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German Pages [128] Year 2011
Ingrid Holzschuh
Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus von 1938 bis 1942 Das Neugestaltungsprojekt von Architekt Hanns Dustmann
Böhlau Verlag Wien Köln Weimar
Gedruckt mit der Unterstützung durch: Zukunftsfonds der Republik Österreich
Kulturamt der Stadt Wien
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78719-8 Lektorat: Brigitte Ott Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf f otomechanischem oder ä hnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2011 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H. & Co. KG, Wien · Köln · Weimar http://www.boehlau-verlag.com Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck: Dimograf
„Wenn eine menschliche Gruppe lange an einem ihren Gewohnheiten angepassten Ort lebt, richten sich nicht nur ihre Bewegungen, sondern richtet sich auch ihr Denken nach der Folge der materiellen Bilder, die ihr die äußeren Gegenstände darbieten. [...] Was eine Gruppe gemacht hat, kann eine andere zerstören. Aber die Absicht der Menschen von damals hat in einer materiellen Anordnung, d. h. in einer Sache Gestalt angenommen.“ (Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis)
Dieses Buch ist meinem Vater Johann Holzschuh gewidmet.
Inhalt
1 Einleitung................................................................................................................. 9 2 Vor 1938 – Städtebauliche Vorbilder aus dem „Altreich“.. ................................ 17 3 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung .......................... 21 3.1 Hitlers Auftrag ........................................................................................................ 21 3.2 Das Baugebiet für die Neugestaltung – die Leopoldstadt . . .................................... 23 3.3 Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus ........................... 24 3.3.1 März 1938 – Die Berliner Lösung von Architekt Pöcher .............................. 24 3.3.2 Mai 1938 – Die 1. Wiener Lösung .. ................................................................ 31 3.3.3 Juni 1938 – Die 2. Wiener Lösung .. ................................................................ 34 3.3.4 Herbst 1938 – Professorenvorschläge ............................................................ 40 3.4 Dilettantismus contra Professionalismus . . .............................................................. 44 4 Architekt Hanns Dustmann . . ................................................................................. 47 4.1 Biografie................................................................................................................... 47 4.2 Herbst 1940 – Die Berufung nach Wien .. ............................................................... 50 4.3 Februar 1941 – Das 1. Wiener Projekt von Hanns Dustmann................................ 50 4.4 Der Baudiktator von Wien...................................................................................... 57 5 November 1941 – „Projekt 11.41“ – Ergebnis einer Interessengemeinschaft . . ............................................................ 61 5.1 Zuschreibung und Beschreibung .............................................................................. 64 5.2 Fazit: ein Kooperationsprojekt zwischen Dustmann und dem Stadtbauamt........... 74 6 Das Wiener Gauforum von Hanns Dustmann .......................................................... 77 6.1 Rekonstruktion .. ........................................................................................................ 77 6.2 Projektbeschreibung ................................................................................................. 77 6.3 Städtebauliche Analyse ............................................................................................. 79 6.4 Der Städtebau im Nationalsozialismus ..................................................................... 81 6.5 Das Städtebauprojekt in Wien von Hanns Dustmann: Individualität oder Konformität? . . ............................................................................. 82
7 Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann............................................................. 87 7.1 Die Große Halle von Albert Speer in Berlin............................................................. 88 7.2 Die Wiener Kuppelhalle von Pöcher ........................................................................ 90 7.3 Die Wiener Kuppelhalle von Hanns Dustmann .. ..................................................... 92 7.4 Individualität oder Konformität in der Hallenplanung von Wien?........................... 94 7.5 Eine These: Die Wagner-Schule als Vorbild . . ........................................................... 95 8 Das Gauforum – Die Forumsidee im Nationalsozialismus...................................... 99 8.1 Ein historischer Rückblick ........................................................................................ 99 8.2 Die neue Bauaufgabe – Entwicklung ab 1933 .. ......................................................... 99 8.3 Das Leitbild München – „Stadt der Bewegung“..................................................... 102 8.4 Bauherr und Planer: Hitler .. .................................................................................... 103 9 Prototyp einer Neugestaltung: Gauhauptstadt Dresden .. ................................. 105 9.1 Die Auftraggeber..................................................................................................... 105 9.2 Erste Neugestaltungsplanungen auf kommunaler Ebene ...................................... 106 9.3 Der Wettbewerb auf Reichsebene .......................................................................... 107 9.4 Die Einsetzung der Reichsarchitekten ................................................................... 110 9.5 Kooperation zwischen Kommunal- und Reichsverwaltung .................................. 110 9.6 Der Anfang vom Ende ............................................................................................ 112 10 Arbeitserkenntnis................................................................................................. 113 11 Anhang .................................................................................................................... 115 11.1 Bibliografie .............................................................................................................. 115 11.2 Abbildungsnachweis .. ............................................................................................. 119 Personenregister............................................................................................................. 121
1 Einleitung
Berlin, München, Hamburg, Nürnberg, Linz, ... bevorzugte Städte des Hitlerregimes, die unmittelbar mit der Stadtplanungsgeschichte im Nationalsozialismus in Zusammenhang gebracht werden. Kaum bekannt und gänzlich unerforscht sind jedoch jene Projekte, die neben den Großplanungen der „Führerstädte“ entstanden sind. Dazu zählen auch die umfangreichen Neugestaltungspläne für die Gauhauptstadt Wien, die bereits unmittelbar nach dem Anschluss 1938 vorlagen bzw. ausgearbeitet wurden. Im Ringen der kommunalen Instanzen mit der Reichsebene um die Vormachtstellung in der Stadtplanung wurde schließlich im Herbst 1940 mit der Berufung des Berliner Architekten Hanns Dustmann zum neuen Baureferenten die zentralistische Kontrolle durchgesetzt. In kürzester Zeit entstanden umfassende Neugestaltungsprojekte, die das Wiener Stadtbild maßgeblich verändert hätten. Umso überraschender ist die Tatsache, dass die Geschichte der Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus bis heute in der Architekturgeschichte gänzlich ausgeblendet blieb. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben einer unzulänglichen Quellenlage ist vor allem der Umstand maßgebend, dass die nach dem Krieg begonnene Verdrängung der Geschichte des Nationalsozialismus bis in die Gegenwart reicht. Im Rahmen dieser Arbeit konnten wichtige Quellen erschlossen werden, die sich vorrangig in den Aktenbeständen der ehemaligen Bauverwaltungsbehörden der Stadt Wien befinden. Die Aufarbeitung der neu entdeckten Schriftdokumente, Abbildungen sowie Plandokumente ermöglichten erstmals die Nachzeichnung eines chronologischen Verlaufs der Wiener Stadtplanungsgeschichte von 1938 bis 1942 und damit die Schließung einer wichtigen Lücke in der Architekturgeschichte Wiens.
Einleitung | 9
Abb. 1: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof, 5. November 1941.
Abb. 2: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Südstadt, 5. November 1941.
Einleitung | 11
Abb. 3: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Südstadt, 5. November 1941.
Abb. 4: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof und Nordstadt, 5. November 1941.
12 | Einleitung
Abb. 5: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, im Vordergrund die Südstadt, 5. November 1941.
Abb. 6: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, im Vordergrund die Nordstadt, 5. November 1941.
Einleitung | 13
Abb. 7: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof und „Baldur-von-Schirach-Insel“, 5. November 1941.
Abb. 8: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof und „Baldur-von-Schirach-Insel“, 5. November 1941.
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Abb. 9: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, im Vordergrund Gauforum mit Nordbahnhof, im Hintergrund die Nordstadt, 5. November 1941.
Abb. 10: Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof und „Baldur-von-Schirach-Insel“, 5. November 1941. Einleitung | 15
2 Vor 1938 – Städtebauliche Vorbilder aus dem „Altreich“
„Weil wir an die Ewigkeit dieses Reiches glauben, sollen auch diese Werke ewig sein, das heisst, [...] nicht gedacht sein für das Jahr 1940, auch nicht für das Jahr 2000, sondern sie sollen hineinragen gleich den Domen unserer Vergangenheit in die Jahrtausende der Zukunft. Und wenn Gott die Dichter und Sänger heute vielleicht Kämpfer sein lässt, dann hat er aber den Kämpfern jedenfalls die Baumeister gegeben, die dafür sorgen werden, dass der Erfolg des Kampfes seine unvergängliche Erhärtung findet in den Dokumenten einer einmaligen grossen Kunst. Dieser Staat soll nicht eine Macht sein ohne Kultur und keine Kraft ohne Schönheit.“1 So formulierte Adolf Hitler in seiner Rede am Reichsparteitag 1937 in Nürnberg die Bedeutung der Architektur. Die ersten Großprojekte, die diese Machtdemonstration symbolisierten, wurden in München von Hitler persönlich initiiert, das „Forum der Partei am Königsplatz“ (Abb. 11) und das „Haus der Deutschen Kunst“ (Abb. 12).2 Diese Bauten gaben die Formensprache der zukünftigen nationalsozialistischen Architektur vor und artikulierten den neuen Baustil, der für die Neugestaltungen der Gauhauptstädte maßgebend wurde. Ab 1937 wurden für sämtliche Gauhauptstädte umfassende Neugestaltungspläne erarbeitet, für deren Realisierung das „Gesetz zur Neugestaltung deutscher Städte vom 4. Oktober 1937“3 die rechtliche Grundlage bildete. Der durchgreifende architektonische Ausbau wurde in einem Befehl Hitlers am 25. Juni 1940 als ein „bedeutender Beitrag zur endgültigen Sicherstellung unseres Sieges“4 bezeichnet. Mit dieser Anweisung wurde die enge Verknüpfung militärischer Erfolge und räumlicher Planung zum politischen Programm. Der organisatorischen Gliederung der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei“ (NSDAP) entsprechend sollte jeder Gau des Deutschen Reiches in seiner Hauptstadt ein Forum erhalten. Nach dem Vorbild 1 2
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Anna Teut, Architektur im Dritten Reich: 1933–1945 (Berlin u. a.: Ullstein, 1967), S. 190. Abb. 11 und 12 zeigen Planungen des Münchner Architekten Paul Ludwig Troost (1878–1934), der die Entwicklung der Architektur im Nationalsozialismus entscheidend mitgestaltete (Timo Nüßlein, Paul Ludwig Troost [1878–1934] – Leben und Werk, Dissertation in Bearbeitung). Wolfgang Schäche, „Architektur und Stadtplanung während des Nationalsozialismus am Beispiel Berlin“, in: Hans Joachim Reichhardt, Wolfgang Schäche, Von Berlin nach Germania: über die Zerstörung der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen (Berlin: Transit Verlag, 1985), S. 17. Werner Durth, Nils Gutschow, Träume in Trümmern: Planungen zum Wiederaufbau zerstörter Städte im Westen Deutschlands 1940–1950, Bd. I, Konzepte (Braunschweig: Vieweg, 1988), S. 13. Vor 1938 – Städtebauliche Vorbilder aus dem „Altreich“ |
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Abb. 11: Paul Ludwig Troost, Königsplatz München, 1933–1937.
einer dominierenden Akropolis wurde dieses mit einer obligatorischen Aufmarschstraße von etwa 100 Metern Breite, einer riesigen Versammlungshalle mit Appellplatz und gewaltigen Bauten der Partei ausgestattet, um damit zur einschüchternden Selbstdarstellung der NSDAP beizutragen.5 Dem Hauptbau der Anlage, der Gauhalle, wurde eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Hier sollten die Ehrung der Volksgemeinschaft und die Huldigung des Führers stattfinden. Dieser mit hoher symbolischer Kraft belegte Bau stellte das Herzstück aller Forumsanlagen dar. Die gebaute Architektur übernahm nicht nur die Aufgabe der ästhetischen Repräsentation, sondern lieferte der Bevölkerung einen neuen Raum zur Identifikation. Neben der Schaffung eines neuen Partei- und Verwaltungszentrums stand auch die Verbesserung der allgemeinen Wohnungssituation im Blickfeld der umfassenden Planungen. Es galt, neue Stadtflächen zu erschließen und diese den Vorstellungen des Regimes entsprechend auszubauen. Bereits ein Jahr vor der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich konnte sich die Wiener Architektenschaft vor Ort in der Architekturausstellung der Wiener Secession
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Werner Durth, Deutsche Architekten: Biographische Verflechtungen 1900–1970 (Braunschweig u. a.: Vieweg, 1988), S. 157.
18 | Vor 1938 – Städtebauliche Vorbilder aus dem „Altreich“
Abb. 12: Paul Ludwig Troost, „Haus der deutschen Kunst“ München, Südfassade, 1933–1937.
– „Deutsche Baukunst, deutsche Plastik am Reichssportfeld in Berlin“6 – über die monumentalen Planungen und Bauten des Hitlerregimes informieren. Dieses von den Nationalsozialisten gezielt eingesetzte Propagandainstrument unterstützte die unglaubliche Euphorie der Stadtplaner nach dem Anschluss im März 1938. Endlich konnte auch die „Ostmark“ nach dem Vorbild des Altreiches ausgebaut werden. Aber nicht nur private Architekten standen in erster Reihe, sondern auch Mitarbeiter des Planungsamtes der Stadt Wien wollten Protagonisten dieser neuen Planungs- und Bauära werden. Den bereits über die Grenzen bekannten Beispielen deutscher Städte folgend sollte auch Wien zu einer Gaumetropole ausgebaut werden. Nun endlich sah man die Möglichkeit, aus den alten Strukturen auszubrechen und Stadtplanung im großen Stil zu betreiben. Die Folge war ein verbitterter Kampf um die Vormachtstellung in der Stadtplanung.
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Werner Marchl, Deutsche Baukunst, deutsche Plastik am Reichssportfeld in Berlin, CXLIV. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession, 7. April – 17. Mai 1937 (Wien, 1937). Vor 1938 – Städtebauliche Vorbilder aus dem „Altreich“ |
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3 1938 bis 1940 – Der Machtk ampf in der Wiener Stadtplanung
3.1 Hitlers Auftrag Den führenden Nationalsozialisten lag viel daran, gleich nach der Machtübernahme im April 1938 in Österreich ihren Herrschaftsanspruch durch eine Vielzahl von Versprechungen zu rechtfertigen und die aufkeimenden Befürchtungen der Stadt Wien, dass sie an Bedeutung verlieren könnte, zu zerstreuen. Den Anfang machte der am 13. März 1938 neu eingesetzte Wiener Bürgermeister Hermann Neubacher gleich zu Beginn seiner Amtsperiode. Er gab einen „grandiosen Ausblick auf die kommende Entwicklung von Wien“ und prägte das Wort vom „Hamburg des Ostens des Großdeutschen Reiches“. Er formte damit einen Begriff der – so konnte man im „Amtsblatt der Stadt Wien“ lesen – „in einer sehr einprägsamen Weise Ziele, Aufgaben und Möglichkeiten in der Entwicklung der Stadt umfasst“.7 So wie in den Wahlreden über das Programm des Wirtschaftsaufbaus in Österreich und Wien seiner großen Parteigenossen, Gauleiter Josef Bürckel8, Reichsmarschall Hermann Göring9 und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels10, blieb auch bei Neubacher eine Konkretisierung der Pläne aus. Nicht einmal Adolf Hitler selbst konnte der Öffentlichkeit in seinen im März und April des Jahres 1938 gehaltenen Reden greifbare Vorstellungen und Pläne vorweisen. Es blieb bei inhaltslosen Phrasen und zweideutigen Floskeln, die einen breiten Spielraum für Interpretationen zuließen. So geschah es auch mit den Worten Hitlers in seiner berühmten Rede im Wiener Rathaus am 9. April 1938: „Diese Stadt ist in meinen Augen eine Perle! Ich werde sie in jene Fassung bringen, die dieser Perle würdig ist.“11 Die mit der Stadtplanung beauftragten Architekten deuteten dies als offizielle Aufforderung von Hitler, eine für Wien adäquate architektonische Lösung zu finden. Dass es sich jedoch um eine völlige Fehlinterpretation und eine Fehleinschätzung vonseiten der Wiener Stadtplaner handelte und Hitler an einer großen Umgestaltung der Stadt nicht sonderlich 7
Gerhard Botz, Wien vom „Anschluß“ zum Krieg: nationalsozialistische Machtübernahme und politisch-soziale Umgestaltung am Beispiel der Stadt Wien 1938/39 (Wien u. a.: Jugend und Volk, 1978), S. 261. 8 Josef Bürckel wurde am 13. März 1938 von Hitler zum „Beauftragten des Führers für die Volksabstimmung in Österreich“ ernannt und übernahm unmittelbar nach dem Anschluss bis Ende Mai die Funktion des Gauleiters von Wien. 9 Hermann Göring, Reichsmarschall und Oberbefehlshaber der Luftwaffe. 10 Joseph Goebbels, Reichspropagandaminister und Gauleiter von Berlin. 11 Zit. nach Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938–1945‘“, in: Umbau 6/7 (Wien: ÖGFA, 1983), S. 105. Hitlers Auftrag |
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interessiert war, zeigt sowohl der Umstand, dass Wien nicht unter den von Hitler im Februar 1941 für eine Neugestaltung ausgewählten Städten aufschien als auch die große Anzahl an überlieferten Aussagen, in denen Hitler eindeutig seine Meinung über das bestehende Wiener Stadtbild äußerte. So schrieb Albert Speer, Generalbauinspektor12 für die Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin und späterer Reichsminister für Bewaffnung und Munition: „Der Führer stand bisher in Wien auf dem Standpunkt, dass eine großzügige städtebauliche Umgestaltung nach dem Muster anderer Städte nicht notwendig sei, da Wien ohnehin ein stark ausgeprägtes und sehr schönes Zentrum hat.“13 Auch aus den dokumentierten Tischgesprächen, die Hitler während des Krieges im vertrauten Kreis führte, geht seine Haltung gegenüber Wien hervor. So sah er es als seine Aufgabe, „Wiens Vormachtstellung auf kulturellem Gebiet in den Alpen- und Donaugauen zu brechen und ihm einmal in Linz eine Konkurrenz erstehen zu lassen und zum anderen Graz auszubauen, dass seiner von jeher nicht so sehr für Wien begeisterten Bevölkerung in kultureller Hinsicht der Rücken gestärkt wird“.14 Aber vielleicht ist es ja gerade Hitlers gegenüber der Stadt eingenommene, ambivalente Haltung, die sich in seinen zweideutigen Aussagen zeigt: Auf der einen Seite steht der Hass, den Hitler der „Kanakenstadt“15, wie er Wien in seiner Programmschrift „Mein Kampf “ bezeichnete, entgegenbrachte, und auf der anderen Seite die Bewunderung für die Stadt, in der er seine „Lehr- und Leidensjahre“16 verbrachte und die auch in den Memoiren seiner politischen Mitstreiter und Freunde ihren Niederschlag fand. So schrieb Speer in seinen Erinnerungen: „Denn bei anderen Gelegenheiten meinte er [Hitler] oft genug, welch großer städtebaulicher Wurf in Wien bei der Bebauung der ehemaligen Befestigungsanlagen gelungen sei.“17 Henriette von Schirach, die Frau des Wiener Reichsstatthalters Baldur von Schirach, berichtete, dass sich Hitler bei seinem letzten Wien-Besuch 1941 abends an den Lieblingsmotiven seiner frühen Wien-Jahre hat vorbeifahren lassen: „Wir fuhren im Schrittempo durch den alten Stadtkern, Hitler erzählte uns von seiner Jugend als Kunstmaler. [...] Dann fuhren wir langsam weiter zur Oper, zum Schwarzenberg-Platz, zum Oberen Belvedere, zum Helden-Platz ... Über eine Stunde lang fuhren wir durch die stille Stadt – zur Minoritenkirche, zu einem seiner Lieblingsmotive, der ‚Maria am Gestade‘.“18
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Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt (GBI) war der Titel Albert Speers während des Nationalsozialismus und zugleich die Bezeichnung der ihm unterstellten Behörde. 13 Zit. nach Jan Tabor, „Wien, die Perle des großdeutschen Reiches“, in: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, Das ungebaute Wien: 1800 bis 2000, Projekte für die Metropole. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien, 1999), S. 339. 14 Zit. nach Gerhard Botz, Wien vom „Anschluß“ zum Krieg, 1978, S. 263. 15 Zit. nach Jan Tabor, „... Und sie folgten ihm. Österreichische Künstler und Architekten nach dem ,Anschluß‘ 1938. Eine Reportage“, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Wien, Wien 1938, Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien (Wien: ÖBV, 1988), S. 420. 16 Adolf Hitler, Mein Kampf (München: Eher, 1939), S. 18ff. 17 Albert Speer, Erinnerungen (Frankfurt/Main u. a.: Ullstein, 1969), S. 113. 18 Brigitte Hamann, Hitlers Wien: Lehrjahre eines Diktators (München u. a.: Piper, 1996), S. 281. 22 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
Diese in vielen Reden und Gesprächen bewusst eingesetzte Doppelzüngigkeit führte zu vielen Missinterpretationen und Fehleinschätzungen, und so blieben auch in Wien die Worte Hitlers unhinterfragt. Man wollte darin lediglich den offiziellen Anstoß für eine umfassende Neu- und Umgestaltung der Stadt Wien erkennen und damit den Startschuss eines Planungswettlaufs geben.
3.2 Das Baugebiet für die Neugestaltung – die Leopoldstadt Dass man für die umfangreichen Neugestaltungsplanungen der Stadt gerade das Gebiet der Leopoldstadt auswählte, war kein Zufall. Die in einem „Vorschlag zur Planung des Wiener Donaugeländes (2., 20. Bezirk und Teile des 21. Bezirkes) im Rahmen der Gesamtgestaltung des Wiener Verkehrsnetzes“19 formulierte Äußerung des Wiener Geografen Hugo Hassinger20 (Juli 1938) kann als weitverbreitete Meinung angesehen werden: „Im übrigen enthält dieser Stadtteil, von wenigen verstreuten Gebäuden, die noch namentlich aufgezählt werden, abgesehen, nichts Erhaltenswertes. Es handelt sich um eine traditionslose hässliche Steinfläche mit öden Gassen, die grossenteils von wurzellosem Fremdvolk bewohnt werden. Leopoldstadt und Brigittenau bedürfen dringend der Auflockerung und Verschönerung.“21 Die vom Regime geschürte Verhetzungs- und Verfolgungspolitik gegenüber dem jüdischen Volk stärkte auch in Wien einen offenen Antisemitismus. Durch die Politik der Nationalsozialisten legitimiert, wurde in der Neu- und Umgestaltungsplanung der Stadt offenkundig an der Vernichtung des Bauerbes der jüdischen Gemeinschaft gearbeitet. Die Lage der dicht besiedelten Leopoldstadt, zwischen der Innenstadt und dem Gebiet zur Donau hin, ermöglichte die direkte Verbindung der inneren Bezirke mit dem Strom. 1938 lebten in diesem Stadtteil rund 50.000 Menschen, die sich zum Judentum bekannten oder von Menschen jüdischen Glaubens abstammten. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden Teile der Leopoldstadt zum Ghetto erklärt und Juden aus allen Wiener Bezirken in Wohnungen der Leopoldstadt eingewiesen. Dem immer schneller wachsenden Druck des NS-Regimes nicht mehr standhaltend, verließen etwa zwei Drittel der Wiener Juden ihre Heimat. 1942 begann die Deportation der Zurückgebliebenen, wobei wöchentlich etwa 1.000 Juden verschleppt wurden; vorerst in ein Sammellager und von dort in die Vernichtungslager.
19 Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA), Aktenbestand Gruppe 04b, Karton 299 – XI/C. 20 Prof. Hugo Hassinger hatte 1938 die Lehrkanzel für Erdkunde an der Universität Wien inne. 21 ÖStA, Aktenbestand Gruppe 04b, Karton 299 – XI/C. Das Baugebiet für die Neugestaltung |
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3.3 Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus Die Neugestaltungsprojekte, die unmittelbar nach dem Anschluss im März 1938 ihren Anfang nahmen und mit der Ernennung des Reichsarchitekten Hanns Dustmann zum Baureferenten der Stadt Wien im September 1940 ihr Ende fanden, geben die diffizile politische Situation auf Reichs-, Gau- und kommunaler Ebene im Nationalsozialismus anschaulich wieder. Der auf dem Feld der Stadtplanung ausgetragene alles lähmende Machtkampf sowie die zentralistische Kontrolle durch das Regime mussten zwangsläufig zur Einsetzung eines übergeordneten, von der Reichsverwaltung eingesetzten Baureferenten führen.
3.3.1 März 1938 – Die Berliner Lösung von Architekt Pöcher 22 Die erste Planung für eine Neugestaltung der Stadt Wien im Nationalsozialismus ist in den Planskizzen des Berliner Architekten Pöcher zu finden (Abb. 13 bis 15). Dieser war bereits vor dem Anschluss Österreichs im Jahr 1938, wie Albert Speer berichtete, in dessen Privatbüro in Berlin tätig. Speer schrieb, dass Pöcher diese sehr umfangreiche und detaillierte Planung „aus eigenem Antrieb“ durchführte, und er gewann „damals schon den Eindruck, dass sie zweifellos etwas unter dem Einfluß der Berliner Stadtbauplanung stand“.23 Angesichts der frühen Datierung der Pläne (März 1938) und der sehr konkreten Plandarstellungen kann man davon ausgehen, dass Pöcher bereits gegen Ende des Jahres 1937 mit deren Ausarbeitung begonnen hatte. Pöcher wusste als Vertrauter Speers schon frühzeitig über die bevorstehenden Veränderungen in Österreich Bescheid und konnte daher unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Wien die fertigen Pläne für eine nationalsozialistische Neugestaltung der Stadt vorlegen. Pöcher wusste die bestehende Euphorie der neuen Machthaber für sich zu nutzen und gewann den im Mai 1938 eingesetzten Wiener Gauleiter Odilo Globocnik24 für seine Pläne. Der stellvertretende Leiter der dem Reichsstatthalter zugeordneten Planungsbehörde, Friedrich Keppert, berichtete über die Reaktion Globocniks auf die Planung Pöchers: „Er sagte dann bloß, mir gefällt das eigentlich sehr gut, und dann wurden von ihm Geldmittel bewilligt, um die weitere Durchführung dieser ominösen ‚Planung‘ sicherzustellen.“25 22 In der Literatur sind insgesamt vier Originalpläne (vgl. Abb. 13 und 15) zu diesem Projekt veröffentlicht, die sich im Privatbesitz von Klaus Steiner befinden. Das Landesarchiv Berlin verwahrt zwei (vgl. Abb. 14) bisher nicht publizierte Pläne. 23 Zit. nach Klaus Steiner, „Planungen in Wien in der NS-Zeit“, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Wien, 1988, S. 431. 24 Odilo Globocnik war von Ende Mai 1938 bis Ende Jänner 1939 Gauleiter von Wien. Vgl. Helmut Konrad, „Die NSDAP und ihre Gliederungen in Österreich 1938“, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Wien, 1988, S. 66. 25 Zit. nach Klaus Steiner, „Planungen in Wien in der NS-Zeit“, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Wien, 1988, S. 433. 24 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
Abb. 13: Architekt Pöcher, Neugestaltung Wien, Lageplan, März 1938.
Im selben Bericht schrieb Keppert folgendermaßen über Pöchers Projekt: „Von dieser ganzen Planung kann ich mich noch heute deutlich erinnern, daß das gesamte Gelände des Nordbahnhofs samt dem anschließenden Frachtenbahnhof als überflüssig und architektonischer Schandfleck bezeichnet und daher kurzerhand ausradiert und in unzählige kleinformatige Wohnblocks nach dem längst überholten Bebauungsstil der westlichen Vorstädte von Wien zur Jahrhundertwende – wie etwa in Ottakring – aufgeteilt worden ist [...]. Auch auf den Wahn, im Städtebau ‚Achsen‘ legen zu müssen, was ja nach den monumentalen Bauten in München allgemein im Städtebau in Schwung gekommen war, wollte man auch hier nicht verzichten.“26 Das Herzstück des Projektes von Pöcher ist die zur Donau normal gelegte, 100 Meter breite Monumentalachse (Nord-Südachse). Von einem strahlenförmig angelegten Platz ausgehend wird die Achse über den Donaukanal durch die Gebiete des 2. und 20. Bezirks gezogen und endet schließlich in einem symmetrisch angelegten Forum, dem eine 350 Meter hohe Kuppelhalle vorgelagert ist (Abb. 14).27 An der Rückseite der Halle schließt eine imposante, künstlich angelegte Wasserfläche an. Zur Errichtung dieses kolossalen Beckens wären enorme 26 Ibid., S. 432. 27 Größenangaben zit. nach Klaus Steiner, „Ein Ring für 1000 Jahre – Wiener Ringstraßenplanungen 1938–1945“, in: Bauforum, Fachzeitschrift für Architektur, Bau, Energie Nr. 101 (Wien, 1984), S. 12. Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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Abb. 14: Architekt Pöcher, Neugestaltung Wien, Schnitt Kuppelhalle, März 1938.
Erdbewegungen im Bereich der Donauinsel und Alten Donau erforderlich gewesen; ein Vorhaben von unvorstellbarem Ausmaß. Das benötigte Wasser sollte von der Donau bzw. vom neu projektierten Donau-Oder-Kanal eingespeist werden. Mit der Errichtung eines zur Donau parallel geführten neuen Wasserkanals sollte der Zulauf des Wassers erfolgen. Die zweite Hauptachse (Ost-Westachse) plante Pöcher – ausgehend von einem neuen Zentralbahnhof in Simmering – parallel zur Donau quer über den 3. Bezirk. In der Verlängerung der Achse platziert er einen Torbogen, eine Art Stadttor, der den Anfang einer Monumentalstraße auf den Kahlenberg darstellt (Abb. 15). Ausgebildet als Viadukt führt diese bis zur Spitze des Kahlenbergs. Als Bekrönung der Straßenmauern sollten riesige, bis zu 20 Meter hohe Figuren, Gestalten aus der deutschen Geschichte und Sagenwelt, aufgestellt werden.28 Der für dieses Vorhaben notwendige und sehr aufwendige Höhenausgleich wurde vom Architekten folgendermaßen geplant: „Zuerst schütten wir einen Damm auf; wenn dieser zu hoch wird, kommen Bögen, die immer höher werden und schließlich dann mit weitgespannten Bögen das Weingebiet von Sievering überspannen.“29 Den Abschluss 28 Ibid. 29 Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938– 1945‘“, 1983, S. 107. 26 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
Abb. 15: Architekt Pöcher, Neugestaltung Wien, Monumentalstraße auf den Kahlenberg, März 1938.
der Straße bildet eine am Hang des Kahlenbergs großflächige Platzanlage, deren Gestaltung am vorliegenden Plan nur mehr skizzenhaft erkennbar ist. Die Vereinnahmung der Wiener Hausberge für politische Repräsentationszwecke ist nicht neu, sondern hat ihren Ursprung bereits in der Zeit vor dem Nationalsozialismus. Als programmatisches Beispiel für den in der Geschichtsschreibung oft in den Hintergrund gerückten, nahtlosen Übergang der Planungen vom Ständestaat zum Nationalsozialismus ist hier das am Leopoldsberg geplante „Walther von der Vogelweide-Denkmal“ zu nennen, das schon im Jahr 1934 in einem Wettbewerb projektiert wurde. Unter anderen beteiligte sich auch der bekannte Wiener Architekt Oswald Haerdtl mit einem Projekt an diesem Wettbewerb (Abb. 16). Der Topografie des Berges angepasst sieht Haerdtl einen aus zwei Terrassen bestehenden Komplex vor, der sich harmonisch in das Landschaftsbild des Berghanges einfügt. Im Grundriss als Quadrat ausgebildet, birgt die höher liegende Terrasse im Zentrum eine monumentale Harfenskulptur, die von einem Adler mit aufgespannten Flügeln begleitet wird. In der keltischen Mythologie ist die Harfe ein Instrument, das im Kampf gespielt, eine unterstützende Wirkung zeigt und damit ein Symbol für die Unsterblichkeit der Seele darstellt. Die tiefere, als Kreisform ausgebildete Grundfläche beherbergt die Skulptur des eigentlichen Denkmals, die Figur des Walther von der Vogelweide. Der unmittelbare Vergleich mit einem für die gleiche Bauaufgabe ausgeschriebenen Wettbewerb im Mai 1939, der Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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Abb. 16: Oswald Haerdtl, Wettbewerb „Walther von der Vogelweide-Denkmal“ auf dem Leopoldsberg, 1934; Oswald Haerdtl, Wettbewerb „Walther von der Vogelweide-Denkmal“ auf dem Leopoldsberg, 1939.
28 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
diesmal jedoch unter anderen politischen Vorzeichen stand, verdeutlicht die „Verformung“ und „Anpassung“ der Architektenschaft, deren einziges Ziel in der Auftragserteilung lag. In einer Arbeitsgemeinschaft mit Hans Andre nimmt Oswald Haerdtl auch an diesem fünf Jahre danach ausgeschriebenen Wettbewerb teil. Sein Projekt behält die grundsätzliche Entwurfsidee der zweigeteilten Anlage aus dem Jahr 1934 bei. Nun wird aber nicht die Harfe als monumentales Symbol in das Zentrum des Denkmals gerückt, sondern der Ikonografie der NS-Kunst entsprechend beherrscht die männliche Figur des Walther von der Vogelweide die neue Weihestätte. Die Harfe wandert in die Hand des Nationalhelden, der von einem Jüngling mit erhobenem Schwert begleitet wird. Die untere Ebene ist freigestellt und mit drei gegen den Himmel gerichteten Lanzen an der Stirnseite abgegrenzt. Der Entwurf von Andre und Haerdtl symbolisiert die Bereitschaft des Kampfes, der gegen Osten gerichtet war und mit dem Einfall in Polen im Herbst 1939 seinen realen Anfang nahm. Das Hauptaugenmerk der Planung Pöchers lag jedoch auf der Anbindung der Stadt an die Donau. Denn wie allgemein bekannt war, warf Hitler den Stadtplanern von Wien vor, sie hätten verabsäumt, den Donaustrom städtebaulich auszunutzen und er war der Ansicht, dass Wien überhaupt falsch orientiert sei, weil die Stadt der Donau nur die Rückseite zukehre.30 Die Vorstellung vom „Wien an der Donau“ beherrschte die NSPlanungen. So plante Pöcher parallel zur großen Nord-Südachse zwei weitere Achsen, die die Stadt mit der Donau verbunden hätten: Die erste sollte als Verlängerung der Ringstraße über den Praterstern hinweg – im Verlauf der heutigen Wagramer Straße – nach Norden gezogen werden; die zweite war als Verbindung zwischen dem neuen Zentralbahnhof in Simmering und dem auszubauenden Flughafen in Aspern geplant. Unterhalb des Flugplatzes – direkt am neuen Donau-Oder-Kanal – war die Hafenanlage situiert. Somit wäre der Hauptumschlagsplatz und verkehrstechnische Hauptknotenpunkt – Bahn, Flugzeug, Schiff – an den Rand der Stadt verlagert worden. Im Großen und Ganzen findet man das Vorbild der Planungen Pöchers in der Neugestaltung der Stadt Berlin. Wobei zu bemerken ist, dass Berlin für viele deutsche Städte – als Reichshauptstadt – das Leitbild für die Stadtplanungen darstellte. Analogien gibt es nicht nur durch die in bebautes Gebiet willkürlich geschlagenen Hauptachsen. So vermittelt vor allem die Kuppelhalle als Hauptbau der Planung im Gebiet des heutigen Donauparkgeländes und dessen gigantische Wasserfläche eine große Affinität zur „Großen Halle“ von Albert Speer in Berlin (Abb. 17). Bemerkenswert ist die Vielfalt der Formensprache, derer sich Pöcher in der Planung der einzelnen Gebäude und Plätze bediente. Sein Repertoire reichte von der babylonischen Zikkurat31 bis hin zu städtebaulichen Bereichen, die dem Marktplatz von Athen gleichen. Im Gegensatz zu den mit den verschiedensten Baustilen geschmückten, öffentlichen 30 31
Albert Speer, Erinnerungen, 1969, S. 113. „Zikkurat, die = Der sumerische bzw. vorderasiatische Hochtempel, der sich auf einer geböschten ein- oder mehrstufigen Terrasse erhob. In der Bibel erscheint sie als ‚Babylonischer Turm‘“; aus: Heinrich Lützeler, Bildwörterbuch der Kunst (Frechen: Komet, 2000), S. 431. Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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Abb. 17: Albert Speer, Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin mit „Großer Halle“ im Hintergrund.
Gebäuden favorisierte Pöcher bei der Strukturierung des Wohnungsgebietes – östlich des Nordwestbahnhofs – die gründerzeitliche Rasterung.32 Pöcher projizierte sein Idealbild einer Neugestaltung auf ein gewachsenes, bestehendes Stadtbild, ohne auf dessen bauliche und geografische Gegebenheiten einzugehen. So hätten 70 Prozent des Baubestandes des 2. Bezirks, wesentliche Teile des 9. Bezirks sowie große bebaute Teile entlang der geplanten Achsen gänzlich abgerissen werden müssen. Die in der Nähe des Nord- bzw. Nordwestbahnhofs neu vorgeschlagene Bebauung hätte diesen Nutzflächenverlust nicht aufwiegen können. Der Hauptschwerpunkt dieser Planung lag vor allem im Bau von Repräsentationsstraßen und -bauten. Vorschläge für neu erschlossene Gebiete für den Wohnungsneubau, der den Nationalsozialisten sehr wichtig war, wurden aus dieser Planung ausgeschlossen. Vielleicht war auch dies ein Grund, weshalb die Ideen Pöchers keinen wesentlichen Einfluss auf nachfolgende Planungen in Wien hatten.
32 Klaus Steiner, „Ein Ring für 1000 Jahre – Wiener Ringstraßenplanungen 1938–1945“, 1984, S. 12. 30 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
3.3.2 Mai 1938 – Die 1. Wiener Lösung 33 Der Umstand, dass der Berliner Architekt Pöcher unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938 bereits mit konkret ausgearbeiteten Neugestaltungsentwürfen in Wien angekommen war, verstärkte im Planungsamt den Wunsch nach einem eigenen, von Wiener Planern entworfenen Vorschlag. Zu groß war die Angst des Wiener Stadtbauamtes, von einem Stadtplaner aus dem Altreich ausgebootet zu werden.
Abb. 18: Otto Nadel, „Städtebauliche Studie für eine Umgestaltung des 2. und 20. Bezirkes zw. dem Donaustrom u. Donaukanal“, 1. Wiener Lösung, Mai 1938. 33
Der Originalplan des in diesem Kapitel beschriebenen Projektes („Städtebauliche Studie für eine Umgestaltung des 2. und 20. Bezirkes zw. dem Donaustrom u. Donaukanal“) ist im Privatbesitz von Klaus Steiner und wurde von ihm in zwei Aufsätzen publiziert. Im Fotoarchiv des Wiener Stadt- und Landesarchivs (WStLA) befindet sich ein Foto dieses Plans (Abb. 18). Ein weiteres Schriftdokument, das einen „Vorschlag zur Planung des Wiener Donaugeländes (2., 20. Bezirk und Teile des 21. Bezirkes) im Rahmen der Gesamtgestaltung des Wiener Verkehrsnetzes“ (Juli 1938, siehe Fußnote 37) wiedergibt, ist als ein für die Planung eingeholtes Gutachten einzuordnen. Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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So entstand der mit den Worten „Städtebauliche Studie für eine Umgestaltung des 2. und 20. Bezirkes zwischen dem Donaustrom und Donaukanal“ betitelte Entwurf (Abb. 18), der von Otto Nadel, einem Mitarbeiter des Stadtbauamtes, ausgearbeitet wurde. In einem überlieferten Schriftdokument werden die Überlegungen der Planer, die für dieses Projekt verantwortlich zeichneten, skizziert: „Dem könnte dadurch begegnet werden, daß die Ringstraße, die heute vom Stubenring bis zum Schottenring führt und eigentlich gar kein geschlossener ‚Ring‘ ist, über den Donaukanal geführt wird. Dadurch könnte eine Prachtstraße von ca. 1,6 km Länge geschaffen werden, die eine natürliche Ergänzung des bisherigen ‚Ringes‘ in monumentaler Weise bilden würde. Wenn weiters noch entlang des linken Ufers des Donaukanals eine breite, mit Grünanlagen versehene Kaistraße errichtet werden würde, würde sich eine große Anzahl von Baublöcken in prominentester Lage ergeben. Die in den Plänen über die Neugestaltung der Leopoldstadt dargestellte Führung der neuen Straßenzüge läßt ersehen, daß die geplante Erweiterung des Ringes sich gleichsam als eine selbstverständliche Lösung ergibt. [...] Es taucht daher förmlich zwangsläufig der Gedanke auf, den ganzen zweiten Bezirk zum Abbruch in Aussicht zu nehmen und neu zu planen. Dieser Absicht kommt der Umstand zustatten, daß fast die gesamte Bebauung der Leopoldstadt als minderwertig und veraltet zu bezeichnen ist. Mit der Verminderung der Juden, die in diesem Stadtteil besonders ansässig sind, wird sich von selbst die Gelegenheit ergeben, großzügige Niederlegungen und Neuplanungen durchzuführen.“34 Neben einer durch die beinahe gänzliche Vernichtung des Baubestandes ermöglichten Umgestaltung der Leopoldstadt und der damit zusammenhängenden Forderung einer Schließung des Ringes lag das Hauptaugenmerk der Planer auf der Ausgestaltung des Messegeländes im Prater. Wien sollte zu einer Messestadt ausgebaut werden. Durch die Einbeziehung der Fläche zwischen Prater und Donau konnte das neue Ausstellungsgebiet ein Ausmaß von 45.000 Quadratmeter35 annehmen. Da die in Aussicht gestellte Fläche unmittelbar an den Trabrennplatz und das Stadion anschloss, gab es auch Überlegungen für einen Stadthallenneubau. „Durch diese Anordnung könnten Versammlungen sowohl in der gedeckten Halle wie auch auf dem Trabrennplatz [...] abgehalten werden. Die Aufmarschmöglichkeit aus allen Richtungen der Stadt und die Zubringung durch die Straßenbahn sind hinreichend gewährleistet.“36 Das Schaubild (Abb. 19) zur Studie von Otto Nadel lässt erkennen, dass historische Gebäude belassen und in die Neugestaltung eingebunden wurden. Dies ist zurückzuführen auf ein Gutachten von Hugo Hassinger, Professor für Geografie in Wien. Dieser verfasste im Juli 1938 einen „Vorschlag zur Planung des Wiener Donaugeländes (2., 20. Bezirk und Teile des 21. Bezirkes) im Rahmen der Gesamtgestaltung des Wiener 34 Zit. nach Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938–1945‘“, 1983, S. 110–112. 35 Ibid. 36 Ibid. 32 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
Abb: 19: Otto Nadel, „Schaubild zur städtebaulichen Studie für eine Umgestaltung des 2. und des 20. Bezirks zwischen dem Donaustrom und dem Donaukanal“, 1. Wiener Lösung, Mai 1938.
Verkehrsnetzes“37, im Zuge dessen er akribisch alle Gebäude der Leopoldstadt auflistete, die er als „erhaltenswerte Denkmale d. Bezirkes“ beurteilte. Eine Gegenüberstellung dieses Gutachtens mit dem Schaubild der 1. Wiener Lösung zeigt, dass sich die im Plan farbig hervorgehobenen einzelnen Gebäude mit der Denkmalliste im Gutachten Hassingers decken. Die Gebäudehöhen der Neuplanungen sollten denen der erhaltenswerten Denkmale angepasst werden und diese nicht mit monumentalen Formen übertreffen. Nur vereinzelt ragen Gebäudeteile über die scheinbar einheitliche Bauhöhe. Der Nordbahnhof wirkt im Vergleich etwas monumentaler und erinnert in seiner Formensprache eher an einen Kirchen- als an einen Bahnhofsbau. Die Ausgestaltung des Kais schien ein wichtiger Aspekt der Planung zu sein, wobei man hier vor allem auf eine begrünte Promenadenstraße großen Wert legte.38 Das 37 ÖStA, Aktenbestand „Bürckel“, Karton 299 – XI/C (Juli 1938). 38 Dieser Planungsvorschlag des Planungsamtes wird in einem im Nachkriegsjahr 1946 abgehaltenen Wettbewerb Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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Gebiet hinter dem Nordbahnhof in Richtung Donau sollte mit breiten Blöcken bebaut werden. Im Vergleich zur Berliner Planung von Architekt Pöcher war es vorwiegend der monumentale Charakter, der dem 1. Wiener Vorschlag fehlte; man könnte ihn fast als „Provinzplanung“ bezeichnen. Die Planer des Stadtbauamtes hatten noch wenig Erfahrung mit der zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Formensprache des Nationalsozialismus. Es ging eher um eine einheitliche, flächige Bebauung und Integration eines „neuen“ Stadtteiles als um die Schaffung eines neuen Macht- und Verwaltungszentrums der Partei. So wurde auch die Anbindung an die Donau in diesem Projekt vergleichsweise zaghaft hergestellt.
3.3.3 Juni 1938 – Die 2. Wiener Lösung 39 Die genauen Umstände, die zur Ausarbeitung der 2. Wiener Lösung führten, sind nicht mehr rekonstruierbar. Es ist anzunehmen, dass die 1. Wiener Lösung den architektonischen Anforderungen des NS-Regimes nicht entsprach. Von der Angst getrieben, dass ein Planer aus dem Altreich die Aufgabe der Neugestaltung der Stadt übertragen bekäme, arbeitete das Wiener Stadtbauamt unverzüglich an einer weiteren Lösung. Bereits im Juni 1938 lag ein neuer Entwurf vor (Abb. 20). Der bis zum Juli 1938 (Abb. 21) weiterent wickelte und in einem Modell (Abb. 22) dargestellte Vorschlag mit der Bezeichnung „Wien an der Donau“ zeigt, dass sich die Verfasser dieses Projektes mit dem Repertoire der zeitgemäßen nationalsozialistischen Stadtplanung auseinandergesetzt hatten und dieses in der 2. Wiener Lösung umsetzten; es fand geradezu eine den Planungsvorgaben des Altreiches entsprechende Adaptierung der 1. Wiener Lösung statt. Ohne Rücksicht auf den historischen Baubestand schlagen die Planer geradlinig geführte Aufmarschstraßen quer durch bebautes Wohngebiet. Die Ausgestaltung der Straßen sollte, ähnlich der bestehenden Ringstraße, mit Baumalleen erfolgen. Die Straßen münden in einen ca. 14 Hektar40 großen Aufmarschplatz, der auf dem Areal des Nordbahnhofs angelegt werden sollte (Abb. 23). An drei Seiten ist der Platz von schmalen Gebäudeteilen begrenzt, wobei deren Funktionen nicht näher definiert sind. Im Südosten schließt der Platz mit einer halbrunden Form ab. Im Nordwesten des Platzes ist eine große Versamm„Donaukanal“ wieder aufgegriffen. Jan Tabor, Vera Purtscher, „Eine neue Großstadt aus den Trümmern: Wettbewerb Donaukanal 1946“, in: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, Das ungebaute Wien, 1999, S. 384–387. 39 Im Arbeitsbericht von Klaus Steiner aus dem Forschungsvorhaben „Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938–1945“ ist ein Grundrissentwurf (Abb. 21) des genannten Projektes abgebildet, der als Endfassung (Juli 1938) anzusehen ist. Im WStLA wurden Fotos eines Baumodells (Abb. 22) und dreier Perspektivzeichnungen (Abb. 23 bis 25) recherchiert, die auf Basis des Grundrissentwurfs vom Juli 1938 erstellt wurden. Ergänzend dazu gibt es ein Foto eines Grundrissentwurfs (Abb. 20), der einen früheren Variantenvorschlag (Juni 1938) darstellt. 40 Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938– 1945‘“, 1983, S. 113. 34 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
Abb. 20: Verfasser unbekannt, „Studie für eine Umgestaltung des II. und XX. Bez., zwischen Hellwag/u/Reichsbrückenstr.“, Entwurfsskizze, 2. Wiener Lösung, Juni 1938. Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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Abb. 21: Verfasser unbekannt, „Wien an der Donau“, Entwurfsskizze, 2. Wiener Lösung, Juli 1938.
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Abb. 22: „Wien an der Donau“, Modell nach der Entwurfsskizze vom Juli 1938, 2. Wiener Lösung.
lungshalle platziert, die sogenannte „Ostmarkhalle“41. Das an die Donau gelegte Stadtforum sollte die geforderte Anbindung der Stadt an den Strom vollziehen. Neben der neuen Donaubrücke (Abb. 24) war ein ca. 17 Meter42 hoher Turm geplant, der als Bekrönung den Reichsadler trägt. Eine dritte Skizze zeigt den Einblick vom Schottenring in den 2. Bezirk, auf dem an der rechten Straßenseite ein Hotel erkennbar ist (Abb. 25). Die Lage des „Zentralbahnhofs-Nord“43 entspricht dem 1. Wiener Projekt; auch an der Verbauung des Gebietes zwischen heutiger Lassallestraße und Innstraße im 2. Bezirk wurde festgehalten. Im Vergleich mit dem 1. Wiener Projekt fällt vor allem der monumentale Charakter der Gebäude auf, die hier wesentlich höher und breiter geplant sind und deren Durchführung sehr viel radikaler ist. Kreuz und quer werden die offenbar auf dem Reißbrett mit einem Lineal gezogenen Straßen über das bebaute und bewohnte Gebiet der Leopoldstadt geführt. Die Formensprache der Gebäude kann mit blockhaft-monumental beschrieben werden. Bei den Darstellungen der Perspektiven geht der unbekannte Verfasser kaum ins Detail. Es bleibt lediglich bei Andeutungen, wie bei der Eckgebäudeausbildung. Diese weist auf die Umsetzung des üblichen Repräsentationsstils der NS-Architektur, eine aus der Antike entlehnte klassische Formensprache, hin. Es scheint fast, als ob der Planverfasser den richtigen Umgang mit der „neuen“ Formensprache noch nicht beherrschte. Dieses mit Juli 1938 datierte Projekt (Abb. 21 bis 25) kann als endgültige Lösung des Wiener Vorschlags eingestuft werden. Basierend auf dem Entwurf Otto Nadels (Abb. 18) 41 Bezeichnung siehe Entwurfsskizze vom Juli 1938 (Abb. 21). 42 Auf der Perspektivzeichnung (Abb. 24) sind die Geschosse der neben dem Turm situierten Gebäude zu erkennen. Bei einer angenommenen Geschosshöhe von ca. 3,20 Metern x 4 + Sockelzone von 4 Metern ergibt sich eine Höhe von ca. 17 Metern. 43 Bezeichnung siehe Entwurfsskizze vom Juli 1938 (Abb. 21). Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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Abb. 23: „Eintritt der West-Aufmarschachse in den Aufmarschplatz“, Perspektivzeichnung, Juli 1938.
Abb. 24: „Stadtforum mit neuer Donaubrücke“, Perspektivzeichnung, Juli 1938.
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Abb. 25: „Neue Brücke am Schottenring zur West-Aufmarschstraße, rechts Stadthotel“, Perspektivzeichnung, Juli 1938.
für die 1. Wiener Lösung und unter Einhaltung desselben Baugebietes – der Leopoldstadt – versuchten die Mitarbeiter des Wiener Planungsamtes eine den architektonischen Forderungen des NS-Regimes entsprechende Lösung zu entwickeln und sich somit die Anerkennung und Zustimmung des Projektes auf Reichsebene zu sichern. Es ist davon auszugehen, dass die Stadtverwaltung die Ausarbeitung der genannten Wiener Lösungen im Alleingang – ohne Wissen der Gauleitung – durchführte. Ein nahezu drei Jahre später verfasstes Schreiben vom 22. Jänner 1941 des ehemaligen Leiters des Planungsamtes, Hubert Itzinger, an den Bürgermeister bestätigt diese Annahme. Itzinger schildert in diesem die Lage unmittelbar nach dem Anschluss: „Gleich nach der Wiedereingliederung der Ostmark in das Reich wurde es klar, daß damit der jahrzehntelange Prozess der Rückbildung Wiens zum Stillstand kommen würde und neue städtebauliche Auftriebe erhofft werden konnten. Das Stadtbauamt hat sich daher bald Gedanken gemacht, in welcher Art in Wien ähnlich wie in den wichtigen Städten des Altreiches städtebauliche Verbesserungen geplant werden sollten. Diese Überlegungen des Amtes wurden Herrn Bürgermeister Dr. Ing. Neubacher von mir vorgelegt und von ihm zur Weiterverfolgung gutgeheißen.“44 44 Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Aktenbestand Stadtbaudirektion, A1, 1941, Schachtel 125 – IV/130/41 (22. Jänner 1941). Erste Neugestaltungsprojekte für Wien im Nationalsozialismus |
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3.3.4 Herbst 1938 – Professorenvorschläge45 Nach Fertigstellung der endgültigen Wiener Lösung im Planungsamt wurde das Projekt dem damaligen Bürgermeister Hermann Neubacher vorgelegt. Offenbar doch noch in seinem selbstständigen Handeln gegenüber der Gauverwaltung verunsichert, wollte dieser die Pläne von unabhängigen Planern begutachten lassen. Auch dazu wird in dem bereits erwähnten Brief von Itzinger Stellung genommen: „In der Folge hatte der Herr Bürgermeister den Wunsch, diese Anregungen des Amtes durch Gutachter von Ruf beurteilen und möglichst bestätigen zu lassen. Zu diesem Zweck wurden 3 Herren aus dem Altreich – Prof. Dr. Ing. Heiligenthal, Techn. Hochschule Karlsruhe; Dr. Ing. Stroebel, Stuttgart und Dr. Ing. Köster von der Reichsstelle für Raumordnung – zu einer Äußerung eingeladen. Um nicht Verstimmungen auszulösen, hat man auch 3 Wiener Fachleute zur Stellungnahme eingeladen und zwar Prof. Ilz der Techn. Hochschule Wien, Prof. Franz Schuster und Baurat Örley.“46 Weiters geht aus dem Brief hervor, dass alle „6 Herren“ die vom Stadtbauamt entworfenen Ideenskizzen sowie einen erläuternden Schriftsatz zur Verfügung gestellt bekamen. Die Gutachter waren offensichtlich nur einige Tage in Wien und gaben dann ihre Äußerung ab. Der Bürgermeister bezweckte mit diesem Verfahren die Bestätigung seines Wiener Projektes auf wissenschaftlicher Basis. Damit hätte er sein Vorhaben auch gegenüber der ihm politisch übergeordneten Entscheidungsebene, der Gauleitung, rechtfertigen und eine Planung von einem stadtfremden, von der Reichsebene eingesetzten Architekten abwenden können. Diese in der Literatur als „Professorenvorschläge“ (Abb. 26) bezeichneten Planungen entstanden im Herbst 1938, also in unmittelbarer Anlehnung an das 2. Wiener Projekt – „Wien an der Donau“ (Abb. 21 bis 25), welches von der Stadtplanung als Grundlage für die eingeholten Gutachten zur Verfügung gestellt wurde. So konzentrierten sich auch diese Neugestaltungsvorschläge auf das vorgegebene Gebiet der Leopoldstadt. Den verbindlichen Vorstellungen der Stadtväter folgend wurde auch hier das Hauptaugenmerk auf die Weiterführung und Schließung der Ringstraße jenseits des Donaukanals gelegt. Diese Verlängerungen wurden meist zweiachsig normal zur Donau geführt – das ist eine dem NS-Städtebau verpflichtete Abweichung vom Wiener Modell.47 Allen Entwürfen gemeinsam ist die Aneinanderreihung von Festplätzen, Aufmarschalleen und Partei- und Kulturforen in der Symmetrie des Straßenachsensystems. Das Ausstellungs- und Messezentrum wird an die Donau geführt. Durch die Schaffung von neuen Grünflächen sollte eine aufgelockerte, weitläufige und offene Stadtstruktur erreicht werden. Im Gegensatz zu den Architekten aus dem Altreich wurde von den Wiener Gutach45 Das Foto der Originalskizzen befindet sich im Fotoarchiv des Wiener Stadt- und Landesarchivs (WStLA) und dient als Grundlage dieser Beschreibung (Abb. 26). 46 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, A1, 1941, Schachtel 125 – IV/130/41 (22. Jänner 1941). 47 Vgl. Jan Tabor, „Wien, die Perle des Großdeutschen Reiches: ‚Wien an der Donau‘ mit ‚Aufmarschachse‘, Partei- und Kulturforum“, in: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, Das ungebaute Wien, 1999, S. 340. 40 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
Abb. 26: Professorenvorschläge: Erwin Ilz mit Robert Örley, Herbst 1938; Franz Schuster, Herbst 1938; Hermann Stroebel, August 1938; Roman Heiligenthal, Herbst 1938.
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Abb. 27: Professorenvorschlag, Franz Schuster, Herbst 1938.
tern auch eine Weiterführung der Aufmarschachse in bzw. über den 1. Bezirk geplant. Der Entwurf von Roman Heiligenthal skizziert gegenüber dem Praterstern ein kreisförmiges Gebäude, das als Versammlungshalle zu interpretieren ist. Auch die Planung von Hermann Stroebel deutet im Augarten ein solches Bauwerk an. Als einziger Planer bezieht jedoch Franz Schuster (Abb. 27) auch das Gebiet zwischen der heutigen Donauinsel und der Alten Donau in seine Überlegungen mit ein. Zum einen sollte dieses als weiträumiges Sport- und Erholungsgebiet genutzt werden und zum anderen ein mächtiges, der Stadt zugewandtes und in der Symmetrie der Hauptachse angeordnetes Denkmal errichtet werden. Im Norden der Stadt, über die Alte Donau hinaus, ist auch noch das Gebiet einer Gartenstadt angedeutet. Die Planungsvorschläge der Professoren hielten sich freilich streng an die von der Partei gegenwärtig bekannten und geforderten Bauelemente zur Neugestaltung einer Gauhauptstadt. Sie hatten jedoch Probleme in deren radikaler Umsetzung ohne Rücksicht auf vorhandene Strukturen. Es fehlte die übliche Straffheit der Anordnung und die Planungen erhielten somit den Anschein einer gemütlichen und romantischen Gartenstadt.48 48
Ibid.
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Abb. 28: Verfasser unbekannt, Grünraumplan Groß-Wien 1, August 1940.
Die Professorenvorschläge sind als Konsensfindung zwischen staatlicher und kommunaler Planungsbehörde zu verstehen, die hierdurch das Gebiet für die Neugestaltung der Stadt endgültig festlegen konnte. Dass mit diesem Konsens der Planungseuphorie des Stadtbauamtes Einhalt geboten wurde, äußert sich vor allem in dem Umstand, dass neue Planungen zur Neugestaltung bzw. Stadterweiterung der Stadt Wien aus der Zeit zwischen der Vorlage der Planungsvorschläge der Professoren im Herbst 1938 und des 1. Projektes von Hanns Dustmann im Februar 1941 nicht bekannt sind. Zwei im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrte, großformatige Grünraumpläne (Abb. 28 und 29) zeigen, dass bis August 1940 die Professorenvorschläge als Richtlinie für die Stadtplanung in Wien galten. In den Plänen ist analog den Vorschlägen die zweiachsige Ringverlängerung normal zur Donau zu erkennen, die das Baugebiet der Leopoldstadt für die vorgesehene Neugestaltung begrenzt.
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Abb. 29: Verfasser unbekannt, Grünraumplan Groß-Wien 2, August 1940.
3.4 Dilettantismus contra Professionalismus Die mit den Professorenvorschlägen auf Gauleitung legitimierte Konsensfindung konnte dem Stadtbauamt Einhalt gebieten, jedoch nicht einzelnen Personen, die sich durch Eigeninitiativen immer wieder Anerkennung auf oberster Ebene erhofften. So kam es im Februar 1939 zu einem für das Wiener Stadtbauamt unangenehmen, von einem Mitarbeiter ausgelösten Zwischenfall. Dieser wandte sich, ohne Wissen seines Vorgesetzten, mit Planungsvorschlägen an Hitler persönlich. Ein Schreiben des Stadtbaudirektors an den Magistratsdirektor berichtet davon: „Der Herr Bürgermeister äusserte ein starkes Befremden, wieso es möglich sei, dass ein technischer Beamter der Stadt Wien unter völliger Umgehung seiner Vorgesetzten mit der Amtsstampiglie der M.Abt.21a versehene Entwürfe dem Führer vorlegt [...]. Der Fall ist unangenehm genug. [...] Es ist ein typischer Fall von Ueberheblichkeit. [...] Der rechtskundige Leiter vermag die technische Unzugänglichkeit dieser Hilfsorgane nicht zu erkennen und in diesen entwickelt sich dann stets die Ueberschätzung der eigenen Fähigkeiten. Dafür sind noch andere aus letzter Zeit verfügbar. Es ist unangenehm genug, dass dem Herrn Bürgermeister von Prof. Speer bereits 44 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
mehrmals an Stellen des Altreiches gerichtete Einsendungen frei schaffender Techniker aus Wien übersendet wurden, da es solche Einsender vermieden hatten, ihre Vorschläge dem berufenen Wiener Bürgermeister vorzulegen; dies offenbar in der Ueberlegung, sich erstens besser in Szene setzen zu können und zweitens der Kontrolle des Apparates, der dem Bürgermeister zur Verfügung steht, zu entgehen.“49 Durch die schlechte wirtschaftliche Lage waren viele Architekten ohne Arbeit, die sich durch den Anschluss eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation erhofften. Von einem unheimlichen Enthusiasmus infiziert, begannen diese unmittelbar nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten eigenständig Planungen vorzubereiten, die den Vorstellungen einer nationalsozialistischen Stadtplanung entsprechen sollten. Um den städtischen Verwaltungsapparat zu umgehen und die damit verbundenen bürokratischen und oft hemmenden Modi zu vermeiden, wandten sich die Privatarchitekten mit ihren Planungsvorschlägen postwendend an den Führer. Ein solches Beispiel ist der Wiener Privatarchitekt Wilhelm Paul Wohlmeyer50, der im November 1940 einen an Hitler adressierten, umfangreichen Brief verfasste. Wohlmeyer beschreibt auf fünf Seiten die seiner Meinung nach notwendigen Neugestaltungen für Wien. Anscheinend besaß er umfangreiche Kenntnisse über den Letztstand der Stadtplanungen, da er bereits Projekte anführte, die in den späteren Planungen des Baureferenten Hanns Dustmann berücksichtigt wurden: die Neuanlage des Heldenplatzes und des Ballhausplatzes, die Anlage eines Zentralbahnhofs und eines Flughafens für die Zivilluftfahrt und schließlich den Neuausbau des 2. und 20. Bezirks mit Hochschulen, Kliniken und Spitälern, Sportanlagen mit Regattabecken etc. Zum Projekt der Umgestaltung des 2. und 20. Bezirks schrieb er: „Wenn einmal zu beiden Seiten des Stromes, und zwar direkt an den Ufern, Monumentalbauten und großzügige Anlagen errichtet sind, wird Wien den Anblick bieten, den diese Stadt auf Grund ihrer zukünftigen Bedeutung bieten soll.“ 51 Im Anhang des Schreibens befindet sich ein ausführliches Gutachten über die seiner Meinung nach „notwendigen großen Planungsaufgaben“ für Wien. Zur Veranschaulichung seiner Überlegungen legte Wohlmeyer dem Schreiben in Kohletechnik ausgeführte, ergänzende, perspektivische Handskizzen bei. Derartige – immer wieder auftretende – Zwischenfälle von Selbstüberschätzung der Planer und die damit verbundene Impertinenz gegenüber Hitler und dem politischen System sorgten selbst in den obersten Kreisen für Aufregungen. Dies zeigt ein Brief von Albert Speer, den er an den Chef der Reichskanzlei richtete: „Vom Gauleiter bis zum 49 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, 1939, Schachtel 117 – B. D. 1295/1939 (23. Februar 1939). 50 Wilhelm Paul Wohlmeyer war der ältere Sohn des bekannten Wiener Architekten Wilhelm Wohlmeyer. Er emigrierte nach dem Krieg nach Bogota (Kolumbien) und war dort weiterhin bis zu seinem Tod in den 1980er-Jahren als Architekt tätig (http:/www.architektenlexikon.at, 24.11.2004). 51 ÖStA, Karton 299 – XI/e (20. November 1940). Das Projekt konnte zur Gänze im Aktenbestand des Österreichischen Staatsarchivs eingesehen werden. Es handelt sich hierbei um einen ausführlichen Brief, der neben einer genauen Beschreibung der Planungen auch umfassende perspektivische Planskizzen beinhaltet. Der Brief wurde von Wilhelm Paul Wohlmeyer am 20. November 1940 verfasst. Dilletantismus contra Professionalismus |
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kleinsten Kreisleiter und Bürgermeister scheint die städtebauliche Initiative als das Hauptstück der öffentlichen Arbeit nach dem Krieg und als persönliche Bewährungsprobe zu gelten. Dabei sind die geplanten städtebaulichen Maßnahmen zum Teil recht unvernünftig. [...] Achsen und andere großräumige Lösungen mit sehr tiefgehenden Eingriffen in das Bestehende werden auf Stellen übertragen, die sich dazu in keiner Weise eignen. Im Zuge solcher Maßnahmen sollen dann Wohnungen in großem Umfang abgerissen werden, was die bestehende Wohnungsknappheit nur vergrößern würde.“52 Und so können die folgenden Worte aus einem Brief von Speer, der nur knapp vor der Einsetzung Dustmanns in Wien, am 26. August 1940, verfasst wurde, symptomatisch für die vorherrschende Situation in Wien sein: „Die besten Architekten des Reiches sind auf zehn Jahre damit beschäftigt, Entwürfe für die fünf bevorzugten Neugestaltungsstädte aufzustellen. – Nur diejenigen Gauleiter, denen es gelingt, in ihren Gauen künstlerisch wertvolle Architekten zu finden, dürften meiner Ansicht zum Bauen kommen.“53 Der neu bestellte und am 10. August 1940 in Wien eingetroffene Reichsstatthalter und Gauleiter Baldur von Schirach54 sollte für die Gauhauptstadt Wien diesen von Speer gewünschten künstlerisch wertvollen Architekten in der Person des Berliner Reichsarchitekten Hanns Dustmann finden.
52 Werner Durth, Deutsche Architekten, 1988, S. 158. 53 Ibid., S. 157. 54 Baldur von Schirach (1907–1974) wurde im Jahr 1931 von Hitler zum Reichsjugendführer der NSDAP ernannt. Am 10. August 1940 ist Schirach als neu ernannter Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien am Ostbahnhof in Wien eingetroffen. WStLA, Stadtchronik 1938/40, Tagesereignisse, S. 990. 46 | 1938 bis 1940 – Der Machtkampf in der Wiener Stadtplanung
4 Architekt Hanns Dustmann
4.1 Biografie Hanns Dustmann wurde am 25. Mai 1902 in Diebrock in Westfalen geboren. Das im Sommersemester 1924 begonnene Architekturstudium an der Technischen Hochschule in München beendete er am 28. Februar 1928 an der Technischen Hochschule in Hannover. Nach dreijähriger Tätigkeit im Büro von Walter Gropius55 wechselte Dustmann in das Reichsbankbaubüro von Baudirektor Heinrich Wolff in Berlin, dem zu diesem Zeitpunkt bereits die weitere Bearbeitung und Ausführung des monumentalen Erweiterungsbaus der Reichshauptbank in Berlin übertragen wurde, das den ersten Berliner Großbau im NSRegime darstellte.56 Am 1. Juni 1936 nahm Dustmann seine hauptamtliche Tätigkeit beim Kulturamt der Reichsjugendführung auf und bekleidete bereits ein Jahr später die Stellung eines Chefarchitekten im Kulturamt und war zugleich Chefarchitekt der Bauabteilung der Hitlerjugend (HJ). In sein Aufgabengebiet fielen nicht nur eigene Planungen für HJ-Heime und Führerschulen, sondern auch die Genehmigung und Prüfung jedes einzelnen Heim entwurfs im Deutschen Reich. Als Beispiel für die Vielzahl seiner HJ-Heim-Planungen sei hier nur das HJ-Heim von Melle 1937 angeführt (Abb. 30). Als Vertreter des sogenannten „Heimatschutzstils“ knüpfte er auch bei dieser Planung an lokale Bautraditionen an. Im Mai 1938 beendete Dustmann seine hauptamtliche Tätigkeit als Angestellter der Hitlerjugend und arbeitete danach in der Reichsjugendführung. Die enge Zusammenarbeit mit dem damaligen Reichsjugendführer und späteren Reichsstatthalter und Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach, war vermutlich auch der Beginn einer langjährigen Kooperation.57 Die Wertschätzung und Würdigung seiner Verdienste um die künstlerische Erziehung der jungen Generation äußerte sich in dem an Dustmann von Baldur von Schirach verliehenen Titel „Reichsarchitekt der Hitlerjugend“. Ab Juli 1938 war Dustmann als Privatarchitekt für Speer tätig, der ihm die ersten größeren Planungsaufgaben übertrug. Im August 1938 beteiligte sich Dustmann an der Ausschreibung des umfangreichen Wettbewerbes der Hochschulstadt in der Nähe des Reichs-
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Eva-Maria Krausse-Jünemann, Hanns Dustmann (1902–1979): Kontinuität und Wandel im Werk eines Architekten von der Weimarer Republik bis Ende der fünfziger Jahre (Kiel: Univ., Diss. 2001), S. 11. 56 Ibid., S. 14. 57 Die Behauptung, Dustmann wäre der Schwager von Schirach, ist in der wissenschaftlichen Arbeit von Eva-Maria Krausse-Jünemann nachweislich widerlegt worden. Ibid., S. 15. Biografie | 47
Abb. 30: Hanns Dustmann, HJ-Heim und Jugendherberge Melle, 1937.
sportfeldes in Berlin.58 Obwohl es nie eine offizielle Entscheidung des Wettbewerbes gab, an dem insgesamt neunundvierzig Architekten bzw. Architektengemeinschaften teilnahmen, wurde im Oktober 1940 in der Behörde des GBI eine Rangfolgeliste aufgestellt. In dieser wurde das Projekt von Dustmann am besten bewertet. Eine aus diesem Wettbewerb resultierende Planungsaufgabe, die Langemarckhalle (Abb. 31), ein Aulagebäude der zukünftigen Hochschulstadt, wurde ihm anschließend von Speer übertragen. Speer nahm spätestens ab Herbst 1939 die Rolle eines Mentors gegenüber Dustmann ein.59 Immer wieder erfuhr er durch Speer Förderung und Protektion, die ihm sogar während der gesamten Kriegsdauer eine Freistellung vom Wehrdienst einbrachte. Im September 1940 wurde Dustmann schließlich auf Betreiben des damaligen Gauleiters Baldur von Schirach als dessen Baureferent nach Wien geholt. Sein Büro bezog er unmittelbar nach seiner Ankunft in der Prinz-Eugen-Straße 28. Im Gegensatz zu seiner während seines gesamten Wien-Aufenthalts parallel weiterlaufenden Mitarbeit beim Neugestaltungsprogramm in Berlin, die unter dauernder Kontrolle von Albert Speer stand, hatte Dustmann in Wien vollkommen freie Hand. Er verfügte über weitreichende Befugnisse und bereits einen Monat nach seinem Amtsantritt im Oktober 1940 bedurften alle Bauprojekte der Stadt Wien seiner Zustimmung: unter anderem die Festlegung der Verbauungspläne, die Beurteilung der Arbeiten von Privatarchitekten und die Ausschreibun58 59
Ibid., S. 20. Eva-Maria Krausse-Jünemann, Hanns Dustmann (1902–1979), 2001, S. 23.
48 | Architekt Hanns Dustmann
Abb. 31: Hanns Dustmann, Langemarckhalle, Hochschulstadt Berlin, Zeichnung, 1938.
gen von Wettbewerben für Siedlungsbauten.60 Daneben behielt er sich auch die Planung einzelner Stadtgebiete vor. Die Einsetzung Dustmanns als Baureferent und somit als ein der Stadt übergeordneter Planer rief einen gewissen Unmut im Planungsamt der Stadt Wien hervor. Aus den in den Archiven erhaltenen Schriftstücken der Korrespondenz der Dienststellen ist ersichtlich, dass die Kooperation zwischen der Stadt Wien und dem Büro des Baureferenten nicht immer einwandfrei funktionierte. In einem Schreiben vom 3. Juni 1941, das Franz Musil, amtierender Oberbaudirektor, an den Wiener Stadtrat Leopold Tavs richtete, sprach dieser von einer regelrechten „Bestellung eines Baudiktators“.61 Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern führte Dustmann in seiner nur gut eineinhalb Jahre währenden Tätigkeit in Wien umfangreiche Neugestaltungsplanungen für Wien durch. Da es sich bei diesen Planungen, wie auch in vielen anderen Städten des Dritten Reiches, um sogenannte „Schubladenprojekte“62 und damit vor der Öffentlichkeit geheim gehaltene Pläne handelte, sind kaum Quellen überliefert. Neben Dustmanns umfangreichster Planungsaufgabe, der repräsentativen Neuplanung der Donaumetropole und der damit verbundenen Umgestaltung des 2. und 20. Bezirks, zählt die Umplanung des Heldenplatzes wohl zur bekanntesten Bauaufgabe Dustmanns in Wien. Dustmann beendete die Planungen zur Neugestaltung Wiens im Frühjahr 1942.63 Baldur von Schirach beabsichtigte 60 WStLA, Aktenbestand Magistratsabteilung 218, A1, 1940, Schachtel 54. – WStLA, Aktenbestand Magistratsabteilung 218, A1, 1941, Schachtel 56 und 59 (trotz der Schachteldatierung auf das Jahr 1941 stammen die entsprechenden Schriftstücke aus dem Jahr 1940). 61 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, A1, 1941, Schachtel 126 – IV/818/41 (03. Juni 1941). 62 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, 1942, Schachtel 140 – G/625/42 (02. Februar 1942). 63 Der Grund lag vermutlich in der am 24. Februar 1942 in München gehaltenen Rede von Albert Speer, in der er die versammelten Gauleiter aufgerufen hatte, die Neugestaltungsplanungen einzustellen und stattdessen die Kapazitäten im Rüstungswesen einzusetzen. Werner Durth, Nils Gutschow, Träume in Trümmern, Bd. I, Konzepte, 1988, S. 24. Biografie | 49
daraufhin, ihm stattdessen die Rüstungsaufgaben in Wien zu übergeben. Vermutlich aufgrund der starken familiären und beruflichen Bindungen in die Reichshauptstadt Berlin wollte Dustmann jedoch auf das Angebot von Schirach nicht eingehen. Nachdem ihm Schirach mit der Aufhebung der uk-Stellung64 gedroht hatte, verließ Dustmann Wien und kehrte überstürzt nach Berlin zurück.65 In Anbetracht der sich zunehmend verheerend auswirkenden Luftangriffe der Alliierten auf deutsche Städte war Speer im März 1943 mit Hitler übereingekommen, dass einige besonders stark zerstörte Städte mit städtebaulichen Planungen beginnen sollten, um den späteren Wiederaufbau in geordnete Bahnen lenken zu können. So gründete er ein halbes Jahr später den „Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte“, dem auch Dustmann angehörte. Hanns Dustmann bekam den Auftrag für die Wiederaufbauplanung in Düsseldorf. Auch in den ersten Jahren nach dem Krieg konzentrierte sich die Haupttätigkeit Dustmanns auf die Erstellung städtebaulicher Konzepte. In den Fünfzigerjahren gründete Dustmann in Düsseldorf ein Architekturbüro, in dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1979 tätig war.
4.2 Herbst 1940 – Die Berufung nach Wien Über das Motiv für die Berufung des auswärtigen Reichsarchitekten Hanns Dustmann nach Wien im Herbst 1940 können nur mehr Vermutungen angestellt werden. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Reichsleitung mit dieser politischen Intervention die programmatischen Vorgaben durch die eigenen Planer umgesetzt sehen und der Ausbreitung des wachsenden Dilettantismus in den Neugestaltungsplanungen von Wien entgegenwirken wollte. Dass die von Hanns Dustmann neu besetzte Position in den Reihen der Wiener Stadtplaner nicht unbedingt willkommen war, ist verständlich. Umso mehr muss das erste Wiener Projekt von Hanns Dustmann als eine Planung gelesen werden, die sich grundsätzlich an den Professorenvorschlägen von 1938 orientierte und damit als eine Art Legitimationsstück interpretiert werden kann.
4.3 Februar 1941 – Das 1. Wiener Projekt von Hanns Dustmann Der im Februar 1941 dem Führer vorgelegte Planungsvorschlag66 (Abb. 32) gilt als das erste von Hanns Dustmann entworfene Projekt zur Neugestaltung der Gauhauptstadt 64 „uk“ steht als Kürzel für „unabkömmlich“ und bedeutet die Freistellung vom Dienst in der Wehrmacht. 65 Eva-Maria Krausse-Jünemann, Hanns Dustmann (1902–1979), 2001, S. 27. 66 Für dieses Projekt ist nur die von Klaus Steiner publizierte Originalzeichnung im Ausstellungskatalog des Historischen Museums der Stadt Wien bekannt. In: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Wien, Wien 1938, 1988, S. 436 (ein Quellennachweis ist nicht vorhanden). 50 | Architekt Hanns Dustmann
Abb. 32: Hanns Dustmann, Achsenplanung Wien, Februar 1941.
Februar 1941 – Das 1. Wiener Projekt von Hanns Dustmann |
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Abb. 33: Modell zur „Aufmarschstraße“ nach dem Entwurf von Hanns Dustmann (Februar 1941, Abb. 32), hergestellt von der Meisterklasse Wilhelm Holzbauer, Universität für angewandte Kunst Wien, 1997.
Wien (Abb. 32). Diese in Bleistift auf einem gedruckten Stadtplan ausgeführte Skizze ist aufgrund ihrer schematischen Darstellung eher als ein erster Gedankenentwurf zu interpretieren, denn als ein Planstand, der auf Verwirklichung ausgerichtet ist. Umso fragwürdiger erscheint der Umstand, dass das auf Basis dieser Skizze im Jahr 1999/2000 von Studenten der Universität für angewandte Kunst angefertigte Modell bis heute als „die“ zentrale Darstellung einer NS-Stadtplanung für Wien betrachtet wird (Abb. 33).67 Eine Analyse der Entwurfsskizze und ein Vergleich mit gebauten bzw. geplanten Gauhauptstadtplanungen zeigen rasch, dass das Modell als gescheiterter Versuch einer unausgereiften Planungsinterpretation verstanden werden muss. Analog zu den Professorenvorschlägen von 1938 steht auch bei diesem ersten Wiener Projekt von Dustmann die Fortsetzung des Ringes über den Donaukanal im Zentrum der Planung. Auch er wählt das Gebiet für die Neugestaltung entsprechend den Gutachterplanungen von 1938. Im Gegensatz zu den Professoren fand bei Dustmann das bereits im Altreich in den Stadtplanungen als Normativ eingeführte Achsensystem seine 67 Das Modell wurde von StudentInnen der Meisterklasse Wilhelm Holzbauer an der Universität für angewandte Kunst Wien (1997) nach den Plänen von Klaus Steiner gebaut. In: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, Das ungebaute Wien, 1999, S. 339. 52 | Architekt Hanns Dustmann
Abb. 34: Adolf Hitler, Entwurfsskizze zu einem Triumphbogen für Berlin, um 1925.
Anwendung und bildete die Basis für eine schematische Aneinanderreihung von öffentlichen Gebäuden und Wohnbauten.68 Ein überdimensionaler Triumphbogen steht am Beginn der monumentalen Aufmarschstraße als Verbindungsglied zwischen alter und neuer Stadt und symbolisiert das Stadttor in die „neue Welt“. Eine Welt, die vom ideologischen, nationalistischen und antisemitischen Gedankengut der Nationalsozialisten geprägt sein sollte, manifestiert in den Gebäuden des Regimes und verpflanzt in jenes Stadtareal, das seit Jahrhunderten von der jüdischen Bevölkerung und deren Kultur geprägt worden war. Die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung sollte mit dem Abbruch ihrer materiellen Zeugnisse ihre endgültige Auslöschung in der Geschichte Wiens erfahren. Neben dem vorgegebenen Formenvokabular der Gauhauptstadtplanungen verwendet Dustmann in seiner ersten Planung in Wien Motive, die bereits von den großen Führerhauptstadtplanungen bekannt waren. Bauformen, die von Hitler persönlich gewünscht bzw. gemeinsam mit den Planern erarbeitet wurden. Und so transportiert der von der Mitarbeit bei den Berliner Projekten geprägte Dustmann das von Hitler persönlich entworfene Berliner Motiv des monumentalen Triumphbogens nach Wien (Abb. 34). Der im Bereich des Donaukanals, an der Bezirksgrenze der Leopoldstadt, angelegte Triumphbogen markiert den Ausgangspunkt der mächtigen Aufmarschachse, die über das gesamte Stadtgebiet der Leopoldstadt führt. Durch das Einfügen von breiten Grün68 Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938– 1945‘“, 1983, S. 116. Februar 1941 – Das 1. Wiener Projekt von Hanns Dustmann |
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streifen und weitläufigen Plätzen erfolgt eine scheinbare Auflockerung des dicht bebauten Gebietes. Zur Donau hin mündet die Monumentalstraße in einen Platz, der als Gauforum zu verstehen ist. Die neue Bauaufgabe des Gauforums war zum Zeitpunkt des Planungsstands bereits im Architekturrepertoire der NS-Architekten manifestiert und fixer Bestandteil jeder Neugestaltung. An der zur Donau gewandten Platzseite des zentralen Aufmarschplatzes ist in der Entwurfsskizze von Dustmann ein im Grundriss quadratischer Monumentalbau erkennbar. Die Meisterklasse der Universität für angewandte Kunst Wien sah darin ein Ehren- bzw. Denkmal. Im Vergleich mit anderen Gauhauptstadtplanungen zeigt sich jedoch, dass das Gebäude vielmehr als Gauhalle zu lesen ist, die als Herzstück jeder Forumsplanung die neue Versammlungshalle der Partei repräsentiert. Der in der Fortsetzung der Hauptsymmetrieachse auf der Norduferseite der Donau angelegte Baukörper wird von Klaus Steiner als „Partei- und Regierungsgebäude in der
Abb. 35: Verkehrsstruktur- und Flächenordnungsplan von Wien, Vorschlag 4, 30. Oktober 1940.
54 | Architekt Hanns Dustmann
Abb. 36: Verkehrsstruktur- und Flächenordnungsplan von Wien, Vorschlag 5, 4. November 1940.
Größenordnung des Arsenals“69 interpretiert. Es handelt sich dabei aber vielmehr um den monumentalen Bau des geplanten Nordbahnhofs, der eindeutig mit entsprechenden „Verkehrsstruktur- und Flächenordnungsplänen von Wien“70 belegbar ist. Diese in den Herbst 1940 datierten Pläne zeigen drei Vorschläge für eine neue Verkehrsstrukturplanung im Reichsgau Wien (Abb. 35 bis 37). Der mit der Planung Dustmanns im Wesentlichen vergleichbare Vorschlag Nr. 5 (Abb. 36) ist mit 04. November 1940 datiert und fixiert die Lage des Nordbahnhofs im 21. Bezirk. Der Plankopf weist eindeutig auf den Ort der Planung hin – „Der Reichsleiter Baldur von Schirach – Zentralbüro – Der Baureferent“71 und damit auf die Person 69 Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938– 1945‘“, 1983, S. 116. 70 WStLA, Fotoarchiv, Nr. C03493 bis C03495 (Abb. 35 bis 37). 71 WStLA, Fotoarchiv, Nr. C03493 bis C03495, Planbeschriftung. Februar 1941 – Das 1. Wiener Projekt von Hanns Dustmann |
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Abb. 37: Verkehrsstruktur- und Flächenordnungsplan von Wien, Vorschlag 7, 12. November 1940.
von Hanns Dustmann. Die Planköpfe sowie das Datum lassen darauf schließen, dass die Strukturpläne als Arbeitsgrundlage für den von Dustmann erstellten und im Februar 1941 dem Führer vorgelegten Plan dienten.72 Die beiden anderen Varianten, die mit den Zahlen 4 (Abb. 35) und 7 (Abb. 37) nummeriert sind, unterscheiden sich insbesondere in der Lage des neuen Nordbahnhofs im Stadtgebiet der Leopoldstadt und auf der Donauinsel. Im Gegensatz dazu ist der Südbahnhof auf allen drei Entwurfsskizzen einheitlich in Favoriten situiert. Die zweite große Achse der Planung schlägt Dustmann ausgehend von einem neu angelegten Platz im Bereich der Karlskirche durch dicht bebautes Gebiet in Richtung Südbahnhof. Diese zweite monumentale Hauptader reduziert sich auf eine Straße, die vorerst eine anschließende Verbauung ausklammert. Den Abschluss formt ein als monumentaler Oktogonalbau ausgebildeter Zentralbahnhof. 72 Klaus Steiner, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Wien 1938, 1988, S. 437 (ein Quellennachweis ist nicht vorhanden). 56 | Architekt Hanns Dustmann
Im Vergleich zu den vorher entstandenen Professorenvorschlägen fällt in Dustmanns Entwurf vor allem die ausgeprägte Symmetrie- und Rasterordnung auf. Der Reichsarchitekt beherrscht das „Nationalsozialistische Handwerk“ der Stadtplanung und weiß dieses auch in der Wien-Planung gekonnt umzusetzen: breit angelegte, als Symmetrieachse eingesetzte Aufmarschstraßen, aneinandergereihte, in sich geschlossene Plätze (Foren), Ehren- und Denkmäler, Gebäudekomplexe, die dem Verlauf und der Richtung der Hauptachse folgen und schließlich Monumentalbauten, die als Abschluss an die großen Symmetrieachsen gesetzt werden. Die in der Stadtplanung der Gauhauptstädte eher unübliche, hier aber auffallend großräumige Achsenplanung, die Dustmann mit durchwegs axial angeordneten, großformatigen Gebäudeblöcken ausstattet, findet möglicherweise eine Erklärung in der bereits seit Jahren konstituierten Planung des Wiener Stadtbauamtes. Das breit angelegte Bebauungsgebiet wurde erstmals im Projekt „Wien an der Donau“ (2. Wiener Lösung; siehe Kapitel 3.3.3) festgelegt und fand in den Professorenvorschlägen einen Konsens.
4.4 Der Baudiktator von Wien Mit der Berufung von Hanns Dustmann brachte Baldur von Schirach seinen Vertrauensarchitekten nach Wien, mit dem er in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Die Planungen für die Neugestaltung der Stadt sollten wieder in geordnete Bahnen geführt werden. Als erfahrener Architekt des Reiches war es die Aufgabe Dustmanns, die dafür notwendigen Schritte zu setzen und zu begleiten, wofür er mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet wurde. Als Baureferent der Stadt war er auch für die bis dahin der Stadtverwaltung unterstellten Neugestaltungsplanung zuständig. Die Mitarbeiter des städtischen Planungsamtes bearbeiteten danach nur mehr regionale Teilprojekte, die ihnen von Dustmann bzw. von seinem „Büro des Baureferenten“ zugeteilt und freigegeben wurden. Die seit dem März 1938 herrschende autonome Handlungsfreiheit des Stadtplanungsamtes wurde mit der Einsetzung des Baureferenten nicht nur auf ein Minimum reduziert, sondern geradezu eliminiert. Schriftquellen aus der Korrespondenz der städtischen Dienststellen lassen erkennen, dass die anschließende mehrjährige Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der Stadt (Stadtbauamt) und der Gauleitung (Büro des Baureferenten) nicht immer reibungslos verlief. Dass sich diese diffizile Situation bis in den Finanzsektor fortpflanzte, geht aus einem Brief hervor, der am 2. August 1941 vom damaligen Stadtbaudirektor Franz Musil verfasst wurde und die Abgeltung von Leistungen für den Reichsarchitekten regelte: „Für die Vorarbeiten zur Neugestaltung Wiens wurden dem Reichsarchitekten vom Herrn Bürgermeister 1 Million Reichsmark zur Verfügung gestellt. Davon sind gegenwärtig noch 750.000 RM für 1941/42 frei verfügbar, aus denen der Herr Reichsarchitekt ausser den Personalausgaben alle Sachausgaben decken kann. Wenn daher der Reichsarchitekt an die Gemeinde Wünsche äussert, die Geld kosten, so sind sie durch ihn selbst zu bedecken. Der Baudiktator von Wien |
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(Pläne, Aufnahmen, Modelle und dergleichen.) Wünscht der Herr Reichsarchitekt eine solche Kostenübernahme auf seinen Kredit nicht, dann ist jeder solcher Fall einer zusätzlichen Belastung der Gemeinde dem Herrn Bürgermeister zu melden, der darüber im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsarchitekten entscheidet.“73 Der Unmut des Stadtbauamtes wurde immer größer und dessen Gipfel schließlich mit einem Schreiben des Reichsstatthalters Schirach erreicht, das er im Frühsommer 1941 an die Planungsbehörde richtete. Schirach kündigte darin an, dass die bestehenden Befugnisse seines Baureferenten noch zusätzlich ausgedehnt werden sollten. Musil äußerte seinen Unmut darüber im Antwortschreiben an den Stadtrat Leopold Tavs am 3. Juni 1941: „Die Bestellung eines Baudiktators wird sich hemmend auf die gesamte Bauverwaltung auswirken, weil mit ihm eine neue Instanz eingeschaltet wird. [...] Den Baureferenten sollen nach dem Entwurf Rechte eingeräumt werden, die in der Bauordnung nicht vorgesehen sind. Es ist die Frage, ob dies durch eine Verfügung des Herrn Reichsstatthalters erfolgen kann. Darüber wäre ein besonderes Gutachten des Baupolizeiamtes einzuholen.“74 Schirach beabsichtigte überdies im Februar 1942 „im Zuge der Vereinfachung und Zusammenfassung der Verwaltung des Bauwesens im Reichsgau Wien“ seinen „Baureferenten Dipl. Ing. Hanns Dustmann mit der Leitung der Hauptabteilung Bauwesen in der Gemeindeverwaltung und der Planungsbehörde in der staatlichen Verwaltung zu beauftragen“.75 Dustmann konnte dieses Amt jedoch nicht mehr antreten, da er im Frühjahr 1942 Wien verließ und nach Berlin zurückkehrte. Immer wieder findet man in den Unterlagen des Planungsamtes Versatzstücke, die darauf hinweisen, wie vehement Dustmann das Baugeschehen in Wien bestimmte. Neben seiner Hauptaufgabe der Neugestaltungsplanungen für die Stadt wurden von ihm auch Verordnungen zur Um- bzw. Neugestaltung des Stadtbaubestandes erlassen. So erließ er bereits kurz nach seinem Amtsantritt im Oktober 1940 die erste Anordnung für die „Kaminverminderung bei Wohnhausbauten“76, die einen gezielten Abbruch von Kaminen vorsah, um die bei den Wohnhausbauten unschönen Rauchfanggruppen auf ein Minimum zu reduzieren.77 Im März 1941 folgten die für alle verbindlichen „Richtlinien für den Wohnhausbau“ 78, mit denen ein Rückgriff auf die alte Wiener Bautradition, eine Vereinheitlichung der architektonischen Ausgestaltung und damit eine Kosteneinschränkung angestrebt wurden. In einem an den Bürgermeister gerichteten Brief vom 8. September 1941 nahm der damalige Oberbaudirektor Stellung zu den von Dustmann am 7. März 1941 herausgegebenen Richtlinien für die äußere Gestaltung von Wiener Wohnhausbauten, um die damit verbundenen Verteuerungen aufzuzeigen: „Dies war das Stichwort dafür, zu erwäh-
73 74 75 76 77 78
WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941– IVPla906/41 (02. August 1941). WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, 1941, Schachtel 126 – IV/818/41 (03. Juni 1941). WStLA, Aktenbestand AdR/Gruppe 04, 1942, Schachtel 29 – Keine Zahl (17. Februar 1942). WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1940, Schachtel 54 – R/IVPla848/40 (03. Oktober 1940). WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1940, Schachtel 54 – R/IVPla848/40 (03. Oktober 1940). WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 125 – IV/429/1941 (08. September 1941).
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nen, daß Herr Reichsarchitekt Dustmann bei den in Wien zu erstellenden Wohnhausbauten von diesen Bestrebungen unabhängige architektonische Lösungen anstrebt. […] Die Abteilung IV/4, welcher die Vorsorgen für die Baustoffbeschaffung anvertraut sind, hat nun, dem Wunsche des Herrn Reichsarchitekten entsprechend, die auf Wiener Boden greifbaren oder erreichbaren Wiener Taschen (rund 800.000 Stück) bestellt. […] Bezüglich der Kosten des Dachdeckungsmaterials ist zu sagen: Es kostet ein m2 Dachfläche bei Strangfalzziegel der Wiener Erzeugung RM 1.08, ein m2 Dachfläche mit Dachplatten der Wiener Erzeugung RM 1.95, bei Dachplatten auswertiger Herkunft bis RM 2.80. Dabei sind die Mehrkosten für die Umladung und den erhöhten Bruch, der sich bei Bahnversand ergibt, noch nicht berücksichtigt. Die Verteuerung der Wohnbauten durch die Forderung, ausschließlich Wiener Taschen an Stelle der hier meist üblich gewesenen Strangfalzziegel zu verwenden, beträgt bei Siedlungshäusern rund 2 %, bei viergeschoßigen Wohnhäusern rund 3/4 %. Es muß aber auch bemerkt werden, daß das vom Herrn Reichsarchitekten gewünschte Steildach eine Verteuerung der gesamten Dachstuhlkonstruktionen bedingt, die nur aus rein architektonischen Gründen gewünscht wird. Der Wunsch des Herrn Reichsarchitekten geht noch dahin, die Gebäudesockel aus Naturstein herzustellen. Es kann angenommen werden, daß dieser Wunsch gegenüber den sonst üblich gewesenen gediegenen Ausführungsarten den doppelten Aufwand dieser Arbeitsgattung bedingt. Bei einem mehrgeschoßigen Haus kann die Verteuerung durch diese Art der Sockelherstellung leicht 2–3 % der Gesamtbaukosten ausmachen. […] Dagegen erweckt die Forderung nach putzbündig sitzenden Fenstern ernste Besorgnis. Die putzbündig sitzenden Fenster gehören in Wien einer überwundenen Zeitepoche an und es muß als Fortschritt gewertet werden, daß bei den bisherigen Bauführungen der Stadt in den letzten beiden Jahrzehnten das um eine Steinbreite rückversetzte dreiteilige Fenster entwickelt wurde. […] Es muß besorgt werden, daß die Instandhaltungsarbeiten an den putzbündig versetzten Fenstern weitaus schwerwiegender sein werden, als an den rückversetzten. Daß dies bei einem Großwohnbauprogramm, wie es ja für die Zeit unmittelbar nach dem Kriege bevorsteht, nicht gering einzuschätzen ist, ist klar. Die älteren Wiener Fenster, die dem Herrn Reichsarchitekten in ihrer architektonischen Wirkung vorschweben, hatten auch den großen Nachteil nach außen aufgehender Fensterflügel. […] Auf keinen Fall können also in den Erdgeschoßwohnungen nach innen schlagende Fenster entbehrt werden. Es kommen daher schon zweierlei Fenster zur Ausführung, oder es müßten auch die Fensterflügel der oberen Geschoße nach innen öffnend gebaut werden, was aber mit den Altwienervorbildern, denen der Herr Reichsarchitekt nachstrebt, in Widerspruch steht und sicher einen Teil der erhofften architektonischen Wirkung verloren gehen läßt. [...] Wenn vorher auf das neuere dreiteilige Fenster hingewiesen wurde, so liegt auch hierin ein Fortschritt gegenüber den älteren Wiener Vorbildern. […] Die in den letzten zwei Jahrzehnten bereits ausgeführten wesentlich kleineren Zimmer werden aber ausreichend durch ein dreiteiliges Fenster belichtet, wobei der Vorteil besteht, daß sich zwei vorzügliche Stellecken ergeben. Ein nur zweiteiliges Fenster genügt hier keinesfalls, zwei zweiteilige Fenster benötigen jedoch einen Pfeiler und vermindern die Stellmöglichkeiten Der Baudiktator von Wien |
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in sehr ungünstiger Art, was bei den Kleinsträumen unbedingt ein Nachteil ist. Außerdem werden dadurch die Baukosten erhöht.“79 Dass die Zusammenarbeit zwischen der Gau- und Kommunalverwaltung nicht nur durch Unstimmigkeiten geprägt war, sondern auch produktive Zusammenarbeit und Wertschätzung hervorbrachte, zeigt der Umstand, dass im Spätsommer des Jahres 1941 Architekten aus den Baubehörden der Stadt Wien auf eine „Studienreise in das Altreich“ entsandt wurden. Dies war durchaus üblich und wurde auch in anderen Gaustädten praktiziert. Vergleichbar einer „Grande Tour“ sollten die Architekten aus der „Provinz“ die großen Städte des Dritten Reiches, die zu dieser Zeit bereits große Bauvorhaben zu bewältigen hatten, besuchen. Offenbar lag dem Baureferenten viel daran, dass die Planer aus Wien die zeitgemäße und die vom Nationalsozialismus geforderte Formensprache vor Ort am Objekt kennenlernten und diese anschließend in der Neugestaltung bzw. Stadtbildpflege der Gauhauptstadt Wien umsetzten.80 Der Referent der Stadtverwaltung für Stadtbildpflege, Architekt Gottlieb Michal, berichtete von seiner Reise: „Zusammenfassend kann im Vergleich mit den Städten des Altreiches festgestellt werden, daß in Wien die Pflege des alten baulichen Kulturgutes sehr zu wünschen übrig läßt und das Niveau der Neubauten nicht zuletzt durch die minderwertigen Projekte (Architekten und Stadtbaumeister!) sich immer mehr verschlechtert. Die wenigen guten Bauten von qualifizierten Architekten können das Niveau nicht allein verbessern (ca. 5 %).“81 Dustmann brauchte die Mitarbeiter des Stadtbauamtes und war an einer reibungslosen Zusammenarbeit interessiert, galt es doch große Planungsaufgaben zu bewältigen und gemeinsam umzusetzen. Um eine effiziente Projektabwicklung zu erreichen, kam es immer wieder zu einer Aufteilung der Arbeiten an der Neugestaltung, was auch ein im Zuge des Sofort-Wohnprogramms 1941 verfasster Aktenvermerk veranschaulicht, der eine mehrseitige Auflistung und Aufteilung der geplanten Neubauprojekte beinhaltet.82 Die Projekte wurden in Bauvorhaben von Privatarchitekten, die im Auftrag des Stadtbauamtes ausgeführt wurden, und solche, die das Büro des Baureferenten Dustmann übernahm, unterteilt. Diese Liste verdeutlicht einmal mehr die gegenseitige Abhängigkeit der beiden Büros. Die Umsetzung dieses gewaltigen Planungsvolumens konnte nur durch eine produktive Zusammenarbeit der beiden Institutionen sichergestellt werden.
79 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, 1941, Schachtel 125 – IV/429/1941 (08. September 1941). 80 Ein Schreiben vom Februar 1941 bestätigt, dass „der Herr Reichsarchitekt“ eine „Studienreise ins Alt-Reich“ wünscht. WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941– IV/10-152/41 (22. Februar 1941). 81 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 125 – IV/301/1941 (September 1941). 82 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, keine Aktenzahl, Vermerk vom 20. Dezember 1940. 60 | Architekt Hanns Dustmann
5 November 1941 – „Projekt 11.41“ – Ergebnis einer Interessengemeinschaft 83
Das am 5. November 1941 in der „Dienststelle des Baureferenten beim Reichsleiter“ fotografierte Baumodell beschreibt das zweite und gleichzeitig letzte Neugestaltungsprojekt im Wiener Werkverzeichnis des Architekten Hanns Dustmann. In der Gegenüberstellung mit den bereits bekannten und im Kapitel 3.3 beschriebenen städtebaulichen Planungsvorschlägen gibt dieses Modell die umfangreichste Planung einer Neugestaltung in Wien während der Zeit des Nationalsozialismus wieder. Umso mehr irritiert, dass dieses Projekt, obwohl bereits publiziert, in der Stadtforschung bis heute noch keine große Beachtung gefunden hat. Der Architekturtheoretiker Jan Tabor veröffentlichte zum ersten Mal eines der im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrten Fotos des Baumodells im Katalog zur Ausstellung „Das ungebaute Wien 1800 bis 2000“84 (Abb. 9)85. Mit dieser ersten namentlichen Vorstellung erhält das Projekt den Titel „Nordstadt“ und wird dem Büro des Architekten Hanns Dustmann zugeschrieben. Ein weiteres, in Privatbesitz befindliches Modellfoto wurde von Klaus Steiner in einem Aufsatz im Jahr 1983 veröffentlicht, wobei eine genauere Analyse des Modells ausbleibt und das Projekt nur eine beiläufige Erwähnung findet.86 Steiner schreibt das abgebildete Projekt (Abb. 10) als „undatierten Vorschlag“ dem damals in der Stadtverwaltung tätigen „Architekten G. Laub“87 zu. Als Quelle für das Foto wird von Steiner in einer Fußnote Folgendes angegeben: „Der Stellungnahme des Fachbeirates für Stadt planung zum städtebaulichen Grundkonzept für Wien Prof. R. Rainers aus dem Jahr 1961 liegt die Kopie einer mit 4. November 1941 datierten Planskizze ‚Zusammenfassung der Verkehrsstudie Neue Donaustraße‘ von Architekt Laub bei. […] Mitteilung von Prof. R.
83 Zur leichteren Lesbarkeit erhält das Projekt, dessen Modell am 5. November 1941 fotografiert wurde, die Bezeichnung „Projekt 11.41“. 84 Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, 1999, Das ungebaute Wien, S. 361. 85 Anmerkung der Autorin: Dieses Foto mit der Inventarnummer C06092/7 ist im WStLA nicht mehr vorhanden. 86 Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938– 1945‘“, 1983, S. 116–117. 87 Architekt Dipl.-Ing. Georg Laub war zur Zeit des Nationalsozialismus Leiter der Hauptabteilung IV Bauwesen und Vertrauensarchitekt des Gauleiters Josef Bürckel. Mit der Absetzung von Bürckel als Gauleiter von Wien gab auch Laub die Agenden des Hauptplaners für Wien an seinen Nachfolger Hanns Dustmann ab. November 1941 – „Projekt 11.41“ |
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Rainer vom 27. Jänner 1982.“88 Steiner erläutert das Projekt mit folgendem Kommentar: „Ein undatierter Vorschlag des Architekten G. Laub für den gegenständlichen Stadtteil versuchte mit vergleichsweise geringen Eingriffen in den Baubestand das Planungsziel ‚Wien an der Donau‘ im Rahmen der vorgegebenen Straßenachsen zu erreichen. [...] Das Achsensystem verliert sich zusammen mit dem Gestaltungswillen vorerst in Kaisermühlen, eine konkrete Fortsetzung ist noch nicht erkennbar.“89 Sowohl die Fotos von Klaus Steiner und Jan Tabor als auch die im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrten acht Fotos (Abb. 1 bis 8) zeigen das Baumodell eines Stadtplanungsprojektes, das über mehrere Jahre in Kooperation zwischen dem Büro von Hanns Dustmann und dem Stadtplanungsamt entstanden ist. Entgegen der Behauptung von Steiner handelt es sich dabei nicht um ein Einzelprojekt von Georg Laub, dem Leiter der Hauptabteilung Bauwesen. 88 Fußnote 21 in: Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938–1945‘“, 1983, S. 126. 89 Ibid., S. 117. 62 | November 1941 – „Projekt 11.41“
8 Abbildungen des Baumodells vom 5. November 1941 (vergleiche dazu Abb. 1 bis 8).
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In der folgenden Analyse wird die Bedeutung des bis heute in der Forschung unbeachteten und nur mehr auf Fotos überlieferten Projektes für die Wiener Architekturgeschichte herausgearbeitet und damit ein weiteres Fragment in der lückenhaften Geschichtsschreibung des Nationalsozialismus ergänzt.
5.1 Zuschreibung und Beschreibung Der Umstand, dass das „Projekt 11.41“ durch keinerlei Plandokumente gesichert ist, erschwerte die Recherche nach den Projektverfassern. Die Auswertung konzentriert sich zwangsläufig auf allfällige Schriftdokumente. Das Modell stellt das Endergebnis einer Interessengemeinschaft zwischen der kommunalen Stelle der Stadt Wien (Planungsamt) und der Reichsebene (Büro des Reichsarchitekten – Hanns Dustmann) dar, somit liegt das Hauptaugenmerk auf der Recherche nach der jeweils zuständigen Planungsstelle, die für die einzelnen Abschnitte des Gesamtprojektes verantwortlich zeichnet. Die Fotos – die Primärquelle dieser Analyse – geben keinerlei Hinweis auf den Planverfasser, sehr wohl aber auf den Ort der Aufnahme. Die Rückseiten von fünf Originalfotos90 des Baumodells (Abb. 4 bis 8) sind mit Beschriftungsetiketten versehen, die folgende Informationen aufweisen: „Photo-Archiv, Bild Nr., Gegenstand, Architekt, Photograph, Aufnahme Nr.“ und schließlich das Datum, an dem die Fotos aufgenommen wurden. Aus diesen wichtigen Angaben geht eindeutig hervor, dass die Fotos am 5. November 1941 in der Dienststelle des Baureferenten beim Reichsleiter durch das Fotoatelier Julius Scherb angefertigt wurden (Abb. 38). Eine visuelle Analyse der Bilder bringt einen weiteren wichtigen Aspekt zum Vorschein: Das städtebauliche Modell setzt sich aus mehreren Teilen zusammen. Die auf den Fotos eindeutig nachweisbaren Bruchlinien teilen das auf den ersten Blick homogen wirkende Gesamtmodell in drei Modellteile (Abb. 39):
1. Innere Stadt mit Gauforum, Nordbahnhof und Baldur-von-Schirach-Insel91 2. Nordstadt92 3. Südstadt93
90 WStLA, Fotoarchiv Martin Gerlach, Nr. C06092/2 bis C06092/6. 91 Die Baldur-von-Schirach-Insel umfasst das Gebiet zwischen der heutigen Neuen und Alten Donau. Die Bezeichnung entstand unter der NS-Herrschaft in Wien und ist in Schrift- und Plandokumenten überliefert. 92 Nach der Bezeichnung auf den Originalfotos „Gegenstand: Modell Nordstadt“: WStLA, Fotoarchiv Martin Gerlach, Nr. C06092/2 bis C06092/6. 93 Bezeichnung „Südstadt“: analog der Bezeichnung Nordstadt. 64 | November 1941 – „Projekt 11.41“
Abb. 38: Modell Nordstadt, Beschriftungsetiketten, Modellfoto vom 5. November 1941.
Ein Vergleich der Abbildungen 9 und 10 zeigt, dass hier zwei voneinander abweichende Planungen der Baldur-von-Schirach-Insel und des Nordbahnhofs im Modell ausgeführt sind, die Projekte der Wohnstadt Süd und der Wohnstadt Nord sind hingegen kongruent. Dieser Umstand lässt auf zwei Modelle bzw. Modellkonstellationen schließen.94 In einem nächsten Schritt erfolgt eine auf Schriftquellen basierende Recherche, in der die für die Teilprojekte verantwortlichen Planverfasser herausgearbeitet werden und sich damit die These der Zusammenarbeit bestätigt.
94 Diese Annahme wird zusätzlich anhand der auf der Fotorückseite angebrachten Nummerierung bestätigt, aus der die Anfertigung von mindestens zwei Fotoreihen abzulesen ist (Abb. 38). So ist das Bild mit der Nummer 1245 das 7. Bild der Fotoreihe 101 („Aufnahme Nr. 1017“) und das Bild mit der Nummer 1224 das 2. Bild der Fotoreihe 102 („Aufnahme Nr. 1022“). Zuschreibung und Beschreibung |
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Abb. 39: Grafik Modellteile „Projekt 11.41“.
1. Modellteil Planungsgebiet: Innere Stadt mit Gauforum, Nordbahnhof und Baldur-von-SchirachInsel 1a. Innere Stadt mit Gauforum (Abb. 40) Planverfasser: Hanns Dustmann Für die Planung der Neugestaltung der Inneren Stadt mit Gauforum ist in allen Modellfotos nur eine Variante nachzuweisen, die mit einem Schreiben vom Juli 1941 eindeutig dem Büro des Architekten Hanns Dustmann zugeschrieben werden kann.95 Der Stadtgartendirektor Rudolf Stier96 notierte in einem im Zusammenhang mit der „Um- und Neugestaltung der Stadt Wien“ verfassten Bericht seine „Eindrücke“, die er bei seinem Aufenthalt in Wien (vom 17. bis 24. Juni 1941) „gesammelt“ hatte. Er gibt darin einen Überblick über die vorhandenen Grünflächen in und um Wien und schließt diesen mit Verbesserungsvorschlägen zur Grünraumgestaltung der Stadt ab. Betreffend der Aus95 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 127 – IV/1055/1941 (7. Juli 1941). 96 Aus dem Schreiben von Rudolf Stier, der zu dieser Zeit als Stadtgartendirektor in der Stadt Kassel tätig war, geht hervor, dass der amtierende Bürgermeister der Stadt Wien Stier als Gutachter für das Grünwesen gewinnen wollte. 66 | November 1941 – „Projekt 11.41“
Abb. 40: Baumodell des Stadterweiterungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof, 5. November 1941.
gestaltung des Augartens schrieb er: „Mir ist jedoch bekannt, dass als eine der ersten Arbeiten im Zusammenhang mit der vom Herrn Reichsarchitekten aufgestellten Neuplanungen der Auegarten umgestaltet werden soll. Auch hier wird die Schonung des alten Baumbestandes, soweit er gesund und wüchsig ist, zu erstreben sein. Die geplante bauliche Rahmung des Auegartens, die achsiale Betonung repräsentabler Bauwerke wird jedoch auch stärkere Veränderungen des jetzigen Zustandes erfordern, wobei auch das Verpflanzen größerer Bäume ins Auge zu fassen ist.“97 Die baulichen Beschreibungen Stiers von der Umgestaltung des Augartens entsprechen der Planung des Teilprojektes „Innere Stadt mit Gauforum“. Mit Rücksicht auf den notwendigen Zeitvorlauf für die Anfertigung des Modells kann davon ausgegangen werden, dass Stier bei seinem Wien-Aufenthalt im Juni 1941 in alle noch nicht veröffentlichten Planungen Dustmanns Einblick nehmen konnte. Hanns Dustmann kann eindeutig als Verantwortlicher für die Neugestaltung der Inneren Stadt im Bereich des Augartens und der damit verbundenen Planung des Gauforums bestimmt werden. Im Vergleich zum ersten Projekt Dustmanns vom Februar 1941 (Abb. 32) fällt vor allem der vorsichtigere Umgang mit dem Baubestand der Leopoldstadt auf. War es in seinem 97 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 127 – IV/1055/1941 (7. Juli 1941). Zuschreibung und Beschreibung |
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Achsenprojekt namens „Führervorlage“98 noch eine breit angelegte Schneise, die er durch den 2. Bezirk geschlagen hätte, reduzierte sich nun die Neugestaltung ausschließlich auf unbebautes Gebiet (Nordbahnhof, Augarten). Wie bei allen anderen Projekten war auch hier die Anbindung der Innenstadt an die Donau das vorrangige Thema. In der Weiterführung des Schottenringes über eine neue Brücke sollte die „alte“ mit der „neuen“ Stadt verbunden werden. Entsprechend den Planungen vieler anderer Gaustädte sollte auch hier ein neuer repräsentativer Stadtteil mit Gauforum entstehen. Der Schwerpunkt der neuen Bebauung lag im Gebiet der bestehenden Grünfläche des Augartens und dem Nordbahnhofareal.99 Mit dieser Wahl des Bauplatzes wäre ein vergleichsweise geringer Baubestand des 2. und 20. Bezirkes zum Abbruch gekommen. 1b. Nordbahnhof und Baldur-von-Schirach-Insel Variante 1, Planverfasser: Stadtbauamt (Abb. 41) Für die Neugestaltung des Nordbahnhofs und der Baldur-von-Schirach-Insel sind – wie bereits erwähnt – zwei Vorschläge (Abb. 9 und Abb. 10) nachzuweisen. Als Primärquelle zur Feststellung des Planverfassers der Variante 1 können an dieser Stelle ein
Abb. 41: Stadtbauamt, Modell „Projekt 11.41“, 1. Variante „Baldur-von-Schirach-Insel“, November 1941.
98 Zit. nach Jan Tabor, „Wien, die Perle des großdeutschen Reiches“, in: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, Das ungebaute Wien, 1999, S. 360. 99 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 127 – IV/1055/1941 (7. Juli 1941). 68 | November 1941 – „Projekt 11.41“
umfangreiches Schriftstück und ein Plan genannt werden. Im Oktober 1941 wurde aus dem Stadtbauamt die Übermittlung zweier Modelle an das Büro Dustmann bekannt gegeben: „Am heutigen Tage wurden an ihre Dienststelle ein Modell als Verbauungsstudie Triesterstr.-Favoritenstr [Südstadt, Anm. d. Autorin] u. ein Modell als Vorstudie über die Ausgestaltung der Insel [Baldur-von-Schirach-Insel, Anm. d. Autorin] zwischen der AltenDonau und dem Strom auftragsgemäß übermittelt.“100 Dem Begleitbrief wurde eine schriftliche Stellungnahme zu den Verbauungsstudien beigelegt. Der Inhalt des Schriftstückes und das Datum der Übermittlung schreiben somit das Teilmodell „Nordbahnhof und Baldur-von-Schirach-Insel“ eindeutig dem Stadtbauamt zu. Diese Zuschreibung wird weiters durch ein Plandokument unterstützt, das in den Schriftakten des Stadtbauamtes überliefert ist. Dieser Plan (Abb. 42), der von der Was-
Abb. 42: Wasserstraßendirektion Wien, Lageplan zur Schaffung einer hochwasserfreien Insel im Überschwemmungsgebiet, 11. September 1941.
100 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 128 – IV/1514/1941 (27. Oktober 1941). Zuschreibung und Beschreibung |
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serbaudirektion im „Rahmen der Neugestaltung der Stadt Wien“ und im Zusammenhang mit der „weiteren Untersuchung der Möglichkeit der Freigabe des linksufrigen Überschwemmungsgebietes der Donau für Bebauungszwecke“101 im September 1941 für das Stadtbauamt erstellt wurde, sollte die Möglichkeiten der Bebauung des Überschwemmungsgebietes aufzeigen. Der in den September 1941 datierte Plan weist im Grundriss jene Gebäudekonfiguration auf, die mit dem ausgeführten und fotografierten Baumodell der Baldur-von-Schirach-Insel (Abb. 1 und 10) übereinstimmt. Es folgt daraus, dass die Planung der Ausgestaltung der Insel vom Stadtbauamt zu diesem Zeitpunkt bereits fertig war und als Basis für die Erstellung des Gutachtens zur Verfügung stand. Ein Brief des damaligen Baudirektors Hubert Itzinger an Hanns Dustmann beinhaltet eine Beschreibung des Projektes und ist hier als Primärquelle angeführt: „Die Gliederung wird durch die zwei über die Donaubrücken nach Nordost führenden Straßenzüge klar bestimmt. Der Zusammenschluß dieser beiden Straßen wurde in der Studie im Gegensatz zu anderen Projekten nicht auf die Donauinsel sondern auf das Floridsdorfer Ufer verlegt. Es hat dies den Vorteil, daß großer Flächenverlust auf der Donauinsel vermieden wird. Daß dadurch eine zweite Brücke über die alte Donau notwendig ist, kann vor allem verkehrstechnisch kaum als Nachteil gewertet werden. Die Kosten für diese Brücke stehen überdies in gar keinem Verhältnis zu den der projektierten Strombrücke. In der Achse des Mittelfeldes wurden als Mittelpunkt der ganzen Anlage das Stadion mit seinem projektierten Fassungsraum von etwa 80.000 Personen und das Maifeld gelegt, den sich zu beiden Seiten Schwimm- und Hockey-Stadion, Übungsfelder, Parkplätze und Straßenbahn-Abstellbahnhöfe angliedern. [...] Im westlichen Teil der Insel sind neben Sportanlagen die großen öffentlichen Erholungsbäder, welche nur im ausgestalteten Gänsehäufel ein Gegenstück besitzen, vorgesehen. Im Ostteil befinden sich neben einer Wohnzwecken gewidmeten Fläche das Tennis-Stadion, Betriebssportanlagen und ein Vergnügungs-Ruderhafen. Der vorhandene Ortskern von Kaisermühlen mit seinen häßlichen Häusern aus der Gründerzeit, den vielfach der alten Donau zugekehrten Feuermauern und verrotteten Kleinindustrieanlagen bedarf allerdings einer gründlichen Umgestaltung. [...] Das Nordufer der alten Donau wäre durch einen ca. 100 m breiten Grünstreifen, in welchen auch die Anlagen der Ruderklubs und eine vorhandene Kleingartensiedlung zu liegen kommen, einzusäumen.“102 Für diese erste Variante des Nordbahnhofs gibt es außer den Fotos keinerlei Quellen. Analog zum ersten städtebaulichen Projekt von Dustmann für Wien (siehe Kapitel 4.3) wird der Bahnhof an die zur Hauptachse normal gelegte Querachse gesetzt und dient als Ausgangspunkt für die Symmetrieachse der Bebauung über die Donau. Auf eine Akzentuierung mit einer Brücke wird hier jedoch verzichtet. Der Blick vom Bahnhofsplatz auf die Donau und die Baldur-von-Schirach-Insel bleibt frei.
101 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 128 – IV/1483/1941 (11. September 1941). 102 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 128 – IV/1514/1941 (27. Oktober 1941). 70 | November 1941 – „Projekt 11.41“
Abb. 43: Hanns Dustmann, Modell „Projekt 11.41“, 2. Variante, „Baldur-von-Schirach-Insel“, Ausschnitt, 5. November 1941.
Abb. 44: Hanns Dustmann, „Baldur-von-Schirach-Insel“, Entwurf, August 1941.
Variante 2, Planverfasser: Büro Hanns Dustmann (Abb. 43) Die Festlegung eines Planverfassers für den zweiten Vorschlag erweist sich als schwieriger. Eine mit August 1941 datierte Entwurfsskizze (Abb. 44) zeigt die Auseinandersetzung Dustmanns mit der Bauaufgabe Baldur-von-Schirach-Insel und bekräftigt damit die Annahme, dass dieser als Planverfasser der zweiten Version verantwortlich zeichnet. Der im Modell ausgeführte zweite (Abb. 43) und mit aller Wahrscheinlichkeit aus dem Büro Dustmann stammende Planungsvorschlag sieht eine neue, breit angelegte, monuZuschreibung und Beschreibung |
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mentale Straße vor, die über die Donau und die Baldur-von-Schirach-Insel hinweg weit in die Außenbezirke Richtung Norden verlaufen sollte. Vom neuen Nordbahnhof ausgehend bindet sie die neu projektierte Nordstadt an das Stadtzentrum an. Dustmann plante im Zentrum der Insel mehrere quer zur Hauptachse symmetrisch angeordnete Gebäudekomplexe. Mit den aus der Flucht zurückspringenden Gebäudeteilen und den an den Ecken angeordneten, quadratischen Blöcken werden zwei Plätze geschaffen, die für Sport und Erholung des Volkes dienen sollten. Aufgrund des fehlenden Planmaterials können genaue Funktionen der Gebäude nicht mehr nachgewiesen werden. Die Analyse zeigt, dass die Neugestaltung des innerstädtischen Gebietes mit dem Gauforum in der Verantwortung des Reichsarchitekten Hanns Dustmann lag. Für den Neubau des Nordbahnhofs und die Ausgestaltung des Erholungsgebietes der Baldur-von-SchirachInsel hingegen wurde von beiden Planungsbehörden (Büro des Reichsarchitekten und dem Stadtbauamt) jeweils eine Variante ausgearbeitet‚ die sich schließlich als Konkurrenzprojekte gegenüberstanden.
Abb. 45: Hanns Dustmann, Modell „Projekt 11.41“, Nordstadt, 5. November 1941.
2. Modellteil Planungsgebiet: Nordstadt, Planverfasser: Hanns Dustmann (Abb. 45) Der Vergleich des Baumodells mit einer aus dem Jahr 1941 entstandenen Grundrissskizze (Abb. 46) für die Nordstadt von Hanns Dustmann weist diesen eindeutig als Projektverfasser und die Planung als einzigen Vorschlag für das Planungsgebiet nördlich der Donau aus. Die bereits erwähnte enge Zusammenarbeit zwischen Dustmann 72 | November 1941 – „Projekt 11.41“
Abb. 46: Hanns Dustmann, Entwurf Nordstadt, 1941; Rudolf Stier, Grünraumplanung, Jänner 1942.
und dem Stadtgartendirektor Rudolf Stier zeigt sich hier in der Ergänzung einer Grünraumplanung, die im Jänner 1942 durch Stier auf Basis des Grundrissvorschlags von Dustmann erfolgte. Mit der in der Verlängerung der Baldur-von-Schirach-Insel angeordneten projektierten Nordstadt peilte Dustmann offensichtlich eine Funktionsentmischung an, die eine Trennung von Wohnen, Erholung, Arbeit und Verkehr vorsah. Das rund einen Kilometer breite und etwa 3,7 Kilometer lange Wohngebiet war nach den Angaben Steiners103 für 140.000 Menschen vorgesehen. Um die Nordstadt herum plante Dustmann künstliche Gewässer und ausgedehnte Grünanlagen.
3. Modellteil Planungsgebiet: Südstadt, Planverfasser: Stadtbauamt (Abb. 47) Wie bereits in der Zuschreibung der Variante 1 des Planungsgebietes Nordbahnhof und Baldur-von-Schirach-Insel ist auch hier das Schreiben des damaligen Baudirektors Hubert Itzinger, das dieser im Oktober 1941 an das „Zentralbüro des Baureferenten beim Reichsleiter, z. H. Herrn Reichsarchitekten Hanns Dustmann“ richtete, die maßgebliche Quelle.104 „Als nördliche bezw. südliche Begrenzung des Abschnittes waren Trost- und Südrandstraße vorhanden. Mit Rücksicht auf die gegebenen verkehrstechnischen Möglichkeiten, die zum Teil schon vorhandenen Einbauten und die schon stehenden Großwohnhausbauten, mussten im Wesentlichen auch die zur Stadt führenden Straßenzüge beibehalten werden. Damit waren der Planung natürlich schon viele Möglichkeiten 103 Klaus Steiner, „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938– 1945‘“, 1983, S. 119, 120. 104 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 128 – IV/1514/1941 (27. Oktober 1941). Zuschreibung und Beschreibung |
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Abb. 47: Stadtbauamt, Modell „Projekt 11.41“, Südstadt, 5. November 1941.
genommen. Die Abt. VI/8 lenkte ihr Hauptaugenmerk darauf anzudeuten, daß eine neue Verbauung entsprechend aufgelockert sein muß und die schluchtenähnlichen Innenhöfe der angrenzenden alten Stadtteile vermieden werden müssen. […] Ebenso wird vom Südrand, unter Wegfall der den Stadtrand beherrschenden hässlichen Kirche, ein Grünstreifen stadtwärts geführt. […] Angrenzend plant die Reichspost die Errichtung zweier Betriebsanlagen mit einer Angestelltensiedlung, welche sich dem Charakter der nordwärts davon befindlichen Siedlungs- bezw. Wohnungsanlagen ganz gut anpassen könnten. Zwischen Neilreichgasse und Laxenburgerstraße einerseits, Südrandstraße und Raxstraße andererseits, ist in der Studie eine siedlungsmäßig aufgelockerte Wohnungsanlage geplant. Sie soll den Übergang von der hohen Verbauung nordwärts zum Grüngürtel südwärts herstellen.“105 Die schriftliche Beschreibung des Projektes deckt sich mit der Planung des fotografierten Teilmodells, womit das Stadtbauamt eindeutig als Planverfasser des Projektes Südstadt hervorgeht.
5.2 Fazit: ein Kooperationsprojekt zwischen Dustmann und dem Stadtbauamt Anhand der vorangegangenen Feststellungen gelangt man zu der Schlussfolgerung, dass die am 5. November 1941 fotografierten Modelle das Ergebnis eines Neugestaltungsprojektes für Wien waren, das aus einer Zusammenarbeit zwischen dem Büro des Reichsarchitekten Dustmann und dem Stadtbauamt der Stadt Wien hervorging. Das Stadtbauamt war mit dem Teilprojekt Südstadt betraut, Dustmann hatte die Planung der Nordstadt und der Innenstadt über. Von beiden Stellen wurde außerdem je ein Vorschlag – in einer Art 105 Verbauungsstudie Triesterstraße – Favoritenstraße: WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, 1941, Schachtel 128 – IV/1514 /41 (27. Oktober 1941). 74 | November 1941 – „Projekt 11.41“
Wettbewerb – für die Neugestaltung der Baldur-von-Schirach-Insel und des Nordbahnhofs entwickelt. Die Frage, warum die Planung des „Projektes 11.41“ als Kooperations- bzw. Konkurrenzprojekt ausgeführt wurde, muss an dieser Stelle offenbleiben, man kann allerdings annehmen, dass die schon seit längerer Zeit andauernden Unstimmigkeiten zwischen Reichsarchitekt und Stadtbauamt dazu führten. Nicht zu vergessen ist die große Anzahl an Planern, die für diese imposante Studie notwendig war. Vielleicht war es der gemeinsame Versuch – von Gauleiter und Bürgermeister – eine schon längst fällige produktive Zusammenarbeit zwischen der Gauleitung (Nordstadt) und der kommunalen Ebene (Südstadt) zu initiieren. Gleichzeitig kann es aber auch als ein Wettbewerb (Nordbahnhof und Baldur-von-Schirach-Insel) zwischen zwei Planungskonkurrenten betrachtet werden, über dessen „Schiedsrichter“ man nur Mutmaßungen anstellen kann.
Fazit | 75
Abb. 48: Ingrid Holzschuh, Gauforum nach dem „Projekt 11.41“ von Hanns Dustmann, Lageplan, Jänner 2006 (angefertigt nach dem Baumodell des „Projektes 11.41“ und auf Grundlage des gegenwärtigen Stadtplangrundrisses).
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6 Das Wiener Gauforum von Hanns Dustmann
6.1 Rekonstruktion Der Umstand, dass für eine Analyse des Projektes von Hanns Dustmann jegliche Plangrundlage fehlt, erforderte die Rekonstruktion eines Grundrisses. Auf Basis der vorhandenen Fotografien (Abb. 1 bis 10) und einem aktuellen digitalisierten Stadtplanungsgrundriss wurde mithilfe eines CAD-Programms ein Lageplan angefertigt, der die Planung von Dustmann schematisch darstellt (Abb. 48). Mit diesem Plan war es nun möglich, Verhältnisse und Abmessungen der geplanten Straßen und Gebäude nachzuvollziehen, die jedoch nur als Annäherung verstanden werden können.
6.2 Projektbeschreibung Die Schwerpunkte der Planung lagen in der Schaffung eines Parteizentrums und der Errichtung eines neuen Nordbahnhofs. Die weitläufige Aufmarschstraße und das neu angelegte Gauforum sollten die von der Partei geforderte Repräsentation verkörpern. Die vom Donaukanal bis zur Donau führende Monumentalstraße (Hauptachse) erreicht eine lichte Breite von ca. 95 Metern. Die Lage ist normal zur Donau ausgerichtet und wäre nicht als direkte Verlängerung des Ringes, sondern zur Ringachse versetzt angelegt worden. Den Ausgangspunkt im Süden, nahe dem Donaukanal, bildet ein rechteckiger Platz. Von diesem ausgehend erstreckt sich die für die Machtdemonstration geplante Monumentalstraße über eine Gesamtlänge von etwa 1,5 Kilometern. Die Anordnung der Gebäudekomplexe erfolgt einzeilig auf beiden Seiten der Hauptachse. Im Norden wird die Hauptachse durch einen achteckigen Platz abgeschlossen, der gleichzeitig den Übergang und somit den Anfangspunkt zur an die Hauptachse normal angelegten Querachse bildet. Diese weist ebenfalls eine Breite von 95 Metern auf und führt Richtung Osten am neu projektierten Nordbahnhof vorbei und endet schließlich mit einer erreichten Gesamtlänge von 650 Metern in der heutigen Lassallestraße. Für den Ausbau der Querachse entschied sich Dustmann ebenfalls für eine einzeilige Gebäudeverbauung auf beiden Seiten.106
106 Im Gegensatz zum Vorschlag von Dustmann wurde im Projekt des Stadtbauamtes für die Verbauung der Querachse eine mehrzeilige Bebauung vorgesehen (Abb. 10). Projektbeschreibung | 77
Die Nebenachse der Planung, die parallel zur Hauptachse gelegt wird, stellt die Verlängerung der Symmetrieachse (Nord-Süd) des Nordbahnhofs dar. Vom Bahnhofsgebäude ausgehend führt diese über eine neu zu errichtende und breit angelegte Donaubrücke Richtung Norden. Als Verlängerung der Nebenachse über die Donau bildet diese die bestimmende Achse der baulichen Neugestaltung der Baldur-von-Schirach-Insel und schließlich der Nordstadt, wo sie ebenfalls die Funktion der bestimmenden Hauptsymmetrieachse übernimmt. Somit ist die Nebenachse als primäres Verbindungsglied der südlichen und nördlichen Donau-Uferbebauung zu verstehen. Das Herzstück des neuen Stadtteiles bildet jedoch die zur Hauptachse quer gelegte Forumsanlage. In einem von Baulichkeiten bestimmten Platzgefüge eingebettet, stellt diese Anlage das Gauforum der Stadt Wien dar. Das streng symmetrisch aufgebaute Forum wird im Gebiet des unbebauten Augartens angelegt, wobei dieses ein Ausmaß von ca. 200 x 400 Metern einnimmt. Mit dem Durchführen der Hauptachse durch die Forumsanlage schafft Dustmann einerseits deren Anbindung an die monumentale Aufmarschstraße, andererseits bedingt dies eine Zweiteilung des Forums (innerer und äußerer Forumsplatz). Der von der Monumentalstraße weggerückte, von Bauwerken gänzlich eingefasste Forumsplatz beschreibt den inneren Bereich der Anlage. Die Trennung des inneren Platzes zur Hauptstraße erfolgt mittels zweier im Grundriss rechteckiger Blöcke, die die Funktion des architektonischen Platzabschlusses übernehmen und damit eine Eingangstorsituation schaffen. Der dem Bauteil B in Richtung Osten angeschlossene Aufmarschplatz sollte ein Ausmaß von 200 x 230 Metern erreichen. Die westliche Begrenzung des inneren Forums wird von einem in mehrere Teile aufgegliederten Gebäudekomplex (Bauteil B) geformt, der symmetrisch zur Forumsachse aufgefädelt ist und das Gegenstück für die an der Ostseite geplante Kuppelhalle (Bauteil A) bildet. Die Begrenzung des streng gegliederten inneren Platzes gegen Norden und Süden erfolgt durch zwei Gebäude (Bauteil C und D). Zur Akzentuierung des Platzzentrums war die Errichtung eines Brunnens oder Fahnenmastes geplant. Der zweite Teil der Forumsanlage definiert den Bereich vor der Gauhalle. Der als äußerer Forumsplatz bezeichnete Raum setzt sich aus dem nach Westen angelegten Vorplatz der Kuppelhalle und dem sich aus der Durchführung der Aufmarschstraße ergebenden Straßenteil zusammen. Im Süden und Norden wird der Vorplatz der Halle von zwei symmetrisch angeordneten Bauten begrenzt. Die Schließung der Platzfassade und somit die Einbindung der Hallenfassade in das Platzgefüge erfolgen durch seitlich angeordnete Kolonnadengänge. Ein weiterer Schwerpunkt der Planung südlich der Donau lag in der Neugestaltung des Nordbahnhofs (Bauteil H). In der Planung von Dustmann nahm das Hauptgebäude des Nordbahnhofs eine Dimension von ca. 190 x 200 Metern ein.107 Als flach und breit angelegter Kubus stellt dieser das Hauptgebäude der Querachse dar. Im Norden des Bahn107 Wie schon im Kapitel 5 erwähnt, gab es für die Planung des Nordbahnhofs zwei Vorschläge (Abb. 9 und 10). Im Wesentlichen unterscheiden sich diese in der Anordnung der Gebäudekomplexe rund um das Hauptgebäude. Die Größe und die Lage des Bahnhofs wurden für beide Planungen annähernd gleich gewählt. 78 | Das Wiener Gauforum von Hanns Dustmann
hofsgebäudes legt Dustmann einen schmalen im Grundriss abgestuften Vorplatz an, mit dem er die Hauptfront von der Straße wegrückt. An der Südseite wird dem Bahnhof ein rechteckiger Platz vorgelagert, von dem aus eine neue Straßenverbindung zur Nordbahnstraße geschlagen wurde.
6.3 Städtebauliche Analyse Das Projekt der Neugestaltung des innerstädtischen Gebietes von Hanns Dustmann ist in zwei Planungsbereiche zu unterteilen. Der erste Bereich umfasst die Planung einer Forumsanlage und monumentalen Hauptaufmarschstraße. Der Nordbahnhof und dessen vorgelagerte Monumentalstraße bilden den zweiten Bereich der Planung. Dustmann trennt die beiden Bereiche durch die im rechten Winkel zueinander gelegten Achsen. Mit dem Einfügen eines achteckigen Platzes als Verbindungsgelenk zwischen beiden Bereichen schafft er jedoch einen geordneten und fließenden Übergang. Der 1. Bereich der Planung, dessen Richtung durch die Hauptachse definiert ist, wird von Dustmann nicht in der direkten Verlängerung des Ringes gesetzt. Er verschiebt seine neue Achse und legt einen rechteckigen Platz (1. Platz) an den Beginn der Hauptachse, der den notwendigen Übergang von der verlängerten Ringstraße zur Hauptaufmarschstraße definiert. Die zueinander versetzten Straßenachsen ermöglichen die Schaffung eines in sich abgeschlossenen und von der Altstadt abgekoppelten Stadtraums, in dem die neuen Bauten der Partei angesiedelt werden. Der von Dustmann geplante 1. Platz stellt das Verbindungsglied zwischen altem und neuem Zentrum dar und bildet gleichzeitig den südlichen Ausgangspunkt der Hauptachse. Damit grenzt er die neue Aufmarschstraße räumlich ein und trennt diese vom bestehenden Stadtgefüge. Den südlichen Endpunkt der Hauptachse akzentuiert Dustmann mit einem Repräsentationsgebäude (Bauteil E), das dem Donaukanal und dem bestehenden „alten“ Zentrum bewusst die Rückseite zeigt und damit die Intention der Schaffung eines „neuen“ in sich abgeschlossenen Stadtteils unterstreicht. Die bewusste Abgrenzung des 1. Platzes zur Aufmarschstraße hin erfolgt mit Fassadenvorsprüngen und der Höhenstaffelung der Verbauung. Von diesem ausgehend, wird der Besucher des neuen Zentrums über die Monumentalstraße in die Forumsanlage geleitet. Die Ausgestaltung der zur Hauptachse symmetrisch angeordneten Straßenfassaden ist im Modell nicht ausgeführt. Es ist lediglich die Betonung von Gebäudeecken erkennbar, die von Dustmann durch hervortretende Gebäuderisalite geschaffen wird. Diese Eckbetonung erlangt ihren Höhepunkt in der Eingangssituation des Gauforums. So erheben sich an den vier Eckpunkten des Überganges von der Aufmarschstraße zum Gauforum breit angelegte, turmartig wirkende Gebäude. Dustmann weist ihnen die Funktion eines Eingangsportals zu und setzt damit die Raumgrenze zwischen Gauforum und Monumentalstraße fest. Der damit fast allseitig umschlossene Hauptraum der Planung definiert das Gauforum. Das Einfügen zweier zur Forumsachse symmetrisch angeordneter, hochgezogener Blöcke erlaubt Dustmann einen inneren Bereich der Anlage auszubilden und damit den Aufmarschplatz zu schaffen. Wie Städtebauliche Analyse |
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im Modell (Abb. 1) erkennbar, wird der Hauptbezug von Gauhalle zu Aufmarschplatz durch die gewählte Anordnung der beiden Türme nicht gestört. Bei der Gebäudegestaltung des nördlichen Teiles der Monumentalstraße wählt Dustmann ein einheitlich wirkendes Bild, das durch eine konforme Bauhöhe und Bauform vermittelt wird. An der linken Straßenseite durchbricht Dustmann jedoch dieses Bild und setzt ein erhöhtes, blockhaft wirkendes Gebäude (Bauteil F) in die Straßenverbauung. Hier will Dustmann ein Pendant zur gegenüberliegenden Öffnung schaffen, die durch die Straßeneinführung der Nordbahnstraße bedingt ist. Da sich hinter der linken Straßenzeile die Gleisanlagen befinden, musste er von einer Verlängerung und somit Weiterführung der Nordbahnstraße absehen. Um die Symmetrie der Monumentalstraße nicht zu stören, hätte Dustmann die Lücke zum Geleise offen lassen müssen. Dies würde aber bedeuten, dass der erste Blick des Straßenpassanten, der von der Nordbahnstraße in die Hauptachse einmündet, in einen undefinierten, nach hinten offenen Raum fällt. Dustmann entscheidet sich für eine Verbauung der Baulücke. Der von ihm gewählte Gebäudetypus unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem der übrigen Straßenbebauung. Mit dieser Wahl umgeht Dustmann die Störung seines streng symmetrisch, an beiden Seiten angeordneten Bautenensembles und schafft einen in sich abgeschlossenen Baukörper, der als Gegenüber der offenen Straßeneinmündung fungiert. Der nördliche Raumabschluss der Monumentalstraße erfolgt mit einer architektonisch ausgebildeten Straßenverengung. Die in der Richtung der Hauptachse fortsetzende schmale Straße wird über das Zentrum des achteckigen Platzes (2. Platz) geführt und erstreckt sich über eine neue Donaubrücke in Richtung Norden. Im Bereich des Schnittpunktes von Haupt- und Querachse legt Dustmann einen achteckigen Platzraum an, dessen Mitte von einer monumentalen Figur akzentuiert wird. Die offenen Nord-, Süd- und Ostseiten des 2. Platzes werden von den Straßeneinmündungen der beiden Achsen bestimmt. Die Abgrenzung des Platzinnenraumes zu den breit angelegten Straßenführungen löst Dustmann mit der Schaffung verjüngender Torsituationen. Da von einer Weiterführung der Querachse Richtung Westen abgesehen wurde, besetzt Dustmann die Westseite des Platzes mit einem erhöhten Bau (Bauteil G), der das Hauptgebäude des 2. Platzes repräsentiert. Gleichzeitig fungiert dieses Gebäude auch als Kopfbau bzw. Anfangspunkt der Querachse. Der zweite Hauptteil der Planung umfasst den Bereich vor dem neuen Nordbahnhof. Die maßgebliche Ausrichtung der Bahnhofsanlage erfolgt im Verlauf der Nebenachse in Richtung Norden. Die Querachse übernimmt lediglich die Verbindungsfunktion der beiden Nord-Südachsen. Der Bahnhof ist das Hauptgebäude der Querachse und gleichzeitig Ausgangs- bzw. Endpunkt der durch ihre Breite gekennzeichneten Hauptstraße in den Norden. Auch diesem wichtigen Repräsentationsbau ordnet Dustmann einen über die gesamte Breite der nördlichen Bahnhofsfassade ausgedehnten Platz (3. Platz) zu. Die Tiefe des Platzraumes setzt sich aus dem im Grundriss abgestuften Vorplatz des Bahnhofs, der gesamten Straßenbreite der Querachse und der Gebäudetiefe der nördlichen Quer achsenverbauung zusammen. Die am Donauufer in Richtung der Nebenachse angeord80 | Das Wiener Gauforum von Hanns Dustmann
neten symmetrischen Bauteile leiten den fließenden Übergang in die Achse ein. Mit dem Versetzen der Ufergebäude zur Baufluchtlinie der beiden Querachsenbauten schafft Hanns Dustmann erneut eine Torsituation und definiert damit den Abschluss des 3. und letzten Platzes seiner innerstädtischen Planung.
6.4 Der Städtebau im Nationalsozialismus Sowohl die raumplanerischen als auch die architektonischen Ordnungen des Nationalsozialismus zielten auf einen inszenierten Raum, der nur einen begrenzten Platz an individueller Bewegungsfreiheit ließ. Die vorgegebenen Bewegungsrichtungen und Blickachsen, die durch die Anbringung symbolischer Zeichen der Partei (Statuen, Reliefs, Fahnen etc.) noch zusätzlich markiert wurden, gliederten nicht nur den öffentlichen Raum, sondern sie stellten ein Koordinatensystem her, in dem das Individuum seinen Platz zugewiesen bekam. Bereits im späten 19. Jahrhundert formulierte der Wiener Städteplaner Camillo Sitte (1843–1903) in seinem viel beachteten Werk „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“108 seine Forderungen zur Platzgestaltung. Wie für viele nachfolgende Stadtplaner waren die Grundsätze Sittes auch in den Planungen der Nationalsozialisten richtungweisend: die Übereinstimmung zwischen Stadtplätzen und den anliegenden öffentlichen Gebäuden, das Freihalten der Platzmitte, die Aufstellung von Monumenten und Brunnen auf den toten Punkten des Platzverkehrs und die Geschlossenheit der Plätze.109 Der Platz nahm in der architektonischen Ordnung der Nationalsozialisten einen besonderen Stellenwert ein. Im Gegensatz zum „Fluss“ der Straße, der von Bewegung und Vorwärtskommen im Alltag bestimmt war, fungierte der Platz für sie als Träger der Ruhe. Er formte den notwendigen Rahmen für ihre geplanten Feierlichkeiten und bekam somit auch eine politische Funktion – „das politische Wollen eines Landes bestimmt auch die städtebauliche Gestalt“110. Wie auch Sitte gingen die NS-Planer immer wieder der Frage der richtigen Proportionierung des Platzes nach. Vor allem bei den Aufmarschplätzen war die Zahl der unterzubringenden Menschen maßgeblich für die Wahl der Flächengröße. Daneben spielten aber auch die Breite der einmündenden Straßen, die Höhe der die Platzwand bildenden Gebäude und die Größenabmessungen des Hauptbaus eine wesentliche Rolle.111 Die Einleitung des Artikels von Erich Böckler, der im Jahr 1940 im Zentralblatt der Bauverwaltung veröffentlicht wurde, kann wohl am besten die Hauptintention des Städ108 Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen: ein Beitrag zur Lösung modernster Fragen der Architektur und monumentalen Plastik unter besonderer Beziehung auf Wien (Wien: Graeser, 1889). 109 Erich Böckler, „Von deutschen Plätzen“, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, 60. Jg./Heft 41, Berlin, 9. Oktober 1940, S. 664. 110 Ibid. 111 Eine genaue Beschreibung und Ableitung der notwendigen Abmessungen befindet sich im Artikel von Erich Böckler im Zentralblatt der Bauverwaltung, S. 663–670. Der Städtebau im Nationalsozialismus |
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tebaus im Nationalsozialismus wiedergeben: „Die Plätze und Straßen mit ihren ‚Wänden‘ sind nicht nur die Adern und Blutgefäße des Stadtkörpers: Erst durch sie ist seine künstlerische Form möglich. [...] Grundriss und Aufbau stehen beide im Dienste einer Vielheit von Menschen – der Bewohner der Stadt.“112 Auch in der Planung des Wiener Projektes von Hanns Dustmann wird das Wechselspiel zwischen Platz und Straße zum maßgeblichen Leitmotiv, das sich in der Abfolge von Platz- und Straßenräumen abzeichnet. Diese „Räume“ werden von Dustmann durch eine gezielte Anordnung der Architektur definiert und aufeinander abgestimmt. Es scheint nichts dem Zufall überlassen zu sein, sondern es wird ein bestimmtes Programm umgesetzt. Kann in der Umsetzung dieses Programms in der Wiener Planung von einem individuellen Vorschlag Hanns Dustmanns ausgegangen werden? Inwieweit hält sich Dustmann an bereits bekannte Leitbilder des nationalsozialistischen Städtebaus?
6.5 Das Städtebauprojekt in Wien von Hanns Dustmann: Individualität oder Konformität? Da für ein städtebauliches Projekt die Topografie und der so weit vorhandene Baubestand des Bauplatzes als Hauptparameter gelten sollten, kann in der Gesamtkomposition des Wiener Neugestaltungsprojektes von Hanns Dustmann grundsätzlich von einem individuellen Vorschlag ausgegangen werden. Doch inwieweit die Planung der einzelnen Gestaltungs- und Bauelemente dieser Komposition von Hanns Dustmann persönlich oder von städtebaulichen Vorgaben des NS-Regimes bestimmt ist, soll anhand von Vergleichsbeispielen aus dem Bereich des nationalsozialistischen Städtebaus belegt werden. Die Vergleichsanalyse des Hauptbauteils der Planung, der Gauhalle, wird in einem eigenen Kapitel (siehe Kapitel 7) behandelt. Die unumstrittene und grundsätzliche Vorbildwirkung der „Großen Halle“ von Albert Speer in der Ausgestaltung der Wiener Gauhalle zeigt die starke Einflussnahme der Berliner Neugestaltung auf das Dustmann’sche Projekt. So findet man auch im zweiten Hauptbau der Wiener Planung, dem Nordbahnhof (Abb. 49), starke Analogien zum Berliner Vorbild des Südbahnhofs (Abb. 50). Hanns Dustmann plant geradezu eine Kopie des Berliner Bahnhofs. Er übernimmt nicht nur die im Grundriss fast quadratisch angelegte Bauform, sondern entscheidet sich auch für die an beiden Seiten abgestuften Vorbauten, die die blockhafte Wirkung des Gebäudes abschwächen. Wie in Berlin wird auch in Wien den beiden Hauptfassaden ein Platz vorgelagert. Im Gegensatz zu Speer, der die Mittelachse der Hauptfassade mit einem aus der Fassade hervortretenden Mittelrisalit akzentuiert, wählt Dustmann eine zur Mitte hin führende Abstufung des Vorbaus. Neben den beiden Hauptbauten kann auch in der Ausgestaltung der Platz- und Straßensituationen ein allgemeines städtebauliches NS-Repertoire in der Wiener Planung von 112 Ibid., S. 663. 82 | Das Wiener Gauforum von Hanns Dustmann
Abb. 49: Hanns Dustmann, „Projekt 11.41“, Ausschnitt Nordbahnhof, 5. November 1941.
Abb. 50: Albert Speer, Neugestaltung der Reichshauptstadt Berlin, im Vordergrund der Südbahnhof, 1937–1944.
Das Städtebauprojekt in Wien |
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Abb. 51: Wilhelm Kreis, Gauforum Dresden, Modell Gesamtansicht (zweite Projektphase), 1938/39.
Dustmann nachgewiesen werden. Bei der Ausformulierung von Platzformen griff Dustmann auf bereits Bekanntes zurück. Die achteckige Form des 2. Platzes ist schon in den Berliner Plänen Albert Speers zu finden. Die Akzentuierung der Mitte durch einen Brunnen oder eine übergroße Plastik als vertikales Element wird in beinahe jeder städtebaulichen Planung des Nationalsozialismus aufgegriffen. Als Vergleich für die Gebäudedisposition des Gauforums, dem Herzstück der Dustmann’schen Planung, kann hier eine der bekanntesten Gauforenplanungen des Nationalsozialismus angeführt werden: das Dresdner Gauforum (Abb. 51). Der Architekt Wilhelm Kreis entwarf 1938/39 ein Parteizentrum, das an einer Hauptaufmarschstraße liegt. Kreis positioniert zwei monumentale Bauten auf der zur Hauptachse quer gelegten Forumsachse und bestimmt damit die Hauptrichtung der Forumsanlage. Die beiden anderen Seiten stattet er mit verschiedenen Bauten aus und erzielt so einen nach allen Seiten hin abgeschlossenen Raum, das Gauforum. Der dadurch entstandene Platz sollte als Aufmarschfläche für Feierlichkeiten genutzt werden. Um die gewaltige Fläche zu gliedern, verwendet Kreis keinen einheitlichen Belag, sondern wechselt rasterförmige Rasen- und Plattenflächen regelmäßig miteinander ab.113 Die Planung des Wiener Forums stimmt mit den grundsätzlichen Ideen des Forums von Wilhelm Kreis überein. Im Gegensatz zu Kreis legte Dustmann jedoch den Hauptbau der Anlage, die Gauhalle, nicht in den inneren Bereich des Forums, sondern setzt ihn an die Aufmarschstraße. Das erstmals in der Berliner Planung von Speer aufgegriffene Thema des Triumphbo113 Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht: zur nationalsozialistischen Architektur und Stadtplanung (Berlin: Verlag Bauwesen, 1999), S. 155. 84 | Das Wiener Gauforum von Hanns Dustmann
gens, den er nach einem persönlichen Entwurf von Hitler gestaltete (Abb. 34), wurde in der Wiener Planung von Dustmann neu interpretiert. An die aus der Verschneidung der Aufmarschstraße und dem Gauforum resultierenden Schnittpunkte setzt Dustmann vier Eckbauten an. Diese können als Pfeiler zweier Eingangstore in das Gauforum interpretiert werden. Für die architektonische Ausformulierung der vier Bauteile rezipierte Dustmann bewusst die Pfeiler eines Triumphbogens. Neben der monumentalen Wirkung der Bauteile spricht vor allem der Grundriss mit den nach innen gekehrten Ecken für eine Anlehnung an das Berliner Vorbild. Die Vergleichsanalyse zeigt, dass das Regime nicht nur die Funktion der Neugestaltung der Städte vorgab, sondern auch städtebauliche Lösungen als Leitbild festlegte. Dustmann bewies in seinem Neugestaltungsprojekt für Wien, dass er das städtebauliche Handwerkszeug des Nationalsozialismus beherrschte. Er bediente sich einer Gerätschaft, die schon lange vor seiner Ankunft in Wien unter den Städtebauern des Dritten Reiches erprobt worden war. Die Handschrift von Hanns Dustmann im Wiener Projekt kann daher weniger im städtebaulichen Konzept als vielmehr in einer individuellen, von ihm formulierten Ausgestaltung der einzelnen architektonischen Bauteile nachgewiesen werden. Eine genaue Analyse des Hauptbaus – der Gauhalle – zeigt neben dem allgemein gültigen Städtebauleitbild des Regimes auch eine individuelle, von Dustmann bestimmte Ausformulierung der Forumsarchitektur.
Das Städtebauprojekt in Wien |
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7 Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
Der Hauptbau der Dustmann’schen Planung in Wien sollte von einem in der Nähe des Augartens geplanten Zentralbau repräsentiert werden. Warum entschied sich Dustmann gerade für diese Bauform? Die Planung der Großen Halle von Albert Speer in Berlin gab dem Bautypus des Zentralbaus in der nationalsozialistischen Architektursprache eine grundlegende Bedeutung. Nachfolgende Planungen im Nationalsozialismus nahmen die von Speer für seine Volkshalle gewählte Form auf. Der Architekt Hermann Giesler etwa folgte der Formwahl Speers und wählte 1941 für die Halle der Partei in Linz (Abb. 52) diesen Bautypus. Auch in Wien entschied sich der aus Berlin stammende Architekt Pöcher im Jahr 1938 (Abb. 14) für eine als Zentralbau ausgeführte Halle.
Abb. 52: Hermann Giesler, Neugestaltungsplanung Linz, Halle der Partei, 1941.
Folgte Dustmann mit seiner Wahl dem Vorbild seines Mentors Albert Speer und dessen Planung der Großen Halle in Berlin? Oder führte er einen in früheren Planungen von Pöcher im Jahr 1938 entwickelten Gedanken eines großen Zentralbaus in Wien fort? Aber ein Blick auf die spezifische Wiener Architekturgeschichte wirft auch die Möglichkeit nach regionalen Vorbildern auf, wie der von Josef Hannich entworfene Zentralbau zum Ausbau und zur Vollendung des Kaiserforums aus dem Jahre 1912 (Abb. 61) deutlich macht. Dieser Entwurf könnte ein mögliches Beispiel eines Wiener Vorbildes für Dustmanns Halle darstellen. Zuschreibung und Beschreibung |
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7.1 Die Große Halle von Albert Speer in Berlin Den Entschluss zur Ausarbeitung der Pläne für die Große Halle in Berlin fasste Hitler im Sommer 1936. An seinem 50. Geburtstag, dem 20. April 1939, übergab ihm Speer schließlich die Pläne und ein erstes Modell für dieses Monument faschistischer Macht. Über diese Plandokumente, die auf Grundlage einer Ideenskizze von Hitler aus dem Jahr 1925 entstanden waren, schrieb Speer: „Er war begeistert, beanstandete lediglich, daß ich die Pläne mit der Formel unterzeichnet hatte: ‚Ausgearbeitet nach den Ideen des Führers.‘ Denn ich sei der Architekt, so meinte er, und mein Beitrag zu diesem Bau sei höher zu bewerten als seine Ideenskizze von 1925. Es blieb jedoch bei dieser Formel, und Hitler mag meine Weigerung, für seinen Bau die Urheberschaft in Anspruch zu nehmen, mit Genugtuung aufgenommen haben.“114
Innenansicht Der überkuppelte Zentralbau (Abb. 53) wurde über einem quadratischen Grundriss geplant. Eine vorgelagerte Säulenhalle markiert den Haupteingang. Im Zentrum dehnt sich eine offene Kreisfläche mit einem Durchmesser von 140 Metern aus. Im Anschluss daran erstrecken sich die in einer Ringform abgestuften Tribünen bis zu einer Höhe von 30 Metern. Dem Eingang gegenüber befindet sich eine 50 Meter hohe und 28 Meter breite mit Goldmosaik ausgekleidete Nische. Vor dieser, auf einem 1 Meter hohen Sockel
Abb. 53: Albert Speer, Große Halle in Berlin, Schnitt, 1937. 114 Albert Speer, Erinnerungen, 1969, S. 167. 88 | Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
platziert, ragt ein vergoldeter Reichsadler mit einem eichenlaubumkränzten Hakenkreuz empor. Direkt darunter steht das Rednerpult, von dem aus Hitler seine Botschaften an das Volk richten sollte. Speer schrieb: „Ich versuchte, diesen Platz architektonisch herauszuheben, aber hier zeigte sich der Nachteil maßstabslos gewordener Architektur: Hitler verschwand in ihr zu einem optischen Nichts.“115 Durch die Anordnung Eingang – Nische wird der Blick des Betrachters beim Betreten der Halle, direkt über das Zentrum hinweg, auf die Hauptnische mit dem Reichsadler bzw. zum Rednerpult Hitlers geleitet. Der Durchmesser des fast kugelförmigen Innenraumes beträgt 250 Meter und die Kuppel sollte sich in eine Höhe von 220 Metern erheben. Der Kuppelansatz befindet sich 98 Meter über dem Fußboden. Bereits das Opaion der Kuppel mit einem Durchmesser von 46 Metern hätte den der gesamten Pantheon-Kuppel übertroffen. Die massige Wirkung der Kuppelinnenschale sollte durch die Zergliederung der Fläche in Kassettenformen abgeschwächt werden.
Außenansicht In der Außenansicht (Abb. 54) gliedert sich die Halle in zwei Baukörper: den quadratischen Unterbau und die darüber breit aufgesetzte Kuppelform. Die voluminöse Erscheinung des Unterbaus wird durch die aus der Fassade hervortretenden Eckrisalite abgeschwächt. Der quadratische Kubus erstreckt sich insgesamt über eine Länge von 315 Metern und eine Höhe von 74 Metern. Den obersten Abschluss bildet ein durchgehend
Abb. 54: Albert Speer, Große Halle in Berlin, Modellansicht. 115 Ibid., S. 168. Die Große Halle von Albert Speer in Berlin |
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feingliedriger Fries. Der sich zum Platz hin öffnende Haupteingang ist als Säulenhalle gestaltet, die an den Portikus eines griechischen Tempels erinnert. Die breit vorgelagerte Treppenanlage wird an beiden Seiten mit 15 Meter hohen Plastiken flankiert. Schon bei den ersten Entwurfsskizzen zum Bau wurde von Hitler der allegorische Inhalt festgelegt: Atlas, der Träger des Himmelsgewölbes steht Tellus, dem Träger der Weltkugel, gegenüber. Himmel und Erde sollten mit Email überzogen und die Sternbilder dazu in Gold eingelegt werden.116 Der über dem Unterbau ruhende Baukörper setzt sich aus einem 20 Meter hohen Pfeilerkranz und einer Kuppelform zusammen. Den oberen Abschluss bildet eine Laterne, die von einem Adler, ursprünglich auf einem Hakenkreuz sitzend, bekrönt ist. Im Frühsommer 1939 kündigte Hitler bei Speer jedoch die Abänderung der Bekrönung an. Anstelle des Hakenkreuzes sollte die Weltkugel gesetzt werden: „Hier soll nicht mehr der Adler über dem Hakenkreuz stehen, hier wird er die Weltkugel beherrschen! Die Bekrönung dieses größten Gebäudes der Welt muß der Adler über der Weltkugel sein.“117 Einige Monate danach begann der Zweite Weltkrieg.
7.2 Die Wiener Kuppelhalle von Pöcher Die erste große Wiener Hallenplanung im Nationalsozialismus trat in den Neugestaltungsplänen des Berliner Architekten Pöcher im Jahr 1938 auf, der dem Beispiel der Reichshauptstadt folgend auch für Wien eine als monumentalen Zentralbau ausgeführte Versammlungshalle plante. Entgegen dem Berliner Vorbild bildet Pöcher den Grundriss des Unterbaus als Kreisform und nicht als Quadrat aus und unterteilt diesen horizontal in drei Zonen. Die erste Zone, die Hauptfassade, ist durch den als Säulenhalle ausgebildeten Haupteingang bestimmt. Im Anschluss daran alternieren Doppelsäulen mit Rundbogenöffnungen und rechteckigen Fensteröffnungen, die in ihrer Anordnung der Kreisform des Grundrisses folgen. Die Trennung der ersten und zweiten Zone erfolgt durch ein massives Hauptgesims. Die Fenster- bzw. Nischenöffnungen werden in der verlängerten Achse der unteren Gliederung weitergeführt. Es folgt wiederum ein hohes Gesims, das die Trennlinie zur obersten Zone des Unterbaus bildet, die analog zu dem Berliner Vorbild als hoher Säulenkranz ausgeführt ist. Dieser sollte den Übergang zu der als Rippenkuppel ausgebildeten, weit gespannten Überdachung einleiten. Um eine Belichtung des Inneren zu gewährleisten, durchbricht Pöcher die Kuppel mit hochgezogenen Fensteröffnungen. Auf den höchsten Punkt setzt er eine Laterne, die mit einem Adler, auf einer Kugel sitzend, bekrönt ist. Auch hier war der unmittelbare Bezug zu Berlin gegeben.
116 Ibid. 117 Ibid., S. 175. 90 | Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
Abb. 55: Architekt Pöcher, Neugestaltung Wien, Grundriss Kuppelhalle, März 1938.
Abb. 56: Architekt Pöcher, Neugestaltung Wien, Aufriss Kuppelhalle, März 1938. Die Wiener Kuppelhalle von Pöcher |
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Das Spezifische in Pöchers Vorschlag zeigt sich in der Ausgestaltung des Eingangsbereiches. Der Grundriss der Halle gibt darüber genauen Aufschluss (Abb. 55).118 Dieser zeigt, dass die im Aufriss (Abb. 56) einheitlich wirkende Gestaltung der Fassadenfront der ersten Zone des Unterbaus von Pöcher „konstruiert“ ist: Für den Hauptbau wählt er die Kreisform, die vorgelagerte Säulenhalle, das Verbindungsglied zwischen Halle und Platz, bildet er als Rechteck aus. In streng symmetrischer Anordnung werden vor dem Haupteingang zwei im Grundriss quadratische Türme positioniert. Im Ansichtsplan der Hauptfassade wirken diese wie hervorspringende Eckelemente, die ein Teil des Hauptbaus zu sein scheinen. Pöcher konstruierte diese Ansicht für jene Betrachter, die vom Platz aus in den Kuppelbau schreiten. Die beiden Türme leiten den Übergang zwischen dem Hauptbau und dem platzumfassenden Kolonnadengang ein. Die damit geschaffene Torsituation wird jedoch erst beim Durchschreiten wahrgenommen. Nur vom Platz aus betrachtet erscheint die Fassade als einheitliches Ganzes.
Innenansicht Im Innenraum der Kuppelhalle (Abb. 14) sind kaum spezifische Lösungsansätze erkennbar, zu groß ist die Anlehnung an die Planung von Speer. Im Unterschied zu Berlin wird bei Pöcher die Kuppelschale von Fensteröffnungen durchbrochen. Die Anordnung der Tribünen und die als Altar in Erscheinung tretende Nische stellen eine unverfälschte Kopie der Berliner Planung dar.
7.3 Die Wiener Kuppelhalle von Hanns Dustmann Das Foto des Baumodells (Abb. 57) zeigt einen Ausschnitt des Gesamtmodells, welches am 5. November 1941 fotografiert wurde. Der Betrachter des Fotos blickt aus der Vogelperspektive in Richtung Südwesten, von wo der Blick auf den Aufmarschplatz und die Halle freigegeben wird. Da dieses Modell für eine städtebauliche Studie hergestellt wurde, sind die Fassadengestaltungen der einzelnen Gebäude ungenau. Die um den Platz angeordneten Bauwerke weisen keinerlei Fassadengliederung auf und sind mittels einfacher Bauklötze wiedergegeben. Die Fassade der Kuppelhalle hingegen ist bereits mit einer konkret formulierten Gestaltung dargestellt, die auf einen weit fortgeschrittenen Planungsverlauf hinweist. Die enormen Ausmaße der Halle und deren Bauteile ermöglichten dem Modellbauer in der maßstabsgetreuen Umsetzung die genaue Veranschaulichung von Details, wie Friese und Plastiken. Die Wahl des Ausschnittes und die exakte Darstellung weisen auf die große Bedeutung des Hauptbaus in der Planung von Dustmann hin.
118 Der Grundriss aus dem Landesarchiv Berlin (siehe Abbildungsnachweis) wird hier erstmals publiziert. 92 | Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
Abb. 57: Hanns Dustmann, Kuppelhalle, Ausschnitt Baumodell des Neugestaltungsprojektes Wien, Gauforum mit Nordbahnhof, 5. November 1941.
Außenansicht Der Kuppelbau überspannt eine Grundfläche von ca. 130 Metern im Quadrat. Der von Dustmann geplante Zentralbau ist aus insgesamt drei Baukörpern zusammengesetzt: dem quadratischen Unterbau, einem in einem kleineren Quadrat darübergelegten, beinahe gleich hohen Mittelbau und schließlich einer Kuppelform als Dacheindeckung. Den oberen Abschluss der Kuppel bildet auch bei Dustmann eine Laterne, die ebenfalls den Reichsadler als Bekrönung trägt. Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Hallenplanungen wählte Dustmann eine in das Innere des Gebäudes gelegte Säulenhalle. Die Eingangsfront wird nicht vorgelagert, sondern in die Ebene der Fassadenfläche eingeschrieben. Dustmann wollte offensichtlich die strenge Blockwirkung des Unterbaus nicht durch ein vorgelagertes Bauelement stören bzw. abschwächen. Dem sich zum Platz hin öffnenden Haupteingang ist eine breite Treppenanlage vorgelagert, die von zwei Bauplastiken auf hohen Sockeln flankiert wird. Die Betonung der Ecken erfolgt sowohl beim Unter- als auch beim Mittelbau mit stark aus der Fassadenfläche hervortretenden Eckrisaliten, die im Mittelbau noch zusätzlich mit der Anordnung von Bauplastiken akzentuiert werden. Im Unterbau formen sich diese beinahe zu Ecktürmen aus, sodass sie dem Eingang einen markanten Torcharakter verleihen. Als oberster Abschluss für beide Baukörper ist jeweils ein Fries gewählt, ausgeschmückt mit ornamentalen oder figuralen Elementen. Die Wiener Kuppelhalle Hanns Dustmann |
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In der Symmetrieachse des Mittelbaus ist eine halbkreisförmige Öffnung in die Fassadenfläche eingeschnitten, die analog zum darunterliegenden Eingang durch Säulen gegliedert wird. Der aus dem Rücksprung des Mittelbaus resultierende Terrassenbereich wird durch eine Brüstungsmauer eingefasst (sichtbar am Schattenbild am fotografierten Modell). Die Öffnung markiert somit den Ausgang zu einem Umgang, von dem aus man das gesamte Forum überblicken hätte können.
7.4 Individualität oder Konformität in der Hallenplanung von Wien? Der Umstand, dass die Hallenpläne von Pöcher noch jahrzehntelang nach Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft im Landesarchiv von Berlin als Variantenvorschlag der Großen Halle von Albert Speer gehandhabt wurden, beweist die täuschende Ähnlichkeit.119 Pöcher hielt sich weitgehend an dieses Vorbild in Berlin. Obwohl er in der Ausgestaltung der Eingangssituation eine individuelle Lösung fand, blieb er bei der Wahl der Baukörpergliederung seiner Berliner Vorlage treu. Im Gegensatz zu Pöcher entwickelte Dustmann in seiner Wiener Hallenplanung einen spezifischen Bautypus, der sich in keiner anderen bekannten NS-Planung findet, wobei jedoch die grundsätzliche Vorbildwirkung der Speer-Planung unumstritten bleibt. Die wesentlichen Analogien zu Berlin sind in der Ausbildung des massiven Unterbaus zu finden, wobei die Betonung der Ecken ein wesentliches Gestaltungselement darstellt. Mit der Ausgestaltung des Eingangsbereiches – mit der an beiden Seiten von Plastiken flankierten Freitreppe – wählte er ein bereits bekanntes Motiv. Im Gegensatz zu dem aus der Baufluchtlinie hervortretenden Säulenportikus der Großen Halle bleiben die Säulen in Wien in der Ebene der Fassade platziert. Den oberen Abschluss des Wiener Unterbaus bildet – vergleichbar mit Berlin – ein durchgehender feingliedriger Fries. Dieses Motiv wird auch beim Mittelbau wiederholt. Über den vier Ecken des Mittelbaus sind Bauplastiken analog der Großen Halle angebracht. Mit der etwas überhöht wirkenden Kuppel in Wien kann keinerlei Konformität zur breit aufgelagerten Berliner Form hergestellt werden. Dustmanns Errungenschaft lag nicht in der Ausgestaltung, sondern in der von ihm gewählten Gliederung des Bauwerks in drei Baukörper. Er fand seine eigene Lösung und entwickelte damit eine individuelle Form. Warum wendet sich Dustmann in der wesentlichen Formensprache, der Baukörpergliederung, von der Mustervorlage der Großen Halle ab? Wie bereits erwähnt, stellt die Literatur in dem gegenwärtig bekannten NS-Architekturrepertoire kein vergleichbares Beispiel vor. Dustmann versuchte offensichtlich aus der Konformität der üblichen Hallenplanungen auszubrechen und eine eigene Wiener Lösung zu finden. Das Interesse des Reichsarchitekten an individuellen, wienspezifischen Lösun119 In einem Gespräch mit Andreas Matschenz (Leiter der Kartenabteilung im Landesarchiv Berlin) am 18. Mai 2005 berichtete dieser, dass bis vor einigen Jahren die Planunterlagen von Pöcher als Variante der Großen Halle von Albert Speer geführt wurden. 94 | Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
gen spiegelte sich bereits in den von ihm als verbindlich angeordneten „Richtlinien für den Wohnhausbau“ 120, in denen er einen Rückgriff auf die alte Wiener Bautradition forderte.
7.5 Eine These: Die Wagner-Schule als Vorbild Unter den Architekten des NS-Regimes war die Vorliebe des Führers für die Planung des Kaiserforums in Wien von Gottfried Semper allgemein bekannt. Die Schließung des Heldenplatzes und damit einhergehend die Vollendung des Wiener Forums stellten im Nationalsozialismus eine wichtige Planungsaufgabe dar. Hanns Dustmann wurde persönlich mit der Planung zur Vollendung des Kaiserforums in Wien beauftragt. Der Kaiserforumsidee Sempers entsprechend schlug Dustmann die Schließung des Heldenplatzes vor (Abb. 58 und 59).
Abb. 58: Hanns Dustmann, Gestaltungs- und Bebauungsvorschlag für den Bereich Heldenplatz – Volksgarten, 1941/42.
120 WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 125 – IV/429/1941 (08. September 1941). Eine These: Die Wagner-Schule als Vorbild |
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Abb. 59: Hanns Dustmann, Heldengedenkstätte zwischen Volksgarten und Heldenplatz unter Verwendung des Theseustempels, 1941/42.
Zur Ringstraße hin sollte ein im Grundriss quadratischer Neubau errichtet werden, der – mit dem Namen „Haus des Führers“ – als Ausstellungsbau für zeitgenössische Kunst gedacht war. Die Reiterstandbilder von Anton Dominik von Fernkorn sollten unmittelbar vor der Neuen Burg aufgestellt werden. Den Abschluss gegen den Volksgarten hin bildet eine Heldengedenkstätte. Zu diesem Zwecke sollte der bestehende Theseustempel, der 1823 von Pietro Nobile als verkleinerte Kopie des Theseustempels in Athen erbaut wurde, auf einen 30 (!) Meter hohen Granitsockel umgesetzt werden.121 Naturgemäß setzte sich der Baureferent der Stadt sehr intensiv mit der Bauaufgabe der Vollendung des Kaiserforums auseinander. Es ist anzunehmen, dass sich Dustmann im Zuge der Entwurfsarbeiten seiner Heldenplatzplanung auch mit früheren Projekten der Wiener Architekturgeschichte beschäftigte. Bereits um die Jahrhundertwende konzipierten Otto Wagner – und in der Folge auch seine Schüler – umfangreiche Projekte zu dieser bedeutenden Bauaufgabe. Da Wagner bzw. dessen Schüler einen wichtigen Meilenstein in der Architekturgeschichte Wiens einnehmen, musste Dustmann diese Entwürfe gekannt haben. Vielleicht fand er gerade in diesen Kuppelhallenplanungen die Ausformulierung eines „Wiener Typus“, den er in seine Planungen übernahm. Otto Wagner entwarf 1880 mit dem Großprojekt „Artibus“122 eine Forumsanlage, dessen Hauptbau durch eine Kuppelhalle repräsentiert wurde (Abb. 60). Der Entwurf bein121 Klaus Steiner, „Ein Ring für 1000 Jahre – Wiener Ringstraßenplanungen 1938–1945“, 1984, S. 16–18. 122 Lateinisch: ars = die Kunst, artibus = den Künsten. 96 | Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
Abb. 60: Otto Wagner, „Artibus“, Vogelschau, 1880.
haltet einen Museumsbezirk, in dessen Zentrum am Fuß eines „Pantheons der Kunst“ ein künstlicher See liegt. In streng symmetrischer Anordnung wird dieser von Kolonnaden mit Triumphpforte, einem reich gegliederten Museumsflügel und einem adäquaten Bibliotheksflügel umschlossen. Das Herzstück der Anlage bildet das alles überragende Kuppelgebäude, das in seiner Positionierung mit den flankierenden, halbkreisförmigen Kolonnaden Vorbildcharakter für viele Entwürfe der Wagner-Schule hatte. Die Anordnung von Kaskaden bildet die Achse der ansteigenden Anlage im Hintergrund.123 Die Auseinandersetzung mit der Entwurfsaufgabe Forumsanlage mit zentralem Hauptbau übertrug sich auch auf die Schüler von Otto Wagner. Der Schüler Josef Hannich präsentierte 1912, zu einem Zeitpunkt, da man kaum noch an eine Vollendung der Semper’schen Idee glauben mochte, als Abschlussarbeit seines Architekturstudiums bei Otto Wagner einen Entwurf zum Ausbau und zur Vollendung des Kaiserforums. Anstelle der Hofstallungen plant er eine Hofkirche mit Kaisergruft (Abb. 61). Das Burgtor weicht einem Denkmal von Kaiser Franz Joseph. Mit der Hinzufügung eines Sakralbaus erweitert Hannich maßgeblich den ikonologischen Inhalt des Areals. Die Verlegung der Kaisergruft hätte dem Forum den fehlenden Memorialcharakter verliehen. Als Vorbild für seine Hofkirche wählt Hannich die Peterskirche in Rom mit ihren Kolonnaden, womit er seinem Bau eine Ikone der Architekturgeschichte gegenüberstellt. In der Ausführung und Ausgestaltung der Kirche lehnt sich Hannich stark an das Projekt seines Lehrers, der Kirche St. Leopold am Steinhof, an. Das Gesamtausmaß der Kaisergruft beträgt 70 Meter in der Höhe und 72 Meter in der Breite. Für den Grundriss wählt er eine Kreuzform, an die kurze Querarme angefügt sind. Sowohl im 123 Heinz Geretsegger, Max Peintner, Otto Wagner: 1841–1918, Unbegrenzte Großstadt, Beginn der modernen Architektur (Salzburg, Wien: Residenz-Verlag, 1983), S. 98. Eine These: Die Wagner-Schule als Vorbild |
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Abb. 61: Josef Hannich, Entwurf zum Ausbau des Kaiserforums in Wien, Perspektive der Hofkirche, 1912.
Aufriss als auch im Grundriss seines Sakralbaus entscheidet sich Hannich für die Grabeskirche des Apostelfürsten Petrus in Rom als Vorbild, wodurch die Bedeutung seines Bauwerkes noch unterstrichen wird. Einen direkten Einfluss auf die Planung der Kuppelhalle von Dustmann in Wien hatte vor allem die von Josef Hannich für die Ausgestaltungspläne des Kaiserforums entworfene Hofkirche. Im Vergleich der beiden Projekte von Dustmann und Hannich liegt die grundsätzliche Übereinstimmung in der dreiteiligen Baukörpergliederung in Unterbau, Mittelbau und Kuppel. Gleichzeitig scheint die Eckbetonung der Baukörper ein wichtiges Gestaltungskriterium zu sein. Eine direkte Übernahme von der Planung Hannichs in das Dustmann’sche Hallenprojekt kann in der im Mittelbau eingesetzten halbkreisförmigen Wandöffnung nachgewiesen werden. In der Auswahl der Proportion der Baukörper bleibt Dustmann seiner Architektursprache jedoch treu. Der feinen Gliederung Hannichs zog er die massige, blockhaft wirkende Formensprache seiner Kuppelhalle vor. Der von Otto Wagner in seinem Projekt Artibus eingeführte und von seinen Schülern übernommene Zentralbautypus prägte jedenfalls die Architekturgeschichte Wiens am Beginn des 20. Jahrhunderts. Dustmann sah möglicherweise gerade in den Entwürfen Hannichs einen spezifischen Wiener Typus einer Kuppelhalle, den er als Vorbild für seinen Entwurf übernahm. Unbeantwortet bleibt, ob Dustmann die Tradition des Zentralbaus in Wien weiterführen und mit der Anlehnung seines Entwurfs an das Projekt von Hannich den Bezug des nationalsozialistischen Gauforums zum Kaiserforum noch einmal unterstreichen wollte. 98 | Die Wiener Gauhalle von Hanns Dustmann
8 Das Gauforum – Die Forumsidee im Nationalsozialismus
8.1 Ein historischer Rückblick Immer wenn absolutistische oder totalitäre Regime nach adäquaten Ausdrucksformen suchten, waren imperiale Architekturzitate gefragt.124 Städtebauliche Inszenierungen versuchten die Aufmerksamkeit des Betrachters zu gewinnen. Mit einzelnen Bauwerken oder ganzen Ensembles sollte die hinter dem politischen System stehende Idee in Stein gefasst werden. Das Forum wurde zur abgeschlossenen Bühne, in der der notwendige Platz für politische Rituale und Zeremonien geschaffen wurde. Neben dem repräsentativen Zweck wurde aber, vor allem in der Zeit der Aufklärung, die öffentliche Zugänglichkeit und die Benutzung immer wichtiger. Hauptmerkmal der Forumsgestaltung war die axiale Ausrichtung, um die sich verschiedenartige Gebäude gruppierten, die durch architektonische Elemente in Bezug zueinander gesetzt wurden. Zur Zeit des Römischen Reiches hatte jede Stadt ein Forum, dessen Wurzeln in der Agora, dem griechischen Marktplatz, und der Akropolis lagen. Die ursprüngliche Funktion eines Forums war die eines Marktes, eines öffentlichen Versammlungsortes, an dem auch Rechtsgeschäfte abgewickelt wurden. Erst später verlagerte sich das Gewicht auf eine politische bzw. gesellschaftliche Repräsentationsbedeutung. Es war ein Ort der Kommunikation zwischen Volk und Herrscher, wobei auch die religiöse Komponente eine wichtige Rolle spielte. Ein Charakteristikum der Forumsanlage stellte die symmetrische Platzform dar, die meist von einem Tempel oder einer Basilika dominiert wurde.
8.2 Die neue Bauaufgabe – Entwicklung ab 1933 Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 war noch keine konkrete Umplanung der Gauhauptstädte zu repräsentativen Parteisitzen erkennbar.125 Man konzentrierte sich vorerst auf die Weiterführung der in den Zwanzigerjahren entwickelten Programme zur Altstadtsanierung und Stadtverschönerung. Bis 1937 war das Baugeschehen 124 Margaret Gottfried, Das Wiener Kaiserforum: Utopien zwischen Hofburg und MuseumsQuartier. Imperiale Träume und republikanische Wirklichkeiten von der Antike bis heute (Wien u. a.: Böhlau, 2001), S. 17. 125 Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht, 1999, S. 18. Die neue Bauaufgabe |
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Abb. 62: Hermann Giesler, Gauforum von Weimar, Modell Gesamtansicht, 1937.
in den Gauhauptstädten von einzelnen machtstrebenden Gauleitern abhängig, die durch die neuen, gesetzlich geschaffenen Rahmenbedingungen ihre Befugnisse auf die kommunale Ebene und somit auch auf die Stadtplanung ausdehnen konnten. Neben der Ausweitung der Machtbefugnisse der Gau- bzw. Reichsleiter, die dem Reichsministerium direkt unterstanden und damit unabhängig von der Kommunalebene agieren konnten, waren es vor allem zwei „Gesetze zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 7. April 1933 und das Gesetz über den „Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934,126 die auch den gesetzlichen Rahmen für diese Vormachtstellung schufen. In den Städten Weimar und Dresden wurde bereits Ende 1933 versucht, diese Machtposition der Partei im Stadtbild zu manifestieren. Die Initiatoren der neuen Bauprojekte waren der Gauleiter in Weimar und der Oberbürgermeister in Dresden, die höchsten Repräsentanten der Partei in der Stadt. Der Schwerpunkt der Planungen lag in der Schaffung von neuen Regierungssitzen für die Gauleiter und von neu eingerichteten Parteiinstitutionen. Die Partei sollte in beeindruckender, neuer Gestalt repräsentiert werden und damit die bestehenden Gebäude der Kommunalregierungen, die de facto dem Reichsstatthalter untergeordnet waren, auch in architektonischer Hinsicht „überragen“. Für Dresden und Weimar wurden Hitler bereits 1933/34 die ersten ausgearbeiteten Pläne persönlich vorgelegt. Hitler unterstützte in diesen Städten von Anbeginn an den Planungsprozess und bestimmte die adäquate architektonische Ausgestaltung der Gauhauptstädte mit. Man beschränkte sich vorerst – vergleichbar mit dem Ausbau des Königsplatzes zum Parteizentrum der NSDAP in München – auf die Planung einzelner Gebäude, wobei über eine übergreifende städtebauliche Ausgestaltung noch nicht nachgedacht wurde. Als vorrangigstes Thema wurde die Schaffung eines „Forums der Partei“ gesehen. 126 Ibid., S. 19. 100 | Das Gauforum
Abb. 63: Wilhelm Kreis, Gauforum Dresden, Modell Gesamtansicht (erste Projektphase), zweite Hälfte 1937.
Während in Weimar an die Errichtung eines reinen Partei- und Verwaltungsbezirks (Abb. 62) gedacht wurde (bestehend aus Gauhaus, Verwaltungsbauten und Kundgebungsplatz), wollte man in Dresden das Gauhaus in einem multifunktionalen Zusammenhang mit einer bestehenden Sportanlage und einer Versammlungshalle (für 30.000 Personen) errichten (Abb. 63).127 Dieser von Hitler beeinflusste und mitbestimmte Planungsprozess für Weimar und Dresden im Zeitraum von 1934 bis 1936 stellte eine für alle weiteren Gauhauptstadtplanungen bindende Weichenstellung dar, an die sich die Städte halten mussten. Der neue Bautypus des Gauforums war erschaffen. Mit der Präsentation der Planungen von Weimar und Dresden in den einschlägigen Bauzeitschriften und der „Ersten Deutschen Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung“ im Februar 1938 in München wurde der Prototyp des Gauforums der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt und auch propagiert. Das festgelegte Repertoire des neuen Bauprogramms umfasste eine Halle, einen Glockenturm, einen Kulturbereich zur Ehrung der „Toten der Bewegung“, ein Gauhaus bzw. eine Reichsstatthalterei und weitere Bauten für parteistaatliche Institutionen wie die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die alle um einen großen Aufmarschplatz angelegt wurden. Hiermit war die Funktion des Gauforums genau definiert und festgelegt, wobei den Planern in der Formgebung etwas Gestaltungsfreiheit eingeräumt wurde. Aber auch hier hatte man sich an den von der Partei als Vorbilder charakterisierten Parteibauten zu orientieren. Dem Hauptbau der Anlage, der Gauhalle, wurde eine besondere Bedeutung 127 Ibid. Die neue Bauaufgabe |
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zugeschrieben: die Ehrung der Volksgemeinschaft und die gleichzeitig damit verbundene Huldigung des Führers. Dieser mit hoher symbolischer Kraft belegte Bau bildete das Herzstück aller Forumsanlagen. Die gebaute Architektur sollte nicht nur eine ästhetische Repräsentation übernehmen, sondern der Bevölkerung eine neue Identifikation liefern.
8.3 Das Leitbild München – „Stadt der Bewegung“ Die in München von Hitler initiierten Großprojekte, das „Forum der Partei am Königsplatz“ (Abb. 64) und das „Haus der Deutschen Kunst“ gaben die zukünftigen Tendenzen in der Planungsgeschichte der Gauhauptstädte vor. Bereits im Mai 1933 begann man mit den Abrissarbeiten am Königsplatz und im Jahr 1934 waren die beiden Ehrentempel und 1937 der Führerbau fertiggestellt. Paul Ludwig Troost128 legte damit die Fundamente für nachfolgende städtebauliche und architektonische Überlegungen zur Planung zukünftiger Gauhauptstädte. Diese bestanden einerseits in der Schaffung eines Parteiforums im innerstädtischen Bereich – die Machtzentrale der Partei – und andererseits in der Festlegung eines einheitlichen Architekturstils, den es bis dato nicht gab. Troosts Architektursprache orientierte sich an einem klassischen Formenkanon. Erst später wurde der von Albert Speer in Nürnberg erstmals eingesetzte und propagierte monumentale Reduktionismus in der Architektursprache des Hitlerregimes richtungweisend.129
Abb. 64: Königsplatz mit Ehrentempel und Führerbau, München.
128 Paul Ludwig Troost war Hitlers erster Architekt. Er setzte den Standard des monumentalen Klassizismus im Deutschen Reich. Sein Stil wurde richtungweisend für die gesamten darauf folgenden Monumentalbauten. Nach seinem Tod im Jahr 1934 wurde Albert Speer sein Nachfolger. 129 Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht, 1999, S. 15. 102 | Das Gauforum
Um einerseits die generelle Forderung der Nationalsozialisten nach Machtdemonstration und Selbstdarstellung im Bereich der Architektur „parteigemäß“ bzw. „führergemäß“ ausführen zu können und andererseits den unkontrollierten Konkurrenzkampf der Gauhauptstädte einzudämmen, wurde die Definition eines genauen Leitbildes für die neue Bauaufgabe in den Gauhauptstädten immer wichtiger. Den Prinzipien des Nationalsozialismus entsprechend sollte auch in diesem Bereich eine Standardisierung, eine Normung geschaffen werden.
8.4 Bauherr und Planer: Hitler Den rechtlichen Hintergrund für die Gauforenplanungen schuf man durch das „Gesetz der Neugestaltung deutscher Städte“ (Oktober 1937). Das Kontrollorgan wurde durch die neue Behörde des „Generalbauinspektors“ (Jänner 1937) gebildet, die den Reichsbehörden gleichgestellt war. Die Position des Generalbauinspektors erhielt Albert Speer, der bereits in den Berlin-Planungen eng mit Hitler zusammenarbeitete. Nahezu alle Gauforenplanungen wurden, zumindest bis 1939, dem Generalbauinspektor vorgelegt.130 Es wurde damit jegliche Entscheidungskompetenz aus den Händen der Kommunalregierung genommen und diese direkt an Hitler übertragen. Rechtlich unterstand ihm somit die gesamte Planungstätigkeit und er bestimmte die Stadt, in der das Gesetz Anwendung finden sollte, und betraute eine von ihm ausgewählte Person mit der Durchführung der Planungen. Mit der Planung in Dresden kam ab 1937/38 eine wichtige Neuerung zu den Gauforenplanungen hinzu: die Auslegung des Forums an einer Achse. Damit wurde die vorerst auf einzelne Gebäude ausgerichtete Planung auf die Neugestaltung des gesamten Stadtgebietes ausgeweitet. Die Machtdemonstration der Partei sollte ausgehend von den neu errichteten Stadtzentren, eben den Gauforen, über die ganze Stadt verteilt werden. Die neuen, breit angelegten Achsen konzentrierten das öffentliche Leben auf ausgewählte Bereiche der Stadt. Neben ihrer primären Funktion als Aufmarschstraße sollten sie vor allem als Geschäftsstraßen und Kulturmeilen dienen. Die Planungsaktivitäten in den Gauhauptstädten wurden durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges vorerst nicht beendet und auch die in Bau befindlichen Projekte wurden nicht eingestellt. Durch die eingeschränkten Materiallieferungen und die verminderte Bereitstellung von Arbeitskräften kam es lediglich zu einem verlangsamten Baufortschritt. Ein Schreiben vom 19. Februar 1941 von Albert Speer gibt Aufschluss über das Bauvolumen, das man zu bewältigen plante.131 In diesem sind neben den fünf sogenannten Führerstädten insgesamt 36 Gauhauptstädte aufgelistet, die für eine Neugestaltung der Stadt bzw. für den Bau eines Gauforums bestimmt waren. Nicht alle Minister waren für die 130 Ibid., S. 20. 131 Jost Dülffer, Jochen Thies, Josef Henke, Hitlers Städte, Baupolitik im Dritten Reich, eine Dokumentation (Köln, Wien: Böhlau, 1978), S. 54ff. Bauherr und Planer: Hitler |
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gleichzeitige und sehr aufwendige Umgestaltung der Gauhauptstädte. So kritisierte beispielsweise Wilhelm Frick (Reichsinnenminister) den uneingeschränkten Einfluss der Gauleiter auf das kommunale Baugeschehen und die damit verbundene Ausschaltung der kommunalen Behörde. Die Oberbürgermeister würden nur noch hinzugezogen, wenn es um finanzielle Fragen ginge.132 Die Städte hatten einen Großteil der Finanzierung der Projekte zu tragen, da sie die Kosten für die Verkehrs- und Straßenanbindung übernehmen mussten. Durch die Kriegssituation forderten immer mehr Minister eine Einstellung der nicht kriegswichtigen Bauten, auf die Hitler jedoch nicht reagierte. Auf einer Gauleitertagung in München im Februar 1942 forderte Speer die Gauleiter auf, alle „nicht kriegswichtigen“ Bauten einzustellen und sicherte ihnen seine Unterstützung nach Kriegsende zu. Erst ein ganzes Jahr später, im Februar 1943, wurde von Hitler schließlich der Erlass zur Einstellung aller nicht kriegswichtigen Bauten herausgegeben und somit das Aus der umfassenden Stadtplanungen in den Führer- und Gauhauptstädten beschlossen.
132 Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht, 1999, S. 23. 104 | Das Gauforum
9 Prototyp einer Neugestaltung: Gauhauptstadt Dresden
Im nun folgenden letzten Kapitel soll anhand der Nachzeichnung und Gegenüberstellung des Planungsverlaufes der Neugestaltungen in den Städten Dresden und Wien aufgezeigt werden, dass dieser, wie alles im nationalsozialistischen System, von oberster Ebene gelenkt und bestimmt wurde und in jeder Stadt im Gleichschritt erfolgte. So ist die Entwicklung in Wien kein Spezifikum, sondern ist förmlich austauschbar mit nahezu jedem Ablauf einer Neugestaltungsplanung einer Gauhauptstadt im Dritten Reich. Für den Vergleich fiel die Wahl auf die Stadt Dresden, weil diese aufgrund der Einflussnahme durch Hitler persönlich für alle weiteren Gauhauptstadtplanungen maßgebend war und damit eine wichtige Vorreiterrolle übernahm. Als Hauptquelle für den Verlauf in Dresden wurde hierbei die Publikation von Christiane Wolf herangezogen. Die Rekonstruktion der chronologisch aufgebauten Stadtplanungsgeschichte in Wien basiert auf der gegenwärtig vorhandenen Literatur und der von mir neu ausgehobenen Primärquellen aus den Archiven.
9.1 Die Auftraggeber Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und Zuerkennung des Status einer Gauhauptstadt wuchs auch das Selbstbewusstsein der politisch legitimierten Bürgermeister, die die Rolle der obersten Auftraggeber für die Neugestaltung ihrer Städte übernahmen.
Dresden Sowohl mit der Einsetzung des neuen Oberbürgermeisters Ernst Zörner133 als auch mit der wachsenden Etablierung des neuen Regimes wuchs in Dresden der Wunsch nach einem neuen Gauleitungsgebäude und einer großen Halle für Großveranstaltungen. Wien Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich im April 1938 wurden Odilo Globocnik als Gauleiter und Hermann Neubacher als Bürgermeister in Wien ein133 Ernst Zörner wurde am 1. August 1933 von der NSDAP in Dresden als Oberbürgermeister eingesetzt und war auch ein enger Vertrauter Hitlers. Die Auftraggeber |
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gesetzt. Auch bei ihnen entfachte der Anschluss an das Altreich den Wunsch nach großen städtebaulichen Veränderungen in Wien.
9.2 Erste Neugestaltungsplanungen auf kommunaler Ebene Die in kürzester Zeit erfolgte Machtübernahme der Nationalsozialisten und die damit verbundene, notwendige Übernahme der bestehenden Strukturen und Behörden ermöglichte den örtlichen Stadtbauämtern, die umfangreichen Neugestaltungsplanungen ihrer Städte eigenhändig zu übernehmen. Abb. 65: Paul Wolf, Projekt Gauforum Dresden, Lageplan, 6. März 1934.
Dresden Der damalige Stadtbaurat von Dresden, Paul Wolf, schlug in einem früheren Projekt (Abb. 65) aus dem Jahr 1934 das Areal zwischen dem bestehenden Hygienemuseum und dem Großen Garten für die Neugestaltungsplanungen vor. Die Wahl des Bauplatzes hatte keine ideologischen Gründe, sondern beruhte auf rein praktischen Gesichtspunkten. Da dieses Gelände – Gelände der „Güntz- und Polizeiwiesen“ – bereits 1930 als Ausstellungsgelände diente, blieb es fast gänzlich frei von Verbauung. Wolf wählte damit einen Bauplatz, der direkt an die Innenstadt grenzte und verkehrstechnisch bereits so erschlossen war, dass 106 | Prototyp einer Neugestaltung: Gauhauptstadt Dresden
dort Großveranstaltungen stattfinden konnten. Wolf ergänzte das bereits vorhandene Bauprogramm, bestehend aus dem Hygienemuseum, der Ilgenkampfbahn und dem Arnoldbad, um eine Halle, ein Freilichttheater, ein Gauhaus und ein „Institut für Rassenhygiene“. Die neuen Bauten setzte er räumlich in Beziehung zu den bestehenden Sportstätten, wobei er das Hygienemuseum unabhängig als Solitär beließ. Im Gegensatz dazu schloss er die Sportanlagen in ein neues Platzgefüge ein, das von zwei völlig unterschiedlichen Bauten begrenzt wurde: einer großen Halle im Südwesten und einem Gauhaus im Nordwesten. Wien In Wien wurden bereits wenige Wochen nach dem Anschluss, im Mai 1938, im Stadtplanungsamt Pläne (Abb. 18) für die Ausgestaltung des Praterareals ausgearbeitet (siehe Kapitel 3.3.2). Neben den Vorschlägen für eine Umgestaltung der Leopoldstadt lag das Hauptaugenmerk der Planer auf dem Ausbau des Messegeländes und der Errichtung eines neuen Stadions im Prater. Wobei auch hier der Ausbau des Geländes zu einem repräsentativen Stadtteil für das neue politische Regime im Vordergrund stand. Die Wahl des Bauplatzes fiel auch in Wien zum Teil auf unbebautes Gelände.
9.3 Der Wettbewerb auf Reichsebene Der weitere Verlauf der Neugestaltungsplanungen in beiden Städten zeigt, dass sowohl ein Ideenwettbewerb in Dresden als auch eine Einholung von Gutachten in Wien zu einer Legitimation der kommunalen Planungen auf Reichsebene führen sollte. Dies ist ein weiterer Beweis für die Unselbstständigkeit der Gauhauptstädte und dem Höchstmaß an Abhängigkeit von der obersten politischen Führungsebene in Berlin. Dresden Basierend auf den Planungen Wolfs und weiteren Ideen Hitlers wurde im Dezember 1934 vom Rat der Stadt Dresden ein öffentlicher Ideenwettbewerb für das Gelände der Güntz- und Polizeiwiesen ausgeschrieben.134� Dem Wortlaut des Ausschreibungstextes nach sollten „in erster Linie Anregungen für die Schaffung eines monumentalen Versammlungsplatzes“135 gesammelt werden. Vorrangig war also nicht die architektonische Ausgestaltung der Gebäude, sondern im Wesentlichen ging es um die Disposition derselben. Das Stadtbauamt gab den Bauplatz und das Bauprogramm vor. Die Lage der Halle 134 Anlässlich der Reichstheaterwoche im Frühjahr 1934 in Dresden sollen Hitler von Oberbürgermeister Ernst Zörner Plänevorgelegt worden sein. Ob es sich hierbei um die Planung Paul Wolfs oder einer ähnlichen handelte, ist nicht überliefert. Hitler gab jedoch bei dieser Besprechung seine Ideen und Verbesserungsvorschläge bekannt. Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht, 1999, S. 126. 135 Ibid., S. 128. Der Wettbewerb auf Reichsebene |
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Abb. 66: Paul Wolf, Gauforum Dresden, Stadtmodell, 1935.
und des Gauhauses war festgelegt und der Wettbewerb zielte nun einzig darauf ab, diese in eine monumentale und repräsentative Anlage einzubetten. Die ursprüngliche Idee Wolfs, die historischen Gebäude in die neuen Planungen zu integrieren, wurde in den vom Stadtbauamt entwickelten Vorgaben verworfen. Nur das bestehende Hygienemuseum sollte im neuen Bauprogramm einen „würdevollen“136 Platz erhalten. Da dieser einer der ersten öffentlichen Wettbewerbe war, wurde er mit großem Interesse von der Fachwelt verfolgt. Mit dieser Ausschreibung wurde der kommunalen Verwaltung und dem für Stadtplanungsangelegenheiten zuständigen Amt die Planungszuständigkeit endgültig entzogen. Insgesamt wurden 277 Arbeiten bei dem am 1. März 1935 festgelegten Abgabetermin eingereicht. Zehn Arbeiten, die sich vor allem durch die Eingliederung des bestehenden Hygienemuseums abhoben, erhielten eine Auszeichnung. Die Lösungsansätze variierten
136 Ein Grund, warum Hitler nie den Abriss des Baus gefordert hatte, lag sicherlich auch darin, dass Wilhelm Kreis, der sich als Architekt bereits auf höchster Ebene des Regimes etabliert hatte, den Bau errichtet hatte. Ebenso denkbar – aber nicht durch Akten belegbar – ist, dass Albert Speer an der Entscheidung für den Erhalt des Hygienemuseums beteiligt war. Speer zollte den Arbeiten von Wilhelm Kreis, der zu dieser Zeit bereits über ein imponierendes Œuvre verfügte, höchste Anerkennung und war außerdem mit ihm befreundet. Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht, 1999, S. 129. 108 | Prototyp einer Neugestaltung: Gauhauptstadt Dresden
von der Schließung des Platzes mit Kolonnaden bis hin zur offenen Platzsituation. Die Überwindung des Problems der ungünstigen Lage des Hygienemuseums versuchte man durch eine von Massen betonte Halle und Gauhaus auszugleichen. Obwohl die Entwürfe des Wettbewerbes von 1935 starkes Interesse der Fachwelt weckten und in jeder bekannten Bauzeitschrift veröffentlicht wurden, kam keines der prämierten Projekte tatsächlich zur Ausführung. Auch der zwischen dem Oberbürgermeister Ernst Zörner und dem Gauleiter Martin Mutschmann anhaltende politische Machtkampf in Dresden verzögerte den Planungsverlauf zusehends. Paul Wolf, der an der obersten Spitze der Stadt tätig war, nutzte die durch den Machtkampf von Zörner und Mutschmann zum Stillstand gekommene Planungssituation und präsentierte 1936 einen neuen Vorschlag. Aufbauend auf seinem ersten Projekt aus dem Jahr 1934 und unter Einbeziehung einiger Ideen aus den Wettbewerbsentwürfen 1935, plante Wolf ein neues Gauforum für Dresden (Abb. 66). Das Hygienemuseum wird auch hier – analog zu seinem ersten Entwurf von 1934 – nicht unmittelbar ins Platzgefüge einbezogen, sondern erst durch die bewusste Einsetzung von Blick- und Bezugsachsen in das Forum eingegliedert. Hier finden sich die bereits bekannten und geforderten Bauelemente des NS-Regimes, die zum Charakteristikum ihrer Forumsarchitektur wurden: die Gauhalle als alles überragender Bauteil, das Ehrenmal, der Turm und schließlich Stelen und Pylone, die für die Platzgestaltung eingesetzt wurden. Zwischen dem bestehenden Rathaus und dem neuen Forum schlug Wolf eine axiale Verbindung vor. Damit kam zur Bauaufgabe Gauforum ein neuer Aspekt hinzu, der später für alle Anlagen ein wichtiger Bestandteil wurde: die Anbindung des Platzensembles an eine repräsentative, von entsprechenden Gebäuden gesäumte Aufmarschstraße und die damit verbundene Umstrukturierung des angrenzenden städtischen Raums.137 Obwohl das aufwendige Modell eine Konkretisierung des Projektes vermuten lässt, wurde dieses im weiteren Verlauf nicht mehr diskutiert. Der Hauptgrund wurzelt wahrscheinlich in der politischen Situation in Dresden. Mit der Absetzung des Oberbürgermeisters Zörner138 im Juni 1937 konnte sich Mutschmann uneingeschränkt dem geplanten Baugeschehen widmen. Der kommunalen Stadtverwaltung war somit jegliche Mitbestimmung entzogen worden. Der Gauleiter forcierte ab Juni 1937 das Baugeschehen in Dresden und legte Hitler die neuen Umbaupläne für die Dresdner Oper vor.139 Damit erweckte Mutschmann das Interesse Hitlers, der ja bekannterweise ein großer Theaterliebhaber und Semper-Verehrer war. Die Pläne fanden jedoch bei einer erneuten Vorlage im Juli 1937 nicht Hitlers Zustimmung, der schließlich in einer Besprechung mit Speer entschied, Wilhelm Kreis als Architekten hinzuzuziehen.140 137 Ibid., S. 144. 138 Zörner wurde 1938 nach einer Weisung Hitlers zum Stellvertreter Speers ernannt und in die Generalbauinspektion berufen. Ibid., S. 145. 139 Die Dresdner Oper wurde von Gottfried Semper von 1838–1848 erbaut. 140 Christiane Wolf, Gauforen – Zentren der Macht, 1999, S. 145. Der Wettbewerb auf Reichsebene |
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Wien Nach der Überarbeitung der 1. Wiener Lösung wurde im Juli 1938 vom Planungsamt die 2. Wiener Lösung (Abb. 21) vorgelegt. Diese Variante sollte von unabhängigen Planern beurteilt und letztlich bestätigt werden. Der Bürgermeister beauftragte drei Fachleute aus dem Altreich sowie drei Fachleute aus Wien mit der Erstellung eines Gutachtens (siehe Kapitel 3.3.4). Aufgrund der zwischen Herbst 1938 und der Berufung des Reichsarchitekten Hanns Dustmann im Herbst 1940 bestehenden Quellenlücke können heute keine aussagekräftigen Thesen über den Verlauf der Neugestaltungsplanungen in dieser Zeit aufgestellt werden. Faktum ist, dass der neue Gauleiter Baldur von Schirach im Sommer 1940 den erfahrenen Berliner Architekten Hanns Dustmann nach Wien geholt hatte.
9.4 Die Einsetzung der Reichsarchitekten Der mit der Vielzahl an unkoordinierten Planungen verbundene aufkeimende und unkontrollierbare Dilettantismus in den Stadtverwaltungen erforderte schließlich das Eingreifen von oberster Ebene. Die bereits in repräsentativen Planungen für das nationalsozialistische Regime erfahrenen Architekten sollten die Umsetzung des politischen Willens in den Neugestaltungsplanungen garantieren.
Dresden 1937 wurde von Wolf nochmals der Versuch unternommen, ein Projekt zum Bau des Gauforums vorzustellen. Mit der Übernahme der Planungen von Wilhelm Kreis blieb Wolf die Gelegenheit einer Umsetzung seiner Planungen endgültig verwehrt und er wurde zu einem „Mitarbeiter“ von Kreis degradiert. Wien Im Herbst 1940 wurde Hanns Dustmann vom damaligen Gauleiter Baldur von Schirach als dessen Baureferent nach Wien berufen. Die Wahl fiel somit auf einen erfahrenen Planer aus dem „Speer-Stab“. Mit diesem Schritt wollte die Reichsleitung jegliches selbstständige Planen des Stadtplanungsamtes in Wien unterdrücken. Die Planer der kommunalen Bauverwaltung wurden damit zu unselbstständigen Zuarbeitern von Dustmann herabgesetzt.
9.5 Kooperation zwischen Kommunal- und Reichsverwaltung Die Bewältigung der umfangreichen Neugestaltungspläne erforderte allerdings eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Kommunal- und Reichsverwaltung und die Einhaltung einer strengen Hierarchie. Bemühungen, die kommunalen Planer einzubinden, sind sowohl in Dresden als auch in Wien nachzuweisen.
110 | Prototyp einer Neugestaltung: Gauhauptstadt Dresden
Dresden Die Planungen von Wolf zeigen, dass er seine Position als zuarbeitender Architekt, dem lediglich die Anbindung des Forums an die Stadt (Achse Rathaus/Forum) zu gestalten blieb, nicht akzeptieren konnte.141 Wilhelm Kreis, der von Hitler persönlich im Amt des Parteiarchitekten in Dresden eingesetzt wurde, hatte durch die zwar sehr kurze, aber intensive Planungsvorgeschichte des Gauforums – durch den Wettbewerb von 1935 und die Planungen des Stadtbauamtes respektive des ehemaligen Stadtbaurates Paul Wolf – einen großen Ideenpool zur Verfügung, aus dem er schöpfen konnte. Im Februar 1938 wurde das Projekt von Kreis auf der „Ersten Deutschen Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung“ in München ausgestellt, wobei eine Beteiligung von Wolf an einem Lageplan des Gauforums und einem Verkehrskonzept für die Innenstadt nachgewiesen werden kann.142 An der seit 1934 festgelegten städtebaulichen Lage des Forums hielt auch Kreis in seinem Projekt fest (Abb. 63). Die Platzorganisation und der Platzaufbau des Gauforums blieben seit der ersten Veröffentlichung (1937) fast unverändert, doch für den Fassadenaufbau und die Formgebung der einzelnen Bauelemente gab es eine Unzahl verschiedener Entwürfe. Im Zentrum der Anlage liegt der mit einem Ausmaß von 200 x 250 Metern angelegte Platz, den Kreis mit einer dreistufigen Treppenanlage absenkt. Die weitläufige Fläche des Aufmarschplatzes sollte durch eine regelmäßige, axial angelegte Rasterung – Plattenund Rasenflächen alternierend – gegliedert werden. Sie hätten zudem das Grundmuster und die Orientierung zur Aufstellung wohlgeordneter Menschenblöcke vorgegeben.143 Die Schließung des Platzes erfolgt einerseits mit den breit angelegten Bauten des Gauhauses und der Halle und andererseits mit Kolonnaden an den Seiten, die jeweils in der Achse zum Hygienemuseum und der Gartenachse eine Unterbrechung aufweisen. Das Hygienemuseum wird auch bei diesem Entwurf aus dem Platzgefüge ausgegrenzt und erfährt den Platzbezug lediglich durch eine aus der Mitte angelegte Achse. Die Aufmarschstraße stellt das Verbindungsglied und die Angliederung des Forums zur Innenstadt her. Sie sollte eine Länge von einem Kilometer und eine Breite von 65 Metern aufweisen und wäre beidseitig von Gebäuden gesäumt gewesen. Wien Auch in Wien wurde versucht, eine produktive Zusammenarbeit zwischen Gau- und Kommunalebene zu initiieren. Am „Projekt 11.41“, dem umfangreichsten Stadtplanungsprojekt, an dem Dustmann mitgeplant hatte, konnte eine Beteiligung des Stadtplanungsamtes nachgewiesen werden.144
141 142 143 144
Ibid., S. 152. Ibid., S. 155. Ibid., S. 156. Vgl. dazu Kapitel 5: November 1941 – „Projekt 11.41“ – Ergebnis einer Interessengemeinschaft. Kooperation zwischen Kommunal- und Reichsverwaltung |
111
9.6 Der Anfang vom Ende Die weitgreifenden Auswirkungen des mit dem Krieg verbundenen wirtschaftlichen Einbruchs machten auch vor den Planungen der Gauhauptstädte nicht halt. Bereits begonnene Baustellen wurden eingestellt und auf Papier verfasste Planungen in Schubladen gesteckt, was schließlich zur Beendigung der megalomanen Neugestaltungen führte. Dresden Am 9. März 1939 wurde anlässlich des 60. Geburtstags von Gauleiter Martin Mutschmann der Spatenstich für das Gauhaus vorgenommen.145 Die Arbeiten am Gauhaus wurden mindestens bis Ende 1940 weitergeführt und wurden erst im April 1942 durch Anordnung von Heinrich Lammers, den Chef der Reichskanzlei, endgültig eingestellt. Wien Nachdem Hanns Dustmann im Frühjahr 1942 nach Berlin zurückgekehrt war und Albert Speer in einem Schreiben die „Baubedarfsträger“ aufforderte „die nicht-kriegswichtigen Bauvorhaben unverzüglich stillzulegen“, sind die Aktivitäten in Wien im Bereich der Stadtplanung erloschen.146 Auch die Ernennung Wiens zur „Neugestaltungsstadt nach dem Krieg“ am 20. Jänner 1943 konnte an der Aussichtslosigkeit, Stadtgeschichte zu schreiben, nichts ändern. Dokumente, die auf Vorarbeiten von Dustmann und des Stadtbauamtes für eine tatsächliche Umsetzung der Kooperation „Projekt 11.41“ hinweisen, konnten in den mir zur Verfügung gestandenen Primärquellen nicht gefunden werden. Es blieb bei einem „Schubladenprojekt“147, das sich in die Reihe der Wiener Architekturfantasien des 20. Jahrhunderts einordnen lässt.
145 Im Gegensatz zu Dresden hat man in Weimar beinahe zeitgleich mit dem Bau aller Bauten des Forums begonnen. 146 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, Abschrift, keine Aktenzahl (28. April 1942). 147 WStLA, Aktenbestand Stadtbaudirektion, Schachtel 140, 1942, G/625/1942 (2. April 1942). 112 | Prototyp einer Neugestaltung: Gauhauptstadt Dresden
10 Arbeitserkenntnis
Die Baumodellfotos der Interessengemeinschaftsplanung („Projekt 11.41“) von Hanns Dustmann und dem Stadtbauamt vom 5. November 1941 geben die umfangreichste Planung einer Neugestaltung in Wien unter der NS-Herrschaft wieder. Dieses Projekt ist als eine Art Friedensvertrag zu verstehen, der aus dem Kampf um die städtebauliche Vormachtstellung in Wien zwischen kommunalen Gremien und Reichsinstanzen hervorgegangen ist. Die Analyse dieses innerstädtischen Neugestaltungsprojektes zeigt, dass auch Dustmann nur einer von vielen Erfüllungsgehilfen Hitlers war, der in seiner Funktion als Planer ein vom Führer vorgegebenes Programm umzusetzen hatte. Dustmann hielt sich bei der Planung des Gauforums mit einer Aufmarschstraße und einem neuen Nordbahnhof in Wien streng an die Vorgaben des Regimes. Die für das gewählte Baugebiet notwendigen städtebaulichen Lösungen wurden von ihm nicht individuell erarbeitet, sondern aus dem „Musterkatalog“ des nationalsozialistischen Städtebaus gewählt und für das Baugebiet adaptiert. Hitlers Ideologie und die seines Staates gaben den Planern nicht nur die Funktion der neuen Gauforen vor, sondern nahmen auch wesentlichen Einfluss auf die Form. Die individuelle Gestaltungsfreiheit des Architekten war somit stark eingeschränkt. Die von jedem Künstler (Architekten) beanspruchte, individuelle künstlerische Verwirklichung musste sich zwangsweise auf die Ausgestaltung der Programmbauten beschränken. Die Handschrift Dustmanns kann in der städtebaulichen Lösung des innerstädtischen Neugestaltungsprojektes von Wien nur schwer abgelesen werden. Hingegen scheint er im Bauwerk der Gauhalle seine eigene Interpretation einer Wiener Kuppelhalle gefunden zu haben. Im Vergleich mit früheren Planungen von Kuppelbauten in Wien zeigt sich, dass Dustmann bewusst auf bereits in der Wiener Historie manifestierte Architekturbeispiele zurückgegriffen hatte. Mit diesem Bezug schaffte es Dustmann, in einem allgemeingültigen, vorgegebenen und reichsbezogenen Funktions- und Formenkanon sein individuelles, unabhängiges und stadtbezogenes Architekturzitat zu setzen. Die Entwicklungsgeschichte der neuen Bauaufgabe Gauforum und der am Beispiel der beiden Gauhauptstädte Dresden und Wien angeführte Vergleich verdeutlichen die städtebaulichen Ziele des NS-Regimes. Diese lagen nicht im Hervorbringen von neuen, individuellen Städtebaulösungen, sondern in der Adaption von allgemeingültigen Leitbildern, die durch das Regime bestimmt wurden. Das Individuum hatte sich zu unterwerfen und dem einheitlichen, widerspruchslosen Volkskörper anzupassen.
Arbeitserkenntnis | 113
11 Anhang
11.1 Bibliografie Achleitner, Friedrich. Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert: ein Führer in drei Bänden. Museum für Moderne Kunst Wien (Hrsg.). Salzburg, Wien: Residenz Verlag, 1980. Arndt, Karl. „Architektur und Politik“. In: Albert Speer, Karl Arndt. Architektur: Arbeiten 1933–1942. Frankfurt am Main u. a.: Propyläen-Verlag, 1995 [unveränderter Nachdruck der Originalausgabe 1978], S. 113–135. Botz, Gerhard. Wien vom „Anschluß“ zum Krieg: nationalsozialistische Machtübernahme und politisch-soziale Umgestaltung am Beispiel der Stadt Wien 1938/39. Wien u. a.: Jugend und Volk, 1978. Böckler, Erich. „Von deutschen Plätzen“. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. 60. Jg./Heft 41. Berlin, 9. Oktober 1940, S. 663–670. Davidson, Mortimer G. Kunst in Deutschland 1933–1945: eine wissenschaftliche Enzyklopädie der Kunst im Dritten Reich. 3 Bde., 3/1 Architektur. Tübingen: Grabert, 1995. Deutsche Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung (1.) im Haus der Deutschen Kunst. Katalog, München: Knorr & Hirth Verlag, 1938. Deutschland baut – Bauten und Bauvorhaben. 80 Bilder aus der 1. Deutschen Architekturund Kunsthandwerk-Ausstellung in München 1938. Stuttgart, 1938. Donath, Matthias. Architektur in Berlin 1933–1945: ein Stadtführer. Landesdenkmalamt Berlin (Hrsg.). Berlin: Lukas-Verlag, 2004. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes Wien. Wien 1938. 11. März bis 30. Juni 1988, Rathaus, Volkshalle. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien [110]. Wien: Österreichischer Bundesverlag u. a., 1988. Durth, Werner. Deutsche Architekten: biographische Verflechtungen 1900–1970. Braunschweig u. a.: Vieweg (Schriften des deutschen Architekturmuseums zur Architekturgeschichte und Architekturtheorie), 1988. Durth, Werner; Gutschow, Nils. Träume in Trümmern: Planungen zum Wiederaufbau zerstörter Städte im Westen Deutschlands 1940–1950. 2 Bde., 1 Konzepte. Braunschweig u. a.: Vieweg, 1988. Durth, Werner; Gutschow, Nils. Träume in Trümmern: Stadtplanung 1940–1950. 2 Bde., 2 Städte, Braunschweig u. a.: Vieweg, 1988. Durth, Werner; Gutschow, Nils. Träume in Trümmern: Stadtplanung 1940–1950. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag, 1993.
Bibliografie | 115
Durth, Werner; Nerdinger, Winfried. Architektur und Städtebau der 30er/40er Jahre: Ergebnisse der Fachtagung in München, 26.–28. November 1993, des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz. Bonn (Schriftenreihe des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, 48): 1994. Dülffer, Jost; Thies, Jochen; Henke, Josef. Hitlers Städte: Baupolitik im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Köln, Wien: Böhlau, 1978. Escher, Felix; Giersch, Ulrich. Berlin – „Germania“: die projektierte Zerstörung Berlins durch Albert Speers Planungen der Nord-Süd-Achse für „Germania“ als Hauptstadt eines großgermanischen Weltreiches. CAD-Modell der Nord-Süd-Achse. Begleitheft. Berlin: Edition Panorama, 2003. Fischer, Gerhard (Hrsg.). Daedalus – die Erfindung der Gegenwart. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung. 21. Oktober bis 31. Dezember 1990. Basel u. a.: Stroemfeld, Roter Stern, 1990. Geretsegger, Heinz; Peintner, Max (unter Mitarbeit von Pichler, Walter): Otto Wagner: 1841–1918. Unbegrenzte Großstadt, Beginn der modernen Architektur. Museum Moderner Kunst, Wien (Hrsg.). Salzburg, Wien: Residenz-Verlag, 1983. Graf, Otto Antonia. Otto Wagner. 2 Bde., 1 Das Werk des Architekten 1860–1902. Wien (Schriften des Instituts für Kunstgeschichte, Akademie der bildenden Künste Wien, 2, 1): 1994. Gottfried, Margaret. Das Wiener Kaiserforum: Utopien zwischen Hofburg und MuseumsQuartier. Imperiale Träume und republikanische Wirklichkeiten von der Antike bis heute. Wien u. a.: Böhlau, 2001. Gutschow, Niels. Ordnungswahn: Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939–1945. Basel u. a.: Birkhäuser, 2001. Gutschow, Niels; Düwel, Jörn. Städtebau in Deutschland im 20. Jahrhundert: Ideen – Projekte – Akteure. Stuttgart u. a.: Teubner (Teubner-Studienbücher der Geographie), 2001. Hamann, Brigitte. Hitlers Wien: Lehrjahre eines Diktators. München u. a.: Piper, 1996. Hitler, Adolf. Mein Kampf. 2 Bde. in 1 Bd. München: Eher, 1939. Kainrath, Wilhelm; Kotyza, Georg (Hrsg.). Die Bandstadt: städtebauliche Vision oder reales Modell der Stadtentwicklung? Wien: Picus-Verlag, 1997. Kassal-Mikula, Renata; Benedik, Christian. Das ungebaute Wien: 1800 bis 2000; Projekte für die Metropole. 10. Dezember 1999 bis 20. Februar 2000. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien [255]. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien, 1999. Klusacek, Christine; Stimmer, Kurt. Leopoldstadt. Wien: Mohl, 1978. Knopp, Guido. Hitlers Helfer: Speer der Architekt. VHS Video (ZDF Video: ZDF-Chronik). München: BMG-Video, ©1996. Krausse-Jünemann, Eva-Maria. Hanns Dustmann (1902–1979): Kontinuität und Wandel im Werk eines Architekten von der Weimarer Republik bis Ende der fünfziger Jahre. Kiel: Univ., Diss., 2001.
116 | Anhang
Lützeler, Heinrich. Bildwörterbuch der Kunst. Frechen: Komet, 2000. Larsson, Lars Olof. „Klassizismus in der Architektur des 20. Jahrhunderts“. In: Albert Speer, Karl Arndt. Architektur: Arbeiten 1933–1942. Frankfurt am Main u. a.: PropyläenVerlag, 1995 [unveränderter Nachdruck d. Originalausgabe 1978], S. 151–175. Marchl, Werner. Deutsche Baukunst, deutsche Plastik am Reichssportfeld in Berlin. CXLIV. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Wiener Secession. 7. April – 17. Mai 1937. Vereinigung Bildender Künstler, Wiener Secession (Hrsg.). Wien, 1937. Münk, Dieter. Die Organisation des Raumes im Nationalsozialismus: eine soziologische Untersuchung ideologisch fundierter Leitbilder in Architektur, Städtebau und Raumplanung des Dritten Reiches. Köln: Pahl-Rugenstein, 1993. Nerdinger, Winfried. „Bauen im Nationalsozialismus: von der quantitativen Analyse zum Gesamtzusammenhang“. In: ders. (Hrsg.). Bauen im Nationalsozialismus: Bayern 1933– 1945. Ausstellung des Architekturmuseums der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums. München: Klinkhardt & Biermann, 1993, S. 9–17. Nerdinger, Winfried; Hölz, Christoph (Hrsg.). Architektur – Macht – Erinnerung: Stellungnahmen 1984 bis 2004. München u. a.: Prestel, 2004. Neufert, Ernst. Bauentwurfslehre: Grundlagen, Normen und Vorschriften über Anlage, Bau, Gestaltung, Raumbedarf, Raumbeziehungen; Maße für Gebäude, Räume, Einrichtungen und Geräte mit dem Menschen als Maß und Ziel; Handbuch für den Baufachmann, Bauherrn, Lehrenden und Lernenden. Berlin: Bauwelt-Verlag, 1938 (6. Auflage). Nüßlein, Timo. Paul Ludwig Troost (1878–1934) – Leben und Werk. Dissertation in Bearbeitung. Petsch, Joachim. Baukunst und Stadtplanung im Dritten Reich: Herleitung, Bestandsaufnahme, Entwicklung, Nachfolge. München, Wien: Hanser, 1976. Rebhann, Fritz M. Das braune Glück zu Wien. Wien u. a.: Herold (Sammlung Das einsame Gewissen, 7), 1973. Reichhardt, Hans Joachim; Schäche, Wolfgang. Von Berlin nach Germania: über die Zerstörungen der Reichshauptstadt durch Albert Speers Neugestaltungsplanungen. Ausstellungskatalog des Landesarchivs Berlin. Berlin: Transit Verlag, 1985. Schäche, Wolfgang. Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945: Planen und Bauen unter der Ägide der Stadtverwaltung. Berlin: Mann (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, Beiheft, 17), 1991. Schirach, Henriette von. Der Preis der Herrlichkeit. Wiesbaden: Limes-Verlag, 1956. Sitte, Camillo. Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Ein Beitrag zur Lösung modernster Fragen der Architektur und monumentalen Plastik unter besonderer Beziehung auf Wien. Wien: Graeser, 1889. Spalt, Johannes. Oswald Haerdtl 1899–1959. Wien: Hochschule für Angewandte Kunst, 1978. Speer, Albert. Erinnerungen. Frankfurt/Main u. a.: Ullstein, 1969. Speer, Albert. Spandauer Tagebücher. Frankfurt/Main u. a.: Propyläen, 1975.
Bibliografie | 117
Steiner, Klaus. „Arbeitsbericht aus dem Forschungsvorhaben ‚Planungs- und Baugeschichte der Stadt Wien 1938–1945‘“. In: UmBau 6/7. Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.). Wien, 1983, S. 105–126. Steiner, Klaus. „Ein Ring für 1000 Jahre – Wiener Ringstraßenplanungen 1938–1945“. In: Bauforum, Fachzeitschrift für Architektur, Bau, Energie Nr. 101. Wien, 1984, S. 9–24. Stern, Robert A. M. Moderner Klassizismus: Entwicklung und Verbreitung der klassischen Tradition von der Renaissance bis zur Gegenwart. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1990. Tabor, Jan. „Die Stereometrie der Sinnlosigkeit, Wiener Kriegsbauten 1938–1945“. In: Fischer, Gerhard (Hrsg.). Daedalus – die Erfindung der Gegenwart. Anlässlich der gleichnamigen Ausstellung. 21. Oktober bis 31. Dezember 1990. Basel u. a.: Stroemfeld, Roter Stern, 1990, S. 204–207. Tabor, Jan (Hrsg.). Kunst und Diktatur: Architektur, Bildhauerei und Malerei in Österreich, Deutschland, Italien und der Sowjetunion 1922–1956. Band 1 und 2. Ausstellung des Österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, Künstlerhaus Wien, 28. März bis 15. August 1994. Baden: Verlag Grasl, 1994. Teut, Anna. Architektur im Dritten Reich: 1933–1945. Berlin u. a.: Ullstein, 1967. Wolf, Christiane. Gauforen – Zentren der Macht: zur nationalsozialistischen Architektur und Stadtplanung. Berlin: Verlag Bauwesen, 1999. Weihsmann, Helmut. Bauen unterm Hakenkreuz: Architektur des Untergangs. Wien: Promedia, 1998.
Zeitschriften Die Auflistung ist als Überblick aller benutzten Zeitschriften zu verstehen. In der Regel wurden für den Zeitraum von 1938 und 1942 alle verfügbaren Jahrgänge der nachfolgend aufgelisteten Zeitschriften ausgewertet. – Bauen, Siedeln, Wohnen: offizielles Organ der Deutschen Arbeitsfront für Wohnungsund Siedlungsbau – Deutsche Bauzeitung – Die Kunst im Dritten (Deutschen) Reich – Raumforschung und Raumordnung – Zentralblatt der Bauverwaltung mit Nachrichten der Reichs- und Staatsbehörden.
Archive Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA) Landesarchiv Berlin (LARCH) Das Bundesarchiv Berlin – Lichterfelde
118 | Anhang
11.2 Abbildungsnachweis Abb. 1: Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Fotosammlung allgemein, Nr. C 3537 Abb. 2: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3538 Abb. 3: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3539 Abb. 4: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/2 Abb. 5: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/3 Abb. 6: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/4 Abb. 7: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/5 Abb. 8: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/6 Abb. 9: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, 1999, Abb. 10.27, S. 361 Abb. 10: Klaus Steiner, 1983, Abb. 10, S. 115 Abb. 11: Christiane Wolf, 1999, Abb. 1, S. 15 Abb. 12: Deutsche Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung, 1938, S. 1 Abb. 13: Klaus Steiner, 1983, Abb. 2, S. 108 Abb. 14: Kartenabteilung Landesarchiv Berlin, Nr. 5994 (3) Abb. 15: Klaus Steiner, 1983, Abb. 1, S. 107 Abb. 16: Johannes Spalt, 1978, S. 118, und Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, Abb. 10.15, S. 351 Abb. 17: Hans Joachim Reichhardt, Wolfgang Schäche, 1985, Abb. 10 Abb. 18: WStLA, Fotoarchiv Gerlach, Nr. C 5824 Abb. 19: Klaus Steiner, 1984, Abb. 2, S. 10 Abb. 20: WStLA, Fotoarchiv Gerlach, Nr. C 5915/M Abb. 21: Klaus Steiner, 1983, Abb. 5, S. 114 Abb. 22: WStLA, Fotoarchiv Gerlach, Nr. C 5987/M Abb. 23: WStLA, Fotoarchiv Gerlach, Nr. C 5978 Abb. 24: WStLA, Fotoarchiv Gerlach, Nr. C 5978 Abb. 25: WStLA, Fotoarchiv Gerlach, Nr. C 5981 Abb. 26: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3736 Abb. 27: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3736 (Ausschnitt) Abb. 28: WStLA, Plan- und Schriftenkammer, Nr. 19894 Abb. 29: WStLA, Plan- und Schriftenkammer, Nr. 19894 Abb. 30: Mortimer G. Davidson, 1995, Abb. 144 Abb. 31: Mortimer G. Davidson, 1995, Abb. 170 Abb. 32: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, 1988, S. 436 Abb. 33: Renata Kassal-Mikula, Christian Benedik, 1999, Abb. 10.5, S. 339 Abb. 34: Albert Speer, 1969, S. 136 Abb. 35: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3493 Abb. 36: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3494 Abb. 37: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3495 Abb. 38: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/2 und C 6092/3 (Ausschnitt) Abbildungsnachweis | 119
Abb. 39: Grafik: Teilprojekte, Ingrid Holzschuh, Jänner 2006 Abb. 40: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3537 Abb. 41: Klaus Steiner, 1983, Abb. 10, S. 115 Abb. 42: WStLA, Aktenbestand Planungsamt, 1941, Schachtel 128 – IV/1483/1941 (11. September 1941) Abb. 43: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/6 (Ausschnitt) Abb. 44: Klaus Steiner, 1983, Abb. 11, S. 118 Abb. 45: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/4 (Ausschnitt) Abb. 46: Klaus Steiner, 1983, Abb. 12, S. 118 Abb. 47: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/3 (Ausschnitt) Abb. 48: Grafik: Lageplan Gauforum, Ingrid Holzschuh, Jänner 2006 Abb. 49: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 6092/5 (Ausschnitt) Abb. 50: Hans Joachim Reichhardt, Wolfgang Schäche, 1985, Abb. 10 (Ausschnitt) Abb. 51: Christiane Wolf, 1999, Abb. 87, S. 155 Abb. 52: Mortimer G. Davidson, 1995, Abb. 273 Abb. 53: Hans Joachim Reichhardt, Wolfgang Schäche, 1985, Titelseite Abb. 54: Mortimer G. Davidson, 1995, Abb. 856 Abb. 55: Kartenabteilung Landesarchiv Berlin, Nr. 5994 (2) Abb. 56: Kartenabteilung Landesarchiv Berlin, Nr. 5994 (1) Abb. 57: WStLA, Fotosammlung allgemein, Nr. C 3537 (Ausschnitt) Abb. 58: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, 1988, S. 437 Abb. 59: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, 1988, S. 437 Abb. 60: Margaret Gottfried, 2001, Abb. 62, S. 54 Abb. 61: Margaret Gottfried, 2001, Abb. 80, S. 124 Abb. 62: Deutschland baut, 1939, S. 31. Abb. 63: Die Kunst im Dritten Reich, Baukunst, Januar 1939, S. 66 Abb. 64: Postkarte, Sammlung Timo Nüsslein Abb. 65: Christiane Wolf, 1999, Abb. 65, S. 125 Abb. 66: Christiane Wolf, 1999, Abb. 79, S. 143
120 | Anhang
Personenregister
Andre, Hans 29 Böckler, Erich 81 Bürckel, Josef 21 Dustmann, Hanns 9, 24, 43, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 64, 66, 67, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 84, 85, 87, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 110, 111, 112, 113 Fernkorn, Anton Dominik von 96 Frick, Wilhelm 104 Giesler, Hermann 87 Globocnik Odilo 24, 105 Goebbels, Joseph 21 Göring, Hermann 21 Gropius, Walter 47 Haerdtl, Oswald 27, 29 Hannich, Josef 87, 97, 98 Hassinger, Hugo 23, 32, 33 Heiligenthal, Roman 40, 42 Hitler, Adolf 17, 21, 22, 23, 29, 44, 45, 50, 53, 85, 88, 89, 90, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 107, 109, 111, 113 Ilz, Erwin 40 Itzinger, Hubert 39, 40, 70, 73 Köster 40 Kreis, Wilhelm 84, 109, 110, 111
Lammers, Heinrich 112 Laub, Georg 61,62 Michal, Gottlieb 60 Musil, Franz 40, 57, 58 Mutschmann, Martin 109, 112 Nadel, Otto 32, 37 Neubacher, Hermann 21, 39, 40, 105. Nobile, Pietro 96. Örley, Robert 40 Pöcher 24, 25, 26, 29, 30, 31, 34, 87, 90, 92, 94 Rainer, Roland 61, 62 Scherb, Julius 64 Schuster, Franz 40, 42 Schirach, Henriette von 22 Schirach, Baldur von 22, 46, 47, 48, 49, 50, 55, 57, 58, 110 Semper, Gottfried 95 Sitte, Camillo 81 Speer, Albert 22, 24, 29, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 82, 84, 87, 88, 89, 90, 92, 94, 102, 103, 104, 109, 110, 112 Steiner, Klaus 54, 61, 62, 73 Stier, Rudolf 66, 67, 73 Stroebel, Hermann 40, 42
Personenregister | 121
Tabor, Jan 61, 62 Tavs, Leopold 49, 58 Troost, Paul Ludwig 102
Wolf, Paul 106, 107, 108, 109, 110, 111 Wolff, Heinrich 47 Wohlmeyer, Wilhelm Paul 45
Wagner, Otto 96, 97, 98 Wolf, Christine 105
Zörner, Ernst 105, 109
122 | Anhang
ANTJE SENARCLENS DE GR ANCY UND HEIDRUN ZETTELBAUER (HG.)
ARCHITEKTUR. VERGESSEN JÜDISCHE ARCHITEK TEN IN GR AZ
Fünf Grazer Bauten aus der Zeit von 1910 bis 1934 bilden den Ausgangspunkt für den Blick auf das Vergessen als kulturelle Praxis im Feld der Architektur. Die Autorinnen zeichnen ein Spannungsfeld zwischen alltäglichen Prozessen der Überbauung, Funktionsveränderung und räumlicher Neukonzeption sowie gewaltsamen Eingriffen wie politischer Neukodierung und Zerstörung nach. Am Beispiel von Arbeitsamt, Freibad, Jüdischer Zeremonienhalle, Kinderheim und Stadtrandsiedlung werden vielschichtige Dimensionen des Vergessens freigelegt: Zufälliges, Intentionales, Privates, Öffentliches, Nicht-Erzähltes, Un-/Sichtbares. Die Klammer, welche die vier Architekten und Baumeister zusammenhält, ergibt sich nicht aus ihrer jüdischen Herkunft oder Identität, sondern erst aus der nationalsozialistischen Verfolgungsgeschichte als einem Aspekt des Vergessens. 2010. BR. 300 S. 178 S/W-ABB. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-205-78472-2
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, 1010 wien. t : + 43(0)1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar
HEINZ FASSMANN, GERHARD HATZ UND WALTER MATZNETTER (HG.)
WIEN STÄDTEBAULICHE STRUK TUREN UND GESELLSCHAFTLICHE ENT WICKLUNGEN
Wien ist eine besondere Stadt. Die Nennung des Namens reicht aus, um positive Emotionen zu wecken. Ob es die Vielfalt der baulichen Strukturen ist, die für Bekanntheit und Sympathie sorgen oder die kulturelle Mischung aus Tradition und Moderne ist nicht so ohne weiteres entscheidbar. „Wien – städtebauliche Struktur und gesellschaftliche Entwicklungen“ versucht daher auch nicht, diese Frage zu beantworten, sondern vielmehr aufzuzeigen, welche baulichen, sozialen und ökonomischen Entwicklungen die Stadt prägen, welche politischen Maßnahmen gesetzt werden, mit welchen Problemen die Stadt konfrontiert ist. Die einzelnen Prozesse der Stadtentwicklung werden dabei in einen allgemeinen Rahmen gestellt und anhand ausgewählter Standorte, Straßen und Gebäude exemplarisch verdeutlicht. 2009. 414 S. FRANZ. BR. 196 S/W- U. FARB. ABB. 11 KARTEN 140 X 235 MM. ISBN 978-3-205-78323-7
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, 1010 wien. t : + 43(0)1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau.at | wien köln weimar
EVA B. OTTILLINGER (HG.)
WOHNEN ZWISCHEN DEN KRIEGEN WIENER MÖBEL 1914–1941
Die Wiener Möbel und Wohnungseinrichtungen der Zwischenkriegszeit zeichneten sich durch Formenvielfalt, raffinierte Details und handwerkliche Qualität aus. Im privaten Ambiente sollte Bequemlichkeit vor Repräsentation stehen. Die Anfänge dieser Entwicklung lagen in den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die neuen Wohnideen lebten im bzw. nach dem Zweiten Weltkrieg im In- und Ausland weiter. Das Hofmobiliendepot – Möbel Museum stellt diese andere Moderne zwischen den Kriegen am Beispiel von kompletten Wohnungseinrichtungen vor, die von den Architekten Felix Augenfeld, Josef Frank, Wilhelm Foltin, Johann Kabele, Walter Loos, Ernst Plischke, Otto Prutscher, Margarete Schütte-Lihotzky, Franz Schuster und Oskar Strnad gestaltet wurden. Die unterschiedlichen Schicksale der Architekten werden vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung vorgestellt. Darüber hinaus werden die Rollen der Auftraggeber/Innen beleuchtet und die sozialen Aspekte des Wohnens im Roten Wien im internationalen Kontext thematisiert. 2009. 143 S., 97 S/W- U. 37 FARB. ABB., FRANZ. BR. 210 X 280 MM. ISBN 978-3-205-78406-7
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Vogelsang IP (Hg.)
»Fackeltr äger der natIon« elItebIldung In den ns-ordensburgen
Aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven wird in diesem Buch das Thema der Elitenerziehung im Dritten Reich erörtert. Das Spektrum umfasst historische Voraussetzungen, Kontinuitäten und Brüche im NSErziehungs- und Schulungswesen, Karriereverläufe von Absolventen wie auch das rassistische Leitbild des »neuen deutschen Menschen«. Im Fokus der aktuellen Beiträge steht dabei die »Ordensburg« Vogelsang in der Eifel, eine der drei realisierten Schulungseinrichtungen für den Führernachwuchs der NSDAP. Die erhaltene monumentale Architekturanlage mit ihrem für die NS-Ideologie repräsentativen Zeichencharakter wird heute als Erinnerungsort erschlossen. Dieses Buch soll zur historischen Aufarbeitung Vogelsangs sowie allgemein zu einem kritischen Diskurs über Erinnerungskultur beitragen. Es enthält Beiträge von Dieter Bartetzko, Jost Dülffer, Franz Albert Heinen, Freerk Huisken, Wolfgang Keim, Wendy Lower, Thomas Roth, Christian Schneider, Hans-Ulrich Thamer, Christina Threuter und Stefan Wunsch. 2010. 249 S. 49 S/w-Abb. br. 145 x 230 mm. ISbN 978-3-412-20554-6
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Jacek Friedrich
Neue Stadt iN altem GewaNd der wieder auFbau daNziGS 1945–1960 auS dem PolNiScheN voN heidemarie PeterSeN ( viSuelle GeSchichtSkultur, baNd 4)
Das historische Zentrum von Danzig erscheint vielen heutigen Besuchern als eine originalgetreue Nachbildung der im Zweiten Weltkrieg untergegangenen Stadt. Tatsächlich verbirgt sich aber hinter den rekonstruierten Fassaden eine neue urbane Struktur, die den Leitbildern des modernen Wohnungsbaus entspricht und auch in den bauplastischen Details viele Abweichungen zu den alten Häusern aufweist. Jacek Friedrich belegt in seinem Buch, dass Danzig nicht nur demographisch, sondern auch visuell polonisiert wurde. Entstanden ist eine neue Stadt in altem Gewand. 2010. VIII, 276 S. 105 S/w-Abb. Auf 48 TAf. Gb. 170 x 240 mm. ISbN 978-3-412-20312-2
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