifornien einem Vorverhör unterzogen. - Wendeil Willkie (1892-1944), republikanischer Präsidentschaftskandidat, sagte 1939 vor dem Ausschuß aus. 4 Eislers Erklärung erschien am 14. 10. 1947 in New Masses, New York. Sie hat folgenden Wortlaut (HESF, S. 1 7 - 1 9 ) : Dieses Verhör ist in gleicher Weise boshaft und lächerlich. Das Komitee interessiert sich ja gar nicht für irgendeinen Beweis, den ich antreten könnte, noch dafür, daß ich überhaupt etwas erkläre. Das einzige nämlich, was für die Öffentlichkeit von Bedeutung ist, ist meine Existenz als Musiker. Ich bin international angesehen, aber ich will doch nicht annehmen, daß diese Tatsache meine Arbeit auf dem Gebiet der Musik „unamerikanisch" macht. Mit dem größten Vergnügen würde ich soviel Zeit aufwenden, wie dieses Komitee mir immer bewilligen mag, um Vorträge über musikalische Themen zu halten; es ist das einzige, worüber zu sprechen ich qualifiziert genug bin. Dann könnte ich beispielsweise über den kunstvollen Aufbau von Beethovens letzten Sonaten und Streichquartetten reden, oder ich könnte die Kunst der Fuge analysieren. Aber ich bezweifle, daß ich vorgeladen worden bin, um solche kulturellen Interessen zu fördern. Im Gegenteil, dieses Komitee hat mich ausschließlich aus dem Grund vorgeladen, um seine Verleumdungen gegen mich in der Presse fortzusetzen, denn es hofft, dadurch die Künstler im ganzen Land einschüchtern und nach den politischen Leitlinien dieses Komitees ausrichten zu können. Das ist schon das zweite Mal, daß ich zu einem Verhör zitiert werde, das erste wurde im vergangenen Mai durch einen Unterausschuß in Hollywood veranstaltet. Das Interesse, das Sie mir erweisen, ist sehr schmeichelhaft. Aber es ist völlig grundlos. Um das zu beweisen, will ich Ihnen von meinen Tätigkeiten in diesem Land erzählen. Zum erstenmal kam ich im Frühjahr 1935 in die Vereinigten Staaten, und zwar auf Veranlassung eines britischen Komitees,

218

dessen Präsident Lord Marley, Mitglied des Britischen Oberhauses, ist. Ich kam, um Geld für Kinder von deutschen antifaschistischen Flüchtlingen zu sammeln. Zu diesem Zweck machte ich eine zwei- oder dreimonatige Konzert- und Vortragsreise. Das Thema meiner Vorträge war die Zerstörung der Musikkultur durch Adolf Hitler. Meine Rede hielt ich in deutscher Sprache, sie wurde für das Publikum übersetzt. Im Herbst 1935 kam ich abermals in die Vereinigten Staaten, um eine Professur für Musik an der New School for Social Research in New York zu übernehmen. Ich lehrte Theorie der Komposition und Kontrapunkt. Damals wurde am Broadway auch das Stück „Die Mutter" aufgeführt, zu dem ich die Musik geschrieben habe. Im Frühjahr 1936 verließ ich die Vereinigten Staaten, um in England als musikalischer Leiter und Komponist für eine internationale Filmgesellschaft an dem Film „Bajazzo" zu arbeiten, und ich kehrte Anfang 1938 zurück, um meine Lehrtätigkeit an der New School fortzusetzen. Im Mai 1939 ging ich vorübergehend nach Mexiko, wo mir eine Gastprofessur für Musik am Staatlichen Konservatorium angetragen worden war, und im September 1939 kam ich abermals hierher, um den Unterricht an der New School wieder aufzunehmen. Zu dieser Zeit komponierte ich die Musik für einen Film zur New Yorker Weltausstellung. Im Oktober 1940 erhielt ich Einwanderungspapiere mit einem Non-Quotavisum als Professor für Musik. D i e Rockefeller-Foundation gab mir damals ein Stipendium von 20 000 Dollars, um an der New School an einem Forschungsauftrag über das Verhältnis zwischen moderner Musik und Film zu arbeiten. Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in meinem Buch „Composing for the Films" (Komposition für den Film) niedergelegt, das gerade von der „Oxford University Press" publiziert worden ist. Wenn das Komitee an meinen künstlerischen Meinungen und Prinzipien interessiert ist, dann kann ich nur empfehlen, daß jedes Mitglied des Komitees dieses Buch liest und sehr sorgfältig studiert. In den vergangenen fünf Jahren habe ich in Hollywood gelebt, wo ich die Musik für acht Filme geschrieben habe, darunter „None But the Lonely Heart", „Hangmen Also Die", „Spanish Main", „Woman on the Beach" und „So well Remembered". Für kurze Zeit war ich auch Professor für Musik an der Universität von Südkalifornien.

|

Während dieser Zeit habe ich auch zahlreiche symphonische Werke

für

Orchester, Kammermusik und Vokalmusik geschrieben. Unter meinen zuletzt aufgeführten Kompositionen befinden sich ein Bläserquintett, die Sonate Nr. 3 für Klavier, Thema und Variationen für Klavier, die Sonate für Violine und Klavier, die Kantate für Alt, zwei Klarinetten, Violine und Cello, die „Kleine Symphonie" für Orchester und so weiter. Viele meiner Kompositionen sind auf Schallplatten aufgenommen worden. Das, meine Herren, sind meine Tätigkeiten in den Vereinigten

Staaten,

und ich muß wohl vermuten, daß das Komitee sie als „unamerikanisch" betrachtet. Offenbar sind Sie keine Musikkenner. Ich habe mich in den

219

Vereinigten Staaten niemals mit Politik befaßt, und ich war auch niemals Mitglied einer politischen Partei. Dem Komitee ist das aus seinen Ermittlungen gegen mich und aus dem früheren Verhör bekannt. Warum werde ich also dieser widerlichen Belästigung ausgesetzt? Warum hat sich das Komitee darin überboten, meinen Namen seit mehr als einem Jahr in den Schmutz zu ziehen? Warum hat man mir solche Schwierigkeiten gemacht, meinen Lebensunterhalt zu verdienen? Warum hat das Komitee das Außenministerium veranlaßt, mit ungesetzlichen Maßnahmen zu drohen, um mich von einer Reise nach Paris abzuhalten, wo ich die Musik für den französischen Film „Alice im Wunderland" schreiben sollte? Die Antworten auf all diese Fragen sind sehr einfach. Ich bin angeklagt, weil ich der Bruder Gerhart Eislers bin, den ich liebe und bewundere, und den ich verteidige und weiter verteidigen werde. Ist das Komitee der Auffassung, daß Bruderliebe unamerikanisch ist? Entscheidender ist wohl, d a ß das Komitee hofft, durch die Verfolgung meiner Person viele andere Künstler in Amerika einschüchtern zu können, gegen die es aus den verschiedensten Gründen aber ganz zu Unrecht eine Abneigung hat. Das Komitee will einen Feldzug gegen jeden liberalen, progressiven und sozial denkenden Künstler entfesseln, und es will die Arbeiten dieser Künstler einer verfassungsfeindlichen und hysterischen politischen Zensur aussetzen. Es ist schrecklich, daran zu denken, was aus der amerikanischen Kunst werden wird, wenn dieses Komitee darüber zu richten hat, welche Kunst amerikanisch und welche unamerikanisch ist. Derartiges haben schon Hitler und Mussolini versucht. Sie hatten keinen Erfolg, und auch das Komitee zur Bekämpfung unamerikanischer Tätigkeiten wird ihn nicht haben. 5 Englischer Titel des Films Heldenlied, der 1932 von der Meshrabpom Moskau produziert wurde. Regie: Joris Ivens/ Musik: Hanns Eisler. 6 Ein Grenzübergang zwischen den USA und Mexiko. 7 Stripling beharrt ziemlich lange auf diesem Punkt, um nachfolgend beweisen zu können, daß Pflichtverletzungen von USA-Beamten vorgelegen haben. 8 Ein anderer Grenzübergang zwischen den USA und Mexiko. Auf mexikanischer Seite befand sich die Ortschaft Mexicali (im dortigen US-Konsulat wurden Eislers Visa ausgestellt), auf USA-Seite der „traurige Flecken" (Louise Eisler-Fischer) Calexico, in dem die Eislers über einen Monat wartend festgehalten wurden. 9 Diese Stereotypfrage der Verhöre „Are you now or have you ever been a Communist" wurde zum Synonym der Kommunistenverfolgung in den USA Ende der vierziger/Anfang der fünfziger Jahre. 10 Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt? war der erste deutsche proletarische Tonfilm. Drehbuch: Brecht/Ottwalt, Regie: Dudow, Musik: Eisler. Premiere war 1932 in Berlin. 11 Der Titel Hölle auf Erden ist wahrscheinlich eine irreführende Übersetzung eines Eisler-Liedes. - Mit Komintern ist das Kominternlied gemeint (Text

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Franz Jahnke/Maxim Vallentin). Es gehört zu den 6 Liedern op. 28 und wurde von Eisler 1929 geschrieben. Später schrieb Stephan Hermlin einen neuen Text, mit dem das Lied heute als Lied der 'Werktätigen bekannt ist. Die Maßnahme, ein Lehrstück von Bertolt Brecht, Mitarbeiter Slatan D u dow und Hanns Eisler, wurde 1930 in Berlin uraufgeführt. 12 Tempo der Zeit op. 16, eine Kantate für Alt- und Baßsolo, Sprecher, gemischten Chor und kleines Orchester (Text von David Weber), entstand 1929 und erlebte bis 1933 zahlreiche Aufführungen in Deutschland. 13 Ein damals in den USA sehr populärer Tagesschlager. 14 Oxford University Press Inc., einer der seriösesten wissenschaftlichen Verlage der USA, in dem eben Eislers Filmmusikbuch erschienen war. Die Bemerkung „subversive Organisation" ist eindeutig sarkastisch. 15 Gemeint ist der Chor Ferner streikten: 50 000 Holzarbeiter aus den 2 Stäkken für Männerchor op. 19. Der Chor entstand 1929 nach einem amerikanischen Text. 16 Stripling verliest eine schlechte amerikanische Übersetzung des Textes des Kominternliedes. Der deutsche Text findet sich u. a. in: Lieder der Partei. Hg. v. I. Lammel. Leipzig 1971, S. 35. 17 Victor Jerome ist lediglich der amerikanische Übersetzer, vgl. Anm. 10. 18 Star Spangled Banner, die Nationalhymne der USA. 19 Der Text ist vollständig abgedruckt in: H E G W III, 1, S. 318-321. 20 Stripling liest eine schlechte englische Übersetzung der ersten Strophe des Chores hob des Lernens. Dieser der Bühnenmusik zu Brecht/Eislers Die Mutter op. 25 zugehörige Chor entstand 1931. Der deutsche Text ist u. a. abgedruckt in: Eisler: Lieder und Kantaten. Bd. 1. Leipzig 1955. 21 Die Mutter. Leben der Revolutionärin Pelageja Wlassowa aus Twer. Nach dem Roman Maxim Gorkis von Bertolt Brecht. Mitarbeiter: S. Dudow, H. Eisler, G. Weisenborn. - Die Uraufführung fand 1932 in Berlin statt. Die erste amerikanische Aufführung erfolgte am 19. November 1935 durch die Theatre Group in New York. 22 Eine Bemerkung Eislers, die aus dem unbedingten Zwang heraus, ein Visum zu erhalten und demnach dem Beamten ein wenig das Gewünschte anzubieten, zu erklären ist und aus der man keinesfalls eine politische Haltungsänderung Eislers ableiten kann. Die Umstände, die wenig später zur Komposition des Liedes In Sturmesnacht führen, sowie das Lied selbst sprechen für diese Interpretation. 23 Der Text ist vollständig abgedruckt in: H E G W III, 1, S. 382. 24 Der Text ist vollständig abgedrukt in: HESF, S. 110-127. 25 Hier beginnt, wie auch gegen Schluß des Verhörs, Eislers Kreisen um die Brechtschen Texte, die im Verhör laufend eine Rolle spielen. E r wußte nicht, wie gut der Ausschuß recherhiert hatte und daß alle Dinge schriftlich vorlagen, er wußte auch nicht, inwieweit seine Aussagen später gegen Brecht verwendet werden konnten. Also tat er konsequent das, was er sich vorgenommen hatte: Er nannte keine Namen und auch nicht den Brechts.

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Rückschauend sagte er dazu: „Die Leute wollten mich doch reinlegen. Sie lasen mir also aus meinen Werken Übersetzungen vor und behaupteten, das wäre von mir . . . Folglich habe ich die Texte dann verteidigt als mein Werk. Denn ich wußte damals noch nicht, ob Brecht in die Sache hereingezogen wird. Und mein Prinzip war: Ich nenne überhaupt keine Namen. Es gibt keinen Namen auf der Welt, den ich dort nenne." ( H E G W III, 7, S. 95). 26 D a in der Aussage des Joseph Savoretti aus früheren Verhören Eislers zitiert wird und demnach auch Aussagen des Komponisten enthalten sind, wird das Editionsprinzip hier durchbrochen und aus dem Verhör Savorettis in kompilierter Form jenes Material vorgelegt, das unmittelbaren Bezug zu Eisler hat. 27 Die Namensgleichheit mit dem Ausschußmitglied ist zufällig. 28 Die Frage bezieht sich auf ein Meeting der Konzert- und Vortragstournee von 1935. 29 Die zügellosen Presseverleumdungen, die die Fischer in der Hearstpresse gegen zahlreiche Emigranten veröffentlichte und dieser an Hanns Eisler gerichtete, aber offenbar an einen breiten Personenkreis verschickte Brief lassen die Frage aufkommen, ob neben notorischer Verbitterung und bösartiger Verleumdungssucht nicht auch stark krankhafte Züge bei Ruth Fischer vorhanden waren. 30 Es handelt sich um die von Eisler 1935 in den USA aufgenommenen Platten mit Mordecai Baumann als Solist. 31 Die Ballade vom $ 218 (Text Bertolt Brecht) entstand 1929 und gehört zu den Sechs Balladen für Sologesang und kleines Orchester op. 18, wie auch die in den folgenden fünf Anmerkungen genannten Lieder. 32 Anrede an den Kran Karl (Text Bertolt Brecht) aus op. 18. 33 Gemeint ist hier die Ballade von der Krüppelgarde (Text David Weber) aus op. 18. 34 Ballade

von Nigger Jim (Text David Weber) aus op. 18.

35 Das Lied vom Trockenbrot (Text Walter Mehring) aus op. 18 ist Teil der Bühnenmusik zu Mehrings Der Kaufmann von Berlin. Die Uraufführung war 1929 in Berlin an der Piscatorbühne. 36 Das Lied von Angebot und Nachfrage (Text Bertolt Brecht) aus op. 18 ist Teil der Bühnenmusik zu Brechts Die Maßnahme (vgl. Anm. 10). 37 Zur Charakterisierung der Kampagne, die mit allen Mitteln gegen Eisler entfesselt wurde, und zur Charakterisierung des Ausschusses seien hier noch drei markante Stimmen zitiert: Louise Eisler an Alan Bush in London am 27. 8. 1947, also etwa einen Monat vor dem Verhör: „Alan, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie die amerikanische Presse endlos mit Schlagzeilen, Geschichten, Denunziationen, Lügen, Erfindungen gegen einen Künstler hämmert . . . Unser Leben ist sehr unangenehm geworden. Seit Monaten kann Hanns das Radio nicht andrehen, ohne idiotische Geschichten entweder über Gerhart oder über sich

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selbst zu hören . . . Hanns ist in diesem Lande zum Monster, zum Ausgestoßenen, zum subversiven Charakter geworden, wie Du weißt, ist das Land ohnehin mit H a ß gegen die Roten überflutet . . . In der Zwischenzeit fährt Hanns fort, seinen Bruder zu verteidigen. Er sprach in New York auf einem Meeting. Zehn Tage zuvor kam er aus Washington zurück, wo die Verteidigung ihn als Zeuge für Gerhart aufrief . . ." (Maschinenschriftl. Brief, Original im HEA). Salka Viertel, die Freundin der Eislers: „Es hätte des satirischen Genies eines Karl Kraus bedurft, um Leuten wie den Kongreßabgeordneten J. Parnell Thomas, Rankin und Stripling und deren Äußerungen gerecht werden zu können. Die angebliche Kommunistenangst hofften die Reaktionäre für die . . . Wahlen auszunützen . . . Die Garretts luden mich ein, mir die Verhandlungen im Fernsehen anzusehen. Als ich Mr. Thomas' aufgedunsenes Gesicht sah und seine Stimme hörte, schien es mir unfaßbar, daß es Menschen gibt, die diesen Mann gewählt hatten." (Das unbelehrbare Herz. Hamburg 1970, S. 439). John B. Priestley, der große englische Dichter, am 6. 10. 1947, wenige Tage nach dem Eisler-Verhör: „Ich und weitere Nicht-Amerikaner fühlen uns gerade so, als wären wir zusammen mit einem launischen betrunkenen Giganten in einem Haus eingeschlossen. Die mächtigste Regierung der Erde scheint weder eine kontinuierliche Politik zu haben, noch eine geschützte Tradition und wird offenbar bestimmt durch eine verantwortungslose, sensationslüsterne Presse und eine Wählerschaft, die zusammengetrieben werden kann wie eine Herde Vieh. Kongressabgeordnete, die noch nicht einen ernsthaften Gedanken zur Weltpolitik geäußert haben, eilen, um Stimmen zu sammeln, die einen halben Kontinent ruinieren können. Der Amerikaner muß stets entweder glänzend oder mattäugig sein und hat keine andere Wahl als entweder die Hoffnung oder die Verzweiflung der Welt zu sein." (In: News Chronicle v. 6. 10. 1947 - Überschrift Europa in der Barmherzigkeit von USA-Zirkusentscheidungen) 38 Über das Töten, ein Chor aus den Zwei Stücken für gemischten Chor op. 21, entstand 1930. Aus welchen Texten Eisler die Vorlage kompilierte, ist nicht nachweisbar. Die Druckfassung der Universal-Edition Wien 1930 vermerkt als Textautor Eisler. 39 Es kam zu keiner Vorladung Eislers zu den Hollywood-Verhören, während Brecht am 30. Oktober 1947 dort aussagen mußte. Seine Befragung war jedoch wesentlich kürzer und verlief auch undramatischer.

223

Auswahlbibliographie

Ausgaben Eislerscber Texte und

Kompositionen

Eisler, Hanns: Gesammelte Werke. Serie III Band 1 Musik und Politik. Schriften 1924-1948. Hg. v. G. Mayer. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1973, 536 S. Eisler, Hanns: Gesammelte Werke. Serie III Band 7 Gespräche mit Hans Bunge. Fragen Sie mehr über Brecht. Hg. v. H. Bunge. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1975, 436 S. Eisler, Hanns: Materialien zu einer Dialektik der Musik. Hg. v. M. Grabs. Leipzig: Reclam 1973, 390 S. Eisler, Hanns: Reden und Aufsätze. Hg. v. W. Höntsch. Leipzig: Reclam 1960, 224 S. Eisler, Hanns: Komposition für den Film. Berlin: Henschel 1949, 152 S. Adorno, Theodor W. und Hanns Eisler: Komposition für den Film. München: Rogner & Bernhard 1969, 216 S. Bunge, Hans: Fragen Sie mehr über Brecht. Hanns Eisler im Gespräch. Nachw. v. Stephan Hermlin. München: Rogner & Bernhard 1970, 366 S. Eisler, Hanns: Johann Faustus. Oper. Berlin: Aufbau 1952, 83 S. Notomicz, Nathan: Wir reden hier nicht von Napoleon. Wir reden von Ihnen! Gespräche mit Hanns Eisler und Gerhart Eisler. Hg. v. J. Eisner. Berlin: Verlag Neue Musik 1971, 252 S. Eisler, Hanns: Gesammelte Werke. Serie I Band 18. - Neue deutsche Volkslieder. Chansons, Kinder- und Jugendlieder. Hg. v. N. Notowicz. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1968. Eisler, Hanns: Lieder und Kantaten. Band I-X. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1955-1965. Eisler, Hanns: Ausgewählte Lieder, Heft I-V. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1971-1974. Eisler, Hanns: Instrumentalmusik in Einzelausgaben. Berlin: Verlag Neue Musik 1959 ff. Eisler, Hanns: Instrumentalmusik. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1973 ff. Brecht, Bertolt u. Hanns Eisler: Lieder, Gedichte,. Chöre. Paris: Editions Carrefour 1935.

224

Literatur über Hanns Eisler a) Dissertationen, Diplomarbeiten Mayer, Günter: Die Kategorie des musikalischen Materials in den ästhetischen Anschauungen Hanns Eislers. Phil. Diss. Berlin: Humboldt-Universität 1970. Ginzel, Reinhard: Kammermusik und Filmmusik im Schaffen Hanns Eislers. Diplomarbeit. Leipzig: Karl-Marx-Universität 1970. Schneider, Edith: Hanns Eislers Deutsche Sinfonie. Diplomarbeit. Leipzig: Karl-Marx-Universität 1970. Stiehl, Elfi: Untersuchungen zu Aufführungen des Woodburry-Liederbüchleins von Hanns Eisler. Diplomarbeit. Halle: Martin-Luther-Universität 1971.

b) Zeitschriftensonderhefte,

Sammelbände

Sinn und. Form: Sonderheft Hanns Eisler. Berlin 1964. Musik und Gesellschaft: Hanns-Eisler-Heft (1958) 6. Beiträge zur Musikwissenschaft: Hanns-Eisler-Heft (1973) 1/2. Sozialistische Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft: Hanns-Eisler-Heft (1973) 20/21. Berlin (West). Alternative-. Hanns-Eisler-Heft (1969) 69. Berlin (West). Das Argument: Sonderband Hanns Eisler. Berlin (West) 1975. Hanns Eisler heute. Hg. v. M. Grabs. Dokumentation des Eisler-Kolloquiums der Akademie der Künste der D D R November 1973. Berlin: Henschel 1974 (Arbeitshefte der Akademie der Künste der DDR. 19).

c) Monographien, Aufsätze Betz, Albrecht: Hanns Eisler: Musik einer Zeit, die sich eben bildet. München: edition text + kritik 1976. Brockbaus, Alfred: Hanns Eisler. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1961. Czipak, Karoly: Probleme der Volkstümlichkeit bei Hanns Eisler. MünchenSalzburg: Katzbichler 1976. Eisler, Georg: Mein Vater. In: Neues Forum X X (1972) 9. Wien. Eisler, Hilde: Erinnerungen an Hanns Eisler. In: Deutsche Lehrerzeitung (1972) 6. Eisler-Fischer, Louise: Eisler in der Emigration. In: Neues Forum X X (1972) 10. Eisler-Fischer, Louise: Faust in der D D R . In: Neues Forum XVII (1969) 10. Eisner, Jürgen: Zur vokalsolistischen Vortragsweise der Kampfmusik Hanns Eislers. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1971. Eisner, Jürgen: Die Majakowski-Vertonungen. In: Musik und Gesellschaft XVIII (1968) 6.

15 Hanns Eisler

225

Eisner, Jürgen: Einiges zur Entwicklung Hanns Eislers in den zwanziger Jahren. In: Sammelbände zur Musikgeschichte der D D R . Bd. I. Berlin: Verlag Neue Musik 1969. Grabs, Manfred: Über Hanns Eislers Kammerkantaten. In: Musik und Gesellschaft XVIII (1968) 6. Grabs, Manfred: Film- und Bühnenmusik im sinfonischen Werk Eislers. In: Sammelbände zur Musikgeschichte der DDR. Bd. I. Berlin: Verlag Neue Musik 1969. Hearings regarding Hanns Eisler. Washington 1947. Klemm, Eberhard: Hanns Eisler. Berlin: Kulturbund der D D R 1973. Klemm, Eberhard: Hanns Eisler - für Sie porträtiert. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1973. Lammel, Inge: Hanns Eisler und die proletarisch-revolutionäre deutsche Musik der zwanziger Jahre. In: Musik und Gesellschaft XIII (1963) 1. Mayer, Günter u. Georg Knepler: Hätten sich Hanns Eisler und Georg Lukäcs in der Mitte des Tunnels getroffen? In: Dialog und Kontroverse mit Georg Lukäcs. Hg. v. W. Mittenzwei. Leipzig: Reclam 1975. Noto-wicz, Nathan u. Jürgen Eisner: Hanns Eisler - Quellennachweise. Leipzig: Deutscher Verlag für Musik 1966. Rebling, Eberhard: Ein Blick in ein großes Werk. Zum Liedschaffen Hanns Eislers. In: Musik und Gesellschaft VII (1957) 1. Siegmund-Schultze, Walther: Weite und Vielfalt des Eislerschen Schaffens. In: Wiss. Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (1965) 3. Stephan, Rudolf: Kleine Beiträge zur Eisler-Kritik. In: Studien zur Wertungsforschung 3. Graz 1972. Stupel, Alexej: Hanns Eisler. Leningrad 1970 (russ.). Zobl, Wilhelm: Hanns Eisler. In: Neues Forum XVIII (1971) 12.

Literatur zum Exil und zum Exilland

USA

Aaron, Daniel: Writers on the left. New York 1961. Adorno, Theodor: Erfahrungen in Amerika. In: Neue Deutsche Hefte (1969) 2. Anders, G . : Der Emigrant. In: Merkur (1962) 16. Aufbau Almanac. The Immigrants handbook. New York 1941. Auszug des Geistes. Bremen 1962. Barzun, Jacques: Music in American Life. New York 1956. Bernard, W. S.: American Immigration Policy. New York 1950. Bentley, Eric: Thirty years of treason. New York 1971. Berendsohn, Walter A.: Die humanistische Front. Zürich 1946. Bessie, Alvah: Inquisition in Eden. New York 1965. Brecht, Bertolt: Arbeitsjournal. Bd. 1, 2. Frankfurt/M. 1973. Brunswick, Mark: Refugee Musicians in America. In: The Saturday Review of Literature, New York v. 26. 1. 1946.

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Cazden, Robert: German Exile Literature. Chicago 1970. Crawford, R.: The cultural migration. Philadelphia 1953. Davie, Maurice R.: Refugees in America. New York 1947. Dickson, Paul: Das Amerikabild in der deutschen Emigrantenliteratur seit 1933. Phil. Diss. München 1951. Draper, Theodore: American Communism and Soviet Russia. New York 1963. Drews, Richard: Verboten und verbrannt. Berlin 1947. Die deutsche Exilliteratur 1933-1945. Hg. v. Manfred Durzak. Stuttgart 1973. Eisler, Gerhart: My Reply to Budenz. New York 1947. Eisler, Gerhart: My side of the story. New York 1947. Eisler, Gerhart, Albert Norden u. Gerhard Schreiner: The lesson of Germany. New York 1945. Ewen, D . : Composers of today. New York 1946. Fermi, Laura: Illustrious Immigrants. Chicago 1968. Feuchtwanger, Lion: Arbeitsprobleme des Schriftstellers im Exil. I n : Sinn und Form 6 (1954) 3. Finkelstein, Sydney: How Music expresses ideas. New York 1952. Fleming, Donald u. B. Bailyn: The intellectual migration 1930-1960. Cambridge/Mass. 1969. Um uns die Fremde. Die Vertreibung des Geistes 1933-45. Berlin (West) 1968. Fry, Varian: What has happened to them since. In: Publishers Weekly, New York v. 23. 6. 1945. Fosdick, Raymond: Die Geschichte der Rockefeller-Stiftung. Wien 1955. Großmann, Kurt R.: Emigration. Frankfurt/M. 1969. Großmann, Kurt R.: Die unbesungenen Helden. Berlin (West) 1957. Half mann, Horst: Zeitschriften und Zeitungen des Exils. Leipzig 1969. Himmelstein, Morgan Y.: Drama was a weapon. New Brunswick 1963. Honigmann, Gerhard: Chef weist an. Berlin 1972. ]armatz, Klaus: Literatur im Exil. Berlin 1966. Kafka, Hermann: What our immigration did for Hollywood. In: Aufbau, New York v. 22. 12. 1944. Kahn, Gordon: Hollywood on Trial. New York 1948. Kent, Donald: The refugee intellectual. New York 1953. Kesten, Hermann: Ich lebe nicht in der Bundesrepublik. München 1964. Kesten, Hermann: Deutsche Literatur im Exil. München 1964. Lindt, Peter: Schriftsteller im Exil. New York 1944. Mammach, Klaus: Die Berner Konferenz der K P D 1939. Berlin 1974. Mann, Golo: Vom Geist Amerikas. Stuttgart 1961. Morgenröte-Aurora. Ein Lesebuch. Vorwort v. Heinrich Mann. N e w York 1947. Morenz, Arno: Warum sie Deutschland verlassen. Düsseldorf 1968. Morse, Arthur D . : While six millions died. N e w York 1968. Müssener, Helmut: Die deutschsprachige Emigration nach 1933. Frankfurt/M. 1968. Norden, Albert: Die Nation und wir. Berlin 1963. 15*

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Perkins, Dexter: The new age of Franklin D. Roosevelt. Chicago 1961. Pfeiler, William K. : German literature in exile. Lincoln 1957. Plessner, Martin: Die deutsche University in Exile in New York und ihr amerikanischer Gründer. In: Frankfurter Hefte (1964) 19. Pross, Helge: Die deutsche akademische Emigration. Berlin (West) 1955. Radkau, Joachim: Die deutsche Emigration in den USA. Düsseldorf 1971. Schwarz, E. : Verbannung. Hamburg 1964. Schaber, William: Aufbau-Reconstruction. Dokumente einer Kultur im Exil. New York/Köln 1972. Slochower, Harry: No voice is wholly lost. New York 1945. Deutsche Exilliteratur seit 1933. Bd. 1 Kalifornien. T. 1, 2. Hg. v. John M. Spalek u. Joseph Strelka. Bern 1976. Sternfeld, Wilhelm u. Eva Tiedemann: Deutsche Exilliteratur. Eine Bio-Bibliographie. Heidelberg 1962. Sheean, Vincent: Dorothy and Red. München 1964. Spolansky, J. : The Communist Trail in America. New York 1961. Walter, Hans-Albert: Deutsche Exilliteratur 1933-45. Bd. 1, 2, 7. Darmstadt 1973 ff. Wächter, Hans-Christof: Theater im Exil. München 1973. Wegner, M. : Exil und Literatur. Frankfurt/M. 1967. Weiskopf, F. C.: Elend und Größe unserer Tage. Berlin 1950. Weiskopf, F. C. : Unter fremden Himmeln. Berlin 1948. White, Lyman: 300.000 New Americans. New York 1957. Wyman, David S.: Paper-Walls. America and the Refugees Crisis 1938-41.' New York 1969.

Erinnerungen, Autobiographien, Briefe von

USA-Emigranten

Aufriebt, Ernst Josef: Erzähle, damit Du Dein Recht erweist. München 1969. Barschak, Erna: Erlebnisse in den USA. Zürich 1947. Baum, Vicki: Es war alles ganz anders. Berlin (West) 1962. Berger, Ludwig: Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind. Tübingen 1953. Bermann-Fischer, Gottfried: Bedroht - bewahrt. Frankfurt/M. 1967. Csokor, Franz Theodor: Zeuge einer Zeit. München 1964. Döblin, Alfred: Schicksalsreise. Frankfurt/M. 1949. Döblin, Alfred: Briefe. Ölten 1970. Fraenkel, Heinrich: Lebewohl, Deutschland. Hannover 1960. Gert, Valeska: Die Bettler-Bar von New York. Berlin (West) 1950. Granach, Alexander: Da geht ein Mensch. Berlin 1948. Grosz, George: Ein großes Ja und ein kleines Nein. Hamburg 1955. Gumpert, Martin: Bericht aus der Fremde. Konstanz 1947. Habe, Hans: Ich stelle mich. München 1954.

228

Koestler, Artur: Die Geheimschrift. Wien/München 1955. Kobn, Hans: Bürger vieler Welten. Frauenfeld 1965. Kortner, Fritz: Aller Tage Abend. München 1959. Lania, Leo: Welt im Umbruch. Wien 1953. Lothar, E m s t : Das Wunder des Überlebens. Hamburg 1960. Mann, Golo: Erinnerungen an meinen Vater. Bonn 1965. Mann, Klaus: Heute und Morgen. Nymphenburg 1969. Mann, Thomas: Briefe. Berlin 1965. Mann, Heinrich: Ein Zeitalter wird besichtigt. Berlin 1974. Marchwitza, Hans: In Amerika. Berlin 1954. Marcuse, Ludwig: Mein zwanzigstes Jahrhundert. München 1960. Milhaud, Darusi: Notes without Music. New York 1953. Ophuels, Max: Spiel im Dasein. Stuttgart 1959. Regler, Gustav: Das Ohr des Malchus. Köln/Berlin 1958. Scbeer, Maximiliam: Paris-New York. Berlin 1962. Schnabel, Arthur: My Life and Music. St. Martin 1968. Schoenberner, Franz: Innenansichten eines Außenseiters. München 1965. Schwarzschild, Leopold: Die Lunte am Pulverfaß. Hamburg 1965. Stampfer, Friedrich: Erfahrungen und Erkenntnisse. Köln 1957. Sternberg, Josef von: Ich, Josef von Sternberg. Velber 1967. Stolper, Toni: Ein Leben in den Brennpunkten unserer Zeit. Tübingen 1960. Strasser, Otto: Exil. München 1958. Thomas, Adrienne: Fenster am East River. Wien 1947. Victor, Walther: Ein Paket aus Amerika. Weimar 1950. Viertel, Salka: Das unbelehrbare Herz. Hamburg 1970. Walter, Bruno: Briefe 1894-1962. Frankfurt/M. 1969. Zuckmayer, Carl: Als wärs ein Stück von mir. Frankfurt/M. 1956.

229

Personenregister

Von Seite 141 bis 200 beziehen sich die Angaben auf Personen aus dem Dokumentenanhang. Bergner, Elisabeth 95 Bergstraesser, Arnold 31 Berlau, Ruth 84 Bernstein, Leonard 100 101 Bessie, Alvah 97 210 Bibermann, Herbert 210 Blitzstein, Marc 67 79 108 Bloch, Ernst 111 115 129 Bonner, Herbert C. 215 Borzage, Frank 91 Brahms, Johannes 134 Brauer, Max 35

Adlet, Victor 85 Adomian, Lou 170 177 206 Adorno, Gretel 115 Adorno, Theodor W. 38 78 8 1 - 8 2 92 104-105 112-113 114-116 120 212 Ancerl, Karl 61 Anderson, Maxwell 69 Ansermet, Georges 179 Apel, Willi 41 Appell, Donald T. 141 215 Aragon, Louis 100 Arnim, Achim von 130 Asturias, Miguel 49 Aufhäuser, Siegfried 35 Bach, Johann Sebastian 112 Bartok, Bela 37 38 39 53 Bärwald, Fritz 35 Barzun, Jaques 39 Baum, Vicki 32 Baumann, Mordecai 47 58 67 222 Baxter, John 60 Becher, Johannes R. 15 18 89 109 125 126 131 134 Beethoven, Ludwig van 40 80 112 170 218 Benjamin, Walter 14 116 Bentley, Eric 214 Berger, Ludwig 32

Brecht, Bertolt 7 8 15 18 32 33 35 36 43 44 52 54 5 8 - 5 9 63 65 72 79 84 85 8 6 - 8 8 89 92 93 94 99 104 111 113-114 118 bis 119 123 124 125 126 127 130 132 133-135 137 180 193 209 210 217 221-222 223 Bredel, Willi 15 16 18 111 138 Brentano, Clemens 130 Broch, Hermann 31 Brown, Haywood 70 Brown, Raymor 92 Bruckner, Ferdinand 34 Brüning, Heinrich 34 Brunswick, Mark 36 Budenz, Louis 95 Budzislawski, Hermann 31 35 73 Bukofzer, Manfred 41

230

Bunge, Hans 59 123 Burnes, L. 91 Busch, Adolf 40 Busch, Ernst 15 16 44 Bush, Alan 43 83 222

Eisler, Gerhart 31 33 36 94-95 97 99 101 146 171 191 220 223 Eisler-Fischer, Louise 10 53 54 76 92 99 115 129 130 150 151 152 153 154 213 216 220 222

Cardenas, Lazaro 74 Castelnuovo, Mario 38 Celler, Edgar 27 Chaplin, Charles 93 97 100 Clark, Benjamin 100 Clurman, Harold 85 91 Cocteau, Jean 100

Feuchtwanger, Lion 13 15 27 28 32 35 36 42 65 91 92 102 111 125 Fischer, Ruth 35 95 146 191 222 Ford, John 79

Cole, Lester 210 Coolidge, John Calvin 20 Copland, Aaron 54 59 90 100 180 Cowell, Henry 54 176 180 Chrichton, Kyle 70 Cukor, George 73 Curtiz, Michael 89 David, Hans 41 Davie, Maurice R. 36 Dawydow, Jurij 112 Degeyter, Pierre 171 Dessau, Paul 10 14 18 38 93 109 Diamond, David 100 Dies, Martin 28-29 Dieterle, Charlotte 100 Dieterle, William 75 Dimitroff, Georgi 49 Dmytryk, Edward 91 210 Döblin, Alfred 12 32 Dongen, Helen van 70 Doran, Mott 92 Dreiser, Theodore 93 Dudow, Slatan 221 Duggan, Stephan 56

Forer, Joseph 98 142 143 145 Foster, Joe 46 164 Francois, Clarence 92 Frank, Leonhard 32 Friedmann, Charles 70 Fry, Varian 27 Garbo, Greta 68 Garden, John (d. i. Hanns Eisler) Gelhorn, Martha 100 Gershwin, George 39 Gimpel, Bruno 12

Goebbels, Joseph 12 Goethe, Johann Wolfgang von 82 129 130 Golschmann, Vladimir 40 Gorki, Maxim 181 182 193 221 Grabs, Manfred 10 132 213 Graf, Oskar Maria 31 34 35 Graudoux, Nikolai 40 Greenberg, Herman A. 98 142 143 145 Grüne, Karl 43 44 Grundig, Lea 18 Hagen, Paul 35 Handy, William C. 85 Hanunian, Elizabeth 216 Hapeman, I. 81 Harris, Roy 100 Hatchard, Charles 58 164 165 Hauptmann, Elisabeth 94 Hauptmann, Gerhart 59 Hayden, Bob 60

Einstein, Albert 31 74 100 Einstein, Alfred 41 Eisenberg, Emanuel 70 Eisler, Georg 10 209

231

77

Kesten, Hermann 31 King, Carol 71 75 Kinkeldey, Otto 40 Kirchner, Ernst Ludwig 12 Klemm, Eberhard 123 Klemperer, Otto 38 40 Kline, Herbert 80 Koestler, Arthur 35 Kolisch, Rudolf 75 79 Korngold, Erich 38 39 81 Kortner, Fritz 32 84 92 95 179 Kraus, Karl 132 Krenek, Ernst 38

Hays, Hofmann R. 76 77 Hearst, William Randolph 22 23 29 Heartfield, John 18 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 112 Hemingway, Ernest 74 100 Henze, Hans Werner 119 Hermlin, Stephan 221 Herz, Gerhard 41 Herzfelde, Wieland 28 30 31 Heydrich, Reinhard 89 136 200 Heym, Stefan 31 33 Hindemith, Paul 31 37 38 39 57 109 126 178 Hitler, Adolf 11 17 18 23 26 35 36 43 45 46 48 49 50 51 75 76 97 99 134 136 147 151 159 163 165 178 180 182 185 188 200 219 220 Hölderlin, Johann Christian Friedrich 88 112 132 Homolka, Oskar 92 Honegger, Arthur 108 Honigmann, Georg 204 Hoover, Herbert 20 21 Horenstein, Jascha 79 Horkheimer, Max 31 92 114 115 Horowitz, Vladimir 40 Hubermann, Bronislaw 40 Hughes, Howard 145 Hughes, Langston 83 85 Hutton, P. C. 141 147 216 Ivens, Joris 119 165

42 68-69 70 80 81 101

Jahnke, Franz 221 Jarmatz, Klaus 9 Jerome, Victor 175 221 Johnson, Alvin 27 55-56 64 65 71 bis 72 78 85-86 Kahler, Erich 31 Kantorowicz, Alfred Kästner, Erich 12 Keller 170

85

Landowska, Wanda 40 Lang, Fritz 33 89 136 Lang, Paul Henry 4 0 - 4 1 Langhoff, Wolfgang 18 Lardner, Ring jr. 210 Laughton, Charles 91 93 Lawson, John Howard 210 Lazarsfeld, Paul F. 77 Leibowitz, René 108 Lewis, Marjorie 92 Lewis, Sinclair 93 Libich 177 Lips, Julius E. 35 Litvak, Anatol 89 Loeb, Philip 70 Lorre, Peter 33 92 Losey, Joseph 68 69 70 75 77 78 79 80 85 93 Lowinsky, Eduard 41 Ludwig, Emil 35 Lukäcs, Georg 111 115 Machaty, Gustav 91 Maitz, Albert 210 Mammach, Klaus 203 Mandel, Benjamin 215 Mann, Golo 27 Mann, Heinrich 14 15 27 30 32 36 65 125 Mann, Klaus 21 31 36

232

Mann, Thomas 11-12 28 30 31 32 34 35 36 65 74 84 91 92 93 95 99 100 125 132 Marcuse, Ludwig 9 March, Frederic 68 Marchwitza, Hans 31 32 Marley 45 149 219 Marshall, John 78 Martinu, Bohuslav 38 Matisse, Henri 100 Marx, Karl 98 169 McCarthy, John 24 94 214 McDowell, John 96 98 101 141 189 194 196 198 199 215 217 Mehring, Walter 32 222 Mendoza, Carlos 75 Messersmith, George S. 141 215 Meyer, Ernst Hermann 14 18 47 109 Michaelis, Karin 54 Mierendorf, Franz 34 Milhaud, Darius 38 39 91 108 Milstein, Nathan 40 Monteux, Pierre 40 Moony, Tom 49 52 206 Mörike, Eduard 82 88 112 129 130 132 Morse, Arthur D . 27 Mozart, Wolfgang Amadeus 112 Mühsam, Erich 12 Mündt, Karl E. 215 Münichreiter, Paul 49 Mussolini, Benito 62 99 220 Myers, Louis 101 Napoleon I. Buonaparte 126 166 Nathan, Hans 41 Neumann, Alfred 32 Newman, Alfred 81 Nichols, Dudley 68 Nixon, Richard 96 98 215 Norden, Albert 31 33 35 36 Norton, Mildred 101 Odets, Bette 100 Odets, Clifford 63 69 74 77 85 90

Ornitz, Samuel 210 Ossietzky, Carl von 12 Peterson, J. Hardin 215 Pfitzner, Hans 179 Phelps, Brian 28 Piatigorsky, Gregor 40 Picasso, Pablo 100 Piscator, Erwin 31 43 55 85 Piston, Walter 101 Platt, David 96 Polgar, Alfred 32 Pollock, Friedrich 92 114 Porter, Clarence R. 141 216 Priestley, John B. 223 Radamski, Sergej 45 162 163 Räköcsi, Matyas 49 206 Ramm, V. 174 Rankin, John E. 98 101 141 143 195 198 199 215 217 223 Reichel, Peter 112 Reichenbach, Hermann 92 Renn, Ludwig 16 44 83 Renoir, Jean 91 Resnay, Alain 119 Riegger, David 54 180 Robin, Harry 79 Robinson, Earl 176 Roosevelt, Eleanor 73 97 215 Roosevelt, Franklin Delano 21-22 23 24 2 6 - 2 7 29 30 73 96 98 173 Rosenfeld, Kurt 33 34 Rubinstein, Artur 40 Rüssel, Louis J. 141 Sachs, Curt 41 Sattler, Otto 34 Savoretti, Joseph 141 188 189 190 191 215 222 Schaffer 177 Scheer, Maximilian 31 32 35 Schlamm, Willi 35 Schnabel, Artur 37 40

233

Schneerson, Grigori 176 Schneider, Edith 213 Scholer 149 Schönberg, Arnold 31 32 36 37 38 57 74 79 81 92 107 109 126 147 Schrade, Leo 41 Schreiner, Albert 35 36 Schubert, Franz 129 130 Schulhof, Erwin 177 Schumacher, Joachim 34 82 129 Schumacher, Sylvia 129 Schurz, Karl 25 Scott, Adrian 210 Seeger, Charles 54 176 180 Seger, Gerhart 33 34 35 Seghers, Anna 18 28 125 Serkin, Rudolf 37 40 Sessions, Roger 101 Shafer, Gordon 170 Shirer, Norman 34 Siegmeister, Fritz 54 Siegmund-Schultze, Walther 10 Silone, Ignacio 129 130 Sirk, Douglas 91 Slonimsky 180 Stalin, J. W . 95 134 182 183 188 218 Stampfer, Friedrich 17 Steinbeck, John 80 154 Steiner, Max 81 90 Stern 115 Sternfeld, Wilhelm 12 Stokovsky, Leopold 74 180 Strachey, John 60 206 Strasburg, Lee 85 Strasser, Otto 34 Strauss, Leo 31 Strauß, Richard 179 Strauß, Theodore 80 Strawinsky, Igor 37 38 39 57 100 Stripling, Robert E. 96 98 141 143 145 146 147 162 164 167 168 169 170 175 178 186 188 193 195 200 215 216 217 220 221 223

Strittmatter Erwin 134 Swift, L. E. 56 165 Szabo 177 Szell, George 40 Szeskus, Reinhard 125 Szigeti, Joseph 40 Thälmann, Ernst 34 49 52 206 Thomas, Parnell J. 94 96 98 99 101 141 214 215 217 223 Thompson, Dorothy 29 73 74 Thompson, Randall 101 Tiedemann, Eva 12 Tillich, Paul 31 35 95 Tjomkin, Dmitri 90 Toch, Ernst 38 55 100 Toller, Ernst 12 14 31 36 43 67 179 Toscanini, Arturo 39 Tretjakow, Sergej 54 186 217 Trivas, Viktor 42 43 Truman, Harry S. 21 24 30 94 96 98 Trumbo, Dalton 99 210 Uhse, Bodo

16

Vaal, Jan de 81 Vail, Richard B. 215 Vallentin, Maxim 221 Victor, Walther 31 35 Viertel, Berthold 35 92 93 Viertel, Salka 84 100 223 Vollmer 177 Wagner, Oscar 75 Wagner, Richard 84 115 Walcher, Jakob 35 Walter, Bruno 37 39 Wangenheim, Gustav von 18 Warner, Jack 97 Weber, David 221 222 Weigel, Helene 92 Weill, Kurt 38 39

234

Weinberger, Jaromil 38 Weinert, Erich 15 18 Weis, P. 167 Weisenborn, Günther 12 221 Weiskopf, Franz Carl 31 Welles, Sumner 73 97 141 187 215 Werfel, Franz 27 32 Whitman, Walt 39 Wiechert, Ernst 12 Wilhelm II. 163 Willkie, Wendell 145 215 Wimmer, Ernst 114

Wissel 49 Wittfogel, Karl 35 Wolf, Friedrich 15 18 Wolf, Werner 10 Wölpe, Stefan 177 Wood, John S. 98 141 195 199 215 217 Zinnemann, Fred 89 Zuckmayer, Carl 27 Zweig, Arnold 18 Zweig, Stefan 12 14 179

In der gleichen Schriftenreihe sind u. a. erschienen: Werner Bahner Formen, Ideen, Prozesse in den Literaturen der romanischen Völker Band 1: Von Dante bis Cervantes 1977 • 285 Seiten • 9 - M

Werner Bainer Formen, Ideen, Prozesse in den Literaturen der romanischen Völker Band 2 : Positionen und Themen der Aufklärung 1977 • 292 Seiten • 9,50 M

Ideologie — Literatur — Kritik Französische Beiträge zur marxistischen Literaturtheorie 1977 • 415 Seiten - 1 3 , - M

Kürbiskerne Beiträge zu Politik und Kultur in der BRD Auswahl aus „Kürbiskern" ( 1 9 6 5 - 1 9 7 5 ) Teil 1 und Teil 2 1977 • 601 Seiten • 19,50 M

THor Klanic^ay Renaissance und Manierismus Zum Verhältnis von Gesellschaftsstruktur, Poetik und Stil 1977 • 274 Seiten - 9 , - M

Njota Tbun K r i e g und Literatur Studien zur sowjetischen Prosa von 1941 bis zur Gegenwart 1977 • 299 Seiten • 9,50 M

„Kontext" Sowjetische Beiträge zur Methodendiskussion in der Literaturwissenschaft 1977 • 216 Seiten • 7 , - M

Michael Nerlicb Kritik der Abenteuer-Ideologie Beitrag zur bürgerlichen Bewußtseinsbildung (1100—1750) 1977 • 564 Seiten • 18,50 M

Ingrid Pepperle Junghegelianische Geschichtsphilosophie und Kunsttheorie 1978 • 287 Seiten • 9 , - M